Tod durch Vorstellungskraft: Das Geheimnis psychogener Todesfälle (German Edition) [2., aktualisierte u. erw. Aufl.] 3211898689, 9783211898680 [PDF]

Kein psychologischer Einfluss auf den Körper kann größer sein als derjenige, der den Tod herbeiführt. Ausgelöst durch ps

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German Pages 395 Year 2009

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Table of contents :
3211898689......Page 1
Tod durch Vorstellungskraft: Das Geheimnis psychogener Todesfälle......Page 3
Copyright Page......Page 4
Geleitwort zur zweiten Auflage......Page 6
Geleitwort zur ersten Auflage......Page 9
Vorwort......Page 13
Danksagung......Page 20
Anmerkung der Lektorin......Page 22
Table of Contents ......Page 23
Abkürzungsverzeichnis......Page 26
Einführung......Page 29
Der Begriff „psychogen“......Page 33
Psychogener Tod......Page 35
Psychogener Tod und Organbefund......Page 37
Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen?......Page 38
Umfang psychogener Todesphänomene......Page 49
Phänomene des psychogenen Todes......Page 53
Voodoo-Tod......Page 57
Verzauberung, Verfluchung, Schwarze Magie usw.......Page 60
Prophetie......Page 65
Suggestion......Page 66
Zusammenfassung: Magische Beeinflussung und die Aufhebung ihrer Wirkung......Page 67
Pathogenetische Faktoren beim Voodoo-Tod......Page 72
Tabu-Tod......Page 74
Aberglaube......Page 76
Religion......Page 78
Sozialnormen......Page 81
Jahrestage......Page 83
Angst, Schock, Schreck, Stress, Überarbeitung usw.......Page 87
Freude/Gelächter/Ekstase......Page 95
Liebestod......Page 97
Zusammenfassung: Begegnung mit dem Unmöglichen und seine Ermöglichung......Page 98
Pathogenetische Faktoren beim Tabu-Tod......Page 99
Heimweh-Tod......Page 100
Fernweh......Page 109
Trauer......Page 110
Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit......Page 111
Zusammenfassung: Käfigsituation und Befreiung......Page 112
Der Sich-Aufgeben/Aufgegeben-sein-Komplex......Page 114
Verlust des Lebenswillens......Page 115
Besessenheitstod im Sinne der Tiefenpsychologie......Page 116
Psychogener Tod und Persönlichkeit......Page 117
Psychogener Tod und Neurose......Page 118
Psychogener Tod und Psychose......Page 121
Die tödliche Katatonie......Page 128
Die Krankheit verläuft in vier charakteristischen Stadien (Mann et al. 1986):......Page 133
Die tödliche Katatonie in Verbindung mit Neuroleptika......Page 136
Die tödliche Katatonie in Verbindung mit dem Unbewussten......Page 140
Plötzliche, unerwartete Todesfälle: SUDS......Page 143
SUDS und Aberglaube......Page 150
Unerklärliche Todesfälle bei Kindern: SIDS......Page 153
Das Oxford Textbook of Pathology definiert SIDS wie folgt:......Page 154
Einladungstod im Rahmen eines Weltenentwurfs......Page 160
Psychogener Tod und Vorzeichen......Page 163
Bewusstes psychogenes Sterben......Page 168
Besessenheit, Exorzismus und Himmelfahrt......Page 170
Pathogenetische Faktoren beim Seelentod......Page 171
Voodoo- und Tabu-Tod: „Du wirst sterben!“......Page 172
Heimweh- und Seelentod: „Ich werde sterben!“......Page 173
Definition des menschlichen Todes......Page 174
Ursache und Zeitpunkt des Todes......Page 175
Ursache......Page 176
Zeitpunkt......Page 177
Das psychogene Mortalitätssyndrom......Page 185
Pathogenetische Faktoren......Page 188
Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod......Page 197
Mythopoetische Todesfigur......Page 198
Beziehung als Nahrung für die Seele ?......Page 202
Gegensätze......Page 204
Dualität......Page 205
Parallelität und Isomorphismus......Page 206
John von Neumanns Schranke......Page 208
Die Zweieinigkeit von Körper und Geist......Page 212
Psychologische Faktoren im engeren Sinne......Page 217
Psychogener Tod im außergewöhnlichen Bewusstseinszustand......Page 218
Soziologische Faktoren......Page 220
Biologische Faktoren......Page 221
Die Konstellation des Todesarchetyps......Page 223
Das Modell der Käfigsituation......Page 225
Das informationstheoretische Modell......Page 234
Verschiebung der soziopsychosomatischen Grenzflächen......Page 235
Neuropsychologische Aspekte......Page 236
Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick......Page 237
Phylogenetische Überlegungen......Page 243
Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge......Page 246
Voodoo-Tod: Der Vorteil der Gehorsamkeit bestimmten Individuen gegenüber......Page 249
Tabu-Tod: Der Vorteil der Gehorsamkeit der Gruppe gegenüber......Page 250
Heimweh-Tod: Der Vorteil der Zugehörigkeit zu einem Ort......Page 253
Qualia......Page 255
Binding und Psychose......Page 256
Binding und schöpferisches Denken......Page 258
Antizipation oder Vorhersage von Ereignissen......Page 261
Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität......Page 262
Phänomene erhöhter Sensibilität......Page 263
Spirituelle Heilung und Fernheilung......Page 264
Divination und Wahrträume......Page 266
Außersinnliche Wahrnehmung und Gedankenlesen......Page 267
Synchronizität......Page 269
Jagd/Sport/Alltag......Page 270
Sensorische Deprivation, sensorische Überflutung, Drogen, Meditation etc.......Page 271
Schizophrenie......Page 272
Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene......Page 276
Placebo-/Nocebo-Eff ekt: Schnittstelle zwischen Körper und Geist......Page 277
Theorien zur Informationsverarbeitung bei Emotionen......Page 278
Physiologische Reaktionen auf Emotionen......Page 279
Effort-Relaxation-Axis versus Elation-Dejection-Axis......Page 280
Stress: Die emotionelle Quelle psychogener Nocebo-Modelle......Page 281
Nebenwirkungen, Massenhysterie und Krankheitsrisiko......Page 282
Verschiebung der Th1/Th2-Immunantwort bei emotioneller Belastung......Page 284
Emotionelle Belastung und Entzündung......Page 286
Das Phasenübergangs-Modell......Page 287
Modelle im Rahmen der tödlichen Katatonie......Page 289
Modelle im Rahmen anderer plötzlicher unerwarteter Todesfälle:SUDS......Page 293
Modell einer „Hitzewelle“ im sympathischen Nervensystem:Das bedrückte Herz......Page 296
Dazu kommen......Page 297
Angst, Depression und Dysphorie als Risikofaktoren fürHerzrhythmusstörungen......Page 300
Modell eines „Sturms“ im sympathischen Nervensystem:Das gebrochene Herz......Page 304
Intensivierung einer Organstörung via Psyche......Page 308
Rhythmogener Herztod......Page 309
Vortäuschung von psychogenem Tod durch übersehene tödliche Organfehler......Page 310
Abschließende Gedanken zum Phänomen „Psychogener Tod“......Page 312
Literaturverzeichnis......Page 318
Anmerkungen......Page 367
Sach- und Namenregister......Page 384
Zum Autor......Page 395
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Zitiervorschau

W

Gary Bruno Schmid

Tod durch Vorstellungskraft Das Geheimnis psychogener Todesfälle Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage

SpringerWienNewYork

Gary Bruno Schmid, Ph. D. Psychotherapeut SPV/ASP, Ausbilder und Supervisor für Medizinische Hypnose SMSH, Analytischer Psychologe, Zürich, Schweiz

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Insbesondere Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eine Haftung des Autors oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. © 2000 und 2010 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Satz: PTP-Berlin Protago-TEX-Production GmbH, 10779 Berlin, Deutschland www.ptp-berlin.eu Druck: Druckerei Theiss GmbH, 9431 St. Stefan, Österreich, www.theiss.at Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier SPIN 12250493 Mit 1 Abbildung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 3-211-83409-5 1. Aufl. SpringerWienNewYork

ISBN 978-3-211-89868-0 SpringerWienNewYork

Cendrine, Marie-Hélène, Annette und Marion

Geleitwort zur zweiten Auflage

Meine Ausführungen im „Geleitwort“ zur 1. Auflage des von mir bereits im Jahre 2000 als Standardwerk bezeichneten Buches über den „Psychogenen Tod“ kann ich an dieser Stelle in vollem Umfange bestätigen. Die Bedeutung der 277 Seiten umfassenden 1. Auflage des Buches geht allein schon aus der Tatsache hervor, dass uns bereits aus dem Jahre 2003 eine Übersetzung in die japanische Sprache vorliegt, gefolgt 2004 von einer Lizenzausgabe in deutscher Sprache. Daher überrascht es in keiner Weise, dass sich der österreichische Springer-Verlag in Wien zur Herausgabe einer 2. Auflage entschlossen hat. Diese sollte ursprünglich auch noch das im Schlusskapitel der 1. Auflage des Buches auf den Seiten 229–234 unter dem Titel „Ausblick“ angekündigte Kapitel „Psychogene Heilung“ umfassen. Dieses neue Manuskript mit dem vollständig überarbeiteten und ganz wesentlich ergänzten ersten Teil über den „Tod durch Vorstellungskraft“ einerseits und den neuen Kapiteln über „Heilung durch Vorstellungskraft“ andererseits hat jedoch den erwarteten Umfang für die Publikation in einem Band bei weitem überschritten. Daher musste das umfangreiche Manuskript vom Autor Dr. phil. G. B. Schmid überarbeitet und aufgeteilt werden. Der neue zweite Band über „Heilung durch Vorstellungskraft“ wird sicher mit großer Spannung erwartet werden und selbst sehr kritische Leser zufrieden stellen. Was den „Tod durch Vorstellungskraft“, kurz den „Psychogenen Tod“ betrifft, so darf ich meine Ausführungen aus dem Jahre 2000 ergänzen. Es sind ganz wesentliche Erneuerungen wie z. B. das Kapitel über „Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene“ dazugekommen. Es werden mögliche molekulare, physiologische und phylogenetische Zusammenhänge in Bezug auf das Phänomen des „Psychogenen Todes“ vorgestellt, die natürlich auch für die „Psychogene Heilung“ gültig sind. Dies mit dem Hinweis auf zahlreiche zumeist neue Publikationen. Der menschliche Körper verfügt über gesundheitsschädliche und ebenso auch gesundheitsförderliche Kapazitäten, die gerne auch mit stressfördernd oder stressreduzierend umschrieben werden. Dabei bestehen große individuelle Unterschiede. Es ist weiter zu berücksichtigen, dass das Sterben ein Vorgang ist, dessen Ablauf pathologischanatomisch allenfalls extrapoliert werden kann. Der Obduzent muss über die vorliegenden oder fehlenden Organbefunde hinaus auch an Stoffwechselstörungen und mitunter auch an freiwillig oder unfreiwillig eingenommene Noxen

Geleitwort zur zweiten Auflage

oder überdosierte Medikamente denken. An dieser Stelle ist es mir ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass die Autopsieaufträge an die Institute für klinische Pathologie weiterhin abnehmen. Es fehlen daher in zunehmenden Maße Sektionsbefunde, vor allem bei unerwarteten und plötzlichen Todesfällen aller Altersstufen vom Säugling (sog. SIDS) bis zum Erwachsenen. Auch in einer Zeit mit bildgebenden Verfahren, sei es mit Röntgenstrahlen, mit Magnetresonanz, mit Ultraschall oder anderen Methoden, von einer geradezu unglaublichen Qualität, vermag die Sektion immer wieder einmal überraschende Befunde zu bieten bzw. eine morphologische Erklärung für einen psychogenen Todesfall vermissen lassen. Es ist m. E. unverantwortlich, den Entscheid für die Vornahme einer Autopsie unmittelbar nach dem Tode eines lieben Angehörigen den Hinterbliebenen zu überlassen. Auch ich wäre in einer derartigen Situation völlig überfordert und würde wohl auch mit „Nein, bitte keine Obduktion“ antworten. Nach dem Ablaufen einer unterschiedlich langen Trauerzeit meldet sich dann aber doch die Frage nach dem Ergebnis einer Sektion. In der Annahme, dass wir uns doch nicht ganz immer an die Vorschriften halten würden, wurde mir diese natürlich unbeantwortet gebliebene Frage während meiner Tätigkeit als Chefarzt eines kantonalen, d. h. eines staatlichen, Institutes für Pathologie in Münsterlingen am Bodensee wiederholt gestellt. Das Versprechen für die Vermittlung des Resultates einer Obduktion an die Angehörigen sei es über den Hausarzt oder den letztbehandelnden Arzt oder auch durch den Pathologen, könnte einen Beitrag zur Zustimmung zu einer Sektion leisten. Dabei muss dieses Ergebnis in der Form einer schriftlichen „Sektionsdiagnose mit einem ergänzenden Kommentar“ innerhalb „nützlicher Frist“, d. h. spätestens nach einem Monat vorliegen. Die Autopsie ist auch heute in einer Zeit mit einer über exzellente diagnostische Methoden verfügenden Medizin nicht unentbehrlich geworden. Dabei darf ich mit gutem Gewissen festhalten, dass der finanzielle Aufwand für eine Sektion im Vergleich zu anderen Untersuchungen im medizinischen Labor, im Röntgeninstitut oder auch in den Spezialabteilungen der Kardiologen, Pulmonologen, Gastroenterologen, um nur einige der vielen Fachrichtungen mit einem großen Arsenal an Techniken zu nennen, recht klein ist. Der Einwand ist ohne Zweifel richtig, dass dieses Ergebnis dem Verstorbenen nicht mehr hilft. Bei Todesfällen stehen aber in jedem Fall die Angehörigen im Vordergrund, die vor allem bei unerwarteten, plötzlichen Todesfällen, einschließlich Suizide, nach einer Erklärung suchen. Hier kann der Facharzt für Pathologie eine wertvolle Hilfe bieten. Es ist mir ein großes Anliegen, diese Überlegungen eines jetzt im Ruhestand lebenden Pathologen mit einer großen jahrzehntelangen Erfahrung bei

VIII

Geleitwort zur zweiten Auflage

Autopsien im Vorwort zur zweiten Auflage dieses wertvollen Buches einzubringen. Der Leserin und dem Leser meinen besten Dank für ihr Verständnis! Winterthur, 18. 10. 2009

Prof. Dr. med. Thomas Hardmeier Felsenhofstr. 4, 8400 Winterthur Schweiz E-Mail: [email protected]

IX

Geleitwort zur ersten Auflage

Für den Pathologen und den Rechtsmediziner ist die Frage nach der Todesursache ein ständiger Begleiter bei der täglichen Arbeit im Sektionssaal. Dabei sind wir uns stets bewusst, dass das Ereignis des Todes das Resultat einer Summation von Störeffekten im Sinne von Volker Becker (Erlangen) darstellt und dass es die Todesursache an sich nicht gibt (vgl. Leiss, 1982). In besonderem Maße gefordert ist der Morphologe bei plötzlichen und unerwarteten Todesfällen, vor allem wenn diese Säuglinge und Kleinkinder im Sinne eines Sudden Infant Death Syndrome (SIDS) sowie auch junge Erwachsene und scheinbar gesunde Menschen „im besten Alter aus voller Gesundheit heraus“ betreffen. In der Literatur finden sich entsprechend zahlreiche Publikationen zu diesem Thema mit Empfehlungen für das Vorgehen bei der Autopsie und der Untersuchung des Herzens. Es darf an dieser Stelle der zu Beginn des Jahres 1999 in der renommierten Fachzeitschrift „Histopathology“ publizierte Übersichtsartikel von M. J. Davies (London) „The investigation of sudden cardiac death“ erwähnt werden (Davies, 1999). Dies gilt für Situationen, in denen die Untersuchung der anderen Organe, z. B. des Gehirns oder der Lunge, keine Veränderungen im Sinne einer Hirnblutung oder einer Lungenembolie ergeben haben. Dabei sind wir uns immer bewusst, dass selbst eine schwere Hirnblutung oder eine zentrale Lungenembolie nicht unbedingt sofort zum Tode führen muss. Häufig können wir auf eine Rekonstruktion der Umstände vor dem Eintritt des Todes und die Frage nach abnormen Befunden bei früheren ärztlichen Untersuchungen nicht verzichten. Als Beispiele seien etwa Patienten mit einem AV-Block oder dem „long QT-Syndrome“ erwähnt, bei denen Herzrhythmusstörungen zu einem plötzlichen Herztod führen können. Im Laufe meiner eigenen rund 40-jährigen Erfahrungen in den Sektionssälen der Institute für Pathologie in Winterthur, Lausanne, Zürich und Münsterlingen (1972–1998) habe ich – und das in eher zunehmendem Maße – die Erfahrung gemacht, dass alle Abklärungen über Vorgeschichte mit Beschwerden wie einer Angina pectoris und ärztliche Untersuchungen zusammen mit einer sorgfältigen histopathologischen Untersuchung vor allem am Herzen (vielfach mit der Unterstützung des Herzspezialisten Prof. Dr. med. Jakob Schneider am Departement Pathologie der Universität Zürich) zu keinem befriedigenden Ergebnis bezüglich der Todesursache führen. Deshalb hat die Lektüre des Textes zum Referat von Dr. Gary Bruno Schmid: „Der psychogene Tod“ im Rahmen des rechtsmedizinischen Kolloquiums am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (Direktor:

Geleitwort zur ersten Auflage

Prof. Dr. med. W. Bär) vom 29. 2. 1992 für mich eine lehrreiche Erfahrung bedeutet. Seither habe ich die weitergehende Arbeit mit der Entstehung dieses Buches verfolgen können. Dabei haben wir eigene Beobachtungen und entsprechende Mitteilungen aus der Literatur ausgetauscht. Der Autor fasst nun seine Erfahrung mit psychogenen Todesfällen bei sog. Naturvölkern, aus biblischen Überlieferungen nicht nur der christlichen Kultur und aus dem Alltag des modernen Lebens zusammen. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf das umfangreiche Literaturverzeichnis mit rund 1.000 Zitaten aus fast 500 Literaturangaben. Der Tod ist die letzte Etappe des menschlichen Reifungsprozesses. Er kann durch Krankheit, Unfall und andere äußere Gewalteinwirkungen sowie auch durch Selbsttötung verursacht werden. Für den Zeitpunkt des Todes spielen ohne Zweifel psychologische Faktoren eine wichtige Rolle. Dass diese auch ohne nachweisbare organische Befunde vor allem am Herzen zum Tode führen können, steht für mich fest. Dabei bestehen aber auch keine Zweifel, dass die Autopsie für die Beantwortung der Frage nach den Umständen, insbesondere Organveränderungen als Todesursache, weiterhin im Zentrum des Interesses steht. Zum Zeitpunkt des Todes muss den Angehörigen die Frage nach einer Autopsie abgenommen werden. Das Interesse an krankhaften Befunden und sich daraus ergebenden Konsequenzen für prophylaktische Maßnahmen (z. B. die Aderlassbehandlung bei einer Hämochromatose, einer vererbten Eisenstoffwechselerkrankung) wird aber früher oder später manifest werden und nach einer Antwort verlangen. Auf eine entsprechende Vorinformation sollte bei der Feststellung des Todes nicht verzichtet werden! Dabei sollte auch die psychologische Situation des Verstorbenen miteinbezogen werden. Bei der in gewohnter Weise kritischen Interpretation aller Umstände und der morphologischen Befunde (allenfalls unter Einbezug von toxikologischen Untersuchungen) werden auch der Pathologe und der Rechtsmediziner mitunter das Vorliegen eines psychogenen Todes akzeptieren müssen, auch wenn wir diese Diagnose morphologisch nicht beweisen können. Außer diesem Buch, das den psychogenen Tod in umfassender Weise behandelt, liegen mir zur Publikation in einem australischen Lehrbuch der Rechtsmedizin und einem weiteren Buch des Springer-Verlages über die morphologischen Befunde nach dem Einsatz des sog. Herzlasers zwei Kapitel meines früheren Mitarbeiters in Münsterlingen, Dr. med. W. Schweitzer, (jetzt am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern tätig) vor (Schweitzer und Cordner 1999, Schweitzer et al. 1999). Im Kapitel „Cardiovascular Pathology and Sudden Death“ werden ganz am Anfang ebenfalls die Chaos-Theorie sowie extrakardiale psychologische Faktoren und die nicht so selten besondere Situation bei psychiatrischen Krankheiten erwähnt. Dazu gibt es natürlich bereits von früher her Literatur. Es sei das zwanzig Jahre alte Buch des amerikanischen Internisten M. H. Wendkos: „Sudden death and psychiatric illness“ erwähnt, das dieses XII

Geleitwort zur ersten Auflage

Thema in extenso behandelt (Wendkos 1979). Es folgen dann aber die für den Morphologen im Vordergrund stehenden Befunde mit der Diagnose einer Kardiomyopathie, einer Myocarditis oder der häufigen koronaren Herzkrankheit, alles Befunde die klinisch stumm bleiben und dann plötzlich zum Tode führen können. Es bestehen dabei keine Zweifel, dass die morphologischen Möglichkeiten vor allem der Herzuntersuchung mit der Histopathologie noch verbessert werden können. Wir haben das in Münsterlingen ab 1993 dank der Zusammenarbeit mit dem damals neu eröffneten Herzzentrum Bodensee (HZB) in Kreuzlingen/TG erlebt. Anhand der für uns neuen Beobachtungen an Operationspräparaten vor allem von erkrankten Herzklappen, aber auch von Autopsien schwer herzkranker Patienten (nicht so selten in Verbindung mit anderen schweren Leiden), haben wir bis anhin ausschließlich autoptisch erhobene Befunde in Bezug auf ihre Bedeutung als Todesursache etwas revidieren müssen. Unsere Erfahrungen mit der eingehenden histopathologischen Untersuchung des Herzmuskels bei verstorbenen und ebenso auch später operierten Patienten nach Einsatz des sog. Herzlasers haben wir in verschiedenen Publikationen in Fachzeitschriften mitgeteilt. Dabei sind auch dreidimensionale Rekonstruktionen der Befunde an den Laserkanälen im Herzmuskel in Zusammenarbeit mit Geographen und EDV-Spezialisten zum Einsatz gekommen. Wenn wir uns derart von beiden Seiten her anstrengen und dabei die psychologischen Überlegungen und die morphologischen Befunde in unsere Schlussfolgerungen miteinbeziehen, werden wir unsere Aussagen über die Todesursache verbessern können. Aus diesem Grund bin ich Dr. Gary Bruno Schmid dankbar für dieses Buch, das ich zur unvoreingenommenen Lektüre allen Interessierten empfehlen kann. Der psychogene Tod ist auch in unserer modernen Welt eine Tatsache, wobei gerade bei Ärztinnen und Ärzten persönliche Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen, um zu dieser Überzeugung zu kommen. Dabei muss man mit dem Autor akzeptieren, dass zwischen Geist und Körper keine eindeutige Grenze gezogen werden kann. Die Auslösemechanismen für den psychogenen Tod sind zeitlos und anthropologisch universell, sie können als archetypisch bezeichnet werden. Drei Bedingungen spielen für den psychogenen Tod eine wichtige Rolle: die psychogenen Anstöße und der psychogene Verlauf sowie Ausschluss von anderen Todesursachen. Dieser muss auch heute noch mit einer Autopsie erfolgen, die, wie das beim SIDS, d. h. beim plötzlichen Tod von Säuglingen und Kleinkindern allgemein akzeptiert ist, keine pathologischen Organbefunde ergibt, die als Todesursache akzeptiert werden können. Mit dieser Möglichkeit muss man in erster Linie bei plötzlichen und unerwarteten Todesfällen rechnen. Anhand der Evolutionsgeschichte der letzten 10.000 Jahre spielen in der Vorstellungskraft gesunder Personen drei Aspekte eine wichtige Rolle, nämlich XIII

Geleitwort zur ersten Auflage

beim Voodoo-Tod der Einfluss einer mächtigen Person, beim Tabu-Tod das Brechen eines unantastbaren Verbotes und beim Heimweh-Tod das Vorliegen einer ausweglosen Situation. Diese letztere Situation kann man sich im Zeitalter einer weltweit funktionierenden Kommunikation mit Handy, Fax und E-Mail kaum noch vorstellen. Der Heimweh-Tod ist in der Schweizer Geschichte mit der Überlieferung der Erfahrungen von Söldnern und Auswanderern sehr gut dokumentiert. Larrey, der Leibarzt Napoléon I., hat beim sog. Schweizer Heimweh seinerzeit drei Stadien dieser bei Söldnern zum Tode führenden Situation unterschieden. Mit einem Zitat von S. Freud (1919) darf dies unterstrichen werden: „Aber auf kaum einem anderen Gebiet hat sich unser Denken und Fühlen seit den Urzeiten so wenig verändert, ist das Alte unter dünner Decke so gut erhalten geblieben, wie in unserer Beziehung zum Tode.“ Dazu kommt als weiterer Aspekt der „Seelentod“ bei psychisch kranken Menschen unter dem früheren Begriff der perniziösen Katatonie. Dieser gibt Anlass zu einem Exkurs über FDILS, („Ferndenken in lebenden Systemen“) aufgrund neuester Erkenntnisse aus der Neuropsychologie und der Quantentheorie der Physik, einem Bereich, mit dem sich der Autor sehr eingehend auseinandergesetzt hat. Da der Tod als sichere Tatsache für uns alle feststeht, gehen uns das Buch „Tod durch Vorstellungskraft“ und die vom Autor Dr. Gary Bruno Schmid gezogenen Schlussfolgerungen alle an. Es verdient eine gute Aufnahme und wird ohne Zweifel zu weiter gehenden Diskussionen führen, die lehrreich für alle sind. Beim Buch von Gary Bruno Schmid: „Tod durch Vorstellungskraft“ handelt es sich meines Erachtens um die wohl umfassendste und gründlichste Bearbeitung dieses Themas im deutschsprachigen Schrifttum. Es ist das Standardwerk zu diesem Thema. Prof. Dr. med. Thomas Hardmeier

XIV

Vorwort

Im Zuge meiner alltäglichen Arbeit entstand der Wunsch, die erste Auflage dieses Buches zu revidieren und um ein neues Kapitel zu erweitern. Diskutiert wird neu der aktuelle Wissensstand psychogener Todesphänomene; dies ermöglicht einen kritischen Blick auf den psychogenen Tod und weist den Weg zur Erweiterung des Themas auf die physiologischen Grundlagen psychogener Todes- und Heilungsphänomene. Die Literaturangaben wurden ergänzt und auf den aktuellen Stand gebracht. Das Sach- und Namenregister wurde gründlich überarbeitet. Die vorliegende Arbeit richtet sich an Mediziner, Psychotherapeuten, Heilpraktiker und weitere Fachleute sowie auch an Laien, die an der Macht der eigenen Vorstellungskraft interessiert sind: Wie ist es möglich, dass der Mensch mittels seiner Vorstellungskraft sterben kann? Das Phänomen des psychogenen Todes beruht auf wissenschaftlichen Fakten, die Phänomenen wie Placebooder Nocebo-Effekt zugrunde liegen. Um den physiologischen Grundlagen psychogener Todes- und Heilungsphänomene Raum zu geben, musste die eine oder andere Abhandlung aus der ersten Auflage Platz machen. Dieser Schere ist das interessante, wenn auch eher umstrittene Thema „Ferndenken in lebenden Systemen“ und seine quantenphysikalischen Grundlagen zum Opfer gefallen. Wie sich herausgestellt hat, wären zum Verständnis dieser Ausführungen physikalische Kenntnisse erforderlich, um z. B. Teleportation als quantenphysikalischen Terminus technicus zu begreifen und nicht als Wortneuschöpfung von Science Fiction-Filmen. Ich bitte jene Leserinnen und Leser um Verzeihung, die dieses Kapitel vermissen. Vielleicht kann ich das Thema in einer separaten Publikation nochmals und mehr en détail behandeln. Gerne möchte ich an dieser Stelle das Problem des Skeptizismus ansprechen: Die Logik einer skeptischen Auseinandersetzung schlägt jede Evidenz; man kann anführen, dass keine Schlussfolgerung aus Beobachtungen absolut richtig sei, dass man nicht sicher von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen könne und kein Vorgang oder Objekt dem anderen exakt identisch sei, was die Reproduzierbarkeit experimenteller Forschung ungeheuer erschwert. Aufzuzeigen, dass Zweifel an einer Sache bestehen oder es auch eine andere Version einer Geschichte gibt, heißt aber noch nicht, dass eine Beobachtung oder ein Bericht abwegig seien. Der gangbare Weg, wissenschaftliches, d. h. falsifizierbares Wissen zu generieren, besteht in Beobachtung, Theoriebildung und Experi-

Vorwort

ment, nicht aber in Offenbarung, Tradition, Studium von Büchern obskurer Herkunft oder Allianzbildung unter und mit Machtträgern. Alles Wissen ist vorläufig. Die Fallberichte und Hypothesen aus der ersten Auflage wurden überarbeitet und ergänzt, in den übrigen Teilen hält sich die zweite Auflage in Thema und Umfang an die erste. Glaubhafte Berichte aus erster Hand neueren Datums belegen, dass der psychogene Tod – ein bewusst ausgelöster und im Unbewussten lauernder Todesprozess, der in der Regel in emotional hochbesetzten Situationen im Kontext dramatischer sozialer Umstände stattfindet – die Menschheit weiterhin begleitet: „Und am 11. Mai 1996 geschah es anlässlich der Feier zum 60. Geburtstag seines Schülers Gerhard Bräunig. Es ereilte ihn die Ruptur des Aneurysmas (der Bauchaorta) aufrecht und ruhig stehend. Es kann nur die Emotion von Geist und Gefühl sein, versichern die Dabeigewesenen.“ (Jung 1997, S. 1)

Dieses Zitat von Herrn Prof. Dr. med. Ernst G. Jung, der 1965 von Zürich nach Heidelberg ging und bis vor kurzem Ordinarius für Dermatologie in Mannheim war, stammt aus der Erinnerungsschrift an den früheren Heidelberger Pathologen Prof. Dr. med. Wilhelm Doerr (1914–1996). Dazu ist ausdrücklich festzuhalten, dass es sich bei den Dabeigewesenen in erster Linie um Pathologen handelte, die den plötzlichen Kollaps von Prof. Doerr – einer der führenden Pathologen in Deutschland – in dieser Weise interpretierten. Mein Freund und Kollege Thomas Hardmeier, ehemaliger Privatdozent für Pathologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich und ehemaliger Chefarzt des Instituts für Pathologie am Kantonsspital Münsterlingen am Bodensee, hat als wissenschaftlicher Assistent der Universitäts-Hautklinik Prof. Doerr in den Jahren 1965–1968 in Heidelberg selbst erleben können. Über seine Bekanntschaft mit Prof. Doerr schreibt er: „Er (Prof. Doerr) ist in der Tat ein durch seine Eloquenz und barocke Aussprache beeindruckender Pathologe gewesen, der in seinem Fach große Bedeutung hatte.“ (Hardmeier 2001)

und unterstreicht das obige Zitat seines Freundes Ernst G. Jung mit der Bemerkung: „So stößt man immer wieder auf Belege für die These des psychogenen Todes.“ (Hardmeier 2001)

Hypnos ruft seinen Bruder Thanatos auch im Alltag herbei und nicht nur in Schilderungen aus zweiter Hand, wie wir in diesem Buch reichlich sehen werden. Kein anderes Phänomen offenbart auf derart dramatische Weise den engen Zusammenhang zwischen Körper und Geist. Zusätzlich zu einigen gut belegten XVI

Vorwort

Fällen von Voodoo-, Tabu-, Heimweh- und Seelentod werde ich noch eine Hypothese im darwinistischen Sinn zur phylogenetischen Entwicklung des psychogenen Todes anbieten. Die Bedeutung der irrationalen Angst, die allgemein an Themen haftet, die wie der psychogene Tod auf irgendeine Art und Weise in Zusammenhang mit Aberglaube, magischem Denken, schwarzer Magie u. dgl. gebracht werden, lässt sich auch an den Fällen ablesen, in denen jemand zu Unrecht solcher Praktiken wie der Hexerei beschuldigt wird. Hierzu ein paar einschlägige Berichte von aktuellen Ereignissen: Kenia: 15 Hexen verbrannt (Quelle: SDA/ATS aus 20 Minuten, 21. 05. 08) „Ein Dorf im Westen Kenias ist Schauplatz eines entsetzlichen Verbrechens geworden. Ein wütender Mob trieb im Dorf Nyakeo am Dienstagabend 15 Frauen zusammen und verbrannte sie wegen angeblicher Hexerei bei lebendigem Leib. Das berichteten Augenzeugen und Behördenvertreter am Mittwoch. Die rund hundert Menschen, die an dem Verbrechen beteiligt waren, waren zuvor von Haus zu Haus gezogen und hatten die Frauen in ihre Gewalt gebracht. Die Namen der Frauen seien offenbar in einem Exorzismus-Buch der örtlichen Grundschule aufgeführt gewesen, sagte ein Polizeisprecher im Afrikaprogramm des britischen Radiosenders BBC. Der Ortsvorsteher des Distrikts, Mwangi Ngunyi, zeigte sich erschüttert. ‚Nur weil sie jemanden verdächtigen, dürfen die Menschen noch lange keine Selbstjustiz üben’, sagte Ngunyi. ‚Wir werden die Verdächtigen jagen.’ Nach seinen Angaben setzte die Menge auch etwa 50 Häuser des Dorfes in Brand. Dorfbewohner zeigten dagegen Verständnis für die Lynchjustiz: Da Hexerei vom Gesetz nicht bestraft werde, müssten sich die Menschen auf diese Weise ‚schützen’. In den 90er Jahren sind im Westen Kenias Dutzende Menschen wegen angeblicher Hexerei verbrannt worden. Anlass für die Morde waren damals kursierende Gerüchte, wonach Menschen wie von Zauberhand zu Kannibalen, Schlafwandlern, stumm oder taub wurden.” Ägypten: „Killer-SMS verbreitet Angst und Schrecken” (Quelle: Unbekannt [2009], Killer-SMS verbreitet in Ägypten Angst und Schrecken. 20 Minuten. Tamedia AG Zürich, S. 25) „Gerüchte über die Verbreitung eines SMS, das angeblich töten soll, halten sich in Ägypten so hartnäckig, dass jetzt sogar die Behörden dagegen vorgehen. Angeblich erlitt ein Mann nach dem Lesen einer geheimnisvollen

XVII

Vorwort

Kurznachricht auf seinem Handy einen Schlaganfall mit Todesfolge. Das mysteriöse SMS habe die Endziffern 111 enthalten. Dieses Gerücht verbreitete sich in Ägypten wie ein Lauffeuer und beschäftigt inzwischen auch die Behörden. Es gebe keine Handy-Botschaft, die bei den Empfängern zuerst schwere Kopfschmerzen und dann eine tödliche Gehirnblutung auslöse, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Mena unter Berufung auf Sicherheitskreise. Das Gesundheitsministerium erklärte, es sei den Behörden kein derartiger Fall bekannt. ‚Diese Gerüchte widersprechen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen’, hieß es in der Erklärung. Das Innenministerium nahm laut Mena drei Ölarbeiter fest, die verdächtigt werden, das Gerücht in Umlauf gebracht zu haben."

In Tat und Wahrheit ist das alles nicht so ungewöhnlich und unwissenschaftlich, wie es die Einzelfälle vermuten lassen. Das altbekannte Phänomen der Suggestibilität, das schon Sigmund Freud bei seinen Hysterikerinnen studierte, und das beim Placebo-/Nocebo-Effekt sowie in der Hypnotherapie für die Steuerung des menschlichen Vegetativums und Blutkreislaufs zutage tritt, zeigt klar: Genauso wie übermäßige Angst, Schock und Stress einzelne Gesunde ums Leben bringen können, so können positive Vorstellungen einzelne Kranke heilen. (Ein Buch zum Thema der psychogenen Heilung befindet sich im SpringerVerlag in Vorbereitung.) Die Thematik des psychogenen Todes in Form von Voodoo- oder Tabutod fand Aufnahme in breiteren Bevölkerungskreisen durch Filme und sog. Stadtoder Wanderlegenden (urban legends). Weniger bekannt ist der psychogene Tod aus Heimweh, der seit dem späten 17. Jahrhundert in der medizinischen Literatur belegt ist. Vor Aufkommen der modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel im 19./20. Jahrhundert war es nicht nur möglich, an Heimweh zu sterben, es geschah auch. Die Angst davor war damals so groß, dass sogar ein gestandener Professor die Berufung an einen höchst attraktiven Lehrstuhl ausschlug aus Furcht, er könne Heimweh bekommen und daran sterben. Dass der Tod auch im Kontext psychsozialer Käfigsituationen zuschlägt, ist in der medizinischen Literatur spätestens seit dem Ersten Weltkrieg bekannt, als zahlreiche Berichte von internierten Militärärzten akkurat dokumentiert wurden. Sie wurden Zeugen des rapiden Verfalls ihrer kraftlosen Mithäftlinge, die hilf- und hoffnungslos in aussichtloser Lage gefangen durch die Vorstellung absoluter emotioneller Isolation starben, obwohl sie sich ansonsten keineswegs in einem letalen Zustand befanden. In der Psychiatrie war man im 19. und 20. Jahrhundert mit ähnlichen Phänomenen in Form plötzlicher, unerwarteter Todesfälle bei Patienten mit perniziöser Katatonie und, in neuerer Zeit, malignem neuroleptischem Syndrom (MNS) konfrontiert. Gerne möchte ich noch auf einige skeptische Anfragen nach der ersten Auflage eingehen. Was hat es z. B. mit den erfundenen literarischen Beispielen und XVIII

Vorwort

sog. Stadtlegenden, auch Wanderlegenden, Märchen des Alltags oder modernen Legenden (urban legends) auf sich? Sie zeigen, dass das Phänomen des psychogenen Todes tief in der Volksseele verankert ist und etwas Archetypisches an sich hat, d. h. einen Erfahrungswert besitzt unabhängig von Kultur, Rasse oder Zeitepoche. Ähnliche Beispiele werden dem einen oder anderen Leser bei der Lekture in den Sinn kommen. Das heißt natürlich nicht, dass solche Legenden auf einer Stufe mit Tatsachenberichten stehen. Einzelfallberichte über psychogenen Tod (oder psychogene Heilung) sind m. E. mehr als nur zufällige oder harmlose Anekdoten, ich betrachte sie vielmehr als ernst zu nehmende „Naturexperimente“ (experiments of nature). Beispiele aus der Neuzeit findet man in der Fachliteratur meistens unter der Bezeichnung „SUDS“, (Sudden Unexpected Death Syndrome bzw. Außergewöhnlicher Todesfall (AGT), z. B. die Berichte über die Hmong im Unterkapitel „SUDS und Aberglaube“. Bei Einzelfallstudien kann man per definitionem weder den Beweis antreten, der Zeitzusammenhang sei überzufällig, noch mögliche widerlegende Exempel untersuchen. Hier geht es eher darum, die einzelnen Beispiele auf ihre Plausibilität hin zu befragen, was implizit durch die Güte meiner Quellen geschieht. Aufgrund der vielen statistischen Feldstudien, die die Aussagen der Einzelfälle stützen, geht diese Arbeit über das bloße Sammeln und Ordnen von Einzelfällen hinaus. Leider ist dabei die Möglichkeit von Sinnes- und Selbsttäuschungen der Berichterstatter aus ehrenwerten wie schamlosen Motiven nicht immer auszuschließen. Man muss schon in Erwägung ziehen, dass die Sinne dem Beobachter eventuell einen Streich spielten, dass er vielleicht gefoppt wurde, dass sich jemand wichtig machen wollte. Man darf z. B. Berichten abergläubischer Eingeborener nicht übermäßig viel Glauben schenken, da selten eine Autopsie vorgenommen wurde: Hatte der junge Mann, der im Bericht eines Kongoreisenden – siehe unten – nach dem verbotenen Genuss eines Huhns starb, vielleicht eine Salmonellenvergiftung? Allerdings kommt es mir sehr merkwürdig vor, dass der Wahrheitsgehalt der Fallberichte, die in der von seriösen Experten begutachteten medizinischen Fachliteratur publiziert wurden, erst dann angezweifelt wird, sobald diese Berichte den psychogenen Tod zum Inhalt haben. Man könnte sich natürlich auch fragen, ob die Verleugnung einer gewissen Wahrheit der in diesem Buch zitierten Einzelfälle auf ein gewisses autistisches Denken bei den Skeptikern hinweist (siehe z. B. Bleuler 1912). Eine sektiererische Skepsis muss beiseite geschoben werden, wenn man, wie es heutzutage in der modernen Bewusstseinswissenschaft geschieht, solch schwierigen Themen wie Bewusstsein, freier Wille, Qualia, psychogene Heilung und psychogener Tod nachgehen will. Die Tatsache, dass die meisten in der medizinischen Fachliteratur angeführten Beispiele von Tod durch Imagination nicht aus der Neuzeit stammen, sonXIX

Vorwort

dern deutlich mehr als fünfzig Jahre zurückliegen, deutet eher auf die Verlagerung des Interesses der Schulmedizin weg vom Geistigen in Richtung des Physischen und weniger auf eine Widerlegung des Phänomens an sich durch neue, verbesserte Untersuchungsmöglichkeiten. Wie im Text diskutiert, schließen genauere Testmethoden keineswegs das Vorliegen eines psychogenen Todes aus, da wahrscheinlich immer häufiger irgendwo ein somatischer Grund für den einsetzenden Tod zu finden ist. Der Begriff „psychogen“ bezieht sich auf den Auslöser, sozusagen auf den Strafrichter und nicht auf den Scharfrichter: Wie ein buchstäblich zum Tode Verurteilter allein durch die Information/Imagination sterben kann, wird im Unterkapitel „Suggestion“ in aller Deutlichkeit gezeigt. Der gegenwärtige Stand der medizinischen Forschung zum Thema psychogener Tod wird, wie bereits erwähnt, in dieser zweiten Auflage in einem neuen, separaten Kapitel ausführlich behandelt. Somit wird klar, dass wir es hier mit einem Phänomen zu tun haben, das einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung bedarf. Der Leser wird bemerken, dass mehrere Zitate der älteren Fallbeispiele mit Bemerkungen wie „Es wurde von Autoritäten berichtet, dass ...“ oder „Vor Jahren wurde in Indien in einer medizinischen Zeitschrift ein Artikel mit dem Titel ...“ oder „Ein junges Individuum im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt wird plötzlich unruhig ...“ usw. eingeleitet werden. Solche Bemerkungen stammen wie die Fallbeispiele jeweils aus zuverlässigen Quellen, die zu ihrer Zeit oft als Koryphäen der Medizin galten. Die Tatsache, dass es sich hierbei immer wieder um Zitate von Zitaten handelt, z. B. (Yawger 1936, S. 876, Zitat nach Strecker und Appel) bzw. (Wendkos 1979, S. 165–166) (Fall ursprünglich von Shulack 1938) hat nichts mit einer „Nacherzählung der Nacherzählung“ zu tun. Leser, die mit der üblichen Praxis im zeitgemäßen wissenschaftlichen Zitatwesen vertraut sind, werden wissen, dass die Wichtigkeit eines publizierten Faktums u. a. daran zu messen ist, wie oft es von anderen Autoren zitiert wird – siehe die bibliometrischen Indikatoren für Qualität oder Auswirkung individueller Forschungsleistungen wie z. B. Science Impact Index (SII) oder PageRank u. a. m. Somit verweist eine Verschachtelung von Quellen indirekt auf die Bedeutung des Zitats: je länger die Kette der zitierenden Autoren, desto bedeutender das Zitat. Darüber hinaus ist es m. E. ein Zeichen intellektueller Redlichkeit, als Autor offen zu zeigen, woher ein Zitat stammt und nicht einfach das Original anzugeben. Im Rahmen der wissenschaftlichen Tradition werden referierte Beobachtungen von qualifizierten Kollegen in Fachpublikationen (peer referred journals) ernst genommen. Das Phänomen psychogener Tod, das ich in diesem Werk vorstelle, kann heute als solider Zweig der Wissenschaft betrachtet werden, gewachsen aus dem Stamm der empirischen Grundlagenforschung und gut dokumentierter FallXX

Vorwort

studien. Zudem ist zu erwarten, dass er auf der Basis der Erkenntnisse der beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen weiter gedeihen wird. Damit ist das Studium des psychogenen Todes eine interdisziplinäre Wissenschaft par excellence: genährt von den biologischen, ethnologischen, medizinischen, physikalischen, psychologischen, psychotherapeutischen und soziologischen Grundlagendisziplinen. Ich hoffe, dass diese Arbeit zu einer Weiterentwicklung unserer Kenntnisse zum Thema psychogener Tod beiträgt, und bedanke mich an dieser Stelle noch einmal bei Kollegen, Freunden, Familienmitgliedern und all den Menschen, die das Verfassen und Erscheinen dieses Buches ermöglicht haben. Viel Freude beim Lesen! Gary Bruno Schmid

XXI

Danksagung

Frau Dr. med. Annette Rausch, Ärztin für Psychiatrie, und Herrn Professor Dr. med. Thomas Hardmeier, Facharzt FMH für Pathologie, möchte ich erneut für ihre fachliche und seelische Begleitung durch den professionellen und persönlichen Entwicklungsprozess während meiner Arbeit an der zweiten Auflage danken. Herrn Dr. med. Thomas Knecht, Facharzt FMH für Psychiatrie, sowie Herrn Professor Hans U. Fuchs, Dipl. Phys. ETH, bin ich für ihre vielen freundschaftlichen und inspirierenden Diskussionen, insbesondere für den Hinweis auf den Behavioral Despair Test und für die Vertiefung meiner quantenphysikalischen Überlegungen dankbar verpflichtet. Mit einer ganz besonderen Freude danke ich meiner Tochter Talaya für die s/w-Illustration (Januskopf). An dieser Stelle bedanke ich mich besonders herzlich bei Frau Marion Wagner, dipl. Musikerin SMPV, für ihre liebevolle Verbundenheit über Jahrzehnte hinweg, ohne die für diese Arbeit nicht ein einziger Buchstabe niedergeschrieben worden wäre. Nach getaner Arbeit bedanke ich mich auch sehr herzlich bei Frau Christiane M. Schweizer, Psychotherapeutin und Apothekerin, für ihre wertvollen Anregungen und die gründliche und kritische formale, inhaltliche und literarische Redaktion des vorliegenden Textes. Sie hat das ursprüngliche Manuskript korrigiert und verbessert, große Teile zur neuen Auflage vom Englischen ins Deutsche übersetzt und mein amerikanisch gefärbtes Deutsch in verständliche Sätze übertragen. Darüber hinaus hat sie mir als kompetente und geschätzte Gesprächspartnerin und Rechercheurin geholfen, sowohl Inhalt als auch Form der einzelnen Gedankengänge immer wieder zu ergänzen, zu verbessern oder zu verwerfen. Durch ihre unermüdliche Genauigkeit, Geduld, Intelligenz und Kreativität hatten wir über viele Monate hinweg eine sehr angenehme und produktive Zusammenarbeit. Dem Springer-Verlag, und hier insbesondere Herrn Dr. Alois Sillaber, Herrn Raimund Petri-Wieder, Frau Mag. Eva-Maria Oberhauser und Frau Mag. Renate Eichhorn, danke ich für ihre ungewöhnliche Geduld und die stete Förderung des Buchprojekts. Vor allem danke ich auch den Vertretern der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Medizinische Hypnose (SMSH) für ihre beständige Ermutigung und Unterstützung während der Vertiefung meiner Ideen zum psychogenen Tod. Aufrichtigen Dank möchte ich auch einer langen Reihe von hier nicht namentlich erwähnten Menschen sagen, die ich auf dem Weg zur Vollendung

Danksagung

dieses Werkes überzeugt, überredet oder gedrängt habe, mir Literaturhinweise, spontane Einsichten und ihr fundiertes Wissen mitzuteilen und die ich leider nicht alle einzeln erwähnen kann. Dafür bitte ich sie hier ausdrücklich höflichst um Verständnis. Hiermit danke ich auch herzlich den Kritikern der ersten Auflage, von denen ich gelernt habe und die mich zu offenbar nötigen Klarstellungen und Präzisierungen angeregt und ermutigt haben. Und last but not least möchte ich mich bei meinen Töchtern, Cendrine Chandra und Marie-Hélène Talaya Schmid und insbesondere bei meiner Partnerin Annette Rausch für ihr liebevolles, begleitendes Dasein während der Arbeit an diesem Manuskript bedanken.

XXIV

Anmerkung der Lektorin

Als ich den Auftrag zu Lektorat, Revision und Übersetzung an diesem Buch annahm, war nicht vorauszusehen, wie intensiv und lehrreich sich diese Arbeit für mich gestalten würde. Ich habe den Text nach bestem Wissen durchkämmt, einiges neu übersetzt und das Übrige weiter geglättet. Die Kunst besteht wohl darin, das Ganze lesbar zu gestalten und doch den Stil des Autors nicht allzu sehr zu verändern. Der Lesbarkeit wegen haben wir uns entschlossen, auf die Nennung jeweils beider Geschlechter zu verzichten und abwechselnd die weibliche oder männliche Form gewählt (das Englische ist da unkomplizierter ...) Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass das Englische einige Wendungen und Ausdrücke mehr kennt als das Deutsche. Wo keine elegante Übersetzung (ohne Sinnveränderung) zu finden war, haben wir das englische Original belassen oder in Klammern gesetzt. Da sich die deutsche Orthographie momentan im Umbruch befindet und viele Kann-Bestimmungen enthält, wurde auf allzu enge Duden-Anlehnung verzichtet und zum einfacheren Verständnis längerer Begriffe auf den bewährten Bindestrich zurückgegriffen. Sollte der eine oder andere Anglizismus der Aufmerksamkeit entgangen sein oder gar ein Helvetismus sich eingeschlichen haben, so bitte ich die geneigte Leserschaft um Nachsicht. Viele Monate angeregter Zusammenarbeit mit teils hitzigen, manchmal ausufernden, immer aber sachdienlichen Diskussionen formaler und inhaltlicher Art mit vielfach sich neu ergebenden Aspekten liegen nun hinter uns. Nach getaner Arbeit ergreife ich die Gelegenheit, allen an der Entstehung dieses Buches Beteiligten zu danken, insbesondere und naturgemäß meinem Lehrer und Supervisor Dr. Gary Bruno Schmid sowie Dr. Annette Rausch für ihre wertschätzende Unterstützung und die überaus bereichernde und humorvolle Atmosphäre, in der dieses Werk entstehen konnte. Ich hoffe, dass ein wenig davon durchscheint und sich anregend auf die Lesenden überträgt. Zürich, 6. Juli 2009

Christiane M. Schweizer-Voigt Thurwiesenstr. 7, 8037 Zürich Schweiz E-Mail: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Der Begriff „psychogen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

Psychogener Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Psychogener Tod und Organbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen? . . . . . . . . . . . .

10

Umfang psychogener Todesphänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Phänomene des psychogenen Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Voodoo-Tod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzauberung, Verfluchung, Schwarze Magie usw. . . . . . . . . . Prophetie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totbeten/Mortbeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Suggestion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Magische Beeinflussung und die Aufhebung ihrer Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenetische Faktoren beim Voodoo-Tod . . . . . . . . . . . .

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Tabu-Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aberglaube. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jahrestage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angst, Schock, Schreck, Stress, Überarbeitung usw.. . . . . . Freude/Gelächter/Ekstase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liebestod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Begegnung mit dem Unmöglichen und seine Ermöglichung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathogenetische Faktoren beim Tabu-Tod . . . . . . . . . . .

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29 32 37 38 38

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39 44

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46 48 50 53 55 59 67 69

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70 71

Heimweh-Tod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fernweh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit. . . . . . . Zusammenfassung: Käfigsituation und Befreiung . Pathogenetische Faktoren beim Heimweh-Tod . .

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72 81 82 83 84 86

Seelentod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besessenheitstod im Sinne der Tiefenpsychologie. Plötzliche, unerwartete Todesfälle: SUDS . . . . . Unerklärliche Todesfälle bei Kindern: SIDS . . . .

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88 88 115 125

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Inhaltsverzeichnis

Einladungstod im Rahmen eines Weltenentwurfs. . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Sendungsbewusstsein versus Inspiration . . . . . . . . . Pathogenetische Faktoren beim Seelentod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 142 143

Das psychogene Todessyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

Voodoo- und Tabu-Tod: „Du wirst sterben!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

Heimweh- und Seelentod: „Ich werde sterben!“. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145

Definition des menschlichen Todes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

Ursache und Zeitpunkt des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 148 149

Das psychogene Mortalitätssyndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

Pathogenetische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169

Mythopoetische Todesfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170

Beziehung als Nahrung für die Seele? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174

Gegensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dualität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Polarität und Komplementarität. . . . . . . . . . . Parallelität und Isomorphismus . . . . . . . . . . . Zweieinigkeit und John von Neumanns Schranke.

. . . . .

176 177 178 178 180

Psychologische Faktoren im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychogener Tod im außergewöhnlichen Bewusstseinszustand . . . . . . . .

189 190

Soziologische Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

Biologische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Konstellation des Todesarchetyps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 195

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms . . . . .

197

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Das Modell der Käfigsituation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197

Das informationstheoretische Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206

Das chaostheoretische Modell der nichtlinearen Dynamik . . . . . . . . . . . .

207

Verschiebung der soziopsychosomatischen Grenzflächen . . . . . . . . . . . . . Neuropsychologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 208

Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick . . . . . . . . . . . . . .

209

Phylogenetische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . Voodoo-Tod: Der Vorteil der Gehorsamkeit bestimmten Individuen gegenüber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabu-Tod: Der Vorteil der Gehorsamkeit der Gruppe gegenüber . . . . . . .

218

XXVIII

221 222

Inhaltsverzeichnis

Heimweh-Tod: Der Vorteil der Zugehörigkeit zu einem Ort. . . . . . . . . . Seelentod: Der Vorteil der Selbstreflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

225 227

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität . . . . . . . . . . . . . . . Phänomene erhöhter Sensibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

234 235

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes(und Heilungs)phänomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248

Placebo-/Nocebo-Effekt: Schnittstelle zwischen Körper und Geist . Theorien zur Informationsverarbeitung bei Emotionen . . . . . Physiologische Reaktionen auf Emotionen. . . . . . . . . . . . . Effort-Relaxation-Axis versus Elation-Dejection-Axis . . . . . .

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249 250 251 252

Stress: Die emotionelle Quelle psychogener Nocebo-Modelle. . . . . . . . Nebenwirkungen, Massenhysterie und Krankheitsrisiko . . . . . . . . . Verschiebung der Th1/Th2-Immunantwort bei emotioneller Belastung Emotionelle Belastung und Entzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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253 254 256 258

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259 259 261

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265

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268

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276 280 280

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282

Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Gedanken zum Phänomen „Psychogener Tod“ . . . . . . . .

284 284

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

341

Sach- und Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

359

Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens . . . . . . Das Phasenübergangs-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle im Rahmen der tödlichen Katatonie . . . . . . . . . . . . Modelle im Rahmen anderer plötzlicher unerwarteter Todesfälle: SUDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell einer „Hitzewelle“ im sympathischen Nervensystem: Das bedrückte Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell eines „Sturms“ im sympathischen Nervensystem: Das gebrochene Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biochemische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intensivierung einer Organstörung via Psyche. . . . . . . . . . . . Vortäuschung von psychogenem Tod durch übersehene tödliche Organfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXIX

Abkürzungsverzeichnis

ACE A. d. V. AGT AHA AIDS AKS AMA AP ASW AV BBC BIITS

BNP BMI BRD Ca CAM

CC CCT CCU CIA CK CPC CPK CRP D-sleep DMILS

Angiotensin Converting Enzyme Anmerkung des Verfassers Außergewöhnlicher Todesfall American Heart Association Acquired Immune Deficiancy Syndrome akutes Koronarsyndrom American Medical Association Associated Press außersinnliche Wahrnehmung atrioventrikulär British Broadcasting Corporation Blood-Injection-Injury typespecific (phobia)/Phobie bzgl. Blut, Spritzen, Verletzungen Brain Natriuretic Peptide Body Mass Index Bundesrepublik Deutschland Kalzium Complementary and Alternative Medicine/Komplementär- und Alternativmedizin Commotio cerebri/Gehirnerschütterung Craniale Computer-Tomographie Coronary Care Unit/Herz-Intensivstation Central Intelligence Agency/ US-Geheimdienst Creatin-Kinase/Kreatinkinase Klinisch-Pathologisch-Anatomisches Kolloquium Creatinphosphokinase Capsel-reaktives Protein REM-Schlaf Distant Mentation in Living Systems

EDA EDV EEG EKG EKT

ELS EMG EO ETH

FDILS FN FPI FMH

fMRI

Hg HIV

HMI HPA

HPV HRV

Elektrodermale Aktivität/ Hautleitfähigkeit Elektronische Datenverarbeitung Elektroenzephalographie/ Elektroenzephalogramm Elektrokardiographie/Elektrokardiogramm Elektrokonvulsionstherapie/ Elektrokrampftherapie (ehemals: Elektroschocktherapie) Erregungsleitungssystem Elektromyographie Endogenes opioides System Eidgenössische Technische Hochschule

Ferndenken in lebenden Systemen Fußnote Freiburger Persönlichkeitsinventar Foederatio Medicorum Helveticorum/Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte functional Magnetic Resonance Imaging/funktionelle Kernspintomographie

Quecksilber(-Säule) Human Immunodeficiancy Virus/Humanes ImmundefizienzVirus Hahn-Meitner-Institut Hypothalamic-pituary-adrenal axis/Hypothalamisch-hypophysär-adrenerge Achse Human Papilloma Virus Herzfrequenzvariabilität

Abkürzungsverzeichnis

Hz HZB

IABP ICD IL

JILA

Hertz (Anzahl Schwingungen oder Zyklen pro Sekunde) Herzzentrum Bodensee in Kreuzlingen/Thurgau

Intraaortale Ballonpumpe International Classification of Diseases Interleukin

Joint Institute for Laboratory Astrophysics

OP

Operation, chirurgischer Eingriff

PKTS PUKT PVC

Plötzliches Kindstodsyndrom Plötzlicher ungeklärter Kindstod Premature Ventricular Contractions/ventrikuläre Extrasystolen

RAS REM

Renin-Angiotensin-System Rapid Eye Movement

SADS

Sudden Arrhythmic Death Syndrome Sympathetic-adrenal-medullary axis/sympatisch-adrenergmedulläre Achse Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften Sudden Cardiac Death/ plötzlicher Herztod/Sekundenherztod Schweizerische Depeschenagentur Sechs Dramaturgische Elemente Sudden Infant Death Syndrome Science Impact Index Schweizerischer Musikpädagogischer Verband Short Message Service Societé medicale suisse d’hypnose/Schweizerische Ärztegesellschaft für medizinische Hypnose Schweizer Psychotherapeutenverband (ASP: Association Suisse des Psychothérapeutes) Sudden Unexpected Death in Epilepsy Sudden Unexpected Death Syndrome/Sudden Unexplained Death Syndrome Sudden Unexplained Infant Death Sudden Unexplained Nocturne Syndrome

SAM KAM KG KHK

Komplementär- und Alternativmedizin Kriegsgefangenschaft Koronare Herzkrankheit

SAMW SCD

LSD

Lysergsäurediethylamid SDA

MCS

MEG MG MMPI MNS MPI

MRI MS

N NGF NL NMS NO

XXXII

Multiple Chemical Sensitivity/ Multiple Chemikalien-Unverträglichkeit Magnetoenzephalographie Myasthenia gravis Minnesota Multiphasic Personality Inventory Malignes Neuroleptisches Syndrom Mass Psychogenic Illness (Massenhysterie in Bezug auf Krankheiten) Magnetic Resonance Imaging/ Magnetresonanztomographie Multiple Sklerose

Stickstoff Nerve Growth Factor Neuroleptika Neuroleptic Malignent Syndrome Stickstoffmonoxid

SDE SIDS SII SMPV SMS SMSH

SPV

SUDEP SUDS

SUID SUNDS

Abkürzungsverzeichnis

Th. H. TWA T-Zellen

UNO UR USA

Thomas Hardmeier Trans World Airlines Thymusabhängige Lymphozyten

United Nations Organization/ Vereinte Nationen Unkonditionierter Reiz United States of America/ Vereinigte Staaten von Amerika

UST

Unerwarteter Säuglingstod

WHO

World Health Organisation/ Weltgesundheitsorganisation der UNO

ZNS

Zentralnervensystem

XXXIII

Einführung

Der natürliche Tod im hohen Alter ist die letzte Etappe im diesseitigen menschlichen Reifungsprozess. Kein Einfluss auf das Leben ist tiefergreifend als derjenige, der diesen Prozess beschleunigt oder verzögert. Der Mensch hat diese Macht traditionellerweise den Göttern und den Sternen überlassen. Vielleicht lösen auch deswegen Heiler und Mörder, die auf eigene Art und Weise über Leben und Tod zu bestimmen scheinen, soviel Ehrfurcht oder Angst in ihren Mitmenschen aus. Nun hoffe ich, mit diesem Buch meine Leser und Leserinnen zu einer ähnlichen Würdigung der eigenen Vorstellungskraft zu motivieren. Denn die Macht zu beidem – sich selbst heilen sowie sich selbst töten – liegt offensichtlich auch in jedem von uns. Der psychogene Tod – ausgelöst durch psychische Beeinflussung (Fremdoder Autosuggestion) und vollzogen durch die eigene, im Körper eingebettete Vorstellungskraft – ist das dramatischste Beispiel der potentiellen Macht, die die innere Bilderwelt und die Sprache über das menschliche Leben haben können: Kein psychischer Einfluss auf den Körper kann größer sein als derjenige, der Gevatter Tod heraufbeschwört. Die Anekdoten und Fakten über den psychogenen Tod, die ich in diesem Buch gesammelt und diskutiert, und die Schlüsse, die ich daraus gezogen habe, sind Teile eines Versuchs, die Lesenden zu den Möglichkeiten der eigenen inneren Kraft hinzuführen, denn: Wenn ein Mensch mit dem geistig-seelischen Potential, das er in sich birgt, sich selbst zu töten vermag, sollte er sich auch selbst heilen können. Mit diesen Vorbemerkungen möchte ich mich nun mit Ihnen auf eine zuweilen eigenartige Reise durch dieses Buch begeben. In erster Linie wird unser Weg von folgender Frage bestimmt sein: „Welchen Einfluss kann die Vorstellungskraft auf den Augenblick des Todes haben?“ Bei mehreren Einzelfallbeobachtungen kann solch ein Einfluss einfach durch eine statistisch signifikante Korrelation geschätzt werden, wie dies z. B. in der Epidemiologie- und Hypnoseforschung geläufig ist und wie wir im Verlauf meiner Ausführungen sehen werden. Selbstverständlich muss man hierbei ein Kriterium festlegen, wieviel Zeit zwischen dem auslösenden Faktor und dem Eintritt des Todes maximal vergehen darf, damit noch ein Zusammenhang angenommen werden kann. In den meisten Fällen wird diese Zeitspanne durch die Natur des mutmaßlich beeinflussenden Faktors (z. B. Tabubruch, Verfluchung, Aussetzung, Stress usw.) plus die mutmaßliche Todesursache (z. B.

Einführung

Herzversagen, Kreislaufkollaps usw.) durch das jeweilige Todesphänomen gegeben. Bei einer einzigen, isolierten Beobachtung ist eine statistische Aussage unmöglich und der Begriff „Einfluss“ – wenn dieser nicht offensichtlich und eindeutig aus dem Kontext der jeweils gegebenen Todesursache zu erkennen ist – lässt Raum für Interpretationen. Auf jeden Fall und wie jeder Wissenschaftler weiß, der sich mit der Bewusstseinswissenschaft auseinandergesetzt hat, werden wir genauso wenig über den Einfluss der Vorstellung auf den Augenblick des Todes wie auf jenen irgendeines motorischen Willensakts wissen können – siehe z. B. die Untersuchungen zum Thema „Freier Wille“ (Libet 1985; Libet 1985; Libet 1987; Libet et al. 1979). Im Begriff Einfluss liegt eine Vielfalt möglicher Auffassungen: ein determinierender Faktor, der alle anderen Einflüsse überragt; ein auslösender Faktor für eine bereits angelegte Bereitschaft, etwas zu tun (zu sterben, den Arm in die Höhe zu heben usw.); andere (möglicherweise bisher unbekannte) Faktoren; ein Kofaktor etc. Wie bei jeder anderen wissenschaftlichen Untersuchung, die irgendwie mit der mutmaßlichen Schnittstelle zwischen Geist und Materie zu tun hat, soll uns diese Vielfalt in der Interpretation des Materials nicht hindern, obiger oder ähnlichen Frage nachzugehen. Ziel unseres Ausflugs ist es, nicht nur möglichst viele Fragen aufzuwerfen, sondern ebenso viele Antworten zu finden. Die Wanderung wird uns durch wilde, biblische, zivilisatorische und klinische Landschaften führen. Unterwegs gelangen wir immer wieder an Stolpersteine in Form schwieriger Fragen wie: „Wo, wenn überhaupt irgendwo, ist die Grenze zwischen Körper und Geist?“

Zur Orientierung markieren Randsteine mit folgender Feststellung diesen Weg: Es gibt für den Menschen • mächtige Personen, • unantastbare Verbote gegenüber gewissen Objekten, Orten oder Zeiten, • ausweg-, hilf- und hoffnungslose Situationen der emotionellen Isolation und • unbewusste Aktivitäten im Körperinnern, mit denen er sein ureigenes Lebensprinzip in seelischer Hinsicht untrennbar verknüpft. Dies so sehr, dass er schon allein an der Vorstellung sterben kann, wenn er nur eine Überzeugung von der Wirkung einer der oben genannten Bedingungen, die für die Auslöschung oder den Erhalt seines Lebens hinreichend bzw. notwendig ist, erfüllt bzw. nicht erfüllt hat.

Im letzten Kapitel erlaube ich mir eine gewisse poetische Freiheit bei der Verfolgung eines weiteren, eher subjektiven Ziels, eine Antwort auf diese Frage zu suchen: „Wie ist es zur Natur des Menschen gekommen, dass er allein durch seine Vorstellungskraft und unter den oben erwähnten Einflüssen, mit denen er sein ur-

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Einführung

eigenes Lebensprinzip in seelischer Hinsicht untrennbar verknüpft, sterben kann?“

Ich argumentiere zunächst, dass die vernetzte Kommunikation zwischen auseinanderliegenden Nervenzellgruppen (binding oder connectivity) ein zusätzliches Kontrollsystem darstellt, das parallel zu den bekannten anatomischen, chemischen und elektrischen Einflüssen innerhalb des Körpers wirksam ist. Diese Kontrolle ist insbesondere für die Geistesgesundheit im Rahmen der kontextbezogenen, organisierten Informationsverarbeitung des Geist-Gehirns wichtig. Darüber hinaus postuliere ich, dass der psychogene Tod einen evolutionären Vorteil in sich birgt. Denn jede mentale Fähigkeit, die ein Organismus über Jahrtausende in sich trägt, erhöht die Erfolgschancen für ein fundamentales kollektives Sozialverhalten (z. B. Schutz, Sammeln, Jagd, Partnersuche oder Krieg) und wäre für die Individuen im Besitz dieser Fähigkeit im darwinistischen, evolutionären Sinne von Vorteil. Eine genetische Disposition zum psychogenen Tod muss also für jedes so veranlagte Individuum mit einem großen Überlebenswert einhergehen und auch die kollektive Kooperation der Gruppe begünstigen. Im Rahmen des psychogenen Todes verstärkt diese immanente soziale Kooperation die tödliche Wirkung kollektiver Glaubenssätze auf das Opfer nach einer Verfluchung oder einem Tabu-Bruch im Sinne eines „fokussierten Banns“, der das SichAufgeben/Aufgegeben-Sein des verfluchten bzw. sündigen Individuums bis zu einem tödlichen Grad steigert. Auch begünstigt derselbe Gruppenzusammenhalt das Gefühl des Anders- und Alleinseins des Außenseiters, insbesondere das des im Ausland lebenden, an Heimweh leidenden und sterbenden Menschen. Ich stelle sogar die Hypothese auf, dass die Schizophrenie – und der psychogene Tod, der auf perniziöse Formen der Schizophrenie folgen kann – der tragische Preis ist, den einige unglückliche Individuen zahlen müssen, damit alle Mitglieder der Gattung Mensch den Überlebensvorteil einer generellen Fähigkeit zu Selbstreflexion, Intuition, Antizipation und sensibler Offenheit der Welt gegenüber (erhöhte Sensibilität) haben können. Andere, eher umstrittene, eng mit dieser erwiesenen Fähigkeit verbundene Phänomene sind nach meiner Auffassung: Fern- und Geistheilung, Divination und Wahrträume, Außersinnliche Wahrnehmung (ASW), Gedankenlesen, Synchronizitäten, Glück im Spiel, Antizipation in Jagd und Sport, sowie sensorische Deprivations-, Überflutungs-, und auch Drogen- und Meditationserlebnisse. Als Basis für meine Untersuchungen benutze ich vor allem seriöse, nicht spekulative Artikel, die zum größten Teil in international anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht und schon vor der Publikation von Fachkollegen begutachtet wurden. Mit anderen Worten: Die Ideen der vorliegenden Arbeit sind auf einem streng naturwissenschaftlichen Boden gewachsen. Die meisten 3

Einführung

medizinischen Artikel stellen konkrete Fallbeispiele dar. Gleichzeitig habe ich versucht, den nichtwissenschaftlichen Lesenden einen erleichterten Zugang zum Thema zu verschaffen, indem ich immer wieder auf einen mythopoetischen, also bildhaft-dichterischen Stil zurückgreife. Leider – oder sollte ich besser sagen: erfreulicherweise – ist ein ernstes Problem von vornherein nicht zu vermeiden: der Gebrauch von Begriffen aus Metaphysik und Philosophie wie „Körper“, „Geist“, „Leib“, „Materie“, „Psyche“, „Seele“, „Soma“ usw., die nicht unumstritten sind. Für den Zweck der vorliegenden Arbeit möchte ich diese Wörter einfach im Sinne des Alltagsgebrauchs mit Hilfe der üblichen enzyklopädischen Definitionen verstanden wissen. Zum Einstieg in unser eher etwas düsteres Thema möchte ich ein thematisch spätestens seit 1500 bekanntes und tragische Liebeslied (Volksweise 1975)3 als fiktives Fallbeispiel präsentieren: Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten zusammen nicht kommen das Wasser war viel zu tief. „Ach, Liebster, kannst du nicht schwimmen,' so schwimme doch her zu mir, drei Kerzen will ich dir anzünden,' und die sollen leuchten dir.“ Das hört’ eine falsche Norne4, die tat, als wenn sie schlief, sie tät’ die Kerzen auslöschen, der Jüngling ertrank so tief. Ein Fischer wohl fischte lange, bis er den Toten fand: „Sieh da, du liebliche Jungfrau, hast hier deinen Königssohn.“ Sie nahm ihn in die Arme und küßt’ ihm den bleichen Mund, es mußt’ ihr das Herze brechen, sank in den Tod zur Stund’.

Wie könnte ein moderner Fachmann diesen plötzlichen und unerwarteten Todesfall erklären? Ein Versicherungsgutachter würde sich primär auf das offensichtliche Sterben der Königstochter in dieser Erzählung konzentrieren: Unfall unbekannter Ursache. Und wenn viel Geld auf dem Spiel stünde, würde er die Kripo mit einer Untersuchung beauftragen. Eine Polizistin interessierte dann 4

Der Begriff „psychogen“

vor allem der mutmaßliche Hergang. Sie würde vielleicht auf Mord schließen, die falsche Norne verdächtigen und den Arzt um eine Obduktion ersuchen. Der Internist könnte eine dritte Möglichkeit des Exitus letalis der Prinzessin postulieren: plötzliches Herzversagen, während seine Kollegin, die Psychiaterin, möglicherweise einen Suizid der Jungfrau durch Selbstvergiftung in die Diskussion einbrächte. Trotz dieser Fachleute bleibt eine offene Frage: Wenn kein offensichtliches organisches Korrelat existiert, gibt es vielleicht noch eine andere Erklärung, die nicht allein diese Prinzessin betrifft. Zur Antwort müssten sie sich an den Volkskundler wenden. In der Tat ist den Ethnologen schon seit Jahrzehnten eine Todesursache für ein plötzliches und unerwartetes Ableben bekannt, die Menschen aus allen Kulturen und Epochen betrifft, d. h. die eine archetypische Erklärung solcher Todesfälle darstellt, und die von der naturwissenschaftlichen Medizin erst in neuester Zeit anerkannt wird: der psychogene Tod. Fachmann/-frau Versicherungsgutachter Polizistin Internist Psychiaterin Ethnologe

ihm/ihr naheliegende Todesursache Unfall Mord mit Verdächtigung der falschen Norne akutes Herzversagen Suizid durch Vergiftung psychogener Tod

Beim psychogenen Tod hat die Psyche einen direkten, gravierenden Einfluss auf das unmittelbare Objekt: den Körper.

Der Begriff „psychogen“ „Psychogen“ heißt so viel wie „ursprünglich aus der Aktivität der Psyche entstanden“. Das Wort ist eine Zusammensetzung aus den griechischen Wörtern Psyche (Seele) und Genese (Geborenwerden). Bildhafter könnte man sagen: psychogener Tod ist „aus der Seele geborener Tod“. Der Tiefenpsychologe würde vom Urbild des Todes, also von der „Konstellation des Todesarchetyps“ sprechen, und diese Konstellation findet durch die Vorstellungskraft statt. Lassen Sie mich nun den Begriff anhand eines aktuellen Beispiels illustrieren. Es handelt sich um eine wahre Begebenheit, die eine vertrauenswürdige Person mir 1988 mitteilte: „Vor ein paar Jahren wurde ich zu Neujahr bei Freunden eingeladen. Der Gastgeber war seit langem für seine kulinarische Kunst bekannt. Alle waren

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Einführung

auf ein überraschendes Abendessen gespannt. Der Braten war ein großer Erfolg. Die genaue Herkunft dieser ‚Spezialität des Hauses‘ sollte aber ein Geheimnis bleiben. Einige Monate später traf ich mich erneut mit dem damaligen Gastgeber und einem jüngeren Kollegen – ein starker und gesunder Mann – der damals auch am Fest war. Dieser erzählte von seiner Begeisterung über den Neujahrsbraten und bestand im Laufe des Abends hartnäckig darauf, dass der Koch doch endlich sein Rezept preisgeben solle. Nach langem Hin und Her konnte der Gastgeber endlich dazu gebracht werden, den Schleier seines Geheimnisses zu lüften: Katzenbraten! Als der junge Mann dies hörte, wurde er so sehr von Entsetzen gepackt, dass er am ganzen Leibe zu zittern begann. Innerhalb weniger Minuten mußte er sich übergeben.“ (Siehe auch Weiner 1989)

Diese Geschichte mag uns an den Ausdruck erinnern: „Der Schreck ist mir in die Glieder gefahren.“ Diesem Beispiel sehr ähnlich ist das Folgende: „In Arizona habe er eine boshafte Frau gekannt, die ihren Gästen köstliche Sandwiches aus einem unbekannten Fleisch zu essen gab, welches etwa wie Huhn oder wie Thunfisch schmeckte. Wenn die Gäste alles gegessen hatten, erklärte sie jeweils, es sei Klapperschlangenfleisch gewesen. Sofort fühlten sich die Gäste schrecklich übel und begannen, heftig zu erbrechen.“ (Bericht nach Kluckhohn 1949, S. 19, und zitiert in Ellenberger 1952, S. 343)

Ein weiteres Beispiel, das den Inhalt des Begriffs „psychogen“ darstellt: Ein Kleinkind wacht mitten in der Nacht mit einem Wadenkrampf auf und weint. Die Mutter legt ihre Hand auf das zitternde Bein und spürt, „wie ein kalter Strom den Schmerz meines Kindes in meine Hand, durch meinen Arm und meinen Körper hindurch bis hinunter in meine eigenen Waden führt. Gleichzeitig hörte das Kind auf zu weinen: Der Krampf und seine Schmerzen waren verschwunden.“ (Marion Schmid-Wagner, 1988, persönliche Mitteilung)

Weniger tröstlich war die Erfahrung einer jungen Frau, „die zuschauen musste, als ihr Sohn bei einem Unfall drei Finger verlor; sie war davon so überwältigt, dass sie ihm keine Hilfe leisten konnte. Ein Chirurg, der bald darauf am Unfallort erschien, wandte sich an die stöhnende Mutter, die über Schmerzen in der Hand klagte. Eine Untersuchung zeigte, daß die drei entsprechenden bis anhin normalen Finger ihrer eigenen Hand jetzt geschwollen und entzündet waren. Nach vierundzwanzig Stunden wurde Eiter abge-

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Psychogener Tod

führt und die Wunde heilte schließlich.“5 (Yawger 1936, S. 877, Fall von Carter, eine Autorität auf dem Gebiet der Hysterie)

In der Tat können – wie Experimente in Hypnose gezeigt haben – solche symbolischen Stimuli (Engel 1976, S. 428) oder unbewusste Fantasien pathophysiologische Reaktionsmuster bzw. Konversionsreaktionen hervorrufen, bei denen z. B. schon der Gedanke an das Essen von etwas Bestimmtem Erbrechen auslöst oder das bildhafte Voraussehen einer gewissen Verletzung eine Entzündung und/oder lokale Gewebsschädigung begünstigt bzw. hervorbringt. Analog dazu gibt es Lern- oder Konditionierungsvorgänge, durch die ein Mensch sich theoretisch oder durch Exposition Wissen aneignet, und die dann bei ihm ein spezifisches Verhalten auslösen, z. B. dass die Einnahme eines bestimmten Nahrungsmittels Brechreiz bewirkt. Schließlich kennen wir alle mehrere typische psychogene Phänomene, die in der Medizin wohlbekannt sind: Placeboeffekt; unbewusster, somatischer Widerstand gegen ein Medikament, der sich als ein Nicht-Ansprechen äußert (non-response); Unfruchtbarkeit; hysterische Paralyse oder Blindheit; Regulation gewisser körperlicher Funktionen, z. B. Hautwiderstand, Atemfrequenz, Herzfrequenz usw. im Zusammenhang mit biologischen Rückkopplungsmethoden (Biofeedback) oder Meditationstechniken; Rückbildung von Warzen unter Hypnose, Besprechen von Warzen usw. (vgl. z. B. Schaefer 1956; Weiner 1989).6

Psychogener Tod Den Begriff „psychogener Tod“ möchte ich Ihnen näher bringen, indem ich die moderne Geschichte am Anfang des vorigen Abschnitts mit dem folgenden Bericht aus dem afrikanischen Congo des Jahres 1682 vergleiche: „Ein junger Afrikaner fand während seiner Reise Unterkunft bei einem Bekannten eines anderen Stammes. Dieser Freund hatte zum Frühstück ein wildes Huhn vorbereitet; ein Essen, das allen Jugendlichen des Stammes des jungen Afrikaners strengstens verboten war. Der Junge wollte wissen, ob dieses Huhn solch ein für ihn verbotenes sei. Als der Gastgeber dies verneinte, aß der junge Mann tüchtig davon und setzte seinen Weg fort. Einige Jahre später begegneten sich die beiden Männer nochmals. Der ältere Freund fragte den nun nicht mehr Jugendlichen, ob er mit ihm ein wildes Huhn essen wolle. Der Jüngere antwortete, dass ein Zauberer ihm inzwischen strengstens verboten habe, wildes Huhn auch im Erwachsenenalter zu essen.

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Einführung

Darauf fing der Gastgeber an zu lachen und fragte seinen Besucher, warum er wildes Huhn jetzt ablehne, wo er doch ein genau solches schon vor Jahren bei ihm am Tisch verzehrt habe. Sowie der Mann dies hörte, wurde er so sehr von Angst gepackt, dass er sofort am ganzen Leibe zu zittern anfing. In weniger als 24 Stunden war er tot.“7 (Bericht nach Merolla, erwähnt in Pinkerton 1814, S. 237 ff und zitiert in Cannon 1957, S. 182)

Diese Geschichte schildert in aller Deutlichkeit, was ich unter dem Phänomen des psychogenen Todes verstehe und wie mächtig unsere Vorstellungskraft sein kann. Beim psychogenen Tod spreche ich vom Sterben allein aus seelischer Ursache: Ein Sterben, das psychologisch, stark affektgeladen und ohne relevante physische Einwirkung von innen (Krankheit, Nahrungsentzug, Dehydratation, tödliche Störungen des Immunsystems, genetisch bedingte Lebensdauer usw.) oder von außen (Verletzung, Gift etc. einschließlich Tod durch die eigene, psychisch gesteuerte Hand, d. h. Selbstmord) ausgelöst wird und bis zum Exitus letalis verläuft. Neben dem expliziten Begriff „psychogener Tod“ findet man in der medizinischen Literatur eine Menge anderer Formulierungen, die offensichtlich das Gleiche bedeuten. So gibt es Ausdrücke wie z. B. Thanatomania (Roth 1897); Obi- bzw. Obeah-Tod, Hoodoo-Tod oder „Tod durch Emotionen“ (Yawger 1936); „Tod durch emotionalen Schock“ (Martin 1929; Dimsdale 1977); „Tod durch Furcht“ (Murden 1963); Tapu-, Taboo- bzw. Tabu-Tod, Vodun-, Voudoubzw. Voodoo-Tod oder „Tod durch Suggestion“ (Cannon 1942; Ellenberger 1952; Barber 1961; Barker 1968); „Tod durch psychischen Schock“ (Stürup 1942); „psychischer Tod“ (Menninger 1948; Walters 1944); „psychisch bedingter Tod“ (Jores und Droste 1956; Jores 1959; Jores und Puchta 1959); Vagus-Tod (Bilz 1966) und neuerdings „Sudden Unexpected Death Syndrome“ SUDS (Außergewöhnlicher Todesfall, AGT) (Hmong 1988; Luizet 1989; Goldberger und Rigney 1990). Ein psychogener Todesfall muss nicht unbedingt ohne einen pathologischanatomischen Befund einhergehen. Die eventuelle Negativität eines Obduktionsbefundes darf nicht verabsolutiert werden und deutet nur auf die methodische Insuffizienz der jeweiligen Untersuchungstechnik. Mit Horst Kächele meine auch ich, dass „eine Kohärenz naturwissenschaftlichen Geschehens angenommen werden muss, die auch ohne genaue Kenntnis der auslösenden Momente das Postulat einer durchgehenden Kausalität im biologischen Bereich berechtigt erscheinen lässt“ (Kächele 1970, S. 217). Und trotzdem werden wir auch mit dieser eher schlichten Haltung gegenüber dem psychogen ausgelösten körperlichen Todesprozess genug Wunderliches über den jeweiligen psychischen, stark gefühlsbeladenen Auslösemechanismus zu hören bekommen. 8

Psychogener Tod und Organbefund

Zur Verdeutlichung meiner Haltung schließe ich mich nach dem Studium der einschlägigen Literatur der Auffassung von Kächele an, dass die bewusste Angst vor dem Tode – „der gesamte Komplex der Todesfurcht und Todesangst“ – für den Eintritt des Todes selbst keine ursächliche Wirkung hat Kächele 1970, S. 107–108). Das Gleiche möchte ich auch vom bewussten Todeswunsch behaupten. M. E. sind es eher unbewusste psychophysiologische Vorgänge, die maßgeblich den psychogenen Todesprozess in potentia ermöglichen, steuern und vollenden, und viel weniger bewusste, soziopsychologische Faktoren, die eigentlich bloß den Todeskomplex aktivieren und dementsprechend allenfalls den Mechanismus fixieren.

Psychogener Tod und Organbefund Konkret-operationell kann man unterscheiden (Hardmeier 2001) zwischen • plötzlichen und unerwarteten Todesfällen ohne Autopsie, bei denen wir nichts über Organveränderungen als Todesursache wissen und • plötzlichen und unerwarteten Todesfällen mit Autopsie, die – entweder die pathologisch-anatomische Ursache des Todes zu klären vermag – oder aber keinen fassbaren Grund vermittelt. Bei diesen letzteren, insgesamt eher seltenen Fällen wird man z. T. dank der Vorgeschichte eine medizinische Erklärung finden: Epilepsie, Herzrhythmusstörungen, Unfallereignis ohne sichtbare Verletzungen etc. Erst wenn man das alles ausschließen kann, verbleiben die „reinen“ psychogenen Todesfälle, für die es sonst keine Erklärung gibt. Alternativ kann man unterscheiden (Hardmeier 2001) zwischen • „reinen“ psychogenen Todesfällen bei im Übrigen organgesunden (oder jedenfalls nicht sterbenskranken) Personen und • psychogenen Todesfällen in Zusammenhang mit einem vorbestehenden, bis zur Sectio unbekannten Organbefund oder auch zuvor diagnostizierten funktionellen Störungen vor allem des Herzens. In beiden Kategorien ist die Annahme berechtigt, dass eine besondere, bewusst wahrgenommene psychosoziale Situation Auslöser gewesen sei, d. h. dass ein psychogener Auslösemechanismus den unbewussten physiologischen Sterbeprozess im Gang gesetzt hat. In der zweiten Kategorie ist der Sterbeprozess pa9

Einführung

thologisch-anatomisch nachweisbar, in der ersten Klasse aber nicht. In beiden Kategorien sind jedoch die Todesfälle „echt“ psychogen. Darüber hinaus gibt es noch eine dritte Kategorie nur scheinbar psychogener Todesfälle, bei denen die Autopsie einen unerwartet schweren Organbefund ergibt, der vorher nicht bekannt war (Hardmeier 2001). Das sind Todesfälle aus scheinbar voller Gesundheit, bei Männern nicht so selten um den Zeitpunkt der Pensionierung herum. Hierzu gibt es durchaus pathologischanatomische Befunde, wie z. B. eine Amyloidose (Lindholm und Wick 1986; Ridolfi et al. 1977) oder ein Pseudoxanthoma elasticum8 (Nolte 2000), seltene Stoffwechsel- oder Systemerkrankungen, seltene arteriale Anomalien (Ridolfi et al. 1977) oder auch eine seltene Entzündung der Herzkranzgefäße (Ridolfi et al. 1977), die eine Todesursache sein können. Schwieriger wird es hier bei der Commotio cordis („Herzerschütterung“/stumpfe Herzverletzung) (Nesbitt et al. 2001), die wie die Commotio cerebri (CC) ohne pathologisch-anatomische Organveränderungen einhergeht. Hier kann die Vorgeschichte weiterhelfen. Dasselbe gilt auch für Situationen bei einer zur Lebenszeit nicht erkannten Epilepsie (Opeskin et al. 2000) oder Herzrhythmusstörung (de Luna et al. 2000). Diese können durchaus ohne pathologisch-anatomisch fassbare Organveränderungen einhergehen.

Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen? Empirische Berichte über den psychogenen Tod sind unserer westlichen Kultur schon seit Jahrhunderten bekannt. Sie wurden von zuverlässigen Beobachtern überliefert, die persönlich mit Stämmen in nahezu allen Teilen der Welt zusammengelebt hatten (Afrika, Alaska, Australien, Borneo, Haiti, Melanasien, Neuguinea, Neuseeland, Nigeria, Nordamerika, Sandwich-Inseln, Südafrika, Südamerika, Westindien u. a. [vgl. Frazer 1928; Ellenberger 1973]). Eine der frühesten Reportagen stammt z. B. von Soares de Souza, der 1587 vom psychogenen Tod in Südamerika bei den Tupinambâ-Indianern im Rahmen ritualisierter psychischer Hinrichtungen durch den Medizinmann berichtet hat (Soares de Souza 1897, S. 292–293). Schon Walter B. Cannon hat erkannt, dass so viele Augenzeugenberichte von seriösen Ärzten, Anthropologen, Forschungsreisenden, Priestern usw. nicht einfach ignoriert werden dürfen und exogene Todesursachen, z. B. Vergiftungen, in den meisten Fällen mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können (Cannon 1942, insb. S. 183–184). Und doch glauben eigentlich die wenigsten Mediziner an den Tod durch psychische Ursachen. Die es tun, sind in der Regel auch diejenigen, die solch einen Tod aus nächster Nähe erlebt haben. Selbstverständlich glauben aber praktisch alle Schriftsteller, wie auch jeder Dichter dies tut, an den psychogenen Tod. 10

Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen?

Beim Mediziner erwecken diese Beispiele allenfalls den Eindruck, dass der psychogene Tod, falls es ihn denn wirklich geben sollte, höchstens bei sogenannten Primitiv- oder Natur-Völkern vorkommt. So haben jedenfalls Feldforscher am Anfang ihrer Untersuchungen psychogener Todesfälle in den vorangegangenen Jahrhunderten bis zum Beginn dieses Jahrhunderts gedacht (Stumpfe 1973, insbesondere Kapitel I, Abschnitt 9), der psychogene Tod sei auf die schwache Konstitution und neurotische Tendenz des primitiven Geistes beschränkt, auf sein Unwissen und seinen Aberglauben. Man findet z. B. folgende Beschreibung des psychogenen Todes bei primitiven Inselbewohnern aus dem ersten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts: „Angst wird wachgerufen; sein Geist wird mit Todesbildern überflutet; er kann nicht schlafen; seine Stimmung trübt sich; sein Appetit schwindet dahin; und die Wirkungen seiner Fantasieängste werden zur realen Ursache des Bösen, das er befürchtet. Wie er seine Gesundheit und Stärke von diesen naturhaften und von ihm weiterhin nicht wahrnehmbaren Ursachen beeinträchtigt erlebt, betrachtet er sein Schicksal als besiegelt; er lehnt jegliches Nahrungsangebot als unnötig und nutzlos ab; er härmt und grämt sich und stirbt unter den Einflüssen seiner eigenen Ignoranz und Aberglauben.“9 (Stewart, 1828, S. 265)

Seit das Thema von einem breiteren Spektrum von Ethnologen, Medizinern und Psychologen aufgenommen wurde, ist dieses Vorurteil langsam geschwunden. Mit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ist der psychogene Tod zum Studienobjekt der westlichen Wissenschaft geworden. In der Tat gibt es viele Vorfälle des psychogenen Todes, die unserer modernen Gesellschaft nicht fremd sind: „…Vorhanden sind viele Beispiele vom plötzlichen Tod aus Angst, beim Anblick von Blut, Spritzen oder dem plötzlichen Eintauchen ins Wasser. Während des Krieges wurde eine beträchtliche Anzahl unerklärlicher Todesfälle bei Soldaten unserer [d. h. hier der amerikanischen, A. d. V.] Armee berichtet. Diese Männer sind trotz offensichtlicher Gesundheit gestorben. Die Obduktion ergab keine pathologischen Organbefunde.“ 10 (Moritz und Zamchek 1946, S. 459) „Auch von Interesse ist hier nach Dr. R. S. Fisher, Pathologe der Stadt Baltimore, dass eine Anzahl Individuen jedes Jahr nach der Einnahme kleiner, definitiv nichtletaler Dosen von Gift, oder nach kleinen, nichtletalen Selbstverletzungen stirbt; sie sterben anscheinend in Folge ihrer Überzeugung, dass sie sterben müssen.“ 11 (Richter 1957, S. 198)

Der bekannte amerikanische Physiologe Walter B. Cannon untersuchte Berichte über Voodoo-Todesfälle und schloss aus eigenen Experimenten mit Katzen, dass auch ein Mensch durch Emotionen der Wut und Angst sterben kann, falls sein autonomes Nervensystem in einem Zustand hoher Erregung gehalten wird und ihm zur selben Zeit keine Möglichkeit gegeben wird, die Spannung durch wirksame Handlungen zu reduzieren (Cannon 1942). 11

Einführung

Eine Art Tabu-Tod – siehe unten – kann auch als unmittelbare psychische Reaktion auf den Biss einer harmlosen Schlange eintreten: „In diesem Zusammenhang darf die Wichtigkeit, ob der Biss von einer harmlosen oder einer giftigen Schlange ist, nicht überschätzt werden, weil es wohl bekannt ist, dass viele Menschen nach einem harmlosen oder nichttödlichen Schlangenbiss aus lauter Angst gestorben sind.“ 12 (Buddle, zitiert nach Yawger 1936, S. 877)

Eine ähnliche, tödliche Angst haben viele moderne Menschen vor einem chirurgischen Engriff. Es gibt sogar Fälle, in denen Patienten im guten körperlichen Zustand schon vor Verabreichung der Anästhesie auf dem Operationstisch sterben (Yawger 1936, S. 875). Auch Cannon kennt solche „banalen“ psychogenen Todesfälle bzw. „psychischen Selbstmorde“ (Hüssy 1945, S. 253): „Dass die Haltung des Patienten wesentlich für den positiven Verlauf einer Operation sei, ist die feste Überzeugung des bekannten amerikanischen Chirurgen Dr. J. M. T. Finney, der viele Jahre den Lehrstuhl für Chirurgie an der medizinischen Fakultät der Johns Hopkins Universität innehatte. Auf der Basis gravierender Erfahrungen hat er öffentlich bekundet [Finney 1934, S. 746; A. d. V.], dass er ohne Ausnahme jeden Patienten und jede Patientin für eine größere Operation abgelehnt hat, der bzw. die Angst vor dem Eingriff geäußert hatte. Irgendein anderer Chirurg sollte das Risiko übernehmen!“ 13. (Cannon 1957, S. 189) Da Stress – wie später eingehender erläutert – die Wundheilung verzögert, sollten nichtdringliche Operationen nach Möglichkeit auf Zeiten geringer psychischer Belastung verschoben werden (siehe auch die noch folgende Veröffentlichung zum Thema „Selbstheilung durch Vorstellungskraft“). In der Tat kann die Diagnose an sich einen psychogenen Tod hervorrufen, falls sie vermeintlich tödlich ist. Zum Beispiel hat der erfahrene Onkologe G.W. Milton vom Sydney Spital in Australien schon längst vor der negativen Auswirkung der Diagnose „Krebs“ auf die Betroffenen gewarnt. Er berichtete, dass viele seiner Patienten nach der Kenntnisnahme der Diagnose einfach ihr Gesicht zur Wand gedreht und einen extrem vorzeitigen Tod erlitten hatten: „Es gibt eine kleine Gruppe von Patienten, denen die Bewusstwerdung des drohenden Todes einen solchen seelischen Schlag versetzt, dass sie sich kaum damit arrangieren können, und sie sterben rasch, noch bevor der bösartige Tumor sich so weit entwickelt, dass er als Todesursache gelten könnte. Dieses Problem eines psychisch selbst ausgelösten Todes ist in einiger Hinsicht dem Tod durch Hexerei (Boning) bei den Naturvölkern analog.“ 14 (Milton 1973, S. 1435)

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Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen?

Hierzu noch ein aktuelles Beispiel: „Als ich 2002 junge Assistenzärztin im Spital Zollikerberg war, hatte ich einen Neueintritt auf meine Abteilung. Es handelte sich um eine 76-jährige Frau, bei der im Rahmen einer sonographischen Untersuchung des Abdomens durch den Hausarzt 2 größere Rundherde in der Leber entdeckt wurden. Der Hausarzt wies die sehr rüstige und sonst ganz gesunde Frau zur stationären Abklärung zu. Wir informierten die Patientin, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine bösartige Geschwulst handelt. Die Patientin drängte auf eine Leberbiopsie, da sie eine eindeutige Diagnose, und damit Klarheit über ihre nähere Zukunft wünschte. Wir rieten davon eher ab, da eine Leberbiopsie auch hin und wieder zu Blutungskomplikationen führen kann und da die Typisierung des Tumors in diesem Fall für die Behandlung nicht relevant war. Frau X. bestand aber darauf und die Leberbiopsie wurde durchgeführt. Das Resultat war: Metastasen eines Adenokarzinoms, unklarer Primärtumor. Als ich mit Frau X. über die Diagnose sprach, bedankte sie sich herzlich, dass ich mich für die Leberbiopsie eingesetzt hatte. Sie wolle nun sterben, denn nun sei sie bereit dafür. Ich versicherte ihr, dass man in diesem Stadium einer Krebserkrankung noch nicht sterben müsse und dass sie noch einmal nach Hause gehen könne, da sie ja noch keine Krankheitssymptome habe. Am nächsten Tag, als ich auf die Abteilung kam, wurde mir vom Pflegepersonal mitgeteilt, dass Frau X. sich gestern Nachmittag hingelegt habe und mit niemandem mehr spreche. Sie sei terminal und dies war für alle sehr überraschend. Ich ging ins Zimmer von Frau X. und setzte mich an ihre Bettkante. Sie schlug die Augen auf und bedankte sich noch einmal, dass ich ihr ermöglicht hatte, eine genaue Diagnose zu bekommen. Sie wünschte mir eine gute berufliche Zukunft und schloss wieder ihre Augen. In der folgenden Nacht starb sie.“ 15

Mit anderen Worten: „… es ist jetzt anerkannt, dass unter gewissen Umständen eine starke Emotion genauso unmittelbar wie ein Messer ein physisches Trauma (Verletzung) bewirken kann.“ 16 (Yawger 1936, S. 878, Zitat nach Emerson)

Auch durch die Einweihungsriten westlicher Geheimgesellschaften kommt es manchmal, wenn auch selten, während der Ausführung eines sonst harmlosen Schocks zu Todesfällen: „Ein Eisengießer und der Präsident einer lokalen Chauffeur-Gewerkschaft sollten in den Orden des Elchs aufgenommen werden. Nachdem man ihnen die

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Einführung

Augen verbunden und die Brust entblößt hatte, sagte man ihnen todernst, dass sie gebrandmarkt würden. Ein Metallwappen mit einem angebrachten Metall- draht wurde auf die Brust der zwei Einzuweihenden gesetzt. Sowie sie den traditionellen, harmlosen Elektroschock bekommen hatten, kollabierten beide aus Angst; und der Vereinsarzt konnte sie nicht wiederbeleben.“ 17 (Yawger 1936, S. 876)

Früher galt der Priester am Krankenbett als der „Todesengel“ und man versuchte die Letzte Ölung möglichst spät spenden zu lassen. Die priesterliche Durchführung dieses letzten Sakraments konnte an sich tödlich sein, wie das folgende Beispiel zeigt: „Ich erinnere mich an einen Fall vor vielen Jahren, den eines jungen Mannes, der für die Boxmeisterschaft trainiert hatte. Als Mann war er ein außerordentliches Prachtexemplar und es fehlte ihm nicht an Mut. Zwei Tage vor seinem erwarteten Boxkampf zeigte er kleine Lungenblutungen, und da es in seiner Familie schon Fälle von Tuberkulose gegeben hatte, verlangte er einen Arzt. Dieser Arzt war ich. Bei der Auskultation war im Brustbereich ein Geräusch auszumachen, aber mehr war nicht zu hören. Ich befahl ihm, im Bett zu bleiben und sich zu schonen. Als ich das Haus verließ, erzählte mir seine Mutter, dass der Gemeindepfarrer unterwegs war, und da der junge Mann seit einiger Zeit seinen religiösen Pflichten nicht mehr nachgekommen war, wäre es wohl besser, wenn der Priester ihn aufsuchte. Aus Furcht, dass der Patient beim Auftritt des Priesters oder bei seinem Versuch, irgendeine religiöse Handlung auszuüben, Angst bekommen könnte, warnte ich die Mutter davor. Trotzdem ist der Priester zu ihrem Sohn gekommen und hat – nach meiner Meinung schlecht beraten – das Sakrament der letzten Ölung ausgeübt. Dies geschah um 15.00 Uhr. Der junge Mann war furchtbar erregt, und um 18.00 Uhr war er tot. Ich weiß nicht, wie die Todesursache lautet. [Die Diagnose könnte meines Erachtens Lungenembolie sein – siehe Schnegg 1996; A. v. Th. H.] … Ich habe immer gedacht, dass die Angst des jungen Mannes zu sterben mit dem Besuch des Priesters verstärkt worden ist.“ 18 (Yawger 1936, S. 879, Kommentar von Dr. J.W. McConnel)

(Vor kurzem hat das Katholische Konzil hier eine Reform eingeleitet, die noch im Gang ist: Krankensalbung wird das Sakrament jetzt genannt, da es für alle Kranken und nicht erst für die Sterbenden bestimmt ist.) Diese und zahlreiche ähnliche Beobachtungen zeigen, dass der Eintritt eines psychogenen Todes nicht auf wenige besonders abergläubische Mitglieder eines primitiven Volkes beschränkt ist (siehe z. B. Kächele 1970, insbesondere Teil I, Abschnitt 5 „Tod an Neurose“, S. 120–121, und Abschnitt 4d „Anorexia nervosa“, S. 119–120). Hierzu eine Warnung, die um die Jahrhundertwende (1906) vom 14

Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen?

Ethnologen A.G. Leonard an den allzu naiven modernen Menschen gerichtet wurde; psychogene Todesphänomene seien nicht einfach auf eine unbewusste, abergläubische und tödliche Sturheit des sogenannten primitiven Menschen zu reduzieren: „Neunhundertneunundneunzig Europäer aus tausend würden dies spezielle Merkmal [psychogener Tod bei den Naturvölkern, A. d. V.] als Folge reiner Halsstarrigkeit oder bloßen Aberglaubens betrachten; aber der Europäer, wie immer, wenn es um den Naturmenschen geht, macht einen Fehler. Was dem artifiziellen Geist des Europäers als Eigensinn – das Resultat bloßer stupider Ignoranz – erscheint, folgt nicht aus irgendeiner besonderen, festgefahrenen Meinung oder unbeweglichen Überzeugung, sondern aus einer [jedem Menschen zugänglichen, A. d. V.] unbewussten mentalen Tendenz, die sich in trügerischen Anmutungen wieder und wieder selbst erzeugt, und die, obwohl subjektiv, dem Geist des Naturmenschen eine objektive Realität vorgaukelt“.19 (Leonard 1906, S. 256)

Fazit: Der psychogene Tod ist ein reales, wenn auch seltenes Phänomen, das sehr wohl auch Bürger eines Industrielandes des 21. Jahrhunderts treffen kann (Berg 1992). Ich werde auf diese Idee einer „unbewussten mentalen Tendenz“ (siehe oben) später zurückkommen, wenn ich die „erwartungsvolle Aufmerksamkeit“ im Zusammenhang mit dem Tabu-Tod diskutiere. Trotz aller Beweise seiner Existenz bleibt der psychogene Tod bis heute ein Stiefkind wissenschaftlicher Forschung. Vielleicht liegt es daran, dass das Phänomen eine zu große Herausforderung darstellt, die Grenzen unserer wissenschaftlichen Bemühungen um das Lebendige auf die Mysterien des Todes auszudehnen. In den Worten von B. J. F. Laubscher, einem Psychiater, der in den Fünfzigerjahren in Südafrika gearbeitet hat: „Anbetrachts dieser Erklärung lehnen wir uns selbstzufrieden in den Sesseln der wissenschaftlichen Erkenntniswelt zurück. Der Eingeborene stirbt am Glauben, ein Glaube, der ihm eine spirituelle Wirklichkeit ist. Deckt unsere Erklärung diese Realität ab oder beschreibt sie bloß ein paar der Elemente oder konstituierenden Teile der spirituellen Perzeption? Sind nicht der psychische Zustand dieses Eingeborenen sowie viele psychische Phänomene, die außerhalb der anerkannten und begrenzten Kategorien der Wissenschaft liegen, für uns eine Herausforderung, die Grenzen unserer wissenschaftlichen Felder zu erweitern und in das Studium des Lebendigen auch die Mysterien des Todes einzuschließen?“20 (Laubscher 1951, S. 105)

Als Antwort auf diese Frage haben Gelehrte wie C. G. Jung (26. 7. 1875–6. 6. 1961) (vgl. Jacobi 1945) und Jean Gebser (20. 8. 1905–14. 5. 1973) (vgl. Gebser 1986, 1986, 1986) die Wichtigkeit betont, dass der Mensch das ganze Spektrum seines Bewusstseins in Anspruch nimmt, vor allem ohne die mythischen, magischen und mystischen Bewusstseinszustände zu vernachlässigen (vgl. Dittrich 1985). Insbesondere erinnert die Idee von einer Vorstellung, „die sich in trügeri15

Einführung

schen Anmutungen wieder und wieder selbst erzeugt“ – siehe das Zitat von Leonard oben –, an die Idee von fortdauernder imaginativer Schöpfung in der Lehre des Sûfî-Liebesmystikers Ibn ’Arabi (1165–1240) (Corbin 1981; Schmid Gary Bruno 2008) und an die mythopoetische Bildersprache des Tibetanischen Totenbuches, die besagt: Die Vision und Auflösung von Bildern im Zustand nach dem Tod ist eine Vorbedingung für die Befreiung des Bewusstseins (Lauf 1985). Ich werde auf diese und ähnliche Ideen in den folgenden Kapiteln zurückkommen, wenn ich das bewusste psychogene Sterben und noch später gewisse metaphysische Überlegungen diskutiere. Auf jeden Fall möchte ich schon hier die Wichtigkeit der im Unbewussten verankerten reflexiven Vorstellungskraft für das Einsetzen des psychogenen Todes betonen. Inzwischen hat der aufgeklärte Westen die Mysterien wie die Grausamkeiten des Todes während zwei Weltkriegen und zahlreichen anderen Schlachten erlebt, in denen das Phänomen des psychogenen Todes von Medizinern in Gefängnissen und Konzentrationslagern rund um die Welt häufig sehr genau beobachtet und niedergeschrieben wurde. „Aus allen extremen Kriegs- und Verfolgungsereignissen unseres Jahrhunderts wird der psychogene Tod als letzte Alternative im ohnmächtigen Widerstand gegen übermächtigen Terror berichtet. Aus russischer Kriegsgefangenschaft deutscher und japanischer Soldaten und aus koreanischer Kriegsgefangenschaft amerikanischer Soldaten wird übereinstimmend berichtet, dass viele dieser Männer trotz ihres genügenden körperlichen Zustands nach einem Zusammenbruch des Lebenswillens innerhalb weniger Tage unrettbar starben (Paul 1955; Kraemer 1956; Strassman et al. 1956; von Baeyer et al. 1964).“ (Strian 1983, S. 324)

Eines der kürzesten und einfachsten Atteste zu diesem Phänomen bei Kriegsgefangenen im Westen ist Folgendes: „All zu oft verlor der Gefangene sogar seinen Lebenswillen. Er pflegte in eine Ecke zu kriechen und jedes Nahrungsangebot abzulehnen und – ohne irgendeine Krankheit – einfach zu sterben.“ 21 (Mayer 1956)

Hierzu eine treffende Erklärung von S. Freud (6. 5. 1856–23. 9. 1939): „Denselben Schluß muß das Ich aber auch ziehen, wenn es sich in einer übergroßen realen Gefahr befindet, die es aus eigenen Kräften nicht glaubt überwinden zu können. Es sieht sich von allen schützenden Mächten verlassen und läßt sich sterben.“ (Freud 1967, S. 288)

Ich werde auf diese Idee vom Verlust des Lebenswillens (oder „Verlust des Willens nicht zu Sterben“) in einem späteren Kapitel zurückkommen.

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Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen?

Der psychogene Tod ist auch im Alltagsleben nichts Unbekanntes. Keineswegs müssen wir ihn nur aus zweiter Hand kennen. Wer hat nicht schon einen alten Menschen in der Familie oder in der Nachbarschaft gekannt, der kurz nach dem Tod des Ehegatten plötzlich und unerwartet aus scheinbar voller Gesundheit gestorben ist, ohne dass irgendeine zwingende Todesursache vorhanden war? Es ist, als ob der psychogen gestorbene Mensch zu Lebzeiten seine eigene Lebenskraft so fest mit, in und durch den Lebensgefährten erlebt hatte, dass letzterer diese Lebenskraft sozusagen ins Grab mitgenommen und die Hinterbliebenen ohne Lebensprinzip zurückgelassen hat (siehe unten). Dem Verlassenen blieb keine Wahl: Er musste sterben! Und häufig spielen auch Erwartungen und Suggestionen des unmittelbar beteiligten Sozialkreises eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ich wiederhole: Der psychogene Tod ist ein auch im Alltagsleben bekanntes Phänomen. Hierzu ein beeindruckendes Zitat aus Heinrich Wilhelm von Kleists (18. 10. 1777–21. 11. 1811, Tod durch Selbstmord) Tragödie Penthesilea (1808), nämlich die letzten Worte der Amazonen-Königin Penthesilea, die um ihren ermordeten Geliebten Achilles trauert:22 „Denn jetzt steig’ ich in meinen Busen nieder, Gleich einem Schacht, und grabe, kalt wie Erz, Mir ein vernichtendes Gefühl hervor. Dies Erz, dies läutr’ ich in der Glut des Jammers Hart mir zu Stahl; tränk’ es mit Gift sodann, Heißätzendem, der Reue, durch und durch; Trag’ es der Hoffnung ew’gem Amboß zu Und schärf ’ und spitz’ es mir zu einem Dolch; Und diesem Dolch jetzt reich’ ich meine Brust: So! So! So! So! Und wieder! – Nun ist’s gut.“ (Sie fällt und stirbt.)

Die Liebende muss nicht unbedingt physisch sterben, damit ihr Geliebter psychogen stirbt und sie endgültig verliert. Auch der vorgestellte Verlust durch Untreue, der eigenen oder der der geliebten Person, kann einen psychogenen Tod auslösen. In der Saga des Staufenbergers Peter Simringer aus dem 14. Jahrhundert tritt er in dem Augenblick ein, als der Protagonist seiner geheimnisvollen Herrin untreu wird. Es ist, als ob er dadurch seiner eigenen Seele untreu geworden wäre und somit sie – und entsprechend auch sein Leben – verlieren musste. Im volkskundlichen Aberglauben enden die Funktionen des Toten nicht mit dem physischen Tod: Der Glaube an die Einwirkung des Verstorbenen auf die Lebenden, vor allem dass er seine Angehörigen, also seinen engeren Familienkreis oder seine Gemeinschaft/Siedlung nachträglich mit sich ziehen kann, wird 17

Einführung

mit der Vorstellung des Nachzehrers erklärt: Die soeben Gestorbene wurde vom toten Geliebten, dem Nachzehrer, mit ins Grab hineingerissen (BächtoldSträubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 6, S. 812–823). Unverhältnismäßig heftiges und langes Nachtrauern kann – so der Aberglaube – den Nachzehrer heraufbeschwören. Der Leichenschmaus sei ein Ritual, das den Trauernden hilft, den Verstorbenen loszulassen. So wird das Verhungern nach dem Tode eines geliebten Angehörigen nicht als Suizid bezeichnet, sondern man versteht, dass der Tote die Seele dieses Menschen hinter sich her gezerrt habe (Pffeiffer 1967, S. 132). Sogar die Bibel warnt vor dem Unheil eines ausgedehnten Kummers um den Verstorbenen (Sir. 38, 15–23). In der Tat verbirgt sich hinter einer unverhältnismäßig großen Sorge für den Toten häufig eine Angst vor dem Toten bzw. vor seiner Rückkehr in die Welt der Lebenden. Der Ethnologe spricht hier von „Participation mystique“(Lévy-Bruhl 1927), die Psychologin von „Übertragung“, „Projektion“ oder „projektiver Identifikation“: Projiziert eine Person ihr Lebensinteresse ausschließlich auf den Partner, so bringt diese Person die Gefühle, die sie dem Leben an sich entgegen gebracht hat, jetzt ausschließlich dem Partner entgegen; stirbt der Partner, wird zugleich das eigene Lebensinteresse mit ihm begraben. Die Beziehung zwischen der äußeren Identität (Persona) und dem inneren Seelenleben (Anima) geht verloren. Der Betroffene erfährt einen Seelenverlust und stirbt. Hierzu ein Zitat von C.G. Jung: „Es ist das Natürliche und Gegebene, dass die unbewussten Inhalte projiziert sind. Das schafft beim relativ primitiven Menschen jene charakteristische Bezogenheit aufs Objekt, die Lévy-Bruhl treffend als ‚mystische Identität‘ oder ‚mystische Partizipation‘ bezeichnet hat. So ist jeder normale und nicht über ein gewisses Maß hinaus besonnene Mensch unserer Zeit durch ein ganzes System unbewusster Projektionen an die Umgebung gebunden. Der Zwangscharakter dieser Beziehungen (eben das ‚Magische‘ oder ‚Mystisch-Zwingende‘) ist ihm ganz unbewusst, „solange alles wohlsteht“ … Solange also das Lebensinteresse, die Libido, diese Projektionen als angenehme und nützliche Brücken zur Welt gebrauchen kann, solange bilden die Projektionen auch eine positive Erleichterung des Lebens.“ (Jung 1982, „Allgemeine Gesichtspunkte zur Psychologie des Traumes“, Par. 507)

und an einer anderen Stelle schreibt Jung: „… Dementsprechend müsste der Tod des Objektes sonderbare psychologische Wirkungen auslösen …“ (Jung 1982, „Allgemeine Gesichtspunkte zur Psychologie des Traumes“, Par. 522)

In der Tat kann die Häufigkeit von Morbidität und Mortalität unter Zurückgelassenen bis zu zehnmal größer sein (Rees und Lutkins 1967) als dies nach der statistischen Zufallswahrscheinlichkeit zu erwarten wäre (Engel 1961; Schoen18

Psychogener Tod nur bei sogenannt primitiven Menschen?

berg 1984, S. 394). Die Trauernden reagieren auf den erlebten Verlust mit Schuld und Depression und sind schlimmstenfalls kaum fähig, den Verlust und die ihn begleitenden Gefühle zu integrieren und anzunehmen (Schoenberg 1977). Eine Studie bei Witwern, die älter als 54 Jahre waren, hat gezeigt, dass in den ersten sechs Monaten nach dem Tod der Ehefrau die Mortalität 40 % höher war als in der Normalbevölkerung (desselben Alters) und dass 75 % dieser Witwer an einer Herzkrankheit, d. h. an „gebrochenem Herzen“ gestorben sind (Parkes et al. 1969). Eins der berühmtesten Beispiele hierzu dürfte wohl das Ableben des LSD-Entdeckers Albert Hofmann sein, der am 29. April 2008 im fortgeschrittenen Alter von 102 Jahren23, knapp vier Monate nach dem friedlichen Tod seiner Frau Anita, mit der er fast 75 Jahre verheiratet war, an einem Herzschlag starb. George Frazer (1854–1941) belegt und diskutiert in seinem Meisterwerk „Der Goldene Zweig: Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker“ (Frazer 1928) zahlreiche Beispiele von Naturvölkern, bei denen die ganze Sippe ihr Lebensprinzip in den Häuptling, Medizinmann oder Priester hineinprojiziert und folglich der festen Überzeugung ist, dass ihre Felder und Tiere gedeihen oder verderben werden, dass die Fruchtbarkeit der Frauen und der Jagd-/ Kriegserfolg der Männer steigt oder sinkt, je nachdem ob dieser gesund bleibt oder krank wird. Es ist, als ob die Sozialgruppe sich als Ausdehnung seines leibhaftigen Körpers erlebt und mit der Schwächung des Häuptlings etc. eine Art kollektiven Seelenverlust erleidet. So wird bei vielen Naturvölkern der Häuptling, Medizinmann oder Priester schon beim ersten ernsthaften Zeichen einer alters- oder krankheitsbedingten Schwäche rituell umgebracht und durch einen vitaleren, meist jüngeren Nachfolger ersetzt. Eine ähnliche Haltung hatten und haben die Europäer ihren Königen und Königinnen gegenüber, und noch heute findet man auch in den Industrieländern ein eindeutiges, ausgesprochenes Bemühen, jedes Anzeichen von Schwäche oder Krankheit eines Staatsoberhaupts und sogar auch eines Film- oder Popidols zu bagatellisieren und zu verbergen. Diese Tendenz, die eigene Lebendigkeit, Stärke und Schönheit, Fähigkeit und Popularität in eine andere, einem selbst bedeutsame Person zu projizieren und dort stellvertretend zu erleben, ist allgemein menschlich. Darauf baut heute eine immer größer werdende Unterhaltungsindustrie mit ihren vitalisierenden Film- und Popstars auf. Selbstverständlich funktioniert dieser Prozess umso besser, je weniger der Zuschauer sich als eigenständiges Individuum erlebt. Aus gleichem Grund ist es so schwierig, den plötzlichen und unerwarteten Tod eines geliebten jungen Menschen, eines Idols oder einer Heldin zu akzeptieren: Unsere erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf deren Leben wirkt wuchtig wie ein kolossaler Stein auf unsere Vorstellung. Dass z. B. eine überall auf der Welt geliebte, hübsche und junge Prinzessin plötzlich und unerwartet bei einem Autounfall stirbt, ist für uns genauso unvorstellbar wie ein riesiger, schnell 19

Einführung

rollender Stein, der schlagartig zum Vollstopp kommt, ohne zuvor sein Tempo allmählich zu verlangsamen. Ein solches Geschehen kann praktisch jeden Mensch berühren, wenn nicht gar überrollen und aus dem Tritt bringen. Wie ist es nun, wenn ein Mensch, in den wir und unsere Sippe eine nahezu göttliche Macht projiziert haben, einem von uns den Tod wünscht? Diese Vorstellung kann den Betroffenen umbringen: Eine besonders makabre Form des psychogenen Todes, die man auch als Voodoo-Tod bezeichnet. Ich werde auf dieses Thema zu Beginn des nächsten Kapitels zurückkommen. Der Einfluss unbewusster Elemente auf somatische Prozesse, ob via Gedanken oder Bilder, ist in all diesen Beispielen offensichtlich. Da mentale Bilder als die eigentliche Verkörperung des Unbewussten gelten (in der Zwischenwelt, der man die Imagination zuordnet) und auch als der Stoff, aus dem die Träume sind, sei die Frage erlaubt, was die wissenschaftlichen Ergebnisse der Traumforschung zum Verständnis des unbewussten Mechanismus psychogener Todesprozesse beitragen können. Hier beschränke ich mich für unsere Zwecke auf nur ein Beispiel, nämlich das von C. Nowlin, der 1996 einen direkten Zusammenhang zwischen Träumen und Anfällen von Angina pectoris aufzeigen konnte (Nowlin 1966): „Bei 4 Patienten, die über regelmäßige Stenokardien im Zusammenhang mit schweren Träumen klagten, bestätigte eine kontinuierliche Aufzeichnung der EEG- und EKG-Ableitungen während des Schlafes die subjektiven Angaben: Fast alle (über 30) elektrokardiographisch registrierten stenokardischen Attacken der Patienten standen in unmittelbarem Zusammenhang mit entsprechenden Veränderungen im EEG, für die von den Patienten gleichzeitig durchwegs konfliktbeladene Träume angegeben wurden. Einer der Patienten starb an einem Herzinfarkt, nachdem EEG wie EKG in der vorausgegangenen Nacht neunmal charakteristische Veränderungen gezeigt hatte.“ 24 (Nowlin 1966, S. 7)

Dieses höchst intensive Traumphänomen verdient wohl die Bezeichnung „Killer Dream“ (Parmer und Luque-Coqui 1998). Nun ist es durchaus statthaft, die inneren Erfahrungen einer Person in einer tiefen Traumphase mit jenen eines Psychotikers zu vergleichen. Tatsächlich kann nach C.G. Jung vieles im lebhaften Traumerleben des Menschen, sogar eines modernen „normalen“ Individuums, den „Großen Träumen“ primitiver Völker gleichen. Hier unterscheidet Jung zwei Arten der Begegnung zwischen dem Ego und dem Inhalt des Unbewussten: (1) Das Ego ist vital auf der Höhe, jedoch überlagern unbewusste Faktoren das bewusste Erleben und sind so beherrschend, dass sie zeitweise die Aufmerksamkeit des Egos absorbieren.

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Umfang psychogener Todesphänomene

(2) Unbewusste Faktoren nehmen in normaler Stärke Einfluss auf das Bewusstsein, aber das Ego ist so schwach, dass es zeitweise von diesem Einfluss überschwemmt wird.

Beide Arten des Zusammentreffens führen zu tief greifenden inneren Erfahrungen, die einen erkennbar verändernden Einfluss auf die Betroffenen haben. Im ersten Fall kann dieser Einfluss insofern als positiv gelten, als er letztlich zu einer Verringerung der Diskrepanz zwischen bewusster Haltung und unbewussten Tendenzen beiträgt und damit eine bessere Anpassung des Individuums an wachsende Erfordernisse des Lebens erreicht. Mit einer der somatischen Medizin entlehnten Metapher könnte man sagen, die unbewussten Faktoren äußerten sich wie ein Fieber: als natürliche Reaktion des im Übrigen gesunden Körpers auf einen Infekt als Teil des Selbstheilungsprozesses. In der einschlägigen Fachliteratur wird hier manchmal von „spiritueller Krise“ gesprochen25. Ist die zweite Konstellation gegeben, so kann dieser Einfluss des Unbewussten als negativ gesehen werden, da er die Diskrepanz zwischen bewusster Haltung und unbewussten Tendenzen erhöht und eine weniger gute Anpassung an die wachsenden Erfordernisse erreicht. Mit der obigen Metapher kann man die unbewussten Faktoren wiederum als Fieber betrachten, das nun aber einen bereits geschwächten oder kränkelnden Zustand verschlimmert. Diese Situation führt gewöhnlich zu einer Psychose. Dieser Unterschied im Einfluss wird deutlich in den beschreibenden Begriffen der jeweiligen inneren Erfahrung: Im ersten Fall spricht man oft von Visionen, Inspirationen oder Eingebungen, im zweiten von Halluzinationen, Sendungsbewusstsein und Wahnvorstellungen. Der erste Prozess ist integraler Bestandteil dessen, was Jung Individuation nennt, der zweite integraler Bestandteil von Geisteskrankheiten wie Depression, Schizophrenie und Katatonie. Besonders letztere wird von manchen Autoren als eigenständige Krankheit gesehen, von anderen als eine, wenn nicht sogar die schwerste der diversen Schizophrenieformen (Kindt 1980), die sich manchmal in ihrer tödlichen Variante als perniziöse Katatonie manifestiert. Zum Abschluss dieses Abschnitts möchte ich nochmals unterstreichen, dass eine kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des psychogenen Todes eindeutig beweist: Der psychogene Tod ist eine alte Tatsache, die auch in der modernen Welt vorkommt.

Umfang psychogener Todesphänomene Beim psychogenen Tod begegnen wir einer Nahtstelle zwischen seelischem und somatischem Geschehen. Das Problem des psychogenen Todes ist Objekt interdisziplinärer Forschung, die u. a. Bereiche der Anthropologie, Ethnologie, Me21

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dizin, Philosophie, Physik, Psychologie, Soziologie und Theologie einbezieht. Vor allem habe ich die ältere medizinische Literatur als Quelle herangezogen, um die wissenschaftlichen Ursprünge des Phänomens und seiner Erklärung aufzudecken. Und weil dieses Thema archetypisch, d. h. zeitlos und transkulturell ist, habe ich mich von jedem Zwang zum Aktualismus befreit: Es geht hier neben dem gegenwärtigen medizinischen Forschungsstand auch um die geschichtliche Tradition dieses Themas. Insgesamt beleuchtet die aus dieser Sicht entstandene Arbeit, was die moderne Medizin zu den Ursachen solcher Phänomene sagt, und was eine kulturelle, medizinische und psychologische Anthropologie zu den Ausformungen dieser Phänomene äußert. In diesem Buch werden psychogene Todesphänomene berücksichtigt, deren unterschiedliche Aspekte in der jeweiligen Fachliteratur genauer ausgeführt werden. Unter anderen sind die folgenden Phänomene in der empirischen Literatur leicht zu finden: •

klassischer psychogener Tod: Tod kraft glaubensstarker, gefühlsbetonter Vorstellungen – Voodoo-Tod, Trauer-Tod (gebrochenes Herz), Mortbeten, Tabu-Tod, Heimweh-Tod, Tod durch Ekstase, Gelächter, Hoffnungslosigkeit, Magie, Suggestion u. a. m.



Angst-, Grauen-, Schock- oder Stress-Tod: – Tod nach einem harmlosen Schlangenbiss oder chirurgischen Eingriff, usw. – Tod durch Überarbeitungstod, „Karoshi“ (Japan) – Tod durch Traum, sog. Killer Dreams



Psychogenes Mortalitätssyndrom in Kriegsgefangenschaft und Konzentrationslagerhaft: – Sich-Aufgeben/Aufgegeben-sein-Komplex – Verlust des Lebenswillens/Verlust des Willens, nicht zu sterben



Vorahnung des eigenen Todes: – Hilgards Klassische Jahrestagsreaktion – Todesvorzeichen, -vorgeschichten u. Ä.



Persönlichkeitsbedingter Tod – persönlichkeitsbedingtes Todesrisiko im Fall ernsthafter Erkrankung



Neurosebedingter Tod – neurosebedingtes Todesrisiko



Psychosebedingter Tod – psychosebedingtes Todesrisiko – perniziöse Katatonie – Malignes Neuroleptisches Syndrom (MNS)



SUDS (= Sudden Unexpected Death Syndrome)/SIDS (= Sudden Infant Death Syndrome)

Die Liste lässt sich leicht verlängern. 22

Umfang psychogener Todesphänomene

Psychisch bedingte Auslösung des Todes bei organischen Grundkrankheiten, wie z. B. Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes mellitus, Asthma, Anorexia nervosa etc. werden hier nicht als solche getrennt betrachtet, sondern von Fall zu Fall der einen oder der anderen Kategorie – siehe unten – zugeordnet (siehe z. B. Kächele 1970, S. 112–120). Die obigen Bereiche sind zum Teil willkürlich und nicht streng voneinander zu trennen, weder vom logischen noch phänomenologischen Gesichtspunkt her, und sie greifen ineinander über. Ellenberger unternahm eine ethnologischgeographische Unterteilung diverser klinischer Bilder des psychogenen Todesphänomens im Sinne eines peripheren Kreislaufkollapses und unterscheidet eine afrikanisch-australisch-melanesische und eine polynesische Form (Ellenberger 1952). Bei der ersten tritt der Tod bald nach einer gewaltigen Angstentwicklung ein (häufig nach Überschreiten eines Tabus), begleitet von starken vegetativen Symptomen (vgl. Mauss 1926): „… indem man auf das Zwerchfell hinwies, das geschüttelt wurde, als ob ein Tierchen darunter zappelte“ (Ellenberger 1952, S. 333). Die zweite Form wird durch ein stilles Sterben charakterisiert (häufig bei Bewusstwerden schwerster Schuldgefühle nach Beschämung oder Blamage), das an die deutsche Metapher vom „Erlöschen des Lebenslichtes“ erinnert (vgl. Goldie 1904; Schmidt und Schmidt 1964): „Der arme Kerl rollt sich in seine Strohmatte, verweigert das Essen und stirbt bald“ (Ellenberger 1952, S. 336). Es gibt auch andere Ansätze zur Klassifikation. Die paläopsychologische Einteilung basiert auf einer Deutung des psychogenen Todes als anthropologisches Endstadium einer Situation der Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit (Bilz 1966): Unterschiedliche Konstellationen der Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit definieren entsprechende Formen des psychogenen Todes. Die pathophysiologische Einteilung ordnet nach mehreren als physiologisch postulierten Todesmechanismen, u. a. sympathicoadrenaler Tod, d. h. eine adrenerge Notreaktion des vegetativen Systems (Cannon 1942); parasympathischer Tod oder Tod durch Resignation (Richter 1957); und angstbedingter Vagus-Tod, d. h. eine überschießende Gegenregulation verbunden mit einem vom Sympathicus bestimmten hyperergischen Aufwand motorischer Art (Bilz 1966). Wegen der Vielfalt gleichwertiger Klassifizierungsangebote in der Fachliteratur habe ich für die Gliederung dieses Buches eine eigene, nachvollziehbare Klassifikation der oben erwähnten und anderer verwandter psychogener Todesphänomene aufgestellt, die für den interessierten Laien leichter verständlich sein soll. Insofern als jede Art von psychogenem Tod eine Tragödie darstellt, habe ich mich für die Unterteilung sämtlicher psychogener Todesfälle an eine Theorie der Dramaturgie angelehnt, die für die Schöpfung, Entwicklung und Analyse in Film und Fernsehen sehr erfolgreich ist (Phillips und Huntley 1996). Die Präsentation der Argumente in diesem Buch basiert mehr oder weniger auf der 23

Einführung

Logik dieser Strukturierung, d. h. auf einer dramaturgischen Unterteilung verschiedener Bilder des psychogenen Todesphänomens, wie sie zu Beginn des nächsten Kapitels dargelegt wird. Eng verwandt mit unserem Thema sind gewisse andere psychogen ausgelöste somatische Störungen wie z. B. • •

immunologische Schwächen, die Infektionskrankheiten stark verkomplizieren können; autoimmunologische Krisen bei der Muskelkrankheit Myasthenia gravis die zu lebensbedrohlichen paralytischen Episoden führen können; epileptische Anfälle in den Reflexepilepsien, die ein sehr interessantes psychogenes Phänomen darstellen. Gemeint sind epileptische Anfälle, bei deren Auslösung einem besonderen Reiz (z. B. Musik, pulsierendes Licht usw.) eine entscheidende Rolle zukommt. Was unser Thema betrifft, kann schon allein die Unterhaltung über, das Denken an oder das Träumen von einem derartigen Reiz einen epileptischen Anfall auslösen. Hier liegt wie beim psychogenen Tod offensichtlich ein kausaler Zusammenhang zwischen Reiz und Anfall vor, auch wenn – wie schon gesagt – dieser Reiz nur abstrakt in der Vorstellung im Rahmen eines außergewöhnlichen Bewusstseinszustandes und nicht konkret über die Sinne erlebt wird.

Um den Umfang dieser Arbeit einzugrenzen, werden diese und ähnliche psychosomatische Effekte nicht näher behandelt. Selbstverständlich könnte ich unser Thema auch in Zusammenhang mit Phänomenen der psychogenen Heilung bringen. Denn: Braucht der psychogene Tod nicht einfach einen Vorzeichenwechsel, um das Potenzial derselben Vorstellungskraft, die den Tod bedingen kann, für die eigene Heilung zu demonstrieren? Das Feld der psychogenen Heilung wird von mir in einem separaten Band mit Beispielen aus meiner Praxis bearbeitet und erläutert. Zum Abschluss dieser Einführung möchte ich betonen, dass die Tatsache des psychogenen Todes ein Beweis für die Macht der Vorstellungskraft, der Persönlichkeit, der Suggestion etc. ist, und zugleich die potentielle Wirkung belegt, die auf positive, kontrollierte und heilsame Art in der Hypno- und Psychotherapie genutzt werden kann.

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Phänomene des psychogenen Todes

„Und willt, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir, Soll Seuch und Krankheit folgen dir.“ Sie tät einen Schlag ihm auf sein Herz, Noch nimmer fühlt’ er solchen Schmerz.

Herr Oluf widersteht dem Tanzangebot des Erlkönigs Tochter, da sein Hochzeitstag bevorsteht, und muss seine Verweigerung in Johann Gottfried Herders (25. 8. 1744–18. 12. 1803) „Erlkönigs Tochter“ teuer bezahlen. Als die Braut am anderen Morgen kommt, „– da lag Herr Oluf und er war tot“. Das Motiv der zauberischen Verführung durch Fantasiebilder ist ein altes Sujet in der Literatur. Auch in Johann Wolfgang von  Goethes (28. 8. 1749– 22. 3. 1832) späterem „Erlkönig“ erleidet ein Knabe den Tod aus Angst vor der Berührung durch den Erlkönig trotz des verzweifelten Versuchs des Vaters, in dessen Armen er liegt, die wachsenden Angstbilder seines Sohnes mit tröstenden Worten zu entzaubern. Und wer kennt nicht die Ballade von Gustav Schwab (19. 6. 1792–4. 11. 1850) „Der Reiter und der Bodensee“, wo der Protagonist tot von seinem Pferde fällt, als ihm mitgeteilt wird, welcher Gefahr er gerade entrann? „… Der Fremde schaudert, er atmet schwer: ,Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!‘ Da recket die Magd die Arm in die Höh: ,Herr Gott! so rittest du über den See!‘ … Da seufzt er, da sinkt er vom Ross herab, Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.“

Solch eine paradoxe Reaktion ist auch in der (wohl erfundenen) Geschichte vom Metzgerlehrling enthalten, der aus Versehen im leeren Tiefkühlraum eingeschlossen wurde und dort die ganze Nacht verbringen musste: Ohne sein Wissen versagte die Kühlung kurz nach seinem Missgeschick, sodass sich die Raumtemperatur bis zum Morgen langsam normalisierte. Als aber der Meister am nächsten Morgen die Tür öffnete, lag sein Lehrling tot da. Der Leser kennt wahrscheinlich noch andere, ähnliche Schauergeschichten, sog. Märchen des Alltags oder Stadtlegenden (urban legends) wie z. B. „Die Spinne in der YukkaPalme“ (Brednich). Tatsächlich gibt es viele Sprichwörter und Redensarten, die die erbarmungslose Heimsuchung des Menschen durch starke innere Bil-

Phänomene des psychogenen Todes

der und die damit assoziierten Gefühlsbewegungen bezeugen (siehe z. B. Borchardt 1895). Es gibt eine unübersehbare Vielfalt an Todesvorstellungen, wie sie in den unterschiedlichsten künstlerischen Medien, Religionen und Philosophien aller Zeiten und Völker dargestellt werden und in mehreren Entwicklungsaltern, historischen Epochen und Kulturen zu finden sind. In seinem Gedicht „Der Geisterbesuch auf dem Feldberg“ gibt Johann Peter Hebbel (10. 5. 1760–22. 9. 1826) zum Beispiel dem Tod eine eigene neue Gestalt, geschaffen aus dem Sensenmann und dem Todesengel. Es gibt jedoch keine Hinweise, dass eine spezielle Art der Todesvorstellung oder der evtl. damit verbundenen Todesfurcht und Todesangst für den Zusammenhang zwischen psychischem Ereignis und Eintritt des Todes relevant ist. Der Auslösemechanismus des psychogenen Todes scheint allgemeiner zu sein: zeitlos und anthropologisch universell, d. h. archetypisch. Das Feuer des Todes, von einer glühenden Imagination entzündet, bricht im Geist in Flammen aus und springt über die vermeintliche Grenze, welche die Psyche vom Soma trennt, um das Holz des physischen Leibes zu Asche zu verbrennen. Man kann auch hier von der „Wirksamkeit symbolischer Stimulation physiologischer Prozesse“ sprechen (Kächele 1970, S. 124, Fußnote 10), die zwangsläufig zum Tode führen, oder kürzer gesagt, vom psychogenen Tod. In den folgenden Abschnitten möchte ich den Tod kraft glaubensstarker, gefühlsbetonter Vorstellungen wie z. B. im Zusammenhang mit Voodoo-Praktiken, Verzauberung, Verfluchung, Trauer (gebrochenem Herz), Totbeten, Tabu-Verletzungen, Suggestion, schwarzer Magie, Hoffnungslosigkeit, Heimweh, Gelächter, usw. diskutieren. Der Begriff „psychogener Tod“ ist nicht neu in der medizinischen Literatur. Eine differenzierte und ausführliche Analyse des Begriffs liegt z. B. bei Kächele schon seit 1970 vor (Kächele 1970). Eine ausgezeichnete Übersicht des psychogenen Todes bei Naturvölkern, in Kriegsgefangenschaft und Konzentrationslagerhaft wurde 1973 von Klaus-Dietrich Stumpfe vorgelegt (Stumpfe 1973). Ein Blick in die Fachliteratur zeigt, dass beide Studien bis zum heutigen Tag nicht überholt sind. Es kann nicht Ziel der vorliegenden Arbeit sein, die vorhandene Literatur zu den verschiedenen psychogenen Todesphänomen mit einem noch ausführlicheren Beitrag zu bestätigen oder gar zu übertrumpfen. Mir geht es vor allem um eine übergreifende, intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema aus verschiedenen Perspektiven, um die Kraft der eigenen Vorstellung für eine breitere, wissenschaftlich gebildete Leserschaft sowie ein interessiertes Laienpublikum zu belegen. In diesem Kapitel möchte ich das menschliche Drama des psychogenen Todes anhand vier verschiedener Handlungsarten betrachten: 26

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psychogener Tod durch den suggestiven Eingriff einer allmächtigen Drittperson, z. B. durch den ausdrücklichen Wunsch eines bösen Zauberers; psychogener Tod durch den Bruch eines unantastbaren, verinnerlichten Verbotes, z. B. durch das Begehen einer Todsünde; psychogener Tod durch die Hoffnungslosigkeit einer ausweg- und hilflosen Situation der emotionellen Isolation, z. B. durch die Gefangenschaft im Konzentrationslager; psychogener Tod durch die Wirkung einer im Körperinnern unbewussten Aktivität, z. B. durch eine tödliche Geisteskrankheit.

Um diese Dramen besser zu verstehen, ist es hilfreich, etwas über die Dramaturgie des Lebens zu sagen: Die Geschichte des Menschen besteht aus einer unüberblickbaren Zahl von Geschichten, die das Leben jedes einzelnen Individuums umfasst. Das objektive Ziel dieser universellen Geschichte, das jeden Menschen etwas angeht, ist der Fortbestand der Menschheit. Ein Protagonist – für einen Wissenschaftler die Evolution, für einen Priester sein Gott – treibt die Geschichte in Richtung dieses Ziels voran. Ein Antagonist – Tod oder Teufel – versucht ihn aufzuhalten. Gleichzeitig erlebt jeder Mensch diese Geschichte aus einem persönlichen Blickwinkel und ist und bleibt die Hauptfigur (main character) in dieser seiner Geschichte. In diesem Sinne lebt er auch in einer subjektiven Geschichte, in der er individuell möglichst lange und gemütlich überleben und sich fortpflanzen möchte. Dabei werden seine Motive und Handlungen immer wieder in Frage gestellt: „Soll ich weitermachen wie zuvor oder eher die Richtung ändern?“ Der hauptsächliche Widerstand erwächst ihm in der Person seines Gegenspielers (obstacle character), der ihn zwingt, standhaft zu bleiben oder doch Veränderungen einzuleiten. Analog zu diesen Ideen habe ich die Form dieser Arbeit gestaltet. In den oben erwähnten Dramen ist der zum psychogenen Tod Geweihte immer die Hauptfigur, durch deren Augen wir die Tragödie hautnah erleben. Seine subjektive Geschichte beschränkt sich für den Zweck dieses Buches immer auf einen kurzen Fallbericht, den ich aus der wissenschaftlichen Literatur zitiere. Der Protagonist im Drama des psychogenen Todes ist dasjenige tödliche Agens, (1) das den suggestiven Eingriff in die Psyche des Betroffenen vornimmt, z. B. ein Voodoo-Zauberer, (2) das den Betroffenen mit dem Bruch seiner nach wie vor unantastbaren Haltung konfrontiert, z. B. die moralischen Verteidiger des innewohnenden Tabus einer Todsünde, (3) das die Hoffnungslosigkeit in der ausweg- und hilflosen Situation des Betroffenen sichtbar konstelliert und ihn in eine Situation der emotionellen

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Isolation schleudert, z. B. der Brief an einen vom Heimweh geplagten Kriegsgefangenen, dass seine Frau ihn verlässt, bzw. (4) das die physiologischen Prozesse im Körperinnern des Betroffenen aktiviert, z. B. die neuropsychologische Störung einer tödlichen Katatonie.

In welcher Beziehung jede einzelne Kategorie zur Menschheitsgeschichte steht, wie sie im Lauf der sogenannt objektiven Geschichte, die das Überleben der Spezies Mensch anstrebt, entstanden ist, versuche ich im Unterkapitel „Darwinistische Perspektive“ des Kapitels „Naturphilosophische Überlegungen“ zu erklären. Der Antagonist, der die Absicht des Protagonisten verhindern und den individuell Betroffenen am Leben halten will, ist eine rettende Instanz, die den Bann des psychogenen Sterbeprozesses zu bändigen versucht. (Allerdings vertritt der Antagonist bezogen auf die Menschheitsgeschichte den Tod.) Sie kann (1) einen vitalen und noch stärkeren suggestiven Eingriff in die Psyche des Betroffenen bewirken, z. B. durch einen noch mächtigeren und heilbringenden Medizinmann im Fall einer Verwünschung, (2) dem einer fixen Idee Verfallenen eine überzeugende Sühne anbieten, z. B. durch einen Beichtvater im Fall einer Todsünde, (3) dem in einer tödlichen Situation gefangenen Betroffenen einen hoffnungsvollen Ausweg oder eine Hilfe aufzeigen, z. B. durch einen kundigen und mutigen Mitgefangenen, der einen Fluchtplan aufstellt, (4) die Behandlung des von einer tödlichen Geisteskrankheit betroffenen Patienten durchsetzen, z. B. durch einen Psychiater, der eine Elektroschockbehandlung (EKT) gegen eine perniziöse Katatonie verordnet, die bis heute einzige einigermaßen gesicherte Kur dieser sonst nach einem bestimmten Verlaufsstadium – siehe unten – zum Tode führenden Krankheit.

Jeder wie oben beschrieben gekennzeichnete Fallbericht bildet die Grundlage für eine persönliche Geschichte. Dazu müsste man noch die Perspektive des Widersachers heranziehen, der während der subjektiven Geschichte, also während des psychogenen Sterbens, die Natur bzw. Haltung des Betroffenen zu ändern versucht, und so die Entwicklung des Dramas auf der subjektiven Ebene vorantreibt. Solch eine Figur ist z. B. die Geliebte, ein Kind, der Vater oder eine andere Hauptbezugsperson aus dem sozialen Umfeld des Betroffenen und taucht hin und wieder in den Fallberichten auf. Da die vorliegende Arbeit jedoch ein Sachbuch und kein Roman ist, lasse ich diese Perspektive in meinen Ausführungen außer Acht. (Mit der Vernachlässigung dieses dramaturgisch äußerst wichtigen Charakters entfällt die Handlung der subjektiven Geschichte, die auf die Beziehung und auf den leidenschaftlichen Konflikt zwischen dem Betroffenen und seinem Widersacher innerhalb der objektiven Geschichte fokussiert und die im Grunde „Fleisch und Blut“ eines jeden Romans ausmacht.

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Dennoch hoffe ich, dass sich meine Leser an der dargebotenen dramaturgischen Struktur dieser Arbeit gut orientieren können.) Jede persönliche Geschichte ist in eine bestimmte Kultur eingebettet. Als Kultur kann man eine Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Erwartungen, Normen und Zugehörigkeiten bezeichnen. Erwartungen verstehe ich hier als Glaubenshaltungen, mit denen wir das Verständnis unserer Erlebniswelt strukturieren. Diese bewussten und unbewussten Gedanken-, Gefühls-, Sinnes-, und Intuitionskonstrukte erlauben uns, die Zukunft mehr oder weniger zu antizipieren und dadurch unsere Angst vor dem Unbekannten zu minimieren. Für viele Menschen geht die Vorstellung des völlig Unbekannten im Rahmen eines entsprechenden Realitätskonstrukts automatisch mit der Antizipation von Tod einher. Die ersten drei Kategorien des psychogenen Todes enthalten die eher klassischen Handlungsarten, die vierte die eher klinische Handlungsart. Voodoo- und Tabu-Tod finden zufolge der Begegnung mit einer Autoritätsperson bzw. mit einem Objekt oder einer Handlung statt, Heimweh- und Seelentod infolge des Verlusts eines Ortes bzw. des eigenen Selbst. Bei allen vier Formenkreisen wirkt entweder der Satz „Du wirst sterben!“ (beim Voodoo- und Tabu-Tod) oder der Satz „Ich werde sterben!“ (beim Heimweh- und Seelentod) in der Hintergrundgeschichte des Todesdramas. In der Tat sind diese Sätze vielleicht die suggestiv mächtigsten Gefüge von nur drei Wörtern, die es überhaupt gibt. Sie sind die semantischen Entsprechungen eines angeborenen psychophysiologischen Reflexes auf Emotionen, der noch kulturell konditioniert und suggestiv verstärkt werden kann bis hin zu einer tödlichen Reaktion. Zwei anthropologische Realitätskonstrukte lösen die Zeitbombe „Du wirst sterben!“ aus: Voodoo und Tabu. Zwei persönliche Strategien lösen die Zeitbombe „Ich werde sterben!“ aus: Heimweh und Seelentod.

Voodoo-Tod Hier haben wir das Drama des psychogenen Todes durch den suggestiven Eingriff einer allmächtigen Drittperson. „Es wurde zuverlässig berichtet, dass auf einer Südseeinsel, wo Voodoo praktiziert wird, starke, gesunde, junge Eingeborene innerhalb weniger Wochen starben, als man ihnen sagte, dass ein Voodoo-Priester ihr Abbild aus dem Harz des Gummibaums geformt, mit einem angespitzten Zweig durchbohrt und im Feuer geschmolzen hatte.“27 (Yawger 1936, S. 876, Zitat nach Strecker und Appel)

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Phänomene des psychogenen Todes

In diesem Abschnitt möchte ich Voodoo-Phänomene wie z. B. den Tod durch Verzauberung, Verfluchung, Suggestion, Schwarze Magie, Prophezeiung, Beten usw. behandeln. Bei Mitgliedern von stark normativ orientierten Gesellschaften findet man den Voodoo-Tod in seiner klassischen, von magischen Praktiken geprägten Form (Enke et al. 1974, S. 306). Der Betroffene stirbt bald und ohne erkennbare organische Ursache, nachdem ihm bewusst wird, von einer mächtigen Person zu Tode verwünscht zu sein, z. B. durch die magischen Handlungen eines Medizinmannnes oder Zauberers, auch Bokor oder Houngan genannt. Bei Sektionen lassen sich in der Regel keine organischen Ursachen feststellen. Hier trifft man auf eines der akutesten psychogenen Todesphänomene überhaupt, bei dem der Tod innerhalb einiger Stunden, längstens im Verlauf von ein bis ca. vier Tagen eintreten kann. Der Voodoo-Tod betrifft vor allem Einzelpersonen und pflegt mit dem Bild eines peripheren Kreislaufkollapses, psychobiologisch gesehen als „shocking emotional stress“ (Cannon 1957) einzutreten (siehe auch z. B. Funkenstein 1955). Im nächsten Kapitel werde ich denselben tödlich verlaufenden physiologischen Prozess auch kollektiv in Form des Tabu-Todes beschreiben. Zur Illustration zitiere ich H. Ellenbergers Zusammenfassung einer Schilderung von H. Basedow über die australischen Ureinwohner (Basedow 1925). „Der Tod wird hier durch magische Handlungen herbeigeführt, die von einem Stamm zum andern etwas verschieden sind; es ist dies eine geheime Wissenschaft, die nur einigen wenigen Männern bekannt ist. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Gruppen von Methoden: Manchmal sind es Handlungen, die man mit Hilfe von etwas, das vom Opfer kommt, ausübt, wie zum Beispiel mit den Exkrementen oder mit einem Fußabdruck, oder sogar wie bei den Arunndta, mit dem ,Ausschneiden‘ des Schattens des Menschen. Im zweiten Fall, der eigentlich häufiger ist, wird der Tod mit einem Instrument herbeigeführt, das oft aus einem Menschenknochen gemacht ist. Daher der englische Ausdruck ,pointing the bone‘ oder ,Boning‘. Es werden auf diese Weise sogar zum Tode verurteilte Menschen hingerichtet. Das Instrument wird auf den Verurteilten gerichtet, – es ist mit einem Haar an Arm oder Schulter des Rächers angebunden –, und dann wird eine magische Formel in der Richtung des Opfers ausgesprochen, wie zum Beispiel ,Möge dein Skelett übersättigt werden mit der Fäulnis und dem Verderben meines Stöckchens! So, daß dein Fleisch verfault und sein Gestank, die Würmer, die im Boden leben, anzieht, damit sie kommen und es fressen. Möge der Wind deine Haut schrumpfen lassen wie ein Blatt vor dem Feuer und dein Blut trocknen wie Schlamm in einem Tongeschirr.‘ Die Wirkung soll unmittelbar und unfehlbar sein: Ein Mensch, der entdeckt, daß er von seinem Feinde ,boned‘ wurde, bietet einen bedauernswerten Anblick. Er steht entgeistert da, mit den Augen auf den Verderbnis bringenden ,Schützen‘ starrend, mit erhobenen Händen, als ob er das tödliche Fluidum, von welchem er glaubt, es werde in seinen Körper eindringen, von sich abwenden wollte. Die Wangen werden totenbleich, die Augen glasig, und sein Gesicht wird

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schrecklich verzerrt, wie dasjenige eines Menschen, der von einer Lähmung befallen wird. Er versucht zu schreien, aber gewöhnlich erstickt der Ton in seiner Kehle, und alles, was man sehen kann, ist Schaum vor seinem Munde. Der Körper beginnt zu zittern und die Muskeln ziehen sich unwillkürlich zusammen. Er schwankt rückwärts und fällt zu Boden. Für kurze Zeit scheint er bewusstlos, aber bald darauf fängt er an, sich wie im Todeskampf zu winden, zu stöhnen, während er sein Gesicht mit den Händen bedeckt. Nach einer Weile gewinnt er wieder ein wenig die Fassung, und er kriecht zu seinem Wurley [Hütte/Schlafplatz A. d. V.]. Von dieser Zeit an wird er kränker und quält sich, verweigert etwas zu sich zu nehmen und zieht sich von den täglichen Angelegenheiten zurück. Wenn nicht rechtzeitig Hilfe durch einen Gegenzauber eintrifft, von einem Nangarri, das heißt von einem Medizinmann ausgeführt, wird der Tod innerhalb kurzer Zeit eintreten.“ (Ellenberger 1952, S. 338–339)

Modernere Beispiele sind auch in der Fachliteratur zu finden (Cohen SI 1985; Dein 2003; Meador 1992). Hier findet man den wichtigsten Faktor für die Auslösung jedes psychogenen Todes, egal welcher Handlungsart: die Tatsache, dass in allen zuverlässigen Augenzeugenberichten von Voodoo-Praktiken, das Opfer bewusst weiß, dass es vom Zauberer zum Tode verdammt ist. Trotz des Volksglaubens, dass ein Zauberer seine Kunst aus der Ferne ohne Kenntnis des Opfers ausüben kann, alleine und ohne Unterstützung der Sozialgruppe, habe ich dafür in der Literatur kein einziges Beispiel finden können. Vier Dinge sind immer gleich beim Voodoo-Tod: • • • •

Das Opfer glaubt absolut an die Macht des Zauberers oder des Zaubermittels und begleitet diesen Glauben mit einer erwartungsvollen Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod; es weiß, wann es vom Zauberer zum Tode verwünscht wurde; es weiß, wie der Zauberer seine schwarze Kunst ausübt bzw. wie das Zaubermittel wirkt; seine Sippe teilt mit dem Opfer ohne Zweifel die erwähnten Punkte und agiert aktiv und explizit mit, bzw. nimmt rituell von ihm Abschied.

In vereinzelten Fällen kann die vierte Bedingung wegfallen. Eine Unterteilung der Zauberpraktiken in zwei Klassen – das Gesetz der Ähnlichkeit und das Gesetz der Berührung – findet man in der umfassenden Arbeit von Frazer (Frazer 1928, III. Kapitel „Sympathetische Magie“). Im Falle einer Verzauberung (Besessensein von einem bösen Geist, einem bösen Befehl u. Ä. – siehe unten) behandelt die Sippe das Mitglied bereits vor seinem organischen Tode so, als ob das verpönte Individuum schon tot wäre; es wird sofort ausgeschlossen und gemieden, um die Gefahr von der Gruppe selbst abzuwenden, d. h. es wird sogar selbst als Agens des Todes, selbst als Tabu – siehe unten – betrachtet.

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Phänomene des psychogenen Todes

„Ein Individuum, das sich bewußt wird, Objekt einer Verhexung zu sein, ist aufgrund der feierlichsten Traditionen seiner Gruppe zutiefst überzeugt, daß es verdammt ist; Verwandte und Freunde teilen diese Gewißheit: man bleibt dem Verdammten fern, man verhält sich ihm gegenüber, als sei er nicht nur bereits tot, sondern ein Gefahrenherd für die Umgebung. Bei jeder Gelegenheit und durch alle Verhaltensweisen legt die Gesellschaft dem unglücklichen Opfer den Tod nahe, das dem, was es für sein unvermeidliches Los hält, gar nicht mehr entgehen möchte. Bald übrigens zelebriert man für es die heiligen Riten, die es ins Schattenreich befördern sollen. Der Verzauberte, zunächst brutal von allen familiären Bindungen abgeschnitten, ausgeschlossen von allen Funktionen und Betätigungen, durch die das Individuum sich seiner selbst bewusst wird, dann diese aufs neue beschworenen, so übermächtigen Kräfte wiederfindend, aber nur, damit sie ihn aus der Welt der Lebenden verbannen, kapituliert nun vor dem vereinten Wirken des intensiven Terrors des plötzlichen und totalen Rückzugs der vielfältigen Bezugssysteme, die mit Einverständnis der Gruppe geliefert werden, und schließlich vor ihrer entschiedenen Abkehr, die ihn schon zu Lebzeiten als Subjekt mit Rechten und Pflichten für tot erklärt, für ein Objekt der Ängste, Riten und Verbote. Die physische Existenz setzt der Auflösung der sozialen Persönlichkeit keinen Widerstand mehr entgegen.“ (Lévi-Strauss 1967, S. 183)

Ein wesentlicher Charakter der Verwünschung und „sozialen Toterklärung“ (Fuchs 1969) besteht meines Erachtens darin, vom Individuum Gehorsam gegenüber den traditionellen gesellschaftlichen Führungspersonen, die das „Gruppen-Über-Ich“ verkörpern (vgl. Kächele 1970, S. 127), zu verlangen und zu etablieren (siehe Kapitel „Darwinistische Perspektive“). „Der Medizinmann ist Schiedsrichter über Leben und Tod. Das Opfer wird nicht nur weggeführt, um ihm den Zaubertrank zu verabreichen, sondern die Sippe glaubt so stark an die Kraft des Medizinmanns, dass, wenn er sagt, der Kandidat werde sterben, dies ausnahmslos geschieht, weil die Freunde des Opfers sofort seine Bestattung vorbereiten und, statt den Leidenden zu nähren, sein Grab schaufeln und Boten ausschicken, die Verwandten des Betroffenen zur Beerdigung zu rufen. Der Medizinmann hat gesagt, dass der Kandidat sterben wird, also welchen Sinn hat es noch, Zeit und Nahrung an ihn zu verschwenden?“28 (Yawger 1936, S. 876, Zitat nach Weeks)

Verzauberung, Verfluchung, Schwarze Magie usw. „Worauf der Zauberer kühn den Mann ansah, ihm die unwiderlegbare Tatsache erklärte und sein Todesurteil sprach, indem er im Weggehen sagte: ‚Ich befehle dir zu sterben!‘ Moneapik war ein starker, gesunder Mann in der Blüte seines

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Lebens und auf dem Gipfel seiner Kraft. Normalerweise hätte er ein reifes Alter erreicht. Aber der Glaube an den Zauberer und dessen Macht, mit der Geisterwelt in Verbindung zu treten, war so eingefleischt, dass der Befehl so gut wie tödlich war. Er sagte: ‚Mir ist befohlen worden zu sterben.‘ Er gab seine aktiven Beschäftigungen auf, zog sich in sein Zelt zurück, aß und trank sehr wenig und war nach vier Tagen tot.“ (Bilby 1923, S. 229).

Naturvölker verstehen solch eine Verzauberung als die von übernatürlichen Kräften verursachte Konsequenz eines Zaubers: Das Opfer identifiziert sich im Sinne einer „Participation mystique“ mit des Zauberers Allmachtvorstellungen, die als „tödliche Energie“ auf es zurückfließen können. Der psychogene Tod erfordert eine absolute Überzeugung (unbewusste Einstellung) vom unausweichlichen und tödlichen Resultat solcher Kräfte (Ausweg- und Hilflosigkeit) und setzt voraus, dass sich das Opfer des magischen Tuns und dessen Wirkung bewusst ist und dass die zehrende Vorstellung (Entmutigung) seiner hoffnungslosen Situation und sozialen Ausgrenzung (Hoffnungslosigkeit) von einer erwartungsvollen Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod (persistierende tödliche Vorstellung) begleitet wird (siehe auch Kapitel „Das psychogene Mortalitätssyndrom“. Hierzu ein eindrückliches Beispiel von den Papuas in Neu-Guinea: „Es war ein ‚Mordfall‘ gemeldet worden. Zwei Männer, A und B, aus benachbarten Kampongs hatten Streit um eine Frau. B glaubte, A habe seine Frau verführt. Darauf fasste B den Entschluss, A zu töten und zwar durch den Giftzauber ‚bofiet‘. Zu diesem Zwecke legte er an einem Weg, den A passieren musste, das Gift nieder. Es handelt sich dabei um ‚besprochene‘, d. h. bezauberte Pflanzenteile, die in ein Blatt eingewickelt waren. – A ging den Weg entlang, bemerkte das Gift zwar nicht, hörte aber zu Hause, dass B den Zauber ‚bofiet‘ am Wege ausgelegt habe. Daraufhin schon fühlte er sich sofort schwach, saß herum und schlief am folgenden Abend ein, ohne wieder aufzuwachen. Er wurde am nächsten Morgen tot aufgefunden.“ (van der Hoeven 1956, S. 422)

Andere glaubwürdige Beispiele von Augenzeugen sind im Rahmen ethnologischer Feldbeobachtungen leicht zu finden (z. B. Wright 1958, S. 94–95, 100–105). Es gibt auch „genügend Berichte, in denen verzauberte Personen in Krankenhäusern trotz aller ärztlichen Bemühungen ad exitum kamen“ (Kächele 1970, S. 127; siehe auch Cappannari et al. 1975). Sogar der moderne, aufgeklärte Mensch mag mit dem Ausbruch einer todbringenden psychosomatischen Krankheit auf eine Verfluchung reagieren, wie dies im folgenden Beispiel deutlich zu erkennen ist.

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Phänomene des psychogenen Todes

„Ein 53-jähriger Patient, bis zu Beginn des Beschwerdebildes gesund, entwickelte im Verlauf eines halben Jahres ein schweres Asthma, das mehrmalige Hospitalisierung notwendig machte. Der Hintergrund des dramatischen Krankheitsgeschehens wurde durch eine starke infantile Abhängigkeit von der Mutter gebildet, die sich erstmals deutlich pathogen bemerkbar machte, als der Patient im Alter von 53(!) Jahren zum erstenmal versuchte, eine geschäftliche Transaktion gegen die Vorstellungen der Mutter zu realisieren. Die Reaktion der Mutter: ‚Tu’s und es wird dir etwas Furchtbares zustoßen.‘ Zwei Tage später erfolgte der erste leichte Asthmaanfall. Nachdem der Patient das Geschäft doch abgewickelt hatte, wurde er zum ersten Mal mit Blaulicht im Status asthmaticus ins Krankenhaus gebracht. Die Mutter hatte erneut gedroht, dass ihm Übles widerfahren werde. Der Patient entwickelte eine depressive Haltung, zumal der Ausbruch des Asthmas die Prophezeiungen der Mutter zu bestätigen schien. Eine psychotherapeutische Beratung wurde eingeleitet. Als dem Patienten die Beziehung zwischen seiner Mutterbindung und den asthmatischen Anfällen bewusst gemacht werden konnte, besserte sich sein Zustand. Ein erneuter Versuch des Patienten, selbstständig ein Geschäft abzuwickeln, wurde mit dem Psychotherapeuten durchgesprochen. Wider die Absprache teilte der Patient dies noch am gleichen Tage seiner Mutter mit. Sie machte keinen Versuch, ihm die Pläne auszureden, wiederholte aber ihre Bemerkung, er solle sich – gleichgültig, wie er oder die Ärzte darüber dächten – ihrer Warnung erinnern, und auf das Eintreffen ihrer Vorhersage fürchterlicher Resultate vorbereitet sein. Innerhalb weniger Minuten war Herr X. tot.“ (Zitiert nach Kächele 1970, S. 203, entnommen aus Mathis 1964)

Aufgrund der Autopsie verstarb der Patient an einem Befund, der charakteristisch für den Tod im Status asthmaticus ist: Rechtsherzerweiterung, Verstopfung der Luftwege mit zähem Schleim (Kächele 1970, S. 204). Ein tödlicher Status asthmaticus gilt strenggenommen als somatische Todesursache, auch wenn er Folge eines psychogenen Asthma bronchiale ist. Doch ist in obigem Beispiel wohl ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der Mann seine Mutter für ebenso machtvoll gehalten hat wie ein Naturmensch den Zauberer. Hier und im nächsten Beispiel fällt die vierte erwähnte Bedingung des Voodoo-Todes weg, das ritualisierte Zusammenspiel mit der Sozialgruppe. Die folgende Geschichte beschreibt eine weitere Art der Verfluchung: „1967 kam eine Frau kurz vor ihrem 23. Geburtstag völlig aufgelöst ins städtische Krankenhaus von Baltimore und bat um Hilfe. Sie und zwei andere Mädchen hatten verschiedene Mütter, waren aber bei derselben Hebamme an einem Freitag, dem 13., in der gleichen Gegend zur Welt gekommen. Die Hebamme hatte alle drei Babys verflucht und prophezeit, dass die erste vor ihrem 16. Geburtstag, die zweite vor ihrem 21. Geburtstag und die dritte vor ihrem 23. Geburtstag sterben

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würde. Die erste war mit 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, die zweite war am Abend vor ihrem 21. Geburtstag bei einer Schlägerei in einem Nachtclub versehentlich erschossen worden. Nun wartete sie als dritte voller Entsetzen auf ihren eigenen Tod. Die Klinik nahm sie etwas skeptisch zur Beobachtung auf. Am nächsten Morgen, zwei Tage vor ihrem 23. Geburtstag, wurde sie tot in ihrem Klinikbett aufgefunden – ohne erkennbare organische Todesursache.“ (Seligman 1983, S. 4–5) (vgl. Flammer 1990, S. 13; Rehmann 1997, S. 17)

Die Hebamme ist, wie auch die eigene Mutter, eine machtvolle Person und erinnert uns hier auch an die 13. weise Frau in Grimms Märchen „Dornröschen“: „Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahr an einer Spindel stechen und tot hinfallen!“ Selbstverständlich gibt es auch den psychogenen Tod durch eine gewöhnliche Prophezeihung, ohne dass eine explizite Verfluchung o. Ä. stattfindet. In solchen Fällen dürfte sich das Opfer als vom bösen Schicksal statt von einem bösen Zauberer verdammt erleben. Nicht nur eine böse Hexe, Hebamme oder Schwiegermutter sondern auch ein an sich wohlwollender Arzt kann durch unbeholfene Art und Weise beim Patienten einen psychogenen Tod herbeizaubern. Nach wie vor werden Ärzte als mächtige Personen angesehen, deren Äußerungen besonderes Gewicht beigemessen wird – kritisch hinterfragt werden ärztliche Meinungen etc. vielfach erst, wenn „das Kind in den Brunnen gefallen ist“ –, wie die folgenden Beispiele zeigen: „Eine Schaffnerin, 32-jährig, nahm an einem Fest teil, wo sich ein Mann befand, in den sie sehr verliebt war. Während des Essens kroch ihr ein Spulwurm aus dem Mund. Unstillbares Erbrechen zwang zur Einlieferung ins Krankenhaus. Das Symptom hielt sieben Tage lang an und verleitete zur Fehldiagnose einer stenosierenden bösartigen Geschwulst des Pylorus [Magenausgang, A. d. V.]. Dafür sprachen sowohl die klinische als auch die Röntgenuntersuchung. Bei der Laparotomie [Öffnen des Bauchraums, A. d. V.] fand man jedoch einen schweren Magenkrampf, am Ausgang besonders stark ausgeprägt. Deshalb wurde eine hintere Gastroenterostomie [Verbindung zwischen Magen und Darm, A. d. V.] angelegt. Die Kranke verweigerte Essen und Trinken, um die Würmer in ihren Gedärmen durch Aushungern zu vernichten. Man konnte sie überzeugen, dass diese während der Operation restlos entfernt worden waren und sie nun vollkommen frei davon sei. Die Kranke begann sich wieder zu ernähren, und es ging ihr so gut, dass sie binnen sechs Tagen wieder auf die Beine kam. Das Erbrechen hörte ganz auf. Unglücklicherweise klärte ein Medizinstudent sie darüber auf, dass man bei der Operation nichts gefunden hatte und die Ursache ihrer Erkrankung unbekannt geblieben war. Am gleichen Abend stellte

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sich das Erbrechen wieder ein und hielt nahezu drei Wochen an. Das ärztliche Konsilium beschloss eine zweite Operation (Explorationslaparotomie). Dabei fand man im Magen nichts Pathologisches vor: Der Pylorus war nicht spastisch, die Gastroenterostomie funktionierte. Nach fünf Tagen starb die Patientin an massiver Auszehrung infolge des unstillbaren Erbrechens. Bei der Obduktion fand man keine pathologischen Veränderungen der inneren Organe, insbesondere fehlten entzündliche Erscheinungen in der Bauchhöhle. Die Enddiagnose lautete: ‚schwere Hysterie mit Erscheinungen unstillbaren Erbrechens; Flucht in die Krankheit, wobei die Krankheit (das Erbrechen) als Abwehrreaktion zur Entfernung der Würmer aus den Eingeweiden erschien.’“ (Schipkowensky 1977, S. 192)

Ich habe sogar in eigener Praxis erleben müssen, wie einer meiner Patienten plötzlich und unerwartet an einem Herzinfarkt verstarb, der durch eine missverständliche ärztliche Mitteilung ausgelöst wurde. „Der 53-jährige Krebspatient – Speicheldrüsenkrebs war genau ein Jahr zuvor erstmals diagnostiziert worden – lag schon circa zweieinhalb Wochen schwerkrank im Spital, wo ich gerade angefangen hatte, ihn mit dem imaginativen Heilverfahren zu behandeln, zu dem es eine weitere Publikation geben wird (siehe auch Simonton et al. 1998). Die Ärzte gaben ihm wenig Chancen auf Besserung seines Leidens, sodass ich von der Familie als letzte Hoffnung für seine Genesung kontaktiert wurde. Nach nur drei Sitzungen war ersichtlich, dass der Patient psychisch auf die Methode gut ansprach, aber immer noch sehr große Angst vor weiteren Operationen hatte. Diese Angst konnte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mildern. Am späten Abend vor unserer für den nächsten Tag geplanten 4. Sitzung wurde ihm vom Chirurgen eilig mitgeteilt, dass er am nächsten Morgen wegen der neu aufgetretenen Schluckbeschwerden und der Flüssigkeitsansammlung in der Lunge untersucht werden müsse. Obwohl die Untersuchung keinerlei chirurgischen Eingriff vorsah, verstand der Patient, dass er wieder operiert werden müsse. Er verzweifelte und geriet in einen Panikzustand der Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit: „Ich habe genug! Ich will nicht mehr! Ich will nicht mehr leben!“ wiederholte er fortwährend und verweigerte die Zufuhr von Sauerstoff. Trotz intensiver Bemühungen konnten seine Angehörigen ihn nicht aus seiner seelischen Käfigsituation befreien. Etwa vier Stunden später erlag er einem Herzinfarkt.“ (Schmid 2000)

Offensichtlich hatte der Patient die Mitteilung des Arztes als fatale Botschaft interpretiert, die sein irdisches Schicksal endgültig besiegeln sollte. Selbstverständlich war die Möglichkeit dieses tödlichen Missverständnisses dem erwähnten Mediziner keineswegs bewusst. Ich möchte auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass dieser Patient zweifellos todkrank war, er sich jedoch keineswegs im termi36

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nalen Stadium seiner Krebserkrankung befand und der Tod zu diesem Zeitpunkt und dann noch durch Herzinfarkt völlig überraschend eintrat. Eine ärztliche Beurteilung kann vom Patienten als ein tödliches Tabu-Objekt (wie ein von einem Voodoo-Priester verzaubertes Objekt) aufgefasst werden, was die unscharfen Grenzen zwischen den Formenkreisen Voodoo-Tod und Tabu-Tod – siehe unten – deutlich zeigt.

Prophetie „Es wird glaubhaft berichtet, dass eine junge Frau infolge der Prophezeihung einer Zigeunerin starb. Der psychogene Tod erfolgte, als der Termin heranrückte, den die Zigeunerin vorausgesagt hatte. Auf die Terminsetzung kam es an. Das Subjekt geriet in eine verzweifelte Situation, aus der es keinen Ausweg gab.“ (Bilz 1966)

Dieses eher traditionelle Beispiel für Prophetie soll genügen, um unser Thema zu erläutern. Seit eh und je versuchte der Mensch aus all den vielen, wenn auch ungewollten und unzuverlässigen, so doch gefürchteten Todesvorzeichen diejenigen herauszufinden, die den künftigen Tod zuverlässig voraussagen (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1009–1010). Eine Voraussage wird sich am wahrscheinlichsten dann als zutreffend erweisen, wenn folgende vier Bedingungen erfüllt sind: erstens, die fragliche Person glaubt absolut an die Macht der Weissagerin bzw. an die Wahrheit einer Weissagung; zweitens, sie weiß genau, wann sie vom Orakel zum Sterben bestimmt ist; drittens, sie hat eine für sich selbst ganz und gar überzeugende (ggf. auch vage) Vorstellung vom (metaphysischen, mystischen, parapsychologischen, religiösen, spiritistischen o. Ä.) Grund, warum das Orakel funktionieren bzw. wahr sein soll und viertens, ihre wichtigsten Bezugspersonen teilen ihren Glauben an die Prophezeiung. Der Erfolg hat meines Erachtens am ehesten mit der Überzeugungskraft im Sinne einer natürlichen Autorität und dem Charisma der Wahrsagerin zu tun und weniger – wenn überhaupt – mit irgendeiner besonderen, angeborenen oder angelernten Begabung oder Fähigkeit der Hellseherin, in die Zukunft zu schauen. Sie lässt sich m. E. auch weniger mit dem eigentlichen Schicksal des Betroffenen und eher mit seiner Empfänglichkeit für Fremd- und Autosuggestion in Verbindung bringen. In einem späteren Unterkapitel werde ich den psychogenen Tod im Rahmen der (bewussten und unbewussten) Selbstprophezeiung, z. B. wie bei Hilgards Klassischer Jahrestagsreaktion diskutieren. Die Idee, der Mensch könne mit Hilfe einer Wahrsagerin nicht nur Einblick ins eigene Schicksal bekommen, sondern vermöge durch seinen eigenen, unerschütterlichen Glauben sogar das Schicksal seines Gegenübers zu lenken und zwar bis hin zum Tod, findet man beim Phänomen des Tot- oder Mortbetens. 37

Phänomene des psychogenen Todes

Totbeten/Mortbeten „In Lasinskys Weltreise wird von einer religiösen Sekte auf den Sandwichinseln berichtet, die von sich behauptet, ihre Mitglieder könnten Menschen totbeten. Wer immer ihr Missfallen erregt, bekommt eine Mitteilung, dass die tödliche Litanei bald beginnen wird; und die Kraft der Vorstellung ist so wirkungsvoll, dass häufig allein die Botschaft genügt, um den gewünschten Effekt zu erreichen.“29 (Yawger 1936, S. 876, Zitat nach Reid)

Tatsächlich ist der Glaube an die magische Kraft des Zu-Tode-Betens der westlichen Zivilisation des 20. Jahrhunderts nicht unbekannt. Zum Beispiel gab es 1926 in Basel einen Gerichtsprozess, weil jemand den Psalm 109 aus dem Alten Testament: „Verwünschung grausamer Feinde“, auch „Das Gebet des Verfolgten um Bestrafung seiner Feinde“ betitelt, als magisches Mittel zitiert hatte, um jemand anderen zu Tode zu beten. Man nennt das „Totbeten“ oder „Mortbeten“ und es ist seit biblischen Zeiten zu solchen Zwecken benutzt worden (vgl. auch die anderen Referenzen in Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 971, „Tod“, insbesondere die Referenz auf „Mortbeten“: [Schönbach 1900, S. 54f ] ; vgl. [Hirzel 1898, S. 270] mit Bezug auf den Psalm 119). Also begegnet man hier wie auch in der Prophetie dem Sterben an der suggerierten erwartungsvollen Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod.

Suggestion „Vor Jahren wurde in Indien in einer medizinischen Zeitschrift ein Artikel mit dem Titel ‚Von der Imagination getötet‘ publiziert. Im Wesentlichen wird folgendes berichtet: Es wurde einem berühmten Arzt – Autor einer Arbeit über die Wirkung der Imagination – erlaubt, ein erstaunliches Experiment an einem zum Tode verurteilten Verbrecher durchzuführen. Dem Gefangenen – ein Attentäter aus einer noblen Familie – wurde ein ehrenvoller Tod hinter den Gefängnismauern angeboten, um seiner Familie die Schande einer öffentlichen Hinrichtung zu ersparen. Der Arzt schlug vor, ihn verbluten zu lassen. Nachdem man ihm noch versichert hatte: ‚Ihr Tod wird allmählich vor sich gehen und schmerzfrei sein‘, willigte der Gefangene ein. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, verband man ihm die Augen. Er wurde in einen Raum geführt, auf einen Tisch gelegt und festgebunden. An jeder Ecke dieses Tisches – dort wo seine Glieder angebunden waren – gab es ohne Wissen des Opfers ein Gefäß, aus dem Wasser sanft in darunterstehende Schalen tropfen konnte. Die Haut an den Hand- und Fußgelenken wurde dann angekratzt und der Inhalt der Wassergefäße langsam abgelassen. Der Verurteilte hörte das Wasser leise rinnen und glaubte fest, dass er das Tropfen seines eigenen Blutes höre. Nach und nach wurde er schwächer. Das Erlöschen seiner Lebenskraft wurde dem Verurteilten dadurch glaubhaft

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gemacht, dass die herumstehenden Ärzte sich immer leiser unterhielten. Schließlich herrschte, bis auf den sanften Laut des tropfenden Wassers, absolute Stille und auch dieses Geräusch erlosch allmählich. Obwohl der Gefangene eine starke physische Konstitution hatte, wurde er ohnmächtig und starb ohne jeden Blutverlust.“30 (Yawger 1936, S. 875, vgl. „Das bekannte Experiment in Montpellier“ Liek 1933, S. 81)

Dies ist vielleicht der dramatischste und tragischste Bericht, den man in der wissenschaftlichen Literatur über die tödliche Wirkung der Imagination unter kontrollierten Laborbedingungen findet, zitiert aus dem Vortrag von Dr. med. N. S. Yawger an der Tagung der American Medical Association (AMA) im Jahre 1936. Es gibt aber noch eine zweite, vielen früheren Psychotherapeuten bekannte und damals oft zitierte, wenn auch im Dämmer halbhistorischer Überlieferung stehende Schilderung: „Aus Pariser ,magnetischen‘ Kreisen, wonach es einer für Mesmers Forschungen interessierten Gruppe von jungen Aristokraten gelang, bei einem rettungslos der Verhaftung und Hinrichtung verfallenen Freunde das Experiment durchzuführen, daß ihm in einem warmen Bade sitzend die Augen verbunden und mit einem scharfen Schlag über ein Handgelenk versichert wurde, das nun ausfließende Blut, d. h. langsam darübergegossenes Wasser, werde zu einer völligen Entblutung und, wie bei den bekannten entsprechenden Selbstmorden im klassischen Altertum, zum Tode führen.“ (Schultz 1965, S. 91)

Beide Beispiele zeigen darüber hinaus, zu welch extremen und unmenschlichen Handlungen das rationale Denken führen kann, wenn es mit den Rätseln des Irrationalen konfrontiert wird. Es muss jedoch betont werden, dass dieser Bericht als nicht so glaubwürdig wie der oben nach Yawger zitierte erachtet werden kann.

Zusammenfassung: Magische Beeinflussung und die Aufhebung ihrer Wirkung Die Berichte in diesem und im folgenden Kapitel bezeugen die Fähigkeit des Menschen, in den magischen Bereich (vgl. Gebser 1986, 1986, 1986) des Unbewussten eines Anderen vorzudringen, um auf dieser Ebene auf das Wohl oder Wehe des betroffenen Individuums einzuwirken, vorausgesetzt natürlich, dass der Betroffene von diesem magischen Tun weiß und – zusammen mit seinem sozialen Umfeld – fest an seine Wirkung glaubt. Allerdings ist diese Fähigkeit meistens durch die konventionelle Rationalität blockiert. Und mit rationalen 39

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Mitteln allein können wir uns nicht auf den Zauberweg zur Macht über die Seele begeben. Ein Mythos zum Beispiel wirkt nicht, wenn er bewusst erschaffen wird. Dies gilt für den Naturmenschen wie für den Menschen in den Industrieländern gleichermaßen. Hierzu wieder ein Zitat von C.G. Jung: „… nach der allgemeinen Ansicht [ist] das Bewusstseinsleben für die Existenz des Individuums von ungleich größerer Bedeutung … als das Unbewusste. Diese allgemeine Ansicht dürfte aber noch zu revidieren sein, denn mit steigender Erfahrung wird sich auch die Einsicht vertiefen, dass die Funktion des Unbewussten im Leben der Psyche von einer Wichtigkeit ist, von der wir vielleicht jetzt noch eine zu geringe Meinung haben … Nach meiner Ansicht, … ist die Bedeutung des Unbewussten für die Gesamtleistung der Psyche wahrscheinlich ebenso groß wie die des Bewusstseins. Sollte diese Ansicht richtig sein, dann dürfte … der Bewusstseinsinhalt als relativ zum momentan konstellierten unbewussten Inhalt [betrachtet werden]. In diesem Fall wäre dann die aktive Orientierung nach Zweck und Absicht nicht nur ein Vorrecht des Bewusstseins, sondern würde auch vom Unbewussten gelten, so dass also das Unbewusste auch imstande wäre, so gut wie das Bewusstsein, bisweilen eine finale orientierte Führung zu übernehmen.“ (Jung 1982, „Allgemeine Gesichtspunkte zur Psychologie des Traumes“, Par. 491)

Wie meine Beispiele zeigen, kann diese finale Orientierung des Unbewussten bis hin zum Tod führen. Zum Beispiel bewirkt das oben erwähnte Totbeten diese finale und fatale Orientierung des Unbewussten. Und die Beispiele zeigen auch, dass die Psyche auf sich selbst zurückwirken kann, um einen schon eingeleiteten Prozess des psychogenen Todes entweder zu verhindern oder noch weiter aufzuschaukeln. Der tödliche Zauber einer bösartigen Verwünschung kann mit Hilfe der Gegenmagie eines mächtigen Heilers annulliert werden, falls die Rettung rechtzeitig einsetzt. Ellenberger berichtet z. B. vom heilenden Einsatz eines australischen Medizinmannes, der im oben geschilderten Fall eines „Boning“ zu Hilfe gerufen wurde: „Bei Basedow finden wir dann die eingehende Schilderung des Verfahrens des Medizinmannes. Kurz zusammenfassend können wir nur sagen, dass der Medizinmann nach komplizierten Formeln und Zaubersprüchen dem Patienten und den Angehörigen ein Stückchen Knochen zeigt, das er offenbar irgendwo versteckt mit sich getragen hatte. Die Wirkung ist verblüffend. ‚Der bedauernswerte Kerl, der bis zu diesem Momente auf dem Wege des Todes war, hebt seinen Kopf und starrt mit Verwunderung auf das vom Nangarri gehaltene Objekt, von dem er allen Ernstes glaubt, es sei aus dem Innern seines Körpers herausgezogen worden. Zufrieden über das wirkliche Bestehen dieses Objektes bringt er sich in

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eine sitzende Stellung und verlangt Wasser, um zu trinken. Die Krisis ist nun überstanden und der Kranke erholt sich rasch und vollständig. Ohne den Eingriff des Nangarri würde der ‚boned‘ Mann sich sicherlich zu Tode gequält haben, aber der Anblick eines konkreten Gegenstandes, von dem die anerkannte Stammesbehörde behauptet, er sei die Ursache des Leidens, bedeutet Heilung für ihn.‘ Basedow fügt bei, eine solche Kur übertreffe bei weitem alles, was wir in Kulturländern von Gesundbetern kennen.“ (Ellenberger 1952, S. 339)

Andere Beispiele von „Bone-Pointing“ sind auch in der Fachliteratur zu finden, z. B. (Milton 1973; Róheim 1925). Sogar die Bibel bietet die Hilfe Gottes gegen persönliche Feinde an (vgl. Ps. 109; Klgl. 3, 60–66). Es gibt in diesem Zusammenhang folgendes Beispiel aus einem Allgemeinspital: „Eine 19-jährige schwangere Frau wurde von ihrer Schwiegermutter ‚verwünscht‘. Die Schwiegermutter hatte vorausgesagt, dass das Kind tot geboren und die Schwiegertochter vor einem bestimmten Datum auch sterben werde. In der Tat wurde das Kind tot geboren und, je näher das tödliche Datum rückte, desto deutlicher schwanden die Lebenskräfte der Schwiegertochter dahin. Schließlich wurde der kritische Punkt erreicht, da der Tod unvermeidlich schien. Erst nachdem die Dienste eines fundamentalistischen Pfarrers, der auch VoodooKenntnisse besaß, in Anspruch genommen wurden, konnte die Verhexung aufgehoben werden. Der Zustand der Patientin besserte sich kontinuierlich.“ (Geschichte übernommen von Cappannari et al. 1975)

Über die einfallsreiche und erfolgreiche Wiedergutmachung eines „Boning“ berichtet Cannon: „Dr. S. M. Lambert vom Western Pacific Health Service der Rockefeller Foundation schrieb mir, dass er mehrmals Beweise für den Tod durch Angst gesehen hatte. In einem Fall gab es eine überraschende Besserung. In einer christlichen Mission in Mona Mona, North Queensland, gab es viele eingeborene Konvertiten, aber in unmittelbarer Umgebung gab es eine Gruppe Nichtbekehrter einschließlich eines gewissen Nebo, eines berühmten Medizinmanns. Der wichtigste Helfer in der Mission hieß Rob, ein zum Christentum übergetretener Einheimischer. Als Dr. Lambert ankam, erfuhr er, dass Rob sich in einem Zustand der Verzweiflung befand und der Missionar Rob medizinisch untersuchen lassen wollte. Dr. Lambert machte die Untersuchung und fand weder Fieber noch Klagen über Schmerz, auch keinerlei Symptome oder spezifische Anzeichen einer Krankheit. Er war jedoch beeindruckt von Robs offensichtlich ernsthafter Erkrankung und extremer Schwäche. Vom Missionar erfuhr er, dass Nebo mit einem Knochen auf Rob gezeigt hatte und der jetzt überzeugt war, er müsse

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sterben. Daraufhin ging Dr. Lambert mit dem Missionar zu Nebo, drohte ihm scharf, dass, sollte Rob etwas zustossen, alle Lieferungen von Nahrungsmitteln gestoppt und Nebo und seine Leute von der Mission weggewiesen würden. Nebo war alsbald einverstanden, mit ihnen gemeinsam zu Rob zu gehen. Er beugte sich über Robs Bett und sagte dem kranken Mann, dass alles ein Fehler war, bloß ein Witz, dass er eigentlich mit dem Knochen gar nie auf Rob gezeigt hatte. Die Entspannung, bezeugte Dr. Lambert, trat fast sofort ein; denselben Abend war Rob zurück an der Arbeit, wieder ganz glücklich und in vollem Besitz seiner physischen Kraft.“31 (Cannon 1957, S. 183)

Wenn ein stärkeres bzw. ein mindestens für mächtiger gehaltenes „Hilfs-Ich“, das anderen Gruppen und Wertordnungen entspringt, in Kraft gesetzt wird, um ein verhextes Individuum zu retten, muss das Verdikt der Herkunftsgruppe bzw. einer ihrer Autoritätspersonen nicht notwendigerweise in den Tod des Betroffenen münden. Hierzu drei Beispiele. Das erste entstammt einem Zeitungsbericht: „Ein australischer Eingeborener, das Opfer einer Verhexung dieser Art im April 1956, wurde sterbend ins Krankenhaus von Darwin (Australien) gebracht. An eine eiserne Lunge angeschlossen und per Sonde ernährt, kam er langsam wieder zu Kräften, überzeugt, dass ‚die Magie des Weißen Mannes stärker ist‘.“ (Kächele 1970, S. 127)

Das zweite ist dem Southern Medical Journal (1992) entnommen: „Der erste Patient, ein wenig gebildeter Mann, nach einer Verhexung durch einen einheimischen Voodoo-Priester dem Tode nahe, erholte sich schnell wieder nach den geschickten Worten und Handlungen seines Hausarztes.“32

Seine Methode war so einfallsreich wie mutig: Er gab vor zu wissen, wie der Fluch funktionierte, nämlich: eine durch Zauber in seinem Körper verbrachte Eidechse, die den Patienten von innen her auffräße. Mithilfe einer Krankenschwester und eines Emetikums brachte er den Patienten zum Erbrechen und zeigte ihm eine heimlich mitgebrachte Eidechse mit der begleitenden Aussage, damit sei der Fluch beendet. Zum selben Beispiel gehört auch das folgende Gegenstück: „... der zweite [Patient], mit der Diagnose eines metastasierenden ösophagusKarzinoms versehen, starb im sowohl von seiner Familie als auch den Ärzten geteilten Glauben an einen im ganzen Körper verbreiteten Krebs. Bei der Obduktion fand man lediglich einen zwei Zentimeter großen [kleinen! A. d. V.] Knoten in der Leber.“ (Meador 1992)

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Das dritte Beispiel ist eine persönliche Mitteilung des Anthropologen Prof. W. Behrmann (vgl. Kächele 1970, S. 128): „Behrmann machte die erste Durchquerung von Neu-Guinea mit einer größeren Gruppe von Forschern unterschiedlichster Richtung, die zum Schutz ihrer Gesundheit von einem riesengroßen und echt schwäbisch-derben Stabsarzt begleitet wurden. Für Trägerdienste boten sich Jungen aus Eingeborenendörfern an, die aber von ihren Medizinmännern, wenn einmal von Heimweh getrieben wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt, wegen Verletzung des Tabus mit dem Tode durch Dämonen bedroht wurden. Daher trat in der Tat anschließend bei zwei dieser Jungen im Lager der Expedition ein einfaches ‚Verlöschen‘ in den Tod ein, ohne dass die ärztliche Untersuchung den geringsten Grund hierfür hätte feststellen können. Als nun ein dritter Junge mit gleichen Zeichen hoffnungslos ängstlicher Erwartung in das Lager zurückkehrte, griff ihn sich der erwähnte Stabsarzt und hielt ihm eine so donnernde schwäbische Droh- und Erschütterungsrede, dass diese ‚Dämonen‘ noch stärker waren als die Geister im Dschungeldorf und der Junge am Leben blieb.“ (Schultz 1965, S. 91)

Offensichtlich kann die tödliche Vorstellungskraft, die durch Voodoo im Opfer ausgelöst wird, durch die konträr wirkende Überzeugungskraft einer als stärker eingeschätzten Drittperson maßgeblich beeinflusst werden. Auch auf dem Gebiet des Totbetens herrscht der Glaube, dass man sich durch Beten gegen einen plötzlichen unnatürlichen Tod schützen kann (BächtoldStäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 975, „Tod“). Als Beispiel solch eines erfolgreichen, positiven, irrationalen Eingreifens in die magische Struktur des menschlichen Geistes möchte ich den folgenden Bericht des Wissenschaftlers Wright zitieren. Er erzählte die Geschichte eines Anthropologen, dessen einheimischer Diener von einem Kahuna – einem Schwarzmagier – zu Tode gebetet wurde. „Dieser Diener wurde immer schwächer und befand sich offenbar schon ein gutes Stück auf dem Wege ins Jenseits, als der Ethnologe, bei dem er beschäftigt war, es mit einer Form umgekehrter Psychosomatik versuchte. Es erwies sich, dass seine Suggestionskräfte doppelt so wirksam waren wie die des Kahuna. Er versicherte dem Jüngling, dass er ein mächtigerer Kahuna sei als derjenige, der ihn zu Tode bete, und diese Nachricht ließ man auch den anderen Parteien zukommen. Der Jüngling erholte sich – und der Kahuna starb!“ (Wright 1958, S. 67)

Das Ereignis fand etwa 1947 auf der Insel Fanning oder Palmyra statt. Falls das Opfer nicht an die Macht des bösen Zauberers glaubt oder es selbst ein noch mächtigerer Zauberer ist, und der Böswillige auch fest von seiner ei43

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genen Unterlegenheit überzeugt werden kann, wird die Magie buchstäblich auf ihn zurück prallen. Hierzu ein weiterer Bericht: Ein eingeborener Zauberer in Hawaii wollte einen weißen Mann zu Tode hexen (anaana). Der Weiße erwiderte, er selbst könne ihm das gleiche antun. Der Eingeborene wähnte, nun sei er selber vom Weißen behext, brach zusammen und starb bald darauf.“ (Ellenberger 1952, S. 341, zitiert nach Goldie)

Beide Beispiele zeigen die bekannte Idee, dass die Schwarzmagier früher oder später ihrem eigenen Tun zum Opfer fallen, eine Art Bumerang-Effekt der magischen Handlung aufgrund eigener negativer Projektionen. In den Worten von C.G. Jung: „Es ist ein unabänderliches psychologisches Gesetz, dass eine hinfällig gewordene Projektion wieder zu ihrem Ursprung zurückkehrt“. (Jung 1981, „Nach der Katastrophe“, Par. 437)

Anscheinend hat die tödliche Wirkung einer Verzauberung o. Ä. einen einmaligen Effekt. Hat das vermeintliche Opfer eine Verhexung überlebt, kann es nie wieder betroffen sein bzw. es ist kein zweites Mal für das Voodoo anfällig (Richter 1958, S. 311). Hier haben wir eine Art „psychischer Immunität“ vor uns.

Pathogenetische Faktoren beim Voodoo-Tod Im erwähnten Vortrag vor der American Medical Association (AMA) im Jahre 1936 zum Thema Voodoo-Tod bezieht sich Yawger auf die Idee einer erwartungsvollen Aufmerksamkeit, die W.B. Carpenter zuvor eingeführt hatte (Carpenter 1884): Die Idee einer erwartungsvollen Aufmerksamkeit suggeriert, dass „die beständige Lenkung der Aufmerksamkeit eine viel größere Wirksamkeit hat, wenn sie mit der Erwartung eines gewissen Resultates in Beziehung steht.“ 33 (Yawger 1936, S. 876) Derselbe Zustand der erwartungsvollen Aufmerksamkeit wird von manchen Forschern als Schlüssel zur Magie verstanden: „Die Wichtigkeit des Selbstvertrauens für den, der nach der Realisation übernatürlicher Handlungen strebt, wurde wohl von Jhavery (S. 12ff ) betont. Dieser Autor unterstreicht die folgenden Bedingungen als ,dreifachen Schlüssel‘ zur ,Vollkommenheit‘ (ohne Zweifel seine Übersetzung des Wortes siddhi); 1. eine intensive Sehnsucht nach dem angestrebten Ziel; 2. eine ernsthafte und zuversichtliche Erwartung, es zu erreichen; 3.  die ununterbrochene Konzentration des Willens auf das Ziel. Auf S. 16 reflektiert er Sehnsucht und Willen als die beiden Pole in der Psyche des Magiers, die den Erfolg seiner ,psychischen Energie‘ begründen. Sie ermöglichen es ihm, magische Handlungen auszuüben, die

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mal weißer oder auch schwarzer Natur sein können. Webster (S. 79ff ) diskutiert die Wichtigkeit des ,imperativen Willens‘ als Bedingung für den Erfolg der Magie in primitiven Gesellschaften. Solche Willenskraft, wenn mit einer intensiven psychischen Konzentration auf das erwünschte Resultat kombiniert, erzeugt ,den Glauben, der Berge versetzen kann‘ (Webster). Der bloße Akt solchen ,Denkens‘ kann manchmal genügen, alle Art Unheil für das Opfer, sogar seinen Tod, zu bewirken.“ 34 (Goudriaan 1978, S. 247–248)

Kurz gesagt, kann man den Tabu-Tod einen „Tod durch den Verlust der Bindung an einen bestimmten Menschen“ bezeichnen. Aufgrund der Berichte über den Voodoo-Tod und entsprechende Gegenmaßnahmen komme ich zu folgendem Schluss: Der Mechanismus, der bei diesen psychogenen Todesfällen zum Tragen kommt, liegt offensichtlich in der Nähe einer von der Sozialgruppe mitgetragenen hypnotischen Suggestion, die die Aufmerksamkeit auf die Überzeugung von der Macht des Anderen und der Wirkung seiner Mittel auf das eigene Leben lenkt, und eine überwältigende Trennungsangst auslöst. Anders gesagt: Eine Angst vor dem „Nicht-mehr-hier-Sein“, denn bei Naturvölkern bedeutet Sterben in der Regel unwiderruflich an einen anderen fernen und ungewissen Ort gehen. Der Todgeweihte muss bald Abschied nehmen und erlebt, ähnlich wie beim Heimwehtod, extreme Trennungsangst. Dieses regressive Verhalten lässt an das sog. Fremdeln denken, das im Alter von 7 bis 8 Monaten auftritt und in der Entwicklungspsychologie als gesunde Reaktion des Säuglings gilt. Dementsprechend und in Übereinstimmung mit Stumpfe – siehe unten – wird z. B. auch die Überzeugung der eigenen Einflussnahme als Mittel der Selbsthilfe gegen den negativen psychologischen Einfluss von anderen auf die eigene Person betont (vgl. z. B. Rehmann 1997, S. 18). Diese wird am ehesten über die eigene Erfahrung, d. h. über persönliche Erlebnisse aufgebaut, damit das Geschehen auch abhängig davon ist, was durch Willenskraft bewirkt oder verhindert wird. In den ersten Lebensjahren erlebt der Mensch unmittelbare, über die Sinne erfahrbare Reaktionen auf eigene Handlungen, z. B. verlangt ein Säugling durch Schreien nach Essen und erreicht, dass seine Mutter kommt. Mit der Zeit werden andere Rückkoppelungen (feedbacks) zunehmend wichtiger: verzögerte, indirekte Reaktionen auf Handlungen, z. B. strenge ich mich beim Lernen an und bekomme gute Noten; erlernte, direkt vermittelte Reaktionen auf die Handlungen Anderer, z. B. beobachte ich, wie mein Nachbar mit seinem Anliegen Erfolg hat; geglaubte, abstrakt und symbolisch vermittelte Reaktionen der Umwelt auf die Handlungen des Individuums, z. B. aus Geschichten oder Glaubenssystemen. Falls ein Mensch immer wieder negativen Ereignissen ausgesetzt ist, denen er nicht ausweichen oder die er nicht verhindern kann, und er zudem glaubt, keinerlei Bewältigungsstrategien zur Verfügung zu haben oder inskünftig erwerben zu können, wird er diesen und ähnlichen Vorgängen gegenüber hilflos und im Laufe der Zeit hoffnungslos: Es besteht für ihn kein glaubwürdiger Zu45

Phänomene des psychogenen Todes

sammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Auftreten der Ereignisse und dies schafft in ihm eine erlernte Hilf- und Hoffnungslosigkeit, die in eine feste Überzeugung der eigenen Nicht-Kontrolle bzw. der Fremdbeeinflussung mündet. Wie ich in diesem und den folgenden Kapiteln zeigen möchte, kann solch eine Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit sogar in den Tod ausufern.

Tabu-Tod Hier haben wir das Drama des psychogenen Todes durch den Bruch eines unantastbaren verinnerlichten Verbotes bzw. durch die Begegnung mit dem Undenkbaren/Unmöglichen. „Bei einer anderen Gelegenheit kam mein Informant an einem tabuisierten Ort vorbei, wo er sehr schöne Pfirsiche und Kumaras [eine einheimische Frucht, A. d. V.] sah. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich einige anzueignen. Auf seinem Weg nach Hause bat ihn eine eingeborene Frau von niederem sozialen Stand um einige Früchte. Nachdem sie sie verzehrt hatte, sagte er ihr, woher er sie hatte. Plötzlich fiel ihr Korb zu Boden, und in Todesangst rief sie aus, dass der Attua (das Tabu) des Häuptlings, dessen Heiligtum durch den Diebstahl verunreinigt worden war, sie töten würde. Die Begegnung trug sich am Nachmittag zu, und am nächsten Tag um die Mittagszeit war die Frau tot.“ (Ü.d.V., Brown 1845, S. 76)

Beim Tabu-Bruch handelt es sich um einen psychogenen Tod durch die verbotene Verunreinigung eines Heiligtums, ohne dass über den Täter oder das Opfer – je nach Perspektive – wie bei den Fällen des vorigen Abschnitts eine Verzauberung, Verfluchung, schwarzmagische Handlung o. Ä. von einer Drittperson ausdrücklich ausgesprochen wird. Der Betroffene stirbt ohne erkennbare organische Ursache, sobald ihm bewusst wird, ein Tabu verletzt zu haben. Hier begegnen wir einem akut auftretenden psychogenen Todesphänomen, bei dem der Tod, wie beim Voodoo, sofort stattfinden kann. Bei Mitgliedern von stark normativ orientierten Gesellschaften findet man den Tabu-Tod in seiner klassischen von magischen oder religiösen Praktiken geprägten Form (Frazer 1928). Im Volksglauben kann auch etwas „tabu“ (also auf keinen Fall zu erwähnen) sein, z. B. eine Todesbotschaft oder ihr Überbringer, der Leichensager, Leichenbitter, Leichlader, die Leichenfrau usw. (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 985–988), ohne unbedingt tödlich zu sein. In der Form des Tabu-Tods pflegt der psychogene Tod in einigen Stunden, höchstens wenigen Tagen einzutreten – wie oben in der Form des VoodooTods – mit dem klinischen Bild eines peripheren Kreislaufkollapses, jetzt aber 46

Tabu-Tod

nach Überschreiten eines wichtigen Verbotes (afrikanische Form), oder bei Bewusstwerden schwerster Schuldgefühle nach Beschämung oder Blamage, oder z. B. nach Verletzung von Riten (polynesische Form) auch als kollektive Erscheinung (Ellenberger 1952). Als eine Hypothese über dieses Einzelpersonen wie ganze Stämme in kurzer Zeit ausrottende Ereignis hat sich die biologische des schockauslösenden emotionalen Stresses („shocking emotional stress“) von Cannon bis heute gehalten (Cannon 1957, siehe auch z. B. Funkenstein 1955). Bei der einen Hauptform des Tabu-Todes steht die Furcht vor der Magie im Vordergrund; bei der anderen die Schuld wegen des Bruchs. Weil es aber auch Mischformen gibt, bei denen beides, Angst und Schuldgefühl miteinander, die Hauptrolle spielen, ist dieser Abschnitt eher nach einfachen phänomenologischen Kriterien gegliedert. Das Tabu-Denken ist dem modernen Menschen gar nicht so abwegig, wenn wir z. B. unsere Haltung gegenüber „schmutzigem Geld“ (dirty money) vor Augen haben, oder wenn wir uns vorstellen, wie es wäre, wenn man einen frommen Katholiken zwingen würde, eine Hostie zu entweihen. Antisoziale Taten wie z. B. Stehlen oder Morden sind per Gesetz (und nicht nur durch die Zehn Gebote) verboten und auch immer noch tabu. Und gewisse übel gemeinte Handlungen werden sicher vom modernen Mensch als eine Art Tabu betrachtet, z. B. groteske Missachtung von Grabmalen oder Bildern wichtiger Bezugspersonen: „Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht, dass leblose Objekte dieser Natur oft tatsächlich mit dem Affektobjekt, das sie repräsentieren, identifiziert werden. Es gab in diesem Zusammenhang sogar ein Experiment (Johnson 1946), in dem die Teilnehmer aufgefordert wurden, Gesichtern auf Fotografien mit einer Stricknadel die Augen auszustechen. Einzig bei dem untergeschobenen Foto der Mutter verweigerten viele, den Auftrag auszuführen. Das Papier hörte auf, Papier zu sein, es war die Mutter selbst, der man doch nicht Schmerz zufügen konnte.“ (Zwingmann 1961, S. 457)

Doch es geschieht wohl nur noch selten, dass der industriell geprägte Mensch wegen eines Tabu-Bruchs stirbt. (In seltenen Fällen nimmt er sich jedoch aus Scham selbst das Leben.) Ob dies Beweis intellektueller Überlegenheit oder eher ein Zeichen moralischer Unterlegenheit gegenüber den Naturmenschen ist, möchte ich hier nicht beurteilen. Im Falle einer Tabu-Verletzung behandelt die Gruppe ihr Mitglied bereits vor seinem physischen Tod so, als ob der Übeltäter schon tot wäre; er wird umgehend exkommuniziert, um die Gefahr von der Gruppe als Ganzes abzuwenden, d. h. er wird selbst tabu. Ein wesentliches Charakteristikum des Tabus besteht vermutlich darin, Gehorsamkeit vom Individuum gegenüber den gesellschaftlichen, tradierten Restriktionen zu verlangen und zu etablieren (vgl. z. B. Webster 1948). Diese 47

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Ansicht der modernen anthropologischen Forschung steht nicht unbedingt im Gegensatz zu Freuds Auffassung, dass Grundlage des Tabus ein verbotenes Tun sei, zu dem eine starke Neigung im Unbewussten besteht (Freud 1967). Den Tabu-Tod könnte man als eine Art „passive“ Form des Voodoo-Todes verstehen, die durch die Selbstauslösung einer tödlichen, unpersönlichen Voodoo-Magie stattfindet, die nicht mit irgendeinem spezifischen Medizinmann oder Zauberer etc. sondern mit der Gemeinde im Allgemeinen, mit einer übergeordneten Geister welt oder einem überpersönlichen Gott verbunden ist. Ein grundsätzliches Merkmal dieser immanenten Verwünschung und sozialen Toterklärung liegt wie bereits erwähnt darin, Gehorsamkeit vom Individuum gegenüber den gesellschaftlichen tradierten Normen, die quasi das Über-Ich der Gruppe als Ganzes verkörpern, einzufordern und zu gewährleisten (siehe Kapitel „Darwinistische Perspektive“).

Aberglaube „In Samkita [Französisch-Kongo, A. d. V.] wurde ein Schüler namens Onguie plötzlich von Krämpfen befallen. ... ‚Er hat Bananen gegessen, die in einem Topf gekocht wurden, in dem eben vorher Maniok gesotten worden war. Maniok ist für ihn Eki; seine Großeltern haben ihm gesagt, er werde sterben, wenn er je davon auch nur ein winziges Stückchen äße.‘ Die Verletzung des Ahnengebotes jagte ihm einen derartigen Schrecken, eine solche Angst ein, dass sich die Lebensquellen bald erschöpften. ‚Schauen Sie‘, sagte man, in dem man auf das Zwerchfell hinwies, das geschüttelt wurde, als ob ein Tierchen darunter zappelte, ‚er hat ein ‚Evur‘, das sich aufregt.‘ (...) Alles war umsonst. Das überanstrengte Herz hörte auf zu schlagen.“ (adaptiert aus Ellenberger 1952, S. 333–334)

H. Ellenberger berichtet von diesem psychogenen Todesfall aus dem 1928 publizierten Buch eines Missionars in Französisch-Kongo, Pfarrer Fernand Grébert. Das Beispiel basiert auf dem Aberglauben, dass das Kosten einer Speise mit Eki unweigerlich den Tod zur Folge hat, wenn nicht der Zauberer dazwischentritt. Jeder Stamm hat sein eigenes Eki, sei es eine Pflanze oder ein Tier. Auch das versehentliche Berühren des Besitztums eines Heiligen, eines Medizinmanns, eines Zauberers oder eines Häuptlings kann für den Unbefugten ebenso gefährlich sein wie das Kosten von einem Eki. „Der große Häuptling Taonui verlor einmal sein Feuerzeug. Es wurde von Männern aus dem Volke gefunden. Sie zündeten ihre Pfeifen damit an. Als sie entdeckten, wem dieses Feuerzeug gehörte, starben sie.“ (Ellenberger 1952, S. 336, von Taylor aus Goldie)

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Für uns moderne Menschen kaum nachvollziehbar ist das Tabu, das im Zusammenhang mit dem Wort bestehen kann (vgl. Frazer 1928, Kapitel XXII). Dies mag wohl im Weltentwurf des Naturmenschen liegen, der nicht grundsätzlich zwischen Dingen und Wörtern oder Gleichnissen unterscheidet. Er nimmt eine unmittelbare Verbindung an zwischen dem Gleichnis (z. B. einem Foto, dem Wort oder einem Namen) und dem damit bezeichneten Objekt bzw. Individuum. Dieser Zusammenhang bezeichnet nicht eine rein willkürliche und abstrakte Assoziation sondern ein reales und wesentliches, beide umschließendes Band, so dass Zauberei – siehe vorheriges Kapitel – oder Tabu ebensogut durch ein Gleichnis, ein Wort oder einen Namen wie durch Haare, Nägel oder irgendeinen anderen charakteristischen Teil des Opfers bewirkt werden kann. Zum Beispiel kann der kleinste Fehler in sakralen Worten oder Taten bei gewissen Völkern fatale Folgen haben. So z. B. bei den Maori in Neuseeland: „[dass] ... ein Mann, der die Geschichte des Stammes erzählt und dabei auf einen Irrtum aufmerksam gemacht werden könne, keine zwei weiteren Nächte mehr überleben werde.“ (Ellenberger 1952, S. 335–336; vgl. Best 1905)

Das tragische Schicksal des polynesischen Moriori-Volkes zeigt, dass der Mechanismus von Tabu-Überschreitung und Sanktion auch kollektiv wirken kann (vgl. Shand 1892, 1894). (Siehe auch das Kapitel über Heimweh). „Der polynesische Stamm der Moriori und lebte auf den Chatham-Inseln östlich von Neuseeland. Obwohl sie ursprünglich ein Zweig der Maoris und also blutsverwandt mit ihnen waren, lebten sie schon einige Jahrhunderte getrennt von ihnen. Einer ihrer Ahnen, Nanuku, hatte ihnen einst Krieg und Kannibalismus verboten. Sie besaßen keine Waffen mehr, oder nur sehr wenige, und konnten sich nicht verteidigen. Sie waren ein überaus friedliches und religiöses Volk. 1835 kamen Maori-Banden und nahmen die Insel ohne Widerstand ein. Sie versklavten das Moriori-Volk. Nur ein verhältnismäßig kleiner Teil wurde damals getötet, aber ein großer Teil der Bevölkerung erlag innerhalb zweier Tage einer nicht genau identifizierten Epidemie. Die übrigen starben einfach ohne sichtbaren Anlass. Im Jahre 1835 gab es etwa 2000 Moriori, im Jahre 1855 noch 212, im Jahre 1894 nur noch 25, davon viele Mischlinge. Ein Maori sagte: ‚Es war nicht die Anzahl der Getöteten, die sie ausrottete, sondern nachdem wir sie versklavt hatten, fanden wir sie eines Morgens tot in ihren Häusern. Es war das Überschreiten ihrer eigenen Tabus, das sie tötete.‘ (Weil die Maoris sie dazu zwangen, Handlungen zu begehen, die ihnen tabu waren.)“ (nach Ellenberger 1952, S. 337–338)

Zum Abschluss dieses Abschnitts erwähne ich noch, dass auch das unbeabsichtigte Betreten eines heiligen, für tabu deklarierten Ortes tödliche Konsequen49

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zen nach sich ziehen kann. In diesem Zusammenhang denke ich auch an weitverbreitete Phobien und Zwangsstörungen: Wenn z. B. eine Zwangshandlung (auch aus Versehen) nicht ausgeführt wird, entsteht in der mentalen Landschaft des Betroffenen ein nicht auszuhaltendes Katastrophenszenario. Es ist für ihn, als ob seine ganze Welt und alles was er liebt, unwiederbringlich zerstört wird.

Religion Sogar der Tod an sich hat seinen Ursprung in einem Tabubruch: Bekanntlich stammt der Tod nach dem Alten Testament vom Sündenfall Adams als eine Art Tabu-Tod: „Dann gebot Gott der Herr dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon ißt, wirst du sterben.“ (1. Mos. 2,16–17)

und später „Und zum Menschen sprach Er: Weil du auf deines Weibes Stimme gehört und von dem Baume gegessen hast, von dem ich dir gebot: du sollst nicht davon essen, so ist um deinetwillen der Erdboden verflucht. … Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde kehrst, von der du genommen bist; denn Erde bist du, und zur Erde musst du zurück. … Und Gott der Herr sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, dass er weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht seine Hand ausstrecke und auch von dem Baume des Lebens breche und ewig lebe! … Und er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Cherube sich lagern und die Flamme des zuckenden Schwertes, den Weg zum Baume des Lebens zu bewachen.“ (1. Mos. 3,17–24)

So findet man auch z. B. in den Büchern Mose geschrieben: „Aber er, der Erstgeborene Judas, missfiel dem Herrn; darum ließ der Herr ihn sterben. Da sprach Juda zu Onan: Gehe zu dem Weibe deines Bruders und vollziehe mit ihr die Pflichtehe, dass du deinem Bruder Nachkommen schaffest. Da aber Onan wusste, dass die Kinder nicht als die seinen gelten sollten, ließ er seinen Samen, wenn er zum Weibe seines Bruders ging, auf die Erde fallen und so verderben, um seinem Bruder nicht Nachkommen zu verschaffen. Aber dem Herrn missfiel, was er tat, und er ließ ihn auch sterben.“ (1. Mos. 38,7–10)

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und: „Unser Vater ist in der Wüste gestorben; doch war er nicht bei der Rotte, die sich wider den Herrn zusammentat, bei der Rotte Korahs, sondern er starb um eigner Sünde willen, ohne Söhne zu hinterlassen.“ (4. Mos. 27,3, vgl. 4. Mos. 23,10; 2,23; 2,26)

Der Tod ist Teufelswerk (vgl. Weish. 1, 13 und 16) und insofern als der Mensch sich für den Teufel anstatt für Gott entscheidet, muss er den Tod auch persönlich erleiden: „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht. Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören.“ (Weish. 2, 23–24)

Und noch an einer anderen Stelle des Alten Testaments: „Weh Euch, Ihr ruchlosen Männer, die ihr das Gesetz des Höchsten verlassen habt. Wenn ihr euch vermehrt, ist es zum Unglück, wenn ihr Kinder zeugt, ist es zur Trauer; wenn ihr strauchelt, ist es zur dauernden Freude, wenn ihr sterbt, ist es zum Fluch.“ (Sirach 41, 8–9)

Der Zusammenhang zwischen Sünde bzw. Gottesferne und Tod wird an verschiedenen Stellen im Alten und auch im Neuen Testament weiter vertreten (vgl. z. B. Weish. 1, 12–15; 2, 24; bzw. Röm. 5, 12–14; 1. Kor. 15, 21–22). Im Alten Testament findet man insbesondere die Geschichte von Ussa, der unmittelbar nach seiner Berührung der Bundeslade tot umfiel. „Als sie zur Tenne Nachons kamen, griff Ussa mit der Hand nach der Lade Gottes und hielt sie fest, weil die Rinder sie umwerfen wollten. Da entbrannte der Zorn des Herrn wider Ussa, und Gott schlug ihn dort, weil er mit der Hand nach der Lade gegriffen hatte, sodass er dort neben der Lade Gottes starb.“ (2. Sam. 6,6–7)

Den Tod von Ussa kann man mit Recht einen plötzlichen Tod wegen der Verletzung eines religiösen Tabus nennen. Ein bekanntes Beispiel der religiösen Tabu-Verletzung entnehme ich nun dem Neuen Testament. Hier haben wir die Geschichte von Ananias (in der katholischen Bibelübersetzung auch „Hananias“) und seiner Frau Saphira: Beide fielen tot um, unmittelbar nachdem Petrus sie mit Recht beschuldigt hat, vor dem Heiligen Geist gelogen zu haben. 51

Phänomene des psychogenen Todes

„Ein Mann aber mit Namen Ananias samt seiner Frau Saphira veräußerte ein Gut und schaffte unter Mitwissen der Frau von dem Erlös (etwas) auf die Seite, brachte einen Teil und legte ihn den Aposteln zu Füßen. Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, den heiligen Geist zu belügen und von dem Erlös des Grundstücks (etwas) auf die Seite zu schaffen? Gehörte es nicht auch ferner dir, wenn es (unverkauft) blieb, und war es nach dem Verkauf nicht zu deiner Verfügung? Warum hast du in deinem Herzen diese Tat beschlossen? Du hast nicht vor Menschen, sondern vor Gott gelogen. Als aber Ananias diese Worte hörte, fiel er hin und verschied. Und große Furcht kam über alle, die es hörten. Die jüngern Männer nun standen auf, legten ihn zurecht, trugen ihn hinaus und begruben ihn. Es begab sich aber nach Verlauf von etwa drei Stunden, da trat seine Frau ein, ohne zu wissen, was geschehen war. Petrus nun redete sie an: Sage mir: Habt ihr das Grundstück für so viel verkauft? Sie sagte: ja, für so viel. Petrus aber (sprach) zu ihr: Warum seid ihr übereingekommen, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind an der Türe, und sie werden dich hinaustragen. Da fiel sie sofort zu seinen Füßen hin und verschied. Als nun die Jünglinge eintraten, fanden sie sie tot; und sie trugen sie hinaus und begruben sie bei ihrem Manne. Und es kam große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle, die davon hörten.“ (Apg. 5,1–11)

Plötzlicher unerwarteter Tod durch Tabu-Bruch wird in der Bibel nicht selten mit der Idee der Sünde – sprich Todsünde – in Zusammenhang gebracht. Ich erinnere z. B. an Vers Röm. 6,23, den Martin Luther in seiner Bibelübersetzung so ausgedrückt hat: „Der Tod ist der Sünde Sold“, und in einem ähnlichen neutestamentlichen Vers: „Wenn jemand seinen Bruder eine Sünde begehen sieht, (die) nicht zum Tode (führt), soll er bitten, und er wird ihm das Leben geben, (nämlich) denen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tode; nicht von der sage ich, dass er bitten soll. Alle Ungerechtigkeit ist Sünde; und es gibt Sünde zum Tode.“ (1. Joh. 5,16–17)

Im abendländischen Aberglauben findet man die weitverbreitete Idee, dass eine Person plötzlich und unerwartet als Strafe für ihre Sünde sterben kann: Das unerträgliche Schuldgefühl zusammen mit der unwiderruflichen Blamage vor der Gemeinschaft verunmöglichen ihr das weitere Leben. Interessant ist die von Ellenberger berichtete Feststellung von Mauss, dass „die Maori-Sprache ein Wort (besitzt), das genau „Todsünde“ bedeutet; immerhin heißt dies nicht (wie bei uns) „Sünde, die die Seele tötet“, sondern buchstäblich „Sünde, die den Menschen tötet“ (Ellenberger 1952, S. 337). Die Prediger der berühmten „Revivals“ in den angelsächsischen Ländern haben die Wirkung von Tod und Wie52

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dererweckung auf eine eigenartige Art und Weise verwendet, um die versammelten Sünder absichtlich in einer Art stundenlangem Scheintod zu „fällen“ und nachher erlöst, „neugeboren“ und bekehrt wieder in die Gemeinde aufzunehmen (manchmal ca. 3.000 „Gefallene“ von ungefähr 20.000 anwesenden Seelen, Canetti 1983, S. 61–66).

Sozialnormen „Eine käufliche Frau ist dem Auswurf gleichzuachten, eine Verheiratete ist für ihre Liebhaber wie ein Turm des Todes.“ (Sir. 26,22)

Ehebruch in welcher Form auch immer wird seit eh und je bei fast allen Völkern der Welt als eine Art Todsünde betrachtet. „Denn die Lippen der fremden Frau triefen von Honig, glatter als Öl ist ihr Mund. Doch zuletzt ist sie bitter wie Wermut, scharf wie ein zweischneidiges Schwert. Ihre Füße steigen zur Totenwelt hinab, ihre Schritte gehen der Unterwelt zu.“ (Spr. 5,3–5)

Dass in der Bibel der psychogene Tod des verheirateten Mannes, der mit einer anderen als der eigenen Frau schläft, und meines Wissens nirgends der Tod der fremdgehenden verheirateten Frau angedeutet wird, gibt einiges zu bedenken. Gleichwohl wurde die angezeigte Untreue der Frau, auch die zu Unrecht vermutete, z. B. in Tanganjika (tropisches Afrika) als Todesursache beobachtet. Laut dem einheimischen Glauben räche sich die Untreue der Frau während der Schwangerschaft oder bei der Geburt: Erkranke sie dann, so habe sie sich mit mehreren Männern gleichzeitig eingelassen, weil die Spermata von verschiedenen Männern ungleichen Blutes seien und sich somit im Leibe einer Frau nicht vertrügen. Nur wenn die Frau dem Medizinmann angibt, mit wie vielen Männern sie Umgang hatte, helfe seine Medizin. Diese wird genau nach Anzahl der Ehebrüche abgemessen. Gestehe sie nicht alles, sei die Medizin nutzlos und sie müsse sterben. Selbst wenn eine Frau in Tat und Wahrheit unschuldig ist und also nicht einen oder mehrere beliebige Männer angeben kann, hat sie keine Überlebenschance, wie der folgende Bericht bezeugt: „Die Frau eines Missionslehrers im Busch erkrankte während der Schwangerschaft. Sie war also untreu gewesen. Ihre Eltern wurden gerufen, um ihr das Geständnis abzunehmen und die Medizin zu verschaffen. Die Frau des Lehrers wollte aber keine Männer angeben. Die Eltern redeten ihr zu, sie solle doch an

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Phänomene des psychogenen Todes

ihre Kinder denken, die dann ohne Mutter seien; auch andere Frauen hätten Ehebruch begangen. Zuletzt ging der Ehemann in die Hütte und sagte: ‚Nenne die Männer nur, ich werde alles verzeihen.‘ Aber sie erwiderte: ‚Lieber will ich sterben, als sie nennen.‘ [Weil sie keine hatte! A. d. V.] Schließlich wurde die Mutter ungeduldig und rief: ‚Ich gehe jetzt, du kannst hier allein krank liegen bleiben.‘ Die junge Frau weinte und jammerte. Sie rief Vater und Mutter zu sich: ‚Nun sterbe ich, leb’ wohl Vater, leb’ wohl Mutter.‘ Plötzlich warf sie sich, wie von einem Pfeil getroffen, zu Boden und wand sich in Schmerzen. Sie verlangte nach Wasser und trank gierig. Als sie die Schale vom Munde nahm, starb sie. Schaum trat aus Mund und Nase. Der Pater, den man zur letzten Ölung holte, fragte nach der Todesursache und bekam die Antwort: ‚Sie starb wegen Ehebruch.‘ (amekufa mapinga).“ (Jilek 1964, S. 223)

Selbstverständlich würde dieses Beispiel auch in die Rubrik „Tabu-Tod durch Aberglauben“ passen. Weil aber hier die normhaltende (und nicht wie dort die magische) Funktion des geschilderten Falles im Vordergrund steht, erscheint es eben im vorliegenden Abschnitt. In der modernen westlichen Gesellschaft kann Ehebruch ohne irgendwelche magischen Einflüsse aber unter außergewöhnlichen psychosozialen Umständen sogar für den Betrogenen tödlich sein: „Paul berichtet über einen Dystrophiker, der somatisch allen Anschein erweckte, den Zustand gut zu überstehen, und der voller Pläne für die Zeit nach seiner Entlassung war. In diesem Zustand erreichte den Gefangenen ein Brief seiner Frau, in dem sie um Scheidung ihrer Ehe bat, da sie einen anderen Mann liebe und von diesem ein Kind erwarte. Nach dieser Nachricht erlosch der Mann in wenigen Tagen.“ (Hochrein und Schleicher 1955, zitiert in Kächele 1970, S. 208–209)

Egal von welchem Standpunkt aus betrachtet spricht also psychohygienisch einiges für die Treue in der Ehe. Um diesen Tabubruch zu maskieren, spricht man heutzutage verniedlichend von Seitensprung, Abenteuer etc. Wie auf Ereignisse kann die erwartungsvolle Aufmerksamkeit auch auf ein spezielles Datum ausgerichtet sein; sogar dann kann die Überzeugungskraft des gefürchteten Tabus ein tödliches Ausmaß erreichen. Das nächste Unterkapitel zeigt, dass für den Menschen das Eintreten eines besonderen Stichtags einen tödlichen Tabubruch bedeuten kann.

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Jahrestage „Wie jedes Jahr fiel im November und Dezember wenig, im Januar dafür um so mehr Arbeit (im Krematorium) an. Alte Menschen wollen Weihnachten noch erleben. Der gebrochene Lebenswille nach den Festtagen sorgt für ein statistisches Hoch Anfang Jahr.“ (Röthlisberger 1997)

Sonntage (Ferenzi 1950), Feiertage (Cattell 1955) und Weihnachten (Boyer 1955) sind für den emotionalen Stress bekannt, den sie dem westlichen Menschen bereiten können, auch bzgl. seines Todestages. Zum Beispiel: Am Silvesterabend und eine Woche vor seinem Tod versammelte François Mitterand, ExPräsident von Frankreich, seine Getreuen zu einem letzten Silvestermahl in seinem Landhaus Latche. „Am 8. Januar 1996 stirbt François Mitterand in seiner Pariser Wohnung. Nach seiner Rückkehr aus Latche hatte er weder Nahrung noch Medikamente zu sich genommen.“ (Bächtold 1997)

In diesem Abschnitt begegnen wir der allgemeinen Frage: „Warum jetzt?“ Diese Frage drängt sich uns zum Beispiel gerade dann auf, wenn eine geliebte, dem Tode geweihte Person, die wir schon lange und sorgfältig rund um die Uhr gepflegt haben, gerade in den paar Minuten oder Stunden stirbt, wenn wir sie zum ersten Mal seit langem und nur für eine kurze Erholungspause alleine im Zimmer zurücklassen (siehe unten Bohrod 1963, Case 5, S. 27). Das Problem von Zeit und Vorzeichen beim psychogenen Tod lässt sich besonders gut anhand von Jahrestagen veranschaulichen, an denen ein außergewöhnlich bedeutendes oder traumatisches Ereignis vom Betroffenen erlebt wurde. Hierzu einige ausgewählte Beispiele: „Drei der ersten vier verstorbenen Präsidenten der USA [John Adams, Thomas Jefferson und James Monroe, A. d. V.] sind am 4. Juli [Tag der Unabhängigkeit, A. d. V.] gestorben. Zwei (John Adams und Thomas Jefferson), die die ‚Declaration of Independence‘ unterschrieben haben, sind am fünfzigsten Jahrestag der Unabhängigkeit [4. Juli 1826, A. d. V.] gestorben.“35 (Fischer und Dlin 1972, S. 170)

„Ein ehemaliger Boxweltmeister der Schwergewichtsklasse, Primo Carnera, lebte schon seit drei Jahren in labiler gesundheitlicher Verfassung. Als sich sein

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Zustand wegen einer Leberzirrhose langsam verschlimmerte, kehrte er zurück in sein Heimatdorf in den italienischen Bergen. Drei Wochen später fiel er ins Koma. Er starb eine Woche später, am 34. Jahrestag seines K.O.-Sieges in der 6. Runde über Jack Sharkey, bei dem er die Weltmeisterschaft gewann.“36 (Fischer und Dlin 1972, S. 170) „Der Tod von ‚Papa Doc‘ Duvalier, dem ehemaligen Machthaber Haitis, der an Diabetes und mehreren Herzinfarkten gelitten hatte, wurde am 22. April 1971 gemeldet. Duvalier betrachtete den 22. Monatstag als seinen Glückstag. Er wurde am 22. September 1957 zum Präsidenten erkoren. Es wurde ihm nachgesagt, dass er oft wichtige Entscheidungen an diesem Monatstag traf.“37 (Fischer und Dlin 1972, S. 170) „Der Poet und Lincoln-Biograph Carl Sandberg prophezeite, dass er in einem durch die Zahl 11 teilbaren Alter sterben würde. ‚Es ist unumgänglich. Es ist unerbittlich, es ist im Schicksalsbuch festgeschrieben.‘ sagte er Journalisten als er 80 wurde. ‚Ich habe zwei Urgroßväter und einen Großvater gehabt, die in durch die Zahl 11 teilbaren Jahren gestorben sind. Falls ich nicht im Alter von 88 sterbe, werde ich bis 99 Jahre weiterleben.‘ Er ist im Alter von 89 gestorben.“38 (Fischer und Dlin 1972, S. 170)

Carl Sandberg selbst starb also nicht wie prophezeit, mehrere seiner Vorfahren hatten jedoch an ihrem Todeszeitpunkt ein durch elf teilbares Alter erreicht. Noch ein ähnliches Beispiel: „Meine Mutter hat mir erzählt, dass meine Großmutter 1966 am gleichen Datum wie meine Urgroßmutter gestorben ist. Der Tod hat sie beide ruhig während des Schlafes geholt; beide waren 78 Jahre alt; der 28. Dezember, ihr Todestag, ist zugleich das Geburtsdatum meiner Mutter.“ (van Benthem 1989)

Viele andere Beispiele sind in der Fachliteratur bekannt (vgl. Weiss 1958; Weiss et al. 1957; Beratis et al. 1996). Für einen kritischen Standpunkt siehe z. B. (Young DC und Hade 2004). Selbstverständlich könnte man versuchen, jedes dieser Beispiele mit einem rationalen Argument vom Tisch zu fegen, da es sich nur auf den Zufall und gar nicht auf irgendetwas Psychogenes beziehe. Man könnte behaupten, dass es unter den Milliarden von Menschen auf der Erde mit Sicherheit eine Handvoll gibt, die rein zufällig solche Erlebnisse hatten, dass dies mathematisch einfach unvermeidlich sei usw. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, führt diese Art der Logik dazu, dass wichtige Zusammenhänge übersehen werden. Hier haben wir von Milliarden Erdenbewohnern einige Einzelfälle zusammengetragen, bei denen der psychogene Kontext des Todes für den gesunden Menschen56

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verstand ziemlich offensichtlich ist. Zugegebenermaßen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei wichtige, unabhängige Lebensereignisse am selben Datum stattfinden bei etwa (1/30) * (1/30) = 0.001, egal worum es sich handelt oder wer der betreffende Mensch ist oder was er glaubt. Um den statistischen Beweis zu erbringen, dass es z. B. beim Tod des „Papa Doc“ Duvalier nicht um den Zufall geht, müsste man ca. 300 ähnliche Todesfälle von Staatsmännern aus demselben Kulturkreis im zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und mit demselben Glauben an einen besonderen Monatstag als Glückstag ausfindig machen und schauen, ob signifikant mehr als 10 an eben diesem vorgegebenen Glückstag sterben. (Die Zufallswahrscheinlichkeit liegt bei ca. 3,33 %, wenn der erste Stichtag vorgegeben ist.) Wäre es wirklich unmöglich, ein solches Experiment durchzuführen? Eine ähnliche, in der Fachliteratur publizierte Untersuchung von Phillips et al. (Phillips et al. 1993) werde ich im Unterkapitel „SUDS und Aberglaube“ im Detail diskutieren. Solche emotional besetzten Stichtage sind keine echten Vorzeichen. Bei einem Vorzeichen, das im Allgemeinen autonom und ungewollt auftaucht und das – auf jeden Fall im Volksglauben – nicht umgangen werden kann, hat der Mensch eine Vorahnung vom eigenen Tod (siehe das Unterkapitel „Psychogener Tod und Vorzeichen“). Das in der Literatur vielleicht bekannteste Beispiel eines tödlichen Stichtages ist Hilgards Klassische Jahrestagsreaktion (Hilgard 1953; Hilgard und Newman 1961). Hat man einen erwachsenen Menschen, der als Kind (irgendwann im Alter zwischen 2 und 16 Jahren) durch den Tod des gleichgeschlechtlichen Elternteils traumatisiert und dadurch auf ein persönliches, biographisch bedingtes Vorzeichen sensibilisiert wurde, so kann dies u. U. gravierende Folgen zeitigen. Dieses Vorzeichen – siehe unten – wird zu einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“. Da der Tod psychogen im Rahmen einer unabwendbaren Überzeugung bezüglich eines „verbotenen Alters“ stattfindet, betrachte ich Hilgards Klassische Jahrestagsreaktion als eine Art Tabu-Tod. Hier ist ein besonderes Datum oder Alter das Tabu, das nicht verletzt werden darf. Die Reaktion auf solch eine zeitliche Überschreitung kann eine Neurose, eine somatische Krankheit und sogar der Tod sein (vgl. Weiss et al. 1957; Weiss 1958; Fischer 1961, 1962; Fischer et al. 1964). Die notwendige und hinreichende Vorbedingung der Hilgard-Reaktion ist tiefenpsychologisch gesprochen ein Komplex, der im Unbewussten mehr oder weniger latent bleibt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem dieser Mensch (1) entweder nahezu dasselbe Alter erreicht hat, in dem der gleichgeschlechtliche Elternteil damals starb, oder (2) selbst ein gleichgeschlechtliches Kind hat, das nun im selben Alter ist, in dem der Betroffene damals beim Tod seines Elternteils war.

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Interessant ist die Tatsache, dass der berühmte Psychiater Sigmund Freud, Vater der modernen Psychotherapie, trotz seiner Überzeugung keinen klassischen Hilgard-Tod erlitten hat: Schon in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts, als Freud auf die 40 zuging, drückte er seine Überzeugung aus, dass er im Alter von 81,5 Jahren sterben werde, das Alter, in dem sein Vater (sowie sein älterer Stiefbruder Emanuel) gestorben war. Im Februar 1923, als er 67 Jahre alt war, erkrankte er an Leukoplakie, später als Krebs diagnostiziert. Freud starb schließlich im Alter von 83. Es folgt nun ein Beispiel für den psychogenen Tod als Jahrestagsreaktion im Zusammenhang mit einer Psychose. (Die Definition der Psychose und die Beziehung der Psychose an sich zu den psychogenen Todesphänomenen wird in einem späteren Kapitel diskutiert.) „Eine 40-jährige Patientin bietet das Bild einer paranoiden Psychose mit der Leitidee, sie werde wie ihre Mutter und ihre Tante im Alter von 42 Jahren sterben. Der bisherige Verlauf der Krankheit war zufriedenstellend. Im 7. Monat des 42. Lebensjahres musste die Patientin wieder hospitalisiert werden. Sie wurde zunehmend erregt und ängstlich, war somatisch jedoch ohne auffälligen Befund. Am Geburtstag ihrer Mutter geriet sie in ein Koma (subnormale Temperatur, schwacher Puls, Respiration erhöht, Harnstoff-N 70 mg %) und starb den Tag darauf.“ (Fall von Walters 1944, S. 84, berichtet auf S. 123 in Kächele 1970)

Im Prinzip ist eine Tabu-Verletzung eine Begegnung mit dem Undenkbaren/ Unmöglichen, d. h. mit dem, was der Betroffene und sein soziales Umfeld für undenkbar/unmöglich halten, und löst einen inneren Befehl im Sinne von „Du musst sterben!“ aus. Im Allgemeinen wird eine feste innere Haltung oder Überzeugung verletzt, die der Mensch für schicksalhaft oder für absolut gut bzw. heilig hält und die auf gar keinen Fall übertreten werden darf. Für die oben diskutierten Fälle trifft das durchaus zu. Es gibt auch das pure Gegenteil, dass nämlich einer festen inneren Haltung oder Überzeugung begegnet wird, die der Mensch für absolut schlecht bzw. Unheil bringend hält oder für seine unentrinnbares Schicksal. In diesem Fall hat man einen psychogenen Tod durch die plötzliche und unerwartete Begegnung mit einer eingebildeten undenkbaren Gräuel bzw. Fügung. Das Resultat ist ein mit dem Leben nicht zu vereinbarender, unerträglicher Zustand von Angst, Grauen, Stress, psychischem Schock, Schrecken, Sorge, Überarbeitung bzw. Hingabe.

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Tabu-Tod

Angst, Schock, Schreck, Stress, Überarbeitung usw. „Der Fall eines Mannes, der erst begnadigt wurde, als sein Kopf schon auf dem Hinrichtungsblock lag und das Fallbeil über ihm hing. Der Straferlass kam zu spät. Die Vorwegnahme hat sein Herz zum Stillstand gebracht.“39 (Yawger 1936, S. 875, Zitat nach Tuke)

Hier ist der Hinrichtungsblock das Tabu-Objekt, das die erwartungsvolle Aufmerksamkeit – siehe oben – auf sich zieht. Selbstverständlich kann auch ein von einem Voodoo-Priester verzaubertes Objekt zum tödlichen Tabu-Objekt werden, was die unklare Grenze zwischen den Phänomenen Voodoo-Tod und Tabu-Tod deutlich zeigt. Im folgenden Zitat erkennt man die eigenen Genitalien als Ehrfurcht gebietendes Tabu-Objekt: „Der Heidelberger Gynäkologe Menge berichtete während der Zwanzigerjahre in der Vorlesung, daß ein junges Mädchen, das untersucht werden sollte, auf dem Untersuchungsstuhl in dem Augenblick, als das Genitale berührt wurde, einen Schock-Tod starb … Anstatt sich zu wehren, erwies es sich als moralisch gefesselt.“ (Bilz 1966)

Wilhelm Busch hat in „Tobias Knopp: Abenteuer eines Junggesellen“ (Busch 1982) dem Tod durch Schreck ein eher heiter-humoristisches Denkmal gesetzt: „Heißa!!“ – rufet Sauerbrot „Heißa! meine Frau ist tot!! (...) Heute stört sie uns nicht mehr, Also, Alter, setz dich her“ (...) Knarr! – da öffnet sich die Tür. Wehe! Wer tritt da herfür!? Madam Sauerbrot, die schein – Tot gewesen, tritt herein! Starr vor Schreck wird Sauerbrot, Und nun ist er selber tot.-

Hier ist wohl die Freude über das Ableben der ungeliebten Gattin das Tabu. Auch die erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf ein spezielles Datum oder auf den Eintritt einer gewissen Situation kann die allgemeine Wirksamkeit des gefürchteten Tabus bis zum tödlichen Schweregrad aufschaukeln. So wissen zum 59

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Beispiel Chirurgen von den tödlichen Auswirkungen, die die Angst vor an sich einfachen Operationen – siehe Einführung – haben kann: „Es wurden viele Fälle berichtet, bei Patienten in offensichtlich gutem Gesundheitszustand auf dem Operationstisch schon gestorben sind, bevor man die Anästhesie eingeleitet hatte.“40 (Yawger 1936, S. 875, Zitat nach Dunbar)

Es kommt auch hin und wieder vor, dass eine Person kurz vor einer Gerichtsverhandlung plötzlich und unerwartet ohne Anzeichen einer tödlichen Krankheit oder Einwirkung stirbt. Der in Ungnade gefallene frühere Enron-Chef Ken Lay (15. 4. 1942–05. 7. 2006) z. B. starb während seines Prozesses im Gefängnis plötzlich und unerwartet an Herzversagen. Im Mai 2006 war er des Milliardenbetrugs schuldig gesprochen worden, das Strafmaß wäre im September 2006 festgesetzt worden. Hätte er die Verhandlungen überlebt, hätte man ihn evtl. zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch ein Allgemeinmediziner war schon mit dem plötzlichen unerwarteten Tod eines Patienten konfrontiert, der an einem harmlosen Schlangenbiss nur deswegen starb, weil er die harmlose Schlange mit einer giftigen verwechselt hatte. Mit anderen Worten ist der Schlangenbiss das Tabu für den Betroffenen. In der Tat: „gibt es guten Grund für die Behauptung, dass sogar bei den besser ausgebildeten Bevölkerungsschichten unseres Landes [USA, A. d. V.] die fixe Idee, dass eine tödliche Krankheit den Körper befallen hat oder dass eine bestimmte Operation oder Behandlungsmethode misslingen könnte, in der Mehrzahl der Fälle die eigentliche Todesursache war.“41 (Yawger 1936, S. 876, Zitat Carpenter)

So hat eine perseverierende Lenkung der Aufmerksamkeit einen viel höheren Wirkungsgrad, wenn diese mit der Erwartung eines bestimmten Resultats kombiniert wird. Hier möchte ich an das Zitat von Leonard im Einführungskapitel über den psychogenen Tod bei den sogenannt primitiven Völkern erinnern: „eine unbewusste mentale Tendenz, die sich in trügerischen Anmutungen wieder und wieder selbst erzeugt, und die, obwohl subjektiv, dem Geist des Naturmenschen eine objektive Realität vorgaukelt.“42 Ich werde später mehr über die tödliche Wirkung der erwartungsvollen Aufmerksamkeit zu sagen haben. Tod durch Schock ist vielleicht das einfachste und plausibelste Beispiel für einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Tod und der psychischen Reaktion auf ein Tabu-Objekt oder eine Tabu-Situation, also für ein psychisch ausgelöstes Sterben, das ohne relevanten somatisch-pathologischen Befund und Grund zustande kommt (Meyler 1939; Dettling 1951; Dimsdale 1977; Engel 60

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1978). Manchmal ist das Tabu eine Scheidung, die plötzliche Nachricht einer Katastrophe oder der Tod eines über alles geliebten Partners, wie der folgende Bericht darstellt: „Ein Mann war wegen einer nicht diagnostizierten Krankheit im Spital. Seine Ärzte waren sicher, dass er sich nicht erholen würde, und nach und nach ließen sie auf sanfte Art dies seine Frau wissen. Unser Fall ist die Frau: Sie war etwa vierzig Jahre alt. Sie pflegte ihren Mann rund um die Uhr und wich nur von seiner Seite, um selbst zu schlafen. Für Wochen ging sie nirgendwohin außer ins Spital zu ihrem Mann. Einmal überzeugten die Krankenschwestern sie, dass sie doch einen Spaziergang machen solle. Der Zustand ihres Mannes sei stabil, und es sei unwahrscheinlich, dass sich in nächster Zeit etwas daran ändern würde. Nach einiger Überzeugungsarbeit ging sie aus und war für eine oder zwei Stunden abwesend. Als sie zurückkehrte, traf sie eine Krankenschwester im Korridor, die sie hinderte, das Zimmer ihres Mannes zu betreten. Man musste ihr mitteilen, dass ihr Mann während ihrer Abwesenheit gestorben war. Ihre Augen öffneten sich weit und sie fiel zu Boden. Man brachte sie ins Nebenzimmer, aber sie war schon tot. Die Obduktion des Mannes zeigte eine Polyarthritis nodosa. Die Autopsie der Frau ergab – nichts. Die Mesenterialvenen waren etwas erweitert. Eine ausgiebige mikroskopische Untersuchung zeigte nichts Außergewöhnliches.“43 (Bohrod 1963, S. 27)

Ich werde mich auf diesen Fall noch bei der Diskussion des Todeszeitpunkts beziehen. Folgende persönliche Mitteilung lässt einen psychogenen Tod durch Stress annehmen. Der Betroffene stand in einer noch nicht ganz abgeschlossenen oder zumindest den Verstorbenen nicht zufriedenstellenden Scheidungssituation, und erhebliche finanzielle Sorgen einschließlich Schulden waren offenbar auch dazugekommen: „In unserem im April 1972 neu eröffneten Kantonalen Institut für Pathologie in Münsterlingen führen wir auch Obduktionen von plötzlich und unerwartet außerhalb des Spitals verstorbenen Patienten durch. Im vergangenen Herbst haben wir mehrere derartige Todesfälle beobachten können. Bei einem 43-jährigen Mann muss es sich m. E. um einen derartigen psychogenen Tod gehandelt haben. Er ist plötzlich und unerwartet unmittelbar vor einem Vorstellungsgespräch bei einem Personalchef im Vorzimmer verstorben. Bei der Obduktion … habe ich dann keine wesentlichen, von der Norm abweichenden Befunde erheben können. Wegen früher geäußerter kardialer Beschwerden ist der im mittleren Alter stehende Mann kardiologisch untersucht worden, dies allerdings ohne ein behandlungsbedürftiges Resultat. Damit in Zusammenhang ist eine eingehende Untersuchung des Herzens zusammen mit Herrn

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Prof. Dr. med. J. Schneider vom Institut für Klinische Pathologie der Universität Zürich erfolgt. … Es handelt sich vor allem einmal um Veränderungen im Sinne eines sog. Mitralklappenprolapses. Diesen Befund kann man jedoch nicht als eigentliche Todesursache bezeichnen.“ (Hardmeier 1993)

In einem späteren Kapitel werde ich auf das Phänomen des plötzlichen, unerwarteten Todes ohne Obduktionsbefund zurückkommen. Es folgt eine mir berichtete tragische Begebenheit aus dem Kanton Obwalden/Schweiz Ort der Handlung: Zeit: Recherche: Ablauf:

Todesursache: Nachklang:

Kerns, Kanton Obwalden Nikolaustag am 6. Dezember vor etwa 25 Jahren Polizeiarchiv Obwalden und Kantonsspital Obwalden Die Eltern eines etwa 10-jährigen Knaben verabredeten mit dem Nikolaus und seinen beiden Helfern, sie sollten den Buben am Klausabend bis vor das Haus „mitnehmen“, was damals nicht unüblich war, um unfolgsame Kinder etwas einzuschüchtern. Am besagten Abend kam es zu Klausbesuch, und wie abgesprochen steckten die beiden Knechte den wild um sich schlagenden und völlig verstörten Buben in den mitgebrachten Sack, wobei für den Knaben angstverstärkend hinzukam, dass die Eltern nicht eingriffen, sondern die Strafaktion noch unterstützten. Die Kläuse verließen die Wohnung. Als sie den Knaben vor der Haustüre auf freien Fuß setzen wollten, mussten sie mit Entsetzen feststellen, dass der gesunde und vitale Bub tot war. Herzversagen durch einen extremen Stress- und Angstzustand Dieser tragischer Fall rüttelte die Bevölkerung in der Innerschweiz so auf, dass die Schweizerische Klausenorganisation das Einsacken und Mitnehmen von Kindern strikte untersagte. Dies wird bis heute beachtet.

Hier zwei Berichte aus Tageszeitungen, die Kächele auch schon (Kächele 1970, S. 110) zitiert hat: „Bei der überraschenden Begegnung mit einem Weihnachtsmann hat in der italienischen Stadt Mira ein 4-jähriges Mädchen einen tödlichen Schock erlitten (. . .) Später stellten die Ärzte fest, dass die Überraschung oder die Angst

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vor dem Weihnachtsmann für das Herz des kleinen Mädchens zuviel gewesen sei. Ein vorher bestehender krankhafter Befund konnte nicht erhoben werden.“ (aus der Süddeutschen Zeitung vom 28. 12. 1967)

„The London Times“ berichtete am 9. 9. 1960 über „Ein elfjähriges Mädchen, das auf die Straße gerannt war, als es das Quietschen von Bremsen hörte. Als es sah, dass seine jüngere Schwester überfahren worden war, ging das Kind in die Knie, und als endlich der Arzt eintraf, musste er dessen Tod feststellen.“

und das „Tagblatt der Stadt Zürich“ am 26. 5. 1996: „Gemeinsam geboren, gemeinsam gestorben/sda. Die 61-jährigen eineiigen Zwillinge William und John Bloomfield sind in Australien innerhalb von nur zwei Minuten an Herzinfarkt verstorben. Die unverheirateten Zwillingsbrüder hatten in einem Restaurant gegessen, als einer von ihnen plötzlich zusammenbrach. Während man sich um ihn bemühte, ist auch der andere tot zusammengebrochen.“

Zeitungsberichte sind besonders wegen ihrer Volksnähe interessant. Hier noch ein Bericht aus Israel aus der Zeit des Golfkrieges 1991: „Viel mehr Opfer hat die Angst vor den Raketen gefordert. Mehrere ältere Menschen sind während der Angriffe an Herzinfarkt gestorben. Am Montag dieser Woche starb ein Sechzehnjähriger, als ihm das Herz beim Ertönen der Sirenen stehenblieb. Aus den Krankenhäusern wird berichtet, dass nach jedem Angriff die Zahl der Patienten, die wegen Schock behandelt werden müssen, dreimal so hoch ist wie die der Verletzten.“ (Wyner 1991)

Das ersten beiden Beispiele zeigen den Weihnachtsmann als Tabu-Objekt; das zweite und dritte den Unfall der geliebten Schwester bzw. den Herztod des Zwillingsbruders als Tabu-Objekte; und das vierte die Sirenen in der Situation des Krieges als Tabu. „Nach schweren grauenhaften Katastrophen und Explosionen kommen Zustände von völligem körperlichen und geistigen Verfall vor, sogar mit Schwinden der Sehnenreflexe, die nicht mehr reparabel sind; die Kranken sterben schließlich im allgemeinen Siechtum.“ (Rosenfeld 1925, S. 1061) Es ist auch wohlbekannt, dass Schweine auf dem Weg zum Schlachthof in dem Gedränge des Transportfahrzeugs häufig vor Angst sterben (Symoens 1970). (Dies mag uns auch im Hinblick auf die Xenotransplantation von Schweineher63

Phänomene des psychogenen Todes

zen zu denken geben!) Hier möchte ich mein Publikum an George Orwells „Animal Farm“ erinnern, wo die Schweine schließlich Nachfolger der Menschen im Bauernhaus werden. Das Problem des psychogenen Todes bei gefangen gehaltenen Tieren, z. B. im Zoo, ist ebenfalls bekannt (Mikulica 1984; siehe auch Richter 1957, 1958, insb. S. 309–310). Auch in freier Wildbahn ist der psychogene Tod bei Tieren nicht unbekannt, z. B. bei Revierkämpfen (Barnett 1958; von Holst 1988), Hackordnung (Stumpfe KG 1978) und Massentod infolge Übervölkerung (Christian 1959). Dass bei Menschen das Grauen auch graues Haar erzeugen kann, ist nicht nur ein Volksglaube: „Unter dem emotionalen Druck des Grauens, so wird häufig berichtet, wird das Haar blitzschnell weiß, wie im Fall von Marie Antoinette, die 1793 durch die Guillotine starb, und im Fall von Henry M. Stanley, der selber berichtet, dass seine Haare in jener chaotischen, historischen Nacht weiß wurden, als Pygmäen, ohne dass ihre Existenz vorher bekannt war, ihn plötzlich in Nordostafrika attackierten.“44 (Yawger 1936, S. 878)

Einen literarischen Niederschlag fand dieses Phänomen im Gedicht „Die Füße im Feuer“ von Conrad F. Meyer (1825–1898): „Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt, Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut, Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar ...“

Dies, als der Schlossherr erkennt, dass er dem Mörder seiner Frau Gastrecht gewährte. Ein heftiger Schreck (kein Schock) kann zu peripherer Gefäßkonstriktion führen und „damit auch zu verminderter Wärmeabgabe und zunehmender Körpertemperatur“ (Stürup 1942, S. 247). Die Psychodynamik des psychogenen Fiebers kann u. a. auch mit dem Zusammenbruch des Ich-Ideals durch äußere Umstände und mit der Gefahr des Abbruchs einer symbiotischen Abhängigkeitsbeziehung in Zusammenhang gebracht werden (Meyer und Beck 1976). Solche Ich-Ideal- und Beziehungszusammenbrüche können auch beim Opfer einer Verhexung, beim Tabubrecher oder beim Heimwehleidenden eine Rolle spielen. Febrile Episoden werden manchmal auch bei psychotischen Patienten und dann vor allem nach angsterfüllten Halluzinationen beobachtet: „Der Patient liegt mit angsterfülltem Blick, in kaltem Schweiß oder zumindest mit kühler, feuchter Haut und einer Rectaltemperatur bis zu 39–40°. In gewissen Fällen kann dieses Fieber andauern, bis nach einigen wenigen Tagen der Tod eintritt.“ 64

Tabu-Tod

(Stürup 1942, S. 247; Weiteres siehe unten). Das hier beschriebene Erscheinungsbild erinnert uns an gewisse oben erwähnte Voodoo- und weiter unten erwähnte Heimweh-Todesfälle. Mit dem Tod durch Stress verwandt ist das Phänomen des „Karoshi“, das in Japan alljährlich bis zu 40.000 Menschenleben fordert (Luizet 1989; Anders und Kanai 1992; Leis 1997). (Siehe auch unsere Diskussion zum Thema „Sekundenherztod“ im Abschnitt „SUDS/SIDS“.) Das japanische Wort Karoshi bedeutet „Tod durch Überarbeitung“, und dieser Tod wird durch stressbedingte kardiovaskuläre Ereignisse besiegelt. Hier ist das Tabu ein Abstraktum, nämlich die Unterschreitung eines selbst gesetzten Leistungsniveaus, das um jeden Preis (auch den des Lebens) erreicht und aufrechterhalten werden muss. „Am 8. Januar 1989 starb Toshi Iko, Kadermitglied einer Speditionsfirma, einundsechzig Jahre alt. Es war ein exemplarischer Fall. Am Morgen jenes Januartages, es ist Sonntag, wird er per Telefon aus dem Bett geholt. Eine Fracht liege beim Zoll im Hafen. Ob er herkommen könne, um sie zu überprüfen. Toshi Iko zögert. Seine Frau, die Erschöpfungsanzeichen bei ihm entdeckt hat, bittet ihn dringend, zu Hause zu bleiben. Iko stimmt zunächst zu. Beim Morgenessen ändert er seine Meinung: ‚Ich muss hin.‘ Er verlässt die Wohnung und erscheint an seinem Arbeitsplatz. Und nun kommt er eine volle Woche nicht zurück. Er arbeitet Tag und Nacht, erlaubt sich nicht mehr als ein, zwei Nickerchen in seinem Bürostuhl, den Kopf auf der Schreibtischplatte. Am Samstagabend, 14. Januar 1989, besteigt er erschöpft den Zug, um nach Hause zu fahren. Er setzt sich, und er schläft ein. Er erwacht nie wieder.“ (Luizet 1989)

In einer Arbeit über 203 Karoshi-Opfer werden die lange Arbeitszeit zusammen mit emotionaler Belastung am Arbeitsplatz, z. B. Karriere-Streben, Angst vor Entlassung oder Arbeitsplatzveränderungen als Hauptursache des Phänomens genannt (Uehata 1991): Zwei Drittel der Patienten arbeiteten mehr als 60 Stunden pro Woche oder 50 Stunden Überzeit pro Monat, und mehr als die Hälfte hatte die ihnen zustehenden Ferien noch vor sich, als der Tod sie ereilte. Bei 123 Patienten waren Hirninfarkte, bei 50 Patienten akutes Herzversagen, bei 27 Patienten Myokardinfarkt und bei dreien eine Aortenruptur Ursache des Todes. Für Karoshi-Kandidaten scheint die Familie sich zu einer Art Tabu zu entwickeln. Diese „Familienphobie“ wurde erstmals um 1970 zusammen mit dem Karoshi-Phänomen beschrieben und befällt vor allem den Angestellten zwischen vierzig und sechzig Jahren, der weder Hobby noch Geliebte hat und nicht einmal gern ein Gläschen Alkohol trinkt. Ursache beider Krankheiten ist dieselbe: Der Betroffene erlebt Kollegen, die gleich gut oder besser sind, als Bedrohung und hat Angst, dass seine Arbeitszeit nie ausreicht, um dieses oder jenes Projekt abzuschließen. Dieser ununterbrochene Einsatz resultiert m. E. aus ei65

Phänomene des psychogenen Todes

nem tiefsitzenden Schamgefühl.45 Durch zuviel Arbeit hat der Betroffene keine Freizeit mehr, verliert nach und nach jeden Geschmack an allem, was nichts mit seinem Job zu tun hat, und arbeitet nur noch, was irgendwann tödliche Konsequenzen haben kann (siehe z. B. Fassel 1991; Orthaus et al. 1993). Krankhafte Überarbeitung, Workaholismus betrifft aber nicht nur Japaner, wie folgende Geschichte aus Deutschland demonstriert: „Der Bauingenieur Christian R. wurde hellhörig, als sein Bub ihn plötzlich nicht mehr mit Papa anredete, sondern mit Onkel. Etwas stimmte nicht mehr, und Christian R. begann sein wöchentliches Arbeitspensum zusammenzuzählen. Er kam auf sechzig bis siebzig Stunden. Ist er ein Workaholiker? Einer, der nicht nur viel schuftet, sondern süchtig danach ist?“ (Leis 1997)

Sechs Risikotypen mit sechs charakteristischen Arbeitsstilen können identifiziert werden, wobei keiner in Reinkultur auftritt und keiner an sich pathologisch sein muss (Berger 1997): (1) Der konfliktunfähige, sich selbst überschätzende, narzisstische Mensch. Da er selbst der Beste ist, kann er nicht delegieren – „Jeder andere würde die Arbeit ohnehin nur schlechter machen!“ – und hastet von Aufgabe zu Aufgabe, ständig auf der Jagd nach einer großen Tat, die er nie erreicht. (2) Der entgegenkommende, bescheidene, depressive Mensch. Weil die Harmonie am Arbeitsplatz ihm wichtiger ist als sein eigener Aufstieg, ist er allzu bereit, langsam und sorgfältig zu arbeiten, quält sich in der Freizeit mit schlechtem Gewissen, dass noch nicht alles rund läuft, erholt sich nur schwer und arbeitet am nächsten Tag noch langsamer und angestrengter. (3) Der Sicherheit, Ordnung und Kontrolle liebende, zwanghafte Mensch. Da die spontanen, impulsiven oder neuen Ideen anderer nicht seiner Kontrolle unterstehen, muss er Disziplin, Pünktlichkeit und Selbstbeherrschung von sich und seinen Kollegen verlangen. Er kann weder delegieren noch Prioritäten setzen, weil er alles gleichzeitig im Griff haben muss und somit bleibt er immer im Dienst, auch in der Freizeit: „Teamwork“ ist ihm ein Fremdwort. (4) Der unsichere, unstrukturierte, phobische Mensch. Da er sich meist weniger zutraut, als er tatsächlich leisten könnte, fühlt er sich aufgehoben in der Gruppe und sabotiert unbewusst die eigene Beförderung in die leitende Position, die er immer wieder im Team aufs Neue anstreben muss. (5) Der stets begeisterte, rasch mit dem Neuem identifizierte und genauso schnell gelangweilte hysterische Mensch. Er glorifiziert seinen heldenhaften Einsatz und betrachtet seine chaotische Arbeits- und Zeitorganisation als kreatives Improvisieren, für die er nie genügend Zeit hat. (6) Der misstrauische, gefühlskalte, seine eigene Identität in der Arbeit suchende, schizoide Mensch. Weil nur seine Arbeit ihm Orientierung und Halt bietet, müssen seine Ansprüche an sich und andere extrem hoch sein, und er ist immer auf der Suche nach Schwächen seiner Kollegen, die er nie müde wird, an den Pranger zu stellen.

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Tabu-Tod

Die ideale Ergänzung des depressiven Menschen ist ein narzisstischer Partner; die des phobischen Menschen ein zwanghafter Partner; die des schizoiden Menschen ein hysterischer Partner. Und solche Partnerkombinationen können sich gegenseitig zu Tode hetzen. Die Entwicklung einer Arbeitssucht geschieht schrittweise. Der Verlauf kann in vier Phasen beschrieben werden (vgl. Poppelreuter 1996): (1) Tarnung der eigenen Suchtgefährdung, z. B. indem der Betroffene seine Arbeit als Freizeitbeschäftigung angibt. In dieser Phase entwickelt der Betroffene Schuldgefühle. (2) Unterordnung aller Lebensbereiche – Familie, Freunde, Hobbies usw. – unter die Arbeit. In dieser Phase reagiert der Betroffene gereizt und aggressiv, wenn er auf sein Verhalten angesprochen wird. (3) Ausbreitung der Arbeitszeit auf abends, nachts und sonntags. Jetzt muss der Betroffene eigentlich nie aufhören zu arbeiten. In dieser Phase nehmen wegen Überlastung Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit ab. (4) Entwicklung psychosomatischer Symptome, z. B. Herzbeschwerden, Magengeschwüre usw. In dieser Phase kommt es zu einem irreversiblen Knick in der Leistungskurve.

Konzentration, Wahrnehmung und Denkfähigkeit sind bereits ab der ersten Phase geschwächt. Die Folgen nach der vierten Phase sind chronische Depression, Selbstmordversuche oder vorzeitiger (psychogener) Tod. Nun möchte ich noch den anderen Pol des Tabu-Todesphänomens betrachten, nämlich den psychogenen Tod durch Gelächter oder Ekstase. In diesem Fall hat man einen psychogenen Tod durch übermäßige, für unmöglich gehaltene Freude vor sich.

Freude/Gelächter/Ekstase „… dass Leibnitz’ Sohn plötzlich gestorben ist, als er eine alte Truhe öffnete und darin unerwartet eine große Menge Gold fand.“46 (Yawger 1936, S. 877, Beispiel von Rush)

Jeder kennt den Ausdruck (und viele den Zustand): „Ich könnte sterben vor Glück!“ Dazu die folgende Geschichte: „Eine 43-jährige Frau bekam die alarmierende Nachricht, dass viele Menschen verletzt wurden in einem verunglückten Zug, in dem ihre Tochter mitreiste. Die Mutter, rechtzeitig am Bahnhof angekommen, sah ihre Tochter dennoch unverletzt aussteigen, warf die Arme um sie, geriet in einen Erregungszustand und verschied ein paar Stunden später.“47 (Yawger 1936, S. 877)

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Phänomene des psychogenen Todes

Yawger zitiert auch Sweetser, der in seiner Schrift „Pleasurable Passions“ als Todesfälle aus Freude folgende historische Berühmtheiten angibt: Diagoras, Dionysius, Papst Leo X. und möglicherweise auch Sophokles (Yawger 1936, S. 876; vgl. Sweetser 1843). Chilon von Lacedaemon ist angeblich an bzw. vor Freude gestorben, als er seinen Sohn umarmte, der gerade einen Sieg bei den Olympischen Spielen errungen hatte (Sweetser 1843). Von einem Türsteher des amerikanischen Kongresses, der im vorgerückten Alter stand, wird berichtet, dass er, unmittelbar nachdem er von der Kapitulation von Lord Cornwallis Armee gehört hatte, unter dem Ansturm gewaltiger Freude verstarb (Rush 1789). Das todbringende Unmögliche kann sogar unglaublich lustig sein, wie die folgende Geschichte bezeugt: „Als er erfuhr, daß Charles II. von England als König wieder an die Macht gekommen war, fiel Sir Thomas Urquhart in einem Anfall unaufhörlichen Gelächters tot zu Boden.“48 (Yawger 1936, S. 877)

Auch ist der Tod in Ekstase nicht unbekannt, wie dies zum Beispiel in altarabischen, historischen Überlieferungen um das Ende des ersten Jahrtausends nach Christus festgehalten wird. Es gibt z. B. folgende Erzählung aus dem Sûfîsmus: „Die Tochter des Mystikers Abû Bakr al-Kattânî ist in einer Versammlung des enthusiastischen Predigers Abû’l-Husain an-Nûrî, während dieser von der leidenschaftlichen Liebe (’ishq’) sprach, tot umgefallen (934 AD). Und drei Männer sind mit ihr gestorben!“ (Schimmel 1985, S. 604)

Es gibt auch die Geschichte des heiligen Sûfî-Meisters aus Indien, Qutbuddîn Bakhtiyâr Kâkî. Er sei in Ekstase gestorben (1235 n. Chr.), nachdem er endlich den Vers Ahmad-i Jâms verstanden hatte: „Die vom Dolch der Hingabe Getöteten empfangen ständig neues Leben aus dem Jenseits.“49 (Schimmel 1985, S. 488)

Diese Beispiele bezeugen, wie stark eine plötzliche und unerwartete nahe Begegnung mit dem Unmöglichen auf die unvorbereitete Seele wirken kann. Hier darf natürlich auch das literarische Beispiel aus J.W. von Goethes „Faust“ nicht fehlen: „Werd ich zum Augenblicke sagen: ,Verweile doch! Du bist so schön!‘. Dann magst du mich in Fesseln schlagen. Dann will ich gern zugrunde gehn.“

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Tabu-Tod

In der absoluten Glückseligkeit ist der Mensch bereit zu sterben, was das Ableben in einem solchen Moment durchaus begünstigen kann. Die Franzosen haben das sehr lebensnah erkannt, indem sie den Orgasmus den „kleinen Tod“ (la petite mort) nennen.

Liebestod Wie ist es nun mit dem Liebestod? Stirbt der Mensch auch hier psychogen durch eine Begegnung mit dem für unmöglich Gehaltenen, nämlich mit der Tatsache, dass die geliebte Person nicht mehr erreichbar ist? Als literarisches Motiv wird der Liebestod häufig mit Richard Wagners Musikdrama „Tristan und Isolde“ (1859) in Verbindung gebracht. Die Protagonisten der Oper haben ein gesellschaftliches Tabu gebrochen, sie haben sich auf eine außereheliche Beziehung eingelassen. Vor allem Tristan erkrankt an diesem gesellschaftlichen Fehltritt und stirbt nach langem Siechtum. Am Schluss der Oper bricht auch Isolde über seinem Leichnam tot zusammen. Das entsprechende Musikstück, das allgemein unter dem Titel „Isoldes Liebestod“ bekannt ist, nannte Wagner selbst jedoch „Isoldes Verklärung“. Als „Liebestod“ bezeichnete Wagner das Orchestervorspiel zum ersten Aufzug des Werks (Wikipedia 2008). Leider ist die literarische Vorlage, Gottfried von Strassburgs mittelalterliche Verserzählung „Tristan und Isolde“ (um 1210), Fragment geblieben. Der gemeinsame Tod des Liebespaars stammt aus Heinrich von Freibergs Feder (um 1290) und sollte als Warnung vor den Gefahren der weltlichen Liebe dienen. Shakespeare übernahm mit dem (vordergründig) gerechten Tod von Romeo und Julia (1595) noch das Motiv der betrogenen Betrüger aus der mittelalterlichen Moralität. Da der Tod eine Gnade Gottes sei und man sich eine göttliche Gnade nicht selbst geben könne, gilt der Freitod nach christlicher Vorstellung als Todsünde, buchstäblich eine tödliche Sünde, d. h. eine Sünde, an der man sterben kann. Seit dem späten 18. Jahrhundert erfolgte eine Befreiung von religiösen Vorstellungen. Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ (1774), in dem sich ein unglücklich Liebender umbringt, löste einen starken Nachahmungseffekt (Werther-Effekt) aus. Auch der Freitod des Dichters Heinrich von Kleist zusammen mit Henriette Vogel (1811) wird oft mit dem Motiv des Liebestods in Zusammenhang gebracht. Auf der Opernbühne entfaltete der Liebestod eine eigenständige Tradition, seit man Gegenmodelle zur aristokratischen Tragödie suchte. Eine melodramatische Version findet sich bereits in Peter von Winters „Lenardo und Blandine“ (1779). Ein wesentliches Vorbild für Wagner war Vincenzo Bellinis „I Capuleti ed i Montecchi“ (Romeo und Julia) (1830), eine Oper, die er schon in Riga dirigiert hatte. Auch im Spätwerk Giuseppe Verdis („Othello“, „Aida“) ist der Lie69

Phänomene des psychogenen Todes

bestod als zentrales Motiv hervorgehoben worden (siehe z. B. Bronfen 2004; Schläder 2002.) „Liebe ist Heimweh“ sagt ein Deutsches Sprichwort und diese Perspektive führt uns zum Thema des nächsten Unterkapitels.

Zusammenfassung: Begegnung mit dem Unmöglichen und seine Ermöglichung Die mental wirksame Abwehr eines potentiell tödlichen Stresses kann man z. B. anhand der unterschiedlichen Modalitäten im Umgang mit der Gefahr bei akuten Kriegshandlungen beobachten: Glaube an einen alles Unheil abwendenden Gott; Entwicklung von überzeugenden bzw. glaubwürdigen, das Verhängnis bannenden rituellen Handlungen; Übertreibung in der Schilderung bereits bewältigter Gefahren (verinnerlichte Heldenmythen); Entwicklung eines Gefühls der eigenen Omnipotenz und Unbesiegbarkeit anhand von Einweihungsriten, Übungen und bisherigen Erfolgen (Selbstverherrlichung); Kalkül der eigenen Verletzungs- und Todesgefahr aufgrund vorheriger Erfahrungen anderer Betroffener (Bourne 1969; vgl. Bernard et al. 1977; Mansson 1972). Besonders interessant ist hier die Tatsache, dass nur der letzte Faktor an die Vernunft appelliert: Die ersten vier Strategien verlassen sich in erster Linie auf die Stärke der eigenen Vorstellungskraft. In der Tat bleiben bestimmte schädliche, stressbedingte hormonale Veränderungen (u. a. die Hydrocortison-Produktion) aus, wenn das Individuum in der Lage ist, selbstschützende Abwehrmechanismen wie Glaube, Hoffnung, Verdrängungen und rationalisierende Verleugnungen etc. aufrecht zu erhalten (Bourne 1969; Katz et al. 1977; Rogge 1981, S. 213–214), die stark an Vorstellungskraft gebunden sind. Als Beispiel für den ersten oben genannten Faktor zitiere ich nochmals die Bibel, wo im Neuen Testament der Weg zur Wiedergutmachung der Todsünde durch die Gnade Gottes gezeigt wird: „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. Sünde war schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird auch nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht wie Adam durch Übertretung eines Gebots gesündigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist. Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden. Anders als mit dem, was durch den einen Sünder verursacht wurde,

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Tabu-Tod

verhält es sich mit dieser Gabe: Das Gericht führt wegen der Übertretung des einen zur Verurteilung, die Gnade führt aus vielen Übertretungen zur Gerechtsprechung. Ist durch die Übertretung des einen der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus. Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt. Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden. Das Gesetz aber ist hinzugekommen, damit die Übertretung mächtiger werde; wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden. Denn wie Sünde herrschte und zum Tod führte, so soll auch die Gnade herrschen und durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben führen, durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ (Röm. 5,12–21; vgl. Röm. 7,7–25 sowie 1. Kor. 15, 21–22)

Es gibt auch noch andere, häufig auftretende, eher versteckte Tabus in Form gewisser Denkverbote, Vorurteile, Verhärtungen oder befürchteter Ereignisse, die für die Betroffenen keinesfalls zu Lebzeiten eintreten dürfen, z. B. der oben genannte Tod eines/r Geliebten.

Pathogenetische Faktoren beim Tabu-Tod Kurz gesagt, kann man den Tabu-Tod einen „Tod durch den Verlust der Bindung an einen bestimmten Wert“ bezeichnen. Es gibt keine mir bekannten Hinweise dafür, dass dieselben pathogenetischen Faktoren wie beim oben erwähnten Voodoo-Tod nicht auch beim Tabu-Tod wirksam sein sollten, sodass man im Großen und Ganzen von einem allgemeinen psychogenen Todessyndrom sprechen kann. Ein einziger, doch wichtiger Unterschied besteht zwischen diesem allgemeinen psychogenen Todessyndrom und dem speziellen Fall des Schocksyndroms (Angst, Grauen etc. siehe oben). Dieser Unterschied liegt darin, dass beim psychogenen Tod allgemein die peripheren Blutgefäße verengt sind, was in der Regel zu einem febrilen Zustand mit Körpertemperaturen bis zu 40° führt, während beim Schocksyndrom die Kapillaren erweitert sind (Kapillar-Atonie) und die Körpertemperatur unter den Normalwert (35° bis 36°) absinkt (vgl. Moon 1934). In diesen wie in allen psychogenen Todesfällen kann man bei der Erfassung des Wesens des zum Tode führenden Mechanismus mehr die psychologischen Prämissen oder mehr die körperlich-nervösen betonen. Wahrscheinlich hat man es mit einem Circulus vitiosus, einem Teufelskreis zu tun: Die emotionalen und vegetativen Faktoren beeinflussen sich gegenseitig ungünstig, schaukeln sich 71

Phänomene des psychogenen Todes

wechselseitig auf und gehen schließlich in einem besonders schweren Fall weiter, als es der Betroffene selbst wünscht, und führen so zum Tode. Im Anschluss an eine gefühlsbetonte, seelisch unerträgliche Vorstellung entwickelt sich bei klarem Bewusstsein und ohne Zeichen einer körperlichen Erkrankung oder Verletzung ein zunehmender Verfall der seelischen und physischen Kräfte, sodass in kürzester Zeit (mehrere Stunden bis wenige Tage) ein Zustand völliger Apathie und Asthenie zustande kommt. Der Zustand führt mit oder ohne starke motorische Erregung, Nachlassen der Pulskraft, immer oberflächlicher werdender Atmung und Abnahme der Intensität der Haut- und Sehnenreflexe bei bis zuletzt kaum getrübtem Bewusstsein und bei erhaltener Orientierung zum Tode. Hier wird es neben der seelischen Beeinflussbarkeit der sympathischen und parasympathischen Systeme auch auf die Beschaffenheit oder Lebensfähigkeit dieser Systeme selbst und die Ansprechbarkeit ihrer zentralen Repräsentanzen im Gehirn ankommen. Der psychische Mechanismus, der in diesen psychogenen Todesfällen zum Tragen kommt, liegt offensichtlich in der Nähe einer hypnotischen, fremdausgelösten Autosuggestion, die die erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf die Überzeugung von der Macht einer übergeordneten Instanz über die eigene Person fokussiert und eine überwältigende Trennungsangst auslöst, nicht ungleich der beim Heimwehtod.

Heimweh-Tod Hier haben wir das Drama des psychogenen Todes durch die Hoffnungslosigkeit und empfundene Hilflosigkeit in einer ausweglosen Situation. „Nostalgia, Heimweh (von νòοστοζ, die Rückkehr, Zuhausekunft, und αλγοζ, Traurigkeit, Schmerz, Leiden), unter diesem Namen im Jahre 1678 von Hofer zuerst beschrieben, ist eine durch unbefriedigte Sehnsucht nach der Heimath begründete Art von Melancholie oder Monomanie, welche eine bedeutende Zerrüttung der körperlichen Gesundheit, Entkräftung, Abzehrung, Fieber und Tod zur Folge hat.“ (Busch et al. 1841, S. 292)

Das Zitat bezieht sich auf die in Basel erschienene lateinische Dissertation Johann Hofers mit dem Titel „De Nostalgia“. Laut Karl Jaspers (23. 2. 1888–26. 2. 1969) hat das medizinische Interesse am Heimweh seine Wurzel in dieser 1678 verfassten Basler Dissertation (Jaspers 1909). Knapp zwei Generationen später, 1717, verfasste noch ein anderer Schweizer, der Naturforscher und Universalgelehrte Johann Jakob Scheuchzer (2. 8. 1672–23. 6. 1733), seine Abhandlung „Von der Nostalgia, oder dem so genandten Heimwehe“ (Scheuchzer 1717, Artic. XI, 72

Heimweh-Tod

S. 832–837), in der er die Entstehung und Auswirkung dieser tödlichen, heimtückischen Krankheit diskutierte (siehe auch Scheuchzer 1753). Diese ursprünglich im schweizerischen Dialekt verfassten Arbeiten entfachten eine medizinwissenschaftliche Auseinandersetzung. Bald darauf wurde der durch die ärztliche Fachliteratur eingeführte Begriff „Nostalgie“ auch in der Schriftsprache als Terminus technicus gebraucht. Dieser Begriff ist „erst in der Zeit der Romantik in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch übergegangen“ (Kluge Lexikon 1901; vgl. Bovenschen 1998). Die wissenschaftliche Aufmerksamkeit florierte während des 17. und 18. Jahrhunderts und bis ins 19. Jahrhundert, als die Krankheit ihren tödlichen Aspekt dann allmählich verlor. Das Ende der Karriere des Heimwehs als „Massenmörder“ dürfte wohl mit Jaspers’ Dissertation „Heimweh und Verbrechen“ aus dem Jahre 1909 eingetreten sein, in der das Heimweh nicht mehr als tödliche Krankheit galt, sondern als Geisteskrankheit und als Anstifter zu Mord und Brandstiftung angesehen wurde – kurz gesagt: vom Massenmörder zum Auftraggeber (Todbringer). In den Industrieländern wird der psychogene Tod oft als Tod durch Emotionen bezeichnet, zum Beispiel als Folge von Nostalgie oder Heimweh, in der alten Literatur auch Nostomanie, Philopatridomanie, Pathopadrialalgia oder Pathopadridalgia genannt (vgl. Cullen 1772) und später in der englischen Literatur sogar unter der Bezeichnung „Order VII Paranoiae“ zu finden (Parr 1809). (Der griechische Stamm „pothos“ bedeutet so viel wie „Sehnsucht nach dem, was verloren gegangen oder nicht vorhanden ist“.) Hier treffen wir auf ein progredientes psychogenes Todesphänomen, bei dem der Tod üblicherweise im Verlauf von mehreren Tagen bis Wochen eintritt. Der Betroffene stirbt ohne erkennbare organische Ursache langsam vor sich hin, sobald ihm bewusst wird, dass er sich in einer ausweg-, hilf- und hoffnungslosen Situation befindet, d. h. einer Käfigsituation – siehe unten. Bei Sektionen lassen sich in der Regel keine organischen Ursachen feststellen. Das Heimweh war vor dem 20. Jahrhundert als tödliche Krankheit gefürchtet (vgl. Sanchez und Brown 1994). Es kam im 18. Jahrhundert noch vor, dass ein intellektueller Mensch wie der Schweizer Universalgelehrte, Arzt und Dichter Albrecht von Haller (16. 10. 1708–12. 12. 1777) einen Lehrstuhl im Ausland ablehnte aus Angst, selbst Todesopfer dieser physiologischen „Heimsucht“ (Heimweh und Sehnsucht) zu werden (Zwingmann 1961, S. 446). Die tödliche Reaktion ist heutzutage in den Industrieländern weniger bekannt (Zwingmann 1961) und dies trotz der überaus häufigen und vielfältigen Heimwehreaktionen, die im Alltag, z. B. bei Kindern auf Besuch bei der Großmutter in einer benachbarten Stadt, beim Ferienaufenthalt im Pfadfinderlager etc. eintreten können. Ein Teil der Kinder (6 bis 9 %) leidet nach Christopher Thurber, Psychologe an der Phillips Exeter Academy (nahe Boston, USA), der das Phänomen erforscht hat, so stark an dieser Gefühlsmischung aus Angst und Depression, dass sie 73

Phänomene des psychogenen Todes

Symptome wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Kopf- und Bauchschmerzen entwickeln; auch Aggressivität, Fluchen und Zerstörungswut wurden beobachtet (Thurber 1995, 1999; Thurber und Sigman 1998; Thurber et al. 1999; Thurber und Weisz 1997). Solche Kinder haben laut Thurber oft noch weitere Probleme im emotionalen Bereich wie unsichere Bindung an die engsten Bezugspersonen oder mangelndes Selbstwertgefühl generell. Bei Erwachsenen ist Heimweh auch heute noch z. B. bei längeren Klinikaufenthalten und selbstverständlich auch in den Gefängnissen anzutreffen. Die Psychologin Johanna van Tilburg suchte nach gemeinsamen Persönlichkeitsmerkmalen der Heimwehkranken und fand Anpassungsschwierigkeiten, Introversion und emotionale Instabilität als bahnende Faktoren (Van Tilburg; Vingerhoets und Van Heck 1996; Van Tilburg; Vingerhoets; Van Heck et al. 1996). Noch immer gilt Heimweh als Krankheit, wie zumindest der Sprachgebrauch zeigt: „homesickness“ auf englisch oder auf französisch: „mal du pays“. Einige Leserinnen werden hier an die Betrübtheit von Johanna Spyris (12. 6. 1827–7. 7. 1901) Romanfigur „Heidi“ denken. Das Naturkind war weder abergläubisch noch eine Sünderin: Es hatte nur Heimweh. Die ausweg-, hilf- und hoffnungslose Situation der emotionellen Isolation, in der sich die kleine Heldin befand – aber, Gott sei Dank, nicht gestorben ist! – als sie aus ihren geliebten Bergen in die Stadt gebracht wurde, hat ihrer Seele schwer zu schaffen gemacht. Eine eher amüsant zu lesende Beschreibung dessen, wen und was Heimweh alles in Bewegung setzen kann, findet sich in der Geschichte „Die Reise nach Oletzko“ von Siegfried Lenz (Lenz 1998, S. 75–77). Tatsächlich scheinen Bergvölker empfänglicher für das „Schweizer Heimweh“ zu sein als Flachländler. Z. B. gibt es bis heute noch den Brauch der „AgatheBredli“, u. a. im Bergdorf Beckenried am Vierwaldstättersee: Jeweils am 5. Februar offeriert die Feuerwehr zu Ehren ihrer Patronin, der Heiligen Agatha, vor der Kirche Kaffee; dazu werden die vom Pfarrer mit Weihwasser gesegneten und im Volk hochgeschätzten Agathe-Brote angeboten, die es nur an diesem einen Tag im Jahr gibt. „Ein Bredli wurde – als Schutz gegen Feuer und Blitz – auf dem Estrich [Dachboden, A. d. V.] deponiert, zusätzlich zum Palmsonntags-Gebinde aus den sieben Baumarten. Wenn ein Glied der Familie für längere Zeit wegzog (an eine auswärtige Stelle, ins Institut usw.), legte man ihm ein Bredli – zum Schutz gegen Heimweh – in den Koffer.“50

Historisch gesehen konkurrierte das Heimweh mit der Pest und wurde wie sie oft für unheilbar gehalten. Am weitesten war es in Söldnertruppen verbreitet, vor allem bei den schweizerischen im 18. Jahrhundert (Ellenberger 1952, S.  333). Der Arzt Johannes Hofer sah die Ursache im ständigen Denken ans 74

Heimweh-Tod

Vaterland, das die Lebensenergie erschöpft, die [nach damaliger Vorstellung, A. d. V.] durch die Nervenröhren zwischen Körper und Gehirn fließt. Zunächst wurde Heimweh bei der Schweizer Bergbevölkerung festgestellt und beschrieben. Im Rahmen der damaligen ärztlichen Kunst vermutete Johann Scheuchzer seine Ursache im Luftdruckunterschied zwischen den Schweizer Bergen und dem restlichen europäischen Flachland. Entsprechend wurden zur Heilung hohe Holztürme errichtet, auf die man die an Heimweh leidenden Soldaten platzierte, was aus heutiger Sicht lächerlich erscheint. Um diese Zeit tauchte in der älteren Literatur der Begriff „Nostalgia Helvetorum“ auf, sodass man das Phänomen dann volkstümlich als „Schweizer Heimweh“ oder „furchtbare Schweizer Krankheit“ bezeichnete. Der Heerführer Ludwig Pfyffer schrieb über den Tod eines Soldaten, er sei „gestorben von heimweh“. Wie extrem dies bei den Schweizer Söldnern oder „Reisläufern“ in Diensten des französischen Heeres ausgeprägt war, lässt sich anhand des folgenden Zitats erkennen: „In Frankreich war es bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts bei Todesstrafe verboten, den Kühreigen [auf Schweizerdeutsch ‚Chue-Reyen’ und auf Französisch ‚Ranz des Vaches‘, A. d. V.] zu singen oder zu pfeifen, weil die schweizerischen Soldaten durch das Hören desselben scharenweise in Heimweh verfielen, desertierten oder starben.“ (Busch et al. 1841, S. 308)

Diese seit dem 17. Jahrhundert bekannte „typische Soldatenkrankheit“ wütete während des 18. und 19. Jahrhunderts auch in Frankreich unter den Truppen Napoléon Bonapartes (1769–1821), wie dies sein Leibarzt F. Larrey notierte (Kächele 1970, S. 211–213). Nostalgie-Epidemien, die in Massendesertationen oder Massensterben mündeten, waren zu der Zeit unter Soldaten in ganz Europa bekannt: „Unter dem österreichischen Militär in Mainz herrschte im Frühling des Jahres 1832, dem Sonntagsblatt vom 1. Mai desselben Jahres zufolge, das Heimweh, und zwar in solcher Krankheitsstärke, daß mehrere daran starben.“ (Schlegel, 1835, S. 55)

Im Zeitalter der grenzenlosen Kommunikation und Mobilität haben wir fast vergessen, wie tödlich Heimweh und Beziehungslosigkeit für einen Menschen sein kann, der sich auf unbestimmte oder ewige Zeit offenbar auswegs-, hilfund aussichtslos in der Fremde aufhalten muss. „Die ausgebildete Nostalgie hat, wenn die Sehnsucht unbefriedigt bleibt, in der Regel einen tödlichen Ausgang. Bisweilen kann der Tod sehr schnell, wie

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Phänomene des psychogenen Todes

asphyktisch [durch Ersticken, A. d. V.], erfolgen, und man hat Beispiele gesehen, daß Soldaten an demselben Tage starben, an welchem ihnen der Abschied verweigert wurde.“ (Busch et al. 1841, S. 294)

Die fatale Wirkung einer Verweigerung der Heimkehr sieht man auch im folgenden Beispiel eines unglücklichen Reisenden: „… ein junger Mensch aus Langenfalze, der nach Dänemark gereist war, und in Kopenhagen, weil ihm die Rückreise verwehrt wurde, ohne eine besondere Krankheit, ohne Schmerzen oder andere gefährliche Zufälle, bloß am Heimweh starb, und auf alles Fragen, bis an sein Ende, mit dem Seufzer antwortete: Ach, wenn ich nur daheim wäre!“ (Schlegel, 1835, S. 51)

Die medizinische Literatur des 17., 18. und 19. Jahrhunderts berichtet von den tödlichen Folgen des Heimwehs: „Alle Kranke leiden an Delirien … Dieser fieberhaften Aufregung folgt eine lähmungsartige Affection aller Organe. … das Fieber wird stärker, und verläuft mit allen Erscheinungen, die es zu begleiten pflegen. Im dritten Zeitraum tritt große Schwäche und Zerschlagenheit ein; … nicht selten äußert er [der Kranke] Abscheu vor Nahrungsmitteln, und zuweilen auch vor durchsichtigen Getränken … Zuletzt wird ihm das Leben zur Last und er giebt sich den Tod, wenn die Hand, die er dazu nöthig hat, nicht bereits gelähmt ist; oder die Kräfte des Kranken verlöschen allmählig, und er stirbt ohne Bewußstseyn.“ (Busch et al. 1841, S. 295)

Die Ähnlichkeit dieser Beschreibung mit den Symptomen des oben diskutierten Voodoo- und Tabu-Todes oder der unten näher ausgeführten perniziösen Katatonie ist verblüffend. Die Medizin des 19. Jahrhunderts hat für das Heimweh ein meines Erachtens sehr differenziertes und psychologisch treffendes Modell herausgearbeitet: „Nach Foderé (Traité du délire Tom. I. Paris 1817 pag. 366) sind Individuen, die an ein einförmiges Leben gewöhnt, die sich mit den umgebenden Objekten identifiziert haben, am Meisten der Nostalgie unterworfen, und … Je mehr der Mensch zu einem geistig freien selbstständigen und selbstthätigen Leben erwacht ist, desto weniger ist er an die Scholle gefesselt, und von äußeren Verhältnissen und Umständen abhängig. … Wer zu solcher Selbstständigkeit nicht gelangt ist, bleibt gleichsam mit der ihn umgebenden Außenwelt verwachsen, alle Gefühle und Gedanken sind in ihr festgewurzelt, und nur auf die nächsten Gegenstände, Wohnung, Garten, Gewerbe, Familie usw. gerichtet. Entfernung aus der Heimath ist alsdann nicht mit einem bloßen Verluste von äußerlichen Dingen verbunden, sondern mit einem Losreißen von Allem, worin der Mensch bisher gelebt hat, und mit seiner Heimath verliert er gleichsam die Hälfte seines

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Heimweh-Tod

Ichs. Er erkrankt und stirbt an Heimweh aus derselben Ursache, weshalb so viele Thiere es thun, wenn sie in ein fremdes Land versetzt, oder gar ihrer Freiheit beraubt werden.“ (Busch et al. 1841, S. 298)

Dieses Modell kann den Grund erklären, warum man in früheren Zeiten häufig beobachtet hat, dass insbesondere die in engen Tälern lebenden Schweizer anfällig für Tod durch Heimweh waren (Busch et al. 1841, S. 297). So wie Furcht und Mutlosigkeit kann auch Heimweh durch massenpsychologische Ansteckung verbreitet werden; kommen noch physische Komplikationen hinzu, so wird die epidemische Ausbreitung des Heimwehs noch weiter begünstigt. „Im Jahre 1813 machte sie [die Nostalgie, A. d. V.] einen in der bei Mainz vereinigten französischen Armee herrschenden ansteckenden Typhus höchst verderblich. Wer durch ein leichtes Uebelbefinden ins Hospital geführt wurde, betrachtet sich der darin herrschenden Sterblichkeit wegen als verloren. Ueberfüllung, Mangel an Betten und Wäsche bewirkten, daß die Meisten sich nicht entkleiden wollten, sich in ihre Decken wickelten, und oft nach wenig Stunden asphyktisch starben, ohne das geringste Zeichen von Schmerz zu verrathen – Ramazzini berichtet, daß man in einem Lager unter 100 vom Heimweh Befallenen kaum Einen dem Tode hätte entreißen können.“ (Busch et al. 1841, S. 305)

Das Heimweh hat auch 1745/46 in Philippeville einen epidemischen Verlauf genommen, als ein ganzes Bataillon Bretonen erfasst wurde, von denen ein Großteil starb (Schlegel 1835). Solch ein tödlicher Massenausbruch des Heimwehs wurde auch unter Zivilpopulationen beobachtet, z. B. unter der Moriori-Bevölkerung (ein polynesisches Volk, das ursprünglich auf den Chatham-Inseln östlich von Neuseeland gelebt hatte – siehe oben) nach ihrer Versklavung durch die Maori-Indianer 1835 (Ellenberger 1952, S. 337–338). Das Problem des Heimwehs haben Mediziner früherer Jahrhunderte so ernst genommen, dass „...wenn sich bei einem in einer Irrenanstalt befindlichen Gemüthskranken oder Reconvalescenten wirklich Symptome von Nostalgie zeigen, so bleibt nichts übrig, als ihn baldthunlichst nach Hause zu schicken.“ (Busch et al. 1841, S. 306)

Entstehung und Grad des Heimwehs werden durch mancherlei Verhältnisse sehr begünstigt (Busch et al. 1841, S. 300–302): • •

der Kontrast zwischen Gegenwart (Hier und Jetzt) und Vergangenheit (Erinnerungsbild) Zwang und Hoffnungslosigkeit (wegen großer Entfernung)

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Phänomene des psychogenen Todes

• • • •

Ungemach aller Art, Strapazen, Widerwärtigkeiten und Missgeschick deprimierende Affektstörungen aller Art körperliche Krankheit oder Verletzung männliches Geschlecht

Im 19. Jahrhundert entstand sogar eine ausgereifte Drei-Stadien-Lehre des Heimwehs, wie sie z. B. vom Leibarzt Napoleons , F. Larrey (Larrey 1830), beschrieben wurde (Kächele 1970, S. 212): 1. Stadium: Aufregung, erhöhter Pulsschlag, unkontrollierte Bewegungen, Seufzen, Verstopfung oder Durchfall, wandernder Schmerz 2. Stadium: Druck- und Zwangsgefühle in allen Teilen des Körpers (Krampfzustände), Symptome von Magen-Darm-Entzündung, heftigeres Fieber 3. Stadium: Schwäche, allgemeines Sinken der Kräfte, Traurigkeit, Abscheu vor Nahrungsmitteln und Wasser, Selbstmord oder allmähliches Erlöschen der Lebenskräfte

Obwohl das Heimweh in Nervenfieber (Wahn bzw. Psychose) oder Melancholia übergehen kann, betont die medizinische Literatur des 19. Jahrhunderts vor allem seine tödlichen Folgen (vgl. z. B. Schlegel 1835; Zangerl 1840; Jessen 1841). Diese Haltung schwächte sich bis ins 20. Jahrhundert schrittweise ab: Zuerst als eine Unterform der Melancholie abgehandelt, wird das Heimweh heutzutage fast nur noch als ein Leiden des Kindesalters ohne nennenswerten Krankheitswert gesehen (vgl. Ackerknecht 1957). Gleichwohl hat das Motiv der Trennung in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts unter der Einwirkung tiefenpsychologischer Theorien beträchtliche Anerkennung gewonnen (vgl. z. B. Spitz 1950/1; Brewster 1952; Schmale 1958; Bowlby 1961/2 u. a.). Wenn überhaupt, spricht man heute von Heimwehreaktion, Nostalgischer Reaktion oder Nostalgischem SichZurück-Sehnen, die auf den gemeinsamen Nenner von Trennungsangst und einem psychischen Konflikt gebracht werden und die immer noch ein psychologisches und psychiatrisches Problem darstellen (vgl. Zwingmann 1961, S. 448). Auch in unserer modernen Zeit ist der Tod durch Heimweh nicht unbekannt, wenn auch etwas ungewöhnlich, wie die folgende Geschichte eines Großonkels der mir persönlich bekannten Berichterstatterin51 zeigt: Baltramieu (Bartli) Wellinger, 1917–1958. Er war der Bruder meiner Großmutter, hatte von Geburt an die „englische Krankheit“, der Arzt sagte dass er nicht alt werden würde. Mit 12 Jahren lernte er gehen, vorher konnte er nur kriechen, was er sagte war für die meisten unverständlich. Er war aber nicht dumm, kannte z. B. jede Kuh im Dorf und wusste wem sie gehörte. Man hatte einfach keine Zeit ihn zu fördern. Nachdem der ältere Bruder angefangen hatte in Basel zu arbeiten, wollte dieser ihn dort in ein Heim bringen um Bartli‘s Selbständigkeit zu fördern, doch die Mutter wollte

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Heimweh-Tod

nicht, hatte Angst davor, dass man ihn dort schlecht behandeln würde. So blieb er bei der Mutter und spazierte oft im Dorf umher und in die Nachbardörfer und ging Besorgungen machen. Die Leute kannten und mochten ihn. Mit fast 40 hatte er Meniskusprobleme, er konnte nicht mehr gehen, der Arzt schickte ihn ins Spital nach Ilanz um das Knie zu operieren. Die Operation verlief gut, er war aber schrecklich traurig im Spital. Seine Geschwister kamen ihn jeden Tag besuchen, seine Mutter, die er sonst jeden Tag gesehen hatte, konnte nicht kommen, sie war selber krank. Er wurde immer schwächer, der Zimmermitbewohner teilte ihnen mit, dass Bartli weder aß noch trank, nicht einmal Schokolade, die er sonst nie zurückgewiesen hatte. Nach 8 Tagen im Spital starb er, wohl an Heimweh. Er war vorher noch nie weg von zuhause und auch noch nie krank gewesen (außer der Behinderung die er hatte). P.S. Seine Mutter war ein paar Jahre vor seinem Tod schon schwer krank. Nach Bartlis Tod sagten sich seine 3 anderen Geschwister, dass die Mutter wohl nicht mehr lange leben werde, jetzt wo sie nicht mehr auf ihren Sohn aufpassen musste. So war es, ein paar Monate später starb sie auch. (Persönliche Mitteilung meiner Großmutter, Zürich, 09. 09. 2009.)

Vielleicht ist das Grundleiden des Voodoo-Todes wie auch das des Tabu-Todes eine Art Heimweh nach den zukünftigen Hinterbliebenen, das schon vor dem diesseitigen Abschied des Betroffenen eintritt. Doch wird die Heimwehreaktion abgegrenzt gegen den Begriff „Separationsangst“, die vom Voodoo ausgelöst werden kann (Zwingmann 1961, S. 450), wird aber zugleich durch Antizipationsereignisse, wie diese bei Hildegards Klassischer Jahrestagsreaktion bekannt sind, im Sinne einer „symbolischen Rückkehr zu einem Gratifikationshochpunkt des vergangenen Erlebnisraumes“ stark beeinflusst (Zwingmann 1961, S. 454–455): „Ohne diese Kapazität, einen Befriedigungshochpunkt des vergangenen Erlebnisraumes kognitiv zu identifizieren und affektiv zu besetzen, kann man von einer nostalgischen Reaktion nicht sprechen“ (Zwingmann 1961, S. 450). Insbesondere ist die nostalgische Reaktion in pathologischer Form spezifisch ausgerichtet und die retrospektive Objektausrichtung und Besetzung sind lustbetont. Zum Beispiel können Fotografien von Angehörigen, Talismane usw. als Auslöser einer nostalgischen Reaktion dienen. Die nostalgische, heimwehkranke Person lebt sozusagen periodisch und vielleicht sogar gerne in der Vergangenheit, während der Melancholiker zeitlich gesehen nirgendwo lebt. Somit unterscheidet sich die nostalgische Reaktion von der Melancholie und den endogenen Depressionszuständen (einschließlich des älteren Begriffs „Melancholia nostalgica“), die stark durch unbestimmte Unlustgefühle und das Fehlen einer normalen Affektivität gekennzeichnet sind. Heutzutage ist es nicht nur nicht mehr schwierig, im Ausland eine „symbolische Rückkehr zu einem Gratifikationshochpunkt des vergangenen Erlebnisraumes“ zu erlangen, sondern gelingt vielmehr ganz konkret, wenn man an 79

Phänomene des psychogenen Todes

die transkulturelle Vernetzung der Welt im Sinne des Global Village denkt: Welcher Mensch z. B. kann sich nicht in Kürze und egal wo er sich auf der Welt befinden mag, ein gewisses Nestgefühl aus seiner Kindheit herholen, in dem er z. B. seine Familie mit dem Handy anruft, seine Lieblingsserie im Fernsehen anschaut, mit Landsleuten im Internet chattet oder sich einen Besuch in einem Restaurant seiner Lieblingskette gönnt? Und wenn er nach einem längeren Aufenthalt im Ausland nach Hause zurückkehrt und sein Quartier überflutet mit Ausländern und total verfremdet vorfindet: seine ehemalige Bäckerei als türkischen Brotladen, sein Lieblingscafé als afrikanisches Restaurant, seinen Stammtisch besetzt von Asylanten, seine Nachbarn in ihn befremdenden Farben und Trachten herumlaufend, in ihm unverständlichen Sprachen redend,

spürt er erst recht, was es heißt, Heimweh zu haben, erkennt es aber nicht als solches und reagiert mit Fremdenhass als Abwehr der ihm unbewussten Lebensbedrohung seiner verkannten Heimwehreaktion. Schon vermeintlich kleine Veränderungen am Heimatort, z. B. die Bäckerei der Kindheit ist ein Buchladen geworden, rufen nach längerer Abwesenheit häufig ein Heimwehgefühl hervor. Wird dieser Laden noch von einem Ausländer geführt, potenziert sich dieses Gefühls des Verlusts der Heimat und entsteht sogar bei den dort Ansässigen. Typische Symptome und Epiphänomene des nostalgischen Syndroms werden in zwei Kategorien unterteilt: Psychische Symptome wie Zurückgezogenheit, Negativismus, Mangel an Einfühlungsvermögen, depressive Verstimmungen mit Verschweigen ihres nostalgischen Inhaltes (besonders bei Männern), Hypersensitivität und Reizbarkeit, Irrealitätsempfindungen, Aggressivität, Ambivalenz bzw. Intoleranz gegenüber mehrdeutigen Situationen, Katastrophenahnungen usw. und psychosomatische Symptome wie gastrointestinale Beschwerden, Schlafstörungen, Würgegefühle, Appetitlosigkeit, Harninkontinenz (speziell bei Kindern) usw. Insbesondere die psychogenen Dämmerzustände oder auch die dissoziativen Störungen mit Spaltungsprozessen im Hinblick auf Nostalgie haben gewisse Ähnlichkeiten mit der Schizophrenie oder mit schizophrenie-ähnlichen Zuständen: Zum Beispiel könnte ein Heimwehkranker, der mit seiner Heimat „gleichsam die Hälfte seines Ichs“ verlöre (Jaspers), vermeinen, in seiner vorherigen Heimat zu leben, sich aber ansonsten unauffällig in die neue Umgebung einfügen (Zwingmann 1961, S. 460). Der Psychiater nennt dies „doppelte Buchführung“, wenn es sich um eine Psychose handelt. „Als ,nostalgische Reaktion‘ wird ein kognitiv-affektives Phänomen bezeichnet, welches von dem Wunsch nach geographischer Veränderung einerseits oder nach einer zeitlichen Veränderung (Retrospektion) andererseits bestimmt wird. In räumlicher Hinsicht reflektiert die Bezeichnung eine interpersönliche (zwischen-

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Heimweh-Tod

menschliche), in zeitlicher Hinsicht eine intrapersönliche Dimension.“ (Zwingmann 1961, S. 463).

Ein wesentliches Charakteristikum dieser nostalgischen Reaktion besteht meines Erachtens darin, Zugehörigkeit des Individuums zu einem Ort zu gewährleisten, im Sinne eines Bedürfnisses, in der Sippe zu bleiben und mit ihr zusammenzuhalten (siehe Kapitel „Darwinistische Perspektive“). So wie die Nostalgie durch die Sehnsucht nach der Heimat und allem, was damit verbunden ist, ausgelöst werden kann, ist das sehnsüchtige Verlangen nach geliebten Personen sicher als eine besondere, eigenständige Unterform zu werten; so könnte man den psychogenen Tod aus Liebeskummer (auch Liebesweh oder Erotomania, siehe oben), den Tod an gebrochenem Herzen genauso gut als eine Art Tod durch Heimweh verstehen: „Es ist gerade diese Affekt-Monopolisierung in unserer Kultur, welche den Tod und die Trennung von diesen exclusiven Affektobjekten ein so traumatisches Erlebnis und die Suche nach und Erhaltung von Werten außerhalb dieser monodimensionalen Bindung [die Ehe, A. d. V.] so problematisch macht“ (Zwingmann 1961, S. 452).

Es wird auch im Sinne eines „nostalgischen Paradoxons“ berichtet, „dass viele Menschen anscheinend sich von ihrem Heimatort [oder Geliebten, A. d. V.] entfernen, nicht mit dem Hauptmotiv, etwas Neues zu sehen, sondern um das Alte in einer neuen Perspektive zu erleben und die Freuden des Wiedersehens zu verspüren. Auf diese Weise erfährt die nostalgische Spannung natürlich ihre beste Lösung“ (Zwingmann 1961, S. 457). Die richterlichen Eheschutz-Trennungen nützen gerade dieses Phänomen aus, um u. a. der öden Landschaft einer versandenden Beziehung frischen Wind einzublasen. Die Nostalgie ist schließlich auch bei Tieren aller Art keine Seltenheit (Schlegel 1835, S. 119–120).

Fernweh Es gibt sogar ein dem Heimweh entgegengesetztes Leiden, ein „Heimweh haben nach der Ferne“, auch „Fernweh“, „Hinausweh“ oder „Apodemialgia“ genannt, wobei die Sehnsucht nach der Fremde fast dieselben Symptome wie das Heimweh zeitigt. „Ein 16-jähriger Jüngling, der die Goldarbeiterkunst erlernt hatte, verfiel aus dieser Ursache in ein bösartiges Fieber mit Irrereden, stumpfem Kopfschmerz, stinkendem Athem und Halsweh, wogegen kein Mittel fruchten wollte. [Dies könnte auch

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Phänomene des psychogenen Todes

eine Diphtherie gewesen sein, A.v.Th.H.] Sobald die Eltern eingewilligt hatten, daß er nach der Genesung reisen dürfe, erholte er sich zusehends, und trat seine Wanderung gesund und munter an. Mehrere Studierende, deren Verhältnisse ihnen nicht gestatteten, ihre Studien auf fremden Universitäten fortzusetzen, sah Heyer in Melancholie verfallen, Andere vor Schmerz und Kränkung darüber abzehren und sterben; Einige aber, deren Wunsch in Erfüllung ging, ihre Genesung erlangen. Jede tief eingewurzelte und unbefriedigte Sehnsucht kann ohne Zweifel ähnliche und gleiche Wirkungen zur Folge haben.“ (Busch et al. 1841, S. 296–297)

Eng verwandt mit dem klassischen Heim- und Fernweh sind Erlebnisse von Trauer und Hoffnungslosigkeit, die ich im Folgenden kurz diskutieren möchte.

Trauer „In bezug auf Menschen, die aus Trauer sterben, zitiert Carpenter einen Fall, (...) bei dem zwei Schwestern stark aufeinander bezogen waren. Die eine bekam Tuberkulose und starb; bis dahin wurde sie liebevoll von der anderen Schwester betreut, die ihre Sorge allem Anschein nach unterdrückt hatte. Ungefähr vierzehn Tage nach dem Tod der ersten Schwester wurde die überlebende tot im Bett gefunden. Zu Lebzeiten hatte sie keinerlei Symptome gezeigt und die Autopsie ergab keinen Hinweis auf Krankheit. Ihr Tod wurde auf den bedrückenden Einfluss der verdrängten Trauer zurückgeführt.“52 (Yawger 1936, S. 877)

Was den Tod durch Trauer bei Tieren anbetrifft, ist bekannt, dass manche Tiere nach Verlust ihres Gefährten an einer Anorexie sterben (Jonas und Jonas 1977). Den psychogenen Tod bei Ochsen nach dem Abschied des „Joch-Bruders“ hat ein Autor so beschrieben: „Es gibt diese alten Lasttiere, die durch lange Gewohnheit wie Brüder – so werden sie in meinem Land genannt – zusammengewachsen sind, und die, wenn das eine das andere verliert, sich weigern, mit einem neuen Kameraden zusammen zu arbeiten, und in Trauer langsam dahinscheiden. Leute, die mit dem Landleben unvertraut sind, verbannen die Liebe des Ochsen für seinen JochBruder ins Reich der Fabel. Zeig dem Ungläubigen eins dieser armen Viecher, das hager und verfallen in einer Ecke steht, ruhelos mit dem Schwanz seine ab gemagerten Hüften peitscht, gewaltsam mit einer Mischung aus Furcht und Verzweiflung vor jeder ihm angebotenen Nahrung keucht, die Augen immer Richtung Tür gerichtet, mit dem Huf an der leeren Stelle neben sich scharrt, das Joch und die Ketten, die sein Kumpel getragen hatte, beschnüffelt, und ihn unaufhörlich mit melancholischem Seufzer ruft.“53 (Zitat nach Yawger 1936, S. 877)

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Heimweh-Tod

Es ist für die Leserin sicher nicht schwierig, sich ihr eigenes Heimweh nach einer über alles geliebten Person vorzustellen und in die obige Beschreibung hineinzuprojizieren. Die quälende, in den Tod mündende Sehnsucht nach einer/m verstorbenen Geliebten wurde schon in der Einführung unter dem Begriff des Nachzehrers behandelt. Das Sterben aus Heimweh erscheint auch in moderner Zeit stark im Zusammenhang mit der Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit einer belastenden Situation außerhalb des üblichen sozialen Umfeldes.

Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit Aus der jüngeren Vergangenheit gibt es zahlreiche Berichte medizinischen Militärpersonals über psychogene Todesfälle, die mehr oder weniger als HeimwehTod verstanden werden können. Man findet beispielsweise Augenzeugen für Todesfälle durch Verdruss oder Groll. Zum Beispiel wird von einem Schiffschirurgen der westafrikanischen Marine um 1935 erzählt, dass Matrosen, „… wenn sie schlecht behandelt werden oder verärgert sind, ihren baldigen Tod ankündigen, weggehen und schließlich innerhalb von dreißig Stunden ohne erkennbare Verletzungen oder Infekte sterben.“54 (Yawger 1936, S. 876, Zitat nach Schofield)

Dazu kommen andere Erfahrungsberichte aus Gefängnissen und Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkriegs. Ein Gefangener, der von einem unerwarteten psychischen Ereignis erschüttert wird, zum Beispiel einem Brief entnimmt, dass seine Frau ihn verlässt oder dass sein bester Freund verstorben ist, kann anscheinend den Lebenswillen bzw. den „Willen, nicht zu sterben“ verlieren (Stumpfe 1973). „Er verkriecht sich in eine Ecke, lehnt alles Eßbare ab, und stirbt einfach so – ohne jegliche Krankheit.“ (Mayer 1956)

„Ich denke an den psychogenen Tod der kriegsgefangenen Soldaten, die die Hoffnung verloren hatten, jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. Es liegen zahlreiche Berichte vor, die besagen, dass der Gefangene von dem Zeitpunkt an, als er nicht mehr an die Entlassung glaubte, im Bedeutungserleben der Ausweglosigkeit langsam dahinstarb.“ (Bilz 1966)

Wie beim Voodoo- und Tabu-Tod kann man auch hier vom psychogenen Tod in Verbindung mit Angst, Grauen, Stress usw. sprechen (vgl. Rahe 1979). (Für ei83

Phänomene des psychogenen Todes

nen kritischen Standpunkt siehe Rabkin und Streuning 1976; Young 1980, 1981; Lumsden 1981.) Und auch wie beim Voodoo- und Tabu-Tod haben wir es hier mit einer Begegnung mit dem Undenkbaren/Unmöglichen zu tun: Beim Heimweh-Tod ist es für das Opfer scheinbar absolut unmöglich, aus eigener Kraft wieder nach Hause zu gelangen, sodass er zum Schluss kommt „Ich werde sterben!“ Im Allgemeinen wird eine feste soziale Haltung oder Überzeugung tangiert oder eine Grenze überschritten, die der Mensch für absolut gut, heilig, schicksalhaft o. Ä. hält und die auf gar keinen Fall angetastet werden darf.

Zusammenfassung: Käfigsituation und Befreiung „Die Zuordnung von Ausweglosigkeit und suizidal anmutendem Tod war den Tierfängern seit jeher bekannt: exotische Tiere, die in Netzen gefangen wurden, starben nicht selten, wenn die Tierfänger sie aus den Netzen lösen und in den bereitstehenden Transportkäfig stecken wollten.“ (Bilz 1966)

In diesem Beispiel ist eine Käfigsituation buchstäblich vorgegeben. In seinem Buch mit dem Titel „Der psychogene Tod“ hat Stumpfe als erster den Begriff „Käfigsituation“ in die medizinische Literatur im Zusammenhang mit dem psychogenen Tod eingeführt: „Der Mensch befindet sich in einer Käfigsituation mit keinerlei Ausweichmöglichkeiten bei einer zeitlich unbegrenzten äußerlichen Bedrängnis materieller oder psychischer Art …“ (Stumpfe 1973, S. 73–74)

Nicht ungleich dem Opfer einer Voodoo-Handlung oder eines Tabu-Bruchs fühlt sich der unter Heimweh leidende Mensch ausweg-, hilf- und hoffnungslos in einer Art Käfigsituation. Solange der Körper keinerlei Ausweg oder Hilfe findet, kann nur ein freier Geist bzw. eine beflügelte Imagination dem Betroffenen eine hoffnungsvolle Rettung aus seinem „Käfig“ bieten: Um die Vollendung eines initiierten psychogenen Todesprozesses zu verhindern, egal ob dieser im Bereich des Heimweh-, des Tabu- oder des Voodoo-Todes liegt, braucht der Todgeweihte nicht nur die konkreten Gegenhandlungen seiner Mitmenschen, sondern vor allem auch das schöpferische Potential seiner eigenen höchst lebendigen Vorstellungskraft. Rationale Ermahnungen an emotionale Versprechen oder Appelle an diesseitige Verantwortungen des zum Sterben bestimmten Individuums zeitigen selten Erfolg. Notwendig sind positive soziale „Energie“ und glaubwürdige „Gegenmagie“. (Siehe auch im nächsten Unterkapitel die Diskussion lebensrettender Interventionen bei der Behandlung der perniziösen Katatonie.)

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Heimweh-Tod

„Die Berichte von den Naturvölkern weisen schon darauf hin, daß durch den Einsatz von Gegenmagie oder energischen Maßnahmen der psychogene Tod verhindert werden kann. In den hier zusammengestellten Beschreibungen [des psychogenen Todes in Kriegsgefangenschaft und Konzentrationslagerhaft des Ersten und Zweiten Weltkrieges A. d. V.] wird besonders ausführlich auf ,lebenserweckende‘ Handlungen und deren Bedeutung für Leben und Tod hingewiesen. Immer wieder wird betont, daß der einzelne nur durch den intensiven persönlichen Einsatz eines oder mehrerer Kameraden gerettet wurde.“ (Stumpfe 1973, S. 37)

Augenzeugenberichte über Heimweh oder psychogenen Tod im Allgemeinen zeigen die Wichtigkeit, die der Kraft der Imagination sowohl bei der Auslösung als auch der Verhinderung des psychogenen Todes zukommt. Welch große Rolle Imagination und der Glaube an ihre Inhalte bei der Verhinderung des Prozesses des Heimwehtodes spielen, mag das folgende Zitat aus den Aufzeichnungen eines Konzentrationslagerhäftlings illustrieren: „Wir haben natürlich unsere Schwächen mehr in den anderen als in uns selbst erkannt. Wenn man überleben wollte, konnte man die Schwarzseher, die den Tod voraussagten, nicht dulden. Man suchte die Kameradschaft der Träumer, derjenigen, welche die ‚Zeichen‘ sahen. Jeder, dessen Schicksal das Überleben war, mußte an die Möglichkeit eines Wunders glauben.“ (Heimler 1963, S. 16)

Phänomene wie das Zeichensehen sind im Volksglauben wohl bekannt (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987; Jaffé 1958) und werden im nächsten Kapitel kurz behandelt. „Können andererseits Selbstachtung, Hoffnung, Ziel, fest verankerte religiöse oder politische Überzeugungen und das Vertrauen in die Kameraden gewahrt werden, so vermag ein Mensch unglaubliche Belastungen zu ertragen, wie viele heroische Berichte bezeugen. Autobiographische Darstellungen zeigen die außerordentliche Fähigkeit solcher Menschen, auf sich selbst abzustellen und sich durch geistige Aktivität und Vorstellungskraft selbst anzuregen.“ (Engel 1976, S. 427)

Um die ständige Niedergeschlagenheit unter Preisgabe aller Wünsche und Hoffnungen im Konzentrationslager überleben zu können, muss sie vom Betroffenen intrapsychisch irgendwie gemildert, gebremst, hintangehalten werden. Dies bedarf eines Ausgleichs „durch einen mehr oder weniger tiefgehenden Persönlichkeitswandel im Sinne der emotionellen Einschränkung und Verhärtung (Ö), wenn das kümmerliche Leben weitergehen sollte.“ (Ritter von Baeyer et al. 1964, S. 16)

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Phänomene des psychogenen Todes

Pathogenetische Faktoren beim Heimweh-Tod Man kann den Heimweh-Tod als einen „Tod durch den Verlust der Bindung an einen bestimmten Ort“ bezeichnen. Dieser Verlust wird in der Regel durch die eine Käfigsituation herbeigeführt. Für ihre tödliche Wirkung müssen zwei wichtige Bedingungen erfüllt sein: Einerseits gibt der Gefangene bzw. das HeimwehOpfer sich selber auf, d. h. es gibt sich dem Tod anheim (Sich-Aufgeben), andererseits wird es auch von seinen Mitgefangenen oder Kameraden vorzeitig dem Tod überlassen (das Aufgegeben-Sein). In diesem Sinne zwingt die Käfigsituation dem Opfer den Verlust des Lebenswillens „giving up the will to live“ (Verwoerdt 1976, S. 27–28) oder des „Willens, nicht zu sterben“ auf: Die Selbstaufgabe vor dem endgültigen Eintreten des psychogenen Todes ist mit einem Willensverlust verbunden. Von diesem Moment des Willensverlusts an scheint der Prozess eine Eigendynamik zu entwickeln; er spielt sich bis zum Tode „im tiefsten Unbewußten“ ab (Schilling 1948, S. 65). Der Sich-Aufgeben/Aufgegeben-sein-Komplex Das Syndrom ist in der Literatur vor allem unter der Bezeichnung „Sich-Aufgeben/Aufgegeben-sein-Komplex“ („giving up/given up complex“ Engel 1968) bekannt und hat sieben ineinandergreifende Komponenten: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

eine vermeintlich lebensbedrohliche Situation (Impasse) Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit Verlust jeglichen Lustgewinns aus Beziehungen oder Lebensrollen Selbstentwertung mit Erinnern früherer Erlebnisse des Aufgebens das Sich-Aufgeben das Aufgegeben-Sein von der sozialen Gruppe Zerstückelung der Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Vier bis sechs Eigenschaften des Sich-Aufgeben/Aufgegeben-sein-Komplexes sind auch bei der Melancholie häufig vorhanden (Engel 1968, S. 360): (2), (3), (4) und (7), eventuell (5) und (6). In diesem Zusammenhang erinnere ich an die bereits in der Einführung zitierten Worte von S. Freud: „Denselben Schluß muß das Ich aber auch ziehen, wenn es sich in einer übergroßen realen Gefahr befindet, die es aus eigenen Kräften nicht glaubt überwinden zu können. Es sieht sich von allen schützenden Mächten verlassen und läßt sich sterben.“ (Freud 1967, S. 288)

Die psychische Ausgangssituation aller „klassischen“ psychogenen Todesfälle ist gekennzeichnet durch die oben genannte Käfigsituation, d. h. durch eine von 86

Heimweh-Tod

außen kommende Bedrängnis, der das verzweifelte Individuum nicht ausweichen kann (Ausweglosigkeit) und hilflos ausgeliefert ist. Die Psychodynamik weist Regression, Resignation und Apathie auf (Hoffnungslosigkeit). In körperlicher Hinsicht zeigt sich eine vollständige Passivität (Stumpfe 1973, 1975). Ich werde den Begriff der Käfigsituation später wieder aufgreifen, wenn ich die allgemeinen Bedingungen des psychogenen Todes diskutiere. Verlust des Lebenswillens Beispiele für den Verlust des Lebenswillens oder den Verlust des „Willens, nicht zu sterben“ kennt fast jeder aus dem eigenen Bekanntenkreis. Hierzu verweise ich auch auf die obige Geschichte der beiden Schwestern, die als Beispiel zum Tod durch Trauer angeführt wurde. Ein ähnliches Beispiel ist das von dem alten Ehepaar: Die Gattin stirbt, und kurz danach folgt ihr der Gatte ins Grab (siehe oben unter dem Begriff Nachzehrer). Führt das Ausmaß jeder Trauer zum Verlust eines ebenso großen Stücks Lebenswillens? Hier sieht man einmal mehr, wie die rund um psychogene Todesphänomene gebildeten Begriffe sich überlappen und ineinander übergreifen. In der Einführung habe ich bereits den Zusammenbruch des Lebenswillens bei Kriegsgefangenen kurz erwähnt (vgl. Frankl 1961; Stumpfe 1973, 1974). Hierzu folgender Augenzeugenbericht: „In japanischen Kriegsgefangenenlagern wurde dieses Sich-Aufgeben als ‚Bambus-Krankheit‘ bezeichnet. Der Gefangene ließ keinerlei körperliche Erkrankungszeichen erkennen, verweigerte die Nahrungsaufnahme, rollte sich in eine Decke, legte sich hin und wollte allein gelassen werden. Der Tod trat innerhalb von 3–4 Tagen ein. An den aufliegenden Körperpartien des Verstorbenen fanden sich dann die Abdrücke der Bambusrippen. In den deutschen Konzentrationslagern starben viele Häftlinge an einem sog. ‚MuselmannSyndrom‘.“ (Strian 1983, S. 324–325)

Das, was psychisch als Sich-Aufgeben (Verzweiflung, Zuviel!, Das Ende! Ich habe genug!, Sinn-, Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit usw.) erlebt oder ausgedrückt wird, widerspiegelt Verhaltensweisen und physiologische Zustände, die ich hier unter der Bezeichnung „Verlust des Lebenswillens“ zusammenfasse, auch „Rückzugs- und Konservierungsmuster“ genannt (Engel 1976, S. 426–428). Die Morbidität wird bei verzweifelten und hilflosen Menschen, die alle Hoffnung aufgeben, am höchsten sein. Die Sterblichkeit wird besonders hoch sein „bei schweren Störungen der sozialen Organisation, in denen die gewohnte soziale Unterstützung und persönliche Bande dahinfallen, beispielsweise in Konzentrations- und Gefangenenlagern, Katastrophengebieten usw.“ (Engel 1976, S. 427).

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Phänomene des psychogenen Todes

Die mit sozialer Zerrüttung, mit Kummer und Selbstaufgabe einhergehenden Einstellungen fördern bzw. ermöglichen bestimmte pathophysiologische Prozesse, die dann zur Entwicklung und/oder Verschlimmerung einer somatischen Krankheit bis hin zum plötzlichen Tod in einer unentrinnbaren, überwältigenden Stressituation führen können. Der willensverlustige, sich in einer Käfigsituation befindende Mensch wurde in den Konzentrationslagern des Zweiten Weltkrieges als Muselmann bezeichnet. Das Thema des Muselmanns und das Sich-Aufgeben/Aufgegeben-Sein werde ich bei der Diskussion der allgemeinen Bedingungen des psychogenen Todes im Unterkapitel „Pathogenetische Faktoren“ wieder aufgreifen.

Seelentod In diesem Abschnitt werde ich das Drama des psychogenen Todes behandeln, der endogen durch die autonome Wirkung einer seelischen Aktivität ausgelöst und durch die psychische Ökologie des Betroffenen, wie Biographie, Persönlichkeit, Neurosen, Psychosen usw. beeinflusst wurde. Wie beim Voodoo-, Tabu- und Heimweh-Tod stirbt der Betroffene auch hier zwangsläufig, wurde der Prozess einmal in Gang gesetzt. In diesen Fällen bleibt in der Regel der psychische Auslöser oder Grund dem Opfer entweder völlig unbewusst (Besessenheitstod) oder wird in Form des Einladungstods (siehe unten) ganz bewusst wahrnehmbar. Bei Autopsien lassen sich hier wie dort keine organischen Ursachen feststellen. Ein Besessenheitstod verläuft vergleichsweise langsam; der Tod tritt erst mehrere Tage oder Wochen nach Beginn des Prozesses ein. Beim Einladungstod dauert der Prozess manchmal nur wenige Stunden bis zur Vollendung. Das typische klinische Bild wird später im Detail dargestellt. Wie beim Voodoo-, Tabu- und Heimwehtod postuliere ich auch hier einen darwinistischen Vorteil, sozusagen im Sinne einer Zugehörigkeit des Individuums zur „Weltseele“. Im letzten Teil des Kapitels „Darwinistische Perspektive“ werde ich eine ausführliche Erläuterung dieser Behauptung nachliefern.

Besessenheitstod im Sinne der Tiefenpsychologie Man kann den Besessenheitstod als Drama des psychogenen Todes durch die autonome Wirkung einer im Körperinnern unbewussten Aktivität im Sinne der Tiefenpsychologie verstehen. Hier trifft man auf beide der oben diskutierten zeitlichen Verläufe psychogener Todesphänomene: die langsam progrediente Form, bei der der Todesprozess sich über mehrere Tage bis Wochen erstreckt, sowie die akute Form, bei welcher der Betroffene innerhalb weniger Stunden stirbt. Während der Fachmann in diesen Fällen eher einen Tod im Zusammen88

Seelentod

hang mit einer Geisteskrankheit sieht, versteht der Betroffene oft eine Lebensbedrohung durch kranke Geister. Psychogener Tod und Persönlichkeit Was ist überhaupt „Persönlichkeit“? Und lässt sich ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und psychogenem Tod feststellen? Schon Hippokrates unterschied vier Typen des Temperaments: den Choleriker, den Melancholiker, den Phlegmatiker und den Sanguiniker. In der Astrologie wird der Mensch unter die zwölf Sternzeichen eingereiht. Im Alltag spricht man vom Introvertierten und Extrovertierten, von gutem oder schlechtem Charakter usw. Jede Kultur kennt in diesbezüglich eigene Ordnungsprinzipien. Wie kann man in dieser Vielfalt von Perspektiven einen gemeinsamen, möglichst objektiven Blick auf die menschliche Persönlichkeit gewinnen? In der Wissenschaft versucht man, anhand psychologischer Testinstrumente ein Persönlichkeitsprofil aufzustellen. Ein solcher Test besteht standardmäßig aus Dutzenden bis Hunderten statistisch ausgeklügelter Fragen, die der Proband meistens auf einem Fragebogen selbst beantwortet. Mit multidimensionalen Computeranalysen können mehrere Antwort-Konstellationen identifiziert werden, die in der Normalbevölkerung überzufällig häufig vorkommen, und die sich mathematisch signifikant voneinander unterscheiden, sich reproduzieren lassen, und somit eine objektive Charakterisierung verschiedener Persönlichkeitstypen ermöglichen. So lässt sich auch herausfinden, ob Menschen, die z. B. besonders empfänglich für Voodoo-Einflüsse sind oder sich überdurchschnittlich häufig mit plötzlich und unerwartet auftretenden und tödlich verlaufenden Krankheiten anstecken, ein ähnliches und spezifisches Persönlichkeitsprofil aufweisen. So sind mögliche Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und todbringenden psychogenen Einflüssen wissenschaftlich festgestellt worden. Ein gut dokumentierter Fall von Voodoo in einem Allgemeinspital (Cappannari et al. 1975) erlaubt einen Einblick ins Persönlichkeitsprofil einer Frau, kurz bevor sie mit Hilfe einer Portion „Gegenmagie“ gerettet werden konnte (siehe oben). Ihre Antworten auf das Minnesota Multiphasic Personality Inventory (Kürzel: MMPI; Lachar 1974) repräsentieren eine „naive Person“, die sich selbst als stabil und ohne emotionale Kümmernisse versteht. Das Test zeigt, dass sie ihre Aggression eher auf Umwegen ausdrückt, ihre Ängste mit körperlichen Beschwerden verschleiert, ihre Probleme weitgehend verdrängt und verneint, eine schlechte Frustrations- und Stresstoleranz aufweist, zu Ordnung bis hin zum Perfektionismus tendiert und eher in die Defensive geht und unkooperativ reagiert, wenn sie in Frage gestellt wird. Aus dieser Beschreibung lässt sich ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und psychogenem Tod herstellen. (Selbstverständlich lassen sich aus einem einzigen Fall keine allgemeingültigen Schlüsse herleiten.) 89

Phänomene des psychogenen Todes

Wir können auch der Frage nach Zusammenhängen zwischen Persönlichkeit und krankheitsbedingten Tod bei jüngeren Menschen nachgehen. Diesbezüglich wurde z. B. 1986 in einer Studie aus Zürich mit Hilfe des Freiburger Persönlichkeitsinventars (FPI) gezeigt, dass diejenigen Menschen (8 Männer: Durchschnittsalter bei der Befragung 19 Jahre), die durch Krankheit vor ihrem 31. Lebensjahr gestorben sind, statistisch signifi kant introvertierter waren als die Kontrollgruppe, und zwar im Ausmaß ungefähr einer Standardabweichung vom Mittelwert der Allgemeinpopulation (Angst und Clayton 1986). Eine frühere in 16 Ländern durchgeführte Studie zeigte sogar eine Korrelation zwischen der allgemeinen Leistungsmotivation einer Gesellschaft, die aus Inhaltsanalysen von Kindergeschichten eruiert wurde, und der Todesrate bei Magengeschwüren und Bluthochdruck 25 Jahre später (Rudin 1968); es sei angemerkt, dass diese Ergebnisse nicht unbestritten sind, bzw. eher soziale, ökonomische oder medizinische Erklärungen zugrunde gelegt werden können. (Barrett und Franke 1970). Diese Beispiele demonstrieren, dass die Persönlichkeit einen nicht zu vernachlässigenden, psychogenen Einfluss auf den individuellen Tod haben kann. Wie groß ist nun dieser Einfluss, wenn die Persönlichkeit dermaßen gestört ist, dass man von einer Neurose sprechen kann? Psychogener Tod und Neurose „Ein 40-jähriger, bis dahin gesunder Sportlehrer wird pädophiler Beziehungen beschuldigt. Nach anfänglichem Leugnen und Verkleinern seiner Taten kommt das ganze Ausmaß der Verfehlungen ans Licht der Öffentlichkeit. ‚Schlagartig brach das ganze Verteidigungssystem des Beschuldigten zusammen.‘ Es trat eine Katastrophenreaktion ein, die an einen Ganserschen Dämmerzustand erinnert, es folgten schlaffe Ohnmachten, eine reaktive Depression mit hysterischem Zittern. Es entwickelte sich mehr und mehr das Bild einer psychogenen Psychose. Durch Einlieferung in eine psychiatrische Anstalt entging er der drohenden Verhaftung. ‚Seine Ohnmachtsanfälle häuften sich, wurden immer eingeschliffener und sozusagen jederzeit verfügbar.‘ Als er in der Anstalt verhaftet werden sollte, erlitt er einen schweren Kollaps, ,der erst nach Stunden in ein ‚murmelndes‘ Delir überging und binnen vier Tagen mit dem Tod an ‚Herzschwäche‘ endete.‘ Die Autopsie ergab nur einen Kräfteverfall, sonst keinen pathologischen Befund.“ (Menninger 1948)

Eine Neurose ist eine störende seelische Haltung, mit der ein Mensch sich selbst so sehr im Wege steht und zugleich seine Umwelt so stark manipuliert, dass ihm das Erreichen seiner Lebensziele und der normale Zugang zur Lebensfreude vorenthalten wird. Er stolpert sozusagen über seine eigenen seelischen Füße. Neurosen sind psychische Störungen ohne nachweisbare organische Grundlage, bei denen der Patient: erstens unter seinen Symptomen leidet; zweitens beträcht90

Seelentod

liche Einsicht in seine Störung haben kann; drittens eine gestörte, aber nicht realitätsfremde Wahrnehmung hat; viertens seine Identität bewahrt. Die wesentlichen Symptome umfassen: ausgeprägte Angst, psychosomatische oder hysterische Symptome, Phobien, Zwangssymptome und Depression (Degkwitz et al. 1980, S. 49). Ängstlichkeit ist als Risikofaktor für einen plötzlichen Tod bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit anerkannt (Kawachi et al. 1994). Ein Herzneurotiker kann z. B. unter panischer Angst vor Herzstillstand und Lebensvernichtung leiden, weil der Nachbar gerade gestorben ist. Eine Studie mit 2320 Männern, die einen akuten Myokardinfarkt überlebt hatten, ermöglichte die Definition von zwei Variablen, die stark mit einem erhöhten Drei-Jahres-Mortalitätsrisiko assoziiert sind: Diejenigen Männer, die unter sozialer Isolation und hohem Lebensstress litten, zeigten ein viermal höheres Todesrisiko gegenüber jenen, die auf einer niedrigeren Stufe von Isolation und Stress standen (Ruberman et al. 1984). Das Resultat bestätigt aus einer anderen Perspektive die bereits diskutierte Tatsache, dass ein Mensch durch die autonome Aktivität der eigenen Vorstellungskraft sterben kann. Hier betone ich insbesondere, dass der psychogene Mechanismus, der den neurotischen Menschen zum Tode führt, dem Betroffenen unbewusst bleibt und keinen bewussten Sterbewunsch, wie Suizidgedanken oder eine Vorahnung des eigenen Todes – siehe unten – einbeziehen muss. Dem Tod wird in der Neurose meist mit Ambivalenz begegnet: als Tremendum und Fascinosum zugleich; er wird in der einen oder anderen Form als Durchtrennung zwischenmenschlicher Beziehungen, die letztlich in allen Todeserfahrungen enthalten ist, subjektiv bewertet und im Zusammenhang mit den bisherigen persönlichen Verlust- und Trennungserfahrungen und dem Zeiterleben verarbeitet (Csef 1987, S. 169–171). Neurosen stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zu psychogenen Todesfällen, wie z. B. der Fallbericht von Sperling „Beitrag zur Frage eines psychogenen Todes bei Magersucht“ über den Tod einer 22-jährigen Frau deutlich zeigt (Sperling 1964). Auch Stumpfe schilderte 1979 mit ausführlichen anamnestischen und klinischen Daten den psychologischen Hintergrund und den physischen Verlauf eines Todes aus psychischen Gründen bei einem 37-jährigen Mann (Stumpfe 1979). Durch ein schmerzhaftes Bandscheibenleiden wurde dessen lebenserfüllende Tätigkeit als Fotoamateur für Naturaufnahmen in Frage gestellt. Nach einer Bandscheibenoperation, von der der Patient irrtümlich glaubte, sie sei erfolglos verlaufen, entwickelte sich bei ihm die Symptomatik eines psychogenen Todes. Innerhalb eines Tages verstarb der Patient an einer nicht beeinflussbaren Hypotonie von 70/40 mm Hg bei einem Puls von 140 Schlägen/ Min. Die Sektion mit histologischen und toxikologischen Untersuchungen ergab keine Hinweise für die Erklärung dieses Todes. 91

Phänomene des psychogenen Todes

Neurotiker zeigen auch eine erhöhte Mortalität durch natürliche Ursachen (Harris und Barraclough 1998, S. 30–31 und Tabelle 22, S. 33–34). Normalerweise jedoch werden Neurosen per se nicht als tödlich angesehen und auf Totenscheinen oder in forensischen Berichten nicht als Todesursache angegeben (Schepank 1987, Abschnitt 2.4.4, „Verlaufsuntersuchungen“ S. 34–35), obwohl z. B. „die Möglichkeit, dass eine hysterische Person durch hysterische Vorstellungen sterben kann, anerkannt werden muss“ (Menninger 1948). Die Frage, ob es einen psychogenen Tod durch Neurose geben kann, ist also in der medizinischen Literatur älteren Datums (Kronfeld 1934; Stumpfe 1979) schon wiederholt diskutiert worden. Mehrere Studien haben in der Tat gezeigt, dass eine schwere Neurose für beide Geschlechter mit einem signifikant erhöhten Sterberisiko und zwar in Bezug auf alle Todesursachen einhergeht (Segal und Prior 1978; Schepank 1987, S. 34). Die Zunahme liegt bei Faktor 1,1 (Innes und Millar 1970), 1,4 (Keehn et al. 1974), 1,5 (Harris und Barraclough 1998, Tabelle 22a, S. 33) bis 1,9 (Babigian und Odoroff 1969) des Risikos für die Allgemeinbevölkerung. Hierin enthalten ist auch Tod durch Selbstmord (vgl. z. B. Coryell et al. 1982). Wenn wir Unfälle und Suizide ausschließen und nur Tod durch Krankheit berücksichtigen, finden wir ein relatives Risiko von 1,6 (Sims und Prior 1978, S. 304) oder 1,8 (Harris und Barraclough 1998, Tabelle 22a, S. 33) für Tod durch Nerven-, Kreislaufoder Atemwegskrankheiten. Als konkretes Beispiel zitiere ich die Arbeit „Neurosis and Mortality: Investigating an Association“ von Sims (Sims 1984). Seine Studie umfasste 1482 Patienten, die wegen schwerer Neurosen hospitalisiert waren. Die Nachuntersuchung fand im Durchschnitt 10,9 Jahre später statt und umfasste immerhin 1351 Patienten. In dieser Population kam es zu 139 Todesfällen, in 75 wurde als Todesursache Nerven-, Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen angegeben (Sims und Prior 1978, Tabelle II, S. 301, und Tabelle V, S. 303) Weil das erwartete Risiko in der Normalpopulation bei nur 47 Todesfällen liegt, beträgt das relative Sterberisiko für schwere Neurosen 75/47 = 1,6. (Sims und Prior 1978, Tabelle III, S. 358. Siehe auch Tabelle IV, S. 360: “The pattern of mortality in severe neurosis: Deaths from natural causes. Observed and expected numbers of deaths by main-cause groupings”) Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Risiko zufällig zustande kommt, ist geringer als 0,1 %. Mit anderen Worten: Der Befund ist statistisch signifikant. Daraus schloss A. Sims: „Ein Zusammenhang zwischen Neurose und einer erhöhten Mortalität durch natürliche Ursachen scheint zweifellos zu bestehen.“55 (Sims 1984, S. 361)

Schon seit dem 19. Jahrhundert haben Studien gezeigt, dass das Sterberisiko in Zeiten gesteigerter geistig-seelischer Gestörtheit vor allem bei jungen Frauen innerhalb des ersten Jahres einer psychiatrischen Hospitalisation erhöht ist (East92

Seelentod

wood et al. 1982). Hier könnte der Tod als aus einem Konversionssyndrom hervorgehend bezeichnet werden (vgl. Maxion et al. 1989). Gibt es also einen Zusammenhang zwischen psychiatrischer Krankheit und psychogenem Tod? Psychiatrische Krankheit und Mortalität Im Vergleich zur Normalpopulation haben psychiatrische Patienten ein erhöhtes Risiko für den sog. „natürlichen Tod“ (Häfner und Bickel 1989) – siehe unten. Insbesondere haben an einer Schizophrenie (Ruschena et al. 1998) oder organischbedingten psychischen Störung (Hewer et al. 1991) Leidende ein größeres Risiko für plötzlichen und vorzeitigen Tod durch kardiovaskuläre Ursachen. Im nächsten Unterkapitel sowie im Kapitel „Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene“ werde ich über diesen Konnex mehr zu sagen haben. Psychogener Tod und Psychose „… die Patientin erlebte einen heftigen Anfall einer Zimmergenossin mit, und fing plötzlich an, erregt zu reden, sie habe einen Schock gekriegt und müsse sterben.“ (Kächele 1970, S. 122)

Diese hochsensible paranoide Psychiatrie-Patientin starb 16 Stunden nach diesem Ereignis an einem Erschöpfungssyndrom mit nicht fühlbarem Puls, kühlen Extremitäten und steigender Rektaltemperatur (Fall berichtet in Stürup 1942). Kein Todeswunsch schien hier (und in den unten erwähnten Fällen) aus der Lebensgeschichte verständlich und stark genug zu sein, um die eigentliche, schließlich tödliche psychodynamische Kraft herzustellen. Noch ein Beispiel: „Im Stadtspital von Denver wurde 1910 ein Mann nach einem dreitägigen Panikzustand eingewiesen. Er nahm das Spital kaum wahr, starrte aber andauernd aus dem Fenster nach den Menschen, die ihn seiner Meinung nach lynchen wollten. Schließlich fiel er mit den Worten ‚Sie kommen jetzt!‘ tot zu Boden. Die Autopsie zeigte, dass die Organe in erstaunlich gutem Zustand waren; keinerlei Läsionen waren zu beobachten.“56 (Walters 1944, S. 84, Beitrag von Dr. Earl D. Bond zur Diskussion)

In diesem Unterkapitel komme ich zum Zusammenhang zwischen psychogenem Tod und Psychose. Wie schon beim der neurotischen Persönlichkeit möchte ich auch hier betonen, dass der psychogene Mechanismus, der diese Menschen zum Tode führt, dem Betroffenen unbewusst bleibt und keinen bewussten Sterbewunsch (Suizidgedanken usw.) oder eine Vorahnung des eigenen Todes – siehe unten – in sich bergen muss. 93

Phänomene des psychogenen Todes

Wie wir noch im Detail sehen werden, sind Psychosen in unmittelbare Verbindung mit psychogenen Todesfälle zu bringen. Doch wird die Psychose in der Regel nicht per se als tödliche Krankheit betrachtet. Mit anderen Worten: Psychose wird auf Totenscheinen oder in forensischen Berichten nicht als primäre Todesursache angegeben, obwohl das Umgekehrte, eine akut tödliche Krankheit als Ursache der Psychose im Sinne einer „akuten kardialen [also organischen A. d. V.] Psychose“ in der Literatur nicht unbekannt ist (Nolan und Lewis 1937): „Ein 41-jähriger Schwarzer, ein Arbeiter, wurde ins Spital eingewiesen, weil ‚Stimmen‘ ihm kürzlich befohlen hatten, in die Welt hinauszugehen, zu predigen und eine neue Religion zu stiften. Als Einweisungsgrund angegeben wurden auch seine extravagante Behauptung, er sei mit König Salomon verwandt und wolle sein Leben nach ihm ausrichten. Es gab keine auffällige Familiengeschichte, keinen Bericht von ernsthaften Krankheiten oder Kleinkriminalität. Ein ziemlich schwerer Alkoholmissbrauch war bekannt, hatte aber keine akuten Geistesstörungen verursacht. Die erste Abweichung von seiner bis anhin guten Gesundheit und seinem normalen Verhalten wurde circa zwei Monate vor der Hospitalisation beobachtet, als er anfing, sehr häufig in die Kirche zu gehen und mehr als üblich zu beten. Seinen Umfeld gegenüber äußerte er die Überzeugung, er sei dem Heiligen Geist geweiht und könne ‚in Zungen reden‘. Obwohl dies von seinen schwarzen Freunden im Prinzip nicht als abnormal eingestuft wurde, waren sie doch der Meinung, dass dies eine deutliche Änderung in seinem Verhalten anzeigte. Bei der Einweisung ins Spital war er zeitlich und örtlich desorientiert und kindisch in seinen Reaktionen; er sagte, er sei stets im Hörkontakt mit dem Heiland. Er zeigte keinerlei Krankheitseinsicht, dachte vielmehr, er sei zur Behandlung einer schweren Grippe ins Spital eingewiesen worden. Eine körperliche Untersuchung deckte harte und gewundene Blutgefäße auf; starke arterielle Pulsationen auf der linken Seite des Halses; einen diffusen Herzspitzenschlag, der nahezu im ganzen Brustbereich wahrnehmbar war; verminderten Muskeltonus; ein lautes systolisches Geräusch über der Herzspitze, und Akzentuierung des zweiten Herztons. Der Blutdruck betrug 165/220, die Pulsfrequenz 120/min. Serologische Tests lieferten negative Ergebnisse und der neurologische Befund war unauffällig. Der Patient litt an einer Dyspnoe und ermüdete leicht bei Anstrengung. Er wurde der bei diesem Befund üblichen Behandlung zugeführt und mit der Besserung des kardialen Zustandes hörten sowohl Halluzinationen als auch Wahnphänomene auf. Nach drei Monaten wurde er ohne Psychose und nach Remission der kardialen Symptomatik nach Hause entlassen. Nach mehreren Monaten erlitt er eine akute kardiale Dekompensation mit einem sich schnell entwickelnden, allgemeinen Anasarka [Ganzkörperödem, A. d. V.] und starb an einem Lungenödem.“57 (Nolan und Lewis 1937, S. 789–790)

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Da einer akuten Herzkrankheit unmittelbare Lebensgefahr innewohnt, ist leicht nachvollziehbar, dass sich die bei diesem Mann vorherrschenden Wahnvorstellungen mit Religiosität, insbesondere Gottesvorstellungen nach dem Tod befassen. Die Halluzinationen bei akuter Herzkrankheit haben anscheinend nicht den bizarren, fremdartigen und mystisch-symbolischen Inhalt wie die bei einer Schizophrenie, sondern eher eine Ich- oder Identitätsbedeutung und handeln vielleicht von Bekannten, Freunden oder Verwandten. Der Patient hat auch mehr Einsicht in seine Beeinträchtigung als bei der Schizophrenie und tendiert eher dazu, sich wegen seiner halluzinatorischen Erlebnisse zu schämen. Nun stellt sich die Frage, ob eine psychotische Person allein durch ihre psychotischen Vorstellungen sterben kann. Ich werde nach einem ausführlichen Studium der Literatur in diesem Kapitel die Frage, ob es einen psychogenen Tod an Psychose gibt, mit einem bedingten „Ja“ beantworten können. Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine Psychose zu einem signifikant erhöhten Todesrisiko für beide Geschlechter und zwar im Bezug auf alle Todesursachen führt. Mit anderen Worten: Psychosen korrelieren mit einer erhöhten Mortalität durch natürliche Ursachen (Harris und Barraclough 1998, S. 22–28 bes. Tabelle 9–11, S. 22–24; Astrup et al. 1959; Berren et al. 1994; Black und Fisher 1992; Brack 1937; Buda et al. 1988; Jorgensen und Mortensen 1992; Persson 1981; Ciompi 1980; Ciompi und Medvecka 1976; Rorsman 1974). Das Risiko ist doppelt so hoch wie in der altersgleichen Normalbevölkerung (Harris und Barraclough 1998, Tabelle 9a, 10 und 11, S. 22, 24; Schweizer 1985, S. 34) und hat sich seit den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts kaum verändert. Dies weist darauf hin, dass „trotz des tiefgehenden Wandels der Behandlungsmöglichkeiten der letzten Dekaden, die zwar seit der Einführung der Neuroleptika insgesamt einen leichten Rückgang der Mortalität Schizophrener bewirkt haben könnten, im Vergleich zur gesamten, 50 Jahre umfassenden Untersuchungsperiode keine wesentliche Veränderung der Mortalitätsrate Schizophrener zu verzeichnen ist“ (Walz 1991, S. 106). In einer weiteren Studie über den Zeitraum von zehn Jahren starben 44 % der ursprünglich 88 Schizophrenie-Patienten ohne Suizid (Waddington et al. 1998). In Anbetracht solch überwältigender Zahlen könnte man also doch sagen: Schizophrenie ist eine tödliche Krankheit. Wenn man nun Unfälle und Suizide explizit ausschließt und nur Tod durch Infektionen, Atemwegs-, Herzkreislauferkrankungen und maligne Tumoren in Betracht zieht, findet man ein relativ hohes Todesrisiko von Faktor ca. 7,4 (Harris und Barraclough 1998, Tabelle 9a, 10 und 11, S. 22, 24). Die Häufigkeit unerklärlicher plötzlicher Todesfälle, für die auch bei der Autopsie keine Ursache (z. B. Infarkt) zu finden ist, liegt bei ca. 10 % der dauerhospitalisierten schizophrenen Patienten (Hussar 1966) – je nachdem wie die Autoren die Begriffe „plötzlich“ und „Ursache“ verstehen – siehe auch Kapitel „Das psychogene Mortalitätssyndrom“. Es gibt aber auch Studien, in denen wenig (ca. 5 % [Schweizer 1985, S. 4 95

Phänomene des psychogenen Todes

und 6]) bis keine (Walz 1991, S. 39) „unbekannten“ oder „übrigen“ Todesursachen verzeichnet sind (vgl. Bitter-Müller 1980). Trotzdem tendiert die Fachliteratur generell zur Meinung, dass ein nicht zu übersehender Zusammenhang zwischen Psychose und dem plötzlichen, unerwarteten Tod bestehe: Die Auswirkungen von Psyche und Umwelt auf somatische Parameter gewinnen auch in der biologischen Psychiatrie an Bedeutung, wo „üblicherweise somatische Parameter untersucht (werden) mit dem Ziel, physiologische oder biochemische Korrelate von psychischen Symptomen oder Verhaltensweisen zu belegen – oft auch im Sinne einer kausalen Attribution“ (Steinert et al. 1996, S. 212). Der Laie mag sich nun fragen: Was ist eigentlich eine Psychose? Psychosen sind Komplikationen geistiger Art mit Auswirkung auf das Verhalten (vormals Geisteskrankheiten), bei denen die Beeinträchtigung der psychischen Funktionen ein so gravierendes Ausmaß erreicht hat, dass die Einsicht in den sozialen Kontext der eigenen Handlungen und die Fähigkeit, den üblichen Lebensanforderungen zu entsprechen, erheblich gestört sind und der beobachtbare Realitätsbezug des Betroffenen von Drittpersonen häufig nicht mehr nachzuvollziehen ist. Es handelt sich um keinen exakten oder genau definierten Begriff. Die psychiatrischen Störungen, die in der Regel mit einer Psychose einhergehen, sind z. B. die Schizophrenie, bestimmte Formen der Depression, und der Gegenpol der Depression, die Manie (Degkwitz et al. 1980, S. 23). Der Eindeutigkeit und Klarheit halber möchte ich im Folgenden eine kurze Definition von Psychose geben, wie sie gegenwärtig mehr oder weniger weltweit akzeptiert wird: Psychose ist ein außergewöhnlicher Zustand der geistig-seelischen Haltung (mind-brain state), der durch eine derart intensiv erlebte Subjektivität im Sinne von veränderten äußeren und inneren Wahrnehmungen – insbesondere die des eigenen Ichs – geprägt ist, dass das ihm entsprechende Verhalten von den Mitmenschen kaum oder gar nicht nachvollzogen werden kann und den Betroffenen in Isolation und Einsamkeit bannt. Eine psychotische Störung liegt vor, wenn mindestens eins der folgenden Symptome vorhanden ist: desorganisiertes Verhalten, Halluzinationen, Wahnphänomene, Zerfahrenheit im Denken.

Als Folge solch eines außergewöhnlichen Bewusstseinszustandes werden Dinge erlebt, die von der Umwelt anders oder gar nicht wahrgenommen werden: Die Umwelt wird z. B. so aufgefasst, als sei sie für den Betroffenen arrangiert oder als sei er von ihr manipuliert. Es wird an Überzeugungen festgehalten, und es werden Auffassungen geäußert, die von anderen Menschen kaum mit ihrer kollektiven Realität in Beziehung gebracht werden können. (Siehe auch das Unterkapitel „Binding und Psychose“ im Kapitel „Naturphilosophische Überlegungen“.) Jemand, der an einer schizophrenen Psychose leidet, fühlt sich vielleicht wie hypnotisiert (im Sinne einer Bühnen- oder Showhypnose, bei der er glaubt, keine Kontrolle mehr über sein Verhalten zu haben und von außen gesteuert zu sein): 96

Seelentod

Er hört Stimmen, fühlt sich verfolgt, glaubt, ihm würden Gedanken eingegeben, gelesen, kontrolliert oder weggenommen. Während der Psychose kann ein sonst vernünftiger Mensch vermeinen, ihm würden die Zehn Gebote in den Weisheitszahn gepflanzt; er kann seinen Penis abschneiden und aufessen, sich absichtlich tiefe Schnitte zufügen oder Zigaretten auf der Haut ausdrücken, um sich selbst besser zu spüren oder um seine noch gravierenderen seelischen Schmerzen zu überdecken oder innere Spannung zu mildern; er kann auf die merkwürdige Idee kommen, eine „Zaubermedizin“ aus dem eigenen Kot und Urin im Aschenbecher zusammenzumischen und diese mit einer von der Station gestohlenen Spritze ins Kniegelenk zu spritzen. Eine Person, die unter einer depressiven Psychose leidet, kann überzeugt sein, ihr Gehirn sei eine Pfütze voller Gewürm, sie schon tot und könne deswegen ihre eigene Verwesung riechen, ihre Haut hinge in Fetzen von ihrem fleischlosen Skelett herab u. a. m. Sie könnte versuchen, mit einer Bohrmaschine das Ungeziefer aus ihrem Kopf zu entfernen, bzw. in ein Bestattungsunternehmen einbrechen und sich neben eine Leiche in den Sarg legen usf. Im gegenteiligen Zustand der manischen Psychose kann ein Mensch unbeirrbar sicher sein, er gebäre merkwürdige Wesen aus dem Leib, er sei Jesus Christus, er sei unendlich reich oder mächtig und handelt entsprechend: schnell mal eine Villa kaufen, oder Geld verteilen, mal kurz am anderen Ende der Welt vorbeischauen. Man könne alles machen, alles erreichen, wenn man nur die Zeit nutze: 20 Luxus-Autos bestellen oder einen rasenden Zug eigenhändig aufhalten. Psychotisches Erleben können wir am ehesten mit unseren Träumen vergleichen, die uns eine alternative Welt (präziser: ein Bild unserer unbewussten Befindlichkeit) anbieten, mit einer einzigartigen und differenzierten Logik. Nach dem Erwachen aus dem Traum bzw. nach dem Abklingen der Psychose gewinnt man eine gewisse Distanz zum Erlebten. Trotzdem ist der Betroffene fürs weitere Leben geprägt. Das „Erwachen“ aus einer Psychose ist auf jeden Fall erschütternd – nicht ungleich dem Erwachen aus einem furchterregenden Albtraum. Jung betont, dass die profunden inneren Erlebnisse des modernen Menschen in Form und Inhalt den sogenannten „Großen Träumen“ der Naturvölker gleichen können (Jung 1979, Pars. 525, 528, 549). Solche Träume sind oft wesentliche Teile von Einweihungsmysterien, z. B. bei den Ureinwohnern Australiens. Es können zwei Haupttypen unterschieden werden: •



Pubertätseinweihungen, bei denen jedes heranwachsende Mitglied der Gesellschaft die sakralen und weltlichen Erfahrungen und Erkenntnisse bekommt, die für das spirituelle und praktische Wohlsein und die Entwicklung der Sippe notwendig sind. Spezialeinweihungen, bei denen gewisse, auserwählte Individuen (Heiler, Priester, Zauberer usw.) die sakralen und weltlichen Erfahrungen und Er-

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Phänomene des psychogenen Todes

kenntnisse erhalten, um ihre kollektive, irdisch-menschliche Bedingtheit transzendieren zu können und Vertreter übernatürlicher Wesen oder sogar Ihresgleichen zu werden.

Große Träume dienen auch der transzendentalen Kommunikation (z. B. Divination) und ermöglichen den Kontakt mit Geistern oder mit anderen übernatürlichen Wesen, der für das spirituelle und irdische Überleben zwingend erforderlich sein kann (vgl. die Praktiken der Naskapi-Indianer auf der Halbinsel Labrador beschrieben in Speck 1977). Ein Großer Traum vermittelt eine Begegnung zwischen dem Ich und den Inhalten des Unbewussten. Normalerweise sind die unbewussten Botschaften an das Bewusstsein so überwältigend, dass sie vorübergehend die erwartungsvolle Aufmerksamkeit des Ichs dominieren. Dies kann zweierlei Konsequenzen für das Ich haben: •

Einen positiven Einfluss, sodass die unbewussten Botschaften schließlich zu einer Verminderung der Spannung zwischen unbewusster Tendenz und bewusster Haltung führen. In diesem Fall dienen die unbewussten Reaktionen der Psyche wie das Fieber dem Körper: Sie sind ein wesentlicher Teil des Selbstheilungsprozesses. Hier spricht man von einer sogenannten „spirituellen Krise“ oder vom „Individuationsprozess“ und bezeichnet die unbewussten Ausbrüche mit optimistischer Konnotation als Visionen, Inspirationen oder Gottesstimmen.



Einen negativen Einfluss insofern als die unbewussten Botschaften schließlich zu einer Verstärkung der Spannung zwischen unbewusster Tendenz und bewusster Haltung führen. In diesem Fall wird der Betroffene überfordert und geschwächt: Das „Seelenfieber“ ist zu hoch. Hier spricht man von einer „Geisteskrankheit“ oder von einer Psychose und bezeichnet die unbewussten Ausbrüche als Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder Stimmenhören.

Eine mögliche Art der zweiten Konsequenz dürfte unter der Rubrik „Acute Exhaustive Mania“ (Wendkos 1979, Kapitel 10, S. 165–175; Derby 1933; bzw. „Bell’s Fulminating Mania“ Bell 1849; Kraines 1934) versteckt sein (Yawger 1936, S. 879). Dies ist eine seltene und eigenartige Form einer akuten Hypermanie und kann innerhalb von wenigen Tagen zum Tode führen. Das Syndrom enthält drei charakteristische Merkmale: (1) persistierendes, extrem gewalttätiges, psychotisches Verhalten (selbstverständlich auch hier nicht durch Alkohol oder Drogen verursacht); (2) plötzlicher, unerwarteter tödlicher Ausgang; (3) Fehlen jeglicher bedeutsamer pathologisch-anatomischer Veränderungen bei der Obduktion. Hier ein typischer Fall: „Ein junger Mensch im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt wird plötzlich unruhig und aufgeregt. Seine psychomotorische Aktivität steigert sich und wird

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begleitet von Heiterkeit oder Ängstlichkeit als Reaktion auf den Druck sich ihm von innen her aufdrängender Gedanken. Arbeit und Verpflichtungen werden vernachlässigt. Schlaf wird schwierig und oft unmöglich. Impulsive oder reaktive Aggressivität steigt. Die Person zerstört Geräte oder Möbel oder wird tätlich gegenüber den Nachbarn, offensichtlich grundlos. Schließlich wird sie ins Spital eingewiesen. Erregung und Umtriebigkeit bestehen Tag und Nacht, unterbrochen nur von kurzen Verschnaufpausen. Die Erregung steigert sich bis in eine unaufhörliche manische Rage, in der sich der Patient die Kleider vom Leibe reißt und zerfetzt, das Bett auseinandernimmt, die Matratze zerfledert, um sich schlägt und rhythmisch an die Wand und ans Fenster klopft, wild aus dem Zimmer stürzt, jeden in seiner Reichweite tätlich angreift, und ziellos, allem Anschein nach ohne Plan, vom einen ans andere Ende des Zimmers rennt. Der Puls wird schnell sogar in den Augenblicken der Ruhe. Nahrung und Flüssigkeit werden abgelehnt, und ein Gewichtsverlust wird deutlich. Der Blutdruck fällt, der Puls ist erhöht und fadenartig. Fieber stellt sich ein, zu Beginn eines Anfalls bei 37,8° C. In einem Zimmer isoliert, wirft der Patient sich gegen die Wand oder stößt mit dem Kopf dagegen. Wird er in einem lauwarmen Dauerbad oder im Bett (mit Wickel oder Leintuch) fixiert, bäumt er sich unablässig gegen den Widerstand auf, versucht sich loszureißen und seine offensichtlich ziellose Aktivität wieder aufzunehmen. Das Fieber steigt, der Puls wird fadenartig und schnell, der Blutdruck sackt weiter ab, Schweiß tropft unaufhörlich, die Zunge wird trocken und pelzig. Die Haut ist gerötet und fühlt sich heiß an. Nach unterschiedlich starken, Stunden bis Tage andauernden Erregungsepisoden kann die Temperatur auf 40,6° C rektal, auf 41,7° C oder sogar 43,3° C steigen. Die Haut wird blass oder zyanotisch und schlagartig stoppt jegliche Aktivität, Atmung und Herztätigkeit hören auf und der Patient ist tot. Das Ende kann so plötzlich und unerwartet kommen, dass der auch betreuende Psychiater überrumpelt wird, und das Rätsel wird nach der pathologischen Untersuchung noch vergrößert, weil die Autopsie in der Regel keine Befunde zu Tage fördert, die den Tod erklären könnten. Demnach ist die übliche Diagnose (1) eine nicht näher spezifizierte Psychose und (2) Erschöpfung durch Überanstrengung im Zustand einer akuten Manie.“58 (Wendkos 1979, S. 165–166) (Fall ursprünglich von Shulack 1938)

Differentialdiagnostisch kaum von Bell’s Fulminating Mania abzugrenzen sind Fälle perniziöser Katatonie (Schmid 1988, Kapitel 14, S. 216–244), die Thema des nächsten Abschnitts sind. Am dramatischsten zeigt sich der Zusammenhang zwischen psychiatrischer Störung und Mortalität am Beispiel des zwar raren, aber gut erforschten Phänomens der tödlich verlaufenden Katatonie.

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Die tödliche Katatonie „Ein 35-jähriger Patient mit einer katatonen Schizophrenie kommt im Verlauf seines dritten Klinikaufenthaltes in einen Erregungszustand. Das klinische Bild ist das einer febrilen Episode, wie sie Scheid (1937) beschrieben hat, ohne dass sich dafür eine organische Verursachung eruieren lässt. Psychisch war der Patient noch zwei Tage vor dem Tode räumlich und zeitlich orientiert und äußerte, wie schon zuvor, eine blande Selbstzufriedenheit und eine ‚pleasurable anticipation of death‘, eine freudige Todeserwartung. Der Tod erfolgt ohne Änderung des klinischen Bildes, ‚the patient coughed slightly two or three times and ceased to breathe.‘ Die sorgfältige pathologische post-mortem-Untersuchung ergab keinerlei Hinweise; eine Vergiftung konnte ausgeschlossen werden.“ (Alexander 1952)

Bei der Katatonie ist die Psyche des Betroffenen überfordert, die übliche Belastung durch äußere oder innere Reize in den normalen Bewegungsablauf zu integrieren. Das Krankheitsbild ist daher durch Störungen der Willkürmotorik gekennzeichnet. Diese Störungen können zwischen Extremen wie Erregung und Stupor, zwischen sklavischem Gehorchen – automatische Ausführung von Anweisungen auf Befehl (Befehlsautomatismus) – und trotziger Ablehnung pendeln. So kann der sich kataton verhaltende Mensch z. B. wie in einer Trance (stuporös) an einem Ort wortkarg oder gar sprachlos (Mutismus) verharren, vielleicht sogar unter freiwilliger Beibehaltung bizarrer Haltungen (Haltungsstereotypien). Eine Auswahl solch hypokinetischer katatoner Symptome beinhaltet motorische Hemmung, Stupor, Hypoaktivität, verzögerte, verlangsamte Willkürmotorik (in extremis bis hin zum Bild des akinetischen Stupors mit völlig fehlender Interaktion mit der Umgebung) und Katalepsie. Versucht man den Patienten passiv zu bewegen, behält er evtl. und mit erhöhter Muskelspannung die starre Haltung bei (Rigidität), der Körper verharrt in unüblichen, unbequemen Haltungen (Haltungsverharren) oder die Gliedmassen lassen sich in beliebige Positionen bringen, die von außen aufgezwungen sind und beibehalten werden (wächserne Biegsamkeit/Flexibilitas cerea). Die Betroffenen können auch einen Negativismus zeigen, d. h. sie haben einen scheinbar unmotivierten Widerstand gegenüber allen Aufforderungen oder Versuchen, bewegt zu werden, oder führen stattdessen Bewegungen in die entgegengesetzte Richtung aus. Manche Patienten wiederholen unaufhörlich gewisse Silben, Wörter oder Sätze, die sie selbst kreiert (Palilalie, verbale Perseveration, Verbigeration) oder von Anderen gehört (Echolalie) haben. Sie grimassieren oder führen eckige, disharmonische Willkürbewegungen aus (Parakinesien), die durch von außen nicht erkennbare Reize ausgelöst werden können. Zwangshaltungen und -stellungen sowie Perseverationen können lange Zeit beibehalten werden. 100

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„Die katatonen Syndrome stehen zwischen neurologischen und psychiatrischen Störungen, zwischen schizophrenen und affektiven Psychosen, zwischen guten und schlechten Verläufen, zwischen körperlich begründbaren und endogenpsychotischen Krankheiten sowie zwischen psychotischen und psychogenen Zuständen“ (Sass 1981, S. 373)

und sind für unser Thema des psychogenen Tods von besonderem Interesse. In diesem Kapitel bin ich vor allem an den episodenhaften schweren Erregungszuständen im Rahmen der Katatonie interessiert. Diese Patienten präsentieren vor allem sog. hyperkinetische katatone Symptome. Diese beinhalten Stereotypien (repetitive, sinnlos wirkende, mitunter komplexe Bewegungen oder Handlungen, die unter geringer willkürlicher Kontrolle über längere Zeiträume beibehalten werden); Nachahmungsautomatie (gesteigerte Bereitschaft zur Nachahmung wahrgenommener Bewegungen und Gebärden); Impulsivität (dranghafte Verhaltensweisen, die mit Unruhe einhergehen, aggressiv oder autoaggressiv, gieriges Essen/Schlingen, öffentliches Masturbieren etc.) und Raptus (plötzlicher, aus der Ruhe heraus auftretender Erregungszustand mit aggressiven Durchbrüchen). In der psychiatrischen Fachliteratur aus der Zeit von 1930 bis 1960 findet man eine Flut von Veröffentlichungen, die sich mit verwirrenden Fällen perniziöser Katatonie (vgl. Kindt 1980) befassen. Etwa ab 1960 tauchen überwiegend Artikel über Fälle des Malignen Neuroleptischen Syndroms (MNS) (Kellam 1987; Mann et al. 1986) auf. In sämtlichen Fällen der einen oder der anderen Kategorie fand man bis heute noch keine eindeutige somatische Ursache für den tödlichen Ausgang. Die perniziöse („bösartige“) Katatonie (von Braunmühl 1947) ist die extremste Ausprägung einer Katatonie. Sie wird ihrem Namen gerecht, wenn sie innerhalb weniger Tage in den unwiderruflichen Tod des zuvor völlig gesunden, „normalen“, d. h. nicht geisteskranken Betroffenen mündet. Sie wurde über die Jahre in der medizinischen Literatur unterschiedlich benannt: „Delirium acutum“ (Schüle 1867, 1878; Conrad 1972); „tödliche Katatonie“ (Stauder 1934; Jahn und Greving 1936); „tödliche, febrile, zyanotische Psychose“ (Scheid 1937; Scheid und Baumer 1937); „akute Katatonie mit tödlichem Ausgang“ (Locher 1940); „akute Katatonie“ (Schmitz 1941); „akute, tödliche Katatonie“ (Arnold 1949); „bedrohliche Hyperkinesie“ (Neele 1949); „lebensbedrohliche, katatone Psychose“ (Huber 1954, 1961) und „Motilitätspsychose“ (Leonhard 1972). (Siehe z. B. auch die Diskussion zum Thema in Schmid 1988, Kapitel 14, FN 32, S. 241– 242.) In der Regel wird die perniziöse Katatonie als nosologische Unterform der Schizophrenie verstanden. C.G. Jung z. B. zog es vor, die „rasch tödlich verlaufenden Katatonien“ nicht zur Gruppe der Schizophrenien zu zählen, weil sie seiner Meinung nach „von Anfang an auf organischer Basis zu beruhen scheinen“ (Jung 1979). Dass diese letale, febrile Katatonie auf jeden Fall eine psycho101

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reaktive Komponente hat, werden wir weiter unten anhand einer Arbeit von Arnold sehen. In der Tat bleibt die Nosologie der perniziösen Katatonie bis heute ein wissenschaftlich ungelöstes Problem (vgl. z. B. Kindt 1980, bes. Kapitel 4.4 und die Referenzen 516–520, S. 130–131). Wegen ihrer vielfältigen eindrucksvollen psychopathologischen sowie somatischen Facetten wird die „bedrohliche Katatonie“ von manchen Autoren als ein unspezifischer Symptomkomplex gesehen, dem ein vielfältiges Ursachengeflecht zugrunde liegt (Schmidt und Zacher 1974). Die medizinische Literatur ist immer noch geteilter Meinung darüber, ob man es hier mit einer Krankheit sui generis oder mit einem Syndrom (Kombination gleichzeitig erscheinender Symptome) zu tun hat. Die daraus entstandene Kontroverse scheint tendenziell der Krankheit sui generis den Vorrang zu geben (siehe Kindt 1980, S. 100–103, bes. FN 520, S. 131). Eine eingehende Diskussion dieses Problems würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vielmehr möchte ich die perniziöse Katatonie in diesem Buch einfach als einen Spezialfall des allgemeinen psychogenen Todesphänomens betrachten. Als Fallbeispiel für perniziöse Katatonie bringe ich eine Beobachtung aus einer Studie im Jahr 1934: „P.G., 23 Jahre, Landwirt. P.G. war immer gesund, kräftig. Tüchtiger, fleißiger Arbeiter. Gern allein, sonst aber unauffällig. Am Tage vor der Einlieferung in die Klinik plötzlicher Erregungszustand. Er war auch an diesem Morgen noch vollkommen unauffällig für die Umgebung; er hatte alle Arbeiten in gewohnter Weise erledigt. Er hatte eben einen warmherzigen und vollkommen geordneten Glückwunschbrief geschrieben. Er legte die Feder weg, sprach das Tischgebet, nahm Messer und Gabel zur Hand. Sprang plötzlich auf und ging mit dem Messer auf seine Angehörigen los. – Er redete ‚unverständlich‘. Er beruhigte sich nur für kurze Zeit. äußerte dann, ‚er müsse sterben‘ (...) In der Nacht schwerer Erregungszustand, wilde Schreie. Bei der Aufnahme in die Klinik sinnlos erregt, schlägt um sich, greift Kranke und Pfleger an, kann von vier Pflegern kaum gehalten werden. Schon bei der Aufnahme kleine und große flächenhafte Blutergüsse am ganzen Körper. Füße, Hände und Unterarme sind tiefblau (Acrocyanose). Exploration unmöglich. Nur das eine ist zu erfahren, daß er Angst hat, umgebracht zu werden. Ein medikamentöser Schlaf ist auch mit Scopolamin nur für kurze Zeit herbeizuführen. Dann bricht der Erregungszustand wieder mit elementarer Wucht los. Die extreme, jetzt stumme Erregung hält auch den nächsten Tag an. Vorübergehende Areflexie und Harnretention. Am 3. Tage trotz Fieberanstieges bis auf 39° noch immer maßlos erregt und gewalttätig. Verweigert Nahrung, ist wegen Widerstrebens kaum zu untersuchen. Beginnende Bronchopneumonie! Mittags profuse, stinkende, dünnflüssige Durchfälle, bakteriologisch o. B.

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Bewußtseinsgetrübt, verfallen. Peripherer Kreislaufkollaps. Schneller Verfall trotz Temperaturabfall. Stirbt am 4. Tag nach der Einlieferung (5. Tag der Psychose). Hirnsektion o. B. Keine Hirnschwellung. Geringe Bronchopneumonie.“ (Stauder 1934, S. 616)

Die meisten allgemeinen Merkmale des perniziösen katatonen Syndroms sind in diesem Beispiel evident und bei fast jedem Betroffenen wieder anzutreffen. Als maßgebliche Grundstimmung herrscht Angst mit Todesahnungen und Todesgewissheit. Die Patienten sterben mit den Zeichen einer Herz-Kreislauf-Insuffizienz. Falls der Kranke die lebensbedrohliche Phase überlebt, ist eine völlige Wiederherstellung des psychischen und physischen Zustandes möglich. Das klassische Symptombild der tödlichen Katatonie umfasst mehrere häufig auftretende Merkmale: Anamnestische Merkmale: Akuter, endogener Beginn unabhängig von Alter, prämorbider Persönlichkeit, fehlender affektiver Resonanz, Physiognomie, Verhalten, Beruf, Lebensstil, ethnischer Herkunft, Rasse oder anderen genetischen, biologischen oder umweltbedingten Faktoren. Manchmal (nach Arnold in 40 % aller Fälle) gibt es eine kurzfristige Warnung (mehrere Tage bis höchstens 6 Wochen vorher, im Schnitt 10 Tage) im Sinne eines völlig uncharakteristischen Vorstadiums vor Beginn der akuten Psychose (1. Phase der Erkrankung: Siehe unten). Der künftig Betroffene hat sich in der Regel gut im Griff, kann noch arbeiten usw., kann aber über ein Gefühl allgemeiner Schwäche klagen, unter Kopfweh, Schlaf- und Appetitlosigkeit leiden. Andere bemerken vielleicht, dass der zukünftige Patient vor Ausbruch der Krankheit einen Bärenhunger hatte, dass er emotional labil und agitiert war. Eine der Krankheit vorangehende Tendenz, übermäßig zu schwitzen oder gewisse Anzeichen einer Zyanose sind in einigen Fällen berichtet worden. Hier muss betont werden, dass die Literatur zur perniziösen Katatonie in der Regel von keinem eindeutigen und überzeugenden, exogenen, psychologischen Auslöser berichtet. Auch kein physisches oder psychisches Trauma, kein Heimweh, keine auf den Tod bezogenen magischen oder anderen Glaubenssätze sind hier offensichtlich im Spiel. Wenn die tödliche Katatonie überhaupt psychogen ist, dann wahrscheinlich eher im Sinne unbewusster, suggestiver Faktoren. In der Tat konnte der Einfluss solch unbewusster Faktoren auf den Ausbruch der tödliche Katatonie nachgewiesen werden, wie ich im letzten Teil dieses Abschnitts noch diskutieren werde. Verhaltensmerkmale: Spontanes, gewaltsames, desorganisiertes Verhalten, das gegen sich selbst sowie auf die unmittelbare Umgebung ausgerichtet ist. Der Betroffene leidet zudem unter massiver Schlaflosigkeit, lehnt fast immer jegliche Nahrungsaufnahme (fest und flüssig) ab und zeigt – besonders auffallend – eine extreme psychomotorische Auslenkung (zumeist hypokinetisch).

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Der Betroffene leistet heftigen, motorischen Widerstand gegen jeglichen Versuch, ihn zu bändigen; bäumt sich auf wie ein Tobsüchtiger, der aus einem imaginären Käfig ausbrechen will oder, um einen Ausdruck von Schüle zu nehmen, „wie ein zu Tode gehetztes Tier“ (Schüle 1867, S. 316). Es ist, als ob sich der ausweg- und hilflos Betroffene hoffnungslos in einer inneren Käfigsituation befindet. Auch Individuen, die vom Medizinmann, Priester oder Zauberer einer naturverbundenen Gesellschaft zum Sterben befohlen werden, lehnen fast immer jegliche Nahrung (fest und flüssig) ab. Eine Unterform psychogener Todesfälle bei den Naturvölkern zeigt ebenfalls eine akute motorische Agitiertheit. (Der anderen Unterform entspricht ein langsam und friedvoll vollzogener psychogener Tod.) Somatische Merkmale: Diese treten spontan auf und verstärken sich im Verlauf. Die prominenteste symptomatische Änderung ist ein rascher Fieberanstieg bis auf eine obere Grenze von ca. 43,3 Grad. Dabei tritt profuses Schwitzen auf. Die Störung des Wasserhaushalts kann mild sein oder bis hin zur Dehydratation reichen (sehr wenig Urin, Schwellungen insbesondere an den Füßen, öliges Gesicht, aufgedunsene, schwabblige Haut, die sich wie Teig anfühlt, vgl. Jahn und Greving 1936). Auch kommt eine deutliche Kreislaufdepression und Ateminsuffizienz mit Anspannung vor: die Atemfrequenz wird höher während das Atemzugvolumen (Tidalvolumen) gleichzeitig abnimmt. Gleichzeitig herrscht eine Tachykardie in Form eines flachen, hochfrequenten und mit der Zeit langsam schwächer werdenden Pulses, dessen Aufzeichnungskurve oftmals die Temperaturkurve kreuzt (Scheid 1937): Die Tachykardie steigt im Verhältnis zur Temperaturbewegung in viel steilerer Kurve an, sodass zumeist ein charakteristisches Überkreuzen von Puls- und Temperaturkurve zustande kommt („Todeskreuz“) (Scheid 1937, S. 36; Hüssy 1945). Der Blutdruck ist entweder labil oder hoch. Sympathikotone vegetative Dysregulation, Elektrolytstörungen/-verschiebungen und CPK-Erhöhung59 gehören ebenso zum klinischen Bild. Die Störung wird auch von einer extremen Akrozyanose ohne Dyspnoe begleitet von zwei differentialdiagnostischen Änderungen in der Blutchemie: hohe N-Werte und niedrige Ca-Werte (Arnold 1949). Großflächige Hämatome der Haut treten auf, und der Betroffene zeigt eine Bereitschaft zu bluten (positiver Rumpel-LeedeTest). Bei Frauen wird diese Blutungsbereitschaft von Menstruationsstörungen begleitet. Insbesondere Jahn und Greving haben ihre Aufmerksamkeit auf kryptogene Veränderungen gerichtet, die bis zu Änderungen der chemischen Zusammensetzung des Blutes oder zu pathologisch-anatomischen Änderungen im Knochenmark führen können (Jahn und Greving 1936). Über Schlaflosigkeit bei psychogen zu Tode Geweihten wird nicht berichtet. Psychopathologische Merkmale: Angst (siehe unten), getrübtes Bewusstsein, zunehmende Zerfahrenheit im Denken, akustische Halluzinationen in nur ¼ aller Fälle verglichen mit ¾ der Fälle bei den Schizophrenien, selten auch visuelle Halluzinationen, häufig bizarre Wahnphänomene, aber auch andere, eher übliche Wahnideen wie elektrifiziert oder hypnotisiert zu werden, Schuld, Sünde, Verfolgung, Vergiftung u. a. m. kommen vor (vgl. Arnold 1949, S. 389–390).

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Die Angst wird unmittelbar aus dem Verhalten ersichtlich oder verbal ausgedrückt: Erschaudern vor einer vermeintlich bevorstehenden und unter Umständen todbringenden Katastrophe (oder einem sonstigen katastrophalen, tödlichen Geschehen). Hierbei können die unterschiedlichsten Wahnideen – siehe auch oben – eine Rolle spielen: Die Angst scheint somit unveränderbar und schicksalhaft mit imaginären, unausweichlichen, ja tödlichen Drohungen unauflöslich verknüpft zu sein. Während Suizidgedanken eher selten vorkommen, werden Todesahnungen oft und explizit ausgedrückt: „Es scheint mir eher, als würden sich die Kranken einem erahnten Schicksal willenlos fügen, ja sich förmlich in den Tod flüchten und ich muss dabei an die bekannten Berichte von Todesdämmerung bei Primitiven denken, wobei der Tod anscheinend nur auf suggestiver Grundlage eintritt.“ (Arnold 1949, S. 387)

Die Krankheit verläuft in vier charakteristischen Stadien (Mann et al. 1986): (1) Präpsychotisches Prodrom von höchstens 6 Wochen mit durchschnittlicher Dauer von ca. 10 Tagen bzw. 2 Wochen. Typische Symptome sind hier Schwäche, Kopfweh, Angst, schwankende Emotionen, Insomnie und Appetitlosigkeit (aber manchmal auch Heißhunger). Eine Tendenz zum Schwitzen und gewisse Zeichen der Zyanose kommen in dieser Phase auch vor. Der Betroffene ist während dieser Zeit in der Regel fähig, seiner Arbeit und weiteren sozialen Verpflichtungen nachzugehen. (2) Hyperaktive psychotische Erregungsphase von Stunden bis mehrere Wochen mit durchschnittlicher Dauer von 4 bis 8 Tagen (Arnold 1949). Typisch ist hier ein extrem intensiver und zerstörerischer Erregungszustand, der Tag und Nacht anhält. Beginn der klassischen, vegetativen Symptome. Ferner motorische Symptome, vor allem Mutismus, Haltungs- und Bewegungsstereotypien, Katalepsie und eine verschiedene Grade durchschreitende Rigidität mit progredienter Ausprägung in den nächsten zwei Krankheitsphasen. (3) Erschöpfungsphase der mutistischen, stumpfen Erregung. Während dieser Phase (ca. 2 bis 3 [Arnold 1949], höchstens 8 [Schmitz 1941] Tage Dauer) tritt die Hyperaktivität über mehrere Stunden bis Tage langsam in den Hintergrund und wird durch einen stumpfen oder brutalen und selbstzerstörerischen Erregungszustand mit extremer Hyperthermie ersetzt. Die somatischen Symptome dieser febrilen zyanotischen Episode werden durch die Trias Fieber, Zyanose ohne Dyspnoe und Tachykardie in Form des flachen, hochfrequenten Pulses beherrscht, dessen Aufzeichnungskurve die Temperaturkurve oft kreuzt bzw. überholt (siehe oben). Die schizophrenen Symptome treten in den Hintergrund, die Bewusstseinstrübung in den Vordergrund; die Schlaf- und Appetitlosigkeit besteht fort. Der Anfang dieser Phase kennzeichnet den Wendepunkt der Krankheit. Falls nicht vor oder zu Beginn dieses Stadiums massive Interventionen, wie z. B. eine intensive Elektroschockbehandlung (EKT) (von Braunmühl 1947) erfolgen, mündet diese Phase unwiderruflich in die nächste, die Terminalphase, und der Patient gilt als verloren. Laut Arnold ist der Patient zum Tode verurteilt, falls diese Maßnahmen nicht spätestens am zweiten oder dritten Tag nach Ausbruch der hyperaktiven Erregungsphase eingeleitet werden (Arnold 1949, S. 392). Auch bei den

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Naturvölkern muss ein überzeugendes Ritual oder ein heilbringender Zauberer vor oder zu Beginn dieser dritten Phase eingreifen, um einem psychogenen Tod Einhalt zu gebieten. (4)  Stuporische Terminalphase der fortschreitenden körperlichen und geistigen Starrheit bei bestehender Schlaf- und Appetitlosigkeit mit Koma und kardiovaskulärem Kollaps, in dem die Temperatur auf normale Werte absinkt, während der Puls schnell bleibt. Während dieser Phase (1,5 bis höchstens 5 Tage Dauer [Arnold 1949; Schmitz 1941]) wird die Skelettmuskulatur unterschiedlich beschrieben, von schlapp bis rigide. Jegliche Lebenskraft versiegt; die Remissionen der Erregtheit dehnen sich aus auf mehrere Stunden, die nur sporadisch von exzitatorischen Episoden unterbrochen werden. Die schizophrenen Symptome treten noch weiter in den Hintergrund, die vegetativen Symptome der dritten Phase, vor allem die Symptomtrias und die Bewusstseinstrübung, stärker in den Vordergrund bis hin zum Exitus letalis.

Arnold berichtet anhand einer Studie (Arnold 1949) von 142 Patienten (Durchschnittsalter 35 Jahre; keine Information über die Geschlechterverteilung), dass die letzten zwei Phasen zusammengenommen im Schnitt 8 Tage dauern und der Gesamtverlauf 16,3 Tage. Je älter der Betroffene beim Ausbruch ist, desto länger dauert der Gesamtverlauf. In einer Studie (Schmitz 1941) mit 20 Patienten wurde eine durchschnittliche Dauer von 15,3 Tage für die 10 jüngsten Patienten (Durchschnittsalter 26,2 Jahre) und eine solche von 21,7 Tage für die 10 ältesten Patienten (Durchschnittsalter 40,1 Jahre) gefunden. Für die 12 Verläufe mit einer kurzen Durchschnittsdauer von 11,7 Tagen (3 bis 15 Tagen insgesamt) fand er ein Durchschnittsalter von 30,6 Jahren und für die 8 Verläufe mit einer langen Durchschnittsdauer von 28,8 Tagen (17 bis 62 Tagen insgesamt) eines von 37,0 Jahren. Nach derselben Studie dauert der Verlauf für Frauen fast doppelt so lange wie der für Männer desselben Alters: durchschnittlich 24,3 Tage für 10 Frauen (Durchschnittsalter 33,3 Jahre) verglichen mit 12,7 Tage für 10 Männer (Durchschnittsalter 33,0 Jahre). Die Therapie besteht, nach sicherem Ausschluss eines Malignen Neuroleptischen Syndroms (NMS/Neuroleptic Malignent Syndrome) – siehe unten –, in der sofortigen Behandlung mit hoch- und niederpotenten Antipsychotika, Sedierung/Anxiolyse mit Benzodiazepinen, und in der intensiven symptomgeleiteten Betreuung (5-Punkt-Fixierung bei persistierender Eigen- oder Fremdgefährdung). Unter Umständen wird bei fortgeschrittener Symptomatik eine Elektrokonvulsionstherapie (EKT) nicht zu umgehen sein. Gewisse Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen den Merkmalen der perniziösen Katatonie und jenen der psychogenen Todesfälle (und den jeweiligen Verläufen) sind augenfällig. Auch die klassischen psychogenen Todesfälle zeigen mehrstündige bis mehrtägige Verläufe (Stumpfe 1973, S. 14–15). Ich habe allerdings keine Hinweise über Geschlechtsunterschiede im Verlauf bei 106

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Voodoo- und Tabu-Tod gefunden, wie sie bei Katatonie (und Heimweh-Tod) belegt sind. Insbesondere entziehen sich beide Prozesse, perniziöse Katatonie und klassischer psychogener Tod, jedem gegenläufigen Einfluss oder Appell von außen, wenn der Verlauf einmal einen kritischen Punkt überschritten hat (Stumpfe 1973, S. 72; Schilling 1948). Trotz der Unterschiede in Nosologie, Phänomenologie und Ätiologie in den oben erwähnten Studien blieben frühere klinische Beschreibungen der tödlichen Katatonie bis zur Neuroleptika-Ära ab ca. 1960 ziemlich konsistent. Seither dominieren psychopharmakologische Maßnahmen die institutionalisierte Behandlung psychiatrischer Patienten. Vor der Entwicklung der Neuroleptika (NL) entsprach die perniziöse Katatonie schätzungsweise 0,25–5,5 % aller Einweisungen in psychiatrische Kliniken mit einer Mortalität von 75–100 % (Mann et al. 1986). Das klassische Bild der perniziösen Katatonie ist seit 1960 fast gänzlich verschwunden. (Kasper 1982) Dieser auffällige Rückgang ist sicher zum Teil durch die hinreichende Therapie der Schizophrenien mit NL begründet: Vor 1960 lag der Prozentsatz sämtlicher Katatonien unter dem der Schizophrenien bei ca. 30 %, seither bei ungefähr 10 %. Da die perniziösen Katatonien nur einen Bruchteil der Schizophrenien allgemein ausmachen, bedeutet diese Reduktion auf 1/3, dass man heutzutage kaum mehr einem an einer perniziösen Katatonie leidenden Menschen in der Psychiatrie begegnet. Einige Autoren schließen daraus, dass die akute, lebensbedrohliche Katatonie kaum mehr existiert (Häfner und Kasper 1982, Zusammenfassung; Hermle und Oepen 1986, S. 192). So zeigen Breitband-, Langzeit-, epidemiologische und klinische Untersuchungen (Gabris und Müller 1983; Häfner und Kasper 1982) und umfassende Darstellungen in der weltweiten Fachliteratur zum Phänomen (Kellam 1987), dass die Prävalenz der perniziösen Katatonie in Nordamerika seit 1960 zurückgegangen ist. Es scheint, als ob die tödlich verlaufende Katatonie – eher ein Syndrom als eine Krankheit, das sich im Zusammenhang mit funktionellen und organischen Krankheiten entwickeln kann – einfach nicht mehr als eigenständiges Krankheitsbild betrachtet wird, obwohl die Diagnose in der Literatur außerhalb der USA immer wieder gestellt wird (Mann et al. 1986, S. 1374). Eine mögliche Erklärung für die morphologische Änderung im klinischen Bild des Syndroms liegt wohl in Änderungen im institutionalisierten Behandlungskomplex seit 1960: Lebensbedrohliche Zustände, sogar solche, die endogene Psychosen begleiten, werden heutzutage weniger in der Psychiatrie, sondern eher in Kliniken für Innere Medizin oder Neurologie behandelt, die besser für intensivmedizinische Behandlungen ausgestattet sind. So könnte die Behandlung einer perniziösen Katatonie, wie auch die Behandlung eines schweren Alkoholdelirs, in einer neurologischen Klinik mit einer Alternativdiagnose wie z. B. „Nicht spezifische organische Enzephalopathie mit Fieber“ (Mann et 107

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al. 1986, S. 1377; Häfner und Kasper 1982, S. 386) erfolgen, ohne dass ein Psychiater den Patienten je zu Gesicht bekommen hätte. Einzuwenden ist, dass Patienten in Erregungszuständen und noch dazu mit Neigung zu gewalttätigem Verhalten in der Regel auf internistischen oder neurologischen Stationen wohl notfallmäßig versorgt werden, was eine sedierende Medikation beinhaltet, und anschließend an psychiatrische Kliniken weitergewiesen werden. Die Häufigkeit der perniziösen Katatonie in der Bevölkerung wurde 1982 in Deutschland auf circa 5 Fälle pro Million Einwohner pro Jahr geschätzt (Häfner und Kasper 1982, S. 386) mit einer Mortalitätsrate von gut 60 % trotz massiver medizinischer Eingriffe wie z. B. Elektroschock (EKT) (Mann et al. 1986). Die Anzahl von Patienten mit perniziöser Katatonie entsprach weniger als 1 % aller Fälle, die zwischen 1975 und 1981 im Gebiet Mannheim (ca. 300.000 Einwohner, BRD) mit einer Schizophrenie diagnostiziert wurden (ICD-Nr. 295) und ca. 1/4 derjenigen Fälle, die zusätzlich mit einer Katatonie (ICD-Nr. 295.2) diagnostiziert wurden (Häfner und Kasper 1982, S. 387). Zum Vergleich berichtet eine andere Studie auch von relativ kleinen aber nicht zu vernachlässigenden Häufigkeiten: 4,1 Fälle von perniziöser Katatonie pro 10.000 Fälle von Schizophrenie pro Jahr und 2,6 Fälle pro 1.000 Fälle von Katatonie in einer Schweizer Studie, die zwischen 1961 und 1981 1690 Patienten erfasste (Gabris und Müller 1983). Schließlich fand eine Analyse Weltliteratur zum Phänomen perniziöser Katatonie (Mann et al. 1986) eine Frequenz von 0,13 % bis 0,50 % der psychiatrischen Einweisungen ab 1960. Wenn auch die Anzahl der diagnostizierten Fälle in der Ära der Neuroleptika seit 1960 abgenommen hat, ist die Mortalitätsrate bei den belegten Fällen etwa gleich hoch. Diese Studien scheinen die Hypothese zu stützen, dass in Folge von Änderungen im institutionalisierten Behandlungskomplex seit 1960 weniger Fälle von perniziöser Katatonie im Bereich der psychiatrischen Versorgung erfasst werden. Die obige Zusammenfassung zeigt, dass das klassische Bild des Syndroms auf ca. 88 % der mutmaßlichen Fälle von perniziöser Katatonie passt. Die übrigen 22 % der Diagnosen können genauso gut unter die Diagnose „Malignes Neuroleptisches Syndrom“ (MNS) eingereiht werden. Dieser unerwartete neurolepsiebedingte Tod wird auch Phenothiazin-Tod genannt, da die ihn hypothetisch begünstigenden Wirkstoffe in erster Linie dieser Medikamentengruppe angehören. Die tödliche Katatonie in Verbindung mit Neuroleptika „Ein 18-jähriger Patient wurde wegen einer schizophrenen Ersterkrankung stationär aufgenommen. Er hatte keine körperliche Vorerkrankung und war nie einer Operation oder Narkose unterzogen worden. Wegen der Schwere seiner

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akuten Psychose wurde rasch eine hochdosierte Haloperidol-Therapie (mit max. 48 mg/die) eingeleitet. Ab dem 8. Tag des stationären Aufenthaltes entwickelte sich ein ausgeprägter Rigor, verbunden mit Akinese, grobschlägigem Tremor, Speichelfluss und profusem Schwitzen. Ab Tag 9 zeigten sich ein Temperaturanstieg auf maximal 38,2° C, Puls- und Blutdruckschwankungen (Höchstwerte 140/min, 220/130 mm Hg). Der Patient war zu diesem Zeitpunkt stuporös. Die CK betrug 210 U/l, vorausgegangen war allerdings eine i.m.-Injektion. Da Klinik und EEG, und Liquor keinen Anhalt für andere Krankheitsursachen lieferten, wurde wegen des Verdachts auf ein MNS Haloperidol abgesetzt. Die orale Gabe von Dantrolen ergab keine wesentliche Besserung. 4 Tage Therapie mit Bromocriptin (max. 7,5 mg/die) führten zu einer kompletten Remission der geschilderten Symptomatik. Die neuroleptische Therapie wurde mit Clozapin erfolgreich fortgesetzt, erneute Anzeichen eines MNS wurden nicht mehr beobachtet.“ (Förstl und Hewer 1989, S. 117–118)

Eine andere mögliche Erklärung für die morphologische Änderung im klinischen Bild des tödlichen Katatoniesyndroms mag in der frühzeitigen neuroleptischen Behandlung aller endogenen Psychosen liegen. Einerseits behaupten mehrere Autoren, dass seit der Einführung von Neuroleptika in der Behandlung von schweren Psychosen um 1960 die akute, tödliche Katatonie mehr oder weniger verschwunden sei, im Sinne einer „pharmakologischen Formtransformation“ (Hermle und Oepen 1986, S. 193 und Literatur). Andererseits gibt es seit der Einführung von Neuroleptika noch ein der perniziösen Katatonie ähnliches klinisches Bild, das pro Jahr 0,2 bis 1,0 Menschen pro Million Einwohner trifft und unter dem Namen „Malignes Neuroleptisches Syndrom“ (MNS) (Neuroleptic Malignant Syndrome/NMS) bekannt ist (Delay et al. 1960; Delay und Deniker 1968; Aya 1983a, 1983b; Levinson 1985; Abbott und Loizou 1986; Guzé und Baxter 1986; Levinson und Simpson 1986; Kellam 1987, S. 754; Dolan et al. 1995). In der oben erwähnten Sichtung der weltweiten Fachliteratur zu diesem Thema wurden 22,3 % der perniziösen Katatonien identifiziert, die allein wegen ihrer klinischen Phänomenologie auch als MNS hätten diagnostiziert werden können (Mann et al. 1986, S. 1377). MNS tritt als Nebenwirkung von Neuroleptika (NL) auf, die die Aktivität dopaminerger Rezeptoren verringern. Ein kausaler Faktor wird bei den NL in einer Blockade subkortikaler striataler Dopamin-D2-Rezeptoren verstanden. In Abhängigkeit von der jeweiligen Studie ergibt sich eine Häufigkeit zwischen 0,02 bis 3,23 % der mit Neuroleptika behandelten Patienten, vorzugsweise innerhalb der ersten Wochen nach Beginn der neuroleptischen Behandlung bzw. nach deutlicher Dosissteigerung (siehe z. B. Pelonero et al. 1998). Mehrere Fallstudien weisen darauf hin, dass plötzliche Änderungen in der dopaminergen Aktivität an sich ein MNS induzieren können (Kellam 1987, S. 753).

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Die Symptomatik deckt sich mit der einer perniziösen Katatonie. Das Syndrom ist nur durch Medikations-Anamnese unterscheidbar und führt somit zu einem sog. katatonen Dilemma (siehe unten). Typischer bei der NMS sind Rigor und Dys- oder Hypokinesien bei Bewusstseinstrübung. Hinweise auf eine perniziöse Katatonie liegen eher in der Flexibilitas cerea und in einem Bewegungssturm bei Stupor. Klinische Merkmale wie katatone Symptome, extreme psychomotorische Unruhe, zerebrale Vorschädigung und auch eine mechanische Bewegungseinschränkung (Fixierung) können das Risiko, an einem MNS zu erkranken, erhöhen (Hewer 1999). Weitere Risikofaktoren sind ein MNS in der jüngeren Anamnese, rasche Dosissteigerung und Flüssigkeitsdefizit (Hewer und Rössler 1998). Das MNS hat je nach Studie eine anscheinend rückläufige Mortalitätsrate, die sich zwischen 4 bis circa 20 % bewegt (Röther et al. 1995; Kellam 1987, S. 755; Mann et al. 1986, S. 1377). Das Risiko für ein MNS kann möglicherweise durch die Anwendung präventiver Maßnahmen, d. h. die Umkehr der Risikofaktoren, reduziert werden. Charakteristische Symptome für das MNS sind Fieber, Bewusstseinsstörung, extrapyramidal-motorische Störungen und vegetative Entgleisung (Förstl und Hewer 1989; siehe auch Hewer und Rössler 1998, S. 509–513; Association 1994). Aufgrund der Gemeinsamkeiten der Symptomatologie der tödlichen Katatonie und dem MNS wird neuerdings auch erwogen, dass „es sich bei beiden Erkrankungen nicht um getrennte Krankheitsentitäten, sondern um Endstrecken eines Verlaufes mit gemeinsamem Pathomechanismus handeln könnte“ (Topka und Buchkremer 1996, S. 413). Das komplexe „Zusammenwirken von individueller Disposition, morbogenen und phamakogenen Faktoren“ macht das MNS zum „katatonen Dilemma“ (Lausberg und Hellweg 1998, S. 818). Kurz vor dem unerwarteten Tod durch Neuroleptika geben die Ereignisse der letzten Minuten nur wenig Hinweise auf die Pathogenese: Der Betroffene wird zyanotisch; gelegentlich werden Krämpfe oder terminale Arrhythmien beobachtet. Auf jeden Fall überwiegt unter den Fällen, die mit plötzlichem Tod enden, der gespannte, unruhige, agitierte und aggressive Formenkreis, der auch bei der perniziösen Katatonie sowie bei gewissen Voodoo- und Tabu-Todesfällen bekannt ist. Selbstverständlich sind die meisten psychotisch erkrankten Menschen – wie auch die Opfer von Voodoo und Tabu – intensiven Angstzuständen und Gespanntheit sowie vermeintlich unlösbaren, lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt, wobei die üblichen emotionalen Belastungen eine andere Qualität gewinnen und vor einem grundlegend veränderten psychophysiologischen Hintergrund zur Geltung kommen, in dem Außenwelt und Innenwelt ein unentwirrbares Geflecht bilden. Interessanterweise beinhaltet schon jede alltägliche Stress-Situation dieselben vier Hauptkomponenten, die auch in der einem 110

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psychogenen Tod vorausgehenden Situation anzutreffen sind: 1. Sie ist mit einer intensiven emotionalen Belastung verbunden; 2. Sie ist unausweichlich (Ausweglosigkeit); 3. Der Betroffene ist ihr hilflos ausgesetzt (Hilflosigkeit); 4. Sie lässt den Betroffenen hoffnungslos (Hoffnungslosigkeit). Der größte klinische Unterschied zwischen Malignem Neuroleptischen Syndrom und perniziöser Katatonie ist die fehlende Dominanz der typischen Katatonie-Symptome bei einem MNS, nämlich der affektiven und Verhaltensanomalien, des typischen Haltungsverharrens (das nicht notwendigerweise mit einer Erhöhung des Muskeltonus einhergeht), der Hyperkinesen und der Extremzustände mutistischer, stumpfer Erregung; auch zeigt der Rigor beim MNS das Zahnradphänomen, das typisch ist für die Parkinson-Krankheit, wohingegen der Rigor bei der Katatonie eher weicher (Flexibilitas cerea) ist. Im Gegensatz zu MNS- und Parkinson-Patienten nehmen katatone Patienten ihre Bewegungsstörungen nicht bewusst war. (Siehe z. B. Castillo et al. 1989; Northoff 1999 für weitere klinischen Einzelheiten.) Andererseits wird die Symptom-Triade: Fieber-Stupor-Rigor – im Zusammenhang mit neuro-vegetativen Dysfunktionen wie Tachykardie, plötzlichem Blutdruckabfall, akut auftretenden Fieberschüben begleitet von Schwitzen, Speichelfluss, Dehydratation und Inkontinenz – von beiden, MNS und perniziöser Katatonie, geteilt (Hermle und Oepen 1986, S. 192–193; Kellam 1987, S. 752). Die Differentialdiagnose wird noch komplizierter, da dieselbe Symptom-Triade auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen vorkommt wie z. B. der Parkinsonschen Krankheit (neurologische Erkrankung mit extrapyramidalen Störungen), Hitzschlag, Meningoenzephalitis etc. (Hermle und Oepen 1986, S. 193; Förstl und Hewer 1989, Tabelle 1, S. 119). Die Differenzierung zwischen einer zugrunde liegenden katatonen Störung, pharmakologischen Nebenwirkungen und Erkrankungen des neurologischen Systems gestaltet sich somit vielmals sehr schwierig, sodass jeweils die Anamnese – insbesondere die Medikamentenanamnese – und das klinische Gesamtbild herangezogen werden müssen, um die Behandlung besser planen zu können. Das Problem bei der Differentialdiagnose katatoner Störungen liegt offenbar in der Tatsache, dass ein relativ unspezifischer Symptom-Komplex an der Schnittstelle zwischen endogenen, organischen und extrapyramidalen psychotischen Störungen entspringen kann (Hermle und Oepen 1986, S. 193; Häfner und Kasper 1982, S.  390–392): Katatone Symptome sind nicht spezifisch und werden bei den verschiedensten Formen von psychischen Störungen, insbesondere von schizophrenen, affektiven und organischen Psychosen gefunden (Hermle und Oepen 1986, S. 189); es scheint sogar, als ob das kataton-schizophrene Syndrom, die Syndrome der anderen Schizophrenien und das MNS die gleiche Symptomatik präsentieren (White 1992), wobei nichts über die Ursache dieser Störungen ausgesagt wird. Und so wurden schon Ausbrüche von perniziöser Katatonie versehentlich als MNS diagnostiziert. 111

Phänomene des psychogenen Todes

Es liegt im Rahmen der obigen Überlegungen nahe, dass sämtliche erwähnten Syndrome wahrscheinlich von einer plötzlichen Störung in den dopaminergen Systemen des Gehirns verursacht werden (Kellam 1987). Mit anderen Worten: Änderungen der dopaminergen Funktionen finden wahrscheinlich beim MNS und der akuten tödlichen Katatonie statt und sind von fundamentaler Wichtigkeit in der Pathogenese beider Störungen (vgl. Hasan und Buckley 1998). Hier möchte ich den Leser auf die Diskussion eines möglichen Zusammenhangs zwischen dem Zustand des desynchronisierten Schlafes (D-sleep), dem mentalen Zustand der Schizophrenie und der „unneutralisierten psychischen Energie“ (McCarley und Hobson 1979) aufmerksam machen. Klinisch gesehen tritt der Tod ein als Folge eines Adam-Stokes-Anfalls bzw. einer paroxysmalen ventrikulären Tachykardie ein (Goodfriend und Wolpert 1987; Pruit 1964, 1974). (Das ergotrope Nervensystem übt dabei eine direkte Wirkung auf die Repolarisation aus [Abildskov 1975].) Die Behandlung des Malignen Neuroleptischen Syndroms bedarf (1) des sofortigen Absetzens aller Neuroleptika; (2) zahlreicher allgemeinmedizinischer und pflegerischer Maßnahmen; (3) dopaminerger Substitution; (4) Muskelrelaxantien; (5) Benzodiazepinen; (6) Elektroschock (Fröhlich und Fritze 1992, Tabelle 1.5.5, S. 47; siehe auch Weller und Kornhuber 1992). Die obigen Exkurse könnten den Eindruck erwecken, dass wir es hier vor allem mit einer biologischen und weniger mit einer psychogenen Störung zu tun haben. Inwiefern das Unbewusste eine Schlüsselrolle für den Ausbruch einer tödlich verlaufenden Katatonie spielen kann, ist Thema des nächsten Abschnitts. Die tödliche Katatonie in Verbindung mit dem Unbewussten Die akute tödliche Psychose bricht nicht selten in Situationen hoher emotionaler Spannung aus (Farnham und Kennedy 1997). So liegt die Vermutung nahe, dass sie eine psychogene Komponente haben könnte, die einer „Notwendigkeit zur Selbstvernichtung“ als Problemlösungsstrategie entspringt: Hierbei wären der extreme Erregungszustand und die ziellose Aggressivität symbolische Mittel zur Erfüllung eines unbewussten Fluchtwunsches durch Selbstvernichtung (Adland 1947). Dass die perniziöse Katatonie einen deutlichen psychogenen Faktor im Sinne eines latenten psychosomatischen Komplexes birgt, der empfindlich auf Massensuggestion reagiert, hat Arnold in einer Arbeit 1949 gezeigt (Arnold 1949). Seine Daten basieren auf den monatlichen Aufnahme-Frequenzen und den Gesamtzahlen der allgemeinen Schizophrenien sowie den tödlichen Katatonien aus der damaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof “ in Wien aus den Jahren 1935 bis 1947. Die Analyse zeigt im März 1938, Zeitpunkt des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland, einen epidemischen Ausbruch der 112

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tödlichen Katatonie; dieser Vorgang kann als Reaktion auf eine kollektive Todesdrohung verstanden werden, ähnlich der Reaktion eines Individuums auf die todbringende Verwünschung eines Zauberers. Auf diese These werde ich im folgenden detaillierter eingehen. Zunächst möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass bis dato die Schizophrenie keiner eindeutig erkennbaren psychogenen oder organischen Quelle entspringt: Da die Wissenschaft keine unumstrittene Ursache für die Schizophrenien gefunden hat, d. h. keine biochemische (z. B. Vergiftung), biologische (z. B. Virus), genetische, psychische (z. B. als Reaktion auf einen sexuellen Missbrauch oder eine Umweltkatastrophe) und auch keine soziologische (z. B. als Folge einer „schizophrenogenen Mutter“), wurde sie lange Zeit einfach als endogen bezeichnet. Seit einigen Jahren nun wird eine soziopsychobiologische Vulnerabilität (Verletzlichkeit) für Schizophrenie postuliert, so dass je nach Fall mal diese, mal jene Faktoren für den Krankheitsbeginn und -verlauf verantwortlich sind, vielfach Einzelfaktoren einander potenzieren, ergänzen etc. Trotzdem ist die Wichtigkeit psychogener Faktoren für die Auslösung schizophrener Symptome weiterhin umstritten. Bei der vermuteten engen Beziehung zwischen Schizophrenie und akuter tödlicher Katatonie wären ähnliche Verläufe der jeweiligen Häufigkeitskurven (Anzahl Hospitalisationen monatlich gemessen über eine größere Zeitspanne) für die Aufnahme in die erwähnte Landes-Heil- und Pflegeanstalt im besagten Zeitraum zu erwarten: „Angeregt durch die Berichte über Tod nach Suggestion und die Beobachtung, dass auch bei der akuten tödlichen Katatonie Todesahnungen nicht gar zu selten den Beginn bilden, habe ich nun versucht festzustellen, wie weit äußere Anlässe mit dem Beginn des Syndroms in Zusammenhang gebracht werden können. Ich darf hier, um die Dynamik der folgenden Kurven verdeutlichen zu können, vielleicht eine Zusammenstellung über das Ausgangsmaterial demonstrieren … Die Untersuchung über die monatliche Verteilung der akuten tödlichen Katatonie brachte ein völlig überraschendes Ergebnis …: wenn man die schwarze Linie betrachtet, welche die jährliche Gesamtzahl an Fällen [perniziöser Katatonie, A. d. V.] bedeutet, so entspricht die Dynamik dieser Kurve eher den Gesamtaufnahmen als den Schizophrenieaufnahmen und trägt damit kaum den Charakter des rein Endogenen. Darüberhinaus zeigen die Säulen den geradezu frappanten Zusammenfall einer übergroßen Häufung tödlicher Katatonien mit dem Umbruchsmonat im Jahre 1938. Zu beachten ist, dass damit das Quantum der Fälle für längere Zeit erschöpft scheint. Mögen diesen Zahlen in ihrer Kleinheit Fehler anhaften, so bleibt für mich dieser Zusammenhang doch eindeutig und es scheint mir, als hätten wir hier nur einige jener Menschen vor uns, die an jenen Tagen in ihrer, ihnen erbmäßig mitgegebenen Reaktionsart einer allgemeinen Massenpsychose zum Opfer fielen, der sich damals ein Großteil der Bevölkerung nicht entziehen konnte.

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Phänomene des psychogenen Todes

Abgesehen von massen- und völkerpsychologischen Erwägungen zeigt dieser Befund dem Mediziner so recht die ungeheure Bedeutung der Entladung einer durch bedenkenlose Massensuggestion erzeugten seelischen Spannung für das vegetative Lebensgeschehen, worauf Kauders (Kauders 1946) ja gleich nach Kriegsende in grundlegender Art hingewiesen hat.“ (Arnold 1949, S. 393–394, Tabelle 2 und 3, S. 393.)

Diese Beobachtung bestärkt die Vermutung, dass die perniziöse Katatonie wegen dieser ausgeprägten psychogenen Reagibilität keine Unterform der Schizophrenie ist. (Natürlich ist die gegenteilige Annahme, dass dieses offensichtliche Reagieren auf Außenreize eine mögliche psychogene Komponente der Schizophrenie insgesamt nahelegt, wenn bereits bei einer Untergruppe die Psychogenität hervorsticht, ebenso berechtigt.) Unter Berücksichtigung dieser Vulnerabilitäts-Theorie könnte die perniziöse Katatonie eine Unterform der Schizophrenie sein. Wie der Voodoo-, Tabu- oder Heimweh-Tod kann auch sie eine Reaktion auf Umweltereignisse darstellen. In der Sprache der Jung’schen Psychologie entspricht die Entladung einer seelischen Spannung der Aktivierung eines Komplexes. Einen Komplex kann man sich als ein Bündel von Gefühlen vorstellen, die in einem gemeinsamen Bild, einem ähnlichen Gedanken, einer verwandten Idee oder einer Gestalt im Unbewussten vereint sind. Komplexe werden vom Individuum und seiner Umwelt je nach den resultierenden Konsequenzen als positiv oder negativ verstanden. Die eigentliche Konstellation, d. h. die Entstehung eines Komplexes im Unbewussten, mag Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre zuvor durch ein dramatisches (meist negatives) Erlebnis ausgelöst worden sein. Und irgendwann später mag bloß das „falsche“ Wort gesagt, die „falsche“ Geste gemacht oder ein unglückliches, scheinbar triviales Geschehnis passiert sein, wenn plötzlich und unerwartet das ganze Spektrum der damaligen Gefühle aus den Höhlenräumen des Unbewussten heraufbeschworen und auf das auslösende Agens projiziert wird, in voller Intensität und zur Überraschung des Betroffenen und seiner Umwelt. Im somatischen Bereich kann ein Komplex mit einer schon lange bestehenden Störung mehrerer vegetativer Funktionen verknüpft sein. Die Störung bleibt völlig symptomfrei, bis schließlich irgendwann irgendein externes Ereignis stattfindet, das die eine oder andere „Gestalt-Schnur“ um das „Gefühlsbündel“ plötzlich durchschneidet, und der ganze Komplex wie aus heiterem Himmel herunterdonnert, ähnlich wie ein Erröten aus nichtigem Grund. Es ist gerade solch ein somatischer Komplex, den Arnold als Modell für die ungewöhnliche, plötzliche und unerwartete Erhöhung der tödlichen KatatonieHäufigkeit im März 1938 postuliert. Darüber hinaus mag nach Arnold dieses Modell auch das Fehlen weiterer Fälle für eine gewisse Zeit (ca. 1 Jahr) unmittelbar nach der synchronen Auslösung dieses Komplexes in der Gesellschaft 114

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erklären: Die meisten potentiellen Fälle im Einzugsbereich der Wiener LandesHeil- und Pflegeanstalt wurden durch den Schock des Anschlusses auf einmal ausgelöst und standen für spätere Ausbrüche sozusagen nicht mehr zur Verfügung. Somit versteht Arnolds Modell das akute, tödliche Katatonie-Syndrom als Manifestation eines latenten psychosomatischen Komplexes, der zum Aufbau in Personen mit einer hinreichenden psychologisch-somatischen Verletzlichkeit circa ein Jahr braucht: Aus der zeitlichen Verteilung der tödlichen Katatonien (seine Tabelle 3) ist ersichtlich, dass nach dem Massenausbruch der tödlichen Katatonie im März 1938 bis Februar 1939 keine neuen Fälle auftraten. In seiner anschließenden Durchsicht der 18 individuellen Krankengeschichten auf hinreichende Erklärungen für einen zusätzlichen oder alternativen Auslöser der katatonen Psychose fand Arnold triftige Gründe in sechs Fällen – nur zwei dieser Personen waren jüdischer Herkunft, triftige Gründe mit Vorbehalt in drei Fällen und in den übrigen neun Fällen konnten keine offensichtlichen lebensgeschichtlichen Gründe gefunden werden. Sein Befund deutet auf die wichtige Rolle, die unbewusste Prozesse bei der Auslösung der perniziösen Katatonie insbesondere und des psychogenen Todesprozesses im Allgemeinen spielen mögen. Bis heute bietet kein einziges Modell eine hinreichende Erklärung der tödlichen Katatonie oder des psychogenen Todessyndroms allgemein. (LiteraturHinweise zu den verschiedenen Modellen siehe oben) Kliniker behaupten heute noch, dass die agitierte Katatonie gar nicht so rar ist, wie manchmal vermutet wird (Cottencin et al. 1999).

Plötzliche, unerwartete Todesfälle: SUDS „… am Beispiel jenes von Brouardel stammenden Berichtes vom Tode einer alten Schweizerin, die entseelt zu Boden sank, als ein vom Spiel ihres Kehlkopfes faszinierter Junge diesen unversehens mit seinen Fingern berührte.“ (Berner 1940, S. 55)

Überraschende Todesfälle bei trivialen Berührungen des Kehlkopfes sind in der medizinischen Literatur bekannt (Bowden 1962). In diese Kategorie der plötzlichen, unerwarteten Todesfälle (SUDS – siehe unten) gehören der Tod durch Hemmung („la mort par inhibition“), auch reflektorischer Tod oder Reflextod genannt, und verwandte Todesphänomene, wie Sekundenherztod (Hüssy 1945) und der sog. Thymustod. Hier hat man Todesfälle wie den „eines jungen gesunden Menschen, der bereits halb dem Wasser entstiegen, plötzlich und ohne jede ersichtliche Ursache starb.“ (Berner 1940, S. 56), der die überlieferte Gefahr eines kalten Bades unmittelbar nach dem Essen beleuchtet. (So wird folgende schwimmtechnische Regel empfohlen: „Energische Einnässung des Körpers 115

Phänomene des psychogenen Todes

von oben her, dann schnell und ganz in das Wasser hinein, möglichst mit Kopfsprung!“ [Klotz 1934, S. 1651]) Bei Tieren ist der reflektorische Stillstand von Herz und Atmung wohl bekannt, z. B. Stillstand des Froschherzens bei Beklopfen des Bauchs; Stillstand sowohl der Atmung als auch aller übrigen motorischen Äußerungen bei Reizung des zentralen Vaguskerns der Ente; plötzlicher Tod des Kaninchens durch Einblasen von Zigarettenrauch in die Nase (Berner 1940, S. 55). Weil hier eindeutige, physiologische Erklärungen der Todesfälle vorliegen, werden sie aus den weiteren Betrachtungen ausgeschlossen. Wie steht es nun mit überraschenden Todesfällen nach nicht erkennbaren Berührungen der Seele? Ein plötzlicher, unerwarteter Tod ist bei den Menschen seit eh und je gefürchtet und wird als Unglück betrachtet, weil er dem Betroffenen keine Zeit zur Vorbereitung auf das jenseitige Leben lässt, z. B. im katholischen Glauben keine Zeit für das Sakrament der Letzten Ölung (heute: Krankensalbung). Es herrscht der Volksglaube, solche Todesarten könnten vom Teufel stammen, der die Betroffenen wegen ihres lasterhaften Lebens abhole. In diesem Abschnitt möchte ich jene plötzlichen und unerwarteten Todesfälle erwähnen, die schon seit 1701 in der medizinischen Literatur bekannt sind (White und Boursy 1971) und im Englischen mit „fulminating death“, „sudden death in the hyper-reactor state“ (Bohrod 1963, S. 25), „Sudden Unexplained Death Syndrome“ oder „Sudden Unexpected Death Syndrome“ (SUDS) bezeichnet werden (Stowens 1956). Es gibt ungefähr so viele Definitionen des SUDS wie es Studien zum Thema gibt. Ich biete hier eine einfache Definition an: Der plötzliche, unerwartete Tod ist der nicht-traumatische Tod eines Individuums, der sich innerhalb Sekunden, Minuten oder weniger Stunden nach dem Ausbruch der finalen Krankheit oder des Ictus vollzieht. Das Individuum war bis anhin entweder relativ gesund oder von einer Krankheit betroffen, die normalerweise nicht bzw. sehr unwahrscheinlich in abruptes Ableben mündet. Pathologische Untersuchungen identifizieren zwei Untergruppen des SUDS: Die ohne und die mit anatomischem Befund (vgl. Jay und Leestma 1981, S. 6; siehe auch die WHO-Definition weiter unten im Unterkapitel „Das psychogene Mortalitätssyndrom“.

Forschungen haben gezeigt, dass chronische Krankheit (Leary 1940), lange Isolation (Maizler et al. 1983, S. 358), berufliche Enttäuschungen, nicht ausgedrückte Gefühle, Depression und Wut nicht nur jederzeit eine katastrophale Reaktion hervorrufen können, sondern langfristig sogar die Wahrscheinlichkeit des plötzlichen Todes erhöhen. Arbeitsstellen, an denen aggressiver Druck und sich monoton wiederholende Tätigkeiten vorherrschen, über die ein Mensch wenig Eigenkontrolle hat, und die wenig Aufstiegschancen bieten, erhöhen das Risiko für einen plötzlichen unerwarteten Tod. „So verursachen zum Beispiel zermürbende Arbeitszeiten und der hektische Verkehr vermutlich die bei Busfahrern 116

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überhandnehmende Hypertonie“ (Monagan 1989, S. 19). Der plötzliche Herztod fand sich auch auffallend häufig unter ehemals Internierten nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, z. B. bei ehemals in der Schweiz internierten Polen (Schär 1990). „Ungefähr die Hälfte der Todesfälle (exkl. Spitaltodesfälle, A.v.Th.H.), die dem Pathologen zur Aufklärung zugeleitet wird, gelangt zu ihm, weil die Todesursache unbekannt ist und nicht wegen eines positiven Nachweises auf Gewalt oder eines Hinweises auf einen mutmaßlichen Mord oder Totschlag. Sie beinhalten nicht nur Todesfälle bei denen der letale Anfall plötzlich und unerwartet war, sondern auch die Fälle, in denen die Todesursache verschleiert ist, weil kein begleitender Arzt während der tödlich verlaufenden Krankheit vorhanden war.“60 (Moritz 1940, S. 798)

Die interessantesten außergewöhnlichen Todesfälle (AGT), liefern einerseits keinen somatischen Befund bei der Obduktion und andererseits keinen Hinweis auf eine unmittelbare psychische Ursache wie beim üblichen psychogenen Tod (siehe das Unterkapitel „Todesursache und Zeitpunkt des Todes“). Die Häufigkeit solcher AGT in der Allgemeinbevölkerung lässt sich nur annähernd schätzen. Der Schweizer Facharzt für Psychiatrie Dr. med. Thomas Knecht (Münsterlingen) äußert sich in einer ganz neuen Publikation aus dem Jahre 2009 wie folgt (Knecht 2009): „Die Frage des sog. „Psychogenen Todes“ wird bis heute kontrovers diskutiert. Der Beweis für ein solches Ereignis ist im Einzelfall mit den Mitteln der modernen Rechtsmedizin schwer zu erbringen. Indessen besteht jedoch ein erhebliches Korpus von Berichten über psychogene Todesfälle aus der ethologischen, ethnologischen und historischen Literatur, so dass die Tatsächlichkeit dieser Todesart auch für den modernen Menschen nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Dies kann im forensischen Kontext von erheblicher juristischer Bedeutung sein (v. a. straf- und haftpflichtrechtlich), insbesondere bei Todesfällen in Untersuchungshaft oder bei Ausschaffungen.“

Die potentielle Reichweite der juristischen Bedeutung des psychogenen Todes lässt sich im Schweizer Strafgesetzbuch Art. 111–113 erahnen (Walder 1979, S. 131): „Vorsätzliche Tötung (im weiteren Sinne) ist nicht nur in unmittelbarer, sondern auch in mittelbarer Täterschaft möglich. Zwei Formen stehen im Vordergrund: die Einschaltung eines willenlosen oder irrenden Menschen als Werkzeug zur Tötung des Opfers und die Verwendung des willenlosen oder irrenden Opfers als Werkzeug gegen sich selber.“

Ein Beispiel für die erste Form wäre der Missbrauch eines Irrenden, der ahnungslos einem Dritten ein Sprengstoffpaket des mittelbaren Täters übergibt. Der vorsätzlichen Tötung im Sinne der zweiten Form könnte sich nach meinem 117

Phänomene des psychogenen Todes

Verständnis jemand strafbar machen, der z. B. einer an schwarze Magie oder Verfluchung (Totbeten, Mortbeten o. Ä.) streng glaubenden Person psychisch derart zusetzte, dass diese quasi zum willenlosen Werkzeug in der Hand des eigenen Unbewussten würde und schließlich psychogen stürbe – siehe oben den Fall des Basler Gerichtsprozesses von 1926. Manche statistischen Zusammenstellungen aus rechtsmedizinischen Berichten zeigen, dass bei ungefähr 1 % aller Personen, die unerwartet sterben, auch nach der forensischen Untersuchung keine erklärbare Todesursache zu finden ist (Laurén 1937; Locher 1940; Weyrich 1931, 1933; Wilson und Reece 1964). In einer Studie über 403 außergewöhnliche Todesfälle in der Allgemeinbevölkerung im Zeitraum 1900–1935 und im Alter über 15 Jahre, wurde berichtet, dass in ungefähr 1 % der Fälle die Obduktionsbefunde keine Erklärung für die Plötzlichkeit des Todes oder für irgendeine Primärkrankheit liefern (Laurén 1937, S.  48–49). Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Eine umfasst 2668 Erwachsene, die andere 1022 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren: in beiden Gruppen zeigte sich, dass in ungefähr 1 % der Fälle bei der Obduktion keine Todesursache nachweisbar war (Weyrich 1931, 1933). Die Ergebnisse gründlicher Post-mortem-Studien bei 1.000 anscheinend gesunden US-Soldaten im Alter zwischen 18 und 40 Jahren, die plötzlich unerwartet verstorben waren, zeigten, dass in 10 % der Fälle die Soldaten an „obskuren Ursachen“ starben, d. h. bei 10 % der Verstorbenen konnte trotz sorgfältiger pathologischer und toxikologischer Untersuchung kein Befund erhoben werden (Moritz und Zamchek 1946). Bei 33 Soldaten fehlten sogar die unspezifischen agonalen Zeichen. Interessant ist die Tatsache, dass bei 8 dieser Soldaten dem Tod eine akute Psychose unmittelbar vorausging – siehe oben. In Berichten über eine jeweils größere Anzahl von Fällen aus der US-Armee zeigte sich, dass der Tod einmal in 10 % und in einer anderen Studie in 15 % aller Fälle durch den Obduktionsbefund nicht erklärt werden konnte (Wilson und Reece 1964, S. 380). Andere Studien stimmen mehr oder weniger überein und schätzen den Anteil der unergiebigen Obduktionen auf ungefähr 10 % (Schleyer 1965). Es sind sogar noch umfangreichere Statistiken in der Literatur zu finden. Es wurde behauptet, dass z. B. in den USA SUDS die führende Todesform in der Altersgruppe der 20–64-Jährigen sei (DeSilva und Lown 1978; vgl. Kuller 1966) und dass es für mindestens 25 % aller Todesfälle verantwortlich gemacht werden kann (Jay und Leestma 1981, S. 6). Ungefähr 20 % jener Menschen, die an plötzlichem Herzstillstand starben oder nach einer Tachykardie wiederbelebt wurden, standen in den vorangegangenen 24 Stunden unter akutem psychischem Stress.

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„So starb zum Beispiel der Vater des Flugingenieurs Benjamin Zimmermann einen Tag nach der Entführung des TWA-Flugzeugs, auf dem sein Sohn Dienst hatte. Er war schon seit längerem herzkrank.“ (Monagan 1989, S. 19)

Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass bei manchen Menschen auch Wutausbrüche plötzlichen Herztodfällen vorausgehen können (Monagan 1989). Hier möchte ich auch die Möglichkeit psychogener Todesfälle von Asylbewerbern unmittelbar vor oder während Zwangsausschaffungen erwähnen: „Am 3. März starb der Ägypter Khaled Abuzarifeh in einem Lift im Flughafen Kloten [Zürich, Schweiz, A. d. V.], als er von Polizeibeamten zur Ausschaffung in ein Flugzeug gebracht wurde. … Der Mann war mit verklebtem Mund, Fesseln an Händen und Füssen sowie einem Helm über dem Kopf ins Flugzeug ‚gesetzt‘ worden.“ (Ernst 1999)61

Der plötzliche, unerwartete Tod tritt nicht selten in hoch emotional besetzten Situationen ein. Dass Gevatter Tod schon alleine durch die psychische Belastung einer lebensbedrohlichen Käfigsituation heraufbeschworen wird, ist mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg durch die tragischen Erfahrungen der Lagerärzte bekannt geworden, die ihre hilf- und hoffnungslosen Kollegen in Kriegsgefangenschaft ohne zwingenden physischen Anlass, aber in akut exzitatorischen psychischen Zuständen sterben sehen mussten. Somit sind Zwangsausweisungen (und erst noch mit unmenschlichen Ausschaff ungspraktiken) geradezu prädestiniert für die Auslösung eines psychogenen Todes. Hier drei aktuelle Beispiele: 1. „Beim Start des Flugzeugs in Frankfurt hatten drei deutsche Grenzschutzbeamte den Kopf des an Händen und Füßen gefesselten Sudanesen Aamir Omar Mohammed Ahmad Ageeb (30) ‚zur Fixierung nach unten gedrückt‘ (offizielle Erklärung). Als sie ihn wieder aufrichteten, atmete Ageeb nicht mehr. Der abgewiesene Asylbewerber trug einen Motorradhelm, damit er seine Begleiter nicht beißen und sich selber keine Kopfverletzungen beibringen konnte. Wiederbelebungsversuche durch Ärzte blieben erfolglos. Die Obduktion wies auf keine ‚anatomisch eindeutig nachweisbare Todesursache‘ hin.“ (Hartmann 1999) 2. „Omofumas Hände wurden per Klettverschluss nach vorne gebunden. Sobald er zu protestieren versuchte, fesselte man seinen Oberkörper mit weiteren Klebebändern und verschloss ihm den Mund mit breitem Leukoplast.

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Phänomene des psychogenen Todes

Im Flugzeug der Balkan-Air nach Sofia wurde Marcus Omofuma zudem mit Riemen an der Sitzlehne festgebunden. Er wehrte sich verzweifelt. ‚Er hat gebrüllt, gestöhnt, tierartige Laute von sich gegeben‘, stellte ein Balkan-Air-Angestellter fest. Dann schien Omofuma in eine Art Trance zu fallen. Von Augenzeugen aufgefordert, fühlten ihm die Beamten mehrmals den Puls und konstatierten: ‚Er lebt.‘ Nach der Landung in Sofia untersuchte der Flughafenarzt den angeblich schlafenden Nigerianer. Omofuma war tot.“ (Santner 1999) 3. „Der 21-jährige B. aus Guinea wurde wegen Drogenhandels inhaftiert. Innerhalb von Tagen wurde sein Verhalten auffällig, sodass man ihn sicherheitshalber in ein anderes Gefängnis verlegte. Er wurde aggressiv, zerstörte einen Teil des Zellmobiliars, setzte sich dann nackt hin, verweigerte das Essen und versuchte sogar, das Putzwasser zu trinken. Später verweigerte er Flüssigkeiten, ließ sich aber noch Tee einflößen. Nach einigen Tagen wurde bei ihm eine Untertemperatur gemessen. Der Mann wurde künstlich gewärmt, doch verschlechterte sich sein Allgemeinzustand weiterhin und kurz darauf starb er. Als Todesursache wurde ‚Flüssigkeitsmangel’ vermutet; der Obduktionsbericht ergab Hinweise auf eine Lungenembolie. Gegen den zuständigen Gefängnisarzt wurde ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung eröffnet. (Gross und Würmli 2008)

Es wurde auch schon vermutet, dass das Festbinden in Bauchlage, die Arme des Gefangenen hinter dem Rücken an die Fußgelenke gefesselt, einen akuten exzitatorischen Zustand – mit Platzen der Alveolen und Erschöpfung der Atemmuskeln – auslösen kann, der mit Tod aufgrund lagebedingter Asphyxie (Pulslosigkeit) endet: „Ein Zyklus wechselnder kämpferischer Verzweiflung und passiver Entspannung wird häufig vor dem Kollaps und Herzstillstand beobachtet, insbesondere wenn die Person festgebunden war“ (Farnham und Kennedy 1997; Bell MD et al. 1992). Das Resultat solcher Behandlungen ist für eine empfindliche, geängstigte Seele fast zwangsläufig ein plötzlicher, unerwarteter Tod. (Sollten die – mir nicht zugänglichen – ) gerichtsmedizinischen AutopsieBefunde in diesen Fällen nicht von absoluter Überzeugungskraft sein, so wäre m. E. die Version „psychogener Tod“ als Folge eines extremen Erregungszustandes mit letaler psychosomatischer Auswirkung in Betracht zu ziehen, was womöglich für die Klärung der Schuldfrage von Belang wäre. Es sei nur am Rande erwähnt, dass bei der oben beschriebenen Fesselungsmethode der Tod bei Kulturfremden offenbar häufiger eintritt als bei Einheimischen. Die kulturelle Prägung scheint in diesem Sinne von erheblicher Bedeutung zu sein. Der plötzliche, unerwartete Tod (SUDS) tritt auch nicht selten im Zusammenhang mit bestimmten psychischen Krankheiten ein (siehe oben). Unter denen, die einem Sekundenherztod erliegen, ist die Zahl der psychiatrisch Behandelten auffällig hoch: Bei einer Analyse wurden z. B. unter 39 Patienten neun an 120

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einer Psychose erkrankte Personen ermittelt (Kuller et al. 1975). Eine entsprechende gerichtsmedizinische Studie über Patienten mit Essstörungen fand somatische Risikofaktoren wie Hypoglykämie, Hypokaliämie und Thrombozytopenie, die entweder als psychogen oder wenig relevant gewertet wurden (Rajs et al. 1986). In einem Übersichtsartikel beschrieben die Autoren bei Magersucht eine Mortalitätsrate (einschließlich Selbstmord) in einer Schwankungsbreite von 0 bis 25 % (Backmund et al. 1990). In einer etwas früheren Arbeit wurde ausführlich über vier solche Todesfälle berichtet (Bruch 1971) und in noch einer anderen Veröffentlichung über einen Todesfall im Zusammenhang mit motorischer Überaktivität, die zu einer schweren Hypoglykämie beitrug (Ratcliff und Bevan 1985). Laut einer anderen Studie trat der Tod bei drei Patientinnen zwischen dem 4. und 7. Tag nach stationärer Aufnahme ein (Isner et al. 1985). In sämtlichen erwähnten Untersuchungen brachte die Autopsie keine Klärung der Todesursache. Auch über den sogenannten Pensionierungsbankrott, Pensionierungsschock oder Pensionierungstod gibt es mehrere Statistiken (Stauder 1955; Jores und Puchta 1959), die zeigen, dass die Pensionierung oder Berentung unter besonderen Bedingungen fatale Auswirkungen haben kann (Fuchs 1969): „Eine gesonderte Erfassung der Beamten, die im Jahre 1945/46 aus politischen Gründen den Dienst verlassen mussten, ergab besonders katastrophale Ergebnisse: von 43 Beamten unter 60 Jahren waren nach 5 Jahren 32 gestorben. Eine Klärung der jeweiligen somatischen Todesursachen ließ keine Bevorzugung irgendeiner Krankheit erkennen. Jores schließt daraus, dass: ‚psychologische Faktoren vorhandene Bereitschaften zur Todeskrankheit auslösen und in Gang setzen‘. (Kächele 1970, S. 214)

Besonders im ersten Ruhestandsjahr steigen die Herztode bei Männern drastisch an und Witwer haben in der ersten Zeit nach dem Tod ihrer Frau eine Sekundenherztod-Rate, die um 40 Prozent höher liegt als bei verheirateten Männern gleichen Alters (Monagan 1989, S. 19; siehe „Nachzehrer“). Der Verlust sozialer Rollen führt nicht selten zu einem Selbstwertmanko und zu einer Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit, die einem emotionellen Schock gleich kommen kann (Ciompi 1986). Dagegen kann im Großen und Ganzen eine positive Korrelation zwischen Rollenbefriedigung und Lebensdauer erwartet werden, also je zufriedener desto langlebiger (Madigan 1962). Zu den negativen Ergebnissen, also dem Nichtauffinden pathologischer Organbefunde als Todesursache, die solche Statistiken so fesselnd machen, wird immer betont, dass „negativ“ gleichbedeutend zu verstehen sei mit „nicht mit der angewendeten Untersuchungsmethodik festgestellt“, da auch jeder plötzliche, unerwartete Tod ein physiologisches Korrelat bzw. seine entsprechende 121

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organische Bahnung haben müsse. Mit Kächele vertrete ich den Standpunkt, „dass das Ausmaß positiver Befunde proportional dem Ausmaß angewendeter Untersuchungsmethodik ist“ (Kächele 1970, S. 111). Auch heute noch sind die anatomischen Spuren eines emotional, nämlich psychogen, ausgelösten reflektorischen Herzstillstands kaum aufzufinden. In diesem Zusammenhang möchte ich einen interessanten Bericht aus der Zeitung zitieren: „Am Kennedy Space Center fielen in den Sechzigerjahren 50 % mehr junge Raketeningenieure dem plötzlichen Herztod zum Opfer als dies bei Männern ihres Alters üblich ist. ‚Die CIA dachte schon, die Ingenieure würden vergiftet‘, sagt Robert Eliot, ein ehemaliger beratender Kardiologe bei der Nasa und heute Leiter des National Center of Preventative and Stress Medicine in Phoenix. ‚Aber es gab bei ihnen auch viele Scheidungen, Alkoholismus und Selbstmorde. Das eigentliche Problem war, dass die Arbeitsplätze innerhalb von nur acht Jahren von 30.000 auf 14.000 abgebaut wurden und dass die Leute wussten, sie steuerten ins wirtschaftliche Abseits.‘ Die Autopsien ergaben, laut Eliot, dass über 80 % dieser Männer die verräterischen Anzeichen einer stressbedingten Herzmuskelerkrankung aufwiesen.“ (Monagan 1989, S. 19)

SUDS und Aberglaube Bereits im Unterkapitel „Tabu-Tod durch Aberglauben“ habe ich Aberglaube als eine Quelle von Tabu-Werten diskutiert. Manchmal kann diese Quelle so gut versteckt sein, dass sie im Sinne meiner Definition von Seelentod untergebracht werden kann. Hierzu ein Beispiel: Phillips et al. (Phillips et al. 1993) überprüften die Todesfälle von 28.169 erwachsenen Amerikanern chinesischer Abstammung, und eine Vergleichsgruppe von 412.632 zufällig ausgewählten, statistischen Zwillingen62, die auf der Sterbeurkunde als ‚weiß’ kodiert waren. Amerikaner chinesischer Abstammung, nicht aber Weiße, sterben erheblich, d. h. statistisch signifikant, früher als andere (1,3 bis 4,9 Jahre), wenn sie eine Kombination aus Krankheit und Geburtsjahr haben, die von der chinesischen Astrologie und Medizin als verhängnisvoll betrachtet bzw. ‚tabuisiert’ werden. Je stärker eine Gruppe an die chinesischen Traditionen gebunden ist, desto mehr Lebensjahre gehen sozusagen verloren. Die Resultate gelten für fast alle der untersuchten Haupttodesursachen. Die Verringerung der Lebenszeit kann nicht durch Änderungen im Verhalten des chinesischen Patienten, des Arztes oder des für die Registrierung zuständigen Standesbeamten vollständig erklärt werden, sondern scheint mindestens teilweise aus psychosomatischen Prozessen zu resultieren.

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Offenbar kann das kollektive und persönliche Wissen über einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit oder Lebenskraft, insbesondere das subjektive kognitive und körperliche Erlebnis solch eines Einflusses, einen signifikanten Beitrag zur Mortalität leisten, bis hin zum Exitus letalis. „Wissen“ ist hier ein höchst komplexes anthropologisches und kulturelles Phänomen. In einem separaten, demnächst erscheinenden Buch habe ich das Thema „Placebo-Effekt“ und „Die Vorstellungskraft: Psychoneuroimmunologische Zusammenhänge“ diskutiert, u. a. wie und in wieweit das kollektive und persönliche Wissen über eine Behandlung einen signifikanten Beitrag zur Selbstheilung leisten kann. Zum Abschluss dieses Unterkapitels erwähne ich die plötzlichen unerwarteten Todesfälle einzelner erwachsener Flüchtlinge aus Südostasien, die seit ihrer Immigration in die USA Mitte der Siebzigerjahre beobachtet werden: „Ohne Warnung wurde Neng Yang am 21. Dezember 1987 bewusstlos. ... Er starb am Weihnachtsabend einen plötzlichen unerwarteten Tod, das dritte Opfer seiner Sippe und das 115. in den USA; eine geheimnisvolle Maladie, die junge, scheinbar gesunde aus Südostasien stammende Männer, insbesondere die Hmong, trifft. Neng Yangs Familie glaubt, dass eine Autopsie, die an einem anderen Sippenmitglied – ein anderes SUDS-Opfer – durchgeführt wurde, den Tod des 23-jährigen Studenten verursacht hat. Nach der Religion der Hmong kann der Geist einen verstümmelte Leichnam nicht verlassen und sich vor seiner Wiedergeburt zu seinen Vorfahren begeben. Er mag deshalb das Leben eines anderen Verwandten einfordern als Schrei nach Erlösung. … Wie in der japanischen und philippinischen Medizinalliteratur der 50er und 60er Jahre berichtet wurde, tauchte SUDS in den USA nach der Übersiedlung von Flüchtlingen aus Südostasien schrittweise in der Mitte der 70er auf. 49 Fälle gab es während der Spitzenjahre 1981 und 1982, jetzt sind es nur noch eine Handvoll jährlich. Das Phänomen bringt US-Ärzte noch immer aus dem Konzept. Typische Opfer führen ein unauffälliges Leben und sind allem Anschein nach nicht krank. Sie sterben im Schlaf, vielleicht mit einem verräterischen Röcheln oder Atemnot. Spuren von Drogen oder abnormalen Organe werden nicht gefunden. Chaotische kardiale Impulse zwingen dem Herzen einen erratischen Rhythmus auf, der die Blutversorgung unterbricht und Sauerstoffmangel im Gehirn zur Folge hat, aber die zugrunde liegende Ursache bleibt verborgen. Man nimmt an, dass der Stress des Kulturschocks ein wesentlicher Faktor sein könnte. Die Statistik zeigt, dass je länger ein Einwanderer in diesem Land [USA, A. d. V.] lebt, desto geringer ist das Risiko, dass er am SUDS sterben wird.“63 (Hmong 1988, S. 607)

Die Hmong sind in Laos beheimatet. Ihre Wurzeln reichen jedoch zurück nach Tibet, der Mongolei und China, wo sie lebten, bis sie im frühen 19. Jahrhundert weiter nach Süden (Thailand und Myanmar) verdrängt wurden.

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Der Bericht zeigt deutlich die Einflüsse eines Tabu-Bruchs (die vorangegangene verbotene Autopsie eines ebenso plötzlich wie unerwartet verstorbenen Stammesmitgliedes) und des Heimwehs, im Sinne eines Kulturschocks infolge überstürzter Übersiedlung im Rahmen einer Rettungsaktion. Diese Todesfälle haben nicht aufgehört, sicher auch deshalb, weil die US-Behörde die (von der Hmong-Religion verbotenen) Autopsien weiterhin durchführen lässt. Der Fall Neng Yang geht noch weiter: „Den Wünschen Neng Yangs und ihren eigenen Überzeugungen folgend, wollten seine Eltern, You Vang Yang und Ia Kue Yang, keine Autopsie. Der betreuende Arzt versicherte, dass sie benachrichtigt würden, falls das Spital eine Obduktion benötige. Als die Eltern beim Bestattungsunternehmen ankamen, um den Körper für die Beerdigung vorzubereiten, erfuhren sie zu ihrem Erschrecken, dass die staatliche Gerichtsmedizin schon eine Autopsie durchgeführt hatte, ohne zuvor die Zustimmung der Familie einzuholen.“64 (Hmong 1988, S. 607)

Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens berichtet, dass sich der Glaube an die „Unvollständigkeit“ eines Lebens vor allem auf solche Menschen konzentriert, die ihr Leben unnatürlich oder nicht zumindest im passenden höheren Alter beendet haben: Kinder, junge unverheiratete Männer oder Frauen, gebärende Frauen, Mordopfer, Selbstmörder, Unfallopfer, gefallene Soldaten, Wilddiebe usw. können nach dem Tod als „ruhelose Seelen“ zurückbleiben und die Lebenden heimsuchen, und sie möglicherweise sogar zu sich ins Grab zerren. Verwandt mit dem obigen Bericht ist die rätselhafte thailändische Krankheit, die schon von 1983 bis 1990 achthundert Tote unter den 30.000 thailändischen Gastarbeitern in Singapur forderte. Offiziell sind die Betroffenen an Sudden Unexplained Nocturne Death Syndrome (SUNDS) ohne irgendwelche Krankheitssymptome im Schlaf einfach gestorben; vermutet wird Herzversagen. Das thailändische Gesundheitsministerium nannte sechs Gemeinsamkeiten der (auschließlich männlichen) Opfer: (1) Sie assen geschälten Reis; (2) sie standen unter hohem Arbeitsstress, der wiederholt Erschöpfungsdepressionen verursachte – (siehe die Diskussion über „Karoshi“); (3) sie schluckten regelmäßig Amphetamine; (4) sie hatten Überlebensängste; (5) sie hatten Kulturschocks hinter sich und lebten, bedingt durch kulturelle Verständigungsprobleme, völlig isoliert. Aber die thailändische Volksseele hat noch eine eigene Erklärung für diese heimtückische Krankheit: „Der ‚Geist der einsamen Witwe‘, welche sich nachts der schlafenden Männer zum sexuellen Missbrauch bemächtigt. Deshalb wollen die Betroffenen den

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‚Geist der einsamen Witwe‘ täuschen. Viele der verängstigten Männer gehen nur noch mit rot bemalten Fingernägeln und im Sarong, dem typischen thailändischen Frauenkleid, ins Bett.“ (Surbeck 1990)

Dieses Phänomen erinnert an den Bangungut-Tod gesunder Philippiner oder den Pokkuri-Tod gesunder Japaner, bei dem die ebenfalls ausschließlich männlichen Opfer während eines Albtraums – aus dem der Betroffene weder befreit werden noch erwachen kann – grauenhaft schreien und dann plötzlich kollabieren und sterben (Cannon 1957; Kuller 1966) – sog. Killer Dream (Parmar und Luque-Coqui 1998). Hier hat man eine mögliche Korrelation zwischen Schlaf, emotionellem Stress und SUDS – siehe unten.

Unerklärliche Todesfälle bei Kindern: SIDS „Kei Muetter weis, was ihrem Chind wird gescheh, kei Muetter chann i d’Zuekumpft gseh. Ob i – res Chind mues lii – de, o- der ob mer’s gar wird be- – nii – de? Kei Muetter weiß, was i – rem Chind wird gescheh. „Kei Muetter weis, was ihrem Chind wird gescheh, kei Muetter chann i d’Zuekumpft gseh. Wird i – res Chind riich är – be? O – der als ar – me Bättler schtär – be? Kei Muetter weis, was ihrem Chind wird gescheh. „Kei Muetter weis, was ihrem Chind wird gescheh, kei Muetter chann i d’Zuekumpft gseh. Dient er emal am Böse oder chann er eus all’ erlöse? Kei Muetter weiß, was ihrem Chind wird gescheh.“ (Burkard, unbekannt)

Dieses schweizerdeutsche Tauflied soll das Thema dieses Abschnitts einführen: Wer hat nicht von den tragischen Fällen jener Säuglinge und Kleinkinder gehört, die (vorwiegend) nachts irgendwann zwischen dem 8. Lebenstag und dem ersten Geburtstag plötzlich und unerwartet im Schlaf sterben, ohne einen Laut von sich zu geben und ohne erkennbaren medizinischen Grund? Das Phänomen findet man in der englischsprachigen Fachliteratur unter der Bezeichnung „Sudden Infant Death Syndrome“ (SIDS), in der deutschen unter Plötzliches Kindtodsyndrom (PKTS), auch Unerwarteter Säuglingstod (UST) oder Krippentod (crib-death, cot-death) genannt (Beckwith 1973): „(...) plötzlich und unvermutet eintretender Tod im Säuglings- und Kleinkindesalter, bei dem keine ausreichend erklärende Todesursache nachgewiesen werden kann; (...) vor allem bei Säuglingen zwischen dem 2. und 6. Lebensmonat (...)“. (Pschyrembel 1998, S. 1578)

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Das Oxford Textbook of Pathology definiert SIDS wie folgt: „SIDS ist ein rätselhaftes und ungelöstes Problem, das Kinder im Alter zwischen 1 Woche und 4 Monaten trifft und in Großbritannien für mehr als ein Drittel aller postnatalen Todesfälle im ersten Lebensjahr verantwortlich ist. Hinweise auf virale Infektionen gibt es wenigen Fällen, aber die mikroskopisch erfassbaren Veränderungen der Lunge variieren zwischen Normalbefund und abgegrenzten Segmenten interstitieller Pneumonie. (...) Sie sind jedoch nicht so ausgeprägt, um als ursächlich für den Tod gelten zu können. Man vermutet, dass ein viraler Infekt eine Apnoe oder anaphylaktische Reaktion begünstigt (...)“.65 (Schofield und Krausz 1992, S. 966)

Für eine weitere Definition im Rahmen des allgemeineren Phänomens des plötzlichen und ungeklärten Kindstodes (PUKT) (Sudden Unexplained Infant Death/SUID), siehe u. a. (Willinger et al. 1991) und (Centers 1996).66 SIDS tritt gehäuft bei Säuglingen im Alter zwischen 4 und 16 Wochen, während des Schlafs und in den Monaten Oktober bis Februar (vgl. Friedlander und Shaw 1975; Gruen 1987). Im Jahr 1996 starben [in der Schweiz, A. d. V.] 70 von rund 82.000 Neugeborenen, 60 % davon zwischen dem zweiten und vierten Monat, zwei Drittel davon Buben (Kutschera 1997, S. 30, Zitat von Frau Dr. med. Daniela Ghelfi, Oberärztin am Kinderspital Zürich). In den USA wird SIDS jährlich für 5.000–6.000 Säuglinge als Todesursache eingetragen und ist mit ca. 35 % aller postnatalen Todesfälle die häufigste Todesursache bei Kindern im ersten Lebensjahr (Centers 1996). (Siehe auch Stowens 1956 für eine 40 Jahre frühere Studie aus den USA.) Anfang der 90er Jahre starben in der Schweiz noch 100 Kinder von rund 82.000 an SIDS. In den Jahren 1985 bis 1987 haben diese Todesfälle um 21 % zugenommen. 1988 starben 80 Kinder an SIDS, d. h. jedes dritte Baby in der Schweiz, das sein Leben lassen musste, starb auf diese Weise. In der Stadt Zürich machte der Plötzliche Säuglingstod von 1970 bis 1985 ein Drittel aller Todesfälle im 1. Lebensjahr aus, und von 1985 bis 1987 stieg der Anteil gar auf 52,3 Prozent (22 von 42 Todesfällen bei 8881 Lebendgeborenen; Speich 1988). Seither ist die Entwicklung rückläufig: In den USA z. B. ging die Häufigkeit von 1,5 Todesfällen auf 1.000 Geburten 1980 zurück auf 1,2 pro 1.000 im Jahre 1993 (Centers 1996). Der Grund hierfür ist bis dato im Großen und Ganzen noch unbekannt, wobei Aufklärungskampagnen über die Gefahren der Bauchlage des Säuglings und die Rauchgewohnheiten der Mutter – siehe unten – eine gewisse Rolle spielen mögen (Dwyer und Ponsnby 1996). Trotz dieser Abnahme in den letzten zehn Jahren hat sich die SIDS-Rate bezogen auf 100.000 Einwohner in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts in den westlichen Industrienationen nicht wesentlich verändert und bleibt die häufigste Todesursache während des ersten Lebensjahres.

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Einige statistische Zusammenhänge, die seit 1963 weltweit planmäßig erfasst werden, lassen aufhorchen, z. B. (Kaada 1987; Speich 1988; Kruse und Oehmichen 1993; Bürkler 1995; Centers 1996): Das betroffene Kind scheint von Geburt an gewisse Risikofaktoren einschließlich biochemischer, anatomischer oder später auch entwicklungsbedingter Eigenheiten oder Anomalien mitzubringen. Beispiele sind: • • • • • • •

Kinder, die gar keine oder erst spät pränatale Betreuung bekommen haben, sind überzufällig häufig gefährdet, an SIDS zu sterben. Das Geschlecht ist bedeutend: Buben sind gefährdeter als Mädchen. Kinder, die nicht gestillt wurden, sterben häufiger an SIDS. Kinder, die in Bauch- oder Seitenlage, also nicht auf den Rücken gebettet werden, sind überzufällig häufig betroffen. Influenza-Virus-A-Infektionen treten signifikant häufiger auf als bei gleichaltrigen Neugeborenen. Längere apnoische Episoden (≥ 15 Sek.) werden zusammen mit einer schweren Bradykardie während des REM-Schlafs bei SIDS-Risiko-Kindern beobachtet. Kinder mit einem ungewöhnlichen, intensiven oder starren Blick („RadarBlick“, Gruen 1987) scheinen auch eine Risikogruppe zu bilden.

Auch der Zeitpunkt spielt eine nicht zu übersehende Rolle: • • • • • • •

Am gefährdetsten sind Säuglinge vom 2. bis 4. Lebensmonat: Fünfundsiebzig Prozent aller SIDS-Fälle ereignen sich in dieser Zeit. SIDS ist ungewöhnlich im ersten und nach dem sechsten Lebensmonat, und die erste Woche bleibt praktisch ausgespart. Circa 80 % aller Todesfälle treten zwischen Mitternacht und 8 Uhr morgens auf. Frühgeborene sind öfter betroffen als termingerecht geborene Säuglinge. In der Nacht geborene Säuglinge ereilt SIDS häufiger als tagsüber geborene. SIDS trifft häufiger in den Wintermonaten als im Sommer auf. Besonders gefährdet sind die Oktobergeborenen: Bei diesen tritt SIDS statistisch gesehen doppelt so häufig auf wie bei den Märzgeborenen. Geschwister von SIDS-Opfern: Bei Zwillingen ist das Erstgeborene häufiger betroffen, bei Mehrlingen die Dritt- und Viertgeborenen.

Die Umgebung ist ebenfalls wichtig: •



Babys in fremder Umgebung scheinen eine Risikogruppe zu bilden. Von 185 in Zürich (Schweiz) untersuchten Fällen von SIDS war jedes fünfte Kind schweizerischer Eltern zum Zeitpunkt seines Todes in fremder Obhut, von 64 Ausländerkindern sogar jedes zweite. Die Kinder sollten nicht zu warm angezogen sein und nicht bei zu hoher Zimmertemperatur schlafen.

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Die Situation der Eltern ist nicht zu unterschätzen: Gefährdeter sind Kinder aus Familien mit belastenden Lebensgewohnheiten und in belasteten Lebensverhältnissen, insbesondere Kinder von • • • • •

ganz jungen Müttern (unter 24 Jahre) allein lebenden Müttern Müttern, die ihre Kinder nicht stillen drogenabhängigen Müttern (starkes Rauchen oder Alkoholkonsum während der Schwangerschaft gehören dazu) Eltern aus sozial schlechteren Verhältnissen, insbesondere mit niedrigem Bildungsniveau

Dank verbesserter diagnostischer Methoden konnten einige Todesursachen eruiert (z. B. von Bakterien erzeugte Toxine, die bei Kindern einen tödlichen Schock auslösen können) und die entsprechenden Todesfälle aus der SIDSGruppe ausgeschlossen werden; andererseits konnten gewisse Hypothesen widerlegt werden, wie z. B. die Entwicklung giftiger, tödlicher Gase aus Kunststoffmatratzen (Molz 1999). Neuerdings wird u. a. auch ein Zusammenhang zwischen massiv gestörtem Eisenstoffwechsel und Überfrachtung (Überlastung) mit Stickoxid(en) als Ursache diskutiert (Reid 2000). Obwohl Ätiologie und Pathogenese noch unbekannt sind, wird aus den Statistiken ersichtlich, dass sich ein erhöhtes Risiko für SIDS aus mehreren nichtpsychischen Faktoren zusammensetzt: individuelle Merkmale des Kindes, Elternverhalten und Umgebung im weitesten Sinn. Jede Hypothese zur Ursache von SIDS muss mit den statistischen Gegebenheiten des Syndroms übereinstimmen und diese erklären. Dies macht eine psychogene Ursache für SIDS höchst unwahrscheinlich, obwohl es an psychologischen Erklärungsmodellen in der wissenschaftlichen Literatur nicht fehlt, z. B. das eines atavistischen Angst-Paralyse-Reflexes (Totstell-Reflex) (Kaada 1987). (Siehe auch Friedlander und Shaw 1975 oder Gruen 1987 für tiefsinnige, wenn auch eher unwahrscheinliche psychosoziale Deutungen.) Da eine Autopsie beim SIDS per definitionem keine (physiologische) Erklärung liefert, rätseln die Ärzte, ob Virusinfektionen, Sauerstoffmangel bzw. Störungen der Atemregulation oder Atemstillstand nach Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre, zuwenig Adrenalin, Veränderungen am Hirnstamm, zuviel Endorphine (körpereigene morphinähnliche Substanzen) oder mangelnde Immunabwehr die Todesursache sein könnten (vgl. Fraenckle 1942). Insbesondere haben Herzbefunde beim SIDS, unter besonderer Berücksichtigung des Erregungsleitungssystems (ELS), mäßiggradige Veränderungen im Sinne von Variationen der Anlage des ELS gezeigt, die möglicherweise am Eintritt des Todes beteiligt waren (Schweitzer et al. 1996). Inwiefern solche Faktoren auch allgemein mit dem Phänomen des psychogenen Todes im Zusammenhang stehen könnten, ist noch eine offene Frage. 128

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Trotz des statistischen Nachweises von endogenen, familiären und umweltbezogenen Einflüssen auf SIDS wollen manche Autoren den plötzlichen Kindstod gar als „passiven Selbstmord“ eines unter Beziehungsentzug leidenden Säuglings sehen: „Das Kleinkind wie der Mensch der Frühzeit sterben gewissermaßen durch einen passiven Selbstmord, wie er übrigens beim rezenten [heutigen A. d. V.] Erwachsenen unter aussichtslosen seelischen Bedingungen auch vorkommt: Erinnert sei an die Massensterben in Konzentrationslagern und Kriegsgefangenenlagern etwa um die Weihnachtszeit oder an die an Heimweh („Nostalgie“) leidenden Schweizer Söldner oder napoleonischen und schottischen Soldaten, die massenhaft still dahinstarben.“ (Singer 1984, S. 50) Selbstverständlich ist die fürsorgliche Eltern-Kind-Beziehung ein notwendiger Wirkfaktor, der das Kind vor Krankheit schützt und es am Leben hält. Der körperliche und seelisch-geistige Verfall beim Kind steht sogar im direkten Verhältnis zu Grad und Dauer von Liebesentzug und Vernachlässigung, denen der Säugling ausgesetzt ist, und kann die Entwicklung sämtlicher Persönlichkeitsbereiche zum Stillstand bringen: Ein langdauernder, völliger Liebesentzug könnte sogar hinreichend dafür sein, dass ein Säugling stirbt (Spitz 1973, Kapitel XII, Abschnitt 2), obwohl dies keineswegs zwangsläufig der Fall sein muss (vgl. z. B. Bartlett und Limsila 1992). Wissenschaftliche Beobachtungen in einem hoffnungslos überbelegten Waisenhaus (1 Schwester für ca. 10 Kinder) zeigten eine Sterblichkeit von 30 % während des ersten Lebensjahres, obwohl die körperliche Fürsorge (Ernährung, Unterbringung, Hygiene usw.) so gut oder besser wie in anderen Heimen war (Spitz 1973, S. 112–117). Wie sehr Liebe Nahrung ist (Bilek 1997, S. 243) bzw. wie tödlich Beziehungsverlust sein kann, wurde schon vor Jahrhunderten in einem gut gemeinten, gleichzeitig besonders absolutistischen Experiment zur Ermittlung der Ursprache des Menschen von Stauferkaiser Friedrich II. (1194–1250) deutlich aufgezeigt (vgl. Masson 1958, S. 233). Den Ausgang dieses umfassenden und zeitlich ausgedehnten Deprivations-Experiments beschreibt die mittelalterliche Chronik des italienischen Geschichtsschreibers Salimbene aus Parma im Jahre 1268: „Er wählte eine Anzahl verwaister Neugeborener aus und befahl … den Ammen und Pflegerinnen, sie sollten den Kindern Milch geben, dass sie sie an den Brüsten säugen möchten, sie baden und waschen, aber in keiner Weise mit ihnen schöntun und mit ihnen sprechen. Er wollte nämlich erforschen, ob sie die hebräische Sprache sprächen, als die älteste, oder griechisch oder lateinisch oder aber die Sprache ihrer Eltern, die sie geboren hatten. Aber er mühte sich vergebens, weil die Kinder alle starben. Denn sie vermochten nicht zu leben,

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ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte ihrer Ammen.“ (entnommen von Kempe und Gross 1980, S. 710, zit. nach Schmalohr 1968)

Trotz dieser überzeugenden und zum Teil wissenschaftlichen Belege, dass eine dauerhafte, liebevolle Beziehung für ein Kleinkind lebensnotwendig ist, möchte ich – nicht zuletzt wegen der oben erwähnten statistischen Eigenheiten des Syndroms – die Ansicht, dass SIDS (mit Betonung auf „sudden“) eine Art passiver Selbstmord sei, wie auch die Auffassung, dass der plötzliche Kindestod der bewussten oder unbewussten elterlichen Ablehnung des Kindes entspringe (z. B. der uneingestandenen Ambivalenz der Eltern oder gar der Bindungs-/Beziehungsunfähigkeit der Mutter oder der bemutternden Person [Gruen 1987]), entschieden zurückweisen: • Der Säugling kann sich der Seelenlage der Eltern ihm gegenüber nicht bewusst sein, obwohl dieses Bewusst-Sein des Opfers bezüglich seiner erbärmlichen Situation in allen seriös belegten Berichten von psychogenen Todesphänomenen im oben erwähnten Sinne vom Voodoo-, Tabu- oder Heimwehtod unverzichtbar dazugehört. Und es gibt keinerlei wissenschaftlich fundierte Hinweise dafür, dass eine (bewusste oder unbewusste) ablehnende Haltung der Eltern dem Kind gegenüber für das plötzliche, unerwartete Ableben des Säuglings zwingend wäre. • Spätestens seit Moses Zeiten weiß man, dass das Aussetzen eines Säuglings bzw. die bewusste oder unbewusste Ablehnung eines Kleinkindes nicht für einen plötzlichen, unerwarteten Kindstod hinreichend ist. Auch heute hören wir immer wieder die haarsträubendsten Geschichten von ausgestoßenen, missbrauchten und gehassten Säuglingen, die stundenlang in Abfalleimern überleben, bis sie schließlich von irgendeiner fremden Person gerettet werden. Wenn aber die Ablehnung des Kindes weder notwendig noch hinreichend für das SIDS ist, kann jede Behauptung des Gegenteils nur ein Unrecht den Eltern gegenüber sein. Und das Leiden kann auch die glücklichsten Eltern einer ganz normalen Familie treffen: „… Doch seit dem vergangenen 21. Juli ist es ruhig im Zimmer, wenn Larissa am Morgen ihre blauen Augen öffnet. An diesem Tag starb der kleine Dario [ihr Zwillingsbruder, A. d. V.]. Zwei Tage zuvor waren die Schmidlis mit einem gemieteten Wohnwagen ins Tessin gefahren. Das Familienglück war perfekt: Vater Bruno, 35, Mutter Maria-Theres, 34, seit sechs Jahren verheiratet, freuten

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sich mit ihren Kindern Tamara, 5, Dominik, 31/2, Dario und Larissa auf unbeschwerte Ferien auf dem Campingplatz Isola in Gudo. Zwei Tage nach der Ankunft saß die Familie mit Verwandten vor dem Wohnwagen und genoss den schönen Sommerabend: Die Väter grillten, die Kinder spielten auf dem Rasen. Kurz nach 19 Uhr brachte die Mutter ihre Zwillinge nach dem Schoppen ins Bett. Die beiden schliefen schnell ein. Auch nachher blieb das Babyphone still. Trotzdem stand Marie-Theres jede halbe Stunde vom Tisch auf und warf einen Blick ins Schlafzimmer. So auch kurz nach 22 Uhr. Doch die Mutter bemerkte, dass Dario nicht mehr im Bett lag, sondern im Schlaf auf die Decke hinübergerollt war, die die Eltern in den Spalt zwischen Bett und Wohnwagenwand gestopft hatten. Marie-Theres Schmidli: ‚Dario lag auf dem Bauch. Als ich ihn wieder ins Bett legen wollte, traf mich fast der Schlag: Dario lag wie leblos in meinen Armen.‘ Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassage waren vergeblich: Der Notarzt konnte 45 Minuten nach Eintreffen des Rettungsdienstes nur noch Darios Tod feststellen. Bruno Schmidli, von Beruf Dachdecker: »Plötzlicher Kindstod« lautete die medizinische Diagnose vor Ort, und so steht es auch im vorläufigen Obduktionsbericht.‘“ (Kutschera 1997, S. 28)

Es ist kaum anzunehmen, dass diese und viele andere von SIDS betroffene Familien die erwähnten totalitären Bedingungen für einen Deprivationstod ihres plötzlich und unerwartet verstorbenen Säuglings dauerhaft und konsequent erfüllt haben könnten. Doch müssen die unschuldigen Eltern solcher Tragödien nicht selten noch Jahre nach dem Tod ihres Säuglings ein Wechselbad der Gefühle erleben, z. B. weil Zeitungen Falschmeldungen über den plötzlichen, unerwarteten Tod verbreiten, wie die vom „Tod durch Ersticken“ oder dass „die Eltern in einem Restaurant gegessen [und das Kind allein gelassen, A. d. V.] hätten“ (op. cit.) o. Ä. Sie werden von Freunden und Bekannten auf den Tod angesprochen, die einfach nicht glauben können, was passiert ist. Quälende Selbstvorwürfe und manchmal der unausgesprochene Verdacht der Umgebung, doch schuld daran zu sein oder das Kind gar umgebracht zu haben, erhöhen die Belastung (vgl. z. B. Wottreng 1996). Auf jeden Fall sind Unterstellungen wie „unbewusste Ablehnung durch die Eltern“ nicht beweisbar und untauglich für jede Entwicklungspsychologie mit wissenschaftlichen Anspruch. (Für eine kritische Betrachtung der Deprivationslehre in der frühen Kindheit siehe z. B. Ernst und von Luckner 1985, S. 155–156, und Langmeier und Matêjçek 1977.) Dennoch möchte ich hier nicht blauäugig übergehen, dass psychodynamische Faktoren eine ätiologische Bedeutung für das SIDS haben könnten: Eine sehr von Stress beherrschte Umwelt, bedingt z. B. durch eine chronische familiäre (Hoch-)Spannung, könnte mehr oder weniger jeden Säugling in eine Art regressives, lebensbedrohliches Verhaltensmuster (psychosozialer Dysfunktionalismus) bringen und bei einer bereits bestehenden organischen Ver131

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letzlichkeit das Kindesleben auf Dauer gefährden (Friedlander und Shaw 1975). Obwohl man erst mit Recht von einem psychogenen Faktor bei SIDS sprechen könnte, wenn das Kind Botschaften im Sinne eines Ich-Bewusstseins aus der sozialen Umgebung wahrnehmen könnte (ab ca. 18 Monate), kann pränataler Stress z. B. in der Fetalzeit (Hertzen 2002), sowie postnataler Stress der elterlichen Betreuungspersonen, z. B. innerhalb der ersten 14 Lebensmonate (Wright RJ et al. 2002), das Risiko des Auftretens einer atopischen Erkrankung, z. B. Asthma und entsprechende Beschwerden (wheezing) beim genetisch prädisponierten Kind erhöhen. Darüberhinaus kann die Exposition des Kindes gegenüber biopsychosozialen Belastungen in kritischen frühen Zeiträumen (fetal, neonatal) die Programmierung der HPA-Achse, des autonomen Nervensystems und des Immunsystems über verschiedene Gene (z. B. cytosolische Glucocorticoid-Rezeptoren) dauerhaft verändern (Karrow 2006) – siehe auch (Schubert und Schüssler 2009, S. 12). Da aber bis heute solch ein Muster weder als notwendig noch hinreichend für das SIDS nachgewiesen werden konnte, möchte ich der mutmaßlichen psychogenen Komponente des SIDS an Wichtigkeit eher einen Rang unter ferner liefen einräumen. Es scheint mir zweifelhaft, ob das SIDS im Gegensatz zum bekannten Deprivationstod tatsächlich ein psychogener Tod durch autonome Wirkung unbewusster Vorgänge im Sinne der Tiefenpsychologie ist.

Einladungstod im Rahmen eines Weltenentwurfs Man kann den Einladungstod als Drama des psychogenen Todes durch die intendierte Wirkung einer im Körperinnern bewussten Aktivität im Rahmen eines Weltenentwurfs verstehen. Die in diesem Abschnitt behandelten psychogenen Todesfälle unterscheiden sich maßgeblich von allen obigen: Hier ist die Todesannäherung nichts Demoralisierendes, Feindschaftliches, Ausweg-, Hilfoder Hoffnungsloses, Schreckliches, Schwächendes, Vergeltendes o. Ä.; im Gegenteil, sie enthält für den Betroffenen eine Erfüllung, Erlösung, Heimkehr, Hilfe und Hoffnung, Lösung, einen Ausweg, ja ein Versprechen. Das Entscheidende ist hier die positive Haltung des Individuums dem Tod gegenüber. Der Stellenwert dieser Haltung konnte anhand einer Gruppe von fünf chirurgischen Patienten gezeigt werden, die ohne offensichtlichen Konflikt, ohne Panik, ohne Depression oder Suizidgedanken richtigerweise den eigenen Tod voraussahen und dann jeweils postoperativ zu einem Zeitpunkt starben, als vom medizinischen Gesichtspunkt aus keine Gefährdung mehr bestand (Weisman und Hackett 1961). Durch ausführliche psychiatrische Exploration wurde festgestellt, dass die Haltung der fünf betroffenen Personen, als der Tod heranrückte, in mehreren Punkten übereinstimmte: 132

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(1) jede ahnte ihren Tod bei der Einweisung und war überzeugt, bald sterben zu müssen (Todesahnung) (2) jede sah ihr Leben als vollendet und war frei von moralischen Verpflichtungen (Übereinstimmung mit dem Ich-Ideal durch den Tod) (3) jede akzeptierte ihren Tod als wünschenswert (Erfüllung von Fantasien oder Wünschen durch den Tod) (4) jede war auf eigene Art allein, einsam und isoliert und stellte sich vor, durch den Tod wichtige Beziehungen aufrechterhalten oder wiedergewinnen zu können (Beziehungskontinuität durch den Tod) (5) jede erwartete, durch den Tod Probleme zu lösen (Konfliktreduktion durch den Tod) (6) vier Personen sprachen in einem angstfreien, gelösten Ton, ohne Depression, von ihrem erahnten Tod (Todesakzeptanz).

Ein typisches Beispiel: „Der Patient war ein 71-jähriger Einwanderer aus Griechenland, ein Bauer, der seit 15 Jahren an einem Geschwür des Zwölffingerdarms litt. Da er die verordnete Medikation nicht einhalten konnte, war eine Operation schon mehrmals bei früherer Gelegenheit empfohlen worden. Jedesmal lehnte er ab mit der Erklärung, er ziehe einen Suizid der Chirurgie vor. Unbändige Schmerzen brachten ihn wieder ins Spital und machten eine chirurgische Behandlung unvermeidlich. Da der Patient ‚depressiv’ schien, wurde eine psychiatrische Untersuchung angeordnet, in deren Verlauf die Todesgewissheit als signifikanter klinischer Befund zutage trat. Der Patient war ein liebenswürdiger und herzlicher Mann, der sich wegen seiner Schmerzen Sorgen machte, aber keine Symptome einer Depression zeigte. Er konstatierte wie selbstverständlich, dass er nach der Resektion sterben werde. Woher diese Überzeugung kam, die er anscheinend mit völligem Gleichmut akzeptierte, konnte er nicht erklären. Die kurz zuvor aufgetretene Verschlimmerung seines Duodenalgeschwürs wurde von einem Ernteausfall ausgelöst, den er als Strafe Gottes deutete. Zwanzig Jahre zuvor wurde ihm bei einer Schlägerei auf dem Markt, wo er Gemüse verkaufte, der Kiefer gebrochen. Er verlor viel Geld in den folgenden Gerichtsverhandlungen und bekam keine Genugtuung von seinem Gegner. Während seiner Beschreibung der Ereignisse wechselte seine Haltung schlagartig, und er verhielt sich so, als ob er die Geschehnisse wiedererleben würde. ‚Die Lebensfreude war weg!‘ behauptete er, und alle hätten sich gegen ihn gewandt. Er ging nicht mehr auf den Markt. Dafür führte er sein Leben in bitterer Einsamkeit. Mit grimmiger Selbstgefälligkeit verfolgte er das sukzessive Ableben seiner Prozessgegner. Kurz nach der Beerdigung seines letzten Feindes wurde seine Ernte durch eine Dürre zerstört und der Ulcusschmerz meldete sich zurück. Dies sei die Rache Gottes, weil er seinen Feinden den Tod gewünscht habe.

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Die Chirurgen gaben sich alle Mühe, den Patienten zu beruhigen, und der Psychiater versuchte, ihm die Sachlage zu verdeutlichen und neu zu interpretieren. Der Patient blieb freundlich, höflich und in der Vorahnung seines eigenen Todes unerschütterlich. Die Magenresektion verlief ohne Komplikationen. Seine Genesung verlief soweit planmäßig. Aber nach drei Tagen wurde er plötzlich dyspnoisch, entwickelte ein Vorhofflimmern und verstarb innerhalb weniger Stunden. Die Autopsie zeigte einen großen Wandthrombus, der die Pulmonalklappe verschloss.“67 (Hackett und Weisman 1960, S. 279)

Die Autoren bieten folgende Deutung an: Der Patient litt an einem Verfolgungswahn, in dem er jeden, der damals bei seiner glücklosen Klage vor Gericht mitwirkte, als Feind erlebte. Durch magisches Denken (Zusne und Jones 1989) sah er einen kausalen Zusammenhang zwischen seinem Wunsch nach deren Tod und der Tatsache ihres Todes. Er fasste seine nie erlahmende Wut als Racheakt auf, die erst gestillt war, als sein letzter Feind unter der Erde lag. Als die Trockenheit seine Ernte zerstörte, deutete er dies als Bestrafung. Es ist ferner wichtig, den Gegensatz zwischen seinem früheren heftigen Widerstand gegen eine Operation und seiner diesmaligen gelassenen Hingabe zu betonen. Seine Todesgewissheit könnte als eine Erlösung von seiner Angst vor Strafe oder auch als Selbstmordwunsch gedeutet werden. Seine gelöste Haltung seinem unvermeidlichen Tod gegenüber stammte vielleicht aus dem Bekenntnis zum Pakt, den er mit dem Schicksal geschlossen hatte. Er ergab sich seinem Untergang, und Widerstand war undenkbar. Hierzu noch einmal das aktuelle Beispiel aus der Einführung: Als ich 2002 junge Assistenzärztin auf der medizinischen Abteilung im Spital Zollikerberg [Kanton Zürich, Schweiz, A. d. V.] war, hatte ich einen Neueintritt auf meiner Station. Es handelte sich um eine 76-jährige Frau, bei der im Rahmen einer sonographischen Untersuchung des Abdomens durch den Hausarzt zwei größere Rundherde in der Leber entdeckt wurden. Der Hausarzt überwies die sehr rüstige und ansonsten gesunde Frau zur stationären Abklärung. Wir informierten die Patientin, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine bösartige Geschwulst handelte. Die Patientin drängte auf eine Leberbiopsie, da sie eine eindeutige Diagnose und damit Klarheit über ihre nähere Zukunft wünschte. Wir rieten davon eher ab, da eine Leberbiopsie auch hin und wieder zu Blutungskomplikationen führen kann und weil die Typisierung des Tumors in diesem Fall für die Behandlung irrelevant war. Frau X. bestand aber darauf und die Leberbiopsie wurde durchgeführt.

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Das Resultat: Metastasen eines Adenokarzinoms, unklarer Primärtumor. Als ich mit Frau X. über die Diagnose sprach, bedankte sie sich herzlich, dass ich mich für die Leberbiopsie eingesetzt hatte. Sie wolle nun sterben, denn jetzt sei sie bereit dafür. Ich versicherte ihr, dass man in diesem Stadium einer Krebserkrankung noch nicht sterben müsse und dass sie noch einmal nach Hause gehen könne, da sie ja noch keine Krankheitssymptome habe. Als ich am nächsten Tag auf die Abteilung kam, wurde mir vom Pflegepersonal mitgeteilt, Frau X. habe sich am vorigen Nachmittag hingelegt und spreche mit niemandem mehr. Sie sei terminal, und dies war für alle sehr überraschend. Ich ging ins Zimmer von Frau X. und setzte mich an ihr Bett. Sie schlug die Augen auf und bedankte sich noch einmal, dass ich ihr ermöglicht hatte, eine genaue Diagnose zu bekommen. Sie wünschte mir eine gute berufliche Zukunft und schloss die Augen wieder. In der folgenden Nacht starb sie.68

Psychogener Tod und Vorzeichen „Arieti hat von verlässlichen Zeugen erfahren, dass im Dorf Pomarance in Italien ein älterer Mann zu sagen pflegte, er würde sterben, wenn der jahrhundertealte Dorfturm einstürze. Während eines Gewitters wurde der Turm vom Blitz getroffen und fiel ein. Kurz nachdem er diese Neuigkeit erfahren hatte, starb der Mann.“ (Zit. nach Kächele 1970, S. 202, bezogen auf Arieti 1959)

Menschen, die durch äußere Umstände im Sinne eines Vorzeichen den Zeitpunkt ihres Todes genau zu wissen glauben, werden weniger von panischer Angst, apathischer Depressivität oder anderen Affektäußerungen überwältigt (Bluestone und McGahee 1962); der alte Mann in der obigen Anekdote ist ein Beispiel dafür. Menschen hingegen, die pathopsychologischen Situationen ausgesetzt sind, wie sie sich bei Voodoo-Verwünschungen, bei Tabu-Brüchen, bei Hinrichtungen oder beim ärztlich vorausgesagten Todeszeitpunkt bei tödlicher Krankheit konstellieren, tendieren dazu, den nahen Tod bis zur letzten Sekunde aus dem Bewusstsein auszuklammern und verdrängen ihr düsteres Schicksal durch Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Projektion und Zwangsgedanken gegenüber einer überragenden Angst, „die ausschließlich in der Todesdrohung, nicht aber in anderen assoziierten Ängsten zu suchen ist“ (Strian 1983, S. 327). Vorzeichen und ähnliche Phänomene möchte ich hier aus einer Perspektive betrachten, die wohl mit dem klassischen psychogenen Tod eng verwandt, zugleich aber etwas ganz anderes sind: die Vorahnung des eigenen Todes (Jaffé 1958) – im Volksglauben verwandt mit Phänomenen wie Vorbedeutung, Vorgeschichte, Vorschau, Vorspuk, Vorzeichen, Zeichensehen und das Zweite Gesicht (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 993–1010). 135

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Am Anfang der Menschheitsgeschichte wurden die Vorzeichen als die Ursachen selber verstanden. Man kann sich leicht vorstellen, dass fast jedes ungewöhnliche oder unerklärliche Ereignis, z. B. das Erscheinen eines Totenvogels (Eule, Kauz, Uhu) oder ein Traum von Zahnausfall, trübem Wasser, von einem weißen Pferd (Schimmel), einem verstorbenen Vorfahren u. a. m., irgendwo irgendwann einmal als Todesvorzeichen hätte gedeutet werden können, so stark war der Eindruck, den der Tod auf den Menschen machte (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 995, 1006). Man könnte sich sogar wundern, dass überhaupt noch ein Mensch am Leben geblieben ist, wenn seit eh und je solche Vorzeichen psychogen tödlich auf unsere Urahnen gewirkt hätten. Vermutlich wurde das Ereignis erst später im Verlauf der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins in einen mystischen oder religiösen, vielleicht auch abergläubischen, dabei jedoch stets mythopoetisch sinnvollen Zusammenhang, z. B. als Todesbote, Engel, Traumerscheinung o. Ä. als Vorzeichen eingeordnet. (Siehe auch den Begriff „Killer Dream“ Parmar und Luque-Coqui 1998.) Die psychogene Wirkung solcher Vorstellungen wurde wahrscheinlich noch verstärkt, indem sie in inneren Bildern fassbar gemacht wurde; wohlgemerkt geschieht dies nur den Individuen, die sich von todbringenden Bildern beeindrucken lassen, wie ich am Beispiel des Italieners gezeigt habe. Als Vorzeichen verstehe ich auch die Vorahnung des eigenen Todes, die im Allgemeinen autonom und ungewollt auftaucht und die – jedenfalls im Volksglauben – nicht umgangen werden kann. Hierzu einige Beispiele: „Ein Regierungsrat aus Siam [heute Thailand, A. d. V.] wurde in Bad Nauheim wegen einer leichten, tuberkulösen, einseitigen Affektion der Lungenspitze behandelt. ‚Die Kur verlief störungsfrei und erfolgreich; und um so mehr erstaunte meinen Freund [Dr. Hubert, später einer der bekanntesten Kreislaufspezialisten in Nauheim, Deutschland, der als junger Arzt an der Lungenheilstätte tätig war, A. d. V.], als der Herr aus Siam ihn etwa in der Weihnachtszeit bat, Ehefrau und besten Freund aus Siam telegraphisch herzurufen, denn er werde am soundsovielten April sterben. Begreiflicherweise dachte mein Freund an eine ihm in ihren Motiven unklare akute Depression; aber als er versuchte, den Patienten auf seinen guten Heilverlauf und die sichere Aussicht auf volle Gesundung hinzuweisen, lehnte der Kranke überlegen lächelnd ab, bestritt jede nervöse Gemütsverstimmung und wiederholte den Wunsch nach telegraphischer Herbeirufung von Frau und Freund so dringend, dass er erfüllt wurde. ‚Sie kennen den Osten nicht‘, meinte er zu meinem Freund. Die beiden Vertrauten erschienen und verlebten für den äußeren Beschauer ungetrübte Wochen mit dem Kranken, der am angesagten Tage außer den beiden Nächsten auch den Arzt in sein Zimmer rief, sich bei allen herzlich bedankte und starb. Auch in diesem Fall war keinerlei erklärender organischer oder pharmakologischer Befund zu erheben.‘“ (Schultz 1965, S. 91–92)

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Solche Vorahnungen treffen nicht nur Fremde, sondern auch die Einheimischen, wie die folgende Geschichte demonstriert: „Meiner Mutter Urgroßvater war 96, als er gestorben ist. Er hat früh noch Gerste reingemacht. Da spricht er, wenn ich ock noch könnte die Gerste durch den Wind schlagen. Ich muss heut noch sterben. Da fragen sie ihn warum und wieso. Und er spricht: Ich krieg schon kalte Füße. – Wie er die Gerste fertig hat, geht er rein, setzt sich hinter den Ofen, und ist denselben Tag nachmittag tot.“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1686)

Und noch ein Beispiel: „In Südjütland begegnet der Küster Peter einer Leichenschar und fragt einen im Geleit, wen man da bringe. Das ist der alte Küster Peter, erhält er zur Antwort. Er stirbt drei Tage darauf.“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1711)

Und es sind nicht nur sogenannte einfach strukturierte Menschen, sondern auch sehr differenzierte und gebildete (siehe auch den Regierungsrat aus Siam), denen eine Vorahnung zufallen kann: „Der Musiker von Hove soll seinen Tod vorgeahnt und seine Kapelle einen Trauermarsch haben spielen lassen, bei dessen letzten Tönen ihm der Taktstock entglitt.“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1687)

Selbstverständlich hat nicht nur der Alltag, sondern auch der Krieg seine Opfer, die ihren Tod voraussehen: „Mein Vater hatte 14 Tage vor seinem Ableben, als er sich scheinbar noch recht wohl fühlte, die bestimmte Ahnung, dass er mich und meine Familie zum letzten Male sehe, als wir abreisen mussten. Zwei Wochen später war er bereits in der beginnenden Agonie und kannte mich nicht mehr. Auch im Kriege, der Millionen von Opfern nutzlos gefordert hat, gab es Offiziere und Soldaten, die mit Gewissheit den Tod voraussahen und dementsprechend Abschied für immer nahmen. Ein Verwandter von mir, aktiver Major in einem Nachbarsstaate, weissagte schon mehrere Monate vor Beginn der Feindseligkeiten den furchtbaren Kampf und war der festen Überzeugung, dass er nicht mehr heimkehren werde. Er fiel dann auch schon 1940 und ist in fremder Erde begraben.“ (Hüssy 1945, S. 252)

Und nicht nur ältere Erwachsene oder Greise, wie der Mann aus Pomarance, sondern sogar Jugendliche und junge Erwachsene, die allem Anschein nach 137

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noch ein verheißungsvolles Leben vor sich haben, können von einer Vorahnung des Todes heimgesucht werden, wie die folgenden beiden Beispiele belegen: „Beim Grabstein-Modellieren ritzt angeblich ein Schüler seinen Namen auf dem Stein ein; wenige Zeit danach stirbt er.“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1687)

„Eine junge Frau kam aus dem Elsass zur Geburt ins Frauenspital Basel, wo ich damals als Assistent tätig war. Sie eröffnete mir sofort nach Ankunft auf das Bestimmteste, dass sie an diesem Partus, es war der zweite, sterben werde. Es waren aber keine alarmierenden Symptome vorhanden und alles sprach für eine leichte und normale Geburt. Außer einer geringgradigen Wehenschwäche stellten sich zunächst nicht die geringsten Komplikationen ein und Kind sowie Plazenta wurden spontan geboren, scheinbar ohne Schwierigkeiten und Störungen. Auch die Blutung war mäßig. Trotzdem verschlechterte sich der Zustand der Patientin mehr und mehr, sie verfiel zusehends. Weder der damalige Oberarzt, Prof. Labhart, noch der Chef, Hr. Prof. v. Herff, konnten eine sichere Diagnose stellen und vermuteten ein Versagen des Herzens aus unbekannten Gründen. Nach dem Verlaufe von etwa zwei Stunden verschied die Frau, nachdem sie vorher noch zu mir gesagt hatte, ihre Ahnung stimme also doch. Sie war aber absolut ruhig und gefasst und zeigte nicht die geringsten Spuren einer Furcht vor dem nahenden Ende. … Auch der berühmte medizinische Schriftsteller Liek soll seinen Tod schon einige Monate vorher vorausgesehen haben, wie Bier berichtet.“ (Hüssy 1945, S. 252–253)

Eine Eigenprophezeihung im Rahmen der Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit eines Konzentrationslagers kann die Widerstandskraft des Körpers dermaßen absenken, dass eine im Gefangenen schlummernde Infektionskrankheit leichtes Spiel hat und den Tod des Betroffenen sozusagen „auf Bestellung“ psychogen herbeiführen kann (vgl. Kornhuber 1961): „Anfangs März 1945 erzählte mir ein Lagerkamerad, er hätte am 2. Februar 1945 einen merkwürdigen Traum gehabt: Eine Stimme, die sich als prophetisch ausgab, sagte ihm, er möge sie etwas fragen – sie könne ihm alles sagen. Und er fragte sie, wann für ihn der Krieg zu Ende sein werde. Die Antwort lautete: am 30. März 1945. Dieser 30. März nahte heran, aber es sah keineswegs so aus, als ob die ‚Stimme‘ recht behalten sollte. Am 29. März wurde mein Kamerad febril und delirant. Am 30. März wurde er bewusstlos. Am 31. März starb er: das Fleckfieber hatte ihn hinweggerafft. Tatsächlich war am 30. März – jenem Tage, an dem er bewusstlos geworden war – für ihn der Krieg zu Ende.“ (Frankl 1961, S. 750)

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Solch eine Eigenprophezeihung kann auch durch Aberglauben entstehen: „Goldie erzählt den Fall eines Maori, welcher mit einem Weißen reiste. Unterwegs lief ihm eine Eidechse über den Fuß; der Maori inspizierte sie sorgfältig, ließ sie wieder laufen und erklärte darauf, er werde in 8 Tagen sterben. Die Eidechse sei die Seele eines bereits verstorbenen Ahnen gewesen, welche gekommen sei, um ihn darauf aufmerksam zu machen. Sie hatte acht schwarze Flecken, das bedeutete den Tod am 8. Tage. Der Maori lebte nun die nächsten 7 Tage wie gewöhnlich weiter, am Abend des 7. Tages legte er sich hin, wickelte sich in seine Decke, und am Morgen des 8. Tages wurde er tot aufgefunden.“ (Ellenberger 1952, S. 342)

Es gibt auch bestimmte Leute, die Todesfälle voraussehen. Im Volksaberglauben werden sie Wicker genannt (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1000–1001). Von ihnen sagt man, sie hätten die Gabe des „Zweiten Gesichts“, auch „Vorgesicht“ oder „Vorgeschichte“ genannt. Das Zweite Gesicht kann im Zusammenhang mit Träumen auftreten, wie folgende, wohl auf ähnlichen Erfahrungen basierende Geschichte: „Im Stedingerlande diente ein Knecht, der die Gabe hatte, Vorspuk zu sehen. Wenn ein Todesfall bevorstand, musste er aus dem Bette und auf die Diele gehen, wo dann der Sarg stand, und jedes Mal starb der, welchen er gesehen, in Jahresfrist. Als es ihn einmal wieder auf die Diele trieb, sah er den Sarg, aber den Toten, der darin lag, erkannte er nicht. Warte, dachte er, ich will dich schon wieder kennen, wenn ich dich antreffe, nahm ein Messer und schnitt dem Toten über der Stirn ein Büschel Haare ab. Als sie am nächsten Morgen beim Trinken saßen, sagte die Großmagd zum Knechte: Du, wer ist dir bei den Haaren gewesen? Der Knecht erschrak und sah, dass er selbst der Tote gewesen sei, dem er das Haar abgeschnitten. Er kündigte sofort den Dienst, denn der Tote muss in dem Hause sterben, wo er gesehen, – und verdang sich anderswo. Aber nach einiger Zeit fühlte er eine große Sehnsucht nach seiner alten Herrschaft und machte sich, da er sich ganz wohl fühlte, auf, um dieselbe zu besuchen. Wie er aber im Hause war, starb er. – In Butjadingen heißt der Schluss: Nach Jahren traf der Bauer seinen früheren Knecht in dem Wirtshause seines Dorfes, wo derselbe übernachten wollte, und lud ihn ein mitzugehen. Der Knecht nahm seine Einladung an und starb in derselben Nacht in dem Hause seiner alten Herrschaft. In Fladderlohausen stirbt der Knecht, als er am nächsten Sonntag nach seinem Abgange ein vergessenes Bündel Kleidungsstücke abholen will; in Altenoythe, als er im Hause der früheren Herrschaft einen Toten ansagen muss. Er will nicht bleiben, lässt sich aber herbei, einen Augenblick Platz zu nehmen, wird plötzlich unwohl und stirbt.“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 1703)

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Ich möchte diesen Abschnitt mit einem mutmaßlich richtig beobachteten Todesvorzeichen abschließen: „Läuft drum ein Hund aus der Stube eines Kranken fort, so stirbt der Kranke bald“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 994). (Siehe auch den Begriff „Killer Dream“, Parmar und Luque-Coqui 1998.) Natürlich schmeckt dieser Satz nach Bauernregel, und man könnte energisch entgegnen: Es gibt zu viele unterschiedliche Hunde und zu viele Krankheiten, als dass ein solches Geschehen glaubhaft wäre. Doch findet man Ähnliches auch in der medizinischen Literatur, z. B. dies hier: „Wenn Kater Oscar am Patientenbett erscheint, weiß das Pflegepersonal, welche Stunde geschlagen hat: Das Tier kann den Tod ankündigen. In den letzten zwei Jahren sei Oscar im Altersheim von Providence im US-Staat Rhode Island zu mehr als 25 Demenzkranken gekommen, die kurz darauf verschieden seien, berichtete Doktor David Dosa von der Brown University in Providence im ‘New England Journal of Medicine’. Oscar rieche an Patienten und setze sich neben Menschen, deren Tod innerhalb weniger Stunden eintreffe.“ (sda/ap-Artikel, erschienen in „Der Bund“ am Freitag, 27. Juli 2007). (Dosa 2007)

Bewusstes psychogenes Sterben „Wenn der Kopfjäger alt geworden ist und bis dahin noch niemand seinen Kopf erbeutet hat, legt er sich einfach nieder, verweigert Essen und Trinken und stirbt innerhalb weniger Tage an Dehydratation. Ob dies aufgrund von psychischem Stress wegen der physischen Gegebenheiten geschieht oder aufgrund einer sachlichen und letztlich philosophischen Entscheidung, überlassen wir dem Leser.“69 (Schmidt und Schmidt 1964, S. 511)

Verwandt mit diesem Phänomen des bewussten psychogenen Sterbens sind Geschichten wie die vom alten Poeten, der sich erst nach der Vollendung seines Lebenswerkes hinlegt und stirbt – siehe die erwähnte Anekdote über den Musiker von Hove – oder die des todkranken Patienten, der sich, oh Wunder, gerade noch so lange am Leben hielt, bis eine von ihm geliebte Person endlich auf Besuch kam (vgl. Ellenberger 1973, S. 342). Nun stellt sich die Frage, ob solche und ähnliche Fälle des „Selbstauslöschens des Lebenslichtes“ einem bewussten Entschluss folgen, zu einer selbstbestimmten Zeit sterben zu wollen, oder ob sie eher Ergebnis einer Gewissheit sind, innerhalb eines vorbestimmten Zeitrahmens sterben zu müssen. Diese Frage lässt sich z. B. zum Tod des großen Weltenlehrers und Yoga-Meister Paramahansa Yogananda stellen:

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„Am 7. März 1952 ging Paramahansa Yogananda in Los Angeles [Kalifornien, A. d. V.] in den ‚Mahasamadhi’ ein [den endgültigen und bewußten Austritt eines Yogi aus seinem Körper, A. d. V.]. Unmittelbar zuvor hatte er auf einem Bankett zu Ehren des indischen Botschafters, Seiner Exzellenz Binoy R. Sen, eine Ansprache gehalten.“ (Yogananda 1993, S. 185)

Das Sterben bei vollem Bewusstsein ist wohl eine Seltenheit, eher dem „Heiligen“ als dem Normalsterblichen vorbehalten. Menschen, die eine Todesgewissheit haben und bis zuletzt im Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten bleiben, befinden sich meist in einem euphorischen Zustand, ohne Todesfurcht (Hüssy 1945). Hierzu eine Geschichte von einem Nicht-Heiligen: „Belgrad, 5. Oktober 1928 – Im Dorf Koprivnica sagte vor mehreren Monaten ein Bauer namens Ujseck, dass er am 4. Oktober 1928 sterben werde. Am besagten Tag rief er seine Familie zu sich, bestellte seinen Sarg, verabschiedete sich von seinen Freunden, begab sich um die Mittagszeit zu Tisch und starb an einem Schlaganfall. Das einfache Volk glaubte an ein Wunder und war entsprechend aufgeregt. (Neues Wiener Tagblatt, 6. Oktober 1928).“70 (Menninger 1948, S. 35)

Solche Berichte kommen wiederholt vor und handeln in der Regel von Männern, selten von Frauen. Normalerweise gibt das „Opfer“ noch Anweisungen, die nach seinem Tod ausgeführt werden sollen. Auf jeden Fall scheint der Mensch im Allgemeinen fähig, an einem vorhergesagten Zeitpunkt zu sterben, ohne irgendwelche Anzeichen einer Krankheit aufzuweisen, die seinen nahenden Tod vermuten ließen. An dieser Stelle möchte ich eine Anekdote zum Thema „psychogene Unsterblichkeit“ einflechten, die man sich über den österreichischen Schriftsteller und Satiriker Karl Kraus (1874–1936) erzählt: „Er pflegte zu sagen, er wolle immer leben, er glaube nicht daran, dass er sterben müsse (…) Der Geist müsse die Macht haben, den Tod zu verhindern (…) Er sagte wörtlich: ,Nur im Zustand des Irrsinns kann ich dem Tod verfallen. Es ist nicht wahr, daß Goethe friedlich starb. Er schrie drei Tage und drei Nächte lang in Todesangst.‘ “ (Kann 1944)

Bei der Nachricht vom plötzlichen Tod Samuel Lublinskis rief er aus: „Gehirnschlag, das sollte es nicht geben!“ Leider aber ist die psychogene Unsterblichkeit noch schwieriger zu erlangen als der psychogene Tod. Karl Kraus erlag am 12. Juni 1936 im Alter von 62 Jahren selbst einem Hirnschlag (vgl. Schick 1965, S. 136). Auch für den in der bulgarischen Stadt Rustschuk geborenen Schriftsteller und Nobelpreisträger Elias Canetti (1905–1994) war der Tod eines der Grund141

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themen seines Lebens und Schreibens, und auch er wollte nicht an die Unvermeidlichkeit des Todes glauben. In einer frühen Aufzeichnung aus dem Jahre 1943 schrieb er: „Seit vielen Jahren hat mich nichts so sehr bewegt und erfüllt wie der Gedanke des Todes. Das ganz konkrete und ernsthafte, das eingestandene Ziel meines Lebens ist die Erlangung der Unsterblichkeit für die Menschen.“ (Jacobi 1994)

Zusammenfassung: Sendungsbewusstsein versus Inspiration Beim Seelentod haben wir das Drama des psychogenen Todes durch die autonome Wirkung einer im Körperinnern seelischen Aktivität, ob bewusst oder unbewusst. Besessenheit, Exorzismus und Himmelfahrt „So erklärten mehrere Nonnen des Klosters Unterzell bei Würzburg 1749 durch die aus ihnen redenden Dämonen, die Subpriorin Maria Renata habe durch böse Praktiken den Teufel in sie gezaubert. Die Angeschuldigte wurde verbrannt.“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 1, S. 1152)

Die Besessenheit wird im katholischen Glauben als von der eigentlichen Geisteskrankheit grundverschieden betrachtet: Der Besessene weigere sich beharrlich, den Namen Christi oder Gottes auszusprechen, er wisse künftige und verborgene Dinge oder rede in Sprachen, die er nie gelernt hat, er heule wie ein wildes Tier oder belle wie ein Hund, er habe übermenschliche Kräfte und könne an glatten Wänden hinauflaufen u. a. m. Trotzdem komme ein Geisteskranker, insbesondere ein perniziös-katatoner Mensch, den voreingenommenen oder natur verbundenen Mitmenschen (z. B. bei den Naturvölkern oder bei den Menschen des Altertums) wie jemand vor, von dem ein böser Geist, ein Teufel oder tödliche Zauberkräfte Besitz genommen hätten. Im Sinne dieser Metapher bezeichne ich in diesem Kapitel das Drama des psychogenen Todes durch autonome Wirkung unbewusster Vorgänge im Sinne der Tiefenpsychologie, als „Besessenheitstod“, wobei der Mensch auch von einer fixen Idee, z. B. einer Todesvorahnung, „besessen“ sein kann. Das Verhindern eines solchen bereits eingeleiteten Todesprozesses wird im Volksglauben auch als direkte, gewaltsame Vertreibung der anwesenden bösen Geister oder Kräfte im Sinne des heute noch praktizierten Exorzismus zur Beschwörung einer dämonischen Macht verstanden (siehe Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 2, S. 1098–1107). Solche Beschwörungsformeln und Zaubersprüche sind sogar im uralten Zauberpapyrus zu finden, z. B. im Pap.

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Seelentod

Mag. IV 1239, S.114 und ebenso IV 3007ff., S. 170 (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 2, S. 1099). Eine indirekte psychogene Vertreibung bzw. eine Übertragung des tödlichen Unheils findet z. B. mittels des Sündenbocks statt und ist hier auch von Interesse. Schließlich erwähne ich noch den Abwehrzauber oder die Unheil abwehrenden und läuternden Riten, die vertreibend oder prophylaktisch wirken können, z. B. gegen den bösen Blick. Sogar in der heutigen Zeit wird in der modernen Psychiatrie die Hilfe von Geistheilern (Bösch und Kind 1998; Bösch 1998; Taverna 1998) oder die Heilung durch Imagination (Benedetti 1994; Maass 1981; Schmid 1997, 1997; Schmid et al. 1997, 1998) oder durch Hypnose (Vas 1993) in Anspruch genommen. Es bleibt noch eine offene Frage für die theologische Forschung, ob oder inwiefern die religiösen Auferstehungs- und Himmelsfahrtslegenden nicht doch den psychogenen Tod des Gepriesenen in religiösen Bildern umschreiben.

Pathogenetische Faktoren beim Seelentod Kurz kann man den Seelentod als „Tod durch den Verlust der Bindung an sich selbst“ bezeichnen. In allen diesen Beispielen zum Formenkreis Seelentod haben wir jeweils einen gewissen Mr. X, dessen einziger „Fehler“ darin besteht, mit einer (möglicherweise genetisch bedingten) erhöhten Sensibilität „gesegnet“ zu sein, die seine seelische Verletzlichkeit zu intensivieren respektive seine Belastungsfähigkeit (z. B. für Angst) zu senken vermag, was u.U. tödlich enden kann. Unter dem Begriff „Seelentod“ verstehe ich unbewusste, zum Tode führende Vorgänge im Körperinnern, die von psychischen Prozessen evoziert werden können, aber nicht dem Voodoo-, Tabu- und/oder Heimwehtod eindeutig zugeordnet werden können. Wie wir gesehen haben, stehen solche Prozesse im Zusammenhang mit einer vielfältigen Palette psychischer Phänomene wie Persönlichkeit, Neurose oder Psychose, vornehmlich als perniziöse Katatonie, plötzliche unerwartete Todesfälle (sog. SUDS), Pensionierungstod, Tod durch Überarbeitung (Karoshi), Todesvorzeichen und bewusstes, psychogenes Sterben (Mahasamadhi o. Ä) usw. In diesem letzten Abschnitt des Kapitels „Seelentod“ möchte ich nochmals eine eher medizinische Perspektive einnehmen. Ich möchte zeigen, dass Todesängste ohne reale Bedrohung – ob eher diffus oder spezifisch-phobisch (Thanatophobie) – bei vielen neurotischen und psychotischen Störungen eine wichtige Rolle spielen (vgl. Strian 1983, S. 327–328). Zum Schluss kann ich sicher keine endgültige Erklärung liefern, eher möchte ich ein Gefühl dafür vermitteln, wie schwierig das Problem sein kann, sogar dann, wenn unsere Aufmerksamkeit auf klare klinische Gegebenheiten beschränkt bleibt. 143

Das psychogene Todessyndrom

„Wenn wir den Lebensvorgang als die Einheit von Werden und Entwerden verstehen, so ist der Tod ein Teil dieses Ganzen. Er ist also Mitgestalter der menschlichen Zeitgestalt: im letzten Schritt des Lebens aufs Ende zu erscheint der Tod als der die Gestalt des Menschen vollendende Schlussakkord, als das Austönen einer Melodie, die er mitgeformt hat, und die ohne ihn ein Torso bliebe, eine unvollendete Symphonie.“ (von Gebsattel 1954, S. 169)

Wir sind nun an dem Punkt angelangt, die Charakteristika des psychogenen Todes zu spezifizieren. Dazu ziehe ich die zahlreichen zitierten Berichte heran, die aus Beobachtungen von Augenzeugen stammen und in der medizinischen Fachliteratur zu finden sind. Als Resultat dieses Studiums habe ich drei Merkmale identifiziert, die in ihrer Gesamtheit eine hinreichende Definition des psychogenen Todessyndroms ermöglichen. Ich möchte zwei semantische Fragen klären: Was verstehen wir unter dem Begriff „Tod“ und was unter dem Begriff „Todesursache“? Vorerst möchte ich hier eine Zusammenfassung für den Voodoo- und TabuTod sowie eine für den Heimweh- und für den Seelentod bringen. Was haben Dornröschen, Ussa, Heidi und Mr. X aus den obigen Kapiteln gemeinsam? Die Antwort lautet: Alle vier haben sie eine tödliche psychogene Käfigsituation erlebt. Aber nur Dornröschen und Heidi haben sie überstanden; für ihre beiden Leidensgenossen sah das Schicksal leider den Tod vor! Und wie bereits erwähnt, wird diese Käfigsituation jeweils durch einen Satz wie „Du wirst sterben“ oder „Ich werde sterben!“ ausgelöst.

Voodoo- und Tabu-Tod: „Du wirst sterben!“ Naturvölker verstehen Voodoo- und Tabu-Tod als die von übernatürlichen Kräften verursachte Konsequenz eines Zaubers, einer Verfluchung oder einer Verbots-Verletzung. Hier beruht der psychogene Tod auf •

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einer absoluten Überzeugung (unbewusste Einstellung) vom unausweichlichen und unüberwindbaren, tödlichen Resultat solcher Kräfte (Ausweg- und Hilflosigkeit)

Heimweh- und Seelentod: „Ich werde sterben!“

und setzt voraus, • •

dass das Opfer vom magischen Tun bewusst weiß und dass die zermürbende Vorstellung (Entmutigung) – seiner ausweg-, hilf- und hoffnungslosen Situation und – seiner sozialen Ausgeschlossenheit (emotionelle Isolation)

von einer erwartungsvollen Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod (persistierende tödliche Vorstellung) begleitet wird. Eine Gemeinsamkeit haben alle diese mysteriösen Todesfälle: den Verlust der Bindung an die Gemeinschaft durch einen bestimmten Menschen (Zauberer o. Ä) (Voodoo-Tod)) oder an einen bestimmten Wert (Tabu-Tod). Eine andere verheerende Vorstellung einer ausweg- und hoffnungslosen Situation und sozialer Isolation, die wohl auch der modernen Mensch gut kennt, ist das Heimweh sowie der seelische Kollaps in Form des Seelentodes.

Heimweh- und Seelentod: „Ich werde sterben!“ Das Opfer eines Heimweh- oder Seelentodes erleidet eine emotionelle Isolation infolge einer körperlichen oder seelischen Verbannung aus seinem üblichen sozialen Umfeld. Der psychogene Tod im Fall von Heimweh und Seelentod bedingt •

die absolute Überzeugung (unbewusste Einstellung) von der Unausweichlichkeit und Unüberwindbarkeit der Bedingungen der emotionellen Isolation

und setzt voraus, • •

dass das Opfer von den Umständen dieser Unbedingtheit weiß und dass die zermürbende Vorstellung (Entmutigung) – seiner ausweg-, hilf- und hoffnungslosen Situation und – seiner sozialen Ausgeschlossenheit

von einer erwartungsvollen Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod (persistierende tödliche Vorstellung) begleitet wird. Eine Gemeinsamkeit haben alle diese mysteriösen Todesfälle: den Verlust der Bindung an einen bestimmten Ort (Heimweh-Tod) oder an sich selbst (Seelentod).

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Das psychogene Todessyndrom

Definition des menschlichen Todes Im Volksglauben wird der Tod „meist als eine Trennung von Leib und Seele, als eine Abreise der Seele aufgefaßt“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 970). Aus philosophischer Sicht könnte man den Tod als den Grundzustand des Daseins definieren, aus dem sich Psyche und Materie gleichzeitig hervorheben und sich im gegenseitigen Zusammenspiel durch gemeinsame und an sich nicht feststellbare Ordnungsprinzipien zu lebenden Organismen selbst organisieren. In genau diesem Sinne ist der Tod gleich dem Vakuumzustand, aus dem sich – so wollen es die Physiker verstanden haben – die Elementarteilchen zeitgleich hervorheben und sich im gegenseitigen Zusammenspiel durch gemeinsame, an sich nicht feststellbare Ordnungsprinzipien zu den diversen Welten selbst organisieren. Wenn ich in diesem Buch von Tod spreche, meine ich der Einfachheit halber einen allgemein-biologischen Zustand, „der als irreversibler Stillstand des Stoffwechsels charakterisiert werden kann“ (Kächele 1970, S. 108), und nicht eine Seinsebene im philosophischen, parapsychologischen, metaphysischen, mystischen, spirituellen, religiösen o. Ä. Sinne. Zu begrifflichen Orientierung schließe ich mich den medizinisch-ethischen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW, 2005) an, die den Tod des Menschen folgendermaßen erläutern: Der Mensch gilt als tot, sobald einer der folgenden Zustände eingetreten ist: a) Vollständiger und irreversibler Funktionsausfall des Gehirns einschließlich des Hirnstamms (Hirntod) b) Anhaltender Herz- und Kreislaufstillstand, der die Durchblutung des Gehirns so lange reduziert oder unterbricht, bis der irreversible Funktionsausfall von Gehirn und Hirnstamm und damit der Tod eingetreten ist (Tod nach Herz-Kreislaufstillstand) (Herztod) Hirntod und Herztod gelten als Tod schlechthin (siehe auch Hitzig et al. 1995, S. 869; vgl. Hitzig und Weibel 1999, S. 243).

Sterben ist ein zeitlicher und physiologischer Prozess. Wenn nun der Individualtod mit dem Erlöschen der Hirnfunktionen angesetzt wird, gibt es bei eben Verstorbenen noch so genanntes supravitales Gewebe, das aufgrund größerer Toleranz von Sauerstoffmangel (verglichen mit Nervengewebe) weiter überlebt, selbst wenn der Blutkreislauf zum Erliegen gekommen ist. Je nach Umgebungstemperatur und anderen Faktoren (Fieber oder Unterkühlung, Strahlung) kann diese intermediäre Phase unterschiedlich lange dauern, jedoch ist sie sicherlich mit dem Auftreten von „flächiger Fäulnis“ zu Ende.

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Ursache und Zeitpunkt des Todes

Als Eintrittspunkt des Todes sieht man heute gewöhnlich den Moment an, in dem die Atmungs- und Herztätigkeit (Kreislaufstillstand, der potentiell noch reversible klinische Tod) oder die Gehirnaktivität erlischt (Hirntod, der endgültige Individualtod). Um den feststellenden Arzt vor einer strafrechtlich relevanten Fehldiagnose zu bewahren, sollte nach Ansicht von Pathologen darauf geachtet werden, dass der Arzt bis zum Eintreten der Totenflecken (erste Anzeichen erkennbar spätestens 30 Minuten nach Eintritt des Todes) oder bis zu einem anderen sicheren Nachweis (zehnminütige EKG-Null-Linie, Hirntodnachweis durch EEG) mit Maßnahmen zur Wiederbelebung fortfährt. Aufgrund der modernen medizinischen Diagnostik kann der Tod eines Menschen in der Regel zweifelsfrei festgestellt werden, der Begriff Scheintod (auch lat. Vita reducta oder Vita minima: das reduzierte bzw. minimierte Leben) wird für Zustände von Bewusstlosigkeit und Koma nicht mehr verwendet. Jedoch wird im Hinblick auf Organtransplantationen vor der Entnahme zusätzlich der Nachweis der Irreversibilität des Funktionsausfalls des Gehirns verlangt: eine Beobachtungszeit von 6 Stunden bei Erwachsen und Kindern über zwei Jahren, bei Kindern unter zwei Jahren sogar eine solche von 24 Stunden. Dies impliziert noch immer eine Unsicherheit in Bezug auf die Feststellung des Todes bei der ersten klinischen Beurteilung. Bei anhaltendem Herz-Kreislaufstillstand (Non Heart Beating Donors) werden zusätzliche Anforderungen an die Beobachtungszeit bis zur Feststellung des Todes gefordert. (Siehe Medizinisch-ethische Richtlinien der SAMW, Seiten 9 und 10.) Die Supravitalität bezeichnet Vorgänge, die im Sterbeprozess ablaufen, und zwar speziell während der Phase des intermediären Lebens, also nach Eintritt des Individualtodes bzw. des Lösens eines Organs oder Zellverbandes aus dem Organismus, aber noch vor dem absoluten Tod, dem Absterben der letzten Zelle. Ich lasse hier die menschliche und psychologische (thanatologische) Komponente der Todesfrage beiseite, um den Umfang dieser Arbeit einzugrenzen (vgl. z. B. Weisman und Hackett 1961, S. 241–247).

Ursache und Zeitpunkt des Todes „Bewertet man die Obduktionsbefunde unter dem Gesichtspunkt, welche Rolle sie in der Entwicklung zum UST [unerwarteten Säuglingstod, A. d. V.] gespielt haben, so lassen sich drei Arten unterscheiden: Befunde, die den Tod nicht erklären, Befunde, die ihn nicht hinreichend erklären, z. B. ein katarrhalicher Infekt oder eine Mittelohrentzündung, und Befunde, die ihn erklären, z. B. eine massive Lungenentzündung oder eine Sepsis. Diese verschiedenartigen Befunde, als Gruppe 1, 2 und 3 bezeichnet, werden zur Klassifizierung der Todesfälle herangezogen; jeder plötzlich gestorbene Säugling wird nach Bewertung aller erhobenen Befunde in eine der drei Gruppen eingestuft.“ (Molz 1999, S. 201)

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Das psychogene Todessyndrom

Im Sinne des obigen Zitats unterteilt die Medizin die unerwarteten Todesfälle nach dem Grad des vorhandenen pathologischen Befunds, der als Todesursache in Betracht gezogen werden kann. Leicht zu übersehende Todesursachen sind insbesondere Myokarditis (Strehler 1998) und Lungenembolie (Schnegg 1996), da sie einschließlich der ursächlichen Thrombosen oft klinisch stumm verlaufen (Hardmeier 1999). Bei Patienten, die sich in einem chronischen Krankheitszustand befinden, der die Betroffenen erfahrungsgemäß für einen plötzlichen Tod prädisponiert, ist es immer schwierig, eine Erklärung dafür zu finden, warum der Tod gerade zu diesem und nicht zu einem anderen Zeitpunkt eingetreten ist. Auf jeden Fall wird die Todesursache von der naturwissenschaftlichen Medizin als integraler Bestandteil der natürlichen Welt verstanden. Für den Volksglauben ist dies keineswegs so selbstverständlich.

Ursache Der Volksglaube teilt die Todesursachen in natürliche und übernatürliche Arten. Zu den natürlichen Todesarten gehören Altersschwäche, Krankheit und gewaltsamer Tod (Totschlag, Unfall, Vergiftung usw.), zu den übernatürlichen Tod durch Fernzauber, z. B. Totbeten, das „Nachgezogenwerden“ durch vorher Verstorbene – siehe „Nachzehrer“ – sowie die Begegnung mit Geistern und andere bereits genannte „unheimliche“ Ursachen oder Verursacher: Voodoo, Tabu, Heimweh und Besessenheit. Für die weitere Betrachtung unterteile ich die natürlichen Todesursachen in drei Kategorien. Ich nehme an: Das Sterben sei von einer oder mehreren der drei Daseinsebenen – dem körperlichen, dem psychischen oder dem sozialen Sein – aus inszeniert und ende jeweils mit dem biologischen Tod. Die darüber hinausgehende, durchaus berechtigte und wichtige Frage, ob das Sterben seinen Ursprung nicht doch in einer übernatürlichen, jenseitigen, d. h. spirituellen Seinsebene haben könnte, sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Auf jeden Fall, d. h. bei allen Arten, bleibt der ureigentliche Protagonist des Sterbens, die Todesursache, verschleiert. Dieser Schleier besteht unter anderem, weil die komplexe innere Vernetzung der physiologischen Prozesse im lebenden Organismus den Nachvollzug einer lückenlosen zum Tode führenden Kausalkette verunmöglicht. Sogar wenn eine solche Kausalität bis ins feinste Detail verfolgt werden könnte, gelangten wir irgendwann an die Grenze unserer eigenen Begrenztheit, diesseits der der Todesprozess vermutlich „automatisch“ physiologisch abläuft, und jenseits der die ureigentliche Ursache des Todes geortet wird. Um einen Rekurs ad infinitum zu vermeiden – jede Todesursache hat selbst eine Ursache usw. –, schlug der Mediziner J. Orth vor, die Absicht, die hinter 148

Ursache und Zeitpunkt des Todes

der Frage nach der Ursache eines Todes steht, in der Antwort mitzuberücksichtigen (Orth 1908): Für den Atomphysiker gibt es andere Antworten als für den Pathologen, – siehe unsere Diskussion unten zum Thema „John von Neumanns Schranke“ – für den Pathologen noch andere als für den Kliniker, für den Kliniker andere als für den Richter, für den Richter andere als für den Philosophen, für diesen wiederum noch andere als für den Theologen. Der Gerichtsmediziner M.G. Bohrod hat das ganze Problem in einem originellen Satz zusammengefasst: „Die Todesursache ist das Statement, das der Pathologe dem Kliniker oder der Behörde gegenüber macht, und letztere zur Aussage zwingt: ,Tja, ich bin nicht weiter überrascht, dass der Patient gestorben ist‘. “71 (Bohrod 1963)

Die psychogenen Todesfälle, die dem Bedürfnis nach Kausalität am ehesten Genüge leisten, sind jene, die „nur“ durch Schreck und Angst zu einem „emotional, d. h. psychogen ausgelösten reflektorischen Herzstillstand“ führen (Schleyer 1965). Hier treffen sich Tod und Psyche gemäß einem einfach nachvollziehbaren psychosomatischen Modell in einem zentralnervösen Substrat. Rein phänomenologisch und zwecks begrifflicher Differenziertheit können vier „magische“ Dimensionen der Todesursache unterschieden werden, die beim psychogenen Todesprozess eine zentrale Rolle spielen: Voodoo-Magie als ein interpersonal-introvertierter, d. h. ein zwischen einer Drittperson (dem Magier) und der eigenen Person (dem Verzauberten) auf die eigene Person gerichteter, magischer Prozess; Tabu-Magie als ein interpersonal-extrovertierter, d. h. ein zwischen einer Drittinstanz (der Sozialgruppe) und der eigenen Person (dem Tabubrecher) auf die Umwelt (das Tabu-Objekt) gerichteter, magischer Prozess; Heimweh-Tod als ein intrapersonal-extrovertierter, d. h. ein zwischen der eigenen Person und der eigenen Person (in beiden Fällen der Heimweh leidenden) auf die Umwelt (die Heimat) gerichteter, magischer Prozess und schließlich Seelentod als ein intrapersonal-introvertierter, d. h. ein zwischen der eigenen Person (dem Besessenen) und der eigenen Person (dem Besessenen) auf die eigene Person gerichteter, magischer Prozess. Die neuesten Forschungen auf dem Gebiet der Todesursachen lassen sogar ein Gen vermuten, dessen Wirkung eine deutlich unterschiedliche individuelle Lebenserwartung zur Folge hat (de Haan et al. 1998; siehe auch unten). Ob auch die Psyche diese Wirkung aktivieren oder sonstwie beeinflussen könnte, bleibt offen.

Zeitpunkt „Warum nun zu diesem Zeitpunkt und nicht früher oder gar nicht hat der Tod den Gestorbenen erfasst?“ Ohne Berücksichtigung der den Tod begünstigenden psychischen Faktoren, die lebensbedrohliche Organstörungen wie Tachy149

Das psychogene Todessyndrom

arrhythmien oder gar maligne Arrhythmien triggern können, vermögen wir diese Frage auch mit allen denkbaren Mitteln wohl nie zu beantworten. Zweifellos gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen emotional-mentaler Belastung und auslösenden Situationen für lebensbedrohliche Organstörungen, in erster Linie an Hirn (Anfällen) oder Herz (Arrhythmien). Allerdings sind die psychischen Ursachen nicht mit als objektiv geltenden Laborresultaten zu erfassen. Man muss dafür etwas in die Tiefe (der Psyche) tauchen, was größeren Zeitaufwand erfordert. Der Todeszeitpunkt wird im Volksglauben oft als der Augenblick der Trennung von Leib und Seele gesehen, der sich durch Ende der Atem- oder Herztätigkeit ankündigt. Der Mensch an sich hält sich nicht unbedingt an medizinische Erkenntnisse, sondern ist so geartet, dass er „auch Ohnmacht, Schlaganfälle und ähnliche Zustände dem Tode gleichsetzt, und dann ein Wiedererwachen aus dem Tode annimmt“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 970). Weit verbreitet ist der Glaube, dass vorzeitig Gestorbene, z. B. Kinder und junge Leute, „umgehen“ müssen, auch Ertrunkene, Hingerichtete, Selbstmörder, Verunglückte und Wöchnerinnen. Alle diese Toten seien ungern aus dem Leben gegangen und könnten sich nur schwer vom Diesseits trennen. Vielleicht herrscht hier das Gefühl, „dass diesen Toten noch ein gewisses Quantum Lebenskraft geblieben sei und dass sie darum umgehen müssen. Manche Fälle könnten auch so erklärt werden, dass Leute, die in einem besonders „machterfüllten“ Zustand sterben (Wöchnerinnen, Krieger) von dieser Eigenschaft auch nach dem Tode noch etwas behalten. (…) Die vorzeitig Verstorbenen müssen umgehen bis zu der Zeit, da sie hätten sterben sollen“ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 974). Bestimmte Konstellationen der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen (z. B. ein zwanghaft-korrektes Über-Ich) sowie unglückliche psychosoziale Situationen (z. B. das Halten einer öffentlichen Rede, vgl. Lown 1987) können im Zusammenspiel mit der organischen Grunderkrankung fatale Auswirkungen haben: – eine hoch affektiv besetzte verletzbare psychosoziale Situation, – eine Panikepisoden ähnliche Erwartungsspannung oder – eine aversive Ärgerreaktion auf der Basis eines andauernden Zustands von Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit (Käfigsituation)

stellen z. B. nur drei solcher tödlichen psychosozialen Kombinationen dar (vgl. Hofmann et al. 1999). Vor allem wegen der Transplantationsmedizin hat heutzutage die Frage nach dem Todeszeitpunkt gerade in den Industrieländern das Interesse der Medizin auf sich gezogen. „Sind Hirntote wirklich ,toter‘ als Herztote? Transplantierte Organe können Leben retten. Doch ob die Spender schon tot oder noch am Leben sind, ist umstritten“ lautet die Schlagzeile in einer Wochenzeitschrift 150

Ursache und Zeitpunkt des Todes

(Nordmann 1999). In der Tat haben viele Menschen, vor allem Pflegepersonal, große innere Widerstände, einen Hirntoten als Leiche zu betrachten: „Ein Hirntoter wirkt nicht nur lebendig. In vielerlei Hinsicht ist er es auch. Zahlreiche Lebensfunktionen bleiben erhalten: Das Herz schlägt selbstständig, der Blutkreislauf ist aufrechterhalten, der Stoffwechsel funktioniert. Der Hirntote besitzt die Fähigkeit zur Verdauung und Ausscheidung. Auch die Atmung, im engeren Sinn, ist vorhanden, nur das Atemholen besorgt eine Maschine. Ebenfalls noch nicht verloren sind die sogenannten reproduktiven Vitalfunktionen: Hirntote Männer sind grundsätzlich erektions- und ejakulationsfähig, ebenso wie hirntote Frauen nicht nur gebär- sondern auch empfängnisfähig sind. Im weiteren sind das Blutgerinnungs- und das Immunsystem intakt. … Denn trotz Hirntoddiagnostik können immer noch gewisse Hirnfunktionen vorhanden sein. So hat eine italienische Studie aus dem Jahre 1995 gezeigt, dass mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) bei Patienten, die nach klinischer Untersuchung für hirntot erklärt wurden, noch beinahe bei der Hälfte der Untersuchten Hirnaktivität gemessen werden konnte. Bei einem Patienten war sogar noch nach einer Woche EEG-Aktivität festzustellen.“ (Nordmann 1999)

Als Reaktion auf die Organentnahme können sich Blutdruckanstieg, Schwitzen, Muskelbewegungen, spinale Reflexe und Rötung im ganzen Gesicht entwickeln, d. h. autonome Effekte, die die Medizin normalerweise als Zeichen des Schmerzes deutet. Es gibt sogar Horrorgeschichten, dass eine solche „lebende Leiche“ Pfleger oder Pflegerin umarmt oder anfängt, im Bett Gehbewegungen zu vollführen. Diese und ähnliche Anekdoten hinterlassen solch einen starken emotionellen Eindruck, dass man sogar die Auffassung vertreten könnte: Der sogenannt „Hirntote“ sei nicht ein toter Mensch, sondern ein lebender, der sich irgendwo im Sterbeprozess befindet. Und wenn erst das Hirn einen Menschen zum Menschen machte? Ist es doch ein toter Mensch in einem lebendigen und sterbenden Körper? Organspender kann wohl nur derjenige sein, der zu Lebzeiten in Kenntnis aller Implikationen einer Hirntoddiagnose seine Zustimmung schriftlich dokumentiert hat. Der Tod bzw. das Sterben – ohne irgendwelche medizinischen Interventionen – ist „kein punktuelles Ereignis, sondern entspricht vielmehr einem sich im Laufe einer gewissen Zeit entwickelnden Prozess. Wenn die Herzfunktion versagt, erlöschen sehr bald und endgültig alle Lebenszeichen. Der Hirntod dagegen tritt aufgrund versagender Aktivität des Hirnstamms und beider Hemisphären ein. Er kann Folge zahlreicher Affektionen sein, wie Schädel-Hirn-Verletzung, Hirnschlag, Anoxie usw. – Hirntod führt zwangsläufig auch zum Herztod“ (Hitzig et al. 1995, S. 872; vgl. Hitzig und Weibel 1999, S. 247). Bezogen auf diesen letzten Satz möchte ich hier festhalten, dass der Hirntod erst zum Herztod führt, der Hirntote eigentlich doch nicht ganz, d. h. biologisch tot ist.

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Das psychogene Todessyndrom

Der medizinisch unbeeinflusste Todesprozess hat zwei mögliche Verläufe: Vom Herztod zum Sauerstoffmangel, und dann über Bewusstlosigkeit schließlich rasch zum Hirntod; vom Hirntod zur Kreislauf-Dysregulation, und dann über Atemstillstand schließlich rasch zum Herztod. Anschließend folgt auf jeden Fall und zwangsläufig der Zelltod. Der Hirntod als frühestmöglicher Todeszeitpunkt markiert den Punkt, an dem der Sterbeprozess in ein irreversibles Stadium übergeht und ist gleichbedeutend mit dem Tod des Menschen als Persönlichkeit. Im Vergleich dazu bedeutet der Herztod den Tod des Menschen als vegetatives Wesen, und der Zelltod besiegelt den Abschluss jeglichen biologischen Lebens. Ein medizinisches Problem mit dem Hirntod entsteht aus der Tatsache, dass der eigentliche Übergang vom tiefsten Koma zum Hirntod instrumentell lediglich mit einer kontinuierlichen EEG-Ableitung direkt fassbar ist, bzw. klinisch erst nach Eintritt des Hirntodes mit Sicherheit erkannt werden kann. Ein ethisches Problem mit dem Herztod ergibt sich daraus, dass er durch die heutige Intensivbehandlung mit Beatmung verzögert, wenn nicht gar aufgehalten werden kann. Mit dem Zelltod bzw. dem vollständigen biologischen Tod des Menschen gibt es meines Erachtens keine inhärenten rational-wissenschaftlichen oder ethisch-religiösen Unklarheiten. Wann das Leben eines Menschen beginnt und wann es endet, könnte auf die gesetzliche Gewährleistung bezogen und somit als eine verfassungsrechtliche Frage des jeweiligen Landes betrachtet werden. Laut den Richtlinien der SAMW (kein Gesetz!): „Es entspricht dem heutigen Stand des Wissens, dass die Feststellung des Hirntodes mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen ist. (Diskussion siehe bei Frutiger, in der Bibliographie unter 20.) Rechtlich muss als Zeitpunkt des Todes (Herz- oder Hirntod) der Moment der erstmaligen Diagnose des irreversiblen Ausfalls der Herz- oder Hirnfunktionen gelten. Für diese Bestimmung genügen klinische Zeichen. Im Totenschein muss diese Zeit eingetragen werden.“ (Hitzig und Weibel 1999, S. 248; vgl. Hitzig et al. 1995, S. 873)

Anzumerken ist hier, dass die Feststellung des Hirntods in bestimmten Zeitabständen wiederholt erbracht werden muss. So gesehen ist der Zeitpunkt des Todes in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und in Anbetracht ethischer, medizinischer, philosophischer und religiöser Argumente extensiv auszulegen. Aber darf der Gesetzgeber, wie oben angedeutet, den Todeszeitpunkt einfach mit einer definitorischen Festlegung erledigen oder durch ein Mehrheitsvotum entscheiden? Darüber hinaus bleibt die Frage, ob ein eindeutiger, objektiver Nachweis über den Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen zur langfristigen Zufriedenstellung der gesellschaftlichen und medizinischen Mehrheit erbracht werden kann. Wie auch immer, laut Prof. Dr. Thomas Hardmeier, der an 152

Ursache und Zeitpunkt des Todes

der Überarbeitung der SAMW-Richtlinien maßgeblich beteiligt war, haben alle Spezialisten, insbesondere Intensivmediziner und Anästhesisten, die mit diesen Fragen täglich konfrontiert sind, diese angepassten Richtlinien begrüßt; sie kommen mit guten Erfahrungen zum Einsatz. Sogar wenn das Problem des „Wann“ gesellschaftlich und medizinisch eindeutig gelöst werden könnte, z. B. indem die Medizin eins der sicheren Todeszeichen wie die Totenstarre oder die Leichenflecken als endgültigen Nachweis des Todes und somit als Todeszeitpunkt akzeptieren würde, wird trotzdem die Frage „Warum jetzt?“ womöglich für immer unbeantwortet bleiben. „Zwar sind die Befunde sicher in der Mehrzahl der Fälle ausreichend, den Tod zu erklären, aber eine Frage bleibt hier sehr oft offen, die Frage, warum der Tod gerade zu jener Stunde und an jenem Tage eingetroffen ist … Denken wir z. B. an unsere Kranken mit Herzinsuffizienz. Über Monate, ja über Jahre kennen wir sie und behandeln sie erfolgreich mit Digitalis. Ohne sichtbare somatische Änderungen spricht der Kranke aus uns nicht erklärlichen Gründen mit einmal nicht mehr auf Digitalis an und stirbt innerhalb kurzer Zeit, ja mitunter sogar ganz plötzlich. Die Obduktion zeigt das schwer veränderte Herz, aber weder der Tod zu diesem Zeitpunkt noch der plötzliche Tod findet seiner Erklärung.“ (Jores 1959, S. 237)

Hierzu ein Beispiel: „Auch daß in einer Seuche ein einzelner seelisch Erschütterter leicht ergriffen und dahingerafft wird, während andere immun bleiben, ist, besonders bei der Cholera, bekannt und anerkannt. Hegels und Niebuhrs Tod an dieser Krankheit folgte auf die Eindrücke der Pariser Revolution von 1831.“ (Weizsäcker 1936)

Sogar „der spanische König Philipp V. (soll) einen affektivbedingten Herzinfarkt mit nachfolgender tödlicher Herzruptur erlitten haben, als ihm die Nachricht von der Niederlage seiner Armee in einer wichtigen Schlacht überbracht wurde.“ (Kächele 1970, S. 113)

Der Todeszeitpunkt ist besonders bei eineiigen Zwillingen mit gewissen Eigenheiten behaftet. Bereits wurde der fast gleichzeitige Tod von Zwillingsbrüdern erwähnt. An dieser Stelle bringe ich eine Geschichte aus der Psychiatrie vom plötzlichen, unerwarteten Tod 32-jähriger schizophrener Zwillingsschwestern: „Schon 6 Jahre vor ihrer gemeinsamen psychiatrischen Hospitalisation fangen die Schwestern an, sich mit immer deutlicheren Zeichen eines Verfolgungs-

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Das psychogene Todessyndrom

wahns progressiv von der Umwelt zurückzuziehen. Im Verlauf ihrer dritten gemeinsamen Hospitalisation innerhalb von 16 Monaten wurden die Zwillinge aus therapeutischen Gründen während der Verschlechterung des Zustandes einer der Schwestern getrennt. Diese starb um Mitternacht aus unerklärlichen Gründen ca. 11 Tage nach der Aufnahme. Wenige Minuten darauf starb sodann ihre Zwillingsschwester, nachdem diese aus dem Fenster ihres Zimmers in das gegenüberliegende Zimmerfenster ihrer eben verstorbenen Schwester geschaut hatte. Dass die zuletzt gestorbene Schwester vom vorangegangenen Tod ihrer Zwillingsschwester wusste, ist wohl auszuschließen.“ (übernommen von Wilson und Reece 1964)

Obwohl eine manifeste tödliche Krankheit die Nähe des Todes vermuten lässt, bleibt der genaue Zeitpunkt von Gevatter Tods Ankunft ein Geheimnis, das gewisse statistische Auffälligkeiten zeigt. „Ein statistischer Vergleich der Todesfälle in einer Lungenheilstätte mit anderen Mortalitätskurven zeigte, dass die Sterbefälle der Lungenkranken eine signifikante Häufung um das Wochenende aufweisen. Beim Vergleich der Wochenendtoten mit denen aus der Wochenmitte konnten keine Unterschiede bzgl. Geschlecht, Alter, Diagnose ermittelt werden. Da auch alle ermittelbaren äußeren Einflüsse einkalkuliert wurden, kann die Verschiebung der Mortalitätsverteilung zum Wochenende hin statistisch nicht geklärt werden.“ (Hackl 1966)

Hier liegt die Vermutung nahe, dass psychogene, vor allem emotionale Faktoren eine ausschlaggebende Rolle spielen, zumal sich in diesen Fällen Familienbesuche an den Wochenenden häufen, wenn die Todesfälle auch in den Kliniken eine Häufung haben (siehe die oben diskutierten Jahrestagsreaktionen). Auf der zellulären Ebene kennt man die Apoptose, eine Art programmierten Zelltod, der sowohl von zellexternen (z. B. immunologischen) als auch von zellinternen (z. B. genetischen) Prozessen angeregt werden kann, und der von der betreffenden Zelle selbst aktiv durchgeführt wird: eine Art „psychogener Tod“ in der Mikrowelt im Sinne der Skaleninvarianz der Chaostheorie – siehe unten. Die Apoptose dient der korrekten Entwicklung jenes Organismus, dessen Bestandteil die betroffene Zelle ist. Ich überlasse es den Lesenden, für sich zu entscheiden, ob die mutmaßliche Fähigkeit des menschlichen Organismus, den Zeitpunkt des eigenen Todes (mehr oder weniger und nur unter besonderen Bedingungen) psychogen zu bestimmen, der Entwicklung eines über das einzelne Individuum hinausgehenden (sozialen) Organismus dienen könnte. (Hier denke ich, z. B. an die von der Mikrobiologin Lynn Margulis und dem Chemiker, Biophysiker und Mediziner James Lovelock Mitte der 1960er Jahre entwickelten Gaia-Hypothese, nach der die gesamte Biosphäre als ein einziger lebender Organismus betrachtet werden kann. Demnach müssten komplexere 154

Ursache und Zeitpunkt des Todes

Lebewesen wie der Mensch – als physische Teile von Gaia – überhaupt sterben, da die Immunsysteme der komplexen Lebewesen sich im Wettlauf mit den Mikroorganismen entwickeln müssen.) Der Tod des Menschen an inneren Krankheiten in seinem Bezug zu den Tages- und Jahreszeiten ist seit langem Ziel medizinischer Untersuchungen (vgl. z. B. Wigand 1934). In diesem Zusammenhang kann auch eine Chefarztvisite tödliche Konsequenzen für die Betroffenen haben, wie das folgende Beispiel von 6 von 84 Todesfällen in einem Kollektiv von 373 Herzinfarkt-Patienten zeigt. „Von 84 Todesfällen des Gesamtkollektivs ereigneten sich 45 in den ersten 7 Tagen post infarctum. Da diese Zeitspanne Im Allgemeinen als kritisch für das Überleben nach einem Infarkt angesehen wird, wurden aus diesem Teilkollektiv keine Schlüsse gezogen, selbst wenn der Tod mit einer Visite koinzidierte. 39 Patienten verstarben vom 8.–42. Tag. Teilt man die Tage in 6-Stunden-Perioden auf, so verteilen sich die Todesfälle ziemlich gleichmäßig über die 4 Perioden (05–11 Uhr, 11–17 Uhr, 17–23 Uhr, 23–05 Uhr). Da die Visite in dem Krankenhaus zwischen einer halben und einer Stunde dauert, hätten sich statistisch nur 0,8–1,6 Todesfälle während der Zeit der Visite ereignen dürfen, 5 Todesfälle aber standen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Visite, der 6. begann während einer solchen, der Tod selbst trat 2 Stunden später ein. Zwei Patienten starben, als ihnen eröffnet wurde, dass der Zeitpunkt ihrer Entlassung, den sie sehnlichst herbeigewünscht hatten, gekommen war, zwei andere Patienten waren regelmäßig während der Visite sehr erregt, drei der Todesfälle traten bei der nur einmal wöchentlich stattfindenden Oberarzt-Visite ein.“ (Järvinen 1955)

In einem anderen Bericht verschied die Hälfte der rekonvaleszenten Herzpatienten, die insgesamt in diesem Spital an SUDS – siehe oben – starben, während der Chefarztvisite (Lown et al. 1977). Der zeremonielle Ablauf einer solchen Visite mit ihrem teils übertriebenen Massenaufgebot an weiß Bemäntelten und dem Nimbus eines Sakralaktes könnte den gleichen Effekt auf die Psyche des Patienten ausüben wie die rituelle Handlung eines Zauberers auf die Psyche eines Stammesmitgliedes. „Ein Buchhalter, 58 Jahre alt, wird 21 Tage nach einem Angina-pectoris-Anfall in die Klinik eingeliefert. Sein Zustand ist zufriedenstellend bis zur Chefvisite am 16. Tag. Während der Chefarzt sich mit seinem Gefolge langsam dem Zimmer nähert, wird der Patient unruhig, erbricht, und stirbt innerhalb von zwei Stunden an einem neuerlichen Anfall.“ (Werner 1955, S. 2088)

Es gibt noch schlimmere, gut belegte medizinische Berichte über das iatrogene Heraufbeschwören des Sensenmanns, wie die oben zitierte Hinrichtung durch Vorstellungskraft deutlich zeigt. Leider bleibt dieses Phänomen den meisten 155

Das psychogene Todessyndrom

Ärzten immer noch unbewusst. Beabsichtigt sind selbstverständlich positive Effekte, die infolge einer Chefvisite sicher auch eintreten. Im Allgemeinen kann das plötzliche Auftreten einer Ängstlichkeit hilfreich sein zur Prognose eines bis anhin unerwarteten, bevorstehenden Todes (Biegler 1957). Manifeste oder verdrängte Ängste, wie sie z. B. in Träumen auftreten, können zumindest bei Vorgeschädigten nächtliche Herzattacken induzieren – sog. Killer Dreams (Parmar und Luque-Coqui 1998). Eine statistische Untersuchung zeigte, dass 90 % der Schiffbrüchigen innerhalb von drei Tagen nach dem Unglück in den Rettungsboten aus Angst starben (Bombard 1953). Man fragt sich sofort: Wieviele der Verstorbenen aus Auto-, Bus-, Flugzeug- oder Zugunfällen sind letztlich eigentlich ihren Ängsten und nicht ihren Verletzungen erlegen? Die Frage nach der Bestimmung des Zeitpunkts des Todes bedarf neben den medizinischen Kriterien auch grundlegender Überlegungen zu den philosophischen, psychologischen, soziologischen und theologischen Aspekten des Todes (Bron 1976). Im krassen Gegensatz zur Idee, der Todeszeitpunkt unterstehe der Regie der Psyche, berichtet die moderne Wissenschaft von einem einzelnen Gen, dessen Wirkung eine deutlich unterschiedliche Lebenserwartung zur Folge haben soll (de Haan et al. 1998). Im konkreten Fall handelt es sich zwar um Mäuse; das schwächt jedoch nicht die Hypothese, dass ein Gen die natürliche Länge des Lebens bestimmen könnte, und bedroht somit die Idee, dass der individuelle Todestag von der genetischen Konstitution unabhängig sei. Beim natürlichen Tod geht es weniger darum, dem Tod mittels der Vorstellungskraft anheimzufallen, sich dem Tod gefühlsmäßig zu opfern, den Tod willentlich in Gang zu setzen oder die Lebenskraft körperlich aufzugeben. Vielmehr handelt es sich darum, sich mittels einer inneren Bereitschaft dem Rhythmus des Ganzen hinzugeben. Und diese Bereitschaft hat etwas mit der impliziten Kenntnis der zur Verfügung stehenden Eigenzeit zu tun. In volksgläubigen und spiritistischen Kreisen ist es häufig das Bestreben der Angehörigen, dem Verstorbenen den Abschied aus dem Diesseits zu erleichtern. In Europa gehören dazu das Fensteröffnen und ähnliche Handlungen, damit die Seele hinausfliegen kann, und das Anhalten der Uhr, damit die Seele im Jenseits nicht aufgehalten werde. Es sollen alle Möbel und Geräte im Haushalt gerückt werden, u. a. „damit die Seele ungehindert entweichen könne“ (BächtoldStäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 983). Vielleicht gehört auch das Verhängen des Spiegels sowie alles Glänzenden und Roten, aller Bilder usw. im Haus dazu, nämlich alles, was den soeben Verstorbenen noch sehnsuchtsvoll ans Diesseits fesseln könnte. Auch in anderen Kulturen gibt es sehr differenzierte und ausführliche religiöse Riten und Gebräuche, die dem Verstorbenen den Abschied aus dem Diesseits und den Eintritt ins Jenseits ermöglichen sollen, wie sie z. B. im Totenbuch der Ägypter (Hornung 1990) und im Tibetanischen 156

Das psychogene Mortalitätssyndrom

Totenbuch (Evans-Wentz 1960) festgehalten sind. Das Wissen soll den Menschen in die Lage versetzen, jenseitigen Gefahren erfolgreich zu begegnen, seine Urbedürfnisse zu befriedigen und sich im Jenseits, das der Tod öffnet, zu regenerieren. Solche ritualisierten Aktivitäten helfen natürlich auch den Hinterbliebenen, ihre Trauer zu verarbeiten und den „Nachzehrer“ abzuwehren – siehe oben – und fallen unter Vorsichtsmaßnahmen, wie auch das Tod-Ansagen (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 985–991), um den Tod anzuhalten. Unsere heutigen Todesanzeigen haben ihren Ursprung im Brauch des Tod-Ansagens: Wenn angesagt wird, dass Herr XY verstorben ist, wird die Gefahr umgangen, dass eine nicht informierte Person versehentlich seiner Erscheinung ins Totenreich folgt. Der Einfachheit halber können wir all jene plötzlichen, unerwarteten Todesfälle „psychogen“ nennen, bei denen die Autopsie keine eindeutigen Befunde als Ursache liefert. Diese einfache Benennung soll noch noch etwas präzisiert werden.

Das psychogene Mortalitätssyndrom Gegenstand dieser Definition ist „der plötzliche, unerwartete Tod ohne nachweisbare physiologische Ursache“, der unter der Bezeichnung „psychogener Tod“ bekannt wurde. „Der psychogene Tod repräsentiert jene besondere Situation der Ausweg- und Hilflosigkeit, in der entweder ein magischer, unausweichlicher Schuldspruch (Voodoo der Naturvölker) oder der Zusammenbruch letzter Widerstandskräfte unter existenzbedrohenden Verfolgungsereignissen zu einem widerstandslosen, raschen Sterben ohne erkennbare körperliche Krankheit führt.“ (Strian 1983, S. 324)

Leider wird die Definition des psychogenen Todes sowie die Definition des Begriffs „psychogen“ in der medizinischen Literatur sehr unterschiedlich gehandhabt (Kächele 1970). In den bisherigen Ausführungen habe ich die Probleme kurz diskutiert, die im Zusammenhang mit dem Unerwartet-Sein und dem Ohne-Ursache-Sein des plötzlichen, unerwarteten Todes auftauchen können und die in der medizinischen Literatur mit den Begriffen Todeszeitpunkt und Todesursache bezeichnet werden. Aber schon der einfach scheinende Begriff „plötzlich“ variiert in der Literatur je nach Autor von 10 Minuten (Haerem 1978) bis zu 24 Stunden (Heinrich und Jansen 1977) ab Beginn der Symptome bis zum Todeseintritt. Hier z. B. die von der WHO 1976 veröffentlichte Definition von Kagan und Uerma:

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Das psychogene Todessyndrom

„Friedlicher, unerwartet innerhalb von sechs Stunden eintretender Tod bei einer offensichtlich gesunden Person oder bei einem Kranken, der sich in stabilem Zustand oder auf dem Wege der Besserung befand.“72 (Kagan und Uerma 1976)

Anstelle des plötzlichen Todes wird auch vom akuten Tod, der weiter in die Kategorien „unmittelbar“ (bis 2 Minuten), „plötzlich“ (bis 2 Stunden) und „früh“ (bis 24 Stunden) unterteilt wird (Hecht und Loeffler 1983). Andere Autoren haben diese Schwierigkeiten erkannt und eigene Lösungen angeboten (vgl. Kächele 1970; Stumpfe 1973, 1975; Wendkos 1979; Schweizer 1985). In der vorliegenden Arbeit werden psychogene Todesfälle subsumiert, die bei anderen Autoren nicht unbedingt als solche anerkannt wären. In der Literatur besteht meines Wissens keine klare, einstimmige Definition des psychogenen Todessyndroms, die ich übernehmen könnte. Dieser Uneinigkeit wegen möchte ich hier eine eigene Definition des psychogenen Todessyndroms vorschlagen, die zugegebenermaßen ebenfalls ihre Schwachpunkte hat. Ausschlaggebend dabei ist, erstens eine organpathologische Todesursache mit Sicherheit auszuschließen, und zweitens schlüssig zu belegen, dass der klinische Ablauf die typischen Phänomene eines psychogen verursachten Sterbeprozesses, d. h. eines psychogenen Todes, aufweist. Der psychogene Tod muss die folgenden drei notwendigen Bedingungen erfüllen, die nur gesamthaft hinreichend sind: 1.  Psychogener Auslöser: Eindeutig psychische Auslösung des Sterbeprozesses bewussten oder unbewussten Ursprungs. Ohne diese Bedingung wäre die Bezeichnung „psychogen“ nicht gerechtfertigt und die weitere Suche nach der möglichen Erfüllung der nächsten beiden Bedingungen gar nicht notwendig. Hier können wir einen gewaltsamen, intensiven Gefühlsausbruch mit einer besonders auffallenden physischen Erregung etwa im Sinne eines Schocksyndroms oder einen friedlichen psychischen Rückzug in die eigene Person und Auflösung der Weltzugewandtheit mit Aufgabe aller Auswege, Hilfen und Hoffnungen (Resignation) und Verlust jeglicher Gefühlsäußerung (Apathie) haben – Käfigsituation – (vgl. Ellenberger 1952, Stumpfe 1975). 2. Psychogener Verlauf: Ein mit einer Psychogenese kompatibler Tod im eindeutig definierten, vorgegebenen situativen Rahmen, der einerseits innerhalb von Minuten, Stunden oder wenigen Tagen nach emotional gewaltsamer Auslösung des Prozesses eintritt oder andererseits innerhalb des längeren zeitlichen Rahmens einer Vorahnung, einer Jahrestagsreaktion, einer Prophezeiung, einer psychischen Belastung (Deprivation, Pensionierung, Überarbeitung etc.) o. Ä. Ohne diese zweite Bedingung könnte der mutmaßliche psychologische Auslöser des Todesprozesses (1. Bedingung) nicht hinreichend eindeutig gesichert werden, z. B. jeder Mensch stirbt irgendwann innerhalb von circa 100 Jahren, egal ob diese „Prognose“ psychogen durch Voodoo, Tabu, Heimweh oder eine

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Das psychogene Mortalitätssyndrom

Katatonie ausgelöst wurde oder nicht. Ohne diese 2. Bedingung könnten also alle möglichen, verdächtigen, exogenen Todesursachen nicht hinreichend ausgeschlossen werden (3. Bedingung). Natürlich möchte ich nicht ausschließen, dass der psychogene Todesprozess im Umfeld chronischer Extremsituationen, wie Gefangenschaft oder psychischer Erschöpfung oder das Erleiden schwerer körperlicher oder seelischer Verstümmelung über eine längere, schwer umgrenzbare oder überschaubare Zeitspanne stattfinden kann. Der zeitliche Verlauf solcher Fälle ist aber doch eindeutig und de facto zu identifizieren – ähnlich dem Verlauf bei den psychogenen Todesfällen im Rahmen einer Vorahnung, wobei vielleicht nur ein ungefähres Datum vorausgeahnt wird, oder im Rahmen einer Hilgard-Reaktion, wobei bloß das Alter gefürchtet wird, oder im Rahmen eines Deprivations-, Pensionierungsoder Überarbeitungstodes, wobei Situation und Zeitspanne der psychischen Belastung wohl groß, aber immerhin klar umgrenzt sind. Mit dieser Bedingung versuche ich, wie auch mit der dritten Bedingung, mühsame philosophische Diskussionen zu umgehen, wie z. B. die Frage, ob nicht jeder Suizid oder Herzinfarkt usw. psychogen sei. 3. Ausschluss der üblichen exogenen Todesursachen: Nur durch diese dritte Bedingung ist die durch die ersten beiden gerechtfertigte Bezeichnung „psychogen“ sichergestellt. Insbesondere werden u. a. folgende Faktoren als mögliche Todesursachen ausgeklammert: (1) Karenz von lebensnotwendigen Substanzen (Flüssigkeit, Nahrung etc.); (2) Vergiftung oder Infektion durch invasive Stoffe, elektromagnetische oder andere Felder oder Organismen; (3) Verletzung, z. B. in Folge von Unfall oder Totschlag; (4) genetischer, thermodynamischer oder mechanischer Zusammenbruch eines lebensspendenden Organs oder Prozesses; (5) physiologischer Schock (z. B. nicht vorwiegend psychisch ausgelöster Sekundenherztod). Selbstverständlich nehme ich gleichzeitig an, dass nicht allein psychische Faktoren zum Exitus letalis geführt haben, sondern dass auch andere multifaktorielle, zellular-biochemische Mechanismen, einschließlich psychischer und neuronaler, im komplexen, dynamischen Zusammenspiel am Sterbeprozess beteiligt sind. Ich möchte hier keineswegs jegliches physiologische Korrelat zum Todesprozess ausschließen. Infrage kommende Vorgänge sind z. B. die psychologische Hemmung der Herz-Kreislauf-Funktion, die tödliche Wirkung psychogen freigesetzter Viren oder der tödliche Einfluss einer psychisch bedingten Schwächung des körpereigenen Autoimmunsystems, die tödliche, psychogene Verhinderung lebensspendender Prozesse, z. B. diejenigen des Kreislaufs- oder des Stoffwechselsystems usw. Ohne die Annahme irgendwelcher somatischen Korrelate zum psychogenen Sterbeprozess ginge unser Weg mühsam bergauf über die Landschaft schwieriger philosophischer Diskussionen zum Thema „Körper-Geist-Problem“, die das Ziel der Reise sprengen würden. Durch diese Annahme werden auch bestimmte Todesphänomene, die z. B. im Rahmen eines Suizids willentlich oder wahnhaft in Gang gesetzt werden, aus der vorgeschlagenen Definition ausgeschlossen. (Sonst wäre jeder Suizid wenn man so will irgendwie „psychogen“, da der tödliche Auslöser per definitionem immer im eigenen Kopf entsteht.)

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Das psychogene Todessyndrom

Die erste Bedingung lenkt unsere Perspektive auf ein beschränktes Umfeld von Todesphänomenen; die zweite setzt den Fokus nur auf bestimmte Fälle in diesem Bereich; die dritte sorgt dafür, dass das ausgewählte Objekt im Blickfeld unseres Interesses sich eindeutig von seiner Umgebung abgrenzen lässt. Die ersten beiden Bedingungen schließen mehrere Fälle von SUDS – die wohl die dritte Bedingung klar erfüllen müssen – aus unserer Definition aus. In den Worten von Thomas Knecht (Knecht 2009): „Eine spezifischere Methodik, um die Möglichkeit eines psychogenen Todes angemessen in die Beurteilung miteinzubeziehen, besteht nach heutigem Erkenntnisstand nicht, zumal ein sog. Biomarker, d. h. eine nachweisbare Substanz, welche spezifisch die Psychogenie eines Todesfalls beweist, bis dato nicht identifiziert werden konnte.“

In dieser Arbeit bin ich aber ausschließlich am psychogenen Auslöser und Verlauf des plötzlichen, unerwarteten Todes interessiert. (Ein plötzlicher, unerwarteter Tod kann viele, komplex miteinander verwobene Ursachen haben – siehe oben –, vor allem organische wie z. B. die fulminante Form der Hirnhautentzündung, die allein in der Schweiz jährlich über hundert Menschen attackiert (Frey 1998) und manchmal schon innerhalb weniger Stunden im Exitus letalis endet. Obwohl – und wie im Vorwort dargelegt – man bei einem guten Teil der hier zitierten Fälle und Anekdoten wohl darüber diskutieren könnte, ob diese Bedingungen jeweils erfüllt seien, lassen sich die beschriebenen Phänomene auf den gemeinsamen Nenner „Psychogenes Mortalitätssyndrom“ bringen. Abschließend möchte ich noch betonen, dass meine Definition im Gegensatz zu der Stumpfes den psychogenen Todesprozess nicht als vorwiegend „langsam und friedvoll“ versteht (Stumpfe 1973, S. 14). Es gibt viele Berichte von psychogenen Todesprozessen, insbesondere im Rahmen von Schwarzer Magie, Tabu und perniziöser Katatonie, die von Zuständen extremster physischer Erregung begleitet werden. Diese von mir empfohlene Definition macht mit den Bedingungen 1, 2 und 3 keine eingrenzenden Aussagen darüber, ob das psychogene Sterben friedvoll oder gewaltsam, langsam oder plötzlich vor sich geht, oder ob irgendwelche physiologischen Korrelate am psychogenen Sterbeprozess beteiligt sind oder nicht.

Pathogenetische Faktoren „Um Krankheit zu verursachen, bläst der Schamane einen der Geister, die ihm zu Diensten sind, mittels Tabakrauch (Stirling 1938) in sein Opfer oder er sendet

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Pathogenetische Faktoren

mit Hilfe seiner Geister einen magischen ‚Dorn’ oder ‚Pfeil‘ (Tessmann 1930; Karsten 1935) hinein. [Der Schamane muss dafür sorgen, dass dieser Dorn oder Pfeil im Körper des Opfers bleibt und erst zu ihm zurückkehrt, wenn das Opfer tot ist, A. d. V.] ... Um eine Heilung herbeizuführen, singt der Schamane, schlägt seine Trommel, nimmt Datura, Tabak und Cayapi, und saugt den ‚Dorn‘ heraus. Schamanen können auch die Identität eines Zauberers aufdecken. [Die Droge hilft dem Schamanen, den Zauberer erkennen, A. d. V.]“73 (Steward und Métraux 1945, S. 626)

Es ist klar, dass der Betroffene sich aufgeben und sein Schicksal bzgl. Gesundheit und Krankheit völlig in die Hände des Schamanen legen muss. Zahlreiche Beispiele solch eines „Sich-Aufgebens“ sind in der Fachliteratur zur Alterspsychiatrie zu finden und werden unter der Rubrik eines „psychogenen Mortalitätssyndroms“ zusammengefasst: „der psychische Zustand des Patienten löst physische Wirkungen pathologischer Natur aus, die schließlich in den Tod münden (Maizler et al. 1983, S. 353)“.74 Das psychogene Mortalitätssyndrom umfasst fünf grundlegende Elemente (Maizler et al. 1983, S. 355), die auch die Basis des Sich-Aufgeben/Aufgegebensein-Komplexes bilden (Schmale und Engel 1967; Engel 1968): (1) Erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf die Bedrängnis: Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit; (2) herabgesetztes Selbstwertgefühl (sich aufgeben); (3) soziales Ausgestossensein, Verlust der Sicherheit/Befriedigung aus Beziehungen oder sozialen Rollen in einem kontextbezogenen, soziologischen Zusammenspiel mit den Punkten (1) und (2); (4) Entzug der Zuversicht in das gegenwärtige Leben sowie in den normalen Sinn der Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft durch Dritte (aufgegeben sein);

Der Komplex wird zur Käfigsituation, wenn die folgende rekursive Bedingung noch dazu kommt: (5) Wiederaufleben von Erinnerungen an frühere Erlebnisse der Elemente (1) bis (4).

Und der Teufelskreis der Käfigsituation wird tödlich durch die (6) Psychische Hemmung der Herz-Kreislauf- und/oder der endokrinopathologischen Funktion (Konstellation des Todesarchetyps)

Im Großen und Ganzen zeigen diese Punkte eine starke Verwandtschaft mit Einzelheiten der Selbstaufgabe in der Käfigsituation. 161

Das psychogene Todessyndrom

„Der endgültige Tod aber setzt das Jawort zu ihm bzw. die Selbstaufgabe voraus, die sich im tiefst Unbewussten abspielt und vom Bewusstsein gar nicht oder mehr oder weniger – im Selbstmord ganz – ausgesprochen wird. Bei manchem wurde gesagt: ‚Der macht nicht mehr lange mit, der hat sich selbst aufgegeben.‘ Der Instinktlosigkeit vieler Kranker, dem überwiegen der selbstzerstörerischen Kräfte, dem Sieg schädigender Krankheitssymptome und Triebe konnte man dauernd begegnen; … Die Grenze zwischen Todeszwang, Spiel mit der Gefahr und dem Willen zum Tode war stets unscharf und keines vom anderen zu trennen. Eines grausigen Falles erinnere ich mich deutlich, als ein ehemaliger Inspektor – völlig haltlos geworden – Ohnmachten, Schwächeanfälle und regelrechte Verrücktheiten mit schauspielerischer Sicherheit markierte, und wenige Tage später – ohne objektive Krankheitssymptome – starb. … Andererseits war die todbrechende Macht des Willens unverkennbar. Wer nicht ‚wollte‘ (in dem gezeigten schicksalhaften, weiten Sinne), starb nicht.“ (Schilling 1948, S. 65–66)

An diese Beobachtungen schließen zahlreiche Berichte von Soldaten in Kriegsgefangenschaft an, die den Verlust des Lebenswillens (oder den Verlust des Willens, nicht zu sterben) für den psychogenen Tod voraussetzen und ihn in der Volksseele, d. h. im Kollektiven Unbewussten orten. Die Lagerärzte hatten sogar einen eigenen Namen für das Phänomen erfunden: „give-up-itis“, zu Deutsch „Aufgeb-itis“. Die Lagerhäftlinge, die infolge Selbstaufgabe, eines völligen Sichfallenlassens und Erlöschens aller Selbsterhaltungsinstinkte umkamen, wurden (hauptsächlich in Auschwitz) „Muselmänner“ genannt. Es ist nicht bekannt, wieso und wann diese Bezeichnung geprägt wurde: Vielleicht deutet sie auf den vermeintlichen Fatalismus von Muslimen (alt: „Muselmanen“) oder auf das typische Auf-und-Ab-Beugen des Oberkörpers der Betroffenen, die mit islamischen Gebetsritualen in Verbindung gebracht wurden (Kogon 1946). Der Zustand der Muselmänner stellte nicht nur eine Selbstaufgabe dar, die zum Tode führte, nicht nur den Vorläufer und Auftakt des Todes durch Hunger und Entkräftung, sondern auch den eigentlichen Prozess des Sterbens eines Menschen (Bronisch 1995): „Im Endstadium der Auszehrung war das Knochengerippe von welker, pergamentartiger Haut überzogen, an Füßen und Schenkeln hatten sich Ödeme gebildet, die letzten Muskeln am Gesäß waren eingefallen. Der Schädel schien in die Länge gezogen. Nasenfluss lief über das Kinn herunter. Die Augäpfel waren tief in die Höhlen eingesunken, der Blick war stumpf. Die Glieder bewegten sich langsam, stockend, fast mechanisch. Ein penetranter Gestank ging von der Gestalt aus, Schweiß, Urin, flüssiger Kot, der die Beine herunterrann. Die Lumpen, in die sie sich frierend einhüllten, waren voller Läuse, die

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Pathogenetische Faktoren

Haut war von Krätze befallen. Die meisten litten an Durchfall. Sie aßen alles, wessen sie habhaft werden konnten, verschimmeltes Brot, Käse mit Würmern, rohe Rübenreste, Abfälle aus den Kübeln. Die zunehmende Auszehrung tilgte die Trennlinie zwischen Leben und Tod. Nicht zufällig erinnern die Muselmänner an ‚lebende Leichen‘. Die Menschen waren nur mehr Schatten ihrer selbst. Ihr Handeln war unter das animalische Minimum abgesunken. Sie sahen und hörten kaum etwas, reagierten nur, wenn sie angebrüllt oder angeschrien wurden.“ (Sofsky 1993, S. 229)

In der Regel traten Apathie und innere Unruhe, Verweigerung von Nahrung und Flüssigkeit ein; der Gefangene ließ sich auf keine Art und Weise helfen, starrte entseelt in die Ferne hinein und starb schließlich (vgl. Ritter von Baeyer et al. 1964, S. 17, 18). Dieses elende Bild ist uns auch aus den verschiedensten Schilderungen des psychogenen Todes durch Voodoo, Tabu, Heimweh und „Entseelung“ bekannt. Von der allgemeinen Situation her kommt der Tod in Gefangenschaft wahrscheinlich am ehesten dem Heimweh-Tod nahe. Das Gefangensein ist aber nur eine von vielen möglichen Lebenssituationen, in denen sich der psychogene Tod ereignen kann. Es wurden z. B. acht Lebenssituationen klassifiziert, in denen der plötzliche, unerwartete Tod stattfindet (Engel 1971). Ich gebe sie hier zusammen mit einer kleinen Auslese von Beispielen wieder: (1) Horror, z. B. unmittelbar im Zusammenhang mit der Vorstellung des bevorstehenden Verlustes einer wichtigen Bezugsperson. Die typische Geschichte erzählt von einer Person, die innerhalb weniger Minuten oder Stunden zusammenbricht und stirbt, nachdem sie plötzlich und unerwartet von der schweren Erkrankung, Verletzung oder anderen lebensbedrohlichen Gefahr oder vom Tod einer geliebten Person, normalerweise Ehepartner, Kind, anderer enger Verwandter oder Freund unmittelbar betroffen ist. „Ein 40-jähriger Vater fiel tot zu Boden, als er den Kopf seines Sohnes, der verletzt auf der Straße neben seinem Motorrad lag, auf eine weiche Unterlage betten wollte.“75 (Engel 1971, S. 775)

„Ein 43-jähriger Vater starb vier Stunden, nachdem ihm sein 15-jähriger Sohn die eigene Entführung vorgetäuscht hatte, indem er seinem Vater am Telefon sagte ‚Falls Sie Ihren Sohn jemals wieder lebend sehen wollen, rufen Sie keine Polizei!‘“76 (Engel 1971, S. 775)

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Das psychogene Todessyndrom

(2) Schock, z. B. unmittelbar nach dem Eindruck oder der Mitteilung vom Tod einer wichtigen Bezugsperson. Die typische Geschichte erzählt von einer Person, die innerhalb weniger Minuten oder Stunden zusammenbricht und stirbt, sobald sie vom Tod einer geliebten Person, normalerweise Ehepartner, Kind, enger Verwandter oder Freund erfahren hat. „Ein 88-jähriger Mann ohne bekannte Herzbeschwerden wurde verwirrt und erregt und rang die Hände, als ihm gesagt wurde, dass seine Tochter plötzlich gestorben sei. Er weinte nicht, fragte aber unaufhörlich, ‚Warum ist dies mir passiert?‘ Während er mit seinem Sohn telefonierte, entwickelte er ein akutes Lungenödem und starb just in dem Moment, als der Arzt eintraf.“77 (Engel 1971, S. 774)

Dramatische Beispiele sind im Zusammenhang mit dem Tod einer verehrten Heldenfigur bekannt, mit der der Betroffene in besonderer Verbindung kurz vor dessen Tod gestanden war. Hierzu ein Beispiel: „Die Frau des Besitzers des Motels, in dem Martin Luther King ermordet wurde, brach am selben Tag mit einer Gehirnblutung zusammen und verstarb am folgenden Tag.“78 (Engel 1971, S. 774)

(3) Akute Trauer, z. B. gleich zu Beginn der Verarbeitung des Todes einer wichtigen Bezugsperson. Der typische Auslöser ist ähnlich dem unter Punkt (2), nur die Zeitspanne des Verlaufs ist größer. Die Geschichte erzählt normalerweise von einer Person, die innerhalb weniger Tage oder Wochen zusammenbricht und stirbt, nachdem sie vom Tod einer geliebten Person in Kenntnis gesetzt wurde. „Eine 31-jährige Frau litt seit kurzer Zeit unter Kopfweh, Übelkeit und Sehstörungen, als ihre Nachbarin und enge Freundin gleichen Alters plötzlich starb. Zwei Tage später fiel die Patientin ins Koma und verschied. Die Autopsie förderte einen Tumor des rechten Frontallappens zutage.“79 (Engel 1971, S. 774)

Dramatische Beispiele sind auch hier im Zusammenhang mit dem Tod einer verehrten Heldenfigur bekannt, mit der der Betroffene kurz vor deren Tod in der einen oder anderen besonderen Verbindung gestanden hatte. Hierzu ein Beispiel: „… der Tod des 27-jährigen Hauptmanns, der die Ehrengarde bei der Bestattung von Präsident Kennedy befehligt hatte. Er verstarb zehn Tage nach dem Präsidenten, laut Zeitungsbericht über den medizinischen Befund, an einer Herzrhythmusstörung und akutem Blutandrang.“80 (Engel 1971, S. 774)

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Pathogenetische Faktoren

(4) Jahrestagsreaktion. Die typische Geschichte erzählt von einer Person, die am Todestag einer geliebten Person, normalerweise der Ehepartnerin, eines Kindes, sonstiger enger Verwandter oder eines Freundes, zusammenbricht und stirbt. „… eines 70-jährigen Mannes, der während der ersten Töne eines Konzerts zu Ehren des fünften Todestages seiner Frau tot umfiel. Sie war eine bekannte Klavierlehrerin gewesen, und er hatte zur Erinnerung an sie ein Konservatorium gegründet. Das Konzert wurde von den dortigen Studenten gegeben.“81 (Engel 1971, S. 775)

„Ein 17-jähriger Junge kollabierte und verstarb um 6:00 Uhr am 4. Juni 1970; sein älterer Bruder war um 5:12 Uhr am 4. Juni 1969 an den multiplen Verletzungen verstorben, die er Stunden zuvor bei einem Autounfall erlitten hatte. Die Todesursache des jüngeren Jugendlichen war eine massive Subarachnoidalblutung, die durch ein geplatztes Aneurysma der vorderen Hirnschlagader verursacht wurde.“82 (Engel 1971, S. 775)

(5) Enttäuschung/Demütigung/Statusverlust o. Ä. Die typische Geschichte erzählt vom plötzlichen, unerwarteten Tod einer Person, die ihren Status verliert, gedemütigt, herabgewürdigt oder enttäuscht wird. „Ein 56-jähriger Mann starb eine Woche vor der Schließung des sehr erfolgreichen Geschäfts, das er und sein Bruder 32 Jahre zuvor mit geliehenen $ 500 gegründet hatten.“83 (Engel 1971, S. 775)

„Ein 52-jähriger Universitätsrektor, der auf seine Unterstützung schwarzer Studenten stolz war, starb, als eine Gruppe schwarzer Studenten die Verwaltungsgebäude besetzte.“84 (Engel 1971, S. 775)

„Ein 57-jähriger Staatsmann starb 48 Stunden, nachdem er wegen Bestechung überführt und zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt worden war.“85 (Engel 1971, S. 775)

(6) Gefahr, reale oder symbolische. Die typische Geschichte erzählt von einer Person, •

die eine natürliche oder eine durch Menschen verursachte Katastrophe (Aufruhr, Erdbeben, Explosion, Feuer, Operation, Schiffbruch, Sturm etc.) mitansieht oder erlebt,

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Das psychogene Todessyndrom

„… ein 3-jähriges Kind, das von einem schweren Regenguss überrascht wurde und starb, und ein verängstigtes 4-jähriges Mädchen, das starb, als ihm einige Milchzähne gezogen werden mussten.“86 (Engel 1971, S. 776)



die persönlich bedroht wird (Raub, Überfall etc.), „Ein 63-jähriger Wachmann starb, nachdem er von Einbrechern gefesselt worden war.“87 (Engel 1971, S. 776)



die bloßgestellt wird, z. B. vor dem Gericht, „Ein 35-jähriger Mann, der wegen Diebstahls verurteilt wurde, sagte seinem Anwalt: ‚Ich fürchte mich zu Tode!‘; dann brach er zusammen und starb.“88 (Engel 1971, S. 776)



oder die sich sonstwie, wenn auch nur aus trivialen Anlass, bedroht fühlt, „Ein 45-jähriger Mann starb, als er das Podium betrat, um eine Rede im Rahmen eines offiziellen Abendessens zu halten.“89 (Engel 1971, S. 776)

und sodann stirbt. (7) Entlastung/Erleichterung/Befreiung o. Ä. Die typische Geschichte handelt von einer Person, die erst stirbt, wenn eine akute reale oder vermeintliche Gefahr oder Stresssituation vorbei ist. „Vier Männer starben innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden nach Autounfällen, in denen sie keine oder nur leichte Verletzungen erlitten hatten.“90 (Engel 1971, S. 776)

„Ein Mann starb in einem Notlager nach der Evakuierung aus einem Erdrutschgebiet, und ein anderer Mann, 55-jährig, brach sofort zusammen, nachdem er bei einem Zugunglück dem umgekippten Bahnwagen unverletzt entkommen war.“91 (Engel 1971, S. 776)

„Ein 52-jähriger Staatsbeamter starb, nachdem er in einem Hotel eine Rede gehalten hatte; sein Vorgänger war unter denselben Bedingungen im selben Hotel eineinhalb Jahre zuvor gestorben.“92 (Engel 1971, S. 776)

Das dritte Beispiel erinnert an eine Jahrestagsreaktion. Siehe unter (4).

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Pathogenetische Faktoren

(8) Freude/Erfolg/„Happy End“/Triumph/Ekstase o. Ä. Die typische Geschichte erzählt von einer Person, die während eines freudigen Wiedersehens oder Höhepunkts stirbt. „Ein 60-jähriger Ex-Häftling brach zusammen und verstarb, als er nach 15 Jahren im Gefängnis wieder nach Hause kam.“93 (Engel 1971, S. 776)

„Ein 55-jähriger Mann starb, als er seinen 88-jährigen Vater nach 20 Jahren Trennung traf; darauf fiel der Vater auch tot zu Boden.“94 (Engel 1971, S. 776)

„Ein 70-jähriger Mann starb sechs Stunden, nachdem seine Frau, von einem Herzinfarkt scheinbar erholt, aus dem Spital zurückgekehrt war. Sie erlitt daraufhin eine erneute Herzattacke und starb 13 Stunden später.“95 (Engel 1971, S. 777)

„Ein 56-jähriger Mann kollabierte und starb, während ihm beim Golfen zu seinem ersten ‚hole-in-one’ gratuliert wurde.“96 (Engel 1971, S. 777)

„Ein 75-jähriger Mann, der mit dem ‚twin double‘ [Art der Pferdewette, A. d. V.] bei nur zwei Dollar Einsatz $ 1‘683 gewonnen hatte, starb, als er den Gewinn abholen wollte.“97 (Engel 1971, S. 777)

„Ein 63-jähriger Opernsänger starb während der Ovationen.“98 (Engel 1971, S. 777)

Es gibt noch eine neunte Lebenssituation, in der der plötzliche, unerwartete Tod stattfinden kann, nämlich Zorn. Hier zwei historische Beispiele: „Von Kaiser Nerva wird berichtet, dass er an ‚einem gewaltigen Wutausbruch‘ gegen einen Senator starb, der ihn beleidigt hatte, so wie auch Valentinian, als er die Abgesandten eines deutschen Stammes ‚mit großer Leidenschaft tadelte‘.“99 (Engel 1971, S. 771)

Nach unserer Nosologie ist auch dies eine Art Seelentod. Die Kategorien 1–5 stellen Verlusterlebnisse dar, die Kategorien 6 und 7 Gefahrerlebnisse, und Kategorie 8 „Happy End“. Nach der Gliederung der vorliegenden Arbeit wage ich – pauschal über den Daumen gepeilt und jeweils mit entsprechendem Vorbehalt – die Beispiele unter (1), (2), (4), (5) – nur das 2. Beispiel, (6), (7) und (8) sehr wahrscheinlich als Spezialfälle eines Tabu-Todes im Sinne „Das gibt’s nicht!“/„Das darf nicht wahr sein!“ oder im Sinne eines „verhexten“ Datums anzusehen; die Beispiele unter (3) sowie das 1. und das 3. Bei167

Das psychogene Todessyndrom

spiel unter (5) sind als Spezialfälle eines Heimweh-Todes im Sinne der Sehnsucht nach früheren Zeiten zu verstehen. Eine genauere Zuteilung mit unserer Nosologie würde detailliertere Darstellungen der einzelnen Fälle benötigen als in der Literatur angegeben. In der Regel behandeln einzelne wissenschaftliche Veröffentlichungen die eine oder die andere Art der vier möglichen psychogenen „Todesdramaturgien“: Voodoo-, Tabu-, Heimweh- oder Seelentod. Es ist interessant, die oben erwähnten neun Lebenssituationen mit den ersten drei der vier Faktoren zu vergleichen, die als charakteristisch für die Pathogenese beim Krebspatienten identifiziert wurden (Leshan und Worthington 1956): (1) Verlust einer wichtigen Bezugsperson (2) Unfähigkeit, aggressive Gefühle und negative Emotionen auszudrücken (3) ungelöste Spannung in Bezug auf einen Elternteil und (4) Sexualstörungen In den Beispielen geschehen spektakuläre Ereignisse, die von den Opfern nicht unbeachtet bleiben können, und auf die sie entweder mit überbordender Erregung oder mit dem Aufgeben des Lebenswillen (oder beidem) reagieren. Man kann sogar einen einheitlichen Prozess als Vorbedingung für diese psychogenen Todesfälle postulieren: ein schnelles Hin und Her zwischen Flucht–Kampf (flight–fight) und Standhalten–Rückzug (conservation–withdrawal) Zuständen, das von einem genauso schnellen Kippen zwischen sympathischen und parasympathischen kardiovaskulären Effekten begleitet ist (Engel 1971, S. 780; vgl. Lex 1974; Hahn 1985, S. 182–183). Die jenen Lebenssituationen, in denen sich der psychogene Tod ereignet, gemeinsame extreme emotionelle Erregung mag uns im Rahmen des einen oder anderen medizinischen Modells genügen, den psychogenen Tod neurophysiologisch zu erklären. Was aber macht eine Situation eigentlich so aufregend, dass ein Mensch dabei sogar sterben kann? Ich möchte noch tiefer gehen und Fragen nach der archetypischen Basis des psychogenen Todes stellen, d. h. nach einem möglichen phylogenetischen Grund des Voodoo-, Tabu-, Heimweh- und Seelentodes. Dieser Anspruch macht es noch einmal schwieriger, die allgemeinen Bedingungen des psychogenen Todes zu identifizieren. Ich werde in einem späteren Kapitel auf diese Frage zurückkommen (siehe „Darwinistische Perspektive“). Im folgenden möchte ich mögliche psychologische Mechanismen des psychogenen Todesprozesses näher untersuchen.

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Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

„In der Voodoo-Zivilisation ist die Gottheit das imponierende, übermächtige Wesen, dem das Subjekt in der Schuld-Angst stirbt. Man ist in den Maschen des Gesetzes gefangen. Dieses Bedeutungserlebnis wirkt genauso tödlich, als ob es wirkliche Netze wären.“ (Zitat n. Kächele 1970, S. 209)

Zugegebenermaßen sind die meisten anerkannten Belege für den psychogenen Tod, z. B. die früheren Fälle von Mauss (Mauss 1926) und die oben angeführten Fälle von Engel – siehe „Pathogenetische Faktoren“ –, anekdotischer Natur (Lewis 1977). Trotzdem habe ich den Versuch gewagt, aus der Fülle der zitierten und glaubwürdigen Berichte Einsicht in gewisse Bedingungen des psychogenen Todes zu gewinnen, und ein übergreifendes Modell für dessen Entstehungsprozess aufzustellen. Klar ist das Modell eher auf diejenigen Beispiele anwendbar, in denen die jeweiligen Lebenssituationen subjektiv als negativ wahrgenommen werden, und weniger auf jene, in denen sie subjektiv als positiv bewertet werden, wie Entlastung/Erleichterung/Befreiung/Freude/Gelächter/Erfolg/Happy End/Triumph/Ekstase/o. Ä. bis hin zum Einladungstod. In diesen positiv besetzten Situationen sind – wie in der Käfigsituation – psychische, soziologische und biologische Faktoren an den jeweiligen Todesprozessen beteiligt. Der grundsätzliche Unterschied zu den negativ erlebten Situationen mag darin liegen, dass im positiven Fall die „Käfigtür“ schlagartig auf- statt zugeht, was für den Betroffenen ein fast gleiches Tabu darstellt wie etwas Negatives. Auch beim Einladungstod kann man sich einen Käfig vorstellen, in dem die einsame und isolierte Person sich gefangen sieht. In diesem Kapitel möchte ich das oben eingeführte Käfigsituation-Modell unter Berücksichtigung allgemeinerer mythopoetischer, philosophischer, psychologischer, soziologischer und biologischer Faktoren weiter diskutieren. Die Suche nach einer umfassenden Hypothese für die Entstehung oder Begünstigung des psychogenen Todes, die diese Faktoren gleichzeitig für sich in Anspruch nimmt – eine „soziopsychobiogene These“, sozusagen, ist nicht neu (siehe z. B. Hahn 1985, bes. Abb. 9–3, S. 185; Hahn und Kleinman 1983). Solche Versuche, die krankmachende Wirkung schädlicher Glaubenssysteme (Nocebo) zu

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

erklären, sind mit Versuchen, die heilende Wirkung helfender Glaubenssysteme (Placebo) zu erklären, eng verwandt (vgl. z. B. White et al. 1985). Das Phänomen „psychogener Tod“ weckt bei den Menschen die wildesten Vorstellungen, mythopoetische Bilder sowie ernsthafte, philosophische Erwägungen. Aus diesem Grund möchte ich bestimmte mythopoetische und philosophische Aspekte des Phänomens kurz diskutieren.

Mythopoetische Todesfigur Laut der griechischen Mythologie herrscht der Gott Hades über die Schatten der Toten im ewigen Dunkel der Unterwelt, wo er zusammen mit seiner Gemahlin Persephone weilt. Hades ist der älteste Sohn der Titanen Kronos und Rhea und der Bruder von Poseidon und Zeus, mit denen er nach dem Sturz des Vaters die Weltherrschaft teilt: Zeus erhält Himmel und Erde, Poseidon das Meer und Hades die Unterwelt. Von besonderem Interesse ist hier für uns die literarische Figur Charons, des alten und struppigen Fährmanns, der die Toten in seinem lecken Boot über den Grenzfluss zur Unterwelt fährt. Dieser Grenzfluss – der sogenannte Acheron oder Styx – trennt das Diesseits vom Jenseits. Zum Einen ist dies ein klassisches Bild für eine philosophische Polarität: Die Seinswelt ist die Welt der Lebenden plus die Welt der Toten. Es ist aber auch ein mythopoetisches Bild für die philosophische Idee einer beweglichen Grenze zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten, die wir weiter unten im Zusammenhang mit „John von Neumanns Schranke“ betrachten werden. Der schwarze Priester Thanatos, Sohn der Nacht, bringt die Toten zusammen mit seinem Zwillingsbruder Hypnos, dem Schlaf, in den chthonischen Bereich der Schatten. Thanatos wird oft als Geist oder geflügelter und nackter Jüngling porträtiert, der eine gesenkte, noch rauchende, aber schon gelöschte Fackel in der Hand trägt. Diese mythopoetische Darstellung erinnert an die Gestalt eines Engels. In der Tat stellen die unterschiedlichsten religiösen und mystischen Auffassungen den Tod häufig als Engel, den Todesengel dar. Im Alten Testament bringt seit dem Sündenfall Adams und nach dem Befehl Gottes der Würgeengel den Menschen den Tod: „So wird er den Würgeengel nicht in eure Häuser kommen lassen.“ (2. Mos. 12,23); „Er sprach zu dem Engel, der unter dem Volke würgte: Genug!“ (2. Sam. 24,16); „... wobei der Engel im ganz Gebiete Israels würgt. … Dann sandte Gott einen Engel, zu würgen.“ (1. Chr. 21,12 bzw. 15); „Sein Leben (naht) dem Todesengel.“ (Hiob 33,22); „... der Zorn Gottes würgte unter ihren Großen.“ (Ps. 78,31). Als „Bote des Todes“ verkündet der Todesengel den bevorstehenden Tod oder Unheil für ein Individuum, eine Familie oder einen Ort (vgl. Bächtold-Stäubli und Hoffmann170

Mythopoetische Todesfigur

Krayer 1987, Bd. 2, S. 834–835) und vollbringt ihn zugleich in der Gestalt des Würgeengels. In Europa kam der Engel der Pest als Pestjungfrau daher, eine hohe in Linnen gehüllte Gestalt, die sich auf den Schultern eines Russen durch das ganze Land tragen ließ. Die Perser sahen den Engel des Scharlachfiebers namens Al in Gestalt einer errötenden Jungfrau mit Flammenhaar und rosenroten Wangen. Interessant ist die Erklärung des plötzlichen Kindestods – siehe oben SIDS – im Rahmen der volkstümlichen Engelologie (Engelslehre). Hier wird nicht Bezug auf den oben genannten Würgeengel genommen (vgl. Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 2, S. 830–831): Die Kinderseele stamme aus der Nähe Gottes im Himmel und sei entweder selbst ein Engel oder bringe sich zumindest einen Engel aus der Gotteswelt mit. Somit bedeutet das plötzliche, unerwartete Ableben des Säuglings, dass sein Engel direkt in den Himmel geflogen sei und also mehr Freude als Jammer ins Trauerhaus bringen solle, da das Kind, wie man in Böhmen und Bosnien sagt, „zu den Engeln gegangen ist“. Es gilt sogar als Sünde gegen Gott, ein früh verstorbenes Kind zu beweinen und man hütet sich davor, den Tod des Neugeborenen dadurch heraufzubeschwören, dass man es zu Lebzeiten einen Engel nennt. Erst beim Anblick eines früh gestorbenen Kindes pflegt man zu sagen: „Das ist ein schönes Engelein“ und zu den Eltern: „Jetzt habt ihr ein schönes Engelein im Himmel.“ Die Kindesleiche soll wie ein Engel behandelt werden, der schon früh auf den Engelgottesacker zurückkehren durfte. Diese Anschauung existiert als weit verbreiteter indogermanischer Glaube, der schon vor dem Christentum in den Volksglauben eingesickert ist. Hier zitiere ich eine typische Volkssage, die so oder ähnlich in vielen Überlieferungen zu finden ist: „Eine Mutter wollte ihre Tochter vor dem Schicksalsspruch, sie müsse im 16. Lebensjahre sterben, behüten. Gleichwohl starb die Tochter an einer Krankheit. Die Mutter kannte nach dem Begräbnis keine andere Sehnsucht, als ihre Tochter noch einmal irgendwo zu sehen und eröffnete einem Bettler, der bei ihr ein Nachtlager begehrte, er werde doch keine Ruhe finden, da sie die ganze Nacht hindurch jammere, weil sie ihre Tochter noch einmal sehen wolle. Der Bettler, der Hl. Petrus, sagte ihr das zu und verzichtete auf die dafür gebotenen 100 Gulden. Seiner Weisung gemäß ging die Frau am Allerseelentage in die Kirche und sah dort in einem feierlichen Zuge weißgekleideter Seelen, die alle frohe Gesänge sangen, ihre Tochter als einzige ganz nass und bitterlich weinend. Diese rief der Mutter zu: ,Alle übrigen Seelen sind freudig gestimmt und schön gekleidet, während ich von Euren Tränen ganz nass bin‘. “ (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, S. 831)

Der eigentliche, dem Menschen unbekannt gebliebene Grund, warum die Kindesseele bzw. ihr Engel frühzeitig zurückkehren muss, wird ehrfürchtig als Gottes Wille akzeptiert. 171

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

Im Buch der jüdisch-mystischen Kabbala (auch Qabalah) wird zwischen zwei Todesursachen differenziert (Papus 1983, S. 165): „Tod von oben oder von innen nach außen“ und „Tod von unten oder von außen nach innen“. Die erste Todesart scheint mir dem psychogenen Tod zu entsprechen, die zweite dem Tod infolge Krankheit oder Verletzung. Bei der ersten entspringt der Tod der allmählichen Schwächung oder dem plötzlichen Versiegen des Einflusses der Gottheit auf Neschama (Psyche) und Ruach (Geist, Seele, Sitz der Willenskraft und die eigentliche Persönlichkeit des Individuums) woraufhin Nephesch (das Lebensprinzip des Körpers) die Kraft verliert, mit der es den Körper am Leben hält. Laut dem Totenbuch des Islam erschuf Allah-ta’ala (Allah der Erhabene) den Tod und gab dem Todesengel Izra’il Macht über ihn (al-Qadi 1977, Kapiteln 4–7). Somit wird der Tod eines Menschen auf Befehl Allah-ta’alas durch einen Besuch von Izra’il herbeigerufen, der der Nafs (Ich-Gestalt, Begierden-Ich) des Sterbenden entspricht und der die Ruh (Geist, Seele) des Gläubigen wegnimmt. Ungefähr seit der Spätantike finden wir durch das Mittelalter bis in die Gegenwart hinein den Tod immer wieder als eine Art Memento mori in quasi menschlicher Gestalt dargestellt; zum Beispiel als Sensenmann – ein Skelett mit Sense oder Sanduhr in der Hand – oder als furchtbarer, hässlicher Greis oder als schrecklicher Reiter oder Tanzpartner: „Der Koch des Grafen von Eberstein sah sich (1518) mitten in einem Gedränge von tanzenden Toten und starb bald darauf.“ (Bächtold-Stäubli und HoffmannKrayer 1987, Bd. 8, S. 1099)

Seine Gestalt in den sagenhaften Berichten ist fast so vielfältig wie das Leben selbst. Er tritt als gewöhnlicher Mensch, z. B. Reisebegleiter, Jäger oder Spielmann auf, aber auch als kleiner, oft buckliger Mann, zuweilen sogar als Taube oder geblümte rote Maus (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 975–978). Manchmal trägt er den Namen Alahirzi. In den slawischen und romanischen Ländern, wo der Tod in der Landessprache ein Femininum ist, wird ihm eine weibliche Gestalt gegeben, z. B. als weiße Frau mit grünen Augen oder als großes, hässliches Weib. Tod und Tödin können auch als Paar auftreten, was gewöhnlich auf ein großes Sterben hindeutet. Der berühmte Choreograph Maurice Béjart (1927–2007) brachte dieses Bild von Tod und Tödin als Paar in seinem Stück „Tod in Wien“ (1991) in Lausanne auf die Ballettbühne. Das Musical „Elisabeth“ (1992) von Kunze/Levay erzählt die tragische Geschichte der Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sissi) als Totentanz. Hier denke ich auch an den Holzschnitt von Rethel, der den Tod als makabre Tanzpartnerin darstellt, an Klingers Radierungen „Vom Tode“, sowie an die Ar172

Mythopoetische Todesfigur

beiten von Böcklin, Ensor, Holbein, Kubin, Masereel, Munch und anderen (Schuster 1992). „Der Tod und das Mädchen“ ist ein besonders verbreitetes Motiv, z. B. bei Hans Baldung, Jürgen Brodwolf, Salvador Dali, Horst Janssen, Niklaus Manuel und Edvard Munch. Besonders erwähnenswert sind: Hans Baldungs „Der Tod und das Mädchen“ und „Der Tod und der Jüngling“; Albrecht Dürers Stich „Ritter, Tod und Teufel“ und seine Kohlezeichnungen „König Tod zu Pferde“; Grafs „Der Tod und der Landsknecht“; T. P. Bruegels „Triumph des Todes“. Nach dem Volksglauben sind solche Figuren Geister, und die Begegnung mit ihnen führt, z. B. im germanischen Aberglauben durch ein Gespräch mit dem Bilmesschnitter oder einen Blick auf den Nachtjäger, unweigerlich und in kürzester Zeit zum Tod (vgl. z. B. Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8, S. 971, 975–978). In diesen und anderen religiösen, poetischen und künstlerischen Bildern haben wir es mit mythopoetischen Figuren des Todes zu tun, die wie übernatürliche Agenten zur Todesstunde die Lebenden von der diesseitigen Welt mit sich wegziehen (vgl. Ammann et al. 1994; Ariès 1984; Wien 1993). Auch in der Belletristik findet man den psychogenen Tod (siehe Beispiele in Gedichten und Legenden oben; vgl. Ariès 1980). In der griechischen Mythologie haben wir z. B. den Mythos der drei Gorgonen: Stheno, Euryale und Medusa: Der Anblick einer Gorgo wirkt versteinernd, sogar auf Tier und Pflanze! Da Literaten aus den verschiedensten Ländern und zu den unterschiedlichsten Epochen offenbar kein Problem hatten bzw. noch haben, den psychogenen Tod in ihren Werken walten zu lassen, scheint das Phänomen etwas Archetypisches und Wahres an sich zu haben. Für die Neuzeit denke ich an Arthur Schnitzlers (15. 5. 1862–21. 10. 1931) 1909 erschienene Erzählung Das Tagebuch der Redegonda: Die schöne Frau eines Kavallerie-Hauptmanns stirbt gerade in dem Augenblick, als dieser überraschend in ihr Zimmer tritt. Das alles geschieht, als sie in ihr Tagebuch schreibt, dass sie ihn jetzt für immer verlassen werde; ihr Liebster wartet. Dieser fatale psychologische Rückzug in den Tod stellt nichts anderes dar als ein dramatisches und tragisches Bild eines normalen Bestandteils jeder menschlichen Persönlichkeit, denn: Solche literarisch psychogen sterbenden Figuren lassen in unserer Seele ein emotional bewegendes Echo anklingen. Sofern es uns gelingt, diese Gestalten der Dichtung psychologisch-empathisch nachzuempfinden, erweitert sich auch unser Verständnis für die in jedem von uns vorhandenen psychogen tödlichen Charakterzüge. Ob in Bild oder Wort ist der Tod, wie die wahre Liebe, voller Ungewissheiten, Fragen, Fehler und Bedauern, und beide haben einiges gemeinsam: Sie sind unvermeidlich, unwiderruflich, unerbittlich, zeitlos und grenzenlos.

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Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

Beziehung als Nahrung für die Seele? „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf (das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen) – das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst – (…) das Gefühl, man stünde ununterbrochen, unmerklich, unter Strom, man würde ferngesteuert – (…) das Gefühl, innerlich auszubrennen (…) Rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine Überlebenschancen hat; völliges Scheitern.“ (Ulrike Meinhof aus einem toten Trakt des Gefängnisses KölnOssendorf, wo sie vor der Verlegung nach Stuttgart-Stammheim in Isolationshaft untergebracht war.)

Jeder Gefängniswärter weiß, dass der tiefere Sinn der Einzelhaftbedingungen in der Folter durch Entzug liegt: Entzogen wird nicht die physische Fähigkeit zu sprechen, zu hören, zu sehen – es werden nicht die Zunge abgeschnitten, das Ohr verstümmelt, die Augen ausgestochen. Entzogen wird die Möglichkeit zur Kommunikation, die den Organen Zunge, Ohr und Auge erst Nahrung gibt. Die Organe werden nutz- und funktionslos, ausgehungert und das Gehirn hungert mit. Dies und nichts Minderes ist die Tortur. Diese Form der Folter ist unvorstellbar für den, der ihr nicht ausgesetzt ist. Die Idee der Beziehung als seelischer Nahrung ist vereinzelt in der psychotherapeutischen Literatur zu finden, insbesondere im Zusammenhang mit dem plötzlichen, unerwarteten Tod von Säuglingen und Kleinkindern bei Deprivation (Bilek 1997) – siehe oben. Im Hinblick auf die grundlegende Rolle, die soziale Faktoren offensichtlich beim psychogenen Tod spielen, möchte ich hier bei einem Exkurs zu dieser Thematik kurz verweilen. Eigentlich muss man nicht einmal eine aktuelle oder aktive Beziehung als „Nahrung“ haben, man muss nur fest genug daran glauben oder gar überzeugt sein, eine Beziehung zu den Mitmenschen (u. U. auch im Rahmen einer Therapie) oder zu Gott zu haben, d. h. als Nahrung die nährende Vorstellung von einer Beziehung haben. Ein politischer Gefangener z. B., der immer noch an einen Ausweg und eine Hilfe glaubt und sich jahrelang in Einzelhaft mit der Hoffnung am Leben erhält, seine Geliebte eines Tages wieder zu sehen, lebt weiter, solange er nicht weiß, dass sie schon längst gestorben ist oder ihn verlassen hat. Falls er irgendwann während seiner Gefangenschaft etwas Derartiges erfahren sollte, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese Information bei ihm einen psychogenen Tod auslöst: Information kann töten! Es ist klar, dass die Wahrhaftigkeit der Idee der Beziehung als Nahrung die Realität eines engen Zusammenhangs zwischen Liebe, Leben und Tod voraussetzt. Diesen Zusammenhang möchte ich sozusagen durch die Hintertür beweisen, indem ich an einem Beispiel aus der Biologie eine enge Verknüpfung zwischen Unsterblichkeit und Liebe-Losigkeit zeige. 174

Beziehung als Nahrung für die Seele?

Vom Standpunkt des täglichen Lebens scheint es natürlich, dass jedes Lebewesen eine begrenzte Lebenszeit haben muss. Deswegen überrascht es so sehr, von den Biologen zu hören, dass winzige Einzeller wie Amöben, die man nur unter dem Mikroskop sieht, eigentlich ewig leben können: Sie müssen nie sterben, wenn sie nicht irgendwie mit Gewalt getötet werden: z. B. mechanisch durch Zerquetschung, chemisch durch Austrocknung, Erhitzung oder Vergiftung, oder biologisch durch Verhungern oder einen tödlichen fremden Eindringling, z. B. ein Virus oder Bakterium. Diese Einzeller haben kein Geschlecht und vermehren sich nicht sexuell: Es gibt keine männlichen oder weiblichen Amöben. Sie können sich also nur durch Zellteilung reproduzieren, was bei jeder einzelnen ab einer gewissen Größe zwingend passiert. Nun gibt es etwas Erstaunliches: Trotz sorgfältiger Beobachtungen über unzählige Generationen hinweg gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Ursprungszelle älter geworden wäre. Jede Hälfte ist an sich unsterblich: alterslos weil geburtslos, nur ein infinitesimaler Bruchteil irgendeines Ursprungs einer unbestimmbaren Vergangenheit. Jede Hälfte ist mit ihrer Partnerin identisch, sodass keine eine eigene Identität hat. Beim Einzeller bedeutet schon die allererste Spaltung die Entwerdung des ursprünglichen, für ein Individuum gehaltenen Organismus. Beide namenlosen Hälften sind somit verdammt, ewig gesichtslos ihre eigenen geschlechtslosen Wege alleine weiterzugehen. In diesem Sinne scheint Unsterblichkeit dem Gesichts- und Geschlechtslosen vorbehalten zu sein. Wie könnte eine gesichtslose, geschlechtslose, unsterbliche Kreatur etwas wie Liebe erleben? Damit es für uns Menschen überhaupt einen Sinn hat, den anthropologischen Begriff „Liebe“ in die Erlebniswelt eines anderen Lebewesens hineinzuprojizieren, muss es so etwas wie einen Liebenden und auch so etwas wie eine Geliebte geben, d. h. eine nachvollziehbare Entsprechung dazu, was wir Menschen ein Liebespaar nennen mit der Gegenüberstellung von klar abgegrenzter Sexualität und Identität. (So ist Liebe eine Zweieinigkeit der Liebenden und der Geliebten. Ich werde später mehr über den Begriff „Zweieinigkeit“ zu sagen haben. Siehe auch (Schmid Gary Bruno 1988, Chpt. 5; Schmid Gary Bruno 2008.) Aus dieser biologischen Perspektive schließe ich, dass die Organismen einer Gattung, die sich geschlechtlich reproduzieren kann, uneinheitlich und sterblich sein müssen, d. h. sie haben eine begrenzte Lebenszeit und widmen das individuelle Leben unvermeidlich, unwiederruflich, unerbittlich und grenzenlos dem (naturgegebenen) Tod. Also erst, wenn die Lebewesen einer Gattung sich zur Fortpflanzung paaren müssen, sind sie im Besitz der notwendigen und elementaren Basis für Identität und Liebe. Diese Überlegungen führen mich nun zu einem merkwürdigen Schluss: Tod ist ein Privileg der Liebe zwischen Individuen mit Gesicht und Geschlecht. Auch andere Forscher sind auf die Idee ge175

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

kommen, dass es evtl. einen darwinistisch begründbaren Zusammenhang zwischen Liebe und Immunabwehr geben könnte, d. h. dass die „Natural Selection“ robuste Alternativen der Körper-Geist-Reaktion (einschließlich der Entzündungsreaktion) bevorzugt, um den Organismus gegen Raubtiere und Pathogene zu schützen: Soziale Integration und Entzündungsreaktion in einem intimen Bündnis im Kampf ums Überleben der menschlichen Spezies (Raison et al. 2006). Aber tot bleibt tot, und genauso wie wir, die Lebenden, nach dem Tod unserer Geliebten ihre liebenden Verehrer bleiben, so bleiben wir, die Lebenden, in unserer Liebe zu den Toten auch ihre sterbenden Verehrer. Und die Liebe ist der Verbindungsfaktor, die Zweieinigkeit, zwischen Leben und Tod. Dies scheint die Bestimmung unserer menschlichen Mann-Frau-Polarität zu sein. In den letzten beiden Unterkapiteln habe ich zwei Begriffe benutzt, die auf unterschiedliche Art Gegensätze zum Ausdruck bringen: Polarität und Zweieinigkeit. Im nächsten Unterkapitel möchte ich diese in einem gewissen philosophischen Kontext zusammen mit anderen, auf Gegensätze bezogenen gedankliche Einheiten bringen. Selbstverständlich sind die folgenden Gegenüberstellungen von Begriffen eher als unterschiedliche semantische Perspektiven und weniger als logisch zwingende, falsifizierbare Kategorien zu verstehen.

Gegensätze Die mythopoetische Auffassung des Todes zeigt ihn als ein von Außen bzw. vom Jenseits her kommendes Agens. In der Tat trifft der Tod normalerweise ein mit Hilfe irgendeines „Trägers“ aus der Umwelt, z. B. Krankheit, Gift, Verletzung etc. Falls dieser Träger wie beim psychogenen Tod unbekannt bleibt, drängt sich die Frage auf: „Was hat den Tod eigentlich verursacht?“ Naturvölker und Aberglaube wissen immer eine Antwort auf diese Frage, z. B. wurde der Tod durch irgendeine magische Kraft herbeigerufen, die von einer bösen Hexe, von einem feindlichen Magier oder verzauberten Objekt stammt oder von einem erzürnten Gott heraufbeschworen wurde. Niemand aber kann bis anhin definitiv beweisen, ob beim psychogenen Tod solch eine übernatürliche magische Kraft (aus einer übernatürlichen Welt) am Wirken ist oder nicht. In Abhängigkeit vom Weltbild gibt es zwei gegensätzliche Erklärungsmodelle für den psychogenen Tod: Das eine beruht auf metaphysischen, das andere auf physischen Kräften. Wenn der tödliche Einfluss mit Hilfe von Zauberkraft, Dämonen usw. von Außen bzw. vom Jenseits stammen soll, spreche ich von einer transzendenten Erklärung des psychogenen Todes. Diese Erklärung braucht eine zusätzliche 176

Gegensätze

Hypothese, nämlich die einer übergeordneten Realität, die aus einer anderen metaphysischen Dimension jenseits unserer Welt tödlich auf uns einwirken kann. Diese Annahme ist wohl hinreichend aber keineswegs notwendig, um den psychogenen Tod begreiflich zu machen. Wenn der tödliche Einfluss von inneren Informationen, also aus der körperlichen und psychischen Existenz eines Menschen herrühren soll, spreche ich von einer emergenten Erklärung des psychogenen Todes. Für diese Erklärung ist keine Spekulation über irgendeine andere, außerhalb der uns wohl bekannten Realität existierende, Welt oder Dimension erforderlich. Die Naturwissenschaft zieht es nach dem Prinzip der Hypothesen-Sparsamkeit üblicherweise vor, kein zusätzliches Agens in Betracht zu ziehen, falls dies nicht absolut notwendig ist. Naturwissenschaftlich gesehen entspringt der psychogene Tod der jeweiligen persönlichen Vorstellungskraft. Die Entstehung des Todesprozesses wird psychologisch im Sinne der bewussten und unbewussten Informationsverarbeitung im menschlichen Geist-Gehirn verstanden, energetisch im Sinne der Auslösung und Steuerung von todbringenden, physiologischen Prozessen. Die emergente Erklärung des psychogenen Todes versteht unter dem Einfluss von innen einen psychoenergetischen Prozess: Psychisch ausgelöst durch die bewusste Wahrnehmung der Umwelt, läuft der Todesprozess energetisch im eigenen Unbewussten ab. Hier treffen sich der Totmacher, der Getötete und das Sterbenmüssen in ein und derselben Person und zwar auch dann, wenn das Sterbenmüssen de facto von einer Drittperson oder einem Agens befohlen bzw. suggeriert wird, wie dies z. B. beim Voodoo-Tod bzw. Tabu-Tod der Fall ist. Der Vergleich mit dem Suizid liegt hier nahe: Sind nicht Töten, Getötetwerden und Sterbenwollen auch die drei Teilkomponenten eines jeden Suizids (Menninger 1978)? Im Gegensatz zum psychogenen Tod wird jedoch beim Suizid der biologische Todesprozess primär nicht psychoenergetisch sondern physiologisch mit Hilfe eines Gifts oder einer selbst zugefügten Verletzung ausgelöst. Es gibt mehrere, prinzipiell unterschiedliche Auffassungen von Gegensätzen, die durch die Auseinandersetzung mit dem Phänomen „psychogener Tod“ wachgerufen werden. Oft ist einem gar nicht bewusst, dass etwas so Einfaches wie das Begriffpaar „Leben und Tod“ sehr verschiedenartig aufgefasst werden kann. Um 1900 sah man im psychogenen Tod, d. h. im Eintreten eines Todes ohne äußere Einwirkung und ohne erkennbare körperliche Ursache, einen Beweis für die Existenz der Seele. Dieser „Beweis“ beruht auf der stillschweigende Annahme einer Körper-Geist-Dualität.

Dualität Bei einer Dualität hat man zwei Gegensätze, die miteinander in ewigem Kampf stehen.100 Beispiele dafür sind: Schwarz und Weiß, Protagonist und Antagonist, 177

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

Freund und Feind, Kommunismus und Kapitalismus, Gott und Teufel, Immunsystem und Krankheitserreger usw. Die Grundidee ist, dass zum Schluss, d. h. wenn der Kampf endlich vorüber ist, nur einer der Gegnern obsiegt und weiterhin existiert. Der Verlierer verschwindet. Immer wenn Menschen behaupten wollen „Alles ist doch Geist!“ oder „Alles ist doch Materie!“ sind sie einem dualistischen Weltbild verhaftet. Nach dem dualistischen Weltbild eines gläubigen oder spirituellen Menschen stirbt der Körper, wenn der Geist bzw. die Seele ihn verlässt, da letzten Endes alles Geist (Energie, Schwingung o. Ä.) ist. Für den Materialisten ist es genauso klar: Wenn der Körper stirbt, existiert (außer dem toten Körper) gar nichts mehr vom gestorbenen Menschen, da – selbstverständlich – alles Materie ist. In einem dualistischen Weltbild ist es sehr wichtig zu wissen: Kann der Mensch alleine durch „geistige Kräfte“ umgebracht werden oder nicht, bzw. kann man immer ein physiologisches Korrelat zum eingetretenen Tod finden, egal wie subtil oder verborgen dies sein mag?

Polarität und Komplementarität Bei einer Polarität haben wir zwei Gegensätze, die miteinander in keinem feindlichen Konflikt stehen, sondern im Gegenteil sich zu einem größeren Ganzen komplettieren, wie das oben diskutierte Diesseits und Jenseits. Wie positive und negative elektrische Ladung (Magnetpole), Mann und Frau, Punkt und Kontrapunkt, Schlaf und Wachsein, Systole und Diastole usw. brauchen diese Pole einander und können höchstens nur zusammen verschwinden, sich gegenseitig auflösen, wie positive und negative Zahlen oder elektrische Ladungen. Diese Idee ist fest im östlichen Weltbild verankert, vielleicht am besten durch das bekannte Begriffspaar „Yin und Yang“. Nach einem polaren Weltbild entstehen Krankheit und Tod durch Disharmonie oder Einseitigkeit. Beschwerden und Krankheiten enthalten eine verborgene Botschaft und wir sind sozusagen selbst schuld, falls wir an einer chronischen oder tödlichen Krankheit leiden oder gar „psychogen“ sterben sollten. Da wo eine duale Denkweise sich mit dem Kampf gegen Krankheit, z. B. im Sinne von „Ich werde den Krebs besiegen!“ beschäftigt, ist eine polare Denkweise mit der Gefahr verbunden, dass der Betroffene zu stark auf sich selbst abstellt im Sinne von „Warum habe gerade ich und gerade jetzt Krebs bekommen?“

Parallelität und Isomorphismus Hier haben wir zwei Parallelwelten, die miteinander Eins zu Eins in Beziehung stehen, z. B. ich und mein Spiegelbild. Diese Welten stehen weder im Konkurrenz miteinander, noch sind sie notwendig, um durch irgendeine gegenseitige, 178

Gegensätze

ausbilanzierte Ergänzung oder Komplementarität eine größere, umfassendere Welt zu rechtfertigen und aufrecht zu erhalten. Im Altertum sprach man vom Doppelgänger: das Ich, das man z. B. ich im Traum ist. Aus diesem Grunde hat man in bestimmten Kulturkreisen den zweitgeborenen Zwilling sofort umgebracht, nicht aus Gemeinheit sondern aus der festen Überzeugung, dass die Anwesenheit des Zweitgeborenen in dieser Welt dem Erstgeborenen Unheil bringe, da er – der Zweitgeborene – dann den Erstgeborenen in der Traumwelt nicht mehr vertreten kann. Die parallele Denkweise steht im Einklang mit dem „umschriebenen Störsyndrom“, das mit früheren Erklärungen der musikogenen Epilepsie im Zusammenhang steht. In der Tat kann im psychogenen Tod allgemein ein „umschriebenes Störsyndrom“ gesehen werden: „ein übergeordnetes Syndrom, welches sowohl die hirnlokalen wie auch die neurotischen (und nach Manfred Bleuler [4. 1. 1903–4. 11. 1994] auch die meisten endokrinopathologischen) Grundsymptome psychischer Natur umfasst“ (Bash und Bash-Liechti 1959, S. 220). Die Vielfalt der psychogenen Todesfälle wird hier als Beleg dafür gesehen. (Die Literatur über den plötzlichen Tod im Zusammenhang mit Epilepsie ist kaum zu überblicken. Als repräsentative Berichte erwähne ich z. B. die Studien von Hauser et al. 1980, Jay und Leestma 1981, Laidlaw et al. 1988 und Leestma et al. 1989.) Es ist äußerst schwierig, bei den psychogenen Todes- und Krankheitsfällen abzustecken, wo das Organische eigentlich aufhören und das Psychologische beginnen soll. Aber gerade diese Schwierigkeit eröffnet und ermöglicht uns den Zugang zu einem therapeutischen Vordringen aus dem einen Bereich in den anderen, zu einer Verschiebung der psychosomatischen Grenzflächen und somit zu einem Überschreiten der Nahtstelle zwischen Soma und Psyche. Der hypothetische Grund dafür liegt meines Erachtens in der prinzipiellen Gestaltähnlichkeit beider Bereiche. Hier haben wir mit einem Gestaltprinzip den Versuch, den üblichen Körper-Seele-Dualismus mit Hilfe einer Parallelität zu umgehen. Ausgehend von diesem Gestaltprinzip des Isomorphismus von Seelischem und Körperlichem lassen sich beide Untersyndrome des „umschriebenen Störsyndroms“, das somatische wie das psychische, „als Auswirkungen gleichstrukturierter Störungen auf je verschiedenem Gebiet begreifen.“ Nach diesem Prinzip haben beide, das somatische und das psychische Syndrom, als Ausdruck „begrenzter chronischer Störungen ein grundsätzlich ähnliches Strukturverhältnis zum Ganzen und können demnach von diesem Ganzen her mit allen seinen Sinnbezügen auf gleiche Weise angesprochen werden. Besserung oder Heilung wirken sich innerhalb des nämlichen Bezugsrahmens aus und auf das Ganze zurück“ (Bash und Bash-Liechti 1959, S. 220–221). Was die zitierten Autoren genau unter dem Begriff „Ganzes“ verstehen, wird hier nicht klar. Oder vertreten sie dabei ein Art „Mischbild“, das zum Teil aus einer polaren und zum Teil aus einem parallelen Denkweise besteht? 179

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

Auf jeden Fall könnte hier noch ein soziales Untersyndrom dazu genommen werden. So bestünde eine gleichwertige Beziehung zwischen neurobiologischen, psychisch-geistigen und sozialen Ereignissen. Wir hätten sodann eine Art psychosoziophysikalischen Parallelismus. Die Schwachstelle in dieser Überlegung wäre, dass wir so gut wie nichts über die Rückkopplungsmechanismen zwischen dem sozialen, psychischen und biologischen Untersyndrom aussagen könnten. Gleichwohl könnte diese Schwachstelle durch die Idee von einer Skaleninvarianz – siehe unten – zwischen dem Sozialen, dem Psychologischen und dem Biologischen gerettet werden. Skalenvarianz ist sozusagen das Kalkül der im nächsten Abschnitt postulierten Zweieinigkeit vom Somatischen und Mentalen.

Zweieinigkeit und John von Neumanns Schranke Versteht man den psychogenen Tod (und psychogene Heilung) als Determinante neuronaler Reorganisationsprozesse, so kann diese Sichtweise zur Entwicklung und erfolgreichen Anwendung rein psychologischer Interventionen wie medizinischer Hypnotherapie beitragen. Die übliche Unterscheidung zwischen biologischen und psychischen Störungen, und damit zwischen biologischen und psychologischen Therapieformen, ist überholt. So wie eine Münze die Zweieinigkeit der beiden Seiten von Kopf und Zahl repräsentiert, kann der menschliche Organismus als Zweieinigkeit von Körper und Geist aufgefasst werden. (Schmid Gary Bruno 1988, Chpt. 5; Schmid Gary Bruno 2008). John von Neumanns Schranke „Der Tod, wie ich ihn meist sah, ist ein langsam kommender, der mit dem Einverständnis des Sterbenden beginnt. Er scheint mir eine mehr oder weniger zögernde, allmähliche, auch ruck- und stoßweise unter Kampf- und Gewaltanwendung oder ganz leicht und still vollzogene Trennungsbewegung zu sein, deren Anfangsstadien jeder mehr oder weniger schon erlebt hat (Schlaf, Krankheit, Wahnsinn und Ekstase mögen solche Zustände sein). Der endgültige Tod aber setzt das Jawort zu ihm bzw. die Selbstaufgabe voraus, die sich im tiefst Unbewussten abspielt und vom Bewusstsein gar nicht, oder mehr oder weniger – im Selbstmord ganz – ausgesprochen wird. … Sicher ist mir das Erlebnis einer ganz engen Zusammengehörigkeit von Körper, Seele und Geist, dass keines ohne das andere wirkt und seine Kräfte auf den gesamten Menschen ausstrahlt. Und doch habe ich auch erleben müssen, wie sehr die Seele im Körper ‚wie im Kerker gefangen‘ ist und zuweilen ohnmächtig gegen ihn anrennt. Der Mensch ist beides: Einheit und Zweiheit, einfaches und vielfältiges Wesen.“ (Schilling 1948, S. 65–66)

Wer könnte überzeugender über den Tod und die Grenze zwischen Psyche und Soma sprechen, als jemand der an eigenem Leib und eigener Seele während 180

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einer 2¼-jährigen Kriegsgefangenschaft und „über ihren unmittelbaren und nachwirkenden Niederschlag in meinem Denken und Verhalten“ (ibid. S. 41) berichtet? In diesem Abschnitt möchte ich eine schwierige Frage unter die Lupe nehmen: „Wo hört meine Außenwelt auf und wo fängt meine Innenwelt an?“ bzw. „Wo hört mein Körper auf oder wo fängt meine Psyche an?“ Irgendwo müssen wir eine Grenze ziehen, sobald wir zwischen „Mir“ und „Dir“, zwischen einem Ich und einem („meinem“) Körper unterscheiden wollen. In den Worten des bekannten Mathematikers und Physikers John von Neumann (1903–1957): „Dass diese Grenze beliebig tief ins Innere des Körpers des wirklichen Beobachters verschoben werden kann, ist der Inhalt des Prinzips des psychophysikalischen Parallelismus. – Dies ändert aber nichts daran, dass sie bei jeder Beschreibungsweise irgendwo gezogen werden muss, wenn dieselbe nicht leer laufen, d. h. wenn ein Vergleich mit der Erfahrung möglich sein soll.“ (von Neumann 1932, S. 224)

Es handelt sich hier eigentlich um eine Sache des gesunden Menschenverstandes (Schmid 1990). Falls wir zum Beispiel einfach die Raumtemperatur messen wollen, müssen wir so und so viele Grade messen können, egal wo und wann wir die Trennlinie zwischen Objekt und Subjekt ziehen: im Raum bei der Skala des Thermometers; im Auge des Beobachters bei der Netzhaut, wo das von der Skala reflektierte Licht einfällt; beim Sehnerv des optischen Nervensystems des Beobachters, durch den die Information über die Skalenhöhe dem Großhirn weitergeleitet wird; im Gehirn des Beobachters beim visuellen Cortex, wo das innere Bild der Skala irgendwie ins Bewusstsein gelangt; oder anderswo. In den Worten von Neumanns: „Aber einerlei, wie weit wir rechnen: bis ans Quecksilbergefäß, bis an die Skala des Thermometers, bis an die Retina, oder bis ins Gehirn, einmal müssen wir sagen: und dies wird vom Beobachter wahrgenommen. D. h. wir müssen die Welt immer in zwei Teile teilen, der eine ist das beobachtete System, der andere der Beobachter. In der ersteren können wir alle physikalischen Prozesse (prinzipiell wenigstens) beliebig genau verfolgen, in der letzteren ist dies sinnlos. Die Grenze zwischen beiden ist weitgehend willkürlich …“ (von Neumann 1932, S. 223–224)

Obwohl von Neumann hier ausdrücklich von einem psychophysikalischen Parallelismus spricht, ist klar, dass er dabei keine Spiegelwelt bzw. keinen Isomorphismus meint, wie ich sie im letzten Unterkapitel diskutiert habe. Seine Idee hängt eng mit einem unausweichlichen, empirischen Grundlagenproblem zusammen: der Unmöglichkeit, nur anhand der Resultate einer physiologischen Messung eindeutig und empirisch nachweisen zu können, welchen Ursprung 181

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

das Messergebnis hat: einen psychologischen oder einen physiologischen. Zum Beispiel: Die Messung von Herzfrequenz, Blutdruck, Adrenalinspiegel etc., ja sogar die objektive Feststellung eines Überschusses oder Mangels eines Hirnbotenstoffs, gibt per se keinen Hinweis darauf, ob das Messresultat in erster Linie auf psychologische oder physiologische Einflüsse auf den Organismus vor der Messung zurückzuführen ist. Man müsste auch noch die äußere Situation des Organismus vor der Messung kennen. Mit einfachen Worten: Wenn ein aufgeregter Mensch mit Herzklopfen vor uns steht, können wir nicht wissen, ob er aufgeregt ist, weil er Herzklopfen hat, oder ob er Herzklopfen hat, weil er aufgeregt ist! Beide Phänomene, Herzklopfen und Aufregung, gehen gleichzeitig in einander über und vereinigen sich fortlaufend aufs Neue in jedem Augenblick der Gegenwart. Bei jedem Versuch, eine Grenze zwischen Soma und Psyche, z. B. zwischen Herzklopfen und Aufregung zu ziehen, das Herzklopfen im Herzen und die Aufregung im Hirn zu lokalisieren, erzeugen wir – die Beobachter von außen – die Abgrenzung. Wichtig dabei ist nur, dass dadurch keine Tatsachen verändert werden, egal ob wir diese Grenze hier oder dort festlegen. Mit anderen Worten, Herzklopfen und Aufregung werden nicht zum Verschwinden gebracht, egal wie nah am Herzen oder wie dicht am Hirn diese Grenze gezogen wird. Die vermeintliche Grenze zwischen Soma und Psyche existiert erst, wenn wir sie gezogen haben, ihre Ortung ist mehr oder weniger willkürlich, während die Tatsachen an sich unverändert fortbestehen – wie die Temperatur bei von Neumanns Temperatur-Messung: Die Temperatur bleibt dieselbe, egal ob die Quecksilbersäule die Messung direkt im Thermometer macht (Grenze im Thermometer) oder ob die Messung mittels Fotografie innerhalb einer Kamera durch die chemischen Veränderungen auf dem Filmstreifen erfolgt (Grenze in der Kamera). Wir können unsere menschlichen Erklärungen für die Tatsachen fast beliebig in die eine oder andere Richtung projizieren – tiefer in das zellular-biochemische Substrat des Körpers hinein oder weiter in das magisch-geistige „Hyperstrat“ der Umwelt hinaus. Im ersten Fall werden die „Weltengeister“ nicht einmal im Elektronenmikroskop gesehen und durch Missachtung als unnötig für das wissenschaftliche Verständnis zum Verschwinden gebracht. Im zweiten Fall verschwinden die „Lebensgeister“ und mutmaßlichen Krankheitserreger, die in den Blutbahnen, Lymphgefäßen, Nervenleitungen und Mikrotubuli des Körpers „herumspuken“, und geben den „Zaubereinflüssen“ aus der Umwelt den bevorzugten Platz im Gedankengebäude. Die Symptome der Krankheit werden durch ihre Erklärung nicht geändert: Die Krankheit gibt den Geist so oder so nicht auf. Stellen wir uns jemanden mit einer Warze vor. Ein Geistheiler ortet die Grenze zwischen krankmachendem Einfluss und Symptom an der Türschwelle 182

Gegensätze

der bösen Nachbarin, die eine Hexe sei, weshalb er mitten in der Nacht ihren Türrahmen mit Knoblauch einreibt. Ein Naturheiler sieht für die Haut ein Problem im Kontakt mit den schädlichen Umwelteinflüssen, weshalb er eine Heilsalbe aufträgt. Der Chirurg weiß, dass Hautwarzen durch das HPV (Human Papilloma Virus) verursacht werden und empfiehlt eine Operation. Die Dermatologin weiß auch vom HPV, interpretiert die Warze aber als Ausdruck einer psychosomatischen Störung und empfiehlt als Behandlung Besprechen oder Hypnose. Der Patient, der an seinen Heiler glaubt, wird vermutlich in jedem Fall geheilt. Dies wusste bereits Goethes Doktor Faust: „Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.“ Nun erhebt sich die Frage, welche Behandlung die „richtige“ sei bzw. das Mittel der Wahl. Wenn jede Patientin mit einer Warze mit gleicher Intensität an ihre jeweilige Behandlerin glaubt, stellen sich mehrere grundsätzliche Fragen: „Mit welchem Mittel setzt die Besserung am schnellsten ein, geht die Behandlung am kürzesten, hält die Heilung am längsten an?“ und „Bei welchem Heiler werden die meisten Patienten gesund“? Es scheint so zu sein, dass die westliche Medizin mindestens im Fall von wohldefinierten, biologischen Krankheiten die Mittel erster Wahl besitzt; dabei wird immer angeführt, dass der Glaube an die Behandlung bzw. den Behandlungserfolg nicht im Vordergrund stehe. Jedes moderne Heilmittel wird in der Regel in einer sog. Doppelblindstudie geprüft, die den Einfluss des Glaubens (Placebo-Effekt) ausschließen soll. Trotzdem scheint mir, dass z. B. Penicillin für die westliche Welt sehr wohl eine Art Wundermittel darstellt, an das stark geglaubt wird, in gleicher Weise wie irgendwelche Kräuter einem Eingeborenen den Zauber einer Heilung bedeuten. Nur wird der Glaube ans Penicillin nicht mehr als solcher benannt, sondern als Wahrheit verkauft: Der Glaube ist vielleicht erst dann ein wirksames Heilmittel, solange er nicht als Glaube erkannt wird. Oder: Inwieweit kann Glaube eine reale Wirkung vielleicht erst möglich machen? Hierzu ein Beispiel aus der Depressionsbehandlung. Die wesentliche Wirkung bestimmter Antidepressiva zeigt sich darin, dass die auf Antidepressiva ansprechenden Patienten (weit mehr als 30 %) denselben Verlauf des Abklingens der depressiven Symptome aufweisen wie die Patienten, die auf Placebo ansprechen (ca. 30 %). Es gibt also hinsichtlich des Besserungsverlaufs keine relevanten Unterschiede zwischen den Menschen, die auf Placebo oder Antidepressiva reagieren: Die spezifisch antidepressiv behandelten Patienten heilen nicht schneller oder besser als die placebo-behandelten, nur der Anteil der ansprechenden Patienten ist signifikant höher (Stassen et al. 1993); und es ist lediglich diese erhöhte Effizienz, die dem Medikament den Vorzug gegenüber Placebo gibt (vgl. Degrandpre 1999). In diesem Zusammenhang soll noch ein bis heute nicht erklärbares Phänomen der Behandlung mit Antidepressiva er183

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

wähnt werden: Obwohl der chemische Stoff bereits nach Stunden bzw. spätestens nach Tagen in der notwendigen Konzentration im Hirn vorliegt, tritt die spezifische antidepressive Wirkung in der Regel erst 1–3 Wochen nach Behandlungsbeginn ein. Muss das Medikament erst eine Weile genommen werden, um einem depressiv erkrankten Menschen nach der ärztlichen Suggestion einer Latenzzeit und den ebenso suggestiven Ausführungen auf dem Beipackzettel den Glauben an die Wirkung der Medikation bzw. an die Besserung der Symptome zu ermöglichen? Es liegt nicht am fehlenden Glauben, dass die aufgeklärte Medizin in manchen Fällen wirksamer ist als Placebo, sondern an der Tatsache, dass der Verlauf der mit den Sinnen wahrnehmbaren Dinge die Glaubenssätze eher bestimmt, als dass die Glaubenssätze den Verlauf dieser Dinge bestimmen, d. h. dass der Inhalt nur bestimmter Glaubenssätze einen Wahrheitsgehalt besitzt. So geht die Sonne wahrscheinlich auch morgen wieder auf, selbst wenn die eine oder der andere gerade nicht mehr so fest dran glaubt. Auf keinen Fall kann man die Frage umgehen: Glaube hin oder her, welche Grenze zwischen Soma und Psyche ist die erste, die richtige Wahl? Es scheint Krankheiten zu geben, für die die naturwissenschaftliche Medizin mit ihren Grenzziehungen eine effizientere Behandlungsmethodik jenseits der Grenze (d. h. im Körper) mit sich bringt, was zu einer erfolgreicheren Besserung der Krankheit diesseits der Grenze (d. h. im Geist) führt als die Behandlung bei einem Geistheiler. Und vice versa. Die Grenzziehung zwischen Soma und Psyche hat somit einen epistemologisch-zweckgebundenen Sinn, aber keinen Anspruch auf Wahrheit. In diesem Sinne ist es für einen Arzt sicher einfacher, das Fieber seines grippalen Patienten direkt am Thermometer abzulesen als die Temperatur indirekt aus dem entsprechenden Bild in seinem (des Arztes) eigenen visuellen Cortex abzuleiten, d. h. die Grenze zwischen Soma und Psyche möglichst nah beim Patienten zu ziehen. Für das Verständnis des psychischen Leids seines febrilen Patienten scheint er mir hingegen besser beraten, über das Thermometer hinweg zu schauen und die Seele des Patienten genauer unter die Lupe zu nehmen, d. h. die Grenze zwischen Soma und Psyche so tief wie möglich in den Patienten hinein zu verlegen. Und für den Betroffenen selber? „Orte deine Schmerzen, um dein wahres Ich zu finden.“

lautet ein passender mystischer Spruch (auch im Falle einer banalen Grippe). Die Zweieinigkeit von Körper und Geist Wir können das anhaltende Dilemma des psychophysikalischen Parallelismus noch anders umschreiben. Stellen Sie sich eine gewöhnliche Münze vor. Diese hat bekanntlich zwei unterschiedlich geprägte Seiten: Kopf und Zahl. Ohne diese beiden gegensätzlichen Seiten würde sie als Gebilde gar nicht existieren: Es 184

Gegensätze

gibt keine Münze ohne zwei Seiten. Solch ein Ding nennt man eine Zweieinigkeit (engl: Biunity, siehe Schmid Gary Bruno 2008). Eine Zweieinigkeit bedingt immer drei Entitäten: Zwei Korrelate und den Verbindungsfaktor, nach dem die Zweieinigkeit normalerweise benannt wird. Im Fall der Münze sind diese Korrelate die zwei entgegengesetzten Seiten. Und die Zweieinigkeit selber, den Verbindungsfaktor zwischen den beiden Seiten Kopf und Zahl, nennen wir „Münze“. Es ist klar, dass sich nichts an der Sache ändert, wenn wir die Grenze zwischen Kopf und Zahl von der Mitte der Münze mehr in die eine oder mehr in die andere Richtung, d. h. mehr Richtung Kopf oder mehr Richtung Zahl, verschieben. Die Münze bleibt eine Münze, und keine Seite verschwindet, weder Kopf noch Zahl. Genauso wollen wir nun das Leib-Seele- bzw. das KörperGeist-Problem mit Hilfe des Begriffs Zweieinigkeit im Rahmen des psychophysikalischen Parallelismus verstehen. Stellen wir uns vor: Ohne Geist keine lebende Seele; ohne Seele kein lebender Körper; ohne Körper kein lebender Geist. Hier haben wir stillschweigend die Annahme hereingebracht, dass es kein Leben gibt ohne die drei: Körper, Geist und Seele (vgl. die drei Begriffe: Stoff, Information und Energie). Wenn wir diese Behauptung akzeptieren, kommen wir zum Schluss: Seele (Psyche) ist die Zweieinigkeit von Körper (Body) und Geist (Mind); eine Lebensmedaille mit zwei epistemiologischen Seiten. Im Bereich der künstlichen Intelligenz spricht man sogar von „verkörperter Intelligenz“. Dieser Begriff soll zum Ausdruck bringen, dass die Intelligenz nicht allein ein Faktor des Geistes, sondern ein Produkt des Zusammenspiels zwischen Körper und Geist ist. Etwas philosophischer kann man hier sogar die Grundbegriffe in der Physik von Aristoteles erwähnen: Jedes Ding, jedes Etwas, d. h. jedes konkret existierendes Wesen (griech. ousia, lat. essentia) lässt sich begreifen als zusammengesetzt aus seiner Materie (griech. hyle, lat. materia) und seiner Form (griech. morphé, lat. forma), wobei Wesen, Materie und Form lediglich Reflexionsbegriffe sind, die für sich alleine nicht existieren können. Hier möchte ich mir ein paar linguistische Nebenbemerkungen zum Begriff „Zweieinigkeit“ erlauben. Das Oxford English Dictionary definiert „Biunity“ wie folgt: „Eine Einheit oder Einssein zweier Glieder oder Teile.“101

In diesem Sinne kann man mit „Biunity“ eine Proto-Polarität bezeichnen oder, umgekehrt, Polarität kann als manifester Ausdruck einer intrinsischen Zweieinigkeit verstanden werden. Das erscheint sinnvoll, wenn man die obige Definition mit dem Sinngehalt von „Polarität“ vergleicht (so, wie der Begriff im Englischen verwendet wird). Das Oxford English Dictionary definiert „Polarität“ im allgemeinen Sinn so: 185

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

„Die Qualität, gegensätzliche oder kontrastierende Merkmale oder in gegensinniger oder kontrastierender Richtung wirkende Kräfte darzustellen; die Besetzung zweier Punkte mit der Bezeichnung „Pol“, die konträre Qualitäten oder Tendenzen aufweisen.“102

So könnten wir im Hinblick auf den Gebrauch dieser Begriffe im Englischen sagen: Die Konvergenz der Polarität ist das Einssein der Zweieinigkeit und die Divergenz der Zweieinigkeit ist die Zweiheit der Polarität.

Man beachte: Eigentlich impliziert das Konzept der Zweieinigkeit drei – und nicht nur zwei – Komponenten: zwei Entitäten plus die erforderliche Relation zwischen beiden. Mit anderen Worten: Eine Zweieinigkeit bedeutet also „ein verbindendes Prinzip, das die beiden Entitäten in Beziehung setzt und damit die einzelnen Qualitäten zu einer dritten Entität formt, die sozusagen aus der Vereinigung entsteht.“ 103

Diese dritte Entität ist die Zweieinigkeit selbst. Ganz allgemein können wir jede derartige Verbindung (physisch, logisch, semantisch etc.) oder jedes Paar derart verknüpfter Begriffe oder Entitäten als Zweieinigkeit bezeichnen, was uns zu einer weiteren Definition dieses Konzepts führt: „Eine Zweieinigkeit ist die Relation zweier Entitäten der Art, dass die Verbindung selbst beide in Wechselbeziehung stehenden Entitäten benötigt, ebenso wie jede der beiden Entitäten sowohl die andere als auch das Bindeglied zwischen beiden benötigt.“

Die westlichen Sprachen kennen für ein solches verbindendes Prinzip den linguistischen Ausdruck „korrelative Termini“: „In vielen Fällen geben zwei diametral entgegengesetzte Ideen einer verbindenden oder neutralen Idee äquidistant Raum, und alle drei bedingen sich gegenseitig durch entsprechende und wohldefinierte Termini.“ (Kirkpatrick 1988, p. xxii).104 So wie David Hume (1711–1776) „anhand eines gewissen Defizits im Lateinischen wichtige Rückschlüsse auf den Zustand der Gesellschaft im Alten Rom gezogen hat“, (Kirkpatrick 1988, p. xxii, fn)105 können wir anhand eines gewissen Defizits in unseren westlichen Sprachen eine wichtige Folgerung zum Zustand der Forschung auf dem Gebiet der Bewusstseinswissenschaft ableiten, namentlich zur Überbetonung von Konzepten wie Polarität und Dualität und Vernachlässigung des Konzepts der Zweieinigkeit im Kontext des Körper-Geist-Problems. Der Begriff der Zweieinigkeit von Körper und Geist ist nicht mit der Dualität von Leib und Seele zu verwechseln. Nach dieser Dualität, wie sie in der älteren Literatur oftmals vertreten wird, gehören Leib und Seele zwei verschiedenen Grundprinzipien des Seins an, die sich feindlich gegenüberstehen oder sich 186

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ergänzen. (Im zweiten Fall redet man von einer Polarität – siehe oben.) Die Obduktion darf daher im Fall eines psychogenen Todes grundsätzlich keine erkennbare organische Ursache zeigen, weil die (lebenspendende) Seele des Verstorbenen seinen (per se toten) Körper schlicht und einfach verlassen hat. Nach der Zweieinigkeit stehen sich Leib und Seele gegenüber wie die zwei Seiten einer Medaille (aber nicht einfach isomorph wie ein Objekt und sein Spiegelbild): Hier wird im Prinzip immer erwartet, dass auch für den psychogenen Tod ein organisches Korrelat vorliegt, und zwar sogar dann, wenn es mit den angewandten Methoden gerade nicht gefunden werden kann. Eine gewöhnliche Münze stellt eine alltägliche Zweieinigkeit dar. Andere Zweieinigkeiten sind z. B. Liebe mit den Korrelaten Liebender und Geliebte, und Erkenntnis mit den Korrelaten Erkennender und Erkanntes. Schon am Ende des Abschnitts „Beziehung als seelische Nahrung“ habe ich gewagt, die Liebe auch als Zweieinigkeit von Leben und Tod zu betrachten. Nun möchte ich die Begriffe „Körper“, „Geist“ und „Seele“ aus noch einer anderen Perspektive beleuchten: Unter „Körper“ kann ich ein Ding der Umwelt verstehen.106 Unter „Geist“ kann ich das übliche, persönliche „Bewusstsein von“ verstehen, das diesseits der von Neumann’schen Schranke, d. h. unseres physischen Leibes, die Dinge als Inhalt nimmt (und wo das subjektive Ich residiert) und die Dinge kognitiv (z. B. semantisch) als Objekte auffasst. Unter „Seele“ kann ich das kollektive „Bewusstsein an sich“ verstehen, das noch weiter diesseits der von Neumann’schen Schranke auch das Ich als Inhalt nimmt (und wo der letzte innere Beobachter – das Selbst – residiert) und die Dinge unbewusst (z. B. bildhaft) auffasst. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erhalte ich dann: Bewusstsein an sich < Bewusstsein von | Dingwelt | >.

Die vertikalen Striche | . . . | stellen die von Neumann’schen Schranke dar, die spitzen Klammern < . . . > die Grenze zwischen dem persönlichen Bewusstsein und dem kollektiven Unbewussten: Alles innerhalb der Striche | . . . | ist dem Menschen kognitiv als Objekt bewusst; alles innerhalb der spitzen Klammern < . . . > ist dem Menschen subjektiv bewusst; alles außerhalb der spitzen Klammern < . . . > ist dem Menschen kollektiv, d. h. im Einklang mit seiner Gattung unabhängig von geographischem Ort und historischer Epoche, und intuitiv als Subjekt bewusst. Ich könnte auch sagen: Wir < Ich | Du | >.

Der klassische psychogene Tod „funktioniert“, indem die Grenzen des Bereichs, in denen das Ich lebt, durch die Käfigsituation völlig unbeweglich und undurchlässig werden: Der Mensch ist ausweg-, hilf- und hoffnungslos emotional isoliert und verhungert sozusagen am Beziehungsverlust. Bei einem unter einer Psychose leidenden Menschen sind die Grenzen | . . . | und < . . . > zu sehr ver187

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

schiebbar und permeabel: Ein klares Ich ist für ihn selbst in der Du-Begegnung und für die anderen auch in der Wir-Begegnung nicht mehr erkennbar; seine geistig-seelische „Haut“ ist zu durchlässig geworden. Egal ob wir das Körper-Geist-Problem im Bild der Zweieinigkeit oder im Bild des Bewusstseins oder in irgendeinem anderen erkenntnistheoretischen Bild auflösen wollen und unabhängig vom Ort, an dem wir die pragmatische, wenn auch künstliche Grenze zwischen Soma und Psyche platzieren (Schmid 1990), belegen auf jeden Fall alle psychogenen Todesphänomene den Einfluss unbewusster Elemente, Gedanken, Gefühle oder Bilder auf körperliche Prozesse. Da innere Bilder die Inhalte des Unbewussten verkörpern und die körperlichen Dinge der Außenwelt vergeistigen und soweit diese Zweieinigkeiten (also die inneren Bilder) zugleich der Stoff sind, aus dem die Träume geschaffen werden, erwarten wir im Sinne des oben erwähnten psychophysikalischen Parallelismus eine Korrelation zwischen unbewussten und körperlichen Prozessen, die in den Traumbildern zu erkennen ist. (Siehe den „Geist der einsamen Witwe“, den Bangungutund Pokkuri-Tod.) In der Tat ist z. B. eine unmittelbare Beziehung zwischen Träumen und Angina pectoris-Attacken bekannt. Hier denke ich z. B. an das im ersten Kapitel erwähnte Zitat vom C. Nowlin zum Zusammenhang zwischen Traum und Herzstörungen. (Siehe „Killer Dreams“ Parmar und Luque-Coqui 1998). Weitere Zusammenhänge zwischen Schlaf und kardialen Arrhythmien einerseits, und Änderungen in den Schlafstadien und plötzlichem Tod andererseits sind beschrieben (Lester et al. 1969; Rosenblatt et al. 1969). Es folgt ein Beispiel von historischem Interesse. Joseph Haydn (getauft 1. 4. 1732–31. 3. 1809) hat in seinem Tagebuch am 25. April 1792 folgendes Ereignis niedergeschrieben: „An einem Konzert bei Herrn Bartholemon (London) am 26. März war ein englischer Pfarrer zugegen, der beim Anhören meines Andante in tiefste Melancholie versank, weil er in der Nacht zuvor von gerade solch einem Andante geträumt hatte, das seinen Tod vorhersagte. Er verließ umgehend die Gesellschaft, ging zu Bett und heute erfuhr ich von Herrn Bartholemon, dass dieser Pfarrer gestorben ist.“107 (Menninger 1948, S. 32)

Laut EKG-Schlaf-Studien sterben arrhythmische Patienten im Schlaf häufig kurz vor dem Erwachen: ventrikuläre Extrasystolen (premature ventricular contractions, PVCs) sowie S-T- und T-Wellen-Änderungen im Elektrokardiogramm (EKG) kommen am häufigsten während des REM-Schlafs vor. (Das englische Kürzel REM steht für „rapid eye movement“ und bezeichnet die schnellen Augenbewegungen des Träumers, die nachweislich in der Regel während des Träumens auftreten.) So verstanden ist die Traumwelt die Zweieinigkeit einer sichtbar-bewussten Außenwelt und einer unsichtbar-unbewussten Innenwelt. 188

Psychologische Faktoren im engeren Sinne

Psychologische Faktoren im engeren Sinne „Zwei Dinge, die ich schon früher erwähnte, schienen bei jedem Fall von Zauberei, den ich beobachtet hatte, vorhanden zu sein. Erstens lebt der primitive Mensch in einer Harmonie von zwei Welten, die ihm gleichermaßen natürlich erscheinen – die Welt der alltäglichen Wirklichkeit und die Welt der Geister, welche dieses Alltagsdasein für ihn bevölkern. Zweitens hat er den absoluten Glauben an die Kräfte des Zauberdoktors. … Der Prozess der primitiven ,Gehirnwäsche‘ ist im wesentlichen die Anwendung der psychologischen Prinzipien von Suggestion und Bekenntnis auf ein Subjekt, um einen Zustand absoluter Bereitwilligkeit herbeizuführen.“ (Wright 1958, S. 51–52)

Am ehesten denkt man hier an die Hysterie, die „Krankheit mit Appellcharakter“: Verdrängte Vorstellungen und Gefühle – normalerweise sexuelle Traumata, aber auch der Glaube an die Zauberkraft böser Geister – bilden die krankmachenden Grundlagen von intrapsychischen Spannungen, aus denen mittels „Konversion“ (Umwandlung seelischer Energie in körperliche Beschwerden) die Symptome entstehen (Mentzos 1997). Elias Canetti hat zum Thema Hysterie eine literarische Beschreibung geliefert: „Der Reichtum der Verwandlungen, die dabei versucht werden und von denen viele nur in ihren Ansätzen manifest werden, ist erstaunlich. Eine der häufigsten ist die Verwandlung in Tote; sie ist altbewährt und schon von vielen Tieren her bekannt. Man hofft, dass man als Toter losgelassen wird. Man bleibt liegen, und der Feind geht weg.“ (Canetti 1983, S. 395)

Aber die Medizin kennt in der Tat eine akute tödliche Hysterie (Rosenfeld 1925) und zweifelt nicht daran – wie die vorliegende Arbeit ausführlich belegt „dass starke Gefühlsbewegungen als Todesursache in Frage kommen“ (vgl. Bloch 1921; vgl. auch die Diskussion über den Totstell-Reflex in Kaada 1987). Einmal eingeleitet, lassen sich die tödlichen Vorgänge kaum mehr aufhalten: Eine Verschlechterung der allgemeinen Körpertrophik kommt zustande, die sich kaum beheben lässt und in der Regel zum allmählichen Siechtum mit tödlichem Ausgang führt. Aber woher kommt es nun, dass der klassische psychogene Tod, ausgelöst z. B. durch Voodoo, Tabu oder Heimweh, durch Beseitigung des Auslösers, z. B. mit Hilfe eines mächtigeren Weißen Magiers, durch ein überzeugendes Zurücknehmen des Tabus bzw. mit einer Heimreise, doch relativ leicht und sicher psychogen verhindert werden kann, selbst wenn der Kranke eben noch am Rande des Grabes stand? Beim Besessenheitstod wie auch bei den meisten anderen psychischen Beeinträchtigungen und Störungen, z. B. Depression, Manie oder Schizophrenie, hat die Entfernung jeglicher mutmaßlichen Ursache in der Regel keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf. 189

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

Die üblichen Geistesstörungen laufen mehr oder weniger autistisch durch die autonome Wirkung einer unbewussten Aktivität im Rahmen der Tiefenpsychologie ab, d. h. mehr oder weniger immun gegenüber psychologischen Appellen und sonstigen helfenden Bemühungen oder Einflüssen von Drittpersonen. Im Fall von Depression, Manie oder Schizophrenie sprach man lange von einer endogenen Störung, um dieser Ratlosigkeit in einem Terminus medicinalis Ausdruck zu verleihen. Egal wie berühmt oder charismatisch ein Psychotherapeut sein mag, es kommt äußerst selten vor, dass er auf Anhieb und mit nur ein paar Worten oder ritualisierten Gesten einen Kranken von seiner Depression, Manie, Schizophrenie, seinen Zwängen oder sonst einem seelischen Leiden wegbringen kann. Beim klassischen psychogenen Tod ist gerade dies der Fall: Das todbringende Voodoo-Wort eines bösen Zauberers kann durch das Wort eines noch mächtigeren und guten Magiers vernichtet werden; der einsetzende psychogene Todesprozess, der durch einen Tabu-Bruch ausgelöst wurde, wird durch Richtigstellung gestoppt; der begonnene Prozess des Heimwehtods wird durch eine unerwartet angebotene Rückfahrkarte beendet. Doch gibt es bis heute keine Formel, die den Verlauf einer perniziösen Katatonie rückgängig machen kann. In diesem Sinne scheint der Besessenheitstod hier eine Ausnahme zu sein. Auf jeden Fall ereignet sich der psychogene Tod im Rahmen eines ihm eigenen außergewöhnlichen Bewusstseinszustands.

Psychogener Tod im außergewöhnlichen Bewusstseinszustand Nicht jeder Mensch, der sterben will oder glaubt sterben zu müssen, erleidet einen psychogenen Tod: Ein psychotischer, depressiver Mensch mag sich tatsächlich längst als tot erleben und mit absolut überzeugender Plastizität halluzinieren, er nehme den Verwesungsgeruch am eigenen Leib wahr, ohne konkret zu sterben. Manche schizophren erkrankten Menschen erleben sich von feindlichen Mächten auf grausamste Art gnadenlos zu Tode gequält. Und doch können diese Patienten jahrelang in derartigen morbiden mentalen Zuständen weiterleben, ohne eine tödliche Beeinträchtigung ihrer vitalen Lebensfunktionen zu erfahren. (Besessenheitstod bzw. perniziöse Katatonie bilden eine Ausnahme.) Und noch ein Rätsel: Wenn Vorstellungskraft töten kann, warum stirbt nicht jeder suizidale Mensch gerade im Augenblick vor dem Abdrücken der Schusswaffe? Also sobald er felsenfest entschlossen und auf dem Absprung ist, seinen Todeswunsch in die Tat umzusetzen? Der suizidale Mensch, der die fixe Idee des Todes verinnerlicht hat, wünscht sich sein Ende sehnlichst und teils mit gewaltsam geballter Willenskraft herbei, und ein Neurotiker kann die schaurigsten Todesängste erleiden, ohne real daran zu sterben. 190

Psychologische Faktoren im engeren Sinne

Offensichtlich führt nicht jede fixe Idee, egal wie morbid und quälend sie sei, zwangsläufig in den Tod. Wie kann man diese verwirrenden Tatsachen konzeptuell umschreiben und die tödliche von der nicht tödlichen Vorstellungskraft begrifflich abgrenzen? Die ersten westlichen Denker, die sich mit der Vorstellungskraft abstrakt auseinandergesetzt haben, waren vermutlich die Gnostiker des Altertums. Aus gnostischer Sicht können vier Hierarchien von Bewusstsein unterschieden werden, die vom Standpunkt der modernen Psychiatrie als differente außergewöhnliche Bewusstseinszustände verstanden werden können. Sie rangieren von „niedrig“ bis „hoch“, wobei eine metaphysische Nähe zum Dämonischen auf dem tiefsten Niveau und zum Göttlichen auf dem höchsten angenommen wird. Auf der niedrigsten Stufe befindet sich der Wahn oder die Psychose, beide werden laut christlicher Mystik vom Teufel eingegeben. Die Psychiatrie kennt durchaus mehrere Ausprägungen dieser gnostischen Kategorie, z. B. Formen der Wahnstimmung, des Beeinflusstwerdens, Stimmenhörens oder Sendungsbewusstseins (wahnhafte Bestimmung). Auf der nächsthöheren Stufe liegen der Tagtraum und der gewöhnliche Nacht- oder Albtraum, die aus weltlichen Ängsten oder Wünschen geboren werden (bei suizidalen Menschen z. B. Ängste oder Wünsche zu sterben). Als noch eine Stufe höher stehend wird von den Gnostikern die Imagination betrachtet, die nach gewissen religiösen Auffassungen (z. B. im orthodoxen Islam und Christentum) sogar zur Kategorie des Gebets gehört und laut anderen Auffassungen (z. B. im Buddhismus, Hinduismus und Sûfîsmus) dem Bereich der Meditation zugeordnet wird. Die Imagination ist dieselbe Vorstellungskraft, welche die Psychologie so unterschiedlich bezeichnet: aktive Imagination, katathymes Bilderleben, geführte Bilderreisen, Hypnose, u. a. (Auf dieser Stufe läuft meines Erachtens der psychogene Todesprozess ab.) Die vierte und höchste Stufe der Vorstellungskraft ist aus gnostischer Sicht die Inspiration, welche laut Altem und Neuem Testament von den Engeln oder gar von Gott selbst stammt und die auch zur Kategorie des Wahrtraums, des Zweiten Gesichts, der Vision usw. gehört. Aus meiner Sicht steht das todbringende wie das lebensrettende „AHA!“, das den psychogenen Tod initiiert bzw. das einen schon begonnenen psychogenen Todesprozess zunichte machen kann, auf dieser herausragenden Bewusstseinsstufe. Fazit: Aus psychologischer Sicht wird der psychogene Tod durch die aktive Imagination einer auf das eigene Sterben und den eigenen Tod bezogenen erwartungsvollen Aufmerksamkeit vollstreckt, die durch eine persönliche und tödliche „Inspiration“ im sozialen Rahmen eines Voodoo-Akts, eines Tabu-Bruchs, eines Heimwehs oder eines seelisch-pathogenen, autonom verlaufenden Prozesses heraufbeschworen wurde. Offensichtlich spielen hier auch gewisse Reaktionen des sozialen Umfelds zusammengenommen eine entscheidende Rolle in der Verstärkung sowie in der Entmächtigung eines schon eingeleiteten psychogenen Todes191

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

prozesses. In diesem Kontext möchte ich noch erwähnen, dass auch eine Selbstheilung durch einen außergewöhnlichen Bewusstseinszustand in Gang gesetzt wird.

Soziologische Faktoren „Im wirklichen Zusammenleben der Menschen scheint es, daß die Einzelnen sowohl ,ganze‘ Menschen sind, als auch – paradoxerweise – zugleich nur Teilfiguren und Gegebenheiten einer höheren symbolischen Ganzheit darstellen, die viele Individuen umfasst und sich in den seelischen Projektionen, welche die Menschen aneinander erleben, manifestiert“,

hat Hedwig von Beit in ihrem Buch „Symbolik des Märchens“ einst geschrieben (von Beit 1952, S. 718). In diesem Sinne entsteht der psychogene Tod – tiefenpsychologisch gesprochen – aus dem „Horror vacui“ (Schrecken vor dem Nichts) eines Projektionsvakuums: Der Mensch kann sein Leben nicht mehr auf die Lebenden übertragen, d. h. er sieht keine Verbindung mehr mit ihnen, sondern identifiziert sich nur noch mit dem Tod. Gleichzeitig ist die einzige Übertragung aus seinem psychosozialen Umfeld auf ihn eine Gegenübertragung des Todes, d. h. die Leute, die mit ihm zusammenleben, betrachten ihn schon als tot. Seine Existenz ist beziehungslos und dadurch lieblos und leblos geworden. Er kann sich sein Dasein nur noch jenseits aller lebendigen Beziehungen vorstellen: im Reich des Todes. Es sind die eigenen inneren Bilder, die wir uns von unserer psychosozialen Situation machen, die die Übertragungen und Gegenübertragungen, die wir erleben, aufrecht erhalten. Werden diese Bilder zum schrecklichen Nichts, wird unser psychisches Dasein – wegen der Rückwirkung der Psyche auf sich selbst – sogleich in dasselbe „schwarze Loch“ hineingesogen. Und die physiologischen Prozesse werden nachgezogen: Der Mensch stirbt. Im Zusammenhang mit der Hysterie hat der deutsche Psychosomatiker und Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich (1908–1982) gesellschaftliche Einflüsse betont: Wenn „der Anspruch der Gesellschaft so terroristisch in das Individuum hineingetragen wird, dass Abweichungen von Geboten und Verhaltensnormen permanente, intensive Angst erwecken“, könne in einer Krisensituation eine starke hysterische Reaktion zu einer psychosomatischen Symptombildung führen, die in den Exitus letalis mündet. An die Stelle der typischen, gesellschaftlich erwarteten hysterischen Reaktionen des 19. Jahrhunderts wie Ohnmachtsanfälle und seelische Taubheit oder Blindheit sind heutzutage Panikattacken, Nervenzusammenbrüche und Erschöpfungszustände getreten. Dass heute wie in biblischen Zeiten der Tod stets dazu gehört, wurde oben schon diskutiert. Und bezogen auf den Voodoo-Tod wurde z. B. gesagt: 192

Biologische Faktoren

„Wenn sich nicht nur das erste Liebesobjekt, sondern die ganze Welt als Mutterersatz abwendet, scheint der Mensch unfähig zu sein, mit dem Erlebnis der totalen Isolierung fertig zu werden. Ich nehme Bezug auf das Symptom der Thanatomanie. Unter gewissen Bedingungen kann die Trennungsangst so über wältigend werden, dass der Lebenswille ausgelöscht wird. Angesichts der Alternative zwischen völliger Isolierung oder dem Tod scheint der homo sapiens den letzteren zu wählen.“ (Muensterberger 1963, aus Kächele 1970, S. 129)

Fazit: Soweit die Welt des Menschen mit dem Lebensraum seiner Sippe identisch ist, wählt der Betroffene unbewusst die einzige Alternative zur völligen diesseitigen Isolation, zu der das Voodoo, das Tabu, das Heimweh oder die autonome Wirkung einer im Körperinnern unbewussten Aktivität ihn scheinbar unvermeidlich, unerbittlich, unwiderruflich und grenzenlos zwingt, und zugleich erlischt sein Lebenswille. Offensichtlich spielen hier auch gewisse neurophysiologische Reaktionen eine entscheidende Rolle in der Verstärkung sowie in der Entmächtigung eines anfangenden psychogenen Todesprozesses.

Biologische Faktoren „Ohne das, was wir gemeinhin „Psyche“ nennen, sind viele Regelprozesse nicht vollständig beschreibbar. Und zwar spielt Psychisches immer dort in den Regelvorgang hinein, wo der Organismus mit seiner Umwelt zu tun hat, wo also seine Homoiostasis, sein Gleichgewicht, auf die Umwelt abgestimmt sein muss.“ (Schaefer 1957, S. 107; vgl. Jores und Droste 1956)

Das Zitat betont die Wichtigkeit des Zusammenspiels zwischen psychologischen, soziologischen und biologischen Faktoren. Im Allgemeinen sieht die moderne Medizin den psychogenen Tod vorwiegend als eine Art „Tod durch Emotionen“, wobei die Idee, dass der Tod durch eine psychogen verursachte Hemmung der Herztätigkeit schließlich vollzogen wird, generell akzeptiert ist. Diese Hemmung wird einer Störung des zentralen Nervensystems oder einer Paralyse in der Medulla oblongata zugeordnet. Hier spricht man auch vom Vagus-Tod108 (siehe auch oben). Insbesondere deutet die plötzliche Genesung nach aufgehobener soziopsychogener Ursache (z. B. Aufhebung einer Verfluchung, eines Tabu-Bruchs etc.) auf parallel aufgehobene dynamische Affektionen des Nervensystems. In diesem Zusammenhang ist es besonders interessant, die Erklärung vom Ursprung und Wesen der Nostalgie aus dem 17. Jahrhundert nachzulesen: „Gehirn und Nervensystem werden als der Sitz von Lebensgeistern betrachtet, welche einerseits der Seele untergeordnet und dienstbar, das Vorstellen der Objecte im Bewußtseyn vermitteln, andrerseits durch das Nervensystem sich in dem ganzen Körper verbreiten, die Functionen aller Organe leiten und reguli-

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Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

ren. Durch Bewegung der Lebensgeister in bestimmten Gehirnfasern (oder den Poren und Röhren derselben) werden bestimmte Objecte vorgestellt, und es bleibt eine Spur, ein Eindruck zurück, vermöge dessen die Gehirnfasern ihrerseits die Lebensgeister zur Wiederholung derselben Bewegung, und Reproducirung derselben Vorstellung veranlassen können. In der Nostalgie sind nun die Spuren der Ideen des Vaterlandes, durch häufiges Denken und Erinnern desselben, den Gehirnfasern so fest eingeprägt, daß sie unaufgefordert und von selbst die Lebensgeister zur Verfolgung dieser Spuren bestimmen, und auf diese Weise die Seele zur beständigen Betrachtung der Bilder des Vaterlandes anregen. Auf dieselbe Weise reproduciren sich oft widerholte Ideen und Bilder im Traum und im Wachen von selbst. Je mehr dies geschieht, desto weniger werden die Lebensgeister von anderen Objecten bewegt, oder wenn dies auch geschieht, so bleibt die Seele doch so sehr mit der Idee des Vaterlandes beschäftiget, daß sie jene Bewegungen gar nicht, oder nur flüchtig beachtet; auf analoge Weise, wie der durch tiefes Nachdenken in Exstase Versetzte weder sieht, noch hört, was um ihn vorgeht, obgleich die Sinne dadurch angeregt werden. Die auf diese Weise fixirten und zur steten Wiederholung derselben Bewegungen genöthigten Lebensgeister sind also zu sehr im Gehirn beschäftiget, um in hinreichender Menge und Stärke durch die Nerven strömen, und die Functionen aller Organe gehörig unterstützen zu können. Appetit, Verdauung, Blutbereitung werden deshalb gestört, die gehörige Wiedererzeugung der durch die fortdauernde Exstase im Gehirn consumirten Lebensgeister verhindert; die willkürlichen und natürlichen Bewegungen geschehen träge, der Blutumlauf stockt, das Blut wird verdickt, durch gestörte Circulation und Ausdehnung der Gefäße Beängstigungen erzeugt; endlich entstehen schleichende Fieber, Abstumpfung aller Tätigkeit und der Tod in Folge gänzlicher Erschöpfung der Lebenskräfte.“ (Hoferus 1677; Busch et al. 1841, S. 309–310)

Die erwähnten „Poren und Röhren“ der Gehirnfasern, durch welche die „Lebensgeister“ sich bewegen und so die menschliche Vorstellung ermöglichen, lassen an die Mikrotubuli der Gehirnzellen denken, die moderne Bewusstseinsforscher für den Sitz des Bewusstseins postulieren (vgl. z. B. Hameroff 1997). Die „oft wiederholten Ideen und Bilder“ erinnern uns an Leonards Bemerkung zur mentalen Situation eines Menschen, dem ein Voodoo-Tod bevorsteht: „eine unbewusste mentale Tendenz, die sich in trügerischen Anmutungen wieder und wieder selbst erzeugt und die, obwohl subjektiv, dem Geist des Naturmenschen eine objektive Realität vorgaukelt.“109 So gesehen ist unser Zitat gar nicht so veraltet und befremdend, wie die Rede von „Lebensgeistern“ u. Ä. auf den ersten Blick erscheinen mag. Nun ist es unbestritten, dass beim psychogenen Tod gewisse letale physiologische Prozesse noch ungeklärten Ursprungs – durch die Vorstellungskraft in Bildern und Ideen unbewusst initiiert und verstärkt – in Gang gebracht werden können. Sind solche mit dem eigenen Tod besetzten Bilder und fixe Ideen vielleicht die eigentlichen Auslöser des Phänomens? 194

Biologische Faktoren

Wie ich schon diskutiert habe, sind innere Bilder, Ideen, Überzeugungen, nicht aber der Wille oder der Wunsch zu sterben, hinreichende Bedingungen dafür, dass ein psychogener Tod beim Menschen einsetzt. Da bei Tieren Heimweh und „Liebesweh“, d. h. unbefriedigte Sehnsucht nach einem affektiv-fixierten Gegenstand, ähnlich tödliche Wirkungen wie beim Menschen haben, schließen wir, dass der psychogene Tod sein Wesen mit den primären, nicht ausschließlich dem Menschen eigenen Denkprozessen teilt. Die Vermutung liegt somit nahe, dass der außergewöhnliche Bewusstseinszustand, den ich oben im Zusammenhang mit dem psychogenen Tod postuliert habe, seinen Ursprung in anderen Hirnarealen und Bereichen des Nervensystems hat als denjenigen, die für die Willens- und semantische Vorstellungskraft zuständig sind, d. h. anderswo als im Großhirn, dem Sitz der sekundären Denkprozesse. Fazit: Bedenken wir noch, dass beim psychogenen Tod wie auch bei der tödlichen Katatonie die allgemeine Sensibilität und Muskelkraft, die Respiration und Zirkulation, Verdauung und Ernährung usw. gleichzeitig brachliegen, können wir die alte medizinische Lehre von der Nostalgie annehmen und mit ihr vermuten, dass diese Symptome sich zunächst auf eine Störung der Funktionen des Rückenmarks und der Medulla oblongata beziehen: „Das Rückenmark ist es, was in uns bewußtlos und instinctartig denkt, empfindet und handelt, und seine Actionen gelangen nur zum Bewußtsein, insofern sie sich auf das große und kleine Gehirn fortpflanzen.“ (Busch et al. 1841, S. 313)

(Diese Teile des Nervensystems sind in den gewöhnlichen Fällen von Depression oder Psychose nicht besonders affiziert.)

Die Konstellation des Todesarchetyps Mit zunehmenden Alter können immer mehr Befunde erhoben werden, die als Todesursache akzeptiert werden dürfen. Damit nehmen die psychogenen Todesfälle mit zunehmendem Alter ab, um – mit Ausnahme des sog. natürlichen Todes (Rössle 1948) und des oben erwähnten Mahasamadhi – schließlich gänzlich zu verschwinden. Dabei bestehen m. E. keine Zweifel, dass auch alte Menschen – vor allem wenn sie innerlich mit dem Leben abgeschlossen haben – aus einem psychischen Grund versterben können. Man müsste dabei zwischen „nicht mehr leben wollen“ und „sterben wollen“ unterscheiden. Diese Hinweise liegen aber häufig (zumeist?) nicht vor. Das Gleiche gilt auch für sich gesund fühlende, wenn auch organisch vorbelastete (in erster Linie an Hirn oder Herz) Menschen ganz unabhängig vom Alter. Selbst wenn EKG-Befunde mit Herzrhythmusstörungen bekannt sind, kann man pathologisch-anatomisch vermuten, aber nicht beweisen, dass nun derartige Rhythmusstörungen den Tod ausgelöst haben (Hardmeier 2001). 195

Mythopoetische und naturphilosophische Überlegungen zum psychogenen Tod

Die Konstellation des psychogenen Todesarchetyps umfasst drei verschiedene Dimensionen: • psychologische • soziologische • physiologische Die psychologisch-magische Auffassung • von Handlungen mächtiger Bezugspersonen • von Konsequenzen verinnerlichter Werte • von Vorstellungen seelischer Verwurzelungen an bestimmten Orte oder • von Überzeugungen sich selbst gegenüber zusammen mit gewissen Schlüsselbewegungen der sozialen Gruppe konstituieren beim psychosomatisch vorbelasteten Individuum ein psychogenes Todessyndrom. Das Selbstbild wird sozusagen zum Spiegelbild von Gevatter Tod, das Weltbild zu dem des Todesreichs. Der Tod starrt das unglückliche Opfer jetzt aus dem Spiegel seines eigenen Unbewussten an und „hypnotisiert“ den Menschen mit allen seinen physiologischen Prozessen bis hin zum Exitus letalis.

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Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

Kein einziges Modell kann meines Erachtens das psychogene Todessyndrom restlos erklären. Und trotz einer Vielfalt an Modellen lässt es sich bei jedem einzelnen immer noch fragen: Wo soll eigentlich die Grenze zwischen Psyche und Soma lokalisiert werden, wenn solch eine Grenze überhaupt irgendwo im menschlichen Körper existiert: im Hirn, im Herzen, im Bauch oder irgendwo entlang der Leitung dazwischen (im Rückenmark, im Nervus vagus) oder – wie es gewisse Mystiker gern wollen – in der Thymusdrüse? Diese Frage bringt uns zu Gedanken über ein informationstheoretisches Modell, ein chaostheoretisches Modell der nichtlinearen Dynamik und das Modell des Psychophysikalischen Parallelismus, das u. a. in der Quantenphysik bekannt ist. Nach einigen Bemerkungen über neuropsychologische Aspekte werde ich im nächsten Kapitel die Brücke zum Thema Evolutionstheorie spannen. Im übernächsten Kapitel „Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene“ werde ich einige weitere Modelle vorstellen, die den psychologischen Zusammenhang zwischen Körper und Geist über verschiedene molekulare, physiologische und informationsverarbeitende Prozesse erklären versuchen.

Das Modell der Käfigsituation In seinem Buch über den psychogenen Tod analysiert Stumpfe mehrere Beschreibungen des psychogenen Todesprozesses. Insbesondere vergleicht er Berichte über den psychogenen Tod bei Naturvölkern mit Berichten aus Kriegsgefangenschaft (KG) (deutscher Soldaten in russischer KG und amerikanischer Soldaten in japanischer und koreanischer KG) und aus deutschen Konzentrationslagern. Im letzten Kapitel (Stumpfe 1973, S. 70–76) zieht er allgemeine Schlussfolgerungen über die gemeinsamen psychischen und organischen Grundlagen, denen Gefangene, Heimweh-Leidende, Tabu-Verletzer, abergläubische Opfer schwarzer Magie und andere Opfer des psychogenen Todes unterworfen sind:

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

(1) Erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf die Bedrängnis in der Käfigsituation (Fesselung des Lebensarchetyps) Unter dem Begriff „Käfigsituation“ versteht Stumpfe eine psychosoziale Situation der ausweg-, hilf- und hoffnungslosen Gefangenschaft oder Verstrickung analog der Netzverstrickung eines gefangenen Tieres – ob im konkreten physischen Sinn wie beim Kriegsgefangenen oder aber im abstrakten psychologischen Sinn wie beim Abergläubischen oder Geisteskranken. Dabei ist es keineswegs notwendig, dass der Betroffene sich in akuter Lebensgefahr befindet oder unter irgendeinem psychiatrischen Problem leidet. Er muss aber (1) vollumfänglich überzeugt sein, dass es absolut keinen Ausweg, keine Hilfe oder Hoffnung gibt – weder konkret noch in der Vorstellung; (2) unter externem Stress materieller oder psychischer Natur stehen; (3) kein Ende der Bedrängnis sehen oder sich vorstellen können. Praktisch jedes Opfer einer Verzauberung oder Tabu-Verletzung und jede ernsthaft an Heimweh oder unter Verfolgungswahn leidende Person fühlt sich in solch einem „Käfig“ eingesperrt. In der Käfigsituation erlebt sich der Mensch abgeschnitten von seiner persönlichen Lebensquelle, dem Selbst. Beim kataton erkrankten Menschen dürfte der Kerker der eigene Körper sein. Dies kann begünstigt werden durch die Gewissheit, sterben zu müssen, die ihrerseits durch mehrere psychologische Faktoren verstärkt werden kann wie z. B. •

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Ausweg- und Hilflosigkeit Hier hat man die Ausweg- und Hilflosigkeit eines entkräfteten, entmutigten und entwerteten Selbst- und Weltbildes. Das Bild, das sich ein Mensch von sich und seiner Umwelt macht, verliert an Kraft, Sinn und Würde, und der Verlust ist so extrem geworden, dass der Mensch dieser Situation völlig ausgeliefert ist. Zum Beispiel: Ein ausweg- und hilfloses Selbst- und Weltbild kann sich aus einer Situation des Unvermögens oder Misserfolgs entwickeln, z. B. aus schwerer körperlicher oder geistiger Krankheit, hohem Alter oder Gefangenschaft. Ein ausweg- und hilfloses Selbst- und Weltbild kann seinen Ursprung in einer Verzauberung, Tabu-Verletzung oder in einer Sünde haben. Auch der Heimweh-Leidende fühlt sich seiner Situation ausweg- und hilflos ausgeliefert. Der kataton erkrankte Mensch ist ausweg- und hilflos seinem eigenen Unbewussten ausgeliefert. Ein ungelöster Objekt-Verlust, z. B. der Tod eines geliebten Wesens, kann ebenfalls zu einem ausweg- und hilflosen Selbst- und Weltbild führen. In diesem Fall nimmt der Geliebte lebendige Aspekte der Persönlichkeit, die während des Lebens vom Liebenden in ihn als geliebtes Wesen hineinprojiziert wurden, mit seinem Tod ins Grab. Auch die Gefühle, die der Heimwehleidende in die Heimat seiner Kindheit projiziert hat, bleiben nach dem Verlassen der Heimat dort zurück: der Zurückgelassene bzw. der Reisende ist und hilf- und hoffnungslos, diese lebendigen Aspekte wieder zurückzuholen.

Das Modell der Käfigsituation



Sich Aufgeben („giving up“)/Entmutigung/Hoffnungslosigkeit Die Tendenz zum Aufgeben kann durch viele beschwerliche Erinnerungen an frühere Episoden des Unvermögens, Misserfolgs, der Schuld oder des Verlusts verstärkt werden. Die Vergangenheit lastet auf der Auswegund Hilflosigkeit der Gegenwart. Vergangenheit und Gegenwart weisen darauf hin, dass der künftige Niedergang unausweichlich sei (Hoffnungslosigkeit). Ebenso können beobachtete Niederlagen von Schicksalsgenossen eine ähnliche Wirkung auf den Betroffenen haben. Zum Beispiel: Viele Mitpatienten im Pflegeheim oder Spital, Mitgefangene im Konzentrationslager, Zauber-Opfer, andere Tabu-Verletzer des Stammes, Sünder in einer religiösen Gemeinde oder Heimwehleidende sind entmutigt und geben sich auf, was sich bis ins Pathologische ausweiten kann. Auch der katatone Mensch kann sich in seinen furchterregenden Wahnvorstellungen höchst entmutigt und bereit zum Aufgeben fühlen. A priori können auch der Glaube an das eigene Ausgeliefertsein und die dazugehörende Angst entmutigende Wirkung haben. Zum Beispiel hat keine Verzweiflung je eine gestorbene Geliebte wieder zum Leben erweckt oder ein Ticket für die Heimreise bestellt, sodass sich schließlich der jeweils Betroffene aufgegeben hat. Stumpf deutet die Situation der radikalen Ausweg-, Hilf- und Hoffnungslosigkeit und somit das Fehlen von Zukunft als Ursache schlechthin des psychogenen Todes.

(2) Ein kontextbezogenes, soziologisches Zusammenspiel mit dem ersten Punkt (Verbannung des Lebensarchetyps) Stumpfe sieht auch eine soziologische Bedingung des psychogenen Todes im Zusammenhang mit den psychologischen und biologischen Bedingungen der Käfigsituation: Durch den Verlust letzter zwischenmenschlicher Bezugspunkte wird der endgültige Zusammenbruch aller Widerstandsmechanismen schließlich vollzogen. Diese soziologische Bedingung kann nicht von abergläubischen und religiösen Überzeugungen losgelöst werden. Cannon hat in seinem Aufsatz über den Voodoo-Tod (Cannon 1957) nebst einem psychologischen und biologischen auch eine soziologische Bedingung des psychogenen Todes betont. Er sieht zwei entgegengesetzte Bewegungen der sozialen Gruppe als mitverantwortlich für den Tod des Opfers einer Verzauberung oder eines Tabubruchs: den völligen Rückzug der Gruppe, der das Opfer in der emotionalen Isolation zurückläßt; die Wiederkehr der Gruppe, um die Unausweichlichkeit seiner Situation mit einem Trauer-Ritual zu besiegeln und zu festigen. Praktisch jedes Opfer einer Verzauberung oder Tabu-Verletzung und jede ernsthaft an Heimweh leidende Person wird in der Käfigsituation mit einem kontextbezogenen, soziologischen Zusammenspiel konfrontiert. Durch dieses „archetypische Mobbing“ erlebt sich der Mensch abgeschnitten von seiner transpersonalen Lebensquelle, der Gruppe. Dies wird noch begünstigt durch die Gewissheit, sterben zu müssen, die ihrerseits durch mehrere soziologische Faktoren verstärkt werden kann, so z. B.

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Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

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Emotionelle Isolation Hier hat man eine Situation der andauernden lieblosen Isolation, einen endlosen Zustand der Enttäuschung und des Verlusts jeglicher Befriedigung aus Beziehungen oder sozialen Rollen. Die Projektion der Lebensinteressen des Betroffenen in die Umgebung können von ihm nicht mehr als nützliche Brücken zur Welt gebraucht werden. Auch besteht keine Möglichkeit mehr, das eigene Interesse am Leben auf irgendein Gegenüber zu übertragen, und es besteht von dritter Seite kein Interesse am Leben des Betroffenen. Der Mensch erlebt sich von der Welt bzw. vom Leben völlig abgeschnitten. Er fühlt sich emotional isoliert. Beispiele: Eine lieblose Gegenwart ist allzuoft die übliche Situation in einer institutionellen Umgebung, z. B. in einem Altersheim, Spital, Gefängnis o. Ä. Oder für eine der zwei Personen eines Paares – z. B. Mann, Frau, Mutter, Sohn, zwei Schwestern o. Ä. – das bis dahin symbiotisch in der sozialen Isolation überlebt hat, kann der Tod der geliebten Person die Verdammnis zu einer lieblosen Isolation bedeuten. Jemand, der wegen Verzauberung, Tabu-Verletzung oder Sündenfall aus der Gemeinschaft verstoßen wird, ist auch einer unaufhörlich lieblosen Gegenwart ausgeliefert. Und genauso fühlt sich auch der an Heimweh Leidende. In Bezug auf die perniziöse Katatonie sollten wir bedenken, dass kaum ein Zustand den Menschen mehr isolieren kann als der Wahn.



Aufgegeben sein (being given up on) Das Individuum fühlt sich schon der Vergangenheit zugehörig, sodass es sein Selbst- und Weltbild nicht mehr mit Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft hinein projizieren kann. Sein Sinn für die Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist zerstört, und jedes negative Zeichen wird im Sinne seines unausweichlichen Niedergangs gedeutet. Beispiele: Der Greis im Altersheim, der Patient im Spital oder der Gefängnisinsasse wird von der Umwelt vergessen und sieht selbst keine Zukunft für sich. Der Verzauberte, Tabu-Verletzer oder Sünder wird von der Gruppe ausgestossen; er wird von seiner Umwelt und von sich selbst für den Tod aufgegeben; der überlebende Geliebte fühlt sich von der verstorbenen Geliebten hoffnungslos verlassen. Und der Heimweh-Leidende fühlt sich zuhause längst in Vergessenheit geraten. Der katatone Mensch spürt, soweit wir Außenstehende dies eruieren können, keinen Hauch von Hoffnung und fühlt sich von seinen Mitmenschen gänzlich abgeschnitten und aufgegeben. Falls der Betroffene beim Einsetzen des psychogenen Todesprozesses allein war, kann er sich immerhin eine Vorstellung davon machen, wie seine Bezugspersonen ihn aufgeben könnten, nachdem sie vom Geschehnis erfahren haben, das beim Betroffenen den psychogenen Todesprozess ausgelöst hat.

Das Modell der Käfigsituation

(3) Die psychische Hemmung der Herz-Kreislauf-Funktion (Konstellation des Todesarchetyp) Die Möglichkeit einer psychisch aktivierten Störung der physiologischen Funktionen, die zum Tode führt, muss angenommen werden. Es gibt Hinweise auf einen somato-kardialen Verzögerungseffekt, obwohl bis heute kein Modell der psychobiologischen Korrelation experimentell oder theoretisch bewiesen wurde. Ich stimme mit Stumpfe überein, wenn er schreibt: „Der Übergang zwischen den psychischen und organischen Ereignissen verläuft nahtlos. Es ist fraglich, wie weit von einem Nacheinander der Ereignisse die Rede sein kann, oder ob es sich nicht eher um ein Parallellaufen handelt.“ (Stumpfe 1973, S. 54) Das Problem des psychophysikalischen Parallelismus wird von Stumpfe nicht näher erörtert und soll später in dieser Arbeit aufgegriffen werden. Der physiologische Sterbeprozess wird durch die erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod begünstigt. Hier hat man eine gespannte Fixierung auf tödliche Erwartungen. Die Psyche hat die Fähigkeit, ihren eigenen Zustand zu verstärken und zu beeinflussen, bis hin zur Entwicklung einer Eigendynamik. Ist diese Dynamik eine der Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Entmutigung, emotionellen Isolation und des Ausgestossenseins, besteht die Gefahr, dass alle lebenswichtigen Aspekte der Psyche ins Jenseits hinüber, d. h. auf den Tod, projiziert werden. Beispiele: Ich denke an den Greis, den Schwerkranken, den Schwerbehinderten oder den Häftling: Jedes neue Versagen einer Körperfunktion des schon Betagten, jeder neue Schmerz des Kranken, jedes neue Missgeschick des Behinderten, jedes Zuschlagen der Gefängnistür, jedes zufällige Wiederhören eines Lieblingsliedes aus der Heimat des Heimwehleidenden bestätigt dem Betroffenen das Voranschreiten seines Niedergangs. Das Selbstbild wird sozusagen zum Spiegelbild des Großen Schnitters, das Weltbild zu dem des Todesreichs. Der Tod starrt das unglückliche Opfer jetzt aus dem Spiegel seines eigenen Unbewussten an und „hypnotisiert“ den Menschen mit allen seinen physiologischen Prozessen bis hin zum Exitus letalis.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass dem Opfer jeweils der bevorstehende Tod bestätigt wird: Die ritualisierte Wiederkehr der Sippe zum Verzauberten oder zum Tabu-Verletzer, die um ihn trauert und von ihm zum allerletzen Mal Abschied nimmt, oder das Auftauchen eines verstorbenen Geliebten im Traum, der den Zurückgebliebenen ins Jenseits ruft. (Siehe auch „Killer Dream“ Parmar und Luque-Coqui 1998). Der katatone Mensch spürt nicht selten seinen bevorstehenden Tod voraus und bleibt auf die Idee seines unvermeidlichen Untergangs wahnhaft fixiert. Es kommt die Gegenübertragung von Gevatter Tod auf ihn zu. 201

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

Hier handelt es sich um ein Syndrom, das drei verschiedene Dimensionen betrifft: Die psychologisch-magische Auffassung von gewissen Handlungen mächtiger Bezugspersonen, von bestimmten Überzeugungen gegenüber tabuisierten Objekten, von Heimat usw. zusammen mit Schlüsselbewegungen der sozialen Gruppe konstituieren beim psychosomatisch vorbelasteten Individuum ein psychogenes Todessyndrom in der Zweieinigkeit von Körper und Geist, die jedes Individuum darstellt. Wir postulieren diese drei Dimensionen als hinreichende Bedingungen zur Auslösung des psychogenen Todesprozesses. Jede psychologische und soziologische Bedingung liefert jeweils ihren Beitrag zur definitiven Konstellation des Todesarchetyps im Körper. Ich fasse die obigen Dimensionen der Metapher einer Käfigsituation noch einmal zusammen: •

Ausweglosigkeit: Der Mensch fühlt sich gegen seinen Willen und ohne Ausweg in einem Käfig eingeschlossen. Er selbst und auch sein psychosoziales Umfeld können die Umstände, die zu seiner Gefangenschaft geführt haben, nicht ungeschehen machen.



Hilflosigkeit: Die Tür des Käfigs hat er x-mal selber von innen zu öffnen versucht. X-mal haben Drittpersonen dasselbe von außen versucht. Alle Versuche waren erfolglos. Er gibt sich und sein soziales Umfeld auf. Er selbst und auch sein psychosoziales Umfeld sind hilflos.



Hoffnungslosigkeit: Der Betroffene und sein psychosoziales Umfeld sehen, dass er der Verdammnis eines ewigen Käfig-Daseins anheimgefallen ist. Er kann sein lebendiges Dasein nicht mehr in die Zukunft projizieren, und seine Existenz ist von ihm selbst und von Drittpersonen in die Vergangenheit, d. h. in die Vergessenheit, geraten. Er ist hoffnungslos und gibt sich auf.



Emotionelle Isolation: Die Wände des Käfigs sind undurchdringlich geworden. Das Opfer kann von innen nicht mehr mit der Außenwelt kommunizieren, und keine Information kommt von außen herein. Es wird von seinem sozialen Umfeld aufgegeben. Seine emotionelle Isolation ist total.



Konstellation des Todesarchetyps: Die einzige Befreiung aus seiner Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und emotionellen Isolation ist die Flucht nach innen: Das Bewusstsein (= „Bewusstsein von“) zieht sich völlig in das Unbewusstsein (= das „Bewusstsein an sich“) zurück.

„Eine analoge Situation in unserer Gesellschaft ist schwer vorstellbar. Erst wenn die ganze Verwandtschaft eines Menschen, Vater, Mutter, Geschwister, Frau und Kinder, seine Geschäftspartner, Freunde und sämtliche Mitglieder der Gemeinschaft sich plötzlich von ihm wegen irgendeines dramatischen Umstands zurückziehen, ihm gegenüber jegliche Haltung außer der eines Tabus verweigern, ihn bereits als tot betrachten und dann etwas später eine sakrale Zeremonie für ihn veranstalten würden, die ihn mit absoluter Sicherheit aus dem Land der Lebenden ins Reich der Toten führen soll, erst dann könnte die ungeheure

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Das Modell der Käfigsituation

suggestive Kraft dieser zweischrittigen Bewegung der Sippe, sobald sich deren Haltung einmal konstelliert hat, uns irgendwie verständlich werden.“110 (Cannon 1957, S. 185)

Das räumliche Bild der Käfigsituation hat einen gleichwertigen zeitlichen Aspekt: Die Ausweglosigkeit zwingt das Opfer, mit seiner Vergangenheit abzuschließen: Der Betroffene hat entweder selbst erlebt, wie dieses oder jenes Sippenmitglied den psychogenen Tod erlitten hat, oder der Betroffene glaubt fest an entsprechende Überlieferungen solcher vorangegangenen Tragödien. Die Hilflosigkeit zwingt das Opfer, mit seiner Gegenwart abzuschließen: Dem Betroffenen wird weder aus seiner eigenen noch aus der Vorstellung anderer eine Chance zum Überleben gegeben, nachdem der Todesprozess einmal (psychogen) ausgelöst wurde. Die Hoffnungslosigkeit zwingt das Opfer, mit seiner Zukunft abzuschließen: Der Betroffene sieht keine Lösung, weder in sich selbst noch in seinem sozialen Umfeld, die ihn je aus seiner tödlichen Situation befreien könnte.

Diese Zeitlosigkeit schließt das Opfer in eine totale soziale Isolation ein, in der es seine Lebenskraft nicht mit dem notwendigen subjektiven Zeitgefühl nähren kann. Es ist gerade das persönliche Zeitgefühl, das Beziehung zu sich und zur Umwelt vermittelt. Und ohne Beziehung stirbt der Mensch. Ich werde auf diese Idee der Beziehung als Nahrung später zurückkommen. Die raum-zeitliche Auffassung der Käfigsituation wurde schon seit langem in der Pharmakologie-Forschung angewendet. Dabei geht es um die Prüfung des unbewusst gesteuerten Versagens lebenserhaltender Organsysteme in Situationen emotioneller Isolation, die subjektiv als ausweg-, hilf- und hoffnungslos erscheinen. Bei Tieren ist dieses Phänomen – Versagen in einer Käfigsituation – unbestritten, wird sogar bei der Entwicklung von Psychopharmaka (namentlich Antidepressiva) systematisch als Prüfungsverfahren für neue Substanzen eingesetzt: der „Forced Swim Test“ (Nakazawa et al. 2003; Raghavendra et al. 2000; Sunal et al. 1994; West 1990) oder „Behavioral Despair Test“.111 Hierbei werden Ratten in wassergefüllte Glaszylinder verbracht, aus denen es keinen Ausweg gibt. Obwohl ausdauernde Schwimmer, verfallen sie in eine Verzweiflungshaltung, geben rasch auf und ertrinken bald. Durch die Gabe potenter Psychopharmaka kann der Zeitpunkt der Kapitulation hinausgezögert werden. Anhand einer statistisch signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit von Labortieren in Käfigsituationen wird das Maß für die Wirksamkeit des Medikaments geschätzt.112 (Beim Menschen ist eine experimentelle Untersuchung dieses Phänomens natürlich aus naheliegenden Gründen undenkbar. Es fehlt jedoch nicht an schriftlichen Zeugnissen, die das tatsächliche Vorkommen dieser Todesart beim Menschen dokumentieren.) Ein Derivat des Behavioral Despair 203

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

Test ist der sog. „Tail Suspension Test“ (Chermat et al. 1986; Steru et al. 1987; Steru et al. 1985). Das Design des Behavioral Despair Tests stammt aus den Untersuchungen von Richter über SUDS (Richter 1957, 1958): Der Stressversuch fand ursprünglich mit wilden Ratten, später auch mit domestizierten Ratten, in drei Phasen statt. Die Tiere wurden zunächst in einen engen hellen Käfig gesperrt, dann in eine dunklen Sack gesteckt (siehe die Nikolaus-Episoden oben!) und schließlich mitsamt dem Sack in einen wassergfüllten Behälter geworfen. Es zeigte sich, dass ein plötzlicher Tod bei beiden Rattenarten in allen drei Phasen möglich war. Um den Stress noch zu erhöhen, wurden die Schnurrbarthaare der Ratten, ein überaus wichtiges Orientierungsorgan, abgeschnitten. Die raum-zeitliche Auffassung der Käfigsituation hat auch einen philosophischen Aspekt. Der Mensch kann sein Leben nicht mehr in Raum oder Zeit hineinprojizieren, und er erhält aus seinem psychosozialen Umfeld keine Gegenübertragungen der Raum-Zeit. Seine Existenz ist raum- und zeitlos geworden. Er kann sich sein Dasein nur noch jenseits alles Räumlichen und Zeitlichen vorstellen: Dort drüben in der puren Raum-Zeitlosigkeit, im Reich des Todes. Jetzt ein allzu bekanntes Szenario – eine Art moderne Käfigsituation, um die konkreten Auswirkungen dieser Metapher in ihrem Sinnzusammenhang zu verdeutlichen: Ein moderner, intelligenter und durchaus rational denkender junger Mann in der Blütezeit seiner körperlichen und psychischen Kräfte erfährt (irrtümlicherweise?) von seinem Arzt, dass er HIV-positiv ist. „Wenn ein Arzt dem Patienten die Diagnose bekanntgibt, beginnt die Angst zu wuchern“ (Honauer 1992). Allmählich und gegen seine willentliche Anstrengung und die professionellen Bemühungen seiner Ärzte beschleicht ihn ein unbewusstes Gefühl der Ausweg- und Hilflosigkeit „denn je tiefer man geht, desto mehr kommt hoch“ (Honauer 1992). Er wird entmutigt durch den Tod von Freunden, Bekannten und Unbekannten, die auch HIV-positiv waren, bis einer nach dem anderen schließlich und ohne Ausnahme an AIDS zugrunde gegangen ist, und bis auch er schließlich hoffnungslos in seine Situation verstrickt dasteht. Als Reaktion auf die Mitteilung, dass er AIDS habe, ziehen sein Freundes- und Bekanntschaftskreis, seine Arbeitskollegen und die Gesellschaft sich nach und nach von ihm zurück, bis er sich völlig verstossen fühlt und einer lieblosen emotionellen Isolation ausgesetzt ist. Die ersten konkreten Anzeichen der Krankheit brechen aus und werden vom Arzt bestätigt. Ein ritualisiertes gesellschaftliches Hilfesystem wird in Gang gesetzt, das ihm seinen sicheren Tod erleichtern soll: Sozialarbeiter, Psychologen und Seelsorger kommen jetzt auf ihn zu. Freunde und Bekannten rufen wieder an, um ihm ihr Mitleid zu zeigen und von ihm einen höflichen sanften Abschied nehmen zu können. Er wird von sich selbst sowie von seiner Umwelt für den Tod aufgegeben.

204

Das Modell der Käfigsituation

Aus seiner ausweg- und hilflosen Situation des immer größer werdenden Unvermögens und unaufhaltsamen physischen Verfalls wird jedes neue Versagen einer Körperfunktion des bereits physisch Geschwächten, jeder neue Schmerz des vom Schmerz Geplagten, jedes neue Missgeschick des Behinderten, jedes Zuknallen der emotionellen Tür im seelischen Gefängnis des Einzelhäftlings eine Bestätigung und Verstärkung der Unausweichlichkeit seines Niedergangs, das unmittelbare Bevorstehen seines Todes. Seine hoffnungslose, einsame Situation zieht ihn aus seiner eigenen Raum-Zeit-Wirklichkeit: Er wird in den Tod entrückt.

Selbstverständlich möchte ich hiermit nicht sagen, dass AIDS eine psychogene Erkrankung ist. Doch zeigt das Beispiel deutlich, dass gewisse psychologische und soziologische Bedingungen, die uns vom Studium des psychogenen Todes her wohl bekannt sind, auch wichtige Rollen im Verlauf dieser viralen Krankheit spielen können: Weil der AIDS-Patient sterben muss, ist er „tabu“, und weil er „tabu“ ist, muss er sterben. Dieselben Bedingungen dürften eine ähnliche Wichtigkeit im Verlauf anderer mehr oder weniger somatischer Leidensgeschichten haben. Das „unbeabsichtigte Voodoo“ (vgl. Cappannari et al. 1975, S. 940; auch Hackett und Weisman 1961) des medizinischen Betreuungssystems darf nicht übersehen werden. Im Fall des Nachzehrers sahen wir z. B., was für verheerende Konsequenzen eine zu starke Projektion in der Liebe haben kann. Ähnliches mag auch für eine „Überdosis“ an Heimweh gelten. „Auf die Dauer hoffnungslos unglücklich zu sein, konnte sich wohl niemand leisten, der überleben wollte.“ (Ritter von Baeyer et al. 1964, S. 16) Was es heißt, ständig im vollen Bewusstsein tödlicher Bedrohung zu leben, hat auch Theodor Storm (1817–1888) in seinem erschütternden Gedicht „Beginn des Endes“ geschrieben. „Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz, Nur ein Gefühl, empfunden eben; Und dennoch spricht es stets darein, Und dennoch stört es Dich zu leben. Wenn Du es anderen klagen willst, So kannst Du’s nicht in Worte fassen, Du sagst Dir selber: „Es ist nichts!“ Und dennoch will es Dich nicht lassen. So seltsam fremd wird Dir die Welt Und leis verläßt Dich alles Hoffen, Bis Du es endlich, endlich weißt, Daß Dich des Todes Pfeil getroffen.“

Um diese Zeit, im Frühjahr 1886, als der Dichter diese Zeilen niederschrieb, erkrankte er selber in seinem 69. Lebensjahr an Magenbeschwerden. Nach Mittei205

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

lung der genaueren Diagnose, Magenkrebs, versank er in Depressionen, brach seine Arbeit am „Schimmelreiter“ ab und wurde für sich und seine Familie eine Last. Erst als seine Angehörigen ihm mit einem frommen Betrug zu helfen versuchten und einen anderen Arzt beauftragten, dem Dichter zu versichern, dass seine Krankheit völlig harmlos sei, konnte er seinen Lebensmut wiedergewinnen und den „Schimmelreiter“ 1888 vollenden. Einige Monate nach seinem 70. Geburtstag starb er.

Das informationstheoretische Modell Eine wissenschaftliche Erklärung des psychogenen Todes schließt jegliches energetische Signal im Sinne einer todbringenden Kraft, Energie oder eines sonstigen, interaktiven oder morphologischen Feldes aus der Umwelt als Todesursache aus. Auch die in seriösen parapsychologischen Kreisen gepflegte Annahme irgendeines unmittelbaren Einflusses auf lebende Systeme durch das Ferndenken in lebenden Systemen (Distant Mentation In Living Systems/ DMILS) wird hier nicht als notwendig angesehen (vgl. Braud und Schlitz 1991; siehe unten). Beim psychogenen Tod hat man einen Vorgang, der sich auf drei verschiedenen Kommunikationsebenen gleichzeitig abspielt: (1) Glaube: Aufbau und Aufrechterhaltung von neuronalen Netzwerken innerhalb des Geist-Gehirns des Betroffenen, die ihm einen außergewöhnlichen Bewusstseinszustand ermöglichen (Siehe 3. Ebene). (2) Kommunikation: Austausch von harter Information zwischen dem GeistGehirn des Betroffenen und seiner sozialen Umwelt (Signal). (3) Endogener Ablauf eines psychophysiologischen Informations- und Energieaustauschs im Rahmen eines außergewöhnlichen Bewusstseinszustandes innerhalb des Geist-Gehirns des Betroffenen (Konstellation des Todesarchetyps).

Auf jeden Fall zeigt die erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf den eigenen Tod, wie diese aus den zahlreichen oben diskutierten Phänomenen des psychogenen Todes bekannt ist, ein Zusammenspiel zwischen einer psychologischen und einer physiologischen Energetik. In seiner Arbeit „Über die Energetik der Seele“ hat C. G. Jung geschrieben: „… Obschon es uns bis jetzt nicht gelungen ist, den psychischen Energieprozess in den physischen Prozess einzuschließen, ist es auch den Gegnern einer solchen Möglichkeit nicht gelungen, den psychischen Prozess vom physischen mit Sicherheit abzutrennen.“ (Jung 1982, „Über die Energetik der Seele“, Par. 33. Vgl. auch „Seele und Tod“, Par. 812: „… jede Trennung arbiträr und konventionell ist …“)

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Verschiebung der soziopsychosomatischen Grenzflächen

Mir persönlich scheint der psychogene Tod auf eine Gleichsetzung von lokal psychischen und physischen energetischen Prozessen hinzuweisen.

Das chaostheoretische Modell der nichtlinearen Dynamik Die reziproken strukturellen Koppelungen zwischen in sich operational geschlossenen Funktionsbereichen im Geist-Gehirn, die einerseits nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktionieren, andererseits sich in einem Zusammenspiel der Wechselwirkungen ständig gegenseitig beeinflussen, möchte ich das Gestaltprinzip des Isomorphismus von Geistigem und Körperlichem nennen. Dies kann aus Sicht der modernen Chaos-Theorie nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit (auch Skaleninvarianz genannt) auftretender dissipativer (Energie verbrauchender) Strukturen innerhalb von nicht-linearen Entwicklungsprozessen komplexer soziopsychobiologischer Systeme nachvollzogen werden. (Vgl. Schmid Gary Bruno 1997; Schmid Gary Bruno 1997; Maturana 1982). Hier herrschen nichtlineare Beziehungen vor, bei denen ein soziales Geschehen z. B. erst an einem bestimmten Schwellenwert in einen psychischen und eventuell auch neurobiologischen Prozess umschlägt und umgekehrt. Möglicherweise unterliegen die sozialen, psychologischen und physiologischen Komponenten des psychogenen Todes chaotischen Prozessen mit veränderten bzw. tödlichen Kontrollparametern, die die Werte der Vitalfunktionen, z. B. Blutdruck, Puls etc. steuern und ggf. den Tod herbeiführen können (Guevara et al. 1983). Dabei treten besondere Phänomene auf wie die neuronale Plastizität, die Stress- und Psychoimmunreaktionen sowie die Affektwirkungen auf Denken und Verhalten, die die jeweilige Grenze zwischen den sozialen, psychischen und physiologischen Bereichen überbrücken (Ciompi 1989; Ciompi 1999).

Verschiebung der soziopsychosomatischen Grenzflächen Das tückische Problem der Verschiebung der soziopsychosomatischen Grenzflächen kann – wie schon erwähnt – aus der Sicht der modernen Quantenphysik logisch nach dem von John von Neumann im Rahmen seiner Abhandlung über den physikalischen Messprozess dargelegten Prinzip des psychophysikalischen Parallelismus nachvollzogen werden (von Neumann 1932). Ob hier nichtlokale Effekte ins Spiel kommen könnten, die in der modernen Quantentheorie eine wichtige Rolle spielen, darüber kann nur spekuliert werden. (Vgl. Schmid Gary Bruno 2000; Schmid Gary Bruno 2000). Somit sind wir schon im Begriff, mindestens im Prinzip, das „umschriebene Störsyndrom“ konsequent nach objektiven physikalischen Prinzipien theore207

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

tisch zu verstehen. Was fehlt, ist natürlich die notwendige und noch schwierigere Arbeit, diese Theorie in der Praxis anhand von Hypothesen empirisch zu überprüfen. Vielversprechend hierzu sind, wie ich meine, vor allem die mathematischen Algorithmen zur Zeitreihenanalyse empirischer Daten, insbesondere die Methoden aus dem Gebiet der nicht-linearen Dynamik. Doch werden die methodologischen Schwierigkeiten hier wie dort ohne Zweifel sehr beträchtlich bleiben und wahrscheinlich auch neue Entdeckungen – theoretische wie empirische – werden auf sich warten lassen müssen. Zum Abschluss dieses Abschnitts zitiere ich noch einen Artikel über Geistheiler in Afrika: „Eine Krankheit, erklärte Professor Amani113 sei für seine Landsleute nur ein Signal, wie die rote Alarmlampe im Auto, wenn etwas im Motor nicht mehr funktioniere. Der Psychiater werde beigezogen, wenn überhaupt, um mit seiner modernen Medizin die Situation zu beruhigen, das Lämpchen abzustellen. Für die Geschichte dahinter, für die Ursache des Defekts und dessen Behebung würden jedoch die wahren Fachleute konsultiert. Er, der Psychiater, sei lediglich eine Hilfskraft in Notfällen. Wenn die Medikamente für die Nacht verteilt worden sind und Professor Joseph Amani und seine Kollegen bei ihren Familien zu Hause sitzen, kommt in der Klinik die zweite, gleichsam inoffizielle Equipe zum Einsatz. Nicht weiße Kittel trägt dieses Personal, sondern Lederkutten voll Hühnerblut mit aufgenähten Kaurimuscheln und Armreifen und Amulette gegen unsichtbare Feinde. Die Féticheure, hergebracht von den Familien der Insassen, gehen auf Visite, und sie verwandeln die Patientenzimmer der fortschrittlichsten Psychiatrie Westafrikas in Voudou-Kabinette, wo die ältesten Geschichten der Menschheit erzählt und den Dämonen das Handwerk gelegt wird. Wie alle in der Klinik weiß auch Professor Amani um die Zweitbehandlung nach Feierabend. Und ebenso weiß er, dass sie mitunter zu Problemen führt: wenn sich der Kräutersud à la Coulibaly [ein gepriesener Féticheur und Heiler in Abengourou, einer Stadt im Regenwald der westafrikanischen Elfenbeinküste, A. d. V.] nicht mit der Chemopille von Novartis verträgt und der Patient die Augen zu verdrehen beginnt. Aber er könne, sagte der Chefarzt, die nächtlichen Aktivitäten nicht unterbinden. Und er wolle es nicht. Es handle sich eben um verschiedene Weltbilder, und er stehe dazwischen und urteile nicht. Die Wahrheit, lachte er, verberge sich hinter vielen Namen.“ (Sorg 1999, S. 45)

Neuropsychologische Aspekte Auch die Psyche hat ein materielles Substrat: Die Basis aller Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und Intuitionen ist das Gehirn. Dessen elektrische und biochemische Impulse, ausgelöst und in Gang gehalten durch die Biochemie von Abermilliarden von Nervenzellen, steuern auch die Körperfunktionen: Kreislauf, Herz, etc. Es lässt sich sogar berechnen, dass in jedem Augenblick unbewusste Prozesse 10.000 mal so viel Hirnaktivität in Anspruch nehmen wie die 208

Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick

bewussten (Schmid Gary Bruno 2007). Mit anderen Worten: Während 10.000 Kinofilme gleichzeitig im Gehirn ablaufen, sind wir uns im gegebenen Moment nur eines einzigen dieser Filme bewusst! Im Gehirn sitzt auch die Schaltstelle des psychogenen Todes: Es sind die Signale des Nervensystems, die den Kreislauf oder das Herz zum Stillstand bringen. Es könnte sogar sein, dass beim Voodoo-, Tabu- und Heimweh-Tod, so etwas wie die soziopsychophysiologische Konditionierung einer „labilen Herzeurhythmie“ (Hünig und Viets 1964) im Spiel ist. Aber das erklärt immer noch nicht, warum es den Tod durch Vorstellungskraft gibt. Für dieses Problem kann man die Quantenphysik heranziehen, die meines Erachtens hier schwerlich am Werke ist.

Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick Die Quantenphysik ist die Physik des Mikrokosmos, d. h. die Welt der winzigsten Dinge wie Moleküle, Atome, Elektronen, Protonen, Photonen u. a. m. Es herrschen in der Quantenphysik Zusammenhänge, die unserer vertrauten Alltagsvorstellung einer lokal separierbaren Realität fundamental widersprechen. Zum Beispiel verhalten sich „Quantenmünzen“ zwar wie normale Münzen – siehe 1. Auflage –, die bei jedem Wurf zufällig „Kopf “ oder „Zahl“ zeigen, aber stets präsentieren zwei verschränkte Münzen entgegengesetzte Resultate, d. h. eine nichtlokale Korrelation zwischen ihren Zuständen. Das typische an solchen Beispielen ist, dass eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Korrelation sich in grobsinnliche Korrelation umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung feststellen lässt. Das Problem ist aber, dass die Natur auf der atomaren Ebene nicht wie auf der Ebene des Alltags dem Prinzip des Lokalrealismus114 gehorcht: das lokal realistische Weltbild des Makrokosmos wird im Mikrokosmos widerlegt. Bis dato gibt es aber keine lückenlose Theorie, die diesen philosophisch-mathematischen Widerspruch auf dem Weg vom Mikro- in den Makrokosmos aufheben kann. In Psychologie oder Komplementärmedizin (CAM/KAM) wird leider viel Lärm um Nichts gemacht (Schmid Gary Bruno 2005), wenn es um solche experimentell wohlerwiesenen Phänomene wie Quantenverschränkung und -teleportation geht, d. h. um nichtlokale Korrelationen zwischen atomaren Zuständen: Der oben erwähnte Widerspruch wird bequemlicherweise einfach ignoriert oder totgeschwiegen. Selbstverständlich ist durchaus denkbar, dass der Mensch in einem speziellen mentalen Zustand der geistigen Versenkung bestimmte Makromoleküle im Hirn von ihrer unmittelbaren thermischen Umgebung dermaßen isolieren könnte, dass diese am Phänomen der QuantenNichtlokalität teilnehmen können bzw. dass keine Dekohärenz der Psi-Funk209

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

tion des ganzen Systems stattfände (Zeilinger 1999, 2007). Gleichwohl ist diese Nicht-Unmöglichkeit hoch spekulativ und keineswegs einfach das Tor zu einer quantenphysikalischen Erklärung solch unphysikalischer Phänomene wie Gedankenübertragung, wie viele enthusiastischen Autoren glauben möchten. Trotz dieser prinzipiellen Möglichkeit der Extrapolation quantenphysikalischer Ideen in den Bereich der Alltagserfahrung muss ich hier eine strenge Warnung einfügen. Man findet heutzutage unter Laien sowie unter (enthusiastischen) Wissenschaftlern ein weit verbreitetes Missverständnis bezüglich eines angeblich „zwingenden“ Zusammenhangs zwischen Quantenphysik und Medizin. Um dies zu verdeutlichen, zitiere ich aus den letzten Absätzen eines kürzlich erschienenen Artikels (Warnke 2008, S. 339), der für dieses Missverständnis typisch ist: „… Wo also ist der Umschalter von einem geistigen Prinzip zur Steuerung der Materie? Die Antwort liegt in der Neuen Physik und bedeutet einen Paradigmenwechsel gegenüber der Klassischen Physik. Dieser Wechsel berücksichtigt die Erkenntnisse der Quantenphysik und der Stringphysik. Da die Medizin die Funktion und den Aufbau von Organismen beeinflusst, meistens durch chemisch-pharmazeutische Einflussnahme an Molekülbindungen, und da Molekülbindungen und die daraus resultierenden Organismuskonstruktionen immer und ausschließlich quantenphysikalischen Ursprungs sind (Chemie ist eigentlich immer Physik), muss der Paradigmenwechsel auch auf die Medizin überspringen.“

Es gibt viele Gründe, warum die oben zitierte Überlegung nicht stichhaltig genug ist, um die Projektion quantenphysikalischer Phänomene in die Alltagswelt der Medizin zu rechtfertigen. Solch eine Projektion würde ein reduktionistisches „Baustein-Denken“ einsetzen, um einem äußerst komplexen Gedankengebäude bestimmte, isolierte Ideenkonstrukte zu entreißen, z. B. der Quantenphysik das Konzept der Verschränkung, und sie irgendwo in ein anderes intellektuelles Gebilde einzupassen. Die Quantentheorie kann für einen so ambitionierten Zweck weder die Bedingung der Vollständigkeit (möglichst alle Erscheinungen und deren Verhalten/Wechselwirkungen/Zusammenhänge erfassen) noch die der logischen Sparsamkeit (möglichst wenig voneinander logisch unabhängiger Grundbegriffe und Postulate) erfüllen. (Eine wissenschaftliche Theorie, die beide Bedingungen mathematisch erfüllt, heißt Einheitstheorie.) Die moderne Physik müsste immer noch mehrere wesentliche konzeptuelle Probleme überwinden, bis sie nur annähernd zu einer Einheitstheorie würde, die als neues Paradigma für die Medizin interessant sein könnte:

210

Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick

(1) Der Begriff „Zeit“ wird in Quantenphysik, Thermodynamik und allgemeiner Relativitätstheorie (Gravitationstheorie/Kosmologie) jeweils anders aufgefasst und behandelt. (2) Die allgemeine Relativitätstheorie erlaubt keine Definition einer Energiedichte, was aber in der Quantenphysik und Thermodynamik mehr oder weniger kein Problem ist. (3) Lokalrealismus wird in der Quantenphysik verletzt, nicht aber in der Thermodynamik und in der allgemeinen oder speziellen Relativitätstheorie. (4) Die (mindestens) vier sog. Grundkräfte der Natur (die starke Kernkraft, die schwache Kernkraft, die elektromagnetische Kraft und die Schwerkraft) lassen sich bislang nicht in einem einheitlichen Modell zusammenfassen und mit der Zeitirreversibilität der Thermodynamik vereinbaren. (5) Die Quantenphysik und die Thermodynamik können prinzipiell nur Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen vorhersagen, wohingegen die anderen physikalischen Theorien, z. B. die Mechanik und die allgemeine und spezielle Relativitätstheorie zumindest im Prinzip vollständig deterministisch sind. (6) Bestimmte merkwürdige, mikrokosmische Phänomene wie z. B. die Heisenberg’sche Unschärferelation, die ontologische Komplementarität, die Verschränkung u. a. sind der Quantenphysik eigen. (7) Nehmen wir an, dass das Verhalten eines Systems sich mithilfe eines numerischen Algorithmus effizienter vorhersagen lässt, als wenn man sein Verhalten Schritt für Schritt reproduzieren würde. Solch ein System nennt man „reduzierbar“ (Wolfram 1985). Viele Systeme sind reduzierbar, aber einige sind auch unentscheidbar: Sie haben Eigenschaften, die prinzipiell formal nicht berechenbar sind (Binder PM 2008) – siehe auch die Arbeiten von Kurt Gödel (Gödel 1931, 1932). Damit gibt es ein grundsätzlich unvermeidliches Problem beim Reduktionismus, d. h. wenn man versucht makroskopisches Verhalten anhand von mikroskopischen Prinzipien zu erklären (Binder 2009).

Wir sind also weit davon entfernt, mit Hilfe der Quantentheorie eine Art „Wellenfunktion des Universums“ oder „Weltformel“ zu finden, die die gegenwärtige theoretische Trennlinie zwischen der klassischen und der quantenphysikalischen Welt überbrücken und die quantenmechanischen Eigentümlichkeiten auch in der klassischen Welt zulassen würde. Und auch wenn wir eine solche Brücke hätten, gäbe es immer noch das Problem, die „von Neumann’sche Schranke“ – siehe den Begriff „von Neumann’s Fence“ in (Schmid Gary Bruno 2008) – zwischen dem Beobachter und dem beobachteten Objekt in der Anwendung dieser Formel noch irgendwie einzuordnen. Schon wenn wir nur bei der Quantenphysik bleiben, zeigen sich genügend konzeptionelle Probleme, die keineswegs den erwähnten Anspruch auf Paradigmenwechsel erfüllen können. Eine Vereinheitlichung der Physik bedingt eine Reduktion der Anzahl der unabhängigen Variablen, die eine vereinheitlichte Theorie beinhaltet. (Ansonsten wäre die neue Theorie gar keine Vereinheitli211

Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

chung der Vielfalt vorangegangener Theorien, die sie vereinheitlichen soll.) Diese Vereinheitlichung wird heutzutage in der Regel so gehandhabt, dass man immer mehr neue Kräfte und Teilchen in die Theorie einbaut. Leider ist es aber naiv zu glauben, dass je mehr verschiedene Kräfte und Teilchen in einer Theorie vereinheitlicht werden, desto weniger unabhängige Variablen notwendig sein werden: Das sog. Standard-Modell der Teilchenphysik hat schon ca. 20 solche Variablen, deren Werte durch Experimente festgelegt wurden; es war bislang schwierig bis unmöglich, Theorien mit weniger Variablen (z. B. Technicolorund Preonmodellen) in Übereinstimmung mit Experimenten zu bringen; populäre Theorien wie z. B. Supersymmetry und String Theory haben sehr viel mehr freie Parameter, und es gibt zudem so viele unterschiedliche Auffassungen dieser Modelle – eine sog. Landschaft möglicher Theorien –, dass es sehr unwahrscheinlich anmutet, die String Theory könnte durch irgendein Experiment je falsifiziert werden. Somit laufen wir Gefahr, uns im Niemandsland der Beliebigkeit zu verlieren und sollten uns nochmals an das Sparsamkeitsprinzip der Wissenschaft erinnern: „Ockhams Rasiermesser“, wobei uns jedes Modell suspekt bleiben soll, bei dem die Zahl der Postulate die Zahl der zu erklärenden Fakten übersteigt. Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir die Physik für die Beantwortung von Fragen zum Leben oder zum Bewusstsein heranziehen wollen. Selbstverständlich könnte man einwenden, dass gar keine vereinheitlichte Physik notwendig ist, um bestimmte isolierte Ideen der modernen Physik einschließlich einiger aus Quantenphysik und Chaostheorie letztlich auf Phänomene des Lebens oder des Bewusstseins anzuwenden. Trotzdem bleibe ich bei meiner Meinung, dass wir irgendeine Art von vereinheitlichter Physik o. Ä. brauchen, um den Verständnis-Abgrund zwischen einer zeitreversiblen Theorie und einer zeitirreversiblen Empirie zu überbrücken und entsprechend Ideen aus der gegenwärtigen Fassung der Quantenphysik auf Phänomene der klassischen Medizin oder Psychologie mit Recht anwenden zu dürfen. Die Frage: „Wie kommen wir mathematisch von der Quantenphysik zur Thermodynamik?“ muss irgendwie beantwortet werden, bevor wir solche ambitionierten, umfassenden Behauptungen wie die oben zitierten ernst nehmen dürfen. Jeglicher Versuch in der Quantenphysik eine Einheitstheorie der Physik zu sehen, die sich mathematisch-physikalisch konsistent über das ganze Erfahrungsspektrum von der (zeitreversiblen) Mikrowelt der Elementarteilchen, Atome und Moleküle über die (zeitirreversible) Thermodynamik bis zum kosmologischen Makrokosmos der Gravitation erstreckt, ist bis heute gescheitert. Dies liegt zum Teil an der grundsätzlich differenten Art und Weise, wie fundamentale physikalische Größen wie Zeit, Energie, Masse und Kraftübertragung in den jeweiligen erfolgreichen Theorien (Quantenphysik, Thermodynamik, Gravitationstheorie) behandelt werden (siehe oben). Es wäre falsch zu behaupten, 212

Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick

dass, nur weil man die Festkörpereigenschaften eines einfachen Objekts, z. B. einer Billiardkugel mit Hilfe der Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik verstehen kann, man auch das übergeordnete, statistische Verhalten (u. a. die Selbstorganisation) eines Mehrkörpersystems, z. B. die Bewegungen und Wechselwirkungen mehrerer Kugeln auf einem Billiardtisch anhand der Quantenphysik verstehen könnte. Sogar eine für die Beantwortung mehrerer kosmologischer Fragen wichtige theoretische „Verheiratung“ oder „Verschmelzung“ der Einstein’schen Allgemeinen Relativitätstheorie, die die Physik des Makrokosmos beschreibt, mit der Quantentheorie, die die Physik des Mikrokosmos umfasst, wird nicht erklären können, wie die Zeitirreversibilität der Makrowelt aus der Zeitreversibilität der Mikrowelt entsteht. Die heutzutage stark angestrebte Theorie der Quantengravitation mag mit der Zeit bestimmte Extremphänomene wie Schwarze Löcher oder den Urknall erklären helfen, aber sie wird Phänomene wie das Leben oder das Bewusstsein bei weitem nicht erklären können. Es ist gerade die Zeitirreversibilität lebender Systeme, die die belebte von der unbelebten Materie unterscheidet (und das Bewusstsein vom Unbewussten?). Seit den Anfängen der Quantenphysik sind insbesondere wegen der Rolle des Beobachters (Geist, Bewusstsein o. Ä.) bei der Interpretation der mathematischen Struktur dieses Gedankengebäudes die philosophischen Grundlagen der Quantenphysik von äußerstem Interesse. Leider haben auch die größten wissenschaftlichen Denker des 20. und angehenden 21. Jahrhunderts (z. B. die Physiker Gottfried Falk, Richard Feynman, John Wheeler usw. einschließlich Philosophen wie Karl Popper, Bertrand Russell, Carl Friedrich von Weizsäcker und Ludwig Wittgenstein) wenig Wesentliches zu den philosophischen Grundlagen beizutragen gehabt, das über die Gedanken der Gründungsväter (u. a. Niels Bohr, Paul Dirac, Albert Einstein, Werner Heisenberg, Paul Jordan, Wolfgang Pauli, John von Neumann, Eugen Wigner) hinausgegangen wäre. Mit anderen Worten: Ein derart ambitionierter Beitrag zum wissenschaft lichen Denken wie das obige Zitat bräuchte eher den Umfang eines Lebenswerks als den einer heroischen Behauptung, um die dahinterliegende These klar, korrekt und überzeugend zu vermitteln. Natürlich wäre es im Prinzip schon möglich, dass das Phänomen der Skaleninvarianz115, wie man es aus der Chaostheorie kennt, das Auftreten von Synchronizitäten als makroskopisches Pendant zu der Verschränkung in der Mikrowelt erklären könnte (siehe z. B. Schmid Gary Bruno 1991, 1996, 1997, 1998).116 Hier läge aber der Grund der Erklärung weniger in der mikrokosmischen Gesetzmäßigkeit der Quantenphysik sondern eher im makrokosmischen Phänomen der Selbstorganisation thermodynamisch komplexer Systeme. Eine befriedigende übergeordnete physikalische Theorie, welche Phänomene der be-

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Theoretische Modelle zur Erklärung des psychogenen Todessyndroms

lebten/bewussten und unbelebten/unbewussten Materie vereinigen könnte, bleibt nach wie vor eine wohl angestrebte Sehnsucht der Wissenschaft. Als Überleitung zum nächsten Kapitel zitiere ich Thomas Knecht (Knecht 2009): „Damit der psychogene Tod Aussicht auf integrale Anerkennung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft hat, ist es sicher erforderlich, dass eine konsistente Darstellung der damit verbundenen pathogenetischen Prozesse erfolgt. In dieser Frage ist letzte Gewissheit bis heute allerdings nicht geschaffen worden, was u. a. auch daran liegen könnte, dass es gar nicht einen absolut uniformen psychophysischen Prozess gibt, welcher in jedem Fall den Weg vom traumatisierenden Erlebnis bis zum Versagen der Organfunktionen bestimmt.“

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Phylogenetische Überlegungen

Meine Aufgabe lag bis jetzt hauptsächlich darin, eine Fülle von Beispielen aus den verschiedensten wissenschaftlichen Publikationen unter einen Hut zu bringen und nach dramaturgischen Gesichtspunkten zu klassifizieren. Es war mein objektives Ziel, aus einer verwirrenden Vielfalt von Tatsachen ein einheitliches, strukturiertes Verständnis des psychogenen Todes zu erlangen. Der Weg zum Ziel wurde in erster Linie von dieser einen Frage geleitet: „Welchen Einfluss kann die Vorstellungskraft auf den Augenblick des eigenen Todes haben?“

Wie schon in der Einführung angekündigt, hat uns die Wanderung durch wilde, biblische, zivilisierte und klinische Landschaften geführt. Dieser Weg wurde mit festen Randsteinen markiert, die aus einer Fülle von empirischen Feststellungen zementiert wurden. Und trotzdem sind wir unterwegs auf unvermeidliche, besonders schwierige, weil schlecht einschätzbare Fragen gestossen, wie z. B. „Wo, wenn überhaupt irgendwo, ist die Grenze zwischen Geist und Körper?“

für die ich hoffentlich ein paar Denkanstöße geben konnte. In diesem Kapitel möchte ich mir nun ein wenig poetische Freiheit in der Verfolgung eines weiteren, eher subjektiven Ziels erlauben und die folgende Frage erforschen: „Wie wurde es im Verlauf der Evolution zur Natur des Menschen, dass er allein durch seine Vorstellungskraft unter dem Einfluss von • • • •

bestimmten mächtigen Personen (Voodoo), unantastbaren Verboten gegenüber gewissen Objekten, Orten oder Zeiten (Tabu), ausweg-, hilf- und hoffnungslosen Situationen der emotionellen Isolation (Heimweh) und im Körperinnern unbewussten Aktivitäten (Besessenheit),

mit denen er sein ureigenes Lebensprinzip in seelischer Hinsicht untrennbar verknüpft, sterben kann?“

Mit anderen Worten: Bestimmte psychosoziologische Handlungen allein innerhalb entsprechender Situationen und Umstände können für den Menschen tödlich sein. Gleichwohl sind die genauen physiologischen Faktoren, die den menschlichen Organismus für Anfang und Verlauf eines psychogenen Todes-

Phylogenetische Überlegungen

prozesses bzw. für einen tödlichen Nocebo-Effekt prädestinieren, bis heute im Großen und Ganzen unbekannt. Und das Gleiche gilt reziprok für den heilenden Placebo-Effekt. Eine interessante Studie konnte kürzlich erstmals zeigen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen bestimmten transmitter-bezogenen Gen-Polymorphismen, der Amygdala-Aktiviät und einer placebo-induzierten Bahnung von Sozialängsten (Furmark et al. 2008). Diese Entdeckung begünstigt den Versuch, in diesem Kapitel eine phylogenetische bzw. darwinistische Untermauerung für das Phänomen des psychogenen Todes zu diskutieren. Es ist wirklich erstaunlich, dass wir vom dauerndem Austausch riesiger Informationsmengen im Organismus so wenig wahrnehmen. Anscheinend fehlt dem Menschen ein Sensorium für frühe Krankheitszeichen. Ein möglicher Grund für dieses „Defizit“ lässt sich in der Evolution finden. Es scheint logisch, dass insbesondere zu Zeiten unzureichender medizinischer Kenntnis und extremer Gefahren aus der Umwelt das Überleben primär von der Fokussierung der bewussten Aufmerksamkeit auf äußere statt innere Faktoren abhing. Man darf m. E. davon ausgehen, dass bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts nur ein kleiner Teil der Bevölkerung an Krebs oder einfacher Altersschwäche starb, die Mehrheit jedoch aufgrund den rauen Lebensbedingungen (Durst, Geburtskomplikationen, Hunger, Infekte, Krieg, Raubtiere, Überfälle, Unfälle, Vergiftung usw.) umgekommen ist. Mit anderen Worten: Zum Überleben musste die menschliche Spezies ihre sensorische Aufmerksamkeit und Intuition mit Vorteil auf reale, körperexterne statt körperinterne Gefahren lenken. Und was dazukommt: Wenn der menschliche Organismus tatsächlich auf einfache Art, introvertiert und durch eigene Vorstellungskraft, den Schmerz überwinden und gesunden konnte, so wäre er höchst wahrscheinlich weniger vorsichtig gewesen im Vermeiden von Verletzung, Vergiftung oder Krankheit. So könnte der Tatsache, dass der Vorstellungskraft im Hinblick auf Schmerz, Gesundheit und Genesung mehr ein unbewusstes Geschehen als eine bewusste Anstrengung zugrunde liegt, eine wichtige Funktion in unserer Entwicklungsgeschichte zukommen. Diese Betrachtungen könnten erklären, weshalb Schwarzmagier oder Zauberer mit ihren tödlichen Verfluchungen (Nocebo-Effekt oder psychogener Tod) eine relativ zuverlässige Wirkung erzielen im Gegensatz zu ihren helfenden Antipoden, den Weißmagiern oder Medizinmännern, mit ihren Heilhandlungen (Placebo-Effekt oder psychogene Genesung [Schmid Gary Bruno 2007]). (Es ist auch einfacher, die Schmerzwahrnehmung durch Fokussierung zu intensivieren als zu mildern.) Darüberhinaus könnte dieser Unterschied zwischen den Polen psychogene Heilung und psychogener Tod zumindest teilweise durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verdeutlicht werden: Alle physikalischen Systeme – insbesondere die lebenden – brauchen Energie zur Erhaltung ihrer gestalt216

Phylogenetische Überlegungen

bildenden Prozesse; Zerfall (zunehmende Entropie) geschieht automatisch von selbst. Etwas legerer ausgedrückt: Es kostet uns weit weniger Aufwand, ein Haus allmählich in Unordnung versinken oder mit der Zeit verfallen zu lassen als es ordentlich und in gutem Zustand zu halten. Daher ist der konzertierte Einsatz bewusster und unbewusster Ressourcen zu Schmerzreduktion oder Selbstheilung die weitaus schwierigere, weil energie-intensivere Herausforderung für den menschlichen Organismus als der Einsatz dieser Funktionen zur Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen oder zur Auslösung des psychogenen Todes. Die natürliche Auslese ist bis heute Gegenstand mehrerer verwandter Forschungsgebiete. Z. B. wurde eine alternative Perspektive auf die Evolution, die auf neueren Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie basiert, vorgeschlagen, um neue Einblicke in die Reaktion auf akuten Stress in Form habitueller Schwäche und spezifischer Blut-, Spritzen- und Verletzungsphobien (bloodinjection-injury type-specific phobia/BIITS phobia) zu gewähren: angstinduzierte Ohnmacht, d. h. Ohnmacht infolge Sehen von Spritzen, Blut oder einer harmlosen Hautverletzung, ist eine homo-sapiens-spezifische Stressantwort auf unausweichliche Bedrohung. Man nimmt an, dass die Fähigkeit zur Ohnmacht sich im mittleren Paläolithikum eher als Reaktion auf Gewalt innerhalb und zwischen Gruppen entwickelt hat denn als allgemeine Verteidigungsstrategie von Säugern, wie meistens angenmmen wird. In der neueren Literatur findet sich mit „Erstarren, Flucht, Kampf, Furcht, Ohnmacht“ („freeze, flight, fight, fright, faint“) eine bessere Charakterisierung der Reaktion auf akuten Stress als die bis anhin üblichen Beschreibungen: „fight or flight“. Ohnmacht als eine der drei hauptsächlichen physiologischen Reaktionen bei BIITS-Phobien tritt sehr selten bei anderen Phobien auf. Da die erbliche Komponente für Ohnmacht größer ist als für Angststörungen oder Phobien, schlägt Bracha (Bracha 2004) vor, in der Forschung über den Schaltkreis menschlicher Angst den Wesenszug Ohnmacht als nützliche Ergänzung zum Wesenszug Ängstlichkeit im Sinne eines Endophänotyps zu begreifen. Etwas weiter entfernt von der Psychologie ist die Unterscheidung bisher üblicher selektiver Evolutionsmodelle (Burnet 1962; Cohn et al. 2007; Forsdyke 1995; Hodgkin 2008; Hodgkin et al. 2007; Jordan und Baxter 2008) von neueren instruktiven Modellen (Mackay 2008; Neuberger 2008; Schaffner 1992; Silverstein 2002) zum Informationserwerb biologischer Systeme: Derselbe Prozess kann aus holistischer Perspektive als instruktiv und aus atomarer Perspektive als selektiv betrachtet werden (Lederberg 2002). Damit hätten wir eventuell eine Erklärung für die Fähigkeit des Immunsystems zur Antikörperbildung.

217

Phylogenetische Überlegungen

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge Aus einer darwinistischen Perspektive („descent with modification“) ist es naheliegend, dass der Mensch über die Jahrtausende und mit Hilfe seiner Vorstellungskraft einen gewissen Einfluss auf seine Gesundheit und Selbstheilung entwickelt hat. Somit ist fast selbstverständlich, dass im menschlichen Organismus kritische neuronale Prozesse mit kognitiven Fähigkeiten, vor allem mit der Vorstellungskraft gekoppelt sind, und dass dies Zusammenspiel Gesundheit bzw. Fähigkeit zur Selbstheilung fördert. Diese konstitutiven und in der Regel unbewussten Selbstheilungsprozesse würden in Notzeiten über die Hintergrundaktivitäten des Unbewussten mental zugänglich werden, z. B. während einer Krankheit, sodass der Mensch sie spürbar mit Hilfe seiner Vorstellungskraft zumindest erahnen, wenn nicht gar bewusst wahrnehmen könnte. Somit könnte die Fähigkeit zur Selbstheilung insbesondere unter den Bedingungen einer gravierenden Krankheit ein dominanter psychophysiologischer Prozess werden, der ansonsten in Zeiten relativer Gesundheit kaum in Erscheinung tritt. „Aber auf kaum einem anderen Gebiete hat sich unser Denken und Fühlen seit den Urzeiten so wenig verändert, ist das Alte unter dünner Decke so gut erhalten geblieben, wie in unserer Beziehung zum Tode.“ (Freud 1919, S. 255)

In diesem Unterkapitel gehe ich der Frage nach: „Welchen Vorteil könnte der psychogene Tod, und damit auch die Fähigkeit des Menschen, sein Leben allein durch Vorstellungskraft zu beenden, für das Überleben und für die erfolgreiche Fortpflanzung des Homo sapiens haben?“

Es erhebt sich die Frage nach dem biologischen Hintergrund, dem evolutionären „Sinn“ des psychogenen Todes. Ist hier das Walten eines allgemeinen evolutionären Gesetzes am Werk, das aus Gründen der Selektion die Selbstelimination des Abtrünnigen fordert? Der Mensch als ein Zusammenspiel zwischen soziologischen, psychologischen und biologischen Wesenseinheiten hat sich seit dem Zeitalter des Tertiärs (Beginn vor 65 Millionen Jahren) entwickeln können. Um Antworten auf die obige und ähnliche Fragen zu finden, versetzen wir uns in einen früheren Zeitraum zurück, als das Potential zum psychogenen Tod im Laufe der Entwicklung des Menschen vermutlich erst entstanden ist. Was für ein Mensch lebte damals und in welchen Situationen und unter welchen Umständen pflanzte er sich fort? Ab wann wir frühestens von den ersten Menschen sprechen können, ist immer noch umstritten. Man kann davon ausgehen, dass die Spezies, die wir heute als Mensch bezeichnen, am als Anfang Jäger und Sammler lebte. Gehen wir nun nur 10.000 Jahre zurück, als der Mensch mit großer Sicherheit immer noch 218

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

Jäger und Sammler war. Seither sind kaum 400 Generationen vergangen (1 Generation = ca. 25 Jahre), und wir erkennen aus der Perspektive der biologischen Evolution, dass der moderne Mensch dieselbe neurophysio- und neuropsychologische Konstitution hat wie seine Urahnen. Aber durch nur 400 Generationen hätte sich solch ein kompliziertes soziopsychobiologisches Phänomen wie der psychogene Tod kaum entwickeln können. Es ist also wahrscheinlich, dass der psychogene Tod unter den Bedingungen des Jagens und Sammelns längst entstanden war und dass er sich seit den Anfängen seiner Entwicklung kaum verändert hat. Dieser Schluss lässt es als gerechtfertigt erscheinen, die darwinistischen Vorteile des psychogenen Todes für die Lebensumstände unserer JägerSammler-Urahnen zu überdenken.117 Diese Urahnen lebten in kleineren Gruppen zusammen und mussten ihre Existenz in einer gefährlichen Umgebung ständig erkämpfen. Sie waren in erster Linie damit beschäftigt, sich auf der Suche nach Nahrung durch die Landschaft zu bewegen, in kleineren Sippenverbänden zu leben, Kinder in Intervallen von circa vier Jahren zu zeugen und durch intensives, jahrelanges Stillen in jedes Kind zu investieren. Unter solchen Bedingungen spielten • • • •

Autorität Verbot Zusammenhalt in der Sippe und Intuition/Antizipation

mit Sicherheit wichtige Rollen für das Überleben der Spezies. Und sie dürfen in ihrer Konsequenz für das Individuum Vor- und Nachteile haben. Punkto Nachteile kann insbesondere eine ausufernde Intuition/Antizipation zu psychischen Problemen führen: „Der biologische Grundkonflikt aller Lebewesen besteht in der Schwierigkeit, sich während der Begegnung mit der Außenwelt zu verändern oder anzupassen, ohne die eigene Struktur aufzugeben, sie vielmehr möglichst unverändert beizubehalten. Dieser Konflikt verschlimmert sich in der Psychose, in der die Abwesenheit der Membran, der Symbole des Selbst, direkt und ohne Vermittlung das Innere der Zelle, das Zentrum des Selbst, einem Zusammenprall mit der Welt aussetzt. Dabei läuft dieses aus und verstreut sich projektiv nach außen hin. Wenn der zentrale Kern des Selbst mit den Emotionen der zwischenmenschlichen Beziehungen konfrontiert und daraufhin direkt verändert wird, verliert er seine Funktion der Organisation und Strukturierung der weltlichen Erlebnisse in den räumlichen und zeitlichen Koordinaten, die uns den Sinn unserer existentiellen Fortdauer geben und uns in jeder Situation immer uns selbst sein lassen.“ (Pecciccia und Benedetti 1992, S. 93–94)

219

Phylogenetische Überlegungen

Wenn auch mit der Absicht formuliert, die Psychodynamik der schizophrenen Psychose zu schildern, umschreibt diese Erklärung mehr oder weniger auch meine Auffassung der Genese des psychogenen Todes. In dem außergewöhnlichen Bewusstseinszustand, bei dem der psychogene Tod ausgelöst wird, kann der sinnstiftende menschliche Geist offenbar sein Lebensprinzip nicht vom Todesarchetyp abgrenzen, der durch ein fremdes, lebensbedrohendes VoodooAgens oder ein äußeres, todbringendes Tabu-Objekt oder die Ferne vom lebensspendenden Heimatort in Gang gesetzt wird: In diesem außergewöhnlichen Bewusstseinszustand beim psychogenen Tod (wie bei der schizophrenen Denkstörung) findet nun etwas Eigentümliches und Erstaunliches statt: „Die Unterschiede treten im Erleben zurück, während das gemeinsame semantische Segment so überwertig wird, dass aus einer Symbolbeziehung eine Identität, aus einer Überschneidung eine völlige Überdeckung, aus einer Metapher oder Allegorie eine Gleichheit wird“ (Benedetti und Pecciccia 1992, S. 107): Das Lebensprinzip wird dem inneren Todesbild gleichgesetzt. Der soziopsychobiologische Mechanismus des psychogenen Todesprozesses sowie der des gegensätzlichen psychogenen Heilungsprozesses hat eine vierfache Redundanz: Gift oder Heilmittel für das Lebensprinzip des Betroffenen ist • das Wort beim Voodoo-Tod bzw. bei der Gebetsheilung, • das Ding beim Tabu-Tod bzw. bei der Placebo- und/oder Reliquien-Heilung, • der Ort beim Heimweh-Tod bzw. bei der Heimkehr oder beim Besuch eines Wallfahrtsorts, • das innere Bild beim Seelen-Tod bzw. bei der Geistheilung. Das Wort, das Ding, der Ort, das Bild ist nicht einfach Symbol, nicht Stellvertreter oder Vermittler eines Sinns, sondern es ist dieser Sinn selbst. Der Sinn gehört keinem separaten Objekt an, sondern er ist symbiotisch mit dem Subjekt verschmolzen. Um den oben zitierten Gedanken noch weiter zu verfolgen (vgl. Benedetti und Pecciccia 1992, S. 108): Symbiose und Separation, die normalerweise dynamische, dialektische Gegensätze im Sinne von „sowohl-alsauch“ sind, gerinnen beim psychogen Sterbenden und Genesenden zu statischen, absoluten Gegensätzen im Sinne von „entweder-oder“. Bei der psychogenen Heilung bewirkt die (absolute) Symbiose mit dem lebensspendenden Beziehungsobjekt eine gedanklich und gefühlsmäßig widerspruchsfreie Verschmelzung des Ichs mit dem eigenen Lebensprinzip und zugleich eine Bannung des Todes bzw. der Krankheit. Beim psychogenen Tod bewirkt dieselbe (absolute) Symbiose mit dem todbringenden Beziehungsobjekt eine gedanklich und gefühlsmäßig widerspruchsfreie Verschmelzung des Ichs mit 220

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

dem Todesarchetyp und zugleich eine Bannung des Lebensprinzips: Derselbe Betroffene, der seit seiner Geburt mit dem tödlichen Objekt in einem statischen, absolut symbiotischen Zustand im Diesseits lebt, wird plötzlich und unerwartet ins Jenseits geschleudert, sobald dieses Objekt sinngemäß auf ihn bezogen wird: Beim Voodoo lebe ich symbiotisch mit dem Magier, bis er mich von sich trennt und ich sterben muss. Beim Tabu lebe ich symbiotisch mit dem Tabuobjekt, bis ich mit ihm in Berührung komme und sterben muss. Beim Heimweh lebe ich symbiotisch mit meiner Heimat, bis ich von ihr getrennt werde und sterben muss. Bei der Besessenheit lebe ich symbiotisch mit meiner Innenwelt, bis sie sich gegen mich wendet und ich sterben muss.

Hier erinnere ich an die bereits mehrfach zitierte Idee einer „unbewussten mentalen Tendenz, die sich in trügerischen Anmutungen wieder und wieder selbst erzeugt, und die, obwohl subjektiv, dem Geist des Naturmenschen eine objektive Realität vorgaukelt“ von Leonard und an die oben erwähnte Idee „eines schnellen Hin und Her zwischen Kampf oder Flucht (fight or flight) und Standhalten oder Rückzug (conservation-withdrawal), die von einem genauso schnellen Kippen zwischen sympathischen und parasympathischen kardiovaskulären Effekten begleitet sind“. So verstehe ich Benedetti besser, wenn er schreibt: „Symbiotisches Selbst und separates Selbst sind die zwei Pfeiler, die aller Kommunikation mit der Welt zugrunde liegen.“ (Benedetti und Pecciccia 1992, S. 108) In den nächsten vier Abschnitten möchte ich diese Gedanken noch spezifischer auf die vier psychogenen Todesdramen beziehen.

Voodoo-Tod: Der Vorteil der Gehorsamkeit bestimmten Individuen gegenüber Beim Voodoo begegnen wir der Symbiose mit und der Trennung von Autorität: Das Lebensprinzip des Sippenmitglieds ist auf eine geheimnisvolle, magischozeanische Art und Weise mit dem Wort des Häuptlings (bzw. des Königs, Priesters oder Zauberers etc.) verknüpft, denn solange dessen Worte es nicht verletzen, sondern sogar schützen, ist das Mitglied vor dem Tod sicher. Wenn aber das Wort „giftig“ wird, muss der Betroffene sterben. Welch evolutionären Vorteil bringt es für die mit Sprache begabte Spezies Mensch mit sich, dem Wort des Häuptlings so viel Macht beizumessen? Denken wir an die Mitglieder einer beliebigen sozial lebenden Tierart, die sich für eine bestimmte Zeit in einem Rudel, einer Herde, Schar oder ähnlichen Gruppierung zusammengeschlossen haben. Beim Tier löst der Ruf des ranghöchs221

Phylogenetische Überlegungen

ten Tiers dieser Gruppe zwangsläufig ein mehr oder weniger instinkthaftes bzw. genetisch vorprogrammiertes Verhaltensmuster, z. B. Flucht aus. So muss nur ein Tier für die Sicherheit der ganzen Gruppe Ausschau halten, während die anderen sich auf die Suche nach Nahrung oder Beute konzentrieren können. Für eine Sozialgruppe von N Tieren heißt dies, dass nur eine statt N Entscheidungen für die Sicherheit der Gruppe getroffen werden muss. Der Überlebensvorteil solcher Effizienz in der Kommunikation innerhalb eines lebenden Systems ist offenkundig. Nun unterscheidet sich der Mensch von den Herdentieren insofern, als dem Individuum viel mehr Entscheidungsfreiheit und damit auch eine größere Verantwortung fürs Überleben der Gruppe als Ganzes zukommt: Wenn zum Vorteil einer höheren individuellen Bewusstseinsentwicklung der Gruppenangehörige dem Befehl des Häuptlings nicht unbedingt und automatisch wie ein Tier gehorchen muss, soll er das Wort des Häuptlings auf jeden Fall „tod-ernst“ nehmen, um den oben erwähnten Vorteil aus dem Tierreich so weit wie möglich beizubehalten. Der Mensch stand ursprünglich im unmittelbaren Konkurrenzkampf mit dem (die Laute der Ranghöchsten unweigerlich befolgenden) Tier um Nahrungsmittel und Wohnraum. Wer sich plötzlich und unerwartet dem Befehl des Häuptlings widersetzt, ohne es zuvor sorgfältig, sittlich und auf ritualisierte Art und Weise in Frage gestellt zu haben, um so eine langsame, vorsichtige Änderung in der diesbezüglichen absoluten Autorität des Häuptlingswortes zu ermöglichen, ist für sich und vor allem für die Sippe auf lange (sprich evolutionäre) Sicht einfach zu gefährlich. Es ist aber nicht eigentlich der Tod des Abtrünnigen, den die Evolution anstrebt, sondern sie zielt auf die dem Häuptling gegenüber innewohnende Treue. Und diese Treue kann psychologisch so intensiv wirken, dass der sich dem Wort des Häuptlings nicht fügende Mensch sterben kann. Es ist dieselbe Macht des Wortes, die die Evolution dem Menschen im Sinne eines Überlebensvorteils objektiv mitgegeben hat, die vom Häuptling zur Auslösung eines Voodoo-Todes eingesetzt werden kann.

Tabu-Tod: Der Vorteil der Gehorsamkeit der Gruppe gegenüber Beim Tabu begegnen wir der Symbiose mit und der Trennung vom Gruppenverbot: Das Lebensprinzip des Sippenmitglieds ist auf geheimnisvolle, magischozeanische Art und Weise mit dem Gesetz der Gruppe (bzw. mit dem der Gesellschaft, Gemeinde, Sippe etc.) verknüpft, denn solange das Gesetz, das Tabu, unverletzt bleibt, ist das Mitglied vor dem Tod sicher. Wenn aber das Verbotene, also das „Gift“ berührt wird, muss der das Unberührbare Erkennende sterben. Welchen evolutionären Vorteil bringt es für die nach Erkenntnis hungernde Spezies Mensch mit sich, dem Gruppengesetz so viel Macht beizumessen? 222

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

Denken wir wieder an die Mitglieder einer beliebigen sozial lebenden Tierart, die sich für eine bestimmte Zeit zu einem Rudel, einer Herde, Schar oder ähnlichen Gruppierung zusammengeschlossen haben. Die Dynamik dieser Gruppe spielt sich zwangsläufig innerhalb einer mehr oder weniger instinkthaften bzw. genetisch vorprogrammierten Menge von möglichen, sich gegenseitig bedingenden Verhaltensmustern („Gesetzen“) für jedes einzelne Gruppenmitglied ab. So bedroht kein Tier unnötigerweise die Sicherheit der restlichen Gruppe, solange sein Verhalten an dieser oder jener immanenten und von der Evolution längst geprüften Verhaltensgestalt festhält. Für eine Sozialgruppe von N Tieren heißt dies, dass nur eine einzige Entscheidung (aus M kollektiven) anstatt N individuelle (aus unendlich vielen persönlichen) Entscheidungen für das jeweilig optimale Individualverhalten innerhalb des Kollektivs getroffen werden muss. Der Überlebensvorteil solcher Effizienz im Verhalten innerhalb des lebenden Systems ist offenkundig. Nun unterscheidet sich der Mensch vom instinktiv handelnden Tier insofern, als dem Individuum eine viel größere Verhaltensfreiheit und dadurch auch eine größere Verantwortung fürs Überleben der Gruppe als Ganzes gegeben wird: Wenn zum Vorteil einer höheren sozialen Bewusstseinsentwicklung der Gruppenangehörige die Verhaltensregeln nicht unbedingt und automatisch wie ein Tier befolgen muss, soll er auf jeden Fall das Gesetz der Gruppe „tod-ernst“ nehmen, um den oben erwähnten Vorteil aus dem Tierreich so weit wie möglich beizuhalten. (Nochmals: Der Mensch stand ursprünglich im unmittelbaren Konkurrenzkampf mit dem „das Gesetz der Gruppe unweigerlich befolgenden“ Tier um Nahrungsmittel und Wohnraum.) Wer sich plötzlich und unerwartet dem Gesetz der Gesellschaft nicht fügt, ohne es sorgfältig, sittlich und auf ritualisierte Art und Weise in Frage gestellt zu haben und eine langsame, vorsichtige Änderung in den diesbezüglichen unantastbaren Sitten und Gebräuchen zu ermöglichen, ist für sich und für die Sippe auf lange (sprich evolutionäre) Sicht schlicht zu gefährlich. Es ist aber nicht eigentlich der Tod des Verbrechers oder Sünders, den die Evolution anstrebt, sondern sie zielt auf die der Gruppe gegenüber inhärente Treue des Betroffenen. Und diese kann psychologisch so intensiv werden, dass der sich der Ordnung der Gesellschaft nicht fügende Mensch daran sterben kann, falls er gegen bestimmte, für das Überleben der Gruppe vermeintlich notwendige Verhaltensregeln verstoßen hat. Und es ist dieselbe Macht des Gesetzes, die die Evolution der Gattung Mensch im Sinne eines Überlebensvorteils objektiv gegeben hat, die von einer Gruppe, z. B. einer machtbesessenen Sekte, genausogut für ihren eigenen und sehr persönlichen Zweck zur Auslösung eines Tabu-Todes eingesetzt werden kann. Die Wahrheit ist übrigens nach wie vor eins der wichtigsten Tabus der Gesellschaft: Wer dieses Tabu bricht, der lügt, und eine Gesellschaft, welche die 223

Phylogenetische Überlegungen

Lüge tolerieren würde, könnte absolut keine sozialpolitische Ordnung gewährleisten und würde zwangsläufig zugrunde gehen. Hierzu ein Beispiel über die Sitten im Mittelalter: „Obwohl es kein Verbrechen gibt, zu dem Menschen nicht fähig sind, kam es nur selten vor, dass ein Meineid geschworen wurde, denn nach mittelalterlicher Auffassung beging man damit das schlimmste aller Verbrechen. Mord und Totschlag galten dagegen als lässliche Sünden, die man mit einer Geldbuße oder einer Pilgerfahrt ins heilige Land abtragen konnte. Hatte nicht auch Kain seinen Bruder Abel erschlagen? Mußte man nicht in jedem Krieg andere Christenmenschen niedermachen? Meineid jedoch war etwas anderes. Meineid war nicht in erster Linie ein juristisches Delikt, sondern Gotteslästerung, weil man im Namen des dreieinigen Gottes geschworen hatte. Wer einen heiligen Eid brach, verriet den Herrn wie Judas Ischariot, der dazu verdammt war, für alle Ewigkeit in der finstersten aller Höllen zu schmachten. Meineid wurde mit der Todesstrafe geahndet, wobei dem Verurteilten vor der Hinrichtung die Schwurfinger abgehackt wurden.“ (Heine 1990, S. 34)

Auch Ehebruch ist seit Urzeiten ein weitverbreitetes Tabu. Der Elternteil, der dieses Tabu bricht, setzt sein uneheliches Kind bzw. seine Enkelkinder der Gefahr aus, sich unwissend mit einem Geschwister zu verehelichen und unter Umständen genetisch stärker belastete Kinder zu zeugen usw.: Uneheliche Kinder können nicht sicher sein, dass sie kein Geschwister heiraten. Diese Gefahr betrifft unvermeidlich die ganze Sippe. Besonders in den Jäger-Sammler-Zeiten, als die in sich heiratenden Sozietäten viel kleiner waren als heute, hätten die Konsequenzen des geduldeten Ehebruchs für ein Volk verheerend sein können. Aus diesem Grund war es in früheren Zeiten so wichtig, den Bastard aus der Gesellschaft zu verbannen. Insbesondere stellt der promisk lebende Mann für die Gesellschaft auf längere (sprich evolutionäre) Sicht eine tödliche Gefahr dar: Nehmen wir an, dass er schon mit 16 Jahren ein Mädchen von 14 Jahren aus seiner Sippe heiraten darf, was innerhalb einer naturgebundenen Kultur nicht unrealistisch ist, und dass er zugleich mit einem anderen Mädchen ein uneheliches Verhältnis hatte bzw. eine uneheliche Tochter gezeugt hätte. Zur ungefähren Zeit seines 30. Geburtstags hätte diese uneheliche Tochter das Heiratsalter erreicht. So könnte er im Prinzip schon ab 30 unwissentlich seine eigene Tochter schwängern. (Die Wahrscheinlichkeit, dass eine promisk lebende Mutter irgendwann unwissentlich von ihrem eigenen Sohn geschwängert wird, ist bei weitem geringer.) In Anbetracht der modernen Methoden der Geburtenkontrolle, Genidentifikation und Weltmobilität ist die gesellschaftliche Gefahr, die dieser Tabubruch damals so gravierend in sich barg, heutzutage so gut wie überwunden. Dies mag wohl unsere heutige Toleranz unehelichen Beziehungen gegenüber weitgehend und leidenschaftslos erklären. Umgekehrt drängt sich uns eine neue, schwerwiegende Frage immer dringlicher auf: Wenn nicht 224

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

in die steinzeitliche Ehe, in welche andere gesellschaftliche Beziehungsform sollte das moderne, zeitlich begrenzte partnerschaftliche Geschlechtsleben eingebettet werden? Die Antwort auf diese Frage überlasse ich gerne meinen Leserinnen und Lesern künftiger Generationen.

Heimweh-Tod: Der Vorteil der Zugehörigkeit zu einem Ort „ ...überhaupt ist auch die Szene des Konfliktes zwischen der Wanderlust (explorative Tendenz) und der Erhaltung des Status quo (psychologische Inertia; Tendenzenprinzip zum locus minoris resistentiae) ein anregendes Plateau für nostalgische Betrachtungen.“ (Zwingmann 1961, S. 453)

Beim Heimweh begegnen wir der Symbiose mit und der Trennung vom Ort (und der Zeit) im Sinne eines Triebs, in der Sippe zu bleiben und mit ihr zusammenzuhalten: Das Lebensprinzip des Sippenmitglieds ist auf eine geheimnisvolle, magisch-ozeanische Art und Weise mit dem Ort der Gruppe (bzw. mit dem der Gesellschaft, Gemeinde, Sippe etc.) verknüpft; denn solange das Mitglied in seiner Heimat ist (und die Heimat nicht durch Eindringlinge überfremdet wird – siehe die Diskussion zu Fremdenhass), ist das Mitglied vor dem Tod sicher. Wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Reisenden (Aupair, Fremdarbeiter, Söldner, Asylant etc.) oder die Entfernung von der Heimat des Migranten „toxisch“ wird, muss er sterben. Welch evolutionären Vorteil bringt es für die – physiologisch gesehen – ortsunabhängige Spezies Mensch mit sich, dem Heimatort so viel Macht beizumessen? (Für ein Nomadenvolk steht der persönliche Familienteppich auf unbewusste und symbolische Art und Weise stellvertretend für die Muttererde des Sippenmitglieds.) Denken wir an die Mitglieder einer beliebigen haus- oder nestbauenden Tierart, die für eine bestimmte Zeit in einer Art Stadt oder ähnlich kollektiv organisierten Wohnbauten zusammenleben. Bewegung und Nahrungsaufnahme jedes einzelnen dieser Gruppe findet zwangsläufig statt innerhalb eines beschränkten Bereichs mit einer wohldefinierten Reichweite bzw. Grenze, deren geographische Ortung und Größe mehr oder weniger instinkthaft bzw. genetisch programmiert ist. So bedroht kein (haus- oder stadtbauendes) Tier unnötigerweise die eigene Sicherheit, solange es seine Bauten und Ausflüge an dieser oder jener impliziten und von der Evolution längst geprüften Wohn- und Wandersituation orientiert: Umgeben aber von einer grundsätzlich unbekannten und somit feindlichen Umgebung und instinkthaft-biologisch gebunden an ein bestimmtes Nahrungs- und Klimaspektrum, das nur in einem begrenzten Teil der Erde zu finden ist, würde das Individuum und damit auch die Gruppe sterben bzw. aussterben, wenn die Natur dem (haus- oder stadtbauenden) Individuum unnötige eigensinnige Entdeckungsreisen in den Sinn legen würde. Die optimale Fortpflanzung der Spezies ist eher durch Paarung innerhalb des gege225

Phylogenetische Überlegungen

benen ortsgebundenen Sozialgefüges gesichert, als durch die gewagte Paarung zwischen Individuen unterschiedlicher Sozialbereiche, die durch gefährliche bzw. nahrungsarme Landstriche voneinander getrennt sind. Der Überlebensvorteil solcher Effizienz im Verhalten innerhalb des lebenden Systems ist offenkundig. Nun unterscheidet sich der Mensch vom instinktiv handelnden Tier insofern, als dem Individuum eine viel umfangsreichere Bewegungs- und Nahrungsfreiheit und damit auch eine größere Verantwortung fürs Überleben der Gruppe als Ganzes gegeben wird: Wenn zum Vorteil einer höheren sozialen Bewusstseinsentwicklung der Gruppenangehörige die geographischen Bedingtheiten nicht absolut und automatisch wie ein Tier achten muss, soll er auf jeden Fall die Lokalität der Gruppe „tod-ernst“ nehmen, um den oben erwähnten Vorteil aus dem Tierreich so weit wie möglich beizuhalten. (Nochmals: Der Mensch stand ursprünglich im unmittelbaren Konkurrenzkampf mit dem „sich am eigenen Territorium festhaltenden Tier um Nahrungsmittel und Wohnraum.) Wer plötzlich und unerwartet die Ortung der eigenen Heimat ändern bzw. erweitern oder umsiedeln will, ohne diesen Versuch zuerst sorgfältig, sittlich und auf ritualisierte Art und Weise zu unternehmen, um somit eine langsame, vorsichtige Akklimatisation zu ermöglichen, ist für sich und für die Sippe auf lange (sprich evolutionäre) Sicht einfach zu gefährlich. Es ist aber nicht der Tod des Auswanderers, den die Evolution im Sinn hat, sondern die innewohnende Zugehörigkeit zur heimatlichen Umgebung, wo die Schutz- und Nahrungsmöglichkeiten am besten bekannt sind. Und die Zugehörigkeit kann psychologisch so intensiv werden, dass der nicht an den Heimatort gebundene Mensch sterben kann, falls er wagt, zu weit und zu lange von zu Hause wegzuziehen. Dieselbe Macht des Ortes, die die Evolution der Gattung Mensch im oben genannten Sinne eines Überlebensvorteils objektiv mitgegeben hat, kann genausogut in den Heimweh-Tod einmünden. Diese inhärente Tendenz zur Schwächung in der Ferne könnte bei nicht besonders motivierten Truppen, insbesondere bei Söldnern, die Weite und Dauer eines erfolgreichen militärischen Feldzuges einschränken und den angegriffenen Einheimischen einen gewissen Vorteil gegenüber den durch die Peinigung des Heimwehs aufgezehrten eingedrungenen Soldaten geben. Nicht nur ein militärischer Misserfolg sondern auch der „Selbstmord kann als Versagen der nostalgischen Funktion erklärt werden“ (Zwingmann 1961, S. 456). Man darf hier natürlich nicht monokausal und vulgärdarwinistisch denken. Selbstverständlich haben etwa die Schweizer kein Gen, das sie in Frankreich an Heimweh sterben lässt.

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Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

Seelentod: Der Vorteil der Selbstreflexion Hier begegnen wir der Symbiose mit und der Trennung von der kollektiven Vorstellungskraft (Weltseele) per se. Mit dieser Leitidee könnte ich dasselbe logische Bauwerk, das ich oben schon dreimal auf analoge Art und Weise für den Voodoo-, den Tabu- und den Heimweh-Tod aufgebaut habe, auch für eine darwinistische Erklärung des Seelentodes anwenden. Wir haben einen vierten Formenkreis des psychogenen Todes, in den all jene psychogenen Todesfälle gehören, die sich in die Kategorien Voodoo-, Tabuund Heimweh-Tod nicht einordnen lassen. Grob gesagt handelt es sich um eine terminale Extrembefindlichkeit, die von einer Käfigsituation geprägt ist, und dementsprechend zu einer Devitalisierung des Gesamtorganismus führt. Ich möchte hier aber ein anderes, mit den Bausteinen der Neuropsychologie konstruiertes, logisches Gedankengebäude errichten, um den evolutionären Vorteil des Seelentodes erahnen zu lassen. Dafür muss ich zunächst einige spezielle Begriffe wie z. B. Binding, Qualia und erhöhte Sensibilität einführen (siehe Schmid Gary Bruno 2001). Ich werde argumentieren, dass eine erhöhte Sensibilität evtl. eine grundsätzlich wichtige evolutionäre Rolle in elementaren sozialen Unternehmungen wie Jagd, Sammeln oder Paarung spielt, die für das Überleben der Spezies Mensch nötig sind. Die damit verbundene menschliche Fähigkeit zu gegenseitigem, gleichzeitigem Antizipieren mag in der heutigen Zeit auch in anderen Bereichen des kollektiven Verhaltens von Vorteil sein, z. B. im Sport, im Managertum, in der Wirtschaft sowie in der Heilkunde. Andererseits mag sie auch bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Psychosen eine grundlegende Rolle spielen. Qualia Ein wichtiges Phänomen ist das subjektive Erleben von Qualia. Bewusstseinswissenschaftler benutzen den Begriff, um „das Erlebnis jeglicher möglichen Perzeption“ zu bezeichnen. Qualia können auch definiert werden als „informationelle Stellvertreter, in denen einige der objektiven, quantitativen Charakteristiken der Stimuli (Wellenlänge, Frequenz, Intensität etc.) in subjektive, qualitative Differenzen (Farben, Tonhöhe, Schmerz etc.) verwandelt sind“. Im Menschen sind Qualia mit Sinneseindrücken wie z. B. Rot/Orange/Blau/Grün, Lautstärke, Gestank/Wohlgeruch, Schmerz/Freude und so weiter assoziiert. Sie können in enger Beziehung mit dem psychologischen Begriff „Gestalt“ verstanden werden, z. B. das Erlebnis von Ganzheit: Die Fähigkeit, eine Gestalt • •

aus der Erinnerung (z. B. einen teilweise ausradierten Buchstaben zu lesen, oder das Gesicht auf einem verschmierten Foto zu erkennen), aus der Kontinuität (z. B. den weiteren Verlauf der Flugbahn eines Vogels oder einer nicht fertig gezeichneten Linie zu erahnen),

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Phylogenetische Überlegungen

• • • •

aus der Nähe (z. B. eine gestrichelte Linie als solche zu erkennen), aus Farbe, Form oder Konstitution (z. B. eine Landkarte zu lesen), aus der guten Kurve (z. B. ein Pfeil, der einen Apfel durchbohrt, als ein und dasselbe Objekt aufzufassen) oder aus der gemeinsamen Bewegung (z. B. einen Schwarm Fliegen von einem anderen zu unterscheiden) usw.

zu erkennen (Katz 1951). Man kann Qualia als biologisch vorteilhafte, kognitive Prozesse verstehen, die lebende Systeme zu schneller und optimaler Anpassung an Änderungen in der Umwelt zum Zweck des Überlebens, der Nahrungssuche und der Fortpflanzung befähigen.

Binding Eine mögliche Erklärung wie ein Quale eine Ganzheit aus dem Potpourri simultaner sensorischer Eindrücke herstellen kann, ist das Konzept des „Binding“, nämlich „die Fähigkeit aus der Vielfältigkeit von Weltbeobachtungen eine bewusste Einheit herzustellen und aufrechtzuerhalten.“ Vom Standpunkt der Evolution her ist es die Hauptaufgabe des Geist-Gehirns, die bestmögliche Überlebensstrategie herauszufinden, um tödliche Gefahr zu vermeiden, Nahrung zu lokalisieren, gesund zu bleiben und sich fortzupflanzen. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass ein aktiver Organismus, soll er eine praktische Überlebenschance haben, eine kognitive Aufgabe innerhalb von ungefähr 0,1–1,0 Sekunden verarbeiten können muss und dies unabhängig davon, wie kompliziert die Aufgabe sein mag. Doch in Anbetracht des relativ hohen Zeitaufwands für die Herstellung der vernetzten neuronalen Aktivierung, der mutmaßlich für bewusste Denkprozesse notwendig ist (200–500 ms), ist es immer noch nicht klar, ob die biochemischen Reaktionen im Gehirn schnell genug sind, um die astronomisch hohe mentale Datenverarbeitungsrate, die für das menschliche Bewusstsein notwendig ist, nämlich ungefähr 310 Gigabyte/s (Gb/s), zu einem ganzheitlichen, qualitativen Eindruck zu orchestrieren bzw. zu bündeln: Es ist, als ob ungefähr 10.000 Kinofilme im Gehirn gleichzeitig ablaufen (1 Film = ca. 32 Mb/s). In jedem Augenblick können wir aber nur den einen Film bewusst zur Kenntnis nehmen, der die (starken) Informationen, die gerade durch die Sinneskanäle (Sehen, Riechen, Hören, Schmecken, Tasten und Gleichgewicht) laufen, und die inneren Bilder, Gedanken und Gefühle beeinhaltet (siehe Schmid Gary Bruno 2001)! Binding und Psychose Unter der Annahme, dass das Binding bei jedem Menschen nach der gleichen Partitur abläuft, ermöglicht es Organismen, eine objektive Wirklichkeit (kollek228

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

tives Weltbild) zu teilen und Verhaltensweisen zu manifestieren, die als gegenseitig relevant und kontextbezogen aufgefasst werden, d. h. Verhaltensweisen, mit denen eine Mehrheit der Mitglieder der Sozialgruppe sich mehr oder weniger identifizieren bzw. sich einfühlen kann. Ohne Binding gäbe es keinen „Dirigenten“, der die Informationsprozesse im Geist-Gehirn koordinieren würde.118 Solch ein dirigentenloses Geist-Gehirn könnte kaum die kollektive Wirklichkeit eines sinnvoll orchestrierten Geist-Gehirns teilen. Üblicherweise werden gleich beim Empfang die qualitativ unterschiedlichen, gleichzeitigen, informationsgeladenen Signale (Apperzeptionen einschließlich Gedanken, Gefühlen und inneren Bildern plus die üblichen fünf Sinne plus Gleichgewichtssinn und Sexualität) in unabhängigen neuronalen Bahnen und Netzwerken verarbeitet, die überall im Gehirn auf scheinbar desorganisierte Weise verteilt sind. Das gesunde Geist-Gehirn kann adäquat zwischen diesen Informationen differenzieren und parallele Fern- und Langzeitkorrelationen in den ursprünglich unabhängigen kognitiv-affektiven Perzeptionskanälen entfernter Hirnregionen herstellen und artbezogene Qualia orchestrieren und aufrechterhalten. Psychose mag der Unfähigkeit des Geist-Gehirns entspringen, dieses Differenzieren und Korrelieren koordiniert durchzuführen: Die entsprechende lineare oder schwach-gekoppelte Informationsverarbeitung bei der Psychose bedeutet, dass die Fern- und Langzeitkorrelationen zwischen gewissen Zellverbänden des Geist-Gehirns zu schwachen Gestaltverleihenden und Kontextbeziehenden Assoziationen zwischen einzelnen, unabhängigen Perzeptionen führen. Das Resultat ist die Unfähigkeit des psychotischen Geist-Gehirns, adäquat zu differenzieren zwischen • unterschiedlichen, unabhängigen internen Signalen, • unterschiedlichen, unabhängigen externen Signalen, • den Klassen interner und externer Signale sowie die Unfähigkeit, durch Koordination aus diesen Signalen Qualia herzustellen, die zu einem sozial anerkannten, kontextbezogenen Sinn gebündelt werden können. Psychose (siehe unten) scheint somit das Maß auszudrücken, in dem das Geist-Gehirn unfähig ist, Binding herzustellen, aufrechtzuerhalten (Schmid 1997, 1998) und damit kollektiv akzeptierte und sinnvolle Qualia mit anderen zu teilen. Konsequenzen solcher Konfusionen können sein: • Desorganisiertes Verhalten: Die Handlungen des psychotischen Menschen sind für Andere nicht nachvollziehbar und zur Sozialsituation nicht kontextbezogen. 229

Phylogenetische Überlegungen

• Halluzinationen: Der psychotische Mensch ist unfähig, zwischen physiologisch empfangenen Wahrnehmungen und solchen ohne einen definierten Reiz zu differenzieren. – Optische Halluzinationen: Die Dinge, die der psychotische Mensch mit seinem geistigen Auge sieht, werden mit den Dingen, die er mit seinen biologischen Augen sieht, verwechselt und durcheinandergebracht. – Akustische Halluzinationen (z. B. Stimmenhören): Unbewusste Gedanken werden akustisch wahrgenommen, als ob die Quelle in der Umwelt existiere. – Körper- und andere Halluzinationen: Apperzeptionen werden als innere wie äußere physiologische Sinneswahrnehmungen erlebt und umgekehrt. • Wahn: Subjektiv erlebte, gefühlsbesetzte Bilder, z. B. Schuldgefühle, werden mit einer beliebigen external erlebten Sozialatmosphäre verwechseln, z. B. mit einer Gruppe lachender Menschen in einem Restaurant. • Zerfahrenes Denken: Einzelne Gedanken, Gefühle und Bilder im augenblicklichen Fluss des Bewusstseins werden so schwach miteinander in Beziehung gebracht, dass die Assoziationen zwischen ihnen sinnlos werden („Gedankensalat“). Inwiefern das innewohnende, lockere, intraindividuelle Binding im Geist-Gehirn eines psychotischen Individuums die Fähigkeit zur oder Sensibilität für nichtlokale, interindividuelle Perzeptionen verstärken kann, bleibt eine offene Frage. Gleichwohl kann die psychische Durchlässigkeit, die allen Pathologien des Selbst und damit den meisten schizoiden und schizophrenen Störungen gemeinsam ist, zu einer bedrohlichen Konfusion durch Sinneswahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Erinnerungen etc. mit Tendenzen zum Glauben an übernatürliche Einflüsse, Ereignisse, Geschehnisse und dergleichen führen (Scharfetter 1998, esp. S. 480). Ich werde später im Unterkapitel „Schizophrenie“ argumentieren, dass eine erhöhte Sensibilität für einige dieser ungewöhnlichen Perzeptionen psychotischer Menschen teilweise verantwortlich sein könnten. Binding und schöpferisches Denken Die Idee eines globalen intuitiven Denkens, das gleichzeitig und kohärent überall im Geist-Gehirn des Individuums stattfindet, ist eine mögliche Lösung des Problems der Informationsverarbeitung im gesunden Denkablauf, insbesondere wenn das Geist-Gehirn plötzlich und unerwartet mit einer Situation konfrontiert wird, für die es keine – gelernte – Analogie besitzt, welche die weitere, überlebensgerechte Steuerung des Verhaltens führen könnte. Derartiges (Weiter-)Denken über schon gelernte Analogien hinaus ist die Basis allen schöpferischen Denkens. Aber wie kann man die schnelle, global vernetzte Intuition und Antizipation im Geist-Gehirn auf der Basis von langsamen, lokal schrittweisen Gedankensignalen erklären? 230

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

Ich vermute, dass die psychosoziologische Verknüpfung menschlicher Geist-Gehirn-Zustände durch das Zusammenspiel mit charismatischen Drittpersonen oder -agenzien ermöglicht und optimiert werden kann. Diese charismatische Drittpartei kann ein Familienmitglied, Freund, Versuchsleiter, Geistheiler, Guru, Häuptling, Medizinmann, Psychotherapeut oder Zauberer etc. sein oder sogar ein abstraktes Agens wie eine Glücksfee, ein Gott, ein gemeinsamer Liebesmythos oder irgendein anderes Glaubenssystem. Gemeinsame erwartungsvolle Aufmerksamkeit, geteilter Glaube, kollektives Vertrauen oder die generelle Hoffnung in diese Drittpartei bilden meiner Meinung nach die verknüpfende Voraussetzung jeder reliablen Antizipation. Zwischenmenschliche Erfahrungen, wie z. B. „auf derselben Wellenlänge“ sein, so dass man „richtig spürt“, was der Andere ahnt, denkt, fühlt oder macht, könnte eine Art universales, wenn auch relativ seltenes, soziopsychologisches Erlebnis sein. Menschen können dies Erlebnis am ehesten dann miteinander teilen, wenn sie in ihrer „Participation mystique“ (Lévy-Bruhl 1927) mit einer außenstehenden, charismatischen Drittpartei ihre gemeinsame erwartungsvolle Aufmerksamkeit, ihren Glauben, ihr Vertrauen, ihre Hoffnung o. Ä. auf ein besonderes Resultat oder auf eine Reihe von Resultaten im Verlauf einer gemeinsamen Aktivität wie Jagd, Glücksspiel, Sport etc. konzentrieren. Um die Möglichkeit einer psychosoziologischen Verknüpfung zweier Personen zu optimieren, kann ihre gemeinsame erwartungsvolle Aufmerksamkeit, ihr Glaube etc. durch ein tief bewegendes, emotionelles Erlebnis (z. B. einen Einweihungsritus oder Eheschluss) besiegelt werden, der von der charismatischen Drittperson selbst oder stellvertretend durchgeführt wird. Man darf eine sensible Offenheit der Welt gegenüber nicht mit Intentionalität verwechseln: Denn obwohl Offenheit (psychische Begabung) oder Sensitivität eines Individuums in der Tat bei manchen parapsychologischen Experimenten zu statistisch signifikanten und zuverlässigen Ergebnissen führen mag (Radin 1997, 2006), sind die Resultate nicht im Sinne der Intentionalität dieser Person zu verstehen. Emotionale Beteiligung verbunden mit starker Vorstellungskraft, im Zusammenhang mit erwartungsvoller Aufmerksamkeit, mit Glauben, Hoffnung, Vertrauen oder mit dem Wunsch nach positivem Ausgang etc. dient gleichwohl dem Zweck der psychosoziologischen Verknüpfung. Die Unbestimmtheit, die der Offenheit oder Sensitivität augenscheinlich innewohnt, scheint aber in fast allen Divinations-, Geistheilungs- und WahrsagePhänomenen die Regel zu sein. Nehmen wir z. B. an, es gäbe einen mit Wahrträumen begabten Herrn Q. („Vorgesicht“). Jedesmal, wenn Herr Q. von jemandem im Dorf träumt, er liege bei ihm zuhause im Sarg, ist dieser mit Sicherheit der Nächste, der sterben wird. Herr Q. weiß mit 100 %iger Sicherheit, wer der nächste Tote im Dorf ist, aber er weiß nicht, wann jener sterben wird. Gewisse begabte Individuen scheinen in der Tat solch eine zuverlässige Voraus231

Phylogenetische Überlegungen

schau zu besitzen. (Häufig fühlen sich solche Menschen weniger „begabt“, sondern eher „verflucht“.) Ein derart veranlagter Mensch kann aber seine Sensitivität nicht willentlich einsetzen, z. B. um jemandem zu sagen, ob und wann sein Onkel Oskar sterben wird, so dass jener die notwendigen Vorbereitungen zur Beerdigung frühzeitig in Angriff nehmen könnte. Der Onkel mag wohl sterben, ohne dass Herr Q. von ihm geträumt hatte. Und sogar wenn Herr Q. vom Abschied des Onkels träumt: Der gute Oskar kann noch viele Wochen weiterleben. Gewiss sei nur, dass er der nächste im Dorf ist, der sterben wird. Wann genau er stirbt, steht immer noch (verschlüsselt) in den Sternen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Begabung zu Intuition, Antizipation und psychischer Offenheit der Welt gegenüber im darwinistischen Sinne der Überlebensstrategie eines Organismus dienen könnte. In der Tat findet die Idee, dass eine Kombination aus mitfühlender Kooperation, anteilnehmender Beziehung und sozialer Reziprozität eine wichtige Strategie der Evolution sein mag, die neben dem üblichen Mandat des „Survival of the fittest“ einen gleichwertigen Platz haben könnte (Cacioppo 2008; de Waal 2006; Pace et al. 2009). Im Rahmen der oben erwähnten Beobachtungen sowie der Fallstudien zu psychogenem Tod und psychogener Heilung scheint mir diese Begabung am wahrscheinlichsten zwischen Individuen stattzufinden, •

die durch ein gefühlsbetontes Ritual oder eine gemeinsam verehrte Autoritätsperson (Zauberer, Priester, König, Gottheit o. Ä.) psychosoziologisch verknüpft bzw. gepaart sind,



die ihre spontane erwartungsvolle Aufmerksamkeit in einer intuitiven und wohl definierten Art gefühlsbetont in Anspruch nehmen lassen, ohne dass sie in jedem Augenblick auf ihre Willenskraft, Intentionen oder bewusstes Entscheidungsvermögen (wie z. B. beim Schachspiel) zurückgreifen müssen,



die umständehalber an irgendeiner schnellen und labilen motorischen Aktivität (wie z. B. beim Schafgarbenorakel, bei der Jagd oder beim Tennisspiel) beteiligt sind oder sich in einem labilen Gesundheitszustand befinden.

Da Darwinismus jegliche Strategie zulässt, die dem Überleben und der Fortpflanzung des Organismus nicht in die Quere kommt, mag der Zugang zu Intuition, Antizipation und Offenheit der Welt gegenüber der Evolution der menschlichen Spezies wohl dienlich sein. Darwin sah den Ursprung des Mitgefühls in dem, was der moderne Tiefenpsychologe Gegenübertragung nennt (Darwin 1871): Wenn ich ein leidendes Gegenüber sehe, werden bei mir Vorstellungsbilder von ähnlichen Situationen (Hunger, Kälte, Erschöpfung usw.) aus meiner Vergangenheit wachgerufen, bei denen ich ähnlich gelitten habe. Demzufolge werde ich mich quasi gezwungen sehen, das Leiden des Anderen zu lindern, um damit auch das eigene Leiden zu lindern. Mit dem Fortschreiten der menschlichen Zivilisation, als kleinere, persönlich übersehbare Sippen in größere, eher 232

Die Vorstellungskraft: Darwinistische Zusammenhänge

anonyme Volksverbände aufgenommen wurden, ist es nur logisch, dass das Individuum seine psychosozialen Instinkte und Sympathien auf die anderen Mitglieder derselben Nation übertragen wird, auch wenn er diesen Anderen nicht mehr persönlich kennt. (Siehe auch Ekman und Lama 2008.) Diese Idee stimmt mit den Beobachtungen Darwins überein, die ich hier wegen ihrer poetischen Schönheit im Englischen unübersetzt lasse: “Many animals, however, certainly sympathize with each other’s distress or danger. (...) I have myself seen a dog who never passed a great friend of his, a cat, without giving her a few licks with his tongue, as sure sign of a kind feeling in a dog. For with those animals which were benefited by living in close association, the individuals which took the greatest pleasure in society would best escape dangers. Whilst those that cared least for their comrades and lived solitarily would perish in great numbers.” (Darwin 1871)

Antizipation oder Vorhersage von Ereignissen Es ist logisch, dass das Geist-Gehirn durch die Evolution selektiert wurde, weil seine biophysischen Eigenschaften Zugang zu einer zusätzlichen Strategie der Vorhersage ermöglichen, die formalen Informationsverarbeitungssystemen (z. B. dem Computer) nicht zugänglich ist: Selbstreflexion, Intuition, Antizipation oder Vorhersage von Ereignissen (King 1996, S. 212, 1978, S. 10; Llinâs 1987, S. 339) und eine sensible Offenheit der Welt gegenüber. Mit anderen Worten: Es könnte sein, dass die unwillkürliche Antizipation eine evolutionäre Funktion des Bewusstseins ist. Es wäre sogar denkbar, dass das Bewusstsein selbst eine unmittelbare Manifestation der Evolution ist, die hinter der Funktion aller lebenden Gewebe generell und dem des Gehirns im besonderen steht. Hier dient das Geist-Gehirn als antizipatorischer Empfänger und Berechner von Korrelationen innerhalb einer scheinbar stochastischen, d. h. unzusammenhängenden Welt. (Überall dort, wo ich in dieser Arbeit allgemein von Bewusstsein rede, meine ich beide, das übliche Bewusstsein sowie auch das Unbewusste .) Die Antizipation oder Vorhersage von Ereignissen impliziert eine sofortige Korrelation zwischen dem eigenen Geist-Gehirn und (1) einem oder mehreren anderen Geist-Gehirnen und (2) Umwelt-Ereignissen. Das individuelle Bewusstsein mag Teil an einer globalen Manifestation (Weltseele) haben, die eine kollektive, interpersonale Funktion des aufmerksamen Geist-Gehirns einschließt. Damit wären die Synchronizitäten und archetypischen Manifestationen des Kollektiven Unbewussten erklärt, die in den Arbeiten von C.  G. Jung bis ins Detail beschrieben sind (Jung 1979). Dazu dieses Zitat: „… nach der allgemeinen Ansicht, das Bewusstseinsleben für die Existenz des Individuums von ungleich größerer Bedeutung ist als das Unbewusste. Diese allgemeine Ansicht dürfte aber noch zu revidieren sein, denn mit steigender

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Phylogenetische Überlegungen

Erfahrung wird sich auch die Einsicht vertiefen, dass die Funktion des Unbewussten im Leben der Psyche von einer Wichtigkeit ist, von der wir vielleicht jetzt noch eine zu geringe Meinung haben. Es ist gerade die analytische Erfahrung, welche in steigendem Maße Einflüsse des Unbewussten auf das bewusste Seelenleben aufdeckt – Einflüsse, deren Existenz und Bedeutung die bisherige Erfahrung übersah. Nach meiner Ansicht, die sich auf eine langjährige Erfahrung und zahlreiche Untersuchungen gründet, ist die Bedeutung des Unbewussten für die Gesamtleistung der Psyche wahrscheinlich ebenso groß wie die des Bewusstseins. Sollte diese Ansicht richtig sein, dann dürfte nicht bloß die Funktion des Unbewussten als kompensatorisch und relativ zum Bewusstseinsinhalt betrachtet werden, sondern auch der Bewusstseinsinhalt als relativ zum momentan konstellierten unbewussten Inhalt. In diesem Falle wäre dann die aktive Orientierung nach Zweck und Absicht nicht nur ein Vorrecht des Bewusstseins, sondern würde auch vom Unbewussten gelten, so dass also das Unbewusste auch imstande wäre, so gut wie das Bewusstsein, bisweilen eine final orientierte Führung zu übernehmen.“ (Jung 1982, „Allgemeine Gesichtspunkte zur Psychologie des Traumes“, Par. 491)

Meine Annäherung an dieses Thema suggeriert ein „Kollektives Unbewusstes“, das nur in dem Maße unbewusst ist, soweit es außerhalb der Reichweite des persönlichen Willens zu liegen scheint, das aber dennoch den antizipatorischen Phänomenen mit vermeintlich bewussten Absichten innewohnt. Hier möchte ich noch anmerken, dass die oben erwähnte, globale Teilnahme an den Ereignissen in der Welt auf sonderbare, pathologische Art und Weise auch bei den psychotischen Erlebnissen beteiligt zu sein scheint.

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität Jede mentale Fähigkeit, die die Erfolgschancen eines fundamentalen kollektiven Sozialverhaltens wie z. B. Schutz, Sammeln, Jagd, Partnersuche oder Krieg erhöht, bedeutet für die Individuen, die im Besitz dieser Fähigkeit sind, im darwinistischen, evolutionären Sinne einen Vorteil. Die erhöhte Sensibilität geht also für jedes so veranlagte Individuum mit einem großen Überlebenswert einher. Fortschritte innerhalb der neuen Disziplin der Bewusstseinswissenschaften (MacCormac und Stamenov 1996) haben Fragen über die evolutionäre Bedeutung des Bewusstseins im Allgemeinen (Hameroff 1997) und die evolutionäre Bedeutung bestimmter funktioneller Fähigkeiten des Bewusstseins einschließlich der Antizipation im besonderen (Hameroff 1997; King 1996) hervorgebracht. In Bezug auf Selbstheilung wurde vorgeschlagen, dass „unmittelbarer mentaler Einfluss ein zusätzliches Kontrollsystem darstellen könnte, das parallel zu anatomischen, chemischen und elektrischen Einflüssen innerhalb des Körpers funktioniert“ (Braud und Schlitz 1991, S. 42). Ich habe schon die Wichtigkeit 234

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

einer solchen Kontrolle für die Geistesgesundheit erwähnt, nämlich im Rahmen der kontextbezogenen, organisierten (im Sinne des Binding) Informationsverarbeitung des Geist-Gehirns. Darüberhinaus und bezogen auf die Geistheilung „mögen lebende Systeme, die durch ein höheres Maß der Abweichung von der Homöostasis [Selbstregulation, A. d. V.] empfindlicher auf direkte mentale Einflüsse, die auf die Wiederherstellung des physiologischen Gleichgewichts ausgerichtet sind, reagieren“ (Braud und Schlitz 1991, S. 36). Nochmals: Einfluss möchte ich nur als unwillentliche Antizipation verstehen. Eine Veranlagung zu erhöhter Sensibilität könnte auf die individuelle Gesundheit und auf die soziale Kooperation gleichermaßen vorteilhaft wirken – siehe auch (Pace et al. 2009). Andererseits und im Rahmen des psychogenen Todes verstärkt diese inhärente soziale Kooperation die tödliche Wirkung kollektiver Glaubenssätze auf das Opfer nach einer Verfluchung oder einem TabuBruch im Sinne einer „fokussierten Bannung“, die das Sich-Aufgeben/Aufgegeben-Sein des verfluchten bzw. sündigen Individuums bis zu einem tödlichen Grad steigert. Auch begünstigt derselbe Gruppenzusammenhalt das Gefühl des Anders- und Alleinseins des Außenseiters, insbesondere das des im Ausland lebenden, an Heimweh leidenden und sterbenden Menschen. Schon oben habe ich argumentiert, dass schizophren erkrankte bzw. als schizophren definierte Menschen möglicherweise eine ausgeprägtere Veranlagung für erhöhte Sensibilität haben. Aber wie soll man dieses evolutionäre Erklärungsmodell im Falle der Schizophrenie verstehen? Ist eine Geistesstörung wie die Schizophrenie nicht eindeutig von evolutionärem Nachteil für das Individuum wie für die Gruppe? Warum sind solche Menschen bzw. ist die Krankheit Schizophrenie nicht längst im Laufe der Evolution von selbst ausgestorben? Ich werde am Schluss dieses Unterkapitels auf diesen scheinbaren Widerspruch zurückkommen.

Phänomene erhöhter Sensibilität Hier möchte ich einige Beispiele erhöhter Sensibilität anführen, die normalerweise in eher esoterischen Termini diskutiert werden und die auch hier mit einer Prise Skepsis verstanden werden sollten. In Geistheiler- und ähnlichen Kreisen sagt man, dass der Heiler ein besonders empfindsamer oder begabter Mensch sei, der eine sensitive Veranlagung für Intuition, Hellfühligkeit, Hellhörigkeit, Hellsichtigkeit usw. hat. Sensitivität bedeutet in diesem Kontext „ganz allgemein in Kommunikation stehen mit anderen Bewusstseinsebenen“. Ich möchte von diesem Verständnis der Sachlage mit Begriffen wie Bewusstseinsebenen etc. abweichen und betonen, dass die verstärkte Fähigkeit, Phänomene wahrzunehmen, eher durch einen anderen, außergewöhnlichen – nicht aber einen „höheren“ etc. – Bewusstseinszustand bedingt ist. Obwohl ich das naive 235

Phylogenetische Überlegungen

Bild als Didaktikum akzeptiere, dass ein sensitiver Mensch mit einem Radioempfänger vergleichbar sei, „Er kann ,im Raum‘ vorhandene Information aufnehmen und allenfalls weitergeben. Es ist aber entscheidend, auf welchen ,Sender‘ bzw. welche ,Frequenz‘ er sich einstellt, und je nachdem können die wahrgenommenen Inhalte sehr verschieden sein.“ (Bösch 1999)

verstehe ich das Phänomen im Rahmen der üblichen Bewusstseinswissenschaft, Psychologie und Tiefenpsychologie und nicht im Rahmen eines – meines Erachtens und auch für meine Zwecke nicht notwendigen – metaphysischen Weltbildes. Spirituelle Heilung und Fernheilung Vielleicht die sensationellste und praktischste Anwendung von erhöhter Sensibilität liegt in der spirituellen Heilung oder Fernheilung. Zugleich ist dieser Bereich einer der umstrittensten (Bösch 1998; Bösch und Kind 1998; Taverna 1998). Die am meisten ernst zu nehmende Kritik an der Geistheilung, abgesehen von ihrer offenbaren Unzuverlässigkeit und niedrigen allgemeinen Wirksamkeit (kaum besser als Placebo, nämlich ca. 30 %) ist die Tatsache, dass der Erfolg eines Heilers anscheinend eher in der gegenseitigen Wechselwirkung von Sympathien und Antipathien zwischen den Persönlichkeiten des Heilers und seines Patienten liegt, insbesondere im Ruf und Charisma des Heilers sowie in der Stärke des Patienten-Glaubens an die Macht des Heilers und weniger in diesem oder jenem spezifisch wirksamen Agens (Bösch und Kind 1998). Solch eine positive Verknüpfung ist im Großen und Ganzen eine Frage des Zufalls. Diese „Verlässlichkeit des Zufalls“ zwischen verknüpften Systemen ist in der Tiefenpsychologie nicht unbekannt. Gleichwohl gibt es bis heute noch keine reliablen, lehr- und lernbaren Methoden für die zuverlässige Ausübung spiritueller Heilungsmethoden. Ganz im Gegenteil: Die Wirksamkeit eines Heilers bzw. seiner Therapie ist auf die Eignungen des Heilers und seines Patienten für ihre entsprechenden Rollen innerhalb einer ritualisierten Heiler-Patienten-Beziehung angewiesen, obwohl gewisse Heiler eine größere Gabe zu besitzen scheinen und als „Naturtalente“ überzufällig hohe Erfolgsraten (statistisch gesprochen) aufweisen können. Diese Art Eignung ist eine Tatsache, die die meisten Naturheiler und privaten tiefenpsychologischen Ausbildungsinstitute bei ihrer Auswahl von Ausbildungskandidaten berücksichtigen. Leider ist mir nicht bekannt, wie diese Eignung festgestellt wird bzw. wer sie woran erkennt. Wahrscheinlich könnte solch ein individuelles und höchst persönliches Auswahlkriterium wohl kaum in einer öffentlichen Schule oder Universität, die von Steuergeldern lebt, etabliert werden, da eine öffentliche Schule oder Universität alle Lernenden bzw. Studie236

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

renden, die bestimmte, objektive Aufnahme-, Ausbildungs- und Abschlusskriterien erfüllen, ausbilden müssen. Und falls ein öffentliches Institut die Ausbildung von Heilern in Angriff nähme: Nach welchen objektiven Kriterien könnte es potentielle Heiler auswählen, die nach der Ausbildung zuverlässig eine statistisch signifikante, durchschnittliche Heilungsquote von signifikant mehr als 30 % erreichen könnten? Ohne sich persönlich in die Therapie bei einem mutmaßlichen Heiler zu begeben, kann eine Patientin die Wirksamkeit seiner Methoden nicht besser beurteilen, als sie den Geschmack eines Apfels vor dem Hineinbeißen einschätzen kann. In einer Zusammenfassung von 37 Experimenten zur erhöhten Sensibilität konnte gezeigt werden, dass irgendeine Art von Eignung oder Charisma eigentlich vonnöten ist und sogar erwartet werden sollte (Braud und Schlitz 1991). Darüber hinaus sehen viele Geistheiler und ihre Klienten den Sitz der Heilkraft nicht im Heiler selbst, sondern in einem dritten, übernatürlichen Agens, in christlichen Kreisen z. B. in Jesus Christus: „Der Heiland macht es; ich bin nur ein Mittel zum Zweck.“ Solch ein Heiler verbindet seine Heilungsabsicht oftmals mit bestimmten Gedanken an einen Gott, so z. B. in folgendem Bibel-Zitat: „Abba, Vater, alles ist dir möglich; lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht was ich will, sondern was du willst.“ (Markus, 14,36; siehe Taverna 1998, S. 529.) Diese Idee einer Verknüpfung zwischen Patient, Heiler und übergeordnetem (auch nicht real existierenden, evtl. bloß vorgestellten) Agens ist zentral in meiner These. Es ist auch wichtig zu betonen, dass die Entfernung zwischen Heiler und Patient für Stärke, Wirksamkeit oder Erfolg des Effekts offenbar keine Rolle spielt. Ob der Patient sich in der unmittelbaren Nachbarschaft des Heilers befindet, oder er sich in einer anderen Stadt oder einer weit entfernten Weltgegend aufhält, hat keine Konsequenz: Die „Kraft“ ist die gleiche. (Mit Vorsicht erwähne ich, dass genau diese Unabhängigkeit vom Raum es ist, die interessanterweise auch den Quantenphänomenen der Verschränkung und der Teleportation [Bouwmeester et al. 1997] innewohnt.) Wegen seiner allgemeinen Bedeutung für Phänomene der erhöhten Sensibilität und um dem Leser ein besseres Verständnis der relevanten Probleme zu geben, möchte ich hier ein kritisches Beispiel einer typischen Heilungssitzung zitieren, die vom russischen Geistheiler und ehemaligen Gewichtheber Aron Dolgoj durchgeführt wurde: „Wie geht eine Geistheilung vor sich? Ein fünfzigjähriger Büroangestellter aus Stuttgart, seit über zehn Jahren an Rückenschmerzen leidend, kommt zur Behandlung. Nichts hat ihm bisher geholfen, weder schachtelweise Antirheumatika noch Akupunkturbehandlungen. Dolgoj fängt mit Pendeln an und notiert zur Konsternation des Patienten Wasseradern. Der Rückenschmerz-

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Phylogenetische Überlegungen

geplagte hatte seine Wohnung bereits erfolglos durch verschiedene Pendler absuchen lassen. Engels [der Arzt, bei dem der Geistheiler arbeitete, A. d. V.] disqualifizierende Bemerkung über des Heilers Kolleginnen und Kollegen (‚Alles Quacksalber‘) festigt das Vertrauen des Patienten in ‚seinen‘ Heiler. Dieser stärkt den Hilfesuchenden mit weiteren Suggestivfragen: ‚Sie sind ganz schön nervös?‘ oder: ‚Schlafen Sie gut?‘ Dolgoj legt seine Hände an die Lenden, später an den Hinterkopf des Patienten. Während er die Heilenergie ‚hinüberfließen‘ lässt, überzeugt er den Kranken mit beruhigenden Bemerkungen von seinen Heilqualitäten: ‚Es wird gut, Sie brauchen keine Angst zu haben.‘ Oder: ‚Hat Ihre Frau nicht gesagt: ‚Geh und komm mit einer Überraschung zurück.‘?‘ Untermalt wird das Ganze durch ein wiederholtes magisches ‚Ah‘ und ‚Oh‘ Dolgojs. Was sich wie ein Tick anhört, komme vom Gewichtheben, erklärt der Heiler. Auch Engel pflegt ein Ritual: Während der ganzen Prozedur knabbert er Salzsticks. Mit den Worten ‚So, heute nicht duschen‘ entlässt Dolgoj den Patienten. Engel doppelt nach: ‚Diese Heilenergie müssen Sie jetzt einwirken lassen.‘ Und das Ergebnis? Der Patient: ‚Immer wieder wurde es heiß.‘ Von den Schmerzen ist eine bloße Nackenverspannung geblieben, die in zwei weiteren Sitzungen wegbehandelt werden soll.“ (Amrein 1997)

Ernsthafte professionelle Argumente für die Anstellung spiritueller Heiler werden sogar in der öffentlichen psychiatrischen Fürsorge vorgebracht (Bösch und Kind 1998). Divination und Wahrträume Zu Demonstrationszwecken, in wieweit eine erhöhte Sensibilität indirekt an Phänomenen wie Wahrsagerei (Divination) und Wahrträumen beteiligt ist, bringe ich hier ein paar Beispiele. Ein zuverlässiger Freund hat mir das folgende persönliche Erlebnis erzählt: „Ungefähr im Alter von sechs Jahren träumte ich, mein Großvater sei gestorben. Er war erst 69 Jahre alt und nicht eigentlich krank, obwohl alle in der Familie wussten, dass er schon zwei Herzattacken überlebt hatte. Tatsächlich starb er in genau dieser Nacht, wie ich am folgenden Morgen am Frühstückstisch erfahren musste.“

Mein Kollege hatte nie zuvor solche Träume und auch nachher nicht mehr. Eine solche Verbindung zwischen räumlich weit auseinanderliegenden Ereignissen (Traum und Tod – siehe auch den Begriff „Killer Dream“ [Parmar und LuqueCoqui 1998]) kann in der Tat als eine Art erhöhter Sensibilität verstanden werden. Ich erwähne noch eine andere Art des „Blicks in die Zukunft“ bzw. der Antizipation, ohne Beteiligung anderer lebender Systeme. Kurz vor ihrem Tod träumte 238

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

die italienische Schönheitskönigin Marcella Mariani von einem Flugzeugabsturz (SR111 am Mittwoch, den 2. September 1998, Lokalzeit), bei dem alle Passagiere umkamen (Peskoller 1998, S. 69): „Liebe Mutter, ich hatte letzte Nacht einen furchtbaren Albtraum. Mir träumte, dass unser Flugzeug in eine tiefe Schlucht stürzte. Ich will Dir keine Angst machen, Mutter, aber ich habe Herzklopfen. Trotzdem scheue ich mich, diesen Flug nicht anzutreten. Man könnte sonst über mich lachen. Liebe Grüße, Marcella“.

Marcellas Mutter erhielt das Schreiben ihrer verunglückten Tochter zwei Tage nach dem Flugzeugabsturz. Insofern als die Betroffene (Marcella) im Gegensatz zum ersten Beispiel oben nicht sofort, sondern weit vorausschaute, sprengt dieses Beispiel den Rahmen einer zeitlichen Koinzidenz zwischen Antizipation und Ereignis und passt eher zur Kategorie der Synchronizität (siehe unten). Außersinnliche Wahrnehmung und Gedankenlesen Eine erhöhte Sensibilität wird immer wieder in Zusammenhang mit außersinnlicher Wahrnehmung (ASW) und Gedankenlesen gebracht. Hierzu als Beispiel die persönliche Geschichte eines damals ca. 25-jährigen Freundes. „Seit einer Weile schon traf ich damals regelmäßig am Sonntag gegen 17 Uhr eine gute Bekannte zum Abendessen. Wir standen zu der Zeit beide völlig unabhängig voneinander in einer emotional sehr schwierigen Situation, nämlich in der jeweiligen Scheidung. Ansonsten gab es keine spezielle emotionelle Bezogenheit, insbesondere keine Liebesgeschichte, weder zuvor noch nachher. Eines Sonntagsmorgens und nachdem wir uns schon etwa sechsmal getroffen hatten, rief sie mich an, um für den Abend abzusagen: Sie wolle die Zeit am Nachmittag und Abend mit einer mir unbekannten Freundin verbringen. Mir war das recht, weil ich sowieso den Abend für mich alleine haben wollte. Trotzdem kroch selbigen Abends gegen 18 Uhr ein unangenehmes Gefühl in mir hoch: Ich sollte mit meiner Bekannten Kontakt aufnehmen. Aber warum? Ohne jegliche Idee, ohne irgendein Bild, ja wie ein Zwang wirkte es auf mich ein. Ursprünglich lediglich auf dieses diffuse Gefühl reagierend, versuchte ich über den Zeitraum von ungefähr einer Stunde, meine Bekannte mehrmals telefonisch zu erreichen. Als ich keine Antwort bekam, wurde ich zunehmend unruhig und die anfängliche Gefühlsanmutung mündete langsam in ein stetig intensiveres Bauchgefühl, das mir mit der Zeit keine Ruhe gab. Schließlich fühlte ich mich gegen 19 Uhr gezwungen, zur Wohnung meiner Bekannten zu fahren und bei ihr zu klingeln, ja, ich war fest entschlossen, die Tür einzuschlagen, falls niemand auf mein Klopfen reagieren sollte; so dringlich war mein unerklärlicher Spürsinn inzwischen geworden.

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Phylogenetische Überlegungen

Unterwegs – lediglich wegen einer vagen Ahnung – fragte ich mich immer wieder, warum es mir so eilig schien, mit dieser Bekannten gerade jetzt Kontakt aufzunehmen. Eigenartig kam mir diese Dringlichkeit auch deswegen vor, weil ich mir ziemlich sicher war, dass sie zu dieser Zeit mit ihrer Freundin zum Essen gegangen war, wie sie mir ja am selben Morgen gesagt hatte. Ich fragte mich sogar, ob ich nicht ein bisschen ‚crazy‘ war, so extrem und konkret auf dieses beunruhigende Gefühl zu reagieren. Wahrscheinlich war da sowieso nichts, dachte ich. Als ich bei ihr ankam, klingelte ich und klopfte gleichzeitig an die Tür. Aber wie erwartet kam keine Antwort. Obwohl ich von der Vernunft her der Meinung war, dass meine Bekannte immer noch ihre Freundin besuchte, packte mich eine dermaßen überwältigende Verzweiflung – im Sinne eines Zwangs –, dass ich mich entschied, die Tür mit der Schulter aufzubrechen: Hier und jetzt! Vielleicht hätte ich diesem Zwangsgefühl widerstehen können. Aber ich war einfach zu verwundert und zu eigensinnig, um das Gefühl zu übergehen und wieder nach Hause zurückzukehren, ohne wirklich alles getan zu haben, meine Bekannte zu kontaktieren. Also stieß ich meine Schulter noch fester und lauter gegen die Tür. In der Zwischenzeit versammelten sich mehrere Nachbarn um mich herum und wollten wissen, was ich im Sinn hätte. Weil ich selbst meine Motivation nicht genau kannte, ignorierte ich sie und versuchte weiterhin, die Tür aufzubrechen. Schließlich hörte ich eine sehr schwache Stimme von innen, was mich dazu brachte, auch noch das Glasfenster mit der Faust einzuschlagen. Endlich öffnete jemand die Tür von innen. Eine gewaltige Gaswolke kam mir entgegen. Meine Bekannte kroch auf allen Vieren und kollabierte auf der Türschwelle. Ihr Hund war von der toxischen Wirkung schon ohnmächtig geworden. Unter die Tür- und Fensterrahmen waren nassen Tücher gestopft. Ein einfacher Brief ließ keinen Zweifel: Ihr Suizidversuch war völlig ernst. Sie hatte nicht erwartet, dass jemand sie retten käme. Und an mich hatte sie keinen Augenblick gedacht.“

Viele ähnliche Geschichten sind in der Literatur zu finden (Bächtold-Stäubli und Hoffmann-Krayer 1987, Bd. 8). Selbstverständlich ist die Abgrenzung zwischen sensitiver Veranlagung („Sensitivität“) und Psychose in manchen Fällen schwierig (Schmid 1996): Wenn der junge Mann in der obigen Geschichte mit seiner Antizipation nicht recht gehabt hätte und die Nachbarn die Polizei gerufen hätten, die Polizei den Notfallpsychiater usw., wäre dieser hellfühlige Mensch möglicherweise mit der Diagnose einer Psychose oder Schizophrenie vorübergehend in einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert worden. Wichtig zu bemerken ist hier auch die Tatsache, dass Sensitivität häufig in Krisensituationen erstmals richtig durchbricht, was Fachleute dazu verführen kann, die Diagnose einer Geisteskrankheit zu stellen, auch wenn es sich eigentlich um die Erscheinungen erhöhter Sensibilität handelt (vgl. Orloff 1997).

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Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

Synchronizität C.G. Jung hat den Begriff Synchronizität eingeführt, um die raren, aber beeindruckenden Erlebnisse zu kennzeichnen, bei denen eine gefühlsmäßig bedeutungsvolle, subjektive Haltung mit einem relativ unwahrscheinlichen, menschlich aber wichtigen, objektiven Ereignis in der Außenwelt zusammenfällt. Zum Beispiel: Ein Mensch fragt sich eines Tages, wie es einem ehemals geliebten Menschen gehen möge, der vor mehreren Jahren nach Neuseeland ausgewandert ist und von dem er seither nichts mehr gehört hat. In derselben Woche kommt unabhängig davon ein Brief vom Expartner: Er entschuldigt sich für das lange Schweigen und hofft, recht bald einen Besuch machen zu können. Es folgt noch ein Beispiel: „Zwei ehemalige Psychiatrie-Patienten fallen dem Oberarzt der Akutstation einer kantonalen Landesklinik plötzlich ein, von denen er seit ihrer Entlassung nichts mehr gehört hat. Innerhalb der nächsten zwei Tage werden beide unabhängig voneinander auf der Station des Oberarztes notfallmäßig eingewiesen.“ (Holub 1998)

Eine Nachfrage beim Pflegepersonal psychiatrischer Einrichtungen hat gezeigt, dass dieses Phänomen (Wiederkehr des Gleichen – siehe unten) durchaus bekannt ist. Viele Ärzte sind auch dem verwandten Phänomen „Duplizität der Fälle“ im Verlauf ihrer Arbeit begegnet. Hiernach kommt ein Patient mit einer sehr seltenen Krankheit in die Sprechstunde und – siehe da – bald darauf kommt ein Zweiter mit genau derselben Diagnose! „Aber selbstverständlich“, hätte der österreichischer Biologe Paul Kammerer (17. 8. 1880–23. 9. 1926), der Pionier der Serienforschung („Prinzip der Serialität“), vor rund hundert Jahren geantwortet (Kammerer 1919). „Seriell“ nannte der Biologe alle Folgen oder Häufungen ähnlicher Ereignisse, die sich nicht kausal begründen lassen. Zufall resp. statistische Wahrscheinlichkeit konnte er nicht gelten lassen. Von „sinnvollen Zufällen“ sprach sein Biograph, der österreichische Schriftsteller ungarischer Herkunft Arthur Koestler (5. 9. 1905–3. 3. 1983) (Koestler 1971; Koestler 1972). Dahinter steckt die großartige Vorstellung eines „Weltkaleidoskops“, das Gleiches zu Gleichem wirft, und auf der Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen basiert. Dem Serienforscher Kammerer war natürlich nicht entgangen, dass die ursprünglich orientalische Lehre der „ewigen Wiederkehr des Gleichen“ fast gleichzeitig bei Friedrich Nietzsche (15. 10. 1844–25. 8. 1900), Louis Blanc (7. 5. 1811–15. 12. 1882) und Gustave Le Bon (29. 10. 1841–6. 12. 1931) auferstanden war. Kammerer sah und sammelte wie besessen. Das meiste stammte aus persönlichem Erleben (vieles davon numerologisch) oder den Erzählungen von Freunden, wenig aus den Massenmedien. 241

Phylogenetische Überlegungen

„Wer Serielles sehen will, der sieht es eben auch: dem Seriensammeln zuliebe!“ wird der hartgesottene Skeptiker entgegnen.119 Gleichwohl nehme ich an, dass die meisten Menschen ähnliche Synchronizitäten selbst erlebt haben, sporadisch und weder mit Sammelwut noch mit kaleidoskopischer Absicht. Ich überlasse es meinen Lesern, ihre eigene Beispiele zu erinnern und zu erleben. Glücksspiele Fast jeder hat vom Anfängerglück gehört oder es selbst schon erlebt. Könnte es sein, dass die spezielle und nichtreproduzierbare Situation (erwartungsvolle Aufmerksamkeit auf das Unbekannte, Glaube an das augenblickliche Schicksal etc.) der ersten Spielversuche eine Art Verknüpfung zwischen dem Anfänger und seinen Gegenspielern begünstigt und somit dem Anfänger einen antizipatorischen Vorteil über seine erfahreneren und deshalb weniger enthusiastischen Mitspieler gibt? Eine ähnliche Art der Verknüpfung könnte auch der Antizipation eines erfahrenen und doch wieder besonders motivierten Spielers bei Eintreten einer Glückssträhne zugrunde liegen: Jeder Gewinn verstärkt seinen Glauben an den nächsten Gewinn. Aber auch hier ist eine gesunde Prise Skepsis vonnöten, um zu vermeiden, überall eine Glückssträhne um der Glückssträhne willen zu sehen. Jagd/Sport/Alltag Hier ist ein Bereich der menschlichen Aktivität, in dem erhöhte Sensibilität meines Erachtens seit Beginn der Geschichte eine wesentliche Rolle im Sinne der erfolgreichen Antizipation gespielt hat. Zum Beispiel haben die NaskapiIndianer von Labrador eine sehr differenzierte Jagdkultur, die laut ihrem Glauben unmittelbar vom Vorhandensein erhöhter Sensibilität in Verbindung mit Jagd und Traum abhängt (Speck 1977). Nehmen wir als moderneres Beispiel den Zweikampf- oder Team-Sport (z. B. Boxen, Tennis bzw. Fußball, Rugby etc.): Falls Spieler A öfter als sein Gegenspieler B fähig ist, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, dann hat A bzw. sein Team einen gewissen Gewinnvorteil gegenüber B. Auch bekannt ist, dass eine Mannschaft mit gutem Teamgeist eher in der Gunst der Göttin Fortuna steht als ein Team, in dem die Mitglieder untereinander weniger harmonieren: Das kollektive Zusammenspiel zwischen begeisterten Teammitgliedern ist viel effizienter als das in einem Team mit weniger Eintracht. In der Tat spielt der Zusammenhalt eine wichtige Rolle im Rezept fast jeden erfolgreichen Teams: Eine geglückte Kombination glücklicher und damit motivierter, zielstrebiger Spieler ist der Traum eines jeden Trainers.

Kann aber Glück gelernt oder gelehrt oder sonstwie optimiert werden? Dies scheint nicht der Fall zu sein. Mindestens ist bis heute noch niemand (trotz aller diesbezüglichen, meist trivialen Populärliteratur), mit einer überzeugenden 242

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

Methode hervorgetreten, die zuverlässig einen Gewinn garantieren kann, nicht einmal für den Fall, dass meine These stimmt, und Glück letztlich eine Sache der Kommunikation im Sinne von erhöhter Sensibilität ist. Auf jeden Fall möchte ich bei meiner Vermutung bleiben, dass Glück im Spiel, Sport und Jagd mindestens zum Teil eine Sache erhöhter Sensibilität zwischen den Beteiligten ist. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass viele erfolgreichen Sportler abergläubisch sind und sich gern auf Amulette, Zauberformeln oder Zeichen etc. für den erhofften Erfolg verlassen. Zum Schluss erwähne ich noch ein weiteres bekanntes Phänomen, das meines Erachtens ebenfalls mit erhöhter Sensibilität zu tun haben könnte. Jeder weiß, dass derjenige Spieler, dessen Familie oder Freunde während des Spiels als Zuschauer zugegen sind, einen gewissen Gewinnvorteil gegenüber seinem Gegner hat, falls dieser ohne diese „Participation mystique“ (Lévy-Bruhl 1927) spielen muss. Auch spricht man von einem „Heimvorteil“, wenn das Spiel auf eigenem Terrain stattfindet, der beim Fußball von immerhin 0,537 (McSharry 2007) und beim Cricket 0,57 (Morley und Thomas 2005) bei ansonsten gleichen Voraussetzungen beträgt. Rationale Erklärungen für solche Unterschiede sind systematische Verzerrungen der Statistik u. a. wegen Unterschieden in Höhenlage/Sauerstoffmangel (Gore et al. 2008) und Zeitzone/Jet-Lag (Jehue et al. 1993) zwischen den Mannschaften, sowie Befangenheit der Schiedsrichter (Bevorzugung des Heimteams) (Jones et al. 2001). Das vielleicht am weitesten verbreitete Beispiel erhöhter Sensibilität im Alltag ist die Ahnung, dass jemand einen von hinten anstarrt: Man dreht sich um und sieht sogleich, dass es stimmt! Nochmals betone ich, dass solche persönlichen Beobachtungen – da subjektiv und nur in den seltensten Fälle statistisch überprüfbar (Schlitz und LaBerge 1997; Wiseman und Schlitz 1997) – mit Vorbehalt zu betrachten sind. Sensorische Deprivation, sensorische Überflutung, Drogen, Meditation etc. Sensorische Deprivation kann Psychosen vergleichbare Erlebnisse im Betroffenen evozieren. Könnte es sein, dass die extreme Herabsetzung/Unterdrückung lokaler Denkprozesse das angeborene Potential des Organismus zu erhöhter Sensibilität manifestiert? In ähnlichem Sinn könnten sensorische Überflutung oder auch eine psychotrope Substanz die bewusste, erwartungsvolle Aufmerksamkeit des Organismus unterdrücken bzw. die Bewusstseinsschwelle herabsetzen. Das Denken/Fühlen könnte dann spontan für eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit zur Manifestation erhöhter Sensibilität empfänglich werden. Schließlich könnten Meditationstechniken auf ähnliche Art im Sinne eines systematischen, disziplinierten Zugangs zu erhöhter Sensibilität – d. h. zum bewussten Erlangen einer „Einheit mit dem Universum“ – beitragen (Pace et al. 2009). Zu 243

Phylogenetische Überlegungen

diesem Zweck sollte die Rolle eines Gurus nicht unterschätzt werden (siehe Schmid Gary Bruno 2001). Schizophrenie Schizophrenie scheint ein archetypisches Phänomen zu sein: Sie zeigt mehr oder weniger die gleiche Inzidenzrate (prozentualer Anteil betroffener Individuen pro Jahr in der Gesamtbevölkerung) von ungefähr 1 % unabhängig von Zeitepoche und Kultur, und dies trotz der Tatsache, dass schizophren erkrankte Menschen eine herabgesetzte Heirats- und Fruchtbarkeitsrate haben. Auch hätte Schizophrenie als Krankheit schon längst verschwinden müssen, wenn genetische Faktoren eine Rolle spielten (siehe z. B. Blouin et al. 1998). Erklärungsversuche, wie z. B. die Annahme eines Genverlusts durch Mutationen an einem Genlocus, oder die Annahme einer Kompensation der Unfruchtbarkeit durch erhöhte Reproduktion der Verwandten sind umstritten (Propping 1989, S. 297–298). Eine allgemein akzeptierte und in sich konsistente Erklärung, warum die Schizophrenie nicht längst ausgestorben ist, steht noch aus (Propping 1989, S. 297–299). Empirisch nicht widerlegt ist auch die Hypothese eines evolutionären, psychologischen Vorteils für Schizophrene und ihre Verwandten im Sinne einer erhöhten Sensibilität, insbesondere für Selbstreflexion (Whitfield-Gabrieli et al. 2009). In einer eigenen (noch nicht publizierten) Studie haben meine Kollegen Franz X. Vollenweider, Marco Benz und ich eine Art „limbischen Autismus“ zeigen können: Bei Schizophrenen tauschen phylogenetisch ältere Hirnregionen, vor allem die des limbischen Systems, intern mehr Information untereinander aus, als sie dies mit phylogenetisch jüngeren, d. h. kortikalen Teilen tun. Bei gesunden Probanden gibt es diese Konnektivität in der Informationsverarbeitung nicht, d. h. die phylogenetisch älteren Hirnregionen unterscheiden sich nicht von den phylogenetisch jüngeren Regionen bzgl. des Austauschs von Informationen (Schmid Gary Bruno et al. 2010). Somit wird die These des Schweizer Psychiaters und Namensgebers der Schizophrenie, Eugen Bleuler, gestützt (Bleuler 1966), dass das „Schizo“ bei der Schizophrenie als eine Spaltung zwischen Fühlen (limbisches System) und Denken (Kortex) zu verstehen ist. Offensichtlich fokussiert der Geist des Schizophrenen eher auf sich selbst (limbische Informationsverarbeitung hirninterner Signale) als auf die Umwelt (kortikale Informationsverarbeitung sensorischer Signale). Nach der Studie von Whitfield-Gabrieli kann Schizophrenie die Grenze zwischen innerer und äußerer Realität verwischen, weil die der Selbstreflexion dienenden Hirnstrukturen überaktiviert sind und damit die Innenwelt mehr im Fokus steht (Whitfield-Gabrieli et al. 2009). Eine mögliche Betrachtungsweise der Schizophrenie besteht darin, dass die charakteristischen Gedanken-, Wahrnehmungs- und Affektstörungen von einer Diskonnektivität der für diese Funktio244

Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

nen zuständigen Hirnareale herrührt (in erster Linie limbisch vs. kortikal). In der neuen Studie konnte gezeigt werden, dass Schizophrenie auch gekennzeichnet ist durch eine exzessive Konnektivität zwischen jenen Hirnstrukturen – vornehmlich den limbischen –, die bei Gedanken an nichts Spezielles („mind wandering“) oder an die eigene Person aktiviert werden. Die Ergebnisse lassen auf eine Unfähigkeit schizophren erkrankter Personen schließen, mentale Ressourcen von internen Gedanken und Gefühlen weg- und auf die externe Welt hinzulenken. Bei der Lösung schwieriger Aufgaben unterdrückt der Mensch automatisch seine Selbstzentriertheit, womit der Schizophreniekranke Mühe hat. Die Forschung konzentrierte sich auf dieses „automatische“ System, ein Netzwerk von Hirnarealen, dessen Aktivität nachlässt, wenn schwierige Aufgaben zu lösen sind. Bei schizophrenen Personen war das automatische System in Ruhezeiten in hohem Maße aktiv und veränderte dies auch bei Gedächtnisaufgaben nicht. Mit anderen Worten: Die Patienten konnten diese Netzwerkaktivitäten während der Aufgabenlösung weniger gut als gesunde Probanden unterdrücken. Je geringer die Suppression und je größer die Konnektivität ausfielen, desto schlechter schnitten die Patienten in den Gedächtnisaufgaben ab und umso ausgeprägter zeigte sich ihre Symptomatik. Das „automatische“ System war bei nicht erkrankten Verwandten ersten Grades ebenfalls, wenn auch in geringerem Maß, übermäßig aktiv. Dies weist eher auf eine genetische Disposition hin, als dass diese Überaktivität eine Folge der Symptome wäre. Dieser Mechanismus der Überaktivierung könnte auch helfen, das Phänomen der Beziehungsideen zu erklären, bei denen an sich neutrale externe Reize für den Betroffenen eine spezielle, in der Regel realitätsinadäquate Bedeutung bekommen. Wenn man z. B. während des Fernsehens eine Stimme im Fernseher oder die Schritte des Nachbarn in der Wohnung über der eigenen hört, kann man diese Stimme als direkt an sich selbst gerichtet wahrnehmen oder glauben, der Nachbar verfolge einen. Allein lebende schizophren erkrankte Menschen berichten, dass sie während der Phasen der floriden Psychose oft durch eine ihnen unheimliche, absolute Art der Bewusstheit ziemlich genau zu wissen meinen, wo sich z. B. die Nachbarn (oft ihnen völlig unbekannte Menschen) in ihren jeweiligen Wohnungen aufhalten, wie sie sich dort bewegen oder wie sie irgendwie mit den Gedanken oder Energien dieser Nachbarn in Verbindung stehen. Und die Betroffenen können diese lästige „Fähigkeit“ kaum abschalten. Es dauert oft nicht lange, bis der leidende Mensch so paranoid wird, dass sein Verhalten die Aufmerksamkeit der Mitbewohner auf sich zieht und er gegen seinen Willen hospitalisiert werden muss. Hier sehen wir, dass schizophrenes oder psychotisches Erleben im Allgemeinen die pathologische Folge einer erhöhten Sensibilität durch limbischen 245

Phylogenetische Überlegungen

Autismus sein könnte: Die normale Wahrnehmung wird sozusagen direkt in das „automatische“ limbische System weitergeleitet, sodass der Organismus unabhängige Geschehnisse in der Außenwelt auf sich selbst bezieht. Vielleicht könnten so das Stimmenhören erklärt werden, indem das überaktive „automatische“ System quasi zu wenig Reize hat und in Form von Halluzinationen selbst welche produziert. Auf jeden Fall wäre es für die Betroffenen sicher viel leichter, einen psychohygienischen Umgang mit den Stimmen zu erlernen, wenn das Phänomen in ein anerkanntes soziales oder spirituelles Glaubensystem eingebettet wäre (Escher und Escher 1997; Bock und Stratenwerth 1998): „Mit der Vorstellung, von Geistern und Schutzengeln begleitet zu sein, würden Betroffene besser leben als mit der Diagnose, aufgrund einer psychischen Krankheit unter Halluzinationen zu leiden“ (Bösch 1999). Vielleicht ist die Schizophrenie – und der psychogene Tod, der auf perniziöse Formen der Schizophrenie folgen kann – der tragische Preis, den einige unglückliche Individuen zahlen müssen, damit alle Mitglieder der Gattung Mensch den Überlebensvorteil einer generellen Fähigkeit zu erhöhter Sensibilität haben können. Ich möchte hier noch erwähnen, dass die Fähigkeit, willentlich zu sterben, wie dies von Individuen berichtet wird, die einen höheren Level der Spiritualität erreicht haben, evtl. auf dieselben neuropsychologischen GeistGehirn-Mechanismen zurückzuführen ist wie diejenigen, die im Rahmen der erhöhten Sensibilität zusammenspielen. Ich vermute, dass sich hinter „willentlich“ eher eine Hingabe an eine als wahr erlebte Ahnung des herannahenden Todes verbirgt als ein aktives Einleiten des Todesvorgangs (siehe „Einladungstod“). Wie erwähnt vertrete ich den Standpunkt, dass die Fähigkeit zu erhöhter Sensibilität sich im Verlauf der Evolution natürlich entwickelt hat, dass sie dem Menschen eine größere Überlebenschance sowohl gegenüber der Natur wie auch im Konkurrenzkampf mit der eigenen Spezies schenkt, und im Gegenzug zu einer Verletzlichkeit gegenüber gewissen psychischen Störungen, vor allem Psychosen führt. Diese hat sozusagen zwei Nebenwirkungen: Positiv im Sinne einer Fähigkeit kann eine erhöhte Sensibilität dem Menschen die Erlangung einer beglückten spirituellen Einheit mit dem Universum, z. B. im Verlauf der Meditation, ermöglichen; negativ im Sinne eines Problems kann dieselbe Gabe den Menschen im Verlauf einer perniziösen Katatonie zu Tode hetzen. Falls man nun das Erlebnis einer Fernwahrnehmung als buchstäbliche Realität auffassen und gleichzeitig auf dem Boden der Wissenschaft bleiben möchte, wäre es extrem schwierig, ein entsprechendes Experiment durchzuführen, das die Hypothese solch nichtlokaler Korrelationen zwischen (1) dem, „was der unter Schizophrenie Leidende hier und jetzt in seiner Wohnung über das Verhalten der anderen in ihren Wohnungen mit Gewissheit zu spüren meint“ und

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Psychogener Tod, Evolution und erhöhte Sensibilität

(2) dem, „was die anderen erwiesenermaßen wirklich dort in ihren Wohnungen tun“

verifizieren oder falsifizieren könnte. Ich habe in anderem Kontext diskutiert (Schmid Gary Bruno 2005), wie die Quantentheorie paarweise Beobachtungen wie die hier erwähnten erklären kann: Beobachtungen, •

die einerseits statistisch signifikante Korrelationen zwischen entfernten, isolierten Systemen zeigen können,



die aber andererseits keine Intentionalität zulassen, so dass die entsprechenden Beobachtungen nicht durch eine klassische wissenschaftliche Untersuchung reproduziert werden können.

Obwohl seriöse und renommierte Autoren die Ideen der Quantenphysik auf so diverse Probleme anwenden wie •

den Zusammenhang zwischen Quantenrauschen, Verschränkung und Chaos in der Quantenfeldtheorie der Geist-Gehirn-Zustände (Pessa und Vitiello 2003)



quantenphysikalische Hirndynamiken und Bewusstsein einschließlich anomaler Phänomene (Jahn und Dunne 1986; Jibu und Yasue 1995)



Bewusstsein und Kollaps der Wellenfunktion (Bierman 2003)



die immunologischen Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst (Smith KA 2004)

ist diesbezüglich äußerste Vorsicht angebracht. (Siehe den Abschnitt „Quantenphysikalische Argumente: Ein kritischer Blick“. Siehe auch z. B. [Schmid Gary Bruno und Dünki 2010].)

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Bekannt aus der römischen Mythologie ist Janus, der doppelköpfige Gott des Anfangs und des Endes, der Ein- und Ausgänge, der Türen und Tore. Die beiden Gesichter schauen in entgegengesetzte Richtungen: links und rechts bzw. vorwärts und rückwärts. Bei diesem Symbol sind die unterschiedlichen Perspektiven Gegensätze und daher prinzipiell nicht miteinander vereinbar. Der Januskopf gilt deshalb als Symbol der Zwiespältigkeit. Janusköpfig bezogen auf eine Person heißt also zwiespältig in Charakter oder Verhalten, zwei sich widersprechende Seiten zeigen. Gleichwohl sind diese Gegensätze in einem Symbol vereinigt: Es gäbe keinen Januskopf ohne die beiden Gegensätze und es gäbe keinen Gegensatz ohne den jeweils anderen Teil des Gegensatzpaares. Solch eine Darstellung von drei Korrelaten – hier der Januskopf, das eine Gesicht und das ihm polare Gesicht – nennt man „Zweieinigkeit“ (Bild 1.).

Bild 1. Zweieinigkeit von Körper und Geist (Januskopf)

Es sind mehrere Zusammenhänge zwischen den Phänomenen psychogener Tod und psychogene Heilung bekannt, die ich in früheren Kapiteln bereits angedeutet habe und die ich – vor allem in einem zweiten Band – weiter vertiefen werde. In diesem Kapitel werde ich mögliche molekulare, physiologische und phylogenetische Zusammenhänge zwischen diesen Phänomenen beleuchten und ihre Vernetzung mit der Vorstellungskraft diskutieren. 248

Placebo-/Nocebo-Effekt: Schnittstelle zwischen Körper und Geist

Einerseits existiert eine Flut empirischer Beweise, dass in unserem Körper natürliche Alterungsvorgänge sowie gesundheitsschädliche und stressfördernde Prozesse ablaufen. Sie umfassen immunologische, hormonelle und neuronale Systeme, die die Gesundheit beeinträchtigen und das Altern beschleunigen. Die Stärke dieser Prozesse steht unter dem Einfluss der Vorstellungskraft, und sie können im Extremfall – wie oben erläutert – zum plötzlichen und unerwarteten psychogenen Tod führen. Andererseits verfügt der Körper spiegelbildlich auch über gesundheitsfördernde und stressreduzierende Kapazitäten und Prozesse, die immunologische, hormonelle und neurologische Systeme einbeziehen. Sie dienen dazu, unsere Lebensdauer während einer angemessenen, artgerechten Zeit aufrechtzuerhalten, wenn nicht gar zu verlängern. Die Ausprägung dieser Prozesse legt, mindestens zum Teil, die durchschnittliche Lebensdauer der menschlichen Spezies fest, die sich weit über unsere reproduktiven Jahre hinaus erstrecken kann. Daher ist es angemessen, als Gegenstück zum Nocebo-Effekt120 diese positiven Prozesse (Placebo-Effekte)121 als ebenso unter dem Einfluss unserer Vorstellungskraft stehend anzunehmen. In beiden Fällen, positiv wie negativ, scheint es eine molekulare Basis für die Vorstellungskraft zu geben. In der Literatur wird z. B. von einem „immunologischen Homunculus“ gesprochen, der über einen funktional-anatomischen Mechanismus für die neurologische Steuerung von zytokin-abhängigen Störungen des Vagusnervs definiert wird (Tracey 2007).122 Allein die Tatsache, dass der Vagus via Vorstellung aktiviert werden kann, berechtigt zur Annahme, Gesundheit sei nicht nur eine Frage der Biochemie sondern auch der Einstellung zum Leben. Fazit: “Death and health are matters of mind (and not just chemistry)!” „Tod wie auch Gesundheit sind Einstellungssache (und nicht nur Chemie)!“

Placebo-/Nocebo-Effekt: Schnittstelle zwischen Körper und Geist Placebo- und Nocebo-Effekt, d. h. die kurative bzw. schädliche Wirkung inaktiver Substanzen oder von Scheinprozeduren, sind Beispiele kognitiv geschalteter emotionaler Lernprozesse, die fähig sind, die Physiologie maßgeblich zu beeinflussen (Enck et al. 2008; Hahn 1985). Placebo wie Nocebo wirken direkt im Gehirn: Erwartet man – oder wird man so konditioniert (siehe unten) –, dass eine bestimmte Substanz oder Prozedur hilft bzw. schadet, springen mehrere Neurotransmitter-Systeme auf unterschiedliche Weise an. Schon bei der gedanklichen Vorwegnahme eines schmerzvollen oder schmerzlindernden Resultats werden gegensätzliche Neurotransmitter249

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Systeme aktiviert: das dopaminerge (DA) System oder das endogene opioide System (EO) (Scott et al. 2008) – siehe unten. Gegenwärtig gibt es zwei Haupttheorien zum Placebo-/Nocebo-Effekt: emotionelle Erwartung und Konditionierung (Haour 2005; Howland 2008). Die emotionelle Belastung durch Stress ist für den psychogenen Tod von zentraler Wichtigkeit und wird im Folgenden diskutiert. Konditionierung kommt bei der psychogenen Heilung im Zusammenhang mit der wechselseitigen Beeinflussung von Vorstellungskraft und Immunabwehr große Bedeutung zu, worauf später näher eingegangen wird.

Theorien zur Informationsverarbeitung bei Emotionen Es gibt mehrere Theorien zur Informationsverarbeitung bei Emotionen (Carton 2007; Lang 1994) z. B. die •

William James – Carl Lange Theorie (Dibattista 2007; Fehr und Stern 1970; Pollatos et al. 2005; Critchley et al. 2005)



Walter B. Cannon – Bard Theorie (Cannon 1987; Fernandez de Molina y Canas 1999; Laberge und Kasevich 2007)



somatische Marker-Hypothese (Damasio 1996; Damasio 2000; Craig 2004; Bechara et al. 2005)



kognitive Bewertungstheorie (Berkowitz 1990; Crucian et al. 2000; Waller et al. 2007)

Diesen Theorien gemeinsam ist die Beteiligung derselben fünf Hauptkomponenten: Stimulus, Thalamus, Kortex, limbisches System und körperliche Reaktionen. Sie unterscheiden sich jeweils in den Wechselwirkungen zwischen diesen Hauptkomponenten bzw. zeichnen unterschiedliche Landkarten des Informationsflusses. Grob gesagt sieht die James-Lange-Theorie einen linearen Weg vom Stimulus via Thalamus über das limbische System und die körperlichen Reaktionen bis zum Kortex vor („bottom-up“); die Cannon-Bard-Theorie postuliert einen direkten Weg vom Stimulus zum Thalamus, wo eine Gabelung des Informationsflusses stattfindet – einerseits vom Thalamus über das limbische System (sog. „low road“ der Emotionsentstehung im Gehirn/„bottom-up“) zu den körperlichen Reaktionen und von dort zum Kortex, andererseits vom Thalamus direkt zum Kortex, ohne Umweg über körperliche Reaktionen. Die kognitive Bewertungstheorie erweitert die Cannon-Bard-Theorie um zwei zusätzliche Verbindungen – eine vom Kortex zum limbischen System (sog. „high road“ der Emotionsentstehung im Gehirn/„top-down“) und eine von den körperlichen Reaktionen zum Kortex („bottom-up“.) (Siehe auch [LeDoux 1996, 2003; LeDoux 2000; Schmidt-Atzert 1984]). 250

Placebo-/Nocebo-Effekt: Schnittstelle zwischen Körper und Geist

Man spricht von positiven und negativen Basisemotionen (Ärger, Ekel, Freude, Furcht, Liebe, Trauer, Überraschung) und den vier Dimensionen des Emotionserlebens (Menning 2008): (1) Valenz einer Emotion, d. h. ein Kontinuum zwischen unangenehm/nicht wertvoll und angenehm/wertvoll (2) Ausprägungsgrad (oder Amplitude) der Erregung, die durch das Gefühl ausgelöst wird, d. h. ein Kontinuum zwischen passiv/unmotivierend und aktiv/ motivierend (3) Latenzzeit der Erregung, d. h. ein Kontinuum zwischen akut und chronisch bzw. wie lange die Erregung braucht, bis sie die maximale Amplitude erreicht hat und dann wieder abgebaut ist (4) Dominanz der Erregung, d. h. wieviel Platz, Wichtigkeit oder Relevanz der Emotion im Vergleich zu den anderen Emotionen und Aktivitäten (im Alltag) eingeräumt wird

Eine vertiefte Diskussion der gehirnanatomischen Korrelate dieser Dimensionen würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Die Emotionen bewerten unser Erleben, unsere Empfindungen, Erwartungen und Gedanken subjektiv (Rogan und LeDoux 1996). Auf der Verhaltensebene steuern Emotionen Sprache, Gestik, Mimik – hier denke ich z. B. an das Facial Action Coding System von P. Ekman (Ekman 1980) – und Handlungen, insbesondere die Tendenz zu Flucht oder Kampf („flight or fight“) sowie soziale Interaktionen. Der subjektive Gefühlszustand kann anhand vielfältiger psychophysiologischer und neurophysiologischer Messungen und Skalen erfasst und verifiziert werden.123

Physiologische Reaktionen auf Emotionen Physiologische Reaktionen auf Emotionen: Verhalten sowie autonome, endokrine, immunologische und metabolische Reaktionen hinterlassen messbare Spuren bei Atmung (Frequenz und Tiefe), Gehirnaktivität (EEG, MEG, fMRI usw.), Hauttemperatur (T) und Hautleitfähigkeit (EDA), Fingerdruck-Wellen („Sentograph“ [Hama und Tsuda 1990]), Muskeltonus (EMG), Immunabwehr und – am wichtigsten für die Überlegungen in diesem Kapitel – auf die Herzfrequenz. Die emotionelle Erwartungshaltung beeinflusst verglichen mit Konditionierung den Placebo-/Nocebo-Effekt im übrigen bei Männern stärker als bei Frauen: Während Frauen sich mehr auf der Basis von vergangenen Erfahrungen quasi manipulieren lassen, zeigen Männer mehr Widerstand, vergangene Erlebnisse überhaupt in Betracht zu ziehen („The science of voodoo: When mind attacks body“ – http://www.newscientist.com/article/mg20227081.100). Eine Er251

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

weiterung der oben erwähnten Theorien wird für notwendig gehalten, um andere Aspekte des Nocebo- und Placebo-Effekts hinreichend zu erklären (Klosterhalfen und Enck 2008). Für die ausführliche Diskussion über den biochemischen, metabolischen, neurologischen, ontologischen und phylogenetischen Sinn und Zweck der Emotionen verweise ich auf die einschlägige Literatur, wie z. B. (Schubert 2009; Schubert und Schüssler 2009).

Effort-Relaxation-Axis versus Elation-Dejection-Axis Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass die Emotionen die dominante, treibende Kraft hinter einer Reihe von Ereignissen bilden, die von psychosozialen Interaktionen zu neuroendokrinen Veränderungen führen. Diese Modifikationen können wiederum physiologische Anomalien verursachen, die ihrerseits langsam aber sicher in die eine oder andere biopathologische Störung münden. Seit über vier Jahrzehnten wurden zwei übergreifende Modelle entwickelt, die den Zusammenhang zwischen sozialen Wechselwirkungen und Krankheit beschreiben (Henry 1982). (Siehe auch Henry et al. 1974; Henry und Stephens 1983, 1985; Henry et al. 1971; Henry et al. 1986). Im ersten Modell werden die Emotionen auf einer sympathiko-adrenal-medullären Anstrengungs-Entspannungs-Achse beschrieben. Das zweite beinhaltet den Ansatz einer hypophysär-adrenal-kortikalen Hochstimmungs-SchwermutAchse. In der Literatur werden beide verglichen und einander gegenübergestellt. Seit einiger Zeit ist noch die Rede von einer weiteren, der hypophysär-gonadotropen Achse für sozialen Erfolg im Gegensatz zu sozialer Benachteiligung. Obwohl diese Systeme sich überlappen, können jedem von ihnen die physiologischen Prozesse eines bestimmten, unabhängigen neuroendokrinen Mechanismus zugeordnet werden, dessen Aktivitätsmuster entweder verstärkt oder unterdrückt werden kann. Sozialwissenschaftler und Genderpsychologen sprechen hier von unabhängigen Macht- („agentic“) bzw. Status- („communion“) Achsen. Letztere scheinen im Wesentlichen den oben genannten neuroendokrinen Mechanismen zu entsprechen. Emotionale Veränderungen können hinreichend stark sein, um neuroendokrine Rückkopplungsmechanismen, die normalerweise homöostatisch wirken, regelmäßig außer Kraft zu setzen. Diese Annullationen führen zu pathophysiologischen Unregelmäßigkeiten und zu gestörten körperlichen Zuständen, die sich allmählich oder manchmal sogar abrupt – wie bei kardialen Arrhythmien – tödlich auswirken können. Obwohl vorbeugende soziale Unterstützung und andere Ressourcen bei Milieu-Zerrüttungen geeignet sind, solche neuroendokrinen Störungen in einer sog. gesunden Gesellschaft auf einem Minimum zu halten, wird die Vulnerabilität des Individuums durch solche pathophysiologischen Unregelmäßigkeiten erhöht. 252

Stress: Die emotionelle Quelle psychogener Nocebo-Modelle

Stress: Die emotionelle Quelle psychogener Nocebo-Modelle Oben haben wir gesehen, dass auch Tiere unter akutem oder andauerndem psychischen Stress sterben können, ohne dass sich eine zwingende physiologische Todesursache eruieren lässt. Im Folgenden stelle ich einige Modelle vor, die anhand molekularer, physiologischer, psychoneuroimmunologischer und informationsverarbeitender Prozesse den psychischen Zusammenhang zwischen Körper und Geist beim Menschen zu erklären versuchen. Im Mittelpunkt steht die Idee von Stress als Risikofaktor. Es gibt kaum ein besseres Beispiel für die wechselseitige Beeinflussung körperlicher und geistiger Faktoren als Stress. Der menschliche Körper reagiert darauf mit der Produktion von Hormonen: Adrenalin, das Herzfrequenz und Blutfluss steigert und die Luftröhre erweitert; Noradrenalin, das den Blutdruck steigen lässt und Kortikosteroide, die den Zuckerspiegel im Blut erhöhen. Die Stresshormone werden über eine Zeitspanne von mehreren Stunden langsam abgebaut. Eine zentrale Komponente der komplexen menschlichen Stressreaktion, d. h. des Zusammenspiels zwischen Physiologie und Psychologie im Zusammenhang mit Stress, ist die Modulation der homöostatischen Regulation des neuroendokrinen Immunsystems mit seinen komplexen Rückkopplungsschleifen. Chronischer psychischer Stress kann auch die Konzentration des zirkulierenden Nervenwachstumsfaktors (NGF) beeinflussen und über diesen Umweg auch die Immunfunktion modulieren (Hadjiconstantinou et al. 2001). Man spricht hier u. a. von einer Ereigniskaskade: von Stress über Hormone zum Immunsystem (Brouns und De Deyn 2009; Schedlowski et al. 1997; Torres et al. 2005) – siehe auch (Olkowski et al. 2008). Menschen reagieren auf unterschiedlichste Art und höchst individuell auf Stress: Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen, Depression, Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen, Immunstörungen, Krankheit und sogar Tod. Bereits kurzfristiger psychischer Stress kann einen Circulus vitiosus in Gang setzen, der zu einer akuten Erhöhung von Kortikosteroiden und anderen immunologischen Parametern führt, die wiederum die kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und somit einen noch höheren Stresspegel auslösen (Arolt et al. 2005; Schulz und Schulz 1997). Zum Beispiel können akute Belastung (und ebenso Entspannung) zu erhöhten Werten von Immunglobulin A im Speichel führen, während chronische Belastung mit einer Senkung einhergeht. Man spricht von einer adaptiven Immunmodulation. Soziale Stressoren können hinsichtlich ihrer immunologischen Auswirkungen negativen Einfluss auf die Gesundheit des Individuums nehmen. Dazu zählen vor allem Hilflosigkeit und Unsicherheit bei unterlegenen Individuen, disharmonische Paarbeziehungen, Konkurrenz sowie Menschenmassen. Sogar Stressoren aus frühen Entwicklungsphasen (Deprivation bzw. mangelnde Aufmerksamkeit im 253

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Säuglingsalter, unsichere elterliche Bindung im Kindesalter usw.) können einen persistierenden, suppressiven Einfluss auf die Funktionen des Immunsystems im reifen Organismus haben. Stress ist vornehmlich das Resultat von aus dem Gleichgewicht geratenen, nicht verarbeiteten Emotionen. Wie ein Mensch Stress empfindet und damit umgeht, kann seine zelluläre Immunreaktion beeinflussen (Malarkey et al. 2001; Stowell et al. 2001). Die persönliche Stressantwort basiert auf den Emotionen und psychischen Aspekten individuellen Verhaltens einerseits und komplexen und rekursiven, regulatorischen Prozessen, die zwischen den molekularen Wirkungen von Stresshormonen und deren Rezeptoren andererseits pendeln. In einem zweiten Band gehe ich der Frage nach, ob der Einsatz von zielgerichtet geführten Selbstheilungsvorstellungen im Verbund mit geeigneten Entspannungstechniken oder Sport als immunstabilisierenden Maßnahmen in Rehabilitiation und Therapie wirksam sein könnte.

Nebenwirkungen, Massenhysterie und Krankheitsrisiko Bisher wurde der Nocebo-Effekt in seinen unterschiedlichen tödlichen Formen (siehe Voodoo-, Tabu-, Heimweh-, Seelentod) ausführlich diskutiert. Die vielleicht bekannteste Art von eher nicht-tödlichen Nocebo-Effekten findet man bei Nebenwirkungen von Medikamenten (Kennedy 1961). Die Erwartung von Nebenwirkungen kann die entsprechenden neurobiologischen Zustände bei emotional entsprechend eingestellten Menschen begünstigen (Hahn und Kleinman 1983; Hahn 1997), z. B. Übelkeit im Zusammenhang mit Chemotherapie (anticipatory nausea)124 (Higgins et al. 2007; Montgomery und Bovbjerg 1997, 2001, 2003, 2004; Montgomery et al. 2007; Montgomery et al. 1998; Mundy et al. 2003). Auch der Ausbruch von Massenhysterie im Zusammenhang mit möglichen Krankheiten (mass psychogenic illness MPI) ist in der Literatur nicht unbekannt (Greenberg et al. 1998).125 (Siehe auch die Diskussion zur Tanzmanie.) Hierzu ein aktueller Bericht (1998): Eine Highschoollehrerin nimmt einen ‚benzinartigen Geruch‘ in ihrem Klassenzimmer wahr. Kurz darauf leiden mehrere Schüler unter Atembeschwerden, Kopfweh, Müdigkeit, Schwindelgefühl und Übelkeit. Die Schule wird evakuiert, 80 Schüler und 19 Lehrer werden notfallmäßig ins Spital gebracht; 38 Personen bleiben sogar über Nacht. Fünf Tage nach der Wiedereröffnung des Schulhauses gab es immer noch 71 Leute mit Symptomen. Trotz eingehender intensiver Untersuchung wurde kein objektivierbarer Grund für diese Massenhysterie gefunden (Jones et al. 2000; Black und Murray 2000; Goode 2000; Heuser 2000; Miller und Ashford 2000; Rifkin 2000).

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Stress: Die emotionelle Quelle psychogener Nocebo-Modelle

Trotz des Befundes, dass Frauen anscheinend eher aufgrund von Erfahrungen reagieren (siehe oben), waren sie an dieser Art von Massenhysterie gemäß den allgemeinen Statistiken überproportional beteiligt. Vermutlich reagieren Frauen allein anders als in der Masse. Für Männer verhält es sich entsprechend umgekehrt. Dies Phänomen (MPI) konnte sogar experimentell wiederholt werden: Per Zufallsprinzip ausgewählte Studenten wurden gebeten, in einer PlaceboStudie ein für den Teilnehmer angeblich toxisches Umweltgift einzuatmen. Die Substanz sollte bis zu vier verschiedene Beschwerden auslösen können: Juckreiz, Kopfweh, Müdigkeit, Übelkeit. (Alle vier Symptome sind nebenbei gesagt typisch für sogenannte MPI-Ereignisse.) Der Hälfte der Teilnehmer wurde dabei eine eingeweihte Teilnehmerin präsentiert, die entsprechende Symptome zeigte. Studenten, die das Placebo-Gas inhaliert hatten, klagten unabhängig vom Geschlecht über stärkere Beschwerden als diejenigen, die nichts eingeatmet hatten; die berichteten Symptome repräsentierten statistisch signifikant die erwarteten Symptome bei beiden Geschlechtern; stärkere Symptome wurden nur bei den Frauen beobachtet, die gesehen hatten, wie die eingeweihte Person desselben Geschlechts durch das Inhalieren angeblich krank wurde. (Lorber et al. 2007)

Das Phänomen MPI kann zu einem ernsthaften Problem bei mutmaßlichen Pandemien oder bei groß angelegten sozialen Gesundheitsaktionen werden, wie der folgende Bericht zeigt: In September 1998 glaubten mehr als 800 junge Menschen in Jordanien, dass sie an Nebenwirkungen einer Tetanus-Diphterie-Impfung litten, die ihnen in der Schule verabreicht wurde; 122 wurden hospitalisiert. Bei der überwiegenden Mehrheit waren die Symptome nicht durch die Impfung zu erklären, sondern waren das Resultat einer Massenhysterie (MPI – mass psychogenic illness). (Kharabsheh et al. 2001)

Auch wenn die Rolle, die Medien, Eltern und Gesundheitswesen bei der Eskalation dieser Massenhysterie spielte, auf den ersten Blick eher ungewöhnlich und an die besonderen zeitgebundenen Umständen in Jordanien geknüpft zu sein schien, weist dieser Fall in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten mit anderen Ausbrüchen von Massenhysterie (im Sinne von MPI) überall auf der Welt auf. Die Vorstellung eines Krankheitsrisikos scheint den Einfluss mancher Krankheitsrisikofaktoren weit zu übertreffen („The science of voodoo: When mind attacks body“ – http://www.newscientist.com/article/mg20227081.100). Ca. ¼ der Patienten in Kontrollgruppen präsentiert Nebenwirkungen, und zwar mit einem Schweregrad-Spektrum durchaus vergleichbar mit dem der Indexgruppen. Bei Frauen, die auch ohne erhöhtes physiologisches Risiko glauben, später an einem Herzinfarkt sterben zu müssen, wird diese Suggestion selber zum Risikofaktor: Ca. viermal häufiger erleiden sie einen tödlichen Herzanfall. 255

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Da der weiße Kittel immer noch als Symbol für die magischen Kräfte früherer Medizinmänner wirkt, ist es für Ärztinnen eine delikate Angelegenheit, ihre Patienten über Nebenwirkungen von Medikamenten oder Operationsrisiken aufzuklären. In diesem Zusammenhang ist natürlich der Beipackzettel eine Fundgrube für jeden suggestiblen Patienten und Hypochonder. Das Problem der Aufklärungspflicht (Stichwort Transparenz) und der Wunsch des Patienten, über alle Risiken informiert zu werden, stehen gewissermaßen im Gegensatz zu den hier gemachten Ausführungen.

Verschiebung der Th1/Th2-Immunantwort bei emotioneller Belastung Wenn Phagozyten Antigene präsentieren, entscheidet die Art des Antigens, in welche Richtung sich die T-Zellen bei Kontakt mit ihnen differenzieren bzw. mit welcher Immunantwort die T-Zellen ausgestattet sind: • •

Th1: zelluläre Immunität als Reaktion auf Infizierung des Organismus mit intrazellulären Erregern (Viren, Mykobakterien usw.), Th2: humorale Immunität als Reaktion auf Infizierung des Organismus mit extrazellulären Erregern (Bakterien, Parasiten usw.).

Die Th1- und Th2-Immunantworten hemmen sich gegenseitig (Murphy et al. 2008). Im Einklang mit Berichten über eine Th1/Th2-Verschiebung bei akutem Stress bewirkt auch chronischer Stress diese Art der Zytokin-Reaktion (Glaser et al. 2001). Die neuroendokrinen Stressmediatoren Kortisol und Katecholamine bewirken im Wesentlichen eine Verschiebung der Immunantwort von Th1 nach Th2, d. h. zu einer Hemmung der zellulären Immunität und zu eine Steigerung der humoralen Immunität. Es folgen Beispiele für diese Verschiebungen von Th1 zu Th2:, die ausführlich in (Schubert und Schüssler 2009) behandelt sind. •

Th1/Th2-Verschiebung bei viralen Infektionskrankheiten Psychosoziale Belastungsfaktoren (Pflegestress, Prüfungsstress [Glaser und Kiecolt-Glaser 1998; Sheridan et al. 1998]) sowie Persönlichkeitsfaktoren (Introvertiertheit [Angst und Clayton 1986 ]) und Depression (Martin et al. 1985) bedingen eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber einer Reihe von akuten und chronischen viralen Erkrankungen sowie gegenüber der Immunantwort bei Impfungen (Glaser et al. 1998; Kemeny 2003; Petrie et al. 1995).



Th1/Th2-Verschiebung bei Wundheilung Die Rolle der menschlichen Emotionen als Schnittstelle zwischen Körper und Geist zeigt sich deutlich an der Beziehung zwischen Stress und der Hei-

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Stress: Die emotionelle Quelle psychogener Nocebo-Modelle

lung von Wunden (zelluläre Wachstumszyklen, Entzündungen und Zelltod) (Glaser und Kiecolt-Glaser 2005; Glaser 2005; Graham et al. 2005; KiecoltGlaser et al. 1995; Roy et al. 2005; Rozlog et al. 1999): Bei alternden Menschen sind langwierigere Wundheilungsprozesse eher die Regel als bei jüngeren Personen (Yang und Glaser 2000), und erhöhte Serumwerte von Entzündungsmarkern im Alter korrelieren mit einer verringerten Lebenserwartung unabhängig von Risikofaktoren wie Alter, BMI, Diabetes, kardiovaskulärer Erkrankung, Leukozytenzahl und Rauchen (Harris et al. 1999); Wunden heilen aber statistisch signifikant schneller bei älteren Menschen, die regelmäßig am Fitnesstraining teilnehmen (Emery et al. 2005); chronischer Stress (Pflegerinnen von Alzheimer-Patienten) kann die Heilung einer Wunde (Stanzbiopsie) um 24 % verlängern im Vergleich zu Kontrollpersonen (Kiecolt-Glaser et al. 1995); Prüfungsstress vermindert den Spiegel von Wachstumshormonen am Verletzungsort, hat eine negative Wirkung auf die Migration neutrophiler Leukozyten und korreliert mit verzögerter Wundheilung bei jüngeren Männern (Roy et al. 2005), z. B. 40 % mehr Zeit bei einer Gruppe von Medizinstudenten (Marucha et al. 1998); größere Sorge vor einer Operation (OP) korreliert mit niedrigeren Levels an bestimmten immunologischen Mediatoren in der Operationswunddrainage (Broadbent et al. 2003), mit stärkeren Schmerzen nach der OP and schlechterer Einschätzung des Heilungserfolgs und hilft erklären, warum präoperative Angst negative Auswirkungen auf postoperative Rekonvaleszenz und Rezidivgefahr hat; sogar alltägliche, gewöhnliche Ehekonflikte von ca. einer halben Stunde erhöhen die lokale und systemische entzündungsfördernde Zytokin126-Produktion und verzögern die Wundheilung (Stanzbiopsie) mindestens um einen Tag (Kiecolt-Glaser et al. 2005). Auch der Zusammenhang von Stress, Immunabwehr und weiblicher Fruchtbarkeit ist Gegenstand neuester Forschung (Nepomnaschy et al. 2007). Fazit: Regelmäßiges Denken an vergangene stressige Ereignisse kann im Vergleich zu gefühlsneutralen Vorstellungen derselben Frequenz und Länge das zelluläre Wachstum zur Wundheilung statistisch signifikant verzögern, (Effektgrößen von 0,30 bis 0,74 [Glaser et al. 1999]). •

Th1/Th2-Verschiebung bei allergische Reaktionen des Typs 1 (Soforttyp) Die stressbedingte Verschiebung von Th1- zur Th2-Immunantwort wirkt „proallergisch“, „proasthmatisch“ und „proekzemisch“ (Chetta et al. 2005; Hoglund et al. 2006; Liu et al. 2002; Wright et al. 2005). Metaphorisch ausgedrückt und im Vergleich mit Multipler Chemikalienunverträglichkeit (MCS) kann psychologischer Stress als eine Art „sozialer Umweltschadstoff “ verstanden werden, der, wenn in den Körper „eingeatmet“, entzündungsfördernde biologische Systeme ankurbelt, die mit anderen allergischen Reaktionen auf physische Schad- und Giftstoffe überlappen (Wright et al. 2005).



Th1/Th2-Verschiebung bei emotioneller Belastung und Autoimmunerkrankung

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Einerseits geht autoimmune Krankheitsaktivität zumeist mit einer erhöhten Th1-Immunität einher. Andererseits wirkt Stress über die Ausschüttung von Kortisol immunsuppressiv, d. h. die Th1-Immunität sinkt und die Th2-Immunität wird ausgelöst. Demzufolge ist die pathogenetische Bedeutung aktivierter autoreaktiver T-Helferzellen und damit des Th1/Th2-Phänotyps bei der Koordination von autoimmunen Entzündungsprozessen eine noch komplexere Sache, die sich erst im Rahmen einer Störung der HPA (Hypothalamic-PituaryAdrenal)-Achse u. a. verstehen lässt – Details in (Schubert und Schüssler 2009, S. 12). Es konnte z. B. retrospektiv gezeigt werden, dass hoch belastende Lebensereignisse (chaotische Familienverhältnisse, Trennung der Eltern, abartiges Verhalten, Gewalt usw.) während der ersten zwei Lebensjahre die Wahrscheinlichkeit des Kindes, an Diabetes mellitus Typ 1 zu erkranken, erhöht (Sepa et al. 2005; Thernlund et al. 1995). Belastende Lebensereignisse und psychische Krankheit korrelieren mit Krankheitsverschlechterungen bei Multipler Sklerose (MS) (Mohr et al. 2004). Insofern als die Lebenszeitprävalenz der Depression mit über 50 % bei MS so hoch wie bei wenigen anderen chronischen Erkrankungen ist (Minden et al. 1987) und antidepressive Therapie (entweder kognitive Verhaltenstherapie, unterstützend-expressive Gruppentherapie oder medikamentös mit Sertralin) zu einer signifikanten Reduktion sowohl der depressiven Symptomatik als auch bestimmter immunologischer Mediatoren (Einzelheiten in [Schubert und Schüssler 2009, S. 13–14]) führt (Mohr, Boudewyn et al. 2001; Mohr und Genain 2004; Mohr, Goodkin et al. 2001), kann eine antidepressive Therapie als wichtig für das Therapiemanagement bei MS angesehen werden. Viele Dermatosen wie Psoriasis oder Urtikaria und Hauterscheinungen wie Jucken, Rötung und Schwitzen werden durch Stress ausgelöst und aufrechterhalten oder verstärkt (Einzelheiten in [Schubert und Schüssler 2009, S. 14–15]). Alltagsbelastungen und schwerwiegende Lebensereignisse können eine Rheumatoide Arthritis (Herrmann et al. 2000) oder einen systemischen Lupus erythematodes (Peralta-Ramirez et al. 2004) verschlimmern. Auch hier wurden die biochemischen, immunologischen Zusammenhänge weitgehend untersucht (Einzelheiten in [Schubert und Schüssler 2009, S. 15–17]). Wie in einem zweiten Band noch ausführlich diskutiert wird, wirken hier das positive Denken und aktive Bewältigungsstrategien positiv.

Emotionelle Belastung und Entzündung Inzwischen ist es unbestritten, dass komplexe Wechselwirkungen im Sinne einer bidirektionalen Kommunikation zwischen dem Nerven-, dem Endokrin- und dem Immunsystem existieren. Obwohl noch nicht völlig durchleuchtet zeigen psychoneuroimmunologische Studien, dass emotionelle Belastung die Immunabwehr über die hypothalamisch-hypophysär-adrenerge (HPA) und die sympa258

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

thisch-adrenerg-medulläre (SAM) Achse modulieren kann (Yang und Glaser 2000). Wenn aber die zum Schutze des Organismus koordinierten Wirkungen der proinflammatorischen Zytokine unangemessen stark und lange gegen eine akute Infektion zum Einsatz kommen, wird die Entzündung nicht zum Stillstand gebracht und der gesunde Organismus wird in Mitleidenschaft gezogen. Das Resultat ist ein chronischer Entzündungsprozess mit dauerhaft erhöhten IL6- und CRP-Konzentrationen (Interleukin-6 und Capsel-reaktives Protein), der wesentlich an der Entwicklung mehrerer chronisch-entzündlicher Krankheiten beteiligt ist, u. a. Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, einige Krebsformen (Ershler und Keller 2000; Schubert und Schüssler 2009, S. 17–19) und Zahnfleischentzündung (Gingivitis; Breivik et al. 1996; Johannsen et al. 2006). Insbesondere interessiert uns hier der Zusammenhang zwischen Stress und chronischen Entzündungsprozessen des Herzens. Im Artikel von C. Schubert und G. Schüssler kann man lesen (Schubert und Schüssler 2009, S. 18): „Selbst subklinisch depressive Patienten mit akutem Koronarsyndrom (AKS) weisen im Vergleich zu psychopathologisch unauffälligen Patienten ein zweibis vierfach erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko auf und dies unabhängig von der Schwere ihrer kardialen Erkrankung, dem Therapieregime und einschlägigen weiteren Risikofaktoren (Lesperance et al. 2002).“

Bei Schizophrenie-Patienten ist das Risiko an einer kardiovaskulären Störung zu sterben, viermal so hoch wie bei Nichtschizophrenen, und dies unabhängig davon, ob sie durch typische oder atypische Neuroleptika behandelt wurden (Enger et al. 2004). Zudem ist das Risiko invers-proportional zur Intensität der Medikation, was eine einfache Gefährdung durch Medikation unwahrscheinlich macht. Die Typ-D-Persönlichkeit, mit der Herzpatienten negative emotionelle Belastungen in sozialen Interaktionen zwar bewusst erleben, aber ihre Darstellung nach außen willentlich zurückhalten, scheint einen von anderen Risikofaktoren unabhängigen prognostischen Indikator der (kardialen und nicht-kardialen) Langzeitmortalität darzustellen (Denollet et al. 1996). Ich werde bei der Darstellung der geläufigsten physiologischen Modelle des psychogenen Todesphänomens noch mehr über stressbedingte psychische Faktoren, die das Risiko eines Herzinfarkts erhöhen, sagen.

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens Das Phasenübergangs-Modell Vor 80 Jahren formulierte Walter B. Cannon „fight or flight“ als Inbegriff der menschlichen Reaktion auf Bedrohung. Als Schlagwort ist es leicht zu erinnern 259

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und scheint das Wesen des Phänomens zu erfassen, das es beschreibt. In der Tat aktiviert der Begriff zwei Verhaltensschlüssel, die allgemein als menschliche Reaktion auf Stress beobachtet werden (Cannon 1929). Trotzdem versagt der Begriff als Fachausdruck für wichtige Fortschritte der Stressforschung und sollte besser als „freeze-flight-fight-fright-or-faint“-Reaktion oder kurz „5-F-Reaktion“ bezeichnet werden (Bracha 2004; Bracha et al. 2004). Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Derivate) spielen eine wichtige Rolle bei dieser 5-F-Reaktion auf Stress. Bei der Fight-Reaktion steigen die Blutspiegel von Adrenalin und Testosteron, bei der Flight-Reaktion jener von Kortisol, während der Testosteronlevel sinkt. Katecholamin- und andere phasen-reaktante Hormonspiegel sind während der ersten 24 Stunden nach akutem Stress erhöht, aber Bedeutung und Zusammenhang ihrer Wirkung auf den Organismus über einen längeren Zeitraum wurden bislang nicht erforscht. Der derzeitige Forschungsrahmen erlaubt einen neuen Blick auf die Katecholamine und ihre Verwandten. Die Wirkung von Katecholaminen kann mithilfe einer Theorie der Phasenübergänge verdeutlicht werden, die eher in der Chemie oder Physik geläufig ist. Phasenübergänge bedeuten üblicherweise Änderungen im Zustand der Materie. Als Paradebeispiel für eine plötzliche Änderung (first-order phase transition) im psychophysiologischen Zustand eines Organismus kann man die volkstümliche Formulierung anführen: „Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“ oder „The straw that broke the camel’s back.“ (Ich habe bereits früher argumentiert, dass der Ausbruch einer Psychose auch so etwas wie einen Phasenübergang darstellt.127) Diese Theorie postuliert, dass die körperliche Reaktion auf Katecholamine einem triphasischen Ablauf folgt: AlarmPhase 1: Entscheidung zu Flucht oder Kampf zum Schutz des Lebewesens bei drohendem Stress. Typische Symptome sind Erregung, Angetriebenheit, erhöhter Puls und Blutdruck (vegetativer Reizzustand). WiderstandsPhase 2 oder Latenz: erlaubt bei mildem oder mittlerem Stress den physiologischen Aufruhr zu kompensieren. Typische Symptome sind Krampfzustände, Magen-Darm-Beschwerden, evtl. Fieber. ErschöpfungsPhase 3: Schwerer Stress bewirkt ernsthafte Vasokonstriktion in den Organen und kann gar zum plötzlichen Tod führen (Arun 2004). Typische Symptome sind Schwäche, Erschöpfung, Nahrungs- und Flüssigkeitsverweigerung.

Die derzeitige Theorie kann das klinische Bild von akutem Stress erklären. (Siehe auch Larrey 1830 und Selye 1936). Phase 2 entspricht den Klassen I, II und III eines hämorrhagischen Schocks und Phase 3 der Klasse IV. (Für eine Definition der Klassen I–IV siehe Lippuner und Jöhr 2004, S. 160). 260

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

Phase 3 bedeutet für ein Lebewesen das Gleiche wie Apoptose für die einzelne Zelle, nämlich den Tod. Soziale Implikationen sind unausweichlich. An dieser Stelle möchte ich die Idee einer „Energie-Anatomie“ des Organismus erwähnen, die analog zur „strukturellen Anatomie“ besteht. Letztere dominiert die westliche Medizin seit Jahrhunderten und ist hauptsächlich an Organsystemen orientiert. Die „Energie-Anatomie“ stellt eine Dreigliederung des Körpers dar: energie-verbrauchende Gewebe, wie Herz und Gehirn; energiespeichernde Gewebe wie Leber und Fettgewebe; energie-transformierende und -regulierende Gewebe, wie Leber und Bauchspeicheldrüse. Der Begriff der Energie-Anatomie wurde von Douglas Wallace in seinen Arbeiten über oxidativen Stress eingeführt (Wallace 2000, 2005). Das Leben ist ein Zusammenspiel zwischen Struktur (Stoff ), Information und Energie – siehe Band 2. Die Rolle der Energie-Defizienz bei Erkrankungen oder psychogenem Tod wurde jedoch bis heute in der Medizin kaum untersucht.

Modelle im Rahmen der tödlichen Katatonie In einer Studie zur Beziehung zwischen autonomem Nervensystem und Neurose (Ferris et al. 1937) wird einerseits betont, dass dieselben sensorischen Impulse bei einem Patienten eine vegetative Funktion stimulieren, bei einem anderen hingegen verhindern können. Andererseits impliziert die Ähnlichkeit der Symptome des autonomen Nervensystems mit denen bei etlichen vegetativen Neurosen, dass gleichartige klinische Zeichen, bezogen auf den Karotissinus, denselben efferenten Reflexmechanismus haben. Ob dieser Mechanismus auch bei den tödlich verlaufenden Geisteskrankheiten eine Rolle spielt, bleibt bloße Spekulation. Es gibt noch immer sehr viele Theorien, die der Abklärung bedürfen. Z. B. wurde in einer älteren Studie über die posthumen Untersuchungen von 40 psychiatrischen Patienten, die an einer „akuten Erschöpfung durch Geisteskrankheit“ plötzlich und unerwartet und ohne zufriedenstellende Erklärung gestorben waren, eine Dysfunktion des Hypothalamus als mitwirkende Todesursache vermutet (Thompson 1939.) Dass in der Psychiatrie trotz eingehender Untersuchung vor allem des Herzens und zusätzlicher chemischer Analysen keine Todesursache bei plötzlichen und unerwarteten Todesfällen gefunden wird, ist ein nicht ganz unbekanntes Phänomen (Bitter-Mueller 1980). Die Pathophysiologie des psychogenen Sterbens ist möglicherweise variabel und noch nicht eindeutig geklärt. So wird in der Literatur angesichts der phänomenologischen Heterogenität psychogener Todesfälle eine breite Palette von Modellen diskutiert. Die ältere Literatur berichtet von mutmaßlichen Gründen (Shulack 1938), die zu mehreren Hypothesen für die Pathogenese der tödlichen Katatonie zusammengefasst werden:

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

(1) „Autogener Blutvergiftungstod“: Blutzerfalls-Modell (Scheid 1937; Scheid und Baumer 1937), z. B. kardiovaskulärer Zusammenbruch infolge einer schweren Septikämie oder Toxämie (Derby 1933; Davidson 1934.) Sicher haben solche Effekte in der Psychiatrie eine gewisse Rolle gespielt. Siehe z. B. (Brem 1985). (2) „Adrenalin-Tod“: Sympathiko-adrenales-Modell, d. h. eine plötzliche Atonie des Kreislaufsystems sowie aller inneren Organe infolge Adrenalinmangels (Stefan 1934), oder sogar eine Überaktivierung des sympathischen Nervensystems, was eine Reduktion des zirkulierenden Blutvolumens und schließlich eine Blutdruckversenkung nach sich zieht, die zum Tod im Schockstadium führen kann (vgl. Cannon 1942, 1957). Durch einen Mangel an Wasser und Nahrung wird dies Prozess noch verschärft. Die Idee vom schockartigen emotionalem Stress wird auch durch eine massiv erhöhte Herzfrequenz sowie Blutzucker unterstützt. (3) „Parasympathischer Tod, Typ I“: Käfigsituation-Modell. Hier haben wir z. B. angesichts vollständiger Resignation aus einer Käfigsituation heraus den allmählichen tödlichen Zusammenbruch des Sympathikus durch die chronisch progrediente Gegenregulation durch das parasympathische Nervensystem, der schließlich mit einem Herzstillstand endet. (4) „Parasympathischer Tod, Typ II“: Vagus-Modell, d. h. eine Hypertonie im parasympathischen Vagusgebiet (in den Vaguszentren) (Laurence 1860; Stefan 1935; Richter 1958.)128 Der Vagus-Tod kann als extremste Form der üblichen vagovasalen Synkope oder des Ohnmachtsanfalls im Sinne eines situationsbezogenen Kollapsmechanismus (vgl. Bilz 1966) betrachtet werden. Hier haben wir, z. B. angesichts einer plötzlichen, unerwarteten Krisensituation einen neuralen Reflex, der im Sinne eines akuten, notfallmäßigen Eingriffs des parasympathischen Nervensystems bei einer Übersteuerung des Sympathikus gegenreguliert und im Extremfall mit einem Herzstillstand endet. (5) „Tod durch Emotion“: Limbisches Modell, d. h. Tod durch psychische und emotionale Spannung (Robertson 1923; Gregg 1936). (6) „Autogener Gehirnvergiftungstod“: Dopaminerges Modell (Mann et al. 1986; Kellam 1987). (7) „Unbewusste Konstellation des Todesarchetyps“: Psychogenes Modell (Arnold 1949).

Diese Modelle können bis heute nicht endgültig bewertet werden. Als mögliche Erklärung haben sie bis heute ihre Gültigkeit bewahrt. Die meisten Autoren sind der Meinung, dass die tödliche Form der katatonen Schizophrenie (siehe oben) von keinem eindeutigen, charakteristischen Symptom bzw. keiner eindeutigen Veränderung eines Organs begleitet ist. Es gibt in der früheren Literatur auch Fälle, bei denen der gesamte klinische Verlauf der perniziösen Katatonie von katatonem Stupor und muskulärer Rigidität ohne Hyperaktivität dominiert wird. Auch terminale Krankheiten, falls sie denn aufgetreten sind, waren weder in ihrer Dauer noch in ihrer Ausprägung als Todesursache ausreichend. In den Worten von Arnold: 262

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„Von einer Skizzierung der pathologisch-anatomischen Eigenschaften möchte ich betonen, dass sie vom Standpunkt eines dynamisch-holistischen Zugangs zum Todesprozess her keineswegs befriedigend sind und in der Tat nur das letzte, sichtbar gewordene Glied einer Kette darstellen, da sie uns am Seziertisch nur aus statischer Perspektive zur Verfügung stehen.“129 (Arnold 1949, S. 389–390)

Ein Vergleich mit ähnlichen Spekulationen über die Ätiologie des psychogenen Todes ist sehr interessant. Hierzu erwähne ich z. B. Cannons Vorschlag, „…dass der ,Voodoo-Tod‘ vorkommt und auf einen schockartigen emotionalen Stressor in Form offensichtlichen oder verdrängten Schreckens zurückgeführt werden kann.“130

Er sieht im psychogenen Tod eine adrenale Reaktion des vegetativen Nervensystems, einen Zustand chronischer Hyperaktivität des sympathiko-adrenalen Systems. Entsprechend postuliert er: „Der Puls ist kurz vor dem Ableben schnell und ,fadenartig‘, die Haut kühl und feucht. Eine Auszählung der Thrombozyten oder sogar einfacher, eine Bestimmung des Verhältnisses von Blutzellen zu Plasma mittels Hämatokritwert anhand einer kleinen Blutprobe aus den Gefäßen der Haut kann Aufschluss geben, ob ein Schockzustand vorliegt; denn die Erythrozytenzahl wäre hoch und auch der Hämatokrit würde eine ,Hämokonzentration‘ anzeigen. Der Blutdruck ist niedrig. Der Blutzucker ist erhöht, aber die entsprechende Messung wäre [damals ja, im Gegensatz zu heute mit den einfach zu bedienenden Geräten für die Eigenkontrolle! A. d. V.] unter Umständen in der Praxis zu schwierig.“131 (Cannon 1957, S. 189–190)

Solche Störungen können nach Cannons Auffassung durch Schlaflosigkeit, Unterernährung und Flüssigkeitsmangel verstärkt werden, die den tödlichen Verlauf noch begünstigen. Stumpfe versteht den Vagus-Tod – in Übereinstimmung mit anderen Autoren (Obrist et al. 1969) – noch allgemeiner als einen psychogenen somato-kardialen Hemmungseffekt im Zusammenhang mit der Käfig-Situation (Stumpfe 1973). Hierbei gibt es mehrere Argumente, die dieses Mischmodell stützen. Insbesondere bei Organismen, die sich in Situationen akuter Bedrohung befinden, in denen kein Ausweg durch Flucht oder Kampf möglich ist oder erkannt wird, stellt der somato-kardiale Hemmungseffekt einen aktiven Versuch seitens des Bedrohten dar, Stress zu mindern oder zu umgehen. Bei den dramatischsten Fällen mündet dieser Versuch in Betäubung, Unbeweglichkeit, Bewusstlosigkeit und schließlich gar in den Tod. (Siehe die Diskussion zum „Forced Swim Test“ oben.) Eine Überforderung dieser körperlichen Bewältigungsstrategie führt unter Umständen zu einem plötzlichen, unerwarteten Tod, wie er bei Unfällen, Naturkatastrophen oder akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder anaphylaktischem Schock auftritt. Obwohl es gerade in solchen Fäl263

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

len scheinen mag, als wenn eine psychologische Auseinandersetzung nicht mehr möglich wäre, Angst, Panik und Schrecken die Opfer schier überwältigen, berichten uns Menschen, die mit solch einer unvermittelten und als real und unwiderruflich erlebten Todesdrohung konfrontiert waren (z. B. Überlebende und Reanimierte), „… dass sich aber in der sekundenkurzen Zeit dieses Sterbens viele Aspekte der vom vorbereiteten Sterben her bekannten psychischen Mechanismen abspielen, so dass Angst, Verleugnung, Widerstand und Ergebung wie in Zeitraffung komprimiert erscheinen“ (Strian 1983, S. 325).

Richter schließt sich dem Parasympathikus-Modell an und findet hier zudem eine passende Erklärung für Fälle des psychogenen Todes, die durch „Schreck, Schmerz und eine große Vielfalt anderer störender Stimuli“ (Richter 1958, S. 308) ausgelöst wurden. Er schlägt vor, dass die Opfer im Falle einer Hemmung, ihre Emotionen gegenüber der Umwelt auszudrücken (Richter 1958, S. 305), „…einen sogenannten Vagus-Tod erlitten haben könnten, der eher das Resultat einer Überstimulation des parasympathischen als des sympathico-adrenalen Systems ist“132 (Richter 1957, S. 196).

Bei den von ihm als Arzt in Afrika beobachteten Voodoo-Todesfällen betonte ein Autor, dass weder auffällige affektive noch vegetative Symptome zu beobachten waren (Burrel 1963). Psychopathologisch gesprochen ist das Opfer einer Todesverwünschung, eines „Boning“, eines Tabu-Bruchs, einer lebensbedrohenden, psychotischen Wahnvorstellung o. Ä. nicht bereit zu „Flucht oder Kampf “. Es ist seinem vermeintlich unausweichlichen Schicksal ergeben (Ausweglosigkeit) und resigniert, weil ihm seine hilflose Situation hoffnungslos erscheint. Demzufolge „… mag der Tod durch eine Kombination von Reaktionen bewirkt werden, die alle in die gleiche Richtung zeigen und den Vagustonus erhöhen“133 (Richter 1957, S. 197).

Das bereits diskutierte psychogene Modell von Arnold lässt sich ohne weiteres mit einem anderen Modell vereinbaren, das den psychogenen Tod als Ausbruch einer gravierenden psychosomatischen Krankheit sieht, nicht ungleich einer Asthma- oder Diabetes-Erkrankung, die auch im tödlichen Anfall bzw. hypoglykämischen Schock enden kann (Mathis 1964). Die zugrunde liegende Psychodynamik ist auch mit dem oben diskutierten „Sich-Aufgeben/AufgegebenSein“ vereinbar: Es wurde z. B. vom unerklärlichen, psychogenen Tod eines fünfundzwanzigjährigen psychiatrischen Patienten berichtet (Hyland 1978). Nach Ablauf einer zweijährigen stationären Behandlung und kurz vor einer möglichen Entlassung, als er noch sagte: „Ich habe mich nie zuvor besser ge264

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

fühlt“, wurde er tot im Bett aufgefunden, kurz nachdem sich sein Zustand plötzlich und unerwartet verschlechtert hatte. Der Obduktionsbefund war unauffällig. Im Rückblick findet der Autor, dass eine Art chronische „Gegenübertragungsfixation“ seitens des Patienten dessen psychogenen Tod ausgelöst haben könnte, d. h. die emotionale Trennung durch den Abschied von seinem Therapeuten löste eine akute Regression mit schließlich tödlichen körperlichen Begleitsymptomen aus: der Therapeut gab dem Wunsch des Patienten nach häufigen und außerterminlichen Sitzungen nicht nach, was dieser evtl. als fehlendes Interesse oder gar Ablehnung deutete und ihn, den erst 25-jährigen Mann, in einen tödlichen „Sich-Aufgeben/Aufgegeben-Sein“ Komplex brachte. Diese Modelle scheinen die Bedeutung tiefenpsychologischer Aspekte zu unterstreichen. Bis heute aber bietet kein einziges Modell eine notwendige und hinreichende Erklärung der tödlichen Katatonie oder des psychogenen Todessyndroms im Allgemeinen. Beim Versuch, den Sekundenherztod zu verstehen, stößt man auf ein kompliziertes Zusammenspiel mehrerer Systeme und Organe, das noch weitgehend ungeklärt ist. „Nach den Erkenntnissen aus jüngerer Zeit – vor allem aus den CCU’s (Coronary Care Units bzw. Herz-Intensiv-Stationen) – dürfte zumindest dem akuten psychogenen Tod eine Herzrhythmusstörung im Sinne einer ventrikulären Arrhythmie zugrunde liegen … Obschon in erster Linie Menschen mit koronaren oder myogenen Vorschädigungen gefährdet sind, können ventrikuläre Arrhythmien gelegentlich auch beim Herzgesunden beobachtet werden (Brodsky et al. 1977).“ (Strian 1983, S. 333–334)

Die Annahme der Beteiligung psychischer Faktoren an plötzlichen, unerklärlichen Todesfällen scheint mir unbestreitbar. Und dies steht keinesfalls im Widerspruch zu Autoren, die behaupten: „Jedenfalls ist eines sicher: Jeder unerwartete Tod hat seine ,organische‘ Ursache, oder vielleicht besser: seine organische ,Bahnung‘, nur lässt sie sich bisweilen nicht ,nachweisen‘. Denn der Obduzent kann nur Zustandsdiagnositk betreiben, während das Sterben ein Vorgang ist, der ,mehr zur pathologischen Physiologie denn zur pathologischen Anatomie‘ gehört (Derrick, E.: Med. J. Austral. 3 [1948] 757).“ (Schleyer 1965, S. 1226)

Modelle im Rahmen anderer plötzlicher unerwarteter Todesfälle: SUDS Die Obduktionsbefunde bei den SUDS-Opfern lassen sich in sieben Gruppen einteilen, „…die allerdings zum Teil offensichtlich ineinander übergehen und deren Trennung mehr oder weniger künstlich ist“ (Schleyer 1965, S. 1226–1228):

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

(1) Tod ausschließlich durch Schreck und Angst (2) neurogener Herzstillstand – infolge einer Herzrhythmusstörung (siehe Meier 1988) (3) Todesfälle bei minimalen morphologischen Herzveränderungen (z. B. vorgeschädigte Koronargefäße usw.) (4) akutes Herzversagen im Zustand allgemeiner Erschöpfung (z. B. Karoshi in Japan) (5) Herzversagen durch extremen Blutdruckabfall (6) Tod in einem hyperreaktiven Zustand (z. B. anaphylaktischer Schock) (7) Hypoglykämie, andere Stoffwechselstörungen und Zusammenbruch der Immunkompetenz

Facharzt für Psychiatrie sowie Facharzt und Lehrbeauftragter für Rechtsmedizin Professor Volker Dittmann, erklärt (Imhasly 2009, S. 53): „Bei 5 bis 10 Prozent der Obduktionen findet man tatsächlich keine klare organische Ursache für den Tod eines Menschen.“

Selbstverständlich muss dies nicht bedeuten, „dass in diesen Fällen keine organischen Schäden vorliegen,… bis die medizinischen Untersuchungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.“

In den Wörtern des Schweizer Facharztes für Psychiatrie Thomas Knecht: „Gleichviel, welcher der diskutierten Pathomechanismen im Einzelfall verantwortlich gemacht wird, die Möglichkeit eines psychogenen Todes in stressbelasteten Situationen wirft in forensischem Kontext Fragen von erheblicher Bedeutung auf…“. (Knecht 2009)

Der plötzliche Herztod (SCD = Sudden Cardiac Death) ist für viele SUDS-Fälle verantwortlich, und zwar mit einer jährlichen Inzidenz zwischen 1 : 100 000 und 1 : 200 000 (plus Dunkelziffer.) Sie wird definiert als „nicht erwarteter Herzstillstand innerhalb einer Stunde ohne vorgängige Symptome bei Patienten, die nicht älter als 50 Jahre sind“. (Keller 2008, S. 31)

Neben Asthma, Drogenmissbrauch und Hitzschlag werden mindestens 17 weitere Ursachen kardialer Natur in der Literatur erwähnt, wobei die hypertrophe Kardiomyopathie als Hauptursache gesehen wird (Maron 2003). Der durchgehende Mechanismus des SCD ist bei allen Ursachen „…die Konsequenz einer elektrischen Instabilität und eines myokardialen Substrates mit Reentry ventrikulärer Tachykardien, die zu Kammerflimmern und schließlich zum Herzstillstand führen“. (Keller 2008, S. 31)

Trotz mehrerer groß angelegter Studien in Europa (Corrado, Basso et al. 2005; Corrado, Pelliccia et al. 2005) und den USA (Maron 2003) werden hauptsäch266

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

lich hereditäre, so gut wie nie aber psychologische Risikofaktoren erwähnt (Maron et al. 2003; Maron, McKenna et al. 2003). Dasselbe gilt für die Auslöser, die hauptsächlich bei starker körperlicher Anstrengung, aber auch bei leichter Aktivität oder bradykarden Zuständen während des Schlafs gefunden werden.134 Hier ein aktueller Fall (2009 – private Mitteilung von Frau Dr. med. Annette Rausch, Leitende Ärztin – Psychiatrische Dienste – Biel-Seeland, Berner Jura Schweiz): „Nach wie vor müsse sie permanent daran denken, dass sie so sterben werde wie ihre Mutter, dass sie morgen sterben müsse. Sie erzählte detailliert vom Tod ihrer Mutter: auf der Reise sei es ihr so gut gegangen, sie habe gelacht und gesungen. Bei der Ankunft sei sie nach dem Aussteigen aus dem Auto und während der Begrüßungszeremonie mit den Großeltern in einem unbeobachteten Moment umgefallen. Sie habe über Schmerzen im Brustbereich geklagt. Während die Tochter die Ambulanz rief und der Mutter ein Glas Wasser brachte, habe sie gesagt, dass sie sterben werde und die Augen geschlossen. Der hinzugerufene Arzt habe nur noch den Tod feststellen können. Er vermutete einen Herzinfarkt infolge Thromboembolie nach langem Sitzen auf der Reise (ca. 15 Stunden). Vorher seien keine Herzprobleme bekannt gewesen. Mutter habe sich lediglich wegen langjähriger Ehestreitigkeiten immer wieder müde gefühlt. Möglicherweise habe sie auch den Verdacht gehabt, dass ihr Ehemann sie betrog. Großmutter der Mutter (Urgroßmutter der Pat.) sei ca. 54-jährig plötzlich gestorben. Vater hatte genau 3 Monate nach dem Tod der Mutter einen gravierenden Autounfall, bei dem ihm aber nichts passiert sei.“

Hierzu ein wichtiger Hinweis von Professor Dr. med. Thomas Hardmeier, Facharzt für Pathologie (persönliche Mitteilung 18. 10. 2009): „Zu diesem sehr tragischen plötzlichen und unerwarteten Todesfall erlaube ich mir folgenden Hinweis: die Annahme eines sog. „economy class syndrome“ ist berechtigt. Diese Beobachtung erfolgte vorallem bei Passagieren nach sehr langen Flügen, vorallem wenn sie fast nur sitzen und kaum aufstehen sowie auch zu wenig trinken. Daher werden bei Flügen immer wieder Getränke angeboten. Ich kenne Kollegen, die häufig in die USA oder nach China fliegen und sich dabei prophylaktisch Heparin spritzen, um die Bildung von Blutgerinnseln in den Beinvenen zu verhindern.“

Beim SUDS können auch intrakranielle Prozesse als akute Todesursache eine Rolle spielen (Oehmchen und Gerling 1992.) Außerdem gibt es einen direkten Weg vom Großhirn und den limbischen Strukturen zum Hypothalamus und weiter bis zum Herzen via autonomes Nervensystem. Die Beziehung zwischen Mitralprolaps und malignen Arrhythmien, auch „torsades de pointes“ genannt, die mit dem plötzlichen Herztod in Zusammenhang stehen, ist auch in der neueren Literatur unbestritten, obwohl klare morphologische Hinweise für den Mechanismus fehlen (Schneider 1992; vgl. Schmieder und Messerli 1993; Wyss 267

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

1993, S. 336.) Auf jeden Fall kann eine besondere Empfindlichkeit des Nervus vagus bzw. der Verbindung zwischen Hirn und Herz für viele überraschende Todesfälle als mitverantwortlich angenommen werden. Die zu Grunde liegenden physiologischen Mechanismen könnten auch für den Voodoo-, Tabu-, Heimweh- und Seelentod von Bedeutung sein. Im Gegensatz aber zum klassischen psychogenen Tod findet man beim SUDS noch eine vererbte Vulnerabilität (Wendkos 1979, Kapitel 14, S. 253–280.) Vor allem beim plötzlichen Herztod ist die autosomal-dominant vererbliche hypertrophe Kardiomyopathie mit ihrer ausgeprägten Phänotyp- und Genotypheterogenität eine der häufigsten hereditären Ursachen (Keller, Osswald et al. 2005; Keller, Linka et al. 2005; Keller 2008). Möglicherweise ist die Ausschüttung von Neurotransmittern im Gehirn ursächlich dafür, dass einander widersprechende Signale des Nervensystems den Herzrhythmus unterbrechen und so den plötzlichen Herztod auslösen können. Ein nachvollziehbares Bild der komplexen Rückkopplungsmechanismen sieht etwa so aus (Monagan 1989): In Stress- und Wutsituationen signalisiert der Stirnlappen135 Hypothalamus und Hirnstamm, dass Nebennieren und sympathische Nerven136 Katecholamine ausschütten und zum Herzen befördern. Wenn der Körper richtig funktioniert und normal reagiert, wird gleichzeitig der parasympathische Nerv137 aktiviert, um eine Übererregung und damit ein Kammerflimmern zu verhindern.

Dass dieses Zusammenspiel in gesunder Form als „Tanz“ (deterministisches Chaos) funktioniert, haben empirische Analysen des Herzrhythmus gefährdeter Personen schon gezeigt. Solche Analysen basieren auf den mathematischen Methoden der Chaostheorie (Morfill und Scheingraber 1991; Wyss 1993, S. 336.) In den nächsten beiden Unterkapiteln werde ich Näheres über tödliche Ausbrüche im Nervensystem zu sagen haben, die sich als „Hitzewelle“ oder, falls intensiver, auch als „Sturm“ beschreiben lassen.

Modell einer „Hitzewelle“ im sympathischen Nervensystem: Das bedrückte Herz Diesem Modell eines stressbedingten Herz-Syndroms liegt die kardiovaskuläre Reaktivität auf psychischen Stress zu Grunde. Metaphorisch gesprochen: Das Herz wird langsam zu Tode „gedrückt“. Stress erzeugt eine umfassende Änderung der Aktivität im sympathischen Nervensystem, die ihrerseits eine Erhöhung der kardiovaskulären Funktion und eine Abgabe adrenaler Katecholamine hervorruft. Man vermutet, dass diese Reaktion durch ein gemeinsames neuronales Netzwerk gesteuert wird, das Information sowohl in die sympathischen präganglionalen Neurone als auch in adrenale medulläre Funktionen 268

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

einspeist (Jansen et al. 1995). Somit ruft Stress eine biochemische Reaktion hervor: Eine Erhöhung der Katecholamin-Produktion kann eine kardiale Arrhythmie verursachen. Es ist bekannt, dass bestimmte traumatische Ereignisse, wie z. B. Erdbeben (Trichopoulos et al. 1983; Suzuki et al. 1995; Leor und Kloner 1996; Brown 1999) und Krieg (Meisel et al. 1991; Bergovec et al. 1992), die Stress in der Bevölkerung auslösen, die Häufigkeit letaler und nicht-letaler Myokardinfarkte erhöhen. Aber auch eine Reihe von mehr oder weniger gewöhnlichen Lebensumständen besitzt für die meisten Menschen ein hohes Potential emotionaler Belastung. In der Fachliteratur138 bekannte stressbedingte psychische Faktoren, die das Risiko eines Herzinfarkts erhöhen, sind u. a. • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

Aktivitäten (vor allem Sport (Crampton 2001) und Sex (Muller et al. 1996), (Muller 1999)). Ärger/Aggression (Mittleman et al. 1995) Heimweh (siehe oben) Schuld (Tabu-Verletzungen – (siehe oben) (heftiger) Streit (siehe unten) Mobbing (modernes Voodoo – (siehe oben) Verlust des Arbeitsplatzes Einleitung eines Konkursverfahrens Naturkatastrophe (siehe unten) Überarbeitung (Karoshi – (siehe oben) Überfall (siehe unten) Unfall (siehe unten) Verlust der Wohnung durch Kündigung Verlust eines nahen Angehörigen oder des Lebenspartners durch Trennung, Scheidung oder Tod (Kuller et al. 1987; Lown 1987; Wolf 1987) Eintritt in den Ruhestand (Lown 1987) Stichtage (Feier-/Ferien-/Urlaubs-/Wochenendtage [Haapaniemi et al. 1996], insbesondere Montage [Evans et al. 2000]) und (bestimmte) Tageszeiten (vor allem die Morgenstunden [Behar et al. 1993; Ridker et al. 1990; Willich et al. 1989; Willich 1990; Wroe et al. 1992]), Diagnose oder Verschlimmerung einer gravierenden körperlichen oder geistigen Krankheit (Bell 1977; Tafari et al. 1991; Vinokur und Selzer 1975) psychiatrische Störungen wie z. B. Depression (siehe unten) oder Psychose (siehe oben)

Dazu kommen •



saisonale Unterschiede z. B der Wechsel aus einer überheizten Stube in die kalte Winternacht bzw. das ausgekühlte Auto. Im Sommer sind es u. U. anstrengende Arbeiten wie Rasenmähen bei großer Hitze und nach einer Mahlzeit. (Vgl. Muller et al. 1994; Spencer et al. 1998; Tofler et al. 1990; Willich et al. 1993). die Bedeutung von sozialen Stressoren für die Gesundheit junger Erwachsener (Neuenschwander 2001)

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Ist mit dem Auslöser ein erheblicher Identitätsbruch verbunden, so erhöht sich insbesondere auf dem Boden einer kardialen oder hirnorganischen Grunderkrankung das Risiko, einen plötzlichen Herztod bzw. Anfalltod zu erleiden. Nicht nur die negativen Lebensumstände und belastenden Ereignisse als solche, sondern auch die kognitiv-emotionale Verarbeitung der damit verbundenen Erfahrungen und Erinnerungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Genese einer lebensbedrohlichen Organstörung. Viele intrapsychische Faktoren bedingen auch eine erhöhte Verletzlichkeit oder Gefährdung für die Entwicklung oder Verstärkung einer lebensbedrohlichen Organstörung. Patienten mit gesteigerter Ängstlichkeit und einer Tendenz zur Unterdrückung von Ärger oder Verleugnung bzw. Verdrängung von aversiven Gemütszuständen, wie auch solche mit der Tendenz zu verringerter Wahrnehmung oder Mitteilung negativ gefärbter Gefühle (Typ-D-Persönlichkeit), zeigen besonders ausgeprägte sympathikotone Reaktionen auf psychische Stressoren (Hofmann et al. 1999; Esler et al. 1977; Zotti et al. 1991). Auch für stressinduzierte Verschlimmerungen von arteriellen Herzkrankheiten und kardiovaskulären Symptomen (z. B. Panikstörungen u. a.) ist die kardiale Reaktivität verantwortlich. Die wesentlichen neuronalen Mechanismen, mit denen das Gehirn die kardiovaskuläre Funktion während dieser stressinduzierten Antwort kontrolliert, sind bis anhin nicht ausreichend geklärt. Um diese Mechanismen besser zu verstehen, beobachtete man eine Gruppe von Herzempfängern. Nach einer Herztransplantation ist beim Patienten keine (parasympathische) Vagusmodulation mehr möglich, d. h. kardiale (Herzfrequenz und Schlagvolumen), nicht aber vaskuläre139 Reaktionen auf psychischen Stress werden durch kardiale Denervation geändert. In einer Population von Herzempfängern verglichen mit einer Normalpopulation konnte gezeigt werden, dass die direkte neuronale (sympathische) Erregung des Herzens über das zentrale Nervensystem (ZNS) für die Erzeugung von Tachykardien unter psychischen Stress gravierender ist als der Einfluss peripher zirkulierender Faktoren, wie z. B. Katecholaminen (Shapiro et al. 1994). Gut dokumentierte psychogen ausgelöste Herzrhythmusstörungen und -todesfälle sind in der Fachliteratur zu finden. Ein Artikel im British Medical Journal vom Dezember 2000 berichtet über eine statistisch signifikante Zunahme der Herztodfälle bei holländischen Männern, die am 22. Juni 1996 im Fernsehen das Europameisterschaftsspiel verfolgt hatten, bei dem die holländische Fußballmannschaft ausschied (Witte et al. 2000).

Selbstverständlich ist zu erwarten, dass sich unter diesen Todesfällen auch Menschen mit einem vorgeschädigten Herzen finden, die dann unter der kombinierten Wirkung von psychischem Stress, einer reichlichen Mahlzeit und ent270

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

sprechendem Alkohol- und Zigarettenkonsum (Hilborn et al. 1995; Kauhanen et al. 1997) kollabieren. Das sind jene als „Feiertagstodesfälle“ bekannten Erfahrungen. Dabei besteht der psychische Stress zumeist in Auseinandersetzungen unter Verwandten, die wegen der Feiertage oder, wie in der erwähnten Studie, wegen des Meisterschaftsspiels zusammengekommen sind und reichlich gegessen und getrunken haben. Natürlich wird der Pathologe über die dem Tode vorausgegangenen Emotionen oft nicht informiert, sei es, dass man ihnen keine Bedeutung beimisst oder sogar deren auslösende Wirkung lieber unter Verschluss halten will (Hardmeier 2001). Gleichwohl hat aber das Ritual eines Fußballmatches viel Magisches an sich (Francia 2000), sodass die Niederlage in einem besonders wichtigen Spiels m. E. für den einen oder anderen auch kerngesunden Mann einen modernen Tabubruch mit fatalen oder eben tödlichen Konsequenzen bedeuten kann. Für Pathologen und Epidemiologen bestehen seit je Probleme bei der Untersuchung von Fällen plötzlichen Herztods. Der an sich schon knifflige Gegenstand verkompliziert sich zusätzlich wegen der komplexen kardialen Beschwerden, die zu einem plötzlichen natürlichen Tod ohne Veränderungen der Herzarterien führen können. Für den Vergleich der Häufigkeiten von „sudden arrhythmic death syndrome“ (SADS) mit dem nationalen Register für ungeklärte Todesfälle untersuchte man in England eine Population weißer Kaukasier zwischen 4 und 64 Jahren (Behr et al. 2007).140 Demnach zeigt sich SADS überproportional häufig bei jungen Männern. Vergleicht man mit den offiziellen Sterbetafeln, so kann die Inzidenz bis zu achtfach erhöht sein, dies bei 500 potenziellen SADS-Fällen jährlich in England. Für Familien mit SADS in der Vorgeschichte ist aufgrund einer genetischen Disposition das Risiko für weitere plötzliche Todsfälle erhöht.

Als Ergebnis schließen die Autoren, dass SADS als Todesursache eine vertiefte Bewertung und Interpretation kardiologischer Familiendaten erfordert. Eine andere Evaluation konnte zeigen, dass ein signifikanter Anteil solch plötzlicher Todesfälle auf das Konto hereditärer Herzmuskelkrankheiten (Kardiomyopathien) geht (Davies 1999). Die phänotypische Charakteristik hypertropher Kardiomyopathie und auch arrhythmogener Dysplasie des rechten Ventrikels ist ausgedehnter und umfangreicher als ursprünglich vermutet. Das Herz kann bei der Begutachtung mit bloßem Auge geradezu normal erscheinen. Eine akribische histologische Untersuchung des Myokards ist zwingend erforderlich. Bis zu 200 augenscheinlich fitte junge Menschen, bei denen weder Toxikologie noch genaue Untersuchung des Herzens irgendwelche Gewebeanomalien zu Tage fördern, werden jährlich dahingerafft. Man weiß heute, dass dafür z. T. genetische Defekte der Ionenkanäle (langes QT-Intervall) verantwortlich sind. Eine Untersuchung innerhalb der Familie, kann bei plötzlichen Todesfällen ohne ersichtlichen Grund durchaus zur Ursachenfindung beitragen. 271

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Der genaue Anteil von Fällen plötzlichen Herztods bei SUDS allgemein ist nicht bekannt (siehe oben). Um die Häufigkeit des plötzlichen Herztods und anderer unerklärlicher Todesfälle zu schätzen, wurde in England eine prospektive Studie mit einer geschichteten Zufallsstichprobe von amtsärztlich untersuchten Todesfällen in 83 der 132 gerichtsmedizinischen Zuständigkeitsbereiche erstellt (Bowker et al. 2003). Insgesamt wurde in 4,1 % der SUDS-Fälle unter 65 Jahren keine Ursache gefunden.

Die Autoren schließen daraus, dass erst wenn diese Phänomene mit einer spezifischen Bezeichnung wie „Sudden Adult Death Syndrome“141 belegt werden, man ihre Ätiologie systematisch erforschen kann. Zur Entwicklung einer Methodologie zur Messung von Häufigkeit und Begleitumständen von SUDS bei Erwachsenen infolge kardialer oder ungeklärter Todesfälle in ganz England wurde eine Pilotstudie in 12 der 133 gerichtsmedizinischen Zuständigkeitsbereiche durchgeführt (Bowker et al. 1995). Bei 2 bis 15 % der Fälle könnte der Tod einfach aufgrund eines dysrhythmischen oder eines „Sudden Adult Death Syndrom“ eingetreten sein.

Untersuchungen haben gezeigt, dass eine sympathikotone Aktivierung durch psychische Stressoren sich in vielerlei Hinsicht von sympathischen Antworten auf physischen Stress unterscheidet. Im Vergleich zur körperlichen Belastung resultiert bei mentalem und emotionalem Stress die sympathikotone Hyperregulation (1) in einem ausgeprägten Anstieg von (Nor-)Adrenalin im Blut und (2) in einem rascheren Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg.

Psychischer Stress ist ein zentraler Auslöser von Ischämien142 (Bairey et al. 1991). Emotionale Erregung führt durch aversive Befindlichkeiten (Angst, Ärger, Depression, Enttäuschung, Frustration, Isolation, Käfigsituation, Panik, Spannung, Stress usw.) signifikant häufiger zu Ischämien als eine positive Verfassung mit Glücksempfinden und seelischer Ausgeglichenheit (Guliette et al. 1997). Angst, Depression und Dysphorie als Risikofaktoren für Herzrhythmusstörungen Insbesondere erhöhen generalisierte Angststörungen, Depression oder Dysphorie die Wahrscheinlichkeit einer Herzkrankheit oder sogar des Todes durch Herzschlag. Dies auch, wenn bestimmte die Angst oder Depression begleitende Faktoren wie z. B. Rauchen oder Schlafstörungen in Betracht gezogen weden.143 Es folgt eine Auswahl von Studien zum Zusammenhang zwischen Depression und Angst einerseits und Herzkrankheiten andererseits: •

272

In einer Zweijahresstudie mit ca. 800 stabilen Herzpatienten war der Hauptrisikofaktor für das Auftreten eines ernsthaften kardialen Ereignisses (Herz-

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

tod, Herzinfarkt, Herzstillstand oder nonelektive Revaskularisation) das Vorhandensein einer Depression oder einer generalisierten Angststörung (Frasure-Smith und Lesperance 2008). •

Eine Studie über 13 Jahre von 1981 bis 1994 verglich den Verlauf von etwa 450 depressiven Patienten mit über 1.500 gesunden Probanden und stellten fest, dass diejenigen Patienten mit einer Geschichte von Dysphorie (mindestens 2 Wochen Trauer) eine ca. 2 mal und diejenigen mit einer schweren Depression eine ca. 4,5 mal höhere Wahrscheinlichkeit für einen ersten Herzinfarkt hatten, und dies unabhängig von anderen koronaren Risikofaktoren (Pratt et al. 1996).



Die Autoren einer katamnestischen Studie über 7 Jahre fanden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe heraus, dass Menschen mit einer phobischen Angststörung ein fast dreifach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer tödlichen Herzerkrankung haben (Haines et al. 1987).



Eine weitere Studie mit 34.000 im Gesundheitswesen professionell tätigen Männern zeigte, dass im Vergleich zu ihren emotional ausgeglichenen Kollegen diejenigen Personen mit einer phobischen Angststörung das anderthalbfache, d. h. ein um 50 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer tödlichen Herzerkrankung aufwiesen (Kawachi, Colditz et al. 1994). (Siehe auch Kawachi, Sparrow et al. 1994).



Hausfrauen, die einen Herzinfarkt oder Herzschlag erlitten, hatten über einen Zeitraum von 20 Jahren eine um 50 % höhere Punktzahl auf einer Ängstlichkeitsskala als jene, die herzgesund blieben (Eaker et al. 1992).

Psychischer Stress, insbesondere im Zusammenhang mit einer Depression oder einer Angststörung, kann zur Ausschüttung von Adrenalin und weiteren Hormonen führen, die wiederum Blutdruck und Herzfrequenz maßgeblich beeinflussen. Der kausale Zusammenhang zwischen Depression und Herzinfarkt wirkt nicht nur „top-down“, d. h. von der Psyche in den Körper, sondern auch „bottom-up“, d. h. in umgekehrter Richtung. Von allen Patienten mit Myokardinfarkt entwickeln ca. 20 % eine Depression. Bei diesen ist das Re-Infarktrisiko um das 1,5- bis 2,5-fache erhöht. Mit anderen Worten: Depression stellt ebenso einen Risikofaktor für einen Herzinfarkt dar (psychosomatische Reaktion), wie umgekehrt der Infarkt einen Risikofaktor für eine Depression (somatopsychische Reaktion). Wahrscheinlich gibt es gemeinsame Mechanismen für Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bondy 2004, 2007; Bondy et al. 2003; Bondy et al. 2002). Neue Untersuchungen zeigen bereits einen pathophysiologischen Mechanismus, wie dieser Zusammenhang über eine Interaktion der Achsen: Zentralnervensystem, Hormone, Immunsystem und Zytokine bedingt sein könnte. So könnte eine Dysfunktion im Bereich von Hypothalamus und Hypophyse Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben.144 Ebenso ist das Renin-Angiotensin-System (RAS) auch im Gehirn wirksam.145 Der genaue psy273

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

chobiologische Mechanismus zwischen Stress und einer erhöhten Zytokin-Produktion ist noch unbekannt, während der Zusammenhang zwischen einer erhöhten Zytokin-Produktion und Herzkrankheit bereits viel besser verstanden wird. Bis anhin sind die Daten in Bezug auf den Konnex zwischen Entzündungsparametern, ACE-Polymorphismus, Koronarerkrankung und Depression noch nicht genügend geklärt, um genauere Schlüsse ziehen zu können. Die Herzfrequenzvariabilität (HRV = rhythmische Schwankungen der Herzfrequenz) bietet eine messbare biologische Bezugsgröße für Stresstoleranz und Leistungsfähigkeit und somit ein objektives Maß für die Wirksamkeit gewisser Gegenmaßnahmen bei Stressaufbau wie z. B. der Entspannungsreaktion oder der 4-6-Atemtechnik, die ich in einem zweiten Band einführen werde. Eine verminderte Variabilität der Herzfrequenz erhöht das Risiko eines plötzlichen Herztodes u. a. bei Depressionen und koronaren Herzkrankheiten (KHK): Depressive haben im Vergleich zu Kontrollpersonen eine höhere Herzfrequenz und eine eingeschränkte HRV. Der mögliche Zusammenhang wird um so deutlicher, je ausgeprägter die Depression ist. Folgende Beobachtungen sind hierbei besonders interessant: (1) Eine Depression verdoppelt das Risiko, herzkrank zu werden (Stein et al. 1999) (2) Wenn Herzkranke zusätzlich an einer Depression leiden, nimmt ihr Sterberisiko zu (Carney et al. 2004) (3) Herzfrequenzerhöhung und HRV-Reduktion sind bei herzkranken (Stein et al. 2000) und auch herzgesunden Depressiven charakteristisch (Carney, Freedland und Stein 2000; Hughes und Stoney 2000) (4) Eine psychotherapeutische Behandlung scheint auf Herzfrequenz und HRV depressiver Herzkranker normalisierend zu wirken (Carney; Freedland; Stein et al. 2000).

Drei wesentliche Komponenten werden für die Entwicklung von Herzrhythmusstörungen postuliert (Lown 1987): (1) eine myokardiale elektrische Instabilität (2) eine länger andauernde erhöhte psychische Belastung, z. B. eine Käfigsituation, (3) ein akutes psychosozial belastendes Ereignis.

Die Frage, ob eine myokardiale elektrische Instabilität psychisch dermaßen konditioniert werden kann, z. B. bei den Naturvölkern im Rahmen eines seit Geburt stark geprägten Glaubens an die Macht eines Zauberers oder eines Tabus, dass das ansonsten herzgesunde Individuum nach Verwünschung oder Tabu-Bruch sterben kann, bleibt eine noch offene aber sehr naheliegende Frage.

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Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

Jedenfalls gibt es m. E. einige Parallelen zwischen bestimmten Verläufen psychogener Todesfälle bei Naturvölkern und dem üblichen Verlauf lebensbedrohlicher Arrhythmien (Hofmann et al. 1999): (1) Extrem rapides Einsetzen der Anfälligkeitssteigerung durch akuten Stress. (2) ventrikulären Tachykardien geht meist eine plötzliche Steigerung des Sympathikotonus verbunden mit dem Nachlassen des Vagotonus voraus (Fei et al. 1994; Huikuri et al. 1993). (3) Langsame Erholung von der erhöhten Empfindlichkeit nach Rückzug aus der Stresssituation (Lown et al. 1980).

Hier möchte ich von einer Patientin berichten, bei der das psychologische Zusammenspiel mit der organischen Grunderkrankung erst in einem ausführlichen Gespräch mit der Mutter der Betroffenen ersichtlich wurde. Frau M. E., mit 18 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben. Vier Tage vor dem Tod wurde sie aus einer siebentägigen internistischen Behandlung als gesund entlassen und durfte sofort, d. h. am nächsten Tag (Dienstag) wieder zur Schule (13. Klasse) gehen. Am darauffolgenden Freitagabend fuhr sie zum Wohnwagen ihres Freundes. Ein Anwohner hatte sie am Abend gegen 20.00 Uhr im Bereich des Wohnwagens gesehen. Wie weiterhin bekannt wurde, war der Freund am selben Abend dort nicht angekommen. Er traf erst am darauffolgenden Tag (Samstag) gegen 18.30 Uhr ein. Zunächst hielt er sich im vorderen Wohnbereich des Wagens auf und machte Feuer im Ofen, ohne die Anwesenheit von M. E. zu bemerken. Erst als er später in den Schlafbereich trat, fand er seine Freundin leblos im Bett liegend. Der herbeigerufene Notarzt hat um 22.29 Uhr den Tod der jungen Frau festgestellt. Nach seiner Einschätzung lag der Todeseintritt 8–12 Stunden zurück. Der Grund der vorgängigen klinischen Behandlung waren zwei Anfälle (gegen 17.00 Uhr am Abend vor und gegen 6.00 Uhr am Morgen der Hospitalisation), die die Mutter als epileptische Anfälle gedeutet hatte. Nach Angaben der Mutter hatte M. E. erstmals zwei Jahre zuvor einen Krampfanfall gehabt. Eine Epilepsie konnte nach einem MRI (Magnetresonanztomographie, zu „Magnetic Resonance Imaging“) nicht diagnostiziert werden. Auch ein Schlafentzugs-EEG zeigte keine Anzeichen erhöhter cerebraler Anfallsbereitschaft. Man empfahl eine Behandlung in einer psychiatrischen Klinik. Die Betroffene war einverstanden und wollte die Behandlung nahtlos fortsetzen. Leider war in der Klinik nicht sofort ein Platz frei. Vier Tage später wurde die junge Frau von ihrem Freund tot aufgefunden (siehe die Abhandlung zu SUDEP unten). Der Obduktionsbericht schloss ein Verbrechen, Suizid oder Einwirkung von Drogen sicher aus. Aufgrund der gutachterlichen Beurteilung der Rechtsmediziner „ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Krankengeschichte der Betroffenen auch bei Fehlen pathologischer Befunde im Gehirn das Krankheitsbild einer genuinen Epilepsie nicht auszuschließen. … Nach den im Klinikum … durchgeführten diagnostischen Untersuchungen, sowie Bewertungen,

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ist am ehesten von einer psychogenen Genese der berichteten Krampfanfälle auszugehen.“

Ein ausgiebiges Telefonat mit der Mutter offenbarte, dass ihre Tochter insgesamt drei Anfälle hatte, wobei (1) eine physische Belastung allen drei Attacken vorangegangen und (2) eine chronische psychische Belastung bzw. Stresssituation vorhanden war.

Der erste Anfall geschah am Abend nach einer anstrengenden Radtour und im Rahmen einer belastenden Liebesgeschichte; der zweite Anfall mitten in einer großen Bühnenbild-Arbeit während eines hitzigen Streitgesprächs am Telefon; der dritte und fatale Anfall ereignete sich in einem abgelegenen Wohnwagen, der nur nach einer anstrengenden, etwa drei Kilometer langen Wanderung leicht bergauf zu erreichen war. An diesem Wochenende sollte sie sich unter Notendruck auf eine Chemie-Klausur vorbereiten, das Angstfach der jungen Frau.

Modell eines „Sturms“ im sympathischen Nervensystem: Das gebrochene Herz Das Hirn hat Herz. Und das Herz kann brechen. Hier haben wir das Syndrom des gebrochenen Herzens. Wir haben im letzten Abschnitt gesehen, dass sogar schon milder Stress oder diffuse Angst Atemnot oder Arrhythmien verursachen können, was – besonders wenn chronifiziert – eine erhöhte Wahrscheinlichkeit tödlicher Konsequenzen nach sich ziehen kann. Aber die potenziell akut tödliche Wirkung des Gehirns auf das Herz ist bis heute eher ein Randgebiet der Schulmedizin. Dessen ungeachtet können intensive emotionale Reaktionen auf die negativen (Ärger, Angst/Furcht, Ekel, Langeweile, Trauer/Gram) und auch auf die positiven (Erleichterung, Freude, Liebe, Motivation und Überraschung) Basisemotionen das Herz dermaßen mit Stresshormonen (insbesondere Adrenalin und Noradrenalin) überfluten, dass Zellen absterben und sichtbare Spuren in der Herzmuskulatur hinterlassen (Corr et al. 1987; Davis und Natelson 1993). Ursache der erhöhten Katecholaminspiegel könnte nach bisherigen Erkenntnissen eine Überaktivität des autonomen Nervensystems sein, das durch die plötzliche Belastung zuviel Stresshormone produziert. Sogar die Aufregung beim vermeintlich harmlosen Verfolgen eines Weltmeisterschaftsspiels im Fußball kann das Risiko eines plötzlichen Herztods besonders innerhalb der ersten beiden Stunden nach Beginn des Spiels mehr als verdoppeln (Wilbert-Lampen et al. 2008) – siehe oben. Diese Erkenntnis ist für die Medizin eigentlich nicht neu. Schon vor 2300 Jahren kam der Arzt Erasistratos, der am Hof des Königs Seleukos I. („Nikator“) in Mesopotamien diente, auf die Idee, dass Liebeskummer für den Zustand des 30-jährigen, im Sterben liegenden Prinzen und Thronfolger Antiochos 276

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

verantwortlich sein könnte. (Objekt des Liebeskummers war die junge zweite Frau seines Vaters, Stratonike, d. h. seine eigene Stiefmutter – ganz im freudianischen Sinne) (Müri 1962, S. 41–45). Plötzlicher, unerwarteter emotionaler Stress kann eine extreme, obschon reversible Dysfunktion der Herzkammer bei ansonsten gesunden Personen verursachen (Wittstein et al. 2005), die u. U. sogar in den Tod mündet. Solch ein HerzSyndrom ist in der Fachliteratur als Stress-(Tako-Tsubo)-Kardiomyopathie bekannt. Es sind selbstverständlich auch andere Ursachen für den plötzlichen Herztod denkbar.146 Die Stress-(Tako-Tsubo)-Kardiomyopathie oder transiente linksventrikuläre apikale Ballonierung (apical ballooning) (Fritz et al. 2005) ist eine seltene, akut einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels.147 Fast allen Patienten ist gemeinsam, dass die Symptome kurz nach einem emotional belastenden Ereignis einsetzen, seien es der Tod einer nahestehenden Person, Trennung vom Partner, Unfall, Überfall, Naturkatastrophe (Sato et al. 2006; Watanabe et al. 2005), heftiger Streit, Verlust der materiellen Existenz oder die Diagnose einer schweren Erkrankung. Die Stress-(Tako-Tsubo)-Kardiomyopathie wurde 2002 erstmals in der Fachliteratur vorgestellt (Kurisu et al. 2002). Bei dieser Störung gleicht die linke Herzkammer am Ende der Systole der Form einer japanischen Tintenfischfalle, eine Art Krug mit kurzem Hals. Entsprechend hat S. Kuriso ihr den Namen „Tako-Tsubo-ähnliche links ventrikuläre Dysfunktion“ gegeben. Ursache für diese Form ist vermutlich eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels infolge einer krampfartigen Verengung mehrerer Herzkranzgefäße (Koronarspasmen) (Dote et al. 1991). Seit der Namensgebung entstand ein veritabler Sturm von Publikationen zu diesem Thema, die ich hier nur zum Teil angebe.148 Erst im März 2006 wurde die Stress(„Tako-Tsubo“)-Kardiomyopathie neben der Myokarditis als erworbene primäre Kardiomyopathie von der American Heart Association (AHA) klassifiziert (Maron et al. 2006). Der Begriff „gebrochenes Herz“ wird normalerweise für ein psychisches Leiden, vor allem Trauer und Gram nach Beziehungsverlust gebraucht (Han und Oh 1990; Pike 1983). Den Namen „Gebrochenes-Herz-Syndrom“ im buchstäblichen Zusammenhang mit einem physiologischen Vorgang im Herzen habe ich erstmals im Jahre 2000 in einer Arbeit zu SIDS (Sudden Infant Death Syndrome, plötzlicher Kindstod) infolge einer angeborenen hypoplastischen linken Herzkammer gesehen (Pager 2000). Bei diesem von C. K. Pager dokumentierten SIDS-Fall lag aber keine Kardiomyopathie der linken Herzkammer vor. In Anbetracht der klaren Beeinträchtigung der linken Herzkammer und wie mehrmals in diesem Buch schon betont wurde, spielen bei SIDS m. E. psychologische Faktoren so gut wie keine Rolle.

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Dieses Syndrom im Zusammenhang mit ernsten, lebensbedrohlichen Komplikationen wird gegenwärtig von mehreren Autoren als die physiologisch nächstliegende Erklärung des plötzlichen psychogenen Ablebens gesehen. In letzter Zeit gibt es viele Publikationen, die die physiologische Stress-(TakoTsubo)-Kardiomyopathie in klaren Zusammenhang mit psychischen Faktoren bringen.149 In der Akutphase gleichen die Symptome denen eines Herzinfarktes, vor allem plötzlich beginnende heftige Brustschmerzen (Angina pectoris) und Atemnot (Dyspnoe).150 Die belegte Wahrscheinlichkeit ernsthafter Komplikationen reicht von 19 % (Donohue und Movahed 2005) bis zu 50 % (Bahlmann et al. 2008; Schneider 2006). Kardiogener Schock und ernste Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Tachykardie oder Kammerflimmern) treten bei einer Minderheit (< 20 %) der Patienten auf. Als diagnostische Kriterien für die Stress-Kardiomyopathie gelten (Schneider B 2006; (Stollberger et al. 2005; Wittstein et al. 2005): •

eine vorübergehende Bewegungsstörung der linken Herzkammer, die nicht dem Versorgungsgebiet eines Herzkranzgefäßes entspricht,



der Ausschluss von höhergradigen Verengungen der Herzkranzgefäße,



neu auftretende EKG-Veränderungen ähnlich denen eines Herzinfarkts und



die zeitliche Nähe zu einer vorausgegangenen Stresssituation.

Die körperliche Untersuchung kann sowohl normale Befunde ergeben als auch Zeichen der Herzinsuffizienz oder einen dritten Herzton oder Rasselgeräusche über der Lunge. 2004 wurde erstmals über zwei Schwestern mit Apical ballooning berichtet, was eine genetische Veranlagung vermuten lässt (Pison et al. 2004). Anlässlich des Nachweises einer Infektion mit dem Zytomegalievirus bei einem Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom wurde 2006 auch eine mögliche Verursachung durch Viren diskutiert (Greco et al. 2006). Die stressinduzierten Veränderungen am Herzmuskel bilden sich in der Regel innerhalb von Wochen vollständig zurück, auch das EKG normalisiert sich meist (Fazio et al. 2007), (Nepal 2007). In einer 2005 publizierten Übersicht aller bis dato veröffentlichten Fälle wird eine Mortalität von 3,2 % angegeben (Donohue und Movahed 2005). (Siehe auch Movahed und Donohue 2007). Nach überstandener Akutphase scheint das Risiko für ein Rezidiv gering zu sein.151 Einzelheiten zur erhöhten Blutkonzentration von Stresshormonen aus der Gruppe der Katecholamine, zur Erhöhung der Konzentration sogenannter kardialer Marker wie Troponin und Kreatinkinase (CK) im Serum, zur erhöhten Konzentration des „Brain Natriuretic Peptide (BNP)“ (Schneider 2006) und zur möglichen Verwechslung von Tako-Tsubo-ähnlichen Ereignissen mit Ereignissen durch tumorbedingte erhöhte Katecholamin-Konzentrationen (z. B. 278

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

Phäochromozytom/katecholamin-produzierender Tumor der Nebenniere) (Spes et al. 2006) sind in der Literatur zu finden und würden den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Mangels entsprechender Therapiestudien gibt es leider keine durch objektive Daten abgesicherte Standardtherapie der Stress-Kardiomyopathie. Aufgrund der hohen Komplikationsrate im Akutstadium wird eine Monitorüberwachung auf der Intensivstation vorgenommen. Da die hohen Katecholaminspiegel als Ursache angesehen werden, wird zur Zurückhaltung bei der Zufuhr weiterer Katecholamine geraten. Für Patienten im Schock wird eine vorsichtige Volumenzufuhr empfohlen, gegebenenfalls auch die frühzeitige Anwendung der intraaortalen Ballonpumpe (IABP.) Analog zur Therapie der Phäochromozytom-Krise können Alphablocker und bei hämodynamisch stabilen Patienten Betablocker sinnvoll sein. Verlässliche epidemiologische Daten fehlen. Das Wissen über die StressKardiomyopathie stützt sich auf Einzelfallschilderungen (Davies 1997) und die Beschreibung von Kleinstserien mit wenigen Patienten (Davies 1992). Bis Mitte 2006 wurden weltweit nur etwa 700 Patienten mit einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie beschrieben, davon etwa 400 in Japan und jeweils etwa 150 in Europa und Nordamerika. Seit 2004 wurde auch über Patienten in Australien und Südamerika berichtet, so dass von einer weltweiten und bislang unterschätzten Verbreitung ausgegangen wird (Schneider 2006). Anhand jeweils geringer Patientenzahlen wurde festgestellt, dass in Japan 1,2 bis 2,2 %, in den USA etwa 2,2 % und in Deutschland 2,3 bis 2,6 % aller Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom an einer Stress-Kardiomyopathie litten (Schneider 2006). Die 5 Fälle mit Tako-Tsubo-Kardiomyopathie von insgesamt 215 untersuchten Patienten (148 Männer + 67 Frauen) waren alle Frauen (Durchschnittsalter+/–SD = 61+/–12). Der Anteil der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie-Patienten betrug 2,3 % (5/215) in der Gesamtstichprobe, und immerhin etwa 7,5 % (5/67 Patientinnen) unter den weiblichen Probanden (Wedekind et al. 2006). In einer Metaanalyse waren mehr als 90 % der Patienten mit TakoTsubo-Kardiomyopathie weiblich (Donohue und Movahed 2005) – siehe auch (Weil et al. 2006). Offenbar handelt es sich bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie um eine Krankheit, die vorwiegend Frauen betrifft. Dr. Martin A. Samuels von der Harvard Medical School hat eine vereinheitlichende Hypothese vorgeschlagen, um alle Formen des herzbedingten plötzlichen Todes zu erklären. Seine Idee basiert auf der anatomischen Verbindung zwischen Nervensystem, Herz und Lunge (Samuels 1997). Unter der Vignette „autonomer Sturm“ postuliert er eine primäre Überaktivität des sympathischen Zweigs des autonomen Nervensystems zusammen mit einer sekundären katecholaminen Toxizität als gemeinsamen Nenner für die bekannten Ursachen eines funktionalen Herzstillstands aufgrund einer ventrikulären Arrhythmie. 279

Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Biochemische Modelle Andere Autoren haben vor kurzem versucht, die molekularen Vorgänge der Entspannung aufzudecken, und so einen möglichen biochemischen Mechanismus für die todbringende Wirkung von chronischem oder akutem Stress vorgeschlagen. Die Erklärung basiert auf wohlbekannten molekularen und physiologischen Prozessen unter Berücksichtigung unseres aktuellen Verständnisses von Mechanismen des zentralen und peripheren Nervensystems (Stefano et al. 2006). Zentral in dieser Hypothese ist die Wichtigkeit von Norepinephrin, Stickstoffoxyd (NO), Dopamin und Endorphin, die als Botenstoffe im zentralen sowie auch im peripheren Nervensystem fungieren. Stickstoffmonoxyd und Endorphin kontrollieren Katecholaminprozesse auf vielen Ebenen, einschließlich Synthese, Ausschüttung und Wirkung. Im Fall von akutem oder chronischem Stress bzw. einer andauernd belastenden, entzündungsfördernden Beeinträchtigung des Organismus wird ein Überschuss an NO produziert. Dies kann als ein verzweifelter biochemischer Versuch verstanden werden, eine potenziell zerstörerische Entgleisung zu verhindern wie auch durch Antigene bedingten Stress zu überwinden. Fatalerweise ist aber ein Überschuss an NO giftig (Stefano et al. 2001). Über diesen Mechanismus könnte Stress bestimmte degenerative Erkrankungen begünstigen (Esch et al. 2002; Esch und Stefano 2002; Fricchione et al. 1996). Die Autoren stellen fest, dass genügend Daten vorhanden sind, um diese Phänomene tatsächlich als körperliche Prozesse; dieses Wissen wiederum könnte insgesamt für die Entwicklung besserer Behandlungsmethoden eingesetzt werden. Über Studien zur Informationsverarbeitung auf der molekularen Ebene bringt uns die Wissenschaft allmählich näher zu einem besseren Verständnis der Mind-Body-Schnittstelle.

Intensivierung einer Organstörung via Psyche Hier möchte ich in erster Linie von tödlichen Organstörungen an Hirn oder Herz sprechen, die als pathologisch-anatomisch und chemisch-toxikologisch nicht fassbare Todesursachen fungieren und durch psychische Faktoren angeschaltet bzw. verstärkt werden können. Im Allgemeinen sind Mediziner zu stark auf die mit Labormethoden fassbaren Ursachen und Parameter fixiert und vergessen, dass sich auch im Untergrund der Psyche einiges abspielt, das Folgen haben kann. In diesem Zusammenhang möchte ich drei Klassen von Störungen nennen: • • •

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SUDEP: Sudden Unexpected Death in Epilepsy Rhythmogener Herztod Labile Eurhythmie

Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

Sudden Unexpected Death in Epilepsy (SUDEP) Das Fehlen morphologisch-pathologischer Befunde im ZNS schließt das Krankheitsbild einer genuinen Epilepsie nicht aus. Grundsätzlich kann im anfallsfreien Intervall ein EEG unauffällig sein. Nach Literaturangaben ist mit einem Fall von SUDEP unter 3.000 Epileptikern pro Jahr zu rechnen (Opeskin et al. 2000). Bei psychogenen Anfällen zeigen Antiepileptika übrigens keine Wirkung nach dem Motto: Gegen etwas Nichtmaterielles kann Materielles nichts ausrichten. (Siehe z. B. So 2008; Nashef et al. 2007; Langan et al. 2005; Stollberger und Finsterer 2004; Langan 2000; Annegers und Coan 1999; Kloster und Engelskjon 1999; Redmond 1996). Wegen der Rarität des Syndroms besteht unter den Autoren Uneinigkeit drüber, ob man die Patienten über die möglichen tödlichen Konsequenzen informieren soll oder nicht (Beran et al. 2004; Beran 2006; Black 2005; Brodie und Holmes 2008; Morton et al. 2006). Auch bei Tieren ist SUDEP nicht unbekannt (Akos et al. 2009; Scorza et al. 2009). Rhythmogener Herztod Nach wie vor ist ungeklärt, auf welche Weise die neuronale Aktivität die Anfälligkeit des Herzens für Kammer-Tachykardien fördert. Möglicherweise sind Veränderungen des arteriellen Tonus oder des venösen Kalibers der Herzkranzgefäße daran beteiligt (Lown 1987). Wahrscheinlicher aber ist eine direkte Wirkung auf das Myokard, wobei durch adrenerge Stimulation die Refraktärzeit der Herzkammer gesenkt und deren Erregbarkeit erhöht wird (Hofmann et al. 1999). Klinisch können arrhythmogene Herzanfälle ähnlich verlaufen wie ein epileptischer Anfall. (Vgl. Herrschaft 1990). „Histologische Untersuchungen des Erregungsbildungs- und -leitungssystems des Herzens können beim Verdacht auf einen rhythmogenen Herztod – aber auch bei ungeklärten Todesfällen – zur Klärung der Todesursache beitragen.“ (Dr. med. Fred Zack im Jahre 2009, www.uni-rostock.de/fakult/medfak/remed/ forschung/schwerpunkte/rhythmogenerherztod/index.html)

Da die Störung primär die elektrophysiologischen Vorgänge am Herzen betrifft, kann der Sektionsbefund dennoch unauffällig sein. Es kommen prinzipiell auch andere Reizbildungsstörungen am Herzen in Frage, z. B. das Sick-Sinus-Syndrom mit einem plötzlichen Herzstillstand. Eine makropathologische Untersuchung des Herzens kann, muss aber diesbezüglich keinen Aufschluss geben. Selbst wenn EKG-Befunde mit Herzrhythmusstörungen bekannt sind, kann man pathologisch-anatomisch nicht beweisen, dass derartige Rhythmusstörungen den Tod ausgelöst haben (Schneider 1992).

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Wissenschaftliche Grundlagen psychogener Todes- (und Heilungs)phänomene

Labile Eurhythmie Zur Auslösung von Herzrhythmusstörungen müssen eine prädisponierende und eine auslösende Ursache zusammenwirken. Dies rechtfertigt die Annahme eines Zustandes, den man als labile Eurhythmie bezeichnen kann. Hünig und Viets haben 1964 (Hünig und Viets 1964) über „ein 14-jähriges, klinisch herzgesundes Mädchen berichtet, das seit dem 9. Lebensjahr an Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust litt. Die Auslösung derselben erfolgte häufig durch freudige überraschungen. Zunächst wurde das Krankheitsbild in den Formenkreis der Epilepsie eingeordnet. Das Anfallsleiden ließ sich dann dank einer klinischen Beobachtung eindeutig auf ein paroxysmales Herzkammerflimmern zurückführen. Bemerkenswert war weiterhin, dass die Anfälle durch einfache (sic!) Suggestivfragen innerhalb weniger Sekunden ausgelöst werden konnten. Wegen der Reproduzierbarkeit des Kammerflimmerns war es möglich, ein EKG über die ganze Dauer eines Anfalles (138 Sek.) zu schreiben.“ Die Hypothese einer labilen Eurhythmie ist „deshalb vertretbar, weil u. E. nur so das wenige Sekunden lange Intervall zwischen „suggestiver Anrede“ oder seelischem Eindruck und Einsetzen des Kammerflimmerns und damit die funktionelle Auslösung der Anfälle zu erklären ist.“

Die Beobachtung von Hünig und Viets gibt Anlass, bei jedem Anfallsleiden mit ausgeprägter zerebraler Symptomatik – auch beim Jugendlichen – eine intensive kardiale Diagnostik und Beobachtung vorzunehmen. Die kardiale Genese eines Anfallsleidens ist durch einen normalen Herz- und Kreislaufbefund im Intervall nicht auszuschließen.

Vortäuschung von psychogenem Tod durch übersehene tödliche Organfehler Es gibt einige innere Ursachen, die einen psychogenen Todesfall vortäuschen können. Dies vor allem, wenn die klinischen Untersuchungen zu wenig ausgedehnt waren und/oder keine Autopsie erfolgt ist. So wird der Anteil der ungeklärten und daher zum Teil als psychogen interpretierten Todesfälle kleiner werden. Mit anderen Worten: Ich muss meine obigen Überlegungen umkehren und auch die Frage beantworten: „Welche Organstörungen, in erster Linie an Hirn oder Herz, können psychische Störungen und sogar den psychogenen Tod vortäuschen?“ Die Antwort könnte einen Beitrag leisten, derartige Zwischenfälle durch geeignete therapeutische Maßnahmen zu verhindern. Hierzu ein Beispiel: Eine 52-jährige Patientin litt seit rund einem Jahr vor ihrem Tod an Panikattacken, die als Folge einer Dyspnoe interpretiert wurden. Diese z. T. vom Ehemann beobachteten Attacken gingen mit Erstickungsgefühl und Todesangst einher. Besse-

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Medizinische Modelle des psychogenen Todesphänomens

rung erfolgte bei der Einnahme von Nitroglyzerin. Eine letzte Attacke führte zur notfallmäßigen Hospitalisation im Universitätsspital Zürich, wo die Patientin jedoch nicht mehr aus dem Koma erwachte und 18 Tage nach dem Ereignis verstarb. Mit Hilfe eines Echokardiogramms konnte die Diagnose einer sog. „Isolated Noncompaction“ des Myokards der linken Herzkammer und dadurch ausgelöste Anfälle mit Kammerflimmern schließlich noch gestellt werden (vgl. Jenni et al. 1999; Ritter et al. 1997). Geändert hat das am Schicksal der Patientin leider nichts mehr.152

Diesen Fall hätte man ohne weitere Abklärung vermutlich als psychogenen Todesfall im Rahmen eines Hyperventilationssyndroms interpretiert: So wurde der Fall im April 2001 im Klinisch-Pathologisch-Anatomischen Kolloquium (CPC) am Universitätsspital Zürich unter der Überschrift: „Fatale Panikattacken“ angekündigt.

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Ausblick

Das vorliegende Werk befasst sich ausschließlich mit dem Phänomen der Vorstellungskraft als Gift. Und die Imagination wird erst dann giftig, wenn dem Opfer eine Information mitgeteilt wird, die seiner konstruierten Vorstellungswelt entsprechend die Gewissheit zur Auslösung eines Sterbeprozesses beinhaltet. Somit kann sman sagen: Information kann töten. Ob Information auch heilen kann, d. h. inwiefern die Vorstellungskraft dem Menschen genauso gut als Heilmittel dient, ist Thema eines nachfolgenden Bandes.

Abschließende Gedanken zum Phänomen „Psychogener Tod“ „Die Nostalgie ist für die Psychologie und psychische Heilkunde von dem größten Interesse. Sie verstattet tiefe Blicke in das innere Seelenleben des Menschen, in den Zusammenhang und die Wechselwirkung zwischen Seele und Leib. Sie ist zugleich, da sie durch rein psychische Einwirkungen entstehen, fortdauern, an den Rand des Grabes führen und dennoch wieder verschwinden kann, die gründlichste Widerlegung jeder einseitigen Theorie, welche psychische Krankheit stets von somatischen Uebeln herleitet, und nur von somatischen Heilmitteln und Arzneien ihre Beseitigung erwartet.“ (Busch et al. 1841, S. 323)

Was hier für das Heimweh festgestellt wurde, kann genausogut für den psychogenen Tod allgemein behauptet werden. In diesem letzten Kapitel möchte ich nun die wesentlichen Punkte meiner Arbeit noch einmal zusammentragen. Wir haben im Verlauf unserer Untersuchung psychogener Todesfälle bei den Naturvölkern, aus biblischen Überlieferungen, im Alltag des modernen zivilisierten Lebens und aus der klinischen Praxis einige wichtige Erkenntnisse gewonnen: •

Die eigene Vorstellungskraft kann einen entscheidenden Einfluss auf den Augenblick des Todes haben.



Es gibt für den Menschen – mächtige Personen (Voodoo), – unantastbare Verbote gegenüber speziellen Objekten, Orten oder Zeiten (Tabu), – ausweg-, hilf- und hoffnungslose Situationen der emotionellen Isolation (Heimweh), mit denen er sein ureigenes Lebensprinzip in seelischer Hinsicht untrennbar verknüpft. Dies so sehr, dass er schon allein an der Vorstellung sterben kann,

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Abschließende Gedanken zum Phänomen „Psychogener Tod“

eine der oben genannten Bedingungen, die für die Auslöschung oder den Erhalt seines Lebens hinreichend bzw. notwendig ist, erfüllt bzw. nicht erfüllt zu haben. •

Die soziopsychobiologische Evolution hat die Entwicklung einer erhöhten Sensibilität möglicherweise genetisch begünstigt. Sie kann eine seelische Verletzlichkeit oder Belastungsfähigkeit unter Umständen tödlich erhöhen bzw. senken und führt zu einem vierten Formenkreis des psychogenen Todes, dem Seelentod: Unbewusste geistige Aktivitäten können innere Bilder aufrufen, mit denen der Mensch sein ureigenes Lebensprinzip in seelischer Hinsicht untrennbar verknüpft (Besessenheit). Dies so sehr, dass er schon allein durch die vorgestellten Bilder sterben kann, sofern sie ihn durch ihre autonome letale Dynamik dazu bewegen sollten (z. B. bei plötzlichen unerwarteten Todesfällen in der Ausschaffungshaft oder bei perniziöser Katatonie oder beim endgültigen und bewussten Austritt eines Yogi aus seinem Körper [Mahasamadhi]).



Einerseits könnte die Veranlagung zu erhöhter Sensibilität auf die individuelle Gesundheit im Sinne eines zusätzlichen Kontrollsystems wirken, das im Zusammenspiel mit anatomischen, chemischen und elektrischen Einflüssen innerhalb des Körpers funktioniert und insbesondere die kontextbezogen organisierte (im Sinne des Binding) Informationsverarbeitung des GeistGehirns gewährleistet. Auch für die soziale Kooperation könnte sie gleichermaßen vorteilhaft sein. (Die Vorteile solch einer Sensibilität zur Stärkung der Immunabwehr durch Vorstellungskraft ist Thema des obenerwähnten zweiten Bandes.) Andererseits und im Rahmen des psychogenen Todes verstärkt diese inhärente soziale Kooperation die tödliche Wirkung kollektiver Glaubenssätze auf das Opfer nach einer Verfluchung oder einem Tabu-Bruch im Sinne einer „fokussierten Bannung“, die das Sich-Aufgeben/AufgegebenSein des verfluchten bzw. sündigen Individuums bis zu einem tödlichen Grad steigert. Auch begünstigt derselbe Gruppenzusammenhalt das Gefühl des Anders- und Alleinseins des Außenseiters, insbesondere das des im Ausland lebenden, an Heimweh leidenden und sterbenden Menschen.



Es ist im Kontext der darwinistischen Evolutionstheorie leicht nachvollziehbar, dass diese psychogenen Todesarten sich im Wesentlichen als unglückliche anthropologische „Nebenprodukte“ eines Überlebensvorteils entwickelt haben, der vermutlich schon in der Jäger-Sammler Zeit vor mindestens ca. 10.000 Jahren wirkte.



Zwischen Körper und Geist existiert keine klare, eindeutige Grenze. Die Grenzziehung zwischen Soma und Psyche hat einen epistemiologisch zweckgebundenen Sinn, aber keinen Anspruch auf Wahrheit: Sie existiert erst, wenn wir sie gezogen haben, ihre Ortung ist mehr oder weniger willkürlich, während die psychischen und körperlichen Tatsachen an sich unverändert fortbestehen. Das Körper-Geist-Problem wurde hier im Sinne einer Zweieinigkeit (Biunity) dessen verstanden, was wir normalerweise „Körper“ und dem, was wir normalerweise „Geist“ nennen.

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Ausblick

Folgende Eigenschaften des psychogenen Todesprozesses wurden anhand verschiedener Beispiele dargestellt: •

Der psychogene Tod ist ein zeitgleiches Zusammenspiel von soziologischen, psychologischen und körperlichen Faktoren. Der entsprechende soziopsychosomatische Komplex, den ich hier den Todesarchetyp genannt habe, wird zugleich in der Volksseele (Kollektives Unbewusstes), im Geist und im Körper des Betroffenen im Sinne des psychophysikalischen Parallelismus konstelliert.



Die Konstellation des Todesarchetyps führt, tiefenpsychologisch gesprochen, über einen veränderten Bewusstseinszustand psychoseähnlicher Art zum außergewöhnlichen Bewusstseinszustand des psychogenen Todesprozesses. Dieser Prozess ist durch Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und emotionelle Isolation im Kontext einer Käfigsituation charakterisiert und kann im Extremfall in das plötzliche, unerwartete Ableben des Individuums münden.



Unter bestimmten ungewöhnlichen Umständen kollektiver Spannung und Angst kann der psychogene Tod sich kollektiv als Massenpsychose bzw. als Massensterben manifestieren. Solche Massenphänomene sind im Mittelalter in Europa als Veitstanz153 (auch „St. John’s Dance“, „St. Guy’s Dance“, „Chorus Sancti Viti“ oder einfach Tanzmanie genannt: vgl. Burton 1621; Bailey 1721; Andree 1746; Tweedie 1840 und Oxford 1971) und nachweislich vor dem Zweiten Weltkrieg zur Zeit des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland (März 1938) als perniziöse Katatonie manifest gewesen.



Aus einer mythopoetischen Perspektive wird der psychogene Tod transzendent im Kontext eines „Besuchs“ des Todesarchetyps aufgefasst. Dieser Archetyp wird unabhängig von Zeitepoche und Kultur in den verschiedensten mythologischen und religiösen Traditionen bildhaft dargestellt, z. B. in Judentum und Islam als Todesengel. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive verstehe ich den psychogenen Tod emergent im Kontext einer Zweieinigkeit von Körper und Geist bzw. von Gehirn und Bewusstsein.



Einmal heraufbeschworen kann die Konstellation des Todesarchetyps bzw. der psychogene Todesprozess nur unter den profundesten Appellen an die Vorstellungskraft des Betroffenen, durch die die erwartungsvolle Aufmerksamkeit des Individuums überzeugend auf sein Heil fokussiert wird, oder durch die extremsten physiologischen Interventionen (z. B. Elektroschock) rückgängig gemacht werden.

Mit Hexerei, Zauberkraft, primitiver seelischer Konstitution oder Esoterik hat das psychogene Todessyndrom nichts zu tun, hingegen sehr viel mit der Macht der Seele. Entscheidend ist die Gewissheit des Betroffenen, dass er sich in einer ausweg-, hilf- und hoffnungslosen Lage, d. h. in einer Käfigsituation befindet, auch wenn das objektiv vielleicht gar nicht der Fall sein mag. Die Betroffenen sehen sich selbst wie in einem unsichtbaren Käfig ohne Türen: Der Verhexte glaubt fest an die Macht des Zauberers; der Tabu-Brecher ist überzeugt, dass ihn sein Verstoß gegen die ehernen Gebote oder das Eintreten eines ihm un286

Abschließende Gedanken zum Phänomen „Psychogener Tod“

möglichen Ereignisses das Leben kosten wird; der Heimwehkranke hat keinerlei Hoffnung mehr auf Rückkehr; der an tödlicher Schizophrenie leidende Mensch „weiß“ unbeirrbar, dass er sterben muss. Der Teufelskreis schließt sich, wenn nicht nur das Opfer sich selbst aufgibt, sondern es auch von seinen Mitmenschen aufgegeben wird. In den Voodoound Tabu-Kulturen leisten die Angehörigen und Nachbarn sogar aktive Beihilfe zur Tötung: Sie vollziehen vor seinen Augen Bestattungs- und Trauerrituale. Die Heimwehkranke findet in der Fremde niemanden, der ihr die Rückkehr ermöglicht und sie ist vielleicht sogar von Kollegen umgeben, die genauso niedergeschlagen sind. Der an Schizophrenie leidende Mensch ist in der Todeslandschaft seiner Seele emotional völlig isoliert. Aus der Logik des Sterbens gibt es für das Opfer kein Entkommen. All diese Prozesse spielen sich im chthonischen Bereich des Unbewussten ab, dessen Triebkräfte tief verwurzelte Glaubenssätze sind, immun gegen jede Vernunft: Ein Glaube ist erst dann ein wirksames Seelengift oder Heilmittel, wenn dieser Glaube als solcher nicht erkannt wird. Für den Gebannten gibt es in seiner Käfigsituation nur eine Chance: Er muss einen Zauberer finden, der die schwarze Magie durch einen noch mächtigeren Gegenzauber außer Kraft setzt, oder einen Priester auftreiben, der den tödlichen Tabu-Bruch für den Sünder tilgen kann. Der Heimwehkranke oder Kriegsgefangene muss an seine baldige Heimkehr glauben, und der an einer tödlichen Schizophrenie leidende Mensch braucht u. U. gar einen Elektroschock, um sein Geist-Gehirn wieder in Ordnung zu bringen. Manchmal kann dieser Zauberer ein westlich ausgebildeter Arzt sein. Seine Heilkraft beruht aber nicht unbedingt auf der Überlegenheit seiner Medizin, sondern auf dem Glauben des Opfers an die stärkere Magie von Stethoskop oder Spritze. Die Seele wird „umgepolt“ und der Lebenswille wieder entfacht. Insbesondere wurde – so meine Hypothese – im Verlauf der soziopsychobiologischen Evolution des Menschen auch die Entwicklung der psychogenen Todesarten genetisch begünstigt. Denn die Furcht vor der Macht des Zauberers, die Angst vor dem Tabubruch, die Trauer um die verlorene Heimat oder das sensitive Spüren der Seelenlagen der anderen Stammesmitglieder und der Erfordernisse der Umwelt, und all die ungeschriebenen Regeln, die dazu gehören und sich daraus ableiten lassen, erleichtern das Zusammenleben und stärken den Zusammenhalt der Gemeinschaft und die Bindung an den eigenen Lebensraum. In prähistorischen Zeiten, als sich diese psychischen Mechanismen herausbildeten, halfen sie, das Kollektiv zusammenzuschweißen und so das Überleben der Sippe zu sichern. Die eigene Lebenskraft wird in das Wort des Häuptlings, in die Gebräuche, Normen, Riten und Sitten der Sippe, in das Heimatdorf projiziert; das sensitive Mitglied der Sippe spürt immer wieder und spontan, was seine „Blutsbrüder“ gerade erleben – man ist ihnen mit „allen Fasern des Herzens“ verbunden (Krischke 2000). 287

Ausblick

Zwar kann man diese unsichtbaren Bindungen lösen und gegen das Häuptlingswort oder soziale Normen verstossen, sich alleine in die Fremde wagen oder Intuition und Ahnungen ignorieren, aber dafür muss ein hoher Preis gezahlt werden: Wird die Verbindung zum Kollektiv abgeschnitten, bemächtigen sich bedrückende Emotionen und Vorstellungen des Menschen. Sie wirken so auf das Nerven-, Hormon- und Immunsystem ein, dass der Körper schließlich seinen Dienst versagen kann: „Bedeutung“ beeinflusst den Körper oder „belief becomes biology“ (Cousins 1989). Die Unterordnung unter den Willen einer Autorität, der sittliche Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern einer Gruppe, die Bindung an das heimische Revier, die gegenseitige, intuitive Sensitivität z. B. zwischen „Blutsbrüdern“– all das beruht auf gemeinsamer Sprache und Kultur. Aber ich stelle die zusätzliche Hypothese auf, dass es ein noch festeres z. B. durch Einweihungsrituale konditioniertes Band gibt, das die Geist-Gehirne der Einzelnen wortwörtlich auf eine gemeinsame „Wellenlänge“ bringt: Sie sind miteinander unbewusst im Sinne einer gegenseitigen Antizipation oder Intuition, eines gegenseitigen Erahnens oder einander Spürens verknüpft, ohne dass überhaupt irgendwelche messbaren Signale ausgetauscht werden. Im Verlauf meiner Darstellung habe ich mir auch die poetische Freiheit genommen, um einen Parallelismus zwischen der Liebe im weitesten Sinne des Begriffs und dem Tod zu sehen. Das logische Argument zu meiner poetischen Ausschweifung habe ich der Biologie entliehen. Mythopoetisch gesprochen ist der Tod wie die Liebe: unumgänglich, unabänderlich, gnadenlos und grenzenlos. Und im puren Gegensatz zur Mortalität scheint mir die Unsterblichkeit – wie ich auch oben diskutiert habe – nur den „Liebelosen“, d. h. den Namen- und Geschlechtslosen vorbehalten zu sein. Oder noch anders formuliert: Tod geht einher mit dem Privileg der Liebe zwischen erkennbaren Individuen. Die Erarbeitung einer psychologischen Individualität/Identität (Individuation) gleicht dem Schaffen einer physikalischen Ordnung/Gestalt: beide kosten Energie. Kann man hinter dieser Erkenntnis eine Art „psychisches Entropiegesetz“ vermuten, wonach die spezielle Aufwendung von Energie umso notwendiger wird, je mehr ein Individuum verhindern will, dass sein Verhalten im Gruppenverhalten eines jeweiligen Kollektivs aufgeht? (In diesem Zusammenhang denke ich an das physikalische Entropiegesetz, das den sog. „Wärmetod“ unseres Sonnensystems voraussagt.) Nun ist jeder Mensch nur halb und demzufolge auch ein sterbliches, leidenschaftlich nach seiner gegengeschlechtlichen Entsprechung sehnsüchtiges Individuum (siehe auch z. B. Schmid 2008). Der Tod ist die letzte Etappe in jedem menschlichen Reifungsprozess. Wie jeder gesunde Schritt im natürlichen Werdegang des Menschen sollte er mit Freiheit 288

Abschließende Gedanken zum Phänomen „Psychogener Tod“

in Geborgenheit, mit Hilfe und Liebe, mit Hoffnung und Mut und unter der zwischenmenschlichen Wahrung eines tieferen Sinnes und einer Würde im Leben vollzogen werden. Und wer sich die Freiheit, die Hilfe, die Hoffnung, die Geborgenheit, die Liebe und den Mut zum Leben nicht mehr gönnen kann, wem der tiefere Sinn und die Würde im Leben auf einen Schlag verloren gehen, der ist der Gefahr eines tragischen psychogenen Todes ausgesetzt: dem plötzlichen und unerwarteten Eintreten eines psychisch ausgelösten Todes ohne notwendige physische Ursachen; einem Tod, der (mit wenigen Ausnahmen) die persönliche, sozial integrierte Individuation nicht vollendet sondern ein vereinzeltes Leben auf tragische Weise frühzeitig auslöscht. Diese Arbeit ist ein Versuch, etwas Licht auf den Schatten solcher Tragödien zu werfen. Es ist meine Absicht gewesen, daraus eine Spur Einsicht in die Kraft der Imagination zu vermitteln. Gerne möchte ich mit einem Zitat des feinsinnigen Malers der Biedermeierzeit Carl Spitzweg abschließen: Oft denkʹ ich an den Tod, den herben, Und wie am Endʹ ichʹs ausmach? Ganz sanft im Schlafe möchtʹ ich sterben Und tot sein, wenn ich aufwach!

Kommt ein solches „Hinüberschlafen“, ein solch idealer sog. natürlicher Tod (vgl. Rössle 1948), ohne jede Krankheit oder jeden körperlichen Einfluss überhaupt je vor? Natürlich können bei greisen Personen sogar schwere organische Erkrankungen symptomlos verlaufen. Und trotzdem sind jedem erfahrenen Pathologen solche vermutlich eher seltenen Fälle bekannt, bei denen die Leichenöffnung den Nachweis erbringt, dass der Verstorbene nur die anatomischen Zeichen des fortgeschrittenen und harmonischen Alterns, aber keine der bekannten tödlichen Krankheiten oder andere körperlichen Todesursache zu finden ist. Diese Fälle lassen bei ihm leicht den Stachel leisen Zweifels zurück, ob er nicht doch vielleicht eine tödliche Erkrankung oder einen letal verlaufenden physiologischen Prozess, möglicherweise noch unbekannter Natur, übersehen haben könnte. Und derselbe Zweifel verfolgt den Pathologen auch nach jeder „erfolglosen“ Untersuchung eines plötzlichen unerklärlichen oder psychogenen Todesfalles. Den Stachel dieses Geheimnisses zu ziehen überlasse ich gerne meinen Lesern.

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Anmerkungen

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Zum Aneurysma der unteren Bauchaorta: Dieses bildet ohne Operation eine eigentliche „Zeitbombe“, die früher oder später zum Tode führen kann. Der zumeist ältere Patient – Männer sind häufiger betroffen als Frauen – kann aber auch an einer anderen Krankheit sterben. Von Interesse ist der Zeitpunkt der Ruptur, den man nicht voraussagen kann. Im Folgenden benutze ich die Bezeichnung „Geist-Gehirn“ als Pendent zum Konzept des englischen Mind-Brain. Hierbei entspricht das englische Wort Brain wohl dem deutschen Wort Hirn bzw. Gehirn; hinter dem englischen Wort Mind versteckt sich ein Konzept – im Deutschen eher besser mit dem Begriff Geist als mit Seele erfasst – weshalb ich hier das Wort Geist bevorzuge. Diese Volksballade wurde seit dem Mittelalter in vielen Textvarianten überliefert. In einer (wahrscheinlich älteren) Fassung endet die Ballade anders, nämlich indem die Königstochter ins Wasser geht und Selbstmord begeht. eine der drei Schicksalsgöttinen in der nordischen Mythologie “Carpenter, quoting Carter, an authority on hysteria, described the case of a young woman who saw her son accidentally lose three fingers; she was so overcome that she could not render assistance. A surgeon, who had responded promptly, turned to find the mother moaning and complaining of pain in her hand. Examination disclosed that the three corresponding fingers of her own hand, which had previously been normal, were swollen and inflamed. In twenty-four hours pus was evacuated, and the wound ultimately healed.” (Yawger 1936, S. 877) Wenn nicht anders vermerkt, ist mit „Hypnose“ in diesem Text immer „medizinische Hypnose“ gemeint im Gegensatz zur Show- oder Bühnenhypnose, die mit den hier besprochenen Phänomenen und therapeutischen Behandlungen nur sehr am Rande zu tun hat. (Siehe auch Bongartz und Bongartz 1999) “A young negro on a journey lodged in a friend’s house for the night. The friend had prepared for their breakfast a wild hen, a food strictly banned by a rule which must be inviolably observed by the immature. The young fellow demanded whether it was indeed a wild hen, and when the host answered ‘No’ , he ate of it heartily and proceeded on his way. A few years later, when the two met again, the old friend asked the younger man if he would eat a wild hen. He answered that he had been solemnly charged by a wizard not to eat that food. Thereupon the host began to laugh and asked him why he refused it now after having eaten it at his table before. On hearing this news the negro immediately began to tremble, so greatly was he possessed by fear, and in less than twenty-four hours was dead.” (Report from Merolla as mentioned in Pinkerton [Pinkerton 1814, S. 237 ff] and cited in Cannon 1957, S. 182) „Das Pseudoxanthoma elasticum ist eine generalisierte Bindegewebserkrankung von Haut, Augen und kardiovaskulärem System.“ (Zitiert nach http://www.dermis.net/ dermisroot/de/42210/diagnose.htm) “Anxiety is awakened; his mind becomes filled with pictures of death; he cannot sleep; his spirits sink; his appetite fails; and the effects of his imaginary fears become the real causes of the evil he deprecates. Finding his health and strength affected by these natural but unperceived causes, he considers his fate inevitable; refuses all nourish-

Anmerkungen

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ment, as unnecessary and unavailing; pines, languishes, and dies beneath the influences of his own ignorance and superstition.” (Stewart 1828, S. 265) “… Many instances are at hand of sudden death from fright, sight of blood, hypodermic injections, or from sudden immersion in water. During the war a considerable number of unaccountable deaths were reported among soldiers in the armed forces in this country. These men died when they apparently were in good health. At autopsy no pathology could be observed.” (Moritz und Zamchek 1946, S. 459) “Of interest here also is that, according to Dr. R.S. Fisher, Coroner of the City of Baltimore, a number of individuals die each year after taking small, definitely sublethal doses of poison, or after inflicting small, nonlethal wounds on themselves; apparently they die as a result of the belief in their doom.” (Richter 1957, S. 198) “In this connection, however, it cannot be too strongly insisted upon that it is of paramount importance to be able to determine whether the bite is due to a harmless or a poisonous snake, since it is well known that many persons have died from fright after having been bitten by a harmless or a non-lethal snake.” (Yawger 1936, S. 877; Zitat nach Buddle) “That the attitude of the patient is of significant importance for a favorable outcome of an operation is firmly believed by the well-known American surgeon, Dr. J.M.T. Finney, for many years Professor of Surgery at the Johns Hopkins Medical School. He (Finney 1934, S. 746) has publicly testified, on the basis of serious experiences, that if any person came to him for a major operation, and expressed fear of the result, he invariably refused to operate. Some other surgeon must assume the risk!” (Cannon 1957, S. 189) “... there is a small group of patients in whom the realisation of impending death is a blow so terrible that they are quite unable to adjust to it, and they die rapidly before the malignancy seems to have developed enough to cause death. This problem of selfwilled death is in some ways analogous to the death produced in primitive peoples by witchcraft (‘pointing the bone’).” 2009, private Mitteilung von Frau Dr. med. Evelyne Suter-Meyer, 2009, Zürich, Schweiz. “… It is now realized that under certain conditions a strong emotion can inflict a physical trauma (injury) just as directly as can a knife.” (Yawger 1936, S. 878; Zitat nach Emerson) “An iron molder and the president of a local chauffers’ union were being initiated into the Order of the Moose. After they had been blindfolded and their chests were made bare, it was dreadfully announced that they were to be branded. A metal emblem to which a wire was attached was applied to each man’s chest and on receiving the customary shock both collapsed with fright and the lodge physician was unable to revive them.” (Yawger 1936, S. 876) “I have in mind a case of which I had knowledge many years ago, that of a young man who was training to be a champion boxer. He was a magnificent specimen of manhood and was not lacking in courage. Two days before his expected match he had a slight hemorrhage from the lungs, and, as there had been cases of tuberculosis in his family, he sent for a physician, who happened to be I.” “There were rales in his chest, but I could find nothing marked. I told him to stay in bed and keep quiet. As I was leaving the house the mother told me that the parish priest was coming and suggested that, as the young man had not been attending to his church duties for some time, it would be well for the priest to see him. Fearing that the patient might be frightened by the advent of the priest or his attempt to perform in a religious way, I cautioned the mother, but, nevertheless, the priest saw the boy and

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ill-advisedly, in my opinion, administered the last rites. This was at 3 p. m. The young man was terribly alarmed, and by 6 p. m. he was dead. The cause of death I do not know. … I have always thought that, as the boy was afraid to die, aggravated fear when he was shrived so unexpectedly caused his death.” (Yawger 1936, S. 879; Kommentar von Dr. McConnel) “Nine hundred and ninety-nine Europeans out of a thousand would define this special characteristic (psychogenic death amongst primitive peoples, author’s comment) as due to pure obstinacy or sheer superstition; but the European, as invariably where natural man is concerned, is mistaken. What to his (the European’s, author’s comment) artificial mind appears as mere obstinacy – the result of sheer stupid ignorance – is due, not to any special fixity of opinion or unyielding resolution, but to a mental tendency that is constantly producing and reproducing itself in phantasmal impressions, which, although they are subjective, convey to the mind of natural man an objective reality.” (Leonard 1906, S. 256) “Having given this explanation, we lean back in the armchairs of scientific knowledge very contented with ourselves. The native dies by faith, a faith which to him is the realization of a spiritual reality. Does our explanation cover this reality or does it merely describe a few of the elements or constituent parts of the spiritual perception? Is not the psychological state of this native, as well as many mental phenomena functioning outside the respected and limited categories of science, a challenge to us to extend the boundaries of our scientific fields and include in the study of the living the mysteries of death?” (Laubscher 1951, S. 105) “And, all too often, the prisoner lost even his will to live. He would crawl off in a corner, refuse to eat, and – without having any disease whatever – simply die.” (Mayer 1956) Mir scheint die alternative Deutung eines gewöhnlichen, d. h. eigenhändigen Selbstmords eher weit hergeholt und durch die entsprechend konkret-operationelle Denkweise dem poetischen Sinn des Textes inadäquat. in seinem Haus auf der Rittimatte bei Burg im Leimental, Schweiz. “In 4 patients who complained of regular heart palpitations in connection with severe dreams, a continuous registration of EEG- and ECG-recordings during sleep confirmed subjective reports: almost all (over 30) electrocardiographic registered stenocardic attacks of patients stood in direct relation to corresponding changes in the EEG for which the patients always reported simultaneous, conflict-charged dreams. One of the patients died from a heart attack after both his EEG as well as his ECG had each shown characteristic changes nine times in the previous night.” (Nowlin 1966, S. 7) In seinem Buch „Die Entdeckung des Unbewussten“ bespricht Henry F. Ellenberger eine Art erschöpfend kreativer Krankheit, die Novalis einst als „sublime Hypochondrie“ beschrieben hat (Ellenberger 1973). Wie der altarabische mythische Vogel Phönix, der auf dem Scheiterhaufen verbrannte, um dann in jugendlicher Frische aus der Asche neu zu erstehen und einen weiteren Lebenszyklus zu vollenden, so taucht ein von sublimer Hypochondrie geplagter Mensch aus seinem Leiden mit einer neuen Lebensphilosophie und positiv veränderten Persönlichkeit auf und setzt seine Einsichten in die Praxis um. Diese „kreative Krise“ befiel keine Geringeren als den Begründer der Psychophysik, Gustav Theodor Fechner (1801–1887), den Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856–1939), und Freuds Schüler Carl Gustav Jung (1875–1961), dessen Vorstellungen über Komplexe und Archetypen den Weg für die Dynamische Psychotherapie und das New Age ebneten. Ellenberger beschreibt detailliert die offensichtliche „Verrücktheit“ im Verhalten dieser Pioniere – Fechner von 1840 bis 1843, Freud von 1894 bis 1900, Jung von 1913 bis 1919 – vor dem Durchbruch ihrer brillianten Ideen in der akademischen Welt. (Siehe auch Grof 1990) „So sterbe, was nicht leben will.“

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27 “It has been authoritatively related that on one of the South Sea Islands where voodooism is practiced, strong, healthy young natives died a few weeks after they had been told that a gum-tree image of themselves had been fashioned by a voodoo priest, thrust through with a sharpened twig and melted in a flame.” (Yawger 1936, S. 876; Zitat nach Strecker und Appel). 28 “The witch doctor is the arbiter of life or death, for not only is the victim he selects led away to drink the ordeal, but so implicitly do the people believe in him that, when he says his patient will die, this invariably happens, as his friends at once begin to prepare his funeral, and instead of feeding the patient, they dig his grave and send to call his relatives to the obsequies. The medicine man has said he will die, so what is the use of wasting time and food on him.” (Yawger 1936, S. 876; Zitat nach Weeks) 29 “In Lasinsky’s voyage around the world, there is an account of a religious sect in the Sandwich Islands, who abrogate to themselves the power of praying people to death. Whoever incurs their displeasure receives a notice that the homicidal litany is about to begin; and such is the effect of the imagination that the very notice is frequently sufficient, with these people, to produce the effect.” (Yawger 1936, S. 876; Zitat nach Reid) 30 “Years ago, a medical periodical in India published an article entitled ‘Killed by the Imagination.’ In substance it stated: A celebrated physician, author of a work on the effects of the imagination, was permitted to try an astonishing experiment on a criminal who had been condemned to death. The prisoner, an assassin of distinguished rank, was advised that, in order that his family might be spared the further disgrace of a public hanging, permission had been obtained to bleed him to death within the prison walls. After being told ‘Your dissolution will be gradual and free from pain’ , he willingly acquiesced to the plan. Full preparations having been made, he was blindfolded, led to a room and strapped onto a table near each corner of which was a vessel containing water, so contrived that it could drip gently into basins. The skin overlying the blood vessels of the four extremeties was then scratched, and the contents of the vessels were released. Hearing the flow of water, the prisoner believed that his blood was escaping; by degrees he became weaker and weaker, which, seemingly, was confirmed by the conversation of the physicians carried on in lower and lower tones. Finally, the silence was absolute except for the sound of the dripping water, and that too died out gradually. ‘Although possessed of a strong constitution (the prisoner) fainted and died, without the loss of a drop of blood.’ ” (Yawger 1936, S. 875) 31 “Dr. S.M. Lambert of the Western Pacific Health Service of the Rockefeller Foundation wrote to me that on several occasions he had seen evidence of death from fear. In one case there was a startling recovery. At a Mission at Mona Mona in North Queensland were many native converts, but on the outskirts of the Mission was a group of non-converts including one Nebo, a famous witch doctor. The chief helper of the missionary was Rob, a native who had been converted. When Dr. Lambert arrived at the Mission he learned that Rob was in distress and that the missionary wanted him examined. Dr. Lambert made the examination, and found no fever, no complaints of pain, no symptoms or signs of disease. He was impressed, however, by the obvious indications that Rob was seriously ill and extremely weak. From the missionary he learned that Rob had had a bone pointed at him by Nebo and was convinced that in consequence he must die. Thereupon Dr. Lambert and the missionary went for Nebo, threatened him sharply that his supply of food would be shut off if anything happened to Rob and that he and his people would be driven away from the Mission. At once Nebo agreed to go with them to see Rob. He leaned over Rob’s bed and told the sick man that it was all a mistake, a mere joke – indeed, that he had not pointed a bone at him at all. The relief, Dr.  Lambert testifies, was almost instantaneous; that evening

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Rob was back at work, quite happy again, and in full possession of his physical strength.” (Cannon 1957, S. 183) “The first patient, a poorly educated man near death after a hex pronounced by a local voodoo priest, rapidly recovered after ingenious words and actions by his family physician. The second who had a diagnosis of metastatic carcinoma of the esophagus, died believing he was dying of widespread cancer, as did his family and his physicians. At autopsy, only a 2 cm nodule of cancer in his liver was found.” “This persistent direction of the attention has a much greater potency when combined with the expectation of a particular result …” (Yawger 1936; Zitat nach Carpenter) “The importance of self-confidence for him who strives after the realization of supernatural acts has been duly stressed by Jhavery (p. 12f). This Autor distinguishes the following principal conditions as a ‘triple key’ for ‘Attainment’ (doubtless his translation of the word siddhi); 1. An intense desire for the goal strived after; 2. An earnest and confident expectation that it will come to pass; 3. The persistent concentration of the will towards it. On p. 16 he considers Desire and Will as the two poles in the performer’s mind which cause his ‘mentative energy’ to succeed. They enable him to execute acts of magic which are white as well as black. Webster (p. 79ff.) discusses the importance of ‘imperative willing’ as a condition for success in magic in primitive societies. Such will-power, when combined with an intense concentration of the mind upon the result wished for, creates ,the faith that moves ‘mountains’ (Webster). The mere act of such ‘thinking’ can sometimes suffice to create all kinds of afflictions for a victim, even his death.” (Goudriaan 1978, S. 247–248) “Three of the first four Presidents of the United States to die, died on the 4th of July. Two who signed the Declaration of Independence died on its fiftieth anniversary.” (Fischer und Dlin 1972, S. 170) “A former heavy-weight champion of the world, Primo Carnera, had been in failing health for three years. As he wasted away from cirrhosis of the liver, he returned to the Italian mountain town of his birth. Three weeks later he was in coma. A week later on the 34th anniversary of his sixth round knockout of Jach Sharkey when he won the championship, he died. When he had left California for the visit to his Italian homeland, he had vowed to return to the land where he and his family had become citizens.” (Fischer und Dlin 1972, S. 170) “ ‘Papa Doc’ Duvalier, the late ruler of Haiti, was announced dead on April 22 1971, suffering from diabetes and several strokes. Duvalier considered the 22nd day of the month his lucky day. He assumed the Presidency on September 22, 1957. It is said he often made important decisions on that day.” (Fischer und Dlin 1972, S. 170) “Carl Sandberg, the poet and Lincoln biographer, predicted he would die at an age divisible by 11. ‘It’s inevitable, it’s inexorable, it’s written in the book of fate,’ he told newsmen when he turned 80. ‘I had two great-grandfathers and a grandfather who died in years divisible by 11. If I don’t die at 88, I’ll go on to 99.’ He died at 89.” (Fischer und Dlin 1972, S. 170) “… the case of the man reprieved, after his head had been laid upon the block, and the fatal ax was about to fall. The reprieve came too late. The anticipation had arrested the action of the heart.” (Yawger 1936, S. 875; Zitat nach Tuke) “Many cases have been reported where patients in good health died on the operating table before the anesthetic was administered.” (Yawger 1936, S. 875; Zitat nach Dunbar) “…there is adequate ground for the assertion, that even amongst the better instructed classes of our own country, a fixed belief that a mortal disease had seized upon the frame, or that a particular operation or system of treatment would prove unsuccessful, had been in most instances the real cause of a fatal result”. (Yawger 1936, S. 876; Zitat Carpenter)

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42 “...a mental tendency that is constantly producing and reproducing itself in phantasmal impressions, which, although they are subjective, convey to the mind of natural man an objective reality.” 43 “A man was in the hospital with an undiagnosed illness. His physicians felt certain he would not recover and gently, over a period of time, let his wife know that this was so. It is the wife who is our case. She was in her late thirties or early forties. She was in constant attendance on her husband, leaving him only for sleep. For weeks she did not go anywhere except to the hospital. On one occasion the nurses convinced her that she ought to go for a walk. Her husband’s condition had not changed and it was thought unlikely to change. After considerable persuasion she did go out and was gone for an hour or two. On her return she was met in the corridor by a nurse and prevented from going into her husband’s room. She had to be told that while she was gone he had died. Her eyes opened wide and she fell to the floor. She was taken into a nearby room, but she was already dead. Necropsy on her husband showed polyartritis nodosa. Necropsy on her showed – nothing. The splanchnic veins were somewhat dilated. Exhaustive microscopic study showed nothing remarkable.” (Bohrod 1963, S. 27) 44 “… under the emotional pressure of horror, the hair is frequently reported to have whitened rapidly, as in the case of Marie Antoinette, guillotined in 1793, and in that of Henry M. Stanley, who himself said that his hair turned white in that distracting historic night when, without their existence having been previously known, pygmies suddenly attacked him in northeastern Africa.” (Yawger 1936, S. 878) 45 Ganz aktuell (Juni 2009) die Berichte zum Tod von Michael Jackson (1958–2009): Konfrontiert mit dem Stressor „50 Shows weltweit“, und im intuitiven Wissen darum, dass er dies rein physisch nicht würde durchhalten können, – „Ich weiß nicht, wie ich fünfzig Shows durchstehen soll ... Ich esse nicht viel. Ich müsste an Gewicht zulegen. Ich bin wirklich sauer, dass sie mich für fünfzig Konzerte buchten. Ich wollte nur zehn.“ , sagte er in Los Angeles kurz vor seinem Tod – trotzdem aber, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen war, diesen Vertrag zu erfüllen, zogen Körper und Psyche offensichtlich den Tod vor, bevor diese unaussprechliche Scham den überforderten Protagonisten erreichen konnte (Schlag 2009). In einem Interview (2002) von Norbert Körzdörfer gefragt, wer der wahre Michael Jackson sei, soll er „wie in Trance“ gelächelt haben: „Auf der Bühne bin ich am glücklichsten – da erleben Sie den wahren Michael Jackson“. Außerdem wird folgende Aussage kurz vor seinem Tod kolportiert: “If I don’t go on this tour, they’re gonna kill me!” bzw. „Tot ginge es mir besser. Ich weiß nicht mehr wohin.“ Ob das Zitat erfunden wurde oder nicht: Es ist sofort einleuchtend. 46 “Rush cited many instances of death from joy and among others mentioned that of the son of Leibnitz, who, on opening an old chest and unexpectedly finding in it a large quantity of gold, suddenly expired.” (Yawger 1936, S. 877) 47 “A woman aged 43 heard the alarming report that many persons had been injured in an accident to a train on which her daughter was a passenger. The mother, arriving at the station in time to see her daughter emerge unharmed, threw her arms about her, fell into a fit and expired a few hours later.” (Yawger 1936, S. 877) 48 “Sir Thomas Urquhart is said to have died of laughter on learning that Charles the Second had regained the throne.” (Yawger 1936, S. 877) 49 Meine Übersetzung vom Deutschen ins Englische: “Those murdered by the dagger of devotion/Perpetually receive new life from the Beyond.” (Schimmel 1985, S. 488) 50 Nach Eduard Amstad, gemäß persönlicher Kommunikation vom 30. 03. 2008 mit seiner Tochter Sabine. 51 An dieser Stelle möchte ich Danièle Jenni, Zürich, herzlich für die persönliche Mitteilung der Geschichte ihres Großonkels, Baltramieu (Bartli) Wellinger, danken.

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52 “In referring to persons who die of grief, Carpenter cited a case, though not one of his own, in which two sisters were deeply attached. One acquired tuberculosis and died; she had been tenderly cared for by the other, who, seemingly, had suppressed her sorrow. About a fortnight later the surviving sister was found dead in bed. There had been no symptoms during life, and at autopsy there was no evidence of disease. Death was attributed to the depressing influence of pent-up grief.” (Yawger 1936, S. 877) 53 “They are those old workers who, through long habit have grown to be brothers, as they are called in my country, and who, when one loses the other, refuses to work with a new comrade, and pines away with grief. People who are unfamiliar with the country call the love of the ox for his yoke-fellow a fable. Let him come and stand in the corner with one of these poor beasts, thin and wasted, restlessly lashing his thin flanks with his tail, violently breathing with mingled terror and disdain on the food offered him, his eyes always turned toward the door, scratching with his hoof the empty space at his side, sniffing the yoke and chains which his fellow used to wear, and incessantly calling him with melancholy lowings.” (Zitat nach Yawger 1936, S. 877) 54 “A Negro people on the west coast of Africa were thus described by Schofield: ‘I have been told by a naval surgeon from an African squadron that Kroomen, if badly treated or angry, will threaten to die; and will go away and finally expire in thirty hours without any injury or disease.’ Among other African tribes similar effects are described.” (Yawger 1936, S. 876) 55 “There does undoubtedly appear to be an association between neurosis and an increased mortality from natural causes.” (Sims 1984, S. 361) 56 “At the Denver State Hospital, in 1910, a man was admitted in a panic, of three days’ duration. He paid little attention to the hospital but kept staring out of the window at people, who, he said, were coming to lynch him. Finally, with the words, ‘They are coming now,’ he fell over dead. Autopsy showed that the organs were in amazingly good condition; no lesions were observed anywhere.” (Walters 1944, S. 84; contribution from Dr. Earl D. Bond to discussion) 57 “A Negro aged 41, a laborer, was brought to the hospital because recently ‘voices’ had told him to go forth into the world to preach and found a new religion and because he had made extravagant claims to the effect that he was related to King Solomon, after whom he intended to shape his life.” “There was no significant family history, no account of serious illnesses and no record of misdemeanors. There was a history of fairly heavy indulgence in alcohol, but this had not produced any acute mental disturbances. The first deviation from his usual good health and normal behavior was noticed about two months before his hospitalisation, when he began to attend church a great deal and to pray more than usual. To his companions he stated the belief that he was consecrated to the Holy Ghost and could ‘speak in tongues.’ While this was not interpreted by his Negro associates as being anything abnormal, they conceded that it was a definite change in behavior. When admitted to the hospital he was disoriented as to time and place and was childish in his reactions; he said that he was in constant auditory touch with the Lord. He had no insight into his mental disorder but thought he had been sent to the hospital to be treated for a severe cold.” “Physical examination revealed hard and tortuous radial vessels; vigorous arterial pulsations on the left side of the neck; a diffuse apex beat of the heart, perceptible over a considerable area of the chest; diminished muscle tone; a loud systolic murmur over the apex, and accentuation of the second aortic sound. The blood pressure was 220 systolic and 165 diastolic, and the pulse rate was 120 per minute. Serologic tests gave negative results and there were no neurologic findings.”

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“The patient suffered from dyspnea and tired easily on exertion. He was given the treatment routine for such a condition and with the general toning up of the cardiac condition the hallucinations ceased, as did the extravagant delusions. At the end of three months the patient was sent home free from the psychosis and with improvement of the cardiac condition. After being at home for a few months he suffered acute cardiac decompensation with rapidly developing general anasarca, and died of pulmonary edema.” (Nolan und Lewis 1937, S.789–790) “A young individual, in the second or third decade of life, suddenly becomes restless and excited. This psychomotor activity increases and is accompanied by hilarity or fearful anxiety in response to extrospective or introspective pressure of ideas. Work and duties are neglected. Sleep becomes difficult and often impossible. Impulsive or responsive aggressiveness increases. The individual breaks equipment or furniture or assaults his neighbor, apparently without reason. He is then admitted to the hospital. The excitement and restlessness continue day and night with only momentary respite. Excitement increases until it becomes a continual maniacal furor, in which the individual will tear off his clothes, tear the clothes to strips, take the bed apart, rip the mattress to pieces, bang, and pound almost rhythmically on the walls and windows, dash wildy from the room, assault anyone in reach, and run aimlessly, and without apparant objective, from one end of the room to the other.” “The pulse becomes rapid even in periods of momentary rest. Food and fluids are refused and weight loss becomes apparent. Perspiration is profuse and continual. The blood pressure falls and the pulse becomes thready. Fever is then noted. Early in the furor it ranges around 100° F. rectally. When confined to a room, the patient will thrash against the wall or butt his head against it. If placed in restraints, either in a continuous tepid tub or bed, (in pack or sheet) the patient will strain ceaselessly against the restraints in an atttempt to tear out and maintain his externally objectiveless activity. “Fever increases, the pulse becomes more thready and rapid, blood pressure falls further, perspiration drips continually, the tongue becomes dry and furred. The skin becomes flushed and feels hot to the touch. After varying periods of excitement of from hours to days, the temperature may rise to 105° F. rectally or 107° F. rectally or even 110° F. rectally. The skin may become pale or cyanotic and suddenly all activity ceases, respiration and cardiac activity stop and the patient is dead. This end may come so suddenly that the attending psychiatrist is left with a chagrined surprise and the puzzlement is intensified after the postmortem examination because the autopsy generally fails to disclose any findings which could explain the death. Therefore, the usual final diagnosis is (1) an unclassified psychosis (2) exhaustion from overexertion in a state of acute mania.” (Wendkos 1979, S. 165–166) KreatinPhosphoKinase, zur Bestimmung der muskulären Anspannung/Infarktgröße “About half the cases of death referred to the medical examiner come to him because the cause of death is unknown, rather than because there is positive evidence of foul play. They include not only deaths in which the fatal seizure is sudden and unexpected, but also those in which the cause of death is obscure because no physician was in attendance during the terminal illness.” (Moritz 1940, S. 798) Aus dem Gerichtsakten geht die Todesursache nicht eindeutig hervor. Die Angabe im Polizeirapport, der Ausschaffungshäftling sei erstickt, ist offenbar umstritten, zumal die typischen Anzeichen einer Dyspnoe (Atemnot) bei Herrn Khaled Abuzarifa unmittelbar vor seinem Ableben für die involvierten Beamten nicht erkennbar gewesen seien. Vielmehr scheint der Tod ohne Vorwarnung eingetreten zu sein, weshalb vom Rechtsvertreter des beteiligten Arztes Abklärungen im Hinblick auf ein allfälliges plötzliches Herzversagen gefordert wurden. Weitere Todesursachen wurden anscheinend im bisherigen Strafverfahren nicht zur Diskussion gestellt.

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62 “Artificial matched conrol group”: Zwillingsgruppe („artifiziell“, da keine genetischen Zwillinge). „matched control“: eine Kontrollgruppe mit „statistischen Zwillingen“, d. h. mit einzeln ausgewählten Probanden, die mit je einem Mitglied der Testgruppe bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben, damit (zumindest annähernde) Vergleiche überhaupt möglich sind. Hier stimmten die statistischen Zwillinge in Alter und Geschlecht überein, sodass in der gleich großen Gruppe der nicht Betroffenen dasselbe Geschlechterverhältnis sowie dieselbe Altersverteilung herrrscht wie in der (zu untersuchenden) Zielgruppe. 63 “Without warning Neng Yang lost consciousness on December 21, 1987 … . He died on Christmas Eve, the third victim in his clan, and 115th in the U.S., of Sudden Unexplained Death Syndrome (SUDS), a mysterious malady that strikes young, apparently healthy Southeast Asian men – especially Hmong. Neng Yang’s family believes an autopsy performed on a clan member, another SUDS casualty, caused the 23-year-old student’s death. Hmong religion holds that the spirit cannot leave a mutilated body to join its ancestors before rebirth and may claim the life of a relative in a cry for release. … Reported in Japanese and Philippine medical literature in the 1950s and ’60s, SUDS began to appear in the U.S. after the influx of Southeast Asian refugees in the mid-1970’s. Forty-nine cases occurred in the peak years of 1981 and 1982, but only a handful show up annually now. The phenomenon still baffles U.S. doctors. Typically, victims lead ordinary lives and have no apparent illnesses. They die in their sleep, with perhaps a telltale gurgling or laboured breathing, and no traces of drugs or abnormal organs are found. Chaotic cardiac impulses make the heart beat erratically, interrupting the blood supply and depriving the brain of oxygen, but the underlying cause remains a mystery. Researchers speculate that the stress of culture shock may be a contributing factor. Statistics indicate that the longer an immigrant lives in this country, the less risk he runs of dying from the disorder.” (Hmong 1988, S. 607) 64 “Following Neng Yang’s wishes and their own convictions, his parents, You Vang Yang and Ia Kue Yang, did not want an autopsy. The attending physician assured them they would be notified if the hospital wanted one. When they arrived at the funeral home to prepare the body for burial, horrified relatives learned that the state medical examiner’s office had done an autopsy without family consent.” (Hmong 1988, S. 607) 65 “SIDS is a mysterious and unresolved problem affecting children between the ages of 1 week and 4 months old and is responsible for more than one-third of all postnatal deaths occurring in the first year of life in the United Kingdom. There is evidence in a minority of these patients of some viral infection, but the microscopic changes in the lungs vary between normality and well-established zones of interstitial pneumonitis. This may be associated with areolar wall thickening; however, the changes rarely appear sufficiently severe to have caused death, and it has been postulated that viral infection may trigger apnoe or an anaphylactic reaction. It seems likely that this disease is multifactorial and that viral infection is just one of a group of disorders that may cause it.” (Schofield und Krausz 1992, S. 966) 66 “Sudden, unexplained infant deaths (SUIDs) are those for which no cause of death was obvious when the infant died. Sudden infant death syndrome (SIDS) (also known as crib death) is the most frequently determined cause of SUIDs. SIDS is ‘the sudden death of an infant under 1 year of age which remains unexplained after a thorough case investigation, including performance of a complete autopsy, examination of the death scene, and a review of the clinical history’ (Willinger et al. 1991). SIDS should not be diagnosed if these criteria are not met.” (Centers 1996, S. 1) 67 “The patient was a 71-year-old immigrant Greek farmer who had had a duodenal ulcer for 15 years. Operation had been recommended on two previous occasions, because he had been unable to follow a medical regimen. Each time he had refused, saying that he

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preferred suicide to surgery. Intractable pain brought him again to the hospital and made surgical treatment mandatory. A psychiatric consultation was requested because the patient was said to be ‘depressed.’ Only in the course of being interviewed did the conviction of death emerge as a significant clinical finding. “The patient was a pleasant and cordial man who was concerned about his pain, but displayed none of the signs or symptoms of depression. In a matter-of-fact way, he simply stated that he would die following subtotal gastrectomy. He could not accout for this conviction, which he seemed to accept with complete equanimity. “His recent exacerbation of ulcer pain had been precipitated by a crop failure, which he interpreted as an act of God against him. Twenty years before, he had had his jaw broken in a fist fight at the market place where he sold vegetables. He lost a great deal of money in the law suit which followed, and received no satisfaction from his assailant. In describing the events, his manner abruptly changed and he acted as if he were at the moment reliving the experience. “The joy went out of living,” he asserted, and everyone turned against him. He no longer went to the market place. Instead, he lived his life in bitter solitude, noting with grim satisfaction the successive deaths of those who had acted against him at the trail. It was shortly after his last enemy had been buried that his crops were destroyed by drought and his ulcer pain returned. This was God’s vengeance for his having willed the death of his enemies. “The surgeons made every effort to reassure the patient, and the psychiatrist tried to review and reinterpret his reality situation. The patient remained friendly, courteous, and unshakable in his premonition of death. The subtotal gastrectomy was performed without complication. Three days later, however, in the course of an uneventful recovery, he suddenly became dyspneic, developed atrial flutter, and died within a few hours. Autopsy disclosed a large mural thrombus which occluded the pulmonary valve.” (Hackett und Weisman 1960, S. 279) 2009, persönliche Mitteilung von Frau Dr. med. Evelyne Suter-Meyer, Zürich, Schweiz “When he (the headshrinker, author’s comment) is an old man and nobody has shrunk his head he simply lies down and refuses to drink and eat. He dies of dehydration in a few days. Whether this is due to psychological stress of giving up to physical circumstances, or an objective and final philosophical decision, we leave to the reader.” (Schmidt und Schmidt 1964, S. 511) “Belgrad, Oct. 5, 1928 – In the village Koprivnica, a farmer named Ujsek said several months ago that he would die October 4th, 1928. On the appointed day he called his family, ordered his coffin, bade farewell to his friends and at noon, as he was seating himself at the the table, died of apoplexy. The populace believing that it was a miracle was much excited (Neues Wiener Tagblatt, October 6 1928).” (Menninger 1948, S. 35) “The cause of death is a statement made by a pathologist to a clinician or a law-enforcement agent which makes the latter say: Well, I’m not surprised that the patient died!” (Bohrod 1963) “Nonviolent death occurring unexpectedly within six hours in an apparently healthy subject or in a sick person whose condition was either steady or improving.” (Kagan und Uerma 1976) “To cause sickness, a shaman blows one of the spirits he controls into his victim by means of tobacco smoke (Stirling 1938) or, with the aid of his spirits, he sends a magical ‘thorn’ or ‘dart’ (Tessmann 1930; Karsten 1935) into him. (The shaman is supposed to keep this thorn or dart inside his body and it is supposed to return to him after his victim dies – author’s comment) … To cure, a shaman sings, plays his drum, takes Datura, tobacco, and cayapi, and sucks out the ‘thorn’. Shamans may also reveal the identity of a sorcerer. (The narcotic helps reveal the sorcerer – author’s comment)” (Steward und Métraux 1945, S. 626)

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Anmerkungen

74 “… psychogenic mortality, a syndrome in which a patient’s psychological condition triggers physical effects of a pathological nature leading ultimately to death” (Maizler et al. 1983, S. 353) 75 “A 40-year-old father slumped dead as he cushioned the head of his son lying injured in the street beside his motorcycle.” (Engel 1971, S. 775) 76 “A 43-year-old man died 4 hours after his 15-year-old son, faking a kidnap call over the phone, said ‘If you want to see your son alive, don’t call the cops.’ ” (Engel 1971, S. 775) 77 “An 88-year-old man, without known heart disease, became upset and excited, wringing his hands, upon being told of the sudden death of his daughter. He did not cry but kept asking, ‘Why has this happened to me?’ While talking with his son on the phone he developed acute pulmonary edema and died just as the doctor reached the house.” (Engel 1971, S. 774) 78 “The wife of the owner of the motel in which Martin Luther King was assassinated collapsed the same day with a cerebral hemorrhage and died the following day.” (Engel 1971, S. 774) 79 “A 31-year-old woman had been having headaches, nausea, and visual difficulties for a brief period when her neighbor and close friend, also 31 years old, died suddenly. Two days later the patient lapsed into a coma and died. Necropsy revealed a glioma of the right frontal lobe.” (Engel 1971, S. 774) 80 “… the death of the 27-year-old army captain who had commanded the ceremonial troops at the funeral of President Kennedy. He died 10 days after the President of a ,cardiac irregularity and acute congestion,‘ according to the newspaper report of the medical findings.” (Engel 1971, S. 774) 81 “… a 70-year-old man who dropped dead during the opening bars of a concert held to mark the fifth anniversary of his wife’s death. She was a well-known piano teacher, and he had established a music conservatory in her memory. The concert was being given by conservatory pupils.” (Engel 1971, S. 775) 82 “A 17-year-old boy collapsed and died at 6 AM, 4 June 1970; his older brother had died at 5:12 AM, 4 June 1969, of multiple injuries incurred in an auto accident several hours earlier. The cause of the younger boy’s death was massive subarachnoid hemorrhage caused by a ruptured anterior communicating artery aneurysm.” (Engel 1971, S. 775) 83 “A 56-year-old man died a week before the closing of a highly successful business he and his brother had founded with a $ 500 loan 32 years earlier.” (Engel 1971, S. 775) 84 “A 52-year-old college president who prided himself on his support of black students died when a group of black students occupied the administration building.” (Engel 1971, S. 775) 85 “A 57-year-old state legislature died 48 hours after being convicted of bribery and sentenced to prison.” (Engel 1971, S. 775) 86 “… a 3-year-old child who died when caught in a severe downpour and a terrified 4-year-old girl who died while having some milk teeth extracted.” (Engel 1971, S. 776) 87 “A 63-year-old security guard died after being bound by robbers.” (Engel 1971, S. 776) 88 “A 35-year-old man accused of robbery told his lawyer, ‘I’m scared to death!;’ then collapsed and died.” (Engel 1971, S. 776) 89 “A 45-year-old man died as he stepped to the dais to give a speech at a testimonial dinner.” (Engel 1971, S. 776) 90 “Four men died within from minutes to a few hours after automobile accidents in which they suffered no or only minor injuries.” (Engel 1971, S. 776) 91 “One man died at an evacuation center after being removed from an area of mud slides, and another man, 55 years old, collapsed immediately after he walked uninjured from a railroad car partly overturned in a train wreck.” (Engel 1971, S. 776)

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Anmerkungen

92 “A 52-year-old city official died after giving a speech in a hotel; his predecessor had died under the same circumstances at the same hotel a year and a half earlier.” (Engel 1971, S. 776) 93 “A 60-year-old ex-prisoner collapsed and died when he returned home to his family after serving a 15-year sentence.” (Engel 1971, S. 776) 94 “A 55-year-old man died when he met his 88-year-old father after a 20-year separation; the father then dropped dead.” (Engel 1971, S. 776) 95 “A 70-year-old man died 6 hours after his wife came home from the hospital, presumably recovered from a heart attack. She herself then had another attack and died 13 hours later.” (Engel 1971, S. 777) 96 “A 56-year-old man collapsed and died while receiving congratulations for scoring his first hole-in-one.” (Engel 1971, S. 777) 97 ”A 75-year-old man, who hit the twin double for $ 1,683 on a $ 2 bet, died as he was about to cash in the winning ticket.” (Engel 1971, S. 777) 98 “A 63-year-old opera singer died while acknowledging an ovation.” (Engel 1971, S. 777) 99 “Emperor Nerva is said to have died of ‘a violent excess of anger’ against a senator who offended him, as did Valentinian while ‘reproaching with great passion’ the deputies of a German tribe.” (Engel 1971, S. 771) 100 Das Oxford English Dictionary erklärt den Begriff Dualität wie folgt: „Zustand oder Gegebenheit, zweifach zu sein oder aus zwei Teilen, Naturen etc. zu bestehen, zwiefältiger Zustand“. Dieser zwiefältige Zustand wird nur dann als Dualität definiert, wenn die beiden Teile oder Naturen etc. in Konkurrenz zueinander stehen, z. B. Gott und Teufel, dagegen als Polarität, wenn die beiden Teile komplementär sind, z. B. männlich und weiblich. 101 “A unity or oneness of two members or parts.” 102 “The quality of exhibiting opposite or contrasted properties, or powers in opposite or contrasted directions; the possession of two points called poles having contrary qualities or tendencies.” 103 “A connecting principle that relates the two entities, bringing their separate qualitites together to form a third entity, born, so to speak of their union.” 104 “In many cases, two ideas which are completely opposed to each other, admit of an intermediate or neutral idea, equidistant from both; all these being expressible by corresponding definite terms.” 105 “had drawn important inferences with regard to the state of society among the ancient Romans, from certain deficiencies which he remarked in the Latin language.” 106 Meine Auffassung des Menschen, bzw. jedes lebendigen Wesens als eine Zweieinigkeit von Körper und Geist habe ich a.a.O. ausführlich diskutiert. (Schmid 1988; Schmid 1990; Schmid 2008) 107 “On the 26th of March at the concert of Mr. Bartholemon (London) there was an Englisch clergyman who while hearing my Andante sank into the deepest melancholy because of the fact that on the previous night he had dreamed of such an Andante which announced his death. He immediately left the company, went to bed and today I heard through Mr. Bartholemon that this clergyman had died.” (Menninger 1948) 108 Siehe Bachman 1973; Bar et al. 2005; Burke et al. 1999; Cerati und Schwartz 1991; DeSilva 1982; DeSilva und Lown 1978; Frank und Smith 1990; Hartel 1987; Kent und Epstein 1976; Lown 1987; Lown et al. 1980; Lown et al. 1973; Lown et al. 1977; Lown und Verrier 1976; Lucet et al. 2000; Ogata et al. 1992; Otteni et al. 1967; Rodrigues und de Almeida 1973; Sachis et al. 1981; Samuels 1987, 1993; Samuels 1997; Samuels 2007; Schwartz 1998; Schwartz et al. 1984; Schwartz und De Ferrari 1987; Shojaei-Brosseau et al. 2003; Singh et al. 2002; Strubelt und Maas 2008; Surawicz 1985; Vanoli und

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Anmerkungen

Schwartz 1990; Verrier und Hagestad 1985; Verrier und Lown 1978; Voigt 1983; Watkins et al. 1998; Wolf 1967. 109 “… a mental tendency that is constantly producing and reproducing itself in phantasmal impressions, which, although they are subjective, convey to the mind of natural man an objective reality.” 110 “An analogous situation in our society is hard to imagine. If all a man’s near kin, his father, mother, brothers and sisters, wife, children, business associates, friends and all the other members of the society should suddenly withdraw themselves because of some dramatic circumstance, refusing to take any attitude but one of taboo and looking at the man as one already dead, and then after some little time perform over him a sacred ceremony which is believed with certainty to guide him out of the land of the living into that of the dead, the enormous suggestive power of this two-fold movement of the community, after it has had its attitudes crystallized, can be somewhat understood by ourselves.” (Cannon 1957, S. 185) 111 Herrn Dr. med. Thomas Knecht, Leitender Arzt Bereich Sucht und Forensik, Psychiatrische Klinik Münsterlingen, CH-8596 Münsterlingen, bin ich für den Hinweis auf den Behavioral Despair Test zu Dank verpflichtet. 112 Siehe z. B. Araki et al. 1984; Arletti und Bertolini 1987; Arushanian und Makushkina 1989; Bertaina-Anglade et al. 2006; Betin et al. 1982; Biziere et al. 1985; Borsini et al. 1984; Borsini et al. 1986; Bourin et al. 1987; Browne 1979; Cristea et al. 1994; DeliniStula et al. 1988; Drugan et al. 1989; Dubocovich et al. 1990; Duterte-Boucher et al. 1988; Eroglu und Hizal 1987; Fozard et al. 1985; Frances 1988; Gorka et al. 1979; Herman et al. 1981; Maj et al. 1982; Mogilnicka et al. 1987, 1988; Nakazawa et al. 2003; Nirmal et al. 2008; Pare 1989; Plech et al. 1982; Przegalinski et al. 1980; Raghavendra et al. 2000; Rostock et al. 1989; Schmidt 1984, 1985; Steru et al. 1987; Steru et al. 1985; Sunal 1986; Sunal et al. 1994; Vaugeois et al. 1996; Wainstein et al. 1990; Wallach und Hedley 1979; West 1990; Zebrowska-Lupina 1980 113 Chefarzt des größten psychiatrischen Hospitals der Region Bingerville, ein Vorort von Abidjan, Elfenbeinküste, Westafrika, das 1962 mit 250 Betten und einem Team gut ausgebildeter Psychiater und engagiertem Pflegepersonal eröffnet wurde 114 „Lokalrealismus“ erfüllt stets zwei Bedingungen: (1) Lokalität, d. h. kein „Stoff “ kann an einem Ort verschwinden und an einem anderen Ort wieder auftauchen, ohne kontinuierlich von einem zum anderen Ort durch die benachbarten Zwischenräume hindurchzufließen; (2) Objektivität, d. h. der Stoff existiert jederzeit auf dem Weg vom einen an den anderen Ort, auch wenn seine Existenz nicht durch irgendeine Messung festgestellt wird. Ab einem bestimmten Alter ist der Lokalrealismus (Objektkonstanz) für jedes Kind eine Selbstverständlichkeit: Während für den Säugling die hinter eine Trennwand laufende Mutter „zerstört“ wird, um sodann am anderen Ende wieder „erzeugt“ zu werden, versteht das etwas ältere Kleinkind (ab ca. 18 Monaten), dass die Mutter die ganze Zeit, obwohl unsichtbar, hinter der Trennwand existiert hat. 115 Der Begriff „Skaleninvarianz“ bedeutet, dass der Makrokosmos auch im Mikrokosmos manifest ist, ohne dass man irgendeine Skala festlegen muss, d. h. ohne Größendefinition. Ein einfaches Beispiel eines skaleninvarianten Objekts ist das Bild eines Malers, der ein Bild von einem Maler beim Malen malt, der ein Bild von einem Maler beim Malen malt usf. bis ins unendlich Kleine. Wenn man sich zugleich vorstellt, dass das Bild unendlich weit auch ins Große geht, hat man die Skaleninvarianz. Anstelle des konkreten Objekts „Bild“ kann man sich den aktiven Prozess des Malens mit unendlich vielen Malern jeder erdenklichen Größe vergegenwärtigen. Dies wäre dann ein Paradebeispiel für einen skaleninvarianten Prozess. Die bekannten Fraktalbilder, die man in fast jedem Postergeschäft finden kann, sind so konstruiert, dass mehr oder

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Anmerkungen

weniger dasselbe Muster zu erkennen ist, egal ob man das Ganze betrachtet, oder mit einem immer stärkeren Vergrößerungsglas einen kleinen Ausschnitt anschaut. So könnten nach diesem Prinzip auch Phänomene verstanden werden, die sich in der mikroskopischen Quantenwelt abspielen und evtl. auch in unserer Alltagswelt eine Rolle spielen, ohne dass dies lückenlos aus der Mathematik der (linearen, nicht dissipativen) Quantenphysik abzuleiten wäre. Die physikalische Disziplin, die sich mit solchen Invarianzen beschäftigt, heißt die „Nichtlineare Dynamik dissipativer Systeme“ oder „Chaostheorie“. 116 Eine Diskussion, warum die Idee der epistemologischen Komplementärität aus der sog. „Schwachen Quantentheorie“ (Atmanspacher et al. 2002) das Problem der Verschränkung in der Makrowelt nicht stichhaltig erklärt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 117 Kürzlich wurde im Rahmen eines Humangenomprojekts herausgefunden, dass die Evolution in den letzten 10.000 Jahren wohl hundertmal schneller verlaufen ist als je zuvor in der Geschichte der menschlichen Evolution (Hawks et al. 2008; Hawks et al. 2007). Innerhalb 5.000 Jahren könnten sich mindestens sieben Prozent der Gene verändert haben. So war es vor 6.000 Jahren einem erwachsenen Menschen kaum möglich, Milchzucker zu verdauen. Heute trinken ganze Populationen in der westlichen Welt Milch. Laut den Autoren haben frühere Veränderungen in menschlichen Kulturen und Ökologien zur ungemein rasanten genetischen Evolution unserer Spezies in jüngster Vergangenheit beigetragen. Der Grund für diese Akzeleration wird die Forschung noch intensiv beschäftigen. 118 Obwohl die subjektive Erfahrung vermuten lässt, dass solch ein Dirigent irgendwie im Geist-Gehirn im Sinne einer funktionellen Konnektivität der Informationsverarbeitung existiert, zeigt die Hirnforschung zugleich, dass er sich als strukturelles Netzwerk im Substrat des Gehirns nicht eindeutig lokaliseren lässt. 119 Selektive Wahrnehmung lässt den Besitzer eines Hammers überall einzuschlagende Nägel sehen, aber auch den Skeptiker List, Betrug oder irgendeine andere zwingende Ausnahme. 120 engl.: “displeasing effect”. 121 engl.: “pleasing effect”. 122 Die Zytokin-Produktion des Immunsystems ist bedeutsam sowohl für Gesundheit als auch Krankheit. Das Nervensystem kann über den vagalen Entzündungsreflex die Zytokin-Ausschüttung hemmen und damit das Gewebe vor Verletzung oder Absterben bewahren. Der efferente Signalweg wird als cholinergisch-antiinflammatorisch bezeichnet. Cholinerge Agonisten hemmen die Zytokin-Synthese und schützen vor zytokin-induzierten Krankheiten. Stimulation des Vagus hemmt die schädigenden Zytokin-Effekte bei experimentell erzeugter Entzündung, Endotoxämie, Ischämie/ Reperfusion, hämorrhagischem Schock, Arthritis und anderen inflammatorischen Syndromen. 123 Siehe z. B. Baron-Cohen et al. 2001; Schmidt-Atzert und Krumm 2007 und auch Chesney et al. 1990; Craig und Patrick 1985; Dobson 2009; Klions et al. 1987; Mammucari et al. 1988; Patrick et al. 1986; Rosenstein und Oster 1988 124 Ca. 60 Prozent der Patienten fühlen sich schon vor der ersten Behandlung mit Chemotherapie elend und klagen über Übelkeit. 125 Siehe auch unknown (1979) “Mass psychogenic illness”; Araki und Honma 1986; Bartholomew 1994; Boxer 1985; Clements 2003, 2007; Cohen et al. 1978; Colligan 1981; Colligan und Smith 1978; Colligan et al. 1979; Dzokoto und Adams 2005; Elkins et al. 1988; Gamino et al. 1989; Hal und Johnson 1989; House und Holness 1997; Jones 2000; Karam und Khattar 2007; Kharabsheh et al. 2001; Khiem et al. 2003; Kurtz und Esser 1989; Lings 1984; Magnavita 2000; Murphy und Colligan 1979; Powell et al. 2007; Rad-

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Anmerkungen

ford und Bartholomew 2001; Smith et al. 1978; Struewing und Gray 1990; Wessely 2000; Yasamy et al. 1999 126 Zytokine wirken als Botenstoffe zwischen Zellen. Es sind lösliche Moleküle, die die Kommunikation der an den Immun- oder Entzündungsreaktionen beteiligten, sich gegenseitig beeinflussenden Zellen bestimmen. Die Wechselwirkung der Zytokine kann als ein integrales Ganzes verstanden werden. Das Ganze umfasst auch die Beziehungen der Zellen des Immunsystems mit jenen, die gewöhnlich außerhalb des Immunsystems stehen und mit Zellen, die die Blutbildung (Hämatopoese) kontrollieren. Siehe z. B. (Roitt 1993, S. 143ff ). 127 Siehe Schmid 1991; Schmid 1997; 1998; Schmid et al. 2002; Schmid et al. 2002; Schmid et al. 2000; Schmid 2005 128 Der Nervus vagus ist der Hauptnerv des parasympathischen Nervensystems (10. Hirnnerv). Er versorgt mit zahlreichen Verzweigungen Herz, Lunge und Eingeweide. 129 “From the sketch of pathological-anatomical features, I would like to emphasize that they are in no way satisfactory from the standpoint of a dynamic-biological holistic approach to the death process, and that they are indeed only the last, visibly remaining link of a chain available as they are to us only from the static approach of the autopsy table.” (Arnold 1949, S. 389–390) 130 “… that ‘voodoo’ death may be real, and that it may be explained as due to shocking emotional stress to obvious or repressed terror”. (Cannon 1957, S. 189) 131 “The pulse towards the end would be rapid and ‘thready.’ The skin would be cool and moist. A count of the red blood corpuscles, or even simpler, a determination by means of a hematocrit of the ratio of corpuscles to plasma in a small sample of blood from skin vessels would help to tell whether shock is present; for the ‘red count’ would be high and the hematocrit also would reveal ‘hemoconcentration.’ The blood pressure would be low. The blood sugar would be increased, but the measure of it might be too difficult in the field.” (Cannon 1957, S. 189–190) 132 “...may have died a so-called vagus death, which is the result of overstimulation of the parasympathetic rather than of the sympathicoadrenal system.” (Richter 1957, S. 196) 133 “Death may result from the effects of a combination of reactions, all of which may operate in the same direction, and increase the vagal tone.” (Richter 1957, S. 197) 134 Siehe z. B. Link et al. 2003; Maron 2003; Maron, Carney et al. 2003; Maron et al. 2004; Maron, Casey et al. 2003; Maron, Estes, 3rd et al. 2003; Maron, McKenna et al. 2003; Maron, Piccininno et al. 2003; Maron, Poliac et al. 2003; Maron et al. 2003; Priori et al. 2002, 2003. 135 Der Stirnlappen ist der vordere Teil des Gehirns, in dem u. a. Stress wahrgenommen und der Blutdruck kontrolliert wird. 136 Das sympathische Nervensystem ist die für Antrieb sorgende, eher aktivierende Hälfte des Vegetativums. 137 Das parasympathische Nervensystem ist die für Ordnung sorgende, eher bremsende Hälfte des Vegetativums. 138 Frasure-Smith und Lesperance 1992, 1998, 1999; Rahe 1992; Rahe et al. 1973; Rahe et al. 1978; Rahe et al. 1974; Romo et al. 1974. 139 Der Begriff „vaskulär“ bedeutet „die Gefäße betreffend“ und wird hier im Zusammenhang mit dem Transport von Hormonen (z. B. Adrenalin) und Chemikalien (z. B. Stickstoffmonoxyd NO) in den Blut- und Lymphbahnen benutzt. 140 Ohne jede Vorgeschichte kardialer Beeinträchtigung, 12 Stunden zuvor noch quicklebendig, mit amtlicher Leichenschau und Bestätigung des Pathologen, dass weder Anomalien des Herzens noch eine Vergiftung vorlagen. 141 Zum Thema SUDS herrscht in der Literatur eine unglückliche Konfusion bzgl. des Kürzels SADS. Einerseits benutzt Bowker schon 1995 die Bezeichnung „sudden unex-

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Anmerkungen

pected adult death“ (Bowker et al. 1995) und dann später z. B. 2003 das Kürzel SADS für „Sudden Adult Death Syndrome“ (Bowker et al. 2003). Andererseits benutzt Behr in einem späteren Artikel zusammen mit Bowker und Mitarbeiter das gleiche Kürzel für den Begriff „Sudden Arrhythmic Death Syndrome“ (Behr et al. 2007). Offensichtlich wird hier stillschweigend angenommen, dass jeder plötzliche, unerwartete Tod bei Erwachsenen ausschließlich durch eine unerwartete kardiale Arrhythmie ausgelöst wird. 142 Ischämie: Blutleere einzelner Organteile infolge mangelnder Blutzufuhr; Verminderung oder Abschneiden der Durchblutung eines Organs, Organteils oder Gewebes infolge mangelnder arterieller Blutzufuhr, z. B. durch Thrombose, Embolie, etc. 143 Siehe z. B. Frasure-Smith und Lesperance 2003, 2005, 2006; Glassman 1997; Lesperance und Frasure-Smith 1999, 2000, 2003, 2007; Lesperance et al. 2000. 144 So führt z. B. ein Anstieg des Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH) zu einer Erhöhung des Sympathikotonus, und eine Steigerung des Kortisolspiegels hat negative Auswirkung auf die Atherosklerose. 145 Das Vorhandensein des Renin-Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE) im ZNS ist eindeutig belegt. Dies spielt beim Abbau von Neuropeptiden eine Rolle. 146 Siehe z. B. Andreotti et al. 1988; Davies 1981, 1992a; Davies und Popple 1979; Davies und Thomas 1984; Davies et al. 1986; Krikler et al. 1980; Smeeton et al. 1981; Thomas et al. 1988 147 Siehe z. B. Brotman et al. 2007; Brutsaert 2007; Buchholz und Rudan 2007; Grawe et al. 2006; Ikeda et al. 2006; Kusaba et al. 2004; Kushiro et al. 2005; Natelson und Chang 1993; Wittstein 2007; Abdulla und Ward 20