Symmetrie, invarianz und selbstaehnlichkeit in der turbulenz [PDF]

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Zitiervorschau

Symmetrie, Invarianz und Selbst¨ ahnlichkeit in der Turbulenz Von der Fakult¨at f¨ ur Maschinenwesen der Rheinisch-Westf¨alischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung der venia legendi f¨ ur das Lehrgebiet Turbulenztheorie genehmigte Habilitationsschrift von Dr.-Ing. Martin Oberlack aus K¨oln

Berichter:

Prof. Dr.-Ing. h.c. N. Peters Prof. Dr.-Ing. W. Schr¨oder Prof. Dr.rer.nat. F. H. Busse

Aachen, 21. Juni 2000

Berichte aus der Strömungstechnik

Martin Oberlack

Symmetrie, Invarianz und Selbstähnlichkeit in der Turbulenz

.

D 82 (Habil.-Schr. RWTH Aachen)

Shaker Verlag Aachen 2000

Die Deutsche Bibliothek

-

CIP-Einheitsaufnahme

Oberlack, Martin: Symmetrie, Invarianz und Selbstähnlichkeit in der Turbulenz / Martin Oberlack. Aachen : Shaker, 2000 (Berichte aus der Strömungstechnik) Zugl.: Aachen, Techn. Hochsch., Habil.-Schr., 2000 ISBN 3-8265-8228-4

.

Copyright Shaker Verlag 2000 Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung, vorbehalten. Printed in Germany.

ISBN 3-8265-8228-4 ISSN 0945-2230 Shaker Verlag GmbH • Postfach 1290 • 52013 Aachen Telefon: 02407 / 95 96 - 0 • Telefax: 02407 / 95 96 - 9 Internet: www.shaker.de • eMail: [email protected]

Meiner Frau Sabine und meinen T¨ochtern Anna, Henrike und Theresa

vii

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand w¨ahrend meiner T¨atigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl und Institut f¨ ur Technische Mechanik der Rheinisch-Westf¨alischen Technischen Hochschule Aachen. Mein tiefer Dank richtet sich an den Institutsleiter Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Norbert Peters f¨ ur die wertvollen und konstruktiven Diskussionen, seinen fachlichen sowie pers¨onlichen Rat und die große Bet¨atigungsfreiheit, die zusammen maßgeblich die Entwicklung und Fertigstellung dieser Arbeit gepr¨agt haben. Herrn Univ.-Prof. Dr. rer.nat. Friedrich H. Busse vom Institut f¨ ur Theoretische Physik IV der Universit¨at Bayreuth und Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Schr¨oder vom Aerodynamischen Institut Aachen danke ich herzlichst f¨ ur ihr Interesse an der Arbeit, ihre ¨ wertvollen Hinweise sowie f¨ ur die Ubernahme der Korreferate. Die ersten Ideen u ¨ber Symmetrien in der Turbulenz wurden von mir am Center for Turbulence Research (CTR) an der Stanford Universit¨at/Kalifornien/USA erarbeitet. Meinen dortigen Gastgebern Prof. William C. Reynolds und dem Direktor des CTR Prof. Parviz Moin sowie allen Mitarbeitern dort danke ich f¨ ur die vielf¨altigen gewinnbringenden Diskussionen und die erfahrene Gastfreundlichkeit. Weiterhin danke ich auch Herrn Dipl.-Math. Mohamed Barakat vom Lehrstuhl B f¨ ur Mathematik der RWTH Aachen f¨ ur die zahlreichen interessanten Gespr¨ache u ¨ber GruppenTheorie. Auch m¨ochte ich allen Mitarbeitern des Instituts f¨ ur Technische Mechanik, die mich bei meiner Arbeit unterst¨ utzt haben, recht herzlich danken. Ganz besonders hervorheben m¨ochte ich auch den R¨ uckhalt, die Geduld und die Unterst¨ utzung durch meine Frau Sabine und meine T¨ochter Anna, Henrike und Theresa, die mir durch unseren gemeinsamen Aufenthalt in Kalifornien die Entstehung dieser Arbeit und meinen beruflichen Werdegang erst erm¨oglicht haben. Aachen, im Juni 2000

Martin Oberlack

ix

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1

1.1

Klassische mathematische Beschreibung turbulenter Str¨omungen . . . . . .

1

1.2

Lie-Gruppen in der Str¨omungsmechanik und Turbulenztheorie . . . . . . .

5

1.3

Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

2 Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

11

2.1

Statistische Mittelungsoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.2

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2.1

2.3

Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

R¨aumlich gefilterte Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

3 Symmetrien statistischer Transportgleichungen

27

3.1

Symmetrien der Euler- und Navier-Stokes-Gleichungen . . . . . . . . . . . 28

3.2

Homogene Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.2.1

Homogene Turbulenz ohne mittlere Geschwindigkeit . . . . . . . . . 37

3.2.2

Homogene Turbulenz mit konstantem mittleren Geschwindigkeitsgradienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

3.2.3

Homogene Turbulenz mit konstantem mittleren Geschwindigkeitsgradienten in einem rotierenden System . . . . . . . . . . . . . . . . 49

3.2.4

Homogene Turbulenz mit zeitabh¨angigem mittleren Geschwindigkeitsgradienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

x

Inhaltsverzeichnis 3.3

3.4

Station¨are turbulente Scherstr¨omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.3.1

Ebene Scherstr¨omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

3.3.2

Achsensymmetrische Scherstr¨omungen . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Instation¨are ebene turbulente Scherstr¨omungen . . . . . . . . . . . . . . . 92

4 Implikationen der Symmetrien f¨ ur Turbulenzmodelle

101

4.1

Symmetrien in Sub-Grid Scale-Modellen der Large-Eddy Simulation . . . . 102

4.2

Symmetrien Reynolds-gemittelter Turbulenzmodelle . . . . . . . . . . . . . 116

5 Zusammenfassung und Ausblick

125

6 Literaturverzeichnis

129

A Einf¨ uhrung in die Theorie der Lie-Gruppen

141

A.1 Motivation und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 A.2 Transformationsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 A.3 Infinitesimale Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 A.4 Invariante Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A.5 Prolongationen und die Invarianz von Differentialgleichungen . . . . . . . . 153 ¨ A.6 Invariante L¨osungen (Ahnlichkeitsl¨ osungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 A.7 Liste wichtiger Transformationsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 B L¨ osung von Tensor-Polynomgleichungen

173

1

1 Einleitung Turbulenz gilt, trotz der großen Fortschritte in vielen theoretischen und experimentellen Bereichen, als eines der wichtigsten und sicher auch als eines der interessantesten, ungel¨osten Probleme der klassischen Mechanik. Die besondere Bedeutung der Turbulenz wird vor allem bestimmt durch ihre allgegenw¨artige Pr¨asenz in nat¨ urlichen wie auch in technischen Systemen. Beispiele nat¨ urlicher turbulenter Str¨omungen sind die atmosph¨arische und die ozeanische Str¨omung, deren Berechnung f¨ ur die Klimaforschung eine Schl¨ usselrolle einnimmt. Auch biologische Systeme, wie z.B. unter gewissen Bedingungen die Herzinnenstr¨omung, sind durch Turbulenz gepr¨agt. Die außergew¨ohnliche F¨ ulle wichtiger turbulenter Str¨omungen impliziert die Notwendigkeit ihrer mathematischen Beschreibbarkeit. Die weitaus gr¨oßte Aufmerksamkeit ist der Turbulenz bei technischen Str¨omungen gewidmet worden, da die meisten f¨ ur die Weltwirtschaft bedeutsamen Transportvorg¨ange mit ¨ turbulenten Str¨omungen in Verbindung stehen. Uber 90% des Weltenergieverbrauchs wird durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe gedeckt. Die hierbei stattfindende Energieumwandlung geht fast immer einher mit turbulenten Str¨omungen. Auch die Umstr¨omung der meisten Transportfahrzeuge ist durch Turbulenz gepr¨agt, ebenso wie die meisten Innenstr¨omungen in industriellen Prozessen. Die beispielhafte Aufz¨ahlung macht deutlich, daß die mathematische Modellierung der Turbulenz eine wichtige Voraussetzung sowohl zum Verst¨andnis als auch zur Optimierung vieler Str¨omungsprozesse darstellt.

1.1

Klassische mathematische Beschreibung turbulenter Str¨ omungen

Unter Physikern und Ingenieuren besteht weitgehend Einigkeit dar¨ uber, daß die NavierStokes-Gleichungen das Ph¨anomen der Turbulenz mit guter Genauigkeit beschreiben, solange die Voraussetzungen der Kontinuumsmechanik erf¨ ullt sind. Numerische Turbulenzsimulationen auf der Basis der Navier-Stokes-Gleichungen haben gezeigt, daß sich die in Experimenten gefundenen Ergebnisse mit hoher Genauigkeit reproduzieren lassen. Dies

2

Einleitung

gilt auch vor dem Hintergrund, daß ein Existenz-Theorem f¨ ur die L¨osungen der NavierStokes-Gleichungen im dreidimensionalen Raum bislang nicht bewiesen werden konnte. Dieser Beweis ist lediglich f¨ ur die zweidimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen und f¨ ur modifizierte Formen der Navier-Stokes-Gleichungen erbracht worden, die einen Diffusionsoperator h¨oherer Ordnung besitzen (siehe z.B. Doering & Gibbon [23]). Obwohl die Navier-Stokes-Gleichungen offenbar ein gutes kontinuumsmechanisches Modell f¨ ur die Str¨omung von Fluiden darstellen, gestaltet sich die mathematisch-statistische Beschreibung turbulenter Str¨omungen als sehr schwierig. Die alleinige Ursache hierf¨ ur ist die Nichtlinearit¨at der Konvektionsterme in den Navier-Stokes-Gleichungen. Eine Vielzahl klassischer mathematischer Methoden, die bei laminaren Str¨omungen erfolgreich eingesetzt werden, wie z.B. Potentialtheorie oder Grenzschichttheorie, sind auf turbulente Str¨omungen nicht anwendbar. Auch jegliche Linearisierung der Navier-Stokes-Gleichungen ist im allgemeinen nicht zul¨assig, da sie den Charakter der Gleichungen so nachhaltig ver¨andert, daß die modifizierten Gleichungen nur unter sehr restriktiven Bedingungen die Turbulenz beschreiben k¨onnen. Turbulenz beinhaltet große r¨aumliche und zeitliche Schwankungen von Druck und Geschwindigkeit, die ein weit gef¨achertes Wellen- bzw. Frequenzspektrum aufweisen. Um diese Eigenschaft zu modellieren, sind verschiedene mathematische Ans¨atze speziell zur Beschreibung von Turbulenz entwickelt worden. Da in den meisten Anwendungen nur statistische Eigenschaften der Str¨omung, also die mittleren Geschwindigkeiten und der mittlere Druck von Interesse sind, ist von O. Reynolds [101] erstmalig eine statistische Beschreibung der Turbulenz vorgeschlagen worden. Reynolds betrachtete den Druck und die Geschwindigkeit als statistische Variablen und hat Gleichungen f¨ ur ihren Mittelwert hergeleitet. Da die Navier-Stokes-Gleichungen nicht-linearen Charakter haben, f¨ uhrt die Mittelung auf ein ungeschlossenes Gleichungssystem. Der durch den Mittelungsprozeß entstandene ungeschlossene Term wird als Reynoldsscher Spannungstensor bezeichnet. F¨ ur diesen wurde von O. Reynolds ein Transportgleichungssystem hergeleitet, welches neue ungeschlossene Terme enth¨alt, f¨ ur die abermals Transportgleichungen hergeleitet werden k¨onnen. Diese Kette neuer Gleichungen mit neuen ungeschlossenen Termen muß theoretisch ad infinitum fortgesetzt werden. Dieses, als Schließungsproblem der Turbulenz bezeichnete Ph¨anomen, kann bislang nur durch den willk¨ urlichen Abbruch der Kette von Transportgleichungen und durch die Einf¨ uhrung empirischer Modelle gel¨ost werden. Obwohl die L¨osung des resultierenden Gleichungssystems durch eine Vielzahl empirischer Hypothesen mitbestimmt wird, ist es die am weitesten verbreitete Methode zur Beschreibung und Berechnung von Turbulenz.

Klassische mathematische Beschreibung turbulenter Str¨ omungen

3

Eine Erweiterung der Reynoldsschen Ideen ist der Zwei-Punkt-Korrelationstensor (siehe z.B. Hinze [48]). Entscheidender Vorteil des Zwei-Punkt-Konzeptes ist eine deutlich reduzierte Anzahl ungeschlossener Terme in den dazugeh¨origen Transportgleichungen. Dies wird indes mit dem Nachteil erkauft, daß die Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen drei weitere Raumdimensionen enthalten und u ur nichtlineare Profile der mittle¨berdies f¨ ren Geschwindigkeit eine nichtlokale partielle Differentialgleichung darstellen. Mithin ist die Zwei-Punkt-Korrelationsgleichung vorzugsweise bei der Analyse homogener Turbulenz eingesetzt worden. Tats¨achlich sind die Navier-Stokes-Gleichungen kein statistisches System im klassischen Sinne, sondern ein unendlichdimensionales, dissipatives, chaotisches und dynamisches System (siehe Doering & Gibbon [23]). Die statistischen Eigenschaften des Systems werden durch die Art der Rand- und Anfangsbedingungen bestimmt. Um das statistischchaotische Verhalten der Navier-Stokes-Gleichungen zu quantifizieren, sind sowohl die Theorie chaotischer Systeme als auch die Theorie statistischer Differentialgleichungen und Funktionalgleichungen auf die Navier-Stokes-Gleichungen angewendet worden (siehe z.B. Staniˇsi´c [117]). In beiden F¨allen ist die wesentliche Schwierigkeit die unendliche Dimensionalit¨at und die Nichtlinearit¨at der Navier-Stokes-Gleichungen. Die gewonnenen Ergebnisse sind meist qualitativer Natur. Auch die Anwendung von Methoden aus der statistischen Mechanik sind meist deskriptiv. Die Ursache hierf¨ ur ist wiederum die Nichtlinearit¨at der Navier-Stokes-Gleichungen, die zu einem breiten Spektrum turbulenter L¨angenskalen f¨ uhrt, welche das statistische Verhalten maßgeblich beeinflussen. Eine unmittelbare Folge hiervon ist, daß die statistische Verteilung der str¨omungsmechanischen Schwankungsgr¨oßen große Unterschiede zur Gaußschen Verteilungsfunktion aufweist. Erst eine unendliche Anzahl statistischer Momente ist ¨aquivalent zu einer vollst¨andigen Beschreibung der Navier-Stokes-Gleichungen. Eine weitere, in j¨ ungster Zeit angewandte mathematische Technik ist die “Proper Orthogonal Decomposition” (POD) (z.B. [50]). Hierbei wird die L¨osung der Gleichungen f¨ ur eine turbulente Str¨omung in eine angepaßte orthogonale Funktionenbasis zerlegt, so daß die Sequenz der Eigenfunktionen eine Folge von immer kleineren “eddies” beschreibt. Bislang ist diese Technik lediglich auf einfache Geometrien angewandt worden. Die entscheidende Schwierigkeit ist, daß die Funktionenbasis f¨ ur ein gegebenes Turbulenzproblem nicht a priori bestimmt werden kann. Dies ist vor allem bei komplexen Geometrien eine ungel¨oste Kernfrage. Weiteres Hindernis f¨ ur eine breite Anwendung ist, daß turbulente Str¨omungen bei hohen Reynoldszahlen ein sehr breites Spektrum von L¨angenskalen entwickeln, was einer großen Anzahl von Eigenfunktionen entspricht.

4

Einleitung

Durch die Entwicklung von H¨ochstleistungsrechnern sind in den letzten Jahrzehnten zwei Techniken zur Beschreibung von Turbulenz in den Vordergrund ger¨ uckt, die allerdings nicht als Modelle bzw. Theorien im klassischen Sinne bezeichnet werden k¨onnen. Die eine ist die direkte numerische Simulation (DNS), die keine empirischen Annahmen zur Beschreibung von Turbulenz ben¨otigt, welche u ¨ber die Navier-Stokes-Gleichungen selber hinausgeht. Hierbei werden alle turbulenten L¨angen- und Zeitskalen numerisch “aufgel¨ost”. Die andere ist die “Large-Eddy Simulation” (LES), bei der lediglich ein empirisches Modell f¨ ur die “sub-grid scales” (SGS) eingef¨ uhrt werden muß. Die SGS sind diejenigen turbulenten L¨angenskalen, die kleiner als eine Maschenweite im numerischen Rechengitter sind. Beide Techniken erfordern sehr große Computerresourcen und wurden bislang meist auf einfache Geometrien angewandt. Da auch in absehbarer Zukunft sowohl LES und insbesondere DNS f¨ ur komplexe Probleme nicht eingesetzt werden k¨onnen, liegt ihre Bedeutung bislang nur in der Grundlagenforschung. Trotz der inh¨arenten Schwierigkeiten eines statistischen Ansatzes wie er von O. Reynolds [101] vorgeschlagen wurde, hat sich die statistische Beschreibung auf der Basis der Reynoldsgemittelten-Navier-Stokes-Gleichungen und die damit verbundene empirische Modellierung bei der Berechnung von Turbulenz in den meisten technischen Anwendungen etabliert. Die wesentliche Limitierung der statistischen Turbulenzmodelle ist durch die notwendigen empirischen Schließungsmodelle begr¨ undet. Es gibt kein mathematisch rigoroses Verfahren, um die unendliche Kette von Korrelationsfunktionen auf eine endliche Anzahl zu reduzieren. Um die somit notwendigen Modellans¨atze auf eine bessere physikalische Basis zu stellen, sind eine Reihe physikalisch-mathematischer Bedingungen entwickelt worden. Hierzu z¨ahlen die “tensoriell” korrekte Formulierung des Modells, die “Realizability”Bedingung [109] und die “2D material frame indifference”-Bedingung (2DMFI) [16, 114]. Letztere ist erst in j¨ ungster Zeit in einige wenige Modelle eingeflossen. Das statistische Limit homogener bzw. isotroper Turbulenz wird h¨aufig als weitere Bedingung hinzugezogen. Diese Vorgaben k¨onnen allerdings nicht aus fundamentalen physikalischen bzw. mathematischen Prinzipien hergeleitet werden. Bei der Kalibrierung fast aller Turbulenzmodelle, sowohl bei Reynolds-gemittelten Gleichungen als auch bei LES-Modellen, wird das von K´arm´ansche universelle Wandgesetz [123] eingesetzt, welches die mittlere Geschwindigkeit im wandnahen Bereich mit dem Wandabstand in Beziehung setzt. Hergeleitet wurde das universelle Wandgesetz f¨ ur turbulente Scherstr¨omungen u ¨ber einer ebenen Platte und ist in einer sehr großen Anzahl von Experimenten verifiziert worden. Selbst bei Str¨omungen u ummten ¨ber schwach gekr¨

Lie-Gruppen in der Str¨ omungsmechanik und Turbulenztheorie

5

Oberfl¨achen, in denen das Verh¨altnis aus Grenzschichtdicke und Kr¨ ummungsradius ein kleiner Parameter ist, z.B. auf weiten Teilen einer Tragfl¨ ugeloberfl¨ache, ist das universelle Wandgesetz nachgewiesen worden. In mathematischer Form l¨aßt es sich folgendermaßen angeben: u¯+ = y + u¯+ =

1 ln(y + ) + C κ

f¨ ur f¨ ur

d¯ u+ dy + d¯ u+ − uv +  + . dy − uv + 

Die Terme u¯+ , y + und uv + bezeichnen die mittlere Geschwindigkeit, den Wandabstand sowie die turbulente Schubspannung, die mit der Schubspannungsgeschwindigkeit und der kinematischen Viskosit¨at dimensionslos gemacht worden sind. Obwohl als einer der wesentlichen Eckpfeiler der statistischen Turbulenztheorie anerkannt, war bislang keine mathematisch rigorose Herleitung des logarithmischen Wandgesetzes aus den Navier-Stokes-Gleichungen bekannt. Es sind mehrere Herleitungen des logarithmischen Wandgesetzes in der Literatur dokumentiert. Aber entweder blieben die NavierStokes-Gleichungen zur Herleitung unber¨ ucksichtigt, oder es wurden Annahmen bei der Herleitung eingef¨ uhrt, die das Ergebnis schon vorab implizierten. Eine h¨aufig zitierte Her¨ leitung von Millikan [79] geht von einem asymptotischen Uberlappungsgebiet zwischen dem logarithmischen und dem nicht-universellen Bereich aus. In dieser Arbeit werden die Navier-Stokes-Gleichungen aber an keiner Stelle hinzugezogen. Eine asymptotische Analyse auf der Basis der Navier-Stokes-Gleichungen ist von Mellor [77] durchgef¨ uhrt worden. Zu Beginn von Mellors Arbeit ist bereits die Invarianz einer Geschwindigkeitsskala verwendet worden. Diese impliziert unmittelbar das logarithmische Wandgesetz.

1.2

Lie-Gruppen in der Str¨ omungsmechanik und Turbulenztheorie

Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Entdeckung, daß das logarithmische Wandgesetz in die Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen (ZPK) und auch in alle h¨ohe¨ ren Korrelationsgleichungen eingesetzt, die Einf¨ uhrung einer Ahnlichkeitskoordinate erlaubt [85]. Hiermit wird erstmalig gezeigt, daß ein nicht-lineares Geschwindigkeitsprofil eine Selbst¨ahnlichkeit der Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen zul¨aßt. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil die Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen f¨ ur nicht-lineare Geschwindigkeitsprofile eine nicht-lokale Differentialgleichung darstellen. Nur f¨ ur mittle-

6

Einleitung

re Geschwindigkeiten in Form einer linearen Funktion reduzieren sich die Zwei-PunktKorrelationsgleichungen auf eine partielle Differentialgleichung im herk¨ommlichen Sinne. Bislang war es die dominierende Supposition der Turbulenzforscher, daß das universelle Wandgesetz eine unit¨are Stellung in der Turbulenz innehat. In [85, 88] kann bewiesen werden, daß eine ganze Klasse von Str¨omungsprofilen existiert, die eine Selbst¨ahnlichkeit der Korrelationsgleichungen erlaubt. Hierzu geh¨oren neben dem logarithmischen Gesetz ein algebraisches, ein exponentielles und zwei lineare Str¨omungsprofile. Eine Herleitung aller vorgenannten Gesetze aus der Zwei-Punkt-Korrelationsgleichung ist in Kapitel 3.3 gegeben. Die mathematische Basis der vorliegenden Arbeit ist die Methode der Symmetrie-, Transformations- oder auch Lie-Gruppen. Alle Begriffe f¨ ur das Verfahren werden im folgenden synonym verwendet. Es ist das allgemeinste bekannte mathematische Verfahren zur Berechnung exakter L¨osungen nicht-linearer Differentialgleichungen. Obwohl bereits in der zweiten H¨alfte des letzten Jahrhunderts von Sophius Lie entwickelt, ist es erst in den letzten zwei Jahrzehnten verwendet worden, um systematisch analytische L¨osungen der Navier-Stokes-Gleichungen zu ermitteln. Die Anwendung der Lie-Gruppen auf turbulente Str¨omungen, auch inhomogener Turbulenzfelder, ist Thema der vorliegenden Arbeit. Lie-Gruppen bezeichnen invertierbare Punkttransformationen der unabh¨angigen und abh¨angigen Variablen einer Differentialgleichung, die von einem kontinuierlichen Parameter abh¨angen und die die Differentialgleichung auf sich selbst transformieren. Lie konnte zeigen, daß besagte Gruppen bei der Analyse einer Differentialgleichung und bei der Konstruktion von L¨osungen von gr¨oßter Bedeutung sind. Zwillinger [133] vermerkt in seinem Handbuch u ¨ber Differentialgleichungen: “Lie group analysis is the most useful and general of all the techniques presented in this book”. Die Methode der Lie-Gruppen und daraus entwickelte Techniken liefern eine Vielzahl von L¨osungsans¨atzen sowohl f¨ ur gew¨ohnliche als auch f¨ ur partielle Differentialgleichungen. Eine F¨ ulle von Weiterentwicklungen der Lieschen Symmetrietransformationen sind in der Literatur dokumentiert (siehe z.B. [52, 53, 54]). Die meisten Integrationstechniken f¨ ur gew¨ohnliche Differentialgleichungen lassen sich unter der Methode der Lie-Gruppen und ihren Verallgemeinerungen vereinigen. Hierzu geh¨oren z.B. separierbare Differentialgleichungen, homogene Differentialgleichungen, autonome Differentialgleichungen und Eulersche Differentialgleichungen, um nur einige zu nennen. Wesentlich ist, daß sich mit Hilfe der Lie-Gruppen auch L¨osungen f¨ ur Differentialgleichungen erzeugen lassen, die keiner bekannten Gleichungsklasse angeh¨oren.

Lie-Gruppen in der Str¨ omungsmechanik und Turbulenztheorie

7

¨ Auf partielle Differentialgleichungen angewandt, lassen sich z.B. alle Ahnlichkeitsl¨ osungen, auch invariante L¨osungen genannt, konstruieren. Weiterhin l¨aßt sich entscheiden, ob eine nicht-lineare Differentialgleichung linearisiert werden kann, oder ob eine lineare Diffe¨ rentialgleichung in eine solche mit konstanten Koeffizienten u uhrt werden kann. Uber¨berf¨ dies l¨aßt sich die vollst¨andige Integrabilit¨at nicht-linearer Differentialgleichungen, z.B. der Burgers- oder der Korteweg-de-Vries-Gleichung, mit Hilfe von Symmetriemethoden herleiten. Von sowohl großer theoretischer als auch praktischer Bedeutung ist die Konstruktion von Erhaltungsformen einer Differentialgleichung, die auf Noether [83] zur¨ uckgeht und eine Verbindung zwischen Symmetrie- und Variationsmethoden herstellt. Wesentlicher Vorteil der Symmetriemethoden ist es, daß sie auf nicht-lineare Differentialgleichungen angewandt werden k¨onnen. Es besteht keinerlei Einschr¨ankung bez¨ uglich des Typs der Nicht-Linearit¨at. Ein zweiter essentieller Vorzug ist der algorithmische Charakter der Methode, da keine “L¨osungsidee” f¨ ur eine gegebene Differentialgleichung vorab bekannt sein muß. Um das oben beschriebene L¨osungsverfahren einsetzen zu k¨onnen, m¨ ussen zun¨achst alle Symmetrien einer gegebenen Differentialgleichung berechnet werden. Wollte man die Symmetrien direkt aus einer gegebenen Differentialgleichung durch Einf¨ uhren einer allgemeinen Transformationsvorschrift bestimmen, h¨atte man ein nichtlineares, partielles, u ¨berbestimmtes, in vielen F¨allen auch inhomogenes Differentialgleichungssystem zu l¨osen. Lie hat eine infinitesimale Form der Transformationen angegeben, die es erlaubt, die Symmetrien aus einem linearen, homogenen, u ¨berbestimmten, partiellen Differentialgleichungssystem zu bestimmen. Diese, auch als “bestimmendes System” benannten Gleichungen, werden durch den Lieschen Algorithmus aus der zu untersuchenden Differentialgleichung berechnet. Das bestimmende System l¨aßt sich unter Zuhilfenahme elementarer Integrationsheuristiken immer m¨ uhelos l¨osen. Bedeutend mehr Aufwand ist die Berechnung des bestimmenden Systems. Obwohl vollst¨andig algorithmisch, ist die reine Algebra f¨ ur große Systeme partieller Differentialgleichungen außergew¨ohnlich zeitaufwendig und folglich auch sehr fehleranf¨allig. Der erste Teil des Algorithmus, also die Berechnung des bestimmenden Systems, ist in einer Reihe von Computer-Algebra (CA) Systemen implementiert worden [45]. Die L¨osung des bestimmenden Systems ist der zweite Teil des Algorithmus, der bislang nur in einigen wenigen Systemen integriert worden ist. Obwohl manuell immer relativ leicht durchf¨ uhrbar, ist eine maschinelle L¨osung des bestimmenden Systems in vielen F¨allen mit heutigen Algorithmen nicht m¨oglich. Alle in dieser Arbeit maschinell berechneten bestimmenden Systeme sind mit dem Programmpaket Symmgrp.max [18] errechnet worden, welches das CA System

8

Einleitung

Macsyma [76] als Basissoftware verwendet. Das bestimmende System ist immer manuell gel¨ost worden. Eine heuristische Motivation der Lie-Gruppen und eine ausf¨ uhrliche Herleitung der elementaren Begriffe werden, mit Beispielen versehen, in Anhang A gegeben. Der vermutlich erste Hinweis auf Symmetrien in der Str¨omungsmechanik ist in der Arbeit von Toepfer 1912 [121] zu finden, der darauf hinwies, daß sich das Randwertproblem zur Berechnung des Blasiusschen Grenzschichtprofiles anhand von Symmetrie-Transformationen auf ein Anfangswertproblem u uhren l¨aßt. Letzteres ist sehr viel einfacher zu l¨osen ¨berf¨ als die urspr¨ ungliche Aufgabe. Die vermutlich erste umfassende Verwendung von Symmetrien in der Str¨omungsmechanik findet man bei Birkhoff [10]. Dort werden exakte L¨osungen der Navier-Stokes-Gleichungen auf der Basis von Symmetrien dokumentiert, die allerdings auch hier heuristisch eingef¨ uhrt und verwendet werden. Die Verwendung von infinitesimalen Transformationen, also die Anwendung des Lieschen Algorithmus, hat in der Str¨omungsmechanik erst in den letzten drei Jahrzehnten eine breite Anwendung gefunden. Insbesondere das systematische Auffinden von analytischen L¨osungen der Navier-Stokes-Gleichungen ist erst in vorgenanntem Zeitraum erfolgt. Eine vollst¨andige Klassifizierung aller L¨osungen ist laut Andreev et al. [2] bis heute nicht ab¨ geschlossen. Einen ausf¨ uhrlichen Uberblick u ¨ber eine sehr große Anzahl bisher gefundener L¨osungen ist in Wang [127], [126] gegeben. Viele der dort verzeichneten L¨osungen sind nicht durch die Anwendung von Lie-Gruppen erzielt, sondern durch heuristische Methoden errechnet worden. Exakte L¨osungen der Navier-Stokes-Gleichungen, die durch den Einsatz von Lie-Gruppen ermittelt worden sind, finden sich in [14, 16, 31, 32, 33, 41, 72, 73, 74, 97, 98]. Die Anwendung gruppentheoretischer Methoden auf ein breit gef¨achertes Spektrum str¨omungsmechanischer Gleichungen ist in dem Buch von Andreev et al. [2] erfolgt. Vor wenigen Jahren haben Symmetriemethoden ihre vermutlich erste Anwendung in der ¨ Turbulenz gefunden. Unal [122] konnte anhand der bekannten Symmetriegruppen der Navier-Stokes-Gleichungen zeigen, daß bei einer speziellen Kombination zweier Skalengruppen die Dissipation eine Invariante darstellt. Somit war zwar die Existenz der von Kolmogorov postulierten Invarianz der Dissipation in den Navier-Stokes-Gleichungen formal gezeigt, aber die Eindeutigkeit im Grenzfall großer Reynoldsscher Zahlen ist damit keineswegs bewiesen. Auch andere Skalare sind als Invarianten der Navier-Stokes-Gleichungen denkbar. Symmetrien der Navier-Stokes-Gleichungen sind zwar in turbulente “scaling laws” und auch in Turbulenzmodelle eingeflossen, sind als solche aber nicht identifiziert worden, sondern wurden lediglich heuristisch eingesetzt. Zum Beispiel ist die Invarianz bez¨ uglich

Nomenklatur

9

einer beliebigen aber festen Rotation des Koordinatensystems bei modernen Turbulenzmodellen immer gew¨ahrleistet, wenn sie “tensoriell” korrekt formuliert werden. Bei der Anwendung von Wandfunktionen ist die vorgenannte Invarianz hingegen nicht mehr garantiert. Auch viele der ersten Turbulenzmodelle, wie z.B. der Prandtlsche Mischungswegansatz [96], besitzen den Nachteil, daß sie nicht unabh¨angig vom Koordinatensystem sind. Hingegen ist die Skaleninvarianz, also die Skalierbarkeit von Raum und Zeit, in fast allen modernen Reynoldsschen Spannungsmodellen korrekt enthalten. Lediglich eine Vielzahl von LES-Modellen sind nicht konform mit dieser Eigenschaft, wie in Kapitel 4.1 gezeigt wird. Im Gegensatz hierzu ist die 2DMFI, eine Symmetrieeigenschaft der Navier-StokesGleichungen in zwei Raumdimensionen, in sehr wenigen Turbulenzmodellen korrekt wiedergegeben. Obwohl sie nur die vorgenannte beschr¨ankte G¨ ultigkeit besitzt, ist sie von großer Bedeutung f¨ ur Str¨omungen mit starker Stromlinienkr¨ ummung. In Kapitel 4.2 wird gezeigt, daß selbst Reynolds-Spannungs-Modelle, die alle Symmetrien der dreidimensionalen Navier-Stokes-Gleichungen besitzen, also z.B. das k- Modell [62], nicht notwendigerweise alle korrekten Symmetrien unter vereinfachten geometrischen Bedingungen wiedergeben.

1.3

Nomenklatur

¨ Nachfolgend wird ein Uberblick u ¨ber h¨aufig verwendete mathematische Ausdrucksweisen gegeben: • Kartesische Vektoren oder Tensoren in Indexschreibweise lauten z.B. Ui und Rij . ¨ • Uber doppelt auftretende Indizes wird gem¨aß der Einsteinschen Summenkonvention summiert, z.B. Rkk . • Diese Konvention ist aufgehoben, wenn die Indizes in eckige Klammern gesetzt sind, z.B. R[kk] . • Der ¨aquivalente Vektor zu einem antisymmetrischem Tensor ist durch ein “ckeck” gekennzeichnet, z.B. Aˇi = 12 eijk Ajk , wobei Ajk ein antisymmetrischer Tensor darstellt. • Eine synonyme Schreibweise f¨ ur Vektoren ohne Index ist U in “bolditalic” und f¨ ur Tensoren h¨oherer Ordnung R in “sanserifbold”.

10

Einleitung • Matrizen, also z.B. a, sind in “mathbold” geschrieben. • Differentialoperatoren, z.B. X, sind in “roman” gehalten. • Statistische- oder Gleichungs-Operatoren, z.B. K, sind “kaligrafisch” aufgef¨ uhrt.

Die Bedeutung der einzelnen physikalischen Variablen sind dem Zusammenhang im Text zu entnehmen.

11

2 Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen Ausgangspunkt der in dieser Arbeit vorgestellten Analyse sind die Navier-Stokes-Gleichungen f¨ ur inkompressible Fluide unter der Annahme eines Newtonschen Materialgesetzes mit konstanter Dichte und Viskosit¨at. In kartesischen Koordinaten lautet die Kontinuit¨atsgleichung ∂Uk =0 ∂xk

(2.1)

DUi ∂ 2 Ui 1 ∂P +ν − 2 Ωk eikl Ul − Ωi Ωk xk + xi Ωk Ωk , =− Dt ρ ∂xi ∂xk ∂xk

(2.2)

D ∂ ∂ = + Uk Dt ∂t ∂xk

(2.3)

und die Impulsgleichung

wobei

die substantielle Ableitung definiert. t, x, U , P , ρ und ν repr¨asentieren die Zeitkoordinate, den Ortsvektor, den momentanen Geschwindigkeitsvektor, den Druck, die Dichte und die kinematische Z¨ahigkeit. Gleichung (2.2) ist f¨ ur ein bei konstanter Umdrehungsgeschwindigkeit rotierendes Koordinatensystem formuliert, weshalb auf der rechten Seite Coriolis- und Zentrifugal-Terme auftreten. Ω bezeichnet den konstanten Rotationsvektor und eijk den alternierenden Tensor    

1 f¨ ur ijk = 123, 312, 231 eijk = −1 f¨ ur ijk = 321, 132, 213 .   0 sonst

(2.4)

Auf die Turbulenzdynamik aller in dieser Arbeit behandelten Str¨omungsf¨alle hat die Zentrifugalkraft keinen Einfluß. Sie kann durch ein Potential dargestellt werden, und somit in den Druck absorbiert werden. Weiterhin kann der Druck mit der konstanten Dichte normiert werden. Es folgt ein neuer Druckterm der Form P∗ =

P 1 + (Ωk Ωl xk xl − Ωk Ωk xl xl ) , ρ 2

(2.5)

12

Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

der, eingesetzt in die Gleichung (2.2), auf die modifizierte Impulsgleichung DUi ∂ 2 Ui ∂P +ν − 2 Ωk eikl Ul =− Dt ∂xi ∂xk ∂xk

(2.6)

f¨ uhrt. Zur Vereinfachung der Schreibweise wurde der Ausdruck “P ∗ ” in Gleichung (2.6), wie auch in allen folgenden Gleichungen, formal durch P ohne den Exponenten “∗” ersetzt. Die Gleichungen (2.1) und (2.6) bilden die mathematische Basis f¨ ur die gesamte nachfolgende Arbeit. Durch die Anwendung des Divergenzoperators ∂/∂xi erh¨alt man aus der Impulsgleichung (2.6) und unter Verwendung der Kontinuit¨atsgleichung (2.1) die Poissongleichung f¨ ur den Druck ∂2P ∂Uk ∂Uk ∂Ul =− − 2 Ωm emkl , ∂xk ∂xk ∂xl ∂xk ∂xl

(2.7)

die im folgenden f¨ ur einige Betrachtungen von Bedeutung ist.

2.1

Statistische Mittelungsoperatoren

Zwei Mittelungsoperatoren werden im folgenden definiert. Dies sind die klassische Reynoldssche Mittelung und die erst durch die LES von Turbulenz in den Vordergrund getretene r¨aumliche Mittelung, die meist als Filterung bezeichnet wird. Die auf der Reynoldsschen Mittelung basierenden Ergebnisse werden den gr¨oßten Raum in der vorliegenden Arbeit einnehmen. Alle in den folgenden Kapiteln herzuleitenden “scaling laws” fußen auf den Reynolds-gemittelten-Gleichungen. Die r¨aumlich gefilterten Gleichungen, so wie sie in der LES von Turbulenz Anwendung finden, werden lediglich in Kapitel 4.1 im Hinblick auf ihre Konsistenz mit den Symmetrien der Navier-StokesGleichungen ben¨otigt. Zur Definition der Mittelungsoperatoren wird eine Hilfsgr¨oße Z eingef¨ uhrt, die eine beliebige statistische Variable, also U und P , repr¨asentiert. Gem¨aß der klassischen Reynoldsschen Definition werden alle statistischen Gr¨oßen in ihren Mittel- und ihren Schwankungswert Z = Z¯ + z zerlegt.

(2.8)

13

Statistische Mittelungsoperatoren

Der Querstrich markiert immer den Mittelwert, wohingegen das klein geschriebene z den Schwankungswert von Z bezeichnet. Die universellste Definition des Mittelwertes von Z ist durch einen Ensemble-Mittelungs-Operator gegeben 

Z¯ (E) (x, t) = K(E) [Z(x, t)] = lim

N →∞



N 1  Zn (x, t) N n=1

.

(2.9)

F¨ ur einen im Mittel station¨aren Prozess wird h¨aufig ein zeitlicher Mittelwert 1 Z¯ (T ) (x) = L(T ) [Z(x, t)] = lim τ →∞ τ

 t+ τ 2 t− τ2

Z(x, t )dt

(2.10)

¨ eingef¨ uhrt, dessen Aquivalenz mit dem vorher definierten Ensemble-Mittelungs-Operator durch das Ergoden-Theorem gegeben ist. Bei Str¨omungsproblemen, die eine oder mehrere homogene Richtungen besitzen, kann diese Eigenschaft auch zu einer Mittelung in die jeweilige Richtung herangezogen werden. Z.B. f¨ uhrt man in einer turbulenten Kanalstr¨omung eine Mittelung u ¨ber Ebenen parallel zur Wand durch. Aus der Definition des Mittelwertes ergibt sich gem¨aß der Reynoldsschen Zerlegung der Schwankungswert von Z z = Z − Z¯ .

(2.11)

Eine Reihe von Rechenregeln lassen sich aus den zuvor angegebenen Mittelungsoperatoren ableiten, die zur Herleitung von Reynolds-gemittelten-Transportgleichungen im nachfolgenden Unterkapitel Verwendung finden: z=0 , Z=Z , Z 1 + Z2 = Z 1 + Z2 , ∂Z ∂Z = , ∂s ∂s   Zds = Zds ,

(2.12)

Z (1) Z (2) . . . Z (m) z(n) = 0 , z(1) z(2) . . . z(k) = 0 . Es sei darauf hingewiesen, daß die vorgenannten Rechenregeln nur im Zusammenhang mit den Reynolds-gemittelten-Gleichungen angewandt werden d¨ urfen und keine G¨ ultigkeit f¨ ur die im folgenden zu definierende, r¨aumliche Filterung besitzen.

14

Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

Die Transportvariablen in der LES sind durch folgende r¨aumliche Mittelung gegeben: ˆ Z(x, t) = T [Z(x, t)] =

 V

G(x, y)Z(y, t)d3 y ,

(2.13)

wobei das Integrationsvolumen noch genauer spezifiziert wird. Der Filterkern G gen¨ ugt der Normierung  V

G(x, y)d3 y = 1 .

(2.14)

F¨ ur G wird angenommen, daß es hinreichend glatt ist und f¨ ur y → ∞ schnell genug gegen 0 konvergiert, so daß die Integrale (2.13) und (2.14) konvergieren. Z bezeichnet hier, wie auch in der vorher definierten Reynoldsschen Mittelung, die Geschwindigkeit als auch den Druck. Die Zerlegung in Mittel- und Schwankungswert wird analog vorgenommen Z = Zˆ + z  ,

(2.15)

wobei der Strich, um Verwechslungen zu vermeiden, nur bei der Kennzeichnung der SGSTerme Verwendung findet und f¨ ur die Reynolds-gemittelten-Terme nicht eingesetzt wird. Im Gegensatz zur Reynoldsschen Mittelung gehen bis auf die Addition alle Rechenregeln ˆ und pˆ verloren f¨ ur die Herleitung von Transportgleichungen f¨ ur u zˆ = 0 , ˆ Zˆ = Zˆ , (Z1 + Z2 ) = Zˆ1 + Zˆ2 ,

∂Z ∂ Zˆ = , ∂s ∂s    ˆ Zds = Zds ,

(2.16)

 ) = 0 , (Zˆ(1) Zˆ(2) . . . Zˆ(m) z(n)    (z(1) z(2) . . . z(k) ) = 0 ,

wobei () die Filterung des Klammerausdruckes andeutet. Insbesondere der Verlust der Kommutation zwischen dem Differentiations- und dem Filteroperator muß als nicht hinreichend gel¨ost betrachtet werden. Diese Schwierigkeit verursacht Fehler bei der numerischen Berechnung von turbulenten Str¨omungen.

15

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen

2.2

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen

Wird der Reynoldssche Mittelungsoperator K auf die Kontinuit¨atsgleichung (2.1), die Impulsgleichung (2.6) und die Druckpoissongleichung (2.7) angewandt, nachdem die Zerlegungen f¨ ur U und P gem¨aß (2.8) in die jeweilige Gleichung eingef¨ uhrt worden sind, erh¨alt man die Reynolds-gemittelte-Kontinuit¨atsgleichung ∂ u¯k =0 , ∂xk

(2.17)

¯ ui ∂ p¯ ∂ 2 u¯i ∂ui uk D¯ ¯ = − ∂xi + ν ∂xk ∂xk − ∂xk − 2 Ωk eikl u¯l Dt

(2.18)

Impulsgleichung

und Druckpoissongleichung ∂ 2 p¯ ∂ u¯k ∂ u¯k ∂ u¯l ∂uk ul =− − − 2 Ωm emkl , ∂xk ∂xk ∂xl ∂xk ∂xl ∂xk ∂xl

(2.19)

¯ ∂ D ∂ ¯ = ∂t + u¯k ∂xk Dt

(2.20)

wobei

die mittlere substantielle Ableitung bezeichnet. Aus den jeweiligen Differenzen der ungemittelten und der gemittelten Kontinuit¨atsgleichung, der Impulsgleichung und der Poissongleichung ergeben sich die entsprechenden Gleichungen f¨ ur die Schwankungsgr¨oßen. Die resultierenden Fluktuationsgleichungen f¨ ur die Massenerhaltung, den Impuls und die Poissongleichung f¨ ur den Druck lauten ∂uk =0 , ∂xk ¯ i ∂ u¯i Du ∂ui uk ∂ui uk ∂p ∂ 2 ui − + + −ν + 2 Ωk eikl ul Ni (x) = ¯ + uk Dt ∂xk ∂xk ∂xk ∂xi ∂xk ∂xk

(2.21)

(2.22)

und



∂2p ∂ u¯k ∂ul ∂ 2 uk ul ∂ 2 uk u l = −2 + Ωm emlk + − . ∂xk ∂xk ∂xl ∂xk ∂xl ∂xk ∂xl ∂xk

(2.23)

16

Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

Aus der Impulsgleichung f¨ ur die Schwankungsgeschwindigkeiten erh¨alt man nach der Reynoldsschen Mittelung der Geschwindigkeitsproduktgleichung N i uj + ui N j = 0

(2.24)

die Transportgleichung f¨ ur den Reynoldsschen Spannungstensor ¯ i uj Du = Pij + Φij − 2 ij + tDij + pDij + νDij + Cij . ¯ Dt

(2.25)

Die hierin auftretenden Terme definieren sich gem¨aß:

Pij = − ui uk

Φij = p

∂ u¯j ∂ u¯i + uk u j ∂xk ∂xk

∂uj ∂ui + ∂xi ∂xj



,



,

∂ui ∂uj , ∂xk ∂xk ∂ui uj uk =− , ∂xk

 ∂ =− p(ui δjk + uj δik ) , ∂xk ∂ 2 ui uj =ν , ∂xk ∂xk = −2 Ωk [ekli uj ul + eklj ui ul ] .

ij = ν t

Dij

p

Dij

ν

Dij Cij

(2.26)

Der entscheidende Nachteil einer Symmetrieanalyse und der anschließenden Konstruk¨ tion von Ahnlichkeitsl¨ osungen aus den Reynolds-gemittelten-Navier-Stokes-Gleichungen (2.17), (2.18) und der Transportgleichung f¨ ur den Reynoldsschen Spannungstensor (2.25), (2.26) ist die Tatsache, daß eine Vielzahl von ungeschlossenen Termen in diesem Gleichungssystem auftreten. Folglich m¨ ussen, um zu einem geschlossenen Gleichungssystem zu gelangen, empirische Ans¨atze eingef¨ uhrt werden. Es ist unmittelbar einzusehen, daß ein somit empirisch ver¨andertes System von Gleichungen nicht dieselben Symmetriecharakteristiken besitzt, wie es von den urspr¨ unglichen Gleichungen, also den Navier-Stokes-Gleichungen, impliziert wird. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, werden in der vorliegenden Arbeit zwei alternative Konzepte eingesetzt, die weitgehend ¨aquivalent sind, sich aber in mancher Hinsicht erg¨anzen. Je nach zu untersuchendem Problem, ist das eine oder andere Konzept anschaulicher, oder die Symmetrien sind leichter zu berechnen.

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen

17

Das erste Konzept basiert auf den Reynolds-gemittelten-Navier-Stokes-Gleichungen (2.17) und (2.18), den Gleichungen f¨ ur die Fluktuationen (2.21) und (2.22) sowie der Gleichung f¨ ur die Geschwindigkeitsprodukte (2.24). Dieses Konzept ist erstmalig in [88] vorgestellt ¨ worden, um die Ahnlichkeitsl¨ osungen paralleler Scherstr¨omungen zu berechnen. Dort ist ebenfalls gezeigt worden, daß die Geschwindigkeitsproduktgleichung, also das dyadische Produkt der Gleichungen (2.22), mit der Fluktuationsgeschwindigkeit hinreichend f¨ ur die Berechnung der Symmetrien ist und keine weiteren Geschwindigkeitsproduktgleichungen h¨oherer Tensorordnung betrachtet werden m¨ ussen. Der zweite Ansatz basiert lediglich auf statistischen Variablen, also nicht auf Gleichungen, die auch fluktuierende Gr¨oßen enthalten. Es ist eine Verallgemeinerung des im An¨ hang von [88] vorgestellten Konzeptes zur Berechnung von Ahnlichkeitsl¨ osungen aus den Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen. Die Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen werden im nachfolgenden Kapitel auf Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen beliebiger Ordnung erweitert. Durch eine neue Notation kann das unendliche Differentialgleichungssystem sehr kompakt dargestellt werden. Die Idee der Zwei- und Multi-Punkt-Korrelationen in der Turbulenztheorie geht vermutlich auf die Arbeiten von Friedmann und Keller zur¨ uck (siehe [61]). Anf¨anglich nahm man an, daß Korrelationsordnungen h¨oher als zwei vernachl¨assigbar sind. Anhand von theo¨ retischen Uberlegungen und Messungen fand man indes heraus, daß auch alle h¨oheren Korrelationen ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen. Folglich sind auch bei der Symmetrieanalyse alle Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen mit einzubeziehen.

2.2.1

Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen

Um die Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen in einer sehr kompakten Form schreiben zu k¨onnen, wird im folgenden eine neue Notation eingef¨ uhrt. Der Multi-Punkt-Geschwindigkeitskorrelationstensor der Ordnung n+1, nachfolgend meist mit Multi-Punkt-Korrelation oder einfach nur MPK abgek¨ urzt, definiert sich wie folgt: Ri{n+1} = Ri(0) i(1) ...i(n) = ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(n) (x(n) ) .

(2.27)

Der erste Index vom R definiert den tensoriellen Charakter des vorgenannten Terms, und der zweite in den geschweiften Klammern noch darunter stehende Index bezeichnet dessen Tensorordnung. Die geschweiften Klammern weisen darauf hin, daß kein Tensorindex bezeichnet wird, sondern lediglich eine Aufz¨ahlung gemeint ist. Es sei außerdem darauf hingewiesen, daß die Z¨ahlung der Indizes bei 0 beginnt, was von Vorteil bei der Einf¨ uhrung

18

Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

eines neuen Koordinatensystems ist, welches auf dem Abstandsvektor je zweier Aufpunkte basiert. Der Wert in den geschweiften Klammern gibt aber die echte Tensorordnung an und ber¨ ucksichtigt, daß die Z¨ahlung bei Null beginnt. H¨aufig ist die Liste der Indizes aber nicht durch eine kontinuierliche Reihe von i(0) bis i(n) gegeben, sondern die Folge wird durch einen oder mehrere anderslautende Indizes unterbrochen. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, daß eine eckige Klammer im Index angeh¨angt wird, die auf jenen Index hinweist, der ersetzt wird Ri{n+1} [i(l) →k(l) ] = ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(l−1) (x(l−1) )uk(l) (x(l) )ui(l+1) (x(l+1) ) · . . . · ui(n) (x(n) ) . (2.28)

Diese Notation kann auch dazu verwendet werden, um die Substitution von unabh¨angigen Variablen anzudeuten. Durch folgende Schreibweise Ri{n+2} [i(n+1) →k(l) ] [x(n+1) → x(l) ] = ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(n) (x(n) )uk(l) (x(l) )

(2.29)

wird z.B. hervorgehoben, daß nicht nur der i(n+1) durch den k(l) Index ersetzt wird, sondern daß gleichzeitig die unabh¨angige Variable x(n+1) durch x(l) ausgetauscht wird. Es ist weiter unten in der MPK-Gleichung sichtbar, daß auch Terme auftreten, die zwischen den Indizes i(l−1) und i(l+1) keinen weiteren Index mehr besitzen. In Anlehnung an die oben beschriebene Nomenklatur f¨ ur den Term (2.28) ergibt sich Ri{n} [i(l) →∅] = ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(l−1) (x(l−1) )ui(l+1) (x(l+1) ) · . . . · ui(n) (x(n) ) .

(2.30)

Weiterhin enth¨alt die im folgenden herzuleitende Multi-Punkt-Korrelationsgleichung auch einen Term, der seinen Ursprung im Druckgradienten der Navier-Stokes-Gleichungen besitzt. In einer vereinfachten Schreibweise lautet dieser: Pi{n} [l] = ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(l−1) (x(l−1) )p(x(l) )ui(l+1) (x(l+1) ) · . . . · ui(n) (x(n) ) .

(2.31)

Die vorgenannten f¨ unf Definitionen sind hinreichend, um aus den Gleichungen f¨ ur die Fluktuationen die Multi-Punkt-Korrelationsgleichung herzuleiten. Unter Anwendung des Reynoldsschen Mittelungsoperators (2.9) auf die Geschwindigkeits-

19

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen produktgleichungen, ergibt sich eine Transportgleichung f¨ ur Ri{n+1} Si{n+1} (x(0) , . . . , x(n) ) = Ni(0) (x(0) )ui(1) (x(1) ) · . . . · ui(n) (x(n) ) + ui(0) (x(0) )Ni(1) (x(1) )ui(2) (x(2) ) · . . . · ui(n) (x(n) ) + ...

(2.32)

+ ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(n−2) (x(n−2) )Ni(n−1) (x(n−1) )ui(n) (x(n) ) + ui(0) (x(0) ) · . . . · ui(n−1) (x(n−1) )Ni(n) (x(n) ) , die im weiteren als S-Gleichung bezeichnet wird. Nach Ausf¨ uhren des Operators erh¨alt man

Si{n+1} = +

n ∂Ri{n+1}  ∂Ri{n+1} ∂ u¯i(l) (x(l) ) u¯k(l) (x(l) ) + Ri{n+1} [i(l) →k(l) ] + ∂t ∂x ∂xk(l) k (l) l=0

∂Pi{n} [l] ∂ui(l) uk(l) (x(l) ) ∂ 2 Ri{n+1} −ν − Ri{n} [i(l) →∅] ∂xi(l) ∂xk(l) ∂xk(l) ∂xk(l)



(2.33)

∂Ri{n+2} [i(n+1) →k(l) ] [x(n+1) → x(l) ] + + 2Ωk ei(l) km Ri{n+1} [i(l) →m] = 0 ∂xk(l) f¨ ur n = 1, . . . , ∞ . Selbstverst¨andlich gilt auch hier die Identit¨at zwischen dem Zwei-Punkt-Korrelationstensor und dem Reynoldsschen Spannungstensor lim

x(k) →x(l)

Ri{2} =

lim

x(k) →x(l)

Ri(0) i(1) = ui(0) ui(1) (x(l) ) mit k = l ,

(2.34)

wobei x(k) und x(l) beliebige Ortsvektoren aus x(0) , . . . , x(n) sein k¨onnen. Die Gleichung (2.33) impliziert alle statistischen Informationen der Navier-Stokes-Gleichungen und stellt ein nichtlineares und unendlich dimensionales Differentialgleichungssystem dar. (2.33) bezeichnet eine unendliche Kette von Gleichungen, die mit der Ordnung 2, d.h. n = 1, beginnt. Die Gleichungen beinhalten im wesentlichen zwei Quellen von Nichtlinearit¨at. Die eine ist die bekannte Konvektionsnichtlinearit¨at, die die mittlere Geschwindigkeit mit allen Korrelationstensorgleichungen koppelt. Der letzte Term der zweiten Zeile in (2.33) ist der Ursprung der zweiten Nichtlinearit¨at. Er fußt auf der Tatsache, daß der Gradient des Reynoldsschen Spannungstensors in der Gleichung f¨ ur die Fluktuationen enthalten ist. Folglich wird dieser Term f¨ ur inhomogene Str¨omungen und f¨ ur Ordnungen des Multi-Punkt-Korrelationstensors gr¨oßer als zwei, nicht zu Null, wenn man folgende Identit¨at ber¨ ucksichtigt: Ri{1} [i(l) →∅] = 0 .

(2.35)

20

Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

Eine unmittelbare Konsequenz hiervon ist, daß alle Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen der Ordnung n > 1 mit der Zwei-Punkt-Korrelationsgleichung gekoppelt sind. F¨ ur homogene Str¨omungen, also f¨ ur Turbulenzfelder, die der Einschr¨ankung ∂ u¯i = Bij (t) und ∂xj

∂ui uk =0 ∂xk

(2.36)

gen¨ ugen, ist das Gleichungssystem (2.33) linear. Dies ist auch der Hintergrund daf¨ ur, daß meist wenige Glieder der Gleichungskette (2.33) auf homogene Turbulenzfelder angewandt wurden. Aus der Gleichung (2.21) kann eine Kontinuit¨atsgleichung f¨ ur den Term Ri{n+1} und Pi{n} [l] abgeleitet werden. Es ergeben sich die Gleichungen ∂Ri{n+1} [i(l) →k(l) ] = 0 f¨ ur l = 0, . . . , n ∂xk(l)

(2.37)

∂Pi{n} [k][i(l) →m(l) ] = 0 f¨ ur k, l = 0, . . . , n und k = l . ∂xm(l)

(2.38)

und

An dieser Stelle wird nun die klassische Abstandsvektorschreibweise u ¨bernommen. Diese besagt, daß lediglich eine physikalische Koordinate x Verwendung findet und die verbleibenden unabh¨angigen Variablen als Differenz r (l) zweier Ortsvektoren x(l) und x(0) ausgedr¨ uckt werden. Die Koordinatentransformation und die dazugeh¨origen Ableitungsregeln lauten x = x(0) ,

r (l) = x(l) − x(0)

mit l = 1, . . . , n

(2.39)

und n  ∂ ∂ ∂ = − , ∂xk(0) ∂xk l=1 ∂rk(l)

∂ ∂ = ∂xk(l) ∂rk(l)

mit l ≥ 1 .

(2.40)

Aus Gr¨ unden der Konsistenz wird der erste Index, also i(0) , durch i ersetzt. Somit hat der Tensor R{n+1} die Indexfolge Rii(1) i(2) ...i(n) . Aus der S-Gleichung folgt unter Verwendung der Transformationsregeln (2.39) und (2.40) Si{n+1} =

n ¯ i  ∂Ri  DR {n+1} {n+1} + u¯k(l) (x + r (l) ) − u¯k(l) (x) ¯ Dt ∂rk(l) l=1

21

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen

+ Ri{n+1} [i→k]

n ∂ u¯i(l) (x(l) ) ∂ u¯i (x)  + Ri{n+1} [i(l) →k(l) ] ∂xk ∂xk(l) l=1





n  ∂Pi{n} [0]   ∂Pi{n} [0]   + + − ∂xi ∂rm(l) [m l=1

−ν

2 ∂ R

i{n+1}

∂xk ∂xk

+

n  l=1



(l)



∂Pi{n} [l]  +  ∂ri(l)  i] →

n  ∂ 2 Ri{n+1} ∂ 2 Ri{n+1} ∂ 2 Ri{n+1} −2 + + ∂xk ∂rk(l) m=1 ∂rk(m) ∂rk(l) ∂rk(l) ∂rk(l)



n ∂ui(l) uk(l) (x(l) ) ∂ui uk (x)  − Ri{n} [i→∅] − Ri{n} [i(l) →∅] [x(l) → x + r (l) ] ∂xk ∂xk(l) l=1

+ +

n ∂R ∂Ri{n+2} [i(n+1) →k] [x(n+1) → x]  i{n+2} [i(n+1) →k(l) ] [x(n+1) → x] − ∂xk ∂rk(l) l=1

n  l=1

∂Ri{n+2} [i(n+1) →k(l) ] [x(n+1) → r (l) ] ∂rk(l)

+ 2 Ωk eikm Ri{n+1} [i→m] + 2 Ωk

n  l=1

eikm Ri{n+1} [i(l) →m] = 0

f¨ ur n = 1, . . . , ∞ ,

(2.41)

und die beiden Kontinuit¨atsgleichungen transformieren zu n ∂R ∂Ri{n+1} [i(0) →k]  i{n+1} [i(0) →k(j) ] − =0 , ∂xk ∂rk(j) j=1

(2.42)

∂Ri{n+1} [i(l) →k(l) ] = 0 f¨ ur l = 1, . . . , n ∂rk(l) und n ∂P ∂Pi{n} [k][i→m]  i{n} [k][i→m(j) ] − = 0 f¨ ur k = 1, . . . , n , ∂xm ∂rm(j) j=1

∂Pi{n} [k][i(l) →m(l) ] = 0 f¨ ur k = 0, . . . , n , ∂rm(l)

l = 1, . . . , n ,

(2.43)

k = l .

Als Spezialfall der Gleichungen (2.41)-(2.43) sei der Fall n = 1 betrachtet, d.h. es wird die Gleichung f¨ ur den Zwei-Punkt-Korrelationstensor hergeleitet. Zur Verk¨ urzung der Schreibweise wird die folgende Nomenklatur eingef¨ uhrt: Ri{2} = Rii(1) = Rij .

(2.44)

22

Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

F¨ ur diesen Fall reduziert sich die Gleichung (2.41) auf 

¯ ij ∂ u¯i (x, t) ∂ u¯j (x, t)  DR  ¯ + Rkj ∂xk + Rik Dt ∂xk x+r ∂Rij + [¯ uk (x + r, t) − u¯k (x, t)] ∂rk ∂puj ∂puj ∂ui p + − + ∂xi ∂ri ∂rj ∂ 2 Rij ∂ 2 Rij ∂ 2 Rij −ν −2 +2 ∂xk ∂xk ∂xk ∂rk ∂rk ∂rk  ∂R(ik)j ∂ + − R(ik)j − Ri(jk) ∂xk ∂rk + 2 Ωk [ekli Rlj + eklj Ril ] = 0 .

Si{2} =

(2.45)

Die Vektoren puj und ui p sind Spezialf¨alle von Pi{n} [k] und definieren sich gem¨aß puj (x, r, t) = p(x(0) , t) uj (x(1) , t) und ui p(x, r, t) = ui (x(0) , t) p(x(1) , t) .

(2.46)

F¨ ur den Zwei-Punkt-Fall nehmen die Gleichungen (2.42) und (2.43) die Form ∂Rij ∂Rij − =0 , ∂xi ∂ri

∂Rij =0 ∂rj

(2.47)

∂uj p ∂uj p − = 0. ∂xj ∂rj

(2.48)

und ∂pui =0 , ∂ri an. Die Nicht-Lokalit¨at der Zwei- und Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen l¨aßt sich am deutlichsten erkennen, wenn man die Kommutation des Zwei-Punkt-Korrelationstensors verwendet. Es gilt die Beziehung ui (x(0) )uj (x(1) ) = uj (x(1) )ui (x(0) ). Hieraus ergeben sich mit (2.39) die funktionalen Beziehungen Rij (x, r; t) = Rji (x + r, −r; t)

(2.49)

puj (x, r; t) = uj p(x + r, −r; t) .

(2.50)

und

23

Reynolds-gemittelte-Transportgleichungen

Analoge Identit¨aten lassen sich f¨ ur alle weiteren Zwei- und Multi-Punkt-Korrelationstensoren herleiten. Wesentliche Grundlage f¨ ur das Verst¨andnis der in Kapitel 3 zu entwickelnden Turbulenzgesetze ist die nachfolgende singul¨are asymptotische Entwicklung im Korrelationsraum r. Die Basis hierf¨ ur bildet die von Kolmogorov [65, 66] entwickelte Vorstellung eines Kaskadenmodells, in dem die Energie der turbulenten Wirbel durch die jeweils n¨achstgr¨oßeren Wirbel bestimmt werden. Die untere Grenze der charakteristischen L¨angenmaße bildet die Kolmogorov-L¨ange 

ηK =

ν3 

1 4

,

(2.51)

wobei  die Dissipationsrate der Turbulenzenergie darstellt. Neben diesem L¨angenmaß lassen sich zwei weitere klassische L¨angenmaße definieren, die folgender Gr¨oßenordnungsabsch¨atzung gen¨ ugen: ηK  λ  't .

(2.52)

λ bezeichnet das Taylorsche L¨angenmaß und ist gem¨aß 

λ=

νk 

(2.53)

definiert. 't ist das integrale L¨angenmaß und charakterisiert die Gr¨oßenordnung der energiereichen Wirbel gem¨aß 't =

1  Rkk dΩdr . um um

(2.54)

Ω bezeichnet den Raumwinkel. Eine einfache Absch¨atzung zeigt, daß die L¨angenmaße wie folgt u ¨ber die turbulente Reynoldszahl miteinander in Verbindung stehen: √ ηK λ 't k −3 −1 = Ret 4 und = Ret 2 mit Ret = , (2.55) 't 't ν wobei k die Turbulenzenergie darstellt. Die mittlere Geschwindigkeit als auch die Korrelationen wie z.B. Rij sind fast ausschließlich durch die energiereichen Wirbel der Gr¨oßenordnung 't und k bestimmt. Die Wirbel der Gr¨oßenordnung ηK erzeugen lediglich die notwendige Dissipation der Turbulenzenergie. In der “Sprache” der Zwei- und Multi-Punkt-Korrelationen bedeutet dies, daß die Bereiche |r|  ηK und |r|  ηK zu unterscheiden sind. Im ersten Fall werden alle Variablen durch

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Str¨ omungsmechanische Grundgleichungen

't und k dimensionslos gemacht. In die Zwei-Punkt-Korrelationsgleichungen eingesetzt ergibt dies im Grenzfall Ret → ∞ eine verk¨ urzte Form der Gleichung (2.45): 

> ¯ ij ∂ u¯>j (x, t)  DR ∂ u¯>i (x, t) > >  + R + R kj ik > ¯ ∂xk ∂x>k x+r Dt > ∂Rij + [¯ u>k (x + r, t) − u¯>k (x, t)] ∂rk> > > > ∂puj ∂puj ∂ui p + − + ∂x>i ∂ri> ∂rj> >

 ∂R(ik)j ∂ > > + − > R(ik)j − Ri(jk) > ∂xk ∂rk

Si>{2} =

(2.56)



+ 2 Ωk ekli Rlj> + eklj Ril> = 0 , wobei “> ” f¨ ur |r|  ηK steht. Analog ergeben sich alle Multi-Punkt-Korrelationsgleichungen, in denen keine Viskosit¨atsterme auftreten. Offensichtlich sind die mittlere Geschwindigkeit und die Korrelationsfunktionen in f¨ uhrender Ordnung f¨ ur |r|  ηK durch den reibungsfreien Anteil der Korrelationsgleichungen bestimmt. Hingegen ist im Grenzfall r = 0 die Dissipation, also der letzte Term der vierten Zeile in Gleichung (2.45), nicht vernachl¨assigbar. Dieser Grenzfall |r|  ηK erfordert f¨ ur r eine Dimensionslosmachung mit λ und f¨ ur die ungeraden Momente der Geschwindigkeit und die Druck-Geschwindigkeitskorrelationen 3 eine solche mit k 2 λ/'t . Alle verbleibenden Variablen werden weiterhin durch 't und k bestimmt. In f¨ uhrender Ordnung f¨ ur Ret → ∞ ergibt sich: < ¯ DR ∂ u¯