Strategisches Projektmanagement [1 ed.]
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Zitiervorschau

Strategisches Projektmanagement

Eric Schott ´ Christophe Campana Herausgeber

Strategisches Projektmanagement Mit 34 Abbildungen

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Dr. Eric Schott Dr. Christophe Campana Campana & Schott Realisierungsmanagement GmbH Gråfstraûe 99 60487 Frankfurt [email protected] [email protected] www.campana-schott.com

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet çber abrufbar.

ISBN 3-540-20987-5 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschçtzt. Die dadurch begrçndeten Rechte, insbesondere die der Ûbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfåltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfåltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulåssig. Sie ist grundsåtzlich vergçtungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wåren und daher von jedermann benutzt werden dçrften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 10986950

43/3130/DK-5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier

Geleitwort Seit Jahren hat die Bedeutung der Projektarbeit in den Unternehmen zugenommen – zunehmend zugenommen. Dabei ist eine Vielzahl von Beiträgen entstanden, die sich dem operativen Management von Projekten widmen. Neu ist jedoch die Perspektive des Strategischen Projektmanagements. Diese basiert auf der Erkenntnis, dass es Unternehmen häufig nicht so sehr an neuen und guten Visionen, Ideen oder Strategien mangelt, sondern in erster Linie an der entsprechenden Kompetenz, diese auch durch erfolgreiche Projekte zu realisieren. Den Schlüssel für den Projekterfolg haben dabei häufig nicht oder nicht nur die Projektleiter und ihre Teams in der Hand, sondern vor allem das übergeordnete Management. Demzufolge ist Projektmanagement (PM) nicht mehr nur als ein Bündel von Methoden und Instrumenten zu betrachten, mit dem sich vorwiegend Projektleiter und Projektteammitarbeiter beschäftigen. Vielmehr beleuchtet das Strategische Projektmanagement die volle Komplexität und insbesondere die Voraussetzungen erfolgreicher Projekte aus der Vogelperspektive – also der Perspektive des Top-Managements: was müssen Führungskräfte wissen bzw. welche Maßnahmen müssen sie einleiten, damit die von ihnen in Auftrag gegebenen Projekte gelingen? Mit dieser Fragestellung wird der Blick von der bislang vorwiegend operativen Betrachtungsweise gerichtet auf die strategische Dimension des Projektmanagements. In den Blick gelangen somit Ansätze und Kennzeichen einer projektbewussten Unternehmensführung. Zu den entscheidenden Voraussetzungen für erfolgreiche Projekte zählen zunächst die Aspekte der Projektmanagement-Kultur im Unternehmen. Bereits auf der Ebene des Top-Managements stellen sich Fragen wie: x

Welchen Stellenwert hat das Thema „Projektmanagement“ für das Top-Management?

x

Welche Aufgaben ergeben sich für das Top-Management im Rahmen einer projektorientierten Führung?

x

Welche Art und Ausprägungsstärke von Projektmanagementkompetenz wird von Führungskräften verlangt?

Zur Projektmanagement-Kultur gehören zentral auch die Fragen der Personalentwicklung und -vergütung, wenn entsprechende Maßnahmen zu qualifizierten Projektleitern und motivierten Projektteams führen sollen. Eine Projektmanagement-Kultur findet ihr konkretes und messbares Pen-

VI Geleitwort

dant in einer formalen Analyse der Projektmanagement-Leistungsfähigkeit im jeweiligen Unternehmen. Hier stehen mit der ProjektmanagementDiagnose und der Balanced Scorecard im Projektmanagement Instrumente zur Verfügung, die auf Basis von Kennzahlen und Reifegradmodellen auch die Quantifizierung der aktuellen PM-Leistungsfähigkeit ermöglichen. Dabei werden nicht einzelne Projekte einer Evaluierung unterzogen, sondern es wird das gesamte institutionalisierte und gelebte Projektmanagement einer bewertenden Betrachtung unterzogen. Zunehmend finden dafür Referenzmodelle Anwendung, die den Bezug der verschiedenen Prozesse im Projektmanagement untereinander beschreiben. Dabei spielen die so genannten „Projektmanagement Maturity Modelle“ die Hauptrolle. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, den Reifegrad eines Unternehmens in Hinsicht auf das Projektmanagement zu ermitteln. Dies gelingt, wenn das Projektmanagement in Unternehmen von bestimmten Prozessen umschlossen ist bzw. wenn Projekte auf Basis von definierten Projektmanagement-Prozessen umgesetzt werden. Als zentrale Aufgabe des Managements rückt dann die strategische Vorbereitung von Projekten und Projektportfolios in den Vordergrund. Darunter fallen Strategien für die Projektpriorisierung und insbesondere die Vorhabenplanung, mit denen einem Unternehmen die Auswahl der wirtschaftlich besten Projekte ermöglicht wird. Die Jahres- oder Vorhabenplanung ist dabei ein Teil des Projektportfoliomanagements, das letztlich in der Frage resultiert: wie lässt sich unsere Unternehmensstrategie durch unser Projektportfolio umsetzen? Ist das Projektportfolio einmal definiert, scheitern laufende Vorhaben häufig dadurch, dass die übergeordneten Führungskräfte zu wenig Bezug zu den laufenden Projekten haben bzw. ihnen der direkte Bezug nicht ermöglicht wird. Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung, also Instrumente für die Planung und zeitnahe Steuerung der Finanz- bzw. Humanressourcen, können hier Abhilfe schaffen, insbesondere bei der Führung von projektintensiven Unternehmensbereichen. So führt das Strategische Projektmanagement wieder zu den Aufgaben des Managements bei der Erfolgssicherung von Projekten. In den vorliegenden Ausführungen wird hierbei zunächst der Fokus auf die Steuerung durch Multiprojektmanagement und Projektcontrolling gelegt: Im Rahmen des Projektmanagements spielt naturgemäß das Controlling eine entscheidende Rolle. Multiprojektcontrolling bedeutet dabei, die Ideen des klassischen Projektcontrollings auf die Multiprojekt- bzw. Projektportfolio-Sichtweise zu übertragen. Gilt es, eine eher kleinere Anzahl von eng verzahnten Projekten zu dirigieren, kommen Formen und Nutzen des Programm-Managements in den Blick – auch dies eine Form der Steuerung von Projekten. Zum Abschluss werden zwei besondere strategische Aufgaben entfal-

Geleitwort VII

tet, die das übergeordnete Management zur Erfolgssicherung der Projekte selbst übernehmen muss: Projektrisikomanagement und Change Management. Damit schließt sich der Themenkreis des Strategischen Projektmanagements. Dem vorliegenden Band zum Strategischen Projektmanagement – einer der ersten Veröffentlichungen dazu überhaupt – ist nun viel Erfolg, Beachtung und eine interessierte Leserschaft auf allen Ebenen zu wünschen! Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, TU Berlin Institut für Technologie und Management / Lehrstuhl für Innovations- und Technologiemanagement

Vorwort Das vorliegende Buch verdankt sich unserem lang gehegten Wunsch, die strategischen – und das heißt hier: die unternehmensweit relevanten und durch das übergeordnete Management zu entscheidenden – Aufgaben des Projektmanagements gebündelt zu beleuchten. Alle Themen dieses Bandes zum Strategischen Projektmanagement werden in einzelnen, in sich geschlossenen Abschnitten behandelt. Die Beiträge dazu entstammen der langjährigen Beratungs- und Realisierungserfahrung der Autoren – allesamt Berater der Unternehmensgruppe Campana & Schott Realisierungsmanagement. Die Beiträge profitieren zugleich vom engen Kontakt zur Wissenschaft, die sich in jüngster Zeit verstärkt mit den Themen des Multi-Projektmanagements und der Strategischen Dimension des Projektmanagements beschäftigt. Hervorzuheben sind dabei besonders die wertvollen Impulse, die aus der engen Zusammenarbeit mit dem Institut für Technologie und Management, Prof. Dr. Hans Georg Gemünden und seinen Mitarbeitern am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement, Technische Universität Berlin, hervorgegangen sind. Dafür bedanken wir uns auf das Herzlichste wie aber auch insbesondere bei x

den Autoren selbst, die dieses „Projekt“ – allen Termin- und Ressourcenrestriktionen zum Trotz – haben Wirklichkeit werden lassen, und

x

dem zuständigen Projektleiter Boris Ovcak, der das eigentliche Projektergebnis und den kritischen Pfad dorthin immer im Auge hatte – nicht zuletzt durch seine professionelle Anwendung der Projektmanagement-Prozesse von Campana & Schott.

Wenn das Buch einen Beitrag liefert, damit Unternehmen und Führungskräfte zu wirtschaftlich und gleichzeitig strategisch erfolgreicheren Projekten gelangen, ist das Projektziel erreicht. Eric Schott

Christophe Campana

([email protected])

([email protected])

Inhaltsverzeichnis Geleitwort Hans Georg Gemünden ............................................................... V Vorwort Eric Schott, Christophe Campana..............................................IX

Teil I: Die Verankerung des Projektmanagements im Unternehmen ......................................................................1 Warum Projektmanagement für jedes Unternehmen ein kritischer Erfolgsfaktor ist Christophe Campana.................................................................... 3 Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams Marc Lappe ................................................................................ 29 Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement - von der Projektmanagement-Diagnose zur Balanced Scorecard im PM Simon A. Schmidt, Sven Hausen ................................................. 45

Teil II: Die strategische Vorbereitung von Projekten und Projektportfolio ................................................................65 Die Jahres- und Vorhabenplanung Alexander Knöss, Markus Kreßmann......................................... 67 Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak ...................................... 93

Teil III: Die Aufgaben des Managements bei der Erfolgssicherung von Projekten....................................111 Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling Anna Adler, Ralf Sedlaczek ...................................................... 113

XII Inhaltsverzeichnis

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management Simon A. Schmidt, Nicole Mertin ............................................. 133 Projektrisikomanagement Oliver Keiser ............................................................................ 153 Personalentwicklung und ProjektmanagementQualifizierung Eric Schott, Jan Ahlborn .......................................................... 175 Change Management Eric Schott, Marco Wick .......................................................... 195 Literaturverzeichnis .............................................................................. 223

Teil I: Die Verankerung des Projektmanagements im Unternehmen

Warum Projektmanagement für jedes Unternehmen ein kritischer Erfolgsfaktor ist Christophe Campana

1.

Einleitung ......................................................................................... 3

2.

Was ist überhaupt „PM-Kultur“? ................................................. 5

3.

Was bringt Projektmanagement für Unternehmen? ................... 6

4.

Ist Projektmanagement ein kritischer Erfolgsfaktor? ................. 8

5.

Warum scheitern in der Praxis so viele Projekte? ..................... 12

6.

Wodurch ist eine defizitäre PM-Kultur begründet? .................. 16

7. 7.1. 7.2. 7.3.

Wie ist eine hochwertige PM-Kultur zu gewährleisten?............ 19 Identifikation der strategischen Dimension von PM ....................... 19 Maßnahmen zur Erlangung von „PM-Excellence“ ......................... 20 Praktische Umsetzung der Maßnahmen .......................................... 20

8.

Fazit ................................................................................................ 25

1. Einleitung Den nachfolgenden Überlegungen liegt wesentlich die These zugrunde, dass es Unternehmen häufig nicht so sehr an neuen und guten Visionen, Ideen oder Strategien mangelt, als vielmehr an der entsprechenden Realisierungskompetenz – also an der Fähigkeit, einmal verabschiedete Konzepte anschließend auch zügig und wirkungsvoll in die Praxis umzusetzen.

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Diese durchaus provokativ gemeinte Formulierung zielt darauf, dass es – gerade in zunehmend dynamischen und globalisierten Unternehmensumfeldern – nicht nur erforderlich ist, immer wieder richtige Strategien vorzugeben, sondern eben auch, diese in der Folge erfolgreich zu implementieren – und gerade hier liegen offenbar noch erhebliche Optimierungspotentiale vor: Die daraus resultierenden Projekte werden nur selten auch effektiv und effizient durchgeführt1. Im Folgenden wird vor diesem Hintergrund zunächst der Frage nachgegangen, inwieweit sich Projektmanagement als strategisch relevante Schlüsselkompetenz erweist. Anschließend werden Ursachen für die eingangs postulierten Realisierungsdefizite ergründet, bevor schließlich eine Lösung skizziert wird, die Unternehmen die nachhaltige Erschließung dieses kritischen Erfolgsfaktors ermöglicht. Die Argumentation verläuft dabei im Wesentlichen wie folgt: x Der Begriff „PM-Kultur“ wird definiert als die Menge der Rahmenbedingungen, innerhalb derer Projektmanagement erst seine Leistungsfähigkeit entfalten kann. x Signifikante Nutzenpotentiale einer hochwertigen ProjektmanagementKompetenz werden exemplarisch aufgezeigt. x Es werden Gründe dafür angeführt, dass Projektmanagement für Unternehmen einen kritischen Erfolgsfaktor darstellt. x Es wird gezeigt, dass die mangelhafte Durchführungsqualität vieler Projekte in der Regel auf Defizite in der herrschenden PM-Kultur zurückzuführen ist. x Es wird diagnostiziert, welche Ursachen die Schaffung und Bewahrung einer hochwertigen PM-Kultur in der Praxis behindern. x Es wird ein Lösungsvorschlag zur nachhaltigen Sicherung einer hochwertigen PM-Kultur skizziert.

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Wir reduzieren den Geltungsbereich der eingangs eingeführten „Realisierungskompetenz“ bewusst auf projektartige Maßnahmen. Auch wenn der Schwesterdisziplin des Projektmanagements, dem Prozessmanagement, eine ebenso signifikante Bedeutung für den operativen Unternehmenserfolg zukommt, soll hier ausschließlich auf die Implementierung wenn auch nicht nur einmaliger, so doch besonderer Maßnahmen eingegangen werden – und für diese ist definitionsgemäß das Projektmanagement zuständig.

Warum Projektmanagement für jedes Unternehmen ein kritischer Erfolgsfaktor ist 5

2. Was ist überhaupt „PM-Kultur“? Es soll an dieser Stelle nicht der Versuch einer erschöpfenden Definition des Begriffs „Projektmanagement“ unternommen werden. Die betriebswirtschaftliche Lehre und Forschung, die Managementliteratur, DINAusschüsse sowie nationale und internationale Fachverbände (PMI, IPMA, GPM) haben zahlreiche Definitionen bzw. Beschreibungen dafür geliefert, was genau ein Projekt ist und wie ein solches erfolgreich zu managen ist. Für unsere Zwecke soll es hinreichen, Projektmanagement als Obermenge von drei analytisch unterschiedenen Teilbereichen zu verstehen: x Methoden: Konventionen, Standards und Prozesse, die mehr oder weniger genau beschreiben, nach welchen Spielregeln Projekte durchzuführen sind: Verfahrensanweisungen, Leitfäden/ Handbücher, Ablauf-/ Prozessbeschreibungen u.ä. x Instrumente: Vorlagen/ Muster und IT-Systeme, die für die operative Projektdurchführung unterstützend bereitstehen: Schablonen, Checklisten, Formulare, PM-Systeme (z.B. Microsoft Project) u.ä. x Kompetenzen: Persönliche Qualifikationen und Fähigkeiten, welche für die erfolgreiche Leitung eines Projekts erforderlich sind: organisatorische, soziale und kommunikative Fähigkeiten, Führungsqualitäten u.ä. Diese Arbeitsdefinition ist so angelegt, dass sie über den unmittelbaren Geltungsbereich des einzelnen Projekts hinausreicht: In aller Regel sind sowohl einzelprojektübergreifende Themen (z.B. Ressourcen- und Kapazitätsmanagement, Projektportfolio-Management), als auch die Einbettung in den unternehmerischen Kontext (Linie-Projekt-Konflikt, Eskalationsprozeduren) Gegenstand des Projektmanagements. Wie noch gezeigt werden wird, reicht selbst ein wohlgestaltetes und praxisgerechtes Projektmanagement nicht aus, um die erfolgreiche Durchführung von Projekten zu gewährleisten: Mit dem Begriff der „Projektmanagement-Kultur“ sollen daher explizit auch diejenigen Rahmenbedingungen einbezogen werden, die effektives und effizientes Projektmanagement in Unternehmen überhaupt erst ermöglichen. PM-Kultur beschreibt also ein schwer fassbares Konglomerat aus werteethischen, organisatorischen, psychosozialen, personal- und unternehmenspolitischen Gegebenheiten, welche den oben beschriebenen Methoden, Instrumenten und Kompetenzen erst ihre operative Leistungsfähigkeit verleihen. Ein Negativbeispiel aus der alltäglichen PM-Praxis mag dies veranschaulichen: Ein internationaler Großkonzern setzt sich das Ziel, mit Hilfe eines groß angelegten Sonderprojekts innerhalb eines Jahres eine leistungsfähige eBusiness-Infrastruktur für alle Mitarbeiter der Konzerngesellschaften be-

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reitzustellen. Was bringt ein klarer und sinnvoller Projektauftrag durch das Top-Management, die Bereitstellung aller erforderlichen Human- und Finanzressourcen sowie die beste Projektmanagement-Methodik, wenn beispielsweise x aus unternehmenspolitischen Erwägungen heraus das Projekt innerhalb der Organisation bewusst ‚falsch aufgehängt’ wurde, weil das Management davon ausging, auf diese Weise unliebsame machtpolitische Klippen (z.B. in Gestalt einflussreicher ‚Bereichsfürsten’) umschiffen zu können? x Projektleiter und Kernteam diese Aufgabe ‚on top’ zu ihren gewöhnlichen Linienaufgaben erhalten und sich somit aufgrund chronischer Arbeitsüberlastung dem Projekt nur unzureichend widmen können? x dem Projektteam sowie den beteiligten Fachbereichen weitestgehend die Anreize fehlen, sich dieser Projektaufgabe mit aller Kraft zu widmen, weil dies den persönlichen Karriereinteressen nicht unmittelbar dienlich ist bzw. unter Umständen sogar entgegentritt? x das Management Projektleitung und Projektteam die explizite Rückendeckung verweigert, die erforderlich wäre, um ein solches Vorhaben außerhalb der gewöhnlichen Linienstrukturen umzusetzen? x die Projektleitung nicht mit den erforderlichen Entscheidungs- und Machtbefugnissen ausgestattet ist, um die zu erwartenden psychologischen und politischen Widerstände gegen ein Vorhaben, das sich durch die gesamte Organisation erstreckt, erfolgreich zu überwinden?

3. Was bringt Projektmanagement für Unternehmen? Wie oben gezeigt, befähigt erst eine fruchtbare PM-Kultur den Projektmanagement-Ansatz zu seiner ganzen Leistungsfähigkeit. Welche konkreten Nutzenpotentiale verspricht jedoch eine hochwertige PM-Kompetenz? Diese lassen sich exemplarisch wie folgt konkretisieren: x Termin und Dauer  Kürzere Projektlaufzeiten dank optimierter Terminplanung  Verringerung von Planungsfehlern & späteren Nachbesserungen  Früherkennung von Gefahren und Risiken  Höhere Termintreue dank laufender Projektüberwachung x Kosten und Aufwende  Verringerung von Kosten und Aufwenden dank optimierter Planung

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Vermeidung von Doppelarbeiten dank systematischer Strukturierung Optimale Transparenz über Ist- und Restkosten Laufende Kostenüberwachung durch Projekt-Controlling-Kennzahlen Darstellbarkeit und ggfs. Weiterberechnung von Mehrkosten durch Auftragsänderung Ressourcen und Kapazitäten  Optimale Auslastung der vorhandenen Kapazitäten  Vermeidung von unerwarteten Ressourcen-Engpässen  Optimale Transparenz über verfügbare Restkapazitäten  Flexibilität & Störungssicherheit dank Ressourcen-Management  Optimierte Teamqualifikation durch Skill-Management Qualität  Fehlervermeidung durch systematische Projekt-Dokumentation  Fehlerverringerung dank Umsetzung geltender Qualitätsstandards  Hohe Verfügbarkeit von vorhandenem Wissen im Projekt  Verbesserte Diagnose und Korrektur von Defiziten dank Kommunikation  Förderung des Qualitätsbewusstsein durch Team-Strukturen Systematik  Standardisierungsvorteile dank einheitlicher Methodik  Förderung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse  Verbesserter Informationsfluss & Kommunikation  Straffung des Abstimmungs- und Entscheidungsverhaltens  Vermeidung von Konfliktpotentialen und Reibungsverlusten  Erleichterung der Einarbeitung neuer Team-Mitglieder/ Mitarbeiter Transparenz  Größere Akzeptanz dank übersichtlicher Standard-Prozesse  Eindeutig festgelegte Zuständigkeiten & Verantwortlichkeiten  Übersicht über die eigenen Aufgaben sowie denen des Projektteams  Einzelprojektmanagement: jederzeit Überblick über den Ist-Zustand für Projektleitung und -team  Multiprojektmanagement: jederzeit Überblick über alle laufenden und geplanten Projekte für das Management Mitarbeiter-Motivation  Stärkere Einbindung in Teamstrukturen  Steigerung der Zufriedenheit dank hohem Kommunikationsniveau  Förderung des Kostenbewusstseins dank Eigenverantwortung

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 Steigerung der Zusagenverbindlichkeit  Zunahme von Qualifikation und damit der Mitarbeitermotivation x Kundenorientierung  Erhöhung der Kundenzufriedenheit  Eindeutige Ansprechpartner-Strukturen für die Kunden  Aktive Einbeziehung der Kunden in Projektplanung und -durchführung  Schnellere Erfüllung von Kundenanforderungen x Innovationsfähigkeit  Kreativitätssteigerung dank interdisziplinärer Strukturen  Systematische Evaluierung innovativer Vorschläge  Schnellere Umsetzung von Innovationen in konkrete Ergebnisse x Wettbewerbsfähigkeit  Zügige Umsetzung von Strategievorgaben  Effektive und effiziente Erreichung von Unternehmenszielen  Kürzere Reaktionszeiten auf Veränderungen im Unternehmensumfeld Auch ohne den Versuch, die oben angeführten Nutzenpotentiale durch betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu quantifizieren, ist wohl unmittelbar ersichtlich, dass es sich bei den angeführten Nutzeneffekten um ein Kompendium absolut erfolgskritischer Unternehmenswerte handelt: Welche Organisation kann es sich auf Dauer schon leisten, nicht wesentlich um Termin- und Budgetreue, optimale Kapazitätsauslastung, gute Qualität, hohe Mitarbeiter-Motivation, Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und Kundenorientierung bestrebt zu sein?

4. Ist Projektmanagement ein kritischer Erfolgsfaktor? Weit angebrachter als die Hinterfragung der o.g. Werte erscheint vielmehr die kritische Rückfrage, inwieweit ausgerechnet ein hochwertiges Projektmanagement das einzige Rezept zur Realisierung dieser Nutzenpotentiale darstellen solle – oder, etwas provokanter formuliert: Ist Projektmanagement nun die allein seligmachende Management-Heilslehre? Handelt es sich dabei nicht vielmehr nur um eine weitere vergängliche Modeerscheinung in der scheinbar endlosen Serie immer neuer ManagementTrends? Steht am Schluss dieser Untersuchung etwa nur der sehnlichst erwartete, neue Trendbegriff „Management by Projects“?

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Projektmanagement als solches ist in der Managementlehre natürlich alles andere als ein Novum: Ursprünglich im zweiten Weltkrieg aus dem militärischen Operations Research hervorgegangen, in den Folgejahrzehnten in Luft- und Raumfahrttechnik (vgl. das Apollo-Programm der NASA) und im Bau- bzw. Anlagenbauwesen weiterentwickelt, handelt es sich inzwischen um einen reifen und hinlänglich praxisbewährten ManagementAnsatz, der aus zahlreichen Unternehmensbereichen (Forschung & Entwicklung, Produktentwicklung, Organisations- und Infrastrukturentwicklung, Informationstechnologie, Professional Services usw.) schlicht nicht mehr wegzudenken ist. Einen Indikator für die nachhaltige praktische Relevanz von Projektmanagement liefert auch die Beobachtung, dass dessen methodisches Instrumentarium noch immer in einer ständigen Weiterentwicklung begriffen ist und immer wieder fruchtbare Ableger hervorbringt: So hat bspw. die sukzessive Verfeinerung von methodischen PM-Standards im Bauwesen das eigenständige Berufsbild des „Projektsteuerers“ hervorgebracht, in der Automotive-Branche durch „Simultaneous Engineering“ eine drastische Verkürzung von Durchlaufzeiten für die Entwicklung neuer Modellreihen ermöglicht, der IT-Anwendungsentwicklung mit dem „Configuration Management“ ein Instrument zur Beherrschung hochgradig parallelisierter Aktivitäten bereitgestellt und mit dem „Risk Management“ einen systematischen Ansatz für die Überwachung und Steuerung von wirtschaftlichen und technologischen Risiken verfügbar gemacht. Ein weiterer Beleg dafür, dass Projektmanagement keine vorübergehende Modeerscheinung ist, lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass gerade die derzeit dynamischsten Branchen projektorientiert arbeiten: Informationsund Medientechnologie, Telekommunikation und Biotechnologie. In der Tat handelt es sich hierbei um Branchen, für die sowohl ein rasanter technologischer Wandel als auch eine hohe Marktdynamik charakteristisch sind. Dies hat unter anderem zur Folge, dass gerade in diesen innovativen Wirtschaftssektoren Geschwindigkeit und Flexibilität eine herausragende Bedeutung zukommt: x Die auf die so genannten ‚Zukunftsbranchen’ gemünzte Aussage „Nicht die Grossen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen“ beruht auf der Einschätzung, dass nicht länger schiere Größe den besten Stabilitäts- und damit Erfolgsgaranten für ein wesentlich auf bewährten Wertschöpfungsprozessen gründendes Geschäft repräsentiert. Mit Blick auf die Zukunft gilt vielmehr, dass die Aktivierung viel versprechender Erfolgspotentiale die Fähigkeit voraussetzt, neue technologische Möglichkeiten zeitnah (bzw. vor dem Wettbewerb) in preislich attraktive und marktreife Produkte umzusetzen. Auf nichts anderes zielt aber genau

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das „magische Dreieck des Projektmanagements“: auf die simultane Optimierung von Terminen, Kosten und Qualität. x Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Flexibilität: Einem „Projekt“ kommt qua Definition eine risikobehaftete, zeitlich und ressourcentechnisch begrenzte Einmaligkeit zu und „Projektmanagement“ begreift sich als der für solche Konstellationen adäquate Management-Ansatz. Die beträchtliche Dynamik von Technologie und Markt hat insofern eine faktische Erweiterung dieses Geltungsbereichs zur Folge, als hier tendenziell die Ausnahme zur Regel wird: In der Tat gilt es, jederzeit flexibel auf kurzfristig veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können. Damit geht einher, dass sich bspw. die Inhalte bereits laufender Projekte kurzfristig verändern, neue hinzukommen, andere abgebrochen werden, Prioritäten, Termine und damit Kapazitäten verschoben werden müssen u.ä. Eine Organisation, die diese Dynamik bestmöglich beherrschen will, ist somit unabdingbar auf die Kompetenz angewiesen, sein Projektportfolio so managen zu können, dass sie jederzeit flexibel auf veränderte Gegebenheiten reagieren kann und zudem die in der Regel ohnehin knappen Humanressourcen möglichst optimal einsetzt. Dies gilt so im Übrigen nicht nur mit Blick auf markt- bzw. produktgerichtete Vorhaben. Wachsende Dynamik, zunehmende Komplexität und verschärfter Wettbewerb bescheren den Unternehmen auch immer mehr interne Projekte: Seien es außerordentliche Organisations-, Infrastrukturoder IT-Vorhaben – kaum ein Unternehmen, das sich unter dem ständigen Druck zur Effizienzsteigerung nicht gerade reorganisiert/umstrukturiert, seine Geschäftsprozesse optimiert, seine technische Infrastruktur modernisiert, seine IT-Systeme umstellt/erweitert o.ä. Schließlich gilt es aber auch noch, die betriebswirtschaftliche Bedeutung von Projektmanagement zu unterstreichen: Nicht nur in Boom-Branchen, sondern insbesondere auch in Wirtschaftssektoren, die aufgrund konjunktureller oder sonstiger Entwicklungen einen Konsolidierungskurs einschlagen müssen, wird immer auch das Thema Projektmanagement einschlägig. So verordnen Strategie- bzw. Management-Beratungen im Rahmen von Sanierungs-/Rationalisierungs- und Effizienzsteigerungsprogrammen ihren Klienten geradezu rituell die gezielte Umstellung auf projektorientierte Vorgehensweisen bzw. raten dringend zur Etablierung eines professionellen Portfolio-Managements. Neben den oben angeführten Aspekten verspricht die Ausrichtung auf Projektmanagement also auch Kosteneinsparungen und/oder eine allgemeine Effizienzsteigerung. Insbesondere während der Rezession Anfang der 90er Jahre haben diese Empfehlungen in deutschen Großunternehmen zu einem regelrechten Boom von Projektma-

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nagement-Einführungen (inkl. Definition von PM-Prozessen, Erarbeitung von PM-Handbüchern, Einführung von PM-Systemen, Mitarbeiter-Qualifizierungsprogrammen etc.) verursacht. Diese Betrachtungen nehmen wir zum Anlass, auf die in diesem Abschnitt gestellte Eingangsfrage nach der Relevanz von Projektmanagement mit folgenden Argumenten zu erwidern: x Projektmanagement ist ein praxisbewährter Management-Ansatz, der älter ist, als die Management-Theorie selbst, und hinsichtlich seiner Verbreitung nahezu alle Branchen und Unternehmensbereiche durchdringt. x In den vergangenen 50 Jahren hat sich Projektmanagement ständig weiterentwickelt und im Zuge einer zunehmenden Systematisierung und Ausdifferenzierung seines Instrumentariums immer wieder neue Unterdisziplinen hervorgebracht. x Immer dort, wo Effizienz und Produktivität signifikant gesteigert werden müssen, ist eine wesentlich projektorientierte Gestaltung der Abläufe in bestimmten Unternehmensbereichen geradezu eine Pflichtmaßnahme. x Immer dort, wo ein besonders hoher Grad an Innovation erforderlich ist, ist auch eine besondere hohe methodische Projektmanagement-Durchdringung zu beobachten – innerhalb der Unternehmen vertikal und horizontal, aber auch branchen- und unternehmensübergreifend. x Die aktuelle Entwicklung der Weltwirtschaft ist gekennzeichnet durch eine ständige Zunahme von Dynamik und Komplexität: Rasanter technologischer Wandel, weitere Reduzierung von handelspolitischen Hemmnissen, verstärkter Handel mit Teilen und ganzen Unternehmen, zunehmende Globalisierung u.ä. Effekte verursachen einen steigenden Bedarf nach einem Steuerungsinstrumentarium, mit dem zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit flexibel und schnell auf die ständige Veränderung komplexer Zusammenhänge reagiert werden kann. Unser Fazit soll an dieser Stelle also lauten: Projektmanagement ist ein weit verbreiteter und seit Jahrzehnten praxisbewährter Ansatz, der sich aufgrund seiner betriebswirtschaftlichen Signifikanz ständig weiterentwickelt und verfeinert hat. Zudem liefern besonders dynamische und innovative Wirtschaftssektoren immer wieder neue Einsatzfelder für das Projektmanagement, so dass diesem Management-Paradigma künftig eine noch wichtigere Rolle zukommen wird, als dies bisher ohnehin schon der Fall ist. Daraus wird unmittelbar ersichtlich, warum Projektmanagement als kritischer Erfolgsfaktor anzusehen ist: Einerseits ist schon aus den oben ge-

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nannten Gründen eine chronisch defizitäre Realisierungskompetenz heraus nicht hinnehmbar, andererseits ist aber genau dies in der realen Unternehmenspraxis häufig zu beobachten. Wie bereits eingangs vorweggenommen, kann man – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – sogar sagen: In vielen Unternehmen bzw. Unternehmensbereichen fehlt es nicht so sehr an neuen Ideen, Zielen, Visionen oder Strategien; es fehlt vielmehr an dem Vermögen, die sich daraus ableitenden Maßnahmen effektiv und effizient in die Praxis umzusetzen.

5. Warum scheitern in der Praxis so viele Projekte? Spätestens an dieser Stelle ist die Fragen legitim: Wenn Projektmanagement ein praxisbewährter, nutzbringender Management-Ansatz ist, der bereits seit geraumer Zeit nahezu alle Branchen und Unternehmensbereiche durchdringt, warum gibt es dann noch immer so viele Projekte, die de facto nicht so laufen, wie sie sollten? In der Tat ist es nur allzu häufig so, dass in der Praxis nicht nur eine, sondern gleich mehrere Parameter des „magischen PM-Dreiecks“ verfehlt werden: x Warum kommen neue Produkte meist deutlich später als angekündigt auf den Markt und dann trotzdem nicht mit dem zu Beginn definierten Leistungsumfang? x Warum misslingen strategische Organisationsprojekte, wie bspw. PostMerger-Integrationen, oder aber aktivieren die ursprünglich erhofften Synergiepotentiale nur zu Bruchteilen? x Warum ist die Entwicklung neuer IT-Systeme meist deutlich teurer und langwieriger als zunächst geplant und genehmigt, und bringt zudem noch fehlerhafte Applikationen hervor, die beim Anwender nicht die gewünschte Akzeptanz finden? Die Ursachen dafür mögen natürlich vielfältig sein (und sind es meist auch): x Evtl. war die Komplexität des Projekts zu hoch – bspw., weil gerade im Konzernumfeld bei den meisten IT-Projekten starke Interdependenzen bestehen. x Vielleicht standen der Erreichung des Projektziels massive Widerstände entgegen – bspw., weil man bei einem Post-Merger-Projekt die Inkompatibilität unterschiedlicher Unternehmenskulturen unterschätzt hat. x Oder aber das Projektumfeld war durch eine solche Dynamik gekennzeichnet, dass das Team nicht agieren, sondern nur noch reagieren konn-

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te – etwa weil sich der Markt schneller als das eigene Produktportfolio angepasst werden kann. Nicht immer lassen sich solche oder ähnliche Erklärungen heranziehen: Nur die wenigsten Projekte können mit Fug und Recht für sich beanspruchen, geradezu revolutionär innovativ und/ oder genuin einzigartig und/ oder unbeherrschbar komplex und/ oder hochgradig risikobehaftet und/ oder von widrigen Einflüssen umgeben zu sein. Viele Projekte erscheinen vielmehr sogar geradezu durchaus etwas gewöhnlich und dennoch verlaufen auch diese meist nicht so, wie zunächst gedacht. Zudem fällt auf, dass auch nach Abschluss solcher Standard-Projekte meist niemand genau weiß, warum die ursprünglichen Erwartungen nicht oder nur zu Teilen erfüllt werden konnten. Und schließlich mündet das Ganze in folgende (authentische) Zitate aus der Projektpraxis: „Schon jemals ein IT-Projekt gesehen, das in time oder in budget abgeschlossen wurde?“ „Die Markteinführung dieses Produkts ist für Ende 2001 angekündigt – d.h., wir können realistisch ca. ab Mitte 2002 damit rechnen.“ „Ich budgetiere meine Projekte immer so: realistische Budgetierung in DM, mal Faktor 1,25 für die Unwägbarkeiten und dann schreibe ich Euro hintendran – und damit liege ich am Ende meistens ganz gut“. Wie auch zahlreiche Studien (z.B. der Standish Group und vergleichbaren Institutionen) belegen, liegt der Anteil der Projekte, die einigermaßen planmäßig umgesetzt werden, im Schnitt dramatisch niedrig (in Bezug auf IT-Projekte kreisen die Angaben um gerade einmal 20%). Angesichts der teilweise beträchtlichen finanziellen Auswirkungen solcher Defizite wird hier also ein beträchtliches wirtschaftliches Potential offensichtlich. Bemerkenswert ist schließlich, dass hier auch nicht von einem mangelnden Problembewusstsein die Rede sein kann: Kaum ein Vertreter des höheren Managements wird guten Gewissens behaupten, er könne in seinem Verantwortungsbereich bezüglich der Durchführungsqualität von Projekten keinen Verbesserungsbedarf erkennen. Warum also ist es offenbar so schwer, diese Thematik in den Griff zu bekommen? Unsere These dazu lautet: Die Methoden, Instrumente und Kompetenzen, die das Projektmanagement für die Planung, Überwachung und Steuerung von Projekten zur Verfügung stellt, sind sowohl bedarfsadäquat als auch in der Praxis beherrschbar. Der springende Punkt ist, dass es einfach nicht ausreicht, diese per Dekret zum verbindlichen Unternehmensstandard zu erklären, um eine wirksame Implementierung zu erzielen. Die eigentliche Schwierigkeit ist vielmehr auf einer anderen Ebene verortet: Es hapert häufig an dem, was wir mit dem Begriff „PM-Kultur“ umschrieben haben.

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Unterschiedliche Dimensionen einer defizitären PM-Kultur lassen sich wie folgt exemplarisch konkretisieren: x Im Rahmen der etablierten Hierarchiestrukturen muss ausreichend ‚Freiraum’ für projektorientiertes Vorgehen verbleiben: Abträglich sind beispielsweise Umstände, die Informations-, Kommunikations-, Entscheidungs- und Veränderungsprozesse nur geschlossen innerhalb einzelner aufbauorganisatorischer Einheiten zulassen und bereichs-/abteilungs/gruppenübergreifenden Entwicklungen strikt auf den hierarchischen ‚Dienstweg’ beschränken. x Es muss ein konstruktives psychosoziales Klima gefördert werden, in dem sich flexible und innovative Vorgehensweisen entfalten können und team- und projektorientierte Ansätze nicht durch individuelle, macht- oder karrierepolitisch begründete Hemmnisse erschwert werden. x Es müssen wirksame Anreize für die Mitarbeiter geschaffen werden, sich durch engagierte Projektarbeit zu empfehlen. Werden projektbedingte Aufgaben generell als unattraktive Zusatzbelastung zum Tagesgeschäft wahrgenommen, oder entstehen systematisch Konflikte zwischen Linien- und Projektarbeit, so wird das Engagement der TeamMitglieder schnell auf das Niveau einer Alibi-Beteiligung herabsinken – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Projektverlauf. Ansatzpunkte sind entsprechend gestaltete Zielvereinbarungen bzw. systematisch definierte PM-Karrierepfade o.ä. x Die Benennungsregeln für Projektleiter müssen den Grundsätzen einer systematischen Personalentwicklung genügen. Geradezu symptomatisch ist es, dass Mitarbeiter zu einem Projektleitungsmandat kommen, wie die Jungfrau zum Kinde: Entweder es ist gerade kein anderer verfügbar oder man trifft zufällig den Projektsponsor im Fahrstuhl. Mindestens ebenso häufig ist der Fehlschluss anzutreffen, dass fachliche Kompetenz als Beleg für die Eignung zur Führung eines Projekts interpretiert wird. x Ein „Projekt“ ist nicht einfach jedes Vorhaben, das nicht 1:1 einen Standard-Geschäftsprozesses instantiiert: Es muss allgemein anerkannte Spielregeln dafür geben, wann überhaupt ein Projekt vorliegt, wie es inhaltlich abzugrenzen ist, wie es zu organisieren und zu führen ist, welche Rollen mit welchen Aufgaben daran beteiligt sind usw. x Projektleitung und Team müssen hinreichend qualifiziert werden: In aller Regel genügt es nicht, einen fachlich versierten Mitarbeiter durch ein zweitägiges MS-Project-Training zu schleusen und ihm anschließend das offizielle PM-Handbuch des Unternehmens zu überreichen, um eine hochwertige Führungskraft für Projektteams zu erhalten.

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x Projektteams müssen bei Bedarf gezielt auf Unterstützungsleistungen zurückgreifen können: Training/Coaching ‚on the job’ oder sogar operative Entlastung bei auftretenden Engpässen sind mögliche ServiceAngebote, die die Qualität der Projektdurchführung maßgeblich erhöhen. In der Praxis sind Projektleiter bei Schwierigkeiten aber häufig weitestgehend auf sich allein gestellt. Im Bedarfsfall können sie daher nur auf Standard-Eskalationsprozeduren zurückgreifen, die dann aufgrund einer inflationären Anwendung recht bald an Wirkung einbüßen. x Es muss eine adäquate IT-Infrastruktur bereitgestellt werden, die alle zentralen Projektmanagement-Prozesse gezielt unterstützt und somit einen administrativen Overhead möglichst vermeidet. Wichtig ist zudem, dass sich eine solche Infrastruktur harmonisch in die umgebende ITLandschaft integriert. Obwohl es weltweit an die 80 Hersteller von PMStandardsoftware gibt, bleibt dies ein schwieriges Thema: Die meisten Systeme beschränken sich entweder von vornherein auf ein abgegrenztes PM-Aufgabengebiet (z.B. Netzplanungstools) oder aber erheben den Anspruch auf eine PM-Komplettlösung (z.B. Enterprise-PM-Suites). Erstere unterstützen gezielt nur bestimmte PM-Prozesse und laufen damit unweigerlich Gefahr, ein Dasein als Insellösung zu fristen; letztere stellen hinsichtlich Aktualität und Vollständigkeit erhebliche Ansprüche an die Qualität der Datengrundlage und verursachen dadurch signifikante Betriebsaufwende. x Schließlich ist auch der ständigen Verflüchtigung mühsam erworbener Projektmanagement-Kompetenz entgegenzuwirken: Allzu häufig wird die Rolle der „Projektleitung“ nur als Durchlaufposten zur eigentlichen Linienkarriere gesehen. Junge Projektleiter, die sich mit der Führung eines Teams gerade ihre ersten Management-Sporen verdient haben, schielen mangels alternativer Entwicklungsperspektiven alsbald auf eine ‚richtige’ Führungsrolle als Team- oder Abteilungsleiter. Gelangen sie erst einmal in eine solche Position, verkümmert ihr PM-Know-How mangels praktischer Anwendung und steht damit dem Unternehmen nicht länger zur Verfügung. Im Besonderen verhindern solche und ähnliche Effekte, dass einzelne Projekte planmäßig und erfolgreich durchgeführt werden; im Allgemeinen, dass Projektmanagement für das Unternehmen überhaupt sein ganzes Potential entfalten kann. Die durchaus beträchtlichen Folgeschäden einer defizitären PM-Kultur liegen auf der Hand: Zeit und Geld werden verschwendet, Projektleiter und Team-Mitglieder werden verschlissen, strategische Unternehmensziele werden nicht erreicht usw.

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6. Wodurch ist eine defizitäre PM-Kultur begründet? Zur Klärung dieser Frage ist zunächst eine diagnostische Betrachtung der faktischen PM-Einführungspraxis erforderlich. Zwar wurde in der Vergangenheit in den meisten Unternehmen die Bedeutsamkeit von Projektmanagement durchaus erkannt und in der Folge auch entsprechende Maßnahmen eingeleitet, aber auch hier gilt ironischerweise, dass die konkreten Implementierungsansätze häufig zu kurz griffen. Diese Einschätzung soll anhand von Beispielen belegt werden. Fehlannahme „PM ist ein reines Methoden- bzw. Toolthema“: Zahlreiche PM-Einführungen wurden nicht ganzheitlich begriffen, sondern ausschließlich methoden- und IT-orientiert angegangen: x Meist wurde ein umfangreiches PM-Handbuch mit verbindlichem ‚Total-Anspruch’ erarbeitet und dann eine geeignete PM-Software ausgewählt und eingeführt. Im besten Falle wurden die aktuellen Projektleiter in beiden Instrumenten geschult, bevor diese in der Fläche verbindlich eingeführt wurden – und dabei beließ man es zunächst einmal. x Häufig wurde dabei übersehen, dass ein methodischer Leitfaden und ein IT-System alleine keine Geschäftsabläufe verändern, keinen Wertebzw. Bewusstseinswandel in einer Organisation hervorrufen und auch keine motivatorische Wirkung auf Projekt-Mitarbeiter entfalten können. In der Folge führte dies mit der Zeit meist dazu, dass PM-Handbücher in den Regalen vergammelten, während PM-Systeme zu reinen Balkenplan-Malwerkzeugen oder Zeiterfassungssystemen degenerierten. Fehlannahme „Eine PM-Einführung ist kein Organisationsthema“: In vielen Fällen wurde die organisatorische Dimension einer PM-Einführung vernachlässigt: x Häufig fehlte die Bereitschaft, eine solche Veränderung auch durch bleibende aufbauorganisatorische Maßnahmen zu flankieren. Bei weitem nicht alle Unternehmen haben eine verstärkte Projektorientierung durch die Einrichtung entsprechender Gremien aktiv untermauert: ein „Project Management Office“ zur Unterstützung der operativen Projektdurchführung, ein „Projektportfolio Board“ für die laufende übergreifende Koordinierung des gesamten Projektportfolios. x Und selbst wenn eine ständige Organisationseinheit für die Wahrnehmung der PM-Zuständigkeit geschaffen wurde, dann verkümmerten solche „PM Competence Center“ häufig zu reinen Methodenschmieden, die sich für die Projektteams im Wesentlichen dadurch bemerkbar

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machten, dass mit mahnend erhobenem Finger die Einhaltung bestimmter PM-Formalismen gefordert wurde. Die Entstehung einer fruchtbaren PM-Kultur wird durch einen solchen Bürokratismus aber eher behindert als gefördert, weil keine wirksame Entlastung angeboten, sondern administrativer Zusatzaufwand generiert wird. Fehlannahme „PM ist kein Top-Management-Thema“: Häufig beschränkte sich auch das Commitment höherer Führungsebenen zum Projektmanagement-Ansatz auf reine Lippenbekenntnisse: x Selbst wenn in vielen Unternehmen die ständige Einrichtung eines „Projektausschusses“ vorkommt, so tritt dieser häufig nur im Zusammenhang mit der alljährlichen Budgetplanung spürbar in Erscheinung: Es ist dann die finanzorientierte Instanz, die Projektanträge für den aktuellen Planungszeitraum bearbeitet, indem sie zunächst alle beantragten Vorhaben/ Maßnahmen priorisiert, um dann anhand der verfügbaren Finanz- und Humanressourcen die Untermenge der genehmigungsfähigen Projekte zu ermitteln. Mit Abschluss der Jahresplanung verschwindet ein solcher Projektausschuss meist wieder in der Versenkung – häufig für ein ganzes Jahr. Ebenso greift ein solches Gremium in aller Regel weder aktiv in die konkreten PM-Abläufe ein, noch zeigt es sich besonders an den Durchführungsergebnissen der genehmigten Projekte interessiert. Entsprechend gering fällt daher auch der Beitrag aus, den eine solche Institution für die Bildung einer hochwertigen PM-Kultur zu leisten vermag. x Die aktive Einbindung des höheren Managements in die konkrete Projektdurchführung lässt auch sonst häufig zu wünschen übrig: Zwar gibt es zumindest für Großprojekte meist einen hochrangig besetzten Lenkungsausschuss (auch „Review/ Control/ Steering Board“ genannt), dieser wird aber meist für jedes Einzelprojekt immer wieder ad hoc zusammengesetzt, so dass einerseits die einheitliche Handhabung des PMInstrumentariums über alle Projekte hinweg nicht aktiv gefördert wird, während andererseits einzelprojektbezogene Entscheidungen nicht aus dem Blickwinkel einer übergreifenden Sicht auf das gesamte Projektportfolio getroffen werden können. Letzteres führt dazu, dass die Kohärenz von Entscheidungen und Handlungen einzelner Projekt-Lenkungsausschüsse nicht systematisch gesichert ist, sondern sich eher auf die Hoffnung reduziert, dass die Mengen der jeweils beteiligten Personen sich signifikant überschneiden. Fehlannahme „Projektmanagement ist kein personalpolitisches Thema“: Schließlich wurden bei PM-Einführungen meist auch menschliche

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Aspekte vernachlässigt, die für einen nachhaltigen Erfolg von zentraler Bedeutung sind: x Häufig wurde unterschätzt, dass die Umstellung auf projektorientierte Vorgehensweisen durchaus einen tiefgreifenden Wandel im Denken und Handeln der Mitarbeiter erfordert. Allerdings liegt es im Wesen des Menschen, dass Veränderungen nicht immer mit Freude angenommen und schwungvoll umgesetzt werden: Gerade in komplexen Organisationen müssen bei Beteiligten und Betroffenen vielmehr Trägheiten, Widerstände und sogar Ängste aktiv überwunden werden, da sich sonst keine nachhaltige Veränderung einstellt. Damit gerät die Einführung von Projektmanagement selbst zu einem echten Change-Projekt, also zu einer Reorganisationsmaßnahme von signifikantem Umfang, deren Erfolg wesentlich auf Überzeugung basiert und nicht auf Überredung oder gar Zwang. Soll sie gelingen, müssen – zusätzlich zu den inhaltlichen Aspekten – zahlreiche weitere Dimensionen eines umsichtigen „Management of Change“ berücksichtigt werden: Kommunikation/Public Relations, Definition von Zielen, Messung ihrer Erreichung, Überwachung der Risiken, kontinuierliche Verbesserung usw. x Es wurde bereits angesprochen, dass sich – zumindest für Unternehmen, die nicht vollständig projektorientiert funktionieren (und das ist die überwiegende Mehrzahl) – geradezu ein strukturelles Problem ergibt: Eine einmal im Unternehmen aufgebaute PM-Kompetenzschicht lässt nicht langfristig bewahren, weil sich der karrierepolitische ‚Ruf der Linie’ auch für Projektleiter als unwiderstehliche Verlockung darstellt. Ist aus einem Projektleiter erst einmal ein Abteilungsleiter geworden, ist sein PM-Know-How für das Unternehmen faktisch so gut wie verloren. Andererseits gilt aber auch: Beinhaltet die Rolle der Projektleitung nicht auch eine Empfehlung für spätere Linienverantwortung, so ergibt sich für die Mitarbeiter wenig Veranlassung, sich um die anstrengende und durchaus auch riskante Übernahme von Projektverantwortung zu bemühen. Diese und ähnliche Versäumnisse verdeutlichen, dass ein wohlgestaltetes und praxisgerechtes methodisches und technisches ProjektmanagementInstrumentarium zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für eine wirksame Projektrealisierungskompetenz darstellen. Die eigentliche Herausforderung besteht also darin, Projektmanagement im Unternehmen so zu implementieren, dass dabei immer auch die für eine PM-Kultur erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

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7. Wie ist eine hochwertige PM-Kultur zu gewährleisten? Der hier vorgeschlagenen Lösung liegt wesentlich der Ansatz zugrunde, die Problematik im Rahmen einer simultanen Betrachtung auf drei Ebenen anzugehen: x die Ebene des strategischen Leitbildes, für die das Top-Management zuständig ist. x die Ebene der operativen Ziele, die an das mittlere Management gerichtet ist. x die Ebene der praktischen Umsetzung, die weite Teile der Belegschaft betrifft. 7.1. Identifikation der strategischen Dimension von PM Am Anfang hat die Einsicht über die unternehmensstrategische Relevanz von Projektmanagement zu stehen – und zwar auf höchster Führungsebene. Allzu oft wird Projektmanagement in der Unternehmenspraxis als rein operative Fertigkeit verstanden, die daher nicht im Fokus des TopManagements zu stehen hat, sondern vielmehr ausschließlich auf der so genannten ‚Arbeitsebene’ zu adressieren ist. Die Setzung eines strategischen Ziels erfordert immer auch ein aktives Commitment durch das höhere Management. Es gilt daher zunächst, eine Vision bzw. ein Leitbild für das Unternehmen zu definieren und dieses im Rahmen der verbindlichen Strategievorgaben zu kommunizieren. Hier reicht das für strategische Ziele übliche Abstraktionsniveau hin – es geht im Wesentlichen um den Charakter einer expliziten Vorgabe. Ein Beispiel für die Ausformulierung könnte sein: x Strategisches Ziel: „Erlangung von PM-Excellence im Unternehmen.“ x Bewusstseins- und Wertewandel herbeiführen: „PM ist für uns eine erfolgskritische Schlüsselkompetenz!“ x Projektmanagement-Kompetenz aufbauen und dauerhaft sicherstellen: „Wir müssen fit im PM werden!“2 x Nachhaltige Gewährleistung einer hochwertigen PM-Kultur: „Wir müssen geeignete Bedingungen dafür schaffen, dass unsere Projekte künftig besser laufen!“

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Vgl. den Beitrag „Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung“ im vorliegenden Band.

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7.2. Maßnahmen zur Erlangung von „PM-Excellence“ Im zweiten Schritt gilt es, geeignete Maßnahmen zur Operationalisierung dieses strategischen Ziels zu definieren. Im Wesentlichen besteht die Aufgabe darin, zu bestimmen, wo im Unternehmen Projektmanagement gezielt zur Anwendung kommen soll. Zudem muss geklärt werden, wie ein organisationsindividuelles Projektmanagement gestaltet werden und in Konsequenz dessen erfolgreiche Implementierung im Unternehmen sicherzustellen ist. Maßnahmen zur „Erlangung von PM-Excellence im Unternehmen“: x Identifikation des Geltungsbereichs für den Anspruch auf „PM-Excellence“ x Beauftragung entsprechender Veränderungsprojekte („Change Management“):3  Konzeption und Einführung eines unternehmensspezifischen, bedarfs- und praxisgerechten Projektmanagements  Schaffung geeigneter organisatorischer, personalpolitischer und technischer Rahmenbedingungen Es sei an dieser Stelle betont, dass es sich hierbei definitiv um eine projektartige Maßnahmen handelt, deren Umsetzung konsequenterweise auch projektartig gestaltet werden sollte. 7.3. Praktische Umsetzung der Maßnahmen Schließlich gilt es, die oben definierten Maßnahmen im Rahmen eines geeigneten Implementierungsansatzes wirksam in die Praxis umzusetzen. Unser diesbezüglicher Vorschlag bleibt im Grunde recht überschaubar: Zusätzlich zu den gängigen methodischen und technischen Aufbaumaßnahmen sollte die Einführung von Projektmanagement immer mit der Etablierung zweier Organisationseinheiten einhergehen: Das „Project Management Office” (PM Office): Ein hierarchisch recht hoch angesiedeltes Gremium aus PM-Profis, dessen hauptamtliche Aufgabe die Sicherung eines hochwertigen PM-Betriebs ist: x Bereitstellung individualisierter PM-Standards, wobei deren Schwerpunkt dezidiert auf die unmittelbar nutzbringende praktische Einsetzbarkeit und nicht auf einem methodischen Formalismus liegen sollte. 3

Vgl. den Beitrag „Change Management“ im vorliegenden Band.

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Im Zweifel genügt hier eine knappe Beschreibung der beteiligten Gremien und ihrer Aufgaben, eine tabellarische/graphische Darstellung der wichtigsten PM-Spielregeln für Planung, Überwachung, Steuerung, Kommunikation, Berichtswesen u.ä. sowie die Bereitstellung möglichst nützlicher Hilfsmittel, z.B. Vorlagen und Checklisten in elektronischer Form. Bereitstellung und Betrieb einer leistungsfähigen PM-Infrastruktur zur optimalen IT-Unterstützung des organisationsspezifischen Projektmanagements. Hierbei sollten allerdings die Schwerpunkte auf die individualisierte Anpassung sowie auf die Reduktion der Komplexität der Software-Benutzerschnittstelle gelegt werden, damit Einstieg und Handhabung auch den immer wieder neu hinzukommenden Anwendern leichter fallen. Zusätzlich sind unbedingt flankierende Services zur Unterstützung aller angeschlossenen Nutzergruppen vorzusehen, insbesondere, wenn es sich um eine leistungsfähige Multi-PM-Infrastruktur handelt. Operative Übernahme aller einzelprojektübergreifenden PM-Prozesse, insb. Ressourcen-, Budget- und Portfolio-Management. Es versteht sich von selbst, dass erfolgreiches Multi-Projektmanagement nur aus einer übergreifenden ‚Vogelperspektive’ heraus stattfinden kann: Gerade weil einzelne Projekte in der Regel um dieselben, begrenzten Personal- und Humanressourcen konkurrieren, bedarf es einer außen stehenden, moderierenden Instanz, die eine fundierte Datengrundlage für projektübergreifende Abstimmungs- und Priorisierungsentscheidungen bereitzustellen vermag. Bereitstellung von PM-bezogenen Coaching- und Qualifizierungsangeboten ‚on the job’. Der unmittelbare Bezug des Gelernten zur aktuellen Situation in der konkreten Projektpraxis garantiert eine hohe Aufnahmebereitschaft sowie eine nachhaltige Memorierung der Inhalte und löst vor allem das Problem, dass es aufgrund einer naturgemäßen Projektdynamik in aller Regel nicht gelingt, die erforderliche PM-Qualifizierung ‚just in time’ sicherzustellen. Bereitstellung von Dienstleistungen zur operativen Unterstützung bzw. Entlastung der Projektleiter. Solche PM-Services können bspw. durch „Projekt-Koordinatoren“ erbracht werden, die als interne Dienstleister insbesondere die management-orientierten Aufgaben des Projektmanagements übernehmen: Projektplanung, -überwachung, -controlling, -reporting u.ä. Einerseits kann sich somit die Projektleitung besser auf die fachlichen, kommunikativen und politischen Projektaufgaben konzentrieren; andererseits fallen somit die Bereitstellung von PM-Prozessen/-

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Systemen und deren Praxisanwendung in Personalunion zusammen, was eine hervorragende Basis für die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung des Projektmanagements bildet. Das Projektportfolio Board: Ein hochrangig besetzter Führungskreis, dessen zweifache Aufgabe es ist, zum einen die Kohärenz des strategischen Projektportfolios sicherzustellen, zum anderen aber auch, einen gut funktionierenden Regelkreis zwischen Management und operativem Projektgeschehen zu etablieren: x Sicherung von Konsistenz, Transparenz und Kohärenz der Projektlandschaft: Über ein funktionierendes Projektantrags-, Genehmigungs- und Berichtswesen muss sichergestellt sein, dass das aktuelle Projektportfolio jederzeit erstens mit den insgesamt verfügbaren Ressourcen kompatibel ist, zweitens in seiner Gesamtheit inklusive projektübergreifender Interdependenzen überschaubar bleibt, und drittens inhaltlich sowohl widerspruchs- als auch redundanzfrei gestaltet ist. x Laufende Koordination des Projektportfolios in enger Zusammenarbeit mit dem Management und dem PM Office. Die Entscheidungsgrundlage, die durch die einzelprojektübergreifenden Zuständigkeiten des PM Office bereitgestellt wird, befähigt das Projektportfolio Board dazu, dem Bereichs- bzw. Unternehmensmanagement fundierte Koordinations- und Priorisierungsvorschläge zur Steuerung des aktuellen Projektportfolios zu unterbreiten. Ebenso ist es ein wesentlicher Bestandteil dieser Aufgabe, sowohl im Zuge der jährlichen Budgetplanung als auch der mehrjährigen Strategieplanung das Portfolio immer wieder neu zu gestalten, um eine adäquate Umsetzung der mittel- und langfristigen Unternehmensstrategie zu gewährleisten. x Sicherung eines adäquaten Rückflusses von Informationen und Entscheidungen aus dem Management in die einzelnen Projekte. Es dürfte deutlich geworden sein, dass Projektmanagement nicht nur den Regelkreis zwischen Projektleitung und Projektteam zum Gegenstand hat, sondern ebenso auch den Regelkreis zwischen Projektleitung und Management. Einschlägige Stichworte sind hier ein hinreichendes Maß an Management-Aufmerksamkeit für die Belange von Einzelprojekten sowie ein funktionierendes Eskalationsmanagement. Eine hochwertige PM-Kultur basiert nicht nur auf einem guten Berichtswesen, sondern auch auf einer adäquaten Reaktion auf die konkreten Berichtsinhalte. Wir müssen an dieser Stelle auf eine ausführlichere Darstellung der Aufgaben dieser beiden Institutionen verzichten: Dazu wäre es erforderlich, die jeweiligen Rechte, Kompetenzen und Pflichten, Aufgaben- und Stel-

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lenbeschreibungen, organisatorischen Abläufe und Prozesse, geeigneten Mitarbeiter-Profile sowie den durch das PM Office bereitgestellten Dienstleistungskatalog ausführlich zu beschreiben. Abschließend soll daher nur gezielt auf jene Aspekte eingegangen werden, die für unsere Argumentation unmittelbar einschlägig sind. In der Tat sind wir der Überzeugung, dass durch den oben skizzierten Ansatz zum einen die oben angeführten Defizite vermieden werden und zum anderen die besten Voraussetzungen zur Gewährleistung einer hochwertigen PM-Kultur geschaffen werden – und zwar aus folgenden Gründen: x Der wesentliche Dienstleistungscharakter eines PM Offices, wie wir es verstehen, sichert nachhaltig die Akzeptanz und die Qualität des Projektmanagements:  Auf Projektmanagement-Aufgaben spezialisierte Projekt-Koordinatoren stellen hochwertige PM-Services bereit, welche eine spürbare operative Entlastung für die Projektteams bei den zentralen PMProzessen bewirkt, Standardisierungseffekte unterstützt und die Vergleichbarkeit von Projekten untereinander erhöht.  Die Bereitstellung von PM-bezogenen Qualifizierungs- und Coaching-Dienstleistungen ‚on the job’ sichert einen effektiven und nachhaltigen Know-How-Transfer in die Projektteams und trägt außerdem dazu bei, dass Erfahrungen von einem Projekt auf das andere übertragen werden können.  Die geltenden PM-Spielregeln werden durch dieselbe Instanz bereitgestellt, die diese auch in der täglichen Praxis anwendet – analog gilt dies so auch für die für das Projektmanagement eingesetzten ITSysteme. Dadurch ist gewährleistet, dass sich gar nicht erst die Lücke zwischen Theorie und Praxis auftut, die in der Vergangenheit zahlreiche PM-Handbücher und PM-Softwarelösungen zu reiner ‚Schrankware’ hat verkümmern lassen.  Für das Projektmanagement als solches lassen sich kontinuierliche Verbesserungsprozesse auf einem ganz anderen Niveau etablieren: Vorschläge zur Optimierung der Abläufe entstehen direkt aus der konkreten Projektpraxis heraus und werden auch unmittelbar wieder dort eingebracht. x Die weiter oben angeführten Schwierigkeiten bzgl. des stetigen Abflusses von PM-Know-How in die Linie erfahren in diesem Zusammenhang geradezu eine Umkehrung:  Den eigentlichen Hort für die PM-Kompetenz eines Unternehmens bildet nun das PM Office und nicht länger die Menge der gerade aktuellen Projektleiter. Auf diese Weise ist die Kontinuität dieses

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Know-Hows für das Unternehmen gesichert und diffundiert nicht immer wieder in die Organisation.  Die Übernahme einer Projektleitung bietet dank der Betreuung durch erfahrene Projekt-Berater, Projekt-Coaches eine fundierte Qualifizierung und bietet damit sinnvolle und attraktive Personalentwicklungsoptionen.  Zusätzlich eröffnen sich neue PM-bezogene Karrierepfade: Das PM Office als hierarchisch höher angesiedelte Institution bietet differenzierte Stellenprofile und damit auch interessante und attraktive Karrieremöglichkeiten: Projekt-Koordinator, Projekt-Berater, ProjektCoach, Ressourcen-Manager, PM-Systemadministrator, Projekt-Controller, Portfolio-Manager. (Dies ist so auch erforderlich, da die Fluktuationsrate in einem PM Office geringer verbleiben muss, als dies bei der ‚Durchlaufstation’ Projektleitung der Fall sein darf.)  Wird die Projektleitungsrolle eine normale Etappe auf dem Karrierepfad von künftigen Führungskräften, ist zudem gewährleistet, dass der überwiegende Teil des Managements mittel- bis langfristig über ein gewisses PM-Know-How verfügt, was wiederum einen Beitrag zur Steigerung der Projekt-Kultur leistet. x Die bislang nur recht schwer erschließbaren Nutzenpotentiale einer hochwertigen PM-Infrastruktur lassen sich besser aktivieren:  Leistungsfähige Multi-PM-Systeme können nun erfolgreich betrieben werden, da erforderliche Fachkompetenz und personelle Kontinuität sichergestellt sind: Bspw. lässt sich ein hochwertiges Ressourcenund Skill-Management nur auf der Grundlage einer vollständigen, jederzeit aktuellen Datengrundlage betreiben, die durch Gelegenheitsanwender mit variierender IT-Affinität nicht bereitgestellt werden kann. Ebenso verhält es sich für Benchmarking- oder Best-PracticeAnsätze, die auf standardisierten Verfahren und kennzahlengestützten Projekt-Controlling basieren. Erst ein hochqualifizierter, beständiger Anwenderkreis ermöglicht den flächendeckenden Einsatz eines PMSystems auf höchstem Niveau.  Ein willkommener Nebeneffekt ist dabei sicherlich, dass sich der Qualifizierungsaufwand für PM-Prozesse und PM-Systeme erheblich reduzieren lässt, da nun nicht jedem neuen Projektleiter immer wieder alle Feinheiten des administrativen Projektmanagements vermittelt werden müssen. Ein durch hochwertige PM-Services flankierter Projektleiter kann so gezielt hinsichtlich seiner Teamführungs- und Kommunikationskompetenz ausgebildet werden, was ihm auch für eine spätere Linienkarriere zugute kommt.

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x Auch den strategischen und organisatorischen Dimensionen von Projektmanagement wird adäquat Rechnung getragen:  Projektportfolio Board und PM Office verkörpern als hochkarätige Organisationseinheiten geradezu ein weithin sichtbares ManagementCommittment zu einer hochwertigen PM-Kultur: Damit verhelfen sie – während der delikaten PM-Einführungsphase – zu einem wirkungsvollen Veränderungsprozess und fördern langfristig das für einen nachhaltigen Erfolg unabdingbare Werte- und Bewusstseinsniveau.  Das Projektportfolio Board etabliert einen funktionierenden Regelkreis zwischen Management und Projektportfolio, so dass strategische Konzeption und deren praktische Umsetzung in enge Wechselwirkung zueinander treten können.  Schließlich gewährleisten beide Institutionen für das unternehmensspezifische Projektmanagement dank ihrer Komplementarität sowohl Effizienz als auch Effektivität: Während das PM Office sicherstellt, dass Projekte richtig durchgeführt werden, trägt das Projektportfolio Board dafür Sorge, dass die richtigen Projekte durchgeführt werden.

8. Fazit Wir haben eingangs festgestellt, dass viele Unternehmen Schwächen hinsichtlich ihrer Realisierungskompetenz aufweisen. Im weiteren Verlauf haben wir eine Ursache dafür in einer defizitären PM-Kultur lokalisiert und eine Vorgehensweise vorgeschlagen, die es Unternehmen ermöglichen soll, eine hochwertige PM-Kompetenz zu erlangen und dauerhaft aufrechtzuerhalten. Was genau sind nun die innovativen Charakteristiken dieses Lösungsansatzes? x Projektmanagement wird nicht länger als marginaler ManagementAnsatz begriffen, auf den immer nur in den exotischen Konstellationen zurückgegriffen wird, in denen einmalige und/oder besondere Vorhaben zu bewältigen sind. Ganz im Gegenteil: Projektmanagement ist die einzige Antwort auf hochdynamische Umfelder, in denen gleichsam die Ausnahme zur Regel zu werden droht – dann nämlich, wenn das einzig Beständige der Wandel ist. x In diesem Licht spielt Projektmanagement eine zentrale Rolle: PM ist nicht länger die schlichte operative Fertigkeit einiger weniger Spezialisten, sondern muss als strategisch relevanter Erfolgsfaktor begriffen werden, dessen Bedeutung sich potentiell auf die gesamte Organisation er-

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streckt. Tatsächlich ist PM damit nicht länger ausschließlich ein Thema für Projektteams, sondern betrifft – neben zahlreichen anderen – insbesondere auch das höhere Management. Damit wiederum muss Projektmanagement ganzheitlich als wesentlicher Bestandteil einer leistungsfähigen Unternehmenskultur verstanden werden: PM ist nicht länger lediglich ein Kompendium von Methoden, Instrumenten und Kompetenzen, sondern erhält als PM-Kultur zusätzlich werteethische, organisatorische, psychosoziale, personal- und unternehmenspolitische Dimensionen, für die ein angemessener Entfaltungsspielraum vorzusehen ist. Gerade dann ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass grundsätzliche Aspekte verhindern, dass sich Projektmanagement nahtlos in organisatorische, karriere- und machtpolitische Strukturen typischer Unternehmen einfügen lässt. Eine Folge davon ist, dass es – zumindest in Unternehmen, die nicht wesentlich projektorientiert funktionieren – kaum professionelle Projektmanager gibt, dafür aber zahlreiche Mitarbeiter, die im Zuge ihrer Entwicklung auch einmal Projektmanager gewesen sind. Eine Lösung führt über die Aufspaltung des Projektmanagements in mehrere Disziplinen: administratives Management, fachlich-inhaltliche Verantwortung, Menschenführung, Kommunikation, Unternehmenspolitik, Projekt-Marketing u.v.m. Jeder dieser Facetten sind – je nach Typ, Umfang, Auswirkung und Umfeld eines konkreten Projekts – unterschiedliche Gewichtungen beizumessen. Erst eine solche Differenzierung eröffnet die Option, zumindest den wesentlichen Kern des Projektmanagements systematisch und dauerhaft in dedizierten PM-Gremien lokalisieren zu können. Projektmanagement darf dann wiederum aber nicht in den Höhen eines methodischen Elfenbeinturms stattfinden: Benötigt werden keine PMPäpste, sondern vielmehr Menschen, die Projektbeteiligten einen unmittelbar spürbaren Nutzen liefern, indem sie aktiv in das Projektgeschehen einsteigen und dort mit Rat und Tat für Unterstützung und Entlastung derjenigen sorgen, die gerade übergangsweise ein Projektleitungsmandat innehaben: Die Bereitstellung zentraler PM-Services liefert den einzigen Weg aus dem Dilemma „Bündelung und dauerhafte Bewahrung von PM-Kompetenz“ und „Anwendung und Weiterentwicklung dieses Wissens in der konkreten Projektpraxis“.

Schließlich ermöglicht die enge Zusammenarbeit der beiden oben vorgeschlagenen Gremien sehr kurze Reaktionszeiten in der Unternehmensführung: Noch heute wird in den meisten Konzernen das jeweils für die

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nächsten zwölf Monate gültige Projektportfolio im Rahmen einer jährlichen Budgetplanung bestimmt. Da eine unterjährige Aktualisierung so gut wie nie stattfindet, wird das resultierende Projektportfolio in der Folge meist recht schnell von der Realität überholt: Die geplanten Projekte verzögern sich, neue Projekte kommen hinzu, Budgets werden zweckentfremdet usw. Dank der neuen, engen Wechselwirkung zwischen strategischem und operativem Projektmanagement und der daraus resultierenden Transparenz ist nun erstmals der Weg geebnet für echte Steuerungsflexibilität: Neue, dringliche Projekte werden in das aktuelle Projektportfolio eingefügt, nicht mehr erforderliche Projekte werden kurzerhand gestoppt, schlecht laufende Projekte werden gezielt abgebrochen, Ressourcen und Budgets werden bei Bedarf flexibel realloziert usw. Eine solche ‚Unternehmenssteuerung in Echtzeit’ ist erforderlich, will ein Unternehmen die extremen Anforderungen an Geschwindigkeit und Flexibilität, welche heutige Märkte wesentlich charakterisieren, mit Erfolg bewältigen.

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams Marc Lappe

1. 1.1. 1.2.

Einleitung und Grundlagen .......................................................... 29 Zunehmende Führungsverantwortung von Projektleitern ............... 30 Anreize und Motivation................................................................... 30

2. 2.1. 2.2. 2.3.

Projektorientierte Anreizsysteme ................................................ 31 Beurteilungskriterien für projektorientierte Anreizsysteme ............ 31 Vorüberlegungen zur optimalen Erfolgs- und Risikobeteiligung.... 32 Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten eines projektbezogenen Anreizsystems .................................................... 34

3.

Ausgestaltung eines erfolgsorientierten projektbezogenen Entlohnungssystems (Leistungsprämiensystem) ........................ 35 Der methodische Ansatz des Leistungsprämiensystems LPS ......... 36 Ermittlung des Prämienanspruchs ................................................... 39 Beurteilung des Leistungsprämiensystems...................................... 40

3.1. 3.2. 3.3. 4.

Zusammenfassung: Das LPS als Entlohnungssystem von Projektteams .................................................................................. 42

1. Einleitung und Grundlagen Der Erfolg von Projekten ist nicht zuletzt auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der involvierten Mitarbeiter zurückzuführen. Der vorliegende Artikel zeigt, wie mittels eines adäquaten Anreizsystems – dem LPS – in projektorientierten Unternehmen leistungsfähige Projektmitarbeiter zu überdurchschnittlicher Leistungen motiviert werden können. Ein solches System zu etablieren, ist eine strategische Aufgabe desjenigen Manage-

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ments, das effiziente Projektarbeit im Unternehmen nachhaltig fördern will. 1.1. Zunehmende Führungsverantwortung von Projektleitern Professionell auf Projektbearbeitung ausgerichtete Organisationsstrukturen zeichnen sich in Ihrer Rollenteilung bzw. im Selbstverständnis der Aufgabenteilung dadurch aus, dass den Projektleitern eine weitgehende Erfolgsverantwortung des Projektes übertragen wird. Darin eingeschlossen ist neben der Zielerreichungsverantwortung auch die Verantwortung bzgl. einzuhaltender Kosten, Termine und gewünschter Qualität. Wenn in Großprojekten wie z.B. Reorganisations- oder Softwareprojekten Teilprojektoder Programmstrukturen vorliegen, dann trifft die Erfolgsverantwortung hier ebenfalls die auf der unteren Ebene liegenden Teilprojektleiter bzw. das Programm-Management als Gesamtverantwortliche für ein Bündel von zusammengehörigen Projekten. Aufgrund der komplexen und häufig sehr dynamischen Planungsabläufe, die sich in Projekten ergeben, sind für diese Aufgaben engagierte und unternehmerisch handelnde Führungskräfte erforderlich, die mit klaren Zielvorstellungen, überdurchschnittlichem Einsatz und teamorientierter Arbeit den Projekterfolg sicherstellen. Derart hohe Anforderungen machen auf Dauer eine besondere Form der Motivation und damit ein ganzheitliches Anreizsystem erforderlich, denn nur motivierte Teams und Mitarbeiter sind im Stande, die geforderten Höchstleistungen zu erzielen. Dies trifft umso mehr zu, als dass primär auf den Projekterfolg ausgerichtete Anreizsysteme in der unternehmerischen Praxis noch selten sind. 1.2. Anreize und Motivation Anreize sind notwendig, um das Handeln der Projektleiter und der Projektmitarbeiter an den Zielen des Unternehmens auszurichten und ein Abweichen bzw. die zu starke Orientierung an eigenen Zielen (Eigennutzenmaximierung konträr zur Unternehmensnutzenmaximierung) zu vermeiden. Das Handeln eines Projektteams wird maßgeblich durch die Aspekte

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Vergütung, Karrierepotentiale, inhaltlicher Anspruch und Motivation

beeinflusst. Anreizsysteme in Form von flexiblen, leistungsbezogenen Gehaltssystemen sind ein bedeutendes Werkzeug, um Motivation und das Effizienzbewusstsein von allen in das Projektmanagement involvierten Mitarbeitern wie Managern, Ingenieuren und Angestellten zu beeinflussen und nachhaltig zu verbessern. Gleichzeitig kann für die Projektmitarbeiter ein Bezug zu den wirtschaftlichen Ergebnissen „ihrer” Projekte hergestellt werden, was sich häufig ebenfalls positiv auf die Motivation auswirkt. Leistungsorientierte Gehaltssysteme sind besonders in der Industrie seit langem weit verbreitet: Stichwort „Akkordlohnsystem“. Für den Bereich des Projektmanagements ist jedoch festzustellen, dass derartige „traditionellen“ Leistungssysteme für relativ leicht messbare Arbeitsleistungen nicht angewendet werden können: Die oft kreativen und „strategischen” Arbeitsleistungen, die für das Einhalten eines Projektplans erforderlich sind, unterscheiden sich wesentlich von Faktoren wie z.B. „produzierte Stückzahlen pro Stunde“ oder „Fehlerquote“. Somit ist eine eindeutige Erfolgs- und Leistungsberechnung im komplexen Projektumfeld zunächst schwieriger zu realisieren, und entsprechend sind neue Formen der Belohnungssysteme zu konzipieren.

2. Projektorientierte Anreizsysteme 2.1. Beurteilungskriterien für projektorientierte Anreizsysteme Bei der Konzeption und Umsetzung von Anreizsystemen sind deren Konsequenzen in Bezug auf ein zielkonformes Verhalten bei alternativen Ausgestaltungsformen zu beurteilen. Als Orientierung bei der Beurteilung von Anreizsystemen gelten nachfolgende übergeordnete Kriterien [Vgl. Laux, H. 1995, S.74-77]: x Intersubjektive Überprüfbarkeit  Das Anreizsystem muss in Bezug auf die Art der Belohnung, auf die Bemessungsgrundlage und auf die Belohnungsfunktion für alle Beteiligten gleichermaßen einheitlich und transparent überprüfbar und kontrollierbar sein.

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 Die Bemessungsgrundlage(n), sowie deren funktionaler Zusammenhang muss in messbare Größen operationalisiert werden und deren Ausprägungen müssen messbar sein (und im Konfliktfall z.B. auch vor Gericht bestehen können). x Anreizkompatibilität  Die Projektbeteiligten sollten nur dann am Anreizsystem partizipieren, wenn ihr Verhalten die Unternehmensinteressen reflektiert.  Das Anreizsystem soll Anreize für „gute“ Entscheidungen der Projekt-beteiligten schaffen. x Pareto-effiziente Risikoteilung  Weder das Unternehmern noch die Projektbeteiligten sollen durch Umverteilung der möglichen Erfolge einen Vorteil (in Form einer Verbesserung ihrer Risikostruktur) erzielen können, ohne dass sich der jeweils andere schlechter stellt. x Effizienz  Anreizsysteme sollen allgemein einem bestimmten Ziel dienen (z.B. Gewinnmaximierung). Bei der Konkretisierung eines Anreizsystems ist dieses nur dann umfassender und detaillierter zu gestalten, wenn die damit verbundenen Grenzerträge höher sind als die Grenzkosten. 2.2. Vorüberlegungen zur optimalen Erfolgs- und Risikobeteiligung Für die folgenden Vorüberlegungen wird zunächst allgemein von Projektbeteiligten besprochen, da es i.a. unternehmensindividuell festgelegt wird, wer außer der Projektleitung Beteiligter des Anreizsystems ist und von diesem profitieren soll. Bei der der Gestaltung von Anreizsystemen ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Erfolg eines Projekts zumeist nicht nur von den Aktivitäten der Projektbeteiligten abhängt, sondern auch von unterschiedlichen Umweltzuständen, die nicht in ihrem Einflussbereich liegen, beeinflusst wird. Dies führt dazu, dass die Projektbeteiligten am Erfolgsrisiko des Projekts beteiligt werden und somit sowohl systematisches, d.h. minimierbares, als auch unsystematisches Risiko auf sie verlagert wird. x Für die Bestimmung der optimalen Belohnungsfunktion rückt daher neben dem Ziel der Anreizkompatibilität auch das Ziel der effizienten Risikoteilung in den Vordergrund. x Zwischen diesen beiden Zielen besteht ein Zielkonflikt, sofern die Projektbeteiligten nicht risikoneutral sind.

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams 33

An die Gestaltung effizienter Entlohnungssysteme ist daher die Anforderung der Gewährleistung eines optimalen Zielausgleichs zwischen – allgemeiner – Anreizoptimierung und Risikoallokation zu stellen. Anreizoptimierung und optimale Risikoallokation bilden gegenläufig wirkende Effekte, deren Optimierung im Ergebnis die effiziente Höhe der zu gewährenden Leistungsanreize für die Projektbeteiligten ergibt. Mit anderen Worten: Es gilt, eine effiziente Aufteilung der Entlohnung auf fixe und variable Bestandteile zu finden. [Vgl. Blair, M.M. 1995] Der erfolgbezogene variable Anteil ist nur bis zum Ausgleich von Grenzkosten und Grenznutzen weiter zu erhöhen. x Bei risikoaverser Einstellung der Projektbeteiligten bei gleichzeitiger Risikoneutralität des Managements ergibt sich eine pareto-effiziente Risikoteilung dann, wenn das gesamte Erfolgsrisiko vom Management übernommen wird und die Projektbeteiligten lediglich ein – projekterfolgsunabhängiges – Fixum erhalten. Da jedoch das Aktivitätsniveau der Projektbeteiligten nicht beobachtbar ist, ist dies nicht zielführend. x Ein positiver Motivationseffekt geht von einem zusätzlich zum Grundgehalt gewährten variablen, erfolgsabhängigen Anteil des projektbezogenen Unternehmenserfolgs aus. Hierdurch verschlechtert sich jedoch die Risikostruktur der Projektbeteiligten, denn diese werden zusätzliche Risiken nur dann eingehen, wenn sie hierfür eine Risikoprämie erhalten. x Da das Aktivitätsniveau nicht beobachtbar und damit nicht kontrollierbar ist, wird die Belohnung an die ex post erzielten Erfolge gebunden. Für den Fall, dass der variable Anteil an der Bemessungsgrundlage 100% ist (das Projekt wird faktisch an die Projektbeteiligten „verpachtet“), wählen die risikoneutralen Projektbeteiligten ein hohes Aktivitätsniveau, was sich in hoher Leistungsbereitschaft zeigt, und übernehmen zudem das gesamte Erfolgsrisiko. Für die Bereitschaft, hier de facto ein unternehmerisches Risiko zu übernehmen, fordern sie jedoch eine Risikoprämie, die sich in einem höheren Fixum ausdrückt. Bei zunehmender Risikoaversion der Projektbeteiligten steigt die Höhe der geforderten Risikoprämie. Gibt das Management entsprechenden Forderungen nach und erhöht das Fixum, sinkt umgekehrt proportional der Erwartungswert des Nettoerfolgs. Da jedoch das nun gewählte Engagement niedriger

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ausfällt als im Falle von Risikoneutralität, ist gleichzeitig die durch die Projektbeteiligten geforderte Risikoprämie geringer.4 x Ein anreizeffizientes Entlohnungssystem erfordert die Optimierung der sog. Agency-Kosten bei gleichzeitig zunehmender Risikoprämie der Projektbeteiligten. Aus Unternehmenssicht stellt die Summe aller Risikoprämien der Projektbeteiligten die Kosten des Anreizsystems dar. Mit zunehmender Beteiligung am Projekterfolg steigt der Anreiz für die Projektbeteiligten, sich im Sinne des Managements zu verhalten. x Die optimale Risikoaufteilung wird bestimmt durch den Grad der Risikoaversion jedes einzelnen Projektbeteiligten: Mit zunehmender Risikoscheue steigen die Kosten des Anreizsystems durch eine gestiegene Risikoprämie, die die Projektbeteiligten für die Übernahme des gestiegenen Entlohnungsrisikos verlangen. Die optimale Risikoallokation würde die genaue Bestimmung der Risikoaversion und damit die Bestimmung der individuellen Risikonutzenfunktionen aller Projektbeteiligter erfordern. Die Unmöglichkeit deren genauer Bestimmung stellt hier eine Grenze für theoretisch optimale Kontrakte dar. 2.3. Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten eines projektbezogenen Anreizsystems Bei der praktischen Umsetzung eines primär projektbezogenen Anreizsystems sind neben den oben genannten generellen folgende spezifische Anforderungen zu berücksichtigen: x Erfahrungen aus Unternehmen mit Anreizsystemen, in denen Prämien ausschließlich mit Bezug auf den Erfolg von Einzelprojekten vergeben werden, zeigen, dass hier die Gefahr des „künstlichen Schlechtrechnens“ eines Projekts auf Kosten anderer Projekte besteht. Es ist daher ein möglichst ganzheitlicher Ansatz mit einheitlichen Methoden zur Projektevaluierung anzustreben, um derartige “Schlupflöcher” zu vermeiden. Außerdem soll durch eine breite Anlegung der Erfolgsbemessungsgrundlage vermieden werden, dass durch außergewöhnlich „schlechte Projekte“, deren Misserfolg zumindest teilweise außerhalb des Beeinflussungsbereichs der Projektmitarbeiter begründet wird, nicht sämtliche Prämienmöglichkeiten für diesen Mitarbeiter entfallen.

4

Die Differenz des Erwartungswerts des Nettoerfolgs bezeichnet den Wohlfahrtsverlust (o Agency-Kosten), der sich für das Management daraus ergibt, dass das Aktivitätsniveau nicht kontrollierbar ist.

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams 35

x Die Anreizgestaltung sollte langfristig angelegt sein. Große, über mehrere Monate oder Jahre angelegte Projekte, können wesentliche strategische Bedeutung für das Unternehmen haben. Die Mitarbeiter hier dürfen nicht gegenüber denen in kürzeren Projekten, bei denen schneller Erfolge realisiert werden können, benachteiligt werden. Es gilt, dass Großprojekte nicht im Sinne des Anreizsystems für ein Engagement der Mitarbeiter “unattraktiv” sein dürfen. x Personalentwicklungs- bzw. statusbezogene Anreize haben eine wichtige und in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende Bedeutung. Sie sollten in jedem Fall die materiellen Anreize ergänzen. Solche nicht-monetären Anreize können sich u.a. zusammensetzen aus:  den langfristig angebotenen Karrieremöglichkeiten eines Projektmitarbeiters/ Projektleiters,  der Befriedigung von Prestigebedürfnissen oder  der Flexibilisierung der Arbeitszeit, insbesondere für Projektteams im Bereich in Forschung und Entwicklung.

3. Ausgestaltung eines erfolgsorientierten projektbezogenen Entlohnungssystems (Leistungsprämiensystem) Ein Anreizsystem muss die o.g. Dimensionen unter folgender Zielsetzung zusammenführen: x Entwicklungsmöglichkeiten müssen erkennbar sein, d.h. dass für die Mitarbeiter ein klar definierter Karrierepfad in Richtung Projektleiter, Projektgruppenleiter o.ä. besteht. x Es müssen Freiräume, z.B. im Hinblick auf Flexibilität bei der Arbeitszeit, geschaffen werden. x Es muss ein flexibles, erfolgs- und leistungsorientiertes Vergütungssystem umgesetzt werden, das starre Lohnstrukturen aufbricht. Im Folgenden wird eine konkrete Ausgestaltung eines projektbezogenen Entlohnungssystems vorgestellt, die im Grundsatz auch für andere projektbezogene als Grundlage gelten kann. Durch die Einstellung des Berechnungsmodells bzw. eine Anpassung des Gewichtungsverhältnisses der einzelnen Faktoren kann ein Leistungsprämiensystem auf spezifische Unternehmenssituationen (z.B. Unternehmenskultur oder branchen- bzw. bereichsspezifische Projektcharakteristika) angepasst werden. Im vorliegenden Beispiel ist zu beachten, dass von einer Projektumgebung ausgegan-

36 Marc Lappe

gen wurde, in der der Projekterfolg sich im Rahmen einer Budgeteinhaltung (Aufwand oder Kosten) angeben lässt. Dies trifft zum Beispiel bei Festpreisprojekten zu, die Kunden oder Organisationseinheiten im Unternehmen in Rechnung gestellt werden. 3.1. Der methodische Ansatz des Leistungsprämiensystems LPS Das Leistungsprämiensystem (LPS) gründet auf einer breiten Bemessungsgrundlage zur Erfolgsbewertung, um Anreize zur Leistungsförderung in möglichst vielen Hinsichten zu bieten. Folgende Einflussfaktoren werden bei der Ermittlung der Leistungsprämien berücksichtigt: 1. Der Individualerfolg (persönliche, direkt beeinflussbare Effizienz) 2. Der Projekterfolg (Teameffizienz im Auftragsgeschäft) 3. Der Unternehmenserfolg (Gesamteffizienz des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und Führungskräfte) Durch diesen dreistufigen Bewertungsansatz werden folgende häufig auftretende Effekte wirksam verhindert, die zu unerwünschten Verzerrungen führen: Projektneid, Mitarbeiter-Egoismus, Gleichgültigkeit gegenüber Gießkannen-Prinzip etc. Als Berechnungszeitraum für die Prämien gilt in der Regel das Geschäftsjahr: Durch den Rückgriff auf Ergebnisse des Jahresabschlusses wird so vermieden, dass eine weitere – zum Jahresabschluss zusätzliche – Erfolgsbewertung durchzuführen ist. Die Bemessungsgrundlage für mehrjährige Projekte wie beispielsweise strategische Großprojekte, deren Erfolg erst in späteren Jahren sicht- und messbar wird, kann auf einen MehrjahresDurchschnittswert ausgedehnt werden. Die Prämienzahlung wird dann über die Jahre an diesen Wert angeglichen. Die Zusammenhänge der Prämienberechung der drei oben beschriebenen Einzelwerte Projekterfolg, Unternehmenserfolg und Individualerfolg werden in der folgenden Abbildung verdeutlicht, eine weitergehende Beschreibung der einzelnen Größen erfolgt in den nächsten Abschnitten:

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams 37

LPS Leistungs- und Prämiensytem Individualerfolg

Projekterfolg

Basis: Punkteeinstufung in Mitarbeitergespräch

Basis: Angaben zu ProjektDeckungsbeiträgen aus ProjektControlling

Unternehmenserfolg Basis: Gewinn nach Steuern

Das Das projektorientierte projektorientierte Unternehmen Unternehmen

Abbildung 1: Dimensionen des Leistungs- und Prämiensystems

Dimension 1: Der Individualerfolg als Einflussgröße des LPS Für die Anwendung des LPS macht es zunächst keinen Unterschied, ob alle an Projekten Beteiligte oder nur bestimmte kleinere Zielgruppen (Projektleiter und Teilprojektleiter) berücksichtigt werden. Nachdem die Zielgruppe definiert wurde, werden im Rahmen eines Einstufungsverfahrens vorab für alle Mitarbeiter beurteilungsrelevante Leistungsmerkmale festgelegt (o „Personal Evaluation“). Beispiele für diese Leistungsmerkmale können sein: x x x x x x

Fachkenntnisse, Initiative, Arbeitsstil, Engagement, Teamverhalten, Kundenzufriedenheit.

Ggfs. werden für unterschiedliche Zielgruppen (Projektleiter vs. Projektmitarbeiter) unterschiedliche Leistungsmerkmale festgelegt. Zudem können einzelne Leistungsmerkmale auch unterschiedlich gewichtet werden. Danach erfolgt die Einstufung beispielsweise in ein Fünf-Punkte-System (von 5 | „Anforderungen wurden deutlich übertroffen“ bis 1 | „Anforderungen wurden nicht erfüllt“). Für die individuelle Einstufung ist der Pro-

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jektleiter bzw. der direkte Vorgesetzte im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs zuständig. Dimension 2: Der Projekterfolg als Einflussgröße des LPS Zur Berechnung des Projekterfolgs werden für jedes Projekt zunächst die sog. Projekteffizienz und eine Projektgewichtung ermittelt: x

x

Das vorab geplante Projektbudget ist die Grundlage für die Bewertung der jeweiligen Projekteffizienz. Dem Projektbudget werden die tatsächlich verbrauchten Aufwände gegenübergestellt, als Ergebnis ergibt sich ein prozentualer Projekt-Effizienzwert, der im Sinne eines tatsächlichen Projekt-Deckungsbeitrags betrachtet werden kann. Die notwenigen Kennzahlen und Werte werden durch das laufende Projekt-Controlling des Unternehmens bereitgestellt. Sämtliche Projekte eines Mitarbeiters werden bewertet. Mit Hilfe einer Gewichtung wird eine durchschnittliche Projekteffizienz über alle durch den jeweiligen Mitarbeiter bearbeiteten Projekte berechnet. Um “schwierige Projekte” – strategisch oder politisch motivierte Aufträge mit geringer Erfolgsaussicht oder kleinem Deckungsbeitrag – für Projektleiter attraktiver zu machen, kann ein individuell zu verhandelnder Zuschlag in das Projektbudget eingerechnet werden.

Aus der Summe der einzelnen Projekteffizienzen und der jeweiligen Projektgewichtung resultiert der Gesamtprojekterfolg des Mitarbeiters als erste der drei Kennzahlen. Dimension 3: Der Unternehmenserfolg als Einflussgröße des LPS Die dritte LPS-Einflussgröße ist der Unternehmenserfolg: Zu Beginn des Geschäftsjahres wird durch die Unternehmensführung das Volumen des insgesamt im Rahmen der LPS-Vergütung auszuzahlender „Prämientopfs“ entweder in Form eines absoluten Betrages oder als prozentualer Anteil des Jahresüberschusses festgelegt (z.B. „insgesamt 1 Mio. Euro LPSPrämien“ oder „30 % des Jahresüberschusses vor Steuern als LPS-Prämien“).

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams 39

3.2. Ermittlung des Prämienanspruchs Zur Berechnung des konkreten Prämienanspruchs werden zunächst als Vorstufe die drei beschriebenen Kennzahlen Projekterfolg, Individualerfolg und Unternehmenserfolg zueinander gewichtet (z.B. im Verhältnis 40:40:20) und dann die bewerteten Einzelgrößen zu einer (individuellen) Mitarbeiter-Effizienz aufsummiert. Die Mitarbeiter-Effizienz drückt den berechneten Aufschlag auf das Grundgehalt des Projektmitarbeiters in Form seines Prämienanspruchs aus. Zur Feststellung des absoluten Anspruchs ist zunächst der Verteilungsschlüssel des gesamten „Prämientopfs“ zu bestimmen. Der Prämienanspruch eines Mitarbeiters ergibt sich dann aus dem gewichteten Produkt seines Jahresgrundgehalts, des von ihm erzielten Mitarbeiter-Gesamtfaktors und dem verfügbaren Prämientopf. Die Belohnungsfunktion B ergibt sich wie folgt:

B

^

F  MAEuv für MAE !100% F sonst

Hierbei gilt: x F ist das Fixum, d.h. das Jahresgrundgehalt des Mitarbeiters. x MAE bezeichnet den als Mitarbeitereffizienz berechneten Wert, der bspw. zwischen 0 und 200% liegen kann. x v ist der als variabel angesetzte Anteil des Fixums (z.B. 20% des Fixums). Mitarbeiter erhalten lediglich dann eine Prämie, wenn ihre jeweilige Mitarbeitereffizienz überdurchschnittlich ist und damit über 100% liegt: Für überdurchschnittliche Mitarbeiterleistung lassen sich nach o.g. Funktion die Prämienansprüche errechnen. Für unterdurchschnittliche Leistung verbleibt das Gehalt der Mitarbeiter auf Höhe des Fixums, eine Prämie wird nicht ausgeschüttet.

40 Marc Lappe

Grundsätzlich gilt: Kein Leistungsprämiensystem kann den Anspruch erheben, die Leistungen der Mitarbeiter vollständig eindeutig, fehlerfrei und exakt zu bewerten. Das LPS stellt immer ein zusätzliches, wenn auch sehr wirksames Anreizsystem zur allgemeinen Leistungs- und Effizienzsteigerung dar.

3.3. Beurteilung des Leistungsprämiensystems Als Beurteilungskriterium für Anreiz- bzw. Belohungssysteme werden die untenstehenden Kriterien x x x x

Intersubjektive Überprüfbarkeit Anreizkompatibilität Pareto-effiziente Risikoteilung Effizienz

herangezogen. Für das hier beschriebene Leistungsprämiensystem ist folgendes festzustellen: x Zur intersubjektiven Überprüfbarkeit: Das Kriterium der intersubjektiven Überprüfbarkeit forderte, dass alle Größen und Einflussfaktoren – die Belohnung, die Bemessungsgrundlage sowie die Belohnungsfunktion – von allen Beteiligten eindeutig messbar und nachvollziehbar sein müssen. Wenn die Höhe der Belohnung, d.h. die Höhe des zu erreichenden variablen Anteils, dem Management sowie den Projektbeteiligten bekannt ist, wird diesem Kriterium genügt. Da jedoch das genannte System sowohl bei der Bewertung der Mitarbeitereffizienz sowie bei der Bewertung des Projekterfolgs in der Praxis teilweise große Ermessensspielräume zulässt, ist eine intersubjektive Überprüfbarkeit insgesamt nicht gegeben. Umso wichtiger ist es daher, die Bewertungsansätze soweit zu konkretisieren und messbar zu machen, dass eine hinreichende Objektivität und Akzeptanz gewährleistet ist. Die Bemessungsgrundlage, der Projekterfolg spiegelt somit die aggregierten Leistungen der Projektbeteiligten wider, die ggfs. noch um externe Einflüsse zu bereinigen sind. Intersubjektive Überprüfbarkeit sollte auch hier tendenziell gegeben sein, obgleich sich hier auch gewisse Argumentationspotentiale eröffnen, die die Projektbeteiligten versucht sein werden zu nutzen, um bestimmte ergebnisrelevante Einflüsse zu exogenisieren. Die unterstellte Belohnungsfunktion erweist sich ebenfalls als in geforderter Weise

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams 41

nachvollziehbar, wenn ihr funktionaler Zusammenhang denn auch den Beteiligten zugänglich gemacht wird. x Zur Anreizkompatibilität: Das zuvor beschriebene Leistungsprämiensystem ist per se nicht anreizkompatibel, da die Entlohnungsfunktion lediglich eine Erfolgsbeteiligung, jedoch keine Verlustbeteiligung enthält. Dadurch, dass lediglich im Falle einer überdurchschnittlichen Mitarbeitereffizienz überhaupt eine Prämienzahlung erfolgt und durch Fehlverhalten der Prämienanspruch verwirkt wird, erscheint dies eine der Problemstruktur angemessene Lösung zu sein: Der Charakter des Leistungsprämiensystems als Anreizsystem – nicht als Bestrafungssystem – wird gestärkt. x Zur pareto-effizienten Risikoteilung: In Bezug auf das Kriterium der pareto-effizienten Risikoteilung gelingt es durch das LPS, AgencyKosten, die dadurch entstehen, dass die Projektbeteiligten Risikoprämien fordern, zu senken. Es kann von einer strukturellen Verbesserung der Risikoteilung zwischen Management und Projektbeteiligten ausgegangen werden. x Zur Effizienz: In Anlehnung an die Bedingungen der Effizienz von Anreizsystemen nach Kossbiel lässt sich feststellen, dass das vorgestellte Leistungsprämiensystem effizient im Sinne von „tauglich“ ist, da die verfolgten Ziele der Angleichung der Interessen von Management und Projektbeteiligten sowie die Reduktion der Agency-Kosten tatsächlich erreicht werden kann. Da der Nutzen des Leistungsprämiensystems im Verhältnis zu den Kosten positiv ist, kann weiter von einer Effizienz im Sinne von Vorteilhaftigkeit ausgegangen werden [Vgl. Kossbiel, H. 1994]. Somit erscheint das vorgestellte Leistungsprämiensystem als Anreizinstrument insgesamt als geeignet: Die Ziele von Anreizsystemen werden erreicht, der Nutzen des LPS überwiegt die Kosten im Vergleich zu alternativen Anreizsystemen; kritisch anzumerken ist lediglich, dass sich aufgrund von Objektivitätsgrenzen und Ermessensspielräumen Einbußen ergeben.

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4. Zusammenfassung: Das LPS als Entlohnungssystem von Projektteams Das dargestellte Entlohnungssystem LPS verbindet folgende Eigenschaften: x Es kommt zu keinen negativen Auswirkungen auf das Jahreseinkommen der Mitarbeiter, da das LPS als reines Belohnungs- bzw. Bonussystem gedacht ist. x Die Prämienzulagen der einzelnen Mitarbeiter sind proportional zum Jahreseinkommen zu bemessen. Die Summe aller Prämien ist auf den verfügbaren „Prämientopf“ begrenzt, so dass die Gesamtkosten des LPS für die Unternehmensführung a priori bekannt sind. x Die Bemessungsgrundlage zur Erfolgsbewertung ist so gewählt, dass durch die Berücksichtigung von Individual-, Projekt und Unternehmenserfolg Anreize zur Leistungsförderung in vielerlei Hinsicht geboten werden. Gleichzeitig werden so „Ungerechtigkeiten“ vermieden, wenn sich Projektmisserfolge einstellen, deren Ursachen außerhalb der Einflusssphäre der Mitarbeiter liegen. x Das LPS ist durch seine Offenheit und Transparenz darauf ausgerichtet, negative Effekte wie Projektneid, Mitarbeiter-Egoismus u.ä. zu verhindern. x Objektiven Bewertungsmaßstäbe und die eindeutige Vorgehensweise bei der Prämienermittlung tragen zur Verhinderung von unerwünschten Verzerrungen und zur Verhinderung eines (ineffizienten und zumeist kostenintensiven) „Prämien-Gießkannen-Prinzips“ bei. x Die Akzeptanz des LPS bei Mitarbeitern und Unternehmensleitung wird durch die einfache Berechnung bzw. Bewertung sowie durch die Transparenz gefördert: Es wird „mit offenen Karten“ gespielt. Bei der Anreizgestaltung ist prinzipiell darauf Wert zu legen, dass diese langfristig angelegt ist. So wird erreicht, dass Mitarbeiter in mehrere Monate oder Jahre laufenden Projekten nicht benachteiligt werden und Mitarbeiterhandeln sich nicht (nur) an kurzfristigen Erfolgszielen orientiert, sondern zu einer nachhaltigen Verbesserung der Unternehmenssituation beiträgt. Entsprechende Überlegungen können im LPS berücksichtigt werden. Die Initiierung eines LPS, so wie oben beschrieben oder in Varianten davon, ist eine Aufgabe des Strategischen Projektmanagements bzw. Aufgabe des Top-Managments. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des LPS ist u.a. die Bereitschaft des Top-Managments, einen Teil des er-

Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams 43

wirtschafteten Überschusses als Prämie an die beteiligten Mitarbeiter auszuschütten. Um eine wirtschaftlich sinnvolle Bezugsbasis für die Prämienzuteilung zu haben, sind alle Projekte über ein Projekt-Controlling auszuwerten und im Projektportfolio miteinander in Bezug zu setzen. Dies zeigt zuletzt, wie eng ein projektorientiertes Leistungsprämiensystem mit anderen Elementen des Strategischen Projektmanagements verzahnt ist und somit ein wesentlicher Baustein zur Verankerung einer professionellen Projektmanagement-Kultur ist.

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement - von der Projektmanagement-Diagnose zur Balanced Scorecard im PM Simon A. Schmidt und Sven Hausen

1.

Einleitung ....................................................................................... 45

2. 2.1. 2.2.

Projektmanagement-Diagnose – Messung der Leistungsfähigkeit zur Entwicklung von Optimierungsmaßnahmen ....... 46 Methodisches Vorgehen .................................................................. 47 Fazit I............................................................................................... 55

3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6.

Die Balanced Scorecard im Projektmanagement ....................... 56 Ursprünge der Balanced Scorecard ................................................. 56 Elemente der Balanced Scorecard ................................................... 56 Perspektiven der Balanced Scorecard.............................................. 57 Balanced Scorecard auf Portfolio und Einzelprojekt-Ebene ........... 58 Exkurs: Balanced Scorecard als Managementsystem...................... 61 Fazit II ............................................................................................. 63

1. Einleitung Strategische Zielsetzung des Managements in vielen Unternehmen ist die Steigerung der Qualität und Leistungsfähigkeit des Projektmanagements, um damit den wirtschaftlichen Gesamterfolg zu steigern. Voraussetzung hierfür ist eine systematische Analyse der eigenen ProjektmanagementVerfahren und -Werkzeuge. Diese Analyse dient dem Aufspüren von Kosteneinsparungspotenzialen und dient zugleich als Basis für Investi-

46 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

tionsentscheidungen in die Optimierung des Projektmanagements. Aber wie kann die aktuelle Leistungsfähigkeit des PM objektiv ermittelt werden? Und welcher Soll-Zustand soll sinnvoller Weise angestrebt werden? Dieser Beitrag zeigt, wie mit Hilfe der Projektmanagement-Diagnose die aktuelle PM-Leistungsfähigkeit richtig bewertet und neu eingestellt werden kann, um einen unternehmensspezifischen PM-Soll-Zustand zu erreichen. Darauf aufbauend wird mit der Balanced Scorecard im Projektmanagement ein kennzahlenbasiertes, strategisches Instrument beschrieben, mit dem das Ziel der Optimierung der Leistungsfähigkeit des PM operativ geplant und gesteuert werden kann. Schließlich werden Möglichkeiten zur Integration der Instrumente aufgezeigt. Adressat dieser Instrumente ist das Top-Management, das mit Hilfe von Projektmanagement-Diagnose und Balanced Scorecard die Projektmanagement-Leistungsfähigkeit im Unternehmen bewerten und steuern kann.

2. Projektmanagement-Diagnose – Messung der Leistungsfähigkeit zur Entwicklung von Optimierungsmaßnahmen Viele Unternehmen richten ihr Projektmanagement und Projektcontrolling neu aus, um unnötige Kostentreiber auszuschalten. Eine Analyse der eigenen PM-Verfahren und -Werkzeuge bildet hierbei die Voraussetzung. zum Aufspüren von Kosteneinsparungs- bzw. Optimierungspotenzialen. Die PM-Diagnose bildet hierbei einen methodischen Ansatz unter Einbeziehung des dem Projectmanagement Maturity Modells (PMMM) [Crawford, J.K. 2002, S.279 ff.], eines Reifegradmodells, abgleitet aus den Standards des Project Management Institutes (PMI). Am Beispiel eines Versicherungskonzerns wird im Folgenden gezeigt, wie mit Hilfe der Projektmanagement-Diagnose die aktuelle PM-Leistungsfähigkeit richtig bewertet und neu justiert werden kann, um einen individuell angestrebten PM-Soll-Zustand zu erreichen. Hier liegt der Fokus darauf, dass gemäß der „80/20-Regel“ mit einem schlanken Vorgehen mit 20% des Aufwands zur Ermittlung 80% der Aussagefähigkeit zum PM-IstZustand erreicht wird. Damit grenzt sich das nachfolgende Beispiel deutlich von umfangreichen Prozessanalysen ab, die neben einem vergleichsweise hohen Durchführungsaufwand nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen führen müssen. Insofern eignet sich die PM-Diagnose, um im ersten Schritt einen Überblick über Optimierungspotenziale zu erhalten, die in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Umsetzung konkretisiert werden müssen.

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 47

2.1. Methodisches Vorgehen Die PM-Diagnose untergliedert sich in vier aufeinander aufbauende Phasen (vgl. Abbildung 1):

Abbildung 1: Das Phasenmodell der PM-Diagnose

Phase I – Erhebungsphase In Phase I des PM-Diagnose-Vorgehensmodells wird als erstes das PMDiagnose-Team besetzt. Idealerweise setzt sich das Team aus Teilnehmern möglichst aller PM-Entscheidungsgremien, das heißt von Vertretern des Managements über Projektleiter bis zu erfahrenen Projektmitarbeitern, zusammen. Im Anschluss wird mit Hilfe eines Fragebogen-Assessments die PM-Leistungsfähigkeit im Kundenunternehmen bestimmt. Herzstück der PM-Diagnose bildet zum Beispiel die Metrik des Project Management Maturity Modells (PMMM). Bei diesem Vorgehen werden alle das Projektmanagement betreffenden Unternehmensprozesse, gemäß dem PMIStandard, in neun Wissensbereiche eingeteilt. Das Unternehmen wird bewertet, wie „reif“ bzw. fortgeschritten und professionell es bei der Umsetzung dieser Prozesse ist. [PMI 200] Natürlich lassen sich auch andere Prozessmodelle zugrunde legen. Auf eine ausführliche Diskussion und Abgrenzung solcher Modelle wird hier jedoch verzichtet. Insofern ist die

48 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

Organisation Strukturierung Multiprojektkoordniation

Projektintegrationsmanagement Scope Management

Projektinitiierung Projektplanung Projektrealisierung

Zeitmanagement

Projektübergabe

Kostenmanagement Qualitätsmanagement Kommunikationsmanagement Ressourcenmanagement Risikomanagement Beschaffungsmanagement

Abbildung 2: Die neun Wissensbereiche des erweiterten PMMM

gewählte Prozessstruktur gemäß PMBOK und Project Management Maturity Modells als exemplarisch zu verstehen. Mit der Auswertung dieser Wissensbereiche wird den Unternehmen ein solides Gerüst für die Weiterentwicklung des Projektmanagements zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmer des Erhebungsworkshops erhalten zur Beurteilung der PM-Leistungsfähigkeit einen Fragebogen, der sich an diesen Wissensbereichen orientiert. Im Folgenden werden die am PMBOK-orientierten Wissensbereiche kurz zusammengefasst.5 Projektintegrationsmanagement Bei der Einschätzung des Projektintegrationsmanagements wird die Fähigkeit eines Unternehmens bewertet, vorhandene PM-Prozesse wie z.B. Projektinitiierung, -planung und -realisierung zusammenzuführen und gezielt zu Bearbeitung von Projekten einzusetzen. Dazu gehört vor allem die Gestaltung der Projektmanagement-Standards für Projektplanung, Projektcontrolling, Portfoliosteuerung oder das Einrichten eines Projektmanagement-Karrierepfades einschließlich der erforderlichen Leistungsanreize. 5

Dies dient zugleich der Einführung in die Struktur des PMBOK. An verschiedenen anderen Stellen im vorliegenden Band wird auf diese verwiesen, vgl. zum Beispiel den Beitrag „Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung“.

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 49

In der Praxis erfolgt die Steuerung des Projektportfolios selten nach einheitlichen Kriterien. Das hat zur Folge, dass Abhängigkeiten zwischen einzelnen Projekten des Projektportfolios nicht erkannt und nicht überwacht werden. Aufgrund der Komplexität des ersten Wissensbereichs „Projektintegrationsmanagement“ wurde als Erweiterung des genannten Modells eine Aufteilung in sieben weitere Wissensbereiche (vgl. Abbildung 2) vorgenommen: x Organisation x Strukturierung x Multiprojektkoordination x Projektinitiierung x Projektplanung x Projektrealisierung x Projektübergabe Scope Management Mit Scope Management bezeichnet man die Gesamtheit der geforderten Prozesse, die sicherstellen, dass alle für die erfolgreiche Durchführung des Projekts notwendigen Aufgaben bearbeitet werden. Auch die Rahmenbedingungen für die Projektarbeit werden hier überprüft, z.B., ob ein Projektleitfaden oder Vorlagen und Muster für die tägliche Arbeit in Projekten existieren und konsequent angewendet werden. Fehlende Dokumentationsrichtlinien, wie bspw. die Regelung einer Abnahme von Dokumenten, eine Einteilung der Dokumente für verschiedene Projektarten oder Leitfäden für die Erstellung von Dokumenten, sind häufig anzutreffende Schwächen im Scope Management. Zeitmanagement Der Projektplan als Voraussetzung für ein professionelles Zeitmanagement im Projekt sollte nicht mehr nur als Werkzeug ausschließlich für den Projektleiter gesehen werden. Ziel muss es vielmehr sein, den Projektplan als Kommunikationsmedium im Gesamtunternehmen zu etablieren. Die verschiedenen beteiligten Zielgruppen müssen zugleich mit in das Terminbeziehungsweise Zeitmanagement eingebunden werden. In der Praxis tritt häufig der Fall ein, dass die Stakeholder nicht mit in das Zeitmanagement eingebunden werden. Im Nachgang kommt es zu Änderungen und Verzögerungen im Projektplan.

50 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

Qualitätsmanagement Um den steigenden Qualitätsmanagement-Anforderungen in Projekten gerecht zu werden, müssen PM-Prozesse standardisiert werden. Aufgabe der Qualitätssicherung ist es dann, die Einhaltung und Umsetzung solcher PMRichtlinien sicherzustellen, damit Fehlentwicklungen in Projekten ex ante vermieden bzw. reduziert werden. Kostenmanagement Um das Kostenmanagement eines Unternehmens beurteilen zu können, wird eine Analyse des Projektcontrollings durchgeführt. Projekte scheitern häufig deshalb, weil nicht die richtigen Kennzahlen vorliegen, die frühzeitig Hinweise auf den - ungewünschten - Verlauf des Projekts geben könnten. Häufig müssen Projektbudgets gegenüber den Auftraggebern zu wenig gerechtfertigt werden. Bereiche, in denen mit übermäßigen Budgets geplant wurde, sind dann im Vorteil. Mit einer von vornherein realistischen Budgetierung von Projekten können Kosten reduziert und eine nutzenoptimale Einlastung von Vorhaben in das Projektportfolio des Unternehmens vorgenommen werden. Kommunikationsmanagement Der Kommunikationsanteil in der Projektarbeit beträgt oft bis zu 50%. Man kann davon ausgehen, dass der Kommunikations- beziehungsweise Vermittlungsbedarf von großen, komplexen Vorhaben aufgrund immer stärkerer Verflechtungen zwischen einzelnen Projekten weiter zunehmen wird. Diese Entwicklung gilt es durch die Erarbeitung von Kommunikationsmanagement-Strategien sowie durch die Unterstützung von Change Management-Prozessen in diesem PM-Bereich zu berücksichtigen. Ressourcenmanagement6 Abhängig von den Gegebenheiten im Unternehmen müssen die für ein Projekt benötigten Ressourcen (z.B. Mitarbeiter und Arbeitsmittel) entweder dezentral oder zentral eingeplant werden. Für die zentrale Lösung stellen der Aufbau und die Pflege von Skill-Datenbanken ein bewährtes Hilfsmittel dar; Ressourcen werden von einer zentral angesiedelten Stelle (z.B. dem Project Management Office) den Projekten zugeordnet. Durch die Planungs- und Auslastungsinformationen der Datenbank ist eine opti6

Vgl. in diesem Band „Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung“.

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 51

male Zuordnung von Projektaufgaben zu den Mitarbeitern möglich. Die dezentrale Ressourcenvergabe erfolgt abteilungs- oder bereichsweise; zugeordnet wird aber nach gleichen Maßstäben. Die Planung, Überwachung und Steuerung von Kapazitäten und die Auslastung aller Ressourcen wird oft nicht projektübergreifend, einheitlich und systematisch genug verfolgt. Auch erkennen die Projektleiter häufig die zeitweise zu hohe Projektlast ihrer Mitarbeiter zu spät und überfordern sie folglich. Risikomanagement Risikomanagement hilft im Projektmanagement Unsicherheiten und Risiken in der Projektentwicklung zu erkennen, zu bewerten, zu analysieren und Risiken dann zu vermeiden, zu reduzieren oder zu eliminieren. In komplexen Projekten werden aus diesem Grund Risikoanalysen und die Verbindlichkeit ihrer Erstellung immer wichtiger. Deshalb muss der Bereich Risikomanagement ebenfalls einer systematischen Bewertung unterzogen werden. Beschaffungsmanagement Den letzten Bereich des PMMM, anhand dessen bei Durchführung der PM-Diagnose die PM-Ist-Leistungsfähigkeit eines Unternehmens bestimmt wird, bildet das Beschaffungsmanagement. Hierzu zählen im Wesentlichen die Prozesse zur Beschaffung von Sachmitteln und externer Ressourcen. Oft erfolgt zwischen einzelnen Projekten eines Unternehmens nur ein unzureichender Austausch über Erfahrungen und Verträge mit bestimmten Dienstleistern, dadurch entstehen vermeidbare Risiken und Kostennachteile durch verschiedene Bezugskonditionen für unterschiedliche Projekte. Phase II – Ergebnisanalyse und Lösungskonzeption Nach der Erhebung, wie weit das Unternehmen bei der Umsetzung der o.a. Prozesse ist, wird in der nächsten Phase der ermittelte PM-Ist-Zustand analysiert sowie die Nutzen- und Verbesserungspotenziale bewertet. Hieraus leitet sich dann die Abstimmung des PM-Soll-Zustandes ab. Bereits während der Auswertung in Phase I werden Stärken und Schwächen in den einzelnen Teilbereichen des Project Management Maturity Modells (PMMM) im Unternehmen sichtbar. Zugleich erfolgt die Einordnung in die resultierenden PM-Entwicklungsstufen (Maturity-Level).

52 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

Was kann das konkrete Ergebnis einer PM-Diagnose sein? In dem eingangs erwähnten Beispiel eines Versicherungskonzerns wurden herausragende Stärken in den Bereichen Projektintegrations-, Zeit- und Kommunikationsmanagement festgestellt: x Das Unternehmen verfügt über sehr gut festgelegte Eskalationsprozesse sowie eine permanente Kontrolle der Meilensteinerreichung durch monatliche Projektstatusberichte. x Die zuständige Abteilung „Zentrales Projektmanagement“ wird als PMKnow-how-Träger und Anlaufstelle für alle PM-relevanten Themen akzeptiert und leistet umfangreiche Unterstützung. Auch wird das unternehmenseigene Projektmanagement-Handbuch als Arbeitsmittel vom Großteil der PM-Stakeholder erfolgreich genutzt. x Verbesserungspotenziale jedoch wurden in den Bereichen Risiko-, Qualitäts- und Ressourcenmanagement sichtbar. 1. Bisher war beispielsweise kein Risikomanagement-Konzept auf Einzelprojektebene vorhanden. Eine fundierte Ermittlung besonders risikoreicher Projekte war nicht eindeutig möglich. Dies hatte zur Folge, dass keine strukturierten Maßnahmen zur Risikominimierung in Projekten getroffen werden konnten. 2. Im Qualitätsmanagement wurde festgestellt, dass keine zentrale Stelle zur Qualitätssicherung vor Projektabgabe definiert ist, die Sicherung der Qualität von Projektmethoden und -ergebnissen also den Projektgremien überlassen wird. Dies hatte zur Folge, dass Instrumente zur kontinuierlichen Verbesserung, wie z.B. Erfahrungsberichte, überhaupt nicht oder nur in geschönter Form weitergegeben wurden und somit daraus keine Lernprozesse folgen konnten. Ergebnisse der PM-Diagnose lassen sich wie folgt visualisieren:

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 53

Steigerung durch gezielten Arbeitseinsatz [%]

Ist-Stand in %

Beschaffungsmanagement 100%

Zeitmanagement

Kommunikationsmanagement

82%

80%70%

77%

Strukturierung

Kostenmanagement 60%

72%

67% 40%

Scope Management

Multiprojektkoordination

66%

60%

20% 0%

52%

Risikomanagement

66%

Organisation

62% 80%

Ressourcenmanagement

Projektinitiierung

65%

Qualitätsmanagement

72% 73%

Projektübergabe

77%

Projektplanung

Projektrealisierung

Abbildung 3: PM-Ist-Zustand, Verbesserungspotenzial und PM-Soll-Zustand eines Versicherungskonzerns

Da die Bewertung der PM-Ist-Leistungsfähigkeit während der Erhebungsphase über einen individuellen Fragebogen (je Projekt bzw. je Beteiligter) erfolgt, werden Mittelwerte über die Ergebnisse gebildet. Davon ausgehend wird die Stufeneinteilung der PM-Leistungsfähigkeit in Prozentwerten vorgenommen. Die Darstellung der Stärken und Schwächen wird verfeinert, so dass eine Auswahl an Optimierungsmaßnahmen zur Erreichung von angestrebten PM-Soll-Leistungsfähigkeitswerten vereinfacht wird. Der Durchschnitt aller Unternehmen bewegt sich in einem Leistungsbereich zwischen 30% und 60% und wird damit auf Stufe zwei bis drei eingeordnet. Eine über alle 15 Wissensbereiche gemittelte PM-Leistungsfähigkeit von mehr als 80% wird erfahrungsgemäß nur in den seltensten Fällen erreicht. Der Aufwand, diese Leistungsstufe zu erreichen, ist bei Annahme eines abnehmenden Grenznutzens überproportional hoch gegenüber dem zu erwartenden Ergebnis.

54 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

Phase III – Konsolidierung Nachdem nun Optimierungsansätze erarbeitet wurden, werden diese durch das PM-Diagnose-Team bewertet und feinjustiert. Ziel ist es, die Maßnahmen zur Erreichung des vorher vereinbarten PM-Soll-Zustands für jeden der betrachteten 15 PM-Wissensbereiche abzustimmen. Noch mal das Beispiel: Beim betrachteten Unternehmen wurde ausgehend von den ermittelten Defiziten entschieden, ein Risikomanagement auf Einzelprojektebene einzuführen und das Qualitätsmanagement stärker zu forcieren. Die Prüfung der Projektantrags- und Berichtsdokumente sollten um eine Prüfung weiterer Projektdokumente (z.B. Fach- oder DV-Konzepte) ergänzt werden. Zur Nutzung von Synergieeffekten soll eine Wissensdatenbank eingerichtet werden, in der unter anderem anonymisierte Erfahrungsberichte jedem Projektleiter zur Verfügung stehen. Durch die beschriebenen Verbesserungen wird im betrachteten Fall eine Steigerung der PM-Ist-Leistungsfähigkeit im Bereich Risikomanagement von 34% auf eine PM-Soll-Leistungsfähigkeit von 52% und im Qualitätsmanagement von 38% auf 65% angenommen. Für den Fall, dass alle Verbesserungsvorschläge vom betrachteten Unternehmen umgesetzt werden, wird eine Steigerung der gesamten PM-Ist-Leistungsfähigkeit von 57% auf eine PM-Soll-Leistungsfähigkeit von 70% angenommen. Diese prozentuale Steigerung drückt Folgendes aus: Prozesse und organisatorische Standards sind eingeführt, sie werden jedoch in Teilbereichen noch nicht in ausreichendem Maße umgesetzt. Eine Leistungssteigerung um 13% bedeutet, dass die genannten Risiko-, Qualitäts- sowie Ressourcenmanagement-Prozesse konsequenter gelebt werden. Diese Werte sind stark abhängig von dem eingesetzten Maß an Arbeitszeit und Aufwand im betrachteten Unternehmen. Die Leistungssteigerung lässt sich wie folgt darstellen (vgl. Abbildung 4):

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 55

Individuelles PM-Leistungspotenzial PM-Leistungsfähigkeit [% und PMMM-Level] 100%

Maturity 5

90%

70%

80%

Maturity 4

70%

57%

60%

Maturity 3 Maturity 2

50% 40%

PM-Soll-Leistungsfähigkeit

30%

PM-Ist-Leistungsfähigkeit

20%

Maturity 1

Szenarienentwicklung der PMLeistungsfähigkeit

10% 0% 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

140

150

PM-Arbeitseinsatz [Personentage]

Abbildung 2: Darstellung des individuellen Leistungspotenzials eines Versicherungskonzerns

Phase IV - Managementpräsentation In Phase IV werden dem Management schließlich die Ergebnisse sowie eine „PM-Roadmap“ zur Abstimmung vorgelegt, die im Nachgang zur Ergebniskonsolidierung ausgearbeitet wurden. Die „PM-Roadmap“ präsentiert die Schritte zur Umsetzung der Optimierungsstrategie in der Entwicklung des unternehmenseigenen Projektmanagements über die Zeit. Darin werden die Ziele der Optimierungsmaßnahmen messbar definiert und ein Umsetzungsplan festgelegt. Ein resultierender Projektplan gibt an, für wann welche Optimierungs- und Entwicklungsmaßnahmen geplant sind. 2.2. Fazit I Die PM-Diagnose ermöglicht sowohl den externen Vergleich mit anderen Unternehmen (Benchmarking) als auch den internen Vergleich zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen. Zusätzlich ermöglicht sie eine schnelle Maßnahmendefinition. Für den Erfolg dieser Maßnahmen ist erforderlich, dass sich das Top-Management mit den Inhalten der Leistungs-

56 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

einschätzung PM-Diagnose auseinandersetzt und über die Konsequenzen im Rahmen der „PM-Roadmap“ (PM-Organisation, die PM-Prozesse und -Systeme) entscheidet. Ein zentraler Baustein des Strategischen Projektmanagements.

3. Die Balanced Scorecard im Projektmanagement Eine passende Ergänzung im Anschluss an die PM-Diagnose ist das Konzept der Balanced Scorecard mit der Möglichkeit, durch ein ausgewogenes Kennzahlensystem Verbesserungen im Projektmanagement systematisch zu verfolgen und damit dessen mittel- bis langfristig angelegte Optimierung als einen Teil der Unternehmensstrategie zu verankern. 3.1. Ursprünge der Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard (BSC) wurde in den 90er Jahren als Performance Measurement-System von Kaplan/ Norton [Kaplan, R.S.; Norton, D.P. 1997, S.9-10] in Form eines mehrdimensionalen Kennzahlensystems entwickelt. In der Folgezeit hat sich die BSC als Managementsystem zum Zwecke der Strategieentwicklung und Strategieumsetzung auf Unternehmensebene durchgesetzt. Dieses Instrument stellt eine ganzheitliche Sichtweise für die Leistungsmessung zur Verfügung, die neben finanziellen Kennzahlen auch kunden-, prozess- und infrastrukturorientierte Messgrößen einsetzt. 3.2. Elemente der Balanced Scorecard Zu den wesentlichen Elementen einer Balanced Scorecard zählen eine Vision, strategische Zielsetzungen, Messgrößen (Kennzahlen) und Zielwerte sowie strategische Maßnahmen (vgl. Abbildung 5). Strategische Ziele leiten sich aus der Vision und den Strategien eines Unternehmens ab und gelten dementsprechend als die erfolgskritischen Ziele des Unternehmens. Um die Erreichung der strategischen Ziele planen und verfolgen zu können, werden diesen Zielen entsprechende finanzielle und nicht finanzielle Messgrößen sowie die Soll- und Ist-Werte dieser Messgrößen gegenübergestellt. Strategische Maßnahmen, bspw. in Form von Projekten, sollen die Zielerreichung bzw. die Strategieumsetzung sicherstellen und eine Verknüpfung mit der operativen Ebene ermöglichen. Zu beachten ist, dass je-

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 57

Vision

Die Vision liegt vor

Strategie Zielpositionierung Strategische Stoßrichtung

Die Strategie ist aktualisiert und abgestimmt

Balanced Scorecard Strategische Ziele und Ursache-/Wirkungsketten Ziele sind ausgewogen, konkret und messbar definiert

Finanzen Messgrößen sind ausgewählt

Prozesse

Kunden Potenziale

Zielwerte sind für die Folgejahre festgelegt

Messgrößen und Zielwerte Strategische Maßnahme

Strategische Maßnahmen sind ausgewählt, budgetiert und zugeordnet

Herunterbrechen auf 2. Führungsebene

Verbindungen zu den strategischen Zielen der nachgelagerten Einheiten

Abbildung 5: Übersetzung der Strategie eines Unternehmens in operative Maßnahmen [Vgl. Horváth Partner 2001, S.10]

der strategischen Maßnahmen Termin- und Budgetvorgaben sowie ein Verantwortlicher zugewiesen werden. 3.3. Perspektiven der Balanced Scorecard Ein weiteres Merkmal des Balanced Scorecard-Ansatzes ist es, dass Ziele, Messgrößen und strategische Maßnahmen jeweils einer konkreten Betrachtungsweise, einer sog. Perspektive, zugeordnet werden. Durch die Zuordnung zu den Perspektiven soll ein eindimensionaler Ansatz bei der Ableitung und Verfolgung der Ziele verhindert werden. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Messgrößen bzw. Zielen werden durch UrsacheWirkungs-Ketten, die sich durch alle BSC-Perspektiven ziehen sollten, verdeutlicht. Die Bezeichnung „Balanced“ steht für einen ausgewogenen Mix aus finanziellen und nicht finanziellen Kennwerten, für die Berücksichtigung von mehreren Perspektiven und für die Aufnahme von Frühund Spätindikatoren.

58 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

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Abbildung 6: Die BSC als Rahmen zur Umsetzung einer Strategie in operative Größen [Vgl. Kaplan, R.S.; Norton, D.P. 1997, S.9-10]

Aus Abbildung 6 geht hervor, dass das ursprüngliche Konzept von Kaplan/Norton vier Perspektiven, die finanzielle Perspektive, die Kundenperspektive, die interne Prozessperspektive sowie die Lern- und Entwicklungsperspektive unterscheidet. 3.4. Balanced Scorecard auf Portfolio und Einzelprojekt-Ebene Entsprechend dem skizzierten Wesen der BSC stellt sich die Frage, auf welche Weise die Balanced Scorecard als Instrument des Projektmanagements eingesetzt werden kann. Abbildung 7 zeigt hierzu die Verknüpfung von aggregierten Kennzahlen auf der Ebene des Projektportfolios.

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 59

Finanzperspektive ProjektauftraggeberPerspektive Prozentsatz abgebrochener Projekte

PM-Prozessperspektive

Rentabilität des Portfolios Zufriedenheit der Projektauftraggeber

durchschnittliche Anzahl an Projektzieländerungen/ Change Requests

„PM-Maturity“

PM Diagnose

Lern- und Entwicklungsperspektive

PM-Know How der Organisation

Verwendungsgrad der PMStandardsoftware

Abbildung 7: Ursache-Wirkungsketten der BSC auf Projektportfolio-Ebene

Leistungstreiber für die Strategieumsetzung und Frühindikator für die Verwirklichung der Ziele der PM-Prozess-, Projektauftraggeber- und Finanzperspektive ist die Verbesserung des PM-Know-How bzw. Skills der in Projekten beteiligten Mitarbeiter sowie eine Optimierung des Einsatzes von PM-Software. Die Verwirklichung dieser Zielsetzungen vorausgesetzt, kann eine Verbesserung der implementierten PM-Prozesse hinsichtlich Kosten, Qualität und zeitlichem Aufwand erreicht werden. Eine Steigerung des PM-Know-How der Mitarbeiter soll bewirken, dass die PM-Prozesse im Unternehmen durchgängiger und qualitativ besser angewendet werden. Der Einsatz standardisierter PM-Software kann dazu beitragen, den Planungs-, Koordinations- und Kommunikationsaufwand zu senken, woraus schließlich auch eine Kostenreduktion resultiert. Die PM-Diagnose ist daher ein ideales Instrument für das Management, um die Qualität der PM-Prozesse des Unternehmens zu beurteilen. Die Ergebnisse einer PM-Diagnose können dann direkt in die Systematik der Balanced Scorecard im Projektmanagement integriert werden. Ziel der Soll-Vorgaben der PM-Diagnose ist es, die jeweiligen PMProzesse im Unternehmen durch gezielte Maßnahmen zu verbessern. Insbesondere die Steigerung der Zuverlässigkeit der Projektplanung hinsichtlich Termine, Kosten, Mitarbeiterauslastung und Leistungsumfangsverein-

60 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

barungen/Projektziele wird wiederum eine Erhöhung der Zufriedenheit der Projektauftraggeber fördern. Die Praxis zeigt, dass die wiederholte Verfehlung von vereinbarten Terminen infolge fehlerhafter Projektplanung oder fehlender Abstimmung der Leistungspakete und Projektziele mit dem Projektauftraggeber zur Unzufriedenheit des Auftraggebers und möglicherweise sogar zum Abbruch eines Projekts führen kann. Letztendlich wird sich die Rentabilität des Projektportfolios steigern lassen, je weniger Projekte auf Grund von Misserfolg (zu spät) abgebrochen werden und je weniger Projektzieländerungen/Change Requests durch den Projektauftraggeber zu Änderungen im Projektplan führen. Insbesondere durch einen qualitativ hochwertigen Projektinitiierungsprozess mit einer intensiven Abstimmung der Projektziele zwischen Auftraggeber (Management) und Projektleiter können häufige Veränderungen der Projektziele und somit der Projektrahmenbedingungen verhindert werden.7 Abbildung 8 zeigt analog zu Abbildung 7 die Zusammenhänge der auf Einzelprojektebene gemessenen Kennzahlen. Eine individuelle Spezifizierung/Justierung der Kennzahlen und Perspektiven der BSC im Managementteam ist in jedem Unternehmen notwendig. Finanzperspektive ProjektauftraggeberPerspektive

Rentabilität pro Einzelprojekt Zufriedenheit der Auftraggeber der Einzelprojekte Anzahl der Projektzieländerungen/ Change Requests je Projekt

PM-Prozessperspektive

Genauigkeit der Projektplanung je Projekt (Kosten, Termine, Mitarbeitereinsatz)

Lern- und Entwicklungsperspektive

PM-Know How der Projektbeteiligten je Projekt

Prozentsatz der im PM-System geschulten Mitarbeiter je Projekt

Abbildung 8: Ursache-Wirkungsketten der BSC im PM – Einzelprojektebene

7

Vgl. den Beitrag „Die Jahres- und Vorhabenplanung“ im vorliegenden Band.

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 61

Ferner ist zu beachten, dass die aufgeführten Kennzahlen teilweise weiter herunter gebrochen werden können. Die Darstellungen sind somit beispielhaft und konzentrieren sich auf einige wenige Kennzahlen. Besonders deutlich wird dies anhand des Beispiels der „PM Maturity“ im Sinne eines Gesamtergebnisses einer PM-Diagnose. Gemäß Abbildung 7 können in der BSC auf Projektportfolio-Ebene an dieser Stelle auch die Ergebnisse bzw. Soll-Vorgaben für die 15 Wissensbereiche der PM-Diagnose ausgewiesen werden. 3.5. Exkurs: Balanced Scorecard als Managementsystem Die Nutzung der Balanced Scorecard als Managementsystem verfolgt den Zweck, eine Verbindung zwischen der Strategie und deren Umsetzung im Unternehmen zu schaffen. Ein ausgewogenes Kennzahlensystem allein wäre hierfür nicht ausreichend. Die Divergenz zwischen den Strategien des Managements und den Aktivitäten auf der operativen Ebene ist ein häufig zu beobachtendes Problem von Unternehmen. Um diese Defizite der Strategieumsetzung zu überwinden, bietet die BSC in ihrer Grundkonzeption vier Gruppen von Maßnahmen an, die als zyklische Abfolge verstanden werden sollen und in Abbildung 9 dargestellt sind. 1

Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie • Formulierung der Vision • Konsensfindung

4 Kommunikation und Verbindung • Kommunizierung und Ausbildung

Strategisches Feedback und Lernen

Balanced Scorecard

• Artikulation der gemeinsamen Vision

• Zielsetzung

• Strategisches Feedback

• Verknüpfung von Leistungs-

• Stragegiereviews und strate-

kennzahlen mit Anreizen

2

gisches Lernen ermöglichen Planung und Vorgaben • Vorgaben bestimmen • Abstimmung strategischer Maßnahmen • Ressourcenverteilung

3

• Meilensteine festlegen

Abbildung 9: Die Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen [Vgl. Kaplan, R.S.; Norton, D.P. 1997, S.9-10]

62 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

In einem ersten Schritt ist es notwendig, in einer gemeinsamen Konsensfindung im Managementteam festzulegen, welche strategischen Ziele das Projektmanagement verfolgt und welche langfristigen Zielsetzungen in diesem Zusammenhang vom Unternehmen in Zukunft angestrebt werden (Prozess: „Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie“). Arbeitsgrundlage hierfür ist die erläuterte BSC auf Projektportfolio-Ebene. Ein Beispiel eines strategischen Ziels ist die langfristige Steigerung der durchschnittlichen Projektrentabilität um x %. Dieser Vorgang der Strategieentwicklung und Zieldefinition soll wahrgenommen werden durch ein jährlich tagendes Gremium mit den wesentlichen Stakeholdern. Hierzu zählen Mitglieder der Unternehmensleitung, eines Projektportfolio Boards und eines Project Management Office. Im nächsten Schritt schließt sich die Kommunikation der erarbeiteten, langfristigen Zielsetzungen an. Die hiermit übermittelten Darstellungen sollen wiederum einen Orientierungsrahmen für Projektlenkungsausschüsse, Projektleiter und Projektmitarbeiter bieten. Der einzelne Projektmitarbeiter erkennt somit, wie er mit seiner Tätigkeit einen Beitrag zur Umsetzung der strategischen Ziele des Projektmanagements leisten kann. Ferner können die Ziele auf Einzel- oder Projektprogrammebene für ein leistungsbasiertes Vergütungssystem von Projektleitern herangezogen werden. Der dritte Prozess, „Planung und Vorgaben“, ist der Ansatzpunkt für vielfältige Verknüpfungen mit den Prozessen des Projektmanagements. Zunächst erfolgt das Setzen der Vorgaben für die einzelnen Kennzahlen (Faktoren) entlang der Ursache-Wirkungsketten für den folgenden Planungszeitraum. Dabei kann ebenfalls auf die Soll-Vorgaben für die Steigerung der PM-Prozesse aus der PM-Diagnose zurückgegriffen werden. Basierend auf diesen Zielvorgaben werden strategische Maßnahmen in Form von Projekten initiiert und in das Projektportfolio eingebracht. Zu diesen Maßnahmen können u.a. die folgenden Aufgaben zählen, welche im Rahmen des Aufbaus einer Infrastruktur für Projektmanagement von einem Project Management Office wahrgenommen bzw. gesteuert werden können: x Spezifizierung von Methoden und Standards für das Projektmanagement zur Verbesserung der „PM Maturity“ x Qualifizierung von Projektmitarbeitern und Projektleitern x Auswahl und flächendeckende Einführung eines PM-Softwaresystems x Implementierung einer Lösung für projektübergreifendes Wissensmanagement in der ganzen Organisation

Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement 63

Diese Aufzählung zeigt, dass in die Planung der strategischen Maßnahmen im Rahmen der BSC die in der PM-Roadmap der PM-Diagnose aufgeführten Maßnahmen eingehen. Diese einzelnen, resultierenden Maßnahmen sind als Projekte aufzusetzen und fließen in die jährliche Vorhabenjahresplanung ein. Im Zuge des Prozesses „Strategisches Feedback und Lernen“ wird eine strategische Durchführungskontrolle und eine strategische Prämissenkontrolle am Ende jeder Berichtsperiode durchgeführt. Die Zuständigkeit liegt wiederum beim Project Management Office und dem Projektportfolio Board eines Unternehmens. Durch die strategische Durchführungskontrolle wird überprüft, ob die am Anfang des Planungszeitraums gemachten Vorgaben der Balanced Scorecard auf Projektportfolio-Ebene erreicht bzw. welche Fehler bei der Zielerreichung gemacht wurden. Die strategische Prämissenkontrolle soll aufzeigen, ob die in der Balanced Scorecard auf Projektportfolio-Ebene unterstellten Ursache-Wirkungszusammenhänge sich im Berichtszeitraum verifiziert haben. Somit wird überprüft, ob die Durchführung der vorgenommenen Maßnahmen auch zu den unterstellten Zielen geführt hat. Bei Abweichungen von den vormals angenommen Prämissen muss eine Aktualisierung der strategischen Ziele des Projektportfoliomanagements erfolgen, z.B. mittels Formulierung neuer oder geänderter strategischer Zielsetzungen oder Integration neuer Kennzahlen in den Perspektiven der BSC im PM. Die Ergebnisse der strategischen Prämissenkontrolle fließen wiederum in den Prozess „Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie“ am Anfang der nächsten Planungsperiode ein. 3.6. Fazit II Das vorgestellte Modell der Balanced Scorecard ist ein Instrument zur strategisch ausgerichteten Steuerung und Koordination der (Weiter-) Entwicklung des Projektmanagements in einer Organisation. Die Methodik der PM-Diagnose inklusive der verwendeten Metriken und der Formulierung der PM-Roadmap lässt sich dabei ideal in das Instrumentarium integrieren. Dabei beinhaltet die PM-Roadmap die Optimierungsmaßnahmen, die BSC hingegen liefert die bisher erreichten Werte in der Erreichung der Optimierungsmaßnahmen im Projektmanagement eines Unternehmens. Langfristiges, übergeordnetes Ziel ist es, Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen in der Durchführung von Projekten zu erreichen. In diesem Sinne stellen die Balanced Scorecard im Projektmanagement und die hier-

64 Simon A. Schmidt, Sven Hausen

mit verknüpften Prozesse, optimiert mit Hilfe der PM-Diagnose, eine zentrale Aufgabe des Strategischen Projektmanagements dar.

Teil II: Die strategische Vorbereitung von Projekten und Projektportfolio

Die Jahres- und Vorhabenplanung Alexander Knöss und Markus Kreßmann

1.

Herausforderungen der Jahresplanung ...................................... 68

2. 2.1. 2.2. 2.3.

Strategische Dimensionen der Jahresplanung ............................ 69 Definition strategischer Ziele .......................................................... 70 Ableitung von Maßnahmen ............................................................. 71 Konkretisierung einzelner Vorhaben in der Jahresplanung............. 72

3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4.

Gestaltung der Jahresplanung ..................................................... 73 Planungsrichtung ............................................................................. 73 Partizipationsgrad an der Planung ................................................... 75 Festlegung der Bewertungskriterien................................................ 76 Wahl der Bewertungsverfahren ....................................................... 77

4. 4.1. 4.2.

Ein exemplarischer Ansatz für die Vorhaben- und Jahresplanung................................................................................ 79 Festlegung der Planungsrichtung..................................................... 79 Auswertung und Beurteilung der Vorhabenvorschläge................... 81

5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6.

IT-technische Unterstützung der Jahresplanung ....................... 86 Organisatorische Voraussetzung ..................................................... 87 Definition der Parameter ................................................................. 87 Erfassung von Vorhaben ................................................................. 88 Auswertung von Vorhaben.............................................................. 88 Integration mit dem operativen Projektmanagement....................... 89 Abbildung von Workflows .............................................................. 90

6.

Fazit ................................................................................................ 92

68 Alexander Knöss, Markus Kreßmann

1. Herausforderungen der Jahresplanung Trotz des Kampfes um begrenzte Ressourcen – Sach-, Finanz- und Personalressourcen – ist nur in wenigen Unternehmen ein im Detail strukturierter Prozess einer jährlichen Vorhabenplanung zu finden, der im Sinne des Unternehmenserfolgs einen optimalen Ausgleich zwischen Mittelbedarf und Mittelangebot für Vorhaben herbeiführt.8 Infolgedessen dürfen für eine effiziente und effektive Ressourcenallokation nicht nur einzelne Vorhaben (verstanden als Planungsobjekte für zukünftige, potentielle Projekte) isoliert betrachtet werden. Vielmehr gilt es, ein Gesamtbild entstehen zu lassen, das Vorhaben bewertet und auswählt. Typischerweise ist es vor allem das Top-Management, das diese Sicht für die strategische Ausrichtung des Unternehmens benötigt. Erfolgt keine professionelle Jahresplanung in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, so ergeben sich u.a. nachfolgende Probleme bzw. Gefahren für das Unternehmen: x In den einzelnen Organisationseinheiten eines Unternehmens (Fachbereichen, Abteilungen etc.) wird keine einheitliche und synchrone Planungssystematik verwendet. Als Folge dieses Fehlens von Standards ergeben sich bspw. unterschiedliche Terminfahrpläne für die Jahresplanung sowie Planungsdokumente in unterschiedlicher Intensität. x Durch die verschiedenen Interessen der beteiligten Gruppen – Unternehmensführung, mittleres Management, Linienverantwortliche etc. – ergeben sich Konflikte, die einen unternehmerischen Erfolg für das Gesamtunternehmen verhindern. x Bei der Planung der Vorhaben entsteht keine einheitliche und konsistente Datenbasis als Entscheidungsgrundlage, wodurch eine Konsolidierung erschwert oder auch völlig unmöglich wird. Des Weiteren können gleiche Vorhaben mehrfach geplant sein, ohne dass dies im Rahmen der Jahresplanung augenscheinlich wäre. Eine Verschwendung von wertvollen Ressourcen des Unternehmens wäre die Folge. x Erfolgt die Planung nur für das nächste Geschäftsjahr und orientiert sie sich nicht an den tatsächlichen Laufzeiten, können die strategischen Ziele des Unternehmens aus dem Auge verloren werden. Hierbei gilt es, sowohl laufende als auch neue Vorhaben in den Planungsprozess zu integrieren. 8

Das Vorhaben entspricht im Folgendem als Planungsobjekt dem späteren Projekt und umfasst den folgenden zeitlichen Rahmen: Zielfestlegung (Ausgangspunkt), Projektplanung, Projektrealisierung und Projektabschluss (Zielerreichung).

Die Jahres- und Vorhabenplanung 69

x Werden unterschiedliche Tools für die Planung der Vorhaben eingesetzt, so wird ebenfalls eine Konsolidierung erschwert oder sogar verhindert. Dadurch kann eine einheitliche Bewertung nur in einem begrenzten Maße stattfinden. Um die aufgeführten Risiken und Gefahren für das Unternehmen zu minimieren, muss die Jahresplanung in einen strukturierten Prozess „gegossen“ werden. Dieser Prozess muss eine Verzahnung zur Unternehmensstrategie besitzen, damit die strategischen Ziele und die operativen Vorhaben eines Unternehmens in eine Richtung zeigen. Demgemäß widmet sich das nachfolgende Kapitel zunächst der strategischen Komponente und der darin enthaltenen Zielfindung. Über den Prozess der sich daraus ableitenden Maßnahmenplanung wird anschließend dezidiert auf die operative Jahresplanung eingegangen. Hierbei werden insbesondere Methoden zum Vergleich und zur Auswahl von Vorhaben im Rahmen dieser Jahresplanung betrachtet. Ein Ausblick zu den Möglichkeiten einer gezielten IT-Unterstützung des geschilderten Themenfeldes rundet den vorliegenden Beitrag ab.

2. Strategische Dimensionen der Jahresplanung9 Für die Darstellung eines praxistypischen Planungsprozesses, an dem im weiteren Verlauf die einzelnen Charakteristika aufgezeigt sowie Vor- und Nachteile einzelner Ausprägungen diskutiert werden sollen, dient ein dreistufiges Vorgehen. Dieses umfasst die Festlegung der strategischen Ziele, die Ableitung von Maßnahmen und schließlich die Jahresplanung als die granularste Operationalisierung der Strategien10. In Abbildung 1 ist der Zeitablauf eines solchen Planungsprozesses beispielhaft dargestellt. Hier wird deutlich, dass sich die Gesamtdauer des Planungsprozesses durchaus auf die Hälfte des Geschäftsjahres erstrecken kann11. Die einzelnen Phasen sind dabei nicht strikt getrennt voneinander zu sehen, in der Regel erfolgt ein fließender Übergang und somit eine Überlappung der einzelnen Prozessschritte. 9

10 11

Die Jahresplanung bildet damit praktisch eine Vorstufe zum Projektportfoliomanagement als regelmäßige, systematische, prozess- und IT-gestützte Bewertung einer Menge an (laufenden) Projekten. Die Anzahl der Stufen ist abhängig von der Unternehmensgröße und -art. Das Geschäftsjahr deckt sich in dieser Darstellung mit dem Kalenderjahr. Natürlich kann das Geschäftsjahr eines Unternehmens auch abweichende Daten beinhalten.

70 Alexander Knöss, Markus Kreßmann Definition strategischer Ziele

Planung von Vorhaben

IntervallBeschrei bung

Intervall-Beschreibung

1.1

1.2

1.3

1.4

1.5

1.6

1.7

1.8

IntervallBeschrei bung

1.9

IntervallBeschrei bung

1.10

1.11

1.12

31.12

Ableitung Entscheidung von über Maßnahmen Vorhaben

Abbildung 1: Dreistufiger Planungsprozess der Jahresplanung

2.1. Definition strategischer Ziele Wie bereits angedeutet, sollte die Definition der strategischen Ziele auch für die am Ende stehende operative Planung einzelner Vorhaben und Projekte unbedingt den Startpunkt bilden. In der Praxis finden sich demgegenüber zahlreiche Fälle, bei denen durch eine einfache Budgetfortschreibung von Vorjahreswerten die Budgets und damit mittelbar auch die Anzahl und Art der durchzuführenden Vorhaben festgelegt werden. Das Ziel der Strategieplanung muss also sein, einen Rahmen aufzustellen, an dem sich die Planung im weiteren Verlauf orientieren kann. Die in dieser Phase definierten Ziele müssen richtungweisend für die gesamte Unternehmung bzw. die einzelnen strategischen Geschäftsfelder sein. Dies ermöglicht später eine Spiegelung der Maßnahmen bzw. Vorhaben an den definierten Zielen und erleichtert auch eine evtl. notwendige Priorisierung (vgl. „Auswahl und Beurteilung der Vorhabenvorschläge“ weiter unten). Verantwortlich für die strategische Planung ist in erster Linie die Unternehmensführung bzw. der erweiterte Führungskreis. Dieser Personenkreis muss zum einen die ggf. aus dem vorigen Planungszyklus existierenden Ziele auf Gültigkeit hin überprüfen, zum anderen Entscheidungen über neu zu erschließende oder zu expandierende Geschäftsfelder treffen. Dies erfolgt in Form von Klausurtagungen oder Workshops. Charakteristisch für die sich ergebenden strategischen Ziele sind ein sehr hoher Abstraktionsgrad und eine noch nicht erfolgte Konkretisierung der einzelnen Ziele. Dies obliegt dann den nachgelagerten Prozessschritten. Ebenso herrscht zu diesem frühen Stadium naturgemäß große Unsicherheit, die sich mit zum Beispiel verändernden Marktbedingungen und zunehmendem Innovationsgrad der Geschäftstätigkeit noch verstärkt. Gleichwohl sollten auch bei der Zielformulierung auf diesem hohen Abstrakti-

Die Jahres- und Vorhabenplanung 71

onsgrad bereits die Grundsätze der Zielformulierung beachtet werden, so dass ein späterer Vergleich möglich wird [Vgl. Daenzer, W.F.; Huber, F. 1994]. Unter Umständen kann bereits für die einzelnen Ziele ein Budgeteckwert definiert werden, an dem sich die abgeleiteten Maßnahmen orientieren können. Jedoch soll in diesem Zusammenhang auf die Gefahr hingewiesen werden, Budgetierung und Planung miteinander zu vermengen und nicht die Budgetierung als lediglich monetäre Dimension der Planung anzusehen. 2.2. Ableitung von Maßnahmen Nach Abschluss der strategischen Zieldefinition, materialisiert zum Beispiel in einem Katalog mit strategischen Jahres- und Mehrjahreszielen, erfolgt im Rahmen der Maßnahmenplanung eine Konkretisierung derselben. Mit zunehmender Operationalisierung erfolgt diese Konkretisierung durch die Führungskräfte und nicht mehr durch die Unternehmensleitung. Stellt ein strategisches Ziel bspw. das Eindringen in den englischen Markt dar, können nun auf der Ebene der Maßnahmenplanung einzelne zugeordnete Vorhabenbündel definiert werden, die zwar noch keinen Projektcharakter haben, aber dennoch bereits messbare Zielgrößen aufweisen (Aufbau von drei Filialen mit je zehn Mitarbeitern; Etablierung einer Vertriebsstruktur über Partner; Erzielung eines Gesamtumsatzes in England von 2,5 Mio. € etc.). Gemäß der Struktur der betrachteten Organisationseinheit wird an dieser Stelle oft die Bereichsebene eingebunden. Dieser Umstand macht besonders deutlich, dass schon zum Zeitpunkt der Maßnahmenplanung die Aufdeckung von Synergien bzw. die Identifikation von ähnlich gerichteten oder auch konkurrierenden Maßnahmen wichtig ist, wodurch Mehrarbeit im abschließenden Bereich der Jahresplanung vermieden wird. Um diesen Vergleich zu erleichtern, kann eine grobe Abschätzung über Aufwand und Nutzen sowie eine Zuordnung zu dem unterstützten strategischen Ziel hilfreich sein. Als Ergebnis ergeben sich zu jedem strategischen Ziel Maßnahmen mit einer evtl. vorhandenen Aufwandsschätzung sowie einem wenn möglich bewerteten Nutzen. Die hier bewerteten Kenngrößen sind abermals nicht als vorweggenommene Budgetierung zu verstehen, sondern als ein erster Schritt einer Grobplanung. Wie im nächsten Kapitel deutlich wird, soll die Budgetierung der Planung folgen und daher analytisch die erste Phase der Durchführung darstellen. Infolgedessen erfüllt das Budget die ihm mittlerweile zuerkannte Steuerungsfunktion und ist weniger eine reine Dokumentation von Soll-

72 Alexander Knöss, Markus Kreßmann

größen12. Sie repräsentiert die finanzielle Seite – also den Input (Bereitstellung von Ressourcen als erforderliche Realisierungsvoraussetzung) - während die Planung der inhaltlichen Seite – dem Output – gewidmet ist. 2.3. Konkretisierung einzelner Vorhaben in der Jahresplanung Die Jahresplanung beschäftigt sich nun mit der weiteren Konkretisierung der Maßnahmen und endet mit einer Festlegung der im kommenden Planungszeitraum durchzuführenden Vorhaben bzw. Projekte. Zu diesem Zweck ist es notwendig, Vorhaben aufwands- und finanzmäßig strukturiet zu erfassen, um eine evtl. notwendige Priorisierung und Auswahl zu ermöglichen. Diese Objektivierung von Vorhaben anhand des sich ergebenden Nutzens, des erforderlichen Aufwands sowie die anschließende Entscheidung stellt die eigentliche Herausforderung im Rahmen der Jahresplanung dar. Dies wird vor allem durch den Umstand verstärkt, dass für eine fundierte Entscheidungsfindung de facto eine konsolidierte Datenbasis vorhanden sein muss, um alle konkurrierenden und gleichgerichteten Projekte zu identifizieren. Mit einer zunehmenden Unternehmensgröße oder verteilten Standorten wird dieser Prozess ungleich komplexer. Beobachtungen aus der Praxis zeigen, dass der Prozess der Jahresplanung meist sehr aufwendig ist und oft unter einem hohen Zeitdruck stattfindet. Schließlich müssen die Vorhaben ständig mit- und gegeneinander sowie in der Folge auch mit dem verfügbaren Gesamtbudget abgeglichen werden. Hierfür ist in der Regel eine qualitätssichernde Instanz (bspw. ein Project Management Office) notwendig, welche die Daten zusammenträgt, Auswertungen anfertigt und bei der Entscheidungsfindung unterstützt13. Ebenso ist dieser Planungsprozess selbst eine gewisse Investition, da spätestens jetzt nicht mehr nur Top-Management und Führungskräfte in die Planung involviert werden, sondern auch operativ tätige Mitarbeiter, die in dieser Zeit für die Bearbeitung des Tagesgeschäftes nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Eine optimale Organisation dieses Prozesses ist somit von höchster Wichtigkeit.

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Dies stammt noch aus einer stark rechnungswesenorientierten Sichtweise auf die Budgets und weniger einer Zielplanungsorientierung [Vgl. Warschkow, K. 1993]. Auch in den vorgelagerten Schritten kann das Project Management Office im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes prozessgestaltend und -unterstützend mitwirken.

Die Jahres- und Vorhabenplanung 73

3. Gestaltung der Jahresplanung Im Folgenden wird auf die unterschiedlichen Gestaltungsspielräume bei der Prozessgestaltung eingegangen. Eine der elementarsten Entscheidungen bei der Prozessdefinition bildet die Festlegung der Planungsrichtung. Hier wird zwischen dem so genannten Top-Down- und dem Bottom-UpPlanungsansatz unterschieden. Als Mischform wird der iterative Ansatz ebenso vorgestellt wie auch bewertet. Eine weitere Stellgröße ist der Partizipationsgrad an der Planung, d.h. welche Stellen im Unternehmen in den Planungsprozess mit einbezogen werden. Ferner nimmt die Art der Analyse und der Vorhabenauswahl Einfluss auf die Prozessdefinition, da bspw. je nach gewählter Form Daten entsprechend erfasst und bereitgestellt werden müssen. 3.1. Planungsrichtung Die Planungsrichtung nimmt ebenfalls auf die anderen Ausgestaltungsparameter in der Jahresplanung einen nicht unerheblichen Einfluss. Am deutlichsten wird dies am Partizipationsgrad der Planung. Je nach gewählter Richtung ist die Ausgestaltung dieses Parameters bereits stark eingeschränkt. Aber auch die Auswahlverfahren sind davon abhängig, ob bei der Planung Top-Down oder Bottom-Up vorgegangen wird. Top-Down-Ansatz Unter dem Top-Down-Planungsansatz wird ein in der Organisationshierarchie von oben nach unten gerichtetes Vorgehen verstanden. Dies bedeutet, dass beginnend mit der Unternehmensführung schrittweise die Planung verfeinert wird, bis sie schließlich die Vorhaben- bzw. Projektebene erreicht hat. Es ist also ersichtlich, dass das vorgestellte Drei-Stufen-Modell, zumindest was die Zielfestlegung und die Planung der Vorhaben angeht, diesem TopDown-Ansatz folgt. Der elementare Unterschied liegt darin, dass bei dem in der Literatur beschriebenen Top-Down-Vorgehen auch die Budgets und damit die finanziellen Mittel von oben nach unten verteilt werden. Der Ausgangspunkt ist also ein Gesamtbudget, welches auf die einzelnen Kostenträger verteilt wird. Wegen dieser engen Kopplung von Planung und Budgetierung wird dieses Vorgehen auch oft als budgetgestützte Planung bezeichnet. Zu den größten Vorteilen einer Top-Down-gestützten Planung zählt die unmittelbare Orientierung an den strategischen Kalkülen der Unterneh-

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mensleitung. Durch die selbst vorgenommene Verteilung kann sie sicherstellen, dass die finanziellen Mittel exakt in die Bereiche fließen, in denen die strategisch wichtigsten Vorhaben durchgeführt werden (sollen). Sie besitzt den Gesamtüberblick und kann jederzeit einen ihrer Ansicht nach optimalen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen wahrnehmen. Diesen Vorteilen stehen jedoch gewichtige Nachteile gegenüber. So vermittelt der Top-Down-Ansatz stark autoritäre Wesensmerkmale und erscheint rigide und starr. Dies rührt insbesondere daher, dass kaum andere Hierarchieebenen mit in den Planungsprozess einbezogen werden und daher nur geringe Verantwortung besitzen. Da jedoch gerade in den operativen Bereichen die Vorhaben und Projekte durchgeführt werden, bleibt eine ausreichende Identifikation mit denselben aufgrund der fehlenden Einbeziehung während der Planungsphase höchst fraglich. Fast noch wichtiger wiegt das Gegenargument, dass durch die fehlende Einbeziehung der unteren Hierarchieebenen unter Umständen wichtige Informationspotenziale (bspw. Markttrends) vernachlässigt werden und daher nur eine suboptimale Allokation der finanziellen wie auch personellen Ressourcen erfolgt. Bottom-Up-Ansatz Im Unterschied hierzu erfolgt beim Bottom-Up-Ansatz eine Entwicklung der operativen Teilziele und der daraus abgeleiteten Vorhaben in den einzelnen Abteilungen. Hierbei werden sowohl mögliche neue Vorhaben als auch die bereits laufenden gleichermaßen mit einbezogen und hinsichtlich ihrer Erfolgspotentiale bewertet. Das Budget resultiert hierbei aus der Summe der in den jeweiligen Abteilungen als vorteilhaft eingestuften (laufenden und neuen) Vorhaben. Die Vor- und Nachteile dieser Vorgehensweise liegen auf der Hand. Durch die Nähe an den unmittelbar betroffenen Bereichen werden die dort vorliegenden Probleme und Chancen schneller erkannt und in die Planung entsprechend mit einbezogen. Die Organisationseinheiten sind zum Großteil selbst verantwortlich für Ihre Planung; dies fördert eine stärkere Identifikation mit der späteren operativen Tätigkeit. Im Gegenzug existiert aber in diesem Fall die Gefahr des Überinvestments, weil der Blick für die Gesamtperspektive des Unternehmens verloren geht. Nicht alle Projekte, die der Abteilung sinnvoll erscheinen, müssen auch aus der Unternehmenssicht vorteilhaft sein. Ebenso besteht die Gefahr von Bereichsegoismen und einer zunehmenden Abkopplung der Bereiche. Jeder Bereichsverantwortliche versucht, lokal in seinem Bereich zu optimieren.

Die Jahres- und Vorhabenplanung 75

Ein weiteres Risiko, das der Bottom-Up-Ansatz aufweist, ist eine zu kurzfristige Orientierung der Planung, da wiederum die strategischen Ziele vernachlässigt werden und eine natürliche Tendenz zu überschaubaren und somit tendenziell risikominimierenden Vorhaben existiert. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Kompatibilität eines reinen Bottom-UpAnsatzes mit den Unternehmenszielen fraglich erscheint. Iterativer Ansatz Aus obigen Ausführungen wird deutlich, dass beide Planungsrichtungen gravierende Nachteile aufweisen, aber auch nicht zu unterschätzende Vorteile beinhalten. Aus diesem Grund liegt es nahe, sie miteinander zu vereinen. Die Synthese aus Top-Down- und Bottom-Up-Vorgehen wird in der Literatur als iterativer Ansatz bezeichnet. Die Bezeichnung legt bereits den Schluss nahe, dass es sich nicht um eine bloße Aneinanderreihung der beiden Vorgehen handelt, sondern dass sich vielmehr Komponenten aus beiden Ansätzen (auch wiederholt) abwechseln können. Die Schwerpunkte sind bei der Prozessdefinition frei wählbar. Hierbei müssen insbesondere die jeweiligen Einsatzbedingungen, die Art der Unternehmen oder auch die Unternehmensphilosophie mit einbezogen werden. Unabhängig davon ist aber eine abschließende Konsolidierung der Vorhaben wichtig, damit auch die Mittelherkunftsseite auf Unternehmensebene mit einbezogen wird. Der weiter unten beschriebene exemplarische Ansatz der Vorhaben- und Jahresplanung folgt dem iterativen Ansatz, weist also sowohl Top-Down als auch Bottom-Up-Komponenten auf. 3.2. Partizipationsgrad an der Planung In den Ausführungen wurde bereits deutlich, dass die Hierarchiestufen eines Unternehmens zu einem sehr unterschiedlichen Grad in den Planungsprozess involviert sein können. Auch die Vor- und Nachteile wurden bereits angedeutet. x Ein sehr geringer Partizipationsgrad entspricht eher einem autoritär geführten Unternehmen und ist sicherlich nur bis zu einer gewissen Unternehmensgröße überhaupt realisierbar. Spätestens, wenn eine Unternehmung über mehrere (auch internationale) Standorte verteilt ist, tut sich die Unternehmensführung alleine sehr schwer, bspw. sämtliche regionalen Unterschiede (Markttrends etc.) zu kennen und in Ihre Entscheidungen mit einzubeziehen. Die Vermutung liegt also nahe, dass mit zuneh-

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mender Größe und Regionalisierung eines Unternehmens der Partizipationsgrad an der Planung steigen muss. x Als Zweites sei nochmals auf die nicht zu unterschätzende Motivationswirkung eines erhöhten Partizipationsgrades für die mit einbezogenen Hierarchiestufen hingewiesen. Im Gegensatz zu starr vorgegebenen Richtlinien, an denen sie selbst nicht mitgewirkt haben, erfolgt bei frühzeitiger Einbeziehung eine wesentlich stärkere Identifikation mit dem dann durchgeführten Vorhaben, was sich nur positiv auf den Vorhabensund damit auch mittelbar auf den Unternehmenserfolg auswirken kann. x Ein geringer Partizipationsgrad weist auf stark vertretene Top-DownElemente im Planungsprozess hin, während ein höherer Partizipationsgrad Hinweise auf mehr Bottom-Up-Komponenten liefert. Hier wird auch nochmals deutlich, dass Planungsrichtung und Partizipationsgrad nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind, sondern starke Interdependenzen aufweisen. 3.3. Festlegung der Bewertungskriterien Als Basis für eine objektive und im Sinne der Unternehmensstrategie optimale Vorhabenauswahl sind Bewertungskriterien zu formulieren. Die große Anzahl unterschiedlicher Kriterienkataloge in der Literatur zeigt, dass die Erstellung eines vollständigen und allgemeingültigen Kriterienkatalogs nicht realisierbar ist. [Vgl. Bürgel, H.D.; Haller, C.; Binder, M. 1996 sowie Thoma, W. 1989] Zwar lassen sich markt- und branchenspezifische Tendenzen bei der Wahl und Gewichtung von Kriterien identifizieren, ein für alle Unternehmen der verschiedensten Brachen allgemeingültiger Kriterienkatalog bleibt hingegen Utopie. Die Auswahl bzw. die Gewichtung der Bewertungskriterien für die Auswahl der Planungsvorhaben muss deshalb weitestgehend unternehmensindividuell erfolgen. Die große Anzahl der Bewertungskriterien zerfällt in zwei Gruppen: Qualitative und quantitative Kriterien. Unter den erstgenannten lassen sich in erster Linie monetäre und zeitdauerbezogene Größen subsumieren, wie bspw. die Aufstellung des potentiellen finanziellen Ertrags und des Kapazitätsbedarfs ausgedrückt in Kosten. Die qualitativen Kriterien lassen sich hingegen weiter in Technologiekriterien, Markt- und Kundenkriterien sowie Umfeldkriterien differenzieren. [Vgl. Brockhoff, K. 1992, S. 250 ff.] Da sich ein für alle Unternehmen gültiger Kriterienkatalog wie oben dargestellt nicht präziser beschreiben lässt, werden nachstehend Orientierungsgrößen/Regeln abgeleitet. Diese sollen den spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Unternehmens gerecht werden, um über eine unter-

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nehmensindividuelle Beurteilung der Bewertungskriterien zu einer strategie- und zielgerechten Vorhabenauswahl zu gelangen: [Vgl. Thoma, W. 1989, S.68] x In erster Linie ist eine Orientierung an der oben beschriebenen zugrunde liegenden Unternehmensstrategie und den daraus abgeleiteten Unternehmenszielen zu gewährleisten. x Der definierte Kriterienkatalog muss vollständig und repräsentativ für die als relevant erachteten Ziele sein. x Jedes einzelne Kriterium muss eindeutig, präzise und verständlich formuliert sein. x Die Kriterien dürfen nicht redundant oder nutzenabhängig voneinander sein. x Voraussetzung für die Überprüfung des Zielerreichungsgrades ist die Messbarkeit der Kriterien. Bedingt durch die Planungsunsicherheit und dem Fehlen von monetären Größen werden in der Planungs- und Bewertungsphase neben den quantitativen auch qualitative Kriterien eingesetzt. Je nach Entscheidungssituation kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz, auf die im anschließenden Abschnitt kurz eingegangen wird. 3.4. Wahl der Bewertungsverfahren Für die Bewertung von Vorhaben werden verschiedene Verfahren angewandt, um eine möglichst systematische, konsistente und transparente Einschätzung auf den Erreichungsgrad von Unternehmenszielen zu erhalten. Essentiellen Einfluss kommt bei der Anwendung dieser Bewertungsverfahren der Qualität der Eingangsgrößen zu, da sich falsche Informationen in einem noch so guten Verfahren nicht korrigieren lassen. Für eine Systematisierung der Bewertungsverfahren lassen sich in der Literatur eine Vielzahl von Bewertungsmethoden finden. [Vgl. Specht, G.; Beckmann, C. 1996, S.222 sowie Thoma, W. 1989, S.167] Eine wertvolle Kategorisierung der Bewertungsmethoden lässt sich anhand der Zahl der berücksichtigten Unternehmensziele durchführen. Wird lediglich eine einzige quantitative Zielgröße berücksichtigt, so handelt es sich um ein eindimensionales Bewertungsverfahren. Diese beziehen sich fast ausschließlich auf monetäre Größen, die hauptsächlich den betriebswirtschaftlichen Verfahren der Investitionsrechnung entsprechen. Da nur ein Kriterium für die Bewertung berücksichtigt wird, lassen sich die Ergebnisse in eine eindeutige Reihenfolge bringen. Im Gegensatz dazu berücksichtigen mehrdi-

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mensionale Verfahren den Beitrag eines Vorhabens zu mehreren Zielen. Meist handelt es sich dabei um qualitative Zielgrößen. In der Konsequenz wird die Bewertung realistischer aber gleichzeitig auch komplexer. Eine weitere Differenzierung der Verfahren lässt sich anhand der Skalierbarkeit der Bewertungsinformationen durchführen. Im Rahmen des Bewertungsprozesses werden vorzugsweise quantitative Kriterien zur Bewertung von Vorhaben gewünscht. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese nur eingeschränkt verfügbar sind und daher oft eine Bewertung anhand qualitativer Kriterien stattfinden muss. Je nachdem, welche Kriterien als Basis für den Bewertungsprozess in den Unternehmen verfügbar sind, lassen sich die Bewertungsverfahren in quantitative, semiquantitative und qualitative Verfahren unterscheiden: x Quantitative Bewertungsverfahren arbeiten mit Kennzahlen, die durch prognostizierte Ein- und Auszahlungsströme ermittelt werden. Die Kennzahlen werden in Geld- oder Zeiteinheiten gemessen und sind rein objektiv. Zu den quantitativen Bewertungsverfahren zählen die Methoden der Investitionsrechnung wie Kapitalwertmethode, Interne Zinsfußmethode (dynamisch-finanzmathematische Verfahren) und bspw. Kostenvergleichs-/Gewinnvergleichsrechnung, Break-even-Analyse (statistisch-kalkulatorische Verfahren). x Semiquantitative Bewertungsverfahren stützen sich ebenfalls auf quantitative Daten. Die Gewinnung der Daten erfolgt hierbei jedoch über qualitative Kriterien. Dies bedeutet, dass Sachverhalte, die nicht direkt in Zahlen darstellbar sind, in rechenbare Zahlenwerte „übersetzt“ werden. Dies geschieht anhand einer subjektiven Bewertung nach Kosten, Nutzen oder Punktwerte durch die Entscheidungsträger. Bekannte semiquantitative Verfahren sind die Portfolio-Analyse, Kosten-NutzenAnalyse oder Nutzwertanalyse/Scoring-Verfahren. x Qualitative Bewertungsverfahren verzichten gänzlich auf die „Rechenbarkeit“ der Informationen. Die Bedeutung eines Projekts wird hierbei durch nicht-numerische, verbale Aussagen beschrieben. Die „Bewertung“ erfolgt bspw. anhand der Einschätzung hoch, mittel, niedrig. Qualitative Bewertungsverfahren erhalten ihre Bedeutung insbesondere als Kommunikationsinstrument zur Förderung der strukturierten Diskussion der Entscheidungsträger. Häufig verwendete qualitative Verfahren sind Checklisten, Stärken-Schwächenprofile oder die Pro-Contra-Methode. Wesentliches Entscheidungsmerkmal für die Wahl eines Bewertungsverfahrens sind dabei die unterschiedlichen Anforderungen an die Datenqualität. So liegt der Schluss nahe, dass bei relativ großer Datensicherheit quantitative Bewertungsverfahren und bei großer Datenunsicherheit qualitative

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Verfahren angewandt werden. Entscheidend für die Qualität der Entscheidungsgrundlage zur Auswahl der optimalen Vorhaben ist in jedem Fall die systematische Gewinnung, Aufbereitung und Darstellung der entscheidungsrelevanten Informationen. So wird die Entscheidungsqualität nicht automatisch durch die Anwendung komplizierter Rechenverfahren und mechanistischer Entscheidungsregeln verbessert. Natürlich gibt es neben diesen grundsätzlichen strategischen Entscheidungen wesentlich mehr spezifische Planungsprobleme, welche bei der Prozessgestaltung zu berücksichtigen sind. Diese sollen jedoch an dieser Stelle auf Grund der großen Variationsbreite in unterschiedlichen Unternehmensgattungen und -branchen nicht näher betrachtet werden.

4. Ein exemplarischer Ansatz für die Vorhaben- und Jahresplanung Für eine Operationalisierung der identifizierten strategischen Ziele müssen konkrete Vorhaben für das nächste Geschäftsjahr abgeleitet werden, deren Umsetzung die Zielerreichung sicherstellt. In diesem Zusammenhang ist eine Verzahnung mit der 3-, 5- oder 10-Jahresplanung des Unternehmens sehr sinnvoll, die bspw. bei lang laufenden Vorhaben Budgetspitzen in folgenden Geschäftsjahren berücksichtigt oder Ausschlusskriterien über die Jahresplanung hinaus identifiziert. Zur Auswahl der optimalen Vorhaben können je nach unternehmensspezifischen Anforderungen die im letzten Kapitel vorgestellten Prozessmerkmale zum Einsatz kommen und miteinander kombiniert werden. Im Folgenden wird ein exemplarischer Prozess dargestellt, der sich an den umfangreichen praktischen Erfahrungen von Campana & Schott orientiert. Dabei werden für eine handhabbare Darstellungsform voneinander relativ unabhängige Vorhaben unterstellt, die zudem nur wenigen Restriktionen unterliegen. 4.1. Festlegung der Planungsrichtung Im Rahmen der zu Beginn der jährlichen Vorhabenplanung festzulegenden Planungsrichtung wird für diesen exemplarischen Ansatz der iterative Prozess gewählt. Zum Zwecke der Zielfindung folgt dieses Beispiel einem Top-Down-Ansatz. In diesem Zusammenhang wird von der Geschäftsführung der strategische sowie finanzielle Rahmen in Form von „Eckwerten“ den jeweiligen Verantwortlichen für die Jahresplanung vorgegeben, deren

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Konkretisierung durch die oben beschriebene Maßnahmenplanung erfolgt.14 Anschließend wird mit der Erstellung von Vorschlägen für die potentiellen Vorhaben durch die Verantwortlichen – je nach Unternehmensorganisation Projekt-, Abteilungs- und Bereichsleiter – begonnen. Diese erste Sammlung von Ideen für Vorhaben erfolgt bis zu einem fixen Zeitpunkt durch die Mitarbeiter der entsprechenden Organisationseinheiten gemäß dem Bottom-Up-Prinzip. Dabei ist auf eine standardisierte Form zu achten, um eine konsistente Datenbasis entstehen zu lassen.15 Qualitätssichernd sollte hier und in den nachfolgenden Schritten das erwähnte Project Management Office oder eine andere organisatorische Einheit eingebunden werden. Nach der dezentralen Erhebung der Vorhabenvorschläge muss in den einzelnen Organisationseinheiten eine erste Abstimmung und Konsolidierung innerhalb der Einheit erfolgen, um Zielkonkurrenzen sowie Erstellungsfehler in den Vorhaben zu vermeiden. Die weitergeleiteten Vorschläge gehen dann in die gesamte Jahresplanung ein. Wird die abschließende Konsolidierungs- und Auswertungsphase in die Betrachtung mit einbezogen, so wird die Existenz einer Kombination von Top-Down- und Bottom-Up-Komponenten verdeutlicht. Diese sind in der Abbildung 2 nochmals illustriert. Dabei sind auch hier mehrere Iterationsschleifen vorstellbar.16

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Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die Durchführung einer KickOff-Veranstaltung mit allen Beteiligten, bei der strategische Ziele, Budgeteckwerte, Termine und Planungsgrundsätze kommuniziert werden. Bei der Vorhabenerhebung sollten Pflichtfelder verwendet werden. Beispiele hierfür sind: 1.) Stammdaten wie Vorhabenname, beantragender Fachbereich, Vorhabenziel etc. / 2.) Kurze aber prägnante Vorhabenbeschreibung mit Risikoeinschätzung / 3.) Aufstellung zu charakteristischen Finanzdaten wie Personalkosten, Investitionen etc. bei den Aufwenden und Ertragsaussichten Empirische Beobachtungen haben gezeigt, dass in der Praxis fast immer Mischformen zu beobachten sind und dabei der überwiegend Bottom-Upgeprägte Ansatz einen größeren Anteil aufweist. Allerdings wurde ebenfalls häufig beobachtet, dass zu Beginn das Gesamtbudget oder auch die verfügbaren Ressourcen den Ausgangspunkt oder zumindest eine grobe Richtschnur bilden.

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Abbildung 2: Vereinigung von Bottom-Up- und Top-Down-Komponenten in einem Planungsprozess

4.2. Auswertung und Beurteilung der Vorhabenvorschläge Werden bereits bei der Planungsrichtung die beiden vorgestellten „Reinformen“ miteinander vereint, um die Vorteile beider Ansätze im Prozess zu verbinden, so werden auch im weiteren Verlauf Bewertungsverfahren miteinander kombiniert. Dadurch können sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien bei Beurteilung der Vorhaben berücksichtigt werden. Im Rahmen einer Vorauswahl ist die Einteilung in sog. „Muss“- und „Kann“-Vorhaben sinnvoll. Die „Muss“-Vorhaben unterscheiden sich von den „Kann“-Vorhaben dadurch, dass Ihnen bspw. eine rechtliche Notwendigkeit zugrunde liegt. Dadurch sind die „Muss“-Vorhaben in jedem Fall durchzuführen und müssen bei der Jahresplanung als feste Größe berücksichtigt werden. Daraus folgt, dass diese Art von Vorhaben unabhängig von investitionstheoretischen Betrachtungen ist. Allerdings sind die „Muss“-Vorhaben ebenso wie die „Kann“-Vorhaben unter Kostengesichtspunkten optimal zu planen und durchzuführen. Wird von dem zu verteilenden Budget der Anteil für die „Muss“-Vorhaben abgezogen, so ergibt sich der Anteil des Budgets, der nach unternehmensspezifischen Kriterien auf ausgewählte Vorhaben zu verteilen ist. Für die Auswahl des optimalen Vorhabenprogramms sind in einem weiteren Schritt alle eingegangenen Vorhabenvorschläge auf K.O.-Kriterien bzw. auf die Nichterfüllung einer Nebenbedingung zu überprüfen, bspw. unter Verwendung einer Check- oder Prüfliste. Dabei kann es sich um K.O.-Kriterien handeln, die das Unternehmen kaum oder gar nicht beein-

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flussen kann (z.B. staatliche Auflagen) oder um solche, die durch das Unternehmen vorgegeben werden (z.B. Mindesterfolgswahrscheinlichkeiten). Die Erfüllung der K.O.-Kriterien ist Grundvoraussetzung für die Weiterverfolgung des Vorschlags im Rahmen der Jahresplanung. Wird bei mehreren K.O.-Kriterien nur eines nicht erreicht, so wird das Vorhaben nicht weiterverfolgt. Des Weiteren fallen diejenigen Vorschläge heraus, die bereits durch die „Muss“-Vorhaben abgebildet sind. Die verbliebenen Vorhabenvorschläge werden nach dieser Vorauswahl eingehend geprüft und ausgewertet. Ist eine Überarbeitung oder Anpassung erforderlich, so muss dies durch den entsprechenden Verantwortlichen für das Vorhaben vorgenommen werden. Liegen alle Vorschläge in der geforderten Datenqualität vor, so kann mit der Konsolidierung der Vorhaben begonnen werden. In diesem Zusammenhang tritt die Verzahnung der Vorhabenvorschläge zur Unternehmensstrategie und den daraus abgeleiteten Zielen in den Vordergrund. Nach der Aufschlüsselung der finanziellen und personellen Aufwände in Form eines ersten Planungsstands muss ein Abgleich der Nachfrageseite (alle verbliebenen potentiellen Vorhaben) mit der Angebotsseite (Budget/ Kapazitäten für das nächste Geschäftsjahr) erfolgen. In der Regel wird folgendes Ergebnis zu beobachten sein: Die finanzielle und personelle Ressourcennachfrage wird den Budgetrahmen übersteigen. Das sich hieraus ergebene Delta kennzeichnet die Stärke der Handlungsnotwendigkeit, um aus den Vorhabenvorschlägen die optimalen herauszufiltern. Für die Bewertung aller verbliebenen „Kann“-Vorhaben sind die eruierten Informationen mittels einer Portfolio-Analyse aufzubereiten, um sowohl quantitative als auch qualitative Daten zu nutzen. Als wichtigste Dimensionen zur Auswahl eines optimalen Vorhabenprogramms schlägt Campana & Schott den ökonomischen und strategischen Nutzen vor. Bei der wirtschaftlichen Betrachtung durch die erstgenannte Dimension wird die Profitabilität der um finanzielle und/oder personelle Ressourcen konkurrierenden Vorhaben bestimmt. Zur Bewertung des ökonomischen Nutzens können neben vergleichsweise einfachen Kostenvergleichsrechnungen oder Break-even-Analysen auch die Verfahren der Kapitalwertmethode oder internen Zinsfußmethode eingesetzt werden. Gleichermaßen sind für eine systematische Priorisierung auch bestimmte Key Performance Indices (KPI’s) wie der Return on Investment (RoI) oder Return on Capital Employed (RoCE) denkbar. Die Wahl des Verfahrens richtet sich dabei nach den zur Verfügung stehenden Informationen (z.B. Einnahme- und Ausgabeströme) oder den zu betrachtenden Zeitraum für die Vorhabenbewertung. Liegen nicht ausreichend monetär messbare Daten vor, können zur Bestimmung des ökonomischen Nutzens auch Punktbewertungsverfahren eingesetzt werden.

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Diese Punktbewertungsverfahren stellen ebenfalls zur Bestimmung des strategischen Nutzens praktikable Verfahren dar. Für diese zweite Dimension im Rahmen der Portfolio-Analyse muss eine Ableitung und Bewertung der strategischen Ziele auf die einzelnen Vorhaben erfolgen. Infolgedessen bilden die strategischen Ziele des Unternehmens den Ausgangspunkt und müssen entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet werden. Anschließend erfolgt für jedes Strategieziel eine Bewertung der Vorhaben (z.B. auf einer Skala von 0 bis 10). Auf Basis der Strategiegewichtung und der Zielerreichung ergibt sich für jedes Vorhaben ein Gesamtpunktwert, der in der Portfolio-Darstellung mit dem ökonomischen Nutzen ins Verhältnis gesetzt wird. Nach der Betrachtung des ökonomischen und strategischen Nutzens erscheint es in der Regel sinnvoll, eine weitere Dimension hinzuzunehmen. Basierend auf der Vorhabenbewertung kann mit dem Chancen-RisikoVerhältnis die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Umsetzung eines Vorhabens dargestellt werden, wodurch der Unternehmensleitung für ihre Entscheidungsfindung weitere wertvolle Informationen zur Verfügung gestellt werden. In der nachstehenden Illustration wird die Erfolgswahrscheinlichkeit in Form eines Kreises mit fünf Segmenten gezeigt. Eine feinere Granularität des Chancen-Risiko-Verhältnis – z.B. eine Abstufung mit zehn oder 20 Segmenten – ist entsprechend abbildbar, wenn der Informationswunsch entsprechend hoch ist. Dabei wird in grüner Farbe die Chanceneinschätzung und in roter Farbe die Risikoeinschätzung des Vorhabens zu einander in Verhältnis gesetzt. Für die in blau dargestellten „Muss“Vorhaben wird keine Erfolgswahrscheinlichkeit ausgewiesen, da sie realisiert werden müssen (vgl. Abbildung 3; Vorhaben 1, 3 und 5). In untenstehender Abbildung wird ein dreidimensionales Vorhaben-Portfolio visualisiert, in dem auf der Abzisse der ökonomische Nutzen, auf der Ordinate der strategische Nutzen und in der dritten Dimension das Chancen-RisikoVerhältnis abgebildet sind.

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Abbildung 3: Dreidimensionales Vorhaben-Portfolio

Auf Basis eines solchen Vorhaben-Portfolios mit „Muss“- und „Kann“Vorhaben kann sich die Unternehmensführung einen guten Überblick über die zu bewertenden Vorhaben verschaffen. Neben den bereits in der Jahresplanung zu berücksichtigen „Muss“-Vorhaben ist nun ein Vergleich der zu bewertenden „Kann“-Vorhaben in einer sehr transparenten Form möglich. Diese solide Bewertungs- und Entscheidungsgrundlage gilt dabei nicht nur für zukünftig geplante, sondern auch für laufende Vorhaben. Bei einer nicht eindeutigen Möglichkeit einer Priorisierung der „Kann“Vorhaben muss durch einen paarweisen Vergleich eine Clusterung erfolgen, wodurch alle Vorhaben in eine eindeutige Rangfolge gebracht werden (z.B. bei den Vorhaben 6 und 9). Dabei richtet sich der Fokus ebenfalls auf die Identifizierung von Synergien und Eliminierung von Konkurrenzen. Sowohl durch das Vorhaben-Portfolio als auch der Einzelvergleich der Vorhaben miteinander können diese absteigend geplant werden, um das für ihre Durchführung notwendige Budget des nächsten Geschäftsjahres ökonomisch sinnvoll einsetzen zu können. Die Vorhaben, die weder öko-

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nomisch noch strategisch bedeutsam sind, sollten demgemäß nicht ausgeführt werden (z.B. Vorhaben 10). Auf Basis der getroffenen Vorhabenauswahl empfiehlt sich eine Verifikation, ob alle strategischen Ziele und deren ursprüngliche Gewichtung durch die Vorhaben abgebildet sind. Hierzu werden alle ausgewählten Vorhaben, sowohl laufende als auch zukünftig geplante, mit den strategischen Zielen verglichen und bewertet. In einer allgemeingültigen Form ist dieser Strategieabgleich der nachstehenden Abbildung zu entnehmen:

Abbildung 4: Abgleich der ausgewählten Vorhaben mit den strategischen Zielen

Ausgehend von der Unternehmensstrategie bzw. der „Business Mission“ wurden, wie in den vorangehenden Kapiteln beschrieben, die strategische Ziele und deren Maßnahmen abgeleitet. Darauf basierend wurden entsprechende Vorhaben bewertet und ausgewählt. Die anschließende Überprüfung des Strategiebeitrages geht nun wie folgt vor sich. Für alle ausgewählten Vorhaben wird der Strategiebeitrag zur Erreichung des strategischen Ziels ermittelt (vgl. Abbildung 4, z.B. „Strategiebeitrag V1 zu S1“). Ist dies für sämtliche Vorhaben durchgeführt, kann der Strategiebeitrag aller Vorhaben zu einem Strategieziel summiert werden (vgl. Abbildung 4, z.B. „Strategiebeitrag V1 bis Vx zu S1“). Mittels dieses Wertes

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kann dann die ursprüngliche Gewichtung des strategischen Ziels überprüft werden. Die aus den strategischen Zielen abgeleiteten Maßnahmen dienen dabei als zusätzliche Orientierung, um die Vorhaben und Strategien in Einklang zu bringen. Zeigt sich im Ergebnis eine klare Verschiebung der Gewichte zwischen den Strategien, so müssen eine oder mehrere Abstimmungsschleifen durchgeführt werden, bis die ursprüngliche oder eine neu definierte Gewichtung erreicht ist. Die daraus resultierende Handlungsnotwendigkeit gibt an, in welchem Rahmen der iterative Prozess noch einmal zu durchlaufen ist. Gleiches gilt entsprechend, wenn bspw. weitere Vorhaben aufgenommen werden müssen, Kostenreduzierungen im gesamten Vorhabenportfolio durchzusetzen oder Änderungen in den strategischen Zielen einzuarbeiten sind. Die Praxis zeigt, dass in den seltensten Fällen Vorhabenprogramme nach einer ersten Planung feststehen. Dies begründet sich darin, dass häufig zeit- und kostenzehrende Puffer eingeplant werden, die im Rahmen von weiteren Planungsrunden zu beseitigen sind. In diesem Zusammenhang wird von einem „smarter“-Werden der Vorhaben gesprochen. Passen Strategie und die operationalisierten Vorhaben unter Einhaltung der finanziellen und personellen Restriktionen zueinander, und stehen der Vorhabenauswahl keine Einsprüche oder Eskalationen entgegen, so kann die Unternehmensführung das Vorhabenprogramm für das kommende Geschäftsjahr beschließen. Als Ergebnis der Jahresplanung steht nach der Entscheidung der Unternehmensführung das zu realisierende Vorhabenprogramm auf Grundlage unternehmensindividueller Kriterien fest, wodurch ebenfalls die Projektkapazitäten in personeller und finanzieller Hinsicht fixiert sind. Ebenfalls zeigt sich nach Abschluss der Jahresplanung die Budgetverteilung auf die einzelnen Vorhaben des nächsten Geschäftsjahres.

5. IT-technische Unterstützung der Jahresplanung Für die Terminplanung und -kontrolle sowie die Kostenplanung und -kontrolle in operativ laufenden Projekten kommen bereits zahlreiche IT-Lösungen zum Einsatz. Infolgedessen liegt die Frage nahe, ob bei dem oben geschilderten Ansatz der Jahresplanung – also der Vorgabe von Rahmenparametern, der Erfassung/Planung von Vorhaben und der sich anschließenden Vorhabenauswahl – nicht ebenfalls eine IT-Unterstützung sinnvoll wäre. Meist existiert diese in Form von losgelösten oder in über „manuelle“ Schnittstellen miteinander verzahnten Tools.

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Als wesentliche Voraussetzung lässt sich festhalten, dass der Prozess der Jahresplanung mit den oben beschriebenen Freiheitsgraden definiert und mit allen Stakeholdern bzw. beteiligten Interessensgruppen abgestimmt sein muss. Wie bei allen Portfolio- bzw. Projektmanagement-Systemen kann eine IT-technische Unterstützung einen bereits definierten Prozess stets nur gezielt unterstützen, diesen aber nie komplett implementieren oder ersetzen. Ist diese Voraussetzung jedoch gegeben, kann ein System gerade für den sehr komplexen Part der Datenerfassung, -konsolidierung und Vorhabenauswahl in jedem Fall hilfreich sein. Manuelle Schritte können eliminiert und Dateninkonsistenzen ausgeschlossen werden, wodurch eine fundierte Entscheidungsunterstützung gewährleistet werden kann. Im Folgenden werden einige Aspekte aufgezeigt, die bei der Realisierung eines solchen Systems zu beachten sind. 5.1. Organisatorische Voraussetzung Zunächst muss sichergestellt werden, welche organisatorischen Einheiten an welcher Stelle mit dem Tool arbeiten und wer der „Owner“ des Tools ist (d.h. wer die Administration übernimmt, Stammdaten pflegt, Auswertungen übernimmt etc.). Wie bereits weiter oben angeführt, kann hierzu bspw. ein Project Management Office unterstützend mitwirken. Ebenso muss der Support der Anwender sichergestellt sein, damit keine Reaktanz gegen die neu eingeführte Software entsteht. Idealerweise ist der Prozess bereits in einem vorigen Planungszyklus implementiert und durchgeführt worden. Da sich Kritik an neuen Prozessen und an neu eingeführten Tools sehr oft miteinander vermengen, tut ein Unternehmen bei der Einführung gut daran, diese beiden Bestandteile voneinander zu entkoppeln. So kann sichergestellt werden, dass ein stabiler Prozess durch das System gezielt unterstützt wird und sich die (unter Umständen sehr teuren) Anpassungen am Prozess und an der Software in Grenzen halten. 5.2. Definition der Parameter Da der Grad der IT-technischen Unterstützung im Bereich der Jahresplanung im Vergleich zu den beiden vorgelagerten Phasen am größten ist, müssen die vorherigen Prozessschritte (strategische Ziele, Maßnahmen, Budgeteckwerte etc.) als Parameter abgebildet werden. Diese können dann den neu erfassten Vorhaben entweder als Attribute bzw. Stammdaten zu-

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gewiesen werden oder dienen – wie im Falle des Strategiebeitrages – als Dimensionen. In beiden Fällen wird hierdurch ein entsprechender Vergleich der Vorhaben, bspw. über Portfoliodarstellungen, ermöglicht. Ebenso müssen weitere Parameter wie Nutzerinformationen oder Kategorien zur Darstellung einer rollenbasierten Zugriffsrechtestruktur abgebildet werden. 5.3. Erfassung von Vorhaben Bei der Erfassung der Vorhaben muss definiert werden, wer überhaupt die zuständige Stelle für die Erfassung ist. Werden die Vorhaben zentral erfasst oder individuell von den einzelnen Planungsbeauftragten? Diese Frage lässt sich unter Zuhilfenahme des definierten Planungsprozesses beantworten17. Ebenso muss definiert werden, welche Daten der Vorhaben erfasst werden müssen, um die spätere Auswertung zu ermöglichen. Hierbei spielt die Granularität der Planung eine wichtige Rolle. Soll auf der Ebene Kosten und Nutzen verblieben werden oder werden bereits hier beteiligte Organisationseinheiten und die von ihnen jeweils benötigten Ressourcen-Kapazitäten aufgenommen? In nachfolgender Abbildung 5 ist eine beispielhafte Erfassungsmaske abgebildet, in der die relevanten Stammdaten hinterlegt werden können. 5.4. Auswertung von Vorhaben Je nach gewählter Priorisierungsart müssen die vorher definierten Auswertungen auf Knopfdruck zur Verfügung stehen, wobei in der Regel die Befriedigung von unterschiedlichen Detaillierungsstufen eine wichtige Anforderung darstellt. So müssen hochaggregierte Auswertungen für das Management ebenso zur Verfügung stehen wie detailliertere für die operativen Planungsträger. Seine Stärken spielt ein solches System erst aus, wenn es bereits während des Planungsprozesses einen stets aktuellen Stand der Planung liefert und nicht erst am Ende des Planungszeitraums – also nach Erreichen eines willkürlichen Stichtags – eine umfangreiche Konsolidierung ermöglicht. Hierdurch wird es auch für den operativen Planungsträger möglich, laufend den Stand seines Vorhabens zu verfolgen.

17

Es kann auch eine Art Auftraggeber-Auftragnehmer-Struktur existieren, wie dies bspw. oft in IT-Bereichen und den zugehörigen Fachbereichen der Fall ist.

Die Jahres- und Vorhabenplanung 89

Abbildung 5: Beispiel einer Erfassungsmaske für zu planende Vorhaben

5.5. Integration mit dem operativen Projektmanagement Wie bereits erwähnt, sollen bereits laufende Projekte ebenfalls in die Gesamtplanung aufgenommen werden, damit diese nicht per se für den kommenden Planungszeitraum gesetzt sind sondern genauso einer Priorisierung unterliegen wie die neu geplante Vorhaben. Hierzu muss eine Schnittstelle zum operativen PM-System geschaffen werden, um den manuellen Eingabeaufwand zu minimieren. Des Weiteren ist es vorstellbar, nach Abschluss der Planung die beschlossenen Projekte an das operative PM-System zu übergeben, um den künftigen Projektmanagern bereits Grobgerüste zur Verfügung zu stellen. Hierbei ist die Planungsgranularität der strategischen Jahresplanung sowie dem operativen Projektmanagement im Sinne einer Kompatibilität der Daten miteinander zu vergleichen und ggf. in Einklang zu bringen. In dem oben dargestellten Screenshot ist die Jahresplanung als ein integraler Bestandteil in ein Projektportal eingebunden, in welchem auch die ope-

90 Alexander Knöss, Markus Kreßmann

rativen Projekte enthalten und verfolgt werden können. Dies spiegelt den beschriebenen integrativen Ansatz von einem operativen PM-System und der jährlichen Planung wieder. 5.6. Abbildung von Workflows Natürlich müssen die verschiedenen Workflows unterstützt werden. Vorhaben müssen angenommen oder abgelehnt, aber bspw. auch zur Überarbeitung bzw. Anpassung an den Planer zurückgegeben werden können. In der nachfolgenden Abbildung 6 ist ein beispielhafter Workflow abgebildet. Dieser soll hier nicht im Detail erläutert werden, er soll vielmehr veranschaulichen, dass das System zahlreiche Rollen, Stati und Iterationen abbilden muss. Die unterschiedlichen Schattierungen sollen mehrere beteiligte Systeme andeuten, die für das Gesamtsystem integriert werden können. Schließlich muss durch ein differenziertes Zugriffsrechtesystem sichergestellt sein, dass jeder Anwender zu einem bestimmten Zeitpunkt nur die Daten zu sehen bekommt bzw. ändern darf, zu deren Ansicht er auch berechtigt ist. Dies ist ebenfalls im Hinblick auf die Datenkonsistenz eine wesentliche Forderung. Erreicht wird dies durch eine integrierte Statusverfolgung, die jedem Vorhaben bei Weiterleitung an eine nächste Stufe einen veränderten Status mitgibt. Ferner erlauben spezifische Sichten, die in Abhängigkeit des angemeldeten Nutzers und des gesetzten Status zur Verfügung stehen, dass nur bestimmte Vorhaben angezeigt bzw. editiert werden können. Dies sind nur einige Aspekte, die veranschaulichen, dass die Implementierung eines solchen Systems ein ausgewachsenes IT-Projekt darstellt. Wenn man sich jedoch die Gefahren einer unstrukturierten Jahresplanung aus der Einleitung ins Gedächtnis zurückruft, wird deutlich, dass sich eine solche Investition bereits im ersten Planungszyklus auszahlen kann, da gerade bei fehlender Standardisierung – sowohl methodischer als auch technischer – der manuelle Planungsaufwand oft um ein Vielfaches höher liegt.

Die Jahres- und Vorhabenplanung 91 Workflow CS-Vorhabenplanung: VorhabenInitiator

VorhabenManager

Teamleiter Teilvorhaben

Project Management Office

Ergebnis

Nein Vorhaben zurückgenommen

Ja

Nein Ja

Nein

Nein

Nein Ja

JA

Ja

Nein

Vorhaben abgelehnt.

Ja

Ja

Legende System 1 System 2 System 3

Vorhaben genehmigt

Abbildung 6: Schematische Darstellung eines im System abzubildende Workflows

92 Alexander Knöss, Markus Kreßmann

6. Fazit Die Etablierung einer systematischen projektbezogenen Jahresplanung bildet eine Kernaufgabe des Strategischen Projektmanagements. x Die Gestaltung von schlanken Workflows, x unterstützt durch integrierte Projektmanagement- und Vorhabenplanungssysteme und x die Bereitstellung von dynamischen Auswertungsmöglichkeiten zu jedem Zeitpunkt im Planungsprozess muss vom Top-Management initiiert werden – nicht zuletzt, da das TopManagement selbst wohl auch der größte Nutzer und Nutznießer eines solchen Ansatzes ist. Eine funktionierende Vorhaben- bzw. Jahresplanung ist zudem eine wesentliche Säule der Projektmanagement-Kultur eines Unternehmens. Sie liefert die Grundlage zur Bewertung, welche neuen Projekte gestartet werden (sollen) und ermöglicht die Einordnung eines einzelnen Projektes in den Zusammenhang des Projektportfolios. Die Jahresplanung bildet damit eine Vorstufe zum Projektportfoliomanagement als regelmäßige, systematische, prozess- und IT-gestützte Entscheidung über die Menge aller (laufenden oder geplanten) Projekte.18

18

Von der (Jahres-)Planung zur Steuerung: Das Controlling der laufenden Umsetzung der Jahresplanung und deren Ergänzung (um neue Projekte) sowie die Betrachtung spezieller Teile des Projektportfolios, den Programmen - als gebündelte, verwandte Projekte - bildet den Kern der Beiträge in Teil II.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung Alexander v. Steinbüchel und Boris Ovcak

1.

1.1.

Ressourcenmanagement – Grundlage einer erfolgreichen Budgetoptimierung und Königsdisziplin des Projektmanagements..................................................................... 94 Definition und Abgrenzung ............................................................. 94

2.

Erfolgspotentiale............................................................................ 95

3.

Organisatorische Einordnung des Ressourcenmanagements.... 96

4. 4.1. 4.2.

Möglichkeiten der Positionierung des Ressourcenmanagements .............................................................. 99 Zentrale Positionierung ................................................................... 99 Dezentrale Positionierung ............................................................. 102

5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6.

Erfolgs- und Einflussfaktoren .................................................... 104 Projektpriorisierung....................................................................... 104 Projekt- und Ressourcenplanung ................................................... 105 Projektdurchführung - Projektbezogene Ist-Zeiterfassung............ 106 Projektabschluss ............................................................................ 107 Laufbahnen im Projektmanagement.............................................. 108 IT-Infrastruktur.............................................................................. 108

6.

Fazit ............................................................................................... 109

94 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

1. Ressourcenmanagement – Grundlage einer erfolgreichen Budgetoptimierung und Königsdisziplin des Projektmanagements Insbesondere in wirtschaftlich angespannten Zeiten werden Projektbudgets vom Management oft kategorisch minimiert. Um einer Pauschalisierung entgegenzuwirken, muss einerseits an geeigneter Stelle der strategische und ökonomische Nutzen19 jedes einzelnen Projekts hinterfragt und aufgezeigt werden, andererseits bedarf es notwendiger Transparenz der Ressourcenplanung und -auslastung. Innerhalb des Projektmanagements nimmt das Ressourcenmanagement die Rolle einer Königsdisziplin ein. Das Ressourcenmanagement beantwortet dabei die Frage, welches Projekt in welchem Umfang mit welchen Mitarbeitern besetzt wird und wer über die entsprechenden Zuordnungen und Priorisierungen entscheidet. Dies bezieht sich auf zukünftige und momentan laufende Projekte. Die gleiche Frage kommt auf, wenn sich ein laufendes Vorhaben ungeplant in die Länge zieht. Dann sind die zugeordneten Mitarbeiter länger in dieser Tätigkeit gebunden als vorgesehen und können den neuen Projekten nicht wie geplant zur Verfügung stehen. Den Nachfolgeprojekten droht in diesem Fall eine Verzögerung, obwohl sie noch gar nicht initiiert wurden. Ressourcenmanagement bildet somit die Schnittstelle zwischen Projektund Linienorganisation. Es gibt Auskunft darüber, wie viele Projekte sich ein Unternehmen leisten kann bzw. leisten will. Das Ressourcenmanagement erweist sich in vielen Situation als zentraler Hebel; ermöglicht effektives Ressourcenmanagement in erster Linie die termingerechte Lieferung kontraktierter Leistungen, stellt es zudem die zentrale Schaltgröße zur Bestimmung der erforderlichen Mindestkapazitäten für ein auf Kostensenkung fokussiertes Unternehmen dar. Vor diesem Hintergrund liefert das Ressourcenmanagement zentrale Planprämissen, zum Beispiel auch für eine mittelfristige Liquiditäts- und Entschuldungsplanung. 1.1. Definition und Abgrenzung Allgemein bezeichnet Ressourcenmanagement die Steuerung der Ressourcennutzung zur Erreichung bestimmter Ziele unter Effizienzgesichtspunk19

Vgl. den vorhergegangenen Beitrag zur Jahres- und Vorhabenplanung, der verschiedene Bewertungsansätze vorstellt.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 95

ten. Drei elementare Arten von Ressourcen sind grundsätzlich unterscheidbar: Kapital, Güter und menschliche Arbeit. Dieser Artikel beschäftigt sich explizit mit den Steuerungsmöglichkeiten von Human-Ressourcen. Neben einer theoretischen Analyse werden dabei auch die Ergebnisse einer Unternehmensstudie verarbeitet.

2. Erfolgspotentiale Das Ressourcenmanagement weist vielfältige Erfolgspotentiale auf, die gleichsam die persönliche Situation des Mitarbeiters sowie den Erfolg des Unternehmens beeinflussen. In Großunternehmen mit einer Vielzahl an parallel laufenden Projekten genießt die unternehmensweite Transparenzerhöhung der Ressourcenallokation, also das Ressourcenmanagement im engeren Sinne, besondere Priorität. Hiermit kann die projektübergreifende Mitarbeitereinsatzplanung optimiert, Kapazitätsengpässe frühzeitig erkannt und Mitarbeiter optimal ausgelastet werden. Gleichzeitig wird eine flexible und kurzfristige Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen der Kapazitätsnachfrage ermöglicht. Die Minimierung von Überlastungen und Überkapazitäten führt zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation und eröffnet gleichzeitig Kostensenkungspotentiale. Darüber hinaus kommt dem Ressourcenmanagement die Aufgabe zu, dem Mitarbeiter individuell abgestimmte Tätigkeitsgebiete, Entwicklungschancen und Weiterbildungsmaßnahmen zukommen zu lassen. Damit wird die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen verbessert sowie eine langfristige Personalbindung erzielt. Im Weiteren kann ein unternehmensweit implementiertes Ressourcenmanagement die langfristige Personalplanung unterstützen. Bspw. kann eine Skill-Datenbank, in der die vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeiter den historisierten Skill-Anfragen gegenübergestellt werden, als Basis für zukünftige Stellenausschreibungen und -beschreibungen verwendet werden.20 Eine bedarfsorientiertere Personalplanung wird folgendermaßen ermöglicht:

20

Die Personalwirtschaftsmodule der gängigen ERP-Systeme bieten meist derartige Funktionen – so zum Beispiel das Modul HR in SAP R/3. Allerdings ist die Nutzung dieser Funktionalität in den Unternehmen erst am Anfang.

96 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

Erfolgspotentiale des Ressourcenmanagements i.e.S.

Erfolgspotentiale des Ressourcenmanagements i.w.S.

x Optimierung der Mitarbeitereinsatzplanung

x Reduktion der Personalkosten

x Erhöhung der Projektauslastung der Mitarbeiter x Frühzeitige Erkennung von Kapazitätsengpässen x Reduktion/Vermeidung von Überlastsituationen x Reduzierung von Projektkosten x Etablierung projekterfolgsabhängiger Vergütungssysteme x Harmonisierung paralleler Linien- und Projekttätigkeiten

x Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit x Reduzierung der Mitarbeiterfluktuation x Bereitstellung von neuen Laufbahnsystemen im Rahmen des Projektmanagements x Aufbau von KnowledgeRepository durch Verknüpfung des Projektmanagements mit dem Wissensmanagement x Transparenzerhöhung der unternehmensweiten Ressourcenallokation

x Zentrale Administration von Projektbeteiligten x Erhöhung der Projekterfolgswahrscheinlichkeit Abbildung 1: Gegenüberstellung der Erfolgspotentiale i.e.S. und i.w.S.

3. Organisatorische Einordnung des Ressourcenmanagements Die Bedeutung und Positionierung des Ressourcenmanagements hängt erheblich von der Intensität der Projektarbeit sowie der Organisationsstruktur des Unternehmens ab. Die überwiegende Zahl von Großunternehmen ist in der Form einer „Matrixorganisation“ aufgestellt. Dabei existiert unternehmensweit sowohl ein funktionsbezogenes als auch ein projektbezogenes Entscheidungssystem, in dem der Linienvorgesetzte und der Projektleiter parallel auf die Kapazitäten der Ressourcen zugreifen (vgl. folgende Abbildungen).

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 97

Topmanagement

Bereich 1

ProjektLeitung

Bereich 2

Bereich 3

Bereich x

Abt. 11

Abt. 21

Abt. 31

Abt. x1

Abt. 12

Abt. 22

Abt. 32

Abt. x2

Abt. 13

Abt. 23

Abt. 33

Abt. x3

Abt. 1n

Abt. 2n

Abt. 3n

Abt. xn

Projektbezogenes Entscheidungssystem

Funktionsbezogenes Entscheidungssystem

Abbildung 2: Matrixorganisation

Die Matrixorganisationsform ist in unterschiedlichen Ausprägungsstufen vorzufinden. So differieren die Regelungen der disziplinarischen und fachlichen Leitung sowie die Festlegung der Rollen und die Weisungsbefugnis hinsichtlich der Mitarbeiter sehr stark. Das Project Management Institute (PMI) unterscheidet neben der reinen funktions- und der reinen projektorientierten Organisation drei Stufen der Matrixorganisation (schwach, ausgeglichen, stark). In der schwachen Matrixorganisation stellt der Projektleiter einen Projektkoordinator dar, der geringe Befugnisse besitzt und lediglich den Projektablauf zwischen den Funktionseinheiten abstimmt. Die schwache Matrixorganisation trifft auf Unternehmen mit überwiegenden Linientätigkeiten und geringer Projektaktivität zu. Im Gegensatz dazu stehen starke Matrixorganisationen mit einem hohen Anteil an Projektarbeit und häufigen abteilungsübergreifenden Vorhaben. Der Projektleiter hat dabei sowohl Weisungs- wie auch Budgetbefugnisse. Die ausgeglichene Matrixorganisation bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. Ausgehend von den drei Abstufungen in der Matrixorganisation hat das Project Management Institute die in Abbildung 3 dargestellten Einflüsse auf die Projektarbeit durch die Organisationsstruktur festgestellt.

98 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

Matrixorganisation

OrganisationsStruktur

Funktionale Organisation

Schwach

Ausgeglichen

Stark

Reine ProjektOrganisation

Projekt Charakteristika

Befugnisse des Projektleiters

wenig bis keine

beschränkt

niedrig bis mittel

mittel bis hoch

hoch bis fast total

Anteil der Mitarbeiter, die zu 100% Projektarbeit leisten

fast keine

0-25%

15-60%

50-95%

85-100%

Rolle des Projektleiters

Teilzeit

Teilzeit

Vollzeit

Vollzeit

Vollzeit

Allgemeine Bezeichnung für die Rolle des Projektleiters

Projektkoordinator

Stab für das Projektmanagement

Teilzeit

ProjektProjektver- Projektleikoordinator antwortlicher ter

Teilzeit

Teilzeit

Vollzeit

Projektleiter

Vollzeit

Abbildung 3: Organisationsstruktur-Matrix

Auf das projektbezogene Ressourcenmanagement haben sowohl die Art als auch die Ausprägung der Organisation wesentlichen Einfluss. Vorteile einer ausgeprägten Matrixorganisation im Rahmen des Ressourcenmanagements sind u.a.: x die flexiblere Eingliederung von Mitarbeitern unterschiedlicher Abteilungen in Projekte. Hierdurch wird es ermöglicht, das Wissen von knapp vorhandenen Ressourcen (z.B. Know-How Trägern) in mehrere parallel laufende Vorhaben einfließen zu lassen. Die Kapazitäten der Mitarbeiter stehen sowohl der abteilungsbezogenen Linientätigkeit als auch für Projektaufgaben zur Verfügung. Kompetenzen im Unternehmen werden so effektiver genutzt.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 99

x die Möglichkeit, besser auf Mitarbeiterwünsche reagieren zu können und somit direkt die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen. Dies betrifft die bevorzugten Einsatzorte oder bestimmte fachliche Tätigkeiten. x die Schaffung eines dynamischen, innovativen Arbeitsumfeldes, das mit den Charakteristika von Projekten sehr gut harmoniert. Konfliktpotential bietet die Matrixorganisation insbesondere im Verhältnis zwischen der Linien- und der Projektleitung. Mehr als die Hälfte der Unternehmen einer aktuellen Befragung [Vgl. Campana & Schott 2002] gaben an, dass die geteilten Weisungsbefugnisse zwischen Linienverantwortlichen und Projektleitung häufig zu Problemen führen. Bei Unternehmen mit starker Matrixorganisation konnte jedoch eine Verminderung der Schwierigkeiten beobachtet werden. Im Rahmen einer fortgeschrittenen Projektkultur bestehen in diesen Unternehmen klare Vorgehensweisen für die Konfliktvermeidung und -auflösung zwischen der Projekt- und der Linienleitung. Rollen, Verantwortungen und Befugnisse werden durch standardisierte Vereinbarungen festgelegt.

4. Möglichkeiten der Positionierung des Ressourcenmanagements Innerhalb der beschriebenen unterschiedlichen Organisationsstrukturen kann das Ressourcenmanagement an verschiedenen Stellen des Unternehmens positioniert sein. So kann u.a. zwischen einer zentralen Positionierung des Ressourcenmanagements z.B. als Project Management Office oder einer dezentralen Zuordnung in der Linie, z.B. als Abteilungsleiter und direkter Vorgesetzter, unterschieden werden. Eine eindeutige Korrelation zwischen den drei Faktoren Unternehmensgröße, Matrix-Ausprägung und Positionierung des Ressourcenmanagements konnte im Rahmen einer Studie nicht ermittelt werden. [Vgl. Campana & Schott 2002] Die folgenden Abschnitte behandeln detailliert die verschiedenen Möglichkeiten der Positionierung des Ressourcenmanagements im Unternehmen. 4.1. Zentrale Positionierung Die Aufgaben eines zentralen Ressourcenmanagements können verschiedenen Stellen im Unternehmen übernehmen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Wahrnehmung des Ressourcenmanagements durch ein Pro-

100 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

ject Management Office (PMO), einer selbständigen Stelle/ Abteilung innerhalb des Unternehmens oder einem unternehmensweiten AssignmentManager. In Unternehmen, in denen bereits ein PMO aufgebaut wurde, dient dieses als zentrale Anlaufstelle für das Projektmanagement. Es gewährleistet die Einhaltung vorhandener PM-Prozesse, die Unterstützung einzelner Projekte bei PM-spezifischen Herausforderungen/Fragestellungen, die Bereitstellung einer technischen PM-Infrastruktur und u.a. auch das Ressourcenmanagement. Je nach Aufwand und Dauer eines Projekts wird bei einigen Unternehmen ein temporäres PMO zur Unterstützung von Projekten eingerichtet, da der Umfang des Vorhabens durch einen Projektleiter nicht bewältigt werden kann. Ein vorübergehend eingerichtetes PMO, das für das Projektmanagement eines einzelnen Großprojekts zuständig ist, kann die projektübergreifende Aufgabe des Ressourcenmanagements nicht übernehmen. Wird das Ressourcenmanagement als selbstständige Stelle innerhalb der Organisation eingerichtet, übernimmt eine Abteilung ausschließlich die unternehmensweite Verwaltung, Überprüfung und Regelung der Einsätze sowohl der Mitarbeiter als auch der materiellen Ressourcen. Weitere Aufgaben des Projektmanagements übernimmt diese Abteilung nicht. Eine andere Möglichkeit ist die Etablierung eines unternehmensweiten Assignmentmanagers oder -brokers. Er dient als Mittelsmann zwischen den Projektleitern und den Abteilungsleitern in der Linienorganisation, der die Fähigkeitsprofile der Mitarbeiter mit den entsprechenden Aufgaben unternehmensweit abgleicht und eine Zuordnung auf Basis der Auslastung und der Qualifikation vornimmt. Damit übernimmt der Assignmentmanager vorwiegend die Aufgabe der Ressourcenallokation. Weitere Teilaufgaben des Ressourcenmanagements, bspw. Personalentwicklung oder Lösung von Ressourcenkonflikten, können von ihm nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Die zentrale Positionierung des Ressourcenmanagements kann insbesondere bei mittelständischen Unternehmen mit einem hohen Anteil an Projektarbeit festgestellt werden. Beispielhaft für diese Form der Organisation ist der nachfolgend dargestellte Prozessablauf.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 101

II Priorisierung und Budgetierung des Projektportfolios

Ressourcenanfrage

ggfs. Konflikteskalation

IV Abgleich der Anforderungsprofile und Verfügbarkeiten

(VII) Klärung projektübergreifender Ressourcenüberlastungen

Lenkungsausschuss

zentrale Ressourcenverantwortliche

V Zuordnung und Freigabe der Mitarbeiter

III Projektplanung und Definition des Ressourcenbedarfs

VI a Anpassung der Projektplanung und Ressourceneinlastung

I Äußerung von Einsatzwünschen

VI b Mitteilung der Einlastung

Projektleiter

Mitarbeiter/ Abteilungsleiter

Abbildung 4: Prozessablauf des Ressourcenmanagements

1. Im Rahmen der Projektplanung wird die Aufwandsschätzung und Terminplanung der verschiedenen Aufgabenpakete durch den Projektleiter oder in Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter vorgenommen. 2. Die Planung erfolgt zunächst mit Hilfe von „generischen Ressourcen“. In Ausnahmefällen werden aber auch in dieser Phase bereits bestimmte Mitarbeiter, z.B. Experten oder Know-how-Träger, namentlich genannt. 3. Im Anschluss richtet der Projektleiter seine Ressourcenanfrage an die für das Ressourcenmanagement verantwortliche Stelle im Unternehmen. Dort werden die Mitarbeiter, auf Basis von Verfügbarkeit und Qualifikation, den Projekten zugeordnet. 4. Die Zuordnung findet bei unkritischer Auslastung der Mitarbeiter meist ohne Absprache statt. Manche Unternehmen berücksichtigen bei der Mitarbeiterzuordnung bereits besondere Wünsche hinsichtlich zukünftiger Projekteinsätze. 5. Im Anschluss erhalten Projektleiter und Mitarbeiter durch die Ressourcenmanagement-Verantwortlichen Nachricht hinsichtlich der vorgenommen Zuordnungen/Einlastungen. Auf Basis dieser Informationen muss/kann der Projektleiter seine Projektplanung aktualisieren und abschließen. Sowohl im Rahmen der Ressourcenanfrage als auch während der Projektdurchführung kann es zu Problemen kommen. In der Projektplanungsphase entstehen Schwierigkeiten, wenn keine ausreichenden Personalkapazitäten bzw. nicht die adäquaten Qualifikationsprofile zur Verfügung stehen. Während der Projektrealisierung entstehen Konflikte durch Ungenauigkei-

102 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

ten bei der Aufwands- und Terminplanung, die sich in Soll/Ist-Abweichungen äußern. Diese Situation wird besonders forciert, wenn Mitarbeiter gleichzeitig in mehreren Projekten eingesetzt werden. Im Rahmen der unternehmensweiten Ressourcenallokation ist die Konfliktlösung sowohl in der Planungsphase als auch während der Projektdurchführung eine Aufgabe des zentralen Ressourcenmanagements. Oftmals wird zunächst versucht, eine informelle Lösung durch Vermittlung zwischen den verschiedenen Projektleitern und dem Abteilungsleiter zu finden. Wird keine Lösung erzielt, erfolgt eine Eskalation an entsprechende Gremien, wie z.B. Lenkungsausschuss o.ä.. Die Stelle des Ressourcenmanagements liefert entsprechende Entscheidungsvorlagen und versorgt die Gremien mit der notwendigen Datengrundlage (Auslastungsinformationen usw.). Schwierigkeiten bei der Konfliktlösung treten insbesondere durch fehlende/unstandardisierte oder nicht aktuelle Projektpriorisierungen, sowie entsprechend unfundierte Ad-Hoc Entscheidungen auf. 4.2. Dezentrale Positionierung Bei einer dezentralen Positionierung des Ressourcenmanagements liegt die Verantwortung für die Zuordnung der Mitarbeiter exklusiv beim Abteilungsleiter/ Vorgesetzen der Linienorganisation. Die Weisungsbefugnisse der Projektleiter und Linienvorgesetzten gegenüber den Mitarbeitern variiert in ihrer Gestaltung sehr stark. Resultierend aus der Matrixorganisation und dem Fehlen einer unabhängigen abteilungs- und projektübergreifenden Stelle treten häufig Konflikte bei der Ressourcenverteilung und beim Ressourcenzugriff auf. Anders als beim zentralen Ressourcenmanagement sind bei der dezentralen Positionierung weniger Unterschiede hinsichtlich der für das Ressourcenmanagement verantwortlichen Stellen vorhanden. Die Differenzierungsmerkmale liegen vielmehr in der Gestaltung des Anfrage- sowie des Zuordnungsprozesses. Im Folgenden sollen analog zum vorherigen Abschnitt beispielhafte Ressourcenmanagement-Prozesse dargestellt werden. Aufgrund der vielen Variationen wird an dieser Stelle auf eine grafische Darstellung des Prozesses verzichtet. Zunächst werden Aufwandsschätzung und Terminplanung der verschiedenen Aufgabepakete durch den Projektleiter oder durch zusätzliche Expertenbefragungen vorgenommen. Den Aktivitäten werden dann namentlich bekannte Wunschmitarbeiter bzw. Qualifikationsprofile zugeordnet. Der Ressourcenanfrageprozess kann dabei auf stark unterschiedliche Weise stattfinden.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 103

1. Oftmals richtet der Projektleiter seine Ressourcenanfrage direkt an die Abteilung des entsprechenden Wunschmitarbeiters bzw. an den Bereich mit der entsprechenden Kompetenz. Dort wird die Anfrage entweder von dem Abteilungsleiter oder dem direkten Vorgesetzten bearbeitet. 2. Auch toolseitige Lösungen lassen sich in der Praxis zunehmend beobachten. Dabei werden anonymisierte Skillanforderungen gegen verfügbare Ressourcenkapazitäten gematched. 3. Technisch weniger aufwändig ist die Durchführung von Planungsrunden innerhalb eines Gremiums, z.B. bestehend aus Projektleitern, Auftraggebern sowie aus Vertretern der am Projekt beteiligten Fachabteilungen. Innerhalb dieser Runde stellt der Projektleiter die Ergebnisse der Projekt- und Ressourcenplanung vor. Häufig wird bereits innerhalb des Projektantrages, d.h. vor dem eigentlichen Projektstart, eine grobe Abschätzung der benötigten Ressourcen auf Skill-Basis vorgenommen sowie im Rahmen der Projektfreigabe durch die beteiligten Personen bewilligt. In diesen Runden finden Abstimmungen zwischen dem Projektleiter und den Abteilungsleitern hinsichtlich nachgefragter und vorhandener Kapazitäten statt. Wichtiges Kriterium ist dabei insbesondere die Priorisierung des betreffenden Projekts innerhalb des Gesamtportfolios des Unternehmens. Eine Dokumentation der Ergebnisse sowie die kurzfristige Kommunikation an die direkten Linienvorgesetzten können bereits im Vorfeld Konflikte vermeiden. 4. Die Zuordnung der Mitarbeiter zu Projekten kann darüber hinaus durch persönliche Kontakte und Netzwerke innerhalb der Organisation abgewickelt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Fähigkeiten und Projekterfahrungen der einzelnen Mitarbeiter untereinander bekannt sind. Der Projektleiter wendet sich in diesem Fall direkt an die entsprechenden Wunschmitarbeiter. Eine Mitteilung an den Linienvorgesetzten findet nicht zwangsläufig bereits vor der Zuordnung statt. Probleme treten insbesondere dann auf, wenn der entsprechende Vorgesetzte gleichzeitig die Einsatzplanung des Mitarbeiters vornimmt bzw. aufgrund des Fehlens einer Informationsbasis mit freien Verfügbarkeiten des Mitarbeiters rechnet. Ein solches, wenig standardisiertes Vorgehen sollte nur in relativ überschaubaren Organisationen bzw. Abteilungen durchgeführt werden. Als alleiniger Ansatz zur Einlastung der Mitarbeiter ist diese Möglichkeit daher nur beschränkt nutzbar, ergänzt aber in allen Unternehmen den Prozess der Ressourcenzuordnung. Spiegelbildlich hierzu kann eine kollegiale Informations- und Kommunikationsebene zwischen den verschiedenen Abteilungen nicht vollständig durch standardisierte Vorgehensweisen ersetzt werden.

104 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

Wie auch bei der zentralen Positionierung des Ressourcenmanagements erfolgt erst nach endgültiger Zuteilung der Ressourcen die Vervollständigung und Fertigstellung der Projektplanung durch den Projektleiter. Dieses Vorgehen ist unabhängig von der Form des Ressourcenzuordnungsprozesses. Konflikte sowohl bei der Ressourcenzuordnung als auch bei Überlastung werden zwischen Mitarbeiter, Projekt- und Abteilungsleiter gelöst. Als Anlaufstelle für Eskalationen bei Ressourcenkonflikten dient oftmals ein Lenkungsausschuss oder ein ähnliches Gremium. Hier wird in Abstimmung mit den Projekt- und Abteilungsleitern eine Lösung des Konfliktes gesucht. Wie auch bei einer zentralen Positionierung der Mitarbeiterverwaltung erschwert eine fehlende Projektpriorisierung die Konfliktbeseitigung.

5. Erfolgs- und Einflussfaktoren In den folgenden Abschnitten werden Einflussfaktoren des Ressourcenmanagements dargestellt, die unabhängig von der Organisationsstruktur der Unternehmen sind. 5.1. Projektpriorisierung Wie bereits in den vorherigen Abschnitten angedeutet, nimmt die Priorisierung von Projekten einen entscheidenden Einfluss auf das Ressourcenmanagement. Das Vorhandensein eines definierten Priorisierungsprozesses21 hat auf das Ressourcenmanagement sehr große Auswirkungen, da Projektpriorisierungen bei der Konfliktlösung von parallel laufenden Ressourcenanfragen für die gleichen Ressourcen innerhalb der initialen Ressourcenzuteilung relevant ist. Zudem wird die Lösung von Konflikten aufgrund von Überlastungssituationen, die durch gleichzeitiges Einsetzten von Mitarbeitern auf unterschiedliche Projekte entstehen kann, unterstützt. Darüber hinaus können offen kommunizierte Projektprioritäten zu einer Fokussierung aller am Vorhaben beteiligten Stakeholder dienen. Die Kommunikation von Projektprioritäten und die damit verbundene Transparenzerhöhung sorgen zudem für höhere Akzeptanz von ggfs. unpopulären Entscheidungen. Als indirekt hilfreich kann sich die Projektpriorisierung auch bei klassischen Matrix-Problemen zwischen Linien- und Projektmanagement erweisen. So berichteten Unternehmen, dass eine regelmäßig einberufene 21

Vgl. den vorhergegangenen Beitrag, der Ansätze zur Projektpriorisierung im Rahmen der Jahres- und Vorhabenplanung beschreibt.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 105

Planungsrunde auf höherer Managementebene, meist eine Art Projektportfolio Board, in dessen Rahmen eine Priorisierung der geplanten und laufenden Projekte durchgeführt wurde, für eine Reduzierung der klassischen Matrix-Konfliktsituationen sorgt. Die Involvierung aller Beteiligten in den Priorisierungsprozess stärkt die Akzeptanz und verbessert die gemeinsame Zielausrichtung. 5.2. Projekt- und Ressourcenplanung Aufwandsschätzungen Verfahren der Projektplanung können sich stark unterscheiden. Branchenund abteilungsunabhängig werden rein terminorientierte oder aufwandsbasierte Pläne entworfen. Grundlage eines effizienten Ressourcenmanagements ist jedoch die aufwandsbasierte Planung, die Termine und Dauer auf Basis der erforderlichen Aufwende und der vorhandenen Kapazitäten ermittelt. Nur eine aufwandsbasierte Planung liefert die Datengrundlage für eine übergeordnete Kapazitäts- und Auslastungsplanung. Das Thema Aufwandsschätzung wird in der Praxis unterschiedlich angegangen. Es kann im Wesentlichen zwischen den folgenden Verfahren unterschieden werden: 1. Projektleiterschätzung: Hier nimmt ausschließlich der Projektleiter die Aufwandsschätzung vor – ein Verfahren, das besonders häufig angewendet wird. 2. Expertenbefragungen: Dies bedeutet, dass Mitarbeiter befragt werden, die die notwendige fachliche Qualifikation für eine Bewertung aufweisen und für die spätere Bearbeitung der jeweiligen Aktivitäten in Frage kommen. 3. Schätzkonferenzen: Dabei handelt es sich um eine Erweiterung der Expertenbefragungen. Die Schätzkonferenz umfasst die Bewertung einzelner Aufgabenpakete durch mehrere Personen. 4. Algorithmen: Wenig verbreitet sind aufwändige algorithmische Schätzmethoden, wie bspw. die Function Point Methode.

106 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

Generische Ressourcen22 Unter „generischen Ressourcen“ versteht man Ressourcenprofile, z.B. HTML-Programmierer oder Vertriebsmitarbeiter. Diese werden oftmals in einer frühen Phase der Projektplanung an Stelle tatsächlicher Ressourcennamen verwendet. Im Rahmen der Ressourcenanfrage werden die Anforderungsprofile dann mit den vorhandenen und verfügbaren Ressourcen abgeglichen. Generische Ressourcen werden v.a. dann eingesetzt, wenn Ressourcenanfragen bereichsübergreifend stattfinden. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die das Ressourcenmanagement zentral positionieren. Diese Vorgehensweise verhindert, dass bestimmte Ressourcen aufgrund ihrer bereits bekannten hohen Qualifikation und hohen Sympathie permanent angefragt werden. Ressourcenkonflikte können so besser vermieden werden. Darüber hinaus kann im Rahmen einer rollierenden Planung die konkrete Benennung von Ressourcen sowie die terminliche Einlastung hinausgezögert werden. Zunehmend kann der Einsatz von Skilldatenbanken zur Verwaltung der Mitarbeiterprofile beobachtet werden, wobei die Art der verwalteten Daten zwischen verschiedenen Unternehmen stark variiert. In Skilldatenbanken können die Fähigkeiten jedes Mitarbeiters in standardisierten Kategorien nach verschiedenen qualitativen Einstufungen (z.B. Grundkenntnisse bis Expertenwissen) hinterlegt werden. Für die Validität und Aktualität der Profile ist zumeist der Mitarbeiter selbst in Absprache mit dem Vorgesetzten verantwortlich. Selten übernimmt das Ressourcenmanagement bzw. das Personalwesen die Pflege der Daten. In den Unternehmen mit zentralem Ressourcenmanagement basiert die Zuordnung der Mitarbeiter zu bestimmten Tätigkeiten auf zentralen Skilldatenbanken. Anzumerken ist hierbei, dass Skilldatenbanken in Großunternehmen aufgrund von Einwänden des Betriebsrats nur selten eingeführt werden. 5.3. Projektdurchführung - Projektbezogene Ist-Zeiterfassung Ergänzend zur aufwandsbasierten Planung spielt die Erfassung der projektspezifischen Arbeitszeiten im Ressourcenmanagement und im Projektcontrolling eine wichtige Rolle, um Soll/Ist-Auswertungen durchführen zu können.

22

Ausgewählte Projektmanagement-Systeme bieten bereits Funktionen, die das Konzept der Generischen Ressourcen abbilden – so zum Beispiel Microsoft Project oder das SAP-Modul xRPM. Allerdings steht auch hier die Nutzung einer solchen Funktionalität erst am Anfang, mit schnell steigender Tendenz.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 107

Toolseitig kommen hier neben standardisierten Lösungen (SAP, MS Project) oft Eigenentwicklungen zum Einsatz. Art und Umfang der erfassten Daten variiert von Unternehmen zu Unternehmen: Abhängig von der Branchenzugehörigkeit werden neben der Anzahl der geleisteten Stunden in Professional Services Unternehmen zudem qualitative Kommentare für die einzelnen Tätigkeiten erfasst, um so die Transparenz des Geleisteten gegenüber dem Kundenunternehmen zu erhöhen. Die Generierung von abrechnungsrelevanten Daten hat einen großen Einfluss auf die Akzeptanz solcher Lösungen. Eine detaillierte Zeiterfassung birgt die Gefahr, als Kontrollmechanismus wahrgenommen zu werden. Gleichermaßen relevant ist die Berücksichtigung des Betriebsrats, der in Großunternehmen oft die Einführung solcher Zeiterfassungssysteme verhindert. Dies geschieht meist vor dem Hintergrund einer befürchteten Leistungskontrolle der Mitarbeiter. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zeiterfassung die Basis für eine effiziente Kosten- und Fortschrittsverfolgung darstellt. Bspw. lassen sich im Rahmen einer Lessons-learend-Betrachtung Ist- und Plan-Daten der Aufwende vergleichen und ggfs. Ursachen der entstandenen Diskrepanzen evaluieren. Die Historisierung solcher Informationen kann, im Rahmen des Knowledge-Managements bereits genutzt, schon mittelfristig zu einer verbesserten initialen Ressourcen-, Aufwands-, und Projektplanung führen. 5.4. Projektabschluss Auch die Implementierung formalisierter Projektabschlussprozesse ist in Unternehmen sehr uneinheitlich realisiert. Während Lessons Learned Betrachtungen durchaus zum Standard gehören, werden die Mitarbeiterprofile nach Projektabschluss nur in Ausnahmefällen aktualisiert. Üblicherweise werden die vorhandenen Profile unregelmäßig durch den Mitarbeiter selbst um neue Informationen erweitert oder im Nachgang von jährlich stattfindenden Mitarbeitergesprächen aktualisiert. Dies kann ggfs. zu Planungsfehlern bei zukünftigen Projekten, Programmen oder Projektportfolios führen.

108 Alexander v. Steinbüchel, Boris Ovcak

5.5. Laufbahnen im Projektmanagement23 Die Möglichkeit für Mitarbeiter im Bereich des Projektmanagements, eine in Form eines Karrierepfades definierte Laufbahn zu beschreiten, ist in Unternehmen noch selten vorhanden. Allerdings ist die Etablierung von Projektleiterpools eine Tendenz, die seit einigen Jahren in zarten Anfängen beobachtet werden kann. Dies bedeutet, dass der Projektleiter keine andere Funktion/Tätigkeit als die des Projektleiters ausfüllt – Linienaufgaben sind vollkommen ausgeschlossen. Eine höhere Hierarchiestufe innerhalb des Karrierepfades lässt sich dann z.B. anhand der Höhe von Projektbudgets, über die ein Projektleiter verfügen darf, ablesen. Projekterfolgsabhängige Vergütungssysteme stellen eine weitere Komponente dieses Konzeptes dar. Der Aufbau alternativer PM-Karrierelaufbahnen wird jedoch in der Zukunft eine der Herausforderungen des Projektmanagements und der Personalentwicklung sein und in seiner letzten Konsequenz zu einer Institutionalisierung des Projektmanagements führen. Hierdurch wird die Bedeutung, die Akzeptanz und der Nutzen von einem Management von Projekten in Unternehmen gefestigt. Die Schaffung einer Projektmanagerlaufbahn wird somit zu einem zentralen Meilenstein in der Etablierung einer unternehmensweiten Projektmanagementkultur. 5.6. IT-Infrastruktur Es existieren eine Vielzahl von Software-Lösungen zur Unterstützung der Ressourcen- und Projektplanung. Ein elementarer Erfolgsfaktor ist die einheitliche Nutzung eines Tools im gesamten Unternehmen, da auf diese Weise die Vergleichbarkeit von Projekten bzw. Projektverläufen erheblich gesteigert wird. Hinderungsgründe für eine Vereinheitlichung sind in erster Linie fehlende Bedienerfreundlichkeit, persönliche Präferenzen einiger Mitarbeiter für bestimmte Tools oder fehlendes Know-How der für die PM-Toolauswahl verantwortlichen Stellen bezüglich der Nutzungsmöglichkeiten einzelner Tools. Vorrangig werden in der Praxis auf der Projektplanungsebene MS Excel und MS Project in verschiedenen Versionen verwendet. Seltener befinden sich Artemis, Chestra, Planta, Primavera und SAP-PS im Einsatz. In die meisten der oben genannten Produkte ist die Ressourcenverwaltung integ23

Vgl. ausführlicher „Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung“ im vorliegenden Band.

Ressourcenmanagement und Budgetoptimierung 109

riert. In einigen Unternehmen werden zusätzlich eigenentwickelte Datenbank- oder Spreadsheet-Lösungen im Ressourcenmanagement verwendet. Für das Projektcontrolling befinden sich in der Hälfte der befragten Unternehmen SAP-Anwendungen im Einsatz, die teilweise Schnittstellen zu den Projektplanungstools besitzen. Vollkommen integrierte Lösungen, die Daten der Projektplanung und der Finanzbuchhaltung zusammenführen und in einem automatisierten Berichtswesen darstellen, existieren jedoch nur selten. Dabei handelt es sich überwiegend um Individualentwicklungen, da Standardlösungen nur selten vorhanden sind bzw. nicht den Bedürfnissen der Unternehmen entsprechen. Die Kommunikation in den Projektteams wird intensiv durch die im Unternehmen verwendete Email- und Groupware-Software unterstützt. Diese waren nahezu ausschließlich die Anwendungen Lotus Notes oder MS Outlook.

6. Fazit Ressourcenmanagement zielt auf den effizienten Einsatz von Ressourcen in Projekten. Es schafft Transparenz in der aktuellen und zukünftigen Ressourcenallokation und bildet somit die Grundlage für eine erfolgreiche Budgetoptimierung. Erfolgspotentiale des Ressourcenmanagements finden sich sowohl bei Betrachtung eines einzelnen Projekts (Reduktion der Projektkosten) als auch bei Betrachtung des gesamten Unternehmens (Reduktion der Personalkosten durch Straffung des Projektportfolios), die aufgrund direkter und indirekter Wirkungszusammenhänge erschlossen werden können. Organisatorisch kann Ressourcenmanagement sowohl zentral als auch dezentral in Unternehmen verankert werden. Neben Organisationsstruktur und Intensität der Projektarbeit im jeweiligen Unternehmen stellen die etablierten Prozesse für die verschiedenen Projektphasen sowie der Standardisierungsgrad und die vorhandene IT-Infrastruktur des Projektmanagements wichtige Einflussfaktoren für eine zweckmäßige Ausgestaltung des Ressourcenmanagements dar. Ressourcenmanagement bedarf somit einer besonderen Beachtung und Betrachtung durch das Top-Management: sowohl bei der Einführung des Ressourcenmanagements wie auch bei der laufenden Verfolgung der aktuellen Ressourcenauslastung.

Teil III: Die Aufgaben des Managements bei der Erfolgssicherung von Projekten

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling Anna Adler und Ralf Sedlaczek

1.

Veränderte Rahmenbedingungen erfordern Multi-Projektmanagement ......................................................... 114

2.

Unterschiede und Zusammenhänge der Projektmanagement-Methoden.................................................. 115

3.

Gründe für Erfolg und Misserfolg von Multi-Projektmanagement ......................................................... 117

4.

Erfolgsfaktoren bei der Durchführung von Multi-Projektmanagement ......................................................... 118 Aktive Unterstützung des Top-Managements als Promotor.......... 119 Schaffung der notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen ..................................................................... 119 Die Rolle des Multi-Projektmanagers ........................................... 120 Valider Input der vorangehenden Prozesse ................................... 121 Kompetente und konsequente Umsetzung der definierten Aufgaben ....................................................................................... 121 Risiken bei der Durchführung von Multi-Projektmanagement ............................................................. 122

4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6.

5. 5.1. 5.2.

Weitergehende Aspekte des Multi-Projektmanagements ........ 123 Dokumentation und Fixierung der strategischen Ziele.................. 123 Abgleich zwischen Strategie und Tagesgeschäft........................... 124

6. 6.1. 6.2.

Implementierung der Rolle des Multi-Projektmanagers......... 126 Die Aufgaben eines Multi-Projektmanagers ................................. 127 Qualifikation des Multi-Projektmanagers ..................................... 130

7.

Fazit: Strategiebeitrag durch MPM - ja oder nein?.................. 131

114 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

1. Veränderte Rahmenbedingungen erfordern Multi-Projektmanagement Vom Markt und von den Wettbewerbern geht ein besonderer Druck zur Veränderung der betrieblichen Strukturen aus. Durch die Einführung neuer Projektmanagementstrategien und -werkzeuge versuchen viele Unternehmen, sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Das Multiprojektmanagement (MPM) ist in diesem Zusammenhang eine Methode, die nachhaltig zur Sicherung des Projekterfolgs eingesetzt werden kann. Primäres Ziel des MPM ist die erfolgreiche Realisierung der richtigen strategischen Ideen. Das bedeutet, dass aus dem gesamten Bündel an Projekten nur diejenigen detailliert geplant werden, die aufgrund vorhergehender Bewertung und Priorisierung den größten strategischen Nutzen für das Unternehmen bieten. Ab einer gewissen Anzahl von parallelen Vorhaben ist die Betrachtung des gesamten Projektportfolios also zielführender als die Planung und Analyse auf Einzelprojektebene. Eine zentrale Umsetzungsmöglichkeit kann in der Einsetzung eines Multi-Projektmanagers liegen. So liegt denn auch ein Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags in der Ausgestaltung, wie und unter welchen Umständen die Rolle des Multi-Projektmanagers zu etablieren ist. Durch die Einführung von MPM erhält das Unternehmen die Möglichkeit, die Transparenz über das laufende Projektportfolio deutlich zu erhöhen. Strategisch irrelevante Projekte werden nicht initiiert. Parallel laufende Projekte, die um die gleichen Ressourcen (Mitarbeiter, Experten, Budgets, Maschinen etc.) konkurrieren,24 können zeitlich versetzt durchgeführt werden. Verdeckte Schwachstellen, Synergieeffekte sowie die Wirtschaftlichkeit des Portfolios werden durch diese ganzheitliche Methodik aufgezeigt. Darüber hinaus ermöglicht es MPM, die Kluft zwischen der strategischen Gesamtausrichtung des Unternehmens und dem operativen Tagesgeschäft zu schließen. Allein eine übergeordnete Planungs- und Controllinginstanz ist in der Lage, dies zu leisten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die strategischen Ziele zwar definiert werden, aber in operativer Ebene nicht umgesetzt werden können. Das MPM schließt in diesem Sinne an die Jahresplanung an:25 Während die Jahresplanung initial zur Bildung eines Projektportfolios sorgt, wird mit dem Multi-Projektmanagement das Projektportfolio kontinuierlich ak24 25

Vgl. den vorgehenden Beitrag vertiefend zum Ressourcenmanagement. Vgl. den Beitrag „Die Jahres- und Vorhabenplanung“ im vorliegenden Band.

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 115

tualisiert und ggfs. umgeplant, um so laufend die strategischen Unternehmensziele mit den operativen in Einklang zu bringen. Dynamische Veränderungen der Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die wechselnde Anforderungen von Märkten oder einzelnen Kunden oder neue gesetzliche Auflagen können auf diese Weise abgebildet werden. In der Literatur und in den Unternehmen selbst wird der Begriff MultiProjektmanagements häufig synonym zu weiteren Management-Ansätzen (z.B. Projektportfolio-Management oder Programm-Management) verwendet. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, wird im folgenden Abschnitt eine begriffliche Abgrenzung vorgenommen.

2. Unterschiede und Zusammenhänge der Projektmanagement-Methoden Ausdrücke wie Mehrprojektmanagement, Projektportfolio-Management und Programm-Management werden im Projektmanagement-Umfeld häufig synonym mit dem Begriff Multi-Projektmanagement verwendet. Für eine klare inhaltliche Abgrenzung der Methoden ist es zunächst wichtig, die einzelnen Begriffe eindeutig voneinander zu trennen. Teilweise existieren erhebliche Differenzen zwischen den Management-Konzepten.

Multiprojekt-Management Bereichsleitung

Projektleitung

Programm-Management ProjektPlanung

ProjektControlling

Ressourcen-Management

Unternehmensleitung

Projektportfoliosicht

Einzelprojektsicht

Abbildung 1: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Management-Methoden

116 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

Der Begriff Multi-Projektmanagement, früher vor allem auch als Mehrprojektmanagement bezeichnet, grenzt sich im wesentlich ab vom Einzelprojektmanagement. Multi-Projektmanagement ist zunächst ein Sammelbzw. Oberbegriff, der ganz allgemein vor allem im Zusammenhang steht mit: x Planung u. Steuerung der Summe aller Projekte in einem Unternehmen. x Inhaltlicher Abstimmung zwischen den Projekten. x Projektauswahl nach einheitlichen Kriterien und strategischen Gesichtspunkten. x Organisatorischer Abstimmung zwischen konkurrierenden Ressourcen. x Mitgestaltung der unternehmensorganisatorischen Rahmenbedingungen. Ein wichtiger Bestandteil des MPM ist das Programm-Management. Ein Programm ist ein langfristiges Vorhaben - bestehend aus einer Anzahl in Beziehung stehender Projekte -, das von einer übergeordneten Organisationseinheit verantwortet wird. Programm-Management legt den Schwerpunkt auf die thematische Ausrichtung der Projekte und die Unterstützung möglicher Synergien. Projekte können dabei funktional (z.B. Vorhaben einer Softwareentwicklungs-Abteilung) oder nach der Zielsetzung (z.B. alle Projekte im Rahmen eines unternehmensweiten Restrukturierungsprogramms oder alle Projekte bis zur Markteinführung eines neuen Produktes) zusammengefasst werden.26 Herzstück des Multi-Projektmanagements ist das Projektportfolio-Management. Dies umfasst die strategische Sicht auf ein Projektportfolio und enthält die Prozesse zwischen Projekten: 1. Die Projektportfolio-Prozesse (insbesondere Projektportfolio-Initiierung, Projektportfolio-Planung und Projektportfolio-Steuerung/-Controlling) definieren die Ausrichtung, Planung, Steuerung und Anpassung aller Projekte eines Portfolios. 2. Das Projektportfolio-Management basiert im Einzelnen auf iterativen bzw. zyklischen Priorisierungs-, Entscheidungs- und Steuerungsprozessen.

26

Vgl. zur Weiterführung und näheren Beschreibung das gesonderte Kapitel zum Programm-Management.

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 117

3. Gründe für Erfolg und Misserfolg von Multi-Projektmanagement Unternehmen, die sich für eine Einführung, Optimierung oder Neuausrichtung von MPM entscheiden, stehen vor einem Veränderungsprozess, der das gesamte Unternehmen betrifft. Insbesondere das organisatorische und „politische“ Gleichgewicht kann erheblich durch dieses Instrument verändert werden. Entscheidend in der Einführungsphase, auf die hier nur kurz eingegangen wird, ist eine sorgfältige Ist-Analyse des Unternehmens, die Identifikation bestehender Handlungsbedarfe und die Explizierung der Unternehmenserwartungen. Auch über die gewünschte Form der Zentralisierung der Koordinationsaufgaben und die dahinter stehende ManagementPhilosophie muss geklärt werden. Hierauf aufbauend müssen die Ziele für die MPM-Ausrichtung im Unternehmen erarbeitet werden. Mögliche Gestaltungsoptionen, die sich aus den o.a. Unterscheidung ergeben, sind: x x x

x

Soll ein Projektportfolio-Management eingeführt werden? Und wenn ja, in welchen Unternehmensbereichen? Soll ein Programm-Management eingeführt werden? Und wenn ja, um welche Projekte zusammenzuführen? Soll nur ein verhältnismäßig schwaches Multi-Projektmanagement eingeführt werden, das lediglich aus einem übergeordneten Projektcontrolling/-Reporting besteht? Welche Formen der IT-Unterstützung27 sollen realisiert werden?

Die so gewonnenen Zielformulierungen bilden die Grundlage für die Aufgaben und Ergebnisse des MPM. Sie dienen auch zur Kommunikation mit allen Beteiligten, um diese über Ziele, Nutzen und die Notwendigkeit der Veränderungen im Unternehmen frühzeitig zu informieren. Es entstehen so je nach Unternehmenssituation individuelle Schwerpunkte des MPM. Beispiel 1: Ein Unternehmen verfügt bereits über eine langjährige Projektmanagement-Erfahrung, hat aber in der vergangenen Zeit immer mehr Probleme, die wachsende Anzahl der Projekte im Blick zu behalten. Da es dem Top-Management nicht wie bisher möglich ist, die Projekte im Einzelnen selbst zu beobachten, benötigt es aussagekräftige Analysen der Ist27

Durch die Integration eines operativen Projektmanagement-Systems mit einem strategischen Projektportfolio-Management-System können umfassende Lösungen realisiert werden; viel versprechend sind zum Beispiel Kombinationen aus SAP xRPM (unternehmensweit) und MS Project (bereichsweit).

118 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

Situation als Grundlage für weitere Entscheidungen. Das Top-Management möchte zudem die einzelnen Projekte stärker an der strategischen Entwicklung des Unternehmens ausrichten und die Gestaltung der Projektlandschaft als Steuerungswerkzeug einsetzen. Beispiel 2: In einem anderen Unternehmen gibt es regelmäßig Konflikte zwischen einzelnen Projekten und am Ende eines Jahres fällt auf, dass bestimmte Arbeiten, ohne Wissen voneinander, doppelt erledigt oder Ergebnisse aus vorangegangenen Projekten nicht genutzt wurden. Das Ziel dieses Unternehmens ist es, Projekte gesamtheitlich effizienter durchzuführen - vor allem durch ein verbessertes Wissensmanagement und die Nutzung von Synergieeffekten. Die immer wieder auftretenden Konflikte, vor allem im Bereich des Ressourcenmanagements, sollen durch eine neutrale Stelle betreut und moderiert werden. Wie man bereits an diesen beiden Beispielen gut sieht, können sich die Schwerpunkte des MPM von Unternehmen zu Unternehmen stark unterscheiden. Die hiermit verbundenen Erwartungen und Ziele, an denen ein späterer Erfolg oder Misserfolg gemessen wird, müssen allen Beteiligten als Grundlage der weiteren Arbeit bekannt sein. Um die Gründe für Erfolg oder Misserfolg von MPM in einem Unternehmen zu untersuchen, muss eine fundierte Betrachtung von Erfolgsfaktoren und Risiken erfolgen. Dies ist notwendig, damit sich bei der Einführung alle Beteiligten auf die wesentlichen Punkte konzentrieren können und so die erhofften Nutzenpotentiale erreicht werden. Abhängig von der vorab erarbeiteten Ist-Situation des Unternehmens und den resultierenden Ziele können unterschiedliche Erfolgsfaktoren und Risiken relevant sein. In jedem Fall stellt die Optimierung/Neuausrichtung von Multi-Projektmanagement ein Change Management-Projekt dar, das der gesonderten Aufmerksamkeit des Top-Managements bedarf.28

4. Erfolgsfaktoren bei der Durchführung von Multi-Projektmanagement Erfolgsfaktoren sind nach Krüger [Vgl. Krüger, W. 1994] die allgemeine Bezeichnung für unternehmensinterne oder externe Entstehungsgründe für 28

Vgl. dazu den abschließenden Beitrag zum Change Management im Rahmen dieses Buchs.

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 119

Erfolg. In diesem Sinne werden hier diejenigen Kriterien betrachtet, die als Voraussetzung für MPM im Allgemeinen entscheidend sind. Dies bezieht sich explizit nur auf diejenigen Erfolgsfaktoren, die in Zusammenhang mit der unmittelbaren Durchführung von MPM relevant sind. Sie können jederzeit durch individuelle Faktoren, die durch die jeweilige Situation eines Unternehmens entstehen, erweitert werden. Folgende typische Erfolgsfaktoren können übergreifend für das MPM identifiziert werden: x Aktive Unterstützung des Top-Managements als Promotor. x Vorhandensein der notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen. x Ggfs. die personelle Besetzung einer Rolle „Multi-Projektmanager“. x Valider Input der vorangehenden Prozesse (insb. Jahresplanung). x Kompetente und konsequente Umsetzung der definierten Aufgaben (insb. MPM-Planung, MPM-Controlling, MPM-Berichtswesen). Die fehlende Berücksichtigung dieser Erfolgsfaktoren führt zu einer verringerten Ausschöpfung der Nutzenpotentiale und stellt somit den Nutzen von Multi-Projektmanagement in Frage. Im Folgenden wird zu jedem der genannten Erfolgsfaktoren eine kurze Erläuterung und Begründung folgen. 4.1. Aktive Unterstützung des Top-Managements als Promotor Die Geschäftsleitung bzw. Unternehmensführung hat eine wichtige Vorbild- und „Leuchtturm“-Funktion im Zuge des Veränderungsprozesses und dient dem MPM als Visionsgeber für die Ausrichtung seiner Tätigkeiten. Eine aktive Unterstützung betont gegenüber Mitarbeitern die Wichtigkeit, die dem Thema MPM beigemessen wird und fördert die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich dem Thema konstruktiv zu nähern. Dies ist insbesondere in der Einführungsphase wichtig. Das Fehlen dieser Vorbildfunktion hat bspw. zur Folge, dass die Mitarbeiter wenig motiviert sind, die Veränderung selbst zu unterstützen, und sich daher auch weniger engagieren werden. 4.2. Schaffung der notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen Notwendige organisatorische Rahmenbedingungen beziehen sich vor allem auf die organisatorische Eingliederung von MPM in das Unternehmen wie zum Beispiel die Rollenbeschreibung des Multi-Projektmanagers. Die

120 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

Nähe zur Unternehmensleitung ist bei der organisatorischen Eingliederung von MPM relevant. Die Rollenbeschreibung enthält sowohl eine detaillierte Aufgabenbeschreibung, Kompetenzen, Verantwortungen und auch eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zu anderen Aufgabengebieten. Neben diesen unmittelbaren Rahmenbedingungen ist auch die Beeinflussung von Rahmenbedingungen bedeutsam, die zu einer positiven Unternehmenskultur beiträgt. Hierzu zählt bspw. ein Anreizsystem für Mitarbeiter, das explizit Wissensmanagementthemen berücksichtigt. Die fehlende Nähe der Unternehmensleitung zum MPM und damit ein schlechter Kenntnisstand der aktuellen Intention der Unternehmensleitung kann die Ausrichtung der Projekte an der strategischen Zielsetzung gefährden. Eine falsche organisatorische Gesamtposition des Multi-Projektmanagers im Unternehmen kann trotz geeigneter persönlicher Qualifikationen dazu führen, dass der Multi-Projektmanager die geforderten Aufgaben nicht durchsetzen kann. Eine klare Aufgabendefinition und Abgrenzung des Kompetenzbereichs hilft, unnötige und unproduktive Konflikte, die hohe Reibungsverluste mit sich bringen, zu vermeiden. 4.3. Die Rolle des Multi-Projektmanagers Häufig werden Multi-Projektmanagement-Aufaben durch ein Project Management Office übernommen. Viele Unternehmen richten aber auch die gesonderte Rolle eines Multi-Projektmanagers ein - entweder, wenn es ein zentrales (unternehmensweites) Project Management Office nicht gibt, oder der umgekehrt gerade als Rolle im Project Management Office. Der Multi-Projektmanager arbeitet typischerweise in einem permanenten Spannungsfeld zwischen strategischem Anspruch und operativer Dringlichkeit. Er muss sowohl in Konfliktsituationen vermitteln als auch selbstbewusst auf die Einforderung wichtiger Informationen und Entscheidungen bestehen. Als Multi-Projektmanager hat er zwar i.a. keine aktive Mitwirkung im Rahmen der täglichen Projektarbeit, doch sollte er die übergreifende Probleme in einzelnen Projekten kennen bzw. erkennen. Das Analysieren von Zusammenhängen und der Überblick über das Gesamtportfolio ist ebenso wichtig wie eine kompakte managementgerechte Aufbereitung der Informationen als Entscheidungsvorlage. Von der Person des Multi-Projektmanagers hängt viel ab, da hier alle Aufgaben des MPM zusammenlaufen und sich für alle Mitarbeiter manifestieren. Die Achtung seiner Person als qualifizierter Manager und der Aufbau einer Vertrauensbasis ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Falls dies nicht gelingt und der Multi-Projektmanager bspw. als „Spitzel der Unternehmensleitung“ oder „realitätsfern für die wahren Probleme der Projektarbeit“ ge-

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 121

sehen wird, kann er seine Aufgaben nicht oder nur sehr eingeschränkt wahrnehmen. 4.4. Valider Input der vorangehenden Prozesse Regelmäßige strategische Entscheidungen im Hinblick auf die Projektlandschaft des Unternehmens werden meist bereits in der Jahresplanung getroffen. Hier werden die Durchführungsvorgaben für den folgenden Planungszeitraum gesetzt und die Ausgangssituation und damit auch der vorhandene Handlungsspielraum - für die Projekte und das MPM im Besonderen - festgelegt. Wenn die Jahresplanung und insbesondere der Teilprozess der Priorisierung nicht kompetent durchgeführt wird, kommt es zu Konflikten bei der Durchführung der Projekte. Als Resultat können die Erwartungen der Unternehmensleitung nicht erfüllt werden. Ein Projektportfolio, in dem alle Projekte mit der höchsten Priorität bewertet wurden, ist bspw. nutzlos. 4.5. Kompetente und konsequente Umsetzung der definierten Aufgaben Die erwünschten Nutzenpotentiale werden nicht automatisch durch eine Einführung von MPM erreicht, sondern müssen aktiv erarbeitet werden. Nur gute und gelebte Prozesse, die permanent weiterentwickelt werden, führen dazu, dass die angestrebten Ziele erreichbar sind. Es ist wichtig zu beachten, dass die Organisation - wie bei jedem Veränderungsprozess - anfangs eine Lernkurve durchläuft, bis der Nutzen voll ausgeschöpft ist.29 Die Akzeptanz der Mitarbeiter ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für ein nachhaltiges MPM. Insbesondere wird die Akzeptanz durch den Nutzen, der beim Mitarbeiter entsteht, erreicht. Der Mitarbeiter wird bspw. bereitwilliger Informationen zum Projektstatus kommunizieren, wenn er weiß, dass diese Informationen auch verwendet und honoriert werden.

29

Vgl. hier die Ausführungen zum Konzept der Project Management Maturity, also der Projektmanagement-Kompetenzstufen eines Unternehmens im Beitrag zur Analyse und Optimierung der Leistungsfähigkeit im Projektmanagement.

122 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

4.6. Risiken bei der Durchführung von Multi-Projektmanagement Auf dem Weg zum erfolgreichen MPM und zum Erreichen der gewünschten Nutzenpotentiale gilt es einige Risiken zu umschiffen. Nachfolgend werden exemplarisch einige Risiken konkretisiert: x Die Lücke zwischen Strategie und operativer Ebene kann nicht geschlossen werden: Das Hauptziel des MPM würde somit verfehlt. Ursachen hierfür sind bspw. darin zu finden, dass keine organisatorische (oder persönliche) Nähe des Multi-Projektmanagers zur Unternehmensführung besteht. Oder aber die Einführung von MPM beruht auf Einzelinitiativen und wird von der Unternehmensleitung mehr geduldet als aktiv unterstützt. x Eine falsche Dimensionierung von MPM bei der Einführung - zu bürokratisch oder zu provisorisch - kann zu einem frühzeitigen Scheitern des Multi-Projektmanagements führen. Auch ein zu hoher Anspruch in der Anfangsphase ohne das Auswerten der organisatorischen Lernkurve, die erst die Nutzenpotentiale mit sich bringt, kann zu einem unnötigen und frühzeitigen Abbruch führen. x Unklare Rollenbeschreibungen und Aktionsgrenzen des Multi-Projektmanagers führen zu Konflikten und zeitaufwendigen Abstimmungsund Absicherungsmaßnahmen. Es wird viel Zeit und Energie in Kompetenzgerangel und politische Machenschaften gesteckt. x Der Verantwortungsbereich des Multi-Projektmanagers stimmt nicht mit den ihm zur Verfügung gestellten Kompetenzen und Rahmenbedingungen überein. Der Multi-Projektmanager kann die ihm übertragenen Aufgaben seines Verantwortungsbereichs somit nicht oder nur unvollständig bearbeiten. x Der Multi-Projektmanager wird als Spion oder als Polizist im Auftrag der Unternehmensleitung oder als bürokratischer Prinzipienreiter angesehen und genießt nicht das für seine Arbeit notwendige Vertrauen und Ansehen. Informationen werden nicht oder nur teilweise oder gar falsch an ihn weitergegeben und beeinflussen so die Qualität seiner Ergebnisse negativ. x Die Mehrzahl der Mitarbeiter akzeptiert und unterstützt die Veränderung nicht. Es werden nur Nachteile in der neuen Transparenz gesehen. Dies führt zu verdeckten oder offenen Blockaden. Falls die Transparenz nicht die Überwachung des einzelnen Mitarbeiters zum Ziel hat und die Angst der Mitarbeiter somit unbegründet ist, kann dieses Risiko mit ei-

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 123

ner aktiven Kommunikationspolitik und positiven Anreizen verringert werden. x Die durch das MPM geschaffene neue Transparenz ist, trotz der geforderten MPM-Einführung, von der Unternehmensleitung und sonstigen Entscheidungsträgern nicht gewünscht: Entscheidungen wie bspw. die der Projektpriorisierung können oder sollen nicht getroffen werden. Ein konsequentes MPM würde die getroffenen Entscheidungen an alle Beteiligen kommunizieren und in der täglichen Arbeit nutzen. Eine solche Transparenz macht die Entscheidungsträger messbarer und somit auch angreifbarer. x Alle Projekte haben Priorität A – eine Reihenfolge, die als Richtschnur bspw. bei Ressourcenkonflikten dienen könnte, existiert nicht. Eine Priorisierung der Projekte wird zwar gefordert, aber in Wahrheit vom TopManagement nicht umgesetzt. Erfolg von MPM hängt entscheidend davon ab, wie gut ein Unternehmen die Erfolgsfaktoren umsetzen kann und inwieweit es durch gutes Risikomanagement die vorhandenen Risiken minimieren kann.

5. Weitergehende Aspekte des Multi-Projektmanagements 5.1. Dokumentation und Fixierung der strategischen Ziele Natürlich basiert eine Optimierung von MPM darauf, dass die Prozesse im Einzel-Projektmanagement implementiert und „am Leben“ sind. Dazu zählen unter anderem die Projektplanung, das Berichtswesen, das Qualitätsmanagement, die Fortschrittsverfolgung, das Risikomanagement sowie die Projektkommunikation. Einen besonderen Beitrag liefern dann die Prozesse des Projektportfolio-Managements wie Portfolio-Planung und PortfolioControlling. Ohne diese beiden Elemente würden die getroffenen Unternehmensziele lediglich auf Strategiepapieren existieren. Eine Umsetzung dieser Ziele auf operativer Ebene wäre ebenso wie eine Annäherung an das bestmögliche Projektportfolio unmöglich. Der Beitrag eines jeden Projekts zum Gesamtnutzen wäre nicht festzulegen. Das Controlling ist entscheidend, da es das Bindeglied zwischen der Unternehmensstrategie und dem Projektfortschritt über die komplette Laufzeit darstellt. Auf beides wird im folgenden Abschnitt detailliert eingegangen. Die Projektportfolio-Planung teilt bestimmte Einsatzmittel zwischen den Projekten auf und sorgt für ein ausgewogenes, strategisch sinnvolles Port-

124 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

folio von Projekten. Dabei muss die Doppelbelastung zwischen Projekt und Linie sowie die Umverteilung von Ressourcen während eines laufenden Projekts besonders berücksichtigt werden. Diese Planung ist dabei nicht statisch, vielmehr wird das Projektportfolio kontinuierlich umgeplant, um den Abgleich zwischen den strategischen Unternehmenszielen und operativer Umsetzung laufend zu aktualisieren. Das Ergebnis ist dann: Alle Aspekte, die während der Planung und der parallel stattfindenden Risikoanalyse bereits betrachtet wurden, können zumindest keine unerwarteten Fehlentwicklungen erzeugen. Das Projektportfolio ist transparent dargestellt und die verantwortlichen Projektbeteiligten haben die Möglichkeit, Notfallpläne und Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Entscheidend bei der Planung innerhalb des MPM ist die Festlegung von Richtlinien als Basis für Entscheidungen. Fehlen diese bzw. gibt es kein unternehmensweit gültiges Regelwerk von der Einzel-Projektplanung durchgängig bis zur Projektportfolio-Planung, kann das Portfolio nicht optimal vorbereitet werden. 5.2. Abgleich zwischen Strategie und Tagesgeschäft Einen weiteren Beitrag zum Multi-Projektmanagement liefert dann das Portfolio-Controlling als Prozess des Projektportfolio-Managements. Ohne ganzheitliches Controlling des Projektportfolios kann die Erreichung der ursprünglich geplanten bzw. festgelegten strategischen Ziele nicht zeitnah sichtbar werden. Während die Planung mittels der Definition der Rahmenbedingungen die strategische Ausrichtung lediglich beschreibt, befasst sich das Controlling mit der Durchführung und Sicherung der Zielerreichung durch die einzelnen Projekte im Portfolio. Dies ist aufgrund der mit der Projektplanung verbundenen Risiken und Unsicherheiten absolut notwendig. Die Planung, als ein in die Zukunft gerichteter Vorgang, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem gewissen Grad fehlerhaft. Abweichungen zwischen tatsächlichem Verlauf und Planung werden durch eine zeitnahe Projektsteuerung ausgeglichen. Das aktive Steuern des Fortschritts sowie der permanente Abgleich zwischen den definierten Projektkennzahlen ist erforderlich, um den reibungslosen und erfolgreichen Ablauf zu sichern. Entsprechend der Vorgehensweise des Einzelprojekt-Controllings werden auch in Portfolio-Controlling Plan-, Soll- und Ist-Daten miteinander verglichen. Die Entwicklung dieser Daten im Sinne von tatsächlichen Werten und Trends wird analysiert. Besonders hervorzuheben ist die projektübergreifende Steuerung der benötigten und verfügbaren Mitarbeiter. Bei der Gestaltung der Ressourcenzuweisung ist darauf zu achten, dass die hohe

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 125

Flexibilität und schnelle Reaktion auf neue Anfragen einerseits und eine gleichmäßig hohe Kapazitätsauslastung andererseits ausbalanciert wird. Das Portfolio-Controlling fügt darüber hinaus die Ergebnisse des Projektcontrollings jedes einzelnen Projekts zu einem Gesamtbild zusammen. Einzelprojekt-Controlling versucht das Projektmanagement in der Form zu unterstützen, dass jedes Projekt bezüglich der Kriterien Zeit, Wirtschaftlichkeit, Qualität und Kapazität erfolgreich abgewickelt wird. Die aggregierten Ergebnisse geben Aufschluss über die Situation des Projektportfolios. Das Portfolio-Controlling verbindet diese Resultate und bietet so die Möglichkeit, eine Art Frühwarnsystem aufzubauen, das Steuerungsmaßnahmen zur Reaktion auf Planabweichungen bzw. auf Veränderungen im Projektumfeld signalisiert. Praktisch aus der Vogelperspektive können Fehlentwicklungen und Änderungen rasch erkannt werden, um mit geeigneten Gegenmaßnahmen bekämpft zu werden. Die essentiellen Aufgaben des Portfolio-Controllings lassen sich generell in zwei Bereiche unterteilen. Zum einen müssen die strukturellen Voraussetzungen des Portfolio-Controllings (einmalig) geschaffen werden. Auf der anderen Seite müssen während des Projektverlaufs (laufend) Maßnahmen zur Überwachung, Koordination und Steuerung des Fortschritts durchgeführt werden. Im ersten Bereich sind primär folgende Voraussetzungen zu beachten: x Definition der Kennzahlen, die im Rahmen des Portfolio-Controllings verfolgt werden sollen. x Definition des Berichtswesens (Berichtstypen und Berichtsintervalle). x Definition der Schnittstellen zwischen Portfolio-Controlling und Unternehmenscontrolling. Im zweiten Bereich unterstützt das Portfolio-Controlling die laufende Projektabwicklung, indem es Abstimmungs- und Überwachungsaufgaben wahrnimmt. Typische Aufgaben sind hierbei z.B.:

126 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

x Laufende Überprüfung des Projektportfolios hinsichtlich der Erreichbarkeit der strategischen Unternehmensziele. x Überwachung der Termine, Kosten und Kapazitäten und Aufzeigen von Konsequenzen möglicher Abweichungen (Budgetüberschreitung, Terminverzögerungen, Qualitätsmängel etc.). x Abstimmung des Terminplans mit dem Ressourceneinsatz- und Budgetplan. x Aufbereitung der Controlling-Kennzahlen für das Berichtswesen. x Umverteilung des Budgets auf die strategisch wichtigen Vorhaben. x Erkennen von Synergien und Konflikten in laufenden Projekten. x Aufdeckung von Verbesserungspotentialen in den laufenden Projekten. x Abschließende Bewertung von beendeten Projekten. Portfolio-Controlling unterstützt die Koordination zwischen den Einzelprojekten im Projektportfolio, damit die Verbindung zwischen Strategie und Projekt nicht nur während der Portfolio- und Projektplanungsphase erfolgt.

6. Implementierung der Rolle des Multi-Projektmanagers Die Einführung von Multi-Projektmanagement in einem Unternehmen sollte mit einem Rollenmodell eng verknüpft sein. Sämtliche Aufgaben innerhalb des MPM müssen von einer vorab definierten Instanz betreut und bearbeitet werden. Ein Multi-Projektmanager kann in diesem Rollenmodell eine besondere Position einnehmen. Der folgende Abschnitt erläutert die Aufgaben und Kompetenzen dieser Rolle und nimmt eine inhaltliche Abgrenzung zu den übrigen Projektbeteiligten bzw. Gremien vor.

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 127

P 12

Unternehmensführung Project Board

P 14

P 15

P9 P 12

UB 3

P6

UB

P 10

4

Querschnittsfunktionen

WissensMgr

P4

2 UB

Multiprojektmanager

Stabsstelle für Unternehmensentwicklung

P8

UB

Linienmanagement

1

P1

P 11

Res-Mgr

Unternehmenscontrolling

Projekt Mgmt. Office

Programm P2

P3

P7

P5 TP 1

TP 1

P 13

TP 2 TP 2

Sonstige

P 16

TP 3

Aufgabenspezifische Umwelt

Gesellschaft & Politik - Rechtliche Regelungen - Öffentliche Meinung Wirtschaftsbedingungen - Neue wissenschaftliche Erkenntnisse

Projektorganisation

Linienorganisation

Soziokulturelle Umwelt

Abbildung 2: Der Wirkungsbereich des Multi-Projektmanagers30

6.1. Die Aufgaben eines Multi-Projektmanagers Das Mandat eines Multi-Projektmanagers (in einem oder anstelle eines Project Management Office) lässt sich im Wesentlichen aus der Zielsetzung des Unternehmens für MPM ableiten. Mit verschiedenen Schwerpunkten beinhaltet das Arbeitspaket auch immer Aufgaben aus den folgenden vier Themengebieten: x Planung des Projektportfolios. x Steuerung des Projektportfolios inkl. Controlling und Reporting. x Planung der technischen Infrastruktur für das Projektportfolio-Management. x Initiieren der Nutzung projektübergreifender Potentiale, zum Beispiel projektbezogenes Wissensmanagement.

30

UB = Unternehmensbereich, P = Projekt, TP = Teilprojekt, Mgr = Manager, Mgmt = Management

128 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

Der Verantwortungsbereich des Multi-Projektmanagers richtet sich nach Unternehmensgröße und kann von der Zuständigkeit für eine bestimmte Projektart bis hin zum Gesamtportfolio des Unternehmens reichen. Wie lässt sich nun der Multi-Projektmanager in Abgrenzung bzw. in Ergänzung zu anderen Beteiligten im Projektmanagement verstehen? Nicht notwendig sind alle im Folgenden aufgeführten Rollen im einzelnen Unternehmen ausgeprägt. 1. Abgrenzung zum Projektleiter: Der Projektleiter ist verantwortlich für die operative Durchführung des Projekts und dessen Vertretung nach außen, zum Beispiel im Lenkungsausschuss des Projekts. Der Multi-Projektmanager hingegen kann verantwortlich für die Integration des Projekts in den unternehmerischen Gesamtrahmen sein - dies beinhaltet sowohl die strategische Ausrichtung – bspw. „entspricht das Projekt noch den aktuellen Zielvorgaben bzw. wie unterstützt es diese?“ - als auch die unternehmensinterne Verwertung des Projekts – bspw. „Identifikation und Nutzung von Synergieeffekten zwischen Projekten“, sowie Aufgaben des übergeordneten Controllings und Reportings. 2. Abgrenzung zum Ressourcenmanager: Die Aufgabe des Ressourcenmanagers liegt in der Verteilung von vorhandenen Kapazitäten auf geplante und laufende Projekte. In Konfliktfällen kann er auf die Priorisierung innerhalb des Projektportfolios zurückgreifen oder diese veranlassen. Der Multi-Projektmanager arbeitet in diesen Konfliktfällen mit dem Ressourcenmanager zusammen und kann hier die Position des Vermittlers übernehmen. Der MultiProjektmanager ist außerdem dafür verantwortlich, dass die Lösung eines Ressourcenkonflikts die gesetzten Unternehmensziele unterstützt. 3. Abgrenzung zum PM Office: Das PM Office beschäftigt sich häufig mit Prozessfragen, wie z.B. der Einführung und Weiterentwicklung von Projektmanagement-Methoden, Instrumenten und Tools zum Management einzelner Projekte. Dies drückt sich häufig in der Standardisierung von PM-Prozessen im Unternehmen aus. Auch die Qualifizierung des Projektteams gehört oft in diesen Verantwortungsbereich. Entscheidend ist, welche operativen Mandate dem Project Management Office zugeordnet werden. Hier lässt sich qua Rolle der Multi-Projektmanager sehen, der operativ zum Beispiel für die Prozesse des Projektportfolio-Managements inkl. Reporting zuständig ist. Dabei ist es zweitrangig, ob der Multi-Projektmanager mit diesen Aufgaben in oder neben dem Project Management Office installiert ist.

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 129

Im Weiteren werden die operativen Aufgaben beschrieben, die den MultiProjektmanager im Rahmen seiner Funktionen im Projektportfolio-Management erwarten. Die jeweilige Wahrnehmung dieser Aufgaben durch den Multi-Projektmanager muss in jedem Unternehmen individuell anhand der gewählten Prioritäten ausgerichtet werden. Dies ist natürlich auch von der Aufgabendefinition weiterer Rollen abhängig. x Planung des Projektportfolios: Der Multi-Projektmanager ist vor allem für die Schaffung von Transparenz in der zukünftigen Projektlandschaft verantwortlich und unterstützt Unternehmensleitung bzw. TopManagement bei der Jahresplanung. Hierfür ist insbesondere die Erstellung von Entscheidungsvorlagen mit allen relevanten Informationen notwendig – wenn vorhanden, unterstützt der Multi-Projektmanager damit zugleich den Ressourcenmanager bei der initialen Ressourcenverteilung. x Identifikation und Nutzung von Synergieeffekten: Im Zusammenhang mit der Portfolioplanung kann der Multiprojekt-Manager in seiner Querschnittsfunktion aktiv Synergiepotentiale identifizieren und nutzbar machen. In der Planungsphase werden diejenigen Projekte identifiziert, die sich ergänzen oder überlappen. Außerdem können „strategische Lücken“ aufgedeckt werden. Dies sind strategische Ziele, welche nicht im geplanten Umfang der Projekte enthalten sind. Als Ergebnis dieser Bemühungen wird Doppelarbeit vermieden und eine Integration der einzelnen Projekte ermöglicht. x Steuerung des Projektportfolios: Wichtigste Aufgabe in diesem Bereich ist die Erstellung eines regelmäßigen und kompakten Reportings über alle im Portfolio laufenden Projekte. Dies umfasst u.a. die strategische Einschätzung der Projekte in Hinsicht auf sich ändernde Rahmenbedingungen. Der Multi-Projektmanager macht so auf notwendige Anpassungen in der Projektlandschaft aufmerksam und ermöglicht der Unternehmensleitung ein Management in nahezu Echtzeit. Im Hinblick auf die Projektarbeit behält er die projektübergreifenden Abhängigkeiten im Blick und stellt die ausreichende Kommunikation zwischen allen Beteiligten sicher. x Wissensmanagement: Hierunter fallen die klassischen Aufgaben des Wissensmanagements in Anwendung auf die Projektarbeit – zum Beispiel: Gewährleistung der Nutzung der Projekt- oder Teilergebnisse in thematisch anschließenden Folgeprojekten oder parallel laufenden Projekten, generelle Aufbereitung des Wissens für zukünftige Projekte sowie die Nutzung der Lernchancen für erkannte Fehler und Erfolge der Projektbeteiligten.

130 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

6.2. Qualifikation des Multi-Projektmanagers Aufgrund der zuvor beschriebenen Aufgaben des Multi-Projektmanagers in einer zentralen Querschnittsfunktion des Unternehmens und der hohen Relevanz dieser Person als MPM-Erfolgsfaktor, ist die richtige Auswahl des zukünftigen Stelleninhabers von großer Bedeutung. Bei dieser Entscheidung sollte daher ein Mitglied der Unternehmensleitung eingebunden sein, da – neben allen Fähigkeiten und Qualifikationen, die zweifelsfrei benötigt werden – ein gutes persönliches Verhältnis zum Top-Management grundlegend ist. Je nach Zielsetzung des Unternehmens sind unterschiedliche Schwerpunkte bei folgenden Qualifikationen notwendig – besonders zu erwähnen sind: x Fundierte Projekterfahrung: Da der Multi-Projektmanager für die übergreifende Planung und Steuerung der Projekte zuständig ist, sollte er die Grundlagen der Projektdurchführung nicht nur theoretisch, sondern auch aus langjähriger Erfahrung kennen. Dies ist für eine fundierte Situationseinschätzung genauso wichtig, wie für die Anerkennung seiner Position durch andere Projektbeteiligte. Auch bei der möglichen Hilfestellung zur Analyse und Lösung von Problemen innerhalb einzelner Projekte ist diese Qualifikation notwendig. x Persönlichkeit: Der Multi-Projektmanager bewegt sich in einem ständigen Spannungsfeld unterschiedlicher Interessenslagen und benötigt hierzu persönliche Souveränität, ein gutes Urteilsvermögen und die Fähigkeit, seine Ansichten klar zu artikulieren. Ein gutes Ansehen im Unternehmen ist für interne Stellenanwärter unverzichtbar. x Durchsetzungsfähigkeit und Konfliktfähigkeit: Insbesondere in der Schaffung von Rahmenbedingungen wird der Multi-Projektmanager gerade zu Beginn seiner Tätigkeit einige Neuerungen durchsetzen müssen, die im Zuge der Einführung auftreten und für alle Beteiligten ungewohnt sind. Im weiteren Verlauf wird er immer wieder auf Konflikte im Projektbetrieb hinweisen müssen, um diese aus dem Weg zu räumen. Diese Form der professionellen Konfrontation erfordert ein hohes Maß an Konfliktfähigkeit. Der Multi-Projektmanager darf sich hierbei weder zu viele Feinde machen noch zu harmoniebedacht sein. x Strategische Ausrichtung: Die Aufgaben des Multi-Projektmanagers beinhalten oft Vorlagen für strategische und daher weitreichende Entscheidungen. Sein gestaltender Einfluss in die Unternehmensentwicklung ist hoch und verlangt daher die Fähigkeit, langfristige Aspekte in die eigenen Überlegungen und Aussagen mit einzubeziehen.

Multi-Projektmanagement, Portfolioplanung und Portfoliocontrolling 131

x Vermittlungsfähigkeit: Der Multi-Projektmanager muss nicht nur Konflikte identifizieren und aufzeigen, sondern er ist auch aktiv an der Lösungsfindung beteiligt. In vielen Fällen agiert er als Vermittler zwischen einzelnen Projekten. Die Qualifikation des Multi-Projektmanagers ersetzt nicht die Rückendeckung durch das Top-Managements. Wenn hier die Notwendigkeit und der Wille zur Veränderung nicht deutlich wird, kann die Qualifikation und die tatsächliche Arbeit des Multi-Projektmanagers noch so gut sein – eine nachhaltige Entwicklung hin zu einem sinnvollen und nutzenbringenden MPM wird dann sehr schwierig und es bleibt die Frage, ob sie überhaupt gewollt ist.

7. Fazit: Strategiebeitrag durch MPM - ja oder nein? Die abschließende Frage, die sich nun stellt, lautet: Liefert MPM den geforderten Beitrag zur Vermeidung von Projektmisserfolgen und optimiert es die Umsetzung der strategischen Unternehmensziele? Die Vorteile, die durch den Einsatz von MPM – insbesondere mit Schwerpunkt auf Projektportfolio-Management – erzielt werden können, dürften den erforderlichen Initiierungsaufwand schnell amortisieren, wenn die Unternehmensführung allein die Möglichkeit erhält, den Blick auf das gesamte Projektportfolio zu richten. Oft sind die strategischen Ideen gut, aber die operative Umsetzung ist mangelhaft. Der wilde Aktionismus, der teilweise in einem dynamischen Geschäftsumfeld durch die Anpassung der einzelnen Projektziele und zusätzlich im Tagesgeschäft entsteht, kann durch den Einsatz von MPM deutlich reduziert werden. Nicht die Projektziele des eigenen Projekts stehen im Vordergrund, sondern vielmehr die Erfüllung der strategischen Ziele des Gesamtunternehmens. Die strategischen Visionen, die in einer Vielzahl von Projekten münden, die aber weder übergreifend geplant noch gesteuert werden, kanalisiert und bewertet das Projektportfolio-Management. Dies ermöglicht eine effektive Durchführung und ein zeitnahes Informationsmanagement auf Portfolioebene, um so den Erfolg im Sinne des Beitrags zum Unternehmenserfolg zu gewährleisten. MPM in weiterem Sinne macht Synergieeffekte und gewonnenes Wissen nutzbar. Darüber hinaus ist das MPM wesentlich an der Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für die Durchführung der Projekte beteiligt.

132 Anna Adler, Ralf Sedlaczek

Das Top-Management von Unternehmen mit ganzheitlicher Projektorientierung, einer signifikanten Anzahl an Projekten und einer langfristigen strategischen Planung wird die Ausgangsfrage daher eindeutig mit „Ja“ beantworten.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management Simon A. Schmidt und Nicole Mertin

1.

Einleitung ..................................................................................... 133

2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4.

Was ist ein Programm?............................................................... 134 Bedeutung der Wirtschaftlichkeitsanalyse im PMM..................... 137 Analyse der Kosten im Programm-Management .......................... 141 Analyse des durch Programm-Management erzielbaren Nutzens .......................................................................................... 142 Kosten-Nutzen-Analyse im PMM ................................................. 146

3.

Fazit .............................................................................................. 151

1. Einleitung Programm-Management ist ein viel versprechendes Organisationskonzept, dass Effizienzzielen genügen kann und zudem weitere qualitative Nutzenpotentiale in sich birgt. Den meist von Investitionsentscheidungen getragenen Umstrukturierungsprozessen geht sinnvoller Weise eine Analyse der Ist-Verfahren und -Werkzeuge voran. Basierend auf den dort ermittelten Ergebnissen können Optimierungspakete geschnürt, bewertet und schließlich durchgeführt werden. Aufgrund der Vielzahl von Optimierungsmöglichkeiten sollte die Planungsphase dieser Investitionen gründlich und unter Einbeziehung möglichst aller zukünftig evtl. eintretenden Umweltzustände durchgeführt werden. Was passiert, wenn sich der Abschluss eines Projekts innerhalb eines Programms verzögert? Welche Konsequenzen lassen sich daraus ableiten?

134 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Diese und ähnliche Fragen lassen sich nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung des gesamten Programms beantworten. Welche Hürden sind mit dem Programm-Management-Ansatz verbunden? Welche ManagementMethoden finden Anwendung? Wie kann das Management den Nutzen von Programm-Management-Investitionen realisieren? Dieser Artikel zeigt die wichtigsten Aspekte des Programm-Managements (im Folgenden PMM) auf. Exemplarisch für diesen Ansatz wird eine Form der Nutzenbewertung entwickelt, die auch für andere Bereiche des strategischen Projektmanagements herangezogen werden kann.

2. Was ist ein Programm? Ein Programm ist ein langfristiges Vorhaben bestehend aus einem Bündel von in Beziehung zueinander stehenden Projekten. Programm-Management ist die koordinierte Steuerung von Projekten und temporären Aktivitäten innerhalb eines Programms. Programm-Management legt den Schwerpunkt auf die thematische Ausrichtung der umfassten Projekte und die Unterstützung möglicher Synergien. Die thematische Ausrichtung der Programm-Projekte zum einen, aber auch die Realisierung möglicher Synergien bilden die Primärziele des Programm-Managements. Steuerung der Programm-Projekte nach Vorgabe der Unternehmens- bzw. Bereichsstrategie sind Sekundärziele des PMM. Die Konsolidierung von Einzelprojekten zu Programmen eröffnet der Multiprojekt-Koordination zusätzliche Handlungsspielräume bei der Realisierung wirtschaftlicher Lösungen, die auf Einzelprojektebene aufgrund mangelnder Informationen nicht erzielbar sind. In einem zweistufigen Prozess werden im Folgenden die Aufgaben des Projektmanagements (PM), die von signifikanter Bedeutung für ein erfolgreiches Programm-Management sind, ermittelt und anschließend in den Tätigkeitsbereich des Programm-Managements eingebunden. Unter Programm-Management ist aber nicht nur die Verlagerung von Einzelprojektaufgaben auf höhere Koordinationsebenen zu verstehen. Das Programm-Management schafft sich aufgrund der Eingliederung in die Projekthierarchie des Unternehmens zusätzliche Aufgaben. Hierzu zählen die Analyse von Abhängigkeiten und die Identifikation von Schnittstellen zwischen den Projekten im Programm, um über darauf aufbauende Steuerungsentscheidungen eine optimierte Ressourcenauslastung zu gewährleisten und zum Beispiel Doppelentwicklungen zu vermeiden. Zur Strukturierung der dem Programm-Management zugeordneten Unternehmensprozesse lässt sich zum Beispiel das Project Management Maturi-

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 135

ty Model31 [Vgl. Crawford, J.K. 2002, S.279 ff.] in Anlehnung an die Standards des Project Management Institute (PMI) heranziehen. Innerhalb dieser Metrik erfolgt eine Strukturierung in folgende neun Wissensbereiche (vgl. Abbildung 1). Organisation Strukturierung Multiprojektkoordniation

Projektintegrationsmanagement Scope Management

Projektinitiierung Projektplanung Projektrealisierung

Zeitmanagement

Projektübergabe

Kostenmanagement Qualitätsmanagement Kommunikationsmanagement Ressourcenmanagement Risikomanagement Beschaffungsmanagement

Abbildung 1: Erweiterung des Project Management Maturity Models um sieben Unterkategorien des Projektintegrationsmanagements

Diese neun disjunkten Wissensbereiche decken mit ihren Inhalten alle Teildisziplinen des Projektmanagements (i. allg. Sinne) ab. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere folgende Bereiche von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Durchführung von Programmen sind: 1. Projektintegrationsmanagement (im Speziellen: Programminitiierungund -planung), 2. Kostenmanagement (Steuerung und Controlling), 3. Qualitätsmanagement und 4. Kommunikationsmanagement (Berichtswesen, Reporting und Dokumentation). Im Rahmen dieses Kapitels beschränken wir uns nachfolgend auf diese vier Wissensbereiche und verzichten auf eine ausführlichere Darstellung aller, das Projektmanagement betreffenden, Aufgaben und Teildisziplinen. 31

Vgl. insbesondere die Ausführungen zum Project Management Maturity Model und die Diskussion der Standards des PMI früher im vorliegenden Band.

136 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Um den komplexen Bereich des Projektintegrationsmanagements zielgenau untersuchen zu können, hat sich in der Praxis eine Erweiterung des PMI-Standards um die Teilbereiche Organisation, Strukturierung, Multiprojekt-Koordination und die bekannten PM-Phasen (Projektinitiierung, -planung, -realisierung und -übergabe) bewährt. Bei der Analyse des Projektintegrationsmanagements wird die Fähigkeit des Unternehmens bewertet, mittels bestehender PM-Prozesse, insbesondere der Projektinitiierung, -planung und -realisierung, die Aufgaben des Projektgeschäfts zu realisieren. Anschließend werden die Projektmanagement-Standards für Projektplanung, -controlling und Programmsteuerung definiert. Abschließend erfolgt die Erstellung des ProjektmanagementKarrierepfades einschließlich der erforderlichen Leistungsanreize. In der Praxis erfolgt die Steuerung eines Programms leider nur selten nach einheitlichen Kriterien. Dies hat zur Folge, dass Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Projekten des Programms nicht richtig erkannt und das potentielle Synergiepotential nicht ausgeschöpft werden kann. Der wichtigste Bestandteil des Teilbereichs „Kostenmanagement“ ist das Projektcontrolling, denn das Scheitern von Projekten liegt häufig daran, dass Kennzahlen, die frühzeitig Hinweise auf unerwünschte Entwicklungen liefern können, fehlen. Häufig müssen geplante Projektbudgets gegenüber den Auftraggebern nicht ausreichend gerechtfertigt werden. Hier gilt es in Abhängigkeit von Projekttyp, -art und -größe klar definierte und durch den Projektantragsteller zu erfüllende Kriterien in den Projektantrag aufzunehmen. Auch die Anforderungen aus dem Qualitätsmanagement gewannen in den letzten Jahren stark in der Projektarbeit an Bedeutung. Ein wichtiger Grund hierfür ist sicherlich, dass Unternehmen auch bei Aufgaben, bei denen das Qualitätsmanagement schon früher einen hohen Stellenwert hatte (z.B. bei der Produktentwicklung, der Fertigungsvorbereitung, kundenspezifischen Kleinserienproduktionen usw.), auf die Organisationsform „Projekt“ setzen. Eine in das Programm-Management integrierte Qualitätssicherung, die bei den qualitativen Bestandteilen der Zieldefinition beginnt, kann bei der Vermeidung von potentiellen inhaltlichen Mängeln helfen. Nach Schätzung der Autoren liegt der Kommunikationsanteil in der Projektarbeit oft bei 50 %. Man kann davon ausgehen, dass der Kommunikations- bzw. Vermittlungsbedarf in großen, komplexen Projekten aufgrund zunehmender Interdependenzen zwischen den Einzelprojekten in Zukunft weiter zunehmen wird. Die Erarbeitung von Kommunikationsmanagementstrategien, insbesondere eines Kommunikationsplans, erscheint im Kontext dieser Entwicklung sinnvoll. Abbildung 2 zeigt beispielhaft, welche Phasen notwendig sind, um die vier zentralen Teildisziplinen des Programm-Managements zu implementieren.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 137

Abbildung 2:

Überblick der wichtigsten Aufgaben zur Nutzenoptimierung im Programm-Management-Prozess

Wieso sollten Entscheidungsträger eines Unternehmens die Nutzenoptimierung durch PMM veranlassen? Wie wird in der Praxis der Nutzen von Investitionen in das Programm-Management systematisch ermittelt? Bei der folgenden Herleitung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse werden diese und weitere Fragen beantwortet und insbesondere Maßnahmen und Nutzenkategorien der vier oben genannten Teildisziplinen erläutert. 2.1. Bedeutung der Wirtschaftlichkeitsanalyse im PMM Investitionen in das Programm-Management, die sowohl einen rein quantitativen Nutzen, aber auch in Kombination mit Qualitätsaspekten zusätzlichen Nutzen generieren können, sind nur schwerlich anhand des Return on Investment (ROI) zu beurteilen. Dies liegt vor allem daran, dass man nach einer Optimierung oder Neuausrichtung des Programm-Managaments nur schwer abschätzen kann, welcher tatsächliche quantitative Nutzen entstanden ist. Dafür wäre das bereits eingetretene Projektgeschehen unter dem Aspekt einer Nicht-Investition zu simulieren. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass die Projektlandschaft von Unternehmen häufigen Um-

138 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

strukturierungen und Umschichtungen ausgesetzt ist und deshalb die methodisch wichtige Isolation von Investitionseffekten oft nicht möglich ist. Die Definition von bestimmten Kennzahlen hilft jedoch, sich der Quantifizierung von Nutzenpotentialen anzunähern. Existiert bereits ein ausgereiftes Nutzen- oder Erfolgscontrolling im Unternehmen, sind möglicherweise ausreichend Vergangenheitsdaten vorhanden. Damit ließen sich ex post valide Erfolgsgrößen ermitteln. Der qualitative Nutzen einer Investition hingegen ist wesentlich einfacher abzuschätzen. Ein professionelles Programm-Management kann sowohl Erlössteigerungs- als auch Kostensenkungseffekte bewirken. Abbildung 25 veranschaulicht eine RoI-Betrachtung für Investitionen in das ProgrammManagement. Der von den Pfeilen eingeschlossene Zielbereich zeigt den Trade-Off, in dem der Return on Investment größer ist als die Investition. Die Ermittlung des RoI für Investitionen in das Programm-Management muss zudem auch das operative Projektmanagement berücksichtigen. Nicht nur die Investition in die Infrastruktur (zum Beispiel neue Prozesse und IT-Werkzeuge für das Programm-Management), sondern auch den zusätzlichen laufenden Aufwand, z.B. für die Gewinnung weiterer Kennzahlen und das Management-Reporting, müssen konsequenterweise als Kosten für das Programm-Management erfasst werden. Betrachtet man Projekttätigkeiten aus der Perspektive der Projektmanagement-Prozesse, ist eine Ermittlung der Kosten im Sinne einer Prozesskostenrechnung sinnvoll. Die Durchführung der Prozesskostenrechnung jedoch, anstatt Stückkostenrechnung, ist nur in Unternehmen mit weit entwickeltem Unternehmenscontrolling möglich. Viele Unternehmen in Deutschland, insbesondere die Banken und Vericherungen, stehen erst am Anfang der Einführung dieser Kostenrechnungsmethode. Industrie- und besonders zum Beispiel Pharmakonzerne hingegen verfügen bereits über ein weit entwickeltes Unternehmenscontrolling, das genaue RoI-Analysen zulässt.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 139

Abbildung 3: Der Bereich des optimalen Return on Investment (RoI) [Vgl. Petersen, G., 1998, S.112]

Das probate Mittel zur Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse von Investitionen in das Programm-Management ist das in Abbildung 4 veranschaulichte sog. „Phasenkonzept der Wirtschaftlichkeitsanalyse des PMM“. Dieses generische Konzept zeigt auf, welche Schritte zur Durchführung einer validen Wirtschaftlichkeitsanalyse notwendig sind. Die Umsetzung der Phasen ist stark abhängig von verschiedenen Unternehmenscharakteristika. Die Vorgehensweise zur Ermittlung aller relevanten Kennzahlen muss daher im Einzelfall angepasst werden.

140 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Abbildung 4:

Phasenkonzept einer Wirtschaftlichkeitsanalyse des ProgrammManagements [Vgl. Bruhn, M.; Georgi, D. 1999, S.533]

In Schritt 1 der ersten Phase des Phasenkonzepts findet eine genaue Spezifizierung der Investitionen in das Programm-Management statt. Im zweiten Schritt ist der Zeitraum festzulegen, in dem diese Investitionen vorzunehmen sind und ein funktionsfähiger Zustand der Optimierungsphase erreicht werden soll. Insbesondere die zeitliche Verschiebung zwischen der Investitionsentscheidung und Fertigstellung der Optimierung des ProgrammManagements ist von großem betriebswirtschaftlichem Interesse bei der Ermittlung des RoI. Verzögerungen der Plandaten können diese Investitionen betriebswirtschaftlich schnell negativ erscheinen lassen.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 141

2.2. Analyse der Kosten im Programm-Management Die Kostenanalyse beginnt mit der Zuordnung aller anfallenden Kosten in interne und externe Kosten. Zu den internen Kosten zählen vor allem Personalkosten der Personen, die im Unternehmen angestellt und mit ihrer Arbeitsleistung an der PMM-Optimierung beteiligt sind. Die Einbeziehung dieses Personalaufwands erfolgt aus Opportunitätsgesichtspunkten. Nach Trennung in interne und externe Kosten erfolgt eine Zuordnung in Primärund Sekundärkosten. Als Primärkosten bezeichnet man die einem Vorhaben direkt zuordenbaren Kosten. Unter Sekundärkosten hingegen versteht man Kosten, die zwar in Zusammenhang mit dem Vorhaben stehen, diesem jedoch nur indirekt zuzuordnen sind. Tendenziell werden bei dieser Zuordnungsmethode externe Kosten stärker den Primärkosten zugeordnet, hingegen sind interne Kosten aufgrund ihres Gemeinkostencharakters häufig den Sekundärkosten zuordenbar. Eine Zielgröße bei der Einführung oder Optimierung des ProgrammManagements ist die Minimierung interner Kosten. Externe Kosten, z.B. Beratungsleistungen und/oder Investitionen in die IT-Infrastruktur, fallen nur einmalig an und dienen hauptsächlich der Implementierung des Programm-Management. Innerhalb der eben erläuterten Kostenkategorien lassen sich demnach zusätzlich einmalige Implementierungskosten, laufende Kosten und Verzögerungskosten unterscheiden. Im Folgenden sind einige Programm-Management-Kosten aufgelistet: x Gehälter und Zulagen der im Programm tätigen Führungskräfte. x Kosten für unterstützende Mitarbeiter (Büro-, administrativ und technisch tätiges Personal im Programm). x Beraterkosten zur Initiierung, Durchführung und Wissensspeicherung. x Speziell für das Programm-Management entwickelte Prozesse. x Anschaffungskosten für IT-Hardware und Software sowie entsprechende Wartungskosten. x Qualifizierungskosten, zum Beispiel für Trainings im ProgrammManagement durch externe Trainer. x Zertifizierungskosten (z.B. ISO, PMP). x Lieferanten- und Materialkosten.  (Kalkulatorische) Miete und andere Unterhaltungskosten.  Telefon- und Netzwerkkosten.  Fahrtkosten.  Usw.

142 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Programm-Management verursacht nicht nur Kosten, sondern bietet auch eine Reihe von Möglichkeiten der Kosteneinsparung, z.B. durch optimierten Ressourceneinsatz und besser auf die Unternehmensstrategie abgestimmte Projekte. Zusätzliches Einsparungspotential besteht bei den Transaktionskosten. Unter Transaktionskosten werden diejenigen Kosten verstanden, die bei Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle und Anpassung wechselseitiger Leistungsbeziehungen anfallen. Ein unternehmensspezifisch erstellter Programm-Leitfaden z.B. hilft bei der Unterstützung aller programminternen Abläufe, so dass Kommunikations-, Personal- und damit Investitionskosten dauerhaft gesenkt werden können. Sinnvollerweise sollte das Management die Erstellung dieses Programm-Leitfadens unterstützen. Nach einer sauberen und methodisch nachvollziehbaren Trennung der Kosten ist die Basis für die Kosten-Nutzen-Analyse geschaffen. Lässt die zur Verfügung stehende Informationsbasis keine ursachengerechte Kostenzuordnung zu, wird die Flexibilität der abschließenden Kosten-NutzenAnalyse stark beeinträchtigt. Dann kann es zu verzerrten Ergebnissen und falschen Aussagen kommen. 2.3. Analyse des durch Programm-Management erzielbaren Nutzens Der Nutzen von Investitionen in das Programm-Management ist stark von der zugrunde liegenden Projektlandschaft abhängig. Es ist z.B. nicht ratsam, heterogene Projekte, insb. mit sehr disjunkter Ressourcennutzung oder mit sehr heterogenen Projektzielen, in Programmen zusammenzufassen. Das erwünschte Synergie- und damit Nutzenpotential kann erst ausgeschöpft werden, wenn die in dem Programm befindlichen Projekte das gleiche übergeordnete Ziel haben und starke Interdependenzen aufweisen, die eine übergeordnete Risikokontrolle und Steuerung erfordern. Sonst sollte man i.e.S. auch gar nicht von einem Programm sprechen. Die Nichtetablierung eines effizienten Programm-Managements in interdependenten Projektlandschaften erhöht das operationelle Risiko des entsprechenden Teil-Projektportfolios signifikant. Denn auftretende übergeordnete Entwicklungen oder Risiken können meist nicht effizient auf der untersten operativen Ebene, also im Projektmanagement, beurteilt und gesteuert werden.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 143

Ausgewählte Kennzahlen zur Nutzenquantifizierung innerhalb eines Programms Folgende Kennzahlen, die aus der gesamten Projekthierarchie (Einzelprojekt-, Programm- und Portfolio-Ebene) gewonnen werden, dienen der Nutzenquantifizierung des Programm-Management-Ansatzes: x Projektfortschritt aller im Programm befindlichen Projekte x Programmfortschritt x Programmbudgetausnutzungsgrad x Terminabweichung der Programmfertigstellung x Meilensteinerfüllungsgrad x Meilensteinversäumnisgrad x (Restaufwands-) Säumigkeitsquote x Arbeitswertanalyse (Earned Value Analyse) x Qualitative Beurteilung von „Schlüsselprojekten“ durch die Projektleiter Nutzenkategorien im Programm-Management Ähnlich wie die Kosten, kann auch der Nutzen kategorisiert werden. Folgender Nutzenkatalog hat sich im Praxiseinsatz bewährt: Projektintegrationsmanagement, im Speziellen Programminitiierung und Programmplanung: x Kürzere Projekt- und damit Programm-Laufzeiten dank optimierter Terminplanung x Verringerung von Planungsfehlern und späteren Nachbesserungen x Früherkennung von Gefahren und dadurch Reduzierung von Risiken x Verbesserte Termintreue dank kontinuierlicher Projektüberwachung x Einheitliche PMM-Prozesse:  Rollenbeschreibungen, Verfahrensweisen und Entscheidungswege sind im PMM definiert  Standardisierungsvorteile dank einheitlicher Methodik  Förderung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse  Permanentes Controlling der Programm-Aufwände aller Beteiligten - Für Projektleiter wird der Gesamtaufwand aller Projektbeteiligten ermittelbar - Quantitativer und qualitativer Projektnutzen für Auftraggeber und Projektleiter wird bestimmbar

144 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

-

Projektmitarbeiter dokumentieren besser ihre Auslastung bzw. ihre Arbeit für ein Projekt  Neue Prozesse werden durch PM-Tools weitreichender unterstützt - Projektplanung/-controlling/-steuerung wird einfacher - PMM liefert schneller Ergebnisse - Abruf von automatisierten Auswertungen vereinfacht das Berichtswesen Kostenmanagement (Steuerung und Controlling in Programmen): x Verbesserung der Entscheidungsfähigkeit auf Einzelprojektebene durch Reportingprozesse x Priorisierungsgrundlage für Programm-Entscheidungsgremium wird durch Programm-Management Office bereitgestellt x Verringerung von Kosten und Aufwenden dank optimierter Planung x Vermeidung von Doppelarbeiten durch systematische Strukturierung  Optimierte Transparenz der Ist- und Restkosten  Laufende Kostenüberwachung durch Projektcontrolling-Kennzahlen  Darstellbarkeit und ggfs. interne Verrechnung von Mehrkosten veranlasst durch Auftragsänderungen x Ressourcen und Kapazitäten  Optimierte Auslastung der vorhandenen Kapazitäten  Reduzierung von unerwarteten Ressourcenengpässen  Optimierte Transparenz von verfügbaren Restkapazitäten  Optimierte Teamqualifikation durch Skill-Management Qualität: x Fehlerverringerung durch systematische Programmdokumentation x Erhöhte Verfügbarkeit von vorhandenem Wissen im Projekt x Verbesserte Diagnose und Korrektur von Defiziten x Förderung des Qualitätsbewusstseins durch Teamstrukturen x Förderung der Transparenz  Größere Akzeptanz durch übersichtlichere Standardprozesse  Eindeutig festgelegte Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten  Einzelprojektmanagement: Überblick über den Ist-Zustand für Projektleitung und -team jederzeit möglich  Programm-Management: Überblick über alle laufenden und geplanten Projekte für Management jederzeit möglich

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 145

x Kundenorientierung  Erhöhung der Kundenzufriedenheit  Bessere Ansprechpartnerstrukturen vereinfachen Kundenkommunikation  Aktive Einbeziehung des Kunden in Projektplanung und -durchführung  Schnellere Erfüllung von Kundenanforderungen Kommunikationsmanagement x Arbeit im Programm wird vereinfacht durch  verbesserten Informationsfluss und Kommunikation zwischen den vernetzten Projekten  Straffung des Abstimmungs- und Entscheidungsverhaltens  Vermeidung von Konfliktpotenzialen und Reibungsverlusten  Erleichterung der Einarbeitung neuer Team-Mitglieder und -Mitarbeiter x Wettbewerbsfähigkeit  Zügige Umsetzung von Strategievorgaben  Verbesserte Umsetzung von Unternehmenszielen (Business Alignment)  Kürzere Reaktionszeiten auf Veränderungen im Unternehmensumfeld x Innovationsfähigkeit  Kreativitätssteigerung durch interdisziplinärere Strukturen  Systematische Evaluierung innovativer Vorschläge x Mitarbeiter-Motivation  Stärkere Einbindung in Teamstrukturen  Steigerung der Zufriedenheit durch hohes Kommunikationsniveau  Förderung des Kostenbewusstseins  Steigerung der Zusagenverbindlichkeit  Zunahme der Qualifikation und in Konsequenz der Mitarbeitermotivation Dieser Nutzenkatalog zeigt, dass sich eine Reihe der dargestellten Nutzenpotentiale im qualitativen Bereich befinden und sich somit der Quantifizierung durch betriebswirtschaftliche Kennzahlen entziehen. In Schritt 6 des Phasenkonzepts werden die tatsächlichen Nutzenwerte ermittelt und den dargestellten Nutzenkategorien zugeordnet. Dies erfordert zunächst eine Vielzahl von Informationen, die aus externen (Fachliteratur,

146 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Kongresse etc.) und internen Quellen (Prozessanalysen und Kostenrechnung) resultieren. Der Gesamtnutzen des Programm-Managements ergibt sich aus den kumulierten Nutzenwerten über alle Kategorien. Die Nutzenwerte bilden die Basis bei der Durchführung der KostenNutzen-Analyse. An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass es in der Praxis nur sehr rudimentär möglich ist, Qualitätsaspekte des ProgrammManagements zu messen. Doch gerade diese Qualitätsaspekte rechtfertigen oft die Investition in die Etablierung und Optimierung von ProgrammManagementaktivitäten. So bleiben meist durch die Implementierung ausgeschöpfte Nutzenpotentiale im Verborgenen oder werden erst lange nach den Einführungs- oder Optimierungsvorhaben erkannt. 2.4. Kosten-Nutzen-Analyse im PMM Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (Kosten-Nutzen-Analyse) beginnt mit der einfachen Gegenüberstellung der Kosten auf der einen und dem daraus resultierenden Nutzen auf der anderen Seite. Es sollte der Anspruch eines erfolgreichen Beraters sein, dieses Analyseverfahren als Entscheidungsunterstützungssystem verwendbar zu machen, d.h. eine ursachengerechte Zuordnung sowohl der Kosten als auch des Nutzens zu erarbeiten, so dass nachträglich Aktivitätsniveaus variiert und Maßnahmenpakete geschnürt werden können. Abbildung 5 stellt eine vereinfachte Kosten-Nutzen Betrachtung in einem einfachen Koordinatensystem dar. Die dargestellte Gewinnkurve ergibt sich aus der Differenz von gegenübergestellten Kosten- und Nutzenwerten. Die dargestellten Kurvenverläufe sind idealtypisch und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. So ist es in der Praxis auch denkbar, dass mehrere lokale Gewinnmaxima existieren, z.B. aufgrund mehrerer möglicher Maßnahmenpakete, oder sich die Lage der Nutzen- und Kostenkurve im Laufe der Zeit verändert und nicht, wie in der Abbildung angenommen, zeitkonsistent ist. Abbildung 5 veranschaulicht, dass ein niedriges Aktivitätsniveau der Programm-Managementmaßnahme einen Nutzen generiert, der üblicherweise niedriger ist als die zugehörigen Kosten, so dass zu niedrige Investitionen in das Programm-Management einen negativen Effekt haben. Bei einem bestimmten Aktivitätsniveau, in Abbildung 5 mit „A“ bezeichnet, schneidet die Nutzen- die Kostenkurve, so dass ein positives Ergebnis durch die PMM-Maßnahmen erzielt wird.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 147

Nutzen Nutzender der PMMPMMMaßnahme Maßnahme

Kosten, Nutzen, Gewinn der PMMMaßnahme

Gmax Kosten der PMMMaßnahme

Gewinn durch PMMMaßnahme

Gmax

Gmin

Aktivitätsniveau der PMMMaßnahme

Gmin

Grenzkosten, Grenznutzen der PMMMaßnahme

Grenznutzen der PMM-Maßnahme

A

Grenzkosten der PMM-Maßnahme

B

C

D

Aktivitätsniveau der PMMMaßnahme

Abbildung 5: Bestimmung des optimalen Aktivitätsniveaus einer PMM-Maßnahme [Vgl. Bruhn, M.; Georgi, D. 1999, S.548]

Aufgrund des abnehmenden Grenznutzens der Investitionen und des ab einem bestimmten Aktivitätsniveau steigenden Grenzkosten der PMMMaßnahme, hier PMM-Aktivitätsniveau „B“, wird das Gewinnoptimum im Schnittpunkt „C“ erreicht. Von diesem Niveau aus nimmt die Profitabilität der betrachteten PMM-Maßnahmen ab und kann schließlich auch negativ werden. Der negative Bereich befindet sich rechts vom Aktivitätsniveau „D“.

148 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Der dargestellte Verlauf der Gewinnkurve impliziert die Existenz eines optimalen Aktivitätsniveaus von PMM-Investitionen. Eine Überschreitung des Optimalniveaus hinsichtlich zusätzlicher PMM-Investitionen führt wiederum zu einer negativen Nutzen-Kosten-Differenz. Es existiert eine Bandbreite von kundenbezogenen Aktivitätsniveaus (zwischen „A“ und „D“), in dem PMM-Investitionen profitabel sind. In der Praxis existiert kein allgemeingültiger Weg bei der Auswahl der Kennwerte, die in Zusammenhang mit einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung relevant sind. Entsprechende Kennwerte müssen für den individuellen Fall konzipiert, validiert und ermittelt werden. Innerhalb des dargestellten Phasenkonzepts wird dies in den Stufen 7 und 8 durchgeführt. Im Anschluss an die Ermittlung der Wirtschaftlichkeitskennziffern folgt die Interpretation der ermittelten Ergebnisse. Methoden zur Messung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen im Programm-Management Die Entwicklung und Bewertung von PMM-Investitionen findet in einem dynamischen Prozess statt. PMM-Investitionsmöglichkeiten werden ständig neu bewertet im Kontext sich ständig ändernder Rahmenbedingungen. Die Bewertung erfolgt dabei meist nach traditionellen Konzepten, wie z.B. der Kapitalwertmethode, der Internen-Zinsfuß-Methode oder auch nach der Amortisationsdauer. Der Return on Investment jedoch ist die am häufigsten verwendete Kennziffer bei der Entscheidungsfindung über eine Programm-Managementinvestition. Strukturierung des RoI durch Finanzkennzahlen Über die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen (Vgl. Abbildung 6) kann der Return on Investment näherungsweise berechnet werden. Näherungsweise deshalb, da im Programm-Management zahlreiche Interdependenzen wirken und deren Quantifizierung sich als durchaus schwierig erweisen kann. Sogar die Kostenseite, die gewöhnlich besser greifbar ist, entzieht sich oft der direkten Ermittlung. Dies liegt vor allem daran, dass Personalaufwände oft Gemeinkostencharakter haben. Zusätzlich zu der oben dargestellten Gliederung der Kosten einer Programm-Managementinvestition lassen sich generell „Projektkosten“, also die tendenziell einmaligen Kosten der Einführung und/oder Optimierung des Programm-Managements, und sog. „Folgekosten“, also durch ein einzelnes Programm verursachte laufende Kosten, unterscheiden.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 149

Abbildung 6:

Strukturierung des RoI durch Finanzkennzahlen [Vgl. Campana & Schott 2003]

Wenn man den durchschnittlich in der Beobachtungsperiode zu erwartenden Gewinn durch das investierte Kapital teilt, erhält man annäherungsweise den RoI. Im Sinne einer Kapitalwert-Berechnung müssten für eine wissenschaftlich korrektere Vorgehensweise lange Zeiträume und ein Kalkulationszinssatz angesetzt werden. Eine interne Studie [Vgl. Campana & Schott 2003), bei der 78 Unternehmen nach den geschätzten RoI in den ersten zwei Jahren ihrer eingeführten PMM-Prozesse befragt wurden, ergab folgende in Abbildung 7 dargestellte Verteilung, am Beispiel CRM-Programme (Programme zur Einführung von Customer-Releationsship-Lösungen).

150 Simon A. Schmidt, Nicole Mertin

Quelle (IDC): 300 befragte Unternehmen (100 USA, 200 Europa), aus den Branchen Banken und Versicherungen (43%), Handel (15%), Automobil/ Versorgungsunternehmen/ Pharma (37%) und Telekommunikation (5%)

Abbildung 7: Geschätzter RoI in den ersten zwei Jahren nach der Einführung von PMM-Prozessen

Die Abbildung lässt erkennen, dass bei 23% der befragten Unternehmen der RoI in den ersten 2 Jahren zwischen 20% - 50% und bei weiteren 44% ein RoI zwischen 10% - 20% realisiert wurde. Lediglich bei einem Drittel der Unternehmen lag der RoI unter 10%. Die ermittelten Ergebnisse bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind leider nur bedingt aussagekräftig, denn der Nutzen einer Programm-Managementmaßnahme tritt erst nach einer Zeitverzögerung ein. Exogene Faktoren, z.B. die Entwicklung der Projektlandschaft über die Zeit, sind wesentliche Determinanten bei der Bestimmung des Nutzens einer PMMOptimierungsmaßnahme. Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass in stark wachsenden Projektlandschaften der Nutzen einer PMM-Investition mit der Zeit zunimmt. Auch endogene Faktoren, z.B. technische Vorraussetzungen, das Qualitätsniveau des Projektmanagements oder einführende Schulungsmaßnahmen, determinieren in besonderem Maße den Erfolg des Programm-Managements.

Die Aufgaben des Managements zur Nutzenoptimierung im Programm-Management 151

3. Fazit Programm-Management ist eine Projekt-Organisationsform, die in weit entwickelten Projektlandschaften von großem Nutzen für das Unternehmen sein kann. Bei der Einführung und Optimierung muss berücksichtigt werden, dass Einschnitte in bereits bestehende und funktionierende Entscheidungsprozesse auch Risiken in sich tragen. Insbesondere die zweiseitige Abhängigkeit des Programm-Managements, sowohl vom operativen Projektmanagement und von über dem Programm-Management angesiedelten Managementebenen, wird in vielerlei Hinsicht zu Trade-OffEntscheidungen führen, die nur eine Seite zufrieden stellen. Beidseitige Kooperation ist notwendig, um das volle Nutzenpotential ausschöpfen zu können. Das vorgestellte Phasenkonzept der Nutzenoptimierung spielt bei der Einführung und Optimierung von Programm-Management–Strukturen eine zentrale Rolle. Es ist geeignet, die entstehenden Kosten und die zugehörigen Nutzenpotentiale methodisch sauber zu trennen und ermöglicht bei richtiger Anwendung zudem die simultane Bewertung unterschiedlicher PMM-Investitionspakete. Die wichtigste Voraussetzung für die in der Praxis (wirtschaftlich) erfolgreiche Umsetzung von Programm-Management-Strukturen ist jedoch die aktive Unterstützung durch das Management: Das Management muss in diesem Sinne Programm-Management-Strukturen einfordern, resultierende Kommunikation- und Entscheidungswege einhalten sowie Aufwand und Nutzen der zusätzlichen Programm-Management-Koordination selbst bewerten.

Projektrisikomanagement Oliver Keiser

1.

Einleitung ..................................................................................... 154

2.

Das strategische Projektrisikomanagement als konsequente Ergänzung des operativen Projektrisikomanagements ........... 155

3.

Gegenstand und Zieldimensionen des strategischen Projektrisikomanagements ......................................................... 156 Um was es geht: Keine Chancen ohne Risiken ............................. 158 Projektrisiken................................................................................. 159 Kategorisierung von Projektrisiken ............................................... 159

3.1. 3.2. 3.3. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. 4.7. 4.8.

5.

Ein Rahmenwerk für das strategische Projektrisikomanagement .......................................................... 161 Definition von Projektrisikozielen und -grundsätzen .................... 161 Organisation des strategischen Projektrisikomanagements........... 162 Umsetzung des Projektrisikomanagements ................................... 163 Identifikation von Projektrisiken ................................................... 165 Analyse und Bewertung von Projektrisiken .................................. 166 Auswahl und Anwendung von Maßnahmen zur Handhabung von Projektrisiken .................................................... 167 Controlling der Projektrisiken ....................................................... 168 Überprüfung und kontinuierliche Weiterentwicklung des Projektrisikomanagements ...................................................... 169

5.2. 5.3.

Weiterführende Aspekte im Kontext des Projektrisikomanagements ......................................................... 170 Softwaretechnische Unterstützung des Projektrisikomanagements ............................................................ 170 Projektrisikokultur......................................................................... 171 Personelle und arbeitsorganisatorische Aspekte............................ 172

6.

Fazit .............................................................................................. 173

5.1.

154 Oliver Keiser

1. Einleitung „If you can’t afford to mitigate the risk now, be absolutely sure you can afford to resolve the problem later when it happens” Bei der Durchführung von Projekten zur Realisierung unternehmerischer Chancen gilt der triviale Grundsatz, dass diesen Chancen auch Risiken gegenüberstehen. Der Eintritt von Projektrisiken drückt sich in einer negativen Abweichung vom angestrebten Projektergebnis aus. Die Bedeutung von Projektrisiken für das Gesamtunternehmen nimmt analog zu der in diesem Band schon vielfach diagnostizierten generellen Bedeutung von Projektarbeit kontinuierlich zu. Durch den Eintritt einzelner oder kumulierter Projektrisiken kann das Erreichen der Unternehmensziele wesentlich beeinträchtigt, oder sogar im Extremfall auch die Existenz des Gesamtunternehmens gefährdet werden. Es ist daher Aufgabe der Unternehmensführung, im Rahmen eines strategischen Projektrisikomanagements die kontinuierliche Identifikation, Bewertung, Priorisierung und Handhabung, sowie die Berichterstattung wesentlicher Projektrisiken in Bezug auf das Gesamtprojektportfolio des Unternehmens, sicherzustellen. Grundlage hierfür ist die Bereitstellung geeigneter organisatorischer, personeller und technischer Rahmenbedingungen. Ziel dieses Beitrages ist es, ausgewählte zentrale Aspekte des strategischen Projektrisikomanagements hinsichtlich der Zielsetzung und der organisatorischen und funktionalen Implementierung so darzustellen, dass dem Unternehmenspraktiker Ansatzpunkte für eine erste kritische Reflexion geboten werden. Auf die zahlreichen inhaltlichen Verknüpfungen mit den in diesem Band behandelten Themenblöcken zum einen, insbesondere dem Multi-Projektmanagement, und zum anderen mit Themen des „allgemeinen“ Risikomanagements kann dabei in Anbetracht des Rahmens allenfalls verwiesen werden. Der Artikel ist wie folgt gegliedert: x Im ersten Abschnitt wird die Notwendigkeit des strategischen Projektrisikomanagements als Ergänzung zu dem vielfach bereits vorzufindenden operativen Projektrisikomanagement dargelegt. x Hierauf aufbauend präzisiert der zweite Abschnitt den Gegenstand des strategischen Projektrisikomanagements und zeigt dessen verschiedene Zieldimensionen auf. x Die vier Elemente „Definition von Projektrisikozielen und -grundsätzen“, „Organisation des strategischen Projektrisikomanagements“, „Umsetzung des Projektrisikomanagements“ sowie „Überprüfung und kontinuierliche Weiterentwicklung des Projektrisikomanagements“ bil-

Projektrisikomanagement 155

den gemeinsam die Bausteine des im dritten Abschnitt skizzierten Rahmenwerks des strategischen Projektrisikomanagements. x Abschließend wird die softwaretechnische Unterstützung des Projektrisikomanagements, die Bedeutung der Projektrisikokultur sowie die Personal- und Arbeitsorganisation als besonders bedeutsame Partialaspekte im Kontext der aktuellen Diskussion des strategischen Projektrisikomanagements dargestellt.

2. Das strategische Projektrisikomanagement als konsequente Ergänzung des operativen Projektrisikomanagements Bei einem Blick in die unternehmerische Praxis sowie in die Fachliteratur – hier insbesondere in die praxisorientierte Ratgeberliteratur – ist festzustellen, dass das Thema „Projektrisikomanagement“ auf Projektebene ausführlich behandelt wird: Die Projektleiter nehmen ständig – bewusst oder unbewusst – Aufgaben des Risikomanagements wahr, indem sie den Fortschritt „ihres Projekts“ überwachen und möglichen Abweichungen vom Projektziel entgegensteuern. Hierfür wird ihnen ein breites Angebot an Checklisten, Softwarewerkzeugen usw. zur Verfügung gestellt, um die Projektabwicklung innerhalb des Projektmanagementdreiecks „in time/ in budget/ in quality“ zu unterstützen. Eine Kontextbetrachtung mit anderen Projekten und der sonstigen Systemlandschaft erfolgt aus dieser Perspektive heraus nur insoweit, als hieraus Erkenntnisse für das Risikoprofil des jeweils eigenen Projekts resultieren. Aus Perspektive der Unternehmensführung sind nun im Sinne des strategischen Projektrisikomanagement die sich aus der Gesamtheit aller Projekte entstehenden Risiken zu betrachten, und entsprechend umfassender ist der zu berücksichtigende Kontext. In Unternehmen mit einer großen Projektanzahl oder mit einer grundsätzlich projektorientierten Organisationsform wird zunehmend festgestellt, dass ein deutlicher Bedarf nach ausgeprägtem strategischen Projektrisikomanagement besteht, welches über die „SiloPerspektive“ einer Einzelprojektbetrachtung hinausgeht (s.o.). In seiner strategischen Ausgestaltung stellt Projektrisikomanagement dann einen kontinuierlichen, proaktiven und systematischen Prozess dar, der dazu dient, Projektrisiken unternehmensweit zu identifizieren, zu bewerten, zu priorisieren, hand zu haben und zu kommunizieren: Zum einen werden im Rahmen des strategischen Projektrisikomanagements Entscheidungen getroffen, die als Grundlage für die operative Umsetzung dienen. Zum anderen greift das strategische Projektrisikomanagement auf die Daten und Er-

156 Oliver Keiser

fahrungen des operativen Risikomanagements von Einzelprojekten zurück und verwendet diese als Grundlage für weitere Entscheidungen und die Weiterentwicklung des strategischen Projektrisikomanagements. Als integraler Bestandteil der Unternehmensführung stellt ein wirksames Projektrisikomanagement in Folge einen zentralen Erfolgsfaktor des Gesamtunternehmens dar. Über diese Erfolg sichernde Funktion hinaus gibt es einen weiteren Grund für das Top-Management in projektorientierten Unternehmen, sich mit dem Thema „Projektrisikomanagement“ intensiv auseinanderzusetzen. Der Gesetzgeber verpflichtet die Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften entsprechender Rechtsform, Größe, Branche, Struktur usw. (Stichworte hierzu: Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) oder § 317 Abs. 4 HGB) zur Einrichtung eines aktiven Risikomanagements und eines zugehörigen Überwachungssystems, um den Informations- und Sicherheitsbedürfnissen interner und externer Stakeholder zu gewährleisten. Die Implementierung eines Projektrisikomanagements kann damit zum wesentlichen Instrument zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen werden.

3. Gegenstand und Zieldimensionen des strategischen Projektrisikomanagements Mit den zunehmenden Anforderungen an das Projektmanagement steigen die Risiken der Nichterfüllung einzelner Projektziele. Im Kontext sich ständig verändernder Rahmenbedingungen sehen sich Projektmanager mit Herausforderungen konfrontiert, die aus Downsizing, schärfer kalkulierten Budgets und knapper kalkulierten Zielterminen bei verkürzten Produktentwicklungszyklen und steigender Innovationsgeschwindigkeit resultieren. Mit abnehmenden Planungsreserven steigt das Risiko, dass Projektziele nicht erreicht werden. In der Praxis ist regelmäßig zu beobachten, dass auf Einzelprojektebenen als unwichtig erachtete Risiken im Berichtwesen nicht erfasst werden. Treten derartige Risiken simultan auf und potenzieren sie sich ggfs. noch in ihrer Wirkung, so besteht die Gefahr signifikanter Beeinträchtigung des Gesamtunternehmenserfolges. Durch eine systematische Identifikation des Auftretens korrelierter Projektrisiken können sich daher für das Management wichtige Handlungsfelder ergeben. Einen ähnlichen analytischen Schwerpunkt setzt die Betrachtung von Wechselwirkungen zwischen den Risiken mehrerer Projekte. Weiterhin wird beobachtet, dass Projekte mit hoher strategischer und/oder wirtschaftlicher Bedeutung für das Gesamtunternehmen nicht initiiert, be-

Projektrisikomanagement 157

ziehungsweise vorzeitig abgebrochen werden, weil die mit dem Projekt verbundenen Projektrisiken aus Perspektive des einzelnen Projekts als zu hoch beziehungsweise im Gesamtkontext falsch eingestuft werden. Die Folge einer solchen im unternehmerischen Gesamtkontext verfehlten Priorisierung kann dann unter Umständen in eine lang andauernde strategische Fehlorientierung münden. Aufgabe des strategischen Projektrisikomanagements ist es, projektbezogene Entscheidungen im Interesse der gesamtunternehmerischen Situation zu unterstützen. Es wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass Projektrisikomanagement nicht darauf abzielt, Risiken, und damit „riskante Projekte“, generell zu verhindern. Diese werden so vielmehr in die Planung und den Kontext des Gesamtprojektportfolios integriert. Projektbezogene Risiken lassen sich dann besser steuern. Bei unternehmensübergreifenden Projekten haben die beteiligten Akteure ein natürliches Interesse daran, dass die Partner ihre jeweiligen Verpflichtungen einhalten können. Es lassen sich zahllose Beispiele dafür finden, dass durch Ausfälle einzelner Projektbeteiligter massive Projektkrisen entstanden sind. Die Qualität des strategischen Projektrisikomanagements stellt somit einen zunehmend wichtiger werdenden Entscheidungsfaktor bei der Auswahl von Projektpartnern dar. Zusammenfassend dient Projektrisikomanagement als Bestandteil des Aufgabenkataloges der Unternehmensführung dazu, x eine klare Organisation des Projektrisikomanagement durch eindeutige Zuordnung von Verantwortungen und Kompetenzen zu schaffen, x Entscheidungen durch das zeitnahe Erkennen unternehmensrelevanter Risiken zu treffen (Frühwarnsystem), x die systematische Identifikation von Projektrisiken und Projektrisikoakkumulationen nutzen zu können, um „negative Überraschungen“ zu vermeiden, x die Kosten für die Projektrisikohandhabung durch die unternehmensweite Optimierung von Projektrisikomaßnahmen und des Projektrisikoportfolios zu senken, x das unternehmensweite Bewusstsein für Projektrisiken durch Kommunikation und „Vorleben“ auf Managementebene zu verbessern und x durch Kommunikation der Risiken und der entsprechenden Maßnahmen den Ansprüche interner und externer Stakeholder, Unternehmensrisiken zu beherrschen, erfüllen zu können. Um diese Ziele zu erreichen, ist ein wirkungsvolles strategisches Projektrisikomanagement notwendig. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es proaktiv angelegt ist und sich von primär reaktiv ausgerichteten Konzep-

158 Oliver Keiser

ten, wie bspw. dem Krisenmanagement, abgrenzt. Die Umsetzung im Tagesgeschäft erfolgt durch Implementierung eines Apparates formaler Methoden, die Bereitstellung geeigneter Instrumente sowie entsprechender organisatorischer Flankierungsmaßnahmen. Diese werden in den folgenden Abschnitten beschrieben. 3.1. Um was es geht: Keine Chancen ohne Risiken Wenn unternehmerische Handlungen zwangsläufig sowohl mit Risiken als auch mit Chancen verbunden sind, stellt sich die Frage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden: Beide resultieren aus der generellen Unsicherheit über zukünftige Ereignisse und Zustände. Als Risiko wird ein Ereignis bezeichnet, mit dessen Eintritt eine negative Abweichung von einem unternehmerischen Ziel verbunden ist. Wesentliches Merkmal von Risiken ist, dass weder Eintrittswahrscheinlichkeit noch Ausmaß des Einflusses auf das Ziel sicher bekannt sind, jedoch geschätzt werden können. Eine Chance bezieht sich analog auf eine positive Abweichung von einem unternehmerischen Ziel. Auch wenn insbesondere in der Literatur Risiken und Chancen zuweilen innerhalb eines gemeinsamen konzeptionellen Rahmens thematisiert werden, so hat es sich in der Praxis bewährt, Risiken eigenständig zu betrachten. Dies ist nicht zuletzt darin begründet, dass die Identifikation und Realisierung von Chancen per se im Zentrum der unternehmerischen Aufmerksamkeit stehen, während die Auseinandersetzung mit Risiken gelegentlich nahezu die Aura der – gerne ignorierten – Ausnahme oder Randerscheinungen anhaftet („Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“).

Für die weitere Auseinandersetzung wird das folgende, präzisierte Begriffsverständnis zugrunde gelegt: x Ein Risiko bezieht sich grundsätzlich auf ein mögliches zukünftiges Ereignis, das eintreten kann. Ereignisse, die in der Vergangenheit liegen, stellen keine Risiken dar. Die Ereignisbezogenheit schließt die Betrachtung von Kosten- und Terminabweichungen o.ä., als eigenständige Risiken, aus. Hierbei handelt es sich vielmehr um mögliche Folgen eines Risikos. x Ein Risiko hat eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 0% und weniger als 100%. Ereignisse mit einer (sicheren) Eintrittswahrscheinlichkeit von 100%, die negative Zielabweichungen bewirken, bezeichnen Probleme oder Krisen, jedoch keine Risiken, und werden entsprechend abweichend gehandhabt.

Projektrisikomanagement 159

x Die Konsequenz des Ereigniseintritts ist unerwartet bzw. ungeplant. Wirkt sich der Eintritt des Ereignisses negativ auf das Ergebnis aus, so ist ein Risiko eingetreten. Eine positive Auswirkung auf das Ergebnis bezeichnet eine Chance (s.o.). 3.2. Projektrisiken Aus Managementperspektive ist im Rahmen des allgemeinen Risikomanagements eine Vielzahl verschiedener Risiken zu betrachten. Gegenstand des Projektrisikomanagements sind dann ausschließlich solche Risiken, deren Eintritt sich auf ein oder mehrere Projekte auswirkt und die somit als Projektrisiken bezeichnet werden. Unternehmensrisiken, die keinen direkten Bezug zu mindestens einem Projekt haben, werden in diesem Kontext nicht betrachtet. Da für verschiedene Risiken schwerlich eine eindeutige Aussage darüber getroffen werden kann, ob ein Projektrisiko im o.g. Sinne vorliegt, ist es Aufgabe der Unternehmensführung, Projektrisiken im Zusammenhang mit anderen strategischen Unternehmensrisiken zu betrachten. 3.3. Kategorisierung von Projektrisiken Projektleiter bilden Projektrisiken zumeist auf eine oder mehrere der drei Auswirkungsdimensionen „Überschreitung der geplanten Projektkosten“, „Überschreitung der geplanten Zieltermine“ oder „Unterschreitung der geplanten Leistungsziele“ ab. Über diese Dimensionsbetrachtung hinaus ist es zweckmäßig, dass die Unternehmensführung auch transparent über weniger unmittelbare potentielle Auswirkungen informiert wird. So können Projektrisiken dazu führen, dass x ein Projekt abgebrochen wird und ggfs. hiermit auch indirekt verbundene unternehmerische Ziele nicht erreicht werden können, x Unzufriedenheit von Kunden gegenüber dem Unternehmen entsteht, x das Unternehmen Imageverluste erleidet, x Mitarbeiter aus dem Projektumfeld demotiviert werden oder x sich aufwändige Rechtsstreitigkeiten ergeben, wobei diese Aufzählung keinesfalls einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Für die systematische Auseinandersetzung mit der Vielzahl verschiedener Risiken ist eine Kategorisierung vorzunehmen, so dass Risken aus verschiedenen Projekten auf einer gemeinsamen Grundlage analysiert werden

160 Oliver Keiser

können. Um unmittelbar relevante Handlungs- oder Einflussfelder für das Management zu identifizieren, bietet sich hier anstatt einer wirkungsbezogenen, eine ursachenbezogene Betrachtung an. Es gibt zahlreiche, unterschiedlich komplexe Systeme zur Unterscheidung von Projektrisikokategorien. Für eine erste Einteilung werden hier die drei generischen Projektrisikokategorien, nämlich managementbezogene Projektrisiken, externe Projektrisiken und technologische Projektrisiken unterschieden: x Die Kategorie der managementbezogenen Projektrisiken bezieht sich auf diejenigen Risiken, die in der Organisation selbst liegen, innerhalb deren Verantwortungsbereich die jeweiligen Einzelprojekte stattfinden. Hierunter fallen neben operativen Handlungsanweisungen alle Teilaspekte des Unternehmens, die durch das Management beeinflussbar sind, wie z.B. die Projektorganisationsform, die personelle und finanzielle Ressourcenausstattung, der Managementstil, die Unternehmenskultur sowie die Beziehungen zu den externen Stakeholdern. x Die Kategorie der externen Projektrisiken bezieht sich auf alle Risiken, die sich der direkten Kontrolle der projektdurchführenden Organisation entziehen. Externe Projektrisiken können u.a. aus den Aktionen Dritter (Kunden, Auftraggeber, Wettbewerber, Projektpartner, Gesetzgeber oder andere Stakeholder), sowie aus Markt- und Umwelteinflüssen resultieren. x Die Kategorie der technologischen Projektrisiken bezieht sich auf die mit der Anwendung von konkreten Techniken, Methoden oder Prozessen innerhalb der Projekte verbundenen Risiken. Exemplarisch dafür seien die Auswahl von ungeeigneten Technologien oder die Anwendung von überholten oder auch unausgereiften Technologien genannt sowie der Einsatz von Technologien, für die noch keine Erfahrungen und spezifischen Kenntnisse vorliegen. Zu jeder der drei Hauptkategorien werden im konkreten Anwendungsfall möglichst vollständige Kataloge der unternehmensspezifischen Projektrisiken erstellt. Diese Vorgabenumsetzung des strategischen Projektrisikomanagements in bereichs- und funktionensspezifisch angepasste Handlungsleitfäden kann bspw. Aufgabe eines Project Management Office sein. Auf operativer Ebene dienen die vollständigen Projektrisikokataloge den Projektleitern und Mitarbeitern dazu, Projektrisiken so zu klassifizieren, dass sie vergleichbar und einheitlich handhabbar sind. Einem Project Management Office, sofern vorhanden, kommt darüber hinaus eine qualitätsund Know-How-sichernde Funktion zu: Unvollständig oder mangelhaft erstellte Risikobewertungen werden entdeckt und neue Risiken bzw. Maß-

Projektrisikomanagement 161

nahmen zur Handhabung können in einem zentralen Verzeichnis den Projektleitern zur Verfügung gestellt werden.

4. Ein Rahmenwerk für das strategische Projektrisikomanagement Ein wirkungsvolles Projektrisikomanagement muss an die individuellen Gegebenheiten des Unternehmens angepasst sein. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung lassen sich die folgenden vier Grundelemente eines konzeptionellen Rahmenwerks des strategischen Projektrisikomanagements unterscheiden: x Definition von Projektrisikozielen und -grundsätzen x Organisation des strategischen Projektrisikomanagements x Umsetzung des Projektrisikomanagements x Überprüfung und kontinuierliche Weiterentwicklung des Projektrisikomanagements Zweck des Projektrisikomanagementrahmens ist es, auf allen Unternehmensebenen Informationstransparenz und ein gemeinsames Verständnis über die Projektrisiken und deren Handhabung zu erzielen. So sollen insbesondere horizontale Zusammenhänge und/oder Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Projekten aufgedeckt werden. 4.1. Definition von Projektrisikozielen und -grundsätzen Es ist Aufgabe der Unternehmensführung, die unternehmensspezifischen Projektrisikoziele und -grundsätze zu entwickeln und umzusetzen, die in ihrer Ausgestaltung zu der übrigen unternehmerischen Zielsetzung kompatibel sind. Hier ist zunächst die Definition der grundsätzlich im Unternehmen zu betrachteten Risikokategorien (s.o.) zu nennen. Es werden Sicherheitsgrößen von Projektrisiken, bei deren Erreichung Handlungsbedarf ausgelöst wird und ggfs. die Unternehmensführung unmittelbar zu informieren ist, sowie die einzuleitenden Maßnahmen selbst, festgelegt. Betrachtungsgrößen sind bspw. Risikokosten, Eintrittswahrscheinlichkeiten, die betroffenen Kategorien oder Prioritäten. Auch die grundlegende Organisation des Projektrisikomanagements sowie die entsprechenden Aufgaben- und Verantwortungsbereiche werden in diesem Kontext definiert. Da mit Einrichtung und Durchführung des Projektrisikomanagements zwangsläufig Aufwände verbunden sind, ist es Unternehmensführungsauf-

162 Oliver Keiser

gabe, bei Definition der Projektrisikogrundsätze festzulegen, welche Fähigkeiten und Kapazitäten im Unternehmen für das Projektrisikomanagement vorzuhalten sind. Für die Definition der Projektrisikoziele und -grundsätze ist ein breites und tiefes Grundverständnis des Unternehmens und dessen Umsystems unabdingbare Voraussetzung. Aus diesem Grund stellt eine aktive Miteinbeziehung des übergeordneten Managements einen zentralen Erfolgsfaktor dar. Die Ermittlung und Zusammenführung projektrisikorelevanter Informationen und des daraus gewonnenes Wissens auf Unternehmensebene, aber auch auf operativer Ebene, führt zu einem ganzheitlichen Bild der internen und externen Projektrisiken, ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten und ihres möglichen Einflusses auf die Projektziele. Durch die Transparenz über das in einzelnen Projekten und Bereichen bereits implementierte Projektrisikomanagement wird eine wichtige Grundlage für weitere Schritte eines unternehmensweiten Projektrisikomanagements geschaffen. 4.2. Organisation des strategischen Projektrisikomanagements Mit der Einrichtung der Organisation des Projektrisikomanagement wird die notwendige Infrastruktur geschaffen, um die vorher definierten Projektrisikoziele und –grundsätze unternehmensweit umzusetzen. In komplexen Unternehmensstrukturen kann es zweckmäßig sein, die von der obersten Unternehmensführung definierten Projektrisikogrundsätze bereichsspezifisch zu adaptieren. Dies kann bspw. durch Project Management Offices in den Bereichen erfolgen. Erfolgsfaktoren bei der Organisation des Projektrisikomanagements sind zum einen die Kompatibilität der Maßnahmen zu den allgemeinen Unternehmenszielen und –strategien, die Berücksichtigung der Unternehmenskultur und auch die aktive Unterstützung durch das Management aller Unternehmensebenen. Es müssen verschiedene Anforderungen erfüllt werden: x Es ist eine klare und eindeutige Organisationsstruktur zu schaffen, in der Aufgaben des Projektrisikomanagements sowie Kompetenzen und Verantwortungen definiert werden. Hierbei sind vorhandene Institutionen des Projektmanagements wie Project Management Offices oder ein Projektportfolio Board ebenso zu berücksichtigen wie ggfs. ein Risk Board als originäre Institution des Risikomanagements. x Konkrete Handlungsanweisungen – dokumentiert u.a. in Leitfäden für das Projektrisikomanagement – müssen vor dem Hintergrund einer Aufwand-Nutzen-Relation entwickelt und von den Mitabeitern akzep-

Projektrisikomanagement 163

tiert werden. Voraussetzung für diese Akzeptanz ist in der Regel eine klare Unterstützung durch das Management, die sich sowohl auf das Projektmanagement im Allgemeinen als auch explizit auf die Teilfunktion Projektrisikomanagement bezieht. x Das Projektrisikomanagement als Teilfunktion des Projektmanagements ist in dessen Regelprozesse und -strukturen integriert. Wenn die Handhabung von Projektrisiken nicht als „Ausnahmefall“ betrachtet wird, sondern als Bestandteil vorhandener Strukturen, dann unterstützen sich organisationsweite Reporting- oder Lernprozesse wechselseitig. x Für eine nachhaltige Erfolgssicherung sind Prozesse, Methoden und Strukturen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Projektrisikomanagements vorzusehen: Die „Erstarrung“ des Projektrisikomanagements selbst stellt ein bedeutsames Risiko dar, wenn neue oder gestiegene Projektrisiken/Projektrisikokategorien nicht weiter berücksichtigt werden. Durch die Anpassung an weggefallene oder in ihrer Bedeutung verminderte Risiken kann das Regelwerk einerseits in seiner Komplexität reduziert werden, was ggfs. die Akzeptanz im Unternehmen erhöht, andererseits können gebundene Kapazitäten für andere Aufgaben eingesetzt werden. x Alle Maßnahmen des Projektrisikomanagements sind durch den Aufbau und die Weiterentwicklung der notwendigen quantitativen und qualitativen Personalkapazitäten zu flankieren. Neben der Festlegung von Qualifizierungsprogrammen für die im Projektrisikomanagement involvierten Mitarbeiter sind aus strategischer Perspektive auch dahingehende Überlegungen anzustellen, wie sich das entsprechende Know How im Unternehmen langfristig aufbauen, bewahren und weitergeben lässt. Hier sei wiederum auf die Institution des Project Management Offices verwiesen. 4.3. Umsetzung des Projektrisikomanagements Die Umsetzung des Projektrisikomanagements erfolgt sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene durch die kontinuierliche Anwendung standardisierter Prozesse, deren konkrete Ausgestaltung von unternehmerischen Rahmenparametern wie Größe, Komplexität, Organisationsform, Branche o.ä. abhängen: Die auf Ebene der Einzelprojekte kontinuierlich in jeder Projektphase erfassten Projektrisiken werden in Richtung Unternehmensspitze zunehmend verdichtet und dort regelmäßig – bspw. im Rahmen der Jahresplanung – ausgewertet.

164 Oliver Keiser

In den Unternehmen lassen sich diverse unterschiedlich detailliert ausgearbeitete Prozessmodelle für das Projektrisikomanagement vorfinden. Im Folgenden werden die entsprechenden zentralen Aussagen mittels eines vierstufigen Prozessmodells betrachtet. Dieser Vier-Stufen-Prozess ist eingebettet in einen Zusammenhang, der insbesondere durch die Projektrisikoziele und -grundsätze sowie durch den allgemeinen Unternehmens- und den Projektkontext geprägt wird (vgl. Abbildung 1): x Identifikation von Projektrisiken x Analyse und Bewertung von Projektrisiken x Auswahl und Anwendung von Maßnahmen zur Handhabung von Projektrisiken x Controlling der Projektrisiken Unternehmenskontext

Projektrisikoziele und -grundsätze

Identifikation von Projektrisiken

Analyse und Bewertung von Projektrisiken

Controlling der Projektrisiken

Auswahl und Anwendung von Maßnahmen

Projektkontext

Abbildung 1: Prozessmodell des Projektrisikomanagements

Die Einbettung des Projektrisikomanagementprozesses in den Kontext des Gesamtunternehmens verdeutlicht Abbildung 2. Es wird betont, dass alle Aktivitäten auf Grundlage der definierten Projektrisikoziele und -grundsätze erfolgen.

Projektrisikomanagement 165 Identifikation

Analyse

Controlling

Maßnahmen

Projektrisikomanagementaufgaben der Unternehmensführung

Identifikation

Analyse

Controlling

Maßnahmen

Verdichtung der Projektrisikomeldungen aus den Einzelprojekten (z.B. Project Management Office)

Regelmäßiges Reporting aus allen Projekten (z.B. phasenweise)

Identifikation

Analyse

Identifikation

Analyse

Identifikation

Analyse

Controlling

Maßnahmen

Controlling

Maßnahmen

Controlling

Maßnahmen

Kommunikation

Projektrisikoziele und -grundsätze

Regelmäßiges Reporting (z.B. je Geschäftsjahr)

... ... Projektphasen: Initiierung / Planung / Durchführung / Kontrolle

Kontinuierliche und phasenbegleitende Projektrisikobetrachtung der Einzelprojekte

Abbildung 2: Projektrisikomanagement im Gesamtunternehmen

Nachfolgend werden die vier Prozessphasen beschrieben. 4.4. Identifikation von Projektrisiken Erster Schritt ist die Identifikation und Beschreibung der Projektrisiken. Hierzu stehen auf operativer Ebene zahlreiche Methoden und Hilfsmittel zur Verfügung, die entweder einzeln oder in Kombination Anwendung finden. Verbreitet sind Checklisten, Fragebögen, strukturierte oder unstrukturierte (Experten-)Interviews, Workshops, die Auswertung kaufmännischer Kennzahlen oder sonstiger interner oder externer Dokumente. Die frühzeitige Identifikation von Projektrisiken stellt eine Voraussetzung für das rechtzeitige Ergreifen geeigneter Maßnahmen dar. Hilfreich für eine effiziente und systematische Vorgehensweise sind hierbei die zuvor definierten Risikokategorien und ggf. eine weitergehende Einteilung nach Subrisiken, um eine laufende Risikoüberwachung zu unterstützen. Die Identifikation von Projektrisiken ist eine kontinuierliche Aufgabe, die über alle Projektphasen hinweg von zu bestimmenden Verantwortlichen wahrgenommen werden muss, um neue oder veränderte Projektrisiken während des Projektverlaufs erfassen zu können. Institutionalisierte Statusmeetings und regelmäßige Projektrisikoreportings unterstützen die erfolgreiche Durchführung dieser Prozessphase.

166 Oliver Keiser

Oberhalb der Einzelprojektebene sind insbesondere Abhängigkeiten zwischen bereits bekannten Projektrisiken und den entsprechenden Projekten ersichtlich. Ausgehend von identifizierten zentralen Projekten oder Risikofeldern können weitere relevante Informationen aus den eingehenden Projektrisikoberichten zugeordnet und in zusammengefassten Berichten erfasst werden. Daher beschränken sich die Aufgaben hier keinesfalls auf „addierende Tätigkeiten“. Für die Identifikation von Risikointerdependenzen bedarf es vielmehr großer Erfahrung und Kenntnis der Gesamtsituation, so dass mit diesen Aufgaben nur erfahrene Mitarbeiter betraut werden sollten, die auch die strategische Tragweite ihrer Entscheidungen abschätzen können. 4.5. Analyse und Bewertung von Projektrisiken Die identifizierten Projektrisiken lösen nicht alle gleichermaßen Handlungsbedarf aus – dies würde aller Erfahrungen nach einer verhältnismäßigen und damit wirtschaftlichen Vorgehensweise widersprechen. Daher ist es das Ziel der Analyse und Bewertung, die identifizierten Projektrisiken den definierten Kategorien zuzuordnen und Erwartungswerte der einzelnen Risiken zu ermitteln. Über die unterschiedlichen Erwartungswerte können die Projektrisiken priorisiert und unter Berücksichtigung der Projektrisikogrundsätze und der zur Verfügung stehenden Ressourcen gehandhabt werden. Grundsätzlich lassen sich quantitative und qualitative Verfahren zur Bewertung von Projektrisiken unterscheiden. Welche Verfahrensart im Einzelfall zu bevorzugen ist, ist individuell zu entscheiden: Zum einen treten Probleme auf, wenn versucht wird, die „Quantifizierung von NichtQuantifizierbarem (z.B. Imageverluste)“ vorzunehmen. Zum anderen ist die aussagefähige Zusammenführung von qualitativen Daten mit methodischen Schwierigkeiten verbunden. Moderne Managementtechniken, wie bspw. die Balanced Scorecards zielen darauf ab, ein möglichst ganzheitliches Situationsbild wiederzugeben. In modifizierter Form kommen Balanced Scorecards auch im Bereich Projektrisikomanagement zur Anwendung.32 Hinsichtlich der Dimensionen „Schadenshöhe“ und „Eintrittswahrscheinlichkeit“ bewertete Projektrisiken lassen sich mittels einer Projektrisikomatrix plastisch gegenüberstellen (siehe folgende Abbildung). Die Projektrisikomatrix gibt das Projektrisikoprofil der jeweiligen Betrachtungsebene wieder: Auf Grundlage der vereinheitlichten Bewertungsstandards ergibt sich das Projektrisikoprofil des Unternehmens als Information für die 32

Vgl. den entsprechenden Abschnitt an vorangegangener Stelle in diesem Band.

Projektrisikomanagement 167

sehr hoch

mittel

evtl. Handlungsbedarf

Schadenshöhe

hoch

Handlungsbedarf

kein akuter Handlungsbedarf

gering

sehr gering

sehr wahrscheinlich

wahrscheinlich

möglich

unwahrscheinlich

sehr unwahrscheinlich

Eintrittswahrscheinlichkeit

Abbildung 3: Projektrisikomatrix

Unternehmensführung aus der Akkumulation der Einzelprojektrisiken, wobei Interdependenzen zwischen Einzelprojektrisiken einer gesonderten Betrachtung bedürfen (s.o.). 4.6. Auswahl und Anwendung von Maßnahmen zur Handhabung von Projektrisiken Ausgehend von den Ergebnissen der Analyse und Bewertung der identifizierten Projektrisiken werden im nächsten Schritt Maßnahmen zur Projektrisikohandhabung ausgewählt und durchgeführt. Der ökonomisch maximale Aufwand für die Durchführung der Maßnahmen zur Projektrisikohandhabung ergibt sich aus der Höhe der geschätzten Schadenshöhe bei Risikoeintritt. Die von der Unternehmensführung vorgegebenen Projektrisikogrundsätze legen fest, welche Art von Maßnahmen in Abhängigkeit vom festgestellten Risiko zu ergreifen sind. Hinsichtlich der konkreten Maßnahmen werden verschiedene Zieldimensionen unterschieden. Nicht für jedes Risiko sind alle Maßnahmenarten anwendbar:

168 Oliver Keiser

x Maßnahmen der Projektrisikoverminderung wirken auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des Projektrisikos und/oder auf die Höhe der Auswirkungen bei Risikoeintritt. Exemplarisch kann durch quantitative und qualitative Personalaufstockung ggfs. einem Terminrisiko begegnet werden, wobei der Trade off zwischen dem zusätzlichem Personalaufwand und den Kosten, die aus einer Terminüberschreitung resultieren, zu beachten ist. x Maßnahmen des Projektrisikotransfers zielen darauf ab, Projektrisiken auf Dritte zu übertragen. Hier sind externe Projektpartner, aber auch Versicherungen zu nennen. Mit Verweis auf die einleitenden Ausführungen sei daran erinnert, dass durch die Beauftragung von externen Projektpartnern neue Projektrisiken entstehen können, die dann an Stelle des ursprünglich betrachteten treten. x Wenn die Durchführung von Maßnahmen zur Risikohandhabung vor dem Hintergrund dieses Trade Offs unzweckmäßig ist, führt die Einstellung der entsprechenden Projekte bei Erreichen definierter Projektabbruchkriterien zu einer Vermeidung von Projektrisiken, während bei Projektrisikoakzeptanz der Risikoeintritt bewusst in Kauf genommen wird. Zu beachten ist, dass mit der Durchführung konkreter Maßnahmen weitere Projektrisiken erzeugt werden können. Große Herausforderungen für das Projektmanagement entstehen dann, wenn die neuen Projektrisiken sich auch auf mehrere, bisher womöglich (scheinbar) unabhängige Projekte, beziehen. 4.7. Controlling der Projektrisiken Der letzte Schritt des Projektrisikomanagementprozesses umfasst alle Aspekte der Projektrisikoberichterstattung und -überwachung. Diese beziehen sich auf den Erfolg der Durchführung von eingeleiteten Maßnahmen ebenso wie auf die Überwachung der Effizienz des Projektrisikomanagementsystems selbst. Ein standardisiertes Berichtswesen trägt dazu bei, entscheidungsrelevante Informationen der jeweiligen Entscheidungsebene als zweckmäßiges Aggregat zur Verfügung zu stellen. Bereits bei der Konzeption ist zu prüfen, inwieweit Anforderungen des allgemeinen Berichtswesens des Unternehmens (Stichwort: Revisionssicherheit!) zu beachten sind. Der Projektrisikomanagementprozess muss insgesamt als integraler Bestandteil des Projektmanagements gesehen werden: Idealtypisch erfolgt über alle Projektphasen hinweg auf operativer Projektebene bei jeder Ver-

Projektrisikomanagement 169

änderung der Projektsituation eine Überprüfung der Risikosituation. In regelmäßigen Intervallen oder auch bei Erreichen definierter Auslösewerte erfolgt dann eine Weitergabe des Projektrisikoberichts zur nächsten Reportinginstanz – z.B. dem Project Management Office, das den Prozess mit aggregierten Daten wiederholt. 4.8. Überprüfung und kontinuierliche Weiterentwicklung des Projektrisikomanagements Die Funktions- und Zweckmäßigkeit des Projektrisikomanagements bedarf regelmäßiger Überprüfung, um zu gewährleisten, dass Projektrisiken ausreichend identifiziert, gehandhabt und entsprechende Informationen in ausreichendem Maße kommuniziert werden können. Wenn beispielsweise Mitarbeiter, die mit Aufgaben des Projektrisikomanagements betraut sind, regelmäßig berichten, dass die anzuwendenden Maßnahmen oder Richtlinien nicht (mehr) der Unternehmensrealität entsprechen, so kann dies den Bedarf einer Anpassung an eine sich geänderte Projektrisikosituation ausdrücken. Durch Überarbeitung der entsprechenden Vorgaben unter Berücksichtigung dieser Rückmeldungen werden die Zweckmäßigkeit und damit die Voraussetzung für die Akzeptanz des Projektrisikomanagements wiederhergestellt. Zur Gewährleistung eines syste-matischen Anpassungsprozesses und einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Projektrisikomanagements sind Festlegungen über Änderungsverfahren in den Grundsätzen zu dokumentieren. Regelmäßige Überprüfungen des Projektrisikomanagements durch Dritte tragen dazu bei, dass projektrisikorelevante Informationen gemäß diesen Grundsätzen weitergegeben werden. So wird der Gefahr der bewussten Verdeckung von Projektrisiken begegnet und gewährleistet, dass sich Projektleiter und Unternehmensbereiche „an die Spielregeln halten“. Hier ist als Mandatsträger erneut das Project Management Office zu nennen. Der Einsatz externer Berater trägt bei der Überprüfung des Projektrisikomanagements in der Regel zu einem sehr objektiven Lagebild bei. Interne und externe Revision sind ggfs. weitere Institutionen, die regelmäßig die Zweckmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Projektrisikomanagements überprüfen.

170 Oliver Keiser

5. Weiterführende Aspekte im Kontext des Projektrisikomanagements 5.1. Softwaretechnische Unterstützung des Projektrisikomanagements Die Akzeptanz und damit der Erfolg des strategischen Projektrisikomanagements wird maßgeblich durch das zugrunde liegende Unterstützungssystem beeinflusst. So reicht die Bandbreite der hier verfügbaren Lösungen von einfachen papiergestützten Systemen über Spezialanwendungen und in Projektmanagementsysteme integrierte Systeme hin zu hochkomplexen Integrationen in unternehmensweite Management-Informationssysteme. Konzentriert man sich auf die Systeme mit softwaretechnischer Unterstützung, dann ist es aus Perspektive des Projektmanagements erstrebenswert, dass alle projektbezogenen Informationen, zu denen auch die über Projektrisiken gehören, mittels eines integrierten Systems gehandhabt werden können. Ein integriertes Management-Informationssystem, in dem alle relevanten Prozesse, Kennzahlen und Faktoren erfasst sind, würde hier sicherlich eine idealtypische Lösung darstellen. Angesichts der Situation, dass in zahlreichen Unternehmen operative Projektmanagementsysteme nicht integriert sind, ist bei der Konzeption eines Projektrisikomanagements zu klären, welche Informationen auf welche Weise aus den verschiedenen Systemen zusammengeführt werden müssen, um dem Informationsbedarf der Unternehmensführung, aber auch dem der nachgeordneten Instanzen mittels eines Berichtsaggregats zu bedienen. Ungeachtet der technischen Möglichkeiten ist bereits in der Systemkonzeption auf den Erfolgsfaktor „hohe Nutzerakzeptanz“ abzuzielen: Wenn die Erfassung von Projektrisiken mit einer Vielzahl schlecht handhabbarer Eingabeprozesse – womöglich mit der Notwendigkeit mehrfacher Dateneingabe – verbunden ist, erscheint es fraglich, ob die Verantwortlichen bei der Risikoidentifikation die notwendige Sorgfalt walten lassen. Diese auch im Rahmen des Multi-Projektmanagements geführte Diskussion über das Zusammenwirken von Projektmanagementsystemen und integrierten Informationssystemen wird nun in Hinblick auf die Projektrisiken weiter problematisiert, wenn auch für das (allgemeine) Risikomanagement spezielle Systeme eingesetzt werden. Interessant erscheinen hier Ansätze, die den Prozess des Projektrisikomanagements einklinken in die Bearbeitung anderer ProjektmanagementProzesse wie zum Beispiel Projektplanung oder Projektcontrolling. Durch die Integration eines operativen Projektmanagement-Systems mit einem

Projektrisikomanagement 171

strategischen Projektportfolio-Management-System können so umfassende Lösungen realisiert werden, genannt sei hier zum Beispiel eine Kombination aus SAP xRPM (unternehmensweiter Einsatz auf ProjektportfolioEbene) und MS Project (i.a. bereichsweiter Einsatz auf Projektebene). Eingestellt werden kann zum Beispiel, dass bereits im Rahmen der Projektplanung entsprechende Projektrisiken angegeben werden. Die (Veränderungen der) Projektrisiken können dann umgekehrt automatisch und integriert in das Projektportfolio-Reporting eingehen. Die Nutzung dieser von den genannten Systemen bereits bereitgestellten Funktionen für das Projektrisikomanagement steht zwar erst am Anfang, allerdings nimmt sie mit schnell steigender Tendenz zu. Werden im Rahmen des strategischen Projektrisikomanagements Entscheidungen über Ziele und Prozesse getroffen, so ist durch die Unternehmensführung auch zu gewährleisten, dass entsprechende Informationssysteme zur Verfügung stehen, die die Umsetzung unterstützen. 5.2. Projektrisikokultur33 Das formale Gerüst des strategischen Projektrisikomanagements wird durch die dokumentierten Grundsätze und -richtlinien definiert, in denen Methoden, Instrumente und organisatorische Regelungen wie Kompetenzen und Verantwortungen fixiert werden. Über die formalen Aspekte hinweg ist es notwendig, einen Blick auf die informalen Aspekte und damit auf die Projektrisikokultur als Teil der Projektmanagement- und damit der Unternehmenskultur zu werfen, um Erklärungsmuster für das mögliche Funktionieren oder Scheitern der Umsetzung des Projektrisikomanagements zu erhalten. Projektrisikokultur wird als generelles Muster von gemeinsamen Verhaltensweisen der Unternehmensmitglieder im Umgang mit Projektrisiken beschrieben: Mitarbeiter verhalten sich hier so, wie es sich für sie im Laufe der Zeit bewährt hat. Wenn bspw. Projektleiter erkannte Risiken nicht dokumentieren und weitermelden, weil in ihrem Unternehmen die Auseinandersetzung mit Risiken negativ besetzt ist („Schwarzseher“) und sie Ansehensverluste und negative Folgen für ihre Karrierechancen befürchten, dann drückt sich hier eine gänzlich andere Projektrisikokultur aus, als sie in Unternehmen herrscht, in denen derselbe Projektleiter Risiken sofort meldet und darauf vertraut, dass er von Kollegen und Vorgesetzten bei der Risikohandhabung 33

Vgl. übergreifend hierzu den Beitrag zu Projektmanagement-Kultur am Anfang des vorliegenden Bandes.

172 Oliver Keiser

unterstützt wird und sich den Status eines geschätzten Experten verdient: „Wird der Bote einer schlechten Nachricht erschossen oder nicht?“. Unwesentlich anders stellt sich die Problematik dar, wenn Project Management Offices verschiedener Bereiche Projektrisiken an den Vorstand berichten und hierbei weniger von ihrer objektiven Informationslage als vielmehr von politischen Überlegungen, von „Bereichsfürsten“, geleitet werden. Vom Top-Management ist zu fordern, dem Thema „Projektrisikomanagement“ die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Es bedarf keiner großen prognostizierenden Fähigkeiten, um vorherzusehen, dass die Umsetzung eines strategischen Projektrisikomanagements ohne aktive Unterstützung durch die Unternehmensführung nur geringe Erfolgsausichten hat. Übergeordnetes Ziel ist es, dass notwendige Maß an Risikobewusstsein bei allen Mitarbeitern des Unternehmens zu erzielen. Die Möglichkeiten der kurzfristigen und unmittelbaren Einwirkung auf die Projektrisikokultur durch die Unternehmensführung sind begrenzt. Grundlagen sind jedoch das Vorleben eines den Grundsätzen entsprechenden Führungsstils, die Etablierung adäquater Anreiz- und Fördersysteme und die klare Kommunikation operationaler Leitlinien. Aufklärung über projektrisikorelevante Themen im Rahmen der internen Unternehmenskommunikation kann ebenfalls zur Sensibilisierung beitragen. 5.3. Personelle und arbeitsorganisatorische Aspekte Ein Blick in die unternehmerische Praxis zeigt, dass Projekte häufig in engen zeitlichen Grenzen stattfinden und die Projektverantwortlichen hochgradig ausgelastet sind. Hierbei mag fast die Regel gelten, dass mit zunehmender Bedeutung der Projekte die Belastung der Projektverantwortlichen steigt. Aus der Umsetzung des Projektrisikomanagement ergibt sich nun eine weitere Steigerung des Anforderungskatalogs für die Projektbeteiligten: Die entsprechenden Methoden und Techniken sind sowohl konzeptionell zu durchdringen als auch praktisch zu beherrschen, und ggf. ist der Umgang mit neuartiger Software zu erlernen. Natürlich erhöht auch die Anwendung von Projektrisikomaßnahmen auch die Auslastung der Mitarbeiter. Um die erfolgreiche Umsetzung des Projektrisikomanagements zu gewährleisten und um anhaltende Überlastungen der Mitarbeiter zu vermeiden, bedarf es einer ausreichenden Anzahl an qualifizierten Mitarbeitern. Der

Projektrisikomanagement 173

Aufwand für das Projektrisikomanagement ist in der Einsatzplanung ebenso zu berücksichtigen wie bei der Planung der Größe von Project Management Offices.

6. Fazit Projektrisikomanagement folgt dem allgemein im Projektmanagement festzustellenden Entwicklungstrend von einer primär auf Einzelprojekte fokussierten Betrachtung hin zu der unternehmensweiten Perspektive des strategischen Projektmanagements. Projektrisikomanagement trägt zum Unternehmenserfolg bzw. zu dessen Sicherung bei und erfüllt gegebenenfalls Anforderungen des Gesetzgebers. Um aus strategischer Perspektive ein umfassendes Lagebild über die Projektrisikosituation im Unternehmen erhalten zu können, ist die Einrichtung eines standardisierten Reportings, das in verdichteter Form auch Top-Management adressiert, sowie die Etablierung einheitlicher Methoden, Prozesse und Kenngrößen notwendig. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist zudem, dass alle mit Projekt(management)aufgaben betrauten Mitarbeiter über ein Mindestmaß an Risikobewusstsein verfügen und dass die organisatorischen, technischen und kulturellen Rahmenbedingungen einen aktiven Umgang mit Projektrisiken sowie eine effiziente Kommunikation ermöglichen. Abschließend sei daran erinnert, dass auch mit dem besten Projektrisikomanagement die Unabwägbarkeiten zukünftiger Entwicklungen bleiben. Diese lassen sich auch durch ein ausgewogenes Projektrisikomanagement nicht ausschließen – das Strategische Projektrisikomanagement hilft dem Top-Management jedoch dabei, auf diese unsichere Zukunft besser vorbereitet zu sein und die Projektressourcen optimierter einzusetzen.

Personalentwicklung und ProjektmanagementQualifizierung Eric Schott und Jan Ahlborn

1.

Einleitung ..................................................................................... 176

2.

Potenziale einer personellen Professionalisierung im Projektmanagement .................................................................... 176 PM-Expertise und Zertifizierung bringt Wettbewerbsvorteile ...... 177 Attraktivität des Unternehmens steigt für PM-Talente und PM-Erfahrungsträger .............................................................. 177

2.1. 2.2.

3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6.

Steigerung der Leistungsfähigkeit des Gesamtunternehmens.................................................................. 178 Aktive Förderung von Projektmanagement................................... 179 Karrierepfad Projektmanagement.................................................. 179 Beförderungskriterien.................................................................... 181 Screening/Assessment für Projektleiter im Unternehmen ............. 181 Projektorientiertes Bewertungs- und Entlohnungssystem ............. 182 PM-Zertifizierung – Bestätigung der PM-Professionalität............ 183

4. 4.1.

Qualifizierung der Projektmanager........................................... 185 Qualifizierungsmaßnahmen........................................................... 186

5. 5.1. 5.2.

Fallbeispiele.................................................................................. 189 PM@Siemens ................................................................................ 189 Projektmanagement-Karriere bei einem Internet-Dienstleistungsunternehmen ............................................ 191

6.

Zusammenfassung ....................................................................... 193

176 Eric Schott, Jan Ahlborn

1. Einleitung Projektmanagement bekommt laut Tom Peters [Vgl. Peters, T. 2004] ein immer stärkeres Gewicht für die Leistungserbringung eines Unternehmens. Und trotzdem herrscht zunehmend ein Mangel an qualifizierten Projektmanagement-Fachleuten. Gründe dafür finden sich in der traditionell als Linie aufgebauten Organisationsform der meisten Unternehmen: Karriere wird gleichgesetzt mit entsprechenden Führungsaufgaben in der Linie möglichst mit Verantwortung für eine hohe Anzahl an Mitarbeitern. Dies nehmen nicht nur viel versprechende Nachwuchskräfte so wahr. Auch die Personalentwicklung hat in der Vergangenheit die Linienkarriere im Visier gehabt, nebenbei vielleicht noch die Fachkarriere. Einen ausdrücklichen Entwicklungspfad „Projektmanagement“ gibt es in den meisten Unternehmen nicht. Damit Mitarbeiter motiviert werden, eine Laufbahn im Projektmanagement zu starten, muss die Entscheidung für diese Karriereform genauso attraktiv sein wie für die klassischen Karrierewege im Unternehmen. Die Umsetzung einer Karriere im Projektmanagement fördert auf der einen Seite den Aufbau von Projektmanagement-Kultur, verhindert auf der anderen Seite die Abwanderung des erworbenen Know-hows in Linienfunktionen oder gar zu Unternehmen, die bessere Aussichten für Projektmanager bereitstellen. Daher ist es eine wesentliche Aufgabe des Managements, die Rahmenbedingungen für Projektmanagement-Personal so zu gestalten, dass Mitarbeiter motiviert werden, sich auf die Leitung von Projekten zu spezialisieren. Erst wenn erfolgreiches Projektmanagement nicht mehr nur als kurzfristige Durchlaufstation angesehen wird, die zu einer Linienkarriere befähigen soll, spiegelt sich die Bedeutung des Projektmanagements auch langfristig im Renommee des Projektmanagement-Personals wider und wirkt sich positiv auf die Unternehmenskultur aus.

2. Potenziale einer personellen Professionalisierung im Projektmanagement Die Ausbildung professioneller Projektmanagement-Kompetenzen bei den Mitarbeitern zu veranlassen bzw. sicherzustellen, ist eine strategische Managementaufgabe. Der Kompetenzaufbau zielt dabei auf alle Ebenen: x Vom Projektmitarbeiter, der sich schnell in die Aufgaben des Projektteams einfindet,

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 177

x über das zentrale Controlling, das durch genauere Aufwands- und Kostenschätzungen sowie ein professionelles Projektcontrolling die eingesetzten Mittel optimal managen kann, x bis hin zum Top-Management selbst, das in die Lage versetzt werden muss, das vorhandene Projektreporting schnell und wirksam einzusetzen – unter anderem, um dort einzugreifen, wo die Entscheidungskompetenz des Projektmanagers endet. Im Folgenden werden die zentralen Nutzen beschrieben, die das Unternehmen durch die professionelle Ausbildung von ProjektmanagementKompetenzen realisieren kann. 2.1. PM-Expertise und Zertifizierung bringt Wettbewerbsvorteile Immer mehr Unternehmen achten in ihrer Rolle als Auftraggeber, d.h. bei der Vergabe von Aufträgen, darauf, bestimmte Risiken gezielt einzuschränken. In den Vordergrund rückt hier das Projektrisiko, also die eventuell nicht ausreichende Fähigkeit des Lieferanten, das beauftragte Projekt erfolgreich umzusetzen. Aus Sicht des Auftraggebers kann ein fehlgeschlagenes Projekt schnell weit höhere Folgekosten erzeugen als die Projektkosten selbst ausmachen. Selbst wenn bestimmte finanzielle Risiken durch Lieferantenverträge minimiert werden können, ist das Projektrealisierungsrisiko im Allgemeinen nicht vollständig vertraglich abzusichern. Neben den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind daher zusätzliche Formen der Risikoabsicherung gefragt. Der Nachweis von klaren PMStrukturen, Prozessen, Organisation und die Projektbetreuung durch qualifiziertes bzw. zertifiziertes Projektmanagement-Personal wird ein zunehmend wichtiges Merkmal, das über die Auftragsvergabe entscheidet. 2.2. Attraktivität des Unternehmens steigt für PM-Talente und PM-Erfahrungsträger Hochqualifizierte, eigenmotivierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu fördern, ist für Unternehmen in einem durch schnelle Veränderungen geprägtem Umfeld besonders wichtig. Wenn ein Unternehmen dafür bekannt ist, dass es gerade im Projektmanagement Perspektiven bietet, die in anderen Unternehmen weniger stark ausgeprägt sind, so wird es am schwierigen Personalmarkt für qualifizierte Projektmanager einen entscheidenden Pluspunkt verbuchen können. Dies wirkt sich nicht nur auf Hochschulabsolventen mit Einstiegsperspektive Projektmanagement aus, sondern auch

178 Eric Schott, Jan Ahlborn

auf erfahrene Projektmanager anderer Unternehmen, die nach einem erfolgreichen Projekt motiviert neue Herausforderungen suchen und sich damit in einem Unternehmen mit ausgeprägter Projektmanagement-Kultur engagieren wollen. Diese Erfahrungsträger können wichtige Impulse für Verbesserungen und den natürlichen Veränderungsprozess im neuen Unternehmen geben. Oft suchen Projektmanager initiativ nach Herausforderungen in schwierigen Projekten, bei denen Sie ihre eigenen Fähigkeiten weiter entwickeln können. Sind für diese Mitarbeiter die Perspektiven transparent, und können diese mittelfristig verwirklicht werden, so ist ein hohes Motivationslevel zu erwarten, ohne dass eine Abwanderung in Linienfunktionen befürchtet werden muss. So geführte Projektmanager sind auch bereit, speziell ihre PM-Fähigkeiten weiter auszubauen und fühlen sich nicht genötigt, zugunsten einer besseren finanziellen Aussicht bzw. der Aussicht auf einen höheren Status im Unternehmen auf andere Fähigkeiten hinzuwirken, die ihnen in vielen Fällen weniger liegen. Die langfristige Tätigkeit im Projektumfeld, kombiniert mit einem fundierten fachlichen Hintergrund, bildet Mitarbeiter mit einem wichtigen Erfahrungsschatz heraus. Diese aufgebaute Erfahrung erleichtert zudem eine schnelle Ausbildung der Neueinsteiger, beispielsweise durch Coaching oder Patenschaften, und gleichzeitig mindert sie Projektrisiken, sofern sie aufgrund mangelnder Erfahrung fehl eingeschätzt werden.

3. Steigerung der Leistungsfähigkeit des Gesamtunternehmens Die Fähigkeit eines Unternehmens, Projekte erfolgreich umzusetzen, hängt im Kern ab von x einer projekteffizienten (Ablauf-)Organisation, x einer projektorientierten Unternehmenskultur (Projektmanagement-Kultur), x qualifizierten Mitarbeitern im Projektmanagement. Sind diese Faktoren ausreichend ausgeprägt, werden mit weniger Ressourcen größere Herausforderungen gemeistert. Ausgehend vom Status Quo der meisten Unternehmen sind insbesondere für den letzten Faktor Projektmanagement-Qualifizierung bestimmte Veränderungen erforderlich, die im Folgenden beleuchtet werden.

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 179

3.1. Aktive Förderung von Projektmanagement Die Qualifizierung von Mitarbeitern im Projektmanagement und die Verabschiedung von Befugnissen, die mit der neuen Kompetenz einhergehen, bewirken einen Kulturwandel im Unternehmen, der aktiv gepflegt und bis in oberste Management unterstützt werden muss. Bleibt diese Unterstützung aus oder ist sie nicht spürbar, geht das Vertrauen in die neue Karriereform meist verloren. 3.2. Karrierepfad Projektmanagement Ein Unternehmen benötigt im Allgemeinen folgende Elemente, um einen Karrierepfad wirksam auszugestalten: 1. Mehrere Karrierestufen mit zugehörigen Aufgaben und Befugnissen (typischerweise zwei bis sechs), 2. angemessene Stellung und Anerkennung der Mitarbeiter entsprechend ihrer Karrierestufe und 3. ein Anreizsystem, das den Mitarbeiter über die eigentliche Aufgabe hinaus motiviert. Häufig sind Abstufungen wie die folgenden in Unternehmen bereits faktisch anzufinden, auch wenn sie erst noch als explizite Karrierestufen definiert und somit aufgewertet werden müssen: x Projektkoordinator – im Sinne einer ersten Stufe, in der ein fachlich ausgerichteter Projektmitarbeiter unter der Anleitung eines erfahrenen Projektmanagers unterstützende Projektmanagement-Tätigkeiten ausführt (zum Beispiel Erstellung des Projektplans oder Projektcontrolling). x Teilprojektleiter – mit erster Führungs- und Ergebnisverantwortung für Projektmitarbeiter bzw. für (Teil-)Projektergebnisse. x Projektleiter – als vollständig Verantwortlicher für ein Projekt, entweder für interne Projekte oder auch für Kundenprojekte (ggf. in Verbindung mit einer erweiterten Account- oder Kundenverantwortung); häufig dann auch in der Bezeichnung Projektmanager. x Programm-Manager – verantwortet Großvorhaben gegenüber der Geschäftsführung (intern) und dem Auftraggeber (extern). Häufig sind dabei weitere Stakeholder aus Politik und Interessensverbänden einzubeziehen. x Programm-Direktor – bündelt alle Projektaktivitäten eines Unternehmens und verantwortet die Abstimmung mit der Unternehmens-Stra-

180 Eric Schott, Jan Ahlborn

tegie. Agiert auch als Hauptkoordinator bei der Verhandlung von Großprojekten. Je kleiner das Unternehmen, desto weniger Stufen sind sinnvoll. Konkrete Ausformungen werden anhand von Praxisbeispielen weiter unten beschrieben. Für all diese Karrierestufen werden jeweils entsprechende Aufgabenbeschreibungen definiert, die auf einem Projektmanagementaufgabenkatalog etwa wie folgt beruhen: x x x x x x x x x x x x x x

Projekt-Zieldefinition Aufbau einer Projektorganisation Teamführung und -bewertung Strukturierung eines Projektes Planung von Terminen und Aufgabenpaketen Ressourcenmanagement Risikomanagement Aufbau Berichtswesen und Kommunikationsstrukturen Projektdokumentation Integration und Betrieb einer Projekt-IT-Unterstützung Aufbau und Durchführung Projekt-Controlling Qualitätsmanagement Konfliktmanagement intern und extern Management von Auftraggeber-Beziehungen

Für jede Karrierestufe werden passenden Aufgaben ausgewählt und Ausmaß und Verantwortung bestimmt, die jeweils erwartet wird. Umgekehrt werden dazu die erforderlichen Befugnisse für jede Stufe definiert. Dazu gehören beispielsweise die Verantwortung von Budgets (Projektgröße), Zeichnungsvollmacht für Bestellungen oder die Führung von Projektmitarbeitern. Oftmals ist neben der Aufgabenbeschreibung und den Befugnissen auch eine mehrjährige Berufserfahrung im Projektmanagement-Umfeld für Karrierestufen definiert. Bei näherer Betrachtung erscheint dies jedoch bedenklich. Mehrjährige Projektmanagement-Erfahrung hält die besten, aufstrebenden Jung-Manager in niedrigen Karrierestufen, obwohl sie möglicherweise bereits alle harten Kriterien erfüllen. Um sicherzustellen, dass unerfahrene Mitarbeiter nicht zu viel Verantwortung unternehmen, müssen demnach die echten Kriterien bewusst gesetzt werden. Wenn der Karrierepfad Projektmanagement neben den bisherigen Karrierepfaden gefördert wird, können in den bisherigen Aufgabenbereichen der

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 181

Linienorganisation Machtverluste und damit Widerstände entstehen. Hier wiederum ist das Top-Management im Rahmen des strategischen Projektmanagements gefordert: Mit geschickter Kommunikation ist es sehr wohl möglich, ausgewogene Kompetenzen für das Projektgeschäft ohne Motivationsverlust der Linienmanager durchzusetzen. Gerade diese beklagen sich in der schwachen PM-Organisation häufig, dass Mitarbeiter für Projekte ohne relevante Anerkennung dafür bereitgestellt werden müssen. Wenn klare Strukturen und hohe Transparenz gegeben ist, dann wird die Aufgabe der Linienmanager auch einfacher und lohnenswert: Sie haben einen „Projektvertrag“ für die Mitarbeit ihrer Abteilungsressourcen mit dem Projektleiter/-manager abgeschlossen und wissen, wann die Mitarbeiter wieder für ihre Regeltätigkeit zur Verfügung stehen. Bis dahin partizipiert der Abteilungsleiter am Projekterfolg. Dies wäre vom Top-Management zu veranlassen und als Vorleistung für den Karrierepfad Projektmanagement zu kommunizieren. 3.3. Beförderungskriterien Beförderung steht für einen Projektleiter/-manager dann an, wenn dauerhaft Projektziele erreicht werden. An wichtigen Meilensteinen, die vor Projektstart festgelegt wurden, wird ein Bewertungsverfahren in Gang gesetzt.34 Bei kleineren Projekten geschieht dies erst am Projektende. Dabei werden die Fähigkeiten des Projektmanagers untersucht und mit den Karrierestufen verglichen. Wenn die Kriterien für die nächste Stufe erreicht sind, erfolgt die entsprechende Hochstufung. 3.4. Screening/Assessment für Projektleiter im Unternehmen Während bislang eher die organisatorischen Rahmenbedingungen diskutiert wurden, soll nun auch die personelle Dimension beleuchtet werden. Dabei ist zu prüfen, welche Personen im Unternehmen sich für diesen Karriereweg entscheiden können bzw. wollen. Dabei zeigt sich, wie attraktiv das Bild des Projektmanagers und seiner Laufbahn wirklich ist bzw. wie es wahrgenommen wird. Ein typisches Vorgehen sähe zum Beispiel aus wie folgt: Zuerst wird von den Linienvorgesetzten der projektintensiven Organisationseinheiten bewertet, welche Mitarbeiter Interesse und Potential haben, diesen Karriere34

Vgl. auch hierzu den Beitrag „Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams“ in diesem Band, insbesondere in Bezug auf Verfahren zur Projekterfolgsbewertung.

182 Eric Schott, Jan Ahlborn

weg einzuschlagen. In einem persönlichen Gespräch sollte dabei nicht nur Eignung und Wunsch thematisiert werden – vorgängig ist zunächst der Karrierepfad Projektmanagement mit seinen Vor- und Nachteilen für den jeweiligen Mitarbeiter zu diskutieren. In Folgegesprächen, zu denen je nach Bedarf erfahrene Projektmanager hinzugezogen werden, setzt sich der Kandidat intensiv mit dem Berufsbild und den Entwicklungsmöglichkeiten im Projektmanagement – in Abgrenzung zur Linienkarriere – auseinander. Die Chancen einer solchen Karriereform werden besprochen und mit den entstehenden Risiken abgeglichen. Danach hat sowohl der Mitarbeiter als auch der Vorgesetzte ein gutes Bild, ob eine Veränderung in das neue Karrieremodell für den Mitarbeiter und für das Unternehmen sinnvoll ist. In vielen Fällen wird der Linienvorgesetzte mit seinem Mitarbeiter auch zu dem Ergebnis kommen, dass er eher geeignet/geneigt ist, seine fachlichen Kenntnisse auszubauen und eine Karriere als Spezialist einzuschlagen. Wenn dies nicht abschließend geklärt werden kann, wird die Bewertung ein Jahr später wiederholt. Dieses Ergebnis gleicht der Vorgesetzte mit der Personalabteilung ab. Diese gleicht das Angebot an Anwärtern für eine Projektmanagement-Karriere und den Bedarf an Projektführungskräften ab und entscheidet abschließend, wer für den neuen Karriereweg Projektmanagement zugelassen wird. 3.5. Projektorientiertes Bewertungs- und Entlohnungssystem35 Die erfolgreiche Umsetzung eines Karrierepfads Projektmanagement geht meist zusammen mit einer projektorientierten Bewertung und entsprechenden Anreizen/Prämien für die Beteiligten. Ein Projektmanager ist dann hoch motiviert, wenn eine als anspruchsvoll eingeschätzte Aufgabe doch zielgerecht erfüllt werden konnte. Dann ist dem Projektmanager Anerkennung sicher. Zugleich ist die materielle Anerkennung relevant: Durch die direkte Einflussmöglichkeit des PM-Personals auf die Zielerreichung ist auch eine enge Kopplung der Entlohnung an das Projektziel möglich. Hohe variable Gehaltsanteile und Prämien sind Garant für überdurchschnittliches Engagement und hohe Unternehmenstreue von ProjektmanagementPersonal. In der Management-Literatur finden sich diverse Ansätze für Entlohnungssysteme. Für Projektmanagement-Professionals bieten sich variable Gehaltsanteile an als Anreiz für die Erreichung persönlicher Weiterentwicklungs-Ziele und wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Unternehmens und Prämien für die Erreichung von Projektzielen. 35

Vgl. hierzu ausführlich den Beitrag „Motivation und leistungsbezogene Vergütung für Projektteams“ im vorliegenden Band.

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 183

Die Erreichung von Projektzielen als Messgröße für projektrelevante Prämien lässt sich messen über projektbezogene Ergebniskennzahlen wie Projektertrag oder Projektdeckungsbeitrag, auf die der Projektmanager direkten Einfluss hat. Bei internen Projekten werden diese Kennzahlen üblicherweise durch Kriterien wie Zielerreichung in hoher Qualität unter Einhaltung der Termine und Aufwände ersetzt. Als Messgröße für die persönliche Weiterentwicklung dient darüber hinaus die strukturierte qualitative und quantitative Einschätzung des Projektauftraggebers, eine 360°-Einschätzung des Projektteams und die Einschätzung der Führungskraft, je nach Projektmanagement-Organisation beispielsweise der Leiter des zentralen Projektbüros oder des zentralen Projekt-Controllings. Darüber hinaus sollte auch die Gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens Einfluss haben auf den variablen Gehaltsanteil eines Projektmanagers. Eine solche Kopplung bewirkt einerseits eine intensive Auseinandersetzung des PM-Personals mit den strategischen Zielen des Unternehmens und eine Einflussnahme und Abstimmung auch mit anderen Projekten. Dies bedeutet, dass ein Projektmanager schon bei Übernahme eines Projektes kritisch hinterfragt, ob die zu erreichenden Ziele auch das Unternehmen voranbringen – und durch die starke Vernetzung der Projektmanager über Bereichsgrenzen hinaus kommuniziert der Projektmanager, ob eventuell ähnliche Ziele schon durch andere Projekte verfolgt werden.

3.6. PM-Zertifizierung – Bestätigung der PM-Professionalität Um dem steigenden Leistungs- und Erwartungsdruck an Projektmanager gerecht zu werden und bestehende methodische Lücken zu schließen, hat sich in den letzten Jahren ein weltweiter Trend durchgesetzt: die Projektmanagement-Zertifizierung. Sie ist gefragt als Qualitätsmerkmal bei der Auswahl und Entwicklung von Leistungsträgern. Dieses Gütesiegel wirkt in zwei Richtungen: Nach Innen, weil es die Professionalität und das methodische Know-how der Projektleiter erhöht. Die erworbenen Kenntnisse führen dazu, komplexe und international ausgerichtete Projekte mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich abzuschließen. Nach Außen, den Kunden gegenüber, wirkt die Zertifizierung als hochwertiger Anhaltspunkt zur professionellen Projektbearbeitung. Bei einem standardisierten PM-Karrierepfad wird eine Zertifizierung zur leichteren Einstufung ihrer Qualifikation zur Bedingung. Die Qualifikation wird nicht nur schriftlich belegt und durch umfangreiches PM-Wissen untermauert, sondern vor allem durch eine souveränere

184 Eric Schott, Jan Ahlborn

Projektleitung in der Praxis bestätigt. Im Vergleich zu nicht-zertifizierten Projektleitern wird die Projektstrukturierung und -abwicklung transparenter und Ihre Zielerreichung höher sein. Das wertet Projektmanager insgesamt nicht nur intern auf, sondern erhöht auch deutlich ihren Marktwert und bindet die Projektmanager weiter an das Unternehmen. Ein Vergleich der beiden größten Zertifizierer Vergleicht man im Folgenden etwas überzeichnet die beiden prominentesten PM-Zertifizierungen mit einer sportlichen Metapher, hat der in Deutschland traditionsreiche Verein der GPM einen Heimvorteil gegenüber dem internationalen Aufsteiger PMI. Die GPM orientiert sich in deutscher Bildungstradition an einem beruflich strukturierten Curriculum (PM-Kanon und Wissensspeicher „Projektmanagement-Fachmann“). Dieses hat starke Ähnlichkeiten zu einem professionellen Berufsbild mit 4 Kompetenzbereichen, die in 39 Themenblöcken erworben werden sollen. In einer ersten Stufe wird der Projektmanagement-Fachmann (PMF) von PM-Zert zertifiziert. Er kann mit mehr Erfahrung, internationalem Einsatz und erweiterten Managementansprüchen noch um drei Stufen aufgewertet werden (Anerkennung in ganz Europa über die Dachorganisation IPMA). Grundsätzlich wird angestrebt, das Erlernte direkt in die betriebliche Arbeitsumgebung zu transferieren. Das PMI ist hingegen im Ausland und bei international organisierten Firmen weit verbreitet. Er orientiert sich stärker an PM-Kernprozessen, weniger am Berufsbild. Die PM-Kernprozesse sollen weltweit vereinheitlicht werden, damit große internationale Projekte nach gleichen Verfahren möglichst transparent ausgeführt und abgewickelt werden können; zertifiziert wird vom PMI meist der Project Management-Professional (PMP), der seit Anfang 2002 eine Vorstufe erhalten hat: Der Corporate Associate in Project Management (CAPM) wurde eingeführt, damit nicht allein eine akademische Ausbildung den Zugang beschränkt. Ähnlich wie bei den stufenweisen Erweiterungsmöglichkeiten der Zertifizierung durch die GPM können auch hier Vertiefungen in Auswahlthemen oder Branchen hinzukommen (CAQ – Certificate of Added Qualification). Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ausbildung Der Zusatz PMF oder PM-Professional (GPM-IPMA) bedeutet, dass sich ein erfahrener PM-Experte, der häufig nicht akademisch ausgebildet ist, hat zertifizieren lassen. Dabei wird das reguläre Verfahren von PM-Zert durchlaufen und der Titel gilt unbefristet ohne Rezertifizierung.

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 185

Der PMI-zertifizierte PMP kann auch ohne Studium antreten, ist dagegen aber zur Teilnahme am sog. Professional Development Program (PDP) verpflichtet. Innerhalb von 3 Jahren werden sog. Professional Development Units (PDU) gesammelt, die die berufliche PM-Weiterentwicklung nachweisen. Unterschiedlich ist auch die Vorbereitung auf die Prüfung: Bei der GPM wird generell von einer Mindestdauer von einem halben Jahr in einem Seminarprogramm ausgegangen. Dieses setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen. Parallel zu den Seminaren muss ein individuell gewähltes Lernprojekt erfüllt werden, das neben der schriftlichen und mündlichen Prüfung zur Bewertung herangezogen wird. Hierfür gibt es eine Reihe von Institutionen, die diese Aus- und Weiterbildungsprogramme anbieten. Die Vorbereitung auf die reine Wissensprüfung (200 englische MultipleChoice-Fragen) im PMI-Umfeld ist individuell unterschiedlich. Ein erheblicher persönlicher Lernaufwand ist erforderlich. Die Erfahrungen gehen von 80 Stunden Selbststudium bei erfahrenen Projektmanagern aus und eher höherem Aufwand bei Teilnehmern mit weniger PM-Erfahrung. Alternativ bzw. ergänzend sind spezielle Prep-Kurse von 2-5 Tagen zu bewerten, die zur Vertiefung und Überprüfung des eigenen Kenntnisstandes dienen. Um den PMP-Status dauerhaft und rechtsgültig für sich zu beanspruchen, bedarf es einer Rezertifizierung im Turnus von drei Jahren. Hierzu muss kontinuierliches Engagement im PM nachgewiesen werden – z.B. in Form von selbst gewählten Stundeneinheiten, die sich mit PMThemen befassen.

4. Qualifizierung der Projektmanager Die Zertifizierung im Projektmanagement stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. Genereller gilt für die Qualifizierung im Projektmanagement: Erfolg durch gute fachliche Arbeit allein reicht bei Weitem nicht aus, um auch Projekte erfolgreich leiten zu können. Dazu benötigen die Mitarbeiter ein weites Spektrum von Fähigkeiten, die durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen vermittelt werden müssen. Je nach Zielstellung und Erfahrungshintergrund der Mitarbeiter werden verschiedene Ansätze verfolgt, das benötigte Wissen zu übertragen und Methoden zu trainieren, damit diese auch unter Stress-Situationen durch das Projektmanagement-Personal angewendet werden. So werden Misserfolge vermieden und mittelfristig ein positiver Erfahrungsschatz im Unternehmen aufgebaut.

186 Eric Schott, Jan Ahlborn

4.1. Qualifizierungsmaßnahmen Die verschiedenen Projektmanagement-Qualifizierungsmaßnahmen (Trainingsbausteine, Workshops, ggfs. begleitendes Coaching) sollten in einem unternehmensspezifischen Qualifizierungsmodell gebündelt werden. Auch die erfolgreiche Umsetzung eines solchen Qualifizierungsmodells beruht natürlich auf der grundsätzlichen Unterstützung durch das Management und auf bestimmten Freiräumen für die Projektmitarbeiter: Zum einen muss eine positive Grundhaltung zu Projektarbeit und -management im Unternehmen vorhanden sein (hierzu wirkt das Qualifizierungsmodell unterstützend und verstärkend) und zum anderen sollten die Mitarbeiter in den Qualifizierungsphasen die Möglichkeit haben, sich regelmäßig mit den neuen Inhalten und vor allem den neuen Prozessen auseinandersetzen zu können. Besonders gut wirkt die Qualifikation, wenn projektbegleitend regelmäßig Workshops durchgeführt werden, in denen neue Methoden trainiert werden, die dann im Projektalltag auch gleich durch den Mitarbeiter angewendet werden können und im folgenden Workshop der Erfolg besprochen und Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Methode der PM-Qualifizierung Bei erfolgreichen Projektmanagement-Qualifikationsmaßnahmen werden meist zwei Zielsetzungen miteinander gekoppelt: Erstens der Transfer von praxisbewährtem Projektmanagement-Know-How und zweitens die Entwicklung und Einübung eines einheitlichen, unternehmensintern verbindlichen Vorgehens bei der Durchführung von Projekten. Diese Kopplung bewirkt die intensive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff in Abgleich mit der Praxiserfahrung aus dem eigenen Umfeld. Dieses Reflektieren verankert das Gelernte beim Mitarbeiter, weil er oder sie schon während der Qualifizierungsphase die Methoden in den laufenden Projekten anwenden und erfolgreich umsetzen kann. Wichtig ist hier einerseits, dass es eine didaktische Strukturierung der Lernfelder und Qualifizierungsebenen gibt, um eine möglichst hohe Lerneffizienz zu erreichen. Die einzelnen Themen und Maßnahmen werden gezielt abgestimmt, dann vor dem Hintergrund der Zielsetzungen angepasst und zielgruppenbezogen vorbereitet und vermittelt. Zum anderen müssen die Projektaufgaben Praxisrelevanz besitzen. Aus den Erfahrungen mit Simulationen in der Aus- und Weiterbildung (z.B. bei der Einführung von Gruppenarbeit) ist bekannt, dass gerade das Merkmal der fehlenden Verantwortung bei Erprobungen und Pilotprojekten später dann nicht zu der verbesserten Lern- und Arbeitsleistung führt. Die Qualifizierung für Projektarbeit soll an realen Aufgaben und Projekten gesche-

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 187

hen. Die Verbindung von täglicher Arbeit und lernender Reflexion im Zusammenhang mit den neuen Methoden des Projektmanagements verspricht hier eine besonders intensive und vor allen Dingen nachhaltige Umsetzungsleistung. Die angebotenen Module beachten diese Mischung aus didaktischer Struktur und handlungsorientierter Vermittlung, da sich hier nach Ergebnissen der Lernforschung hohe Lernleistungen erwarten lassen. Die neuen Inhalte und die erprobten Projektmanagementmethoden sollen dazu beitragen, die angedeuteten Reibungsverluste und Hindernisse weitgehend auszuräumen. Wenn genügend Umsetzungszeit vorhanden ist, kann ProjektmanagementQualifizierung stufenweise erfolgen. Dazu wählt man zunächst eine kleine Gruppe von Mitarbeitern aus, die einen guten Querschnitt der zu Qualifizierenden bilden. Diese bilden die Keimzelle, von der später die Verbreitung des gemeinsam definierten Projektmanagements im gesamten Unternehmen ausgeht – auch und gerade zu Kollegen aus anderen Abteilungen und zu anderen Regionen. Vorteil dieser Vorgehensweise ist es, dass die Definition von Praktikern genau auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden kann, bevor es zu einem unternehmensweiten Rollout kommt. Beispiel für ein flexibles ProjektmanagementQualifizierungmodell Qualifizierungsmaßnahmen sind dann besonders wirksam, wenn sie individuell auf die Teilnehmer zugeschnitten werden. Standard-Curricula bieten zwar den Vorteil der Vergleichbarkeit, lösen aber nicht immer den Schulungsbedarf der einzelnen Gruppen. Deshalb ist Flexibilität und intensive Auseinandersetzung mit Lerninhalten, Darbietungsform und Ablauf der Qualifizierung der entscheidende Erfolgsfaktor. Im Idealfall werden folgende Komponenten für die einzelnen Themenblöcke kombiniert: x Kompaktseminare können die Inhalte allen Teilnehmern in sehr kurzer Zeit nahebringen. Einschränkend ist hier darauf hinzuweisen, dass die Einmaligkeit und Kürze nur für bestimmte, eher inhaltlich abgeschlossene Themen, vorteilhaft ist. x „2 x 2“-Struktur: Alle zwei Wochen werden zwei Stunden als PMTraining angeboten und die Inhalte auf diese Abfolge angepasst. Hier können Beobachtungs- oder Erkundungsaufträge vergeben werden, die für die durchgenommenen Inhalte in der Zeit zwischen den Workshops sensibilisieren und es ermöglichen, die Wahrnehmung auf bestimmte Inhalte und Prozesse zu fokussieren. (Diese Form kann auch anders strukturiert werden: „3 x 3“, „2 x 5“, „5 x 2“ usw., je nachdem, welche

188 Eric Schott, Jan Ahlborn

Inhalte gefördert werden sollen und je nach Lage im Unternehmen, d. h. Freiräume für Trainings usw.) x Ziehharmonika-Struktur: Je nachdem welche Inhalte sich im Verlauf einer längerfristig angelegten Schulung (z.B. 3 Monate, jeweils 2 - 4 Std. pro Woche) als wichtig oder unwichtig erweisen, werden diese jeweils von der einen auf die andere Woche angepasst („auseinander gezogen“ oder „zusammengedrückt“). Einzelne Module der Qualifizierung nehmen dementsprechend mehr oder weniger Zeit in Anspruch - immer je nachdem, wie sich die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse darstellen. Das heißt, dass auch mehrere Module an einem Termin durchgesprochen werden oder einzelne Module für mehrere Veranstaltungen ausgedehnt werden können. Eine erfolgreich angewendete Zusammenstellung liefert das folgende Beispielt. Hierbei wurde die Phase I (Startpaket) in Ziehharmonika-Struktur, Phase II (Vertiefung) in 2x3-Struktur und Phase III (spezielle Kenntnisse) als Kompakt-Workshops angeboten. PHASE

ZIEL

I

Grundausstattung PM (Startpaket)

INHALT

    

   

Definition Projekt Ein Projekt aufsetzen Ein Projekt strukturieren Ein Team zusammenbringen Die wichtigsten Steuerungsmechanismen anwenden können PM-Kompetenzen Ziele, Strukturen, Methoden des PM PM-Tools Grenzen und Möglichkeiten des PM

VORGEHENSWEISE

Entwickelnd, darbietend, strukturiert diskutierend, beispielhaft

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 189

II

III

Vorhandene PM-  Unternehmensspezifische Kenntnisse verProjektmanagementtiefen Prozesse (Vertiefung)  Präsentation und Moderation von Projektergebnissen  Erfolgreiche Kommunikation  Selbst- und Zeitmanagement im Projekt Spezielle Kennt-  Projekt-Controlling / nisse Interne Steuerung / im PM erweitern Berichtswesen (Spezialisierung)  technische und kaufmännische Abläufe im Projekt  Führen im Projekt  Kosten- und Ergebnisorientierung durch abteilungsübergreifende Projekte  Zielorientierte Projektplanung, z.B. mit MS Project  Ausblick: MultiProjektmanagement

Darbietend, simulierend, gelenkt diskutierend, Erfahrungsaustausch

Darbietend, erprobend, offen diskutierend, austauschorientiert

5. Fallbeispiele Zum Abschluss werden zwei Fallbeispiele beschrieben, wie Unternehmen Karrieren und Qualifizierung im Projektmanagement implementiert haben. 5.1. PM@Siemens Die Siemens Aktiengesellschaft hat die Bedeutung des Projektmanagements für ihre zukünftigen Aufgaben erkannt und unter dem Label „PM@Siemens“ ein umfangreiches Programm zur Förderung des Projektmanagements aufgesetzt. „Nachhaltiges Projektmanagement ist für Siemens ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ein großer Teil unseres Geschäftes wird durch Projektmanagement bestimmt. Deshalb liegt die Entwicklung des Projektmanagements und die bestmögliche Qualifizierung

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der Projektmanager dem Zentralvorstand besonders am Herzen ...“ sagt Dr. Heinrich v. Pierer, Vorsitzender des Zentralvorstandes der Siemens AG. Die Rolle des Projektmanagement-Personals basiert bei PM@Siemens auf der Vorstellung und Vorgabe, dass der Projektmanager innerhalb seines Projektes als Unternehmer handelt. Diese Zielsetzung beruht im Einzelnen auf drei Säulen: 1. Verantwortung übertragen und übernehmen 2. Empowerment sicherstellen 3. Reward & Recognition Diese drei Säulen werden durch die folgenden Maßnahmen unterstützt: x Letter of Empowerment, welcher den Projektmanager autorisiert, die definierten Aufgaben im Rahmen des Projektes auszuüben und ihm für die Dauer des Projektes die Mitarbeiterführung der zugewiesenen Mitarbeiter überträgt. x Zielvereinbarungen, die die Projektergebnisse messbar machen. x Einkommen und Projekt-Incentives, die vereinbart werden, um schon zum Projektstart eindeutig festzulegen, welche finanziellen Möglichkeiten für die Projektbeteiligten bestehen. x Adäquate Stellenbesetzung: Es wird sichergestellt, dass erstens der Projektmanager auch entsprechend ausgebildet ist, die angestrebte Aufgabe zu übernehmen und erfolgreich abschließen zu können und zweitens, dass der Projektmanager sich in dieser Aufgabe auch weiterentwickeln kann. x PM Training & Qualifizierung: Ein umfangreiches und stark strukturiertes Angebot an Projektmanagement-Qualifizierungsmaßnahmen steht zur Ausbildung des Projektmanagement-Personals zur Verfügung. x PM-Karrieremodell: Karrierestufen sind inklusive aller erforderlichen Elemente definiert und die Anerkennung wird gewährleistet. Eine Karriere im Projektmanagement wird bei Siemens schon heute einer Linienkarriere gleichgesetzt. Sie besteht aus fünf Stufen, wobei die ersten beiden (fachlich orientiert) ohne Ergebnisverantwortung die grundlegenden Erfahrungen in Projekten aufbauen, dabei aber bereits zielgerichtet Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Mit der dritten Stufe schließt der Projektmanagement-Aspirant eine interne Zertifizierung ab, die zum Titel des „Project Manager“ führt. Dabei wird die Verantwortung für kleine Projekte übernommen. Die weiteren zwei Stufen „Senior Project Manager“ und „Project Director“ qualifizieren zu erweiterten Aufgabenbereichen mit mehr Verantwortung. Die Spitze der Projektmanagement-

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 191

Karriere bildet der Program Director, der vergleichbar ist zu einem Geschäftsgebietsleiter als Linienfunktion. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist noch im Gange und wird auch noch dauern. Trotzdem ist schon heute deutlich, dass PM@Siemens ein wichtiger Schritt ist auf dem Weg zu mehr Erfolg in Projekten und unternehmerischem Denken der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter sprechen über Projektmanagement, informieren sich über Projekte und nutzen die entstehende Flexibilität, um in Zeiten mit weniger spannenden Linienaufgaben und vorübergehenden Auslastungslücken neues Wissen in Projekten aufzubauen. Geholfen hat das starke persönliche Engagement der Top-Manager, die immer wieder die Bedeutung dieses Programms betont und bei Widerständen wichtige Impulse gegeben haben. 5.2. Projektmanagement-Karriere bei einem InternetDienstleistungsunternehmen Einem süddeutschen Unternehmen für Internet- und Marketing-Services mit 250 Mitarbeitern ist es in den letzten Jahren gelungen, eine eher linienbzw. matrixorientierte Organisationsform in ein projektorientiertes Unternehmen umzuwandeln. Nahezu die gesamte Leistungserbringung des Unternehmens erfolgt über (Kunden-)Projekte. Die Umsetzung dieses Vorhabens wurde in ein Team bewährter Mitarbeiter gelegt: zwei Bereichsleiter, ein Mitarbeiter aus dem Bereich Human Resources, verantwortlich für den unternehmensweiten Ausbau der Projektmanagement-Kompetenz, und ein externer ProjektmanagementBerater. Dieses Team steuerte sämtliche Aktivitäten und stimmte sich eng mit der Geschäftsleitung ab. Zunächst wurden Projektmanagement-Prozesse grob erstellt und dann anhand eines optimalen Projektvorgehensmodells die Struktur der Aufbauorganisation angepasst. Dies wurde unter Einbeziehung aller Mitarbeiter durchgeführt. Die drei Geschäftsführer verbrachten dabei fast die Hälfte ihrer zur Verfügung stehenden Zeit mit dem Change Management und der dafür erforderlichen Kommunikation mit den Mitarbeitern. Verstärkend erhielten vier speziell ausgesuchte Mitarbeiter die Diskussion über Nutzen und Wege der Umgestaltung in Richtung projektorientiertes Unternehmen aufrecht. Für die Projektmanagement-Karriere wurden die Stufen Junior-Projektmanager, Projektmanager und Senior-Projektmanager erarbeitet. Der Senior-Projektmanager konnte sich dann in einem weiteren Schritt zum Key Account Manager entwickeln (im Sinne eines Multi-Projektmanagers mit Verantwortung für alle verschiedenen Projekte bei einem oder mehreren

192 Eric Schott, Jan Ahlborn

Kunden). Neben der reinen Projektmanagement- und Führungsverantwortung wurde mit jeder Stufe auch die Kundenverantwortung erweitert: Die Karrierestufe des Key Account Managers konnte auch von der Vertriebslaufbahn aus erreicht werden. Somit war es möglich, auf beiden Karrierewegen gleichberechtigt zur Linienkarriere die Perspektive auf die Übernahme einer neuen Niederlassung vorzubereiten. Als die neue Organisationsform und die Prozesse definiert waren, wurden neue Kommunikationsstrukturen erarbeitet und umgesetzt. Jetzt ging es an die Auswahl der neuen Projektmanager. In Einzelgesprächen zwischen dem PM-Bewerber, der jeweiligen Führungskraft und einer Mitarbeiterin der Personalabteilung wurde das Arbeitsgebiet mit seinen Vor- und Nachteilen vorgestellt. Bisher war der Projektleiter meist der fachlich beste Mitarbeiter – die lästige PM-Arbeit wurde durch einen Assistenten übernommen. Anerkennung gab es für den Projektleiter, nicht für den Projektmanagement-„Arbeiter“. Diese Spannung wurde in der Definitionsphase gelöst und die nun gerecht verteilten Aufgaben und Befugnisse besprochen. Ein wichtiges Ergebnis dabei war, dass nach diesem Gespräch einige Kandidaten von sich aus ihren Antrag zurückzogen und sich wieder auf andere Gebiete konzentrierten, andere noch stärker für Projektmanagement motiviert waren. Ein Screening der Kandidaten durch Human Resources und eine Bewertung mit den jeweiligen Vorgesetzten ergaben die Auswahl für die erste Riege von Projektmanagern, die nun intensiv geschult wurden. Neben den neuen PM-Fachleuten erfuhren fast alle Mitarbeiter Veränderungen durch die Umstellung. Diese wurden in geführten Diskussionen informiert und veränderte Prozesse wurden regelmäßig während der Einführungsperiode im Rahmen der Fachabteilungsrunden besprochen. Während der Evaluierungsperiode probierten die frisch ernannten Projektmanager die erlernten Verhaltensweisen in Pilotprojekten im Alltag aus. Dieses Vorgehen führte dazu, dass Veränderungen konstruktiv angegangen wurden und die Projektmanager gestaltend auf die neuen Verfahren einwirken konnten. Prozesse wurden mit den Erfahrungen aus der Qualifizierungs- und Erprobungsphase praxisrelevant angepasst. Die Schulungen der ausgewählten Projektmanager fanden über einen Zeitraum von vier Monaten statt und umfassten die Module: 1. Grenzen und Möglichkeiten des PM 2. Grundlegende PM-Kompetenzen (Zielorientierte Projektplanung, Steuerungsmechanismen, erfolgreiche Kommunikation, Präsentation und Moderation, Selbst- und Zeitmanagement im Projekt) 3. Projektdefinition (Zieldefinition, Projektstruktur, Kommunikation, Reporting, Controlling)

Personalentwicklung und Projektmanagement-Qualifizierung 193

4. 5. 6. 7.

Verwendung PM-Tools (MS Project) Projekt-Controlling / interne Steuerung / Berichtswesen Technische und kaufmännische Abläufe im Projekt Führen im Projekt

Dabei wurde ganz bewusst die Erfahrung der Kursteilnehmer in jeder Trainingsgruppe inhomogen gehalten, um das Lernen in der eigenen Organisation von Anfang an zu verankern. Erfahrene Mitarbeiter konnten ihr Wissen weitergeben, und Einsteiger ihre Ideen auf praxistauglichkeit prüfen. Während der Kurse wurden die Erfahrungen ausgewertet und so allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurden für bestimmte Zielgruppen erweiterte Themengebiete geschult, beispielsweise für die Mitglieder des Projektbüros „Kosten- und Ergebnisorientierung durch abteilungsübergreifende Projekte“ und „MultiProjektcontrolling“. Bereits wenige Jahre nach der Einführung der projektorientierten Unternehmensform hat sich an den Prozessen einiges geändert. Viele Vorgehensweisen wurden geänderten Marktbedingungen angepasst. Ein gutes Zeichen - denn nur die intensive Auseinandersetzung und ständige Optimierung der eigenen Rahmenbedingungen gewährleistet die Flexibilität, die Handlungsalternativen eröffnet. Was geblieben ist, ist die Kultur der schnellen Veränderung, des ständigen Lernens und der offenen Kommunikation zwischen Projekten.

6. Zusammenfassung Projektmanagement muss gleichberechtigt neben Linien- und Fachkarriere als attraktive Wahlmöglichkeit zur Verfügung stehen, um langfristig der steigenden Bedeutung von Projektmanagement für die Leistungserbringung im Unternehmen gerecht zu werden. Die Einführung dieser Karriereform bedingt umfangreiche Umstellungen in Organisation und Kultur eines Unternehmens, weshalb der intensive, nachhaltige Einsatz des TopManagements für die erfolgreiche Umsetzung wesentliche Voraussetzung und initiale Kraft sein muss.

Change Management Eric Schott und Marco Wick

1.

Change Management und Strategisches Projektmanagement .................................................................... 195

2.

Aufgaben des Change Managements......................................... 197

3.

Change Management für die nachhaltige Verankerung der Projektmanagement-Kultur ....................................................... 206

4.

Fazit .............................................................................................. 211

5.

Anhang: Checklisten zur professionellen Change-Management-Kommunikation..................................... 212 Checkliste zur Vorbereitung der Kommunikationsinstrumente im Change Management................................................................ 212 Checkliste zur Vorbereitung der Kommunikationsinhalte im Change Management ..................................................................... 218

5.1. 5.2.

1. Change Management und Strategisches Projektmanagement Unter Change Management lassen sich die Aufgaben und Maßnahmen verstehen, die auf umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weitreichende Veränderungen in einer Organisation ausgerichtet sind. Diese Veränderungen können nur durch die geplante Umgestaltung von Verhaltensmustern und Fähigkeiten der Mitarbeiter erzielt werden. Damit beinhaltet Change Management die Planung, Initiierung, Realisation, Reflektion und Stabilisation von Veränderungsprozessen auf organisationaler wie auf persönlicher Ebene.

196 Eric Schott, Marco Wick

Genau genommen ist Change Management mittlerweile eine eigene Disziplin. Dem Change Management kommt jedoch im Rahmen des Strategischen Projektmanagements eine ganz besondere Bedeutung zu: Hier stehen die Perspektive bzw. die Aufgaben des Topmanagements im Vordergrund. Ziel und Zweck des Change Managements ist es, umfassende Veränderungen in einem Unternehmen zu erwirken. Veränderungen, die primär eine nachhaltig geänderte Arbeits- und Organisationsform bewirken sollen. Damit umfassende Veränderungen überhaupt eine Chance auf Realisierung haben, ist das übergeordnete Management der zentrale Aktions- und Erfolgsfaktor für das Gelingen solcher Vorhaben. Die Change-ManagementVorhaben werden fast ausschließlich in Form von Projekten organisiert und unterliegen somit dem Projektmanagement-Ansatz. Nach der gerade vorgenommenen Charakterisierung sind eindeutig identifizierbare Change-Management-Projekte demnach: x Projekte, nach deren Zieldefinition umfangreiche organisatorische Veränderungen angestrebt werden, x Projekte, die explizit Veränderungen der Handlungs- und Denkweisen der Mitarbeiter anstreben. Change-Management-Projekte sind besonders komplex und daher erfolgsriskant. Nun ist bereits die Verhaltensveränderung einer einzigen einzelnen Person ein ambitioniertes Vorhaben. Change-Management-Projekte bedeuten und bedingen aber die Verhaltensveränderung von einer Vielzahl von Individuen sowie die Verhaltensveränderung zwischen den Individuen in ihrer Organisation. Daraus resultiert ein großes Potenzial, dass solche Vorhaben scheitern bzw. ihr Ergebnis nicht erreichen. So fand das österreichische Hernstein Institut bei einer aktuellen Befragung von 1.000 Unternehmern in Deutschland, Österreich und der Schweiz heraus: 38 Prozent der Befragten meinten, ihre Change-Prozesse seien weniger oder gar nicht erfolgreich gewesen. Der häufigste Grund, warum Change-Projekte scheitern, liegt im Widerstand der Mitarbeiter (30 Prozent), gefolgt von mangelhafter Prozessteuerung (25 Prozent) und zu schnellem Tempo, mit dem die Veränderungen durchgezogen werden (20 Prozent). Zwölf Prozent meinen, dass Change-Projekte an einer unklaren Zielrichtung scheitern. Change-Management-Projekte werden im Allgemeinen nur vom den obersten Führungsreihen in Auftrag gegeben, da es sich in der Regel um unternehmenskritische bzw. strategische Vorhaben handelt. Dabei gibt es zwei Formen, wie das übergeordnete Management personell in Projekte, die ein Unternehmen grundlegend verändern, eingebunden sein kann:

Change Management 197

a. Ein Mitglied der Unternehmensleitung übernimmt selbst die Leitung des entsprechenden Projekts, oder b. das Projekt wird von der Unternehmensleitung delegiert, im Allgemeinen an die nächste Führungsebene. Dabei bleibt jedoch das übergeordnete Management in einem weit höheren Maße in das Vorhaben involviert, als dies bei anderen Projekten (insbesondere prozessbezogenen oder regelmäßig wiederkehrenden, „typischen“ Projekten) der Fall wäre. Wenn dieser enge Bezug zur obersten Führungsebene nicht gegeben ist, ergibt sich praktisch „no Chance for Change“, die Chancen für eine umfassende organisatorische Veränderung fallen gering aus. In den beiden vorgenannten Fällen stellt das Change Management eine Aufgabe des Managements von Strategischen Projekten dar. Damit stellt die direkte Mitwirkung des übergeordneten Managements den Bezug zum Strategischen Projektmanagement dar. Aber es gibt im Rahmen des Strategischen Projektmanagements noch einen Sonderfall, gleichsam ein Selbstrückbezug des Change Managements auf das Projektmanagement. So stellt nämlich die nachhaltige Verankerung des Projektmanagement im Unternehmen bzw. die Entwicklung einer echten Projektmanagement-Kultur36 an sich ein genuines Change-Management-Vorhaben dar. Die Perspektive des Change Managements wird im Folgenden also in drei Dimensionen ausgeführt: 1. Umsetzung des Change Managements, wenn das Top-Management selbst die Projektleitung übernimmt. 2. Sicherung des Change Managements, wenn das Top-Management nicht selbst die Projektleitung übernimmt. 3. Change Management für die nachhaltige Verankerung der Projektmanagement-Kultur.

2. Aufgaben des Change Managements Change Management ist zunächst eine genuine Managementaufgabe. Eine der zentralen Aufgaben eines Unternehmens ist es, sich den verändernden externen Bedingungen seiner Umwelt anzupassen. Solche internen Anpassungen zu planen, zu gestalten und zu verankern, wird damit vordringliche 36

Vgl. hierzu ausführlich den Beitrag „Warum Projektmanagement für jedes Unternehmen ein kritischer Erfolgsfaktor ist“ in vorliegenden Band.

198 Eric Schott, Marco Wick

Aufgabe der Unternehmensleitung. Diese Aufgabe lässt sich in vielen Aspekten an andere Mitarbeiter bzw. Führungsebenen delegieren. Aber es verbleiben vier Dimensionen, die sich nicht delegieren lassen, ohne die angestrebten Veränderungen ernsthaft zu gefährden. Die vier Dimensionen des Change Managements sind: 1. Identifikation des Veränderungsbedarfs 2. Organisation des Veränderungsprojekts 3. Motivation der Veränderungsbeteiligten 4. Kommunikation der geplanten und erfolgten Veränderungen Hierbei ist noch einmal zu unterscheiden, dass sich die Identifikation des Veränderungsbedarfs und die Organisation des Veränderungsprojekts von anderen ausarbeiten lassen – dann muss jedoch das Topmanagement zumindest die Ergebnisse regelmäßig überprüfen und sich aneignen. Die Motivation der Veränderungsbeteiligten und die Kommunikation der Veränderungen müssen persönlich durch das Topmanagement erfolgen. Hier können andere Führungskräfte höchstens verstärken und multiplizieren. Die folgenden Dimensionen umreißen damit noch einmal die zentralen Kernaufgaben, die das Topmanagement übernehmen und sicherstellen muss, damit Change-Management-Projekte als strategische Projekte erfolgreich sein können. Identifikation Die Identifikation des Veränderungsbedarfs umfasst folgende Aspekte: x Auf welche externen Veränderungen soll reagiert werden (neue Anforderungen der Kunden, neue Nutzung der bestehenden Kundenpotenziale, neue bzw. auslaufende Märkte, neue Prozesse, neue Produkte, neue Technologien, neue Verfahren, neue Dienstleistungen, neue Preisstrukturen usw.)? x Welche internen Veränderungen sind darauf die passende Antwort (veränderte Prozesse, veränderte Organisation, adäquate Mitarbeiterqualifikationen, eine geänderte Unternehmenskultur usw.)? x Welche Veränderungen sollen gleichzeitig abgedeckt werden? x Wie wirken diese Veränderungen zusammen – wirken sie in die gleiche Richtung?

Change Management 199

x Welche Strategie leitet sich aus den verschiedenen Veränderungen ab – wie lassen sich die identifizierten Veränderungen zu einer Strategie (Strategic Initiative) zusammenführen? Diese Phase lässt sich mit Identifizieren des Projektziels im eigentlichen Sinne umschreiben. Damit ist aber die Aufgabe des Managements nicht beendet – auch wenn viele Entscheidungsträger nach dieser Phase (Identifizieren Projektziel) ihre Aktivitäten im Veränderungsvorhaben extrem reduzieren. Im Gegenteil, von entscheidender Bedeutung ist, dass nun eine regelmäßige Identifikation des Entscheidungs- und Handlungsbedarfs erfolgt: x Was muss entschieden werden? x Wann muss entschieden werden? x Welche Prioritäten sollen umgesetzt werden? x Welche Hindernisse stehen der geplanten Umsetzung der Maßnahmen entgegen? x Welche Maßnahmen müssen durch das Management selbst umgesetzt werden? Auch wenn diese Punkte durch andere (z.B. Project Management Office) vorbereitet werden können, so liegt die Identifikationsaufgabe beim Management: Nur was als relevant identifiziert wurde, wird entschieden. In diesem Sinne gilt die sokratische Einstellung „richtiges Erkennen ist richtiges Handeln“. Identifikation bedeutet dann auch, die eigene Rolle im Rahmen des Change Managements sowohl zu erkennen als auch sich mit dieser Rolle identifizieren zu können. Organisation Für Change-Management-Vorhaben ist die professionelle Organisation als Projekt in besonderem Maße zielkritisch. Dies umfasst sowohl die vorbereitende Organisation (von Projektplanung bis Kickoff) als auch die Organisation der laufenden Prozesse, insbesondere Projektmonitoring und Krisenmanagement. Für viele Projekte bedeutet Organisation in der Praxis eigentlich Improvisation. Improvisation heißt, auf Veränderungen und Störungen kurzfristig und situativ-pragmatisch zu reagieren. Dies kann bei kleineren Vorhaben eine sehr effiziente Vorgehensweise sein. Bei Change-ManagementVorhaben sind jedoch die Auswirkungen auf die Beteiligten und die Anzahl der Beteiligten selbst sehr groß. Die professionelle Organisation des

200 Eric Schott, Marco Wick

Change-Management-Projekts reduziert dabei dessen Komplexität. Zugleich kommt die Vorbildfunktion des Topmanagements zum tragen: Wenn die Generalität ein Projekt betreut, muss auch das Projektmanagement generalstabsmäßig sein. Die vorbildliche Organisation des Projekts bedeutet in diesem Sinne: 1. Professionelle Aufbauorganisation  Sicherstellen, dass die richtigen Führungskräfte und Mitarbeiter ins Projektteam berufen, und  sicherstellen, dass die Führungskräfte und Mitarbeiter den richtigen Aufgaben zugeordnet werden (nachfolgende Tabelle zeigt exemplarisch die Rollen und die jeweiligen Aufgaben in einer ChangeManagement-Projektorganisation). Rolle

Aufgaben

Taskforce

Team von Experten und Managern – verantwortlich für die Implementierung der Veränderung. Sollte aus einem Leiter, einigen Fachexperten und einigen Change Agents (auf Veränderungsprozesse spezialisierte Berater) bestehen.

Taskforce Leader

Verantwortlicher Leiter der Taskforce

Taskforce Change Agents

Eigentlich Verantwortliche für den Veränderungsprozess (Managen des Kommunikationsprozesses, Umgang mit Widerstand, Tool Support des Prozesses, Konflikt- und Krisenmanagement)

Taskforce Experts

Besitzen Prozesskompetenz und gestalten die Veränderung der Geschäftsprozesse

Consultant

Prozessbegleitender externer Berater, auch Coachingfunktion für die Taskforce

Project Teams

Gruppen zur Implementierung von Teilprojekten (Mitarbeiter aus dem Unternehmen und Mitglieder der Taskforce)

Steering Board

Entscheidungsgremium (Auftraggeber, ManagementVertreter, Taskforce Leader)

Sponsor

Mitglieder der obersten Management-Ebene, die politische Rückendeckung für das Projekt und Ressourcenverfügbarkeit sicherstellen

Champion

Leistungs- und Entscheidungsträger, die als erstes Veränderungen annehmen, neue Prozesse mit Erfolg anwenden; haben Multiplikator- und Vorbildfunktion für andere Mitarbeiter

Abbildung 1: Rollen und Aufgaben im Change-Management-Projekt

Change Management 201

2. Professionelle Ablauforganisation  Sicherstellen, dass die wichtigsten Projektmanagement-Prozesse aufgesetzt und auch wirklich umgesetzt werden.  Sicherstellen, dass Führungskräfte, Projektteam und Mitarbeiter das Richtige tun – d.h. das Topmanagement kommt nicht umhin, sich selbst auch mit den Ergebnissen der Fortschrittsverfolgung zu beschäftigen und selbst Reviews des aktuellen Projektstands vorzunehmen. Denn wenn das Topmanagement kein Interesse am Status des Change-Management-Projekts hat – warum sollte sich dann jemand anderes dafür interessieren? Motivation Die Rolle des Top-Managements besteht in der aktiven Führung, dem permanenten Aufzeigen der einzuschlagenden Richtung und zugleich als Motor bzw. als Energieträger der Veränderung zu wirken. Versteht man Identifikation (des Veränderungsbedarfs) und Organisation (des Veränderungsprojekts) als Ziel und Weg dorthin, dann meint Motivation die Energie, die nötig ist, um auf dem definierten Weg zum Ziel der Veränderung zu gelangen. Ohne Motivation des Topmanagements fehlt die Energie, das Ziel des Change-Management-Projekts zu erreichen. Die Motivationsaufgabe des übergeordneten Managements umfasst unter anderem: x Sichern, dass die Beteiligten und Betroffenen sich weitestmöglich mit dem Projektziel identifizieren (s.o., Identifikation): Gerade nachdem am Anfang eines Change-Management-Projekts hohe Aufmerksamkeit auf das Commitment der Beteiligten gelegt wird, geht im weiteren Verlauf diese Aufmerksamkeit oft verloren. Das Topmanagement muss daher sichern, dass die Motivation der Beteiligten i.w.S. nicht über die Zeit erlischt. Aufmerksamkeit und Identifikation ist eine knappe Ressource, um die immer wieder die verschiedensten Projekte im Unternehmen konkurrieren. x Sicherstellen, dass das Projektteam das erforderliche Image und die volle Rückendeckung des Managements erhält: Natürlich gibt es im Verlauf von Change-Management-Vorhaben zwischen Topmanagement und Projektteam unterschiedliche Auffassungen über Handlungsbedarfe und Handlungsalternativen. Diese sollten aber im kleinsten Kreise ausgetragen und entschieden werden. Nach außen muss ein einhelliges, eindeutiges und einheitliches Bild vermittelt werden. Das gesamte Unternehmen erkennt dann, dass das übergeordnete Management voll auf dem (häufig schwierigen) Kurs des Change-Management-Teams ist.

202 Eric Schott, Marco Wick

x Sicherstellen, dass neue Anforderungen in einem geregelten Prozess vom Projektteam aufgenommen bzw. bewertet werden (s.o., Organisation): im Rahmen der aufgesetzten Projektmanagement-Prozesse sollte ein Änderungsverfahren definiert werden, über das neue Anforderungen an das Change Management-Projekt eingebracht und kanalisiert werden können. Dies bedeutet natürlich nicht, dass alle Anforderungen auch umgesetzt werden. Aber es motiviert alle Beteiligten, wenn Anfragen nicht unsichtbar verschwinden, sondern in einem transparenten Prozess zur Entscheidung gebracht werden – auch wenn dies bedeutet, dass neue Anforderungen erst in einer späteren Stufe oder gar nicht berücksichtigt werden können. x Sicherstellen, dass Widerstände wahrgenommen und bestmöglich aufgelöst werden: Neben neuen Anforderungen, die meist gut erkennbar sind, s.o., gehört zur Motivation auch das Aufspüren von Widerständen. Häufig stehen der Motivation und damit dem Change-ManagementVorhaben insgesamt verdeckte Widerstände entgegen. Diese sollten in einer speziellen Form einer Umfeldanalyse bzw. einer Risikoanalyse („Von wo sind Widerstände zu erwarten? Wie stark sind ihre Auswirkungen auf das Projekt?“) identifiziert werden. Eine triviale, aber essentiell wirkungsvolle Möglichkeit der Motivitation wird erreicht, in dem das Management persönliches Commitment durch persönliches Auftreten, „Vorleben“ der Veränderungsmaßnahmen und persönliches Kommunizieren zeigt. Persönliches Auftreten bietet sich z.B. für Meetings an. Nahezu unumgänglich ist die Teilnahme am Kickoff. Die Eröffnungsrede kann mit Recht von einem Vertreter des Topmanagements erwartet werden. Dabei erläutert er Hintergrund und Ziel des Change-Management-Vorhabens, skizziert Projektverlauf und –organisation und rundet den Beitrag ab mit seiner persönlichen Sicht auf den Status post, mit einer klaren Vision für den Zustand der Organisation nach Ende des Change-ManagementProjekts. Aber auch bei regelmäßigen (Status-)Meetings sollte das Management erscheinen - ob unangekündigt oder nicht. Wenn keine umfassende Vorbereitung auf die Besprechungen und Meetings möglich ist, soll zumindest eine lokale Vorbereitung dazu führen, dass das teilnehmende Management z.B. die derzeitig akuten Risiken oder Projekthindernisse kennt (Blick in den aktuellen Statusbericht). Auch das Kennen, Benennen oder Hinterfragen von einigen zentralen Kennzahlen (Blick in das aktuelle Projektcontrolling) wirkt Wunder und extrem motivierend. Die Aufgaben und Inhalte persönlichen Kommunizierens wird im Folgenden umrissen.

Change Management 203

Kommunikation Motivation – als erforderliche Energie, um auf dem definierten Weg das Ziel der Veränderung zu erreichen – muss gerichtet sein. Damit stellt sich die Kommunikation als vierte Aufgabe des Topmanagements. Kommunikation gibt der Motivation erst die erforderliche Richtung. Die Kommunikation des Topmanagements führt das Unternehmen in Richtung der Veränderung. Zu unterscheiden sind: x Direkte Kommunikation der Ziele des Projekts und dessen Voraussetzungen, insbesondere bei den direkte Beteiligten und Betroffenen. x Mittelbare Kommunikation der Ziele des Projekts und dessen Inhalte (z.B. auf Gesamtunternehmensebene, d.h. das ganze Unternehmen informieren und informiert halten). x Projektmarketing. Die Kommunikationsaufgaben verändern sich im Laufe des Vorhabens. Hierfür stehen zahlreiche typische Phasen- und Verlaufsmuster für Change -Management-Projekte bereit, die zu erwartende Reaktionen und Handlungsbedarfe bei den Betroffenen und Beteiligten aufzeigen. In der Literatur finden sich zahlreiche Darstellungen zu typischen Phasen von Change-Management-Vorhaben. Kotter benennt z.B. acht Phasen: 1. Gefühl für die Dringlichkeit erzeugen, 2. Führungskoalition aufbauen, 3. Vision und Strategien entwickeln, 4. Vision des Wandels kommunizieren, 5. Empowerment aller Mitarbeiter, 6. Kurzfristige Ziele und Erfolge planen, 7. Erfolge konsolidieren/weitere Veränderungen ableiten, 8. Neue Ansätze in der Kultur verankern. Unter Beachtung des Umfelds des Veränderungsprojekts, kann das Change-Management-Vorhaben mit einem Fragenkatalog (vgl. Anhang) charakterisiert werden. [Vgl. Kotter, J. 1998] Auf den jeweiligen bzw. zu erwartenden Zustand nach jeder Phase muss mit gesonderten Kommunikationsmaßnahmen und gesonderten Botschaften reagiert werden: x Kommunizieren, welche Vision für das Unternehmen das Management nach Umsetzung der Veränderungen hat.

204 Eric Schott, Marco Wick

x Kommunizieren, dass das Management die Vorgehensweise des Projektteams voll unterstützt (Imagestärkung und Positionierung des Projektteams). x Kommunizieren, dass und welche Veränderungen und Schwierigkeiten zu erwarten sind. x Kommunizieren, dass und welche Ängste und Vorbehalte das Management bei den Beteiligten wahrgenommen hat und wie mit diesen umgegangen wird. x Kommunizieren der Projektfortschritte und der bisher erreichten Ergebnisse. x Kommunizieren der Erwartungshaltung, die Management an die Veränderungen hat. Vergleiche dafür im Einzelnen auch die Checklisten zur professionellen Change-Management-Kommunikation im Anhang. So verschieden die Inhalte der Kommunikation sind, so unterschiedlich können auch die Formate sein. Von einer (ggfs. projektspezifischen!) Hauszeitung, über Rundschreiben, Video, Emails bis hin zu persönlichen Vorträgen – wichtig ist, dass die Botschaften auf ganz unterschiedlichen Kanälen an die verschiedenen Zielgruppen gelangen und dass diese dahinter immer die Handschrift des Topmanagements (wieder-)erkennen. Fazit: Damit das Unternehmen auf dem Weg bleibt und sich in Richtung Ziel verändert, muss das Topmanagement in der Rolle als Vorreiter eine aktive Kommunikationsaufgabe übernehmen. Das ist natürlich eine triviale Aussage – aber sie macht einen grundlegenden Entscheidungsbedarf deutlich: Entweder das Topmanagement engagiert sich persönlich und kontinuierlich für das Change-Management-Projekt oder es braucht dieses Projekt gar nicht erst in Auftrag zu geben. Die Entscheidung über ein solches Vorhaben betrifft also essentiell die persönliche Priorisierung: Habe ich derzeit die Kapazitäten bzw. möchte ich meine Kapazitäten freimachen für dieses Change-Management-Projekt? Abschließend seien die vier Dimensionen noch einmal danach abgegrenzt, in wie fern das Top-Management selbst die aktive Leitung des Veränderungsprojekts übernimmt:

Change Management 205 Managementaufga-

Umsetzung des Change Managments

Sicherung des Change Managements

ben in Abhängigkeit

(Top-Management übernimmt selbst

(Top-Management delegiert die Pro-

vom eigenen Invol-

die Projektleitung)

jektleitung)





vement Identifikation

Erarbeiten und permanente Über-

Umfangs der geplanten

Umfangs der geplanten Verände-

Veränderungen

rungen 







Regelmäßige Überprüfung der

Umsetzung der Strategie in Pro-

Veränderungsziele und der abge-

jektziele

leiteten Strategie

Identifizieren der relevanten Ent-



scheidungsbedarfe 

Vorgeben der Zielsetzung und des

prüfung der Zielsetzung und des

Regelmäßiges Entscheiden der hochprioritären Entscheidungsbedarfe (z.B. wöchentlich)

Identifizieren der Hindernisse Ereignisbezogenes, zeitnahes Entscheiden

Organisation



Vorbildliche Projekt- oder Pro-



Sicherstellen, dass Projekt- oder

grammorganisation aufsetzen und

Programmorganisation professio-

selbst umsetzen („vorleben“)

nell und entsprechend der unternehmensinternen Standards erfolgt 

Regelmäßige Bewertung, ob das Projektmanagement i.e.S. den eigenen bzw. vorgegebenen Anforderungen genügt

Motivation



Erzeugen von Aufmerksamkeit und



Wahrnehmung im Unternehmen 



Unternehmen Commitment und Aufmerksamkeit erhalten beleiben

Management von Erwartungen und Widerständen



Flankierende Maßnahmen wie Reden, Eröffnungen und Teilnahme a

Sicherstellen, dass neue Anforde-

Veranstaltungen usw.

rungen von außerhalb des Projektteams transparent kanalisiert wer-

Sicherstellen, dass im gesamten



Stärkung des Projektteams

den Kommunikation



Aktives permanentes und in der Intensität konstantes Vermitteln der Ziele, der Schwierigkeiten und der erreichten Fortschritte im Veränderungsprojekt



Kommunizieren von Erwartungen und Sicht des Managements



Projektmarketing im weitesten Sinne

Abbildung 2: Die vier Dimensionen des Change Management

206 Eric Schott, Marco Wick

3. Change Management für die nachhaltige Verankerung der Projektmanagement-Kultur Neben den beiden Standardfällen - je nach dem, ob das Top-Management selbst die Projektleitung eines Change-Management-Projekts übernimmt oder nicht – gibt es noch einen wichtigen Spezialfall: das Change Management für die nachhaltige Verankerung der Projektmanagement-Kultur.37 Kennzeichen einer etablierten Projektmanagement-Kultur im Unternehmen ist es, dass Projekten insgesamt eine hohe Bedeutung zukommt und vor allem, dass die entsprechenden Voraussetzungen für deren erfolgreiche Bearbeitung geschaffen werden. Allerdings ist es für viele Unternehmen ein weiter Weg bis zu diesem Zielzustand. Der „Culture Shift to Project Management“ muss aktiv gestaltet werden, und zwar als Change-Management-Projekt. Demzufolge gelten auch hier die vier Dimensionen des Change Managements: 1. Identifikation des Veränderungsbedarfs 2. Organisation des Veränderungsprojekts 3. Motivation der Veränderungsbeteiligten 4. Kommunikation der geplanten und erfolgten Veränderungen Verankerung der Projektmanagement-Kultur - Identifikation des Veränderungsbedarfs Zunächst gilt es, den anzustrebenden Zielzustand zu definieren. Dieser kann bspw. beschrieben werden, indem eine Auswahl der folgenden Merkmale einer etablierten Projektmanagement-Kultur erfolgt: x Standardisiertes Vorgehen bzw. gelebte Standardprozesse bei der Projektarbeit liegen vor. x Hohe Transparenz bei der Projektabwicklung für alle Beteiligten erlangt. x Guter Informationsstand über die Projekte ist vorhanden. x Hohe Bearbeitungsqualität innerhalb der Projekte erreicht. x Gezielte Umsetzung der Unternehmensstrategie durch die Betreuung ausgewählter strategischer Projekte ist ermöglicht. x Projektportfoliomanagement und projektübergreifende Koordination sind etabliert. 37

Vgl. den Anfangsbeitrag in diesem Band.

Change Management 207

x Das Management entscheidet regelmäßig über Prioritäten (neue und zu verschiebende Projekte, finanzielle und personelle Ressourcen). x Best Practices im Projektmanagement sind aufbereitet und stehen für das gesamte Unternehmen zur Verfügung. x Projektmanagement-Wissen und vor allem Wissen aus Projekten als Bestandteil der Unternehmenskultur sind verbreitet. x Projektmanagement ist als eigener Karrierepfad eingerichtet, u.a. liegen explizite Personalentwicklungsprogramme für Projektmanagement vor. x Qualifizierte Projektmanager stehen zur Verfügung, ggfs. in einer gesonderten Organisationseinheit, z.B. einen eigenen Projektleiter-Pool. x Projektmanagement wird innerhalb und außerhalb des Unternehmens als Wettbewerbsfaktor gelebt und vermarktet. In etwa die Hälfte dieser Merkmale dürfte genügen, um das Veränderungsziel hin zu einer Projektmanagement-Kultur für ein Unternehmen festzulegen. Dabei besteht eine sehr wirksame Strategie für die Erreichung dieses Zielzustandes darin, ein Project Management Office (PMO) einzurichten. Beim PMO laufen letztlich alle zentralen Projektmanagement-Fragen zusammen und es ist der zentrale Motor für die Veränderungen hin zu einer umfassenden Projektmanagement-Kultur. Zusätzliche Motive und Anlässe, ein Project Management Office zu etablieren, sind sehr weit gefächert. Als verstärkende Auslöser für die Gründung eines Project Management Office lassen sich unterscheiden: 1. Proaktive Entscheidung des Top-Managements: Im Idealfall geht die Initiative zur Einrichtung eines Project Management Office von der Unternehmensleitung aus. Dem geht meist die Einschätzung voraus, dass das Unternehmen bereits aktuell sehr projektorientiert arbeitet oder dies für die Zukunft vorgesehen ist. 2. Reaktive Entscheidung: Die Gründung eines Project Management Office kann auch bedingt sein durch aufgetretene Störungen in Projekten. Insbesondere bei massiven Ressourcenproblemen und entsprechender Intransparenz über die faktische Ressourcenplanung und –auslastung sowie beim Scheitern von einzelnen Großprojekten kann die Geschäftsleitung die Einrichtung eines Project Management Office zur Professionalisierung des Projektmanagements „anordnen“. Typischerweise wird dann der Schwerpunkt des zukünftigen Project Management Office eher auf die Multi-Projektmanagement- und Projekt-Controlling-Aufgaben gelegt.

208 Eric Schott, Marco Wick

Verankerung der Projektmanagement-Kultur - Organisation des Veränderungsprojekts Als exemplarische Elemente für die vorbildliche Organisation des Veränderungsprojekts können genannt werden: 1. In der Geschäftsleitung wird verabredet, welches Geschäftsleitungsmitglied als Sponsor für das Projekt „Verankerung der ProjektmanagementKultur“ eintritt. 2. Das Projektteam wird mit besonders erfahrenen Projektfachleuten besetzt: Die Verankerung der Projektmanagement-Kultur, fokussiert durch ein Project Management Office, sollte nicht auf einer einzelnen Person beruhen. Insbesondere im Unternehmen anerkannte Projektleiter und Führungskräfte mit Erfahrung im Multi-Projektmanagement sowie Projekt-Controller, Experten für Projektportfoliomanagement und Personalentwickler müssen Mitglieder des Projektteams sein. 3. Dabei sollte das Projektteam lieber für kürzere Zeit, dafür aber zu 100 Prozent der Veränderungsaufgabe zugeordnet werden. 4. Von vornherein ist eine Pilotierung in ausgewählten Organisationsbereichen mit maßgeblicher Projektbeteiligung einzuplanen: Die Veränderungen sollten nicht sofort in die Fläche (Gesamtunternehmen), sondern in einem Organisationsbereich evaluiert werden. Als klassische Favoriten für die Pilotierung kommen der IT-Bereich, etwa Anwendungsentwicklung, oder auch Bereiche wie Marketing, Produktentwicklung oder F&E in Frage. 5. Auch und gerade ein Projekt „Verankerung der ProjektmanagementKultur“ sollte verbindliche Regeln für Termin- und Projektplanung sowie dessen Fortschritts- und Umsetzungscontrolling im Team etablieren und leben – auch eine Paradeaufgabe für das (neugeschaffene) Project Management Office. 6. Dies gilt wiederum, aufgrund der besonderen Sichtbarkeit, auch für das Topmanagement – dies muss sich selbst auch mit den Ergebnissen der Fortschrittsverfolgung beschäftigen und in kurzen Zyklen die Ergebnisse des aktuellen Projektstands bewerten. Dafür reicht ein kurzes Statusmeeting (45 Minuten) alle zwei Wochen, das mit fester Agenda pointiert Engpässe, Hindernisse, Entscheidungsbedarfe und aktuelle Mitwirkungspflichten des Top-Managements adressiert. Wiederum gilt: lieber einer kürzere Projektdauer, dafür aber eine intensivere TopmanagementBeteiligung.

Change Management 209

Verankerung der Projektmanagement-Kultur - Motivation der Veränderungsbeteiligten Eine wirksame Form der Motivation im Rahmen des Change Management-Projekts „Verankerung der Projektmanagement-Kultur“ besteht darin, dass das Top-Management zeigt und vorlebt, welche Elemente der neuen Projektmanagement-Kultur es selbst nutzt. Nacheinander können Schwerpunkte gesetzt werden wie z.B.: x Beim Kickoff präsentiert ein Mitglied der Geschäftsführung seine Vision einer Projektmanagement-Kultur. x Das Top-Management hinterfragt, ob und inwiefern bei aktuellen Projekten die verabschiedeten Standards auch umgesetzt wurden. x Das Top-Management veröffentlicht und erläutert die aktuellen Unternehmensziele und durch welche aktuellen Projekte deren Umsetzung realisiert wird. x Neue und veränderte Prioritäten, insbesondere zu gestoppten oder verschobenen Projekten, werden aktiv und weit kommuniziert. x Das Top-Management benennt Best Practices im Projektmanagement und lobt das entsprechende Projektteam. x Bestimmte Beförderungen und neue Aufgabenbereiche, z.B. eines Senior Projektmanagers, werden vom Top-Management selbst ausgesprochen. x Das neue Projektmanagement wird von der Geschäftsführung in zentralen Kundenpräsentationen als Wettbewerbsfaktor positioniert. Am wichtigsten ist, dass diese Elemente durchgängig und immer wieder praktiziert werden. Das Top-Management muss einen langen Atem in der Betreuung des Projekts und des Themas haben: Nur dann glaubt auch das gesamte Unternehmen, dass der Weg in Richtung professionelle Projektmanagement-Kultur wirklich unumkehrbar ist. Nachhaltig verankernd wirkt in diesem Zusammenhang die Anwendung der neuen Grundlagen für das professionelle Projektmanagement – nur wenn das Top-Management selbst nach den Prinzipien der neu etablierten Projektmanagement-Kultur handelt, kann dies Leitlinie und Ansporn für die Mitarbeiter sein, die für die unternehmensweite Anwendung zuständig sind. Verankerung der Projektmanagement-Kultur - Kommunikation der geplanten und erfolgten Veränderungen Als Flankierung der o.a. Maßnahmen sei abschließend und ebenfalls exemplarisch eine Auswahl an Kommunikationsmaßnahmen aufgeführt, die

210 Eric Schott, Marco Wick

eine erfolgreiche Veränderung der Projektmanagement-Kultur beschleunigen: x Ausgewählte Auftritte des übergeordneten Managements in Bereichsoder Abteilungsrunden, um das Thema Projektmanagement-Kultur auch in die Linie zu tragen. x Nutzung verschiedener neuerer Kommunikationskanäle:  Schreiben der Geschäftsleitung auf der Homepage des ChangeManagement-Projekts „Verankerung der Projektmanagement-Kultur“  Verbreiten eines Videos oder eines Flash-Movies im Intranet  Mehrere kurzes Emails der Geschäftsleitung  ... x Beschreiben, welche eigenen Veränderungen im Rahmen der neuen Projektmanagement-Kultur sich für das Top-Management ergeben haben. x Lob des Projektteams „Verankerung der Projektmanagement-Kultur“. x Regelmäßige Erwähnung der Bedeutung des Vorhabens „Verankerung der Projektmanagement-Kultur“, z.B. zu Zielen, Fortschritten und aktuellen Hindernissen. Die Erwähnung ist insbesondere wirksam, wenn sie in anderen Kontexten oder in Bezug zu anderen laufenden Projekten erfolgt. x Betonen des konkreten Nutzens, der schon realisiert werden konnte. x Vorträge bei externen Veranstaltungen zur Projektmanagement-Kultur in eigenen Unternehmen. Soweit die Überlegungen zur Gestaltung des Change Managements für die nachhaltige Verankerung der Projektmanagement-Kultur. Die entsprechende Projektgestaltung lässt sich mutatis mutandis auch auf fast alle anderen Themen des vorliegenden Bandes beziehen, sofern die Einführung des jeweiligen Instruments des strategischen Projektmanagements wie zum Beispiel die Einführung eines projektorientierten Leistungs- und Prämiensystems, eines Projektrisikomanagements, von Programm-ManagementAnsätzen usw. selbst als Projekt bzw. als Change Management-Projekt organisiert werden.

Change Management 211

4. Fazit Change Management und Projektmanagement sind untrennbar miteinander verbunden. Genauso sind auch Change-Management-Vorhaben und Strategische Projekte untrennbar eine Sache des Top-Managements. In der allerletzten Essenz sind es zwei Aspekte, die das Gelingen der Vorhaben bedingen: 1. Aktives, konstantes bzw. regelmäßiges, sichtbares, an den eigenen Standards orierientiertes Mitwirken des Top-Managements am Projekt – Strategische Projekte lassen sich nicht vollständig Delegieren (sonst wären es keine strategischen Projekte ...). 2. Professionelle Kommunikation als Primärform des Mitwirkens (siehe dafür auch die Checklisten im Anhang).

212 Eric Schott, Marco Wick

5. Anhang: Checklisten zur professionellen Change Management-Kommunikation 5.1. Checkliste zur Vorbereitung der Kommunikationsinstrumente im Change Management

Instrument

Ziele

Durchführung

Instrumente zur formalen, offiziellen Kommunikation Spezielle Klausurtagungen und Workshops

- Bildung von Strategien - Überprüfung der Zusammenarbeit im Team - Konfliktbearbeitung - Klärung von Grundsatzfragen der Führung und Zusammenarbeit - Längerfristige Organisationsentwicklung - Spielregeln der Zusammenarbeit definieren

- Außerhalb der normalen Arbeitsumgebung - Ohne störende Einflüsse - Projektteam: vor der eigentlichen Projektarbeit - Führungsteam: mindestens einmal im Jahr - Dauer: 2 Tage

Dialogveranstaltungen in größeren Kreisen

- Sicherstellung, dass alle Mitarbeiter die gleichen Fakten über die Veränderungsinitiative erfahren - Information - Klarstellung von Gerüchten - Verhalten der Mitarbeiter auf die Veränderungsinitiative ausrichten - „Wir-Gefühl“ erzeugen - Abstimmung der Managementebenen im Dialog mit der Unternehmungsleitung - Hohe Motivationswirkung auf Führungskräfte

- Echten Dialog mit hoher Begegnungsqualität ermöglichen - Gruppenorientierte Arbeitsformen - Professionell visualisieren und moderieren - Genügend Zeit-Raum zur Verfügung stellen

Strategie-Klausur der oberen zwei bis drei Führungsebenen

Kick-off-Meeting

- Zielsetzung und Hintergrund des ChangeManagement-Vorhabens verankern

ProjektInformationsveranstaltung

- Gemeinsame Standortbestimmung und Zwischenbilanz

- Kann auch in zwei Phasen gestaltet werden: Bestandsaufnahme und Ideensammlung der zweiten Führungsebene und anschließendem Dialog mit der Unternehmensleitung - Auftaktveranstaltung: Information über Ziele, Hintergründe, Vorgehensweise, Organisation, Zeitplan, Klärung aller Fragen - Aufbruchstimmung erzeugen - Bei großen und komplexen Projekten

Change Management 213

Mitarbeiter-Forum

- Informationsbereitstellung für alle Beteiligten - Steuerungswirkung und Frühwarnsystem - Distanz zwischen Unternehmensspitze und Basis reduzieren (ein Manager kann immer nur mit begrenzter Anzahl an Mitarbeitern kommunizieren, auch wenn er sich dafür sehr viel Zeit nimmt)

- Adressaten: Beteiligte und direkt Betroffene

- Nur sinnvoll als feste Institution mit einem Mitglied der Unternehmensleitung und wechselnden Mitarbeitergruppen - Treffen müssen interaktiv gestaltet werden

Mitarbeitergespräch

- Zielvereinbarung und – - Pflichtteil jeder Kommunikakontrolle: gemeinsame krititionsstrategie sche Beurteilung der Zeiler- - Mindestens einmal jährlich reichung in der abgelaufepersönliches Grundsatzgenen Periode; spräch jedes Mitarbeiters -Vereinbarung qualitativer mit dem direkten Vorgeund quantitativer Ziele für setzten die anstehende Periode; - Festlegen einer gemeinsamen Halbzeit-Bilanz - Qualifikations- und Entwicklungsplanung: gegenseitiges offenes Feedback (persönliche Stärken und Schwächen werden von beiden Seiten benannt); - Vereinbarungen bzgl. weiterer Zusammenarbeit; - Planung von Qualifizierungsmaßnahmen - Erzeugung von Motivation und Identifikation

Projektspezifisches Kommunikationskonzept

- Interne Informationslücken, - An Hand des PlanungsverSpannungen und Konflikte laufs erkennen, wann ein vor dem Start des Projekts Informationsschub ansteantizipieren und wirksame hen wird Gegenmaßnahmen bereit - Vorbereitung des Informatistellen onsschubs - Klare Regelung für Kom- Entwickeln eines umfangmunikation über den Verreichen Mix an Kommunikalauf des Projekts tionskanälen und - Planung der Information -inhalten des Projektumfeldes - Identifikation der Mitarbeiter - Steuerungsinstrument - Offene und lebendige Unternehmenskultur

214 Eric Schott, Marco Wick Mitarbeiterbefragung

- Motivation und Identifikation - Fragebogen vorbereiten zu bei Mitarbeitern ermitteln, Meinung des einzelnen Mitum in den Organisationsarbeiters zu Arbeitssituatieinheiten on, zu Vorschlägen und An- Veränderungsvorschläge regungen in Bezug auf gemeinsam mit den MitarOrganisation, Führung und beitern zu evaluieren und Zusammenarbeit im Unterentsprechende Maßnahnehmen men zu realisieren

Betriebsversammlung

- Möglichkeit für die gesamte - Sorgfältig den Ablauf plaBelegschaft relevante Innen formationen aus erster - Redezeiten beschränken Hand zu erhalten: von sei- Professionelle ten der Vertretungsorgane/ Moderation Unternehmensleitung - Faire Streitkultur für die Mitarbeiter sichtbar machen

Dialog mit den Vertretungsorganen

- Zusammenspiel zwischen Unternehmensleitung und Personalvertretung verbessern - Klima und Wertschätzung im Umgang von Management und Vertretungsorganen, Effizienz in der Kommunikation untereinander im Hinblick auf heikle Themen und ihrer Bearbeitung beurteilen - Informationen von den Vertretungsorganen über Befindlichkeit der Mitarbeiter, da Vertretungsorgane Vielzahl von Kontakten mit der Belegschaft unterhält

- Themen: Zukunft des Unternehmens, Stimmungslage in der Belegschaft bzw. in Gruppen, unausgeschöpftes oder blockiertes Potential - Informellen Rahmen schaffen, um Dialog zu ermöglichen

Schwarzes Brett

- Schnelle Übermittlung von Sachinformationen - Aktualisierung und Verlebendigung der Informationen

- Modernere Varianten: Litfaß-Säulen oder Bildschirme an verschiedenen Knotenpunkten im Unternehmen (Eingangsbereich, Casino, Pausenzonen) - Kein Informationsstil nach Art amtlicher Mitteilungen

Mitarbeiterzeitung

- Wichtige Unternehmensbotschaften vermitteln

- Lebendige Hauszeitung durch: Redaktion in den Händen der Belegschaft, professionelle Mithilfe bei der journalistischen Gestaltung, lebendiges Layout,

Change Management 215 Fotos, Kurzreportagen und Interviews, überwiegende Mehrheit der Berichte über Menschen und Ereignisse aus der Basis - Bislang in der Praxis häufig beklagte Defizite: Zuviel Raum für Stellungnahmen der Mitarbeiter, kaum verschleiert ‚Hofberichterstattung’, Charakter einer Kirchenzeitung Informationsmarkt

- Horizontale Kommunikation und Begegnung ermöglichen - Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen im Unternehmen fördern

- Gruppen, Funktionen und Bereiche stellen sich in Form von ‚Marktständen’ einander vor und kommen darüber ins Gespräch. z.B.: Projektgruppen berichten über den aktuellen Stand ihrer Projekte, Geschäftsleitung stellt derzeitig Unternehmensstrategie dar; Ergebnisse interner Erhebungen werden einer breiteren ‚Öffentlichkeit’ vorgestellt - Vorbereitung durch eine kleine interdisziplinär besetzten Gruppe - Lebendige Form der Standpräsentation, genügend Möglichkeit zur Aussprache schaffen, Freiheit der Diskussion

Newsletter

- Regelmäßige Verbreitung von Informationen über das Projekt - Ergebnisse verkünden

- Adressaten identifizieren, z.B. durch Analyse des Organigramms oder Rundschreiben an alle Periodizität festlegen - Aufbau und Inhalte festlegen, s.o. Mitarbeiterzeitung

Projekt-Website

- Verbesserte Kommunikation, Koordination und Datenaustausch, speziell bei räumlich getrennten Projektmitgliedern

- Enthält maßgebende projektrelevante Informationen, z.B. Teammitglieder, Ansprechpartner, Terminplanung, Projektstatus, Archiv (Verweise bzw. Links auf die projektrelevanten Dokumente) - Diskussionsforum als

216 Eric Schott, Marco Wick Kommunikationsplattform stellt sinnvolle Erweiterung dar - Rechte und Aufbau müssen konzeptioniert werden

Instrumente für die informelle Kommunikation Betriebsbesuche - Management soll seinen In- - Auch: „Wandering formationsstand hinsichtlich Around“ der Gefühle und Gedanken - Direkte, informelle Besuche an der ‚Front’ der Mitarbeiter verbessern - Distanz zwischen Spitze - Mitarbeiter fragen, was in und Basis verringern ihrem Bereich passiert und - Kommunikationsdefizit welche Anliegen und Sorkompensieren gen sie haben - Mitarbeiter in ihrer gewohnten Umgebung ein heimisches Gefühl geben

Informelle Gesprächsrunden

- Kommunizieren wichtiger Botschaften - ‚Temperaturfühler’ - Gelegenheit zum lockeren Meinungsaustausch

- Gut am Rande von Bildungsveranstaltungen durchführbar - Entspannten Rahmen schaffen - Auf Präsentationen bzw. ‚Form vor Inhalt’ verzichten - Statements der Mitarbeiter zuerst und nicht der Vorgesetzte - Vorgesetzter muss nicht immer eine druckreife Antwort haben – Zeit zum Nachdenken erbitten - Erklären, was zu den Problemen unternommen wird

Telefongespräche mit Mitarbeitern

- In Kontakt treten mit Mitar- - Auch: „Lobbying“ - Meinungsführer vor wichtibeitern, die nicht in die interne Kommunikation eingen Entscheidungen anrugebunden sind (z.B. fen und mit ihnen diskutieMitarbeiter im Außendienst) ren - Management ruft einen - Zeichen des persönlichen Interesses setzen ausgewählten Kreis von Mitarbeitern persönlich, ggfs. zu Hause an - Nie an den Vorgesetzten vorbei Aufträge erteilen - ‚In das Unternehmen hinein hören’, wichtige Botschaften verbreiten und Interesse zeigen

Change Management 217

Feste und Ausflüge

- Zwanglose Begegnungen - Kleine Anregung geben, ermöglichen dass Betriebsangehörige im - Zumindest ansatzweise: als Rahmen einer Festivität ein Vorgesetzter als „einer von Kabarett auf die Beine steluns“ erlebt zu werden len – „Unternehmenstheater“: - Verbreitung wesentlicher heikle Fragen, die sich nieBotschaften unter der Belegschaft mand mehr im Alltag anzu- Nachhaltiger Eindruck bei sprechen wagt, kommen in Mitarbeitern unterhaltsamer Form zum Vorschein - Organisation den Mitarbeitern überlassen

Begegnungsräume im Arbeitsumfeld

- Systematische Förderung normaler und natürlicher Kontakte

- Gezieltes Ausrichten der vorhandenen Begegnungsräume auf die Förderung der Kommunikation, z.B. der Einrichtung von KaffeeEcken - Kasino bzw. Kantine: sollte für die Führungskräfte nicht separat sein (Zweiklassengesellschaft) - Offene Räume, wie Cafeteria gestalten, wo sich alle treffen können

218 Eric Schott, Marco Wick

5.2. Checkliste zur Vorbereitung der Kommunikationsinhalte im Change Management

Intensitäts-Einflussfaktoren ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ

Was verändert sich für die Mitarbeiter durch die Veränderungsinitiative? Wer ist von der Veränderungsinitiative betroffen? Wie viele Vorhaben mit gleichem Ziel wurden mit den nun Betroffenen vorher durchgeführt? Werden im Unternehmen in der Vergangenheit erbrachte Leistungen immer wieder durch Äußerungen unterstrichen? Stellen sich bei Veränderungsinitiativen die wichtigsten Führungskräfte hinter die Maßnahme? Arbeitet das Unternehmen mit Leitbildern oder Visionen, um den Mitarbeitern den langfristigen Weg aufzuzeigen? Wird eine Vision über viele Kanäle kommuniziert? Wird die Vision häufig kommuniziert? Existieren flexible Leistungsbewertungssysteme für die Mitarbeiter im Unternehmen? Stehen den Mitarbeitern Qualifikationsmöglichkeiten zur Auswahl? Woran konnte man in den letzten Veränderungsinitiativen erkennen, dass die durchgeführten Maßnahmen wirksam waren? Gingen aus den letzten Veränderungsinitiativen neue Veränderungsprojekte hervor?

Angst-/Orientierungslosigkeits-Determinanten ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ ƒ

ƒ

Gibt es Promotoren für die Veränderungsinitiative? Zweifeln Mitarbeiter und/ oder Führungskräfte die Wirksamkeit der Veränderungsinitiative als Lösung für das Problem an (objektives Risiko)? Sind Signale erkennbar, die vermuten lassen, dass Mitarbeiter persönlich nicht mit der Veränderung zurecht kommen werden (subjektives Risiko)? Gibt es Gegner der Veränderungsinitiative, die das öffentlich bekunden und sowohl sachliche als auch persönliche Gründe anführen? Arbeitet das Unternehmen mit Leitbildern oder Visionen, um den Mitarbeitern den langfristigen Weg aufzuzeigen? Wird eine Vision permanent über viele Kanäle kommuniziert? Sind es die Mitarbeiter gewohnt, selbst den Weg zur Aufgabenerfüllung zu definieren?

Change Management 219

Ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Veränderungsinitiative im Unternehmen vorhanden? ƒ ƒ

ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ

ƒ ƒ

ƒ

Werden Krisen wie finanzielle Verluste und Fehlschläge im Unternehmen offiziell diskutiert? Gibt es im Unternehmen sichtbare Zeichen für Wohlstand, wie z.B. unternehmenseigene Clubs, besondere Privilegien für leitende Angestellte? Werden Zielvorgaben für Umsatz, Gewinn, Produktivität, Kundenzufriedenheit von den Mitarbeitern getragen? Wird die Leistung der Mitarbeiter an unternehmerischen Kennziffern gemessen? Erhalten die Mitarbeiter des Unternehmens Informationen über Kundenzufriedenheit und Umsätze bzw. Schwächen des eigenen Unternehmens im Vergleich zur Konkurrenz? Treten Mitarbeiter des Unternehmens mit unzufriedenen Kunden, frustrierten Lieferanten und verstimmten Aktionären in Kontakt? Nutzt das Unternehmen Berater und andere Maßnahmen, um zuverlässigeren Informationsaustausch und ehrlichere Diskussionen in Managementmeetings zu forcieren? Sind Beiträge zur Firmenpolitik in Unternehmensmitteilungen und Managementvorträgen häufig übertrieben positiv formuliert? Werden die Beschäftigten des Unternehmens häufig über zukünftige Chancen, Erträge aus der Nutzung dieser Chancen und über die gegenwärtige Unfähigkeit des Unternehmens, diese Chance wahrzunehmen, informiert? Gab es in letzter Zeit Krisen, die auf jeden Fall unternehmensweit bekannt wurden?

220 Eric Schott, Marco Wick

Existiert eine starke Führungskoalition, die das Projekt voran treibt? ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ

ƒ

Sind die wichtigsten fachlichen Disziplinen in der Führungskoalition vertreten? Genießen die Mitglieder der Führungskoalition eine hohe Glaubwürdigkeit in den Reihen der Betroffenen? Sind von der Veränderung direkt betroffene Manager in der Führungskoalition? Sind Mitglieder der obersten Führungsebenen in der Führungskoalition vertreten? Besitzen die Mitglieder der Führungskoalition Führungs-Know-how, d.h. vertreten sie die Auffassung, dass man Mitarbeiter über Ziele führen und ihnen die Zielerreichung selbst überlassen kann? Haben alle Mitglieder der Führungskoalition an einem Teamentwicklungs-Workshop teilgenommen? Haben die Mitglieder weitere gemeinsame Aktivitäten wie Meetings durchgeführt oder für die Zusammenarbeit verabredet? Hat sich die Führungskoalition ein Ziel gesetzt?

Existiert eine wirksame Vision für den Wandel im Unternehmen? ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ

Vermittelt die Vision ein Bild, wie die Zukunft aussieht? Berücksichtigt die Vision die langfristigen Interessen der Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre und anderer, die am Leistungsprozess beteiligt sind? Umfasst die Vision realistische, erreichbare Ziele? Ist die Vision deutlich genug, um für Entscheidungen als Leitlinie gelten zu können? Ist die Vision flexibel genug, um unter dem Aspekt veränderlicher Bedingungen individuelle Initiativen und alternative Reaktionen zuzulassen? Sind aus der Vision bereits Strategien abgeleitet worden?

Wird die Vision effektiv im Unternehmen kommuniziert? ƒ ƒ

ƒ ƒ ƒ

Kommen in der Vision Metaphern, Analogien und Beispiele vor? Wird die Vision über viele Kanäle kommuniziert und ist sie auch sonst allgegenwärtig (z.B. in Konferenzräumen auf Plakaten, auf Firmenpapier) Wird die Vision häufig erklärt und wiederholt? Verhalten sich alle Führungskräfte im Sinne der Vision? Werden unerklärliche Widersprüche zur täglichen Arbeit erklärt?

ƒ

Wird über die Vision debattiert?

Change Management 221

Ist in ausreichendem Maße das Empowerment der Mitarbeiter für den weiteren Veränderungsprozess erfolgt? ƒ ƒ

ƒ ƒ

ƒ

Erscheint den Mitarbeitern die Vision plausibel? Sind die Strukturen der Vision angeglichen (z.B. unterteilt die Struktur bei einer Kundenfokussierung nicht Ressourcen und Verantwortung für Dienstleistungen, es kann mehr Verantwortung auf untere Beschäftigungsgruppen übertragen werden) Werden die Mitarbeiter auf breiter Basis durch Qualifikationsmaßnahmen für die Umsetzung der Veränderungsmaßnahmen befähigt? Sind Informations- und Personalsysteme auf die Vision abgestimmt und können sie erforderliche Daten zu Ergebnissen der Veränderungsmaßnahme liefern? Werden mit einflussreichen Vorgesetzten, die sich den Veränderungsmaßnahmen widersetzen, Gespräche geführt, um sie zu überzeugen?

Sind genügend kurzfristige Erfolge im Rahmen der Veränderungsmaßnahme eingeplant worden? ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ

ƒ

Sind die kurzfristigen Erfolge sichtbar für Beschäftigte? Kann es Kritikpunkte an den kurzfristigen Erfolgen geben? Stehen die kurzfristigen Erfolge noch zu anderen Projekten im Zusammenhang, die nicht unmittelbar mit der Veränderungsinitiative zu tun haben? Sind kurzfristige Erfolge innerhalb der ersten 50 % der Laufzeit der Veränderungsinitiative eingeplant? Lassen sich die kurzfristigen Erfolge durch ‚harte Zahlen’ belegen? Sind ‚weiche’ Ziele operrationalisierbar, z.B. an Hand von Kennzahlen, gemacht worden?

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