Rentabilität im Bankensektor : Identifizierung, Quantifizierung und Operationalisierung werttreibender Faktoren
 9783835093614, 3835093614 [PDF]

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Zitiervorschau

Armin Varmaz Rentabilitat im Bankensektor

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Armin Varmaz

Rentabilitat im Bankensektor Identifizierung, Quantifizierung und Operationalisierung werttreibender Faktoren

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr.Thorsten Poddig

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.

Dissertation Universitat Bremen, 2006

l.AuflageOktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Brich Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung aulSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0523-5 ISBN-13 978-3-8350-0523-5

Geleitwort

Die deutsche Bankwirtschaft befindet sich derzeit in einem grundlegenden Strukturwandel. Die OfFnung der bisher reglementierten und segmentierten Bankmarkte in Europa, die Globalisierung sowie Harmonisierungsbestrebungen im vereinten Europa, begleitet von einem enormen Technologieschub im Bereich der Telekommunikation und Informationsverarbeitung, setzen die deutsche Bankwirtschaft einem bisher ungeahnten Wettbewerb aus. Nicht nur dadurch gerat die traditionelle Drei-Saulen-Struktur des deutschen Banksystems, bestehend aus Kreditbanken (im Wesentlichen private GroB-, Regionalund Spezialbanken), Sparkassen und Genossenschaftsbanken ins Wanken. Auch die Europaische Rechtsprechung tragt hierzu bei, indem mit dem Wegfall von Anstaltslast und Gewahrtragerhaftung eine wesentliche wirtschaftliche Grundlage des Sparkassensektors entzogen wurde. Im internationalen Vergleich gilt die deutsche Bankwirtschaft zudem als „overbanked". Pessimisten vergleichen die unmittelbar bevorstehenden Umwalzungen in der Bankwirtschaft mit der Stahlkrise der letzten Jahrzehnte des abgelaufenen 20. Jahrhundert. Insbesondere werden den zahlreichen kleinen und mittleren Instituten im Sparkassen- und Genossenschaftsbankensektor keine realistischen Uberlebenschancen mehr eingeraumt. Auch die komplexer werdenden aufsichtsrechtlichen Regelungen lassen kleine Bankbetriebe als kaum mehr wirtschaftlich iiberlebensfahig erscheinen. Der deutschen Bankwirtschaft wird daher eine umfassende Konsolidierungswelle vorhergesagt bzw. sogar von Wirtschaftswissenschaftlern, Bankmanagern und Politikern gefordert, um ein stabiles, iiberlebensfahiges Finanzsystem zu erreichen. Gerade die kleinen und mittleren Institute des Sparkassen- und Genossenschaftsbankensektors sollen als latent gefahrdete Grenzanbieter durch Fusionen in groBeren, iiberlebensfahigen Einheiten aufgehen. Diese Diskussion ist indessen nicht neu. Mangelnde Uberlebensfahigkeit kleiner und mittlerer Bankbetriebe ist eine Thematik, die in „Modewellen" einmal mehr, einmal weniger die bankwirtschaftliche Diskussion pragt. Fusionen von Banken finden seit Jahrzehnten in zahlreichem AusmaB statt und waren stets im Fokus der empirischen Forschung. Ku-

VI

Geleitwort

rioserweise zeigen Jahrzehnte der empirischen Forschung zu Fusionen und BetriebsgroBe im Bankensektor mehrheitlich einen inversen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und BetriebsgroBe. Danach gilt „small is successful", was im deutlichen Widerspruch zu alien (bank-)wirtschaftswissenschaftlichen und politischen Diskussionen steht. Anscheinend besteht hier ein Ratsel, bei dem profunde theoretische (und politische) Uberlegungen im deutlichen Widerspruch zur Empiric stehen. Gegenstand dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung mit diesem Ratsel und dessen Auflosung. Wie lassen sich Theorie und daraus abgeleitete, praktizierte Politik mit den scheinbar vollig widerspriichlichen Realitaten vereinbaren? Wie kann der empirische Befund im Rahmen gangiger theoretischer Ansatze erklart werden? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus fiir das Bankenmanagement und die Wirtschaftspolitik? Um diese Fragen zu klaren, geht es letztendlich darum, sich mit den Triebkraften der den wirtschaftlichen Erfolg von Banken beeinflussenden Faktoren auseinander zu setzen. Die bereits genannte BetriebsgroBe kann dabei ein moglicher, vielleicht aber auch unbedeutender Faktor sein. Diese Faktoren aufzuspiiren und deren Bedeutung zu quantifizieren, ist Gegenstand einer umfassenden theoretischen und empirischen Analyse der vorgelegten Arbeit. Nach einer grundlegenden Einfiihrung in die Thematik (Kap. 1) findet eine umfassende theoretische Auseinandersetzung mit moglichen, die Rentabilitat von Banken beeinflussenden Faktoren statt (Kap. 2 bis 5). Die Betrachtungen sind dabei teilweise wirtschaftstheoretisch, teilweise methodisch gehalten, um die notwendigen Grundlagen fiir den empirischen Hauptteil (Kap. 6) zu legen. Im empirischen Teil werden dann die vorbereiteten Fragestellungen anhand einer sehr breiten empirischen Analyse abgearbeitet. Das Kap. 7 fasst danach die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick auf weiterfiihrende Forschungsfragen im Kontext der vorgelegten Arbeit. Neben den sehr profunden theoretischen und methodischen Ausfiihrungen sind insbesondere die Ergebnisse der vielen einzelnen empirischen Teilstudien hervorzuheben. Diese sind in jeder Beziehung interessant und selten, teilweise sogar einzigartig fiir den deutschen, mitunter auch internationalen Bankenmarkt. Angesichts der Fiille von Detailergebnissen erscheint es wenig sinnvoll, diese in einem Geleitwort aufzahlen zu wollen. Exemplarisch sei jedoch hervorgehoben, dass die Losung des Ratsels gelingt. Aufgrund der entwickelten theoretischen Uberlegungen durch den Verfasser und die Ergebnisse der empirischen Studien muss angenommen werden, dass zumindest der Bankenmarkt in Deutschland stark segmentiert und hochgradig „lokal" ist. In kleinen lokalen Markten konnen kleine, lokal operierende Banken Marktmacht aufbauen und quasi-monopolistisch agie-

Geleitwort

VII

ren. Hier lassen sich fiir kleine Banken in der Tendenz „Monopolrenten" erzielen. Einem GroBenwachstum in kleinen lokalen Markten sind allerdings sehr enge Grenzen gesetzt. Ein zunehmendes Wachstum in Form von Fusionen (sprunghaftes externes Wachstum, welches entweder extern erzwungen sein kann, z.B. durch „feindliche" Ubernahmen oder durch verbandspolitischen Druck, oder aufgrund freiwilliger Zusammenschliisse entsteht) oder aggressiver Geschaftspolitik (internes Wachstum) erzwingt unweigerlich den Austritt aus kleinen lokalen Markten und den Eintritt in hoch kompetitive iiberregionale Markte. Dies bedeutet den Verlust von „Monopolrenten" und eine damit einhergehende zuriickgehende Rentabilitat. Die vorliegende Arbeit ist ein Muss fiir die Auseinandersetzung mit der Rentabilitat sowie den werttreibenden Kraften im Bankensektor. Neben einer aufierordentlich sorgfaltigen und breiten theoretischen Analyse riicken die empirischen Befunde viele „populare" Ansichten iiber dkonomische Zusammenhange im Bankensektor in ein neues Licht. Insbesondere sollten die vorgelegten Ergebnisse Politik, Verbande und das Bankenmanagement selbst anregen, iiber bislang eingeschlagene Wege zur Konsolidierung des deutschen Bankensektors kritisch nachzudenken. Prof. Dr. Thorsten Poddig

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Thorsten Poddig am Lehrstuhl fiir Finanzwirtschaft, Universitat Bremen. Mein herzlicher Dank gilt alien, die durch kritische Diskussionen, fruchtbare Anregungen und freundschaftliche Unterstiitzung direkt oder indirekt zum Gelingen der Dissertation beigetragen haben. Ein besonderer Dank gebiihrt meinem akademischen Lehrer und Doktorvater Herrn Prof. Dr. Thorsten Poddig fiir die hervorragende Zusammenarbeit und sein herausragendes Engagement und Commitment bei der Betreuung der Arbeit. Seine kritischen Anmerkungen, seine konstruktiven Hinweise und seine jederzeitige Unterstiitzung und Diskussionsbereitschaft haben mir sehr bei der Erstellung dieser Arbeit geholfen. Prof. Dr. Martin Missong danke ich fiir die Betreuung und die methodischen Hinweise in entscheidenden Phasen der Dissertation, die sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Ebenfalls danke ich meinen Kollegen, namentlich Ulf Brinkmann, Marcus Deetz, Oxana Enns, Jan Hildebrandt, Annette Illgen, Prof. Dr. Peter Laudi, Dr. Andreas Oelerich, Petra Sebbes, Katharina Seiler, Irina Sidorovitch, fiir die ergiebigen Diskussionen und die freundschaftliche Atmosphare, die von unschatzbarem Wert fiir die Entwicklung dieser Arbeit waren. Frau Annette Illgen, Herr Andreas Liebich und Herr Nermin Varmaz haben das gesamte Manuskript kritisch durchgelesen. Verbleibende Fehler im Text gehen zu meinen Lasten, well ich deren Anmerkungen nicht richtig iibernommen habe. Nicht zuletzt gilt mein Dank Meike Bottcher und Andreas Liebich. Sie standen mir in langen Nachtsitzungen wahrend der Dissertationserstellung jederzeit bei. Der groBte Dank gebiihrt meinen Eltern fiir die umfassende und verstandnisvolle Unterstiitzung wahrend der Erstellung dieser Arbeit. Meinem Bruder Nermin Varmaz, der mir auch bei der Erstellung der umfangreichen Jahresabschlussdatenbank unschatzbare Hilfe geleistet hat, gebiihrt mein besonderer Dank. Armin Varmaz

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

XVII

Tabellenverzeichnis

XIX

Abkiirzungsverzeichnis

XXI

1 Einleitung

1

1.1

Problemstellung

1

1.2

Wettbewerb und Effizienz

6

1.2.1

Marktstruktur

6

1.2.2

Marktverhalten

8

1.3

1.2.3

Effizienz

8

1.2.4

Marktergebnis

9

Vorgehensweise

10

2 Banksektor 2.1

2.2

13

Begriffliche Abgrenzung

13

2.1.1

Legaldefinition von Banken

13

2.1.2

Okonomische Definition von Banken

16

2.1.2.1

Betriebswirtschaftliche Sichtweise

16

2.1.2.2

Gesamtwirtschaftliche Sichtweise

Gesamtwirtschaftliche Funktionen

17 19

2.2.1

Finanzmarktfunktionen

19

2.2.2

Gesamtwirtschaftliche Funktionen von Banken

22

2.2.2.1

22

2.2.2.2

Finanzintermediation 2.2.2.1.1

Finanzintermediation im engeren Sinn

22

2.2.2.1.2

Finanzintermediation im weiteren Sinn

26

Geldschopfung und Zahlungsverkehr

27

XII

Inhaltsverzeichnis 2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

2.4

2.3.1

Banken im vollkommenen Markt

28

2.3.2

Banken im unvollkommenen Markt

30

2.3.2.1

Voruberlegungen

30

2.3.2.2

Transaktionskostenansatz

31

2.3.2.3

Informationsokonomischer Ansatz

34

2.3.2.4

Weitere Erklarungsansatze

39

2.3.2.4.1

Banken als Versicherer gegen Liquiditatsrisiken . 39

2.3.2.4.2

Banken und langfristige Finanzbeziehungen . . .

Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten

2.5 Das juristische Umfeld von Banken 2.5.1

2.5.2 2.6

40 43 52

Notwendigkeit einer Bankenregulierung

52

2.5.1.1

Grundlegende Bemerkungen

52

2.5.1.2

Formen der Regulierung

54

2.5.1.3

Effekte der Regulierung

60

2.5.1.3.1

Einlagensicherung

60

2.5.1.3.2

Offentliche Banken

63

2.5.1.3.3

Kosten der Regulierung

Bankenregulierung in Deutschland

67 70

Struktur von Bankensystemen

73

2.6.1

73

2.6.2

Bankensysteme Elemente des deutschen Bankensystems

79

2.6.2.1

Grundlagen

79

2.6.2.2

Kreditbankensektor

80

2.6.2.3

Sparkassensektor

81

2.6.2.4

Genossenschaftsbankensektor

84

2.7 Wirtschaftliche Situation im Bankensektors

2.8

28

87

2.7.1

Anderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

87

2.7.2

Wirtschaftliche Lage im Bankensektor

90

2.7.2.1

Struktur

91

2.7.2.2

Makrookonomische Indikatoren

93

2.7.2.3

Jahresabschluss

95

2.7.2.4

Ertragssituation

99

Zwischenfazit

103

Inhaltsverzeichnis

XIII

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

105

3.1

Systemorientierte Betrachtung eines Bankbetriebes

105

3.2

Bankexterne Einflussfaktoren

107

3.3

Bankinterne Einflussfaktoren

110

3.3.1

Grundlagen

110

3.3.2

Bankbetriebliche Subsysteme

Ill

3.3.3

Bankmanagement

114

3.4

Zwischenfazit

4 Wettbewerb im Bankenmarkt 4.1 4.2

4.5

4.6

121

Einfiihrung

121

KonzentrationmaBe

122

4.2.1

Grundlagen

122

4.2.2

Konzentrationsrate

124

4.2.3

Hirshman-Herfindahl-Index

125

4.2.4

Hall-Tideman-Index

127

4.2.5

Comprehensive-Concentration-Index

128

4.2.6

Hannah-Kay-Index

129

4.2.7

Hause-Index

130

4.2.8

Entropie-Index

131

4.2.9

Empirische Illustration verschiedener KonzentrationsmaBe

131

4.3 SCP-Paradigma

4.4

118

134

4.3.1

Grundlagen

134

4.3.2

Konzentration und Performance - Empirische Evidenz

137

4.3.3

Kritik an SCP-Paradigma

142

Marktverhalten

149

4.4.1

Panzar-Rosse-Modell

149

4.4.2

Empirische Schatzung des PR-Ansatzes

156

Exkurs: Methodische Grundlagen

162

4.5.1

Einfiihrung

162

4.5.2

Grundlagen

162

4.5.3

Pooled Regression

164

4.5.4

Fixed Effects Regression

164

4.5.5

Random Effects Regression

166

Zwischenfazit

169

XIV

Inhaltsverzeichnis

5 Effizienzanalyse von Banken

171

5.1

Einfuhrung

171

5.2

Begriffliche Grundlagen

173

5.2.1

Produktivitat und Effizienz

173

5.2.2

X-Effizienz, Skalenertrage und Verbundertrage

174

5.2.3

Effizienz und Rentabilitat

176

5.3

5.4

Konzept der Effizienzmessung 5.3.1

Eigenschaft der Produktionstechnologie

177

5.3.2

Messung der Effizienz

182

Empirische Messung der Effizienz

189

5.4.1

Parametrische vs. nicht parametrische Verfahren

189

5.4.2

Data Envelopment Analysis

192

5.4.3

5.5

5.6

177

5.4.2.1

Technische Effizienz bei konstanten Skalenertragen . . . . 192

5.4.2.2

Technische Effizienz bei variablen Skalenertragen

198

5.4.2.3

Kosteneffizienz und allokative Effizienz

199

Weitere DEA-Modelle

200

5.4.3.1

Gruppeneffizienzvergleiche

201

5.4.3.2

DEA-Malmquist-Modell

202

5.4.3.3

Cone Ratio DEA

204

Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz

209

5.5.1

Produktionsfunktion von Banken

209

5.5.2

Empirische Ergebnisse

211

5.5.2.1

Ergebnisse von Effizienzstudien

211

5.5.2.2

Ergebnisse von Betriebsgrofienstudien

213

5.5.2.3

Ergebnisse von Fusionsstudien

215

Zwischenfazit

6 Empirische Untersuchungen

218 221

6.1

Gang der Untersuchung

221

6.2

Produktionsfunktion von Banken

222

6.2.1

Beschreibung des Datensatzes

222

6.2.2

Festlegung der Produktionsfunktion von Banken

226

6.3 Wettbewerbsverhalten auf dem Bankenmarkt

232

6.3.1

Marktkonzentration

232

6.3.2

Wettbewerbsverhalten

235

Inhaltsverzeichnis 6.4

XV

Effizienzanalysen

240

6.4.1

Effizienz von Banken

240

6.4.2

Systemvergleich

241

6.4.3

Produktivitatsanderungen

245

6.5

Analyse rentabilitatsbeeinflussender Faktoren

247

6.6

Einfluss lokaler Gegebenheiten auf die Bankeneffizienz

258

7 Zusammenfassung und Ausblick

261

7.1

Zusammenfassung

261

7.2

Ausblick

264

Literaturverzeichnis

267

A Dualitat

297

A.l Dualitat in der Linearen Optimierung

297

A.1.1 AUgemeine Hinweise

297

A.1.2 Duale Umformung des DEA-Problems

301

B Finanzdienstleistungsmarkt in Zahlen

303

B.l Wichtige Bilanzpositionen deutscher Kreditinstitute

303

B.2 Wichtige GuV-Positionen deutscher Kreditinstitute

306

B.3 Wichtige Kennzahlen deutscher Kreditinstitute

308

B.4 Strukturdaten des deutschen Bankensektors

310

C Weitere Ergebnisse von Panel Data Analysen

313

C.l Wettbewerbsverhalten: PR-Ansatz

313

C.2 Analyse rentabilitatsbeeinflussender Faktoren

314

Abbildungsverzeichnis

1.1 1.2

Anzahl von Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Deutschland Aufbau der Arbeit

....

3 11

2.1

Beziehungen zwischen Kapitalgebern und -nehmern

19

2.2

Banken als Finanzintermediare i.e.S

23

2.3 Traditionelle Darstellung der Beziehung zwischen den Finanzintermediaren 2.4

und Finanzmarkten

44

Beziehung zwischen Anbieter, Nachfrager und Intermediar

45

2.5 Beziehungen zwischen Kapitalgebern und -nehmern nach ALLEN und GALE 2.6

(1999)

49

Formen der Regulierung

55

2.7 Anreizeffekte einer vollstandigen Einlagenversicherung

61

2.8

Marktanteile der Bankengruppen im Jahr 2004

63

2.9

Ubersicht der BaFin-Ausgaben im Jahr 2005

68

2.10 Struktur des deutschen Bankensystems

80

2.11 Zielsystem deutscher Sparkassen

83

2.12 ZeitUche Entwicklung der Bilanz-, Kredit- sowie Einlagensumme auslandischer Zweigstellen in Deutschland

92

2.13 Makrookonomische Indikatoren zur Grofie des deutschen Bankensektors . . 94 2.14 Kredite von Banken im Jahr 2004

96

2.15 Einlagen bei Banken im Jahr 2004

98

3.1

Produktionsprozess

105

3.2

HaupteinflussgroBen bankbetrieblichen Verhaltens

107

3.3

Fiinf die Rentabilitat beeinflussende Wettbewerbskrafte

108

3.4

Stellung der Banken im gesamtwirtschaftlichen System

109

3.5

Zielsystem von Banken

116

XVIII

Abbildungsverzeichnis

4.1 Traditionelles SCP-Paradigma 4.2

134

Idealtypischer funktionaler Zusammenhang des Einfiusses von der Marktstruktur auf das Marktergebnis

146

4.3 Mogliche Beziehungen zwischen Marktstruktur, Marktverhalten, Effizienz und Marktergebnis

147

4.4

Revidiertes SCP-Paradigma fiir Bankmarkte

148

4.5

Unternehmens- und branchenbezogene Zusammenhange im langfristigen Marktgleichgewicht

154

5.1

Einflussfaktoren auf die Rentabilitat

177

5.2

Menge von Input- und Outputvektoren

179

5.3

Effizienzmafie nach KOOPMANS (1951) und FARRELL (1957)

184

5.4

Grafische Darstellung der Skaleneffizienz

186

5.5

AUokative Effizienz

189

5.6

Grafische Veranschaulichung des Malmquistindex

203

5.7

Gafische Veranschaulichung des Cone Ratio DEA-Modells

207

6.1

Zeitliche Entwicklung der Korrelationskoeffizienten zwischen den Effizienzwerten der Modelle 1 und 2 bei Sparkassen und Geossenschaftsbanken

6.2

. . 231

Effizienzmafie von Kreditgenossenschaften und Sparkassen im Zeitablauf. . 241

6.3 Vergleich systembereinigter Effizienzwerte zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften 6.4 6.5

243

Entwicklung der Produktivitat von Kreditgenossenschaften und Sparkassen im Zeitraum 1995-2003

246

Ergebnisse des DEA-Cone Ratio Modells

260

Tabellenverzeichnis

2.1 Szenarienmatrix der Transaktionskostenbeziehungen

46

2.2

68

Einnahmen der BaFin 2002-2005. Alle Angaben in Tausend €

2.3 Ausgaben der BaFin 2002-2005. Alle Angaben in Tausend €

68

2.4

Gesetzliche Normen zu verschiedenen Risikoarten

72

2.5

Struktur der in Deutschland operierenden auslandischen Banken

92

2.6

Marktanteile auslandischer Banken

93

4.1 Vier hypothetische Marktstrukturen

131

4.2

Konzentration der vier hypothetischen Marktverteilungen

132

4.3

Empirische Studien zum Wettbewerbsverhalten von Banken

158

6.1

Verteilung von Jahresabschliisse

223

6.2

BetriebsgroBenverteilung von Genossenschaftsbanken im Datensatz

6.3

BetriebsgroBenverteilung von Sparkassen im Datensatz

. . . . 223 224

6.4

Identifikation von Regionen mittels Cluster-Analyse

225

6.5

Kodierung der Dummy-Variable „Bankgruppe"; Referenz: Kreditbanken

6.6

Kodierung der Dummy-Variable „Region"; Referenz: Region4

226

6.7

Betrachtete Produktionsmodelle von Banken

228

6.8

Anzahl von Banken in der Untersuchung der Produktionsfunktion fiir den

6.9

Korrelationskoeffizienten zwischen den Effizienzwerten der Modelle 1 und

Zeitraum 1995-2003 2 bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken

. 226

230 230

6.10 Bestimmung der Produktionsfunktion fiir Sparkassen und Kreditgenossenschaften

231

6.11 Konzentrationsraten

233

6.12 Konzentrationsraten im europaischen Ausland im Jahr 1997

233

6.13 Konzentrationsmafie fiir deutschen Bankenmarkt

234

XX

Tabellenverzeichnis 6.14 Korrelationen zwischen den Konzentrationsmafien

235

6.15 Marktgleichgewichtstest fiir den deutschen Bankenmarkt

238

6.16 Ergebnisse des PR-Ansatzes

238

6.17 Effizienzuntersuchung fiir Genossenschaftsbanken und Sparkassen

240

6.18 Effizienzvergleich zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften

242

6.19 Effizienzvergleich zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften (Fortsetzung)

244

6.20 Produktivitatsanderung von Sparkassen 1995-2003

245

6.21 Produktivitatsanderung von Kreditgenossenschaften 1995-2003

246

6.22 Ergebnisse des statischen Modells zur Untersuchung von rentabilitatsbeeinflussenden Faktoren im deutschen Bankenmarkt

252

6.23 Ergebnisse des F-Test auf lineare Restriktionen im statischen Modell . . . 253 6.24 Ergebnisse des dynamischen Modells zur Untersuchung von rentabilitatsbeeinflussenden Faktoren im deutschen Bankenmarkt 6.25 Ergebnisse des F-Test auf lineare Restriktionen im dynamischen Modell

256 . 257

6.26 Ergebnisse des Cone Ratio DEA-Modells

260

A.l Beispiel einer Produktionsplanungsaufgabe

299

B.l Wichtige Bilanzpositionen deutscher Kreditinstitute

305

B.2 Ertrags- und Aufwandspositionen deutscher Banken

307

B.3 Ertrags- und Aufwandspositionen deutscher Banken (Fortsetzung)

307

B.4 Wichtige Kennzahlen deutscher Kreditinstitute

309

B.5 Wichtige Kennzahlen deutscher Kreditinstitute (Fortsetzung)

310

B.6 Struktur des deutschen Bankensektors

311

C.l Ergebisse des PR-Ansatzes bei einer Schatzung mit Fixed Effects Regression313 C.2 Ergebisse des statischen (links) und des dynamischen (rechts) Modells bei einer Schatzung mit Fixed Effects Regression

314

Abkiirzungsverzeichnis

Abb. BaFin

Abbildung Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht beispielsweise

i.w.S. InvG

im weiteren Sinn Investmentgesetz

luK

Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken ceteris paribus ComprehensiveConcentration-Index

IWF

Informations- und Kommunikationstechnologien Internationaler Wahrungsfonds

d.h.

das heiBt

MaK

DBA DMU DZ

Mrd. o.a. o.g.

EE Geno ggfGl.

Data Envelopment Analysis Decision Making Unit Deutsche Genossenschaftszentralbank Entscheidungseinheit Genossenschaftsbank gegebenenfalls Gleichung

HDI HDI HHI HKI i.d.R.

Hall-Tideman-Index Hause-Index Herfindahl-Hirshman-Index Hannah-Kay-Index in der Regel

sog. Tab. u.a. vgl. WGZ

i.e.S.

im engeren Sinn

z.B.

bspw. BVR

c.p. CCI

KredWG MaH

PDA PR s.t. SCP

Gesetz fiir das Kreditwesen Mindestanforderungen an das Betreiben der Handelsgeschafte Mindestanforderungen an das Kreditgeschaft Milliarden oder ahnlich oben genannt Panel Data Analyse Panzar-Rosse subject to Structure-ConductPerformance so genannt Tabelle unter anderen(m) vergleiche Westdeutsche Genossenschafts- Zent ralbank zum Beispiel

1 Einleitung 1.1 Problemstellung Seit einer Dekade vollzieht sich innerhalb der deutschen Bankwirtschaft ein umfassender Anderungsprozess. Globalisierung und Liberalisierung der weltweiten Finanzmarkte sowie die Einfiihrung des gemeinsamen europaischen Marktes mit einer einheitlichen Wahrung haben zu einem zunehmenden Wettbewerbsdruck gefiihrt. Der technische Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien hat beigetragen, die bisherigen physisch-geografischen Barrieren und Grenzen abzubauen, den neue Anbieter von Finanzdienstleistungen zum Markteintritt genutzt haben. Gleichzeitig sehen sich Banken steigenden Kosten im Bereich von Informationstechnologie und Personal gegeniiber, die die Margen immer knapper werden lassen. Dariiber hinaus wird in der Europaischen Union eine weiter gehende Harmonisierung der europaischen Finanzsysteme durch Beseitigung bestehender, nationaler Marktzugangsrestriktionen angestrebt, die den innereuropaischen Wettbewerb weiter erhohen wird.^ Weitere regulatorische Einfliisse auf den Bankensektor gehen von den neuen Eigenkapitalvorschriften fiir Banken (Basel II) aus. Die aktuelle Diskussion im und um den deutschen Bankensektor wird oft iiber eigentumsrechtliche Besonderheiten auf dem deutschen Finanzmarkt gefiihrt. Dabei wird die als Dreisaulensystem bekannte Struktur des deutschen Bankensektors kritisiert, die zu mangelnder Rentabilitat, hohem Wettbewerb und Konkurrenzdruck gefiihrt habe. Die Kritik an dieser Struktur wurde als Grundlage fiir die Klage der privaten Banken vor der Europaischen Kommission gegen die Anstaltslast und die Gewahrtragerhaftung von Sparkassen genutzt, die diesen Instituten Wettbewerbsvorteile gegeniiber privaten und genossenschaftlichen Kreditinstituten bringen konnten. Eine einfache Abschaffung der speziellen rechtlichen Rahmenbedingungen fiir die offentlich-rechtlichen Kreditinstitute wird dabei nicht als ausreichend betrachtet. Vielmehr wird in einer Zeit von forcierten Mergers&Akquisition-Tatigkeiten in der Existenz der klar abgegrenzten drei Saulen ^ Hierbei nimmt insbesondere die Umsetzung des FSAP (Financial Service Action Plan) eine wichtige Rolle ein, vgl. auch EuROPAiscHE KOMMISSION (2002).

2

1 Einleitung

des Bankensystems ein Entwicklungshemmnis des deutschen Bankensektors gesehen. Im Wesentlichen zielt diese Diskussion auf eine (Teil-) Privatisierung von bisher offentlichrechtlichen Kreditinstituten ab.^ Der Internationale Wahrungsfonds hat ebenfalls in seinem „ Financial System Stability Assessment" auf besondere Probleme im deutschen Finanzsystem hingewiesen. Dabei werden zum einen der geringe Konzentrationsgrad und der hohe Wettbewerb innerhalb des deutschen Bankensektors diskutiert und zum anderen die im europaischen und internationalen Vergleich relativ schwache Gewinnsituation des deutschen Bankensektors problematisiert. Diese, so der Wahrungsfonds, geht vor allem auf die geringen Gewinne deutscher Banken im sog. zinsunabhangigen Geschaft zuriick. Eine Konsolidierung der Branche mit gleichzeitiger Privatisierung offentlicher Banken wiirde diesen Problemen entgegenwirken.^ Tatsachlich ist im deutschen Bankensektor seit 1990 eine Fusionswelle beobachtbar. So sank die Anzahl selbststandiger Kreditinstitute in Deutschland, zumeist aufgrund von Fusionen, seit 1990 von iiber 4700 auf gut 2050 Ende 2005. Die meisten Bankfusionen wurden von der Offentlichkeit kaum wahrgenommen und fanden im Bereich der regional tatigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken statt. So sank die Zahl der Genossenschaftsbanken im Zeitraum 1990-2005 von 3410 auf 1290. Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl selbststandiger Sparkassen von 772 auf 462.'* Diese Entwicklung ist in Abb. 1.1 exemplarisch fur Sparkassen und Kreditgenossenschaften wiedergegeben. Nach Aussagen der am Fusionsprozess beteiligten Akteure sind die meisten Banken innerhalb des Genossenschaftsbanken- und des Sparkassensektors zu klein, um die anfallenden Aufgaben effizient zu losen.^ Demnach seien die betrachteten Banken skalenineffizient. Durch Fusionen sollen diese vermeintlichen Betriebsgrofiennachteile durch Ausnutzung der vielfach diskutierten „Economies of Scale"-Effekte (Skaleneffekte) beseitigt werden.^ Wenn die Banken tatsachlich Skaleneffizienzprobleme hatten, ware eine Strategic der Betriebsvergrofierung durch Fusionen sinnvoll, auch well sie oftmals, z.B. aufgrund des RegionaUtatsprinzips, die einzige WachstumsmogHchkeit darstellen. Ob jedoch die Probleme der angemahnten niedrigen Rentabilitat der Kreditinstitute durch Fusionen und Schaffung groBerer Betriebseinheiten gelost werden konnen, muss 2

Vgl. BUNDESVERBAND D E U T S C H E R BANKEN (2002), S. 55-60.

3 Vgl. IWF (2003), S. 14-19. ^

Alle Zahlen It. DEUTSCHE BUNDESBANK (2006b).

^ Vgl. exemplarisch BVR (1999), S. 59-75, IWF (2003), S. 14-19. 6

Vgl. z.B. TEBROKE (1993), S. 78-84, LAUDI (2003), S. 93.

1.1 Problemstellung

Anzahl Kreditinstitute 4000

T 900

8

8 8

- Kreditgenossenschaften - - - Sparkassen | Abbildung 1.1: Die Anzahl berichtender Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Deutschland. Die Anzahl der Kreditgenossenschaften ist von der linken Ordinate und die Anzahl der Sparkassen von der rechten Ordinate abzulesen. Die Zahlen werden monatlich aktualisiert.

kritisch hinterfragt werden. Bereits bei einem einfachen Vergleich der aggregierten Bilanzund GuV-Positionen zwischen den Bankengruppen in Deutschland fallen die teilweise erheblichen Unterschiede in der BetriebsgroBe auf.'' So besaC 2004 eine durchschnittliche Kreditgenossenschaft eine Bilanzsumme von 0,43 Mrd. € . Gleichzeitig hatte eine durchschnittliche Sparkasse eine Bilanzsumme von 2,1 Mrd. € und eine durchschnittliche privatorganisierte Kreditbank eine Bilanzsumme von 7,4 Mrd. € . Bei der Betrachtung wichtiger Kennzahlen, etwa der EigenkapitalrentabiUtat, wird deutlich, dass groBere Institute keineswegs zwangslaufig profitabler agieren. So betrug die durchschnittliche EigenkapitalrentabiUtat^ im Jahr 2004 fiir Kreditbanken -0,41%, fiir Sparkassen 9,86% und fiir Genossenschaftsbanken 10,23%. Schon diese erste, aggregierte Betrachtung der Rentabilitat von Banken zeigt keine besonderen Vorteile einer hoheren Betriebsgrofie im Hinblick auf eine Rentabilitatssteigerung. Bei einer Uberpriifung rentabilitatsbeeinflussender Faktoren sollte dariiber hinaus gepriift werden, welche Bedeutung der BetriebsgroBe (Skaleneffizienz) iiberhaupt zukommt. Innerhalb eines Betriebes konnen sich durchaus verschiedene Arten von Ineffizienzen ergeFiir die nachfolgend genannten sowie weitergehenden Zahlen vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (2006b). Eine ausfiihrliche volkswirtschaftliche Auseinandersetzung der wirtschaftlichen Lage deutscher Banken wird in Kapitel 2.7 gegeben. Die EigenkapitalrentabiUtat ist das Verhaltnis zwischen dem Jahresiiberschuss vor Steuern und dem Eigenkapital.

4

1 Einleitung

ben, die den Produktions- bzw. Dienstleistungserstellungsprozess beeintrachtigen konnen. So konnten beispielsweise Effizienzsteigerungen, und letztlich Ertragssteigerungen, durch Verbesserung der internen Betriebsablaufe (technische Effizienz) oder durch eine bessere Anpassung an die gegebenen Faktorpreise (alloaktive Effizienz) deutlich hoher ausfallen als allein durch eine Betriebsgrofienoptimierung. Somit ware es zu priifen, ob die Banken tatsachlich Skaleneffizienzprobleme (Betriebsgrofienprobleme) haben, mit denen eine Fusionsstrategie begriindet werden konnte oder ob andere Ineffizienzbereiche existieren, denen eine hohere Bedeutung beigemessen werden muss, die jedoch in der Literatur oft ausgeblendet werden. Ein Ruf nach Konsolidierung der Branche und Bildung groBerer Betriebseinheiten erklingt schnell, ohne dass jedoch hinreichend geklart ist, welche Faktoren tatsachlich die Rentabihtat von Banken in Deutschland beeinflussen. Zunachst ware iiberhaupt zu priifen, ob und, wenn ja, in welcher Weise der Wettbewerb und die Produktionsineffizienz die Rentabihtat beeinflussen. Um diese Fragen zu analysieren miissen gleichzeitig methodische Instrumente entwickelt werden, da es, aufier in trivialen Fallen, oft nicht einmal klar ist, wie Wettbewerbsintensitat oder Effizienz einer Bank zu messen sind. Ist das Streben nach GroBe tatsachlich ein erfolgversprechender Weg? Oder existieren andere Faktoren, die die Leistungsfahigkeit der Kreditinstitute beeinflussen? An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an, in der u.a. folgende Fragen behandelt werden: • Wie beeinflussen die Struktureigenschaften des Bankenmarktes und der Wettbewerb die Effizienz und die Rentabilitat von Kreditinstituten? Auf dem deutschen Bankenmarkt sind regional tatige Banken vorherrschend, die trotz einer scheinbar geringen Gesamtmarktkonzentration Moglichkeiten besitzen, (lokale) Marktmacht aufzubauen und diese auszunutzen. • Existieren signiflkante SkalenefFekte im deutschen Bankenmarkt? Wenn diese existieren, ware Betriebswachstum okonomisch sinnvoll. • Ubersteigen die managementabhangigen X-Effizienzen (technisch und allokativ)^ moghche Skaleneffekte? Neben einer suboptimalen BetriebsgroBe konnen Ineffizienzen im Rahmen der Produktion von Banken aufgrund eines ungeeigneten Einsatzes Unter technischer Ineffizienz versteht man einen im Vergleich zu anderen Produktionseinheiten iibermafiigen (zu hohen) Einsatz von Produktionsmitteln zur Erstellung einer gegebenen Giitermenge. Bei allokativer Ineffizienz werden die Produktionsmittel im Hinblick auf die Hohe der Faktorpreise in einem suboptimalen (Mischungs-) Verhaltnis eingesetzt. Beides wird unter dem Begriff der X-Effizienz zusammengefasst.

1.1 Problemstellung von Mitarbeitern und Sachmitteln zur Erstellung von Bankleistungen entstehen. Eine suboptimale Anpassung von Produktionsmitteln an die Faktorpreise sowie ein zu hoher Einsatz von teuren Faktoren hat ebenfalls eine effizienzmindernde Wirkung. Im Verlaufe dieser Arbeit werden zunachst mogliche werttreibende Faktoren (externe und interne) auf den Unternehmenserfolg identifiziert und in einem theoretischen Konzept zu Wettbewerb (Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis) und Effizienz vereint. AnschlieBend werden in empirischen Analysen die Art und die Starke der moglichen Zusammenhange fiir den deutschen Bankenmarkt ermittelt, auf deren Grundlage erste Empfehlungen fiir das Bankmanagement, aber auch fiir zustandige Aufsichtsinstanzen gewonnen werden konnten. Dabei existiert eine Vielzahl von Griinden, die eine Auseinandersetzung mit der Wettbewerbsintensitat sowie der Effizienz von Banken interessant erscheinen lassen. Wettbewerb und Effizienz konnen die soziale Wohlfahrt beeinflussen. Kleine und mittelstandische Unternehmen sowie Privatpersonen sind von Bankenkrediten abhangig und haben ein hohes Interesse an (fiir sie) fairen Marktkonditionen, die moglichst durch einen hohen Wettbewerb im Bankenmarkt und durch eine hohe Effizienz einzelner Institute resultieren. Gleichzeitig hat eine effiziente Kapitalallokation, die mafigeblich von Banken iibernommen wird, einen positiven Einfluss auf die okonomische Entwicklung eines Landes.^° Die Stabilitat des Finanzsystems kann durch Wettbewerbsintensitat und effiziente Banken (positiv/negativ) beeinflusst werden. Die gleichen Faktoren konnen ebenfalls die Effizienz der Geldpolitik von Zentralbanken untergraben. Aus Sicht des Bankenmanagements interessieren insbesondere Strategien zur Erhohung der RentabiUtat. Eine Ausweitung der Gewinnmoglichkeiten konnen Banken durch eine teilweise Begrenzung des Wettbewerbs erreichen. Da Banken Dienstleistungsprodukte anbieten, die nicht patentierungsfahig sind, konnen sie nur fiir einen sehr begrenzten Zeitraum Innovationsrenten geniefien. Sobald Wettbewerber Kenntnis von neuen Produkten erlangen und diese in die eigene Produktpalette aufgenommen haben, sind mogliche Wettbewerbsvorteile verloren. Aus diesem Grunde haben Banken im Wesentlichen zwei Handlungsalternativen. Zum einen konnen sie versuchen, auf einem lokalen Markt Marktmacht aufzubauen, indem sie Wettbewerber aus dem Markt verdrangen. Zum anderen konnen sie versuchen, durch Effizienzverbesserungen Kostenfiihrerschaft zu realisieren, die ihnen Fiir einen Uberblick zu diesem Themenkomplex vgl. GUZMAN (2000), Guiso et al. (2002), KING und LEVIN (1993). Die Schatzungen der Europaischen Kommission gehen von zusatzlich 0,5% BIP aus, die durch eine Harmonisierung innerhalb der EU entstehen konnten, vgl. EuROPAlSCHE KOMMISSION (2002), S. 12.

6

1 Einleitung

im Produktionsbereich Wettbewerbsvorteile garantieren. Hierzu ist es aber notwendig, die internen Leistungserstellungsprozesse von Banken zu analysieren und Leistungsliicken zu identifizieren. Die Zusammenhange und Auswirkungen zwischen der Wettbewerbsintensitat, der Produktionseffizienz und der Rentabilitat wurden fiir den deutschen Bankenmarkt bisher nur ungeniigend empirisch analysiert. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, zunachst den Wettbewerb auf dem Bankenmarkt und die Effizienz von Kreditinstituten zu analysieren. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse ware es moglich, erste allgemeine Strategie- und Handlungsmoglichkeiten im Hinblick auf eine Rentabilitatssteigerung von Banken zu empfehlen.

1.2 Wettbewerb und EfRzienz 1.2.1 Marktstruktur In der bankbetrieblichen Literatur wird seit langem nach charakteristischen Merkmalen einer „natiirlichen" Marktordnung bzw. -struktur geforscht. Dabei wurde theoretisch herausgearbeitet, dass die Marktstruktur insbesondere von der Existenz der sog. „Economies of Scale" (Skaleneffekten) abhangt, die eine Tendenz zur Marktkonzentration hervorrufen.^^ Zahlreiche empirische Studien wurden in diesem Bereich entwickelt und durchgefiihrt, ohne jedoch ein eindeutiges Bild zeichnen zu konnen.^^ Um die tatsachliche Marktstruktur zu beschreiben, wurden verschiedene Kennzahlen zur Messung von Konzentration herangezogen, etwa die Marktanteile der drei, fiinf oder zehn grofiten Banken, Zahl von Banken und Filialen etc.^^ Das Niveau der Konzentration innerhalb eines Marktes gibt jedoch nicht unmittelbar Aufschluss, welche Schlussfolgerungen sich daraus auf das Verhalten von Marktteilnehmern ziehen lassen. Die empirische Evidenz theoretischer Hypothesen iiber die Beziehung zwischen der Marktstruktur und dem Marktverhalten ist nicht eindeutig. Folgt man

Die Existenz von Skaleneffekten hangt insbesondere von der Subadditivitat der Produktion ab. In der Industrieokonomik bezeichnet der Oberbegriff Subadditivitat einen Zustand, in welchem es weniger kostet, Giiter zusammen herzustellen, als dies getrennt zu tun. Subadditivitat ist ein Grund fiir natiirliche Monopole. Falls die Herstellung homogener Giiter betroffen ist, so liegen Skalenertrage vor (Economies of Scale), im Fall der Herstellung von heterogenen Gtitern Verbundeffekte (Economies of Scope), vgl. BAUMOL (1977). Vgl. BERGER et al. (1993a), MOLYNEUX et al. (1997), PODDIG et al. (2003b).

Vgl. z.B. MOLYNEUX und FORBES (1995). Dabei wurde eine Tendenz zur Marktkonzentration beobachtet.

1.2 Wettbewerb und Effizienz

7

dem traditionellen SCP-Paradigma^^, wird eine hohe Marktkonzentration zu einer hohen Marktmacht fiihren, die letztlich (quasi-) monopolistisches Marktverhalten bedingt. Dieses Verhalten fiihrt wiederum zur Aussetzung des Wettbewerbs und letztlich zu (unerwiinschten) Monopolrenten.^^ Diese Argumentationskette wird jedoch von zwei Seiten in Frage gestellt. Seitens der These bestreitbarer Markte wird argumentiert, dass trotz einer hohen Konzentration keine Monopolpreise durchgesetzt werden, wenn Markteintrittsbarrieren nicht existieren. In einem vollkommen bestreitbaren Markt gibt es keine (weder okonomische noch regulatorische) Markteintrittsbarrieren und daher sind sowohl Markteintritte als auch -austritte fiir potenzielle Wettbewerber kostenlos. Durch eine Markteintrittmoglichkeit werden trotz hoher Marktkonzentration keine monopolistischen Preise durchgesetzt, damit keine Anreize zum Markteintritt potenzieller Mitbewerber entstehen.^^ Die zweite Theorie, die die Konsequenzen des SCP-Paradigma auf das Verhalten von Marktteilnehmern in Frage stellt, ist die Effizienz-Hypothese. Die Effizienz-Hypothese nimmt an, dass einzelne Banken einen hoheren Grad an Effizienz^^ aufweisen als die Wettbewerber. In diesem Fall haben efRziente Banken zwei Alternativen. Zum einen konnen sie bei bestehenden Preisen und bestehender BetriebsgroBe ihren Gewinn und somit den „Share-Holder-Value" maximieren. Zum anderen konnen effiziente Banken ihre Marktpreise senken. Die effizienten Banken wiirden dann Marktanteile auf Kosten weniger effizienter Banken erhohen, well diese ihre Preise nicht im gleichen Umfang senken konnten. Nach der zweiten Alternative ware also eine effiziente Produktion die treibende Kraft hinter der Marktkonzentration. Somit fiihrt der Konzentrationsprozess nicht zu einem Missbrauch der Marktmacht in Form von Monopolrenten, sondern zu niedrigeren Marktpreisen.^^ Die These bestreitbarer Markte sowie die Effizienz-These suggerieren, dass entgegen der Annahmen des SCP-Paradigmas kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Marktkonzentration und kompetitivem Marktverhalten besteht. Fiir den deutschen Bankenmarkt wurden implizit vereinzelt Studien zum Zusammenhang zwischen Marktstruktur und Marktergebnis durchgefiihrt. Eine steigende Betriebs^^ Das sog. Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma, engl. Structure-Conduct-Performance-Paradigm. ^^ Vgl. z.B. NEUBERGER (1998), S. 44 und Kapitel 4.3. Umgekehrtes gilt ebenfalls: Eine niedrige Konzentration impliziert hohen Wettbewerb, der zu sinkenden Produktpreisen fiir Endverbraucher fiihrt. 1^ Vgl. z.B. BAUMOL (1982), BAUMOL et al. (1982) und SCHWARTZ (1986). Zur Wettbewerbspolitik, deren Aufgabe u.a. die Schaffung bestreitbarer Markte ist, vgl. Kapitel 2.5.1.2. ^'^ Zur Effizienz vgl. Kapitel 5. ^^ Dieser Effekt konnte allerdings nur temporar wirken, solange nicht alle oder zumindest die wichtigsten Wettbewerber aus dem Markt verdrangt werden. Falls der Markt zu diesem Zeitpunkt nicht frei bestreitbar ware, konnte dies ein monopolistischer Verhalten hervorrufen.

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1 Einleitung

groBe wird in der bankbetrieblichen Literatur oft als erwiinscht angesehen und als ein Proxy fiir steigende Marktmacht benutzt. Der Einfluss einer steigenden Betriebsgrofie auf die Leistungsfahigkeit wurde im deutschen Bankensektor analysiert, jedoch ohne ein klares Ergebnis.^^ Auf das SCP-Paradigma und mogliche Analyserahmen wird in Kapitel 4.3 naher eingegangen.

1.2.2 Marktverhalten Obwohl eine direkte Untersuchung des Marktverhaltens von Banken nahe liegend erscheint, existieren nur vereinzelte Studien fiir den deutschen Bankenmarkt. Das Fehlen dieser Studien kann auf die Tatsache zuriickgefiihrt werden, dass der Wettbewerb und das Wettbewerbsverhalten nicht direkt beobachtet werden konnen. In der bankbetrieblichen Literatur findet momentan der Ansatz von PANZAR und ROSSE (1987) grol3e Beachtung. PANZAR und ROSSE (1987) entwickelten ein Modell zur quantitativen Messung des Wettbewerbsverhaltens in einem Markt. In ihrem Modell kann iiberpriift werden, ob die Bankwirtschaft durch ein monopolistisches Wettbewerbsverhalten, ein oligopolistisches Wettbewerbsverhalten oder durch perfekten Wettbewerb gepragt wird. Dieses Modell zur Beschreibung des Wettbewerbsverhaltens wird auch in dieser Arbeit eingesetzt und im Kapitel 4.4 beschrieben.

1.2.3 Effizienz In der bankbetrieblichen Literatur wird oftmals vermutet, dass eine hohe Wettbewerbsintensitat eine effizienzerhohende Wirkung auf Unternehmen besitzt. Dabei wird angenommen, dass ineffiziente Unternehmen vom Markt verdrangt werden. Der Effizienzbegriff bezieht sich auf eine effiziente Gestaltung von Produktionsprozessen in Unternehmen. Die Effizienz einer Produktion konnen im Wesentlichen drei Faktoren beeinflussen: die BetriebsgroBe, die technischen Ablaufe bei der Kombination von eingesetzten Faktoren zu Produkten sowie die Faktor- und/oder Produktpreise. Die moglichen Einflussgrofien korrespondieren zu den Begriffen der Skaleneffizienz, der technischen Effizienz und der allokativen Effizienz. Diese drei Effizienzarten konnen zu einer im Vergleich zu Konkurrenten niedrigeren Gesamteffizienz und somit zu Wettbewerbsnachteilen fiihren. In der Praxis werden vereinfachende Kennzahlen, z.B. Cost-Income-Ratio oder Zinsmarge, herangezogen, um die Effizienz von Banken zu beurteilen. Interessanterweise werden die gleichen Vgl. z.B. LAUDI (2003), PODDIG et al. (2003b).

1.2 Wettbewerb und Effizienz Kennzahlen benutzt, um die Wettbewerbsintensitat eines Marktes zu messen.^° Implizit wild bei einer solchen Messung ein Zusammenhang zwischen diesen grundverschiedenen okonomischen Konzepten angenommen. Diese Annahme beeinflusst gleichzeitig die Interpretation von Ergebnissen. Die Bestimmung der Produktionseffizienz von Banken ist ein weiteres Anliegen dieser Arbeit, denn Ineffizienzen fiihren unmittelbar und ohne den Einfluss externer Faktoren zu einem schlechteren Erfolg einer Bank. Daher werden sie umfassend in Kapitel 5 erortert.

1.2.4 Marktergebnis Bedingt durch Marktstruktur, das Verhalten der Marktteilnehmer sowie die Effizienz der internen Produktion ergibt sich fiir eine Bank eine positive oder negative Rentabilitat. Die Wirkungsketten einzelner Einflussfaktoren auf die Rentabilitat und somit die Erklarungsansatze konnen dabei bereits in einer theoretischen Analyse hochst unterschiedlich ausfallen. Zum einen kann argumentiert werden, dass eine hohe Marktkonzentration in Kombination mit hoher Marktmacht ein monopolistisches Marktverhalten bedingt. Durch Ausnutzung der Marktmacht konnen im Vergleich zum voUkommenen Wettbewerbsmarkt hohere Produktpreise durchgesetzt werden, die die Rentabilitat, eventuell bei einer geringen Effizienz der Produktionsprozesse, erhohen. In diesem Fall ware die Rentabilitat als Marktergebnis exogen durch die Marktstruktur erklart. Zum anderen kann eine im Vergleich zu anderen Banken hohere Effizienz der innerbetrieblichen Produktionsprozesse eine hohere Rentabilitat und gleichzeitig Wettbewerbsvorteile hervorrufen. Die Wettbewerbsvorteile konnten dann zur Marktverdrangung ineffizienter Banken und zur Erhohung der Marktkonzentration genutzt werden. Somit miisste die steigende Rentabilitat endogen als eine Folge der iiberlegenen Produktionseffizienz erklart werden. Im Gegensatz zum ersten Fall ware eine steigende Marktkonzentration keine Ursache der steigenden Rentabilitat, sondern eine Folge effizienter Produktion. Es stellt sich nunmehr die Frage, welcher Zusammenhang fiir den deutschen Bankenmarkt Giiltigkeit besitzt. Kann man von der Giiltigkeit des SCP- oder des EffizienzParadigmas ausgehen? Oder (iben beide Faktoren, Marktmacht und Effizienz, Einfluss auf die Rentabilitat aus? Wenn ja, sind die beiden Einflussfaktoren gleichgerichtet, bedingen sie sich oder heben sie sich in ihrer Wirkung teilweise auf? Die Zielsetzung dieser Eine hohe Cost-Income-Ratio kann sowohl als ein Indiz fiir eine ineffiziente Produktion innerhalb eines Bankbetriebs als auch als ein Indiz fiir hohe Wettbewerbsintensitat herangezogen werden.

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1 Einleitung

Arbeit liegt in der theoretischen und empirischen Analyse der genannten Themenbereiche fiir den deutschen Bankenmarkt. Hierzu miissen insbesondere theoretische Modelle sowie methodische Instrumente entwickelt werden, die eine empirische Untersuchung und Identifizierung von rentabilitatssteigernden Faktoren ermoglichen. Erst wenn die Art der Zusammenhange empirisch mit hinreichender Sicherheit angegeben werden kann, lassen sich Strategieempfehlungen fiir das Bankenmanagement ableiten, die zur Steigerung der Rentabilitat genutzt werden konnten. Moglicherweise lassen sich ebenfalls Erkenntnisse fiir die Regulierungsinstanzen gewinnen, in welcher Weise auf den Konsolidierungs- und Marktkonzentrationsprozess im Bankensektor Einfluss genommen werden soil. Obwohl Fusionen eine wichtige Rolle bei der Marktkonsolidierung und der daraus folgenden Marktkonzentration spielen, wird im Rahmen dieser Arbeit der Einfluss von Fusionen auf die Marktkonzentration, die Produktionsefliizienz und die Rentabilitat nicht explizit analysiert. Das hat insbesondere methodische Griinde, weil von dem Ereignis „Fusion" weitere Eff'ekte ausgelost werden konnten,^^ deren Wirkung im AUgemeinen nicht bekannt ist und moglicherweise die Ergebnisse dieser Arbeit verzerren wiirden.

1.3 Vorgehensweise Auf Grundlage der angesprochenen Problemstellung ergibt sich der in Abb. 1.2 dargestellte Aufbau der vorliegenden Arbeit. Im ersten Teil der Arbeit (Kapitel 2-5) werden theoretische Konzepte erarbeitet, Im Kapitel 2 findet eine Auseinandersetzung mit dem Erkenntnisobjekt, dem Bankbetrieb, statt. Hier werden die Grundlagen der Bankentheorie beschrieben sowie die Bankwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Kontext eingeordnet. Insbesondere wird auf die Fragen eingegangen, warum Banken existieren, warum sie reguliert werden und wie das wirtschaftliche Umfeld und die Situation von Banken aussieht. Es wird besonders gepriift, ob sich in einer aggregierten Betrachtungsweise des Bankensektors bereits erste Wettbewerbsschwachen einzelner Bankengruppen ergeben. Im Kapitel 3 werden in einer einzelwirtschaftlichen Betrachtungsweise das System „Bankbetrieb" analysiert und mogliche externe und interne Faktoren identifiziert, die die Leistungsfahigkeit von Banken beeinflussen. Kapitel 4 behandelt externe Einflussfaktoren in Form von Marktwettbewerb. Dabei So konnte eine Fusion sinkende Arbeitsproduktivitat aufgrund der Verteilungskampfe zwischen fusionierten Banken oder der Angst vor Arbeitsplatzverlust hervorrufen, die einen negativen Einfluss auf die Rentabilitat haben wiirde. Fiir eine Ubersicht moglicher Fusionseffekte vgl. PODDIG et ah (2003b).

1.3 Vorgehensweise

11

Kapitel 7: Zusammenfassung und Ausblick •

A

A

N y

Kapitel 6.5: Zusamenfiihrung der Ergebnisse

X

Kapitel 6.4: EfFizienz von Banken

?

n\

Kapitel 6.3: Wettbewerb auf dem Bankenmarkt X

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k

Kapitel 6.2: Produktionsfiinktion von Banken •

Kapitel 5: Interne Faktoren: - allokative EfFizienz - technische Efifizienz - Skaleneffizienz





Kapitel 4: Exteme Faktoren: - Marktstruktur L - Markteffizienz - Wettbewerb |

Kapitel 3: Werttreibende Faktoren im Bankensektor Kapitel 2: Beschreibung des Bankensektors

Abbildung 1.2: Aufbau der Arbeit geht es insbesondere um die Entwicklung von Messkonzepten, die eine Quantifizierung der Wettbev^erbsintensitat erlauben. Im Kapitel 5 v^erden interne Einflussfaktoren analysiert. Dabei v^ird insbesondere der Transformationsprozess betrachtet, mit dem Banken ihre Faktoreinsatze zu Produkten und Dienstleistungen kombinieren. Die Identifikation der Produktionsfunktion spielt eine herausragende Rolle. Diese Information kann zur Messung der Effizienz genutzt werden. Im zv^eiten Teil der Arbeit (Kapitel 6) werden empirische Untersuchungen durchgefiihrt. Im Kapitel 6.2 wird die Produktionsfunktion von deutschen Banken abgeleitet. Dabei geht es insbesondere um eine adaquate Zuordnung von Einlagen als Produkte oder Faktoren. Im Kapitel 6.3 werden die Ergebnisse der Wettbewerbsmodelle fiir den deutschen Bankenmarkt vorgestellt. Die Bankeneffizienz wird im Kapitel 6.4 beurteilt. Neben der Bestimmung der internen EffizienzmaBe werden auch Produktivitatsanderungen im Zeitablauf

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1 Einleitung

analysiert. Die eventuellen Interdependenzen zwischen der Wettbewerbsintensitat und der Effizienz von Banken werden im Kapitel 6.5 betrachtet. Im Kapitel 7 wird die Arbeit dann zusammengefasst und ein Ausblick auf weitere Arbeiten gegeben.

2 Funktionen, Struktur und wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Bankensektor 2.1 Begriffliche Abgrenzung Eine einheitliche Definition des Begriffes „Bank" existiert in der bankwirtschaftlichen Literatur nicht. Die benutzten Definitionen variieren je nach Standpunkt und/oder Ziel einer Arbeit. Fiir diese Arbeit erscheint es zweckmafiig, den Bankbetrieb aus einer juristischen und einer okonomischen Sichtweise zu betrachten, da beide den Fortgang der Arbeit beeinflussen. Wahrend die juristische Definition im Gesetz iiber das Kreditwesen (KredWG) verankert wurde, ist es fur eine okonomische Definition des Begriffs „Bank" hilfreich, zunachst die Rolle einer Bank in einer Volkswirtschaft aufzuzeigen, um dann eine Begriffsbestimmung vorzunehmen.

2.1.1 Legaldefinition von Banken In der ganzen Welt gehoren die Banken zu den am meisten regulierten Unternehmen.^ Die Gesetzgeber haben den BegrifF i.d.R. prasize beschrieben, um die Zuordnung der Unternehmen zu Banken bzw. Nichtbanken zu erleichtern. So definiert der deutsche Gesetzgeber recht ausfiihrlich den Begriff „Kreditinstitut". In Deutschland ist die juristische Definition im Gesetz iiber das Kreditwesen geregelt. Nach §1 KredWG sind Kreditinstitute „Unternehmen, die Bankgeschafte gewerbsmafiig oder in einem Umfang betreiben, die einen in kaufmannischer Weise eingerichteten Geschaftsbetrieb erfordern." Gewerbsmafiig setzt einen auf Gewinnerzielung und langfristig angelegten Betrieb voraus.^ In §1 Abs. 1 Satz 2 werden elf Bankgeschafte aufgefiihrt, die ein Kreditinstitut definieren. Darunter fallen:

Vgl. z.B. NEUBERGER (1998), S. 177. Zu den Griinden der Regulierung vgl. Kapitel 2.5.1. Vgl.

B E C K E R und

P E P P M E I E R (2002), S.

15.

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2 Banksektor 1. Einlagengeschaft 2. Kreditgeschaft 3. Diskontgeschaft 4. Finanzkommissionsgeschaft 5. Depotgeschaft 6. Investment geschaft 7. Eingehung von Verpflichtungen, Darlehensforderung vor Falligkeit zu erwerben 8. Garantiegeschaft 9. Girogeschaft

10. Emissionsgeschaft 11. E-Geld-Geschaft Das Einlagengeschaft der Banken vollzieht sich durch Annahme fremder Gelder (verzinst oder unverzinst), auf die ein unbedingter Riickzahlungsanspruch besteht und die vom breiten Publikum angelegt werden. Unter Kreditgeschaft versteht man Gewahrung von Gelddarlehen (Geldleihe) sowie Akzeptkrediten (Kreditleihe). Beim Diskontgeschaft kaufen die Kreditinstitute Wechsel und Schecks vor deren FaUigkeit unter Abzug eines Diskonts an. Das Finanzkommissionsgeschaft betrifft die Anschaffung und Veraufierung von Finanzinstrumenten^ im eigenen Namen fiir fremde Rechnung. Im Rahmen des Depotgeschaftes verwahren und verwalten die Banken Wertpapiere fiir andere. Das Investmentgeschaft wird von Investmentfonds betrieben, die als Abteilungen oder Tochtergesellschaften von Banken fungieren konnen. Investmentfonds sind nach §1 Abs. 1 und 2 InvG Sondervermogen, die im eigenen Namen fiir fremde Rechnung verwaltetet werden und bei denen die Anleger das Recht auf Riickgabe der Anteile zu Marktpreisen haben.^ Unter „Eingehung von Verpflichtungen, Darlehensforderung vor Falligkeit zu erwerben" werden sog. Darlehenserwerbsgeschafte verstanden, bei denen es sich um eine Form von Revolvingkreditgeschaften handelt. Dabei werden Forderungen, die Teil eines langfristigen Finanzinstrumente sind nach §1 Abs. 11 KredWG Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen und Derivate. Auf den ersten Blick erscheinen okonomisch die Geschafte von Banken und Investmentfonds gleich, denn beide nehmen Kundengelder auf und legen sie in Assets an. Der zentrale Unterschied liegt jedoch in der expliziten Risikolibernahme durch Banken. Beim gewohnlichen Investmentgeschaft verbleibt das Erfolgsrisiko beim Anleger. Dariiber hinaus konnen Investmentfonds nur in Unternehmen mit offentlich gehandelten Wertpapieren investieren, wahrend Banken bei alien Unternehmen (z.B. durch Kreditvergabe) investieren konnen. Aufierdem haben Einleger von Banken immer die Garantie, ihre Einlage mindestens nominal zuriick zu erhalten, wahrend bei Investmentfonds der Wert der Anlage unter dem Einkaufspreis liegen kann. Juristisch werden nach KredWG sowohl Banken als auch Ivestmentfonds als Kreditinstitute behandelt.

2.1 Begriffliche Abgrenzung

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Darlehens sind, an andere Kapitalgeber unter Ubernahme von Riickkaufverpflichtungen verkauft. Beim Garantiegeschaft gehen die Banken Verpflichtungen ein, indem sie Biirgschaften, Garantien und andere Gewahrleistungen fiir andere iibernehmen. Unter Girogeschaft wird die Durchfiihrung des bargeldlosen Zahlungs- und des Abrechnungsverkehrs subsumiert. Das Emissionsgeschaft umfasst die Ubernahme von Finanzinstrumenten auf eigenes Risiko zur Platzierung am Finanzmarkt. Unter dem E-Geld-Geschaft versteht man die Ausgabe und die Verwaltung von elektronischem Geld.^ Bereits das Betreiben eines der angefiihrten Geschafte fiihrt zu einer Klassifikation eines Unternehmen als ein Kreditinstitut durcli den Gesetzgeber und das Unternehmen unterliegt den Bestimmungen des KredWG.^ Die Bezeichnungen „Bank", „Volksbank" und „Sparkasse" sind gesetzlich geschiitzt und diirfen von Unternehmen, die keine Kreditinstitute sind, nicht benutzt werden. Die Verwendung dieser Bezeichnungen durch die jeweiligen Kreditinstitute ist ebenfalls gesetzlich geregeltJ Die Bezeichnung „Kreditinstitut" fungiert fiir den Gesetzgeber als ein Oberbegriff fiir alle Unternehmen, die Bankgeschafte betreiben. Obwohl die Bezeichnung „Bank" hiernach nur eine Untermenge von Kreditinstituten ist, werden in den weiteren Ausfiihrungen dieser Arbeit die Begriffe „Bank" und „Kreditinstitut" synonym verwendet. Trotz des recht umfangreichen Katalogs der Bankgeschafte existieren in der Praxis bankahnliche Geschafte, die der Gesetzgeber nicht aufgreift, wie etwa das Factoring^, die Forfaitierung^, das Finanz-Leasing^^ oder auch der Eigenhandel der Banken. Unternehmen, die ausschliefilich diese Geschafte ausiiben, werden nicht als Kreditinstitute klassifiziert. Eine Ausgrenzung bestimmter Geschafte aus dem gesetzlichen Katalog und/oder eine fehlende internationale Harmonisierung konnen zu Wettbewerbsverzerrungen fiihren, wenn Unternehmen gleiche Geschafte (z.B. Leasing) anbieten, aber unterschiedlich vom Fur weitergehende Erlauterung einzelner Bankgeschaftsarten vgl. z.B. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 15-17, BUSCHGEN (1993), S. 9-10 HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 20-23, EILENBERGER (1996), S. 9-10. Vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 15, BUSCHGEN (1993), S. 10. Zu den Bestimmungen vgl.

Kapitel 2.5.2 Vgl. §§ 39 und 40 KredWG. Factoring ist der fortlaufende Ankauf von Forderungen aus Lieferung und Leistung vor Falligkeit durch einen Factor (Kaufer). Beim echten Factoring iibemimmt der Factor auch das Ausfallrisiko, der Verkaufer erhalt immer den Rechnungsbetrag abziiglich Zinsen und Factoringgebtihren, vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 185.

Unter Forfaitierung versteht man den regresslosen Ankauf von Exportforderungen, vgl. BusCHGEN (1993), S. 11. Leasing ist Vermietung oder Verpachtung von Giitern. Beim Finanz-Leasing wird eine langjahrige, feste Grundmietzeit vereinbart, nach der der Leasingnehmer i.d.R. eine Miet- und/oder Kaufoption hat, vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 160-161.

16

2 Banksektor

Gesetzgeber behandelt werden. Die Regulierung der Kreditinstitute durch den Gesetzgeber fiihrt zu einem zusatzlichen Aufwand, den die nicht regulierten Unternehmen nicht haben wiirden.^^ Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle zwei Alternativen: entweder werden die Geschafte oder die Institutionen reguliert. Im erst en Fall ware bspw. das Leasinggeschaft eines Kreditinstitutes genau so zu regulieren wie das eines gewohnlichen Unternehmens. Im zweiten Fall wiirde man den Wettbewerb zwischen Institutionsformen fdrdern. Der deutsche Gesetzgeber hat sich fiir die erste Alternative entschieden und daher Begriffe wie „Finanzdienstleistungsinstitut" (§la KredWG) und „Finanzunternehmen" (§1 Abs. 3 KredWG) gepragt.^^ Das sind Unternehmen, die keine Kreditinstitute im Sinne des §1 KredWG sind, aber bankahnliche Geschafte betreiben und ebenfalls den Bestimmungen des KredWG unterliegen. Dariiber hinaus kann der Gesetzgeber die Liste der Bankgeschafte jederzeit erweitern.

2.1.2 dkonomische Definition von Banken 2.1.2.1 Betriebswirtschaftliche Sichtweise Die juristische Betrachtung der Banken, die im Kapitel 2.1.1 vorgestellt wurde, kann aus einer okonomischen Sicht dem Wesen der Banken nicht voU gerecht werden. Insbesondere scheint die Legaldefinition nicht im ausreichenden Mafie geeignet zu sein, sich schnellen Veranderungen der Tatigkeitsbereiche von Banken flexibel anzupassen. Eine okonomische Definition wird zwangslaufig abstrakter sein, da diese ein groBeres Spektrum der Bankenaktivitaten abzudecken hat. Daher erscheint eine Definition des Wesens der Banken angebracht, die sich an den betriebs- und volkswirtschaftlichen Funktionen der Banken orientiert und zwischen einer einzelwirtschaftlichen (betriebswirtschaftlichen) und einer gesamtwirtschaftlichen (volkswirtschaftlichen) Sicht trennt. Betriebswirtschaftlich sind Banken Dienstleistungsbetriebe, die Geld- und Kapitalanlagen, Finanzierungen, Zahlungsabwicklungen und andere Finanzdienstleistungen anbieten.^^ Abstrahiert man von moglichen Eigengeschaften der Banken, ermoglicht diese Definition die Erfassung aller Bankentatigkeiten. Fiir eine erste Annaherung kann diese techAnaloge Uberlegungen gelten fiir Internationale Harmonisierung. Weitere Unternehmensarten, die dem KredWG unterliegen, werden in §§1 Abs. 3a - 3e aufgefiihrt. Im einzelnen sind das: Finanzholding-Gesellschaft (§1 Abs. 3a), Gemischte Unternehmen (§1 Abs. 3b), Unternehmen mit bankbezogenen Hilfsleistungen (§1 Abs. 3c), Einlagenkreditinstitute, Wertpapierhandelsunternehmen, Wertpapierhandelsbanken (§1 Abs, 3d) sowie Wertpapier- oder Terminborsen (§1 Abs. 3e). Vgl. z.B. BuscHGEN (1993), S. 17.

2.1 Begriffliche Abgrenzung

17

nisch orientierte Definition als ausreichend betrachtet werden. Jedoch stellt der Bankbetrieb in dieser Sichtweise eine Black-Box dar, deren aufiere Erscheinungsmerkmale bzw. Funktionen aufgezahlt werden. Insbesondere wird die Handelstatigkeit in den Vordergrund gestellt, wahrend „Produktionstatigkeiten" (Dienstleistungserstellung) sowie Umweltfaktoren keine Beriicksichtigung finden.^^ Der von DEPPE (1969) gepragte strukturelle Bankenbegriff beriicksichtigt den Bankenbetrieb als ein System von Entscheidungen, in dem auf Basis vorgegebener Ziele die bankbetrieblichen Produktionsfaktoren zu Bankdienstleistungen kombiniert werden. DEPPE (1969) strukturiert demnach die Produktionsfaktoren des bankenbetrieblichen Produktionsprozesses in zwei Bereiche: den technischorganisatorischen und den liquiditatsmaBig-finanziellen. Wahrend im technisch-organisatorischen Bereich im Wesentlichen die raumlichen und sachlichen Organisationsstrukturen verschiedener Produktionsfaktoren vereint werden, umfasst der liquiditatsmafiigfinanzielle Bereich alle Dispositionen und Transaktionen mit dem monetaren Faktor.^^ In der neueren Bankbetriebsforschung wird diese Trennung in den technisch-organisatorischen und den liquiditatsmaBig-finanziellen Bereich aufgegeben und der Bankenbetrieb als ein offenes System modelliert.^^ 2.1.2.2 Gesamtwirtschaftliche Sichtweise Fiir eine gesamtwirtschaftliche Definition ist es zweckmafiig, zunachst die gesamtwirtschaftlichen Funktionen von Banken zu verdeutlichen. Hierzu kann man auf die einfachste Betrachtungsweise abstrahieren, bei der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt Kapitalnehmer und Kapitalgeber gegenliberstehen. Kapitalgeber sind dabei Personen oder Institutionen, die ihr angespartes Kapital bereitstellen, wahrend die Kapitalnehmer Personen oder Institutionen sind, die Kapital nachfragen. Dabei handeln Kapitalgeber und -nehmer nach eigenen Zielvorstellungen und Optimierungskalkiilen. Die Kapitaliiberlassung bzw. -beschaffung soil dabei moglichst effizient verlaufen, um die Kapitalkosten moglichst gering zu halten. Die Finanzbeziehungen zwischen Kapitalgebern und -nehmern konnen grundsatzlich direkt iiber Markte erfolgen oder von Institutionen iibernommen werden.^^ ^^ Im Rahmen der Erlauterungen zur Produktionsfunktion von Banken werden diese Aspekte in der Diskussion eine zentrale Rolle spielen. Vgl. Kapitel 5.5.1. 1^ Vgl. DEPPE (1969), S. 20-21. 16 Vgl. insb. Kapitel 3. 1^ Nach der Theorie der „Neuen Institutionenokonomik" (Neo-Institutionalismus), welche die Transaktionskostenansatze, Prinzipal-Agent-Ansatze (Informationsokonomie) oder auch Theorie der Verfiigungsrechte umfasst, konnen die Markte ebenfalls als Institutionen angesehen werden. Um jedoch zwischen marktlichen versus nicht marktlichen Losungen (z.B. Unternehmen) unterscheiden zu

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2 Banksektor Die unkomplizierteste Art der Kapitaliiberlassung bieten Finanzmarkte an. Unter einem

Markt versteht man eine formelle oder informelle Einrichtung, die Kaufer und Verkaufer bestimmter Giiter zusammenfiihrt, um Handel zwischen diesen zu ermoglichen.^^ Finanzmarkte sind dabei spezielle Markte, auf denen Finanzkontrakte als Giiter gehandelt werden.^^ Finanzkontrakte sind Vertrage, die Anspriiche auf gegenwartige und zukiinftige Zahlungen verbriefen.^^ Finanzmarkte existieren in vielfaltigen Erscheinungsformen, von denen die Borse sicherlich die bekannteste ist, und ermoglichen eine direkte Finanzbeziehung zwischen Kapitalgebern und -nehmern. Im Gegensatz zum Finanzmarkt treten die Banken als Institutionen explizit als Marktteilnehmer auf, indem sie das Kapital der Kapitalgeber aufnehmen und dieses an Kapitalnehmer als Kredit weitergeben. Die Vermittler zwischen Kapitalgebern und -nehmern bezeichnet man als Finanzintermediare.^^ Nach der engeren Definition ist ein Finanzintermediar eine Institution, deren Aufgabe in der Hereinnahme von Einlagen der Kapitalgeber und deren (Weiter-) Vergabe in Form von Krediten an die Kapitalnehmer besteht. Da die Finanzintermediare Marktteilnehmer sind, spricht man hier von einer indirekten Finanzierungsbeziehung. Die Banken, die Depositen aufnehmen und Kredite vergeben, sind somit Finanzintermediare im engeren Sinn.^^ Finanzintermediare im weiteren Sinn sind zusatzlich Institutionen, die den Handel zwischen Kapitalgebern und -nehmern ermoglichen und erleichtern (z.B. Finanzmakler, Borsendienste, Rating Agenturen etc.), jedoch nicht als Marktteilnehmer in die Finanzierungsbeziehung eintreten. Diese Aufgaben konnen Banken ebenfalls iibernehmen. Eine vereinfachende Veranschaulichung der erlauterten Zusammenhange ist in der Abb. 2.1 dargestellt.^^ Die Richtung der Kapitaliiberlassung wird durch die Pfeile gekennzeichnet. Diesen entgegengesetzt verlaufen Entgeld- und Riickzahlungen der Kapitalnehmer, die aus Vereinfachungsgriinden nicht dargestellt werden. Dabei muss man beriicksichtigen, dass die Abb. 2.1 nur ansatzweise die unterschiedlichen Funktionen von Banken (z.B. Zahlungsverkehrfunktion) widerspiegelt. Jedoch hilft sie, die grundlegenden Finanzbezie-

1^ 19 20 21 22 23

konnen, soil dann von Institutionen (bzw. Unternehmen) gesprochen werden, wenn gerade nicht Markte, sondern Institutionen zur Umgehung von Markten gemeint sind. Vgl. z.B. K R A K E L (2004), S. 5. Vgl. z.B. HARTMANN-WENDELS et al. (2000), S. 5. Vgl. FABOZZI et al. (2002), S. 5. Vgl. z.B. FABOZZI et al. (2002), S. 1-4. Vgl. z.B. BtJscHGEN (1993), S. 18. Auch Banken im Sinne des §1 KredWG sowie Banken nach der betriebswirtschaftlichen Definition sind Finanzintermediare im engeren Sinn. Zur Abbildung vgl. MISHKIN (2003), S. 21.

2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen

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hung zu erkennen. Insbesondere wird deutlich, dass Banken als Finanzintermediare nicht nur untereinander, sondern gleichzeitig mit dem Finanzmarkt im Wettbewerb stehen. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen, sind die Banken gezwungen, kostengiinstiger ihre Funktionen und Dienstleistungen anzubieten, als es iiber den Finanzmarkt ginge. Die verschiedenen Funktionen, die durch den Finanzmarkt und die Banken erbracht werden, sind zum gesamtwirtschaftlichen Verstandnis des Wesens der Banken wichtig und werden daher im nachsten Kapitel beschrieben.

Finanzmarkt

Untemehmen Investitionen

Haushalte

Wertpapiere Kredite

Wertpapiere Depositen

Kredite

Erspamisse

Wertpapiere Depositen

Banken Abbildung 2.1: Beziehungen zwischen Kapitalgebern und -nehmern

2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen 2.2.1 Finanzmarkt funktionen Um die Bedeutung von Banken in einer Marktwirtschaft zu erfassen, reichen die Definitionen im Kapitel 2.1 nicht vollstandig aus. Vielmehr ist es wichtig, die angesprochenen gesamtwirtschaftlichen Funktionen, die die Banken wahrnehmen, zu kennen und diese den Funktionen der Finanzmarkte gegeniiber zu stellen. Dabei ist zu beriicksichtigen, dass vollkommene Finanzmarkte eine vollkommen effiziente Kapitalallokation ermoglichen wiirden. Je weiter man sich jedoch von dem (theoretischen) Idealbild eines vollkommenen

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2 Banksektor

Marktes entfernt, desto ineffizienter verlauft die Kapitalallokation iiber den Kapitalmarkt und desto mehr werden institutionelle Losungen lohnenswerter.^^ Der Finanzmarkt hat wie jeder Markt eine Koordinations- und eine Allokationsfunktion.^^ Durch die Koordinationsfunktion wird durch eine formelle oder informelle Einrichtung der Austausch von Giitern zwischen den Marktteilnehmern ermoglicht bzw. erleichtert. Im Finanzmarktbereich haben sich vielfaltige Erscheinungsformen herausgebildet, die verschiedene Moglichkeiten des Handels anbieten. So kann der Handel iiber eine Prasenzborse (z.B. die Borse in Frankfurt etc.), ein Handelssystem (z.B. XETRA, NASDAQ etc.) oder durch eine Verbindung von Handlern (z.B. iiber das Telefon) organisiert sein. Durch die Allokationsfunktion findet der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu einem bestimmten Preis statt. Die herrschenden Marktpreise geben Auskunft iiber die Knappheit der gehandelten Giiter. Zusammen mit der Koordinationsfunktion fiihrt der Marktpreis zu einem volkswirtschaftlichen Marktgleichgewicht. Ferner konnen Markte eine Auswahlfunktion iibernehmen, indem Zugangsbeschrankungen aufgebaut werden. Auf solchen Markten konnen nur zugelassene Marktteilnehmer zusammentreffen. Beispielsweise konnen in Deutschland am amtlichen Borsenhandel nur Unternehmen, die bestimmte Voraussetzungen erfiillt haben, teilnehmen.^^ Neben diesen allgemeinen Funktionen erfiillt der Finanzmarkt weitere spezielle Funktionen, die verschiedene Vorstellungen und Interessen der Kapitalgeber und -nehmer in Ubereinstimmung bringen. Diese werden auch als Transformationsfunktionen bezeichnet. Im Einzelnen sind das:^^ 1. Losgrol3entransformation 2. Fristentransformation 3. Kreditrisikotransformation Unter der LosgroBentransformation versteht man die betragsmal3ige Anpassung der Kapitalbetrage. Die Kapitalnehmer fragen i.d.R. Betrage nach, die ein einzelner Kapitalgeber nicht zu Verfiigung stellen konnte. Der Finanzmarkt bringt durch Zusammenfiihrung mehrerer Kapitalgeber die Betrage in Ubereinstimmung (und umgekehrt). Durch die Funktion der Fristentransformation leistet der Finanzmarkt einen laufzeitmaBigen Ausgleich zwischen verschiedenen Vorstellungen iiber Kapitaliiberlassungs- und ^'^ Zur Diskussion der effizienten Kapitalallokation und zu Existenzerklarungen vgl. Kapitel 2.3. 2^ Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 4.

^^ Zu einzelnen Borsenmarktsegmenten vgl. Deutsche Borse unter http://www.deutscheboerse.de. 2"^ Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 5-10.

2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen

21

Zinsbindungsfristen der Kapitalgeber und -nehmer. Um die Leistung des Marktes bei der Fristentransformation zu verdeutlichen, ist es hilfreich, zwischen einem Primar- und einem Sekundarmarkt zu unterscheiden. Neue Finanzkontrakte werden am Primarmarkt abgeschlossen, beispielsweise bei der Herausgabe junger Aktien oder bei Begebung von Anleihen. Am Primarmarkt kommt es zu einem mengenmaCigen Ausgleich zwischen Kapitalangebot und -nachfrage. Am Sekundarmarkt werden die am Primarmarkt erzeugten Finanzkontrakte gehandelt. Bei Bedarf kann der Kapitalgeber die von ihm gehaltenen Finanzkontrakte am Sekundarmarkt verkaufen und somit seine gewiinschte Kapitaliiberlassungsfrist realisieren. Diese Interdependenz zwischen dem Primar- und Sekundarmarkt ermogUcht die Fristentransformation, denn der Kapitalgeber kann sein Kapital durch den Verkauf am Sekundarmarkt zuriickerhalten und dem Kapitalnehmer steht das Kapital fiir die urspriinglich vereinbarte Laufzeit zur Verfiigung. Bestiinde kein Sekundarmarkt, miisste der Kapitalnehmer immer wieder Finanzkontrakte am Primarmarkt abschliefien, deren Laufzeiten hochstens dem maximalen Anlagehorizont der Kapitalgeber entsprachen. Die Fristentransformation wird wesentlich durch funktionierende Sekundarmarkte erleichtert, wenn der Kapitalgeber sicher sein kann, dass er den Finanzkontrakt verauBern kann. Der Kapitalgeber tragt dabei jedoch zwei Arten von Risiko. Zum einen kann er nicht sicher sein, dass er den Finanzkontrakt tatsachlich zu einem spateren Zeitpunkt verauBern kann. Zum anderen kann er auch nicht wissen, welchen Erlos er zu einem spateren Zeitpunkt fiir den Kontrakt realisieren kann. In Abhangigkeit der Riskoiibernahme durch den Kapitalgeber wird er entsprechend der Konkurrenzsituation am Markt (Marktpreis) entschadigt.^^ Durch die Risikotransformation wird ein Interessenausgleich der unterschiedlichen Risikoneigungen zwischen Kapitalangebot und -nachfrage erreicht. Das Risiko eines Kontrakts wird hier aus der Sicht des Kapitalgebers betrachtet und meint die Gefahr, dass die im Finanzkontrakt vereinbarten Zahlungen zu den vereinbarten Zeitpunkten und in der Hohe der vereinbarten Betrage nicht erfolgen. Grundsatzlich sind die Kapitalgeber risikoaverser als die Kapitalnehmer eingestellt, da im ungiinstigen Falle sie ihr Kapital verlieren. Dagegen sind Kapitalnehmer risikofreudiger bei ihrer Anlage, well nur sie an einer positiven Gewinnentwicklung partizipieren, wahrend die Kapitalgeber lediglich die vereinbarten Zinszahlungen erhalten. Durch verschiedene Marktinstrumente mussen diese unterschiedlichen Risikoneigungen in Einklang gebracht werden. Dies kann man am Markt durch Risikoreduktion und/oder durch Risikoaufspaltung realisieren. Risikoreduktion lasst sich ^^ Werden beispielsweise wenig liquide Finanztitel erworben, kann eine hohere erwartete Rendite angenommen werden, die das Fristentransaktionsrisiko kompensieren.

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2 Banksektor

beispielsweise durch Bildung geeigneter Portfolios erreichen. Ein risikoaverser Kapitalgeber, der bei einer gegebenen Rendite eine Anlage mit einem niedrigeren Risiko praferiert, wild sein Kapital auf mehrere Kapitalgeber verteilen, um mogliche Verluste durch Kreditausfalle zu minimieren. Soweit die Risiken der einzelnen Kontrakte nicht voUstandig positiv korreliert sind, lasst sich eine Risikoreduktion (Diversifikationseffekt) erreichen.^^ Bei der Risikoaufspaltung kann ein Finanzkontrakt durch Aufspaltung in anders strukturierte Finanzkontrakte zerlegt werden, die den Risikoneigungen verschiedener Kapitalgebergruppen besser entsprechen.^^ Neben den hier genannten Transformationsfunktionen kann man fiir den Finanzmarkt ebenfalls eine raumUche Transformationsfunktion erkennen. Der Finanzmarkt kann raumlich divergierende Kapitalangebote und -nachfrage ausgleichen. Die raumHche Transformation kann dabei sowohl national (regional, kommunal) als auch international erfolgen.

2.2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen von Banken 2.2.2.1 Finanzintermediation 2.2.2.1.1 Finanzintermediation im engeren Sinn Die Funktionen eines Finanzintermediars im engeren Sinn (i.e.S.) lasst sich am Beispiel einer vereinfachenden Finanzierungsbeziehung verdeutlichen. Uber den Finanzmarkt wiirden die Kapitalgeber als Finanzvermogen Eigen- und Fremdkapital der Kapitalnehmer und des Staates stellen. Kapitalnehmer und Staat wiirden das erhaltene Kapital in Anlage- und Umlaufvermogen investieren bzw. zur Finanzierung von Staatsschulden benutzen. Ein Finanzintermediar i.e.S. tritt an die Stelle des Finanzmarktes und nimmt das Kapital der Kapitalgeber in Form von Eigenkapital, Anleihen, Spar- und Termineinlagen auf. Gleichzeitig gibt er das Kapital an Kapitalnehmer in Form von Krediten und Finanzanlagen weiter. Er finanziert den Staat durch Vergabe von Krediten sowie Ankauf der vom Staat begebenen Wertpapiere. Gleichzeitig werden die Banken verpflichtet, einen Teil ihrer Einlagen in Form von Mindestreserven bei der Zentralbank zu halten. Diesen Vorgang kann man in jeder Bilanz eines Kreditinstitutes nachverfolgen und er wurde zusatzlich in der Abb. 2.2 abgebildet.^^ In der Abbildung werden vereinfachende Bilanzstrukturen der Kapitalgeber, -nehmer und Banken dargestellt. 29 Zum Diversifikationseffekt vgl. PODDIG et al. (2005), S. 53-58. ^^ Als Beispiele der Risikoaufspaltung konnen variabel verzinste Anleihen mit Ober- und Untergrenzen und Optionen genannt werden. ^1 Vgl. z.B. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 53, HARTMANN-WENDELS et al. (2000), S. 14.

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2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen

Kapitalgeber

Staat Anleihen Kredite Mindestreserve

Staatsvermogen

^

Realvermogen Finanzvermogen

Eigenkapital

/ Bank

Kapitalnehmer Anlagevermogen Umlaufvermogen

Eigenkapital Fremdkapital

^

Kredite an Kapitalnehmer Anlagevermogen Mindestreserve

Spar- und Termineinlagen Anleihen Eigenkapital

Abbildung 2.2: Banken als Finanzintermediare i.e.S. An dieser Stelle interessiert zunachst, welche Funktionen die Banken als Finanzintermediare i.e.S. iibernehmen. Die hier betrachteten klassischen Transformationsfunktionen der Banken werden auch als Bankintermediation oder auch als qualitative Vermogenstransformation bezeichnet.^^ Dabei nehmen die Banken folgende Aufgaben wahr: 1. LosgroBentransformation 2. Fristentransformation 3. Risikotransformation 4. Informationstransformation und Uberwachung (Monitoring) Unter der LosgroBentransformation wird die betragsmaBige Anpassung der Kapitalbetrage zwischen Kapitalgebern und -nehmern verstanden. Die Banken biindeln die Einlagen ihrer Kunden, um diese anschlieBend in Form von groBeren Krediten weiterzugeben, da die Hohen der getatigten Einlagen und der geforderten Kredite i.d.R. nicht iibereinstimmen. Durch die Bildung der Einlagen- und Kreditpools leisten die Banken die LosgroBentransformation.^^ Die Fristentransformation besteht in der Aufgabe, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Kapitaliiberlassungs- und Zinsbindungsfristen herzustellen. Die Kapitalgeber legen ihr Geld gerne so an, dass sie bei Bedarf schnell iiber das Geld verfiigen konnen. Demgegeniiber sind die Kapitalnehmer an einer langerfristigen Kapitaltiberlassung interessiert.^'^ Eine Bank leistet hier einen laufzeitmaBigen Ausgleich, da die Laufzeitstruktur Vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 4-5, NEUBERGER (1998), S. 19-20. Vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 22. Vgl. BECKER (1997), S. 19.

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2 Banksektor

ihrer Einlagen gewohnlich nicht mit der Laufzeitstruktur der herausgegebenen Kredite iibereinstimmt. Das wiederum bedeutet fiir eine Bank, dass sie die kurzfristig hereingenommenen Einlagen in langfristige, illiquide Kredite umwandelt. Banken verstofien dadurch gegen das Prinzip der Fristenkongruenz.^^ Die Fristenumwandlung ist moglich, da ein Teil der kurzfristig hereingenommenen Einlagen der Bank iiber einen langeren Zeitraum zur Verfiigung steht.^^ Die Gewinnchancen fiir Banken durch die Fristentransformation ergeben sich aus unterschiedlichen Hohen der Zinssatze fiir kurzfristige und langerfristige Kapitaliiberlassung. Beim Vorliegen einer normalen Zinsstrukturkurve sind die Zinssatze fiir kurzfristige Kapitaliiberlassung niedriger als fiir langfristige.^'' Allerdings geht eine Bank durch die Fristentransformation gleichzeitig mehrere Risiken ein. Zum einen konnen sich Liquiditatsprobleme ergeben, wenn unerwartet die Mittelabfliisse hoher sind als die Mittelzufliisse (Abrufrisiko). Ebenfalls konnen fiir die Banken Ertragsprobleme auftreten. Bei einer Anderung des Zinsniveaus konnen Banken gezwungen sein, neue Einlagen hoher verzinst als geplant anzubieten, wahrend die bereits langfristig vergebenen Altkredite niedriger verzinst weiterlaufen. Durch Ausiibung der Fristentransformation besteht fiir einzelne Banken immer das Risiko eines Bank Run, durch den eine Bank kurzfristig illiquide werden kann. Bei einem „Bank Run" fordert eine Vielzahl von Kunden gleichzeitig ihre kurzfristig angelegten Einlagen zuriick, wahrend die Bank die langerfristig verliehenen Kredite nicht sofort zuriickfordern kann. In Extremfalien kann die Bank insolvent werden. Fiir eine Marktwirtschaft ist dies dann problematisch, wenn Insolvenzen einzelner Institute einen Bank Run auf das gesamte Bankensystem auslosen (Bankpanik) und so zu dessen Zusammenbruch fiihren.^^ Bei der Kreditrisikotransformation wird ein Interessenausgleich der unterschiedlichen Risikoneigungen von Kapitalangebot und -nachfrage geleistet.^^ Kapitalgeber bevorzugen grundsatzlich sichere Anlagen, d.h., sie wiirden das Kapital nur den Schuldnern mit allerbester Bonitat geben, da die Zins- und Tilgungsraten mit hoher Wahrscheinlichkeit vollstandig geleistet werden. Privatpersonen sowie junge und mittelstandische Unterneh^^ Dieses wird auch als das sog. „Goldene Bankgesetz" bezeichnet. Danach sollen Banken ihre Kredite nur mit gleichfristigen Einlagen gegenfinanzieren. Vgl. z.B. BiJSCHGEN und BORNER (2003), S. 45. ^^ Vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 23. Hierbei handelt es sich urn die sog. Bodensatztheorie. ^^ Zu den Zinsstrukturkurven vgl. z.B. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 23. 2^ Vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 191-215, ALLEN und GALE (2000), S. 272-294. Die Autoren beschreiben ebenfalls formale Modelle, wann Bank Runs passieren, wie effizient Bank Runs sind (bezogen auf eine effiziente Allokationsfunktion) und welche Losungsmoglichkeiten den Banken und der Aufsicht verbleiben. ^^ Diese Transformationsfunktion wird in der Literatur auch als „Quality Transformation" bezeichnet, vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 4.

2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen

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men konnten sich daher nur sehr schwer oder zu exorbitanten Zinssatzen das benotigte Kapital leihen, well diese entweder keine hohe Bonitat haben oder die Kapitalgeber dariiber keine (hinreichenden) Informationen besitzen. Durch das Zwischenschalten eines Finanzintermediars i.e.S., welcher in der Kegel eine hohe Bonitat besitzt,^^ wird dieses Risiko fiir die Kapitalgeber fast voUstandig ausgeschaltet. Diese Leistung wird durch verschiedene Instrumente, wie etwa Kreditwiirdigkeitspriifung, KreditportfoHobildung, Eigenkapitalhaftung, Einlagensicherungfonds sowie VertragsgestaltungsmaBnahmen erbracht, fiir die entsprechendes Know-how vorhanden sein muss. AUerdings tragt in diesem Fall die Bank fast ausschlieBlich das Kreditausfallrisiko und wird auch entsprechend entlohnt.^^ Zusatzlich zu den auch von den Markten ausgefiihrten Transformationsfunktionen iibernehmen die Banken auch eine Informationstransformationsfunktion. Banken, die Finanzkontrakte zwischen einer Vielzahl von Kapitalgebern und -nehmern abschlieBen, ersparen beiden Seiten erhebliche Informationsbeschaffungs- und -verarbeitungsprobleme, die sich bei einer Suche und Uberwachung geeigneter Vertragspartner ergeben wiirden. Der Informationsbedarf beider Parteien reduziert sich auf die Kenntnis einer geeigneten Bank.'^^ Die Informations- und Vertragsiiberwachungsprobleme werden auf den Finanzintermediar i.e.S. iibertragen.^^ Abschliefiend muss nochmals betont werden, dass im Rahmen der Bankenintermediation die Finanzintermediare i.e.S. sich ergebende Risiken iibernehmen und somit die Kapitalallokation zwischen den Kapitalgebern und -nehmern wesentlich erleichtern. Diese Risiken kann man grob in drei Kategorien unterteilen:^^ 1. Risiko von Bankkrediten (Ausfallrisiken) 2. Zinsanderungs- (Ertrags-) und Liquiditatsrisiken 3. Risiken aufierbilanzieller Geschafte (Ausfall-, Inanspruchnahme- und Ertragsrisiken) Die letztgenannten Risiken beziehen sich auf Geschafte von Banken, die nicht dem traditionellen Kreditgeschaft zugeordnet werden konnen. Diese Geschafte wurden vor dem '*^ Andernfalls wiirde man die Einlagen nicht zu einer Bank bringen. 41 Vgl. BETGE (1996), S. 30-33. 42 Vgl. z.B. BiTZ (2002), S. 29. 4^ Somit ist die Koordinationsfunktion von Finanzmarkten als ein Teil der Informationstransformationsfunktion der Banken anzusehen. 44 Vgl. FREIXAS und R O C H E T (1997), S. 5-7; fiir eine Diskussion zu systematischen Risiken, die sich aus einem komplexen Geflecht von Interbankenbeziehungen ergeben konnen, vgl. HELLWIG (1995), S. 724-735.

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2 Banksektor

Hintergrund zunehmend hoher Wettbewerbsintensitat entwickelt, um Provisionsertrage zu generieren. Sie beinhalten jedoch latente Risiken. Zu diesem Geschaftsfeld werden beispielsweise Garantien oder auch Gewahrung von Kreditlinien zugeordnet. Ahnlich den Finanzmarkten konnen iiberregional und/oder global tatige Banken die raumliche Transformationsfunktion ausiiben, indem sie die nicht benotigten Einlagen aus einer Region als Kredite in einer anderen Region anbieten.^^ 2.2.2.1.2 Finanzintermediation im weiteren Sinn Neben den traditionellen Transformationsaufgaben bieten die Banken im Bereich des Wert papier- und Informationsmarktes zusatzliche Dienstleistungen an, die der Definition eines Finanzintermediars im weiteren Sinn (i.w.S.) entsprechen. Dabei geht es primar um die Unterstiitzung des Handels an Finanzmarkten. Diese Funktion wird als Marktintermediation oder auch Maklerfunktion bezeichnet, die vorrangig im Rahmen des sog. Investment Bankings angeboten wird."^^ Die Maklerfunktion umfasst die Zusammenbringung der Kapitalgeber und -nehmer mit komplementaren Bediirfnissen, ohne jedoch die Rolle eines Agents oder Prinzipals einzunehmen und als Marktteilnehmer aufzutreten. Grundlage der Maklerfunktion ist ein Informations- und Wissensstand (Know-how), der den Makler in die Lage versetzt, nicht unmittelbar beobachtbare Signale und Informationen zu extrahieren. Dabei spielen die Wiederverwendbarkeit („reusability of information"^^) und die Beobachtbarkeit von Informationen eine entscheidende Rolle. Die Wiederverwendbarkeit von Informationen ermoglicht dem Makler, seine in der Vergangenheit gesammelten Informationen und Erfahrungen wiederholt einzusetzen. Die Vorteilhaftigkeit eines Maklers hangt entscheidend von der Beobachtbarkeit von Informationen zusammen. Wenn die Information trivial zu beobachten ist, ist die Maklerfunktion unbedeutend. So haben z.B. Telefonbiicher ebenfalls eine Maklerfunktion. Die Wertigkeit von „Telefonmaklern" ist jedoch gering, da diese Information (und der Wahrheitsgehalt) einfach zu beobachten ist. Im Rahmen des Investment Banking dagegen sammeln Finanzintermediare komplexe Informationen iiber Einstellungen und Strategien von Kaufern und Verkaufern sowie zahlreiche Details iiber die Ausgestaltung von Wertpapieren und versuchen diese Informationen modellhaft zu einer Einschatzung fiir Kunden zu verdichten. Aufgrund der Mehrdimensionalitat und Kom4^ Vgl. BuscHGEN (1993), S. 19. ^^ Vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 24, NEUBERGER (1998), S. 18-19. ^'^ BHATTACHARYA und THAKOR (1993), S. 8.

2.2 Gesamtwirtschaftliche Funktionen

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plexitat von Kapitalmarktinformationen kann es dabei zu verschiedenen Einschatzungen kommen. Daher spielt bei der Maklerfunktion die Reputation eines Finanzintermediars eine entscheidende Rolle.^^ Die Funktionen von Finanzintermediaren i.w.S. stehen nicht im Wettbewerb zu den Finanzmarkten, vielmehr werden die Finanzmarkte unterstiitzt und erganzt. Tatigkeitsschwerpunkte in diesem Bereich sind:^^ 1. Handel 2. Beratung und Vermittlung 3. Informationsdienstleistungen 4. Risikomanagement Beim Handel werden Kauf- und Verkaufstransaktionen von Finanzinstrumenten fiir Kunden oder im Eigengeschaft durchgefiihrt. Im Rahmen von Beratung und Vermittlung werden Kunden beim Entscheidungsprozess unterstiitzt oder der gesamte Vermogensverwaltungsprozess wird ubernommen. Daneben konnen ebenfalls Beratungen im Rahmen von Fusionen und Unternehmenszukaufen und/oder -verkaufen sowie Beteiligungen geleistet werden. Mit der Bereitstellung von Rechenzentren und Zahlungsverkehrssystemen sowie multimedialer Informations- und Kommunikationssysteme werden Informationsdienstleistungen angeboten. Durch ein aktives Risikomanagement konnen Finanzintermediare neben den Kreditrisiken ebenfalls Marktpreisrisiken eingehen (z.B. Aktienkursoder Wahrungsrisiken). 2.2.2.2 Geldschopfung und Zahlungsverkehr Neben den Finanzintermediationsfunktionen iibernehmen Banken innerhalb einer Wirtschaft weitere Funktionen, die jedoch nicht im direkten Zusammenhang mit dem Finanzmarkt stehen. Dabei geht es insbesondere um das Versorgen der Wirtschaft mit ausreichender Liquiditat. Die im Umlauf befindliche Geldmenge wird zunachst von der Zentralbank geschaffen, kann aber auch durch Banken zusatzlich geschopft werden. Die Geldmenge ist im Eurowahrungsgebiet als Bargeldumlauf zuziiglich der kurzfristigen Verbindlichkeiten des Geldschopfungssektors (Zentralbanken, Geschaftsbanken^^) in den Handen des Geld^^ Vgl. NEUBERGER (1998), S. 17-18, FREIXAS und ROCHET (1997), S. 7, GREENBAUM und THAKOR (1995), S. 52. "^^ Die nachfolgende Darstellung ist an BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 24-25 angelehnt. ^° Geschaftsbanken meint alle Kreditinstitute, die keine Zentralnotenbankaufgaben ausuben. Zu Zentralbanken und ihren Aufgaben vgl. EZB (2004b) und EZB (2004a)

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2 Banksektor

haltungssektors (private Haushalte, Unternehmen etc.) definiert. Die Geldmenge kann aktiv (durch die Zentralbank) oder passiv (durch die Geschaftsbanken) erhoht werden.^^ Die wesentlichen Elemente der passiven Geldschopfung sind die Kreditschopfung und der bargeldlose Zahlungsverkehr. Im Rahmen der Kreditschopfung gewahren Banken die hereingenommenen Einlagen als Kredite an Kunden weiter. Sie iiberweisen die eingeraumten Kredite entweder auf Konten innerhalb der Bank oder auf Konten anderer Banken. Dadurch entstehen zusatzliche Einlagen, die wiederum die Grundlagen fiir eine weitere Kreditgewahrung bilden konnen. Somit konnen die Geschaftsbanken die Geldmenge einer Volkswirtschaft erhohen. Die Grenze fiir die Kreditschopfung ist zunachst durch die gesamte Kreditnachfrage gegeben. Allerdings wird die Kreditschopfung auch durch die Bargeldabzugsquote, den Mindestreservesatz und eine etwaige Liquiditatsreserve beschrankt. Die Bargeldabzugsquote ist zu beriicksichtigen, da moglicherweise ein Teil des gewahrten Kredits in bar abgezogen wird. Der Mindestreservesatz ist ein gesetzliches Steuerungsinstrument der Kreditschopfung. Dieser gibt an, welcher Anteil der Einlagen von Nichtbanken einer Bank als Sichtguthaben bei der Zentralbank gehalten werden muss. Je niedriger er ist, desto hoher sind die Einlageniiberschiisse, die den Banken als Grundlage der Kreditvergabe dienen konnen. Die Liquiditatsreserve bezeichnet einen der Mindestreserve ahnlichen Effekt, der entsteht, wenn Banken freiwillig Liquiditatsreserven aufbauen.^^ Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist eine unabdingbare Voraussetzung der Kreditschopfung. Aufierdem ist er ein wichtiger Bestandteil des nationalen Zahlungsverkehrs, der eine schnelle Abwicklung der Bezahlung von Produkten und Leistungen aller Art sicherstellt. Daher ist die Sicherstellung des ordnungsgemafien (bargeldlosen) Zahlungsverkehrs neben der ausreichenden Liquiditatsversorgung der Wirtschaft eine grundlegende gesamtwirtschaftliche Aufgab e von Banken. ^^

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken 2.3.1 Banken im vollkommenen Markt Im Kapitel 2.2 wurde gezeigt, dass zumindest Finanzintermediation i.e.S. ebenfalls von Finanzmarkten ubernommen werden konnte. Diese Beobachtung fiihrt unmittelbar zu ^1 Vgl. BuscHGEN (1993), S. 248-249. ^2 Vgl. BusCHGEN (1993), S. 223-260. ^^ Vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 26, FREIXAS und ROCHET (1997), S. 2-4.

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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der Frage, warum Banken iiberhaupt existieren. Waren Finanzmarkte in der Lage, die Bankleistungen kostengiinstiger anzubieten, diirfte es keine Banken geben. Diese Fragestellung ist nicht allein rein theoretischer Natur, denn ein Verstandnis der Existenzberechtigung von Bankeninstitutionen kann bei der Losung praktischer Probleme helfen, etwa bei der Einfiihrung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen oder bei sog. „Make or Buy"Entscheidungen. Die hier zu beantwortende Frage ist, ob andere Institutionen existieren, die die zu losende Aufgabe kostengiinstiger erledigen konnen. Die Modelle der Bankentheorie konnen grundsatzlich in zwei Gruppen unterteilt werden. Die erste Gruppe umfasst diejenigen Modelle, die bestimmte Verhaltensmuster von Banken in der Praxis erklaren und optimale Strategien fiir das zugrunde liegende Problem ableiten.^^ In der anderen Gruppe von Modellen werden die Banken endogen behandelt, indem sich die Existenz der Banken aus dem Modell heraus ergeben muss.^^ Um die Existenz von Banken zu erklaren, ist es hilfreich, zunachst ihre Rolle im Konstrukt eines vollkommenen Marktes zu diskutieren, welcher in der theoretischen Modellbildung haufig benutzt wird. Der vollkommene Markt ist durch folgende Annahmen definiert:^^ • Keine Friktion durch Steuern und Transaktionskosten. • Alle Giiter sind beliebig handelbar und teilbar, insbesondere existiert keine Beschrankung der Kapitalaufnahme und -anlage. • Vollkommener Wettbewerb. • Informationseffizienter Markt (Marktpreise spiegeln alle verfiigbaren Informationen korrekt wider). • Markteilnehmer maximieren ihren Erwartungsnutzen. In einem vollkommenen Markt existiert jederzeit fiir einen beliebigen Finanzkontrakt ein Preis, der fur alle Marktteilnehmer gilt (Kaufer und Verkaufer) und nicht manipuliert werden kann. Die Rolle der Banken in einem vollkommenen Markt untersuchten FREIXAS und ROCHET (1997), indem sie im Wesentlichen die Abb. 2.1 formalisierten.^'' Die Autoren ^'^ Fiir eine Ubersicht dieser Modelle vgl. z.B. BHATTACHARYA und THAKOR (1993). Diese Modellgruppe kann die Existenzberechtigung von Banken nicht endogen erklaren und wird daher an dieser Stelle vernachlassigt. ^^ Das bekannteste Modell der zweiten Gruppe ist das Modell von DIAMOND (1984). 56 Vgl. z.B. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 7.

5^ Hier wird bewusst auf die formale Darsteilung des Modells verzichtet, da dieses formale gesamtwirtschaftliche Finanzintermediarmodell fiir weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht von Bedeutung ist. Gleichwohl interessieren die gewonnenen Ergebnisse. Zur formalen Darsteilung des Modells vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 8-11.

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2 Banksektor

konnten bei der Betrachtung der Rolle von Banken in einem voUkommenen Markt folgende Resultate ableiten:^^ • Im Marktgleichgewicht ist der Gewinn der Banken Null. • Die Banken haben keinen Einfluss auf das Verhalten der Kapitalgeber und -nehmer. Im Modell des voUkommenen Marktes konnen die Banken das Investitions- und Sparverhalten der Kapitalgeber und -nehmer nicht beeinflussen. Dieses Result at ist sehr erstaunlich, weil den Banken in einem voUkommenen Markt offensichtlich keine Rolle zukommt. Fiir die Marktteilnehmer ist es (ohne Nachteile) moglich, samtliche Finanzleistungen, die ein Finanzintermediar anbietet, durch direkte Beziehungen zu realisieren. Aufgrund fehlender Transaktionskosten und aufgrund der Informationseffizienz ist es somit fiir Kleinanleger egal, ob sie ihren Sparbetrag einmalig als Einlage bei einer Bank halten oder ob sie den Betrag in kleine Stiickelungen an eine groBe Zahl von Kapitalnehmern verteilen. Letztlich kann die Existenz von Banken im voUkommenen Markt nicht erklart werden und somit stellt der vollkommene Kapitalmarkt keinen geeigneten Untersuchungsrahmen dar. Das ist umso erstaunlicher als die Annahme des voUkommenen Marktes eine bedeutende Rolle in der finanzwirtschaftlichen Theorie hat.

2.3.2 Banken im unvoUkommenen Markt 2.3.2.1 Voriiberlegungen Im Kapitel 2.3.1 konnte die Existenz von Finanzintermediaren im Rahmen eines voUkommenen Marktes nicht erklart werden. In der Betrachtung ware es fiir Marktteilnehmer ohne Nachteile mogUch, liber den Finanzmarkt fiir einen Ausgleich des Kapitalangebots und der -nachfrage zu sorgen. Da Banken offensichtlich existieren, ist es ein Anliegen der Bankentheorie, einen Erklarungsansatz bereitzustellen. Dazu werden die Annahmen des voUkommenen Marktes abgeschwacht und in der Praxis vorhandene UnvoUkommenheiten des Marktes in die Modellbildung integriert. Die theoretische Auseinandersetzung mit der Existenz der Banken schlagt dabei im Wesentlichen zwei Wege ein: Einsparung der Transaktionskosten und Losung der Informations- und Anreizprobleme.^^ Die zwei Hauptrichtungen werden im Folgenden kurz erlautert. ^^ Vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 10-11.

^^ Vgl. z.B. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 108-109. Alle Erklarungsansatze und -modelle gehen von der Sicht der Mikrookonomie effizient produzierender Banken aus.

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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2.3.2.2 Transaktionskostenansatz In einem vollkommenen Finanzmarkt wiirde durch den Preis eine optimale Allokation der Ressourcen herbeigefiihrt werden, denn der Preismechanismus wiirde stets den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage und somit ein Gleichgewicht bewirken. Allerdings konnte in einem vollkommenen Markt die Existenz keiner Unternehmung erklart werden. In der Realitat ist die Nutzung des Preismechanismus des Marktes^^ mit Kosten, den sog. Transaktionskosten, verbunden.^^ Die Transaktionskosten kann man als „Kosten der Begriindung und Nutzung von Institutionen" auffassen.^^ Diese konnen sowohl durch Benutzung von Markten (externe Transaktionskosten) als auch durch interne Organisationen (interne Transaktionskosten) entstehen. Folgt man der Klassifikation von PicoT (1993), ergeben sich folgende Transaktionskostenarten:^^ Anbahnungskosten: Kosten der Informationssuche iiber potenzielle Lieferanten oder Abnehmer von (Teil-) Aufgaben und deren Konditionen Vereinbarungskosten: Kosten der Verhandlungen und Vertragsformulierung Abwicklungskosten: (auch Durchsetzungskosten) Kosten der Steuerung von Prozessen der Aufgabenerfiillung Kontrollkosten: Kosten der Uberwachung von vereinbarten Terminen, Qualitaten, Mengen, Preisen und ggf. Geheimhaltungsabsprachen Anpassungskosten: Kosten der Durchsetzung nachtraglicher Termin-, Qualitats-, Preisund Mengenanderungen Die Hohe dieser monetaren Reibungsverluste wird von den Transaktionseigenschaften sowie von den Eigenschaften der Transaktionspartner bestimmt. Die Transaktionen lassen sich insbesondere durch die Haufigkeit der Durchfiihrung, die mit ihnen verbundenen Ungewissheiten sowie transaktionsspezifische Investitionen beschreiben. So sind die Kosten einer Transaktion bei groBer Haufigkeit (Fixkostendegression) und geringer Ungewissheit (geringe Vereinbarungs-, Kontroll- und Durchsetzungskosten) vergleichsweise gering. Als ^^ „cost of using the price mechanism", CoASE (1937), S. 390. ^^ Es ist wichtig zu betonen, dass in diesem Ansatz nur die Annahme der nicht existierenden Transaktionskosten des vollkomenen Marktes aufgehoben wird. Der Marktpreis als solcher geniigt welterhin dem Kriterium der Informationseffizienz, vgl. Kapitel 2.3.1. ^^ RiCHTER (1998), S. 326. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass nach der „Neuen Institutionenokonomik" Markte ebenfalls als Institutionen aufgefasst werden konnten. 63 Ygi PicoT (1993), S. 107. Als Beispiel dienen hier die externen Transaktionskosten. Vgl. auch COASE (1937), S. 390-392.

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2 Banksektor

Eigenschaften der Transaktionspartner kann man die Eigenschaften der begrenzten Rationalitat sowie der Neigung zum Opportunismus unterscheiden.^^ Die Existenz von Transaktionskosten veranlasste CoASE (1937) zur Formulierung seiner Theorie von Organisationen. Nach COASE (1937) lohnt sich die Umgehung des Marktes durch Institutionen, wenn ceteris paribus die internen Transaktionskosten geringer ausfallen als die externen Transaktionskosten, die bei der Benutzung des Preismechanismus anfallen wiirden.^^ Somit existieren Organisationen zur Umgehung von Markten nur aufgrund von Transaktionskostenvorteilen. Mit dem von CoASE (1937) entwickelten Konzept kann nicht nur die Entstehung von Unternehmen, sondern auch die sog. „Make or Buy"-Entscheidungen sowie die Frage nach der optimalen OrganisationsgroBe beantwortet werden. Danach muss ein Unternehmen bestimmte Produkte oder Dienstleistungen selber erstellen, solange die externen Transaktionskosten (bei gleicher Qualitat und gleichen Produktionskosten) hoher als die internen ausfallen.^^ Ahnlich kann man die optimale Organisationsgrofie bestimmen. Eine Organisation kann solange wachsen, bis interne Transaktionskosten fiir die Erstellung einer zusatzlichen (infinitesimalen) Einheit eines Produktes oder einer Dienstleistung den externen Transaktionskosten entsprechen.^'' Den Transaktionskostenansatz von CoASE (1937) erweiterten WILLIAMSON (1971), W I L LIAMSON (1979) und WILLIAMSON (1991) durch Beriicksichtigung von unvollstandigen Vertragen sowie begrenzte RationaUtat und Opportunismus der Vertragspartner.^^ Der von CoASE (1937) formulierte Transaktionskostenansatz kann ebenfalls fiir die Erklarung der Entstehung von Banken herangezogen werden. Im vollkommenen Finanzmarkt konnte ein Anleger simultan einer Vielzahl von Kapitalnehmern sein Geld zur Verfiigung stellen. Eine optimale Organisation und Koordination der Finanzierungsbeziehungen iiber den Markt wird in der Realitat durch entstehende Transaktionskosten verhindert, die bei jedem Vertrag als fixe Kosten entstehen. Im Transaktionskostenansatz wird die Existenz der Banken mit der Senkung der Transaktionskosten im Vergleich zum (unvollkommenen) Vgl. KRAKEL (2004), S. 6-8.

Vgl. COASE (1937), S. 404. Ceteris paribus soil verdeutlichen, dass es zwischen externen und internen Transaktionen keine Anderungen der Herstellungskosten oder der Produktqualitat ergeben darf, da ansonsten diese mitberiicksichtigt werden miissten. Vgl. CoASE (1937), S. 394. Vgl. CoASE (1937), S. 402-404. Auch diese Uberlegungen heben lediglich die Annahme der nicht existierenden Transaktionskosten der vollkommenen Markte auf. In einer friktionslosen Welt sind alle transaktionsrelevanten Details im Vertrag geregelt und lassen sich mit Kosten in Hohe von Null Geldeinheiten durchsetzen. In der Realitat sind Vertrage jedoch unvollstandig und Unternehmen existieren, well durch Vertragsanpassung und -durchsetzung Transaktionskosten resultieren, die durch interne Organisation geringer ausfallen.

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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Finanzmarkt begriindet. Bin vereinfachtes Beispiel mag dies verdeutlichen. Angenommen jeder Vert rag verursacht fixe Kosten in Hohe von s. Wenn n Kapitalgeber ihr Kapital jeweils an m Kapitalnehmer vergeben wiirden, wiirden insgesamt n-m Vertragsbeziehungen entstehen, die Kosten in Hohe von s • {n • m) verursachen. Durch die Zwischenschaltung eines Finanzintermediars kann die Anzahl der benotigten Vertrage auf gerade n-\-m reduziert werden, da die Kapitalgeber n und die Kapitalnehmer m Vertragsbeziehungen mit einer Bank eingehen miissen. Insgesamt entstehen dabei Kosten in Hohe von s - (n + m). Fiir n > 2 und m > 2 ergeben sich somit geringere Kosten durch Bankenintermediation. Wenn man zusatzlich bedenkt, dass die Banken auch hoheres Know-how und mehr Durchsetzungsmoglichkeiten haben, konnen sich mogUcherweise ebenfalls niedrigere Kontrollund Anpassungskosten ergeben {sintermediation < SMarkt)Banken sind demnach Institutionen, die sich auf den Umgang mit den fiir finanzielle Transaktionen erforderlichen Informationen spezialisiert haben. Durch die Spezialisierung gelingt es den Banken, die Kreditgeber und -nehmer zu giinstigeren Kosten zusammenzubringen, als es iiber den Finanzmarkt ginge. Die Kostenvorteile konnen sich einerseits durch massenhafte Ausfiihrung gleichartiger Leistung und andererseits durch gemeinsame Produktion ahnlicher Leistungen im Verbund ergeben. Ausgangspunkt dieser Uberlegungen ist die Vorstellung eines idealtypischen U-formigen Verlaufs einer Stiickkostenkurve.^^ Dabei wird angenommen, dass anfallende Stiickkosten bei wachsender Ausbringungsmenge bis zu einem optimalen Punkt sinken und anschlieBend wieder ansteigen. Der U-formige (und kein monoton fallender) Verlauf der Stiickkostenkurve entsteht durch zunehmende interne Organisations- und KontroUaufwendungen, die mogliche Kostendegressionen und/oder Lernkurveneffekte iibersteigen. Sinkende Stiickkosten bei wachsender Ausbringungsmenge werden auch als Skaleneffekte oder auch Economies of Scale bezeichnet.^^ Economies of Scale konnen im Wesentlichen auf zwei Ursachen zuriickgefiihrt werden: • Fixkostendegression: Die mit der Produktionstechnologie verbundenen fixen Kosten konnen auf eine hohere Anzahl von Produkten bzw. Dienstleistungen verteilt werden. • Lernkurveneffekte: Bei hinreichend hoher Arbeitsteilung und Spezialisierung konnen Lerneffekte bei Mitarbeitern entstehen.

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Vgl. z.B. PODDIG et al. (2003b), S. 219. Zum Konzept der Economies of Scale vgl. z.B. StJCHTiNG und PAUL (1998), S. 14, FREIXAS und R O C H E T (1997), S. 19-20, SCHNEIDER (2000), S. 291-293.

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2 Banksektor Das Konzept der Economies of Scope (VerbundefFekte) begriindet die (beschaffungs-,

produktions- und distributionsseitigen) Kostenvorteile bei heterogenem Dienstleistungsangebot. So lassen sich einmalig beschaffte Informationen (z.B. im Equity Research) wiederholt und ohne nennenswerte zusatzliche Kosten weiter verarbeiten. Ebenfalls lassen sich die in anderen Abteilungen „erstellten" Produkte (z.B. im Financial Engineering) in anderen Abteilungen nutzen (z.B. im Privatkundengeschaft oder bei der Emissionsberatung). Fiir den Vertriebsweg gilt die gleiche Uberlegung, denn auf dem gleichen Vertriebskanal lassen sich mitunter gleichzeitig verschiedene Produkte und Dienstleistungen anbieten.^^ Der Transaktionskostenansatz liefert einige wichtige theoretische Grundlagen fiir die Begriindung der Existenz von Banken. Dariiber hinaus behandelt er wichtige praktische Fragen, etwa das Entstehen der sog. Economies of Scope und Economies of Scale oder die optimale Grofie von Banken. Diese Fragen sind substantiell fiir diese Arbeit und werden an anderen Stellen wieder aufgegriffen.^^ 2.3.2.3 Informationsokonomischer Ansatz In der Modellwelt der vollkommenen Markte sind alle zukiinftigen Umweltzustande und deren Eintrittwahrscheinlichkeiten bekannt. Daher ist es durch (vollstandige) Vert rage jederzeit moglich, Pareto-effiziente Marktgleichgewichte herbeizufiihren. Diese Gleichgewichte zeichnen sich durch nutzenmaximale Zustande der Marktteilnehmer aus, die diese Gleichgewichte zwecks Erhohung des eigenen Nutzens nicht verlassen konnen, ohne gleichzeitig andere Marktteilnehmer schlechter zu stellen. Aus diesem Grunde ergibt sich keine Notwendigkeit, das Gleichgewicht durch eigene Aktionen zu storen und somit auch keine Notwendigkeit, Institutionen zu griinden, die zusatzliche Organisationskosten verursachen. Selbst eine Einfiihrung der Ungewissheit''^ beeintrachtigt das Marktgleichgewicht ^^ Vgl. z.B. FREIXAS und RoCHET (1997), S. 18-19, SUCHTING und PAUL (1998), S. 14-15. ^2 Vgl. Kapitel 5. ^^ Der Begriff „Ungewissheit" wird in dieser Arbeit als ein Oberbegriff fiir alle Entscheidungssituatio nen verstanden, bei denen der zukiinftig wahre Umweltzustand nicht bekannt ist. Darunter kann man Entscheidungen unter Risiko und Entscheidungen unter Unsicherheit subsumieren. Eine Entscheidung wird unter Risiko getroffen, wenn subjektive oder objektive Wahrscheinlichkeiten fiir das Eintreten zukiinftiger Umweltzustande angegeben werden konnen. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit ist nur bekannt, dass mehrere Umweltzustande eintreten konnen. Eine Warscheinlichkeit fiir das Eintreten eines Umweltzustandes kann nicht gegeben werden. Vgl. hierzu REHKUGLER und SCHINDEL (1990), S. 92. Eine andere Systematisierung der Entscheidungssituationen findet sich bei BAMBERG und CoENENBERG (1992), S. 17-18. BAMBERG und COENENBERG (1992) bezeichnen die Entscheidungssituation, bei der keine Wahrscheinlichen fiir das Eintreten von Umweltzustanden genannt werden konnen, als Entscheidung unter Ungewissheit. Demgegeniiber fungiert der Begriff Entscheidung

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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nicht, solange der Zustandsraum der Marktteilnehmer alle kiinftigen Zustande enthalt und die Informationen zwischen den Marktteilnehmern symmetrisch verteilt sind. Durch die Informationsymmetrie werden sog. Beschreibungs- und Unterscheidungsprobleme ausgeschlossen. Von Beschreibungsproblemen spricht man, wenn nicht alle Marktteilnehmer mit Sicherheit angeben konnen, welcher konkrete Umweltzustand realisiert wurde. Von einem Unterscheidungsproblem spricht man, wenn nicht alle Marktteilnehmer angeben konnen, ob exogene Ursachen oder endogene Handlungen zu einem Umweltzustand gefiihrt hahenJ"^ Durch Informationssymmetrie werden vollstandige Vertrage auch bei Ungewissheit moglich, die alle zustandsabhangigen Anspriiche und Preise beinhalten. Bei Ungewissheit werden lediglich die Vertrage komplexer und es konnen neue Markte entstehen (z.B. fiir Termingeschafte, Versicherungen etc.).^^ Nur bei einer Verletzung der zentralen Annahme des obigen Modells kann es fiir einen rational handelnden Marktteilnehmer Sinn ergeben, Institutionen zur Umgehung von Markten zu bilden. Eine Verletzung der obigen Modellannahmen entsteht beim Vorliegen einer asymmetrischen Informationsverteilung. In diesem Fall verfiigt ein Marktteilnehmer (bzw, ein Vertragspartner) iiber mehr Informationen als andere Marktakteure. Beispielsweise konnte in einer Zulieferer-Abnehmer-Beziehung der Zulieferer iiber die Qualitat der Ware sowie iiber die Einhaltung der Lieferfristen besser informiert sein, wahrend der Abnehmer besser iiber seine Zahlungsfahigkeit und -bereitschaft informiert ist. Die Vertragsprobleme aufgrund der Informationsasymmetrie und deren Losungen behandelt die sog. Prinzipal-Agent-Theorie, bei der es einen Prinzipal (Auftraggeber, hier: Abnehmer) und einen Agenten (Beauftragter, hier: Zulieferer) gibt, die ihre Auftragsbeziehungen mittels Vertrage festschreiben. In einer Auftragsbeziehung mit asymmetrischer Informationsverteilung konnen grundsatzlich zwei verschiedene Problemsituationen auftreten:^^ • Hidden Action: Der Agent kann Handlungsalternativen ausfiihren, die der Prinzipal weder direkt noch indirekt beobachten kann. unter Unsicherheit als der Oberbegriff fiir alle Entscheidungssituationen, bei denen der zukiinftig wahre Umweltzustand nicht bekannt ist. Vgl. K R A K E L (2004), S. 18-19. Vgl. z.B. A R R O W (1969). Diese Modellwelt, in der die Informationen zwischen den Marktteilnehmern symmetrisch verteilt sind, wird in der Literatur auch als First-Best-Welt und deren Marktergebnisse als First-Best-Losungen bezeichnet. Werden die Modellannahmen verletzt, lassen sich nur SecondBest-Losungen realisieren, die einen Wohlfahrtsverlust initiieren. Bei der Realisation der Second-BestLosungen muss daher die Diskrepanz zu First-Best-Losungen minimiert werden. Vgl. auch K R A K E L (2004), S. 20. Vgl. z.B. A R R O W (1985).

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2 Banksektor • Hidden Information: Der Agent verfiigt iiber Informationen zu entscheidungsrelevanten Zustanden und/oder eigenen Charakteristika, von denen der Prinzipal keine Kenntnis hat.

Beide Situationen konnen zu effizienzmindernden Folgeproblemen fiihren, wenn der im Eigeninteresse handelnde Agent seinen Vorsprung zum eigenen Nutzen und gleichzeitig zum Schaden des Prinzipals ausnutzt. Aus der Situation Hidden Action heraus konnen sich sog. Moral Hazard Probleme ergeben. Aufgrund der Unbeobachtbarkeit kann der Agent zum Schaden des Prinzipals bestimmte Handlungen unterlassen oder bewusst herbeifiihren. Beispielsweise sei an einen Versicherungsnehmer gedacht, der nach Abschluss des Versicherungvertrages alle sicherheitsrelevanten Vorkehrungen unterlasst oder gar bestimmte Umweltzustande bewusst provoziert (Versicherungsbetrug). Die Hidden Information kann zu sog. Problemen der adversen Selektion fiihren. Aufgrund der Ungewissheit iiber Produkteigenschaften bzw. Charakteristika der Marktteilnehmer werden die Prinzipale einen durchschnittlichen Preis fur alle Vertrage einer Faktorklasse anbieten. Dies bewirkt jedoch das Verlassen der Teilnehmer mit guten Qualitaten aus dem Markt, denn diese sind nicht bereit, ihre gute Qualitat zu einem durchschnittlichen Preis abzugeben. Aufgrund der adversen Selektion verbleiben nur die Faktoren mit unterdurchschnittlichen Qualitaten im Markt. Dies kann wiederum zu einer Absenkung des durchschnittlich gezahlten Preises durch die Prinzipale fiihren und so fort.^*^ Moral Hazard entsteht aufgrund von Unterscheidungsproblemen, dagegen besteht bei adverser Selektion ein Beschreibungsproblem. Durch die Probleme des Moral Hazard und der adversen Selektion sind alle Beteiligten schlechter gestellt, als sie es beim Vorliegen vollkommener Information waren. Die Differenz zwischen der First-Best-Losung beim Vorliegen der voUkommenen Information und der Second-Best-Losung aufgrund der Prinzipal-Agent-Beziehung wird in der Literatur als Agency-Kosten bezeichnet. Im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie werden Losungen herausgearbeitet, um diese Kosten zu minimieren.^^ Dabei konnen neben optimaler Entlohnung und Risikoteilung (Anreize) zusatzliche Handlungen unternommen werden, um Agency-Kosten zu senken. Der Prinzipal kann zusatzliche Informationen suchen, die Verluste durch das Moral Hazard minimieren.''^ Hierbei spricht man vom Monitoring. Die Kosten der adversen Selektion konnen sowohl der Agent als auch der Prinzipal senken. Der (besser informierte) Agent kann freiwillig zusatzliche Informatio"^^ Fiir ein sehr anschauliches Beispiel der adversen Selektion vgl. AKERLOF (1970), S. 489-490. ^« Vgl. NEUBERGER (1998), S. 14.

^9 Vgl. KRAKEL (2004), S. 25-28, HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 99.

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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nen iiber relevante Eigenschaften bzw. Charakteristika bereitstellen. Hier spricht man vom Signalling. Insbesondere die Marktteilnehmer mit iiberdurchschnittlich guten Charakteristika oder Produkten werden Signalling betreiben, um nicht die unterdurchschnittlichen Marktteilnehmer zu alimentieren. Der (schlechter informierte) Prinzipal kann die Vertrage so konstruieren, dass nur die Agenten dem Vertrag zustimmen, die die gewiinschte Qualitat anbieten konnen. Bei dieser Losungsmoglichkeit spricht man von Screening.^^ Nach der Prinzipal-Agent-Theorie entstehen Organisationen dann, wenn diese die Agency-Kosten in hoherem Mafie senken, als es durch eine reine Marktbeziehungen der Fall sein konnten. Die grundlegenden Uberlegungen der Prinzipal-Agent-Theorien konnen unmittelbar zur Erklarung der Existenz von Banken angewandt werden. In einer Welt ohne Finanzintermediare miissten die Unternehmen zur Durchfiihrung von Projekten Kapital von mehreren Kapitalgebern sammeln. Aufgrund der Informationsasymmetrie kennen die Kapitalgeber nicht die Qualitat der Projekte. Die Informationsasymmetrie lasst sich abbauen, verursacht aber Kosten, die bei alien Kreditgebern anfallen. Durch Ubertragung der Informationssuche (Delegation) auf einen Finanzintermediar wird die parallele Informationssuche der Kapitalgeber aufgelost. Somit erhalt jeder Kapitalgeber seine Information gtinstiger, der Finanzintermediar kann die einmahg beschafften Informationen mehrfach verkaufen und die Unternehmen werden in die Lage versetzt, ihre Projekte durchzufiihren. Die Existenz der Finanzintermediare kann scheinbar mit der Delegation des Monitorings erklart werden. Jedoch greift diese Sichtweise zu kurz, denn die Kapitalgeber konnen sich nicht sicher sein, dass der Finanzintermediar keine Koalition mit dem Kapitalnehmer eingeht und sich den Gewinn mit ihm teilt. Damit wird klar, dass die Einfiihrung des Finanzintermediars die Agency-Problematik nicht lost, sondern diese nur verschiebt. In einem formalen Modell gelingt es DIAMOND (1984) zu zeigen, wann es fiir Teilnehmer von Finanzbeziehungen giinstiger sein kann, einen Finanzintermediar einzuschalten.^^ Dazu vergleicht DIAMOND (1984) die Agency-Kosten einer direkten und indirekten Finanzbeziehung beim Vorliegen der Gefahr eines Moral Hazards. Das Modell beantwortet die Frage, warum die Kapitalgeber den Signalen des Intermediars eher vertrauen als den Signalen „gewohnlicher" Kapitalnehmer. Durch die Einfiihrung eines Finanzintermediars, der kein eigenes Kapital besitzt, konnen im Modell zunachst Skaleneffekte fiir Monitoring realisiert werden, jedoch verbleiben die Agency-Probleme zwischen dem Finanzintermediar und den ^0 Vgl. NEUBERGER (1998), S. 15, KRAKEL (2004), S. 28-34, HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 99. ^^ Die Arbeit von DIAMOND (1984) basiert auf den Erkenntnissen von LELAND und PYLE (1977). DIAMOND (1984) erweiterte ihren Ansatz.

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Kapitalgebern. Die Kapitalgeber werden nur dann bereit sein, dem Finanzintermediar das Kapital anzuvertrauen, wenn die Uberlassung annahernd risikolos ist. Gleichzeitig muss der Finanzintermediar die kurzfristigen, risikolosen Einlagen der Kapitalgeber in illiquide, langfristige Kredite transformieren. Die anfallenden Delegationskosten werden um so geringer, je mehr Projekte der Intermediar finanziert und gleichzeitig das Ausfallrisiko durch Diversifikation bei einer Vielzahl zu finanzierender Projekten senkt. Ab einer bestimmten Anzahl der finanzierten Projekte und dem damit verbundenen Diversifikationsgrad ist die Finanzierung iiber den Finanzintermediar giinstiger als eine direkte Finanzbeziehung.^^ In diesem Modell wird implizit die Frage nach der optimalen GroBe von Finanzintermediaren beantwortet. Nach dem Modell von DIAMOND (1984) ware eine sehr grofie Bank optimal, die das gesamte Kreditangebot einer Wirtschaft umfasst. Diese Bank hatte dann die hochste Diversifikation und konnte mit sehr geringen, im Idealfall entfallenden, Delegationskosten operieren. Doch das Modell von DIAMOND (1984) beriicksichtigt zwei Aspekte nicht. Zum einen besteht ein groBer Intermediar aus einer Vielzahl von Individuen, die wieder (interne) Anreizprobleme und somit Agency-Kosten verursachen.^^ Zum anderen konnen Delegationskosten von annahernd Null auch schon bei einer kleineren Anzahl zu finanzierender Projekte realisiert werden, wenn der Finanzintermediar eine ausreichende Eigenkapitalausstattung besitzt. Ein Finanzintermediar mit Eigenkapital kann bereits durch ein nicht perfekt diversifiziertes Portfolio als eine risikolose Einlage aus Sicht der Kapitalgeber angesehen werden.^^ Es ist interessant, dass im Modell von DIAMOND (1984) Finanzintermediare auch als Informationsproduzenten angesehen werden konnen. Wenn Informationen iiber verschiedene Anlagemoglichkeiten nicht frei verfiigbar sind, kann eine kleine Anzahl von Agenten die Informationsbeschaffung und -verarbeitung iibernehmen.^^ Allerdings miissen die Informationsproduzenten in der Lage sein, die Zuverlassigkeit und Validitat der Information zu gewahrleisten und zu signalisieren. Gleichzeitig miissen sie den Zugang zu bereits verkauf-

Vgl. DIAMOND (1984), S. 401. Der Autor zeigt ebenfalls die Vorteilhaftigkeit (aus Sicht von (Risiko-) Anreizen) einer kreditfinanzierten gegeniiber einer eigenkapitalfinanzierten Bank auf. Vgl. C E R A S I und D A L T U N G (2000), S. 1720-1723, F R E I X A S und R O C H E T (1997), S. 32. C E R A S I und

DALTUNG (2000) haben ein Modell entwickelt, welches die interne Agency-Problematik beriicksichtigt. Dabei wird eine Bank nicht als eine Black Box angenommen, sondern als eine Ansammlung von „Kreditiiberwachern". Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 129-130. Eine kleine Anzahl der Agenten ist sinnvoll, da ansonsten die gleiche Information mehrmals von verschiedenen Agenten „produziert" wird.

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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ten Informationen fiir andere beschranken.^^ Die Finanzintermediare konnen dieses Problem losen, indem sie Verbindlichkeiten (z.B. Depositen) eingehen und das angesammelte Geld in Projekte investieren, hinsichtlich derer sie iiber nicht offentliche Informationen verfiigen.^^ 2.3.2.4 Weitere Erklarungsansatze 2.3.2.4.1 Banken als Versicherer gegen Liquiditatsrisiken Die Transformation liquider, risikoloser Anspriiche (z.B. Sichteinlagen) in illiquide Anlagen (z.B. Kredite) kann als eine Versicherungsleistung von Banken fiir Einleger gegen Liquiditatsrisiken angesehen werden. Fiir die Einleger ist eine Sichteinlage bei der Bank optimal, wenn sie hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Liquiditatsbedarfes unsicher sind. Gleichzeitig konnen lohnenswerte, langfristige Investitionen durch Banken finanziert werden, die nur unter Wertverlusten vorzeitig liquidiert werden konnten. Die Vorteilhaftigkeit der Depositen bei einer Bank lasst sich dariiber hinaus durch deren leichte Bewertbarkeit erklaren. Daher eignen sich die Depositen am besten fur den bargeldlosen Zahlungsverkehr.^^ Allerdings sind die Banken durch die Transformation der Gefahr eines Bank Runs ausgesetzt, wenn der Anteil der Einleger, die in einer Periode ihr Geld von der Bank abziehen, hoher ist als von der Bank erwartet, da ihre Forderungen illiquide sind.^^ Der Anteil von Einlegern, die unerwartet ihr Geld von der Bank abziehen, hangt letztlich von den Erwartungen der Einleger iiber die zukiinftige Liquiditat der Bank ab. Wenn ein Einleger erwartet, dass (viele) andere Einleger vorzeitig ihr Geld von der Bank abziehen, ware es unklug, trotzdem selber das Geld bei der Bank zu halten, da die Bank zwischenzeitlich insolvent werden konnte. Das systematische, vorzeitige Abziehen der Einlagen kann dabei aufgrund zufalliger Erwartungen passieren oder informationsbasiert sein.^° Um die Funktion als Versicherer gegen Liquiditatsrisiken wahrnehmen zu konnen, miissen daher Banken ^^ Vgl. G O R T O N und W I N T O N (2002), S. 11. Diese Leistung konnen Banken durch Aufbau langjahriger Finanzbeziehungen gewahrleisten, vgl. auch Kapitel 2.3.2.4.2. 87 Vgl. DIAMOND (1984), S. 407-409, auch LELAND und P Y L E (1977), S. 382-384. 88 Vgl. G O R T O N und PINNACCI (1990), S. 62-65. 8^ Im Gegensatz zu den vorangegangen Erklarungsansatzen fokussiert dieser Ansatz auf das Passivgeschaft der Banken. Fiir die folgende Darstellung vgl. DIAMOND und DYBVIG (1983), N E U B E R G E R (1998), S. 34-38, FREIXAS und R O C H E T (1997), S. 20-23 und 192-210, H A R T M A N N - W E N D E L S et al. (2004), S. 206-221. ^° Eine Bank kann ebenfalls auf dem „naturlichen" Wege insolvent werden, indem die Verluste aus risikobehafteten Geschaften das Eigenkapital aufzehren. Diese Art der Insolvenz wird in der Literatur i.d.R. nicht weiter betrachtet, da hier objektive Griinde fiir den Zusammenbruch einer Bank vorliegen. Eine lUiquiditat kann dagegen eine ansonsten gut wirtschaftende Bank betreffen.

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jederzeit die eigene hohe Bonitat und die Risikolosigkeit der aufgenommenen Einlagen gegeniiber den Kunden signalisieren. Zufallige Bank Runs werden aufgrund zufalliger Konstellationen der Einlegererwartungen ausgelost. Informationsbasierte Bank Runs lassen sich durch die asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Einlegern und der Bank beziiglich des Risikos der Bankaktiva erklaren. Dabei wird zusatzlich eine Ungleichverteilung der Informationen zwischen den Einlegern untereinander angenommen. In diesem Fall richten sich die schlechter informierten Einleger nach den Signalen der besser informierten Einleger aus.^^ Die Signale der besser informierten Einleger konnen jedoch fehlerhaft von den schlechter informierten Einlegern verarbeitet werden und so zu (ungerechtfertigten) Bank Runs fiihren.^^ Ein Bank Run beeintrachtigt die wirtschaftliche Wohlfahrt, da die Produktion durch Auflosung der Investitionen unterbrochen wird. Als Losungsansatze aus diesem Dilemma schlagen DIAMOND und DYBVIG (1983) die Einrichtung einer staatlichen Einlagensicherung, (zeitweilige) Aussetzung der Konvertibilitat der Einlagenkontrakte sowie staatliche Unterstiitzung zur Abwendung des Konkurses einer Bank („bail out") vor.^^ Ein besonderes Problem eines Bank Runs ist die Ubertragung von schlechten Nachrichten auf das gesamte Bankensystem. In diesem Fall spricht man auch von einer Bankpanik. Bankpaniken entstehen in der Regel, wenn der einzelne Bank Run durch ein Ereignis ausgelost wurde, von dem andere Banken ebenfalls betroffen werden konnten (oder die Einleger dies vermuten). Eine Bankpanik wird in der Regel durch wirtschaftliche Schocks hervorgerufen und verstarkt diese zusatzlich.^^ 2.3.2.4.2 Banken und langfristige Finanzbeziehungen Neben der Losung von Problemen asymmetrischer Informationsverteilung haben Banken effizienzerhohende Wirkung auf die Kapitalallokation einer Wirtschaft durch die Losung der Probleme unvollstandiger Vert rage. Die Unvollstandigkeit der Vertrage ergibt sich aus der Unmoglichkeit, alle relevanten, zukiinftigen Umweltzustande sowie sich daraus ergebenden Konsequenzen im Vertrag abzubilden. Die Unvollstandigkeit des Vertrages kann um so groBere Wirkung besitzen, je langer die Laufzeit des Vertrages ist. Probleme ^^ Eine lange Warteschlange von Einlegern, die ihre Depositen bei einer Bank auflosen wollen, ware ein Signal iiber den moglichen wirtschaftlichen Zustand der Bank fiir die schlechter informierten Einleger. ^^ Fiir eine erste Analyse und Modellierung der Pragilitat von Finanzsystemen vgl. z.B. GOODHART et al. (2004a) oder GOODHART et al. (2004b). ^^ Vgl. DIAMOND und DYBVIG (1983), S. 413-418. ^'^ Fiir eine Ubersicht, die Folgen sowie empirische Befunde zu den Bank Runs und Bankpaniken vgl. GREENBAUM und T H A K O R (1995), S. 475-488.

2.3 Erklarungsansatze zur Existenz von Banken

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in einer langfristigen Finanzbeziehung konnen sich durch die ErofFnung nachtraglicher Handlungsspielraume ergeben, die zum Schaden eines Vertragspartners ausgenutzt werden konnten. Ferner konnen sich die Umweltbedingungen im Zeitablauf andern und eine Neuformulierung des Vert rages zum Vorteil beider Parteien notwendig machen. Banken konnen dieses Dilemma losen, wenn sie:^^ • iiberlegene Kontrollmechanismen besitzen, die Glaubiger vor schadigendem Verhalten des Schuldners schiitzen; • dauerhafte implizite Bindungen ermoglichen, die eine Ausnutzung kurzfristiger Vorteile eines Vertragspartners verhindern; • neue Vertragsbedingungen besser als andere Kapitalgeber aushandeln konnen. Banken konnen verschiedene Kontrollrechte wahrnehmen, um die Rechte der Glaubiger gegeniiber einem Unternehmen zu wahren (in Deutschland etwa durch Stimmrechte aus Anteilsbesitz, Vollmachtsstimmrechte, Aufsichtsratmandate). Je hoher ein Unternehmen verschuldet ist, desto mehr werden die Eigentiimer und das Unternehmensmanagement risikoreiche Investitionen und letztlich eine riskante Unternehmenspolitik praferieren, von der sie auf Kosten der Glaubiger profitieren konnten (sog. „gambling for resurrection").^^ Die Banken als Finanzintermediare haben bei der Ausiibung von Kontrollrechten gegeniiber den originaren Kapitalgebern zwei wesentliche Vorteile: Biindelung der Kontrollinstanz auf wenige Banken und Informationsvorsprung durch bestehende Finanzbeziehungen. Durch Biindelung von Kontrollrechten auf eine oder wenige Banken entfallt die kostenintensive Koordinierung vieler Glaubiger.^'' Durch die langjahrige Finanzbeziehung sowie Vorteile bei der Informationssuche kann eine Bank dariiber hinaus einen Informationsvorsprung gegeniiber anderen Glaubigern besitzen. Durch die gleichzeitige Informationssuche und Unternehmenskontrolle konnen ferner Verbundvorteile bei Banken entstehen.^^ Probleme unvollstandiger Finanzkontrakte, die nicht durch die vertraglichen Ausgestaltungen gelost werden, konnen Banken durch eine implizite, langfristige Bindung mit dem kreditsuchenden Unternehmen losen.^^ Die impliziten Bindungen ergeben sich aus dem Informationsvorsprung der kreditgebenden Bank gegeniiber anderen potenziellen Glaubigern. Dies fiihrt dazu, dass Banken ihre Kredite nur sehr schwierig an AuBenstehende ^^ 96 ^'^ 9« 99

Vgl. N E U B E R G E R (1998), S. 39. Vgl. z.B. C A L V E R A S et al. (2004), H E L L W I G (1995), S. 726. Die vielen Glaubiger sind in d e m Fall K u n d e n der Bank. Vgl. N E U B E R G E R (1997), S. 24-27. Vgl. M A Y E R (1988), S. 1172-1180.

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2 Banksektor

verkaufen konnen (Verbriefung) und kapitalsuchende Unternehmen nur unter einer Verschlechterung der Konditionen eine Bank wechseln konnen.^^° Die dauerhafte implizite Bindung zwischen dem Kreditnehmer und der Bank kann fiir beide Seiten zu vorteilhafteren Situationen fiihren, wenn sich die Partner (implizit) verpflichten, Leistungen zu erbringen, die im Vertrag (ex ante) gar nicht vorgesehen waren. So wird ein Unternehmen, welches in der Zukunft weiteres Kapital benotigt, Aktionen vermeiden, die der kreditgebenden Bank schaden konnten. Anderseits wird die Bank auf einen Teil der Forderungen in einer Unternehmenskrise eher verzichten, wenn sie durch zukiinftige Kompensationen entlohnt wird. Daher kann eine Hausbankbeziehung^^^ als Instrument zur Finanzierung langfristiger Invest it ionen angesehen werden. Die Hausbankbeziehung beschrankt allerdings den Wettbewerb, da die Bank, die als erste einen Kredit an das Unternehmen vergeben hat, einen Informationsvorsprung besitzt. Aus Sicht der Bank ist die Wettbewerbsverzerrung berechtigt, da bei einem vollstandigen Wettbewerb das Unternehmen jederzeit zu einem anderen Finanzierer wechseln konnte. In dem Fall ware die Bank auch nicht zu einem temporaren Forderungsverzicht bereit, der notig ware, um eine langfristige profitable Investition durchzufiihren. Anderseits erlangen die Banken durch die teilweise Ausschaltung des Wettbewerbs Marktmacht gegeniiber dem Unternehmen. Das Unternehmen kann sich nicht sicher sein, dass die Bank in spateren Perioden durch eine Erhohung der Zinsen die Machtstellung ausnutzt und eventuell eine Hausbankbeziehung gar nicht eingehen. In der Literatur werden zwei Losungswege aus diesem Dilemma aufgezeigt. Zum einen kann die Bank versprechen, die Marktmacht nicht auszunutzen. Durch Reputationsaufbau iiber die Zeit kann eine Bank signalisieren, sich an vorangegangene Versprechen gehalten zu haben. Bei einem nicht eingehaltenen Versprechen verliert eine Bank in der Kegel ihr gesamtes angestammtes Reputationsvermogen.^^^ Zum Anderen kann das kapitalsuchende Unternehmen einer Bank ein Bindungsinstrument anbieten, welches der Bank eine zusatzliche Entlohnung in der Zukunft sicherstellt. Das Unternehmen konnte der Bank etwa Anteilbesitz gewahren, um der Bank die Moglichkeit zur Partizipation am kiinftigen Unternehmenswachstum zu geben. Uber den Anteilsbesitz erhalt die Bank ferner die Moglichkeit, Kontrollrechte auszuiiben.^^^ ^°° Hierbei spielen insbesondere die nicht offentlichen Informationen iiber einen Kreditnehmer eine Rolle, iiber die gewohnlich eine Bank (und nur sie) verfiigt. Daher ist eine Verbriefungsstrategie nur fiir die Banken umsetzbar, die ein Reputationsvermogen iiber die Zeit ansammeln konten. ^^^ Eine ausschliefiliche Bindung einer Firma an eine kreditgebende Bank bezeichnet man als Hausbankbeziehung Oder auch Relationship Banking, vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 148. ^°2 Dieser Losungsansatz wird von SHARPE (1990) propagiert, vgl. SHARPE (1990), S. 1079-1084. 103 Ygi NEUBERGER (1998), S. 42.

2.4 Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten

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Eine Bank kann auch Wiederverhandlungsprobleme unvollstandiger Vertrage kostengiinstiger als eine Vielzahl von Kreditgebern losen. Zum einen werden hier die Verhandlungskosten zwischen dem Unternehmen und einer Vielzahl von Kreditgebern sowie die Verhandlunsgkosten zwischen den Kreditgebern untereinander gespart. Zum Anderen wird die Free-Rider-Problematik ausgeschaltet. Beim Vorliegen einer Vielzahl von Kapitalgebern hat ein einzelner Kapitalgeber keinen Anreiz, auf einen Teil seiner Forderungen zu verzichten, da sein Anteil an der gesamten Unternehmensfinanzierung i.d.R. unbedeutend ist. Daher kann es sein, dass eine Sanierung scheitert, obwohl es fiir alle Beteiligten vorteilhaft ware.^°^

2.4 Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten In den Kapiteln 2.2 und 2.3 wurden die grundlegenden Funktionen sowie Erklarungsansatze zur Existenz von Banken erlautert. Banken konnen dabei gleiche Funktionen wie Finanzmarkte ausiiben und diese sogar ersetzen. Daneben konnen Banken weitere, erganzende Aufgaben bei der Kapitalallokation in einer Wirtschaft iibernehmen. Die Existenz von Banken wird mafigeblich durch Entstehung von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien erklart. Die Funktionen von Finanzmarkten und von Finanzintermediaren stehen in einem permanenten Wettbewerb, durch den Banken gezwungen werden, ihre Dienstleistungen kostengiinstiger als eine Direktfinanzierung iiber Finanzmarkte zu gestalten. Dieser Wettbewerb hat eine unmittelbare Konsequenz fiir die Gesamtwirtschaft, denn effiziente Markte bzw. Institutionen verursachen weniger AUokationskosten, die von Marktteilnehmern bzw. Kunden getragen werden miissen. Abb. 2.3 verdeutlicht diese traditionelle, kompetitive Sichtweise zwischen Finanzintermediaren und Finanzmarkten. Die Fortschritte in den Informations- und Kommunikationstechnologien (luK) der letzten Dekade konnten als transaktionskostensenkender Schock aufgefasst werden, der die Grundfeste der Finanzintermediation angreift. FolgHch miissten Banken zunehmende Disintermediation befiirchten.^^^ In den letzten Jahren ist ein zunehmender Wettbewerb 10^ Vgl. BuRGHOF und RUDOLPH (1996), S. 17 ^°^ Unter Disintermediation versteht man eine der Intermediation entgegengesetzte Bewegung. Wurde bei der klassischen Intermediation ein Mittler (Intermediar, Banken) in die Wertschopfungskette der Finanzierung zwischen Kapitalgebern und -nehmern zwischengeschaltet, geht es bei der Disinterme-

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2 Banksektor

Finanzintermediare Kapitalnehmer

Kapitalgeber •

Finanzmarkte

Abbildung 2.3: Traditionelle Darstellung der Beziehung zwischen den Finanzintermediaren und Finanzmarkten zwischen den Finanzmarkten und den Finanzintermediaren i.e.S. in der Ausiibung der traditionellen Transformationsfunktionen beobachtbar. Ubiquitare informations- und kommunikationstechnische Infrastrukturen erleichtern die Koordination und den unmittelbaren Austausch von Leistungen zwischen Kapitalnehmern und Kapitalgebern und lassen neue, elektronische Finanzmarkte entstehen. Neben verbesserter luK werden als Ursachen der Verschiebung der Finanzbeziehungen einerseits die Securitization (Verbriefung der Forderungen/Verbindlichkeiten und deren Verkauf) und andererseits die Konkurrenz durch Nichtbanken genannt, die sich jedoch auf die Verbesserung der luK zuriickfiihren lassen.^^^ Es stellt sich die Frage, ob die Finanzintermediare iiberhaupt benotigt werden, um eine nutzenoptimale Kapital- und Risikoallokation herbeizufiihren. Aus theoretischer Sicht lassen sich transaktionskostenokonomische Argumente sowohl fiir abnehmende als auch fiir eine zunehmende Bedeutung von Finanzintermediaren aufgrund verbesserter luK formulieren.^^^ Aus institutioneller Sicht wird angefiihrt, dass eine Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien direkt zu kostengiinstigeren Transaktionen zwischen Kapitalnehmern und Kapitalgebern fiihren wird. Gleichzeitig werden die Phanomene der hohen Informationsflut („Information Overload") sowie hoher Koordinationsgrad genannt, die einen institutionalen Bedarf an Intermediaren erkennen lassen. In organisatorischer Sichtweise bewirkt die unmittelbare Interaktion zwischen Anbietern und Nachfragern eine Verschlankung der Distribution beziiglich einzelner oder gar aller Zwischenhandelsstufen. Dennoch bleiben hier zahlreiche Einbindiation um eine „Entfernung" (Umgehung) des Mittlers bin zu einer Direktfinanzierung („cutting out the middleman"). Vgl. z.B. SCHODER und MULLER (1999), S. 602. 106 Vgl. BANK (2001), S. 845-846. ^^'^ Folgende Ausfiihrungen in Anlehnung an SARKAR et al. (1998), S. 215-217, SCHODER und MULLER (1999), S. 599-606, WIGAND und BENJAMIN (1995), 1-5.

2.4 Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten

45

dungsmoglichkeiten fiir Finanzintermediare vorhanden, die die angebotenen Giiter zu hoherwertigen Produkten anreichern konnten. Somit wiirde die traditionelle Distribution zu einer „ Value-Added-Distribution"^^^ entwickelt. Die Moglichkeiten der luK konnten zu neuen Marktbedingungen fiihren, in denen insbesondere die Markttransparenz die Rolle der Finanzintermediare obsolet werden liefie. Gleichzeitig wiirde gerade das Fehlen von Intermediaren, die sicherheitsgenerierende Funktionen wahrnehmen^^^ und die daraus folgenden Sicherheitsdefizite zu einer Stagnation werthaltiger Transaktionen fiihren. Systemtheoretische Uberlegungen lassen eine erhohte Vernetzungskomplexitat zwischen den Wirtschaftssubjekten erwarten, die einen erhohten Koordinations- und Informationsaufwand impliziert. Hier wiirde sich ein (bekanntes) Betatigungsfeld fiir Intermediare eroffnen. Somit kann die Transaktionskostentheorie in Verbindung mit modernen luK zu zwei gegensatzlichen Argument at ionsketten herangezogen werden. In einem Bedrohungsszenario werden Finanzintermediare vom Markt verdrangt, da die bisherigen Kunden eines Finanzintermediars (Kreditgeber und -nehmer) direkt in Kontakt treten konnen und dadurch (Transaktions-) Kosten sparen. Auf der anderen Seite kann man auf den gleichen theoretischen Grundlagen eine Re-Intermediationshypothese formulieren, nach der die Kunden die Leistungen eines Finanzintermediars aufgrund von Informations- und Koordinationsproblemen beanspruchen, um Transaktionskosten zu senken. Die Abb. 2.4 stellt vereinfachend Transaktionsbeziehungen zwischen Kapitalanbieter, -nachfrager und Finanzintermediaren dar.^^° Intermediar

Anbieter

Nachfrager

Abbildung 2.4: Beziehung zwischen Anbieter, Nachfrager und Intermediar Transaktionskosten in traditionellen Finanzmarkten werden in der Abb. 2.4 mit Ti, T2 und T3 dagestellt. Die Transaktionskosten in elektronischen Finanzmarkten sollen mit Tf, T2 und T^ bezeichnet werden. Wird eine Annahme 1 getroffen, dass aufgrund elektronischer Marktstrukturen alle Transaktionskosten auf ein Minimum T* sinken, lasst sich 108 Z B O R N I K ( 1 9 9 6 ) , S.

123.

109 F i n a n z i n t e r m e d i a r e k o n n e n d u r c h i h r e R e p u t a t i o n die W e r t h a l t i g k e i t v o n b e r e i t g e s t e i l t e n I n f o r m a t i o n e n s i g n a l i s i e r e n , vgl. M a k l e r f u n k t i o n in K a p i t e l 2.2.2.1.2. ^1° Z u r A b b i l d u n g u n d d e m n a c h f o l g e n d e n Beispiel vgl. S A R K A R e t al. ( 1 9 9 5 ) .

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2 Banksektor

unmittelbar das Bedrohungsszenario entwickeln. Danach wird auf traditionellen Markten von folgendem Zusammenhang ausgegangen: Ti > T 2 + n Auf traditionellen Markten waren Transaktionskosten in einer direkten Finanzbeziehung hoher als bei der Zwischenschaltung eines Finanzintermediars. Wenn die Annahme 1 zutrifFt, erreichen die Transaktionkosten ihr Minimum T* und es gilt: Tf = T | = T | = T* T| + Ti = 2T* • Tf < r | + T^

wenn

T* > 0

Unter der Giiltigkeit der Annahme 1 ware die Existenz der Finanzintermediare bedroht, da es aufgrund von Transaktionskostenvorteilen sinnvoll ware, sie bei der Wertschopfung zu umgehen. Gleichzeitig ist die Annahme 1 sehr restriktiv, da alien Marktteilnehmern gleiche minimale Transaktionskosten zugeordnet werden. Wird diese Annahme so gelockert, dass verschiedene Marktteilnehmer unterschiedlich hohe Minimaltransaktionskosten haben und Tf = T^, T^ = T^, T | = T^ sowie T^ / T ; ^ T; gilt, konnen mehrere Szenarien abgeleitet werden (vgl. Tab. 2.1).^^^ Traditionelle Markte Ti < T2 + T3

Elektronische Markte

Szenario 1 Tf < T^ + TI elektronisch gestiitze Direktkontakte Szenario 3 Tf > T^ + T^ „Cybermediares"

Ti > r2 + T3

Szenario 2 Bedrohungsszenario Szenario 4 Elektronisch unterstiitze Intermediare

Tabelle 2.1: Szenarienmatrix der Transaktionskostenbeziehungen auf traditionellen und elektronischen Finanzmarkten Szenarien 1 und 4 wiirden die bestehenden traditionellen Marktstrukturen auf den Bankenmarkten nicht andern (Koexistenz zwischen Finanzmarkten und -intermediaren), sondern diese elektronisch unterstiitzen. Szenario 2 reprasentiert das Bedrohungsszenario von Intermediaren. Szenario 3 impliziert eine intensive Nutzung neuer luK, die jedoch Der hochgestellte Index * signalisiert minimale Kosten.

2.4 Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten

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von Finanzintermediaren angeboten werden. Um die Wahrscheinlichkeiten dieser Szenarien einzuschatzen, scheint die Beantwortung zweier Fragen von Interesse. Zum einen ist zu untersuchen, ob die Finanzintermediare im Vergleich zum Finanzmarkt eine „gewohnliche" Kapital- und Risikoallokation ausfiihren oder ob Bankdienstleistungen „einzigartig" sind und demzufolge nicht vom Finanzmarkt iibernommen werden konnten.^^^ Zum anderen ware empirisch zu priifen, ob die von Finanzintermediaren ausgefiihrten Intermediationsdienstleistungen tatsachlich sinken. Zur ersten Frage fiihrte JAMES (1987) eine interessante Analyse durch, in der er den Ankiindigungseffekt^^^ von Bankkrediten, offentlich angebotenen Anleihen sowie bei privaten Investoren platzierten Anleihen auf die Aktienrendite von kreditsuchenden Unternehmen untersuchte. Erstaunlicherweise konnten alleine bei Bankkrediten positive abnormale Aktienrenditen festgestellt werden. Der Effekt war unabhangig von der Dauer der Kapitaliiberlassung, der Differenz der Bonitat (gemessen an Ratings von Moody ^s), der GroBe der kapitalsuchenden Firma sowie von der Relation des aufnehmenden Kapitals zur FirmengroBe.^^^ Ferner konnte bei den anderen beiden Instrumenten eine signifikant hohere negative abnormale Rendite beobachtet werden, wenn der Zweck der Kreditaufnahme die Zuriickzahlung eines Bankkredites war.^^^ Diese erstaunlichen Ergebnisse legten die Vermutung nahe, dass zumindest der Finanzmarkt die Leistungen der Banken im Rahmen eines Kreditvertrages als einzigartig ansah. Scheinbar wurde den Banken eine hohere Expertise bei der Informationsbeschaffung sowie bei der Kreditiiberwachung im Vergleich zum Finanzmarkt zugesprochen. Die Ergebnisse von JAMES (1987) bestatigten indirekt die Ergebnisse von FAMA (1985), der keine Renditeunterschiede zwischen CDs („certificates of deposit") und anderen kurzfristigen Verschuldungsinstrumenten feststellen konnte, obwohl die Banken (und somit die Einleger) eine als zusatzliche Steuer wirkende Mindestreserve bei der Zentralbank halten mussten.^^^ Hinweise auf eine besondere Stellung von Banken konnten auch in anderen Untersuchungen festgestellt werden. SLOVIN et al. (1993) untersuchten die Auswirkungen von angekiindigter Insolvenz einer Bank auf den Unternehmenswert von Firmen, die einen Kredit bei dieser Bank hatten. Sie stellten abnormale negative Renditen fest, wenn es zu einer Liquidation der Bank kam, dagegen kam ^^^ Einzigartig meint, dass der Finanzmarkt diese Leistung bei ansonsten identischen Finanzbeziehungen nicht erbringt. ^^^ Diese Effekte werden mit Hilfe der sog. „Event Studies" analysiert, bei denen „abnormale" Renditen, die iiber/unter dem erwarteten Renditeniveau liegen, gemessen werden. 114 Vgl. J A M E S (1987), S. 225-234. 11^ Vgl. J A M E S (1987), S. 227. 11^ Fiir eine ahnliche Studie mit vergleicbaren Resultaten vgl. MIKKELSON und PARTCH (1985), S. 44.-58.

48

2 Banksektor

es zu abnormalen positiven Renditen, wenn die Bank gerettet werden konnte. Es kann vermutet werden, dass die Finanzbeziehung zwischen der Bank und dem Unternehmen einen Wert besitzt, der bei eventueller Liquidation der Bank verloren ginge. Ein Unternehmen miisste (wieder) eine neue, kostenverursachende Finanzbeziehung mit einer anderen Bank aufbauen.^^'' Ahnliche Resultate konnte GiBSON (1995) fiir japanische Banken ableiten.^^^ Andere Untersuchungen analysieren die Moglichkeiten einer Unternehmensreorganisation in finanziellen Notlagen in Abhangigkeit vom Grad des Einflusses von Banken. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind nicht ganz eindeutig, aber tendenziell steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rettung mit der Hohe der Bankverbindlichkeiten in Relationen zu den sonstigen Verbindlichkeiten an. Scheinbar ist die Wahrscheinlichkeit der Einigung iiber einen (temporaren) Forderungsverzicht einfacher mit wenigen Banken zu verhandeln als mit einer Vielzahl von Unternehmensanleihenbesitzern.^^^ Untersuchungen fiir Deutschland sind auf diesem Gebiet bisher rar. GORTON und SCHMID (2000) untersuchten den Einfluss deutscher Universalbanken auf die RentabiUtat von grofien Aktiengesellschaften fiir den Zeitraum 1975-1986. Sie fanden einen positiven Einfluss von Banken mit Kontrolhechten (Aufsichtsrat u.a.) auf die RentabiUtat der Unternehmen. Der Einfluss der Banken als Aktionar auf die Unternehmensrentabilitat war hoher als der Einfluss anderer GroBaktionare.^^^ Auf ein interessantes Phanomen bei der Diskussion um die Koexistenz von Finanzmarkten und Finanzintermediaren wiesen ALLEN und SANTOMERO (1998), ALLEN und GALE (1997) und ALLEN und GALE (1995) hin. Die Autoren erkannten, dass die theo-

retische Folge einer Finanzdisintermediation aufgrund der Verbesserung von luK und damit verbundener Reduktion von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien zu kurz greift. Insbesondere zeigen sie, dass in den USA ein Anstieg der Intermediationsleistungen zu beobachten ist und somit im Widerspruch zur theoretisch angekundigten Disintermediation steht. Daher schlugen sie eine Abwandlung der klassischen Sichtweise auf die Finanzintermediare und Finanzmarkte vor. In der klassischen Sichtweise stellen die Intermediare und Markte alternative Finanzierungswege dar (vgl. Abb. 2.3). Die Existenz von Finanzintermediaren wird wie bisher durch Reduktion von Transaktionskosten und Informationsasymmetrien erklart. In einer dynamischen Sichtweise konnen Finanzinter^^"^ Vgl. SLOVIN et al. (1993), S. 255-263. Vgl. auch Ausfuhrungen zu langfristigen Finanzbeziehungen in Kapitel 2.3.2.4.2. 118 Vgl. GIBSON (1995), S. 293-303. ^^^ Zu den Ergebnissen dieser Studien vgl. z.B. JAMES (1996), S. 720-726. 120 Vgl. GORTON und SCHMID (2000), S. 62-68.

2.4 Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten

49

medare zusatzlich als Finanzmarktteilnehmer auftreten (vgl. Abb. 2.5.). Die Begriindung der Existenz von Finanzintermediaren erweitert sich auf die Ubernahme der Funktionen des Risikomanagements und der Reduktion von Teilnahmekosten am Finanzmarkt.^^^ Die Abb. 2.5 verdeutlicht diesen Zusammenhang.^^^

—*•

Finanzmarkte

GroB-

—" untemehmen

FinanzKapitalgeber

interKleine Untemehmen

Abbildung 2.5: Beziehungen zwischen Kapitalgebern und -nehmern nach ALLEN und GALE (1999)

Das Risikomanagement der Finanzintermediare beinhaltet im Wesentlichen den Handel mit Risiken und die kurzfristige Liquiditatssicherung.^^^ Je nach Auspragung bzw. Entwicklung eines Finanzsystems lassen sich drei unterschiedliche Rollen von Banken als Risikomanager unterscheiden. In der traditionellen Sichtweise sind die Finanzintermediare Risiken eingegangen, indem sie die kurzfristigen Einlagen ihrer Kunden im Rahmen der qualitatitiven Vermogenstransformation^^^ in langfristige Kredite umgewandelt haben. Diese Art der Transformationen wird in der Literatur auch als intertemporare (Risiko-) Glattung bezeichnet.^^^ Eine reibungslose intertemporare Risikoglattung konnen Finanzintermediare voUstandig umsetzen, solange keine oder geringe Konkurrenz durch Finanzmarkte existiert, da nur dann (hohe) Reserven aufgebaut werden konnen. Bei einer (mittelstarken) Konkurrenz durch Finanzmarkte sinken die Zinsmargen fiir Finanzintermediare. Dadurch wird es fiir sie schwieriger, die intertemporare Risikoglattung durchzufiihren. Als Ausweg bieten sich Verbriefungsstrategien, mit denen eine Bank versucht, 121 Vgl. A L L E N und S A N T O M E R O (2001), S. 289.

122 Vgl. ALLEN und G A L E (1999), S. 1240. 123 Vgl. A L L E N und S A N T O M E R O (1998), S. 1478-1480, G O R T O N und W I N T O N (2002), S. 21-24.

12^ Zur qualitatitiven Vermogenstransformation vgl. Kapitel 2.2.2.1.1. 12^ Vgl. ALLEN und GALE (1997), S. 530-533. Die unterschiedliche Risikoabfederung zwischen Bondhaltern in den USA und Depositenhaltern in Deutschland wahrend externer Schocks (z.B. Olkrise in den 70ern Jahren) wird als eine besondere Leistung bankdominierter Finanzsysteme im Sinne der intertemporaren Glattung nichtdiversifizierbarer Risiken hervorgehoben. Wahrend die Bondhalter (oder auch Aktienhalter) bei externen Schocks ihre Risiken nicht diversifizieren konnen, verbleibt den Depositenhaltern mindestens die nominale Erhaltung ihrer Einlagen.

50

2 Banksektor

die Zinsanderungsrisiken effizient zu managen. Mit dieser Strategie wird die Bank selbst ein Finanzmarktteilnehmer. Finanzmarktdominierte Systeme sind durch eine ausgepragte Konkurrenzsituation zwischen Banken und Finanzmarkten gekennzeichnet. Dann verschiebt sich die Funktion der Finanzintermediare von einem intertemporaren zu einem sektoriibergreifenden Risikomanagement.^^^ In diesem Fall werden die Risiken zwischen verschiedenen Branchen und Sektoren diversifiziert. Hierbei interagieren Finanzintermediare mit Finanzmarkten, in dem sie beispielsweise Unternehmen bei der Beteiligungsfinanzierung unterstiitzen oder bei der Begebung von Anleihen Biirgschaften gewahren. Daher ware eine Zunahme von (aufierbilanziellen) Risikomanagementgeschaften bei gleichzeitigem Riickgang des traditionellen Einlagen- und Kreditgeschaftes zu erwarten. Theoretisch ist daher keine Senkung der Intermediationsleistung insgesamt, sondern lediglich eine Verschiebung zu erwarten. Eine weitere Aufgabe der Finanzintermediare im Rahmen des Risikomanagements ist die kurzfristige Liquiditatssicherung im Aktiv- und Passivgeschaft. KASHYAP et al. (2002) zeigen, dass das Abziehen der Sichtdepositen und Inanspruchnahme von Kreditlinien aus Sicht eines Finanzintermediars gleiche Aufgaben beinhalten. Diese Aufgabe ist eine einzigartige Bankdienstleistung und wird nicht vom Finanzmarkt oder von einem anderen Intermediar (bspw. Investmentfonds) iibernommen. In beiden Fallen miissen Banken geniigend Liquiditat bereithalten, um aus ihrer Sicht zufallige Ereignisse zu bewaltigen. Sobald die beiden Ereignisse nicht perfekt miteinander positiv korreliert sind, konnen die Finanzintermediare Synergien durch die Austibung beider Geschafte erzielen.^^^ Die empirischen Untersuchungen von NAKAMURA (1993) konnen die Verbundvorteile zwischen dem Passiv- und Aktivgeschaft zumindest fiir kleine Banken bestatigen, die viele Informationen iiber potenzielle Kapitalnehmer durch die Nahe zum Kunden generieren konnten. Neben dem Risikomanagement sehen ALLEN und SANTOMERO (1998) die Senkung der Kosten der Teilnahme am Finanzmarkt als eine weitere zentrale Aufgabe der Finanzintermediare. In diesem Fall erleichtern Finanzintermediare den Zugang zu Finanzmarkten erheblich. Die Teilnahmekosten am Finanzmarkt konnen zunachst als reine technische 126 VgL ALLEN und GALE (1995), S. 189-190, ALLEN und GALE (1997), S. 540-541.

12^ Vgl. KASHYAP et al. (2002), S. 39-49 (theoretisch) und 58-64 (empirisch). Gieichzeitig gehen die Autoren auf die bislang ungenugend diskutierte Frage ein, warum gewohnhche Banken beide Tatigkeiten (Einlagen- und Kreditgeschaft) ausuben und nicht zwei spezielle Institutionen die einzelnen Aufgaben ubernehmen. Erst die gleichzeitige Ausubung beider Tatigkeiten macht die Banken anfallig gegeniiber der Gefahr von Bank Runs und macht die Bankenregulierung notwendig.

2.4 Koexistenz von Finanzintermediaren und Finanzmarkten

51

Transaktionskosten angesehen werden. Diese sind in den letzten Dekaden gesunken, ohne dass eine gleichzeitige Abnahme der Bedeutung von Investmentfonds^^^ beobachtet werden konnte. Im Gegenteil, die Rolle der Investmentfonds ist in den USA stark gestiegen.^^^ Neben den reinen Transaktionskosten konnen als Teilnahmekosten die Kosten des Lernens iiber einzelne Finanzmarktinstrumente sowie die Funktionsmechanismen des Finanzmarktes verstanden werden. AuBerdem miissen die Kosten der Uberwachung und der Informationsbeschaffung beriicksichtigt werden. Diese Aufgaben konnen effektiv von einem Finanzintermediar iibernommen werden. Gleichzeitig miissen die Finanzintermediare Produkte erschaffen, die von den Anlegern leicht zu verstehen und selten zu kontrollieren sind sowie gleichzeitig einen stabilen Renditezufluss erwarten lassen.^^^ Die entstehenden Probleme des Moral Hazards zwischen dem Finanzintermediar und dem Anleger konnen durch die Schaffung langfristiger Finanzbeziehungen und insbesondere durch den Reputationsaufbau gelost oder zumindest gemildert werden.^^^ Empirische Analysen scheinen diese Hypothesen auch fiir Deutschland zu bestatigen. SCHMIDT et al. (1999) untersuchten die Intermediationsleistung und konnten eine Tendenz zur Disintermediation nicht feststellen. Vielmehr ist die sog. Intermediationsrate iiber den untersuchten Zeitraum konstant geblieben.^^^ Allerdings wird gleichzeitig eine Verschiebung innerhalb des Finanzsektors erkennbar. Versicherungen, Investmentfonds und Bausparkassen gewinnen bei der Finanzallokation an Bedeutung, spielen jedoch weiterhin nur eine untergeordnete Rolle bei der Finanzierung von Nichtfinanzsektoren. Als ein Ergebnis der Betrachtung der Konkurrenzsituation zwischen Finanzintermediaren und Finanzmarkt kann eine sinkende Bedeutung von Finanzintermediaren nicht konstatiert werden. In einer dynamischen Sichtweise konkurrieren sie nicht miteinander, sondern erganzen sich gegenseitig im gesamtwirtschaftlichen Finanzsystem. So werden Finanzinnovationen zunachst von Finanzintermediaren entwickelt und (intern) getestet. Erst dann werden sie an Finanzmarkten angeboten. ALLEN und SANTOMERO (2001) zeigen, dass private Wirtschaftseinheiten die Vorteile der Finanzmarkte erst durch eine Einschal^^^ Investmentfonds sind ebenfalls Finanzintermediare. Gleichzeitig konnen sie als eine Abteilung einer Universalbank fungieren. ^29 Vgl.

A L L E N und

S A N T O M E R O (1998), S.

1471.

130 Ygj ALLEN und SANTOMERO (1998), S. 1481-1482. Diese Beobachtung ist ebenfalls konsistent mit der Beobachtung, dass die Mehrzahl aller Anleger am Finanzmarkt Schuld- oder schuldahnliche Titel bevorzugen. 131 Vgl. z.B. ALLEN und G A L E (1999), S. 1251-1252 oder auch Kapitel 2.3.2.4.2. 132 Ygj gcHMiDT et al. (1999). Die Intermediationsrate drtickt den Anteil der Forderungen und VerbindHchkeiten des Nichtfinanzsektors, der vom Finanzsektor gehalten wird.

52

2 Banksektor

tung von Finanzintermediaren effizient nutzen konnen.^^^ Daher wird im weiteren Verlauf der Arbeit von der Betrachtung und Einbeziehung des Einflusses des Finanzmarktes abgesehen, da dieser keine unmittelbare Bedrohung fiir Banken darstellt, solange diese eine effiziente Erstellung ihrer Dienstleistungen realisieren konnen.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken Wahrend in den vorangegangen Kapiteln eine Auseinandersetzung mit der Theorie der Banken als Finanzintermediare erfolgte, wird in den folgenden Kapiteln das momentane Umfeld von Banken beschrieben. Dabei wird in diesem Kapitel auf das juristische Umfeld eingegangen. Im Kapitel 2.6 wird die Struktur des Bankensystems und im Kapitel 2.7 das wirtschaftliche Umfeld der Banken analysiert.

2.5.1 Notwendigkeit einer Bankenregulierung 2.5.1.1 Grundlegende Bemerkungen In alien Landern mit gut entwickelten Banksystemen^^^ werden Banken reguliert. Dabei greift der Staat nicht nur durch die allgemeine Wettbewerbspolitik, sondern auch mit speziellen Instrumenten der Bankenaufsicht in den Markt ein. Die Regulierung als solche ist ein Fremdkorper in einer freien Marktwirtschaft, welche die Marktmechanismen beschrankt. Auch wenn der regulierende Eingriff die MarktunvoUkommenheiten beseitigen soil, ist die Regulierungsinstanz weder allwissend noch frei von Interessenkonflikten. Auch verfiigt sie nicht immer iiber alle entscheidungsrelevanten Informationen. Daher muss ein Eingriff in den freien Markt immer im Dienste der gesamtwirtschaftlichen Effizienz stehen: Der Nutzen des Eingriffs muss mindestens den enstehenden Kosten entsprechen.^^^ In der angelsachsischen Bankenliterarur gibt es einige Autoren, die generell gegen eine Bankenregulierung und fiir „Free Banking" pladieren.^^^ ^33 Vgl. ALLEN und SANTOMERO (2001), S. 1482

^^'^ Zu Banksystemen vgl. Kapitel 2.6.1. 135

Vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 257, HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 361. Wahrend die

Quantifizierung der Kosten noch vergleichsweise einfach ist, kann der durch die Regulierung entstehende Nutzen nur sehr schwer gemessen werden. Dennoch muss die Grundidee der gesamtwirtschaftlichen Effizienz vor weiteren regulatorischen EingrifFen immer erwogen werden. ^^^ Fiir eine Ubersicht vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 260-265. Die Autoren beziehen sich vor allem auf einige Perioden in der US-amerikanischen Geschichte, in denen das Bankensystem vollkommen ohne regulierende Eingriffe offentlicher Instanzen operierte (Free Banking). Selbst das im Umlauf befindliche Geld wurde nicht von einer staatlichen Zentralbank ausgegeben.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

53

Das staatliche Eingreifen in das Marktgeschehen kann mit dem Vorliegen von Marktversagen durch Informationsasymmetrien, durch externe Effekte sowie durch die Prasenz von Marktmacht gerechtfertigt werden.^^'' Die Informationsasymmetrien zwischen Einlegern und einer Bank sind typischerweise hoch und die Moglichkeiten fiir die Einleger gering, diese abzubauen. Die tatsachliche Bonitat der Bank, die auf Basis kurzfristiger Depositen langfristige Kredite vergibt, kann ein einzelner Einleger nur mit hohem Aufwand einschatzen. Ferner ist die Relation zwischen den Uberwachungskosten und dem Einlagebetrag unrentabei hoch und der Anreiz gering, die Bank tatsachlich zu iiberwachen und zu kontroUieren. Der Einleger iiberlasst der Bank auf Vertrauensbasis die Einlagen. Aufgrund dieses Vertrauens der Einleger lassen sich zwei Argumente fiir die Einrichtung einer Regulierungsinstanz formulieren: Einlegerschutz und Senkung der Kontrollkosten. Im Sinne des Einlegerschutzes muss der Staat die Bankeinleger vor Einlagen- und das Bankensystem vor Vertrauensverlusten schiitzen. Ferner kann der Staat die gesamtwirtschaftlichen Kontrollkosten senken, wenn die Bankeniiberwachung von einer zentralen Institution iibernommen wird.^^^ Das Vorhandensein von externen Effekten kann insbesondere durch die Gefahr von Bank Runs entstehen. Fiir die Einleger ist es rational, bei jeder schlechten, direkten oder indirekten Nachricht liber ihre Bank die jeweiligen Einlagen schnellstmoglich abzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Nachricht begriindet ist oder nicht. Diese Reaktion kann schnell zur Insolvenz einer Bank fiihren und zwar auch dann, wenn die Bank solvent und die schlechte Nachricht unbegriindet ist. Weil der einzelne Einleger nicht fiir den Schaden haften muss, den er durch sein Verhalten anderen zufiigt, liegen externe Effekte vor, die ein Marktversagen hervorrufen konnen. Die Schaffung einer Kontrollinstanz, die die Wahrscheinlichkeit einer Bankeninsolvenz auf ein Minimum reduziert, kann einen Bank Run oder gar eine allgemeine Bankpanik verhindern. Besonders eine allgemeine Bankpanik, bei der die schlechte Nachricht auf alle Banken iibertragen wird, erhoht das Systemrisiko und kann den sog. Dominoeffekt hervorrufen.^^^ Dies kann zum Zusammenbruch des gesamten Bankensystems fiihren und hatte volkswirtschaftlich katastrophale Folgen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines kompletten Zusammenbruches gering ist, wird dadurch ein Eingriff in den Marktprozess gerechtfertigt.^^^

13^ Vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 257.

i3« Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 364-366. 13^ Vgl. HELLWIG (1995), S. 730-731. 1^0 Vgl. FREIXAS und ROCHET (1997), S. 261-263, NEUBERGER (1998), S. 178-179.

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Ein Regulierungsbedarf konnte sich auch aus der Gefahr eines naturlichen Monopols innerhalb des Bankensystems ergeben. Diese wlirde insbesondere dann vorliegen, wenn durch die Produktionstechnologie starke Grofienvorteile existieren wiirden, Dann wiirden die Durchschnittskosten der Bankdienstleistungen mit dem zunehmenden Geschaftsvolumen sinken. In diesem Fall hat ten alle Banken den Anreiz, durch eine Geschaftsausweitung ihre Kosten zu senken und wiirden den Wettbewerb behindern, indem sie den freien Marktzugang erschweren wiirden. Eine Regulierungsinstanz miisste eingreifen, um den Wettbewerb zu schiitzen. AUerdings konnen die empirischen Untersuchungen keine signifikanten Grofienvorteile im Bankenbereich nachweisen.^^^ Neben dem natiirlichen Monopol konnen durch oligopolistische Marktstrukturen ebenfails Wettbewerbsverzerrungen hervorgerufen werden, z.B. durch Preisabsprachen oder durch Aufbau von Markteintrittsbarrieren. So sind regionale Bankenmarkte in der Kegel nicht frei bestreitbar. Daher konnten die in der Region ansassigen Banken Marktmacht aufbauen und diese ausnutzen.^^^ Eine weitere Ursache des Marktversagens durch Erhohung der Marktmacht konnten die den Universalbanken inharenten Verbundvorteile verursachen. So konnten Interessenkonflikte zwischen einzelnen Abteilungen einer Bank entstehen und die Informationen einer Abteilung (z.B. Kreditgeschaft) in anderen Abteilungen (z.B. Investmentbanking) ausgenutzt oder gar vorenthalten werden. Diese potenziellen Wirkungen der Informationssuche innerhalb einer Universalbank haben in einigen Landern (z.B. USA) zur Einfiihrung von Trennbanksystemen gefiihrt.^^^ 2.5.1.2 Formen der Regulierung Banken konnen durch MaBnahmen der Bankenaufsicht und der (allgemeinen) Wettberwerbspolitik reguliert werden. Die Instrumente der Regulierung konnen dabei praventiver und protektiver Natur sein. Durch praventive Mafinahmen soil die Gefahr einer Bankenkrise oder eines Bankenzusammenbruchs minimiert werden. Protektive Mafinahmen helfen, eine Bank vor einer konkreten Insolvenz und somit die Einleger vor dem Verlust der Einlagen zu schiitzen. Die Wettbewerbspolitik soil effiziente Marktstrukturen sicher-

^^^ Die meisten dieser Studien wurden fiir den US-amerikanischen Bankenmarkt durchgefiihrt. Zu den Ergebnissen vgl. BERGER und HUMPHREY (1997) und Kapitel 5.5.2. 1^2 Vgl. NEUBERGER (1998), S. 180, HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 361.

^"^^ Seit dem Gramm-Leach-Billey Act vom 12.10.1999 ist die strikte Trennung zwischen „Commercial Banking" und „Investment Banking" in den USA juristisch aufgehoben. Zu den Restriktionen der Ausiibung von verschiedenen Bankgeschaften vgl. BENSTON (1994), S. 123-126.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

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stellen, die eine Ausnutzung von Marktmacht verhindern.^'*^ Die Formen der Regulierung sind in Abb. 2.6 abgebildet.^^^ Formen der Regulierung

Protektiv

Einlagen- oder Institutssicherung Zentralbank: Lender of Last Resort

Praventiv

Wettbewerbspolitik

Eigenkapitalnormen| Wettbewerbsgesetzgebung Liquiditatsnormen - Kartellverbot Diversifikations- Fusionskontrolle gebote Preis- oder Zinsregulierung Verbot und Trennung von Geschaften

Trennung von Geschaften

Zulassungsanforderungen Informationsgebote Bilanzierungsvorschriften Abbildung 2.6: Formen der Regulierung Die protektive Bankenaufsicht kann durch staatliche Einlagen- oder Institutssicherung und durch die Zentralbank als Lender of Last Resort wahrgenommen werden. Bei einer Einlagensicherung erhalten die von einem Konkurs geschadigten Einleger Ausgleichszahlungen. Bei einer Institutssicherung werden Mafinahmen ergriffen, die den drohenden Konkurs der Bank abwenden sollen. Beide Formen der Sicherung konnen sowohl privatwirtschaftlich als auch durch den Staat iibernommen werden. In Deutschland haben sich die privaten Banken in einem privatwirtschaftlichen, freiwilligen Sicherungsfonds organisiert. Deutsche Sparkassen genossen bisher eine Institutssicherung durch den jeweiligen Trager (i.d.R. eine Gebietskorperschaft (Kommune, Kreis etc.)). Eine staatliche Sicherung hat den Vorteil, dass der Staat jederzeit in der Lage ist, „unerschopfliche" Liquiditat bereitzustellen und somit praktisch die voile Sicherheit fiir alle Einleger garantieren kann. Nachteilig wirken jedoch zwei Aspekte. Zum einen iibernimmt der Staat die Risiken 144 Vgl. z.B. FREIXAS und R O C H E T (1997), S. 258-260, HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 371-372. 145 Vgl. N E U B E R G E R (1998), S. 181.

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der Banken und dadurch der Wirtschaftssektoren, die Bankenkredite beantragen bzw. haben. Zum anderen ruft die staatliche Einlagensicherung, wie auch jede Versicherung, Agency-Problematiken hervor. Da der Staat die Risiken, aber nicht die Kontrolle iiber die Manager iibernimmt, konnen Moral Hazard Probleme auftreten.^^^ Wahrend die Einlagenversicherung regelbasiert ist, handelt die Zentralbank in ihrer Funktion als Lender of Last Resort diskretionar. Die Zentralbank kann illiquiden, aber solventen Banken gegen Sicherheiten Liquiditat anbieten. Bank Runs konnen aber auf diese Weise jedoch nicht efFektiv verhindert werden, da die Ursachen eines (ungerechtfertigten) Bank Runs in der Informationsasymmetrie und in externen Effekten liegen.^^^ Diskretionare Spielraume der Zentralbank konnen sich auf zwei Ebenen abspielen. Zum einen kann die Zentralbank entscheiden, ob sie iiberhaupt einschreitet und zum anderen, in welcher Form die Intervention stattfinden soll.^^^ Die praventive Bankenaufsicht hat das Ziel, die Wahrscheinlichkeit einer Bankeninsolvenz zu minimieren. Die dazugehorigen Regulierungsmal3nahmen betreffen die Bankenportfolios, die Zulassungsanforderungen, Informationsangebote sowie Rechnungslegungsund Bilanzierungsvorschriften. Bei den Vorschriften zu den Bankenportfolios kann man zwischen Eigenkapitalnormen, Liquiditatsgrundsatzen, Diversifikationsgeboten sowie Begrenzung der erlaubten Geschaftstatigkeit unterscheiden. Dabei ergeben sich zwischen den jeweiligen (Teil-) Zielen teilweise gegenlaufige Interdependenzen. So ist das Diversifikationsgebot i.d.R. nicht mit einer Beschrankung der Geschaftstatigkeit vereinbar. Eigenkapitalnormen sind im Rahmen der Bankeniiberwachung aus zwei Griinden vorteilhaft. Erstens nimmt das Eigenkapital eine Pufferfunktion ein. Die Wahrscheinlichkeit eines Bank Runs kann minimiert werden, wenn die Eigenkapitalgeber den Glaubigern durch Bereitstellung von geniigend Eigenkapital glaubhaft versichern konnen, dass ihr Kapital sicher ist. Zweitens wirkt das Vorhandensein von Eigenkapital dem Moral Hazard Problem entgegen, indem eine disziplinierende Wirkung herbeigefiihrt wird, da die Eigenkapitalgeber im Falle einer Insolvenz ihr Kapital verlieren. Durch die asymmetrische Informationsverteilung besteht die Gefahr, dass die Eigentiimer (mit KontroUrechten) das Bankportfolio zugunsten riskanter, aber fiir sie profitabler Kredite bzw. Anlagen verandern. Denn im Erfolgsfall werden Eigentiimer an den Gewinnen beteiligt, wahrend den Glaubigern, unabhangig vom Erfolgsrisiko, nur der Fremdkapitalzins als Entlohnung 146 Zu Moral Hazard vgl. Kapitel 2.3.2.3. 14^ Vgl. NEUBERGER (1998), S. 181-182. i"*^ Wenn der Regulierung diskretionare Spielraume eroffnet sind, ergeben sich grundsatzlich diese zwei Ebenen, vgl. z.B. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 372-373.

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zusteht.^'*^ Dieses Problem kann besonders in existenzbedrohenden Lagen auftreten, in denen das Eigenkapital fast vollstandig verbraucht ist. Je hoher die Eigenkapitalquote ist, desto hoher ist der Risikoanteil der Eigenkapitalgeber und desto geringer ist der Anreiz, die Struktur des PortfoUos zu andern. Allerdings kann eine gesetzHche Mindestanforderung einer Bank die MogUchkeit verwehren, iiber die Hohe des Verschuldungsgrades eigene Quahtat zu signahsieren.^^^ Die Liquiditatsnormen betreffen die Fristentransformationen von Banken und regeln die Relationen zwischen Aktiv- und Passivgeschaft. Die Liquiditatsnormen richten sich nach der sog. „Goldenen Bankregel", nach der die Fristigkeiten der (erwarteten) hereingenommenen Einlagen und (erwarteten) herausgegebenen Krediten sich entsprechen sollen.^^^ Diversifikationsgebote sollen die Banken verleiten, ein diversifiziertes (Kredit-) Portfolio zu halt en und verhindern, dass diese ihr Geschaft auf wenige Risiken zu konzentrieren. Dariiber hinaus konnen Banken durch Ausiibung verschiedenartiger Geschafte ihre Ertragsstrome stabilisieren. Damit sollen existenzbedrohende Ausfallrisiken fiir Banken minimiert werden. Die Aufsichtsinstanz kann einzelne Geschafte generell verbieten oder die Geschafte so trennen, dass diese nur von voneinander unabhangigen Institutionen iibernommen werden. Die Verbote bzw. Trennungen werden erlassen, wenn einzelne Geschafte im Verbund mit anderen Geschaften als zu riskant erscheinen oder die Gefahr von Interessenkonflikten besteht. Daher ist in einigen Staaten das gleichzeitige Betreiben von Einlagen- und Kreditgeschaft (Commercial Banking) sowie von Effektengeschaften (Investment Banking) verboten. Gleichzeitig konnen aus Verboten ebenfalls Wohlfahrtsverluste entstehen, wenn wiinschenswerte Aufgaben, wie Unternehmenskontrolle, Informationssuche u.a., durch Banken nicht wahrgenommen werden konnen. Empirische Arbeiten zum Thema Interessenkonflikte bei Universalbanken^^^ konnten keine eindeutigen empirischen Ergebnisse ableiten.^^^ Dagegen scheint die Effizienz sowie die Rentabilitat der Universalbanken im Vergleich zu Trennbanken hoher zu sein.^^'*

^^^ Dieses Verhalten wird als „gambling for resurrection" bezeichnet. Vgl. Kapitel 2.5.1.3.1. 1^0 Vgl. BERGER et al. (1995), S. 14-22. ^^^ Diese Mafinahme ist ein sehr anschauliches Beispiel, wie die Regulierung den okonomischen Entscheidungsspielraum von Banken einengt. Obwohl eine okonomische Aufgabe von Banken gerade die Fristentransformation ist, wird sie durch die Regulierung eingeschrankt. ^^^ Universalbanken betreiben gleichzeitig Einlagen-, Kredit- und Effektengeschafte. 153 Vgl. KRAINER (2000), S. 18-23. 1^"^ V g l . S T E I N H E R R u n d HUVENEERS (1994).

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Neben den Verboten und Beschrankungen bestimmter Geschaftstatigkeiten kann die Zulassung von Banken in einem Geschaftsgebiet durch quantitative und qualitative Mindestanforderungen reguliert werden. In den USA war es beispielsweise durch den McFadden Act von 1927 den Banken verboten, Zweigniederlassungen in verschiedenen USamerikanischen Bundesstaaten zu eroffnen. In der Wettbewerbspolitik wird die Schaffung eines effizienten Marktes als Ziel verfolgt. Dabei geht man von der Annahme aus, dass ein (vollkommener) Wettbewerb einen effizienten Markt hervorbringt, auf dem nur effiziente Unternehmen langfristig bestehen konnen. Eine zunehmende Marktmacht eines Unternehmens wiirde zu einer Senkung der Wettbewerbsintensitat fiihren. In dieser Situation konnte ein Unternehmen seine Marktmacht ausnutzen und Gewinne zu Lasten anderer dauerhaft durchsetzen. Das Effizienzziel kann jedoch im Bankensektor mit dem StabiUtatsziel konkurrieren und kann daher nicht isoUert betrachtet werden. Wahrend die RegulierungsmaBnahmen der Bankenaufsichten weltweit ahnlich in Theorie und Praxis beurteilt werden, existieren unterschiedliche Ansichten beziiglich der WettbewerbspoUtik im Bankensektor. So wurden Banken in den USA sehr streng reglementiert, indem das Trennbanksystem eingefiihrt, Bildung von Filialen und raumliche Ausdehnung beschrankt und Anteilsbesitz an Nicht-Finanzunternehmen untersagt wurde. Diese weitreichenden staatlichen Eingriffe beruhen auf der Annahme der Regulierungsinstanz, dass groBe Universalbanken mit fehlender raumUcher Ausdehnungsbeschrankung die Ursache fiir Instabilitaten auf den Finanzmarkten sind. Die Risiken des Bankgeschaftes sollen durch eine Vielzahl kleiner Institutionen diversifiziert werden, die in einer Krise einfacher zu stiitzen sind. Einen ganzlich anderen Weg hat die Regulierungsinstanz in Deutschland eingeschlagen. Hier wurden gerade die grofien, gut diversifizierten Universalbanken als eine Voraussetzung fiir die Stabilitat des Bankensektors angesehen. Dementsprechend ist die bankenbezogene Wettbewerbspolitik in Deutschland vergleichsweise liberal.^^^ In Deutschland wird eher die Frage aufgeworfen, ob die Banken durch die Konzentration der Tatigkeiten in der Kreditvergabe, dem Depositengeschaft sowie der Investmenttatigkeit und durch den Anteilsbesitz sowie die Wahrnehmung von Depositenrechten Marktmacht ausiiben konnen oder nicht.^^^ Der grundlegende Aspekt dieser Diskussion bezieht sich auf die Frage nach der wirksamen, effizienten Unternehmenskontrolle durch (Universal-) Banken, die einen positiven (disziplinierenden) Einfluss auf die 155 Ygi NEUBERGER (1998), S. 71, auch EILENBERGER (1996), S. 30-31. 1^^ Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2000), S. 68-75, BENSTON (1994), S. 134-140, NEUBERGER (1997), S. 17.

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Geschaftspolitik eines Unternehmens haben und den langfristigen Unternehmenserfolg sichern kann. Die empirischen Arbeiten sind auf diesem Gebiet („Corporate Governance") auch aufgrund der Datenverfiigbarkeit sehr rar und es lassen sich bisher keine eindeutigen Ergebnisse ableiten.^^^ Die Hauptziele der Regulierung liegen in der Schaffung eines effizienten und gleichzeitig stabilen AUokationsprozesses von Kapital. Diese beiden Ziele konnen zumindest kurzfristig konfliktar sein. Ein umfassender staatlicher Insolvenzschutz oder eine umfassende staatliche Einlagenversichung schiitzt zunachst die Kreditinstitute und die Einleger vor unerwiinschten Marktergebnissen. Gleichzeitig verhindert man die Selektion von ineffizienten Banken aus dem Marktprozess. Die Einlagenversichung kann wiederum AgencyProbleme hervorrufen. Ahnliche Uberlegungen und Zielkonflikte lassen sich auch bei funktionalen und regionalen Beschrankungen der Bankentatigkeiten oder bei Verboten vom Anteilbesitz an Unternehmen des Nicht-Bankensektors anfiihren. Daher miissen mogliche Seiteneffekte der Regulierung beriicksichtigt sowie eine ausgewogene Mischung aus protektiven und praventiven MaBnahmen gefunden werden, die beiden Hauptzielen gerecht werden. Die Bankenkrise wahrend der 1980er Jahre in den USA, aber auch jiingste Finanzkrisen in den Entwicklungslandern zeigen wiederholt, dass die Schaffung eines stabilen und effizienten Banken- und Finanzsystems keine triviale Aufgabe ist.^^^ Als abschlieBende Uberlegung zu diesem Abschnitt verbleibt die Frage nach dem Trager der Regulierung. Die Regulierungsaufgaben konnten grundsatzlich durch eine staatliche Behorde und/oder durch eine private Institution organisiert werden. Die Befiirworter einer privat organisierten Regulierungsinstanz fiihren an, dass eine gewinnorientierte, private Institution die Regulierung efFektiver als eine staatliche Behorde wahrnimmt. Eine private Regulierung kann aus theoretischer Sicht nur dann erfolgreich organisiert werden, wenn diese starke Anreize besitzt, die Uberwachungsfunktion engagiert wahrzunehmen. Das ware dann gegeben, wenn die Regulierungsinstanz die Folgen einer ungeniigenden Uberwachung selber tragen miisste. Dann miisste die private Regulierungsinstanz selber fiir Anspriiche einer Bankeninsolvenz einstehen und dadurch Verluste erleiden. Allerdings miisste sichergestellt werden, dass die privat organisierte Regulierung jederzeit in der Lage ist, die evtl. anfallenden Insolvenzkosten zu tragen. 1st das nicht gegeben, sinkt die Motivation der Regulierungsinstanz zu einer wirksamen Uberwachung, wenn die Kosten aus ^^'^ Vgl. die Arbeiten bei BENSTON (1994), MAYER (1998) ALLEN und GALE (2000), fiir Deutschland EDWARDS und FISCHER (1994), GORTON und SCHMID (2000), SCHMIDT et al. (1997). 1^8 Vgl. z.B. GORTON und WINTON (2002), S. 63-87.

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einer Insolvenz letztlich doch von den Einlegern oder dem Staat getragen werden. Somit bedarf auch eine private Regulierungsinstanz einer staatlichen Kontrolle. Daher werden in alien Industrienationen die Banken durch staatliche Behdrden beaufsichtigt.^^^ 2.5.1.3 EfFekte der Regulierung Der Kerngedanke jeder Bankenregulierung ist der umfassende Einlegerschutz. Bei jeder Regulierungsmafinahme konnen jedoch unbeabsichtigte und unerwiinschte Effekte auftreten. Denkbare unerwiinschte Effekte einer Regulierung werden im Folgenden am Beispiel der Einlagensicherung und der ofFentlichen Banken aufgezeigt. 2.5.1.3.1 Einlagensicherung Die Einlagensicherung hat zum Ziel, die Gefahr eines Bank Runs oder einer Bankenpanik zu minimieren und den Einleger vor unerwarteten Vermogensverlusten in Folge einer Bankeninsolvenz zu schiitzen. DIAMOND und DYBVIG (1983) zeigen in ihrem formaltheoretischen Modell die Sinnhaftigkeit einer Einlagenversicherung.^^^ Am einfachsten ware diese Aufgabe durch eine vollstandige Ubernahme der Risiken durch eine (staatliche) Einlagenversicherungen zu bewaltigen. Flir den Fall waren weitere regulatorische Mafinahmen gar nicht notwendig. Allerdings ruft jede Versicherung Moral Hazard Probleme hervor. Bei einer vollstandigen Versicherung miissten die Reaktionen der Banken und der Bankenkunden beriicksichtigt werden. Die denkbaren Anreizeffekte einer vollstandigen Versicherung sind in der Abb. 2.7 dargestellt.^^^ Da die Kunden (Glaubiger) „blind" auf die Sicherheit ihrer Einlagen vertrauen konnen, werden sie keine Anstregungen unternehmen, das Bankenverhalten und insbesondere die Risikopositionen zu kontroUieren. Die Bankenmanager und -eigentiimer haben ihrerseits keine Anreize mehr, die Risiken zu minimieren, da sie fiir den Aufbau der Reputation am Markt nicht mehr entlohnt werden. Beim Wettbewerb sind die Banken sogar gezwungen, hohere Risiken einzugehen, da ihr risikoaverses Verhalten nicht mit niedrigen Refinanzierungskosten am Markt entlohnt wird. Durch eine verstarkte Risikoiibernahme steigt die Gefahr von Bankeninsolvenzen, deren Verluste durch die Sicherungseinrichtung getragen werden miissen. Wenn die Verluste jedoch zu hoch werden, konnte selbst die Sicherungseinrichtung zahlungsunfahig werden. Dieses Problem konnte durch Bildung 1^^ Vgl. MiSHKiN (2003), S. 45, FABOZZI et al. (2002), S. 29-41. ^60 Vgl.Kapitel 2.3.2.4.1. 1^^ Vgl. BURGHOF und RUDOLPH (1996), S. 47.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

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Auswirkung einer voUstandigen Einlagenversicherung kundenseitig

bankenseitig

Kein Anreiz fur die Kunden, das Risikoverhalten der Bank zu beobachten

VoUstandige Haftung der Sicherungseinrichtung

Keine Kontrolle des Risikoverhaltens durch den Markt

Anreiz (bei Wettbewerb Zwang) hohere Risiken einzugehen

Hohere durchschnittliche Verluste durch Bankeninsolvenzen

Allgemeine Bankenkrise trotz vollstandiger Einlagensicherung

Mogliches Versagen der Sicherungseinrichtung aufgrund zu hoher Zahlungsverpflichtungen

Abbildung 2.7: Anreizeffekte einer voUstandigen Einlagenversicherung von risikoadaquaten Pramien, die die Banken an die Einlagenversicherung zu entrichten hatten, abgemildert werden. Dabei sind jedoch zwei wesentliche Probleme zu beachten. Zum einen miisste das Risiko einer Bank objektiv beobachtet werden konnen. Das ist jedoch ein sehr schwieriger Vorgang, insbesondere bei Universalbanken. Zum anderen wird das Moral Hazard Problem besonders kritisch, wenn eine Bank kurz vor der Insolvenz steht. In diesem Fall v^erden die Banken sehr hohe Risiken eingehen, um ihre Solvenz v^iederherzustellen. Selbst bei kleinster Erfolgswahrscheinlichkeit lohnt sich dieses als „gambling for resurrection" bekannte Verhalten. Wenn kaum noch Eigenkapital vorhanden ist, gibt es fiir die Eigentiimer und Manager kaum etwas zu verlieren, wahrend die Verluste von der Einlagensicherung iibernommen werden. Im Erfolgsfall werden dagegen nur die Eigentiimer und Manager mit Gewinnen entlohnt, obwohl die Glaubiger fast ausschliefilich die Risiken getragen haben. Die Risikoaversion schlagt dann in die Risikovorliebe um. Dieses Verhalten verursacht zwar keine Bankenkrise, kann sie aber wesentlich verscharfen,

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indem die Verluste der Einlagensicherung in Dimensionen kommen, in denen diese nicht mehr getragen werden konnen.^^^ Betrachtet man verschiedene Zielsetzungen der Entscheidungstrager, ergeben sich unterschiedliche optimale Risikoniveaus einer Bank. GREENBAUM und THAKOR (1995) verglichen den Einfluss dreier moglicher Zielsetzungen der Entscheidungstrager auf das Risikoniveau.^^^ Liegt das Ziel in einer Maximierung des Einlegernutzens, ist das Risikoniveau der gesamten Banktatigkeiten zu wahlen, bei dem die erwartete Insolvenzwahrscheinlichkeit gerade noch 0 ist. Soil der Gesamtertrag einer Bank maximiert werden, muss ein hoheres Niveau gewahlt werden. Das hochste Risikoniveau wird erreicht, wenn der Unternehmenswert fiir die Eigentiimer („Share Holder Value") maximiert werden soil. Aus den Ergebnissen der theoretischen Modelle lassen sich mehrere Schlussfolgerungen zur Konstruktion eines Einlagensicherungssystemes ableiten. Es muss ein geeigneter Rahmen geschaffen werden, der den Marktteilnehmern noch geniigend Anreize gibt, das Risikoverhalten von Banken zu beobachten und ggf. zu sanktionieren. Dieses Verhalten kann durch eine geeignete Wahl folgender Variablen erreicht werden:^^^ • Deckungsgrad: Voll- oder Teilsicherung. Bei einer Teilsicherung werden die Einleger zur Diversifikation angeregt. • Trager: Staatlich oder privat. Eine private, gewinnorientierte Einrichtung hatte hohere Anreize, durch praventive Mafinahmen hoheres Risikobewufitsein zu schaffen. Allerdings ist eine private Einrichtung tendenziell dem Insolvenzrisiko ausgesetzt. • Teilnahme: FreiwilUgkeit oder Zwang. Bei einer Zwangsmitgliedschaft in einem Einlagensicherungssystem konnten die Banken nicht selbststandig wahlen, mit wem sie eine Risikogemeinschaft eingehen wollen. AuBerdem miissten selbst die risikoreichsten Banken aufgenommen werden. Wenn die Banken keiner Einlagenversicherung angehoren, miissen sie ihre Einleger dariiber hinreichend informieren. • Pramienstruktur: bilanzsummenorientierter oder risikoorientierter Pramiensatz. Ein risikoorientierter Pramiensatz ware vorzuziehen, seine Ermittlung ist allerdings schwierig, da das Bankenrisiko objektiv beobachtet werden miisste. • Praventive Normen: Normen zur Risikobeschrankung. Diese konnten die protektiven Mafinahme einer Einlagenversicherung flankieren und somit das Moral Hazard 1^2 Vgl. z.B. CALVERAS et al. (2004), HELLWIG (1995), S. 726. ^^^ Vgl. GREENBAUM und THAKOR (1995), S. 481.

1^4 Vgl. BuRGHOF und RUDOLPH (1996), S. 47.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

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Problem teilweise entscharfen. Hier stellt sich gleichzeitig die Frage der optimalen Uberwachungsinstanz, die wiederum staatlich oder privat organisiert werden kann. 2.5.1.3.2 Offentliche Banken Den starksten regulatorischen Eingriff des Staates in den Bankensektor stellen offentlich-rechtliche Banken dar. In Deutschland fungieren Sparkassen und Landesbanken als offentlich-rechtliche Kreditinstitute. Im Jahr 2004 lag der Anteil der Sparkassen und Landesbanken, die voUstandig von der ofFentlichen Hand getragen werden, an der Bilanzsumme aller Banken in Deutschland bei 34 %. In der Abb. 2.8 sind die Anteile aller Bankengruppen fiir das Jahr 2004 zusammengefasst.^^^ Dabei muss beriicksichtigt werden, dass ein Teil der „restlichen" Banken ebenfalls offentlichen bzw. teilweise ofFentlichen Charakter besitzt. In dieser Bankengruppe sind die Kreditanstalten mit Sonderaufgaben sowie offentlich-rechtlichen Grundkreditanstalten zusammengefasst.^^^ Bilanzsuinmenanteile 2004

i D Kreditbanken I CD Sparkassen @ Landesbanken • Geno-Banken • Genossenschaftliche Zentralbanken ^Rest

Abbildung 2.8: Marktanteile der Bankengruppen im Jahr 2004 Da offentliche Unternehmen ein starker Eingriff des Staates in das freie Marktgeschehen darstellt, muss daher die Existenz von offentlichen Banken und ihr Wettbewerb zu privaten Anbietern besonders begriindet werden. Das Betreiben von Bankgeschaften kann der Staat (in Deutschland bzw. in der EU) nur dann legitimieren, wenn ein ausschlieBlich ^^^ Vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (2006b). Die Zahlen beziehen sich auf Dezember 2004. ^^^ Zum Bankensystem und zu den einzelnen Bankengruppen vgl. Kapitel 2.6.

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privat organisierter Bankensektor untragbare Nachteile und/oder Risiken fiir die Volkswirtschaft bedingen wiirde. Aus diesem Grund diirften offentlich-rechtliche Kreditinstitute nur dann existieren, wenn sie einen offentliche Zweck (offentlichen Auftrag) erfiillen. Der offentliche Auftrag kann demnach nur erfolgen, wenn Marktversagen, Marktmangel oder wettbewerbspolitische Gefahrenpotenziale existieren.^^'' Da im Bankensektor eine grofie Anzahl privater Kreditinstitute operieren, kann allgemein nicht von einem voUigen Marktversagen ausgegangen werden. Die Existenz offentlich-rechtlicher Kreditinstute kann (und wird) mit moglichen Marktmangeln und wettbewerbspolitischen Gefahrenpotenzialen verteidigt. Im ersten Fall wird auf die Konzentration der Prasenz von privaten Kreditinstituten auf bevolkerungsreiche Ballungszentren und auf das gleichzeitige Zuriickziehen aus landlichen Gebieten hingewiesen. Aus diesem Grund konnte der offentliche Auftrag von Sparkassen mit der fiachendeckenden Versorgung der Bevolkerung mit Finanzdienstleistungen gerechtfertigt werden. In dieser Funktion wiirde der offentliche Auftrag in der Gewahrleistungs-, Struktursicherugs-, Forder- und Hausbankfunktion liegen. Mit der Gewahrleistungsfunktion von Sparkassen wird die Bereitstellung von alien Finanzdienstleistungen fiir alle Burger durch die Sparkassen verstanden. Sie wird mit eventuellen Versorgungsengpassen in wirtschaftlich schwacheren Bevolkerungskreisen und in wirtschaftlich schwachen Regionen begrundet.^^^ Die Struktusicherungsfunktion ist mit der Gewahrleistungsfunktion artverwandt. Wahrend sich die letztere eher auf eine soziale Pflicherstellung des Staates gegenuber dem Einzelnen bezieht, soil die erste eine raumlich ausgewogene Verteilung des Wirtschaftsgeschehens bewirken.^^^ Durch die ersten beiden Funktionen sollen die Sparkassen eine effiziente Kapitalallokation fiir die Marktteilnehmer organisieren, die nur schwierig an das benotigte Kapital iiber gewohnliche Finanzierungsbeziehungen herankommen wiirden. Mit der Forderfunktion haben die Sparkassen einen Auftrag zur Forderung des Sparsinns und der Vermogensbildung fur alle Bevolkerungsschichten.^^^ Die Funktion von Sparkassen und Landesbanken als Hausbanken der jeweiligen offentlichen Trager ist ein weiterer Bestandteil ihrer Aufgaben. Darunter werden insbesondere die Finanzierung offentlicher Ausgaben durch Gewahrung von Krediten verstanden. Die wettbewerbspolitischen Gefahrdungspotenziale konnen sich insbesondere durch eventuell vorhandene positiven Skaleneffekte ergeben, die die Herausbildung monopolist ischer Strukturen im Bankensektor begunstigen wiirden. Die Existenz von Sparkas1^7 Vgl. z.B. KLEIN (2003), S. 96, allgemein EUCKEN (1990), S. 325-337. ^^^ Vgl. z.B. § 3 Abs. 1 Sparkassengesetz fiir offentlich-rechtliche Sparkassen im Lande Bremen. 169 Vgl. GtJDE (1995), S. 27-28. 170 Ygj 2.B. § 3 Abs. 2 Sparkassengesetz fur offenthch-rechtliche Sparkassen im Lande Bremen.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

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sen kann demnach eine wettbewerbserhohende Wirkung besitzen.^^^ Ob die hier genannten Griinde vorliegen, die die Existenz von Sparkassen in Form von ofFentlich-rechtlichen Anstalten rechtfertigen, wurde und wird in der Literatur kontrovers diskutiert.^^^ Die Kritiker weisen insb. darauf hin, dass offentliche Banken Wettbewerbsvorteile besitzen, die ihnen Erzielung von Gewinnen auf Kosten von privaten Banken ermoglicht. In Deutschland waren offentliche Banken bisher durch Gewahrtragerhaftung und die Anstaltslast vor Insolvenzen geschiitzt.^''^ Die damit verbundene faktische Unmoglichkeit einer Insolvenz verschafft den offentlichen Banken Vorteile bei der Refinanzierung. Diese haben gleichzeitig einen offentlichen Auftrag zu erfiillen und gemeinniitzige Ziele zu verfolgen. Kritiker befiirchten, dass die eventuelle Verfolgung eines Gewinnzieles^^^ Wettbewerbsverzerrungen hervorruft, weil die offentlichen Banken durch die Staatsgarantien Wettbewerbsvorteile ausnutzen konnten.^^^ Dariiber hinaus werden offentliche Banken nicht durch den Markt, sondern durch eine kommunale Behorde kontroUiert. Dabei haben die staatlichen KontroUeure nicht den gleichen Anreiz zur umsichtigen Kontrolle wie etwa Aktionare, die durch eine Insolvenz ihr Kapital verlieren. Hier eroffnen sich den Managern vielfaltige Moglichkeiten, eigene Interessen und Ziele zu verfolgen. Vielfach wird in der Literatur die Besorgnis geaufiert, dass unzureichend kontrollierte offentliche Banken unter diesen Rahmenbedingungen nicht effizient operieren konnen. Auch die Einleger haben keine Anreize, das Risikoniveau der Banken kritisch zu beobachten, da alle ihre Anspriiche gesichert sind (Institutssicherung). Im Gegensatz sind ihre Einlagen bei privaten Kreditbanken nur bis zu einem bestimmten Betrag geschiitzt.^''^ Durch staatlichen Schutz konnen sich offentliche Banken einerseits zum gunstigeren Zinssatz refinanzieren und andererseits riskantere Kreditengagements eingehen. Dariiber hinaus wiirde ein weiterer Wettbewerbsvorteil fiir die offentlichen Banken entstehen, wenn der Staat aufgrund einer hoheren Risikoiibernahme auf eine hohere Risikopramie verzichtet. Diese drei Faktoren konnten dazu fiihren, dass der Staat ein Teil des Risikos von den Kunden offentlicher Banken iibernimmt und damit faktisch eine Subventionierung leistet. 1^1 Vgl. DONGES et al. (2001), S. 36-38. 1^2 Vgl. z.B. WiESEL (2002), KLEIN (2003), S. 85-146, SINN (1997), S. 34-82, HEDRICH (1992), BUSCHGEN (1998), S. 87-92, BLANKENBURG (2004), S. 387-394, D U L P (2002), S. 207-208, D O N G E S et al. (2001), S. 28-49, H A R T M A N N - W E N D E L S et al. (2004), S, 33-34. ^^^ Zu derr Gewahrtragerhaftung und der Anstaltslast sowie fiir die Beschreibung der durch die EU initiierten Anderungen vgl. Kapitel 2.6.2.3. ^^•^ Zum Zielsystem von Sparkassen vgl. Kapitel 2.6.2.3. 1"^^ Vgl. BUSCHGEN (1998), S. 88. 1"^^ Vgl. H A R T M A N N - W E N D E L S et al. (2004), S. 32-33.

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Die (angeblich) schwache Rentabilitat ofFentlicher Banken in Deutschland wird in der Literatur oft kritisiert und als ein Beleg fiir Wettbewerbsverzerrungen angesehen.^'''' An dieser Stelle muss diese Kritik mit Erstaunen zur Kenntnis genommen werden. Die DEUTSCHE BUNDESBANK verofFentlicht jahrlich in den Monatsberichten einen Aufsatz zur „Ertragslage deutscher Kreditinstitute" des Vorjahres. Bis auf wenige Ausnahmen haben Sparkassen und Landesbanken mindestens das gleiche Rentabilitatsniveau im Vergleich zu privaten Banken (vgl. Anhang B.2).^^^ Ein ahnliches Ergebnis ergibt sich bei der Analyse des Bewertungsergebnisses, welches die Hohe der abzuschreibenden Risiken anzeigt. Auch hier konnen im Durchschnitt keine iiberdurchschnittlich negativen Bewertungsergebnisse von Sparkassen festgestellt werden (vgl. Anhang B.3). Somit kann trotz eingeschrankter raumlicher DiversifikationsmogUchkeiten aufgrund des Regionalitatsprinips nicht von besonders riskanten Kreditengagements der Sparkassen gesprochen werden. Bessere Refinanzierungsmoglichkeiten konnen nur bei den Landesbanken direkt beobachtet werden, weil sie sich teilweise (iber den Kapitalmarkt refinanzieren und daher ein Rating besitzen. Hier konnte in der Vergangenheit tatsachlich ein positiver Einfluss der faktischen Insolvenzunfahigkeit der Landesbanken auf ihr Rating beobachtet werden kann.^^^ Dariiber hinaus miissen die Rentabilitatsvorteile von Sparkassen nicht per se durch Wettbewerbsverzerrung aufgrund von Staatsgarantien entstehen. Genau so moglich konnte eine bessere Kontrolle der Sparkassenvorstande durch einen GroBeigentiimer (die Kommune) anstelle zahlreicher Kleinaktionare eine hohere Rentabilitat bewirken, weil die GroBeigenttimer hohere Anreize haben, das Management zu iiberwachen und kontrollieren.^^^ Das Problem des Einflusses offentlicher Banken ist jedoch nicht deren fehlende Rentabilitat, sondern iiberhaupt eine (eventuelle) Ausrichtung auf Gewinnmaximierung. Dadurch miissen offentliche mit privaten Banken in Wettbewerb treten und eventuell Geschafte durchfiihren, die auch von den privaten Banken hatten wahrgenommen werden konnen. Ein auf Gewinnmaximierung ausgerichteter Erwerbszweck von offentlichen Banken ist nur eingeschrankt mit einem offentlichen Auftrag und dem gleichzeitigen Eingriff des Staates vereinbar. Insbesondere bei einer vollkommen zinselastischen Kreditnachfrage wiirden gewinnmaximierende offentliche Banken die privaten vollstandig vom Markt verdrangen. Dass die privaten Banken trotz des Eingriffes der offentlichen Hand weiterhin existieren, ^•^^ Vgl. stellvertretend SINN (1997), S. 46-49 und die dort angegebene Literatur. ^^^ Eine ausfiihrliche Betrachtung der wirtschaftlichen Lage der Banken wird in Kapitel 2.7 geleistet. 1^9 Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 33-34, SINN (1997), S. 37-46, NEUBERGER (1998), S.

195-202. 180 Vgl. z.B. KRAKEL (2004), S. 269-344, insb. S. 334-336.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

67

kann mehrere Ursachen haben. Eine mogliche Erklarung besteht in der nicht voUkommenen Zinselastizitat der Kreditnachfrage. Eine weitere Erklarung liegt in der Praferenzstruktur der Einleger, die nicht indifferent zwischen offentlichen und privaten Kreditinstituten entscheiden (konnen). Auch wenn die Geschaftspolitik der Sparkassen gesetzlich von der Gemeinniitzigkeit gepragt ist, sind die Sparkassen und Landesbanken, wie auch andere Banken auch, auf Gewinnerzielung angewiesen. Auf diese Tatsache wird in alien Sparkassenlandesgesetzen hingewiesen.^^^ Diese stellt nicht nur eine Grundvoraussetzung zur Erfiillung des offentlichen Auftrages dar (Quersubventionierung wenig ertragreicher Kundengruppen), sondern ist praktisch die einzige Moglichkeit fiir die Sparkassen und Landesbanken, ihr Eigenkapital im Rahmen der Gewinnthesaurierung zu erhohen.^^^ Dieser Sichtweise, die eine grundsatzliche Gewinnerzielungsabsicht bei der Analyse aller Banken unterstellt, wird im Rahmen dieser Arbeit gefolgt.^^^ 2.5.1.3.3 Kosten der Regulierung Die Eingriffe einer Regulierungsinstanz sind nur dann im gesamtwirtschaftlichen Interesse, wenn der Nutzen der Regulierung hoher als deren Kosten ist. Die direkten Kosten der Regulierung konnen dem Haushaltsplan der Regulierungsbehorde entnommen werden. In Deutschland ist die Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als staatliche Regulierungsbehorde zustandig.^^'^ Die Kosten der Behorde miissen laut §51 KredWG zu 90% von den zu iiberwachenden Instituten getragen und dem Bund erstattet werden.^^^ Als Bemessungsgrundlage fiir die Kostenverteilung zwischen den Instituten wird die Bilanzsumme herangezogen. Eine Ubersicht der Einnahmen sowie der Ausgaben der BaFin ist in Tab. 2.2 und Tab. 2.3 zusammengestellt.^^^ Der Haushalt der BaFin betrug im Jahr 2005 125,86 Mio. € . Fiir den Bereich Kreditwesen mussten die Institute 55,51 Mio. € bzw. 44,1% der gesamten Summe aufwenden ^^^ Vgl. z.B. §3 Abs. 2 Sparkassengesetz fiir offentlich-rechtliche Sparkassen im Lande Bremen. ^^^ Das Eigenkapital ist eine aufsichtsrechtliche Bemessungsgrundlage, die das mogliche Geschaftsvolumen von Banken begrenzt. Vgl. Kapitel 2.5.2. 1^^ Diese Sichtweise wird ebenfalls in der Literatur vertreten, vgl. z.B. TEBROKE (1993), BAXMANN (1995), BiJscHGEN (1998), LAUDI (2003). ^^"^ Zu BaFin und deren Aufgaben vgl. Kapitel 2.5.2. ^^^ Auch wenn iiber Regulierungskosten von Kreditinstituten gesprochen wird, muss bedacht werden, dass letztlich Bankenkunden die Regulierungskosten tragen. 1^^ Die Zahlen laut BUNDESANSTALT FOR FINANZDIENSTLEISTUNGSAUFSICHT (2002), BUNDESANSTALT FiJR FINANZDIENSTLEISTUNGSAUFSICHT (2003), BUNDESANSTALT FDR FINANZDIENSTLEISTUNGSAUFSICHT (2004) und BUNDESANSTALT FUR FINANZDIENSTLEISTUNGSAUFSICHT (2005).

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2 Banksektor

sowie weitere 25,06 Mio. € (19,9%) fiir den Bereich Wertpapierwesen.^^'^ AuBerdem fielen 14,03 Mio. € Gebiihren (z.B. Gebiihren fiir Banklizenzen) an. EINNAHMEN sonst. Erstattung von Verwaltungseinnahmen Verwaltungsausgaben 781 2002* 7427 64100 2003 11095 897 106836 2004 10413 1329 120736 2005 14031 1505 110319 * Ol.OS.i>G02 - 31.12.2002 Gebiihren

Summe 72308 118828 132478 125855

Tabelle 2.2: Einnahmen der BaFin 2002-2005. AUe Angaben in Tausend € . Der iiberwiegende Anteil der Ausgaben entfallt mit 75,11 Mio. € (60%) auf den Bereich Personal (vgl. auch die Abb. 2.9). Insgesamt hat die BaFin 1577 Plannstellen sowie 32 Ausbildungstsellen fiir das Jahr 2005 vorgesehen. Personal

Sachliche Verwaltungsausgaben 2002* 39525 14009 2003 74004 18671 2004 79930 27209 2005 75113 25630 * 01.05.2002 - 31.12.2002

AUSGABEN Informationstechnik 13239 21121 19877 19653

Sonstige A u s g a b e n

Summe

5535 5032 5462 5459

72308 118828 132478 125855

Tabelle 2.3: Ausgaben der BaFin 2002-2005. AUe Angaben in Tausend € .

Ausgaben 2005

4% 16%

i1

rm

20% \

74

B Personalausgaben

/60%

D Sachliche Verwaltungsausgaben DD Informationstechnik • Sonstige Ausgaben

Abbildung 2.9: Ubersicht der BaFin-Ausgaben im Jahr 2005

^^^ Es mussen ferner Kosten in Hohe von 29,8 Mio. € fiir den Bereich Versicherungswesen von den iiberwachten Instituten entrichtet warden.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

69

Auch wenn die Ausgaben der BaFin gemessen an den Bilanzsummen deutscher Kreditinstitute gering ausfalien,^^^ ist dennoch die Tendenz zu einer immer kostenintensiveren Regulierung bemerkenswert, die im Jahr 2004 ihren vorlaufigen Hohepunkt fand. Bin viel schwerwiegenderes ordnungspolitisches Problem ergibt sich durch eine mogliche hohere relative Kostenbelastung der kleinen Kreditinstitute durch indirekte Kosten. Diese wirken wie ein quasi-fixer Kostenblock, weil die Institute zur Erfiillung der Vorschriften erst ausreichende technische und personelle Ressourcen besitzen miissen. Da die Vorschriften fiir alle Banken im gleichen Mafie gelten, konnte dies kleine Banken vor Probleme stellen, weil sie eventuell keine ausreichende Betriebsgrofie erreichen konnen, um die bestehenden (nicht beliebig teilbaren) Ressourcen optimal nutzen zu konnen. Aus diesem Grunde werden von Banken Strategien entwickelt, wie die Kapazitaten, die teilweise durch die Bankregelungen entstehen, optimal genutzt werden konnten.^^^ Neben den direkten Kosten konnen durch Regulierungsarbeit indirekt Kosten verursacht werden, weil RegulierungsmaBnahmen den Entscheidungsraum der Kreditinstitute beschranken. Diese Einschrankung fiihrt zu unerwiinschten Ergebnissen, wenn volkswirtschaftlich wiinschenswerte Transaktionen aufgrund der Regulierung nicht getatigt werden. In diesem Fall entstehen zumindest Opportunitatskosten. Diese Kosten zu bestimmen ist praktisch unmogHch. Dennoch miissten diese vor jeder weiteren gesetzlichen Restriktion abgewogen werden. Die Wirkung aufsichtsrechtlicher Regelungen verstarkt sich bei einem international uneinheitlichen Regulierungsstandard. Besonders deutlich wird dies innerhalb der EU. Hier diirfen Banken ihre Dienstleistungen innerhalb der gesamten EU anbieten. Sie werden aber „nur" durch die jeweiligen nationalen Aufsichtsinstanzen gepriift. Wenn unterschiedliche Regulierungsvorschriften existieren, werden Kreditinstitute einzelner Lander unweigerlich benachteiligt. Somit wird eine (fehlende) Regulierung auch zu einem Standortfaktor. Wahrend die Kosten der Regulierung zumindest im Ansatz erfasst werden konnen, fehlt zur Messung des (volkswirtschaftlichen) Nutzens jeglicher Ansatzpunkt einer Quantifizierung. I.d.R. werden die volkswirtschaftlichen Schaden eines Bankensystemzusammenbruches herangezogen. Hier konnen historische Vergleiche einen Aufschluss iiber den Nutzen geben.^^°

^^^ Die Bilanzsumme aller deutschen Kreditinstitute betrug im Jahr 2004 6663 Mrd. € . ^^^ Diese Fragestellung beriihrt den Kern dieser Arbeit. Zu den diskutierten Strategien und die Frage nach der Betriebsgrofie vgl. Kapitel 5.5.2. ^^° Vgl. z.B. CALOMIRIS (1993), S. 26-63, die die gesamtwirtschaftlichen Schaden verursacht durch die grofie Depression 1928-1931 untersucht haben.

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2 Banksektor

2.5.2 Bankenregulierung in Deutschland Banken nehmen eine besondere Stellung in der Wirtschaft eines Landes ein, indem sie den Grofiteil des Geldvermogens verwalten und Unternehmen sowie private und ofFentliche Haushalte mit Kapital versorgen. Sie vermitteln, beraten, stellen Informationen bereit und iibernehmen teilweise Risiken. Aus diesem Grunde soil das Vertrauen der Einleger (= Glaubiger) gegeniiber den Banken in einem besonderen Mafie geschiitzt werden, weil ein Vertrauensverlust in die Banken deren Fahigkeit gefahrden wiirde, die gesamtwirtschaftlichen Aufgaben zu erfiillen. Das wiederum hatte negative Folgen fiir die Wirtschaft eines Landes.^^^ Fiir das Schaffen der Vertrauensbasis sind an erster Stelle die Banken selbst gefordert, die ihre Existenz der Senkung von Informationsasymmetrien und der Gewinnung des Vertrauens von Anlegern verdanken. Dariiber hinaus hat der Staat ein Interesse, mit gesetzlichen Vorschriften Vertrauen in das Bankensystem zu schaffen. Die wichtigsten Gesetze fiir die deutsche Kreditwirtschaft sind das Gesetz iiber das Kreditwesen (KredWG) und das Gesetz iiber die deutsche Bundesbank. Daneben gibt es eine weitere Fiille an Gesetzen, die den gewohnlichen Geschaftsverkehr der Banken regulieren. Diese Gesetze kann man in institutsgruppenorientierte Gesetze (z.B. Sparkassengesetz, Genossenschaftsgesetz etc.), geschaftsartenorientierte Gesetze (Verbraucherschutzgesetz, Geldwaschegesetz, Depotgesetz etc.) und allgemeine Wirtschaftsgesetze (z.B. Handelsgesetzbuch) unterteilen. Das KredWG bildet die Grundlage der Bankenaufsicht und soil dabei helfen, die allgemeine Ordnung und die Funktionsfahigkeit des Bankgewerbes zu wahren sowie die Glaubiger vor Vermogensverlusten zu schiitzen. Es stellt sicher, dass zum Betreiben von Bankgeschaften finanzielle, materielle und fachliche Mindestanforderungen erfiillt werden mtissen.^^^ Bei der Verfolgung dieser Ziele sollen den Banken grofitmogliche unternehmenspolitische Entscheidungsfreiraume gelassen werden. Das Ziel des Gesetzes ist nicht die Erhaltung jedes Kreditinstitutes, sondern die Erhaltung des gesamten Bankensystems. Zusammenbriiche einzelner Banken sind dabei nicht ausgeschlossen, solange die allgemeine Ordnung und Funktionsfahigkeit des Systems nicht gefahrdet werden.^^^

^^^ An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auf die aufierordentliche Bedeutung des Vertrauens in ein Banksystem sehr friih hingewiesen wurde, vgl. etwa B A G E H O T (1874), insb. S. 10-40; H A W T R E Y (1932), S. 117-300. Die Arbeiten beziehen sich auf den Londoner Finanzmarkt, der zu jener Zeit der entwickeltste Markt der Welt war. 1^2 Vgl. B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 37-39. 193 Vgl. B E T G E (1996), S. 147.

2.5 Das juristische Umfeld von Banken

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Alle Institute, die Bankgeschafte im Sinne des §1 KredWG betreiben, unterliegen den Vorschriften des KredWG.^^^ Die Bankenaufsicht wird durch die Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank wahrgenommen.^^^ Wahrend die BaFin die hoheitlichen Aufgaben iibernimmt, wird die laufende Uberwachung der Banken durch die Bundesbank durchgefiihrt. Das Erlassen der allgemeinen Regeln durch die BaFin muss mit der Bundesbank abgestimmt werden. Die BaFin ist zentrales Organ der Bankenaufsicht und nimmt seine Aufgaben im offentlichen Interesse wahr.^^^ Die Bundesbank iibernimmt mittels der Abwicklung der Meldungen eine laufende Uberpriifung von Banken.^^'' Die meisten Vorschriften des KredWG betreffen direkt oder indirekt den Einlegerschutz und soUen die Ausfallrisiken begrenzen. Diese Vorschriften lassen sich in drei Kategorien unterteilen: • Restriktionen, • Eingriffsbefugnisse und • Informationspflichten. Durch das KredWG (und die daran ankniipfenden Vorschriften) werden Restriktionen geschaffen, die die Moglichkeiten von Kreditinstituten zum Eingehen von Risiken begrenzen sollen. Derartige Restriktionen beinhalten Bestimmungen iiber Eigenmittelhinterlegung von risikobehafteten Positionen, Fristigkeiten von Aktiv- und Passivposten sowie organisatorische Mindeststandards. In Verbindung mit dem KredWG sind zahlreiche Rechtsverordnungen entstanden, von denen der Eigenmittel-Solvabilitatsgrundsatz (Grundsatz I) und der Liquiditatsgrundsatz (Grundsatz II) als die wichtigsten gelten. Die Tab. 2.4 gibt einen Uberblick iiber aktuelle Risikonormen.^^^ Um Kreditinstitute wirksam zu beaufsichtigen, muss die Bankenaufsicht ausreichend iiber die Geschaftstatigkeiten der Kreditinstitute informiert werden. Das KredWG beinhaltet daher weitgehende Informationspflichten der Kreditinstitute gegenuber den Aufsichtsinstanzen. In §44 KredWG ist eine generelle Auskunftspflicht der Kreditinstitute iiber alle Geschaftstatigkeiten verankert. Sowohl die BaFin als auch die Bundesbank 194 Ygj ^^^Yi die juristische Definition von Kreditinstituten in Kapitel 2.1.1. 19^ Vgl. B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 35.

196 Ygi B E C K E R (1997), S. 43. Zu den einzelnen Aufgaben und Kompetenzen vgl. B E T G E (1996), S. 206208. 19^ Vgl. B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 36.

198 Vgl. K U N Z E (2006), S. 150-173, HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 387.

2 Banksektor

72 Risikoart Ausfallrisiken Marktpreisrisiken Liquiditatsrisiken Operationelle Risiken Informationsrisiken

Gesetzliche Norm §§10, 12, 13 KredWG, Grundsatz I §10 KredWG, Grundstz I §11 KredWG, Grundsatz II §§13, 15, 17, 18, 21, MaRisk* §§23, 23a, 39, 49 KredWG

* Mindestanforderungen an das Risikomanagement

Tabelle 2.4: Gesetzliche Normen zu verschiedenen Risikoarten konnen jederzeit alle Unterlagen einsehen und an alien Sitzungen der KontroUgremien (z.B. Aufsichtsrat) teilnehmen. Dariiber hinaus sind die Institute zu laufenden Informationiibermittlungen nach §10 (Grundsatz I), §11 (Grundsatz II), §13, §13a (GroBkredite), §25 (Monatsausweise) und §26 (Jahresabschliisse) verpflichtet. Bei Vorliegen besonderer Ereignisse (§§12a, 14, 24) miissen ebenfalls Meldungen an die Bankenaufsicht erfolgen. Das KredWG gewahrt der BaFin weitgehende Sanktionsmoglichkeiten bei VerstoBen gegen die KredWG-Normen. Diese reichen von der Moglichkeit einer Fristensetzung zur Erfiillung der Normen bis bin zur SchlieBung eines Kreditinstitutes. Die wichtigsten Sanktionsmoglichkeiten der BaFin sind in den §§33-37 und 45-46a KredWG enthalten. In besonders prekaren Situationen, in denen schwerwiegende Schaden fiir das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht entstehen konnen, kann die Bundesregierung ein Moratorium fiir die Verbindlichkeiten der Kreditinstitute erlassen sowie Kreditinstitute vortibergehend schlieBen.^^^ Die gegenwartigen Vorschriften des KredWG beruhen groBenteils auf den Vereinbarungen des Ausschusses fiir Bankenaufsicht der Bank fiir Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) aus dem Jahr 1988 (auch Basel I genannt). Einige der Vorschriften haben sich als unzureichend erwiesen und haben zu unbeabsichtigten Ausweichreaktionen gefiihrt. Das veranlasste den Basler Ausschuss fiir Bankenaufsicht zur Neukonzeption der Vorschriften, die seitdem als Basel II bezeichnet werden und ab 2007 gelten sollen.^°°

1^9 Vgl. §47 KredWG. ^°° Fiir einen ersten Uberblick uber die Anderungen der Vorschriften vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 393-396, DEUTSCHE BUNDESBANK (2004), S. 75-100, OELERICH (2005), S. 63-72.

2.6 Struktur von Bankensystemen

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2.6 Struktur von Bankensystemen 2.6.1 Bankensysteme Um ein Bankensystem zu betrachten, ist es hilfreich, zunachst die Merkmale eines beliebigen Systems zu analysieren. Nach BERTALANFFY (1950) besteht ein System aus einer Anzahl von untereinander interagierenden Elementen. Die beschreibenden Merkmale eines Systems sind seine Elemente, die Eigenschaften der Elemente sowie die Beziehungen zwischen den Elementen untereinander.^^^ Systeme lassen sich anhand verschiedener Kategorien unterscheiden. Man kann Systeme in offene und geschlossene, kiinstliche und natiirliche, ideale und reale oder statische und dynamische klassifizieren.^^^ Bei einer Ubertragung des Systemgedankens auf die Banken lassen sich folgende Charakteristika allgemein identifizieren. Die Elemente eines Bankensystems sind (Geschafts-) Banken sowie eine Zentral(noten)bank. Je nach Auspragung der Arbeitsteilung zwischen Banken kann man zwischen Trennbank- und Universalbanksystemen unterscheiden. Die Auspragung kann (z.B. in den USA) gesetzlich verankert sein. Dadurch ergeben sich verschiedene Eigenschaften der Elemente eines Bankensystems. Zwischen den Elementen dieses Bankensystems konnen verschiedenartige Beziehungen auftreten und Subsysteme entstehen. Ferner sind Bankensysteme offen und gehen zahlreiche Beziehungen mit der Umwelt ein. Bankensysteme haben allerdings keinen natiirlichen Entstehungsgrund und stellen daher kiinstliche Systeme dar. Im Zeitablauf konnen Bankensysteme Anderungen (z.B. Gesetzesanderungen) unterworfen sein und sind daher dynamisch.^^^ Die heutigen Bankensysteme sind Ergebnis eines historischen Prozesses, in dem eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren die Entwicklung des Bankensystems beeinflusst hat. Folgende Faktoren sind fiir vergangene und zukiinftige Entwicklungen von Bedeutung: • Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, • Struktur und Volumen der Nachfrage nach Bankdienstleistungen und die Veranderung im Zeitablauf,^^^ • rechtliche Rahmenbedingungen,^^^ • Entwicklungsstand und -veranderung der Wirtschaft allgemein. 201 Vgl. BERTALANFFY (1950), S. 143. 202 Vgl. BERTALANFFY (1950), S. 146-163. 203 Vgl. H E I N (2001), S. 230-231. 204 Vgl. Kapitel 2.7. • Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen vgl. Kapitel 2.5.

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2 Banksektor Die genannten Faktoren diirfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr konnen

sie sich gegenseitig bedingen oder gar ausschliefien.^^^ Die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung sind Faktoren, die die Bankensysteme und deren Ausgestaltungsmerkmale am weitesten beeinflussen. Als Ordnung wird die Konfiguration einer Vielzahl von Elementen zu einem Ganzen unter Beachtung bestimmter Ordnungsprinzipien (Regeln) verstanden. Unter dem (deskriptiven) Begriff der Wirtschaftsordnung^^^ versteht man die Gesamtheit aller realisierten Formen, in denen der Wirtschaftsprozess ablauft. Die ineinander greifenden Teilordnungen der Wirtschaft beruhen auf elementaren Ordnungsformen, wie z.B. Wirtschaftssystem, Marktform, Form der Geldwirtschaft etc. Je nach Gewichtung der elementaren Formen konnen sich verschiedene Gesamtordnungen ergeben. Die Wirtschaftsordnung ist durch die Gesellschaftsordnung und deren Werte determiniert.^^^ So haben sich innerhalb der Marktwirtschaft und der Zentralplanwirtschaft unterschiedliche Bankensysteme entwickelt.^^^ Daneben konnten in iiberalen Wirtschaftsordnungen verschiedenartige Bankentypen entstehen. Klassifiziert man die Bankensysteme nach Art und Umfang der Arbeitsteilung, kann man (idealtypisch) nach Art der Spezialisierung Universalbanken- und Spezialbanken- bzw. Trennbankensysteme unterscheiden. Bei Universalbanken handelt es sich um Banken, die in Ihrer Geschaftstatigkeit nicht in quantitativer, regionaler, kundenbezogener, branchenmafiiger und qualitativ-sachlicher Art beschrankt werden. In der Kegel bezeichnet man diejenigen Kreditinstitute als Universalbanken, die sowohl das Einlagen- und das Kreditgeschaft als auch das Effektengeschaft betreiben. Demgegeniiber sind Spezialbanken solche Banken, die sich bei der Ausiibung ihrer Geschafte entweder auf das Einlagen- und Kreditgeschaft („Commercial Banks") oder auf das Effektengeschaft („Investment Banks") konzentriert haben. Idealtypisch umfasst ein Universalbankensystem nur Universalbanken, dagegen ein Trennbankensystem nur Spezialbanken. Die Entstehung der verschiedenen Bankensysteme in unterschiedlichen Landern ist das Result at eines komplexen Prozesses von recht lichen, okonomischen und ideengeschichtlichen Faktoren.

206 Vgl. BUSCHGEN (1993), S. 29. 2°^ Neben dem deskriptiven kann man auch zwischen dem normativen und dem juristischen Begriff der Wirtschaftsordnung unterscheiden, vgl. BuscHGEN (1993), S. 28. 208 Vgl. BUSCHGEN (1993), S. 29. 20^ Genau so wie ein unzweckmaBiges Bankensystem die Zielerfiillung erschweren kann, so kann ein optimal gestaltetes Bankensystem zur Erreichung iibergeordneter, staatlicher Ziele genutzt werden.

2.6 Struktur von Bankensystemen

75

In Grofibritannien, als klassisches Beispiel eines freiwilligen Trennbankensystems, hat die Industrialisierung friih eingesetzt. Aus Kolonialbesitz, SchifFfahrt und internationalem Handel hat das Biirgertum hohes Vermogen akkumuUert und hat dieses den Industriebetrieben zur Verfiigung gestellt. Diese konnten aufgrund des damaligen schwachen Marktwettbewerbs hohe Gewinne erwirtschaften und sich selbst finanzieren. Der iiberwiegend kurzfristige Kreditbedarf wurde von den lokal gegriindeten Depositenbanken bedient. Auf der anderen Seite begaben der britische Staat und die Eisenbahngesellschaften grofivolumige Anleihen auf dem Finanzmarkt, der von Wertpapierinstituten organisiert wurde. Seit den 1970er ist in Grofibritannien jedoch ein Trend zum Universalbankensystem beobachtbar. Die ehemaligen Depositenbanken, die auf kurzfristige Depositen- und Kreditgeschafte spezialisiert waren, bieten mittlerweile alle bankiiblichen Dienstleistungen an.^^^ Dagegen konnten am Anfang der industriellen Entwicklung in Deutschland Unternehmen nicht auf ein finanzstarkes Biirgertum zuriickgreifen. In einem Umfeld mit hohem Wettbewerb und geringen Margen waren die Unternehmen im hohen Mafie auf Aufienfinanzierung angewiesen. Die Banken in Deutschland, die durch einen breiten Einlegerkreis (Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Aktiengesellschaften) den hohen Kapitalbedarf decken konnten und immer universal tatig waren, haben sich i.d.R. an den neuen Unternehmen beteiligt und die Anteile so lange gehalten, bis ein Verkauf iiber die Borse moglich war. Die Banken haben somit mafigeblichen Einfluss auf die positive Entwicklung der damals riickstandigen deutschen Wirtschaft gehabt bzw. deren Entwicklung iiberhaupt erst ermoglicht, indem sie bereit und in der Lage waren, kurzfristige Einlagen der Anleger in langfristige Kredite fiir die Industrie zu transformieren. Neben den okonomischen Erfordernissen wurde die Bildung von Universalbanken in Deutschland ideengeschichtlich durch die Griindung der Societe Generale du Credit Mobilier in Paris 1852, die eine Vorbildfunktion fiir Universalbanken einnahm,^^^ sowie die Ideen des Saint Simonismus^^^ beeinflusst.^^^ Zur Beantwortung der Vorteilhaftigkeit eines Bankensystemtyps ist letztlich die Frage nach der Effizienz eines Bankensystems entscheidend. Dabei muss gepriift werden, welche Auswirkungen die jeweiligen Bankensysteme auf Kunden und Gesamtwirtschaft haben. Diese Fragestellung ist momentan Gegenstand einer intensiven Forschung in der Finanz210 Vgl. BOSCHGEN (1993), S. 44-46. 211 Vgl. RiSSNER (1905). 212 Der Grundgedanke war es, die Mittel der Arbeiter auf vorteilhafteste Weise auf Produzenten zu verteilen. Diesem Gedanken folgten ebenfalls die Griinder der Credit Mobilier. 213 Vgl. BuscHGEN (1993), S. 47-50

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2 Banksektor

wirtschaft. Daher werden im Folgenden die wichtigsten Argumente aus der Literatur fiir und wider die jeweiligen Bankensysteme zusammengefasst.^^'* Bei Universalbankensystemen geht man davon aus, dass sie aufgrund der Zusammenlegung der Geschaftsfelder i.d.R. groBere Institute hervorbringen, die bei eventuellen Zusammenbruchen negativen Einfluss auf die Finanzstabilitat eines Landes hatten. Diese Banken konnten moglicherweise zu grofi werden und miissten im Falle einer Krise von der Aufsichtsbehorde bzw. dem Staat gerettet werden, um mogliche Folgewirkungen zu minimieren („too big to fall").^^^ Gleichzeitig gehen Universalbanken verschiedenartige und in der Gesamtheit komplexe Geschaftsbindungen ein und sind schwierig zu iiberwachen und zu regulieren. Auf der anderen Seite sind Spezialbanken kleinere Institute, die sich auf einzelne Geschaftsfelder und/oder einzelne Regionen konzentrieren. Daher sind sie zum einen einfacher zu regulieren und zum anderen wiirden sich aus einer moglichen Insolvenz keine weitreichenden Folgen fur die Stabilitat des Finanzsystems ergeben. Andererseits konnte bei diesen Banken das Problem einer nicht ausreichenden Diversifikation auftreten. Zu Beginn der 1980er erlebten die U.S.-amerikanischen „Saving and Loan Banks" eine tiefe Krise mit zahlreichen Insolvenzen, gerade weil sie produktmafiig und regional zu wenig diversifiziert waren.^^^ Eine vergleichbare Krise mit Zusammenbriichen von Kreditinstituten gab es in Landern mit Universalbanken nicht. Eine weitere interessante Frage bei der Beurteilung der Bankensysteme ist die Effizienz der Kapitalallokation. Hierzu gibt es Hinweise, dass Universalbanken sowohl die Kapitalund Risikoallokation als auch die Reduzierung der Agency-Kosten insgesamt giinstiger abwickeln, als es Spezialbanken bzw. (unvollkommene) Kapitalmarkte tun konnen. Dazu konnen Universalbanken eine Risikoteilung innerhalb einer Bank und eine Subventionierung temporar unrentabler Bankdienstleistungen vornehmen. Allerdings konnen auch (Insider-) Informationen aus einer Abteilung und deren Ausnutzung in anderen Abteilungen zu unerwiinschten Folgen fiihren. Dabei sind zwei Szenarien denkbar: das Kreditinstitut vergibt einem kreditunwiirdigen Unternehmen einen Kredit, weil es seine Aktien besitzt (oder an der Emission beteiligt war) oder die Investmentabteilung empfiehlt eine Aktie zum Kauf, nur weil das Kreditinstitut vorher dem Unternehmen einen grofivolumigen Kredit verliehen hat. Das erste Szenario ist wenig wahrscheinlich, da die Bank in ^^"^ Vgl. hierzu ALLEN und GALE (1995), ALLEN und GALE (2000), BECK und LEVINE (2002), BENSTON

(1994), ERGUNGOR (2003), GREENWOOD und JOVANOVIC (1990), RAJAN und ZINGALES (2001).

^^^ Das Wissen um die eigene Bedeutung kann wiederum zu Moral Hazard bei Bankenmanagern fiihren, die dann unverhaltnismaCig hohe Risiken eingehen. ^^^ Vgl. BENSTON und CARHILL (1994). Fiir eine breite Auseinandersetzung vgl. NOLLING (1994).

2.6 Struktur von Bankensystemen

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diesem Fall wenig zu verdienen hatte und gleichzeitig die Gefahr sehr groB ist, dass der Kreditbetrag nicht zuriickgezahlt wird. Ein okonomischer Zwang zu diesem Handeln ist daher nicht gegeben. Auch das zweite Szenario ist unwahrscheinlich. Zum einen sind solche Geschafte gesetzlich untersagt.^^^ Zum anderen wiirde das Kreditinstitut bei Bekanntwerden einen erheblichen Reputationsverlust erleiden und gerade im Investment Banking ist eine sehr gute Reputation unabdingbar. Letztlich sind Spezialbanken vom gleichen Problem betrofFen, wenn der zustandige Mitarbeiter in einem Unternehmen durch Wertpapiere oder personliche Kontakte involviert ist. Nachteilig wirkt, dass in einem Trennbankensystem Kreditwiirdigkeitspriifungen sowohl von Investment Banken als auch von Commercial Banken durchgefiihrt werden miissen.^^^ Diese Punkte zeigen eher eine Vorteilhaftigkeit von Universalbankensystemen an. Ein kritischer Aspekt bei der Betrachtung von Universalbanken ist die Moglichkeit der Ausnutzung von Marktmacht. Die Marktmacht von Universalbanken kann in drei denkbaren Fallen auftreten: Verdrangung von anderen Finanzinstitutionen, Dominanz iiber Nicht-Banken und Marktmacht gegeniiber Kunden.^^^ Eine Dominanz der Universalbanken gegeniiber den Spezialbanken wiirde sich vor allem dann ergeben, wenn bedeutende Skalen- und Verbundeffekte bei Banken beobachtbar waren. Die bisherige empirische Evidenz konnte jedoch nur marginale Skalen- und Verbundefffekte bei Banken feststellen. Ferner erreichen Universalbanken selbst in Deutschland, das als klassisches Vorbild fiir Universalbankensysteme gilt, nur einen Anteil von 74% am Geschaftsvolumen, gemessen an der Bilanzsumme (vgl. Abb. 2.8, S. 63). Obwohl in Deutschland wahrend der gesamten Finanzsystementwicklung das Universalbankenprinzip vorherrschend war, haben Universalbanken die existierenden Spezialbanken nicht vom Markt verdrangt. Die Gefahr einer Dominanz der Universalbanken gegeniiber den Unternehmen des Nicht-Banken-Sektors kann aus einem direkten Eigentiimerverhaltnis, mit Wahrnehmung der Stimmrechte von Depotbesitzern, mit der Ausiibung der Aufsichtsratmandate durch Mitarbeiter von Banken und durch die Stellung als Kreditgeber entstehen. Die fiir Deutschland durchgefiihrten Monopolkommissionen konnten jedoch keine Anzeichen einer missbrauchlichen Nutzung der (okonomischen) Macht von Banken ^^^ In Deutschland durch das Wertpapierhandelsgesetz. ^^^ Allerdings konnte die „Fehlertoleranz" von Universalbanksystemen steigen. Wahrend in Trennbanksystemen die Kreditwiirdigkeitprufung eines Unternehmens von zwei unabhangigen Institutionen durchgefiihrt wird, erfolgt in Universalbanksystemen unter Umstanden nur eine Kreditwiirdigkeitprufung. 21^ Vgl. MoNOPOLKOMMissiON (1978) und STUDIENKOMMISION DES BUNDESMINISTERIUMS DER FINAN-

ZEN (1979).

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2 Banksektor

gegeniiber anderen Unternehmen feststellen.^^^ Eine Kontrolle durch Banken kann im Gegensatz disziplinierende Wirkung auf das Management haben, da sich dieses gegeniiber einem gut organiserten Interessenvertreter in Form von Banken nur dann durchsetzen kann, wenn gleichgerichtete Interessen fiir alle Anleger (Aktionare und Glaubiger) geschaffen werden. Empirische Untersuchungen zum Einfluss vom Anteilsbesitz auf Nichtbankenunternehmen haben zu unterschiedlichen Ergebnissen gefiihrt, die eine generelle Aussage nicht ermoglichen.^^^ Ferner konnten Universalbanken durch ihre Marktmacht ihre Kunden zu den sog. Koppelgeschaften zwingen. Dann miissten Bankenkunden beispielsweise bei Aufnahme eines Hypothekendarlehens gleichzeitig eine Hausratversicherung und/oder eine Automobilkaskoversicherung bei der Bank kaufen. Wahrend die Kombination Hypothekendarlehen und Hausratversicherung noch sinnvoll sein konnte, besteht in der Kombination Hypothekendarlehen und Automobilkaskoversicherung kein sach-logischer Zusammenhang. Diese Geschafte sind zwar gesetzlich nicht zulassig, dennoch konnten einzelne Banken in juristisch zulassiger Form versuchen, den Kunden die Geschafte aufzuzwingen. In dem Fall waren eine freie Wahl zwischen verschiedenen Produkten und Anbietern nicht mehr gewahrleistet. Gestaltungsmoglichkeiten fiir dieses Verhalten sind fiir die Banken sehr eng begrenzt, da Kunden jederzeit das Hypothekendarlehen bei einer konkurrierenden Bank nachfragen konnten.^^^ Anderseits konnen durch das Anbieten von (sinnvollen) Geschaften bei den Kunden durchaus weniger (explizite und implizite) Kosten entstehen. Bei der Betrachtung dieser vielfaltigen Aspekte eines „optimalen" Bankensystems ist eine allgemein gultige Empfehlung fur und wider ein bestimmtes System nicht moglich. Insbesondere fehlen empirische Befunde fiir die zahlreich aufgestellten Hypothesen und Gegenhypothesen, da zuverlassiges Datenmaterial nur schwer zuganglich ist.^^^

22° Vgl. STUDIENKOMMISION DES BUNDESMINISTERIUMS DER FINANZEN (1979), S. 7-41 sowie Ausftihrungen von NEUBERGER (1997), S. 21-28. 221 Vgl. C A B L E (1985), E D W A R D S und F I S C H E R (1994), S C H W I E T E und W E I G A N D (1997), E L S T O N und A L B A C H (1995), P E R L I T Z und S E G E R (1994), SCHMID (1996).

222 Auch aus diesem Grunde ist eine funktionierende Wettbewerbspolitik unabdingbar. Zur Wettbwerbspolitik vgl. Kapitel 2.5.1.2. 223 p^j. einen moglichen Vergleich der Performance von verschiedenen Finanzsystemen vgl. STEINHERR (1996), S. 17-28.

2.6 Struktur von Bankensystemen

79

2.6.2 Elemente des deutschen Bankensystems 2.6.2.1 Grundlagen Die Elemente des Bankensystems, die relevant fiir den deutschen Markt sind, sind das Europaische System der Zentralbanken (ESZB)/Eurosystem und die Geschaftsbanken. Das ESZB setzt sich aus der Europaischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Das Eurosystem dagegen umfasst die EZB und die Zentralbanken der Mitgliedsstaaten, die den Euro eingefiihrt haben. Weil Aufbau, Funktionen und Instrumente des ESZB fiir diese Arbeit ohne besondere Bedeutung sind, wird auf weitergehende Darstellungen verzichtet.^^^ Das deutsche Bankensystem ist ein Universalbankensystem, da alle Kreditinstitute grundsatzlich jede Art von Geschaften ausiiben diirfen. Trotzdem sind nicht alle Banken in Deutschland auch Universalbanken. Es haben sich, meist historisch entwickelt, eine Reihe von Spezialbanken etabliert, die jedoch den Verlauf dieser Arbeit nicht weiter beriihren und daher nicht gesondert dargestellt werden.^^^ Neben einer Systematisierung des Bankensystems nach dem Umfang der angebotenen Geschafte konnen Verbunde (Subsysteme) von Banken nach ahnlicher Rechtspersonlichkeit unterschieden werden, da damit oft eine spezifische Zielrichtung der Geschaftstatigkeit vorgegeben ist. In der Gruppe der Universalbanken konnen nach der Rechtspersonlichkeit drei Untergruppen unterschieden werden: die privatrechtlich organisierten Kreditbanken^ die offentlich-rechtlichen Sparkassen mit Girozentralen (Landesbanken) und die Genossenschaftsbanken mit genossenschaftlichen Zentralbanken. Unter Spezialbanken konnen u.a. Realkreditinstitute, Bausparkassen, Direktbanken, Wertpapiersammelstellen, Kapitalanlagegesellschaften und Kreditinstitute mit Sonderaufgaben subsumiert werden. Die Mehrheit der Spezialbanken wurden von Universalbanken aufgekauft oder als Tochterunternehmen gegriindet. Ein Uberblick iiber das deutsche Bankensystem ist in der Abb. 2.10 wiedergegeben.^^^. Im Folgenden werden lediglich kurz die Universalbanken beschrieben.^^''

224 Fiir eine Darstellung vgl. z.B. DEUTSCHE BUNDESBANK (1995), S. 68-97 oder HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 40-45. 22^ Die Unterscheidung zwischen Universal- und Spezialbanken ist eine rein okonomische. Aus der Sichtweise des KredWG (§1) existiert keine Unterscheidung zwischen Bankentypen, alle Banken fungieren als Universalbanken. 226 Vgl. KESSLER (1996), S. 29-30. 227 Fur einen detaillierte Darstellung vgl. BUSCHGEN (1993), S. 51-102.

2 Banksektor

80

Elemente des deutschen Bankensektors Zentralnotenbanken

Geschaftsbanken

Kreditbanken Europaische Zentralbank Deutsche Bundesbank

Grofibanken

Universalbanken Sparkassen Sparkassen

Regionalbanken Deutsche Post- Landesbanken bank Privatbankiers auslandische Banken

DEKA

Spezialbanken Geno* Genossenschaftsbanken

Realkreditinstitute

genossenschaftliche Zentralbanken

Bausparkassen Direktbanken Kapitalanlagegesellschaften Wertpapierbanken

* Genossenschaftsbanken

Abbildung 2.10: Struktur des deutschen Bankensystems 2.6.2.2 Kreditbankensektor Kreditbanken sind Universalbanken in einer privaten Rechtsform. Die Bundesbank unterteilt sie noch weiter in GroBbanken,^^^ Regionalbanken und sonstige Kreditbanken sowie Zweigstellen auslandischer Banken.^^^ Charakteristisch fiir GroBbanken ist, dass sie alle Bankleistungen anbieten, ein groBes Filialennetz haben, sich stark auf auslandischen Markten engagieren und durch Neugriindungen, Fusionen und Unternehmenszukaufe Finanzkonzerne geworden sind. Die Regionalbanken haben eine ahnliche Struktur wie die GroBbanken, allerdings beschranken sie sich meist auf ein bestimmtes geografisches Gebiet.^^° Unter sonstigen Kreditbanken sind insbesondere „Corporate Banks" zu nennen, die als Tochterunternehmen von Handels- und Industrieunternehmen primar deren Bankgeschafte betreuen. Die Zweigstellen auslandischer Banken sind Tochterunternehmen, Reprasentanzen oder Niederlassungen (Zweigstellen) von Banken, die ihren Hauptsitz im Ausland haben. Diese werden aufgrund zunehmender Verflechtung der Weltwirtschaft und eines hohen Stellenwertes des Finanzmarkts in Deutschland gegriindet.^^^

^^^ Zu den GroBbanken werden gezahlt: Deutsche Bank AG, Dresdner Bank AG, Commerzbank AG, Bayerische Hypotheken- und Vereinsbank AG und Deutsche Postbank AG. 229 Vgl. KLEIN (2003), S. 26-27. 2^^ So wurden die Vorgangerbanken der Bayerischen Hypotheken- und Vereinsbank AG bis einschliefilich Dezember 1998 zu Regionalbanken gezahlt. 231 Vgl. BECKER und PEPPMEIER (2002), S. 80-81.

2.6 Struktur von Bankensystemen

81

2.6.2.3 Sparkassensektor Der Sparkassensektor bietet alle Universalbankdienstleistungen wie Kreditbanken an, weist aber einige spezifische Merkmale auf.^^^ Die Institute des Sparkassensektors werden, bis auf wenige Ausnahmen, seit 1931 als rechtsfahige Anstalten des ofFentlichen Rechts gefiihrt,^^^ fiir deren Verbindlichkeiten ofFentliche Gewahrtrager haften. Als Gewahrtrager fungieren in der Kegel Gemeinden, Kommunen oder Landkreise, in denen die Sparkassen (bzw. Landesbanken) operieren.^^^ Dabei sind zwei Formen der Haftung zu unterscheiden: 1. Anstaltslast - die Institute miissen vom Trager mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet werden, um ihre Aufgaben jederzeit wahrnehmen zu konnen. 2. Gewahrtragerhaftung - im Falle einer Insolvenz haften die Trager unbeschrankt fiir die Verbindlichkeiten der Institute. Ob die Haftung der offentlichen Trager fiir die Verbindlichkeiten der Sparkassen eine Benachteiligung der Wettbewerbspositionen nichtoffentlicher Banken zur Folge hat, ist Gegenstand einer lang gefiihrten Debatte (vgl. insb. Kapitel 2.5.1.3).^^^ Bereits 1961 ersuchte der deutsche Bundestag die Bundesregierung zu priifen, ob die Begiinstigung der offentlichen Kreditinstitute zur Wettbewerbsverzerrung fiihrt. Die dafiir eingesetzte Enquetekommission kam in ihrem Abschlussbericht im Jahr 1968 zum Ergebnis, dass keine Anderung der geltenden Rahmenbedingungen notwendig sei.^^^ Eine neue Qualitat hat die Debatte mit der Entscheidung der EU-Kommission im Jahr 1999 zur Eigenmittelausstattung der Westdeutschen Landesbank (WestLB) bekommen, die die Einbringung (niedrig verzinster) staatlicher Vermogensgegenstande in die Landesbank als unzulassige Staatsbeihilfe gewertet hat. Anschliefiend legte die Europaische Bankenvereinigung eine Wettbewerbsbeschwerde ein, auf deren Grundlage die europaische Kommission die staatliche Haftungsgarantie fiir Sparkassen und Landesbanken als unzulassig erklart hat. Nach einer langen Auseinandersetzung zwischen der Europaischen Kommission und der deutschen Bundesregierung wurde die Abschaffung der Gewahrtragerhaftung und eine Modi232 Vgl. KESSLER (1996), 233 Vgl. KESSLER (1996), Sparkassen existieren BiJscHGEN (1998), S. 234 Vgl.

B E C K E R und

S. 30. S. 30; B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 82. Neben den offentlich-rechtlichen einige sog. freie Sparkassen, vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (2002), S. 62, 92.

P E P P M E I E R (2002), S.

82.

235 Im Kapitel 2.5.1.3 werden die Moglichkeiten, Grenze und unterschiedliche EfFekte eines regulatorischen Eingreifens des Staates in den Bankensektor diskutiert. Im Kapitel 2.5.1.3.2 werden explizit die Auswirkungen der Exsitenz von offentlich-rechtlichen Unternehmen im Bankensektor erortert. 236 Vgl. KLEIN (2003), S. 17.

82

2 Banksektor

fizierung der Anstaltlast vereinbart.^^^ Ob es nach der Ubergangsfrist jedoch zur Privatisierung bzw. Teilprivatisierung kommt oder ob staatliche Investoren weiterhin alleinige Eigentiimer von Sparkassen bleiben, ist zur Zeit Gegenstand kontroverser Diskussionen.^^^ Die Organe der Sparkassen sind der Vorstand, der die Sparkasse operativ leitet und nach aufien vertritt, und der Verwaltungsrat, der die Geschaftsfiihrung iiberwacht und allgemeine Richtlinien zur Geschaftspolitik erlasst.^^^ Die Sparkassen miissen bei der Ausfiihrung ihrer Geschafte die Sparkassengesetze der jeweiligen Bundeslander beachten. Ihre Geschaftstatigkeit ist geografisch auf das Gebiet des Gewahrtragers beschrankt (Regionalprinzip).^^^ Hierdurch sollen die von der ortlichen Bevolkerung eingelegten Gelder der ortlichen Wirtschaft in Form von Krediten zur Verfiigung gestellt werden. Durch das Regionalprinzip werden die Sparkassen sowohl im Wettbewerb beschrankt als auch vom Wettbewerb geschiitzt.^^^ Zudem sind ihnen risikobehaftete Effekten- und Devisengeschafte sowie Beteiligungen aufierhalb des Sparkassensektors untersagt.^"*^ Bisher mussten Sparkassen als Anstalten offentlichen Rechts einen offentlichen Auftrag wahrnehmen (vgl. Abb. 2.11), wie etwa die Forderung des Sparsinns, der Vermogensbildung und der sicheren Geldanlage sowie Sicherstellung der Kreditversorgung der ortlichen Wirtschaft und Bevolkerung. Die Erfiillung des offentlichen Auftrages war bis zu der Auseinandersetzung mit der EU die Hauptaufgabe von Sparkassen. Als Nebenziele von Sparkassen konnen die Erwerbsziele angesehen werden (vgl. Abb. 2.11), die zumindest aus zwei Griinden von Sparkassen verfolgt werden miissen. Zum einen unterliegen Sparkassen als gewohnliche Kreditinstitute den strengen aufsichtsrechtlichen Normen des KredWG und miissen daher in einer kaufmannischen Art und Weise gefiihrt werden. Zum anderen benotigen die Sparkassen, auch aufgrund prekarer Haushaltslage vieler Gewahrtrager, durch Gewinne gebildeter Riicklagen, die die Grundlage fiir kiinftige Geschafte darstellen.^^^ Die Geschaftstatigkeit von Sparkassen und ihre eventuelle Ausrichtung auf Gewinnerzielung ist Gegenstand lang gefiihrter Diskussionen um den Eingriff des Staates in das allgemeine

237 Vgl. H A R T M A N N - W E N D E L S et al. (2004), S. 32-33. 238 Vgl. z.B. WiESEL (2002), KLEIN (2003), S. 85-146, SINN (1997), S. 34-82, H E D R I C H (1992), B L A N KENBURG (2004), S. 387-394, D U L P (2002), S. 207-208, D O N G E S et al. (2001), S. 28-49. 239 Vgl. K E S S L E R (1996), S. 82. 2^^^ Vgl. B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 82.

241 Vgl. K E S S L E R (1996), S. 34. 242 Vgl. B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 82.

243 Vgl. z.B. KESSLER (1996), S. 36 - 42, OELLERKING und HOLZGRABE (1990), S. 39-66. Abbildung in Anlehnung an KLEIN (2003).

2.6 Struktur von Bankensystemen

83

Marktgeschehen. Diese Diskussion wird an anderen Stellen dieser Arbeit wieder aufgegriffen und fortgefiihrt.^^^ Sparkassen

X

3_

Oifentlicher Auftrag

Erwerbsziele

Kreditwirtschaftliche Versorgung

Forderung des Sparsinns

Rentabilitat

Wachstum

Hausbank der Gewahrtrager

Wettbewerbskorrektur

Liquiditat

Solvabilitat

Abbildung 2.11: Zielsystem deutscher Sparkassen Neben Sparkassen gehoren dem Sparkassensektor Landesbanken/Girozentralen und die DGZ DekaBank sowie weitere Verbundunternehmen (z.B. LBS, VGH, Deutscher Sparkassenverlag etc.) an. Ferner existiert ein ausgepragtes Verbandswesen (Sparkassen- und Giroverbande). Landesbanken stellen den Mittelbau der Sparkassenorganisation dar. Ihre Gewahrtrager sind gewohnlich die jeweiligen Bundeslander.^^^ Sie nehmen ihre Funktionen wahr als Girozentralen, die zentrale Verrechnungs- und Refinanzierungsstellen fur Sparkassen sind, als Landesbanken, die Betreuung von Bankgeschaften der Bundeslander und Gemeinden sowie Forderung der regionalen Wirtschaft iibernehmen, und als Geschaftsbanken, die in gewohnlichen Bankgeschaften tatig sind.^^^ Das Zentralinstitut des deutschen Sparkassensektors ist die DGZ DekaBank. Die Anteilseigner sind Landesbanken und, liber den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, Sparkassen. Die Hauptgeschaftsfelder der Bank sind grofivolumige Universalbankgeschafte und das Investmentfondsgeschaft.^^^ Somit kann der Sparkassensektor in seiner Organisation Bankdienstleistungen aller Art und Volumina anbieten.

244 Vgl. Kapitel 2.5.1.3 und Kapitel 3.3. 24^ Allerdings konnen es auch Sparkassenverbande oder andere Landesbanken sein, vgl. B E C K E R und P E P P M E I E R (2002), S. 83. 246 Durch ihre Funktion erweitern und erganzen sie das Angebot der Sparkassen (Subsidiaritatsprinzip). Dadurch soil die Benachteiligung der Sparkassen durch das Regionalprinzip teilweise wieder aufgehoben werden, vgl. GUNKEL (1996), S. 82-98. 247 Vgl. G U N K E L (1996), S. 81.

84

2 Banksektor

2.6.2.4 Genossenschaftsbankensektor Der genossenschaftliche Bankensektor ist, ahnlich dem Sparkassensektor, historisch als ein dreistufiges System entstanden. Auf der ortlichen Ebene operieren Kreditgenossenschaften (auch: Genossenschaftsbanken), die zweite Stufe setzt sich aus regionalen Zentralbanken zusammen und auf der dritten Stufe ist die Deutsche Genossenschaftszentralbank (DZBank) tatig. Durch zahlreiche Fusionen einzelner regionaler Zentralbanken mit der DG Bank (jetzt DZ Bank) ist die Dreistufigkeit des genossenschaftlichen Sektors durchbrochen, so dass der Genossenschaftssektor sowohl zwei- als auch dreistufig organisiert ist.^^^ Die einzige noch verbliebene genossenschaftliche Zentralbank der zweiten Stufe ist die Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank (WGZ-Bank).^^^ Kreditgenossenschaften sind Kreditinstitute im Sinne des §1 KredWG, die gleichzeitig die Rechtsform einer Genossenschaft besitzen.^^^ Eine Genossenschaft im juristischen Sinne ist im Genossenschaftsgesetz (GenG) definiert. Danach ist die Genossenschaft eine Gesellschaft, die eine ,,nicht geschlossene Mitgliederzahl" hat. Zudem soil sie die „F6rderung des Erwerbes und der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezwecken".^^^ Sie gehort ihren Mitgliedern, deren wirtschaftliche Tatigkeiten sie laut dem gesetzlichen Forderauftrag unterstiitzen soU.^^^ Hinsichtlich des Forderzwecks besteht in der Literatur Uneinigkeit, wann er erfiillt ist.^^^ Auch der Gesetzgeber hat den Forderbegriff nicht naher definiert.^^^ Neben einer juristischen Definition der Kreditgenossenschaften wurden Ansatze entwickelt, diesen Begriff okonomisch einzugrenzen und zu definieren. Trotz vieler Bemiihungen hat sich bisher jedoch kein allgemein anerkannter Begriff durchgesetzt.^^^ Ahnlich der Diskussion um den offentlichen Auftrag bei den Sparkassen wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ab wann der genossenschaftliche Forderauftrag erfiillt worden ist und ob die Genossenschaftsbanken ihre Gewchaftstatigkeit mit der Gewinnerzielungsabsicht verfolgen sollten. Auch hier gelten grundsatzlich die gleichen Uberlegungen wie bei den 2^^ vgl. z.B. REICHERTER (2000), S. 11, ASCHHOFF und HENNINGSEN (1996), S. 55. ^^^ Zur Zeit werden Fusionsverhandlungen zwischen der DZ- und WGZ-Bank gefiihrt, vgl. D I E W E L T : „Gesprachsbereit" vom 24.06.2005. 2^° Vgl. z.B. R E I C H E R T E R (2000), S. 5, A S C H H O F F und HENNINGSEN (1996), S. 58.

251 §1 GenG. 252 Vgl. B O N U S und S C H M I D T (1990), S. 180, A S C H H O F F und HENNINGSEN (1996), S. 58.

253 Vgl. GROSSKOPF (1990), S. 20 - 55. 254 Dies hat der Gesetzgeber sicherlich vor der Gefahr einer zu starren Definition, die sich nicht schnell genug an die veranderten Verkehrssitten anpassen lieBe, vermieden. Zudem hatte eine genaue Definition des Forderzwecks moglicherweise zu einer Einengung auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet gefuhrt, vgl. REICHERTER (2000), S. 6, SCHUR (2000), S. 39. 255 Vgl. REICHERTER (2000), S. 7.

2.6 Struktur von Bankensystemen

85

Sparkassen. Zum einen miissen bei Geschaftsbetrieb die aufsichtsrechtlichen Restrektionen beachtet werden, die den Spielraum bei Ausiibung der Geschafte unbedingt eingehalten werden miissen. Dariiber hinaus konnen die Genossenschaften iiber Gewinne die notwendige, aufsichtsrechtliche Basis fiir kiinftige Geschafte durch Gewinne erhohen und damit mittelbar den Forderungsrahmen erweitern. Letztlich ist zu beachten, dass Kreditgenossenschaften nicht nur Mitgheder als Kunden haben. Daher wiirde vermutlich eine alleinige Ausrichtung der Geschaftstatigkeit auf die Erfiillung des Forderauftrages nicht im Sinne aller Kunden sein und eine Abwanderung der NichtmitgUeder bedingen.^^^ Der Forderauftrag entspricht dem privatwirtschaftlichen Prinzip der Selbsthilfe,^^'' der ein Gebot an die Mitgheder beinhaltet, Geschafte iiber die Genossenschaft zu tatigen, um somit die gewiinschten Forderzwecke aus der Gemeinschaft zu erzielen.^^^ Dabei kommt eine Besonderheit der Genossenschaften zum Tragen, dass die Mitgheder sowohl Eigenttimer als auch Kunden einer Genossenschaft sind. Dies wird auch als Identitatsprinzip bezeichnet,^^^ welches aber seit der Gesetzesnovelle von 1973 eingeschrankt und das Geschaft mit Nichtmitgliedern ermoglicht wurde. In den Anfangen der Entwicklung der Kreditgenossenschaften haftete jedes Mitglied personlich fiir die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dadurch hatte jedes Mitglied ein personliches Interesse, nur einen iiberschaubaren Kreis vertrauenswiirdiger Kreditnehmer als Mitglieder zuzulassen.^^^ Diese Selbstverantwortung der Mitglieder wurde ebenfalls in der Gesetzesnovelle von 1973 eingeschrankt, nach der eine Haftungsbeschrankung oder gar ein Haftungsausschluss moglich ist.^^^ Eng verkniipft mit dem Selbsthilfe- und Selbstverantwortungsprinzip ist das Selbstverwaltungsprinzip.^^^ Danach haben die Mitglieder das alleinige Recht iiber die Geschicke der Genossenschaft ohne Fremdeinmischung zu entscheiden. Dieses Recht konnen sie in der Generalversammlung wahrnehmen. Die letzten beiden Prinzipien begriinden das demokratische Prinzip, nach dem das Mitghed und nicht sein Kapital im Mittelpunkt steht.^^^ AuBerdem gilt fiir ^^^ Die Behandlung des Forderauftrags der Genossenschaftsbanken und des offentlichen Auftrages von Sparkassen wird als eine Dimension der internen Einflussfaktoren auf die Zielverfolgung von Kreditinstituten ist fiir den weiteren Verlauf der Arbeit interessant. Daher wird es an anderen Stelle wieder aufgegriffen und diskutiert, vgl. insb. Kapitel 3.3. 25^ Vgl. SCHUR (2000), S. 39. 2^^ Vgl. REICHERTER (2000), S. 8, OELLERKING und HOLZGRABE (1990), S. 117-145. 259 Vgl. z.B. ScHUR (2000), S. 40, REICHERTER (2000), S. 8. 260 Vgl.

B O N U S und

S C H M I D T (1990), S.

189.

26^ Dadurch kam es zu einer Abkehr von einer strikten Mitgliederorientierung zu einer generellen Kundenorientierung, vgl. REICHERTER (2000), S. 9. 262 Vgl. REICHERTER (2000), S. 9. 263 Vgl. ScHUR (2000), S. 40. Jedes Mitglied einer Kreditgenossenschaft hat, unabhangig von seiner Kapitalbeteiligung, eine Stimme in der Generalversammlung.

86

2 Banksektor

Kreditgenossenschaften, ahnlich den Sparkassen, das Regionalprinzip, welches helfen soil, die Anzahl der Mitglieder moglichst gering zu halten. Dadurch soil eine bessere Kenntnis der Mitglieder (Kreditnehmer) aus der gleichen Region erlangt werden, mit der das Risiko der Kreditunwiirdigkeit einzelner Mitglieder minimiert werden soil. Die Organe einer Kreditgenossenschaft sind die Mitgliederversammlung,^^^ die den Aufsichtsrat bestimmt und der Aufsichtsrat, der die Tatigkeiten des Vorstandes iiberwacht. Dem Vorstand obliegt die Ausfiihrung der taglichen Geschafte.^^^ Neben Kreditgenossenschaften gehoren dem Genossenschaftsbankensektor ebenfalls die Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank (WGZ-Bank) und, als Spitzeninstitut, die Deutsche Genossenschaftszentralbank (DZ-Bank) an. Die Primarbanken halten die Mehrheit der Anteile an der WGZ-Bank.^^^ Zu ihren Aufgaben gehort die Unterstiitzung der Primargenossenschaften bei der Suche nach Geldanlage- und Refinanzierungsmoglichkeiten und bei der Abwicklung des nationalen und internationalen Zahlungsverkehrs. Dadurch konnen die Primarbanken die Vorteile kleiner lokaler Banken und ihrer Vertrautheit der lokalen Gegebenheiten mit dem Nutzen der Mitgliedschaft in einer groBen Bankgruppe kombinieren.^^'' Die Primargenossenschaften entsenden je einen Vertreter in die Mitgliederversammlung der regionalen Zentralbank, die einen Aufsichtsrat wahlt.^^^ Die DZ-Bank ist das Spitzeninstitut des genossenschaftlichen Sektors und hat die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie fiihrt grofivolumige Geschafte durch, zu denen einzelne Kreditgenossenschaften und regionale Zentralbank nicht in der Lage waren. Zudem nimmt sie die Aufgaben der (ehemaligen) regionalen Zentralbanken fiir die Regionen wahr, in denen keine regionalen Zentralbanken mehr existieren. Die Mehrheit am Grundkapital wird von Unternehmen und Institutionen des Genossenschaftssektors (insbesondere der Primargenossenschaften) gehalten. Die DZ-Bank soil nicht nur Kreditgenossenschaften bei ihren Bankgeschaften unterstiitzen, sondern soil auch das Genossenschaftssystem als Ganzes fordern.^^^

^^^ Ab einer bestimmten Mitgliederzahl kann, je nach Satzung, eine Mitgliederversammlung durch eine Vertreterversammlung ersetzt werden. 265 Vgl. z.B. B O N U S und SCHMIDT (1990), S. 180. ^66 Die regionalen Zentralbanken im Genossenschaftssektor haben nichts mit den zentralen Notenbanken (abgekiirzt Zentralbanken) gemeinsam und diirfen nicht verwechselt werden. 267 Vgl. B O N U S und SCHMIDT (1990), S. 182. 268 Zur Entwicklung und den einzelnen Funktionen der regionalen Zentralbanken, vgl. A S C H H O F F und HENNINGSEN (1996), S. 63 - 67. 269 Ygi B O N U S und S C H M I D T (1990), S. 183; A S C H H O F F und HENNINGSEN (1996), S. 64-67.

2.7 Wirtschaftliche Situation im Bankensektors

87

Ahnlich dem Sparkassensektor existieren auch im kreditgenossenschaftlichen Sektor Verbundunternehmen, wie etwa die Bausparkasse Schwabisch Hall (Bauspardarlehen), die R-hV-Versicherungen oder die VR-Leasing.^''^ Neben den Verbundunternehmen existiert ein Verbandswesen, an dessen Spitze der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) steht. Der BVR, dem alle Banken des Genossenschaftssektors angehoren, hat eine beratende Funktion fiir die Mitglieder.^''^ Zudem haben die Primarbanken im Sicherungsfonds des BVR eine Sicherungseinrichtung.^'^^ Neben dem BVR existieren noch eine Reihe regionaler Verbande.^''^

2.7 Wirtschaftliche Situation im Bankensektors 2.7.1 Anderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Uber die wichtigsten Veranderungsfaktoren, die einen Einfluss auf den Bankenmarkt haben, herrscht in der Literatur breite Einigkeit. Hiernach wird der Bankensektor hauptsachlich von:^''^ • technologischem Wandel durch Verbesserung und Veranderung in der Kommunikations- und Informationstechnologie, • Deregulierung und Harmonisierung weltweit und insbesondere innerhalb der EU, • demografischem Wandel, • Einfiihrung der europaischen Einheitswahrung, • Globalisierung, • Zunahme des Wettbewerbs sowie • Konsolidierung (Fusionen) bestimmt.

^''° Fiir eine ausfiihrliche Liste und Tatigkeiten der einzelnen Verbundsunternehmen vgl. AsCHHOFF und HENNINGSEN (1996), S. 73-79. ^•^^ Zum Verbandswesen der Genossenschaftsbanken vgl. AscHHOFF und HENNINGSEN (1996), S. 79-82; zu den einzelnen Aufgaben vgl. ebenda S. 80. ^^^ Der Sicherungsfonds des BVR gewahrt den Mitgliedern Institutsschutz. Dies soil Insolvenzen einzelner Kreditgenossenschaften verhindern, um einen Vertrauensverlust der Bevolkerung in den gesamten Genossenschaftssektor zu verhindern, vgl. BONUS und SCHMIDT (1990), S. 181. ^"^^ Fiir weitergehende Informationen vgl. AscHHOFF und HENNINGSEN (1996), S. 81-82. 2^^ Vgl. BIS (2001), BERGER et al. (2000), BEITEL (2002), MOLYNEUX et al. (1997), BIKKER und Bos

(2004).

2 Banksektor WHITE (1998) unterteilt die genannten Faktoren in den Veranderungen zugrunde liegende („underlaying factors") und daraus resultierende Faktoren („manifestation of underlaying factors"). Zu den ersten zahlt er den techischen Wandel, die Deregulierung, den demografischen Wandel und die Einfiihrung des Euros. Die Globalisierung, den zunehmenden Wettbewerb und die Konsolidierung sieht WHITE (1998) als Folge bzw. Reaktion von Banken auf die geanderte Umwelt. Der technologische Fortschritt, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, hat aus Bankensicht drei wichtige Dimensionen: Schnelligkeit der globalen Dateniibertragung, die Moglichkeit zur schnellen Verarbeitung einer Vielzahl von Datenmengen sowie die Moglichkeit zur Erreichung von Kunden.^^^ Diese Entwicklung hat zum einen zur Entwicklung einer Vielzahl neuer Produkte und zum anderen zu einer Erweiterung bestehender Vertriebskanale gefiihrt. So konnen Produkte entbiindelt und separat ver- und gekauft werden.^^^ Andere ehemals getrennte Produkte konnen anderseits gebiindelt von Banken angeboten werden (Produktbiindelung).^'''' Als Beispiele dieser Prozesse lassen sich die Tendenz zu Securatization, die Entwicklung von Derivaten, aber auch die Anwendung von okonometrischen Modellen nennen. Die Nutzung neuer Technologien kann zur Erhohung von Skaleneffekten im Bankensektor fiihren, da sich zahlreiche Leistungen standardisieren lassen. Gleichzeitig wird jedoch der Wettbewerb gesteigert. Der technische Fortschritt lasst sich als ein Angriff auf das „relationship banking" (vgl. Kapitel 2.3.2.4.2) betrachten, welches immer noch einen wichtigen Bereich fiir deutsche Banken darstellt. Durch die Entbiindelung und den separaten Verkauf von Produkten tragt der technische Fortschritt zur einer wesentlich hoheren Vergleichbarkeit von Produkten bei, die wiederum zu einem hoheren Wettbewerb fiihrt, der nicht mehr durch vergangene Hausbankbeziehungen, sondern durch den Preis determiniert wird. Eine Quersubventionierung bisher unrentabler Produkte wird nicht mehr oder nur eingeschrankt moglich. Dariiber hinaus muss eine Umorganisation von Filialnetzen erfolgen, um ihre Wettbewerbsfahigkeit im Vergleich zu elektronischen Diensten zu gewahrleisten.^^^

275 Vgl. D E R M I N E (1999), S. 7. 27^ Als Beispiel seien Bankenrisiken genannt, die von Banken im Rahmen des sog. „Financial Engeering" in einzelne Finanzinstrumente (Marktrisiken, Kreditrisiken und Liquiditatsrisiken) an Finanzmarkten angeboten werden. 277 Yg\_ GLOYSTEIN (2001), Sp. 290. Dabei werden komplementare Produkte miteinander verbunden oder Basisfunktionen eines Produkts fiir weitere Leistungsarten gezielt genutzt. Produktbiindelung kann zur Befriedigung von verschiedenen Kundenbediirfnissen genutzt werden. 278 Ygi W H I T E (1998), S. 5, BIS (2001), S. 71.

2.7 Wirtschaftliche Situation im Bankensektors

89

Regulierung und Deregulierung spielen eine wichtige RoUe, da dadurch unmittelbar die Rahmenbedingungen fiir das Betreiben von Bankgeschaften festgelegt werden. Eine staatliche Regulierung steuert und kontroUiert den Wettbewerb. Dies kann direkt, z.B. liber eine direkte Genehmigungspflicht, Verbote einzelner Geschafte oder ofFentliche Banken, als auch indirekt, z.B. durch SchafFung von Mindestanforderungen fiir das Betreiben von Bankgeschaften, erfolgen. Durch Deregulierung werden gesetzliche Einschrankungen ganz oder teilweise beseitigt. Als Beispiele aus der jiingeren Vergangenheit sind die Schaffung des gemeinsamen Marktes in Europa mit der damit verbundenen Kapitalfreiheit sowie die Harmonisierung der europaischen Bankenaufsichtsregelungen zu nennen.^^^ In den letzten zwanzig Jahren wurden auch zahlreiche gesetzliche Reglementierungen des Bankensystems aufgelockert.^^° Obwohl die Intention der staatlichen Aufsichtsbehorde gleich ist (Einlegerschutz und Schutz vor Folgen von Bankeninsolvenzen), haben sich die Mafinahmen hin zu einer Erhohung der Effizienz mit einer (impliziten) Betonung von marktdisziplinierenden Mafinahmen gewandelt. Dadurch wirkt die offentliche Regulierungspolitik weniger wettbewerbsschiitzend.^^^ Beim demografischen Wandel spielt ebenfalls der Staat eine bedeutende Rolle, indem er aufgrund der Verschiebung der Altersstruktur die Bildung von privater, kapitalmarktorientierter Altersvorsorge fordert und so indirekt die Schaffung neuer Bankprodukte unterstiitzt. In einer alternden Gesellschaft wird das Angebot von Finanzprodukten fiir junge, vermogensschwachere Kunden (Konsumentenkredite und Hypothekendarlehen) auf Vermogensmanagementdienstleistungen vermogender, alterer Bevolkerungsteile verschoben. Die letzteren Kunden sind i.d.R. besser informiert und anspruchsvoller. Gerade diese Anforderungen gehen weit iiber die traditionellen Bankdienstleistungen hinaus. Somit andern sich sowohl die Kundenstruktur als auch (mittelbar) die Produktpalette von Banken aufgrund des demografischen Wandels.^^^ Durch die Einfiihrung der einheitlichen europaischen Wahrung wird das Wachsen eines grofien europaischen Finanzmarktes initiiert. Ein vergrofierter, einheitlicher Finanzmarkt kann den Wettbewerbsdruck auf Banken erhohen, die bislang nur die traditionellen For'^'^^ Vgl. exemplarisch WASCHBUSCH (2000), S. 46-60. In eine ahnliche Richtung (Harmonisierung) gehen die neuen Regelungen zur Eigenkapitalhinterlegung von Banken durch „Basel 11". 280 pi^j. gjjjg Ubersicht der wichtigsten Bankengesetze, die geandert wurde, vgl. BIS (2001), S. 117-122. ^^^ In einer Umfrage unter Bankmanagern, durchgefiihrt durch die Basler Bank fiir internationalen Zahlungsausgleich, gab die Halfte der Befragten an, dass die inter- und nationalen DereguUerungsprozesse mindestens einen moderat wichtigen Veranderungsfaktor fiir die Bankenwirtschaft darstellen, vgl. BIS (2001), S. 73. 282 Ygi W H I T E (1998), S. 7-8.

90

2 Banksektor

men von Bankenkrediten angeboten haben.^^^ Eine einheitliche Wahrung kann ebenfalls das Verhalten von Kunden beeinflussen, die nun im gesamten Wahrungsgebiet die Produktpreise vergleichen konnen. Firmenkunden werden Finanzbeziehungen mit Banken eingehen, die es ihnen ermoglichen, im gesamten Wahrungsgebiet zu operieren. Globalisierung und verscharfter Wettbewerb konnen als eine Folge des technischen Fortschritts und der Deregulierung angesehen werden. Durch die Deregulierung wurden die nationalen Markte geoffnet, wahrend der technologische Wandel beispielsweise zur Senkung der (Transaktions-) Kosten fiir die Aufnahme grenziiberschreitender Geschaftstatigkeit gefiihrt hat. Somit wurde es fiir die Banken moglich, sowohl auf den auslandischen Markten tatig zu werden als auch der internationalen Ausrichtung der inlandischen Kunden zu entsprechen. Forderhch fiir diese Entwicklung ist die fortschreitende Integration der weltweiten Finanzmarkte. Der Marktwettbewerb wird, neben den GlobaUsierungstendenzen, ebenfalls durch banknahe Anbieter wie Versicherungen und Finanzdienstleister weiter verscharft.^^'* AbschlieBend muss konstatiert werden, dass die bisher isoliert betrachteten Einflussfaktoren kombiniert und multiplikativ wirken konnen. So konnen neue Technologien genutzt werden, um die staatliche Regulierung zu umgehen. Dies konnte zur Deregulierung fiihren, um die Wettbewerbsbedingungen fiir alle Institutionen zu egalisieren. Deregulierung fiihrt aber zu einem hoheren Wettbewerb, welcher zu einem noch hoheren Einsatz von neuen Techniken fiihrt, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Gleichzeitig konnen neue Technologien zu einer Senkung der Kosten bei der Informationsbeschaffung und -verarbeitung beitragen, die auch bisherige Nichtbanken in die Lage versetzt, bestimmte Bankdienstleistungen anzubieten. So fiihrt die steigende Rolle von Ratingagenturen zu einer Erosion der bisherigen Monopolstellung von Banken iiber die asymmetrischen Informationen und folglich zum erhohten Wettbewerb.

2.7.2 Wirtschaftliche Lage im Bankensektor Im vorangegangenen Kapitel 2.7.1 wurden zahlreiche Veranderungsfaktoren im deutschen Bankenmarkt aufgezeigt, die durch die steigende Integration und Liberalisierung der weltweiten Finanzmarkte verursacht wurden. Im Folgenden werden wichtige Leistungsindikatoren des Bankensektors in einer gesamtwirtschaftlichen Sicht vorgestellt und analysiert. ^^^ Vgl. hierzu das Kapitel 2.4 zur Koexistenz von Finanzmarkten und Finanzintermediaren. 284 Vgl. BIS (2001), S. 73-75, WHITE (1998), S. 9-12.

2.7 Wirtschaftliche Situation im Bankensektors

91

Im ersten Schritt wird die momentane Struktur des deutschen Bankensystems dargestellt. Im nachsten Schritt wird die Ausrichtung und Bedeutung des deutschen Bankensektors anhand von makrookonomischen Indikatoren untersucht. AnschlieBend werden die Geschaftsfelder verschiedener Bankengruppen (Kreditbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken) analysiert. Dabei geht es um die Frage, welche Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich ihres Aktiv- und Passivgeschafts bestehen. Als zentraler Punkt wird die Ertragssituation diskutiert. Alle benutzten Daten in diesem Kapitel stammen von der Deutschen Bundesbank und beziehen sich nur auf Bankdienstleistungen in Deutschland.^^^ 2.7.2.1 Struktur In der Tab. B.6 im Anhang B.3 ist ein Uberblick iiber die Struktur des deutschen Bankensystems mit der Anzahl der Kreditinstitute, der FiUalen und der Beschaftigten seit 1990 wiedergegeben. Die Anzahl der Kreditinstitute sank seit 1990 um 53,71% von 4638 auf 2147. Den starksten Riickgang verzeichnete dabei der Genossenschaftssektor. Die Zahl selbststandiger Kreditgenossenschaften sank im Zeitraum um 60,82%, die Zahl der kreditgenossenschaftlichen Zentralinstitute (Geno-Zentralen) von drei auf eins (Riickgang um 66,67%). Die Zahl selbststandiger Sparkassen sank um 38,21% und die Zahl selbstandiger Kreditbanken um 30,96%. Die Zahl der Beschaftigten stieg seit 1990 moderat um 2,42% an. Dabei stieg die Zahl der Beschaftigten bei Landesbanken um 67,01%, bei Genossenschaftsbanken um 11,29% und bei Sparkassen um 2,02%. Bei Kreditbanken und genossenschaftlichen Zentralinstituten sank die Zahl der Beschaftgten um 10,2% bzw. 19,4%. Der fusionsbedingt Starke Riickgang der Anzahl von Kreditinstituten scheint insgesamt nicht zu einem Abbau im Mitarbeiterbereich genutzt worden zu sein. Ein wichtiger Indikator zur internationalen Bedeutung eines Finanzmarktes ist das Auftreten von Niederlassungen auslandischer Banken. In der Tabelle 2.5 sind wichtige Kennzahlen zum Auftreten auslandischer Banken in Deutschland zusammengetasst, deren zeitliche Entwicklung in der Abbildung 2.12 dargestellt ist.^^^ Die Anzahl auslandischer Zweigstellen in Deutschland wuchs im Zeitraum 1990-2004 um 40% mit einem vorlaufigen ^^^ Daten It. der Zeitreihendatenbank und verschiedenen statistischen Beiheften zu Monatsberichten der Deutschen Bundesbank. Im Ausland erbrachte Dienstleistungen international tatiger Banken werden bei Berechnung der Zahlen von der Deutschen Bundesbank nicht beriicksichtigt. ^^^ Mit auslandischen Zweigstellen sind Niederlassungen von Banken gemeint, die ihren Hauptsitz im Ausland haben. Griindungen von Banken als Tochterunternehmen auslandischer Banken werden von der deutschen Bundesbank nicht explizit ausgewiesen.

2 Banksektor

92

Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Anzahl 60 60 56 58 63 69 73 77 84 87 90 80 83 84 84

Bilanzsumtne 39,007 38,542 39,438 43,576 45,905 55,154 58,209 80,584 100,762 105,135 121,407 129,841 108,558 87,850 93,337

Kredite an Banken Nichtbanken 25,263 12,872 24,539 13,165 24,933 13,858 27,977 14,983 28,973 15,682 34,003 19,528 34,749 19,646 49,035 26,028 52,077 35,663 56,801 37,842 60,783 49,778 63,456 54,314 55,604 40,642 46,016 37,759 54,147 35,360

Einlagen von Banken Nichtbanken 3,488 29,796 3,292 28,794 3,584 28,561 4,381 32,248 4,625 34,493 5,721 42,194 5,194 44,749 5,807 63,379 10,261 69,404 11,415 73,183 10,706 83,132 14,283 85,380 14,293 78,563 15,567 64,990 16,537 69,644

Tabelle 2.5: Struktur der in Deutschland operierenden auslandischen Banken. AUe Bilanzpositionen sind in Mrd. Euro angegeben. Hohepunkt im Jahr 2000. Das Geschaftsvolumen, gemessen an der Bilanzsumme, stieg im gleichen Zeitraum sogar um annahernd 140%. Die Summe der vergebenen Kredite an Banken bzw. Nichtbanken stieg um 114% bzw. 174%. Einlagen von Banken bzw. Nichtbanken konnten von auslandischen Zweigstellen sogar um 374% bzw. 133% gesteigert werden. 140,000 1 120,000 100,000 i

80,000

1

60,000 40,000

^

/\

\

1

\ / ,—. ^"^ \ / ' ' " ' ' ' . . . . . ''^-"'

^_3^''. -'""y'-'C-:.---1 :

Bilanzsumme Bankkred. Nichtbankkred. Bankeinl. Nichtbankeinl. |

20,000

x

Entscheidungen

A

Konkretes Verhalten des Bankbetriebs

! Betriebliche Faktoren

r Bankbetriebliche Organisation

J

L •



-•

Abbildung 3.2: Haupteinflussgrofien bankbetrieblichen Verhaltens Zusammenfassend fiir den Verlauf dieser Arbeit lasst sich feststellen, dass der Bankbetrieb, wie jedes andere offene System, verschiedenen externen und internen Einfliissen unterliegt. Die grundsatzlich moglichen Alternativen zur Beriicksichtigung externer Faktoren werden im Kapitel 3.2 dargestellt, wahrend die grundsatzliche Modellierung interner Faktoren im Kapitel 3.3 beschrieben wird.

3.2 Bankexterne Einflussfaktoren Als extern werden Faktoren bezeichnet, die vom Bankmanagement nicht oder nur marginal beeinflusst werden konnen.'' Somit begrenzen diese exogen vorgegebenen Rahmenbedingungen den Entscheidungsraum von Banken. Nach PORTER (2000) existieren fiinf Wettbewerbskrafte, die als externe Faktoren die Rentabilitat einer Branche und somit auch die der Unternehmen beeinflussen (vgl. Abb. 3.3). Danach ist der Wettbewerb insbesondere durch potenzielle Wettbewerber, Ersatzprodukte, Verhandlungsmacht von Lieferanten Einige Autoren unterteilen externen Faktoren weiter in primare und sekundare Umweltfaktoren. Wahrend die primaren Umweltfaktoren im Ansatz von Banken beeinflusst werden konnten (z.B. Kundenverhalten durch Schaffung neuer Produkte), konnen die sekundaren nicht oder nur sehr langfristig (z.B. offentliches Interesse) geandert werden. Fur eine kurze Ubersicht vgl. EiLENBERGER (1996), S. 15-16.

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

108

Potenzielle Konkurrenten

Bedrohung durch neue Konkurenz

Marktmacht von Lieferanten Lieferanten

Wettbewerb in der Branche

Abnehmer J

Marktniacht von Abnehmem

Bedrohung durch Ersatzprodukte

Ersatzprodukte

Abbildung 3.3: Fiinf die Rentabilitat beeinflussende Wettbewerbskrafte und Nachfragern sowie die Wettbewerbsintensitat auf dem betreffenden Markt gekennzeichnet. Diese Krafte detefminieren insbesondere das strukturelle Marktumfeld. Je nach den Unternehmenszielen und der Organisationsstruktur konnen Unternehmen verschiedene Wettbewerbsstrategien, z.B. Kostenfiihrerschaft oder Differenzierung, verfolgen, um Gewinne innerhalb eines Marktes zu erwirtschaften.^ Diese von PORTER (2000) entwickelte Marktanalyse muss die besonderen Eigenschaften und Erfordernisse auf dem Bankenmarkt beriicksichtigen. Die Einbettung von Banken im gesamtwirtschaftlichen System sowie die Interaktionsmoglichkeiten innerhalb dieses Systems sind in der Abb. 3.4 beispielhaft dargestellt. Bei der Analyse externer Einflussfaktoren sind die spezifischen Eigenschaften von Bankdienstleistungen besonders zu beachten. Bankprodukte sind Dienstleistungen, die abstrakt, erklarungsbediirftig und gleichzeitig vertrauensempfindlich sind. Daher miissen sie bei Neueinfiihrungen hohe Marktwiderstande iiberwinden. Aufgrund des Vertrauens der Kunden in die Kontinuitat des Bankangebots werden Produkte oft iiber deren eigentlichen Lebenszyklus hinaus angeboten. Gleichzeitig wirken der fehlende Patentschutz von Dienstleistungsprodukten und die damit verbundene hohe Nachahmungsgeschwindigkeit negativ, weil Produktinnovationen nur kurzfristige Wettbewerbsvorteile und daher nur

Vgl. PORTER (2000), S. 28-36.

3.2 Bankexterne Einflussfaktoren

109 1

r

1

PolitischesTSystem

A k T A 1 \ 1 / 1• ^r

1

1

1

i

T

Bankbetriebe

Exekutives System

1

T 1

/

^

Markt for Bank•4 lei stungen

A 1 1

/

^ Untemehmungen

• GebietskOrperschaften

^ \ ^ 4 Haushalte

1

Abbildung 3.4: Stellung der Banken im gesamtwirtschaftlichen System

geringe Innovationsrenten versprechen.^ Die Nachahmungsgeschwindigkeit hangt insbesondere von der Komplexitat der angebotenen Dienstleistungen ab. Einfache Produkte, die vergleichsweise wenig Know-how benotigen, lassen sich einfacher kopieren als beratungsintensive Vermogensmanagementprodukte. Hierbei spielt das Reputationsvermdgen einer Bank eine besondere Rolle.^^ Die bankspezifischen Produkteigenschaften wirken sich als limitierende Faktoren auf die Rentabilitat von Banken aus. Ferner werden i.d.R. die Bankdienstleistungen immer in Geld erbracht. Aus Sicht der Bank ist es daher unerheblich, ob eine Kreditzusage in Anspruch genommen wird oder Einlagen abgezogen werden.^^ Dariiber hinaus werden einserseits Kundeneinlagen benotigt, um die Finanzintermediationsaufgaben wahrzunehmen und Kredite zu vergeben. Anderseits miissen Kunden teilweise Kontogebiihren entrichten. Somit haben Bankeinlagen gleichzeitig typische Merkmale eines Prduktionsfaktors und eines Produktes. Diese Beziehungen erschweren eine Analyse von Banken. Sie konnen sowohl das Passiv- als auch das Aktivgeschaft aktiv betreiben und sind in beiden Bereichen dem Wettbewerb ausgesetzt. Von der Bankkundschaft gehen dariiber hinaus durch sozio-okonomische und demografische Veranderungen zusatzliche externe Einflussgrofien aus. Sowohl der Anstieg des Geldvermogens privater Haushalte als auch die geanderte Struktur der Bevolkerungsalterspyramide beeinflussen die Kundenpraferenz und induzieren produktpolitischen Handlungsbedarf bei Banken.^^ ^

Vgl. GLOYSTEIN (2001), Sp. 291.

10 Vgl. auch Kapitel 2. 11 Vgl. hierzu Kapitel 2.3.2.4. 1^ Anderungen von Kundenpraferenzen und deren Einfluss auf die Rentabilitat von Banken werden nicht explizit in dieser Arbeit untersucht. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften und der hohen Nachahmungsgeschwindigkeit von Bankprodukten wird sich deren Einfluss jedoch mittelbar in der Wettbewerbssituation von Kreditinstituten niederschlagen. Dieser Aspekt ist zentral fiir diese Arbeit. Fiir eine Arbeit zu Kundenverhalten und Bankprodukten vgl. z.B. RAPP (1992).

110

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

Neben den Kunden aus dem Nichtbankensektor stellen die Wettbewerbsverhaltnisse (Marktgrofie und -struktur) sowie die relative Starke von Mitbewerbern eine weitere wichtige exogene Rahmenbedingung im Bankenmarkt dar. Gleichzeitig konnen Mitwettbewerber als potenzielle Nachfrager von Interbankleistungen auftreten. Als wichtigste Tendenzen der letzten Dekade im Bankensektor sind die zunehmende Verwischung von Grenzen zwischen ehemals getrennten Finanzmarktsegmenten (z.B. Bank- und Versicherungsmarkte) sowie die Neueintritte von Nichtbanken in den Bankenmarkt zu nennen.^^ Eine weitere wichtige exogene EinflussgroBe stellt die staatliche Bankenaufsicht dar, die vor allem den Entscheidungsspielraum eingrenzt.^^ Dariiber hinaus miissen eventuelle rechtsform- und verbandsspezifische Einflussfaktoren beriicksichtigt werden, die in Deutschland besonders bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen eine Rolle spielen.^^ Staatliche Eingriffe miissen nicht nur einschrankend, sie konnen ebenfalls als Ausloser zur Schaffung ganzlich neuer Teilmarkte wirken. Insbesondere Deregulierungsprozesse konnen neue Bankenmarkte schaffen und neue Bankprodukte ermoglichen. Staatliche Politik in ganzlich anderen Bereichen (etwa staatliche Altersvorsorge) kann neue Betatigungsfelder fiir Banken eroffnen.^^ Ahnliche Ambivalenz kann die Wirkung des technischen Fortschritts besitzen. Einerseits eroffnet diese den Banken die Moglichkeit der Einfiihrung neuer Produkte (z.B. Online-Banking). Anderseits sind mit den dafiir notwendigen Infrastrukturinvestitionen erhebliche Kosten verbunden, die neue Geschaftsstrategien erfordern (z.B. Outsourcing, Kooperationen etc.).

3.3 Bankinterne Einflussfaktoren 3.3.1 Grundlagen Neben den externen Umweltfaktoren haben eine Reihe interner Faktoren Einfluss auf ein Unternehmen. Als innerbetriebliche Haupteinflussgrofien konnen folgende Faktoren unterschieden werden :^^

13 1^ 15 16 17

Vgl. auch Kapitel 2.7.1, zu Nichtbanken („non banks") vgl. BUSCHGEN (1993), S. 101-102. Zur staatlichen Regulierung des Bankensektors vgl. Kapitel 2.5. Vgl. Kapitel 2.6. Vgl. auch Kapitel 2.7.1. Vgl. auch Abb. 3.2.

3.3 Bankinterne Einflussfaktoren

111

• bankbetriebliche Organisationsstruktur (O), • individuelle Zielvorstellungen der Organisationsmitglieder, • bankbetriebliche Zielsetzung (Z), • bankbetriebliche Entscheidungen und Entscheidungsprozesse (E), • Informationsaustausch. Geht man von der Annahme aus, dass einerseits die individuellen Zielvorstellungen in der bankbetrieblichen Zielsetzung aufgehen und/oder durch diese beschrankt werden und andererseits der Informationsprozess und die bankbetriebliche Organisation sich gegenseitig pragen, kann das Verhalten V^ eines Bankbetriebes durch die internen Faktoren O, Z und E funktional beschrieben werden als V, = / ( 0 , Z , E )

(3.3)

Nach Gl. (3.3) legt ein bestimmter Organisationstyp bzw. -struktur die Grundlage fiir innerbetriebliche Zielsetzungen fest. Diese beiden Determinanten markieren den Rahmen fiir den betrieblichen Entscheidungsprozess.

3.3.2 Bankbetriebliche Subsysteme Die Bildung von Organisationsstrukturen kann in einer systemorientierten Sichtweise betrachtet werden. Nach dem Prinzip der Strukturanreicherung wird die Hierarchiebildung als ein sukzessiver Prozess der Anreicherung eines Systems Bankbetrieb durch seine Elemente verstanden. In Anlehnung an die Produktionstheorie konnen als Subsysteme niedrigster Ordnung aktive Elemente des Gesamtsystems identifiziert werden. Derartige kleinste Organisationseinheiten konnen eine oder mehrere Personen sowie dazugehorige Arbeitsmittel umfassen, die durch charakteristische Arbeits- und Verteilungsbeziehungen gekennzeichnet sind. Die Strukturanreicherung findet statt, indem sich Subsysteme niedrigster Ordnung stufenweise zu einem Subsystem hoherer Ordnung zusammenfinden und die Kenntnisse der vorher als Black-Box betrachteten Subsystemen in der groBeren Systemeinheit vergroBert werden. Dabei konnen die Eigenschaften des Systems nicht nur durch die Eigenschaften der Elemente erklart werden, sondern auch durch die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Elementen des Systems. Es wird implizit davon ausgegangen,

112

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

dass das gebildete Subsystem mehr als die Summe seiner Teile ist. In diesem Fall spricht man auch von Emergenz eines Systems.^^ Nach EiLENBERGER (1996) kann man in Bankbetrieben folgende Subsysteme difFeren-

• Produktionssubsystem: umfasst alle an der bankbetrieblichen Leistungserstellung beteiligten Elemente. • Unt erst lit zungssubsy stem: hat die Aufgabe, Finanzierung, Beschaffung und Absatz des Systems sicherzustellen. • Instandhaltungssubsystem: sichert die Leistungsfahigkeit des Systems im sozialen Bereich durch geeignete Wahl von Organisationsmitgliedern und Strukturen. • Informationssubsystem: gewinnt und versorgt andere Systemelemente mit externen und internen Informationen. • Integratives Entscheidungssubsystem: umfasst alle Elemente, die mit Fiihrung, Koordination und Kontrolle interner Subsysteme und Prozesse sowie Interaktion mit der Systemumwelt befasst sind. Die systemorientierte Konzeption eines Bankbetriebes trennt zwischen der bankbetrieblichen Tatigkeit (Leistungserstellung) und dem Ergebnis dieser Tatigkeit (Bankprodukt). Der Eigenart des bankbetrieblichen Leistungsprozesses wird damit entsprochen, dass erst ein konkretes Leistungsbegehren seitens der Nachfrager die Endkombination von internen und externen Produktionsfaktoren zu einem Wirtschaftsgut „Bankdienstleistung" auslost.^^ Neben dieser systemorientierten DifFerenzierung eines Banksystems ist in der bankbetrieblichen Literatur immer noch die auf DEPPE (1969) zuriickgehende Trennung in den technisch-organisatorischen und liquiditatsmaBig-finanziellen Bereich weit verbreitet.^° Danach versteht man unter dem technisch-organisatorischen Bereich die Struktur und das sachliche und raumliche Zusammenwirken von Elementarfaktoren und von dispositiven Faktoren. Somit ist der technisch-organisatorische Bereich kongruent zum allgemeinen betriebswirtschaftlichen Organisationskonzept. Der liquidtatsmaBige-finanzielle ^^ Vgl. WiLLKE (2000), S. 143-177. Anderenfalls wiirde die Bildung eines grofieren Subsystems keine Vorteile gegeniiber dem Ursprungszustand hervorbringen. ^^ Als interne Produktionsfaktoren zahlen Mitarbeiter, Sachmittel, Nominalgiiter (etwa Zentralbankgeld), als externe Produktionsfaktoren gelten beispielsweise extern verfiigbare, notwendige Informationen. 20 Vgl. z.B. TEBROKE (1993), S. 60-63, PODDIG et al. (2003b), S. 217.

3.3 Bankinterne Einflussfaktoren

113

Bereich ist ein gedankliches Konstrukt, welches alle Dispositionen und Transaktionen des monetaren Faktors umfasst.^^ Der besondere Verdienst der Auffassung von D E P P E (1969) liegt in der ansatzweisen Beriicksichtigung des Sachverhaltes, dass der Bankbetrieb nicht als eine Black Box betrachtet werden soil, deren aufiere Merkmale betrachtet werden.^^ Bei D E P P E (1969) wird der Bankbetrieb in zwei strukturelle Einheiten gegliedert, die es dem Bankmanagement ermoglicht, die Auswirkung von Entscheidungen innerhalb eines Teilbereiches auf die Unternehmensziele (z.B. Rentabilitat) abzuschatzen. Dennoch fehlt diesem Ansatz die konsequente Umsetzung der Erkenntnis, dass ein Bankbetrieb ein von Menschen geleitetes System darstellt, zu einem umfassenden Erklarungsmodell, wie es beispielsweise durch die Systemtheorie geleistet wird. Nach PORTER (2000) kann man den Produktionsprozess eines Unternehmens als eine Wertkette betrachten, der man bestimmte Tatigkeiten zuordnet, die zur Erstellung des Endprodukts benotigt werden. Die Wertkette kann man jedoch auch nutzen, um den generischen Wertschopfungsprozess von Banken zu skizzieren.^^ Die aus den Intermediationsprozessen abgeleitete Tatigkeit von Banken (Vertrieb, Abwicklung und Transformation) bilden die sog. primaren Aktivitaten ab, wahrend die Unternehmensfiihrung und die Infrastruktur die sog. sekundaren Aktivitaten widerspiegeln.^^ In einer systemorientierten Sichtweise wird die Dienstleistungserstellung in Banken durch einen externen Faktor, i.d.R. durch Kunden als Dienstelistungsnachfrager ausgelost. Durch die Nachfrage nach einer Dienstleistung werden interne Leistungserstellungsprozesse ausgel5st, die man allgemein in drei Prozesse untergliedern kann: Transaktions-, Transformations- und Fiihrungsprozesse. Transaktionsdienstleistungen werden von Banken in der Weise gewahrleistet, dass sie sehr vielen Kunden zu einem Zeitpunkt bzw. wahrend einer Zeitperiode Finanzkontakte vermitteln. Dabei konnen Banken im Sinne der Transaktionsleistungen als ein institutioneller Treffpunkt angesehen werden, auf dem orginare Kapitalnachfrager und -anbieter zusammenkommen. Dieser Prozess wird im Wesentlichen durch ein adaquates Vertriebs- und Abwicklungsmanagement unterstiitzt, der bankintern organisiert werden muss. Eng mit einer adaquaten Organisation der Transaktionsprozesse sind Transformationsdienstleistungen verbunden. Transformationsdienstleistungen, bei denen Banken selbst ^^ Vgl. auch DEPPE (1969), S. 20. Bei einer strengen Auslegung dieses Konzepts wird scheinbar der liquiditatsmafiige-finanzielle Bereich dem dispositivem Bereich entzogen. Hierzu vgl. auch WOHE und BORING (2002), S. 81.

^^ Fiir eine Definition des Bankbetriebs als eine reine Black Box, vgl. Kapitel 2.1.2.1. 23 Vgl. PORTER (2000), S. 63-95. 2"^ Fiir eine kurze Charakterisierung dieser Aktivitaten vgl. BUSCHGEN und BORNER (2003), S. 34-38.

114

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

in die Finanzierungsbeziehungen eintreten, sollen durch den Einbezug von Banken immer eine Transaktionskostenersparnis im Vergleich zu direkten Finanzierungsbeziehungen ermoglichen. In diesem Kontext betrachtet, konnen Banken nur dann Transformationsfunktionen iibemehmen, wenn Vorteile im Rahmen von Vertriebs- und Abwicklungsprozessen realisiert werden.^^ Da die Transformationsprozesse in einem engen Zusammenhang mit den Transaktionsprozessen stehen, konnen sie, im Sinne einer Organsiationssteuerung, nur schwierig voneinander abgegrenzt werden. Daher werden sie gewohnlich zusammen analysiert. Wahrend Transaktions- und Transformationsprozesse durch die mikrookonomische Intermediationsfunktionen von Banken abgeleitet werden konnen, miissen gleichzeitig innerberiebliche Fiihrungsprozesse betrachtet werden. Fiihrungsprozesse konnen eine effiziente Adaption der Transaktions- und Transformationsprozesse an dynamisch sich verandertenden Umweltbedingungen gewahrleisten. Durch die allgemeine Bankentheorie im Kapitel 2 konnte zwar die Existenz von Banken erklart werden. Warum aber bestimmte Banken erfolgreicher operieren als andere, bleibt ungeklart.^^ Der unterschiedliche Erfolg von Banken, bei gleichen externen Umweltbedingungen, kann letztUch nur durch unterschiedliche Fiihrungsprozesse (und damit verbunden Unternehmensziele) erklart werden, die insbesondere alle innerbetrieblichen Prozesse der Koordination von Produktionsprozessen und der Motivation umfassen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Aspekt der Motivation nicht weiter verfolgt, sondern auf den Aspekt der Koordination von Produktionsprozessen abgestellt.

3.3.3 Bankmanagement Der Begriff Management wird synonym zu „Unternehmensfiihrung" verwendet, wobei i.d.R. zwei verschiedene Aspekte des Begriffes unterschieden werden. In einer institutionellen Sicht umfasst das Management alle Personengruppen (Subsysteme), denen in der Organisation des Unternehmens Leitungsbefugnisse zugeordnet werden. In einer prozessorientierten Sichtweise lasst sich das Management als eine zielgerichtete Gestaltung und Steuerung von Strukturen und Prozessen eines Unternehmens oder seiner Teilbereiche darstellen. In einem Prozess wird eine Vielzahl von Teilentscheidungen und -funktionen ausgeiibt, die man zielbezogen und zeitlich strukturieren kann. In dieser Struktur konnen verschiedene Phasen des Managementprozesses differenziert und in eine Reihenfolge gebracht ^^ Zu Transformationsleistungen von Banken vgl. Kapitel 2.2.2. ^^ Zur Prage des Bankerfolgs vgl. insb. Kapitel 2.7.

3.3 Bankinterne Einflussfaktoren

115

werden. Die Grundlage dieser Prozesse ist die Phasenabfolge „Planung-DurchsetzungKontrolle", die man im Rahmen eines geschlossenen Managementzyklus abbilden kann. Dabei wird ausgehend von einer Zielvorstellung eine Problemanalyse durchgefiihrt. Anhand der Problemanalyse wird anschlieCend eine Planung entwickelt, die in konkrete Entscheidungen zur Auswahl von zieladaquaten Mafinahmen iiberfiihrt wird. Der Vollzug der MaBnahmen ist kein Managementprozess, jedoch werden die realisierten Ergebnisse vom Management in einem Soll-Ist-Vergleich kontrolliert und analysiert.^"^ Eine besondere Stellung im Managementzyklus nimmt die Festlegung von Zielen ein. Ziele konnen allgemein in Fundamentalziele und Instrumentalziele unterteilt werden. Die Fundamentalziele werden einer Organisation vorgegeben, die um ihrer selbst willen verfolgt werden sollen und nicht unmittelbar in eine Handlung iiberfiihrt werden konnen. Dagegen werden Instrumentalziele aufgrund ihrer (vermuteten) positiven Wirkung auf die Erreichung des Fundamentalzieles formuliert. Oft handelt es sich dabei letztlich um eine Operationalisierung eines Fundament alzieles. Obwohl in der klassischen Managementlehre oft propagiert, stellt beispielsweise das Ziel Gewinnmaximierung kein Instrumentalziel dar, well es wenig operationalisiert ist. Bei einer eventuellen Operationalisierung waren mindestens die Hohe des Gewinns, das hochste dabei einzugehende Risiko und der Zeithorizont zu konkretisieren. Insgesamt lasst sich feststellen, dass Fundamentalziele die Voraussetzungen fiir Entscheidungen und Instrumentalziele Folgen von Entscheidungen darstellen. Die Fundamentalziele lassen sich iiber Instrumentalziele spezifizieren, well ein kausaler Zusammenhang zwischen den Fundamental- und Instrumentalzielen besteht. Oft ist jedoch sowohl die funktionale Art als auch die Starke der Kausalbeziehung unbekannt.^^ In der bankwirtschaftlichen Literatur wurden (Fundamental-) Ziele des Bankmanagements sehr friih als ein mehrdimensionales Zielsystem formuliert, welches die Komponenten Liquiditat, Rentabilitat und Risiko (bzw. Sicherheit) beinhaltet.^^ Als oberstes Ziel gilt jedoch die Sicherstellung der Rentabilitat (= Gewinnmaximierung). Das komplexe Zielsystem von Banken sowie mogliche Beziehungen der Ziele untereinander wird in der Abb. 3.5 skizziert.^o

Vgl. WILD (1981).

Zu Zielen und Zielsystemen in der Entscheidungstheorie vgl. ElSENFUHR und WEBER (1999), S, 53-68. BAMBERG und COENENBERG (1992) unterscheiden abweichend zwischen generellen Imperativen (= Fundamentalziel) und singularen Imperativen (= Instrumentalziel), vgl. BAMBERG und COENENBERG (1992), S. 26. Vgl. BiJscHGEN und BoRNER (2003), S. 44. In Anlehnung an BtJscHGEN und BORNER (2003), S. 48.

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

116

Formalziel ^ . ., Gewmnziel

offentlicher . ^

„.. , ^ Forderauftrag

" ^ ^

Risikofahigkeit Nebenbedingung

Risikopraferenz Regulierung

Abbildung 3.5: Zielsystem von Banken Die Liquiditatsdimension des bankbetrieblichen Erfolgstrebens ist eine der altesten Erkenntnisse der Bankbetriebslehre. Die Liquiditatsdimension wurde sehr friih operationalisiert, etwa mit der „Goldenen Bankregel", der „Bodensatztheorie" oder auch der „Maximalbelastungstheorie".^^ In der neueren Literatur wird die Liquiditat nicht mehr explizit als eigenstandiges Ziel, sondern als eine grundlegende, notwendige Nebenbedingung zur Erreichung anderer Ziele interpretiert. Gleichzeitig steht Liquiditat als Zieldimension in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Risiko (Sicherheit). Zum einen soil die Liquiditat die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfahigkeit minimieren und ist insoweit eine Dimension eines iibergeordneten Risikozieles. Zum anderen fiihrt eine fehlende Liquiditat nicht unmittelbar zur Uberschuldung, sondern zwingt lediglich eine Bank, sich am Interbankenmarkt zu finanzieren. Da der Interbankenzinssatz i.d.R. hoher ist als der Einlagenzinssatz, den eine Bank gewahrt, fiihrt eine fehlende Liquiditat zu einer Erfolgsminderung.^^ Somit sind Liquiditats- und Erfolgsrisiken bis zu einem gewissen Grad interdependent.

Nach der „Goldenen Bankregel" wird eine strenge Kongruenz von Laufzeit und Volumina der Aktiva und Passiva einer Bank gefordert. Nach der „Bodensatztheorie" wird den Banken im Umfang eines Bodensatzes (= Differenz zwischen formalen und materiellen Fristen) Fristentransformation zugestanden. Bei der „Maximalbelastungstheorie" werden die Kapitalbindungsiiberlegungen aufgegeben und die Moglichkeit der Refinanzierung einer solventen Bank durch das Zentralbankgeld als entscheidend angesehen. Das Eigenkapital wird dabei in den Fokus der Liquiditatsicherung geriickt. Vgl. z.B. BusCHGEN und BORNER (2003), S. 45-46. Zum Liquiditatsmanagement vgl. z.B. HARTMANN-WENDELS et al. (2004), S. 595-602.

3.3 Bankinterne Einflussfaktoren

117

Wahrend die Zieldimension Liquiditat als eine Nebenbedingung des Rentabilitatszieles aufgefasst werden kann, ist dies in Bezug auf das (Erfolgs-) Risiko nicht moglich, da Banken im Rahmen ihrer Geschafte Risiken aktiv transformieren.^^ Daher werden in der Bankensteuerung zunehmend Kennzahlen verwendet, die die Rentabilitat einer Tatigkeit in Bezug zum iibernommenen Risiko stellen. Diese kennzahlengestiitzten Konzepte der Bankensteuerung werden als „Risk-adjusted Performance Measurement" bezeichnet. Die prominenteste Steuerungsgrofie ist dabei das „Risk-adjusted Return on Capital" {RAROC^^).^^ RAROC^^ wurde aus dem kapitalmarkttheoretischen Konzept entwickelt und soil neben der Rendite auch das Risiko einer Investition beriicksichtigen.^^ RAROC^^ ist definiert als: RAROC^^ = ^^^^^Q^^^^^^^g^^^ Uberschuss Kapitaleinsatz Der Grad der Risikoiibernahme durch Banken wird durch Risikofahigkeit (Konnen), Risikopraferenz (Wollen) und Risikoregulierung (Diirfen) bestimmt. Die Schwierigkeit bei der Bestimmung von RAROC^^ liegt in der Bestimmung des risikobereinigten Uberschusses. Bei diesem Ansatz soil bei der Berechnung der Rentabilitat nicht nur die Gewinndimension, sondern auch das eingegangene Risiko einbezogen werden. Die Bestimmung der Risikodimension fiir einen gesamten Bankenbetrieb ist allerdings sehr komplex, weil Banken zahlreichen Risiken (Ausfallrisiken, Preisanderungsrisiken, Abrufungsrisiken etc.) unterliegen, die sich dariiber hinaus fiir jeden Finanzkontrakt unterscheiden konnen.^^ Ferner konnen bei Risiken erwartete und unerwartete Risken unterschieden werden. Eine Moglichkeit der Abbildung von risikobereinigten Uberschiissen ware die Bildung von Nettozahlungsiiberschiissen, bei denen die Risikovorsorge als Auszahlung beriicksichtigt wurde. Eine theoretisch befriedigende Losung der Risikomessung ist momentan jedoch nicht gegeben.^'' Neben diesen betriebswirtschaftlichen Rentabilitatszielen miissen Banken u.U. weitere Ziele verfolgen. Ein kennzeichnendes Element der offentlich-rechtlichen Banken ist die Verfolgung eines Gemeinniitzigkeitsziels, welches besagt, dass nicht die Gewinnmaximierung,

^^ Vgl. insbesondere Kapitel 2.2. ^"^ RAROC^^ wurde von Bankers Trust stark propagiert. ^^ Vgl. insbesondere SHARPE (1964). Das Ausfallrisiko verschiedener Kreditengagements wird beispielsweise nur in selten Fallen identisch sein. Vgl. z.B. BuscHGEN und BORNER (2003), S. 47.

118

3 Wertgenerierende Faktoren im Bankensektor

sondern ein offentlicher Auftrag das Hauptziel ihrer Geschaftstatigkeit ist.^^ Ahnliches gilt fiir die Banken des Genossenschaftssektors, fiir die die Leitmaxime ihres Handels (nach §1 GenoG) der Forderungsauftrag und nicht der Gewinn darstellt. Trotz dieser juristischen Zieldefinition von Sparkassen und Genossenschaftsbanken kann auch bei diesen Banken eine Fokussierung auf das Rentabilitatsziel festgestellt werden.^^ Zum einen resultiert dies schon aus gesetzlichen Restriktionen zur Eigenmittelausstattung von Banken, die ein Mindestmafi an Gewinn- und Riicklagenpolitik notwendig macht. Zum anderen kann die Erreichung eines Gewinnziels als ein Instrumentalziel angesehen werden, der diese Institute iiberhaupt in die Lage versetzt, ihre Auftrage (Fundamentalziele) wahrzunehmen.^^

3.4 Zwischenfazit Der Ausgangpunkt dieser Arbeit stellt die Frage nach den Faktoren dar, die die Rentabilitat von Banken beeinflussen. In einer makrookonomischen Analyse des Bankensektors im Kapitel 2 wurde die Existenzberechtigung von Banken begriindet, die insbesondere in der Senkung von Finanzierungskosten und Sicherstellung einer effizienten Kapitalallokation liegt. Bei der gesamtwirtschaftlichen Analyse von Bankensektoren konnten im Durchschnitt durchaus unterschiedliche Rentabilitaten zwischen verschiedenen Bankengruppen festgestellt werden, die den in der theoretischen bankwirtschaftlichen Literatur vertretenen Modellansatzen widersprechen. So hat scheinbar die Betriebsgrofie, trotz theoretisch begriindbarer Skaleneffekte, keinen positiven Einfluss auf die Rentabilitat von Banken. Auch weisen die regional operierenden Sparkassen und Kreditgenossenschaften eine hohere Rentabilitat auf, als die national und international agierenden Kreditbanken. Um diese Renditeunterschiede zu erklaren, miissen renditetreibende Faktoren in der deutschen Bankwirtschaft identifiziert werden. In diesem Abschnitt wurden grundsatzliche Faktoren analysiert, die die Rentabilitat deutscher Kredit institute beeinflussen konnten. Wenn der Bankbetrieb als ein sozio-okonomisches System verstanden wird, konnen externe und interne Faktoren auf das System einwirken und somit auch die Rentabilitat beeinflussen. Als wichtigste externe Umweltfaktoren gelten die Praferenzen der Kundschaft, der Wettbewerb sowie die staatliche Regulierungspolitik. Alle externen Faktoren miissen kurz38 Vgl. Kapitel 2.6.2.3. 3^ Zur Problematik dieser Fokussierung vgl. Kapitel 2.5.1.3.2. Vgl. auch OELLERKING und HOLZGRABE (1990). ^^ Dieser Sichtweise folgend wird keine explizite Einbeziehung der ofFentlichen und genossenschaftlichen Forderauftrage in eine empirische Betrachtung vorgenommen.

3.4 Zwischenfazit

119

fristig als exogen gegeben angenommen werden und konnen von Bankbetrieben nicht beeinflusst werden. Die staatliche Regulierungspolitik ist gesellschaftlich determiniert und kann, wenn iiberhaupt, nur durch sehr langwierige Veranderungsprozesse beeinflusst werden. Daher wird sie in dieser Arbeit nicht weiter betrachtet. Aufgrund der besonderen Eigenschaften von Bankdienstleistungen als nicht patentierunsgfahige Produkte, konnen Banken mit der Entwicklung neuer Produkte keine besonderen Inovationsrenten geniefien und Kunden an sich binden. Eine Erhohung der Rentabilitat ist nur durch eine Erhohung der Marktmacht mogUch, die eine teilweise Aussetzung des Wettbewerbs impliziert. Aus diesem Grunde konzentriert sich das Kapitel 4 auf die Ermittlung des Einflusses von Wettbewerbsverhaltnissen auf die Rentabilitat von Banken. Dabei wird es insbesondere darum gehen, konkrete Modelle zu entwickeln, die eine Ermittlung der Art und Intensitat externer Einfliisse auf die Rentabilitat ermoglichen. Ext erne Umweltfaktoren konnen, je nach Auspragung und Intensitat, unterschiedliche Renditen von Banken erklaren. Als wichtigster interner Faktor gilt die Koordination der Produktionsprozesse innerhalb einer Bank, die vor dem Hintergrund einer gegebenen Organisation und eines angestrebten Zieles eine Kombination von externen und internen Produktionsfaktoren zu einem Produkt bzw. einer Dienstleistung vornimmt. Daher ist die Beurteilung der Giite von Produktionsprozessen einer Bank ein weiteres wichtiges Anliegen dieser Arbeit, das in Kapitel 5 erortert wird. Dabei muss der multidimensionalen Dienstleistungsproduktion von Banken Rechnung getragen werden. Um die unterschiedliche Rentabilitat zwischen den Banken zu erklaren, muss insbesondere die Leistungsfahigkeit der internen Produktionsprozesse zwischen den Banken verglichen werden. Hierbei wird es besonders wichtig, die Effizienz von Produktionsprozessen zu beurteilen und mogliche Ineffizienzquellen innerhalb der Unternehmung zu ermitteln, die Rentabilitatsunterschiede verursachen konnten. Neben einer isolierten Betrachtung des Einflusses der Wettbewerbsverhaltnisse und der Effizienz auf die Rentabilitat von Banken erscheint auch die Frage nach einer moglichen Interdependenz beider Faktoren interessant. Dabei gilt es insbesondere zu priifen, ob sie sich gegenseitig bedingen, wie es die Effizienz-Hypothese nahe legt, oder in ihrer Wirkung aufheben. Diese Fragestellung kann nur in einer empirischen Analyse beantwortet werden, die Gegenstand des Kapitels 6 sein wird.

4 Wettbewerb im Bankenmarkt 4.1 Einfiihrung Auf den Bankenmarkt wirken zahlreiche Veranderungsfaktoren ein,^ die die Rentabilitat von Banken beeinflussen konnten. Insbesondere konnten externe Faktoren zu einer Konsolidierung innerhalb des Marktes fiihren. Eine Konsolidierungswelle konnte eine veranderte Marktstruktur bedingen, welche wiederum Konzentrationsprozesse mit teilweiser Aussetzung des Wettbewerbs auslosen konnte. Daher ist die Marktstruktur insbesondere fiir die staatliche Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik von Bedeutung, aber auch fiir die betrofFenen Banken, da sich daraus mogliche Wettbewerbsbedingungen ergeben konnten. Um Aussagen iiber die Wirkung von Wettbewerbsbedingungen auf die Rentabilitat von Banken abzuleiten, miissen quantitative KonzentrationsmaBe iiber die Strukturen innerhalb eines Marktes formuliert werden. Neben einer reinen Beschreibung der Marktstruktur durch Konzentrationsmafie erscheint es ferner wichtig, auch die Wettbewerbsintensitat auf dem Bankenmarkt zu bestimmen. Daher wird neben den Konzentrationsmafien auch ein Modell von PANZAR und RossE (1987) herangezogen, mit dem die Wettbewerbsintensitat beurteilt werden kann. Das Benutzen von Konzentrationsmafien zur Evaluation von Wettbewerb entspricht dem klassischen SCP-Paradigma.^ Nach diesem Muster zwingt eine Veranderung in der Marktstruktur eine Anderung des Verhaltens von Firmen in diesem Markt, welches wieder deren Leistungsfahigkeit und somit das Marktergebnis determiniert. Eine hohe Konzentration kann zu geheimen Kartellbildungen fiihren, die Preise setzen, welche bei einem vollkommenen Wettbewerb nicht zustande kommen wiirden. Aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive ist der voUkommene Wettbewerb ideal, weil in diesem Fall Kunden die niedrigsten Preise zu entrichten haben. Die SCP-These setzt einen (strengen) Zusam-

^ Zu Veranderungsfaktoren vgl. Kapitel 2.7.1. ^ SCP-Paradigma steht im Englischen fiir structure-conduct-performance-paradigm, in Deutsch: Marktstrulctur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma.

122

4 Wettbewerb im Bankenmarkt

menhang zwischen steigender Konzentration und steigender Marktmacht voraus.^ Damit wiirde ein Anstieg der gemessenen Marktkonzentration zu einem Absinken der Wettbewerbsintensitat fiihren. In diesem Kapitel werden zunachst Konzentrationsmafie vorgestellt, die theoretischen Anforderungen der mikrookonomischen Theorie der Marktmodelle geniigen. Da jedoch das SCP-Paradigma zunehmend in Frage gestellt wird, werden auch andere Modelle zur Messung des Wettbewerbs vorgestellt, die der Theorie der „Neuen Empirischen Industrieokonomik" (engl. „New Empirical Industrial Organisation", NEIO) zugeordnet werden konnen.'* In diesen Modellen wird auf das Marktverhalten nicht iiber Proxy-Variablen, wie z.B. Marktkonzentration, geschlossen, sondern direkt modelliert.

4.2 Konzentrationmafie 4.2.1 Grundlagen Neben der deskriptiven Beschreibung eines Marktes durch die Anzahl der Kreditinstitute oder Anzahl von Filialen sind weitere MaBe interessant. Hierzu konnen Konzentrationsmafie herangezogen werden, die die Struktureigenschaft eines Marktes abbilden konnen. Sie konnen auch die Anderungen der Marktstruktur anzeigen, die durch Neueintritte oder Fusionen hervorgerufen werden. Gleichzeitig werden Konzentrationsmafie oft zur Erklarung des Marktergebnisses herangezogen (vgl. Kapitel 4.3). Zur Konzentrationsmessung wird auf den Begriff der Konzentration aus der deskriptiven Statistik zuriickgegriffen, der die Verteilung einer Merkmalssumme iiber beobachtete Merkmalstrager beschreibt.^ In der Statistik unterscheidet man zwischen absoluter und relativer Konzentration. Von absoluter Konzentration spricht man, wenn die Merkmalssumme auf eine kleine bzw. kleiner werdende Anzahl von Merkmalstragern verteilt ist, ohne dass notwendigerweise Ungleichheit unter ihnen besteht. Als ein Beispiel fiir die absolute Konzentration sei die Konzentrationsrate als Marktanteil der drei grofiten Banken genannt. Von relativer Konzentration spricht man, wenn ein grofier bzw. ein grofier werdender Anteil einer Merkmalssumme auf einen kleinen bzw. kleiner werdenden Anteil von Merkmalstragern verteilt ist. ^ Vgl. zu diesem Thema und Kritik ausfiihrlich Kapitel 4.3. ^ Eine lehrbuchmafiige Beschreibung von mikrookonomischen Grundlagen der Wettbewerbstheorie wiirde der Zielsetzung dieser Arbeit nicht gerecht und wird nicht gesondert dargestellt. Der interessierte Leser wird auf die Fachliteratur verwiesen, vgl. z.B. PINDYCK und RUBINFELD (2003), S. 363-647. ^ Vgl. z.B. BOHLEY (2000), S. 175-177.

4.2 Konzentrationmafie

123

Der Gini-Koeffizient und die Lorenz-Kurve sind die bekannten Mafie der relativen Konzentration. Mit den relativen Konzentrationsmafien wird insbesondere gemessen, ob die Merkmalssummen gleichmafiig iiber die Merkmalstrager verteilt sind.^ Da in dieser Arbeit nicht die Ungleichverteilungen der Merkmalssummen zwischen den Marktteilnehmer interessieren, sondern die tatsachliche Marktkonzentration beschrieben werden soil, werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit nur absolute KonzentrationsmaBe herangezogen. Dariiber hinaus konnen KonzentrationsmaBe verschiedenen mathematischen und/oder okonomischen Giitekriterien geniigen. Mathematisch konnen die Eigenschaften des Mittelwertes und der Streuung (oder allgemeiner statistischer Verteilungsmomente) wichtig zur Beurteilung sein. In dieser Hinsicht sind beispielsweise Informationsentropiemafie einfachen MaBen, wie der Konzentrationsrate, weit iiberlegen. Okonomisch kann jedoch gerade eine Betrachtung einfacher MaBe sinnvoll sein. Mochte man ein Indiz fiir die Monopolisierung eines Marktes haben, reicht eine einfache Konzentrationsrate, mit der der Marktanteil der 5 groBten Unternehmen gemessen wird, vollkommen. Sie misst in diesem Zusammenhang die wichtigste Eigenschaft der Marktstruktur (die Konzentration), die eine Grundvoraussetzung einer Monopolisierung ist.'' Grundsatzlich haben KonzentrationsmaBe {CI) die allgemeine Form nach Gl. 4.1. Der Marktanteil einer Bank wird durch pi (X^"^i Pi = 1) angegeben, wahrend Wi eine mogliche Gewichtung und n die Anzahl von Banken in einem Markt reprasentiert. n

CI = Y,WiPi

(4.1)

i=l

Der Marktanteil pi ist definiert als der Anteil des Merkmals a eines z-ten Unternehmens an der Merkmalssumme iiber alle n Merkmalstrager. Es gilt pi = ry^^- Bei Banken wird zur Messung der Marktkonzentration haufig die Bilanzsumme herangezogen. KonzentrationsmaBe lassen sich nach Art der Gewichtung {wi) von Banken klassifizieren und konnen allgemein in vier Gruppen unterteilt werden:^ • Gewicht von 1 fiir alle Banken, die im KonzentrationsmaB beriicksichtigt werden, alle anderen Banken erhalten ein Gewicht von 0; Beispiel: Konzentrationsrate.^

6 Vgl. z.B. MARFELS (1971a), S. 754.

^ Vgl. MARFELS (1971b), S. 69, MARFELS (1971a), S. 753-757. 8 Vgl. MARFELS (1971a), S. 758. ^

Z.B. Marktanteil der drei grofiten Banken an den Kundeneinlagen.

124

4 Wettbewerb im Bankenmarkt • Marktanteile von Banken (pi) werden als deren eigene Gewichte angenommen {wi = Pi.yi); Beispiel: Herfindahl-Hirshman-Index. • Die absteigende Reihenfolge von Banken (sortiert nach den Werten von pi) wird als ihre Gewichtung benutzt {wi = i,V2); Beispiel: Hall-Tideman-Index. • Der Marktanteil einer Bank wird mit dem negativen Logarithmus des eigenen Marktanteils gewichtet {wi = — logpi,V2); Beispiel: Entropie-Index.

Die KonzentrationsmaBe konnen ferner diskret oder stetig sein. Diskrete Konzentrationsmafie entsprechen dem obersten Quantil aus einer Verteilung der Marktanteile. Die Konzentrationsrate ist beispielsweise ein diskretes KonzentrationsmaB. Diskrete MaBe sind aufgrund ihrer einfachen Berechnung und Interpretation sowie ihrer geringen Anforderungen an das Datenmaterial in der Praxis beliebt. Befiirworter der diskreten MaBe argumentieren, dass auf einem Markt i.d.R. die fiihrenden Banken das Verhalten der restlichen Banken beeinflussen, wahrend die Aktionen kleiner Banken keinen Einfluss auf andere Marktteilnehmer ausiiben. Daher ergibt sich keine Notwendigkeit zur Beriicksichtung der gesamten Verteilung von Marktanteilen, die bei stetigen KonzentrationsmaBen einbezogen werden. Im Gegensatz zu diskreten KonzentrationsmaBen werden bei den stetigen MaBen, wie z.B. dem Herfindahl-Hirshman-Index, die Informationen iiber alle n Merkmalstrager innerhalb eines Marktes zur Berechnung herangezogen.^^ Um die Interpretation verschiedener KonzentrationsmaBe zu erleichtern, werden sie in der Literatur oft auf einem bestimmten Intervall, etwa [0,1] oder [l/n,l] definiert. Bei fast alien Kennzahlen geht man bei einem Wert von 0 bzw. 1/n von vollstandigem Wettbewerb aus. Bei einer Kennzahl von 1 wiirde das gesamte Marktvolumen auf eine Bank entfallen.^^

4.2.2 Konzentrationsrate Aufgrund der einfachen Handhabung sowie der relativ geringen Anforderungen an das Datenmaterial ist die Konzentrationsrate in der Praxis weit verbreitet und wird auch von Kartellamtern zur Beurteilung der Marktkonzentration herangezogen. Definition 1 (Konzentrationsrate). Sei ai < a2 < ... < an eine geordnete Reihe von Merkmalswerten und m eine beliebige natiirliche Zahl zwischen 1 und n — 1. Die ^° Vgl. z.B. BiKKER (2004), S. 50-51. Aus Sicht dieser Arbeit ist es entscheidend, dass beide Gruppen der Kennzahlen zwar die Marktstruktur quantifizieren konnen, jedoch das tatsachliche Wettbewerbsverhalten von Banken nicht unmittelbar abbilden konnen. ^^ Vgl. z.B. HALL und TIDEMAN (1967), S. 164. Die einzige Kennzahl, die eine umgekehrte Interpretation erfordert, ist der Entropie-Index.

4.2 Konzentrationmafie

125

Konzentrationsrate von m Elementen wird durch n

Cm=

^

Pi

^^^' Pi = -IT—

i=n-m+l

^

(4.2)

ai

1=1

berechnet. Der Wert m ist genau die Zahl der Merkmalstrager, die man zur Beurteilung der Konzentration herausgreifen mochte und Cm der entsprechende Anteil der Teilsumme an der Merkmalssumme (z.B. Konzentrationsrate der fiinf groBten Unternehmen einer Branche am Umsatz). Der entscheidende Kritikpunkt an diesem MaB wird darin gesehen, dass nur die jeweils m grofiten Unternehmen beriicksichtigt werden. Weitere Informationen aus dem Datenmaterial werden nicht ausgeschopft. Zudem konnen die grofiten betrachteten Unternehmen im Zeitablauf variieren. Ferner bleibt die Verteilung der Konzentration unberiicksichtigt. Bin Mafi von C3 = 0,6 wiirde sich auch dann ergeben, wenn das grofite Unternehmen einen Marktanteil von 50% und die beiden folgenden jeweils einen Marktanteil von 5% oder alle drei Unternehmen einen Marktanteil von jeweils 20% aufweisen wiirden. Hinter gleichen Werten konnen sich also ganz unterschiedliche Marktverhaltnisse verbergen. Dennoch kann diese Kennzahl eine sich abzeichnende Monopolisierung innerhalb eines Marktes anzeigen.

4.2.3 Hirshman-Herfindahl-Index Der Hirshman-Herfindahl-Index (HHI) ist das verbreitetste Konzentrationsmafi in der theoretischen Literatur und wird oftmals als Benchmark bei der Konstruktion neuer Konzentrationszahlen benutzt.^^ In den USA wird der HHI zur Beurteilung des Wettbewerbes und im Genehmigungsprozess von Fusionen herangezogen. Dabei werden Werte zwischen 1.000 und 1.800 als mafiige Konzentration angesehen. Werte unter 1.000 gelten als unbedenklich und solche iiber 1.800 als bedenklich. Ebenso werden bei Werten iiber 1.000 Unternehmenszusammenschliisse, die den Index um mehr als 200 Punkte steigen lassen, kritisch eingeschatzt.^^ 12 Vgl. z.B. HANNAN (1997), S. 23.

^^ Diese als 1800/200 bekannte Kegel kann theoretisch aus dem Cournot-Wettbewerbsmodell hergeleitet werden, vgl. z.B. CETORELLI (1999), S. 2-4. Dies setzt jedoch die Annahme des SCP-Paradigmas sowie die vereinfachende Annahme keiner Lernfahigkeit von Unternehmen (Unternehmen andern niemals ihr Verhalten) voraus.

126

4 Wettbewerb im Bankenmarkt

Definition 2 (Hirshman-Herfindahl-Index). 5'ezen ai,a2, ..,an Merkmalswerte von beliebigen Merkmalstrdgern und pi der Anteil des Merkmals eines i-ten Elements an der Merkmalssumme Yll=i ^i- -^^^ Herfindahl-Index wird definiert durch: n

HHI = J2P1

mit:pi = 4^

i=l

(4.3)

Yl ^i 1=1

Der Hirshman-Herfindahl-Index ist im Wertebereich HHI

= [1/n, 1] definiert. Bei

HHI = 1/n operieren auf dem Markt nur gleich grofie Banken^^ und bei HHI = 1 existiert nur ein Unternehmen auf dem betrachteten Markt. Da der HHI sehr kleine Werte erreicht, wird in der Praxis mit 10.000 (100% • 100% = (100%)^) multipliziert. Die Quadrierung der Anteilswerte im Herfindahl-Index bewirkt eine starkere Gewichtung groBerer Merkmalsanteile. Das kann man durchaus als Vorteil des MaBes interpretieren, wenn man sich der Auffassung anschliefit, dass zwei gleich grofie Unternehmen ein kleineres Ubel fiir den Wettbewerb darstellen als ein faktischer Monopolist mit einem Marktanteil von 90% gegeniiber einem kleineren Wettbewerber mit nur 10% Anteil am Markt.^^ Der HHI kann gemaB der Formel (4.4) in zwei Komponenten zerlegt werden. Die erste Komponente ist die Merkmalsvariation, ausgedriickt durch den VariationskoeflBzienten V. Die zweite Komponente wird aus der Anzahl der Merkmalstrager derart gebildet, dass unter der Bedingung gleicher Variation eine geringere Anzahl von Merkmalstragern das Konzentrationsmafi erhoht.^^ HHIa = (V^ + l)n

Li ^

mit: t oo gegen den Marktanteil der groBten Bank, also gegen Ci. Bei z = 2 entspricht HKI dem HHL

23 Vgl. HANNAH und KAY (1977), S. 55.

'^^ Zur Bedeutung des Gewichtungsschemas vgl. Kapitel 4.2.1, insbesondere Gl. (4.1) und die darauf folgende Diskussion. 2^ Z.B. bei Fusion zweier Banken, deren Marktanteile unterhalb des durchschnittlichen Marktanteils liegen. 26 Vgl. HANNAH und KAY (1977), S. 56.

130

4 Wettbewerb im Bankenmarkt

4.2.7 Hause-Index Basierend auf verschiedenen Interpretationen des Cournot-Wettbewerbsmodells^^ entwickelte H A U S E (1977) sechs verschiedene Kriterien, denen ein Konzentrationsmafi geniigen sollte.^^ Der von ihm vorgeschlagene Index enthalt einen Parameter, der das Kollusionsverhalten von Banken eines Marktes reprasentiert. Unter Kollusion versteht man in der Mikrookonomie Preisabsprachen zwischen Konkurrenten zwecks Erhohung der Gewinne.^^ Definition 6 ( H a u s e - I n d e x ) . Sei Pi der Anteil des Merkmals a^ eines i-ten

Elements

(i = 1 , . . . ,n^ an der Merkmalssumme

fiir den

gilt a > 0. Der Hause-Index

ist definiert

Yl^=i ^i ^ ^ ^ ^ ^^^ beliebiger Parameter, durch:

1=1

Der Parameter a reprasentiert das Kollusionsverhalten von Firmen. Mit diesem Parameter wird die Messung der Konzentration nicht nur durch Marktanteile von Banken, sondern auch durch eventuelle Preisabsprachen beeinflusst. Der Grad der Kollusion wachst umgekehrt zum Anstieg des Parameters a und fiir a ^ oo nahert sich HI dem HHI an. Der Index weist einen Wert von 1 im Falle eines Monopols und konvergiert gegen Null bei einer sehr grofien Anzahl gleich grofier Banken im Markt.^°

^^ In der makrookonomischen Markttheorie, die sich ebenfalls mit spieltheoretischen Wettbewerbsmodellen beschaftigt, existieren im Wesentlichen drei Wettbewerbsmodelle (Cournot-Modell, BertrandModell sowie Stackelberg-Modell). Alle in dieser Arbeit vorgestellten Modelle oder Kennzahlen zur Marktstruktur (Konzentrationsmafie) oder zum Marktverhalten (Fanzar-Rosse-Modell (vgl. Kapitel 4.4) ), die sich auf Bankenwettbewerb beziehen, lassen sich aus den besonderen Eigenschaften eines dieser Wettbewerbsmodelle herleiten. Die Beschreibung und Analyse dieser Modelle wtirde jedoch weit iiber das Ziel dieser Arbeit hinausgehen und wiirde keine neuen Erkenntnisse anbieten, die nicht bereits in den in dieser Arbeit dargestellten Kennzahlen und Modellen enthalten sind. Fiir interessierte Leser ist die Monographie von BAUMOL et al. (1982) empfehlenswert, in der die Modelle beschrieben werden und in die Theorie der Industrieokonomik (10, engl. „Industrial Organisation") eingeordnet werden. Fiir eine lehrbuchmafiige Darstellung vgl. NEUBERGER (1998). ^^ Einen ahnlichen sechs Punkte umfassenden Kriterienkatalog haben auch HALL und TIDEMAN (1967) entwickelt, vgl. HALL und TIDEMAN (1967) S. 163-164. 29 Vgl. z.B. PiNDYCK und RUBINFELD (2003), S. 621-625.

^^ Zur Verteilung der Werte von HI in verschiedenen hypothetischen Marktsituationen und fiir verschiedene Auspragungen von a vgl. Kapitel 4.2.9.

4.2 Konzentrationmafie

131

4.2.8 Entropie-Index Der Entropie-Index (E) hat seine theoretische Wurzel in der Informationstheorie von SHANNON (1948). E misst den erwarteten Informationsgehalt aus einer beliebigen Verteilung. Entropie ist ein Mafi fiir die Menge an Zufallsinformation, die in einem System (oder einer Informationsfolge) enthalten ist.^^ Definition 7 (Entropie-Index). Seipi der Anteil des Merkmals ai eines i-ten Elements (i = 1,... ,n) an der Merkmalssumme Yl^=i ^i- ^^"^ Entropie-Index ist definiert durch: n

/ 1 \

E = -Y^Pi\0g2P^ = -

"

iy^jYLPi^^Pi (4.9)

^ti' Pi =

-— i=l

Der Entropie-Index ist auf den Wertebereich [O, log2 n = ^ ] definiert. Der Wert von E verlauft invers zum Grad der Konzentration innerhalb eines Marktes. Bei einem Monopol liegt der Wert von E bei 0. Den hochsten Wert erreicht E, wenn alle Banken gleiche Marktanteile besitzen. Bei einer gleichbleibenden Anzahl von Banken sinkt E, wenn sich die Marktanteile zwischen den Banken verschieben und die Ungleichheit unter ihnen ansteigt.

4.2.9 Empirische Illustration verschiedener Konzentrationsmafie Um die Wirkungsweisen der vorgestellten Konzentrationsmafie sowie ihre Starken und Schwachen aufzuzeigen, ist es hilfreich, die Konzentration in hypothetischen Marktsituationen zu beobachten. Dazu werden zunachst vier hypothetische Markte mit den in der Tab. 4.1 angegebenen Marktanteilen konstruiert. Markt Markt Markt Markt

1 0.8 0.1 0.1 2 0.8 0.1 0.05 0.01 0.01 0.01 0.01 3 0.35 0.35 0.3 4 0.35 0.35 0.15 0.15

0.01

Tabelle 4.1: Vier hypothetische Marktstrukturen ^^ Die Logarithmusfunktion zur Basis 2 in Gl. (4.9) kann in den natiirlichen Logarithmus In zur Basis e mit log2 Pi = ^-^j^ umgewandelt werden.

4 Wettbewerb im Bankenmarkt

132

Der Markt 1 hat dabei drei Marktteilnehmer, Markt 2 acht etc. Bei der Konstruktion der Markte wurde eine Tendenz zur Konzentration unterstellt. Der Markt 1 hat die hochste unterstellte Konzentration und der Markt 4 die niedrigste. In den ersten beiden Marktstrukturen existiert ein marktbeherrschendes Unternehmen, das einen Marktanteil von 80% auf sich vereinen kann. Die Markte 3 und 4 haben eher oligopoUstische Strukturen, die jedoch die Gefahr einer Kartellbildung latent beinhalten. Die Ergebnisse der Konzentrationsmessung fiir die vier hypothetischen Marktstrukturen sind in der Tab. 4.2 zusammengefasst. Grundsatzlich sind alle Kennzahlen in der Lage, die abfallende Tendenz der Konzentration zu erfassen. Einzig der Hannah-Kay-Index (HKI) fiir den Wert von a = 0.05 nahrt sich schlicht der Anzahl von Unternehmen n in einem Markt.^^ Der Entropie-Index E verlauft umgekehrt zu anderen Mafien und zeigt hohe Konzentration bei kleinen Werten an. HHI HTI CCI HKI

Wertebereich 1/n < HHI < 1 1/n < HTI < 1 0 < CCI < 1 1/pi < HKI < n

HI

00

und L(0) = W

Axiom 1 stellt sicher, dass ein echt positiver Output nicht mit einem leeren Inputvektor hergestellt werden kann (kein „Free Lunch") und dass jeder nicht negative Inputvektor mindestens einen Output von Null erzeugt. Axiom 2. Wenn ||y'|| —>• -foo sowie I -> -I-CXD, dann HzLT ^(y') "= ^ Axiom 2 gibt an, dass mit einem endlichen Inputvektor kein unendlicher Output produziert werden kann. Axiom 3. Wenn x € L(y) dann, Ax E L(y) fiir A > 1 Im Axiom 3 wird gefordert, dass ein proportionaler Anstieg der Inputfaktoren nicht zu einem Absinken der produzierten Outputmenge fiihren kann. Wenn eine Outputmenge y durch die Inputmenge x produziert wird, lasst sie sich auch durch einen hoheren Einsatz von Input herstellen. In diesem Fall wiirde man von Verschwendung sprechen. In der Produktionstheorie wird dieses Axiom als schwache DisponibiUtat des Inputs bezeichnet. Axiom 4. I/(y) ist fiir alle y € !/ abgeschlossen und konvex Vgl. SHEPHARD (1970), S. 14.

180

5 Effizienzanalyse von Banken

In Axiom 4 werden zwei mathematische Eigenschaften der Inputmengen formuliert. Durch die Abgeschlossenheit wird gewahrleistet, dass sich eine Isoquante von L{y) als Teilmenge des Randes der Inputmenge L{y) definieren lasst. Durch die Konvexitat^^ der Inputmengen wird gefordert, dass bei einer Substitution eines Inputbiindels durch ein anderes Inputbiindel unter Konstanthaltung der Outputmenge die Substitutionsrate abnimmt. Axiom 5. L(^y) C L(y)

fur^>l

In Axiom 5 wird sichergestellt, dass ein proportionaler Anstieg der Outputmenge nicht durch ein Absenken der Inputmenge erreicht werden kann. Dieses Axiom gibt die Uberlegung wieder, dass es nicht effizient sein kann, einen endlichen Output durch den Einsatz einer unendlichen Inputmenge herzustellen. Diese Eigenschaft der Produktionstechnologie wird auch als schwache DisponibiUtat des Outputs genannt. Durch die inverse Beziehung zwischen L(y) und P(x) folgt, dass es auch Axiome fiir P geben muss, die aquivalent zu Axiom 1 und 5 sind. Axiom 6. P(0) = {0} Axiom 6 besagt, dass ein Nullinputvektor keinen Output erzeugen kann. Axiom 7. P(x) ist fiir x G X beschrdnkt In Axiom 7 wird sichergestellt, dass eine endliche Inputmenge keinen unendlichen Output erzeigen kann. Axiom 8. P(Ax) D P{x) fiir A > 1 Ein proportionaler Anstieg der Inputmenge reduziert nicht die Outputmenge. Das ist die schwache DisponibiUtat des Inputs. Axiom 9. P(x) ist abgeschlossen und konvex Axiom 9 erlaubt die mathematische Definition einer outputorientierten Isoquante zu P(x), die sich als eine Teilmenge des Randes von P(x) formulieren lasst. Axiom 10. y G P(x) =^ ^y G P(x) fiir f G [0,1] ^^ Eine Menge M eines reellen oder komplexen Vektorraums wird konvex genannt, wenn mit je zwei ihrer (beliebig gewahlten) Punkte auch deren Verbindungsstrecke in der Menge liegt, d.h. wenn fiir alle a,beM gilt: ab := {Xa + (1 - A)6|0 < A < 1} C M.

5.3 Konzept der Effizienzmessung

181

Mit dem Axiom 10 wird sichergestellt, dass sich ein proportionales Absenken der Outputmenge mit einem unveranderten Inputbiindel produzieren lasst (schwache Disponibilitat des Outputs). Zur Messung der EfRzienz im Sinne dieser Arbeit (vgl. Kapitel 5.4.2) reichen die Definitionen der schwachen Disponibilitat des Inputs bzw- des Outputs nicht aus, weil sie nur eine proportionale Anderung betrachten. Genauso kann jegliche Anderung (Senkung des Inputs/Erhohung des Outputs) beriicksichtigt werden. Daher werden abweichend zwei Axiome definiert, die eine starke Disposibilitat ermoglichen und die Axiome 3, 5, 8 und 10 ersetzen. Axiom 11. x > x € L{y) =» x € L{y) Axiom 12. y' > y =4> L(y') C L(y) oder aquivalent Axiom 13. x > X =^ P(x') C P(x) Axiom 14. y' < y G P(x) =^ y' G P(x) Mit den Axiomen 11 und 13 wird die strenge Disposibilitat des Inputs formuliert. Dann kann jeder Anstieg der Inputmenge, inklusive des proportionalen Anstiegs, nicht zu einer Reduktion der Outputmenge fiihren. Analog wird mit den Axiomen 12 und 14 die strenge Disposibilitat des Outputs formuliert. Danach bleibt jede Verringerung der Outputmenge, auch eine proportionale, mit der gleichen Inputmenge produzierbar. Da die nachfolgenden Beziehungen fiir den input- als auch den outputorientierten Fall immer analog sind, werden aus Darstellungsgriinden die outputorientierten Falle nicht mehr explizit angegeben Oder erlautert. Ebenso wird auf die Beweisfiihrung verzichtet, da sie nicht wesentlich zum Verstandnis der Materie beitragt.^^ Ein beliebiges Element (x, y) der Technologiemenge L(y) stellt eine mogliche, aber nicht notwendigerweise effiziente Technologic dar. Um effiziente Produktionseinheiten zu identifizieren, muss sie auf der Produktionsfunktion liegen, die per Definition eine effiziente Input-Output-Kombinationen beschreibt. Im Fall der Inputmenge L{y) stellt der untere Rand die effiziente Teilmenge von L(y) dar (vgl. Abb. 5.2(a)). Der effiziente Rand ist als eine konvexe Menge der effizienten Kombinationen von Faktoreinsatzmengen zur Fiir eine explizite Darstellung der outputorientierten Falle sowie der Beweise vgl. z.B. FARE et al. (1985), S.21-48.

182

5 EfRzienzanalyse von Banken

Erzeugung einer bestimmten Ausbringungsmenge definiert. Unter Beachtung der Axiome 1 - 5 kann dieser Rand definiert werden als: Isoq L(y) = {x I X € L{y), Ax ^ L(y), A 6 [0,1)}

(5.4)

Bei zusatzlicher Beachtung der Axiome 11 und 12 ist der effiziente Rand definiert als: Eff L{y) = {x I X 6 Isoq I/(y), x^ < Xi fur mind, ein Element x^ aus x', =>x ^ Isoq L[y)] Der Rand der effizienten Input-Output-Kombinationen wird als Effizienzgrenze bezeichnet. Es ist klar, dass EfF L{y) C Isoq L(y) gilt, jedoch gilt im Allgemeinen, dass aus X e Isoq L(y) nicht zwangslaufig x € EfF L(y) folgt. Die Definition des eflftzienten Randes ist wichtig, weil eine Produktionseinheit mit einem Inputvektor x bei der Erstellung eines Outputvektors y Pareto-Koopmans-effizient (streng effizient) ist, genau dann wenn X G EfF L{y). In diesem Fall ist die Input-Output-Kombination einer Produktionseinheit genau dann eflfizient, wenn es nicht moglich ist, bei der Produktion eines Outputbiindels einen Input zu reduzieren, ohne einen anderen Input zu erhohen. Eine Produktionseinheit ist dann schwach eflfizient ((x,y) 6 Isoq L(y)), wenn es nicht mogUch ist, bei der Produktion eines Outputbiindels den Inputvektor proportional zu senken.

5.3.2 Messung der EfRzienz Im vorangegangen Kapitel wurden die Moglichkeiten zur Beschreibung von Produktionstechnologien diskutiert. In diesem Kapitel werden darauF aufbauende Ansatze zur Eflftzienzbestimmung beschrieben. Die Bestimmung der Effizienz hat weitreichende Bedeutung, weil sich dadurch effiziente und ineffiziente Produktionseinheiten unterscheiden und sich innerbetriebliche Griinde fiir das Auftreten der Ineffizienz identifizieren lassen. Zur Bestimmung der Effizienz einer beliebigen EEj ist es notwendig, den Abstand der EEj zu der Isoquante Isoq L(y) zu bestimmen. Basierend auf den Arbeiten von KOOPMANS (1951) entwickelte FARRELL (1957) einen konsistenten Rahmen zur Bestimmung der technischen und allokativen Effizienz sowie der Kosteneffizienz. SHEPHARD (1970) entwickelte Abstandsfunktionen, mit deren HilFe die von KOOPMANS (1951) und FARRELL

5.3 Konzept der Effizienzmessung

183

(1957) vorgeschlagenen Effizienzmafie im mehrdimensionalen Raum als ein Abstand einer Produktionseinheit zur Produktionsfunktion ermittelt werden konnte.^^ Wenn eine Produktionseinheit ein Outputbiindel y mit einem Inputbiindel x realisiert und X ^ Eff L(y), werden einzelne Inputs im Ubermafi eingesetzt und man spricht von einer Inputverschwendung. Den umgekehrten Fall (y ^ EfF P(x)) bezeichnet man als Outputunterproduktion. Technische Effizienz bezieht sich auf die Fahigkeit der Vermeidung derartiger Suboptimalitaten. Nach KOOPMANS (1951) ist die Produktionsalternative technisch effizient, wenn keine dominante Alternative existiert, die ^^ (i) mit weniger oder gleich hohem Faktoreinsatz arbeitet, (ii) dabei mindestens die gleiche Ausbringungsmenge produziert und (iii) von einem Faktor echt weniger einsetzt oder von einem Produkt echt mehr ausbringt. Ineffiziente Aktivitaten verletzen das okonomische Prinzip, weil sie entweder mehr Faktoreinsatzmengen als notig verbrauchen oder weniger Leistung als moglich hervorbringen. Der Effizienzbegriff dient deshalb der Aussonderung solcher Aktivitaten, die bei rationalem Handeln aufgegeben werden miissen. Nach FARRELL (1957) lasst sich ein MaB der technischen Effizienz des Inputvektors X e L{y) als ein Entfernungsmafi zur Produktionsgrenze darstellen. Es gilt^^ F (x, y) = min { 0}

(5.6)

Der Faktor F (x, y) gibt an, wie weit sich alle Inputfaktoren hochstens proportional reduzieren lieBen, ohne dass das reduzierte Inputbiindel zur Erstellung des Outputbiindels y unzulassig wird. Fiir alle zulassigen Input-Output-Kombinationen gilt 0 y,6> > 0,e > 0 | gemessen, wobei x = ( 0

Mit dem Optimierungsproblem (5.14) wird die Effizienz einer EE^ unter der Annahme konstanter Skalenertrage bestimmt.^^ Zur Berechnung der Effizienz fiir alle n EE muss das Optimierungsproblem (5.14) n-mal durchgefiihrt werden. Dabei werden nicht negative Gewichtungsfaktoren Ur und Vi gesucht, bei denen die Produktivitat maximal wird. Gleichzeitig muss die Nebenbedingung eingehalten werden, dass die hochste Produktivitat gerade Eins ergeben kann. Ohne diese Nebenbedingungen wiirde es sich um ein unbeschranktes Maximierungsproblem handeln. Diese Nebenbedingung beschrankt das Effizienzmafi auf das Intervall [0,1]. Bei einem Wert von 1 fiir die Losung des obigen Optimierungsproblems ist die EE effizient. Die effiziente Input-Output-Kombination gehort in diesem Fall zu Isoq L(y) und ist somit effizient im Sinne von FARRELL (1957). Es existiert keine andere EE, die mit den gewahlten Gewichtungen fiir die Inputs bzw. Outputs eine hohere Produktivitat erreichen kann. Bei einem Wert unter 1 wurde mindestens eine EE Oder eine Linearkombination von EE gefunden, die eine hohere Produktivitat aufweist. Das Optimierungsproblem in (5.14) stellt ein nicht lineares Optimierungsproblem dar, welches im Rahmen der Quotientenoptimierung gelost werden miisste. Auch wenn es der intuitiven Darstellung dienlich ist, ist es fiir eine rechnerische Losung ungeeignet. So stellt neben einer optimalen Losung u* und v* auch jede Kombination ku^ und kv* eine optimale 36 Vgl. COOPER et al. (2000), S. 23.

^'^ s.t.=subject to, bedingt durch, unter den Nebenbedingungen. 3^ Folglich trennt dieses Optimierungsproblem nicht zwischen der technischer und der Skaleneffizienz. Falls eine EE ineffizient ist, ist ihre Ineffizienz das Produkt der technischen Ineffizienz und der Skalenineffizienz.

194

5 Effizienzanalyse von Banken

Losung dar. Prinzipiell lasst sich eine unendlich grofie Anzahl optimaler Losungen finden. Das Optimierungsproblem (5.14) kann mit Hilfe der Charnes-Cooper-Transformation^^ in ein lineares Optimierungsproblem iiberfuhrt werden, welches mit dem gewohnlichen Simplex-Algorithmus gelost werden kann. Als Ergebnis der Uberfiihrung erhalt man das lineare Optimierungsproblem in (5.15).^°

max

S.It.

y ^ UrkVrk r=l m ^VikXik

= l

z=i s

(5.15) m

Y^ UrkVrj - ^ r=l

VikXij < 0

Vj = 1, . . . , n

1=1

Urk,Vik > 0

Die optimalen Losungen fiir die Gewichtungsvariablen Ur, Vi in (5.15) sind identisch mit den optimalen Losungen aus (5.14).^^ Das lineare Optimierungsproblem (5.15) kann man in Matrizenschreibweise schreiben als: max

T

Ujfe.Vjfc

S.t.

X^Vfc = 1

(5.16)

Y^u,-X^v, 0

Xfc ist hier der m x 1 Vektor der Faktoreinsatzmengen der EEA;, yA: der 5 x 1 Vektor ihrer Ausbringungsmengen, u^ ein 5 x 1 Gewichtungsvektor der Ausbringungsmengen und Vk ein m X 1 Gewichtungsvektor der Faktoren. X ist eine m x n Matrix der m Inputmengen aller n Produktionseinheiten und Y eine s x n Marix der Outputs aller Produktionseinheiten. Das DEA-Modell in (5.16) wird als „Multiplier Form" bezeichnet. Zu jedem beschrankten linearen Maximierungsproblem existiert auch ein duales lineare Minimierungsproblem, welches i.d.R. rechentechnisch einfacher zu losen ist. Das zu (5.16) duale Optimierungsproblem lautet: 39 Vgl. CAHRNES und C O O P E R (1962), SENGUPTA und F o x (1975), S. 39-40. 40 Vgl. CHARNES et al. (1978), S. 431. ^^ Ein spezieller Beweis der Transformation fiir DEA findet sich bei CooPER et al. (2000), S. 24. Ansonsten ware die Transformation auch nicht zulassig!

5.4 Empirische Messung der Effizienz

mm s.t.

195

nCRS

XAfc < 9^

Xk

/^ ^^>>

YA, > y , Afc > 0,9^^^ > 0 mit 9^^^ als einem Skalar, welcher die Effizienz einer EE angibt und Ajt als einem n x 1 Gewichtungsvektor. Dieses DEA-Modell wird als „ Envelopment Form" bezeichnet, da mit ihrer Hilfe eine aus linearen Teilstiicken bestehende Randfunktion ermittelt werden kann, welche die effizienten EE verbindet und als Benchmark dient.^^ Im Gegensatz zur Multiplier Form werden hier nicht die Faktoren und die Produkte gewichtet, sondern die betrachteten EE. Die Variable 9^^^ G [0,1] gibt an, wie weit die Inputs der EE^ proportional reduziert werden konnten, wenn man an ihrer statt eine Ajt-fache Linearkombination aller betrachteten Alternativen verwendet. Bei 9^^^ = 1 ist die EE^ effizient. Der Zusatz CRS gibt an, dass bei diesem Optimierungsproblem zur Effizienzberechnung konstante Skalenertrage bei der Leistungserstellung von EE angenommen werden. Bei der Losung des Minimierungsproblems wird eine EE oder eine Linearkombination von EE mit mindestens gleich hoher Ausbringungsmenge y wie die betrachtete EE/t und mit hochstens dem ^^^"^-fachen Anteil der Faktoreinsatzmenge xjt durch den Gewichtungsvektor Ajt identifiziert. Falls 9^^^ < 1 ist, wurde mindestens eine Linearkombination gefunden, die eine grofiere oder die gleiche Ausbringungsmenge mit geringerem Faktoreinsatz erzeugen konnte. Somit wird die EE^ dominiert und ist folglich ineffizient. Andere EEj, mit einem von null verschiedenen Gewichtungsfaktor in A^ {Xj ^ 0), werden als Referenz-EE bezeichnet und zur Konstruktion der Effizienzgrenze herangezogen.^^ Das DEA-Modell (5.17) stellt ein inputorientiertes Modell dar. Eine outputorientierte Sicht des CCR-ModeWs ist ebenfalls moglich, indem der Input als gegeben angenommen wird und der Output maximiert wird. Diese Sichtweise wird im Optimierungsproblem (5.18) formuliert.

^2 Vgl. COOPER et al. (2000), S. 43. Fur eine kurze Einfiihrung in die Dualitatstheorie vgl. Anhang A. '^^ Die grafische Veranschaulichung der Effizienzergebnisse ist analog zur Beschreibung der Abb. 5.3.

196

5 Effizienzanalyse von Banken

max s.t.

'i'''yk

v>o,

f,"' >o

In (5.18) gibt die Effizienz (j/^^^ der EE^ das Niveau an, auf welches sich die Ausbringungsmenge von EEA; proportional steigern liefie, wenn sie effizient produzieren wiirde. Da die Vorgehensweise zur Bestimmung der input- und outputorientierten Effizienz analog ist, wird im Folgenden auf eine explizite Darstellung der outputorientierten Effizienzmafie verzichtet. Die Optimierungsprobleme (5.17) und (5.18) sind aquivalent. Es gilt:"^^ ' = ^

(5.19)

Die bisher betrachteten DEA-Effizienzmafie implizieren nur eine proportionale Senkung aller Inputmengen (oder eine proportionale Erhohung der Outputmengen) und entsprechen dem EffizienzmaB von FARRELL (1957). Damit gehort die Menge aller effizienten Einheiten Isoq L{y) an. Eventuelle Senkungen einzelner Inputs nach einer proportionalen Senkung auf die durch Isoq L(y) definierte Effizienzgrenze bleibt unberiicksichtigt. Interessiert jedoch die durch Eff L(y) definierte Effizienzgrenze, die dem Effizienzbegriff nach KOOPMANS (1951) entspricht, kann man die in DEA recht einfach beriicksichtigen. Dazu ist die Formulierung der sog. Schlupfvariablen (Slacks) notwendig, die aus der Optimierungstheorie (gut) bekannt sind.^^ Man kann Schlupfvariablen bzgl. der Inputs s^^ und bzgl. der Outputs s^ unterscheiden. Es gilt s^ = ^^^^x;fc - XAfc und

s+ = YAfc-yfc

(5.20)

wobei s^ > 0 und s^J" > 0 fiir jede beliebige Losung von (5.17) sind. Mit s^ werden mogliche Verringerungen einzelner Inputmengen nach einer proportionalen Senkung aller Inputs angegeben und mit s^ mogliche Steigerungen einzelner Outputmengen. Mit diesen Informationen lasst sich das inputorientierte DEA-Modell (5.17) umformulieren zu: Diese Aquivalenz gilt jedoch nur unter Annahme konstanter Skalenertrage. Vgl. z.B. COOPER et al. (2000), S. 58. Vgl. z.B. ELLINGER et al. (1998), S. 25-41, WILLIAMS (1992), S. 66-73.

5.4 Empirische Messung der Effizienz

min

QCRS

.4 sl.t.

197

- e (e^s^ + e^s4)

XA, + s,--. Q C R S ^

(5.21)

YA, - s + -'•Yk Ait > 0, s+ > 0, s" > 0,9^^^ > 0 Im Vektor e = ( 1 , . . . , 1)^ sind alle Elemente gleich Eins (Einsenvektor) und e ist eine vorgewahlte nicht-archimedische GroBe.^^ Es ist wichtig zu verdeutlichen, dass die alleinige Aufgabe der Schlupfvariablen die Beriicksichtigung einer moglichen Inputsenkung ist, die sich nach einer proportionalen Senkung ergeben konnten. Wie hoch diese zusatzliche Inputsenkungen sein konnten, wird alleine durch die Hohe der Schlupfvariablen sjj" und Sj^ angegeben und nicht durch 0. Aus diesem Grund wird fiir den praktischen Einsatz empfohlen, erst das urspriingliche DEA-Modell in (5.17) zu losen und anschliefiend die Schlupfvariablen zu beriicksichtigen. Nach (5.21) ist eine EE/t effizient, genau dann, wenn ^ = l^s^ = 0,s^ = 0 gilt. In diesem Fall gehort eine effiziente EEfc zur Menge Eff L{y). Die Einbeziehung der Schlupfvariablen in die Zielfunktion von (5.21) dient lediglich dazu, die EE auszusondern, die zur Menge Isoq I/(y), aber nicht zur Menge Eff L{y) gehoren. DEA ermoglicht auch die Bestimmung der optimalen Input-Output-Kombination (Referenzmenge) fiir eine ineffiziente auf der Effizienzgrenze. Die optimalen Input- und Outputmengen einer EEjt, wenn sie effizient operieren wiirde, ist definiert als: X, - e^^'^Xk - s,-

(5.22)

yifc = y^ + s+

(5.23)

Das Zeichen ^ zeigt die optimalen Mengen fiir die EE^ an. Die optimalen Mengen werden im DEA-Kontext als Projektionen bezeichnet. Um die Darstellungsweise der DEAOptimierungsprobleme anschaulicher zu halten, wird im Folgenden immer die im DEAModell (5.17) vorgestellte Schreibweise beibehalten, obwohl die Losungen im empirischen Teil der Arbeit tatsachlich immer analog zum DEA-Modell in (5.21) berechnet werden. In der praktischen Implementierung wird das DEA-Modell (5.21) in zwei Schritten gelost. Vgl. z.B. ZHU (2003), S. 6-7. Wenn eine simultante Losung des DEA-Modells angestrebt wird, wird in der Literatur vorgeschlagen, e = 10~^^ einzusetzen. Fiir eine Diskussion iiber die verschiedenen Effizienzmafie nach FARRELL (1957) und nach KOOPMANS (1951) vgl. Kapitel 5.3.2.

198

5 Effizienzanalyse von Banken

5.4.2.2 Technische Effizienz bei variablen Skalenertragen Das DEA-CCR-Modell ist insoweit als restriktiv einzustufen, als dass das berechnete EfRzienzmaB 9^^^ konstante Skalenertrage unterstellt. Damit ist eine explizite Trennung zwischen rein technischer Ineffizienz und eventueller Skalenineffizienz, infolge suboptimaler BetriebsgroBe, nicht moglich. Daher wurde das Modell von BANKER et al. (1984) und FARE und GROSSKOPF (1985) auf andere Produktionstechnologien verallgemeinert. Fiigt man zum Optimierungsproblem (5.17) eine zusatzliche Nebenbedingung hinzu, erfolgt eine Annaherung^^ an variable Skalenertrage (VRS).^^ Die Produktionseinheiten werden in dem Fall mit anderen, effizienten Produktionseinheiten mit gleichen Skalenertragen verglichen. Die Effizienz einer EE^ unter der Annahme variabler Skalenertrage lasst sich mit dem folgenden DEA-VRS-Modell berechnen. mm

s.t.

QVRS

xXk y.

(5-24)

e^A, = 1 Afc>O,C''^>0 Durch Hinzunahme von e^A^ = 1 wird ein Vergleich der EE^ mit einer gleichgrofien EE auf der Effizienzgrenze erzwungen und somit die Effizienz unter der Annahme von variablen Skalenertragen bestimmt. Folglich kann EE^ die Effizienz nicht mit einer Veranderung der Betriebsgrofie verbessern. 6^^^ lasst sich als das Verbesserungsniveau interpretieren, auf das die betrachtete EEfc die Faktoreinsatzmengen bei effizienter Produktion ohne eine Veranderung der BetriebsgroBe proportional senken konnte. Dagegen umfasst 0^^^ sowohl eine Verbesserung der „reinen" technischen Effizienz (0^^^) als auch der Skaleneffizienz 5(x,y). Neben der Erweiterung des DEA-CCR-Modells auf variable Skalenertrage hat das Optimierungsproblem (5.24) einen weiteren Vorteil. Es lasst sich aus den bekannten Effizienzmafien ^^^"^und ^;^^*^das Ausmafi der Skaleneffizienz Sk einer EEfc bestimmen.

^^ Aufgrund der abschnittweise linearen Konstruktion der Effizienzgrenze wird eine Vielzahl von effizienten Elementen benotigt, um eine gute Approximation an die Effizienzgrenze zu bilden. ^^ Fiir eine Diskussion von Skalenertragen, deren Bestimmung und Umsetzung in DEA vgl. z.B. BANKER et al. (1984) und THANASSOULIS (2001), S. 123-155 und die dort angegebenen Literatur.

5.4 Empirische Messung der Effizienz

199

Es gilt:^^ QCRS

,CHS^0VRS,s^^S,=

"^

(5.25)

Der Wert Sk zeigt an, wie weit eine EE)fc seine Inputmengen reduzieren konnte, wenn sie skaleneffizient operieren wiirde. Bei Sk = I ist die betrachtete EEjt skaleneffizient. Fiir Sk < I ist die EE)t skalenineffizient. Die Richtung der (sinnvollen) BetriebsgroBenanpassung ist jedoch noch offen. Eine skaleninefRziente Bank kann sowohl mit zu groBer als auch mit zu kleiner Betriebsgrofie operieren. Hierzu ist die Bestimmung der Art der Skalenertrage notwendig. Die Art der Skalenertrage kann durch die Summe der Gewichte (e^Xk) bei der Berechnung des DEA-CRS-Modells (5.17) bestimmt werden. Falls die Summe der Gewichte grofier Eins ist (e^Ajt > 1), operiert das Unternehmen im Bereich steigender Skalenertrage und miisste die BetriebsgroBe steigern, um die Skalenineffizienz abzubauen.^^ Fiir e^Xk < 1 (e^Ajt = 1) befindet sich demnach das Unternehmen im Bereich fallender (konstanter) Skalenertrage.^^ 5.4.2.3 Kosteneffizienz und allokative Effizienz Die bisherige Betrachtung umfasste die (,,reine") technische Effizienz und die Skaleneffizienz. Um die Kosteneffizienz C(x, y, w) zu bestimmen, miissen noch die Faktorpreise w, zu denen eine EE produziert, beriicksichtigt werden. AnschlieBend lasst sich die allokative Effizienz einer Produktionseinheit bestimmen. Zur Berechnung der Gesamteffizienz miissen zunachst theoretisch mogliche, minimale Kosten durch das folgende lineare Optimierungsprogramm bestimmt werden:^^ min w^x]^ s.t.

XAfc < x;;

^^26)

YXk > Yk Xk>0

49 Vgl. z.B. COOPER et al. (2000), S. 118-139. ^° Intuitiv erklart, bedeutet e^Ajk > 1, dass die EEjt mit einer effizienten EE oder einer Linearkombination von effizienten EE verglichen wird, die eine hohere BetriebsgroBe als EE/fc haben. 51 Vgl. z.B. ZHU (2003), S. 61. ^2 Vgl. z.B. THANASSOULIS (2001), S. 81-83.

200

5 EfRzienzanalyse von Banken

Dabei ist w^ ein (transponierter) m x 1 Preisvektor der m Faktoreinsatzmengen einer EEfc. Der Preisvektor w^ kann zwischen verschiedenen Poduktionseinheiten variieren.^^ Im Optimierungsproblem (5.26) wird ein kostenminimierender m x 1 Vektor der Inputs x^ und eine lineare Kombination aller EE mit dem Gewichtungsvektor A^ gesucht, die mindestens die Ausbringungsmenge y^ und hochstens den Einsatzmengenvektor X)t der EEjt besitzt.^^ Als Ergebnis erhalt man den idealen, kostenminimierenden Faktoreinsatzmengenvektor xj^.^^ Mit der Losung von (5.26) werden minimale Kosten mit w^xj^ der EE)fc berechnet, die den tatsachlichen Kosten der EE^ (w^x;t) gegeniibergestellt werden.^^ Die Kosteneffizienz Ck einer EEfc ist definiert als:

C, = 4 ^

(5.27)

Nach Gl. (5.12) kann man die allokative Effizienz Ai, einer EEfc berechnen als: Ak = - ^

(5.28)

Die KosteneiBzienz Ck kann insgesamt dargestellt werden als:''^ (7, = e f « ^ - A , = e r « « - 5 , - A ,

(5.29)

Somit konnen die technische Effizienz 6^^^, die „reine" technische Effizienz 0]^^^^ die Skaleneffizienz Sk, die allokative Effizienz Ak und die Kosteneffizienz Ck mit Hilfe eines Verfahrens bestimmt werden.

5.4.3 Weitere DEA-Modelle Neben diesen Grundmodellen existieren weitere DEA-Modelle, deren Einsatz fiir die bankwirtschaftliche Diskussion denkbar ist. Neben einem Verfahren zum Effizienzvergleich zwi-

^3 Vgl. z.B. COOPER et al. (2000), S. 236.

^"^ Durch die Konstruktion des Optimierungsproblems wird sichergestellt, dass die optimale Losung hochstens den urspriinghchen Faktormengenvektor Xjfe hervorbringt. ^^ Durch den Verzicht auf die Additionsnebenbedingung (5.26) fiir Ajt impliziert man die Verwendung von CRS. ^6 Vgl. z.B. WELZEL (1996), S. 188.

^•^ Zu der Zerlegung von Ck vgl. FARE und GROSSKOPF (1985), S. 187-191, THANASSOULIS (2001), S. 28.

5.4 Empirische Messung der Effizienz

201

schen verschiedenen Gruppen^^ wurden beispielsweise DEA-Verfahren zur Beobachtung der Produktivitatsanderungen im Zeitablauf,^^ und Verfahren zur Berechnung der Effizienz bei Vorhandensein von a priori Informationen^^ entwickelt. Diese Verfahren werden nachfolgend kurz vorgestellt. 5.4.3.1 GruppenefRzienzvergleiche Die bisherigen Betrachtungen der Effizienz beruhen auf der Annahme, dass alle betrachteten EE der selben Gruppe (Kategorie oder System) angehoren. Effizienzvergleiche zwischen den zu unterschiedlichen Gruppen gehorenden EE (z.B. zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften) sind nur dann sinnvoll moglich, wenn die zu vergleichenden EE keine Ineffizienzen aufweisen. Anderenfalls sind die durchgefiihrten Vergleiche zwischen den EE fehlerbehaftet, da eine Separierung des Einflusses eines ineffizienten Managements auf eventuelle systembedingte Effizienzunterschiede nicht moglich ist.^^ Man wiisste nicht, ob die moghchen Effizienzunterschiede auf gruppenspezifische Merkmale oder auf ein ineffizientes Management zuriickzufiihren sind. Daher haben BROCKETT et al. (1998) ein dreistufiges Verfahren vorgeschlagen, um die Effizienz zwischen verschiedenen Gruppen zu vergleichen.^^ Dazu werden im ersten Schritt mit dem Optimierungsproblem (5.30) die Effizienzwerte 9^ fiir alle EE getrennt fiir alle d Gruppen berechnet.

min ei s.t.

X Afc < 6p^^

(5.30)

In einem zweiten Schritt werden mit dem durch DEA bereitgestellten optimalen Gewichtungsvektor A^'*^^* die optimalen Input- und Outputvektoren x^^* und y^^* fiir die ineffizienten EE bestimmt. Mithilfe von x^^* und y^^* werden die ineffizienten EE auf die Effizienzgrenze projiziert und der Einfluss eines ineffizienten Managements beseitigt.^^ ^^ Vgl. BROCKETT et al. (1998). 59 Vgl. z.B. F A R E et al. (1989) und F A R E et al. (1994).

60 6^ 62 63

Vgl. z.B. C O O P E R et al. (2000), S. 183-190. Aufier es wird die unrealistische Annahme von insgesamt effizienten EE getroffen. Vgl. B R O C K E T T et al. (1998), S. 1235-1245. Vgl. Kapitel 5.4.2.1

202

5 Effizienzanalyse von Banken

Formal gilt: xf' - x'^A^'"^'

(5.31)

yf

(5.32)

= Y^A^'^P*

Dann wird in einem dritten Schritt eine gemeinsame Gruppe konstruiert, in der alle EE aus alien betrachteten Gruppen zusammengefasst und fiir alle EE die Effizienzwerte Zk berechnet werden (vgl. Gl. (5.33)). Die Matrizen X^''* und Y^* beinhalten die optimalen Input- bzw. Outputwerte aller EE aus alien betrachteten Gruppen d. min Zk s.t.

X

A;^. < ZfcX^

(5.33)

A, > 0 Falls jetzt signifikante Effizienzunterschiede zwischen den betrachteten EE existieren, konnen diese nur auf gruppenspezifische Einflussfaktoren zuriickgefiihrt werden. SchlieBlich kann man mit Hilfe eines nicht parametrischen Hypothesentests (z.B. Wilcoxon-MannWhitney-Test) die durchschnittlichen Effizienzwerte Zk der jeweiligen Gruppen auf Gleichheit testen. 5.4.3.2 DEA-Malmquist-Modell Die in Kapitel 5.4.2 vorgestellten DEA-Basismodelle eignen sich fiir die Effizienzbestimmung einer beliebigen EE in einer Periode t. Falls jedoch Effizienzanderungen einer EE^ im Zeitablauf interessieren, eignen sich die DEA-Basismodelle nur unter der einschrankenden Bedingung, dass die betrachtete (Referenz-) Technologiemenge sich nicht verandert hat (z.B. durch technologischen Fortschritt). Interessiert jedoch, ob eine EE^ iiber eine eventuelle Verkiirzung (Verlangerung) des Abstands zur Referenztechnologiemenge hinaus eine Input-Output-Kombination in t-hl realisiert hat, die die Input-Output-Kombination in t dominiert, miissen sog. Produktivitatsindizes herangezogen werden. Hierzu kann man auf den Malmquistproduktivitatsindex zuriickgreifen, der von FARE et al. (1989) in den DEA-Kontext eingefiihrt wurde. Die Grundidee wird in Abb. 5.6(a) und Abb. 5.6(b) veranschaulicht.

5.4 Empirische Messung der Effizienz

(a) Gleichbleibende Produktivitat

203

(b) Verschiebung der Effizienzgrenze

Abbildung 5.6: Grafische Veranschaulichung des Malmquistindex In den Abbildungen produzieren alle EE mit zwei Inputmengen eine Einheit Output. Zunachst wird der Fall einer Produktivitatsanderung ohne eine Verschiebung der Effizienzgrenze betrachtet, die aus EE A, B und C gebildet wird (vgl. Abb 5.6(a)). Dies konnte als gleichbleibende Produktivitat auf der Ebene der Gesamtbranche interpretiert werden. Im Beispiel wird die Produktivitatsanderung der EE E betrachtet, die in t H-1 eine Einheit Output mit tatsachlich weniger Input herstellen kann. Dabei kann E in t + 1 die Produktivitat allein durch eine Effizienzverbesserung (Verkiirzung des Abstandes zur Effizienzgrenze) steigern. In der Abbildung 5.6(b) wird eine technologisch bedingte Produktivitatsanderung angenommen, die durch die Verschiebung der Effizienzgrenze zum Ursprung hin in t + 1 angezeigt wird. Die effiziente EE A^ konnte die Produktivitat in i-f 1 steigern. Da A bereits effizient ist, kann eine solche Verbesserung nicht durch Anwendung einer bekannten effizienten Produktionstechnologie, sondern durch Einsetzen neuer Technologien erklart werden. Zur Berechnung der Produktivitatsanderung von E muss jetzt sowohl eine Anderung des Abstandes zur Effizienzgrenze als auch die Verschiebung der Effizienzgrenze selbst berticksichtigt werden. Daher wird die Effizienz von E in den Perioden t und t + 1 berechnet. Um die durchschnittliche Verschiebung der Effizienzgrenze zu beriicksichtigen, muss zusatzlich der Abstand zwischen E[ und Ei^^ sowie der Abstand zwischen E'l und E^^l berechnet werden. Da hier mit Wachstumszahlen operiert wird, muss die durchschnittliche Verschiebung als geometrisches Mittel dargestellt

204

5 Effizienzanalyse von Banken

werden. Nach FARE et al. (1989) wird der Malmquistindex Mk nach Gleichung (5.34) berechnet als (mit 6

^S:^X^Sr^: 0}

(5.35)

mit A e R^^"^ und a^ = ( a i , . . . , «„) sowie u = {B^7|7 > 0}

(5.36)

mit B e W"' and 7^ = (71,..., 7^). Mit so definierten Gewichtsvektoren v und u kann das DEA-Modell in (5.16) (Multiplier Form) in Cone Ratio DEA transformiert werden. Es gilt:^^ max s.t.

7nByk) cxl(Axk) = 1

(5.37)

7j(BY)-ar(AX) 0

Setzt man X = AX und Y = BY sowie x = Ax und y = By, kann man (5.37) umschreiben zu: max s.t.

'ylfk a^Xfc = 1

(5.38)

7,^Y-arX 0 Analog zu den Basis-DEA-Modellen kann man (5.38) dualisieren. Die duale Form ist definiert in (5.39) als:

Vgl. BROCKETT et al. (1997).

5.4 Empirische Messung der Effizienz

207

min 6k s.t.

(5.39)

e^yik - XAfc > 0 YAfc - yfc > 0 Afc>0

Die Optimierungsprobleme (5.38) und (5.39) sind in der „gewohnlichen" Optimierungsform formuliert und konnen einfach mit der Simplex-Methode gelost werden.

ManagenJent Style 4 '• Management / Styles

#E AJ{ / /

/

Management Style 1

/ a2

iy^/ / ^ ^ //-•'''

......

Management Style 2

----"""c"-~~~^^~— ._7TTT":»-"'

""^^

Abbildung 5.7: Gafische Veranschaulichung des Cone Ratio DEA-Modells Die Vorgehensweise bei Cone Ratio DEA kann man in der Abb. 5.7 veranschaulichen. Alle Produktionseinheiten produzieren eine Einheit Output mit zwei verschiedenen Faktoreinsatzen. Die EE A, B und C sind effizient. Jede EE hat ihr eigenes Management Style, welches durch die Proportion der Inputnutzung angezeigt wird. Das Management Style der EE B, welches durch die Linie ai angezeigt wird, ist das Verhaltnis der tatsachlich eingesetzten Inputs, also xf/xf. Die Effizienzgrenze zwischen der effizienten EE B und der effizienten EE C wird damit durch die Linien ai und a2 begrenzt. Diese Flache kann man als ein iibergeordnetes Management Style 1 definieren, welches durch ai = a;f/xf als Obergrenze und a2 — x^jx^

als Untergrenze begrenzt ist. Aus irgendeinem Grund

208

5 EfRzienzanalyse von Banken

wird genau dieses Style von den Entscheidungstragern bevorzugt, well es eine ausgewogene Proportion zwischen den eingesetzten Inputs gewahrleistet. Folglich soUen alle Produktionseinheiten mit diesem Abschnitt der Effizienzgrenze, der durch dieses Styles definiert wurde, verglichen werden. Dazu kann man die durch das DEA-Multiplier-FormModell (5.16) fiir die EE B und C identifizierten Gewichtungsvekoren u und v, die im Zwei-Input-Ein-Output-Produktionsfall exakt den definierten Ober- und Untergrenzen ai und a2 entsprechen wiirden, zur Konstruktion der Matrizen A und B heranziehen.^^ Die Matrizen A und B hatten dann die Form

Die Indizierung * beschreibt die durch (5.16) optimierte Losung. Diese Matrizen konnen entsprechend (5.35) und (5.36) zur Berechnung der konvexen Mengen herangezogen werden. Alle anderen EE diirfen zur Bestimmung ihrer Effizienz nur solche Gewichte bei der Optimierung heranziehen, die aus dem zulassigen Losungsraum kommen. Dieser ist in der Abb. 5.7 durch ai und a2 limitiert. An der Abbildung 5.7 kann gleichzeitig die Wirkungsweise des Cone Ratio DEAModells beobachtet werden. Betrachtet wird eine ineffiziente EE E. Im gewohnlichen DEA-Modell wiirde die Effizienz der EE E als ein Abstand zur Effizienzgrenze im Punkt El gemessen. Wenn eine proportionale Senkung aller Inputs als Ziel verfolgt wird, stellt der Punkt Ei auch den kiirzesten Abstand zur Effizienzgrenze dar. Wird aus dem gegebenen Anlass nicht mehr eine proportionale Senkung aller Inputs, sondern zusatzlich auch eine ausgewogene Proportion zwischen den eingesetzten Inputs erwiinscht, kann der Punkt El nicht mehr als ein VergleichsmaBstab auf der Effizienzgrenze fungieren. Hierzu muss mindestens der Punkt B gewahlt werden und der Abstand zur Effizienzgrenze im Punkt B ist grofier als der Abstand zum Punkt Ei. Folglich wird die Effizienz der EE E geringer ausfallen. Dieses Verhalten von Optimierungsproblemen bei Hinzunahme von zusatzlichen Nebenbedingungen ist bekannt aus der Optimierungstheorie. Durch eine Hinzunahme von Nebenbedingungen wird der zulassige Losungsraum eingegrenzt und vormals optimale Losungen sind nicht mehr zulassig. Dieses Verhalten kann auch bei den DEA-Basis-Modellen beobachtet werden. Im Vergleich zu CCR-DEA-Modell wird bei

Diese optimalen Gewichte markieren genau die Position von B und C in der Abb. 5.7.

5.5 Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz

209

dem VRS-DEA-Modell eine zusatzliche Nebenbedingung eingefiihrt, die eine Separierung von technischer Effizienz in reine technische Effizienz und Skaleneffizienz ermoglicht.

5.5 Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz 5.5.1 Produktionsfunktion von Banken Fiir eine praktische Anwendung von DEA miissen zunachst Out- und Inputs von Banken festgelegt werden. Bei klassischen Industrieunternehmen des produzierenden Sektors ist die Antwort gewohnlich einfach, denn diese verwenden RohstofFe, ggf. Vorprodukte anderer Betriebe, Kapital und Arbeit, um ihre Produkte zu erzeugen. Der Zusammenhang zwischen diesen GroBen kann dann mit Hilfe der DEA modelliert werden. Auch wenn diese Frage zunachst trivial klingt, existiert in der bankbetrieblichen Literatur trotz zahlreicher Versuche^^ bisher keine koharente Definition, die eine konsistente Klassifizierung von Inputs und Outputs in der Bankenproduktion ermoglicht. Bereits die Frage nach der Zuordnung von Einlagen zu den Inputs oder Outputs wird heftig diskutiert. Wahrend BERG et al. (1991) die Einlagen zu den Outputs zahlen, weil mit ihnen i.d.R. eine Servicefunktion verbunden ist, sehen BERGER et al. (1993a) die Einlagen als Input, weil mit ihnen zu entrichtende Zinsaufwendungen verbunden sind. Diese Diskussion beschreibt WYKOFF (1992) treffend: 'When deposits are outputs, why are they so cheap? When they are inputs, why do people provide them to banks?'^^ Diese ungeloste Frage bei der Bestimmung der Produktionsfunktion von Banken erschwert einen Vergleich zwischen den Studien, da sie i.d.R. unterschiedliche Definitionen der Bankenproduktion gewahlt haben. Dies ist oft durch die Datenverfiigbarkeit bedingt. Die Schwierigkeit der Festlegung von Inputs und Outputs lasst sich auch daraus ableiten, dass bis heute keine geschlossene Theorie der Bank existiert.^^ Banken konnen im Allgemeinen als Anbieter von annahernd risikolosen Anlagen, Krediten und Zahlungsverkehrdienstleistungen angesehen werden und haben eine Schliisselrolle bei der Finanzintermediation. Gleichzeitig bieten sie nicht monetare Dienstleistungen auf Provisionsbasis an, wie z.B. Vermogensmanagement oder Akkreditive. In der empirischen Effizienzanalyse von Banken haben sich zwei theoretische Ansatze zur Beschreibung der Produktionsfunktion von Banken herausgebildet. ^'^ Vgl. z.B. SEALEY und LINDLEY (1977), COLWELL und DAVIS (1992), BERGER und HUMPHREY (1997).

^« WYKOFF (1992), S. 284. ^^ Fiir eine Diskussion vgl. Kapitel 2.3.

210

5 Effizienzanalyse von Banken

Bei dem sog. Produktionsansatz^^ wird die Servicefunktion von Banken betont. Da z.B. mit einem Einlagenkonto auch zahlreiche Servicefunktionen einer Bank verbunden sind, werden bei diesem Ansatz die Einlagen als Ergebnis der Produktion angesehen. Nach diesem Ansatz bietet eine Bank folgende Leistungen an: Depositen, kurz- und langfristige Kredite, Brokerage, Vermogensmanagement und andere Dienste (z.B. Schliefifacher). Zur Erstellung der Leistungen werden Mitarbeiter und Sachkapital (Maschinen, Biiromaterialen, Gebaude etc.) herangezogen. Dieser Ansatz wird bspw. von BERG et al. (1991), BERG et al. (1993), PARSONS et al. (1993) oder SCHAFFNIT et al. (1997) benutzt. Beim

Produktionsansatz werden die Einlagen als Outputs aufgefasst und zwangslaufig gehen die Zinsaufwendungen nicht in die Betrachtung der Gesamtkosten ein. Dieser Ansatz betrachtet also 'nur' die operativen Kosten einer Bank. Daher eignet er sich besonders zur Beurteilung der Effizienz einzelner Bankfilialen, bei denen der Filialleiter wenig Einfluss auf die Entscheidung iiber die Finanzierung hat und bei denen primar iiber den effizienten Einsatz von Arbeit und (bilanziellem) Sachkapital entschieden wird. Ferner besitzt der Produktionsansatz den Vorteil, dass die operativen Aufwendungen zur primaren Begriindung von Effizienz benutzt werden. Bei Vergleichen auf der Ebene der Gesamtbanken wird iiblicherweise der von SEALEY und LiNDLEY (1977) propagierte Intermediationsansatz gewahlt. In diesem Ansatz wird der Intermediationsfunktion von Banken Rechnung getragen, bei der Banken Einlagen aufnehmen und diese in Kredite transformieren. Folglich werden die Einlagen, neben den Mitarbeitern und Sachkapital, als Input einer Bank betrachtet.^^ Dieser Ansatz wurde bspw. von BERGER et al. (1993a), MESTER (1996), LANG und WELZEL (1997a) oder

THOMPSON et al. (1997) zur Effizienzbeurteilung herangezogen. Im Gegensatz zur vorhandenen Forschung der Bankeneffizienz wird in dieser Arbeit kein Ansatz zur Festlegung von Inputs und Outputs gewahlt, der sich nur aus reinen theoretischen Uberlegungen herleiten lasst. Zur Bestimmung der Input- und Outputvariablen wird von der Uberlegung ausgegangen, dass die zu berechnenden Effizienzwerte in einem okonomisch sinnvollen Zusammenhang mit den beobachteten LeistungsgroBen einer Bank stehen miissen. Die berechneten Werte miissen mindestens zum Teil die okonomische Wirklichkeit erklaren konnen. Effiziente Banken sollten demnach systematisch eine Input-Output-Kombination aufweisen, die ihnen eine vergleichsweise hohe Rentabi^^ Dieser Ansatz wird in der Literatur auch als 'Value-Added'-Ansatz oder auch Serviceansatz bezeichnet. 71 Vgl. MESTER (1997), S. 235, WUTZ (2000), S. 4.

5.5 Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz

211

litat oder geringe Aufwendungen ermoglichen. Daher werden in Kapitel 6.2 aus theoretischen Uberlegungen abgeleitete sinnvolle Variationen von Input-Output-Kombinationen gebildet, mit denen die inputorientierten EfRzienzmaBe berechnet werden. Anschliefiend wird in einem Regressiosmodell gepriift, ob ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Aufwandsrentabilitatrentabilitat und der Effizienz von Banken besteht. Bei der InputOutput-Kombination mit der hochsten Erklarungskraft {R"^) kann man davon ausgehen, dass sie am besten die betriebswirtschaftlichen Vorgange abbilden kann.

5.5.2 Empirische Ergebnisse 5.5.2.1 Ergebnisse von Efiizienzstudien Bei der Beurteilung der Effizienz von Banken geht es in erster Linie darum festzustellen, ob der innerbetriebliche Leistungserstellungsprozess von Banken effizient oder ineffizient ist. Falls die Bankenproduktion ineffizient ist, kann die Art der Ineffizienz (technisch, allokativ, grofienbedingt) identifiziert sowie der Anteil der jeweiligen Ineffizienzart auf die gesamte Kosteneffizienz abgeleitet werden. Wahrend die Skaleneffizienz i.d.R. nicht direkt vom Bankenmanagement verantwortet werden kann, stellt die Beseitigung der technischen und allokativen Effizienz die Kernaufgabe des Managements dar. Bei der Beurteilung der nachfolgend vorgestellten empirischen Untersuchungen ist zu beachten, dass aufgrund vielfaltiger Probleme (Wahl des Schatzverfahrens, Festlegung der Produktionsfunktion) ein direkter Vergleich zwischen den Ergebnissen zumeist nicht moglich ist. In der Literatur wurde in zahlreichen Studien die Effizienz US-amerikanischer Banken untersucht. Als ein Hauptergebnis lasst sich feststellen, dass eine Verbesserung der technischen Effizienz die Vorteile aus einer Skaleneffizienzverbesserung (BetriebsvergroBerung) iibersteigt.^^ BERGER et al. (1993b) berichteten beispielsweise, dass eine Beseitigung der Skalenineffizienz in der amerikanischen Bankwirtschaft ledigUch eine Senkung der Gesamtkosten von 5% induzieren wiirde.''^ BERGER und HUMPHREY (1991) zeigten fiir USBanken, dass der Einfluss der technischen und allokativen X-Effizienzen auf die Kosten eine hohere Bedeutung als die betriebsgroBenbedingten Skaleneffekte besitzt. Auch die nachfolgenden Studien in den USA haben gezeigt, dass der Skalenineffizienz, wenn vor-

^2 Vgl. z.B. CARBO et al. (2002), ALY et al. (1990), BERGER und HUMPHREY (1994), ELYASIANI und MEHDIAN (1995), FERRIER und LOVELL (1990), CHANG et al. (1998).

^3 Vgl. BERGER et al. (1993b), S. 221-249.

212

5 Effizienzanalyse von Banken

handen, eine geringere Rolle als der technischen und allokativen InefRzienz zukommt/^ SATHYE (2001) untersuchte die EfRzienz von 29 australischen Banken. Er konnte einen durchschnittlichen Wert von 67% fiir technische und von 85% fiir allokative Effizienz ableiten. In einer Untersuchung von DRAKE und HALL (2003) wurde die Effizienz japaniscfier Banken evaluiert. Die Schatzung bracfite einen durchschnitttlichen Wert der technischen Effizienz von 78% und der Skaleneffizienz von 93%. IsiK und HASSAN (2002) haben eine Studie zur Effizienz innerhalb des tiirkischen Bankenmarktes vorgelegt, der insgesamt eine recht hohe Effizienz aufwies.^^ Die Studien in europaischen Landern kommen i.d.R. zu vergleichbaren Ergebnissen. GRIFELL-TATJE und LOVELL (1996) untersuchten die Effizienz innerhalb des spanischen Bankensektors und kommen auf einen durchschnittlichen Kosteneffizienzwert von ca. 80%. In einer anderen Studie fiir den spanischen Bankenmarkt hat LozANO-VIVAS (1998) Kostenineffizienzen von bis zu 15% festgestellt. LoZANO-VIVAS et al. (2002) untersuchten die technische Effizienz innerhalb der europaische Bankenmarkte und konnten landerabhangige durchschnittliche Effizienzwerte zwischen 40% und 80% bestimmen. In der Untersuchung von RESTI (1997) wurde der italienische Bankenmarkt fiir den Zeitraum 19881992 analysiert. RESTI (1997) setzte in der Studie sowohl parametrische als auch nicht parametrische Verfahren zur Schatzung der Effizienzgrenze ein und konnte mit beiden Verfahren einen mittleren Wert der technischen Effizienz von 70% feststellen. Fiir den UK-Bankenmarkt fanden McKlLLOP et al. (2002) die These bestatigt, dass die technische Ineffizienz die Skalenineflftzienz dominiert. Im Gegensatz zu zahlreichen Effizienzuntersuchungen innerhalb der amerikanischen Bankwirtschaft existieren bisher wenige Studien fiir deutsche Banken. In einer Untersuchung bayerischer Genossenschaftsbanken fiir das Jahr 1992 stellte WELZEL (1996) einen durchschnittlichen Wert von 90% fiir die technische und von 95% fiir die allokative Effizienz fest. LANG und WELZEL (1994b) untersuchten Effizienzen bei bayerischen Genossenschaftsbanken und fanden heraus, dass fiir die ineffizienten Banken Kosteneinsparungen durch Verbesserung der Gesamteflftzienz von bis zu 20% realisierbar waren. Der technischen Ineffizienz kam in diesem Zusammenhang eine iiberragende Bedeutung zu. Ahnliche Ergebnisse fanden LANG und WELZEL (1996) und LANG und WELZEL

(1997a) in einer spateren Untersuchung zu den GrolSeneffekten bei deutschen Universal^"^ Fur eine sehr empfehlenswerte Ubersicht von Effizienzstudien vgL BERGER und HUMPHREY (1997), S. 16-45. ^^ Fiir eine andere Studie mit vergleichbaren Ergebnissen vgl. MERCAN et al. (2003).

5.5 Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz

213

banken. WuTZ (2002) untersuchte die Effizienz der bayerischen Genossenschaftsbanken fiir den Zeitraum 1993-1998. Auch hier konnten keine bedeutenden Skaleneffekte gefunden werden. Die technische Ineffizienz trug dabei den Hauptanteil zur Erklarung der KosteninefRzienz bei.^^ Jiingst untersuchten PODDIG und VARMAZ (2004) die Effizienz deutscher Genossenschaftsbanken zwischen 1995 und 2001. Dabei konnten sie teilweise erhebliche Verbesserungspotenziale aufdecken, die durch Beseitigung technischer und allokativer Ineffizienz realisierbar waren. Vergleichbare Ergebnisse konnten PODDIG und VARMAZ (2005a) fiir deutsche Sparkassen ableiten. Neben der sehr grol3en Anzahl der bereits zitierten inputorientierten Studien zur Kosteneffizienz existiert nur eine geringe Anzahl an Studien zur Erloseffizienz (outputorientierte Sichtweise). In diesen Studien wird von einem gegebenen Input ausgegangen, mit dem ein maximaler Output erzielt werden soil. Fiir die meisten dieser Studien lassen sich im Vergleich zu inputorientierten Studien deutlich hohere Verbesserungspotenziale identifizieren. Wenn Banken tatsachlich den Output beeinflussen konnten (das ist die implizite Annahme dieser Studien), wiirden sich hohere Erlose erzielen lassen, als durch Inputminimierung Kosten gespart werden konnen. Dann ware eine auf Outputerhohung gerichtete Strategie sinnvoUer. Die fiir die USA durchgefiihrten Arbeiten geben Hinweise dafiir, dass gerade im Outputbereich durch Produktbiindelung Skaleneffekte realisierbar waren. Ein Grund konnte die Bereitschaft von Kunden sein, fiir die Biindelung der Dienstleistungen und ein Produktangebot aus einer Hand einen hoheren Preis zu entrichten.^^ Fiir den europaischen Bankenmarkt existieren bisher nur vereinzelt Studien. Ihre Ergebnisse sind in der Tendenz mit den amerikanischen vergleichbar.^^ Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass eine Absatzerhohung am Markt wesentlich schwieriger durchzusetzen ist als eine Kostenminimierung innerhalb eines Bankbetriebs. 5.5.2.2 Ergebnisse von Betriebsgrofienstudien Neben der expliziten Bestimmung der Ineffizienzen existiert eine Reihe von Studien, die sich mit bestimmten Eigenschaften von Banken beschaftigen. Insbesondere wurde der Einfluss einer Betriebsgrofie auf die Kosten- und/oder Ertragssituation von Banken un-

^6 Vgl. WuTZ (2002), S. 59-142. ^^ Vgl. BERGER et al. (1993a), ENGLISH et al. (1993), AKHAVEIN et al. (1997). 78 Vgl. KUMBHAKAR et al. (2001).

214

5 Effizienzanalyse von Banken

tersucht/^ Mit diesen Studien wurde versucht, mogliche Skaleneffekte innerhalb des Bankensektors aufzudecken. Die empirischen Arbeiten in diesem Bereich folgen grundsatzlich zwei verschiedenen Ansatzen. Beim ersten Ansatz wird die Annahme eines U-formigen Verlaufs der Durchschnittskostenfunktion von Banken getroffen. Es existiert also ein Minimum, bei dem die Banken kosteneffizient arbeiten. Der U-formige Verlauf der Durchschnittskostenkurve impliziert aber auch, dass (praktisch) nur kleine Banken Kostenverbesserungen realisieren konnen, indem sie ihre BetriebsgroBe erhohen, bis sie das Minimum der Kostenkurve erreicht haben. Nun gilt es, diese Funktion zu bestimmen, um das Minimum der Kostenfunktion und dadurch die optimale Betriebsgrofie zu schatzen.^^ Die Ergebnisse dieses Ansatzes fiir amerikanische Banken sind gemischt, die Spanne der errechneten optimalen Betriebsgrofien reicht von 100 Mio. $ bis 10 Mrd. $ Bilanzsumme flir die 80er Jahre und zwischen 10 und 25 Mrd. $ fiir die 90er Jahre. Die moglichen Ersparnisse liegen bei ungefahr 5% der Durchschnittskosten.^^ UHLE (1993) findet einen leicht U-formigen Zusammenhang zwischen Kosten und Bankgrofie fiir deutsche Banken. Aus der Untersuchung bayerischer Genossenschaftsbanken leiten LANG und WELZEL (1994a) positive GroBeneffekte durch Skalenertrage ab. Sie schlussfolgern sogar, dass selbst die grofite untersuchte Genossenschaftsbank nicht die optimale Betriebsgrofie erreicht hat. Zu ahnlichen Ergebnissen kommen LANG und WELZEL (1997a) in einer Untersuchung fiir deutsche Universalbanken. In einem zweiten Ansatz wird der Zusammenhang zwischen der Betriebsgrofie und ausgewahlten Jahresabschlusskennzahlen mit uni- und multivariaten Regressionsanalysen untersucht. So stellte BAXMANN (1995) fiir deutsche Sparkassen fest, dass bei den Erfolgskennzahlen Eigenkapital- und Aufwandsrentabilitat^^ ein negativer, wenn auch nicht immer signifikanter Zusammenhang zur Grofie bestand. Insgesamt hoben sich die beiden Effekte auf. TEBROKE (1993), LAUDI (2003) und PODDIG et al. (2003b) konnten fiir Genossenschaftsbanken vergleichbare Ergebnisse ableiten. Letztendlich kann zu den Betriebsgrofieneffekten kein eindeutiges Ergebnis abgeleitet werden. Die Betriebsgrofie scheint entweder keinen oder einen negativen Einfluss auf den Unternehmenserfolg zu haben. Diese Ergebnisse wurden in der Literatur als Hinweis auf die fehlende Vorteil^^ Zur Messung der Betriebsgrofie existieren in der Literatur zahlreiche Konzepte. Der gebrauchliste Proxy fiir die Grofie einer Bank ist die Bilanzsumme. Vgl. z.B. T E B R O K E (1993), S. 71, BAXMANN (1995), S. 210, RossBACH und W E R N E R (1999), S. 555. 80 Vgl. B E R G E R et al. (1999), S. 157-158. 81 Vgl. B E R G E R et al. (1999), S. 157-160. 82 Aufwandsrentabilitat stellt den Anteil des Aufwands am Ertrag in Prozent dar.

5.5 Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz

215

haftigkeit von Betriebsvergrofierungen angesehen. In einer ganzheitlichen Betrachtungsweise miissen die Ergebnisse jedoch differenzierter betrachtet werden. Diese Ergebnisse (fallende relative Ertrage und Kosten) konnten als eine Bestatigung der EfRzienz-These im Rahmen des SCP-Paradigmas angesehen werden.^^ Danach hatten effiziente Banken niedrigere Kosten. Den Kostenvorteil konnten sie an die Kunden in Form von niedrigeren Preisen abgeben. Dies wiirde zur Erhohung der Betriebsgrofie durch Gewinnung von Marktanteilen fiihren. 5.5.2.3 Ergebnisse von Fusionsstudien Bei der Betrachtung der technischen Effizienz ^^^"^wurde aufgezeigt, dass ein Teil der Ineffizienz auf eine suboptimale BetriebsgroBe zuriickgefiihrt werden kann. Da die Bankenmanager in der Kegel wenig Einflussmoglichkeiten auf die Outputseite besitzen, konnen sich sinnvolle und planbare MaBnahmen zur Effizienzsteigerung nur im Inputbereich finden. Um jedoch eine Skalenineffizienz zu beseitigen, muss die BetriebsgroBe geandert werden. Wenn eine Bank im Bereich steigender Skalenertrage operiert, konnte sie eine BetriebsvergroBerungsstrategie durch Fusionen forcieren. Fusionen wiirden ein zeitlich schnelles, sprunghaftes Wachstum der BetriebsgroBe erlauben.^^ In diesem Kapitel wird ein kurzer Uberblick bisheriger empirischer Ergebnisse der Fusionsforschung wiedergegeben. Ublicherweise werden diese Studien in event studies (ES) und operating performance studies (OP) unterteilt. Die ES versuchen den Fusionserfolg anhand der Messung von Aktienpreisbewegungen um den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Fusion festzustellen. Dagegen werden in den OP die Fusionsauswirkungen anhand von Jahresabschlussdaten untersucht.^^ Bei den Ereignisstudien wird der Erfolg der Fusionen an den abnormalen Aktienrenditen, die als eine positive oder negative Abweichung von der erwarteten Aktienrendite eines Unternehmens definiert sind, um den Tag der Bekanntgabe der Fusion gemessen.^^ Die Anderung in der Bewertung durch den Kapitalmarkt, gemessen durch die abnor83 Vgl. Kapitel 4.3. 8^ Neben einer Verbesserung der Skaleneffizienz existieren natiirlich zahlreiche andere Ursachen und Motive von Fusionen. Fiir einen ersten Uberblick zu Motiven, Ursachen und Erklarungsansatzen von Fusionen vgl. PODDIG et al. (2003b) und PODDIG und VARMAZ (2005b) sowie die dort genannte Literatur. 8^ Vgl. z.B. RHOADES (1994), S. 1, HOUSTON et al. (2001), S. 289-292. Es gibt naturlich auch die Moglichkeit einer Untersuchung durch Befragungen, die sich insbesondere fiir die Untersuchung der Managermotive eignet, vgl. exemplarisch HOUSTON et al. (2001), S. 286-287. 8^ Vgl. BERGER et al. (1999), S. 156, RHOADES (1994), S. 4-5.

216

5 Effizienzanalyse von Banken

male Rendite, soil als ein Schatzer der kiinftigen Performance des konsolidierten Unternehmens dienen und somit auch den erwarteten Fusionserfolg beschreiben.^^ AuBerdem ist ein Ansteigen der Unternehmensmarktkapitalisierung gleichbedeutend mit einem Vermogenszuwachs fiir die Eigentiimer. Diese Untersuchungen haben allerdings einige methodische Schwachen, die als Erklarung fiir die mehrdeutigen Ergebnisse herangezogen werden konnen. Zunachst differieren die betrachteten Untersuchungszeitraume (d.h. die Lange) des Ereignishorizontes. Dies erschwert ihre Vergleichbarkeit untereinander. Welter ist fraglich, inwieweit die Kapitalmarktbewertung als Indikator fiir den Fusionserfolg dienen kann. Zum einen ist es denkbar, dass inmitten einer Fusionswelle die Moglichkeit einer Fusion bereits in den Kursen enthalten ist, so dass konsequenterweise ein Teil der Fusionseffekte in den Untersuchungen nicht beriicksichtigt wird. Des weiteren konnen die Erwartungen des Marktes hinsichtlich des idealen Partners nicht erfiillt werden und als Reaktion erfahrt die Aktie Bewertungsabschlage. In diesem Falle ware die Marktreaktion weniger der Ausdruck der InefRzienz der aktuellen Fusion, sondern vielmehr der Enttauschung, dass der als nicht optimal angesehene Fusionspartner gewahlt wurde.^^ Ferner basieren die ES auf den kurzfristigen Aktienpreisbewegungen, die durchaus andere Ursachen reflektieren konnen, z.B. kurzfristige Spekulationen. Ferner beziehen sich ES auf borsennotierte Banken, womit strenggenommen die Ergebnisse nur auf solche iibertragbar sind.^^ Die Ergebnisse der US-amerikanischen Studien sind gemischt, obwohl die iiberwiegende Mehrheit der Studien keine signifikante Ergebnisverbesserung fiir das neue Unternehmen feststellen kann. Wahrend fiir die akquirierten Banken signifikante abnormale Gewinne beobachtet wurden, wurden fiir die erwerbenden Banken zumeist insignifikante Verluste verzeichnet. Fiir den konsolidierten Unternehmenswert sind sowohl signifikante wie insignifikante Gewinne, als auch Verluste, feststellbar.^^ Zu etwas abweichenden Ergebnissen fiir europaische Banken kommen BEITEL und SCHIERECK (2002). Fiir das neue Inst it ut ergeben sich insgesamt positive abnormale Renditen, bei den erwerbenden Banken k5nnen weder Verluste noch Gewinne festgestellt werden.^^ Zu ahnlichen Resultaten fiir den europaischen Markt kommen ferner TOURANI-RAD und BEEK (1999) sowie C Y B O - O T T O N E und MURGIA (2000).

^•^ Vgl. BERGER et al. (1999), S. 156, HOUSTON et al. (2001), S. 290. ^^ Vgl. CALOMIRIS (1999), S. 616, HOUSTON et al. (2001), S. 291.

^^ Letztlich bleibt auch fraglich, ob der Kapitalmarkt iiberhaupt die Vorteilhaftigkeit einer Fusion zutrefFend einschatzen vermag. ^^ Vgl. z.B. BERGER et al. (1999), S. 156, RHOADES (1994), S. 5-6, HOUSTON et al. (2001), S. 287. ^^ Vgl. BEITEL und SCHIERECK (2002), S. 12-13.

5.5 Empirische Evidenz zur Bankeneffizienz

217

Im Gegensatz zu den ES basieren die OP auf Jahresabschlussdaten. Der Performancegewinn durch Fusionen wird in den amerikanischen OP-Studien vorwiegend mit den Kennzahlen Gesamtkapitalrentabilitat („Return on Assets") und Eigenkapitalrentabilitat („Return on Equity") gemessen. In europaischen/deutschen Studien sind eher Untersuchungen mehrerer Kennzahlen iiblich, die ihrerseits in ein Return on Investment (ROI)-Schema eingebunden sind. Dabei wird ein Vorher-Nachher-Vergleich gegen sich selbst oder gegen eine Vergleichsgruppe nicht fusionierter Banken mit unterschiedlichen Untersuchungsmethoden durchgefuhrt, um die Fusionseffekte auf die Kennzahlen zu identifizieren.^^ Die Fusion hat zu einer Verbesserung (bzw. Verschlechterung) in der Performance gefuhrt, wenn die Anderungen der Kennzahlen der fusionierten Banken starker als die Anderungen bei der Vergleichsgruppe oder vor der Fusion ausfallen. Die Ergebnisse dieser Studien fiir die USA schienen bis ca. 1992 insofern konsistent zu sein, als dass sie keine Verbesserung in der Rentabilitat der fusionierten Banken feststellten.^^ Die nach diesem Zeitpunkt durchgefiihrten Untersuchungen ergeben ein etwas uneinheitlicheres Bild der Fusionswirkungen, jedoch konnen auch hier mehrheitlich keine Verbesserungen festgestellt werden.^'^ In einer Untersuchung fiir europaische Banken kommt VENNET (1996) zum Ergebnis, dass die inlandischen Ubernahmen weder durch Verbesserung der Kosteneffizienz noch durch Verbesserung in der Rentabilitat erklart werden konnen. Uberraschend wird verbesserte Kosteneffizienz bei grenziiberschreitenden Fusionen festgestellt.^^ Im Unterschied dazu kommen ALTUNBAS et al. (1997) mit simulierten grenziiberschreitenden Fusionen zum Ergebnis, dass sehr wahrscheinlich diese Fusionen zu einem Anstieg der durchschnittlichen Gesamtkosten pro erbrachter Dienstleistung fiihren wiirden. Fiir den deutschen Markt untersuchte TEBROKE (1993) die Fusionseffekte fiir den genossenschaftlichen Bankensektor und kommt zum Ergebnis, dass keine positiven, vielmehr nur negative und neutrale Fusionseffekte festgestellt werden.^^ Zu ahnlichen Ergebnissen kommen GOLD (1997) und HAUN (1997) in Bezug auf die Sparkassen. LANG und WELZEL (1997b) untersuchten Fusionen bayerischer Genossenschaftsbanken. Sie konnten keine Kosteneffizienzverbesserungen feststellen, aufier wenn diese Fihalen schlieBen konnten. PODDIG et al. (2003b) untersuchten die reinen Fusionseffekte von Genossenschaftsbanken (Effekte einer Fusion, die iiber die Betriebsgrofieneffekte 92 Vgl. R H O A D E S (1994), S. 1-2. 93 Vgl. R H O A D E S (1994), S. 2-3; B E R G E R und H U M P H R E Y (1994), S. 2. 94 Vgl B E R G E R et al. (1999), S. 155-156; H O U S T O N et al. (2001), S. 289; C A L O M I R I S (1999), S. 616.

95 Vgl. V E N N E T (1996), S. 1542-1556. 96 Vgl. T E B R O K E (1993), S. 268-271.

218

5 Effizienzanalyse von Banken

hinausgehen), konnten diese jedoch nicht feststellen. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Ergebnissen der Effizienzforschung, die keine bedeutenden Skaleneffekte bei Banken feststellen konnte.

5.6 Zwischenfazit Die zentrale Frage dieser Arbeit besteht in der Untersuchung der renditebeeinflussenden Faktoren fiir den deutschen Bankenmarkt. In einem ersten Schritt im Kapitel 2 wurde der gesamte Bankenmarkt analysiert. Die ersten gesamtwirtschaftlichen Analysen haben zwar gezeigt, dass zwischen verschiedenen Bankgruppen im Durchschnitt Unterschiede, insbesondere bei der Rentabilitat, existieren, konnten jedoch die Ursachen nicht erklaren. Aus diesem Grunde wurde in einer mikrookonomischen Betrachtungsweise der Bankbetrieb als ein System dargestellt, auf das verschiedenartige externe und interne Einfiusse einwirken, die die Renditeunterschiede zwischen den Banken erklaren konnen. Ein besonders wichtiger externer Faktor fiir den Bankensektor ist der Wettbewerb. Daher wurden im Kapitel 4 verschiedene theoretische Modelle vorgestellt, die den Einfluss des Wettbewerbs auf den Bankbetrieb, approximiert durch die Marktstruktur sowie die Wettbewerbsintensitat, abbilden konnen. Die Ergebnisse der bisherigen empirischen Forschung zeigen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Rentabilitat existiert, der jedoch nicht vollstandig die Renditeunterschiede zwischen den Banken erklaren kann. Daher wurden in diesem Kapitel bankinterne Faktoren beriicksichtigt, die eine zusatzliche Erklarung bieten konnen. Dabei wurde insbesondere die Transformation der Faktoreinsatze in Produkte betrachtet. Wenn dieser Produktionsprozess vom Management nicht effizient organisiert wird, werden Kosten verursachenden Produktionsfaktoren verschwendet, die eine Senkung der Rentabilitat zur Folge haben. Daher wurde in diesem Kapitel der theoretische Rahmen zur Analyse und zum bankiibergreifenden Vergleich der Produktionsprozesse vorgestellt, welche auf der Methode der Data Envelopment Analysis aus der Produktionstheorie basiert. Mit dieser Methode ist es nicht nur moglich, zwischen effizienten und ineffizienten Banken zu unterscheiden, sondern auch die Ineffizienzbereiche einer Bank zu lokalisieren. Dabei kann eine Bank technische, allokative und grofienbedingte Ineffizienzen aufweisen. Wahrend die ersten beiden Ineffizienzfelder direkt vom Management einer Bank beseitigt werden konnen, kann das Management i.d.R. etwaige Skalenineffizienzen kurzfristig nicht beseitigen und muss folglich diese nicht verantworten. Zur Beseitigung der Skalenineffizienz bedarf es einer mittel- bis langfristen Geschaftsstrate-

5.6 Zwischenfazit

219

gie (z.B. Fusionen). Die bisherigen empirischen Untersuchungen zur Bankeffizienz zeigen, dass sich im Bankenbereich besonders hohe Verbessemngspotenziale durch Beseitigung der technischen und allokativen Ineffizienzen erzielen lassen. Dagegen sind Verbessemngspotenziale, die sich durch eine Beseitigung der Skaleneffizienz realisieren lassen, deutlich geringer. Diese mikrookonomischen Ergebnisse der Effizienzanalysen decken sich mit den Ergebnissen der gesamtwirtschaftlichen Analyse von Banken im Kapitel 2, in der keine betriebsgroBenbedingten Vorteile fiir den deutschen Bankenmarkt festgestellt werden konnten. Neben einer reinen Berechnung der EfRzienz durch die Anwendung der DEA-BasisModelle werden in dieser Arbeit zusatzlich zu den in der Literatur vorgestellten Ergebnissen auch Effizienzvergleiche zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften durchgefiihrt, um eventuelle gruppenspezifische Effizienzunterschiede festzustellen. Durch den Einsatz des DEA-Malmquist-Modells werden ferner die Produktivitatsanderungen im Bankensektor untersucht, die, abgesehen von eine Studie von PODDIG und VARMAZ (2005b) fiir deutsche Kreditgenossenschaften, bisher fiir den deutschen Bankenmarkt nicht vorgestellt wurden. Durch eine Produktivitatsanalyse wird es moglich, eventuelle Effizienzanderungen von Kreditinstituten im Zeitablauf zu erfassen. Gleichzeitig kann die Effizienzanderung in eine besondere managementabhangige Leistung oder in einen allgemeinen technischen Fortschritt separiert werden. Schliefilich wird es durch die Cone Ratio DEA moglich, bestimmte Vorabinformationen, insbesondere die raumliche Lage von Banken, im Rahmen von empirischen Studien zur Bankeffizienz zu beriicksichtigen. Bis auf eines Studie von VARMAZ und PODDIG (2006a) fiir Kreditgenossenschaften werden auch in diesem Bereich ganzlich neue Ergebnisse prasentiert. Im bisherigen Gang der Arbeit wurden theoretische Konzepte und Modelle vorgestellt, die eine grundsatzliche Eignung aufweisen, rentabilitatstreibende Faktoren fiir die deutsche Bankenwirtschaft zu bestimmen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird im Kapitel 6 die empirische Schatzung der bisher vorgestellten Verfahren anhand von Jahresabschlussdaten deutscher Banken vorgenommen. Dabei werden die vorgestellten Verfahren nicht nur isoliert nebeneinander betrachtet, sondern es ist ein besonderes Anliegen der Arbeit, die Analyse im Rahmen eines ganzheitlichen empirischen Untersuchungsansatzes zu ver-

6 Empirische Untersuchungen 6.1 Gang der Untersuchung Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit besteht in der Aufdeckung von rentabilitatsbeeinflussenden Faktoren in der deutschen Bankwirtschaft, die auf die Bankbetriebe einwirken konnen. Im Verlaufe dieser Arbeit wird der Bankenbetrieb als ein ofFenes, soziookonomisches System angenommen, welches internen und externen Einflussfaktoren unterliegt. Als wichtigster rentabilitatsbeeinflussender externer Faktor ist die Wettbewerbsintensitat anzusehen. Fine teilweise Begrenzung des Wettbewerbs konnte theoretisch zur Ausweitung der Gewinnmoglichkeiten benutzt werden. Da Banken Dienstleistungsprodukte anbieten, die nicht patentierungsfahig sind und i.d.R. schnell nachgeahmt werden konnen, haben sie keine Moglichkeit, durch Produktinnovationen mittel- und/oder langfristig Innovationsrenten zu geniefien. Daher haben sie im Wesentlichen zwei theoretische Handlungsalternativen. Zum einen konnen sie versuchen, die Wettbewerbsintensitat zu reduzieren, indem sie auf einem lokalen Markt durch Ausgrenzung anderer Marktteilnehmer oder aber durch KoUusion mit anderen Marktteilnehmern Marktmacht aufbauen und somit die Gewinnmoglichkeiten erhohen. Daher bietet es sich an, das Wettbewerbsverhalten auf dem Bankenmarkt zu priifen. Zum anderen kann der Leistungserstellungsprozess von Banken als der wichtigste interne Faktor die Rentabilitat von Banken beeinflussen. Beim Leistungserstellungsprozess werden Kosten verursachende Produktionsfaktoren zu Produkten kombiniert. Jedwede Verschwendung der Faktoreinsatze wahrend des Leistungserstellungsprozesses fiihrt zu einer unerwiinschten Erhohung der Kosten. An dieser Stelle konnen Banken versuchen, durch eine besonders effiziente Produktion Effizienzgewinne zu realisieren. Die Effizienzgewinne konnen einen zweifachen Effekt auslosen. Zum einen konnen sie dazu beitragen, kurzfristig die Kosten zu senken und c.p. die Rentabilitat zu erhohen. Zum anderen konnen die Effizienzgewinne, die an Kunden in Form von niedrigeren Preisen weitergegeben werden, zum Ausbau von Marktanteilen genutzt werden. Somit konnen Effizienzgewinne im Rahmen einer mittel- bis langfristigen Strategie helfen,

222

6 Empirische Untersuchungen

Wettbewerbsvorteile zu generieren, die zum Aufbau einer (lokalen) Marktmacht benutzt werden konnten. Damit wiirde sich auch der Kreis der sich gegenseitigen beeinflussenden externen und internen Faktoren im Rahmen eines theoretisch-logischen Zusammenhangs schlieBen. Wie diese vermuteten, theoretisch abgeleiteten Zusammenhange in der Realitat genau aussehen, kann jedoch nur in Rahmen von empirischen Studien ermittelt werden. Der Gang der nachfolgenden empirischen Untersuchungen orientiert sich dabei an der bisherigen Gesamtstruktur der Arbeit. Grundsatzlich orientiert sich der empirische Teil auf die Untersuchung mogUcher Einflussfaktoren gemafi der Gl. (3.2) in Kapitel 3. Im nachsten Kapitel wird der zur Verfiigung stehende Datensatz beschrieben und die Festlegung der Input- und Outputparameter der Produktionsfunktion vorgenommen, die wesentlich zur Schatzung des Wettbewerbsverhaltens im PR-Ansatz und der Effizienz in DEA-Modellen ist. Anschliefiend wird das Wettbewerbsverhalten analysiert. Dabei muss insbesondere gepriift werden, ob auf dem Bankenmarkt annahernd vollkommener Wettbewerb herrscht oder ob sich andere Verhaltensweisen zur Begrenzung des Wettbewerbs, etwa monopolistischer Wettbewerb, herausgebildet haben. Zur Bestimmung des Einflusses der internen Faktoren werden verschiedene Art en der Effizienz von Banken (technische, allokative, betriebsgrofienbedingte, systembedingte etc.) mit Hilfe von DEA-Modellen bestimmt. In einem nachsten Untersuchungsschritt wird in einem integrierten Modellansatz der gemeinsame Einfluss externer und interner Faktoren auf die Rentabilitat ermittelt. Dabei wird u.a. zu priifen sein, ob das SCP-Paradigma bestatigt wird und ob interne Einflussfakoren einen Beitrag zur Erklarung der Rentabilitatsunterschiede liefern. In der letzten Untersuchung wird der Einfluss lokaler Marktgegebenheiten auf die Bankeffizienz analysiert.

6.2 Produktionsfunktion von Banken 6.2.1 Beschreibung des Datensatzes In der Untersuchung standen Jahressabschlussdaten fiir den Zeitraum 1995 bis 2003 zur Verfiigung, die aus der Bilanzdatenbank „Hoppenstedt" extrahiert wurden. Neben den Jahresabschlussinformationen konnte ebenfalls die Anzahl der Mitarbeiter von Banken ermittelt werden. Die Verteilung der zur Verfiigung stehenden Daten uber den Zeitraum 1995-2003, getrennt nach Bankengruppen, wird in der Tab. 6.1 wiedergegeben.

6.2 Produktionsfunktion von Banken

Geno* Sparkassen Kreditbanken

223

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

284 480 330

285 486 355

298 480 332

310 475 391

319 472 358

320 458 351

344 444 331

400 452 313

521 476 299

"T^ 3081 4223 3060

Geno=Genossenschaftsbanken

Tabelle 6.1: Verteilung der verfiigbaren Jahresabschliisse fiir den Zeitraum 1995-2003 Fiir den gesamten Untersuchungszeitraum waren iiber 10.300 Jahresabschliisse (unbereinigt) verfiigbar. Da in den vorgestellten Modellen die Anforderungen an das Datenmaterial variieren, werden aufgrund teilweise fehlender Werte nicht alle Jahresabschliisse fiir alle Jahre in alien Modellen eingesetzt. Insbesondere bei der Betrachtung der Produktivitatsanderungen im Zeitablauf (DEA-Malmquist-Modell) wird vorausgesetzt, dass fiir den gesamten Zeitraum die selben Banken betrachtet werden. Ferner werden aus dem Datensatz alle fusionierten Banken entfernt, well die Wirkung von FusionsefFekten auf die Rentabilitat unbekannt ist und von ihnen moglicherweise verzerrenden Einfliisse ausgehen konnten. In Abb. 6.2 und 6.3 ist die Grofienverteilung von Genossenschaftsbanken und Sparkassen, auf die sich die spateren Analysen konzentrieren werden, im Datensatz verzeichnet. Zur besseren Vergleichbarkeit orientiert sich die gewahlte Einteilung der Grofienklassen an den Vorgaben der Deutschen Bundesbank.^ Die BetriebsgroBe wird, wie allgemein iiblich, durch die Bilanzsumme approximiert. 1995

Klasse 100 250 500 1000 5000 10000

>

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl 1 1 0 0 0 0 0 0 0 2 14 50 2 2 5 3 1 1 192 92 110 124 97 90 137 113 125 187 164 185 115 131 148 148 100 106 79 82 83 41 71 53 57 63 48 5 5 2 3 5 1 1 1 3 4 4 4 4 4 3 3 3 3

Tabelle 6.2: Betriebsgrofienverteilung von Genossenschaftsbanken im Datensatz. Die Betriebsgrofie wird durch die Bilanzsumme (in Mio. €) reprasentiert. Neben den Jahresabschlussdaten werden in den Untersuchungen auch Kontrollvariablen in Form von Dummy-Variablen eingefiihrt. Dummy-Variablen liegen in nominaler Skalierung vor, in denen nur das Vorliegen einer spezifischen Eigenschaft zum Ausdruck kommen kann. Um Dummy-Variablen regressionsanalytisch zu beriicksichtigen, miissen sie fiir den Vgl.

z.B.

D E U T S C H E B U N D E S B A N K (2006a).

224

6 Empirische Untersuchungen 1995

Klasse 100 250 500 1000 5000 10000

>

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 2 2 2 1 2 2 5 10 13 25 7 4 11 5 7 5 31 200 193 178 167 106 105 139 128 118 219 238 248 257 272 271 268 256 265 14 18 22 34 34 20 30 35 28 21 22 25 24 28 26 26 26 27

Tabelle 6.3: Betriebsgrofienverteilung von Sparkassen im Datensatz. Die Betriebsgrofie wird durch die Bilanzsumme (in Mio. €) reprasentiert. Einsatz als Regressionsparameter nummerisch kodiert werden. Als Kodierungsarten sind die Referenz- und EfFektkodierung weit verbreitet.^ Bei der Referenzkodierung wird eine Variablenauspragung als Referenz angenommen und ihr der Wert „0" zugewiesen. Damit werden mit Hilfe der Dummy-Variablen Abweichungen von der Referenzgrofie modelliert und analysiert. Weil der Referenzgrofie der Wert „0" zugewiesen wird, erscheint sie nicht mehr explizit in der Modellgleichung. Dennoch wird ihr Einfluss durch den konstanten Term der Regression getragen. Bei der Effektkodierung wird demgegeniiber der durchschnittliche Einfluss aller Dummy-Variablen auf die zu erklarende Grofie ermittelt. Da hier nicht interessiert, ob die Dummy-Variablen im Durchschnitt einen Einfluss auf die Rentabilitat haben, wird in dieser Arbeit die Referenzkodierung angewendet. Um die bankgruppenspezifischen und die regionalen Einfliisse auf die Rentabilitat von Banken beriicksichtigen zu konnen, werden hier zwei Dummy-Variablen verwendet. Zur Beriicksichtigung regionaler Einfliisse werden Daten aus der Datenbank „Statistik Regional 2002" vom Statistischen Bundesamt herangezogen. Mit diesen Daten werden Informationen iiber regionale, mikrookonomische Umweltbedingungen in die Untersuchung einbezogen, die einen moglichen Einfluss auf die Rentabilitat von Banken haben konnten. Als regionale Daten konnten insbesondere die Arbeitslosenquote, Einwohnerzahl, Branchensektoren sowie das regionale Bruttoinlandprodukt der Gemeinden fiir das Jahr 2000 gewonnen werden. Mit diesen Daten wird eine Dummy-Variable „Region" gebildet, mit deren Hilfe regionale Einfliisse spezifiziert werden sollen. Hierzu werden zunachst mittels regionaler Daten des statistischen Bundesamtes fiir das Jahr 2000 im Rahmen einer Cluster-Analyse vier Typen von Regionen gebildet, denen die Banken je nach ihrem Hauptstandort zugeordnet werden. Mit Hilfe dieser Variable ^ Fiir die nachfolgende Darstellung der Kodierungsarten von Dummy-Variablen vgl. GREENE (2003), S. 229-238, ECKEY et al. (2004), S. 177-182, OELERICH (2005), S. 137-138, PODDIG et al. (2005), S. 473-480.

6.2 Produktionsfunktion von Banken

225

kann der Einfluss der Region, in der eine Bank operiert, auf ihre Rentabilitat extrahiert werden. Als Variablen der Cluster-Analyse wurden regionale Daten zur Arbeitslosenquote (ALQuote), Anteil auslandischer Bevolkerung (AuslQuote), Anteil der Erwerbstatigen an der Gesamtbevolkerung (ErwQuote), Anteil der Erwerbstatigen in der Landwirtschaft (LandwirtQuote), Anteil der Erwerbstatigen im Dienstleistungssektor (DienstlstQuote) sowie das regionale Bruttoinlandprodukt BIP (logarithmiert) benutzt. Insgesamt standen Information iiber 459 Regionen Deutschlands zur Verfiigung. Die Ergebnisse der ClusterAnalyse sind in der Tab. 6.4 zusammengefasst. In den Spalten 1 bis 4 sind die jeweiligen Cluster-Mittelwerte angegeben. In den Spalten „F-Statistik" und "Wahrsch." sind die Ergebnisse des F-Tests unter der Nullhypothese zusammengefasst, dass die Mittelwerte der Merkmalsvariablen der Gruppen gleich sind. Dies kann fiir alle Merkmalsvariablen verworfen werden. ALQuote AuslQuote ErwQuote LandwirtQuote DienstlstQuote BIP Anzahl

1 11.1299 10.1949 57.3136 1.0590 74.9640 8.7850 117

2 8.2857 11.8485 88.5907 0.5440 73.7954 8.3572 49

3 8.4603 6.1265 43.9171 4.7409 54.3600 8.1440 126

4 12.0442 5.1436 37.4107 4.5005 65.1248 7.9729 147

F-Statistik 9.6455 36.7384 340.1219 69.9967 248.8855 11.8381

Wahrsch. 0.0000 0.0000 0.0000 0.0000 0.0000 0.0000

Tabelle 6.4: Identifikation von Regionen mittels Cluster-Analyse

Die Regionen 3 und 4 konnen aufgrund des hohen Anteils der landwirtschaftlichen Bevolkerung als landliche Gebiete identifiziert werden. Der Hauptunterschied zwischen den Regionen 3 und 4 ist die Hohe der Erwerbs- bzw. Arbeitslosenquote. Analog konnen die Regionen 1 und 2 als stadtische Gebiete identifiziert werden, die sich hauptsachlich wieder durch das AusmaB der Erwerbs- bzw. Arbeitslosenquote unterscheiden.^ Da sich regionale Strukturdaten nur mittel- bist langfristig verandern, werden die bestehenden Gruppen aus dem Jahr 2000 fiir den gesamten Zeitraum der Untersuchung festgelegt. Damit wird gleichzeitig eine Stabilitat der regionalen Einfliisse fiir den Untersuchungszeitraum angenommen. In der im Kapitel 2.7 durchgefiihrten gesamtwirtschaftlichen Analyse des Bankensektors konnte als ein Ergebnis festgestellt werden, dass gerade die im Durchschnitt kleinen, regional orientierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine hohere Eingenkapital^ Die Ergebnisse der Cluster-Analyse wurden durch eine Diskriminanzanalyse zusatzlich bestatigt. Alle Variablen hatten einen signifikanten Erklarungsbeitrag zur Diskriminierung der Gruppen (Signifikanzniveau