Qualitätssicherung im Wissensmanagement : eine Fallstudienanalyse 9783834911919, 3834911917 [PDF]


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Qualitätssicherung im Wissensmanagement : eine Fallstudienanalyse
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Zitiervorschau

Steffen Kusterer Qualitätssicherung im Wissensmanagement

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Steffen Kusterer

Qualitätssicherung im Wissensmanagement Eine Fallstudienanalyse

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Georg Schreyögg

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Freie Universität Berlin, 2008 D 188

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1191-9

Geleitwort Die wachsende Bedeutung der Ressource „Wissen“ und von IT-basierten Wissensmanagementsystemen ist heute in aller Munde. Es gibt kaum ein größeres Unternehmen, das sich nicht in der einen oder anderen Form mit dem Management von Wissen beschäftigen würde. Der anfänglich sehr großen Begeisterung für dieses neue Gebiet sowohl in der Wissenschaft wie auch in der Praxis folgte eine gewisse Ernüchterung. Weder ließ sich die Thematik wissenschaftlich so rasch greifen, noch erwies sich eine praktische Anwendung als so unkompliziert wie anfangs gedacht. Als eines der Hauptprobleme dieses Gebiets sollte sich erweisen, dass man es versäumte oder sogar absichtlich vermied, sich Klarheit über den Wissensbegriff zu verschaffen. Man hoffte irrtümlich, mit einem Alltagsverständnis von Wissen eine neue Disziplin aufbauen zu können. Das Feld der relevanten Wissenssachverhalte wurde infolge davon extrem breit gezogen. Als Wissen wurden nicht nur unterschiedslos sämtliche Kognitionen und Daten bezeichnet, sondern auch alle möglichen Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Emotionen, Normen usw. Eine derart unspezifische Wissenskonzeption kann aber nur schwerlich eine sinnvolle Grundlage für ein erfolgreiches Wissensmanagement bilden. Auch in der Praxis wird dieses Problem zunehmend spürbar. Immer häufiger ergibt sich in den Organisationen durch die Fülle der zur Verfügung gestellten Datenbanken, Wissensportale, Praktiken usw. ein Orientierungsproblem, das in Fragen nach Qualität, Güte und andauernder Gültigkeit des Wissens zum Ausdruck kommt. Aus Nutzerperspektive stellt sich analog dazu immer drängender die Frage, welches der angebotenen Wissenselemente nun tatsächlich verlässlich, richtig und qualifiziert ist, so dass eine effiziente Nutzung möglich und sinnvoll erscheint. Insgesamt schiebt sich damit zunehmend die Frage der Selektion oder – stärker praxisbezogen formuliert – der Qualitätssicherung von Wissen in den Vordergrund. Genau diesem neuen Feld der Qualifizierung von Wissen und den dafür geeigneten Prozeduren ist vorliegende Studie gewidmet. Dr. Kusterer greift damit ein für Theorie und Praxis gleichermaßen neues wie aktuelles Thema auf. Die zehn vorgelegten Fallstudien geben einen sehr informativen Einblick in den derzeitigen Stand des Wissensqualitätsmanagements in der Praxis und fördern teilweise auch überraschende Ergebnisse zutage. Ungewöhnlich und vielleicht auch zukunftsweisend sind die ermittelten Praktiken in einem Kreativunternehmen, das den Wissensprozess und damit auch die Qualitätsprozesse in einem Wiki-basierten System abwickelt. Ent-

vi

Geleitwort

sprechend dezentral und emergent vollziehen sich die Qualifizierungsprozesse. Man vertraut auf die Rationalität der Teilnehmer, auf eine Art – wenn man so will – „Schwarmintelligenz“. Insgesamt konnte der Verfasser sehr erhellende Ergebnisse zur Wissenspraxis und zum Stand des Qualitätsmanagement zu Tage fördern. Seine Ergebnisse sind originell und ohne Zweifel geeignet, die Wissensmanagementforschung zu bereichern. Dr. Kusterer hat mit sehr viel Engagement ein völlig neues Gebiet wissenschaftlich bearbeitet und erste empirische Ergebnisse zu einem bislang nur wenig untersuchten Gegenstand vorgelegt. Es ist zu wünschen, dass der Arbeit in der Fachwelt die Aufmerksamkeit zuteil wird, die ihr gebührt.

Prof. Dr. Georg Schreyögg

Vorwort Die Erstellung der vorliegenden Dissertation hat sich über einen längeren Lebensabschnitt erstreckt und wäre allein sicherlich nicht zu bewältigen gewesen. Zum Gelingen haben verschiedene Personen beigetragen, welchen ich sehr herzlich danken möchte. Allen voran danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Georg Schreyögg, der nicht nur als mein akademischer Mentor fungierte, sondern meine Arbeit auch stets förderte. Seine wertvollen Hinweise und die Diskussionen mit ihm haben wesentlich zur Entstehung und zum Erfolg dieser Arbeit beigetragen. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Thomas Mellewigt für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Dank gilt auch den weiteren Mitgliedern der Promotionskommission, Frau Prof. Dr. Barbara Sieben, Herrn Prof. Dr. Christian Bizer und Herrn Nicolas Rohde. Bei meinen Interviewpartnern und ihren Unternehmen bedanke ich mich für den Zeiteinsatz und die Offenheit bei der Beantwortung meiner Fragen. Ebenfalls danken möchte ich meinem Arbeitgeber The Boston Consulting Group für die finanzielle Unterstützung und für die Freistellung zur Umsetzung meines Promotionsvorhabens. Auch möchte ich meinen Kollegen und Freunden Dank aussprechen, die durch ihren Rat und ihre mentale Unterstützung einen Beitrag zum Gelingen geleistet haben. Vielen Dank an Frau Dr. Carolin Wufka, Herrn Jirka Gehrt, Herrn Dr. Veit Etzold und an die Mitarbeiter des Lehrstuhls für die schöne gemeinsame Zeit. Der größte Dank gilt schließlich meinen Eltern Ingrid und Jürgen Kusterer, die mich während der gesamten Zeit meiner Ausbildung materiell, ideell und moralisch unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit.

Steffen Kusterer

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ...............................................................................................................1 1.1 Problemstellung und Relevanz............................................................................2 1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen .....................................................................5 1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................6 2 Begriffsklärung und Grundlagen .........................................................................9 2.1 Definition des Untersuchungsgegenstandes.......................................................9 2.1.1

2.1.2

2.1.3

Definition Wissen....................................................................................9 2.1.1.1

Wissen aus philosophischer Sicht .........................................9

2.1.1.2

Wissen aus betriebswirtschaftlicher Sicht............................12

2.1.1.3

Abgrenzungen .....................................................................14

2.1.1.4

Erstes Zwischenergebnis.....................................................21

Definition Qualität .................................................................................23 2.1.2.1

Qualität aus Produktsicht.....................................................24

2.1.2.2

Qualität aus publizistischer Sicht .........................................26

2.1.2.3

Qualität aus Sicht der wissenschaftlichen Forschung..........28

2.1.2.4

Zweites Zwischenergebnis ..................................................30

Definition Wissensmanagement ...........................................................31 2.1.3.1

Wissensmanagement-Strategien.........................................31

2.1.3.2

Aufgaben des Wissensmanagements .................................33

2.1.3.3

„Communities of Practice“ ...................................................38

2.1.3.4

Drittes Zwischenergebnis ....................................................39

2.2 Ableitung des Bezugsrahmens..........................................................................40 3 Entwicklung des Bezugsrahmens .....................................................................47 3.1 Identifikation bewahrungswürdigen Wissens (Dimension „wichtig“) ..................47 3.1.1

Ziele der Selektion................................................................................47

3.1.2

Probleme der Selektion ........................................................................48

3.1.3

Durchführung der Selektion..................................................................50

3.2 Qualifizierung des Wissens (Dimension „richtig“)..............................................52 3.2.1

Qualifizierungsfunktionen .....................................................................53

x

Inhaltsverzeichnis 3.2.2

Prüfverfahren........................................................................................56

3.2.3

Probleme bei der Qualifizierung von Wissen........................................57

3.3 Nutzung des Wissens (Dimension „relevant“) ...................................................59 3.4 Überprüfung und Aktualisierung des Wissens (Dimension „unrichtig“) .............62 3.4.1

Gründe für die Aktualisierung ...............................................................64

3.4.2

Durchführung der Aktualisierung ..........................................................65

3.5 Entsorgung unnötigen Wissens (Dimension „unwichtig“) ..................................67 3.5.1

Gründe für die Entsorgung von Wissen................................................68

3.5.2

Durchführung der Entsorgung ..............................................................70

3.6 Zwischenfazit ....................................................................................................72 4 Fallstudienanalyse ..............................................................................................75 4.1 Methodik und Vorgehen ....................................................................................75 4.1.1

Fallstudien als Forschungsmethodik ....................................................75

4.1.2

Einordnung von Fallstudien in den Forschungsprozess .......................77

4.1.3

Vorgehen bei der Fallstudienanalyse ...................................................84

4.1.4

4.1.3.1

Vorbereitung der Fallstudien................................................84

4.1.3.2

Durchführung der Fallstudien ..............................................88

4.1.3.3

Analyse der Fallstudien .......................................................91

Wissenschaftliche Güte der Fallstudienanalyse ...................................92

4.2 Beschreibung und Analyse der Fallstudien .......................................................95 4.2.1

Fallstudie A...........................................................................................95

4.2.2

Fallstudie B.........................................................................................108

4.2.3

Fallstudie C ........................................................................................120

4.2.4

Fallstudie D ........................................................................................130

4.2.5

Fallstudie E.........................................................................................141

4.2.6

Fallstudie F.........................................................................................153

4.2.7

Fallstudie G ........................................................................................162

4.2.8

Fallstudie H ........................................................................................175

4.2.9

Fallstudie I ..........................................................................................184

4.2.10 Fallstudie J .........................................................................................192 5 Fallstudienübergreifende Analyse...................................................................205

xi 5.1 Präzisierung des theoretischen Bezugsrahmens ............................................205 5.1.1

Dimension „wichtig“ ............................................................................207

5.1.2

Dimension „richtig“..............................................................................215

5.1.3

Dimension „relevant“ ..........................................................................220

5.1.4

Dimension „unrichtig“..........................................................................226

5.1.5

Dimension „unwichtig“ ........................................................................230

5.2 Ableitung von weiteren Thesen zu Zusammenhängen und Abhängigkeiten...234 5.2.1

Zusammenhänge zwischen den fünf Dimensionen ............................234

5.2.2

Abhängigkeiten von weiteren Einflussfaktoren ...................................236 5.2.2.1

Unternehmensabhängige Einflussfaktoren ........................236

5.2.2.2

Nutzerabhängige Einflussfaktoren.....................................239

5.2.2.3

Wissensabhängige Einflussfaktoren..................................241

5.3 Zusammenfassung der Thesen.......................................................................244 5.4 Untersuchung der Sonderfälle.........................................................................246 5.4.1

Problemzentriertes Wissensmanagement ..........................................247

5.4.2

Wiki-basiertes Wissensmanagement..................................................250

6 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen ......................................................257 6.1 Allgemeine Gestaltungsempfehlungen............................................................257 6.2 Spezielle Gestaltungsempfehlungen zu den fünf Dimensionen ......................259 6.2.1

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „wichtig“ ...........................259

6.2.2

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „richtig“ .............................261

6.2.3

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „relevant“..........................262

6.2.4

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „unrichtig“ .........................264

6.2.5

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „unwichtig“........................265

7 Zusammenfassung und Implikationen ............................................................267 7.1 Zusammenfassung..........................................................................................267 7.2 Implikationen für die Praxis .............................................................................268 7.3 Implikationen für die Forschung ......................................................................269 Anhang: Interviewleitfaden...................................................................................273 Literaturverzeichnis ..............................................................................................275

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1

Aufbau der Arbeit ...............................................................................7

Abbildung 2

Beziehungen zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie nach REHÄUSER/KRCMAR ..................................................................16

Abbildung 3

Wissenstreppe nach NORTH .............................................................17

Abbildung 4

Vier Formen der Wissensumwandlung.............................................19

Abbildung 5

Qualität als Beschaffenheit oder Güte..............................................24

Abbildung 6

Bausteine des Wissensmanagements .............................................33

Abbildung 7

Die Hauptprozesse der Wissensbewahrung ....................................36

Abbildung 8

Dimensionen „wichtig“ und „richtig“ ..................................................42

Abbildung 9

Dimensionen „unrichtig“ und „unwichtig“ ..........................................43

Abbildung 10

Dimension „relevant“ ........................................................................44

Abbildung 11

Gesamtzusammenhang der fünf relevanten Dimensionen (Bezugsrahmen)...............................................................................44

Abbildung 12

Verfahren zur Qualifizierung des Wissens .......................................57

Abbildung 13

Beispiel für ein „Rating“-Formular ....................................................61

Abbildung 14

Todesspirale der elektronischen Wissensbasis................................63

Abbildung 15

Einordnung von Fallstudien in den Forschungsprozess ...................78

Abbildung 16

Übersicht Fallstudien-Prozess..........................................................84

Abbildung 17

Vorgehen bei der Auswahl der Fallstudienpartner ...........................88

Abbildung 18

Beispiel für einen validierten Tipp (Fallstudie D) ............................135

Abbildung 19

Wissensgenerierung, -prüfung und -wiederverwendung

Abbildung 20

Wissensmanagement-Prozess (Fallstudie G) ................................164

Abbildung 21

Organisation des Wissensmanagements (Fallstudie H).................176

Abbildung 22

Wikipedia – Hauptseite (Fallstudie J) .............................................193

Abbildung 23

Wikipedia – Artikel (Fallstudie J) ....................................................195

Abbildung 24

Wikipedia – Vergleich von Versionen (Fallstudie J) .......................199

Abbildung 25

Wikipedia – Diskussion (Fallstudie J) .............................................200

Abbildung 26

Präzisierter Bezugsrahmen ............................................................206

(Fallstudie E) ..................................................................................148

Tabellenverzeichnis Tabelle 1

Vergleich ressourcen- und wissensbasierter Ansatz ........................14

Tabelle 2

Charakteristika impliziten und expliziten Wissens ............................19

Tabelle 3

Kodifizierungs- vs. Personalisierungsstrategie.................................32

Tabelle 4

Formen des organisationalen Vergessens .......................................68

Tabelle 5

Kriterien zur Auswahl der Fallstudienpartner....................................87

Tabelle 6

Übersicht der Fallstudien..................................................................89

Tabelle 7

Anzahl Interviewpartner und Verteilung nach Rollen........................90

Tabelle 8

Angewendete Maßnahmen zur Erhöhung der wissenschaftlichen Güte...................................................................93

Tabelle 9

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie A) ..................................................................................108

Tabelle 10

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie B) ..................................................................................120

Tabelle 11

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie C)..................................................................................130

Tabelle 12

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie D) ..................................................................................141

Tabelle 13

Themenbereiche des Wissensmanagements (Fallstudie E) ..........142

Tabelle 14

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie E) ..................................................................................153

Tabelle 15

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie F) ..................................................................................162

Tabelle 16

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie G)..................................................................................175

Tabelle 17

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement

Tabelle 18

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement

(Fallstudie H) ..................................................................................184

(Fallstudie I) ...................................................................................192 Tabelle 19

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie J)...................................................................................203

xvi Tabelle 20

Tabellenverzeichnis Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „wichtig“)......................................................................214

Tabelle 21

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „richtig“) .......................................................................219

Tabelle 22

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „relevant“)....................................................................226

Tabelle 23

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „unrichtig“) ...................................................................230

Tabelle 24

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „unwichtig“)..................................................................233

Tabelle 25

Einflussfaktor „Alter des Wissensmanagements“ ...........................237

Tabelle 26

Einflussfaktor „Qualifikation der Nutzer“ .........................................240

Tabelle 27

Einflussfaktor „Kontextabhängigkeit des Wissens“.........................243

Tabelle 28

Einflussfaktor „Sicherheitsrelevanz des Wissens“ ..........................244

Tabelle 29

Zusammenfassung der Thesen zum Bezugsrahmen (Thesen 1-6)...................................................................................245

Tabelle 30

Weitere Thesen zu Zusammenhängen und Abhängigkeiten (Thesen 7-11).................................................................................246

Tabelle 31

Vergleich prozessorientierter und Wiki-basierter Ansatz ................251

Tabelle 32

Vergleich der beiden Wiki-basierten Fallstudien ............................255

Abkürzungsverzeichnis bzw. bzgl. CD CTO d. h. DIN Diss. DM dt. DVD e. V. EN engl. et al. etc. evtl. f. ff. ggf. HR Hrsg. i. A. i. S. inkl. IP ISO IT KM KVP lat. lt. Mio. Mrd. o. a. o. ä.

beziehungsweise bezüglich Compact Disc Chief Technology Officer das heißt Deutsches Institut für Normung e. V. Dissertation Deutsche Mark deutsch Digital Versatile Disc eingetragener Verein Europäische Norm englisch et alii et cetera eventuell folgende fortfolgende gegebenenfalls Human Resources Herausgeber im Allgemeinen im Sinne inklusive Internet Protocol Internationale Organisation für Normung Informationstechnologie Knowledge Management Kontinuierlicher Verbesserungsprozess lateinisch laut Million Milliarde oben aufgeführt oder ähnlich

xviii o. g. PMI rd. S. sog. u. a. u. ä. Univ. usw. USD v. v. a. vgl. vs. WB WBV WM WMgr z. B. z. T.

Abkürzungsverzeichnis oben genannt Post Merger Integration rund Seite sogenannt unter anderem und ähnlich Universität und so weiter United States Dollar von vor allem vergleiche versus Wissensbasis Wissensbereichsverantwortlicher Wissensmanagement Wissensmanager zum Beispiel zum Teil

Symbolverzeichnis # € x ./. % &

Anzahl Euro mal nein / keine Angabe Prozent und

1 Einleitung Das Wissen erfährt in unserer heutigen Gesellschaft eine immer größere Bedeutung. Dies führt sogar soweit, dass namhafte Autoren bereits vom „Heraufdämmern der Wissensgesellschaft“1 bzw. von „Knowledge Societies“2 sprechen. Auch in den Unternehmen spielt das Wissen eine zentrale Rolle, häufig wird es als die bedeutendste Ressource angesehen, die den Unternehmen zur Verfügung steht.3 Es kann einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil darstellen.4 Aus diesem Grund befassen sich Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen mit der Frage, wie man das Wissen gezielt nutzen kann. Dies zeigt sich einerseits an der steigenden Zahl wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Publikationen zum Thema Wissensmanagement, zum anderen auch an der Vielzahl von Unternehmen, die Wissensmanagement-Aktivitäten gestartet haben.5 So bewerteten 91% der Teilnehmer einer Studie, welche im Jahr 2005 durch die Fraunhofer Wissensmanagement Community durchgeführt wurde, die zukünftige Bedeutung des Wissensmanagements mit sehr wichtig bis wichtig.6 Es lässt sich jedoch beobachten, dass viele Wissensmanagement-Projekte scheitern, weil irgendwann zu viele oder veraltete bzw. falsche Inhalte in den Wissensmanagement-Systemen abgelegt sind oder bereits vorhandenes Wissen nicht gefunden wird.7 Hieraus lässt sich ableiten, dass in solchen Organisationen der Qualitätssicherung des Wissensmanagements nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird, und daher häufig unnötige oder unrichtige Inhalte vorhanden sind. Welches Wissen ist jedoch von so hoher Bedeutung, dass es aus Sicht der Unternehmung besonders bewahrungswürdig ist und den anderen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden sollte? Welches Wissen hingegen ist unnötig festzuhalten? Offensichtlich kann nicht alles Wissen in einem Unternehmen in gleichem Maße eine bedeutende Ressource sein. Daher stellt sich für die Unternehmen die Frage nach der Auswahl des wichtigen Wissens.

1 2 3 4 5 6 7

Drucker (2005), S. 355. Stehr (2005), S. 301. Vgl. von Krogh/Roos (1996); Probst et al. (2006). Vgl. Bollinger/Smith (2001), S. 8. Vgl. Ruggles (1998). Vgl. Schnalzer/Wesoly (2005); Decker et al. (2005). Vgl. Huang (2004), S. 2.

2

Einleitung

Außerdem ist die Frage zu beantworten, wie die Unternehmen die Richtigkeit des Wissens in ihrem Wissensmanagement sicherstellen. Nicht alles, was gemeinhin als Wissen bezeichnet wird, verdient diese Bezeichnung. Wissen unterscheidet sich von Meinung oder Glaube.8 Was also kann als „richtiges“ Wissen gelten und in den Wissensbestand der Unternehmung aufgenommen werden? Wie erfolgt diese Unterscheidung? Und was passiert, wenn neues Wissen auftaucht, welches das bisherige in Frage stellt? Diese Fragen erscheinen von besonderer Bedeutung für die Qualität der Inhalte des jeweiligen Wissensmanagement-Systems zu sein, ihre Beantwortung ist jedoch offensichtlich nicht trivial. Ziel dieser Arbeit ist daher, Antworten auf diese Fragen zu finden, und anhand von Fallstudien mögliche Ausgestaltungen der Qualitätssicherung im Wissensmanagement darzustellen und zu analysieren. Außerdem sollen anhand einer fallstudienübergreifenden Analyse Gemeinsamkeiten und Unterschiede erarbeitet werden und hieraus Gestaltungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet werden. Im folgenden Abschnitt werden die Problemstellung der Arbeit sowie ihre theoretische und praktische Relevanz erläutert. Hieran schließt sich die Formulierung der Zielsetzung und Forschungsfragen der Arbeit an. Mit der Vorstellung der Forschungsmethodik und dem Aufbau der Arbeit schließt dieses Kapitel.

1.1 Problemstellung und Relevanz Heutige Unternehmen stehen vielfältigen Herausforderungen gegenüber, wie z. B. steigendem Wettbewerbsdruck durch Globalisierung oder höhere Innovationsgeschwindigkeit durch kürzere Produktlebenszyklen. In gleichem Maße beschleunigt sich das Tempo, in dem Wissen produziert, verändert und entwertet wird9, einhergehend mit der Anforderung an eine hohe Aktualität des benötigten Wissens.10 Wissen kann ein Wettbewerbsvorteil sein; NONAKA formuliert sogar: „the one source of lasting competitive advantage is knowledge“11. Es sollte daher, wie der Ausdruck Wissensmanagement impliziert, gemanagt werden.12

8 9 10 11 12

Vgl. Ilgen (2001), S. 19 f. Vgl. Stehr (2001), S. 69. Vgl. Howaldt (2004), S. 5. Nonaka (1991), S. 96. Vgl. McInerney/LeFevre (2000), S. 2 f.

3 In der Literatur existiert eine Vielzahl von Publikationen zum Thema Wissensmanagement. Die Bandbreite reicht von der Beschreibung von Modellen13, Ableitung von Erfolgsfaktoren14 bzw. Erfahrungen aus Misserfolgen15 und der Bedeutung von Emotionen16 bis hin zu Handlungsempfehlungen für die Einführung eines Wissensmanagements17 und Problemen der Anreizgestaltung18. Auch der Wandel der Informations- und Kommunikationstechnologie hat einen erheblichen Einfluss auf dieses Thema.19 Regelmäßig werden hierbei mögliche Herausforderungen beschrieben, deren Bewältigung im Folgenden unter dem Begriff Qualitätssicherung subsumiert werden sollen. Hierzu gehört zunächst, dass kein Wissensmanagement alles mögliche Wissen aufnehmen kann. Es ist daher die Frage zu beantworten, welches Wissen als besonders nützlich für die Organisation angesehen wird. Es erscheint also eine Selektion zur Identifikation des wichtigen, also bewahrungswürdigen Wissens und zum Schutz vor Informationsüberflutung erforderlich zu sein.20 Ebenso wird die These formuliert, dass nicht jedes Wissen gleichermaßen bewahrenswertes und „richtiges“ Wissen darstellt. Ohne eine Validierung besteht die Gefahr, dass alles Mögliche, ggf. sogar irreführende oder falsche Inhalte aufgenommen werden. Die Unternehmung ist also gefordert, nicht alles Wissen ungeprüft in das Wissensmanagement aufzunehmen, es sollte nur richtiges Wissen vorhanden sein. Das Wissen sollte also in einem Prüfverfahren validiert werden.21 LEHNER formuliert dies wie folgt: „Die Erweiterung des Informationsgrades sollte daher zumindest in Unternehmen nicht planlos verlaufen, sondern gezielt mit Mechanismen zur Selektion und Bewertung von Informationen verknüpft werden. Genau hier liegt die Herausforderung für das Wissensmanagement.“22 Auch wenn das Wissen den Selektions- und den Prüfprozess erfolgreich durchlaufen und bestanden hat, und durch das Wissensmanagement den Mitarbeitern der Unter13

14 15 16 17 18 19 20 21 22

Vgl. z. B. Probst/Romhardt (1997); Nonaka/Takeuchi (1997). Später wird auf diese Modelle noch näher eingegangen. Vgl. z. B. Lehner (2006). Vgl. z. B. Damodaran/Olphert (2000); Schneider (2001). Vgl. z. B. Schönert (2004). Vgl. z. B. Finger (2005). Vgl. z. B. Keller (1995); Staiger (2004); Zaunmüller (2005); Wilkesmann/Rascher (2005). Vgl. Chumer et al. (2000), S. XV. Vgl. Romhardt (1998), S. 269 ff.; Schreyögg/Geiger (2002b), S. 9; Howaldt/Kopp (2005), S. 14 ff. Vgl. Schreyögg (2001), S. 11 ff.; Farnschläder et al. (2001), S. 158 f. Lehner (2000), S. 10.

4

Einleitung

nehmung zur Verfügung steht, erscheint damit die Betrachtung noch unvollständig. Schließlich kann es durchaus sein, dass Wissen durch neueres Wissen überholt wird – man denke nur an die überkommene Vorstellung, die Sonne drehe sich um die Erde. Wissen sollte somit immer als vorläufig betrachtet werden.23 Dies wiederum impliziert, dass es im Wissensmanagement Verfahren geben sollte, um derart unrichtiges Wissen zu erkennen und zu aktualisieren bzw. Widersprüche zu beseitigen.24 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass das Wissen irgendwann einmal nicht mehr erforderlich ist, z. B. weil es veraltet oder für das Unternehmen unwichtig geworden ist.25 Das Wissen sollte um solche Elemente bereinigt werden, da diese den Nutzern bei der Suche nach Wissen Zeit rauben und unnötig Ressourcen beanspruchen.26 Schließlich soll ein Wissensmanagement für das Unternehmen hilfreich sein, Wissensmanagement ist kein Selbstzweck. Es soll helfen, das Wissen so einzusetzen, dass das Unternehmen schnell auf Veränderungen reagieren und Synergien nutzen kann, und seine Mitarbeiter von erfolgreichen Lösungen profitieren können – kurz: ein Mehrwert entsteht.27 Dies bedeutet, dass die Wissensmanagementstrategie auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet sein sollte und diese fördern sollte28, und somit für die Mitarbeiter möglichst relevantes Wissen zur Verfügung stellen sollte. Die genannten Aspekte der Qualitätssicherung wurden in der Literatur bisher aus verschiedenen theoretischen und teilweise praktischen Blickwinkeln erhellt. Jedoch hat eine gesamtheitliche Betrachtung bisher nicht stattgefunden. Ob und welche Mechanismen der Qualitätssicherung in der Praxis genutzt werden, und inwieweit sich diese bewährt haben, wurde empirisch noch nicht untersucht. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an und versucht, die beschriebene Forschungslücke zu schließen.

23 24 25

26 27 28

Zu dieser postmodernen Sicht vgl. z. B. Popper (2005); Lyotard (2005); Koch (1999), S. 105. Vgl. z. B. Probst/Romhardt (1997), S. 139 f.; Schneider (2001), S. 135 ff. Eine Aufzählung möglicher Aussonderungsgründe findet sich bei Bukowitz/Williams (2002), S. 387. Vgl. z. B. Rollett (2002), S. 285; Probst et al. (2006), S. 207 ff. Vgl. Mohr et al. (2002), S. 552 f.; Petkoff (2004), S. 436. Zu Zielen und Ausprägungen von Wissensmanagementstrategien vgl. Albrecht (1993), S. 102 ff.

5 1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen Die Betriebswirtschaftslehre unterscheidet – wie die anderen Realwissenschaften auch – zwischen drei generellen Erkenntniszielen: dem deskriptiven Erkenntnisziel (Beschreibung realer Sachverhalte), dem theoretisches Erkenntnisziel (Erklärung realer Sachverhalte) und dem praktischen Erkenntnisziel (Gestaltung realer Sachverhalte).29 Aus der beschriebenen Problemstellung heraus ergeben sich somit die folgenden drei Zielsetzungen. Zunächst sollen die für das Thema der Qualitätssicherung relevanten bisher erarbeiteten theoretischen Aspekte zusammengeführt und in einem gemeinsamen Kontext betrachtet werden. Daraufhin soll mit Hilfe für die Problemstellung geeigneter Fallstudien in der Praxis existierende Ansätze dargestellt und diskutiert werden (Beschreibungsziel). Auf Basis dieser Analysen und der bereits existierenden theoretischen Überlegungen sollen Thesen zur Erklärung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement abgeleitet werden (Erklärungsziel). Zuletzt sollen die erarbeiteten theoretischen und praktischen Ergebnisse in Gestaltungsempfehlungen zur Qualitätssicherung überführt werden (Gestaltungsziel). Die leitende Forschungsfrage lautet somit: Wie sichern Unternehmen die Qualität des Wissens in ihrem Wissensmanagement? Zur Beantwortung dieser Frage sind weitere, detailliertere Forschungsfragen erforderlich. Wie bereits oben dargestellt, kann ein Wissensmanagement unmöglich alles vorhandene Wissen aufnehmen. Hieraus folgt, dass eine Selektion zur Unterscheidung von wichtigem und unwichtigem Wissens erforderlich ist. Somit lautet die erste Forschungsfrage: Wie entscheiden Unternehmen, welches Wissen bewahrungswürdig ist? Auch wenn das Wissen als wichtig erkannt und als bewahrungswürdig bewertet wurde, ist dies nur der erste Schritt. Es bedeutet noch nicht, dass es richtiges Wissen im Sinne der Unternehmung ist, d. h. nicht nur bloßer Glaube oder Meinung.30 Inso-

29 30

Vgl. Zelewski (1999), S. 27 ff. Vgl. Mittelstraß (1996), S. 717.

6

Einleitung

fern bedarf es einer Prüfung, um das Wissen von diesen anderen Konstrukten zu trennen.31 Folglich lautet die zweite Forschungsfrage: Wie erfolgt die Prüfung des Wissens? Auch das derart überprüfte, d. h. qualifizierte Wissen ist nicht unbegrenzt gültig. Es ist möglich, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr benötigt wird32, oder es in Widerspruch zu anderem oder neueren Wissen steht und muss somit ggf. überarbeitet oder aktualisiert werden muss. Die dritte Forschungsfrage kann also wie folgt formuliert werden: Was geschieht, wenn das vorhandene Wissen nicht mehr nötig ist oder durch neueres Wissen überholt wird? Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden Fallstudien als empirische Forschungsmethode verwendet. Hierfür wird zunächst ein theoretischer Bezugsrahmen auf Basis der bisher existierenden Aussagen entwickelt, welcher dann anhand der Fallstudien präzisiert wird. Hierbei handelt es sich um die theoriegeleitete Fallstudienmethodik nach YIN.33 Die Zielsetzung und die Formulierung der Forschungsfragen dienen nun als Grundlage für den Aufbau der Arbeit.

1.3 Aufbau der Arbeit Aus der gewählten Forschungsmethodik ergibt sich der Aufbau dieser Arbeit, der in folgender Darstellung verdeutlicht wird:

31 32

33

Vgl. Schreyögg (2001), S. 11 ff. Gründe können beispielsweise strategische Neuausrichtung, Veräußerung von Unternehmensteilen oder neuere Technologien oder Methoden sein. Vgl. hier und im Folgenden Yin (2003).

7

1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Relevanz

1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen

1.3 Aufbau der Arbeit

2 Begriffsklärung und Grundlagen 2.1 Definition Untersuchungsgegenstand

2.2 Ableitung Bezugsrahmen

3 Theoretischer Bezugsrahmen 3.1 „wichtig“

3.2 „richtig“

3.3 „relevant“

3.4 „unrichtig“

3.5 „unwichtig“

3.6 Zwischenfazit

4 Fallstudienanalyse 4.1 Methodik und Vorgehen

4.2 Beschreibung und Analyse der Fallstudien

5 Fallstudienübergreifende Analyse 5.1 Präzisierung Bezugsrahmen

5.2 Ableitung weiterer Zusammenhänge

5.3 Zusammenfassung der Thesen

5.4 Untersuchung der Sonderfälle

6 Gestaltungsempfehlungen 6.1 Allgemeine Gestaltungsempfehlungen

6.2 Spezielle Gestaltungsempfehlungen

7 Zusammenfassung und Implikationen 7.1 Zusammenfassung

Abbildung 1

34

Aufbau der Arbeit34

Eigene Darstellung.

7.2 Implikationen für die Praxis

7.3 Implikationen für die Forschung

8

Einleitung

Im ersten Kapitel wurden die Problemstellung sowie die theoretische und praktische Relevanz erarbeitet, Zielsetzung und Forschungsfragen formuliert sowie die Forschungsmethodik vorgestellt. Die zur Herangehensweise nötigen theoretischen Grundbausteine werden im zweiten Kapitel herausgearbeitet. Die Ausführungen beginnen mit dem zugrunde liegenden Begriff, dem Wissen selbst. Hier werden einerseits unterschiedliche Herangehensweisen und Definitionen beleuchtet, andererseits werden Abgrenzungen vorgenommen. Auch Überlegungen zur Qualität und Qualitätssicherung werden hier durchgeführt. Der dritte relevante Aspekt ist das Wissensmanagement und die Frage, inwieweit sich die erarbeiteten Aspekte in die Theorien des Wissensmanagement einfügen lassen. Die herausgearbeiteten Aussagen werden zur Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens verwendet, mit Hilfe dessen die Herangehensweise an die Analyse der Fallstudien systematisiert werden soll. Das dritte Kapitel greift die mit dem Bezugsrahmen vorgestellten zu betrachtenden Dimensionen auf und untersucht, inwieweit sich aus bislang existierenden theoretischen Ansätzen heraus Aussagen zu den jeweiligen Dimensionen finden lassen. Die Fallstudienuntersuchung ist Gegenstand des vierten Kapitels. Hierbei wird zunächst die Fallstudienmethodik in den wissenschaftlichen Forschungsraum eingeordnet und das Vorgehen bei der Fallstudienauswahl und die Durchführung der Fallstudien erörtert. Im Anschluss werden die Fallstudien beschrieben und anhand des Bezugsrahmens analysiert sowie zusätzliche Erkenntnisse gesammelt. Im fünften Kapitel werden die Fallstudien in ihrer Gesamtheit betrachtet und eine übergreifende Analyse durchgeführt. Hierbei werden die Aussagen des Bezugsrahmens präzisiert sowie Thesen zur Qualitätssicherung im Wissensmanagement abgeleitet. Auf Basis der gesamthaften Betrachtung werden dann im sechsten Kapitel Gestaltungsempfehlungen für das Wissensmanagement formuliert. Die Arbeit schließt mit dem siebten Kapitel, in welchem die Ergebnisse zusammengefasst und kritisch gewürdigt werden sowie Implikationen für Praxis und Forschung herausgearbeitet werden.

2 Begriffsklärung und Grundlagen Ziel des zweiten Kapitels ist die Vorstellung der für die weitere Diskussion erforderlichen theoretischen Grundlagen und die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens. In einem ersten Schritt erfolgt in Abschnitt 2.1 die Definition des Untersuchungsgegenstandes. Hierzu werden das dieser Arbeit zugrunde liegende Konstrukt, also das Wissen selbst definiert, das Verständnis des Themas Qualität erörtert sowie der zugrunde liegende Wissensmanagement-Ansatz vorgestellt. Im zweiten Schritt wird dann in Abschnitt 2.2 der theoretische Bezugsrahmen entwickelt.

2.1 Definition des Untersuchungsgegenstandes

2.1.1

Definition Wissen

Um ein besseres Verständnis für das Wissen als zentralem Begriff zu erreichen, wird dieses im Folgenden aus philosophischer und betriebswirtschaftlicher Sicht untersucht.35 Außerdem wird es zu anderen Begriffen wie Information, Narration oder implizitem Wissen abgegrenzt.

2.1.1.1

Wissen aus philosophischer Sicht

Die Frage „Was ist Wissen?“ gehört zu den grundlegenden Fragen der Philosophie. Gegenstand der Epistemologie36 bzw. Erkenntnistheorie ist die Beantwortung der Frage nach den Bedingungen begründeten Wissens sowie der Entstehung, dem Wesen und den Grenzen.37 Frühe Auseinandersetzungen zu diesem Thema finden sich bereits in der Antike.38 So hat der griechische Philosoph PLATON die These aufgestellt, dass Wissen deduktiv erlangt wird, und sich die Wahrheit somit alleine durch logisches Denken erschließen lässt. Er gilt somit als ein früher Vertreter des Rationalismus. Die Mathematik ist ein typisches Beispiel für dieses Verständnis.

35 36 37 38

Zur Betrachtung weiterer, wie z. B. religiöser oder soziologischer Sichtweisen vgl. Albrecht (1993). Griechisch: episteme = Wissen, logos = Theorie. Vgl. Mittelstraß (1980), S. 576 f. Vgl. hier und im Folgenden Mandl/Reinmann-Rothmeier (2000), S. 4 f.

10

Begriffsklärung und Grundlagen

Sein Schüler ARISTOTELES widerspricht dieser These. Nach seiner Meinung entsteht Wissen induktiv aus Sinneserfahrungen, er gehört somit zu den frühen Befürwortern des Empirismus. Ein Beispiel für diese Anschauung sind die experimentellen Naturwissenschaften. Im 17. Jahrhundert entwickelt der französische Philosoph DESCARTES die Idee des Rationalismus weiter. Geprägt durch die Macht der Kirche als die alleinige Institution, die festlegen kann, was „wahr“ ist, führt er die Methode des Zweifels ein, welche sich in der Frage äußert: „Was kann ich für wahr halten jenseits allen Zweifels?“ Er formuliert die These, dass man alles in Frage stellen konnte, nur nicht die Existenz des Fragenden, was in der Erkenntnis „Ich denke, also bin ich“ gipfelt – dem ersten unbezweifelbaren Satz.39 Der britische Philosoph LOCKE kritisiert diese Ausrichtung auf das reine Denken. Aus seiner Sicht ist Ausgangspunkt der Erkenntnis die Erfahrung, welche sich sowohl aus Sinneswahrnehmung als auch Reflexion speist: die Sinneswahrnehmung ist eine „große Quelle der meisten unserer Ideen“, die Reflexion „die andere große Quelle, aus welcher die Erfahrung den Verstand mit Ideen versieht“.40 Im 18. und 19. Jahrhundert haben KANT, HEGEL und MARX verschiedene Ansätze postuliert, welche Rationalismus und Empirismus zu vereinen suchen.41 Seit dem 19. Jahrhundert haben sich hieraus mehrere Denkschulen herausgebildet, von welchen im Folgenden der kritische Rationalismus und der Konstruktivismus näher beleuchtet werden,42 da diese für die weiteren Ausführungen von besonderer Bedeutung sind. POPPER, einer der meistzitierten Philosophen43, hat den empirischen Denkansatz weitergeführt, welcher davon ausgeht, dass es eine reale Außenwelt gibt, die von dem menschlichen Erkenntnisvermögen unabhängig ist. Seine Grundthese ist jedoch, dass der Mensch in seiner Wahrnehmung begrenzt ist, mithin alle Erkenntnis fehlbar ist. Dieser als kritischer Rationalismus bezeichnete Ansatz besagt, dass jedes Wissen wieder überholt werden kann, und somit grundsätzlich vorläufig ist:

39 40 41 42

43

Vgl. Descartes (1637). Vgl. Locke (1690). Für einen Überblick über diese Ansätze vgl. z. B. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 36 ff. Diese und weitere Perspektiven sind kurz und exemplarisch zusammengefasst z. B. in Maier (2002), S. 52 zu finden. Vgl. Baets (2005), S. 33.

11 „[…] even the best tested, even the best corroborated, even the most successful scientific theory is only a hypothesis. A hypothesis may, indeed, represent the final truth […]. But even if our current hypothesis is true, we can never know for certain that it is true, and we can therefore never be certain that it will not be superseded tomorrow by a better one, and so turn out to have been only an approximation on the way to truth.“44 Nur durch kritisches Hinterfragen kann man sich der Wahrheit nähern: wenn eine Hypothese widerlegt wurde, so muss man eine neue Hypothese finden, welche auch den Grund für die widerlegte Hypothese erklären kann.45 Dem Rationalismus und seiner zugrunde liegenden These, dass alles Wissen in objektiver Form vorliegen kann, widerspricht der durch BERGER/LUCKMANN postulierte Konstruktivismus. Dieser geht davon aus, dass Wissen sozial konstruiert ist, dass es von der Weltanschauung beeinflusst ist.46 Ausgangspunkt ist die empirische Beobachtung, dass in den verschiedenen Gesellschaften eine Vielfalt von Wissen vorherrscht. Demzufolge beeinflussen soziale Komponenten wie beispielsweise Sprache die Betrachtungsweise und die Wahrnehmung der Realität. Eine Folgerung hieraus ist, dass Wissen keine objektive Wahrheit sein kann, sondern lediglich das, was in der jeweiligen Gesellschaft als wahr angesehen wird.47 Der französische Philosoph LYOTARD hat den Begriff der Postmoderne geprägt.48 Er geht davon aus, dass es neben dem wissenschaftlichen Wissen noch das narrative Wissen gibt, welches in Form von Erzählungen weiter getragen wird. Während das wissenschaftliche Wissen durch einen Diskurs49 legitimiert werden muss, legitimiert sich das narrative Wissen durch die Übertragung selbst: die Narrationen werden immer wieder erzählt und weiter getragen und erfahren auf diese Art und Weise Akzeptanz.50 Narratives und wissenschaftliches Wissen sind somit keine widersprüchlichen, sondern sich ergänzende Konstrukte. Ein erheblicher Anteil des Wissens zirkuliert in narrativer und damit unreflektierter Form. Narratives Wissen kann

44 45 46 47

48 49

50

Popper (1989), S. 261. Hervorhebungen wie im Original. Vgl. Popper (1989), S. 262. Vgl. Berger/Luckmann (2000), S. 3. Für eine Zusammenfassung des Prozesses der sozialen Konstruktion von Wissen vgl. Eberl (2001), S. 52 ff. Vgl. Lyotard (2005). Wissenschaftlicher Diskurs arbeitet mit der Unterscheidung „wahr/unwahr“, es existiert jedoch eine Vielzahl von möglichen Diskursarten, welche als gleichwertig betrachtet werden können. Vgl. Koch (1999), S. 91 ff. Vgl. Lyotard (2005), S. 77 f.

12

Begriffsklärung und Grundlagen

jedoch überprüft und validiert werden und damit zu (wissenschaftlichem) Wissen werden.51 Diese Unterscheidung erübrigt sich aus der Sicht des Pragmatismus. Dieser postuliert, dass Wissen vor allem dann bedeutsam ist, wenn es funktioniert, es also in zweckreiche Handlungen überführt werden kann.52 Die sehr allgemeine Definition „capacity to act“53 impliziert hierbei, dass die tatsächliche Ausgestaltung, was Wissen ist und vermag, durchaus auch von den äußeren Umständen, wie z. B. dem spezifischen sozialen oder wirtschaftlichen Umfeld, abhängen kann.54

Fazit: Bereits aus historischer Sicht existiert eine Vielzahl von sehr heterogenen Verständnissen, was Wissen ist. Eine wissenschaftliche Arbeit, welche das Wissen behandelt, muss sich daher auf eine Sichtweise festlegen, welche die weiteren Ausführungen determiniert.55 Da es sich bei der vorliegenden Forschungsthematik um eine betriebswirtschaftliche Fragestellung handelt, wird auf diese Sicht im Folgenden ausführlicher eingegangen.

2.1.1.2

Wissen aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Da das Wissen – wie bereits in der Einleitung ausgeführt – auch im wirtschaftlichen Umfeld immer mehr an Bedeutung gewinnt, sollen im Folgenden wichtige Aspekte aus betriebswirtschaftlicher Sicht diskutiert werden. Die klassischen betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital werden von WITTMANN um den Faktor Wissen ergänzt, denn nur durch das Wissen sei es möglich, die anderen Produktionsfaktoren zweckmäßig vernetzen zu können.56 Tatsächlich hat Wissen jedoch andere Charakteristika als materielle Produktionsfaktoren. Während materielle Güter z. B. aufgrund ihrer Gegenständlichkeit nur an einem Ort genutzt werden können, besteht für das Wissen vielfache Nutzungsmöglichkeiten gleichzeitig an verschiedenen Orten.57 Wissen ist auch ein para-

51 52 53 54 55 56

57

Vgl. Lyotard (2005), S. 101. Vgl. Bergquist et al. (2001), S. 100; Götz/Schmid (2004), S. 193; Maurer (2004), S. 123 ff. Stehr (2005), S. 299. Vgl. Stehr (2005), S. 306. Vgl. Maier (2002), S. 50. Vgl. Wittmann (1977), S. 590. Zu diesem produktionstheoretisch-naturwissenschaftlichen Ansatz des Wissensmanagements vgl. auch Walger/Schencking (2001), S. 25 ff. Zu einem ausführlichen Vergleich materieller Produktionsfaktoren mit Information und Wissen vgl. z. B. Rehäuser/Krcmar (1996), S. 11; Götz/Schmid (2004), S. 192; Braun (2004), S. 28 f.

13 doxes Gut, da es mit Nutzung seinen Wert nicht verliert, und damit abgeschrieben werden müsste, sondern im Gegenteil der Wert durch die Nutzung steigt.58 Das Wissen hat in der Unternehmung jedoch noch weitere besondere Merkmale, welche es zusätzlich als eine besondere Ressource hervorheben. Grundidee des ressourcenbasierten Ansatzes59 ist die These, dass der Erfolg von Unternehmen auf die Qualität interner Ressourcen zurückgeht.60 Hierbei werden tangible Ressourcen (z. B. Grundstücke, Gebäude, Finanzmittel) von den intangiblen Ressourcen (z. B. Wissen, Organisation, Unternehmenskultur) unterschieden.61 Für die Unternehmung sind insbesondere solche Ressourcen relevant, die zum Aufbau von Kernkompetenzen und somit zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil beitragen.62 Diese Ressourcen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Wert besitzen, selten sind, schwer oder nicht imitierbar sind und nicht substituierbar sind.63 Wissen ist eine intangible Ressource, welche diese Eigenschaften erfüllt.64 Es kann mithin zur Schaffung eines strategischen Wettbewerbsvorteils beitragen. Aus diesem Grund hat sich aus dem ressourcenbasierten Ansatz heraus der wissensbasierte Ansatz65 entwickelt.66 Dieser sieht das Wissen als wichtigste aller Ressourcen an und die Mitarbeiter als die hauptsächlichen Träger von Wissen. Die Unternehmung wird dementsprechend als soziale Organisation angesehen, in welcher die Personen ihr jeweiliges Wissen produktiv einsetzen. Folgende Abbildung verdeutlicht die wichtigsten Elemente des ressourcen- und des wissensbasierten Ansatzes:

58 59 60 61 62 63 64 65 66

Vgl. Schreyögg (2001), S. 7. In der engl. Fachliteratur „resource-based view“ genannt. Vgl. Penrose (1959). Vgl. Barney (1991), S. 101 ff.; Grant (1991), S. 101. Vgl. Prahalad/Hamel (1990). Vgl. Michalisin et al. (1997). Für eine detailliertere Begründung vgl. Amit/Schoemaker (1993); Renzl (2003), S. 7 ff. In der engl. Fachliteratur “knowledge-based view” genannt. Vgl. Spender (1996).

14

Begriffsklärung und Grundlagen

Ressourcenbasierter Ansatz

Wissensbasierter Ansatz

Sichtweise der Firma

Firmen sind einzigartige Ansammlungen von Ressourcen

Firmen sind soziale Entitäten von Wissen

Analyseeinheit

Ressource

Wissen

Ursache von Wettbewerbsvorteilen

Wertvolle, seltene, nicht-imitierbare und nicht-substituierbare Ressourcen

Firmenspezifisches Wissen und der Umgang damit

Mechanismus der Rentengenerierung

Glück und „voraussehende“ Wahl unterbewerteter Ressourcen

Generierung, Transfer und Nutzung von Wissen

Zeitpunkt der Rentengenerierung

Statisch: Vor der Akquisition einer Ressource

Prozessual: Während der Entwicklung des Wissens

Tabelle 1

Vergleich ressourcen- und wissensbasierter Ansatz67

Fazit: Wissen wird zunehmend als die bedeutendste der möglichen Ressourcen angesehen. Wenn das Wissen die zentrale Ressource ist, so sollte es zum Gegenstand gezielten Managements, des sog. Wissensmanagements gemacht werden.68 Auf den Begriff des Wissensmanagements wird daher später noch genauer eingegangen.

2.1.1.3

Abgrenzungen

Auf Basis der vorangegangenen Überlegungen können nun folgende Abgrenzungen diskutiert werden, welche in der Literatur regelmäßig genannt werden.69 Wissen vs. Nicht-Wissen Es existieren zwei grundsätzliche Vorstellungen über die Gesamtheit des Wissens und folglich die Lage und Verschiebung der Grenze zwischen Wissen und NichtWissen.70 Die eine Vorstellung geht davon aus, dass die Erzeugung neuen Wissens irgendwann zu einem Abschluss kommt, mithin aus einem beliebig großen, aber 67 68 69

70

Eigene Darstellung in Anlehnung an Renzl (2003), S. 14. Vgl. Nonaka (1991), S. 96; Geiger (2006), S. 8. Für eine umfassendere Darstellung weiterer Dichotome vgl. Romhardt (1998), S. 28 f.; Schreyögg (1998), S. 188 ff.; Glück (2002), S. 16. Vgl. hier und im Folgenden Vossenkuhl (2000), S. 115 f.

15 endlichen Raum an möglichem Wissen alles falsche Wissen im Laufe der Zeit ausgeschlossen wird.71 Die gegenteilige Vorstellung hingegen geht davon aus, dass mit jedem zusätzlich erschlossenen Wissen der Raum des möglichen Wissens weiter ausgedehnt wird, also statt eines sich verengenden Trichters ein sich immer weiter öffnender Trichter vorliegt.72 NEUSER betrachtet den Zusammenhang zwischen Wissen und Nicht-Wissen aus zeitlicher Sicht: Es gibt „[…] eine prinzipielle Grenze zwischen unserem Wissen in der Gegenwart und dem Wissen der zukünftigen Welt. Diese Grenze ist das Nichtwissen, sei es als noch-nicht-Wissen, sei es als prinzipiell Nichtwissbares.“73 Um eine Abgrenzung von Wissen und Nicht-Wissen nach dieser Vorstellung zu erreichen, müsste man sich nach WITTGENSTEIN dem Problem eigentlich von zwei Seiten nähern. Dies bedeutet, dass man eigentlich beide Seiten der Grenze kennen müsste; man müsste also wissen, was man nicht wissen kann.74 Wie also lassen sich die bisherigen epistemologischen und betriebswirtschaftlichen Sichtweisen in eine Definition überführen? Wie kann man Wissen von Nicht-Wissen unterscheiden? Bis heute hat sich aus den beschriebenen Ansätzen kein einheitliches Verständnis des Wissensbegriffs herausgebildet. RUSSEL ist sogar der Meinung, dass dies aufgrund der Ungenauigkeit von Konzepten wie Wissen, Wahrheit oder Glaube gar nicht möglich ist.75 Somit folgt dieser Vielfalt an möglichen Betrachtungsweisen eine mindestens ebensogroße Anzahl an verschiedenen Definitionsversuchen.76

Fazit: Für diese Arbeit ist eine Definition des Wissens erforderlich, welches betrachtet werden soll, und wie sich dieses von allen anderen Konstrukten (Nicht-Wissen) abgrenzt. Für die Wahl des geeigneten Wissensbegriffs sind weitere klärende Abgrenzungen erforderlich.

71

72

73 74

75 76

Ein Beispiel hierzu ist die Erforschung der lateinischen Grammatik, bei welcher wohl kaum noch viel neues Wissen zu erwarten ist. Ein Beispiel hierzu ist die Elementarteilchenphysik, bei welcher auf Basis existierender Theorien offensichtlich regelmäßig weitere neue Theorien entstehen, wobei die Größe der Elementarteilchen hierbei immer kleiner wird. Neuser (2000), S. 90. Vgl. Wittgenstein (1989); Glück (2002), S. 18 f. Zur Unterscheidung von Nicht-Wissen vgl. auch Japp (1999). Vgl. Russel (1948), S. 170. Für eine Auflistung verschiedener Definitionen vgl. Al-Laham (2003), S. 25 ff.; Bodrow/Bergmann (2003), S. 36 f.

16

Begriffsklärung und Grundlagen

Wissen vs. Information Nachdem bisher das Wissen näher beleuchtet wurde, soll hier nun die Abgrenzung zum Informationsbegriff getroffen werden. Aus der Informationstheorie abgeleitet haben REHÄUSER/KRCMAR hierzu ein Modell vorgeschlagen, welches eine Abgrenzung von Wissen zu Zeichen, Daten und Informationen vornimmt: Beziehung

Ebene

Beispiel

Wissen Marktmechanismen des Devisenmarktes

Vernetzung Information

Devisenkurs $1 = DM 1,70

Kontext Daten Syntax

1,70 Zeichen

Zeichenvorrat

Abbildung 2

„1“, „7“, „0“ und „,“

Beziehungen zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie nach REHÄUSER/KRCMAR77

Die unterste Ebene wird durch die Zeichen markiert, sie sind die kleinsten informationstheoretischen Elemente. Sie können beliebig aus einem definierten Zeichenvorrat entnommen werden und sind daher zusammenhanglos.78 Wenn diese Zeichen, einer sinnvollen (bekannten oder unbekannten) Syntax folgend, kombiniert werden, erhält man Daten. Diese beinhalten jedoch noch keine Aussage über den Verwendungszeck. Erst durch die Einbettung in einen Kontext kann aus den Daten eine Information werden, können also Kenntnisse über einen Sachverhalt vermittelt werden.79 Wissen ist schließlich die zweckorientierte Vernetzung von Informationen.80 Problematisch hierbei ist, dass die Begriffe Information und Wissen häufig wenig trennscharf oder sogar äquivalent verwendet werden. Daher stellen manche Auto-

77 78 79 80

Eigene Darstellung in Anlehnung an Rehäuser/Krcmar (1996), S. 6. Vgl. Rehäuser/Krcmar (1996), S. 3. Vgl. Albrecht (1993), S. 44. Vgl. Rehäuser/Krcmar (1996), S. 4 f.

17 ren die Frage, ob es denn überhaupt erforderlich ist, hier eine Unterscheidung vorzunehmen.81 ROMHARDT beispielsweise postuliert, dass die Ebenen nicht klar abgrenzbar sind, da der Mensch normalerweise nur durch iterative Schritte über einen längeren Zeitraum Lösungen finden kann. Aus seiner Sicht handelt es sich somit um ein Kontinuum zwischen Daten, Information und Wissen.82 NORTH ergänzt die Begriffshierarchie um die Begriffe Können, Handeln, Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit, um so mit Hilfe der „Wissenstreppe“ die Ansätze des operativen und des strategischen Wissensmanagements zu verknüpfen:

W hes isc g e at Str

iss

Können Wissen

Daten Zeichen

Abbildung 3

Informationen + Bedeutung

Wettbewerbsfähigkeit + EinzigKompetenz artigkeit + richtiges Handeln Handeln

ent em nag a m ens

ent em nag a sm se n W is d un ) ns- rativ atio (ope m r Info

+ Anwendungsbezug

+ Vernetzung

+ Syntax

+ Wollen

-, ten Da

Wissenstreppe nach NORTH83

Wissen kann demzufolge zu anwendungsspezifischem Können entwickelt werden, d. h. der Fähigkeit, das Wissen praktisch anzuwenden. Erst jedoch, wenn der Wille zur Umsetzung vorhanden ist, äußert sich dies in einem entsprechenden Handeln. Kompetenzen manifestieren sich durch die wiederholte Umsetzung des richtigen Handelns. Wenn diese (Kern)kompetenzen einzigartig sind, so können diese zur strategischen Wettbewerbsfähigkeit84 beitragen.85

Fazit: Die beiden Ansätze von REHÄUSER/KRCMAR und NORTH verdeutlichen, dass eine Definition des Wissensbegriffs in beide Richtungen – also in Abgrenzung sowohl zur Information als auch zu Können – erfolgen sollte. So kann einerseits nicht 81 82 83 84 85

Für eine Diskussion hierzu vgl. Stehr (2003), S. 42 ff. Vgl. Romhardt (1998), S. 40. Eigene Darstellung in Anlehnung an North (2005), S. 32. Zur Diskussion strategischer Wettbewerbsvorteile siehe Abschnitt 2.1.1.2. Vgl. North (2005), S. 31 ff.; Huang (2004), S. 13 f.

18

Begriffsklärung und Grundlagen

jede Information gleichzeitig Wissen darstellen, andererseits sollte der Begriff auch von der Könnerschaft unterschieden werden können. Explizites vs. implizites Wissen Häufig liegt Wissen in Form von Aussagen vor, welche z. B. schriftlich festgehalten werden können. Da sie somit explizit vorhanden sind, spricht man auch von explizitem Wissen. Es kann außerhalb der Köpfe von Personen niedergelegt werden (z. B. in Wort, Schrift oder elektronisch), und wird daher auch „disembodied knowledge“86 oder „objektiviertes Wissen“87 genannt. Nach POLANYI gibt es jedoch auch solches Wissen, welches nicht artikuliert werden kann und somit nur implizit vorhanden ist. Seine grundlegende Einsicht ist, dass „wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen“88. Als Beispiel führt er an, dass die Menschen ein bekanntes Gesicht aus Tausenden erkennen können, jedoch nicht in der Lage sind zu beschreiben, wie sie es erkannt haben.89 Hierbei beschränkt POLANYI sich nicht nur auf theoretische Kenntnisse, auch praktische Kenntnisse gehören zu diesem impliziten Wissen.90 Ein Beispiel ist das Fahrradfahren: der Radfahrer weiß, indem er Fahrrad fährt. Dies lässt sich daran überprüfen, ob er vom Fahrrad fällt oder eben nicht.91 Er könnte dieses Wissen jedoch nicht artikulieren, wenn er diese Fähigkeit einem Schüler beibringen müsste. Häufig werden auch andere Begriffe wie Kompetenzen92, praktische Intelligenz93, Erfahrung94 oder Könnerschaft95 in diesem Zusammenhang verwendet. Allen Konstrukten gemeinsam ist, dass damit „jenes Wissen bezeichnet wird, das handlungsnah ist, unbewusst vorliegt und nicht ohne weiteres verbalisierbar ist“96. Die folgende Tabelle fasst einige weitere Charakteristika der beiden Wissensformen zusammen:

86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96

Vgl. North (2005), S. 43. Vgl. Stehr (2003), S. 22. Polanyi (1985), S. 14. Vgl. Polanyi (1985), S. 14. Vgl. Polanyi (1985), S. 16. Vgl. Schilcher (2006), S. 117 ff. Vgl. Anderson (1998). Vgl. Gruber (2001). Vgl. Fischer (2001). Vgl. Schreyögg/Geiger (2002c), S. 20. Erlach/Thier (2004), S. 211.

19

Tabelle 2

Implizites Wissen

Explizites Wissen

Nicht kodifizierbar

Kodifizierbar

Subjektiv

Objektiv

Personengebunden

Personenungebunden

Kontextabhängig

Kontextunabhängig

Schwierig zu teilen

Einfach zu teilen

Charakteristika impliziten und expliziten Wissens97

NONAKA/TAKEUCHI haben ein in der Literatur häufig zitiertes Modell entwickelt, mit welchem sie versuchen, die Übergangsformen zwischen explizitem und implizitem Wissen zu beschreiben und zu erklären.98 Es handelt sich hierbei um eine Matrix, welche die möglichen Formen der Wissensumwandlung darstellt. Auf der Ordinate sind als Ausgangspunkt und auf der Abszisse als Endpunkt jeweils die beiden Ausprägungen „explizites Wissen“ und „implizites Wissen“ abgetragen, so dass sich vier Formen ergeben.

Abbildung 4

97 98 99

Implizites Wissen

Explizites Wissen

Implizites Wissen

Sozialisation

Externalisierung

Explizites Wissen

Ausgangspunkt

Endpunkt

Internalisierung

Kombination

Vier Formen der Wissensumwandlung99

Eigene Darstellung in Anlehnung an Hislop (2005), S. 19. Nonaka (1991); Nonaka/Takeuchi (1997); Nonaka/Konno (1998). Eigene Darstellung in Anlehnung an Nonaka/Takeuchi (1997), S. 75.

20

Begriffsklärung und Grundlagen

Bei der Sozialisation wird implizites Wissen von einem Menschen zum anderen übertragen. So kann ein Lehrling ganz ohne Sprache durch Beobachtung, Nachahmung und Übung die handwerklichen Fähigkeiten von seinem Meister erwerben. Die Externalisierung beschreibt, wie implizites Wissen artikuliert werden kann. Mit Hilfe von Metaphern und Analogien sollen schwer handhabbare Konstrukte in beschreibbare Bilder übersetzt werden. Durch die Übertragung dieses Wissens z. B. mit Hilfe von Dokumenten und die Kombination mit anderem expliziten Wissen kann neues Wissen entstehen. Die Internalisierung beschreibt, wie sich durch „learning by doing“ explizites Wissen in einer Unternehmung schließlich in ein implizites mentales Modell wandelt, das von vielen Mitarbeitern geteilt wird.100 Durch die wiederholte Umwandlung in den beschriebenen vier Schritten entsteht so eine Wissensspirale, welche z. B. zu innovativen Produkten führen kann.101 Obwohl sich NONAKA/TAKEUCHI unmittelbar auf POLANYI beziehen102, steht ihr Modell – und hier speziell die Externalisierung – in Widerspruch zu dessen Ansicht103, dass sich implizites Wissen eben nicht in explizites Wissen konvertieren lässt.104

Fazit: Im Folgenden soll der Auffassung gefolgt werden, dass explizites und implizites Wissen zwei distinkte Formen sind und insbesondere eine Überführung von implizitem Wissen (Könnerschaft) in explizites Wissen nicht möglich ist. Individuelles vs. kollektives Wissen Eine weitere häufige Unterscheidung ist die zwischen individuellem Wissen und kollektivem Wissen. Diese Unterscheidung führt zu der Frage, wo Wissen überall gespeichert werden kann, also wer oder was mögliche Wissensträger sind. In der Literatur existieren hierzu verschiedene Systematisierungsansätze, welche sich teilweise erheblich unterscheiden. Vertreter des sog. menschgebundenen Ansatzes postulieren, dass nur der Mensch Träger von Wissen sein kann.105 Wissen ist in dieser Sichtweise unmittelbar an Individuen gebunden: „Knowledge is what a

100 101 102 103 104

105

Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 74 ff. Vgl. Nonaka (1991), S. 97 ff.; Nonaka/Takeuchi (1997), S. 84 ff.; Nonaka/Konno (1998), S. 42 ff. Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 72. Vgl. Polanyi (1985), S. 14 ff. Zu Kritik zur Explizierung impliziten Wissens vgl. auch Cook/Brown (1999), S. 397; Schreyögg/Geiger (2003a), S. 15 ff.; Schreyögg/Geiger (2004b), S. 281 ff.; Amin/Cohendet (2004), S. 19 ff.; Hanik (2004), S. 141 ff.; Gourlay (2006), S. 1422 ff. Vgl. Luft (1989).

21 knower knows; there is no knowledge without someone knowing it. Knowledge therefore must be viewed as originating ‚between the ears’ of individuals“106. Demgegenüber vertreten andere Autoren die Ansicht, dass das Wissen nicht rein subjektgebunden ist. Wissen kann demnach auch auf synthetischen (materiellen) Wissensträgern107 oder in Gruppen oder Organisationen festgehalten werden.108 So besteht das Wissen einer Organisation nicht nur aus dem Wissen der einzelnen Mitarbeiter. Es gibt auch von diesen unabhängiges Wissen, welches in den „Standardverfahren […], Leitlinien, Kodifizierungen, Arbeitsprozess-Beschreibungen […], Routinen, Traditionen“109 gespeichert ist, wobei beides lose miteinander gekoppelt ist. Dieses Wissen wird im unternehmerischen Umfeld auch als organisationales Wissen bezeichnet.110 Auch dieses organisationale Wissen kann eine strategische Ressource in o. g. Sinne sein.111

Fazit: In dieser Arbeit wird der Ansicht gefolgt, dass Wissen nicht ausschließlich an Individuen gebunden ist, sondern auch in expliziter Form oder als organisationales Wissen vorliegen kann.

2.1.1.4

Erstes Zwischenergebnis

In den vorangegangenen Abschnitten wurden verschiedene epistemologische und betriebswirtschaftliche Aspekte des Wissensbegriffs beleuchtet sowie das Wissen von anderen Konstrukten abgegrenzt. Auf Basis dieser Vorüberlegungen soll nun der dieser Arbeit zugrunde liegende Wissensbegriff definiert werden. In der bisherigen Diskussion wurde formuliert, dass ein expliziter Wissensbegriff verwendet werden soll, der einerseits eine Abgrenzung zum impliziten Wissen (Könnerschaft) und andererseits zum Begriff der Information erlaubt. SCHREYÖGG/GEIGER bieten hierzu eine Definition des Wissensbegriffs an, welcher im Weiteren gefolgt werden soll. Nach diesem Verständnis soll von (wissenschaftlichem) Wissen dann 106 107

108 109 110

111

Fahey/Prusak (1998), S. 267. Zu den synthetischen Wissensträgern gehören druckbasierte, audio-visuelle und EDV-basierte Wissensträger sowie Produkte, in welchen verkörpertes Wissen repräsentiert wird. Vgl. Bode (1997), S. 458 f.; Amelingmeyer (2002), S. 57ff.; Schimmel (2002), S. 226 ff. Vgl. Argote (2003), S. 80 ff.; Probst et al. (2006), S. 311. Willke (2000), S. 17. Vgl. Oberschulte (1996), S. 51 ff. Pautzke unterscheidet hierbei mehrere Schichten des im Unternehmen vorhandenen Wissens anhand der Wahrscheinlichkeit der Verwendung dieses Wissens im Rahmen organisatorischer Entscheidungsprozesse. Vgl. Pautzke (1989). Für eine detailliertere Begründung vgl. Bollinger/Smith (2001).

22

Begriffsklärung und Grundlagen

gesprochen werden, wenn folgende drei wesentliche Charakteristika erfüllt sind, welche im Folgenden noch ausführlicher dargestellt werden: x

es handelt sich um Aussagen,

x

für welche eine Begründung vorliegt,

x

welche ein Prüfverfahren durchlaufen haben, das (wissenschaftlich) anerkannt ist.112

Zunächst muss es sich bei Wissen um Aussagen handeln, das Wissen muss somit kommunikativer Natur sein. Es genügt nicht, dass es lediglich explizierbar ist, es muss auch in expliziter Form vorliegen.113 Somit kann es sich nicht um implizites Wissen (Könnerschaft) handeln und grenzt sich von diesem ab.114 Der Aussagencharakter ist jedoch nicht ausreichend, schließlich kann nicht jede noch so unsinnige Aussage als Wissen qualifizieren. Daher muss eine Begründung vorhanden sein, anhand derer die Aussagen geprüft werden können.115 Während eine Information auch ohne Begründung valide sein kann, ist für das Wissen eine Darlegung von begründeten Aussagen erforderlich, so dass auch hier eine Abgrenzung vorliegt. Da auch Gründe gut oder schlecht sein können, müssen diese in einem Prüfverfahren validiert werden, dessen Kriterien in den jeweiligen Diskurs anerkannt sein müssen.116 Wissen unterscheidet sich insbesondere wegen des Erfordernisses einer Begründung, welche einem Prüfverfahren unterzogen wird, vom bloßen Glauben oder Meinen.117 Die genannten Anforderungen beziehen sich auf das wissenschaftliche Wissen, können jedoch auf das nicht-wissenschaftliche Wissen entsprechend übertragen werden.118 So müssen auch dort alle drei Charakteristika erfüllt werden, um dem definierten Wissensbegriff zu genügen. Der Hauptunterschied liegt hierbei in den

112

113 114

115 116 117

118

Vgl. Schreyögg/Geiger (2002a), S. 9; Schreyögg/Geiger (2002b), S. 7; Schreyögg/Geiger (2003b), S. 11; Schreyögg/Geiger (2005b), S. 322. Zu Kritik an diesem Ansatz vgl. Schneider (2007). Zu einer Systematisierung explizierbar/explizit vgl. Zack (1999), S. 47. Vgl. Schreyögg/Geiger (2004a), S. 50 f. Zur Abgrenzung expliziten/impliziten Wissens siehe Abschnitt 2.1.1.3. Vgl. Toulmin (1958), S. 11. Vgl. Lyotard (2005). Meinung umfasst „eine objektiv nicht begründbare individuelle und subjektive Überzeugung von Menschen“. Vgl. Welter (2005). Der Autor bezieht sich hierbei auf Müller-Merbach (1999), S. 87. Vgl. auch Müller-Merbach (2004), S. 290 ff. Vgl. Schreyögg/Geiger (2002b), S. 8.

23 Kriterien, die dem Prüfverfahren zugrunde liegen. Sie hängen von dem jeweiligen Umfeld ab und müssen innerhalb dessen anerkannt sein.119 So unterscheidet die Wissenschaft „wahr“ und „falsch“, Unternehmen könnten hingegen z. B. „erfolgreich“ und „nicht erfolgreich“ oder Juristen „rechtens“ und „nicht rechtens“ unterscheiden.120 Die Frage, welche Gründe als gute Gründe gelten, kann also nicht generell beantwortet werden.121 Somit konnte aus der Theorie eine Definition abgeleitet werden, welche qualifiziertes, also geprüftes Wissen beschreibt. Für diese Arbeit stellt sich in Bezug auf die Forschungsproblematik die Frage, wie die Unternehmen in der täglichen Praxis dieser Herausforderung begegnen; wie sie also die Frage für sich beantwortet haben, welche Aussagen denn „richtiges“ Wissen für die Unternehmung sind. Die hier diskutierte Definition kann hierzu einen Ausgangspunkt für die Analyse bilden. Nachdem somit der dieser Arbeit zugrunde liegende Wissensbegriff diskutiert und seine Relevanz für die folgende Untersuchung dargestellt wurde, soll nun die Qualität, der zweite zentrale Begriff dieser Arbeit, erläutert werden.

2.1.2

Definition Qualität

Zur Diskussion der Qualitätssicherung ist die Betrachtung des zugrunde liegenden Begriffs der Qualität erforderlich. Was ist Qualität? Auch diese Frage wird bereits seit Jahrtausenden diskutiert122 und ist Gegenstand verschiedener Wissenschaftsbereiche.123 Um sich dem Verständnis für diesen Begriff zu nähern, sollen aus diesen Bereichen drei Sichten näher beleuchtet werden. Zunächst ist die Produktsicht bedeutsam, weil viele vorherrschende Ansätze zur Qualität aus der Produktion entstammen. Außerdem ist aufgrund des Fokus dieser Arbeit auf explizites (also schriftliches) Wissen eine Nähe zur Publizistik gegeben. Ergänzend soll die Qualität aus Sicht der wissenschaftlichen Forschung vorgestellt werden. Dort dient das Peer Review Verfahren seit über 200 Jahren der Qualitätssicherung wissenschaftlicher Publikationen.124

119 120 121 122 123 124

Vgl. Lyotard (2005); Koch (1999), S. 100. Vgl. Schreyögg/Geiger (2002b), S. 8. Vgl. Schreyögg/Geiger (2003b), S. 13. Vgl. Pfundtner (2001), S. 294. Für einen Überblick zum Thema Qualitätswissenschaft vgl. Zollondz (2002), S. 19 ff. Vgl. Kronick (1990), S. 1321.

24

Begriffsklärung und Grundlagen

2.1.2.1

Qualität aus Produktsicht

Das deutsche Wort Qualität leitet sich von lat. Qualis = Beschaffenheit bzw. Qualitas = Verhältnis zu den Dingen ab. Hieran wird bereits deutlich, dass der Begriff eine Ambivalenz in sich trägt, welche mit folgender Grafik verdeutlicht werden soll: Qualität

Beschaffenheit

Güte

Nicht wertend

Wertend

Messend Qualitätsforderungen Qualitätsmerkmale Ausprägungen

Abbildung 5

Zweckgebunden „Fitness for use“ „Grade“

Qualität als Beschaffenheit oder Güte125

In der Beschaffenheit kommen einerseits Eigenschaften wie z. B. „weich“, „groß“ oder „blau“ zum Ausdruck. Die Qualitätsmerkmale können entsprechend der festgelegten Qualitätsforderungen gemessen werden; in ihnen kommt keine Wertung zum Ausdruck. Wenn man andererseits von der Güte spricht, wird hingegen eine Wertung ausgedrückt, bezogen auf einen auf einen zu erfüllenden Zweck. Es handelt sich also um ein subjektives Charakteristikum.126 Diese grundlegende Einteilung in einen wertenden und einen nicht wertenden Teil findet sich in vielen Ansätzen zur Qualität.127 Eine einflussreiche Unterscheidung geht auf GARVIN zurück, der den Begriff in fünf Teilqualitäten unterscheidet, welche im Folgenden näher vorgestellt werden sollen.128 Insbesondere die produkt-, hersteller- und kundenorientierte Sichtweisen sind heutzutage Standardorientierungen im Qualitätsmanagement.129

125 126 127

128 129

Eigene Darstellung in Anlehnung an Zollondz (2002), S. 143. Vgl. Zollondz (2002), S. 143 ff.; Bruhn (2006), S. 33 ff. Zu einer umfassenden Übersicht der verschiedenen Bedeutungen von Qualität vgl. Juran (1962), S. 2. Vgl. Garvin (1984); Küpers (2001), S. 589 ff.; Klee (2002), S. 28 ff. Vgl. Walder/Patzak (1997), S. 3; Zollondz (2002), S. 146.

25 Transzendenter Ansatz Der transzendente Ansatz postuliert, dass Qualität nicht allgemein gültig definiert werden kann, jedoch aufgrund von Erfahrungen universell erkennbar ist: „even though quality cannot be defined, you know what it is“130. Man spricht daher auch vom absoluten Qualitätsbegriff.131 Hersteller-orientierter Ansatz Beim Hersteller-orientierten Ansatz handelt es sich um eine Sicht des Produzenten, die durch vorgegebene interne Qualitätsstandards bestimmt ist.132 Nach DONABEDIAN sind hier insbesondere drei Dimensionen zu untersuchen: die Strukturqualität (die zur Produktion erforderlichen Voraussetzungen der Institution und Mitarbeiter), die Prozessqualität (die Aktivitäten während der tatsächlichen Erstellung) und die Ergebnisqualität (die Änderungen, die auf den Produktionsprozess zurückzuführen sind).133 Produkt-orientierter Ansatz Mit zunehmender Normierung in der Industrie hat sich auch die Qualitätssicht in diese Richtung entwickelt, und unter Qualität wird die Einhaltung (messbarer) Normen verstanden: „Quality [means] conformance to requirements“134 Der Hauptunterschied zum Hersteller-orientierten Ansatz besteht also darin, dass die Normen, die an das Produkt angelegt werden, hier extern vorgegeben werden und somit Produkte verschiedener Hersteller nach den selben Maßstäben beurteilt werden. In Deutschland folgt die Normierung der Qualität der DIN EN ISO 9000:2000-12: Qualität ist der „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“135. Hierbei wird jedoch nicht festgelegt, welche Merkmale dies sind und wessen Anforderungen erfüllt werden müssen.

130 131 132 133 134 135

Pirsig (1974), S. 185 und S. 213. Vgl. Zollondz (2002), S. 145. Zur Messung der Produktqualität vgl. Schopphoven (1996), S. 82 ff. Vgl. Donabedian (1980). Crosby (1996), S. 15. DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (2001), S. 135 f. Hervorhebungen wie im Original.

26

Begriffsklärung und Grundlagen

Kunden-orientierter Ansatz Seit etwa 1970 wurde die Perspektive des Kunden in den Vordergrund gerückt. Sie besagt, dass erst dann Qualität vorliegt, wenn die durch den Kunden definierten Anforderungen erfüllt sind. Spätere Autoren gehen weiter und sprechen vom Kundennutzen. Dieser Ansatz ist insbesondere in der Marketingliteratur verbreitet: „Quality is the degree to which a specific product satisfies the wants of a specific consumer“136. Wert-orientierter Ansatz Der Wert-orientierte Ansatz betrachtet eine Kosten-Leistungs-Relation. Qualität ist hiernach eine relative Größe, die einerseits abhängig ist von der (vom Kunden) wahrgenommenen Qualität, und andererseits den Kosten, welche monetär (Preis) oder nicht-monetär (zeitlicher oder physischer Aufwand) sein können.137

Fazit: In diesem Abschnitt wurden fünf verschiedene Ansätze aufgezeigt, welche geeignet sind, die Qualität eines Produkts zu beschreiben. Hierbei wurde deutlich, dass Qualität nicht nur aus Sicht des Produzenten, sondern auch aus Sicht des Konsumenten vorliegen muss. Übertragen auf das Wissensmanagement könnte es ebenfalls bedeutsam sein, dass nicht nur bei der Erzeugung von Wissen auf die Qualität geachtet werden sollte, sondern dass zur Bewertung der Qualität auch die Sicht der (potenziellen) Nutzer zu berücksichtigen ist. Für diese Arbeit kann also festgehalten werden, dass Qualität das Erfüllen von Anforderungen sowohl aus Erzeugersicht als auch aus Nutzersicht bedeuten kann.

2.1.2.2

Qualität aus publizistischer Sicht

Da diese Arbeit einen Fokus auf explizitem und somit schriftlichem Wissen hat138, ist eine gewisse Nähe zur Publizistik offensichtlich. Daher sollen in diesem Abschnitt Qualität und Qualitätsmerkmale aus publizistischer Sicht vorgestellt und diskutiert werden.

136 137 138

Gilmore (1974), S. 16. Vgl. Zollondz (2002), S. 146. Siehe Abschnitt 2.1.1.

27 Die Frage, welche Qualitätsmaßstäbe und -kriterien im publizistischen Bereich angelegt werden, ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, so z. B. dem Genre (Nachricht, Reportage, Kommentar), der Zielgruppe (Alter, Bildung, Interessen) oder der Funktion (Information, Unterhaltung).139 Im Folgenden soll eine Auswahl an Qualitätskriterien vorgestellt werden, die regelmäßig in der Literatur zur Bewertung publizistischer Qualität genannt werden: Objektivität, Richtigkeit, Vielfalt, Transparenz und Aktualität.140 Es handelt sich dabei um produktbezogene Kriterien, sie können also zur Beurteilung eines individuellen publizistischen Beitrags herangezogen werden.141 Unter Objektivität und (damit eng zusammenhängend) Richtigkeit wird die Übereinstimmung der Aussagen mit der Wirklichkeit verstanden.142 Die Diskussion hierüber lässt sich etwa mit der Diskussion über Wahrheit vergleichen, und inwiefern dies überhaupt möglich ist.143 Daher schlägt SCHÖNHAGEN vor, der Objektivität die Maxime der Unparteilichkeit zugrunde zu legen. Diese umfasst unter anderem das Prinzip des „audiatur et altera pars“144, die Trennung des Kommentars von der Nachricht und die Offenlegung der Quellen.145 Die Richtigkeit ist ein Subkriterium von Objektivität. Schließlich kann eine Aussage zwar inhaltlich richtig sein, jedoch trotzdem das Kriterium der Objektivität nicht erfüllen; dann nämlich, wenn weitere relevante Aspekte eines Umstandes nicht betrachtet werden.146 Unter Vielfalt sind mehrere mögliche Dimensionen zu betrachten. Hierzu gehören Interessenvielfalt (verschiedene Akteure), Themenvielfalt (verschiedene Lebensbereiche) und auch Quellenvielfalt. Unter Transparenz wird insbesondere Quellentransparenz verstanden. Sie soll dem Publikum (Leser) ermöglichen, auf die Zuverlässigkeit des Inhalts zu schließen. Der Begriff der Aktualität schließlich umfasst zwei verschiedene Dimensionen: einerseits wird hier die zeitliche Aktualität (Neuigkeit) betrachtet, andererseits die „ProblemAktualität“, also ob das Thema überhaupt wichtig ist.147 Problematisch bei diesen Dimensionen ist die Messbarkeit, für die es vier verschiedene Ansätze gibt. Obwohl es wissenschaftliche Versuche zur Operationalisierung der o. g. Kriterien gibt, gilt die direkte Messung weiterhin als problematisch. Nur bei

139 140

141 142 143 144 145 146 147

Exemplarische Aufzählung. Für weitere Faktoren vgl. Ruß-Mohl (1992), S. 85; Wyss (2002), S. 97. Für weitere publizistische Qualitätskriterien vgl. Ruß-Mohl (1992); Wyss (2002), S. 117 ff. und S. 253 ff.; Held/Ruß-Mohl (2005), S. 55. Vgl. Wyss (2002), S. 117. Vgl. Popper (1984), S. 47. Siehe Abschnitt 2.1.1.1. Lat. “man höre auch die andere Seite”. Vgl. Schönhagen (1998), S. 291. Vgl. Wyss (2002), S. 123. Vgl. Wyss (2002), S: 98 ff. und S. 123 ff.

28

Begriffsklärung und Grundlagen

wenigen Kriterien, z. B. der zeitlichen Aktualität, ist eine entsprechende Bewertung problemlos möglich. Daher werden insbesondere indirekte Ansätze zur Qualitätsbewertung herangezogen: durch Messung der Publikumsgunst, durch ExpertenUrteile oder durch Bestimmung indirekter Indikatoren.148 Die Betrachtung der Publikumsgunst impliziert, dass Qualität das ist, was die Kunden dafür halten. Sie wird häufig anhand messbarer Indikatoren (z. B. verkaufte Auflagen oder Einschaltquoten) festgestellt. Eine präzisere und direktere Erfassung ist außerdem durch Instrumente der Marktforschung (z. B. Umfragen) möglich. Qualität aufgrund von Experten-Urteilen ist entsprechend, was anerkannte Experten als Qualität definieren. So vergeben fachkompetente Jury-Mitglieder z. B. Journalistenpreise. Ein bekanntes Beispiel ist der Pulitzer-Preis, welcher jährlich in verschiedenen Kategorien für herausragende journalistische Leistungen vergeben wird, wobei die Preisträger durch eine Jury aus Journalisten und Verlegern ausgewählt werden.149 Die Qualitätsbewertung anhand indirekter Indikatoren folgt der Prämisse, dass sich Qualität einstellt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So könnten z. B. bei einer Tageszeitung die Ausbildung der Redakteure oder die Anzahl der abonnierten Nachrichtenagenturen Hinweise auf die Qualität der journalistischen Produkte geben.

Fazit: Im publizistischen Bereich ist die direkte Messung der Qualität problematisch, weshalb sich indirekte Bewertungsverfahren etabliert haben. Die drei vorgestellten indirekten Methoden erscheinen auch im Bereich des Wissensmanagements denkbar. So könnte die Qualität z. B. durch die „Kunden“, also die Nutzer des Wissens festgestellt werden. Auch die Qualitätsbewertung durch Experten erscheint sinnvoll zu sein: diese könnten aufgrund ihrer Expertise die Qualität der Inhalte überprüfen und bewerten. Schließlich könnten auch indirekte Indikatoren Hinweise auf die Qualität geben. Man könnte sich z. B. vorstellen, dass bei einer besseren Ausbildung der Autoren eine höhere Wissensqualität vorliegt.

2.1.2.3

Qualität aus Sicht der wissenschaftlichen Forschung

Der dritte Bereich, aus welchem ein Qualitätsansatz betrachtet werden soll, ist die wissenschaftliche Forschung. Hier dient das Peer Review Verfahren vor allem der

148 149

Vgl. hier und im Folgenden Held/Ruß-Mohl (2005), S. 56 ff. Vgl. z. B. Fischer/Fischer (2007).

29 Qualitätssicherung wissenschaftlicher Publikationen.150 Ein allgemeiner Rahmen wurde durch die „American Psychological Association” vorgestellt151, und findet bei vielen akademischen Zeitschriften in ähnlicher Form Anwendung.152 Hierbei schicken die Autoren ihre Artikel zunächst an den Herausgeber, der diese vor der Veröffentlichung einem oder mehreren „Peers“153 – also Wissenschaftlern in einem ähnlichen Forschungsgebiet – vorgelegt, welche den Beitrag begutachten. Die Entscheidung des Herausgebers zur Veröffentlichung hängt dann vom Ergebnis der Begutachtung ab.154 Das Peer Review Verfahren dient hierbei verschiedenen Zielen. So wird versucht, durch diese Vorgehensweise Fehler zu entdecken und eine Qualitätssicherung durchzuführen, bevor die eingereichten Artikel publiziert werden. Außerdem wird ein standardisiertes Vorgehen erreicht, welches den Zugang zur Forschergemeinde regelt und die Verantwortung für die Ergebnisse auf mehrere ihrer Mitglieder verteilt. Die durch ein solches Peer Review Verfahren überprüften und hiernach publizierten Forschungsergebnisse gelten damit als wissenschaftlich überprüft.155 Unterschiedliche Ausprägungen des Verfahrens zeigen sich in der Anzahl der Gutachter oder ob die Namen der Gutachter bzw. Autoren bekannt ist („blind review“ bzw. „double blind review“). Studien haben gezeigt, dass bei der Variante, bei welcher dem Gutachter der Autor nicht bekannt ist, die Qualität der Gutachten höher ist.156 Außerdem steigt die Zuverlässigkeit der Ergebnisse bei mehreren Gutachtern.157 Durch dieses Vorgehen wird somit die Qualität der veröffentlichten Beiträge zusätzlich erhöht.158

Fazit: Es konnte verdeutlicht werden, dass im Bereich der wissenschaftlichen Forschung das Peer Review Verfahren eine geeignete Methode ist, um die Qualität der Publikationen sicherzustellen. Übertragen auf das Wissensmanagement ist also die Frage zu stellen, ob eine ähnliche Form der Qualitätssicherung, also die Überprüfung von Wissen durch Experten, in der unternehmerischen Praxis geeignet ist.

150

151 152 153 154 155 156 157 158

Vgl. Marsh/Ball (1989), S. 151 f.; Burnham (1990); Fuller (2002), S. 232 ff.; Fröhlich (2002); Fischer (2004). Vgl. American Psychological Association (1983). Vgl. Marsh/Ball (1989), S. 152. Engl. Gleichrangiger, Gleichgestellter. Vgl. Armstrong (1997), S. 65. Vgl. Fuller (2002), S. 233. Vgl. McNutt et al. (1990); Beinhauer (2004), S. 134. Vgl. Marsh/Ball (1989). Vgl. Armstrong (1997), S. 67 f.

30

Begriffsklärung und Grundlagen

2.1.2.4

Zweites Zwischenergebnis

Im Abschnitt 2.1.2 wurde der Qualitätsbegriff zunächst aus Produktsicht beleuchtet. Hierbei wurde verdeutlicht, dass das Konstrukt der Qualität einerseits aus verschiedenen Aspekten bei der Erstellung besteht (Hersteller-orientierte Sicht), andererseits jedoch auch der subjektive Blickwinkel des Empfängers relevant ist (Kundenorientierte Sicht). Diese Überlegungen lassen sich möglicherweise auch auf das Wissensmanagement übertragen. Dies könnte bedeuten, dass schon im Wissenserstellungsprozess definierte Qualitätsmechanismen berücksichtig werden sollten, z. B. dass der Prozess eindeutig geregelt ist (wer erstellt wann welches Wissen) oder dass gewisse Normen eingehalten werden (welche Formate werden akzeptiert).159 Wichtig erscheint jedoch auch die Sicht des Nutzers zu sein. Auch wenn das generierte Wissen im Erstellungsprozess hohen Qualitätsstandards folgt, ist damit noch keineswegs gesagt, dass dieses auch durch die Nutzer sinnvoll eingesetzt werden kann. Erst wenn die Nutzer das Wissen im Rahmen ihrer Arbeit tatsächlich verwenden können, liegt auch aus ihrer Sicht Qualität vor. Außerdem wurde in diesem Abschnitt der Begriff der Qualität aus Sicht der Publizistik diskutiert. Hierbei konnte festgestellt werden, dass es in diesem Bereich verschiedene Kriterien gibt, anhand derer Qualität gemessen werden kann; die direkte Messung ist jedoch sehr schwierig. Als Alternative wurden indirekte Messverfahren vorgestellt. Die Bestimmung von Qualität durch Experten oder die Nutzer oder anhand indirekter Indikatoren erscheint auch im Wissensmanagement denkbar. Schließlich wurde die Bedeutung des Peer Review Verfahrens für die wissenschaftliche Forschung verdeutlicht. Hier begutachten Experten neu eingereichte Artikel, bevor diese publiziert werden. Übertragen auf das Wissensmanagement stellt sich die Frage, ob und wie in der unternehmerischen Praxis eine solche Überprüfung durch „Peers“ bzw. Experten zur Sicherstellung der Qualität vorgenommen wird.160 Auf Grundlage dieser Ausführungen soll nun im folgenden Abschnitt der dritte Kernbegriff dieser Arbeit, das Wissensmanagement selbst, diskutiert werden.

159

160

Der Aspekt der Normen ist jedoch eher technischer bzw. formaler Natur und weniger inhaltlicher Natur, und soll daher im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter betrachtet werden. Siehe Abschnitt 2.1.1. Zu einer Diskussion der Übertragbarkeit der in der Medizin durchgeführten Reviews auf den Bereich des Managements vgl. Tranfield et al. (2003).

31 2.1.3

Definition Wissensmanagement

Das Wissensmanagement hat sich aus Denkansätzen des Informationsmanagements und der Lernenden Organisation entwickelt161, beinhaltet jedoch vermehrt auch Aspekte der Psychologie und der Soziologie162 und wird daher auch als interdisziplinäres Forschungsgebiet angesehen.163 Ebenso wie für die anderen beiden Kernbegriffe dieser Arbeit existiert für das Wissensmanagement keine einheitliche Definition. So zeigen z. B. AL-LAHAM164 und BODROW/BERGMANN165 eine Vielzahl von Definitionsansätzen in der Literatur auf, welche sich in Begriffswahl, Aufgaben und Zielen erheblich unterscheiden.166 Der Fokus der folgenden Betrachtungen liegt auf den holistischen Ansätzen, welche das Wissensmanagement als ganzheitliches Konstrukt betrachten; zusätzlich existieren Partialansätze, welche Lösungsansätze für Einzelaspekte des Wissensmanagements diskutieren.167 Holistische Ansätze umfassen die drei Dimensionen Technologie, Mensch und Organisation.168 Der Aspekt der Technologie beleuchtet insbesondere die Implementierung von Informationstechnologie, um Wissen im Unternehmen schnell zu verteilen und zur Verfügung zu stellen.169 Die Generierung und Evaluierung neuen Wissens kann jedoch nur durch Menschen erfolgen.170 Im Mittelpunkt dieses Aspekts steht somit die Entwicklung des Wissens durch und mit den Menschen. Schließlich muss durch die Organisation ein geeigneter Rahmen geschaffen werden, in welchem Menschen unter Nutzung von Technologie einen Raum zur Entwicklung des Wissens finden.

2.1.3.1

Wissensmanagement-Strategien

Innerhalb der genannten Ansätze lassen sich zwei grundsätzliche Wissensmanagement-Strategien identifizieren: die Personalisierung und die Kodifizierung. Bei der

161 162 163 164 165 166 167

168 169 170

Vgl. Schreyögg/Geiger (2003a), S. 3 f. Zur Lernenden Organisation vgl. auch Prange (1996). Vgl. Romhardt (1998), S. 10 f.; Staiger (2004), S. 262 ff. Vgl. Lehner (2006), S. 107 f. Vgl. Al-Laham (2003), S. 45 ff. Weitere Ansätze sind z. B. bei Zaunmüller (2005), S. 14 aufgeführt. Vgl. Bodrow/Bergmann (2003), S. 41 ff. Vgl. Al-Laham (2003), S. 46 ff. Hierzu gehören z. B. Strategie, Organisation oder Controlling. Vgl. Al-Laham (2003), S. 92 ff. Ein Versuch zur Systematisierung findet sich z. B. in Eschenbach/Geyer (2004), S. 157 f. Zur Kritik an den ganzheitlichen Ansätzen vgl. Trojan (2006), S. 72 ff. Vgl. Schneider (1996), S. 36; Bullinger et al. (1997), S. 9 f. Vgl. Schmiedel-Blumenthal (2001), S. 92. Vgl. Willke (2000), S. 20 f.

32

Begriffsklärung und Grundlagen

Kodifizierung werden Wissensobjekte, d. h. einzelne Wissenselemente, in schriftlicher Form festgehalten und elektronisch in ein Wissensmanagement-System eingestellt, so dass sie allen Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Bei der Personalisierung hingegen liegt der Schwerpunkt auf der direkten Wissensübertragung und dem direkten Austausch zwischen den Mitarbeitern.171 Die Wahl der jeweiligen Wissensmanagement-Strategie hängt von der Wettbewerbsstrategie ab und hat auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Informationstechnik: Kodifizierung

Personalisierung

Wettbewerbsstrategie

Verlässliche und schnelle Implementierung durch Wiederverwendung kodifizierten Wissens

Kreative Lösungen bei schwierigen strategischen Problemen durch Austausch individueller Expertise

Geschäftskonzept

Ökonomie der Wissensverwendung: Einmalige Investition in ein Wissenskapital, das viele Male wieder verwendet wird

Ökonomie der individuellen Expertise: Höchst spezifische Lösungen einzigartiger Probleme

Strategie beim Wissensmanagement

Dokumentenbasierter Wissensaustausch: Entwicklung eines elektronischen Dokumentensystems, mit dem Wissen kodifiziert, gespeichert und wieder verwendet werden kann

Interpersoneller Wissensaustausch: Entwicklung von PersonenNetzwerken, so dass individuelles, implizites Wissen unter den Beteiligten ausgetauscht werden kann

Informationstechnik

Erhebliche Investitionen in die Informationstechnik mit dem Ziel, Zugriff auf wieder verwendbares, kodifiziertes Wissen zu ermöglichen

Maßvolle Investitionen in die Informationstechnik mit dem Ziel, direkte Gespräche und den Austausch vom implizitem Wissen zu erleichtern

Tabelle 3

Kodifizierungs- vs. Personalisierungsstrategie172

Die beiden Ansätze ergänzen sich gegenseitig, jedoch sollte einer Strategie der Vorzug gegeben werden und der jeweils anderen Strategie nur eine Unterstützungsrolle zugebilligt werden.173 Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf explizitem, d. h. kodifiziertem Wissen, daher soll insbesondere auf diese Wissensmanagement-Strategie eingegangen werden.

171 172

173

Vgl. Hansen et al. (1999), S. 85; Schneider (2001), S. 88 ff.; Howaldt et al. (2004), S. 212 ff. Eigene Darstellung in Anlehnung an Hansen et al. (1999), S. 87. Der Fokus liegt bei Dienstleistungsunternehmen, kann jedoch auf andere Branchen ausgedehnt werden. Für eine Gegenüberstellung der Charakteristika Fokus, Aktivitäten, Werkzeuge, Probleme und Eignung vgl. Schneider (2001), S. 89. Hansen et al. schlagen eine Relation von etwa 80 zu 20 vor. Vgl. Hansen et al. (1999), S. 88 und S. 92.

33 2.1.3.2

Aufgaben des Wissensmanagements

Insbesondere im deutschsprachigen Raum sind die Bausteine des Wissensmanagements nach PROBST ET AL. ein anerkannter Ansatz, um Wissensprobleme in der Organisation besser beschreiben und verstehen zu können.174 Anhand dieser sollen die Aufgaben des Wissensmanagements vorgestellt werden. Dabei beschreiben die Bausteine Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung die Kernprozesse des Wissensmanagements.175 Sie werden ergänzt durch die Bausteine Wissensziele und Wissensbewertung, welche den koordinierenden Rahmen bilden: Wissensziele

Feedback

Wissensidentifikation

Wissensbewertung

Wissensbewahrung

Wissenserwerb

Wissensnutzung

Wissensentwicklung

Abbildung 6

Wissens(ver)teilung

Bausteine des Wissensmanagements176

Im Folgenden sollen die einzelnen Wissensbausteine genauer vorgestellt werden. Wissensziele Grundsätzlich werden mit dem Wissensmanagement bestimmte Ziele verfolgt, von welchen die weiteren Maßnahmen und Aufgaben abhängen. Es lassen sich drei Ebenen von Wissensmanagementzielen unterscheiden. Normative Ziele bilden den unternehmenspolitischen und -kulturellen Rahmen des Managements und schaffen damit die Grundlage für die generelle Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Wissen.177 Die strategischen Ziele dienen der langfristigen Orientierung. Schwerpunkt

174 175

176 177

Vgl. Heisig (2003), S. 21. Falls nicht anders angegeben, beziehen sich die folgenden Aussagen auf Probst/Romhardt (1997) und Probst et al. (2006). Eigene Darstellung in Anlehnung an Probst et al. (2006), S. 32. Vgl. Probst et al. (2006), S. 41.

34

Begriffsklärung und Grundlagen

ist dabei die Identifizierung und Sicherung von Kernkompetenzen.178 Sie werden auf operative Ziele heruntergebrochen und mit anderen funktionalen Zielen verknüpft, und dienen der konkreten Umsetzung der strategischen Vorgabe.179 NORTH formuliert dies etwas konkreter. Aus seiner Sicht ist das strategische Ziel eines Wissensmanagements, Wissen in Wettbewerbsvorteile umzusetzen.180 Hieraus leitet er mehrere operative Ziele ab. Insbesondere ist sicherzustellen, dass x

das für die Geschäftsentwicklung und Geschäftsprozesse benötigte Wissen zur Verfügung steht,

x

das Wissen an der am besten geeigneten Stelle (innerhalb oder außerhalb des Unternehmens) entwickelt wird,

x

das Wissen optimal nutzbar gemacht wird und auch genutzt wird, und

x

die Organisation hierauf ausgerichtet ist.

Wissensidentifikation Die Wissensidentifikation dient der Analyse, welches Wissen intern in dem jeweiligen Unternehmen vorhanden ist. Ohne diese Transparenz können Ineffizienzen auftreten, wie beispielsweise Doppelarbeit oder aufwändige Suchanfragen. Aufgabe hier ist es also, das Wissen zu lokalisieren, um den Mitarbeitern zu ermöglichen, bereits vorhandenes Wissen schnell aufzufinden – entweder direkt in Form eines konkreten Wissenselements (z. B. eine Datei, welche die gesuchte Vorgehensweise beschreibt), oder indirekt durch einen Verweis auf eine Person, welche über das gesuchte Wissen verfügt. Methodisch kann dies z. B. durch Expertenverzeichnisse oder Wissenslandkarten erfolgen.181 Da die vorliegende Arbeit insbesondere explizites, also schriftliches Wissen behandelt, fokussiert sich die weitere Betrachtung auf die genannten Wissenselemente, also üblicherweise Dateien, welche schriftlich festgehaltenes Wissen repräsentieren. Zwar sind auch andere Formen der Wissensrepräsentation möglich182, die elektronische Speicherung bietet jedoch mehrere Vorteile wie z. B. einen dezentralen Zugriff oder die einfachere Aktualisierung der Inhalte.

178 179 180 181 182

Vgl. Amelingmeyer (2002), S. 34. Vgl. Wissel (2001), S. 136. Vgl. hier und im Folgenden North (2005), S. 170 f. Vgl. Probst et al. (2006), S. 67 ff. Siehe Abschnitt 2.1.1.3.

35 Zusätzlich ist die externe Identifikation ein Teil des Bausteins „Wissensidentifikation“. Hier werden insbesondere das Unternehmensumfeld betrachtet und Diskrepanzen zum eigenen Wissensstand aufgedeckt. Aus den Ergebnissen können dann Ableitungen für den künftigen Wissensbedarf gezogen werden. Wissenserwerb Dieser Baustein untersucht die Wissensbeschaffung. Wissen wird hier aus Effizienzund Effektivitätsgründen von externen Quellen akquiriert. Hierbei können mehrere Beschaffungsformen unterschieden werden. Zunächst kann das Wissen anderer Firmen, z. B. durch Akquisition, übernommen werden. Auch sind Stakeholder183 ein günstiger Weg, um an neues Wissen zu gelangen. Beispiele sind hier die Einbindung von Schlüsselkunden in den Produktentwicklungsprozess oder Pilotprojekte im Rahmen von Kooperationen. Durch Rekrutierung externer Wissensträger kann schnell Spezialistenwissen verfügbar gemacht werden. Schließlich können Wissensprodukte, wie z. B. Software oder Patente extern erworben werden.184 Wissensentwicklung Der zum Wissenserwerb komplementäre Baustein ist die Wissensentwicklung. Hierbei geht es um die interne Entwicklung neuen Wissens mit dem Ziel der „Produktion neuer Fähigkeiten, neuer Produkte, besserer Ideen und leistungsfähigerer Prozesse“185. Wissensentwicklung hat somit auch einen Schwerpunkt auf Kreativität. Typische Beispiele sind Forschung, Innovation und Marktforschung. Wissens(ver)teilung Um das vorhandene Wissen für die Organisation nutzbar zu machen, ist die Verteilung des Wissensbestandes erforderlich. Allerdings muss aufgrund der Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht jeder alles wissen; daher ist es erforderlich, zu definieren, in welcher Form und in welchem Umfang welche Art von Wissen für welchen Personenkreis erforderlich ist. Zu viel nicht erforderliches Wissen kann zu Informationsüberlastung auf Seiten der Empfänger führen und somit kontraproduktiv wirken.186 183

184 185 186

Stakeholder sind solche Personen(gruppen) im Umfeld einer Organisation, welche besondere Ansprüche oder Tätigkeiten gegenüber dem Unternehmen ausüben, z. B. Kunden, Lieferanten, etc. Vgl. Bleicher (1995), S. 105 und S. 139. Vgl. Huber (1991), S. 97 ff.; Probst/Romhardt (1997), S. 136 f.; Schreyögg/Noss (1997), S. 71. Probst et al. (2006), S. 29. Vgl. Howaldt et al. (2004), S. 216 f.

36

Begriffsklärung und Grundlagen

Wissensnutzung Der produktive Einsatz des vorhandenen Wissens ist Ziel des Wissensmanagements. Mit der bloßen Bereitstellung des vorhandenen Wissens ist die Nutzung jedoch noch nicht sichergestellt. Daher ist es erforderlich, dass Mitarbeiter angehalten oder motiviert werden, die in der Wissensbasis vorhandenen Wissensobjekte auch tatsächlich zu nutzen. Das „not invented here“-Syndrom187 und die damit verbundene Mehr- bzw. Doppelarbeit können hierdurch deutlich verringert werden. Da Qualität auch aus Nutzersicht beurteilt wird188, ist dieser Baustein für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung. So ist im Fortgang der Untersuchung die Frage zu beantworten, wie die Mitarbeiter die Qualität des vorhandenen Wissens bewerten, und ob sie dieses dann auch tatsächlich nutzen. Wissensbewahrung Die Wissensbewahrung dient dem Schutz des Wissens vor Verlust, z. B. durch Versetzung oder Kündigung von Mitarbeitern. Der Prozess der Wissensbewahrung besteht aus drei Schritten, die bewusst gestaltet werden müssen: der Selektion (Selegieren), dem Speichern und dem Aktualisieren von Wissen. Selegieren

Abbildung 7

Speichern

Aktualisieren

Die Hauptprozesse der Wissensbewahrung189

Die Selektion (Selegieren) dient der Auswahl des bewahrungswürdigen Wissens. Die identifizierten Wissenselemente müssen dann gespeichert werden und stehen somit der Organisation längerfristig zur Verfügung. Um Fehlentscheidungen aufgrund von veraltetem Wissen zu verhindern, ist außerdem eine regelmäßige Aktualisierung des Wissens erforderlich. Auch dieser Baustein ist für die weitere Betrachtung aus zwei Gründen relevant. So wird zum einen hier die Frage gestellt, welches Wissen für das Unternehmen von so hoher Bedeutung ist, dass es bewahrt werden sollte. Wie jedoch unterscheidet das

187

188 189

Engl. „nicht hier erfunden“. Es beschreibt eine Organisationskultur, in welcher die Nutzung bereits existierendes Wissen vermieden wird, wenn es nicht in der eigenen Abteilung erzeugt wurde. Zu diesem und weiteren Praktikerproblemen vgl. Romhardt (1998), S. 50. Siehe Abschnitt 2.1.2.1. Eigene Darstellung in Anlehnung an Probst et al. (2006), S. 193.

37 Unternehmen dieses Wissen von weniger wichtigem Wissen? Zum anderen wird auch die damit auftretende Problematik deutlich, dass Wissen auch wieder durch neues Wissen überholt werden kann190 und deswegen aktualisiert werden muss. Wie also wird erkannt, dass das Wissen veraltet ist, und wie erfolgt die Aktualisierung? Wissensbewertung Durch die Wissensbewertung schließlich erfolgt die Messung der definierten normativen, strategischen und operativen Ziele. Dieser Controlling-Prozess stellt eine besondere Herausforderung dar, da bisher noch keine allgemein akzeptierten Messmethoden entwickelt wurden, welche den Wissensbestand anhand von Kenngrößen objektivierbar und bewertbar machen.191 Daher werden in der Praxis derzeit v. a. Wissensindikatoren (z. B. Balanced Scorecard192, Skandia Navigator193) bzw. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (z. B. Strukturiertes Netzwerk nach WIIG194) diskutiert. Dieser Baustein ist vor dem Hintergrund der Diskussion zur Qualität von Wissen offensichtlich ebenfalls von Bedeutung. Schwerpunkt dieser Arbeit ist jedoch nicht die Bewertung des gesamten Wissensbestandes, z. B. anhand von Indikatoren, sondern die Bewertung und Sicherstellung der Qualität der einzelnen Wissenselemente. Daher stellt sich die Frage, wie die Unternehmen die jeweilige Qualität dieser Elemente bewerten.

Fazit: Es konnte dargestellt werde, dass mehrere Wissensbausteine für die weitere Untersuchung von besonderer Bedeutung sind. Zwar vernachlässigt das Modell einige Aspekte wie z. B. Führung oder Kultur195, jedoch erscheint es zur Strukturierung der Herausforderungen im Wissensmanagement für diese Arbeit geeignet zu sein. So werden in diesem Ansatz einige Probleme aus theoretischer Sicht identifiziert – wie z. B. die Selektion des bewahrungswürdigen Wissens – welche im weiteren Verlauf der Arbeit aus praktischer Sicht empirisch näher untersucht werden sollen.

190 191 192 193 194 195

Siehe Abschnitt 2.1.1.1. Zur Wissensbewertung vgl. auch Schauer (2004), S. 296 ff. Vgl. Kaplan/Norton (1996a); Kaplan/Norton (1996b). Vgl. Huang (2004), S. 63; Probst et al. (2006), S. 219 ff. Vgl. Wiig (1996). Dies wird insbesondere aus Sicht der unternehmerischen Praxis kritisiert. Vgl. Vogel (1999), S. 124.

38

Begriffsklärung und Grundlagen

Bevor jedoch die bisherigen Erkenntnisse in einen Bezugsrahmen überführt werden, soll im Folgenden näher darauf eingegangen werden, wie Mitglieder einer „Community of Practice“ die Qualitätssicherung im Wissensmanagement unterstützen können.

2.1.3.3

„Communities of Practice“

Eine besondere Rolle bei der Generierung und Qualifizierung von Wissen stellen „Communities of Practice“ dar.196 Sie sollen in diesem Abschnitt vorgestellt werden, auch soll auf ihre spezifischen Eigenheiten eingegangen werden. Sie können wir folgt definiert werden: „Communities of Practice are groups of people who share a concern, a set of problems, or a passion about a topic, and who deepen their knowledge and expertise in this area by interacting on an ongoing basis.“197 Sie dienen also dem Austausch von Wissen, Einsichten und Empfehlungen, helfen sich bei Problemlösungen, diskutieren aktuelle Fragestellungen und neue Ideen. Sie werden daher auch Wissensgemeinschaft198 oder „Community of Knowing“199 genannt. Drei Elemente definieren eine solche Gemeinschaft:200 x

Das Arbeitsgebiet („domain“) ist die Grundlage einer jeden „Community“. Durch dieses legitimiert sich ihre Existenz und zeigt den Mitgliedern (und auch anderen Personen) den Wert ihrer Aktivitäten.

x

Das Netzwerk der Mitglieder bildet die Gemeinschaft („community“). Die Personen stellen Fragen, tauschen Ideen und Antworten aus und lernen so voneinander.

x

Die Umsetzung („practice“) erfolgt durch ein Bündel an bestimmten Ideen und Methoden, durch eine besondere Sprache und bestimmte Erzählungen und Dokumente, und bildet so eine Kultur, welche die Mitglieder eint.

„Communities“ unterscheiden sich von anderen Konstrukten wie Abteilungen, Projektteams oder informellen Netzwerken insbesondere durch die verfolgten Ziele

196 197 198 199 200

Vgl. hierzu z. B. Brown/Duguid (1998), S. 91; Wenger et al. (2002); Wenger (2003). Wenger et al. (2002), S. 4. Vgl. Romhardt (2002); North et al. (2000). Vgl. Boland/Tensaki (1995). Vgl. hier und im Folgenden Wenger et al. (2002), S. 27 ff.

39 (Wissenstransfer und -austausch), Zugehörigkeit (auf Grund von Expertise oder Interesse an dem jeweiligen Thema), Formalisierungsgrad (informell) und Zeitdauer (organisch auf Basis der Relevanz des Themas und des Interesses der Mitglieder).201 Auch virtuelle „Communities of Practice“ sind möglich.202 Im Unterschied zum persönlichen Wissensaustausch, bei welchem eine räumliche Nähe sowie eine zeitgleiche Kommunikation erforderlich sind, kann bei diesen das Wissen zeit- und ortsunabhängig ausgetauscht werden.203 Aus Unternehmenssicht bieten „Communities“ vielseitige Vorteile.204 Neben dem Austausch von „best practices“ und der Aufdeckung von Innovationspotenzialen dienen sie insbesondere auch der Diskussion des Wissens ihrer „domain“ und können auf diese Weise neue Wissensinhalte generieren.205 Auch die Mitglieder können von ihrer Teilnahme profitieren. Sie können bei Fragen schnell auf ein Netzwerk von Experten zugreifen, wodurch sie in der täglichen Arbeit produktiver sein können. Durch ihre eigene konstruktive Teilnahme kann ihr Ansehen steigen, was sich wiederum in besseren Zukunftsperspektiven äußern kann.

Fazit: Insbesondere aufgrund ihrer Expertise und Vernetzung sind die Mitglieder solcher „Communities of Practice“ für die Qualifizierung von Wissen besonders geeignet.206 Sie spielen daher im Kontext der vorliegenden Arbeit eine besondere Rolle, auf welche später noch näher eingegangen wird.

2.1.3.4

Drittes Zwischenergebnis

In dem Abschnitt 2.1.3 wurden zunächst verschiedene WissensmanagementStrategien vorgestellt. Hierbei wurde festgestellt, dass aufgrund des Fokus dieser Arbeit auf explizitem, also z. B. schriftlichem Wissen eine Kodifizierungs-Strategie betrachtet wird. Anschließend wurde das Wissensmanagement-Modell nach PROBST ET AL. erläutert. Als besonderen Nutzen des Modells für die weitere Verwendung lässt sich Folgendes feststellen:

201 202 203 204 205 206

Für eine ausführlichere tabellarische Gegenüberstellung vgl. Wenger et al. (2002), S. 42. Vgl. Wenger (2003), S. 6 f. Für ein Praxisbeispiel vgl. Schreyögg/Geiger (2005a). Vgl. Winkler/Mandl (2004), S. 3; Shumar/Renninger (2002), S. 4. Vgl. hier und im Folgenden Mohr et al. (2002), S. 552 f. Vgl. Wenger/Snyder (2000), S. 139 f. Vgl. Suresh/Mahesh (2006), S. 117 ff.

40

Begriffsklärung und Grundlagen x

In diesem Modell ist die Wissensnutzung Hauptzweck des Wissensmanagements. Dies unterstützt die beschriebene Sichtweise, dass ein Wissensmanagement nicht nur Wissen bereithalten muss, sondern dass die Nutzer dieses auch tatsächlich nutzen müssen.

x

Der Wissensbaustein „Wissensbewahrung“ beschreibt die Prozesse der Selektion, des Speicherns und der Aktualisierung und beinhaltet damit die Sichtweise, dass ein Wissensmanagement einerseits Selektionsmechanismen zur Identifikation des bewahrungswürdigen Wissens zur Verfügung stellen soll, und andererseits Aktualisierungsverfahren zur Überarbeitung des gespeicherten Wissens vorhanden sein sollen.

x

PROBST ET AL. betrachten ebenfalls den Aspekt der Wissensbewertung. Während in dem Modell jedoch der Wissensbestand gesamthaft anhand von Indikatoren bewertet wird, setzt sich diese Arbeit mit der inhaltlichen Bewertung der Qualität einzelner Wissenselemente auseinander.

Ergänzend konnte in dem vorangehenden Abschnitt konnte gezeigt werden, dass die Mitglieder einer „Community of Practice“ aufgrund ihrer Expertise und des regelmäßigen Wissensaustausches geeignet sind, Wissensinhalte zu hinterfragen und so aktiv zu der Generierung neuen Wissens und der Qualifikation von Wissenselementen beizutragen. Nachdem somit die grundlegenden Begriffe dieser Arbeit betrachtet wurden und relevante theoretische Aspekte diskutiert wurden, soll nun auf Basis der Erkenntnisse der Bezugsrahmen für die weitere Untersuchung abgeleitet werden.

2.2 Ableitung des Bezugsrahmens Ziel dieses Abschnitts ist die Ableitung des Bezugsrahmens, welcher als Grundlage für die theoretischen Ausführungen und die Durchführung der Fallstudienanalyse dienen soll:

41 „Ein konzeptioneller Bezugsrahmen ist eine terminologischdeskriptive Grundordnung, in die als relevant erachtete Inhalte eingeordnet werden können. Aus unternehmenspraktischer Sicht dient er als Betrachtung, Diagnose und Lösung von Managementproblemen. Methodisch eignet sich ein derartiger Bezugsrahmen zur Moderation oder auch Provokation eines strukturierten Dialoges sowie zur Selbstreflexion.“207 Ein Bezugsrahmen stellt verschiedene Aussagen über einen Untersuchungsgegenstand in einen theoretischen Zusammenhang und versucht hierdurch, zur Beschreibung und Erklärung von bisher wenig untersuchten Phänomenen beizutragen.208 Die Entwicklung eines Bezugsrahmens erfolgt in zwei Schritten. Zunächst werden bestehende theoretische Ansätze adaptiert bzw. modifiziert. Hieraus werden dann geeignete Elemente und Bausteine ausgewählt und zu einem in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand neuen integrierten Konzept verknüpft. Theoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit ist das Wissensmanagementverständnis nach PROBST ET AL., der Wissensbegriff nach SCHREYÖGG/GEIGER sowie das Qualitätsverständnis, dass Qualität sowohl die Erzeuger- als auch die Nutzersicht beinhaltet. Aus diesen bestehenden theoretischen Ansätzen soll im Folgenden ein integriertes Konzept erstellt werden. Zunächst kann festgestellt werden, dass aufgrund der Wahl des Wissensbegriffs der Fokus auf expliziten Wissenselementen liegt. Diese können z. B. in Form von Dateien vorliegen und in einem entsprechenden Wissensmanagement-System gespeichert werden, um so den Personen des jeweiligen Unternehmens zur Verfügung zu stehen und der Gefahr eines Wissensverlust (z. B. durch Ausscheiden von Mitarbeitern) zu begegnen. Jeden Tag werden in einem Unternehmen viele Erfahrungen gewonnen, und nicht alle sind in gleichem Maße bewahrungswürdig. Daher erscheint eine Selektion des wichtigen Wissens erforderlich zu sein, auch um der Gefahr einer Informationsüberflutung seitens der Nutzer zu begegnen.209 Der Prozessschritt der Wissensselektion ist jedoch nach dem vorliegenden Wissensverständnis nicht ausreichend, muss doch auch eine Validierung vorgenommen werden, damit von Wissen gesprochen werden kann.210 Hierfür bieten sich z. B. die Mitglieder der relevanten „Community of Practice“ an. Sie können die neuen Wis-

207 208 209 210

Schwenk-Willi (2001), S. 129. Der Autor verweist hier auf Bleicher (1995), S. 57. Vgl. Kubicek (1977), S. 17; Perillieux (1987), S. 27; Fritz (1992), S. 75 f. Vgl. Probst et al. (2006), S. 187 ff. Vgl. Schreyögg/Geiger (2003a), S. 25; Schreyögg/Geiger (2003b), S. 13.

42

Begriffsklärung und Grundlagen

senselemente auf ihre inhaltliche Richtigkeit prüfen, bevor diese in die Wissensbasis des Unternehmens gelangen. Aus ökonomischer Sicht erscheint es sinnvoll, in einem ersten Schritt die Identifikation des bewahrungswürdigen Wissens vorzunehmen (Dimension „wichtig“), welches dann in einem zweiten Schritt einer Prüfung unterzogen werden soll (Dimension „richtig“). Damit lassen sich die ersten beiden Dimensionen zur Untersuchung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement ableiten: Selektion und Prüfung Selektion bewahrungswürdigen Wissens („wichtig“)

Abbildung 8

Prüfung neuen Wissens („richtig“)

Wissensbasis

Dimensionen „wichtig“ und „richtig“211

Auch wenn eine Aussage beide Schritte durchlaufen hat und somit als Wissen qualifiziert wurde, ist die Betrachtung damit noch nicht abgeschlossen. Schließlich besteht immer die (zumindest theoretische) Möglichkeit, dass das Wissen durch neueres Wissen überholt und damit falsifiziert wird.212 So könnten z. B. widersprüchliche Erfahrungen aufgetreten sein oder neue rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen worden sein. Eine Investitionsentscheidung auf der Basis solchen veralteten Wissens kann zu erheblichen Kosten führen. Es sollte also einen Mechanismus zur Prüfung und ggf. Aktualisierung (Dimension „unrichtig“) der vorhandenen Wissenselemente geben, um zu verhindern, dass dieses veraltete Wissen fälschlicherweise weiter verwendet wird. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass das vorhandene Wissen obsolet geworden ist, so dass es entsorgt werden kann. Man denke etwa an den Verkauf von Unternehmensteilen oder eine strategische Neuausrichtung. So kann das vorhandene Wissen zwar möglicherweise noch richtig sein, es ist für die Unternehmung jedoch nicht mehr erforderlich. Daher könnte die Wissensbasis um solche Elemente bereinigt werden (Dimension „unwichtig“).

211 212

Eigene Darstellung. Vgl. Popper (1989).

43 Da beide Möglichkeiten – sowohl die Aktualisierung als auch die Entsorgung der Wissenselemente aus der Wissensbasis – unabhängig voneinander auftreten können, stellen sich diese beiden Dimensionen folgendermaßen dar: Aktualisierung und Entsorgung

Wissensbasis

Abbildung 9

Aktualisierung vorhandenen Wissens („unrichtig“)

Entsorgung unnötigen Wissens („unwichtig“)

Dimensionen „unrichtig“ und „unwichtig“213

Aus Sicht der Wissenserzeugung sind hiermit alle relevanten Dimensionen berücksichtigt. Die Sicht des Nutzers, welche für die zweite Qualitätsperspektive und damit für die tatsächliche Nutzung ebenfalls hohe Bedeutung hat, ist bisher jedoch noch nicht eingeflossen. Auch wenn alle bisher beschriebenen Bausteine vorhanden sind, so kann das Wissen für die potentiellen Nutzer trotzdem komplett irrelevant sein. So könnten z. B. in einem Unternehmen für Spezialchemie die entwickelten Molekularverbindungen für ein Produkt detailliert festgehalten worden sein, jedoch benötigen die Mitarbeiter möglicherweise viel eher das Wissen über den Prozess der Molekülerstellung, um diesen bei einer Neuentwicklung eines Produkts wieder nutzen zu können. In einem solchen Fall wären die vorgehaltenen Wissenselemente zwar inhaltlich richtig, das Wissen für die potenziellen Nutzer jedoch irrelevant. Selbst wenn in dem Beispiel des Spezialchemie-Unternehmens das erforderliche Wissen über den Prozess der Erstellung vorhanden wäre, müssten die Mitarbeiter dieses Wissen auffinden und dann auch verwenden. Entsprechend der formulierten Ansicht, dass das Ziel des Wissensmanagement erst mit der tatsächlichen Nutzung des Wissens erreicht wird, ist es also erforderlich zu überprüfen, ob und ggf. wie das vorhandene Wissen genutzt wurde (Dimension „relevant“). Diese Dimension kann also folgendermaßen dargestellt werden:

213

Eigene Darstellung.

44

Begriffsklärung und Grundlagen

Nutzung

Wissensbasis

Nutzung vorhandenen Wissens („relevant“)

Abbildung 10 Dimension „relevant“214

Entsprechend dem oben vorgestellten Vorgehen zur Entwicklung eines Bezugsrahmens lassen sich nun die fünf beschriebenen Dimensionen miteinander verknüpfen. Folgende Abbildung veranschaulicht das neue, integrierte Konzept zur Erläuterung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement: Selektion und Prüfung Selektion bewahrungswürdigen Wissens („wichtig“)

Prüfung neuen Wissens („richtig“)

Nutzung

Wissensbasis

Aktualisierung und Entsorgung

Aktualisierung vorhandenen Wissens („unrichtig“)

Entsorgung unnötigen Wissens („unwichtig“)

Nutzung vorhandenen Wissens („relevant“)

Abbildung 11 Gesamtzusammenhang der fünf relevanten Dimensionen (Bezugsrahmen)215

214 215

Eigene Darstellung. Eigene Darstellung.

45 Fazit: Die fünf relevanten Dimensionen zur Erläuterung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement sind die Dimensionen „wichtig“, „richtig“, „relevant“, „unrichtig“ und „unwichtig“. Dieser Bezugsrahmen soll als Grundlage für die weiteren theoretischen Ausführungen dienen. Auf Basis dieses Gesamtzusammenhangs soll im Folgenden für jede der fünf Dimensionen eine theoretische Basis geschaffen werden, welche dann als Ausgangspunkt für die anschließenden Fallstudienuntersuchungen dienen soll.

3 Entwicklung des Bezugsrahmens Ziel dieses Kapitels ist die Betrachtung der bisher existierenden theoretischen Ansätze zu den fünf Dimensionen des Bezugsrahmens, um hieraus weitergehende Überlegungen zur Qualitätssicherung im Wissensmanagement abzuleiten.

3.1 Identifikation bewahrungswürdigen Wissens (Dimension „wichtig“) Im Laufe der Zeit wird innerhalb einer Organisation viel neues Wissen erzeugt, jedoch ist sicherlich nicht alles für die anderen Mitarbeiter bzw. für den späteren Einsatz erforderlich. Die Selektion dient der Identifikation des bewahrungswürdigen Wissens. Sie ist in vielen Modellen und Theorien des Wissensmanagements eine der Hauptaufgaben bzw. Grundfunktionen.216 Was genau jedoch bewahrungswürdig ist, ist eines der Grundlagenprobleme des Wissensmanagements.217 Selektion kann schließlich auch bedeuten, dass (wahres) Wissen abgelehnt wird.218 Im Folgenden soll die Frage, welches Wissen für die Unternehmung wichtig ist, beleuchtet werden. Zunächst sollen die grundlegenden Ziele der Selektion betrachtet werden. Danach sollen mögliche Probleme diskutiert werden, welche sich hieraus ergeben. Der dritte Abschnitt widmet sich dann der Durchführung der Selektion.

3.1.1

Ziele der Selektion

Das Hauptziel der Selektion ist „die Komplexitätsreduktion im Sinne der Reduktion des Aufmerksamkeitshorizontes durch Fokussierung auf […] qualitativ hochwertiges Wissen“219. Diese Konzentration auf das Wesentliche ist ein zentraler Erfolgsfaktor für das Management allgemein: „Das Wesentliche ist, sich auf Weniges zu beschränken, auf eine kleine Zahl von sorgfältig ausgesuchten Schwerpunkten, wenn man an Wirkung und Erfolg interessiert ist“220. Diese Einsicht hat der griechische

216

217 218 219 220

Vgl. Pawlowsky/Reinhardt (1997), S. 148 f.; Schreyögg/Geiger (2003a), S. 24 f.; Howaldt/Kopp (2005), S. 14 f.; Probst et al. (2006), S. 193 f. Vgl. Schreyögg (2001), S. 9 ff. Vgl. Baecker (1998). Howaldt et al. (2004), S. 217. Malik (2000), S. 101. Hervorhebungen wie im Original.

48

Entwicklung des Bezugsrahmens

Dichter AISCHYLOS bereits vor rd. 2.500 Jahren auf den Punkt gebracht: „Nützliches Wissen macht weiser als viel Wissen“221. Was jedoch ist nützliches Wissen? Entsprechend der ökonomischer Sicht der Maximierung des Einkommens222 ist solches Wissen nützlich, welches zu mehr Wert führt. Beispielsweise können durch die Wiederverwendung einmal gemachter Erfahrungen künftige Projekte schneller oder effizienter durchgeführt werden. So könnten beispielsweise Erfahrungen aus einmal gemachten Fehlern („Lessons Learned“), oder Erkenntnisse aus besonders gelungenen Projekten („Best Practices“) und Standards innerhalb der Organisation identifiziert werden, welche die Anschlussfähigkeit des Unternehmens sicherstellen und zur Optimierung von Prozessen bzw. zur Senkung von Kosten beitragen.223 Offensichtlich ist die Bewertung der Nützlichkeit nicht trivial, schließlich können vielfältige Erfahrungen wertvoll für die Unternehmung sein. Dementsprechend stellen sich verschiedene Probleme im Zusammenhang mit der Selektion, auf welche im Folgenden näher eingegangen wird.

3.1.2

Probleme der Selektion

Problematisch ist, dass man im Vorhinein nur schwer wissen kann, welches Wissen wieder gebraucht werden kann.224 Oft können für die Selektion keine eindeutigen Kriterien definiert werden, so dass häufig nach dem Motto „Lieber mehr als weniger“ verfahren wird.225 Auch die Nützlichkeit kann erst im Nachhinein beurteilt werden, wenn das Wissen existiert und auch tatsächlich wieder genutzt wurde.226 Diese Faktoren können zu einem exzessiven Wissensbewahrung führen, welches durch eine umfassende Sammlung von Wissen geprägt ist. Die Maxime hierbei ist die Speicherung von möglichst vielen Inhalten. Als weitere Effekte sind ein Schwerpunkt auf der Explizierung von Wissen sowie die Entwicklung einer Wissensbürokratie zu beobachten.227

221 222 223 224 225 226 227

Zitiert nach Davenport/Prusak (1998), S. 35. Vgl. z. B. Wittmann (1977), S. 591. Vgl. Schneider (2001), S. 35 f. Vgl. Tsoukas (1996), S. 11. Vgl. Schneider (2001), S. 37. Vgl. Schneider (2001), S. 44. Vgl. Howaldt/Kopp (2005), S. 12.

49 Eine gravierende Folge aus diesem Ansatz ist die Informationsüberflutung, welche eine effiziente Nutzung des Wissens für die Mitarbeiter deutlich erschweren kann.228 War zunächst der Zugang zu Wissen ein Engpass, ist nun häufiger die Frage, wie man mit den Datenmengen umgehen soll.229 Mögliche Probleme sind hierbei nicht nur die Schwierigkeit, das relevante und nützliche Material zu finden, sondern auch dessen Validität zu beurteilen.230 Somit ist ein Filter erforderlich, welcher unnötiges Wissen erst gar nicht in die Wissensbasis gelangen lässt.231 Hierbei erscheint ein ausgewogener Ansatz sinnvoll: während ein zu weiter Blickwinkel möglicherweise zu exzessiver Speichernutzung und Orientierungslosigkeit führt, kann ein zu enger Blickwinkel zwar effizient sein, aber auch zu Einbußen an möglicherweise wertvollen Erfahrungen und einem engeren Handlungskorsett führen.232 Eine große Anzahl an Dokumenten führt zusätzlich zu einer Unsicherheit über die Qualität und Relevanz der Inhalte.233 Ein zweiter Problemkreis betrifft die Innovationsfähigkeit. Die Orientierung an bereits erarbeiteten bzw. bewährten Wissen kann auch zu einer verminderten Kreativität führen. Durch die Neigung, bereits bekannte Wege wieder zu gehen, werden neue und innovative Möglichkeiten möglicherweise unterschlagen. So fordert z. B. GRAY, ein bestimmtes Maß an „Ignoranz oder Nichtwissen“234 zu kultivieren, um so Wissensfreiräume für Innovationen zu schaffen.235 Übertragen auf die Selektionsthematik ist also die Frage relevant, ob das neue Wissen die Perspektive der Nutzer möglicherweise eher einschränkt als erweitert. Fraglich ist auch, ob man einmal gemachte Fehler in ein Wissensmanagement einstellen soll.236 Dieser auch als „trial-and-error“237 bekannte Ansatz ist häufig eine Hauptquelle neuen Wissens:

228 229 230 231 232 233 234 235 236 237

Vgl. z. B. Rollett (2002), S. 285; Probst et al. (2006), S. 207 ff. Vgl. Brown/Duguid (2002b), S. 12 f. Vgl. Suresh/Mahesh (2006), S. 120. Howaldt/Kopp sprechen auch von einer „Firewall“. Vgl. Howaldt/Kopp (2005), S. 15. Vgl. Romhardt (1998), S. 271; Schneider (2001), S. 45. Vgl. Hansen/Haas (2001), S. 2. Gray (2004), S. 18. Vgl. Brown/Duguid (2000); Kopp (2005), S. 108. Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 147. Engl. Versuch und Irrtum.

50

Entwicklung des Bezugsrahmens „In bulk, this has represented cumulated inductive achievements, stage by stage expansion of knowledge beyond what could have been deductively derived from what had been previously known. It has represented repeated ‚breakouts’ from the limits of available wisdom […]“238

Man denke z. B. in der Pharma-Branche an die Entwicklung eines neuen Medikaments, bei welchem sich in der Versuchsreihe herausgestellt hat, dass das Molekül nicht die gewünschten Eigenschaften besitzt. Das Lernen aus Fehlern kann also zu neuem Wissen führen.239 Das Vermeiden von Wiederholungen von Fehlern kann somit ebenso nützlich in o. g. Sinne sein, und könnte daher bei der Gestaltung des Wissensmanagements zumindest in Betracht gezogen werden.

3.1.3

Durchführung der Selektion

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass jeder, der Zugang zum Wissensmanagement hat, die Wichtigkeit neuen Wissens selbst beurteilt. Dies kann er auf Basis seiner eigenen Erfahrung oder auch ggf. unter Zuhilfenahme der Ansichten seiner Kollegen umsetzen. Problematisch ist hierbei, dass nicht alles, was ein Individuum für wichtig erachtet, auch aus Sicht der Unternehmung oder anderer Mitarbeiter wichtig sein muss. COLLISON/PARCELL schlagen hierzu die Orientierung an Leitlinien vor. So sollte sich der Wissenserzeuger z. B. mit der Frage auseinandersetzen, wer der künftige Nutzer des Wissens sein könnte, wie der Umfang bemessen sein sollte oder welche Kontaktpersonen als zusätzliche Ansprechpartner geeignet sein könnten.240 Jedoch kann festgestellt werden, dass die wenigsten Mitarbeiter eine klare Vorstellung davon haben, welches Wissen für den Erfolg des Unternehmens bedeutend ist.241 Um diese Herausforderung der individuellen Beurteilung in den Griff zu bekommen, könnte z. B. in hierarchischen Unternehmen mit Hilfe von Redakteuren, Forenmastern und Fachverantwortlichen versucht werden, hier eine Selektion vorzunehmen.242 Insbesondere Experten erscheinen für diese Aufgabe geeignet: „Wer anders

238 239 240 241 242

Campbell (1960), S. 380. Vgl. hierzu auch Popper (1989), S. 260. Vgl. Collison/Parcell (2004), S. 237 ff. Vgl. Schiemenz (2004), S. 326. Der Autor bezieht sich hierbei auf Probst et al. (1998), S. 40. Vgl. Landenberger/Schildhauer (2003), S. 95.

51 als ein Experte ist besser geeignet, uns zu sagen, was von dem Wust an Information wirklich nützlich ist?“243 Auch besteht die Möglichkeit, die Wichtigkeit von Inhalten an den Bedürfnissen der Nutzer auszurichten. Da das Ziel eines jeden Wissensmanagements die Wiederverwendung des Wissens ist,244 erscheint es sinnvoll zu sein, die Ansicht der potentiellen Nutzer in die Betrachtung einzubeziehen: Wissen soll nicht „per se gesammelt, sondern zur Wirkung gebracht werden.“245 So könnten Unternehmen z. B. in einer Umfrage ermitteln, welches Wissen durch die Mitarbeiter noch vermisst wird, so dass dieses bei einer künftigen Gelegenheit entsprechend festgehalten wird, um anschließend allen Personen des Unternehmens zur Verfügung zu stehen. Die Art des Selektionsmechanismus scheint somit sehr individuell zu sein und auch von den Charakteristika des Unternehmens abzuhängen: „Was für das eine Unternehmen [wichtig] ist, muss für das andere nicht von Bedeutung sein. Die Entscheidung, welches Wissen [wichtig] ist, kann nur von den Subjekten des Wissensmanagements getroffen werden.“246 Daher fordern HOWALDT/KOPP, „dass Unternehmen und Netzwerke ihre eigenen Umgangsformen und Selektionsmechanismen bzw. Relevanzfilter mit der Ressource Wissen herausbilden müssen, die auf die Erhöhung der Handlungsfähigkeit im Rahmen einer klaren Gesamtstrategie des Unternehmens gerichtet sind“247, allerdings ohne jedoch näher zu beschreiben, wie diese aussehen könnten.

Fazit: Die Selektion dient dazu, das für das Unternehmen wichtige Wissen zu identifizieren und eine Überflutung des Wissensmanagements mit unnötigen Elementen zu vermeiden. Da die allgemeine Definition von Kriterien nur schwer möglich ist, müssen Organisationen offenbar ihre eigenen Selektionsmechanismen herausbilden. Wie jedoch diese Selektion durchgeführt wird, von welchen Personen die Entscheidung getroffen wird, und anhand welcher Maxime sich diese Personen leiten lassen, ist theoretisch bisher noch nicht ausreichend beschrieben. Zwar konnten einige Ges243

244 245 246

247

Bukowitz/Williams (2002), S. 92 f. Siehe hierzu auch die Diskussion zu „Communities of Practice“ in Abschnitt 2.1.3.3. Zur Nutzung des Wissens siehe die Diskussion zur Dimension “relevant” in Abschnitt 3.3. Kopp (2005), S. 111. Hirsch/Kunz (2004), S. 260. Im Zitat wurde „relevant“ durch „wichtig“ ersetzt, um einen eindeutigen Bezug zu den in dieser Arbeit verwendeten Begriffen sicherzustellen. Howaldt/Kopp (2005), S. 9. Hervorhebungen wie im Original.

52

Entwicklung des Bezugsrahmens

taltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden – so könnten z. B. Individuen die Wichtigkeit der von ihnen eingebrachten Wissenselemente anhand von Leitfragen überprüfen oder die Selektion durch Experten durchgeführt werden – welche Verfahren zur Anwendung kommen und wie diese umgesetzt werden, wurde jedoch bisher nicht ausreichend empirisch erforscht. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist daher zu untersuchen, wie eine solche Selektion in der unternehmerischen Praxis vorgenommen wird.

3.2 Qualifizierung des Wissens (Dimension „richtig“) Die zweite Dimension des Bezugsrahmens betrachtet die Problematik, dass nicht alle neue Erfahrungen, selbst wenn sie als bewahrungswürdig („wichtig“) erkannt wurden, damit auch „richtiges“ Wissen im Sinne der Unternehmung sind. Was jedoch ist dieses „richtige“ Wissen, und worin unterscheidet sich dieses z. B. von persönlichen Meinungen bzw. subjektiven Einschätzungen? Handelt es sich evtl. um eine Erfahrung, welche sich zwar in dem konkreten Fall bewährt hat, jedoch möglicherweise aufgrund des spezifischen Kontexts nicht oder nur schwer verallgemeinerbar ist? Viele der Problemlösungen, die eine Organisation erarbeitet hat, kursieren in Form von Narrationen.248 Bei diesen – auch als „war stories“249 bekannt – handelt es sich um Erzählungen über Erfolge und Misserfolge, insbesondere auch um Lösungen zu bestimmten Problemen.250 Sie führen hierbei gleich Doppeltes mit sich: Zum einen wird über bestimmte Leistungen berichtet, zum anderen werden diese vollbrachten Leistungen bewertet. Wenn der Empfänger dieser Narration (z. B. der Zuhörer) die Erzählung weiter trägt, so akzeptiert er diese als „richtig“. Narrationen legitimieren sich also dadurch, dass sie immer wieder erzählt werden – man spricht daher auch von Selbstlegitimation.251 Diese Narrationen sind in einen bestimmten Kontext eingebettet. Drei verschiedene Arten des Kontexts252 können unterschieden werden:

248 249 250

251 252

Zu Eigenschaften von Narrationen und narrativen Wissens siehe Abschnitt 2.1.1.1. Orr (1990), S. 175. Hiervon abgeleitet ist die Methode des “Story Telling”. Vgl. Gerhard/Seufert (2001); Thier/Erlach (2005); Brown et al. (2005). Vgl. Lyotard (2005), S. 75 ff.; Geiger (2006), S. 173 ff. Vgl. hier und im Folgenden Schreyögg/Geiger (2005a), S. 10.

53 x

Narrationen sind in den Entstehungskontext eingebettet.253 Sie entstehen aus einer konkreten Situation heraus und spiegeln diese wider. Die Gültigkeit der Aussagen steht in engem Zusammenhang zu dieser Situation und lässt daher zunächst keine Verallgemeinerung zu.254

x

Außerdem sind Narrationen im Erzählkontext verhaftet.255 Sie werden insbesondere von solchen Personen weitergetragen, welche sich in der gleichen „Community“, also der gleichen Wissensgemeinschaften befinden, und überschreiten deren Grenzen nicht ohne weiteres. Sie werden daher auch „sticky“ genannt.256

x

Schließlich werden Narrationen in dem Umfeld evaluiert, in welchem sie entstanden sind (Evaluationskontext). In diesem Umfeld werden sie auch als „Common sense“ bezeichnet.257

Entsprechendes scheint auf die in den Unternehmungen gemachten Erfahrungen und Erfolge zutreffend zu sein: auch diese sind in ihren konkreten Kontext eingebettet, in welchem sie entstanden sind. Wissensmanagement ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn eine Verallgemeinerung angenommen werden kann.258 Es ist mithin fraglich, ob die beschriebenen Problemlösungen auch in anderen Kontexten erfolgreich sein können.259 Aus diesem Grunde erscheint eine Herauslösung bzw. Überwindung des jeweiligen Kontexts sinnvoll; die gewonnen Erfahrungen sollten also qualifiziert werden. Angelehnt an die o. g. Kontextarten lassen sich verschiedene Möglichkeiten ableiten, mit Hilfe derer die Erfahrungen geprüft werden können, und welche im Folgenden dargestellt werden.

3.2.1

Qualifizierungsfunktionen

Die Aufgabe der Qualifizierung ist die Validierung der gewonnenen Erfahrungen bzw. Problemlösungen, indem diese aus dem jeweiligen Kontext herausgelöst werden. Aus der Theorie lassen sich drei Qualifizierungsfunktionen ableiten, welche im

253 254 255 256 257 258 259

Vgl. Orr (1990), S. 175. Vgl. Tsoukas/Hatch (2001), S. 998 f. Vgl. Orr (1990), S. 175; Brown/Duguid (2001), S. 199. Vgl. Brown/Duguid (2002a), S. 430. Vgl. Patriotta (2003), S. 354. Vgl. Schreyögg/Geiger (2005c), S. 306 f. Bei einer Studie wurde dies als eine der Herausforderungen für das Wissensmanagement identifiziert. Vgl. Scholl/Heisig (2003), S. 182 f.

54

Entwicklung des Bezugsrahmens

Folgenden einzeln vorgestellt werden.260 Hierbei müssen nicht alle drei Funktionen durchlaufen werden, z. B. können auch einfache „Trial-and-Error“ Verfahren angewendet werden, wenn lediglich die Übertragbarkeit außerhalb des Entstehungs- und Erzählkontextes geprüft werden soll.261 Überwindung des Entstehungskontexts Die beschriebenen Erfahrungen entstehen aus konkreten Problemlösungssituationen. Das hieraus generierte Wissen ist also an die spezifische Problemsituation gebunden und kann nicht ohne weiteres auf andere Situationen übertragen werden.262 Die erste Qualifikationsfunktion zielt auf die Überwindung dieses Entstehungskontexts. So kann durch eine Wiederholung in einem ähnlichen Kontext bei ähnlichen Problemsituationen ausprobiert werden, ob es auch dort erfolgreich angewendet werden kann. Das derart generierte Wissen wird also experimentell evaluiert. Wenn die Übertragung nicht zum gewünschten Erfolg führt, so bedeutet das nicht, dass die ursprüngliche Aussage unrichtig ist – sie kann vielmehr in einem anderen Kontext eben nicht erfolgreich angewendet werden. Aus Sicht des Wissensmanagements wäre es also erforderlich, dass solche Erfahrungen in den jeweiligen „Communities“ zirkulieren, und auch dass die Erfahrungen aus der Anwendung den anderen Mitgliedern wieder mitgeteilt werden. Die Kommunikation sollte also in beide Richtungen erfolgen: zum einen sollten neue Erfahrungen den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden, zum anderen sollten diese die Möglichkeit bekommen, die aus der Anwendung gewonnenen Erkenntnisse wiederum den Autoren und übrigen Mitgliedern zukommen zu lassen. Das Wissensmanagement sollte daher eine hierfür geeigneten Infrastruktur aufbauen und bereitstellen. Als Beispiel für ein Wissensmanagement-System, welches die genannten Funktionen bereitstellt, kann das sog. „ShareNet“ der Siemens Telekommunikationssparte dienen, welches Intranet-basiert ein weltweites Netzwerk zwischen den Verkaufsmitarbeitern zur Verfügung stellt.263 Es stellt verschiedene Funktionen zur Verfügung, mit deren Hilfe die Mitarbeiter solche Erfahrungen einstellen und die Erkenntnisse aus der wiederholten Anwendung austauschen können.264

260 261

262 263 264

Vgl. hier und im Folgenden Geiger (2006), S. 278 ff. Diese können „single-loop“ Lernprozesse hervorbringen. Vgl. Argyris/Schön (1978), S. 18 ff. Zu einer Einordnung dieses Ansatzes in die Forschung vgl. Schreyögg/Eberl (1998), S. 517 ff. Vgl. Szulanski/Cappetta (2003), S. 523. Vgl. Gibbert et al. (2002). Hierzu gehören z. B. „chat rooms“, Foren oder themenzentrierte Diskussionsgruppen.

55 Überwindung des Erzählkontexts Die zweite Qualifizierungsfunktion zielt auf die Überwindung des Erzählkontexts, also die Überwindung der Grenzen der jeweiligen „Community“. Dies kann aus zwei Gründen erforderlich sein: einerseits können die gewonnenen Erfahrungen auch für andere „Communities“ nützlich sein, andererseits können sich jedoch auch Konflikte mit dem Vorgehen in anderen „Communities“ ergeben. Problematisch ist hierbei, dass das Wissen in seinem ursprünglichen Erzählkontext verhaftet ist und die Grenzen der „Community“ nur schwer überwindet.265 Aufgabe des Wissensmanagements sollte also sein, neue Erkenntnisse durch Integration verschiedener „Communities“ anschlussfähig und übertragbar zu machen.266 Da die „Communities“ sich insbesondere informell herausbilden und auch häufig quer zu den klassischen Abteilungen liegen267, erscheinen formale Integrationsmechanismen wie z. B. Hierarchie weniger zur Überwindung des Problems geeignet.268 Daher schlägt CARLILE drei Alternativen vor, um den Anschluss zwischen mehreren „Communities“ zu ermöglichen: „boundary objects“, „boundary spanner“ und „translators“.269 „Boundary objects“ sind Objekte, welche beide Seiten im täglichen Leben gleichermaßen nutzen. Dies sind z. B. gemeinsame Datenbanken oder Verzeichnisse, auch können Schnittstellendefinitionen oder Prozesse dazu gehören. Ein „boundary spanner“ (auch „knowledge broker“ genannt) ist eine Person, welche in beiden „Communities“ beheimatet ist und so auf natürliche Weise ein Bindeglied darstellen kann. Ein „translator“ gehört zu keiner der beiden Seiten, jedoch kann diese Person v. a. aufgrund ihrer neutralen Position zwischen den „Communities“ vermitteln.270 Durch die beschriebenen Möglichkeiten kann das generierte Wissen auch außerhalb des ursprünglichen Erzählkontexts genutzt, evaluiert und damit auch qualifiziert werden. Überwindung des Evaluationskontexts Aufgabe der dritten Qualifikationsfunktion schließlich ist die Überwindung des Evaluationskontexts. Hierbei werden die impliziten Geltungsansprüche der Erfahrun265

266 267 268 269 270

Zum Problem der „stickiness“ von Wissen vgl. Brown/Duguid (2001); Szulanski (2002); Szulanski/Cappetta (2003). Vgl. Geiger (2006), S. 281 f. Siehe Abschnitt 2.1.3.3. Vgl. Schreyögg (2003), S. 155 ff. Vgl. hier und im Folgenden Carlile (2002). Typischerweise eignen sich hierfür insbesondere externe Personen, z. B. Berater. Hierbei ist erforderlich, dass diesen Personen von beiden Seiten Vertrauen entgegengebracht wird.

56

Entwicklung des Bezugsrahmens

gen freigelegt und diskursiv geprüft. Aus den konkreten Problemlösungen kann somit geprüftes Wissen entstehen, also Wissen im Sinne des für diese Arbeit definierten Wissensbegriffs.271 Ein Wissensmanagement sollte also Prüfverfahren etablieren, welche die Qualität des Wissens sicherstellen.272 Da insbesondere diese dritte Qualifikationsfunktion eine recht junge, gleichzeitig auch zentrale Innovation im Wissensmanagement ist,273 soll auf dieses Prüfverfahren im folgenden Abschnitt näher eingegangen werden.

3.2.2

Prüfverfahren

Ziel der (diskursiven) Prüfung ist die Hinterfragung und Überprüfung der mit einer gewonnenen Erfahrung implizit enthaltenen Geltungsansprüche. Hierbei ist eine systematische Prüfung aller Erfahrungen aufgrund von Zeit- und Kostengründen ökonomisch möglicherweise nicht sinnvoll. Eine diskursive Prüfung erscheint jedoch insbesondere aus folgenden Gründen angezeigt zu sein:274 x

Es kommt zu Konflikten zwischen den Erfahrungen zweier „Communities“. Daher stellt sich die Frage, wie dieser Konflikt beseitigt werden kann.

x

Zwei „Communities“ haben konkurrierende Problemlösungen. Es ist also eine Diskussion erforderlich, um dann zu entscheiden, welche die bessere Lösung ist.

x

Eine Problemlösung wird in vielen unterschiedlichen Kontexten angewandt, eine weitergehende Generalisierung scheint also gewinnbringend zu sein.

x

Das zirkulierende Wissen steht in Widerspruch zu den festgelegten Problemlösungsverfahren.

Die Durchführung dieser Evaluation könnte im Rahmen von zu etablierenden Prüfverfahren erfolgen. Nach GEIGER erscheinen hierfür mehrere Verfahren geeignet, welche anhand der Teilnehmer (Ordinate) und dem Grad der Formalisierung (Abszisse) in einer Sechs-Felder-Matrix systematisiert werden können:

271 272 273 274

Siehe Abschnitt 2.1.1.4. Vgl. Geiger (2006), S. 286 ff. Vgl. Geiger (2006), S. 299. Vgl. Geiger (2006), S. 287.

57

Hoch

Niedrig

Peers

Peer-Review

Informelles Assessment

Mix

Peer/ExpertenReview

X

Experten

Teilnehmer

Formalisierung

ExpertenReview

X

Abbildung 12 Verfahren zur Qualifizierung des Wissens275

Bei dem formalen Experten-Review treten hierfür bestimmte Experten zusammen, welche z. B. Lösungsvorschläge gemeinsam diskutieren und anhand festgelegter Kriterien bewerten. Der Peer-Review verläuft vergleichbar, jedoch haben hier Peers die Aufgabe, die in ihrer eigenen „Community“ generierten Erfahrungen zu bewerten. Der Peer/Experten-Review ist eine Mischform; hierbei wird das Wissen zunächst durch Peers und dann durch Experten qualifiziert. Das informelle Assessment wird im Gegensatz zum formalen Peer-Review spontan bei Problemlösungsbedarf durchgeführt. Es orientiert sich nicht an festgelegten Kriterien und mündet auch nicht in einen Ergebnisbericht.276 Die hier genannten mehr oder weniger formalen Prüfverfahren können durch weitere in den Unternehmen vorherrschende Prüfverfahren ergänzt werden, welche außerhalb des Wissensmanagements auftreten, deren Ergebnisse jedoch in dieses einfließen können.277

3.2.3

Probleme bei der Qualifizierung von Wissen

Die Überprüfung des Wissens erscheint mehrere Herausforderungen zu beinhalten. So ist z. B. die Frage zu beantworten, für welche Wissensinhalte überhaupt eine solche Qualifizierung erforderlich ist. Gerade in einem ökonomischen Kontext ist der Effizienzgedanke von großer Wichtigkeit. Es erscheint für die Unternehmen also sinnvoll, einen pragmatischen Ansatz wählen und eine ausreichende, aber nicht 275 276 277

Eigene Darstellung in Anlehnung an Geiger (2006), S. 299. Vgl. Geiger (2006), S. 290 ff. Vgl. Schreyögg/Geiger (2003b), S. 13.

58

Entwicklung des Bezugsrahmens

allumfassende Prüfung der erforderlichen Inhalte durchführen.278 GEIGER empfiehlt daher, eine Qualifizierung insbesondere dann vorzunehmen, wenn entsprechende Problemfälle – z. B. Konflikte, Widersprüche oder konkurrierende Lösungen – auftauchen.279 Um diese zu identifizieren, seien insbesondere „Feedback“-Prozesse, Moderatoren und die Etablierung geeigneter Schnittstellen erforderlich.280 Das Wissen muss nicht notwendigerweise von allen Mitgliedern einer Organisation geteilt werden. In der Regel herrscht sogar ein mehr oder minder großer Dissens, der für eine entsprechende Meinungsvielfalt sorgt.281 Daher stellt sich die Frage, wie groß dieser Dissens sein darf oder soll, bis eine entsprechende Prüfung der Richtigkeit zu erfolgen hat. Auch ist die Frage interessant, was mit solchen Inhalten geschehen soll, bei welchen keine inhaltliche Prüfung vorgenommen wurde. BEINHAUER schlägt vor, die Barrieren bei der Einstellung neuer Wissenselemente möglichst niedrig anzusetzen, so dass jeder Mitarbeiter Inhalte publizieren kann, und der Review-Prozess als zusätzliche Qualitätssicherung dienen kann.282 Die Alternative hierzu wäre, nur solche Wissensinhalte aufzunehmen, welche den Review-Prozess bereits passiert haben (Ausschlusskriterium). Schließlich muss bei einer inhaltlichen Prüfung auch der zeitliche Aspekt berücksichtigt werden. Die Dauer der Prüfung kann die Aktualität der Wissensbasis verschlechtern; möglicherweise treten sogar Liegezeiten auf, wodurch neue Wissenselemente mit noch größerer Verzögerung in die Wissensbasis gelangen.283

Fazit: Die Überprüfung der gewonnenen Erfahrungen dient dem Ziel, solche Inhalte in die Wissensbasis gelangen zu lassen, welche aus Sicht der Unternehmung „richtiges“ Wissen verkörpern. Hierzu konnten aus der Theorie drei mögliche Qualifizierungsfunktionen dienen. Die erste Qualifizierungsfunktion dient der Überwindung des Entstehungskontexts: durch die Wiederholung in einem ähnlichen Fall kann das Wissen experimentell evaluiert werden. Durch die Anwendung außerhalb des Kontexts der ursprünglichen „Community of Practice“ kann zusätzlich die weitere An-

278 279 280

281 282 283

Vgl. Maier (2002), S. 54. Vgl. Geiger (2006), S. 290. Auf diese Verfahren wird später im Rahmen der Diskussion zur Dimension “unrichtig” noch näher eingegangen. Siehe Abschnitt 3.4. Vgl. Plöger (2002), S. 50 f. Vgl. Beinhauer (2004), S. 134. Vgl. Landenberger/Schildhauer (2003), S. 95 f.; Beinhauer (2004), S 134.

59 schlussfähigkeit hinterfragt werden (Überwindung des Erzählkontexts, zweite Qualifizierungsfunktion). Mittels Prüfverfahren können schließlich die Inhalte diskursiv geprüft werden und so eine Überwindung des Evaluationskontexts erreicht werden (dritte Qualifizierungsfunktion). Fraglich ist jedoch, wie die Unternehmen in der Praxis mit dem Problem der Überprüfung der gemachten Erfahrungen umgehen. Wie gezeigt werden konnte, sind im Bezug auf die Durchführung der Qualifizierung des Wissens mehrere Fragen interessant, welche im Rahmen der Fallstudienarbeit adressiert werden sollen. Aufgabe dieser Arbeit ist es also, empirisch zu untersuchen, wie die dargestellten Probleme adressiert werden; also ob eine solche Validierung überhaupt vorgenommen wird, wer diese durchführt, und wie versucht wird, den Kontext – in den eine solche Erfahrung immer eingebettet ist – zu überwinden.

3.3 Nutzung des Wissens (Dimension „relevant“) Wissensmanagement kann viele Vorteile für Unternehmen bringen, z. B. Wissensvertiefung, Austausch von Erfahrungen, Reduktion von Doppelarbeit und wiederholte Nutzung erfolgreicher Lösungen.284 Diese Vorteile können jedoch nur realisiert werden, wenn die Mitarbeiter das vorhandene Wissen auch tatsächlich wieder nutzen, ansonsten wäre dieses völlig unnötigerweise erzeugt worden.285 Idealerweise sollte in einem Wissensmanagement-System nur solches Wissen eingestellt werden, welches später (evtl. sogar mehrfach) wieder verwendet wird. Umgekehrt sollten idealerweise Nutzer immer genau jenes Wissen in dem Wissensmanagement-System vorfinden, welches sie zur Durchführung einer bestimmten Aufgabe benötigen. Da zum Zeitpunkt der Wissenserstellung jedoch oft nicht klar ist, ob und welches Wissen in der Zukunft wieder benötigt wird286, und sicherlich auch regelmäßig keine geeigneten Wissenselemente für eine spezifische Aufgabe im Wissensmanagement vorhanden sind, besteht hier eine Diskrepanz zwischen Wissensangebot und Wissensnachfrage. Anhand dieser beiden Begriffe wird deutlich, dass in einem Wissensmanagement Anbieter und Nachfrager auftreten,

284 285

286

Mohr et al. (2002), S. 552 f. Die Orientierung am Nutzen wird auch als „Imperativ der Nützlichkeit“ bezeichnet. Sie hat Auswirkungen auf die Wissenserzeugung nicht nur in der Praxis sondern auch in der Wissenschaft. Vgl. Howaldt (2004), S. 22 ff. Siehe Abschnitt 3.1.2.

60

Entwicklung des Bezugsrahmens

DAVENPORT/PRUSAK sprechen daher auch von einem Wissensmarkt.287 Aufgabe des Wissensmanagements sollte also sein, eine möglichst hohe Relevanz sicherzustellen, d. h. eine möglichst hohe Übereinstimmung des zur Verfügung gestellten Wissens mit dem erforderlichen Wissen zu erreichen. Die Nachfrager müssen in einem ersten Schritt die Möglichkeit haben, die angebotenen Wissenselemente aufzufinden. Da die Inhalte meistens in elektronischen Wissensmanagement-Systemen vorgehalten werden, stehen hierzu üblicherweise zwei Wege offen. Zum einen können die Nutzer die Wissensbasis anhand von Stichworten durchsuchen. Alle Elemente, welche diese Worte enthalten, werden dem Nutzer angezeigt, wobei eine Sortierung nach Relevanz üblicherweise durch die Auswertung der Häufigkeit des Auftretens der Stichworte vorgenommen wird. Ergänzend oder als Alternative besteht die Möglichkeit, den Inhalten eine sinnvolle Struktur zu geben, indem sie in geeigneten Kategorien abgelegt werden. Die Nachfrager können dann durch das Aufrufen der gewünschten Kategorie potentiell relevantes Wissen zusammengefasst finden, was die Suchzeit erheblich verkürzen kann.288 Offensichtlich reicht das bloße Bereitstellen und Auffinden der Elemente nicht, diese müssen dann in einem zweiten Schritt auch tatsächlich genutzt werden. Die Nutzung des bereits vorhandenen Wissens muss durch die Mitarbeiter des Unternehmens anerkannt werden und entsprechend in der Kultur des Wissensmanagements verankert werden.289 Die Ermittlung, wann und wie Wissenselemente genutzt werden, erscheint jedoch problematisch. Vier Optionen werden in der Literatur genannt, welche im Folgenden genauer vorgestellt und diskutiert werden sollen: die technische Auswertung von Zugriffen auf ein Wissensobjekt, das „Feedback“ der Nutzer anhand einer Ordinalskala oder in Form von Kommentaren, sowie Querverweise. Bei der technischen Auswertung werden z. B. Anzahl der Zugriffe, Häufigkeit des Herunterladens bestimmter Dokumente oder Suchabfragen gezählt und analysiert. Hierbei bleibt jedoch offen, ob und wie die betroffene Person das Wissen genutzt hat. So kann das Wissenselement zwar heruntergeladen werden, nach dem Lesen stellt der Nutzer jedoch fest, dass das Wissen in seinem konkreten Problemfall gar nicht relevant war. Trotzdem erhöht sich die Zahl der Zugriffe. Diese technischen Auswertungen können somit lediglich Indikatoren sein, eine inhaltliche Aussage allein hierauf bauend ist jedoch nicht möglich.

287 288 289

Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 67 ff. Zu Möglichkeiten und Grenzen der Klassifizierung vgl. Königer/Reithmayer (1998), S. 44 ff. Vgl. Schneider (2001), S. 136 f.

61 Die Bewertung der Qualität von Wissensobjekten kann auch über sog. „Rating“Formulare erfolgen. Hierbei können Objekte durch den Nutzer anhand von einem Kriterium oder mehreren Kriterien mit Hilfe einer Ordinalskala eingeordnet werden: Positiv

.....

Negativ

Brauchbarkeit Genauigkeit Umfang Design Aktualität Metainformation

Abbildung 13 Beispiel für ein „Rating“-Formular290

Auch die Bewertung der Qualität eines Wissensobjekts anhand eines solchen „Rating“-Formulars erscheint problembehaftet. Wenn ein Nutzer ein Wissensobjekt nicht verwenden kann, weil es nicht auf seine konkrete Problemstellung passt, und damit als nicht relevant (bzw. in o. a. Beispiel die „Brauchbarkeit“ als negativ) bewertet, bedeutet dies nicht, dass es für die anderen Wissensnutzer ebenso irrelevant ist. Auch sind die anderen in dem Beispiel aufgezeigten Kriterien wenig aussagekräftig, ist das konkrete Bedürfnis der Nutzer doch sehr individuell. Was für den einen Mitarbeiter z. B. ein viel zu geringer Umfang ist, kann für einen anderen schon viel zu umfangreich sein; was für den einen schon veraltet ist, kann für den anderen noch aktuell sein. Der Auswertung kann hier also keine hohe Bedeutung zugedeutet werden, sie kann lediglich als Indikator dienen. Ein weiterer Ansatz betrifft Querverweise. Wenn ein Wissensobjekt genutzt wurde, kann hieraus im Rahmen der Anwendung neues Wissen entstehen. Wenn dieses neue Wissen seinen Weg in die Wissensbasis findet, so ist ein Querverweis auf das bestehende Wissensobjekt ein guter Hinweis darauf, dass dieses tatsächlich genutzt wurde.291

290 291

Eigene Darstellung in Anlehnung an Nohr (2001), S. 64. Allerdings kann hieraus kein Rückschluss auf die Qualität des Wissensobjekts gezogen werden. Für eine Diskussion zur Bedeutung von Querverweisen im Bereich von Veröffentlichungen vgl. Garfield (1979), S. 363 f. Querverweise haben den weiteren positiven Effekt, dass weniger Informationen redundant vorliegen und damit der Wartungsaufwand sinkt. Vgl. Bukowitz/Williams (2002), S. 102.

62

Entwicklung des Bezugsrahmens

Auch das „Feedback“ der Nutzer anhand von Kommentaren scheint Erfolg versprechend zu sein. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiter zu einem Wissensobjekt Kommentare zur Nützlichkeit und zur konkreten Art der Nutzung hinterlassen können. Da Qualität auch Qualität aus Nutzersicht bedeutet, erscheinen diese Aussagen zur Qualitätsbewertung besonders aufschlussreich.292 Die Kommentare wiederum können für andere Personen als zusätzliche Information zur Beurteilung des Wissenselements hilfreich sein. Außerdem können hieraus Hinweise gezogen werden, welches Wissen für die Organisation besonders relevant ist, so dass evtl. zusätzliche Investitionen in dieses Wissen weiter Nutzen stiftend sein können.

Fazit: Aufgabe des Wissensmanagements ist es, solche Wissenselemente zur Verfügung zu stellen, welche von den Mitarbeitern möglichst wieder genutzt werden können. Wichtig für den Erfolg ist jedoch die tatsächliche Nutzung des Wissens. Vier Möglichkeiten aus der Theorie wurden diskutiert, wie Unternehmen herausfinden können, welches Wissen in der Organisation anschlussfähig ist und auch tatsächlich genutzt wurde. Hierzu können technische Auswertungen und „Rating“Formulare dienen, diese haben jedoch eher den Charakter von Indikatoren. Querverweise und „Feedback“-Mechanismen in Form von Kommentaren scheinen hingegen eher erfolgversprechend zu sein um festzustellen, welches Wissen relevant war und tatsächlich wieder genutzt wurde. Offen geblieben ist jedoch noch die Antwort auf die Frage, welche dieser genannten Möglichkeiten in der unternehmerischen Praxis zur Anwendung gelangen. Daher soll im Rahmen der Fallstudienuntersuchung dieser Arbeit untersucht werden, ob und wie die Organisationen jenes Wissen identifizieren, welches für die Mitarbeiter nützlich ist und von diesen auch tatsächlich wieder genutzt wurde. Interessant ist auch die Frage, ob neben diesen Ansätzen noch weitere Lösungen in der Praxis realisiert wurden, welche durch die bisher vorliegende Theorie nicht abgedeckt sind.

3.4 Überprüfung und Aktualisierung des Wissens (Dimension „unrichtig“) Ein weiterer wichtiger Aspekt zur Sicherung der Qualität ist die Aktualisierung der vorhandenen Wissensbasis. Wie POPPER postuliert, ist prinzipiell jedes Wissen als vorläufig zu betrachten; selbst Experten können sich täuschen und auch ihr Wissen

292

Siehe Abschnitt 2.1.2.2.

63 kann überholt werden.293 Es ist also durchaus denkbar und wahrscheinlich, dass selbst qualifizierte Wissenselemente294 irgendwann einmal falsifiziert werden können. Aufgabe des Wissensmanagements ist es somit, Möglichkeiten bereitzustellen, mit deren Hilfe bereits bestehende Wissenselemente überprüft und ggf. aktualisiert werden können. Diese Überprüfung hat außerdem Einfluss auf die Akzeptanz des Wissensmanagements. Wenn die Wissensbasis qualitativ hochwertige und für den Nutzer zu gebrauchende Wissenselemente beinhaltet, wird das System akzeptiert und genutzt, was wiederum die Bereitschaft für Investitionen in das System fördert. Diese wiederum erhöhen die Qualität und damit wieder die Akzeptanz. Gelingt diese Aktualisierung nicht, so können Unternehmen in die sog. Todesspirale der Wissensbasis geraten: ... nimmt weiter ab

Nutzung des Systems

Investitionen in die Zugriffsfreundlichkeit

Vertrauen in die Daten

... wird noch schlechter

... geht weiter zurück

Datenqualität

... werden nicht vorgenommen

Abbildung 14 Todesspirale der elektronischen Wissensbasis295

Da sich menschliches Wissen derzeit ca. alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt296 und gleichzeitig die Halbwertszeit insbesondere des innovationsrelevanten Wissens weiter sinkt297, besteht somit relativ schnell die Gefahr eines Vertrauensverlustes, welcher zu Akzeptanzverlust und somit dem Kollabieren des Systems führen kann.298 Für FAHEY/PRUSAK ist die permanente Überprüfung und Aktualisierung sogar eine der drei kritischen Maßnahmen, mit welchen sich die größten Fehler im Wissensmanagement vermeiden lassen.299 Daher soll in diesem Abschnitt aus theoretischer Sicht diskutiert werden, wie Wissenselemente überprüft und aktualisiert werden können. Hierbei sollen zunächst 293 294 295 296 297 298 299

Vgl. Popper (1989), S. 262; Popper (2005), S. 9. Zu den Qualifizierungsfunktionen siehe Abschnitt 3.2.1. Eigene Darstellung in Anlehnung an Probst/Romhardt (1997), S. 139. Vgl. Braun/Langermann (2002), S. 50. Vgl. Glaser (2002), S. 123. Zur Bedeutung von Vertrauen im Wissensmanagement vgl. Ford (2004). Vgl. Fahey/Prusak (1998), S. 274 f. Für eine ähnliche Argumentation vgl. Schneider (2001), S. 93.

64

Entwicklung des Bezugsrahmens

mögliche Anlässe bzw. Gründe für eine Aktualisierung betrachtet werden. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten der Durchführung beschrieben.

3.4.1

Gründe für die Aktualisierung

Mögliche Gründe für eine Aktualisierung lassen sich anhand der dreifachen Kontextgebundenheit der gewonnenen Erfahrungen ableiten und entsprechen weitgehend den Gründen für eine Prüfung der Erfahrungen, bevor diese in das Wissensmanagement-System gelangen.300 Dies soll im Folgenden näher erläutert werden. Das einmal in das Wissensmanagement-System eingestellte Wissen kann durch Wiederholung in ähnlichen Situationen experimentell evaluiert werden. So können bei vergleichbaren Problemstellungen möglicherweise die gleichen Lösungsansätze zum Erfolg führen. Durch wiederholte Bestätigung bei verschiedenen ähnlichen Situationen kann sich das bereitgestellte Wissen also bewähren.301 Wenn jedoch bei einer Wiederholung in einer Situation diese Bewährung nicht eintritt, so wurde das Wissen falsifiziert. Die Nichtreproduzierbarkeit verhindert somit die Verallgemeinerung und neue, bessere Erklärungsmöglichkeiten müssen gefunden werden. Eine solche Falsifizierung könnte also ein Anlass für eine Aktualisierung des Wissenselements darstellen. Ein weiterer Grund, welcher eine Überprüfung und ggf. Aktualisierung des Wissens erforderlich machen kann, sind konkurrierende oder widersprüchliche Wissensinhalte. Konkurrierenden Wissenselemente können z. B. entstehen, wenn in zwei Abteilungen ähnliche Lösungsansätze zu einem bestimmten Problem entwickelt wurden. Daher stellt sich die Frage, in welcher Situation das eine Element dem anderen vorgezogen werden soll. Die Antwort hierauf dient einerseits der Präzisierung der Lösungsansätze, andererseits hilft sie dem Nutzer bei der Auswahl des in seiner Situation besser geeigneten Wissenselements. Bei widersprüchlichen Wissenselementen hingegen sind mehrere Lösungsansätze vorhanden, welche ganz oder teilweise widersprüchlich zueinander sind. Hierbei sollten die Gründe für die Differenz herausgearbeitet und somit der Widerspruch aufgelöst werden. Denkbar ist somit auch, dass beide Lösungsansätze möglich sind

300 301

Siehe Abschnitt 3.2. Zur Bedeutung des Begriffs „bewährt“ vgl. Popper (2005), S. 9.

65 – auch dann erscheint es sinnvoll, dieses Ergebnis festzuhalten und die Wissenselemente entsprechend zu präzisieren. Auch wenn das bereits in der Wissensbasis vorhandene Wissen diskursiv geprüft wurde, so können in der späteren Betrachtung doch Probleme auftreten, welche eine weitere und ggf. tiefer gehende Analyse und Diskussion der Geltungsansprüche erforderlich machen. So könnten sich z. B. seit dem Einstellen der Erfahrung in das Wissensmanagement-System die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert haben, so dass unter der neuen Rechtslage das Wissen evtl. keinen Bestand mehr hat oder ein entsprechendes Vorgehen sogar rechtswidrig wäre. Somit erscheinen verschiedene Konstellationen denkbar, welche eine Aktualisierung der Wissenselemente erforderlich machen könnten. Daher soll als nächstes intensiver beleuchtet werden, wie – abgeleitet aus der Theorie – eine solche Überprüfung vorgenommen werden könnte.

3.4.2

Durchführung der Aktualisierung

Offensichtlich werden Fehler in der Wissensbasis vor allem dann sichtbar, wenn das Wissen in einer Problemsituation wieder verwendet wird und hierbei Probleme auftreten. Das Wissensmanagement könnte also z. B. „Feedback“-Mechanismen bereitstellen und Möglichkeiten etablieren, wie Probleme in der Anwendung des entsprechenden Wissenselements dem Autor bzw. anderen Nutzer mitgeteilt werden. Hierbei genügt es nicht, lediglich den „Feedback“-Mechanismus vorzuhalten; nur eine regelmäßige Nutzung dieses Werkzeugs erfüllt den Zweck. COLLISON/PARCELL befürworten daher sogar eine Pflicht zum regelmäßigen „Feedback“ der Nutzer: „Instil a sense of obligation that‚ if you use it, then you should add to it’.“302 Es ist jedoch nicht zwangsläufig erforderlich, Probleme erst entstehen zu lassen, bevor diese Wissenselemente korrigiert werden. So können neue Erkenntnisse z. B. aus externen Quellen bezogen werden303, welche dann der Aktualisierung der Wissensbasis dienen können. Auch kann eine regelmäßige Überprüfung der Wissensbasis durchgeführt werden. Um die Überprüfung zu gewährleisten, können die Wissensobjekte hierzu einer Per-

302 303

Collison/Parcell (2004), S. 245. Siehe die Diskussion zum Wissensbaustein „Wissenserwerb“ in Abschnitt 2.1.3.2.

66

Entwicklung des Bezugsrahmens

son zugewiesen werden.304 Zwei Optionen scheinen sinnvoll umsetzbar zu sein. Einerseits könnte z. B. der Wissensmanager die Elemente der Wissensbasis regelmäßig dahingehend überprüfen, ob das Wissen noch anschlussfähig ist oder überarbeitet werden muss. Andererseits könnte man diese Aufgabe auch dem Autor des jeweiligen Wissenselements übertragen.305 Vorteilhaft an der zweiten Lösung ist offensichtlich der höhere Detailkenntnisgrad des Autors im Vergleich zu dem eher breit orientierten Wissensmanager. Andererseits kann sich der Zwang zur regelmäßigen Überprüfung auch negativ auf die Motivation zur Erstellung neuer Wissenselemente auswirken. Daneben ist außerdem fraglich, ob durch den Autor eine ausreichend kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Inhalten erfolgt. Schließlich können auch grundsätzliche Überlegungen zu einer Hinterfragung des bisher existierenden Wissens führen. So postulieren GIBBERT/KRAUSE, dass die Antwort auf die Frage, was die besten Praktiken in einer Organisation sind, von einer Vielzahl externer Einflussfaktoren abhängt306 und daher immer wieder neu diskutiert werden muss: „We found that the delineation of ‚best’ practices can only be achieved on an ongoing basis through constant negotiation and renegotiation of what constitutes ‚best’ on all levels of the company.“307 Bei der Aktualisierung von Wissenselementen kann es sinnvoll sein, die Entwicklung des Wissens nachvollziehbar zu machen, z. B. indem alle wesentlichen Zwischenschritte bewahrt werden. Dies hat theoretische als auch praktische Gründe. So fördert diese Sichtweise den Lernprozess der Unternehmung308 und hat auch den praktischen Vorteil, dass Veränderungen der Wissensbasis argumentativ einfacher nachvollzogen werden können und so Alternativen schneller diskutiert werden können.309 Hierbei muss jedoch wiederum die Problematik der Informationsüberflutung entsprechend berücksichtigt werden. Drei verschiedene Optionen können aus dem „Feedback“ der Nutzer bzw. der Überprüfung der Wissensbasis resultieren. Zunächst kann das Wissenselement um die zusätzlichen Erfahrungen ergänzt werden. Dies bedeutet, dass neue Erkenntnisse

304

305 306

307 308 309

Bergquist et al. sprechen von einem „Owner“ der Wissenselemente. Vgl. Bergquist et al. (2001), S. 106 f. Vgl. Bukowitz/Williams (2002), S. 101 f. Gibbert/Krause nennen exemplarisch Unternehmensziele, Marktumfeld, Firmenkultur oder die Kultur einzelner Abteilungen. Vgl. Gibbert/Krause (2002), S. 91. Gibbert/Krause (2002), S. 91. Vgl. Willke (2000), S. 24 ff. Für ein Praxisbeispiel in der Entwicklung vgl. Wallace (1994), S. 68.

67 das bisherige Wissen präzisieren, indem sie z. B. die Grenzen der Anwendung oder bisher noch nicht berücksichtigte Aspekte aufgreifen. Das Wissenselement bleibt damit in modifizierter Form erhalten. Denkbar wäre auch, dass das Wissenselement durch diese neuen Erfahrungen einem erneuten Diskurs unterworfen werden muss, da es in einem solchen Umfang falsifiziert wurde, dass eine erneute Betrachtung erforderlich ist. Schließlich kann die Anwendung zu derart erheblichen Konflikten führen, dass sogar eine Löschung des Elements in Erwägung gezogen werden sollte.310 Durch die wiederholte Erstellung von Wissen, dem Anwenden des Wissens, dem Feedback bei nicht erfolgreicher (oder auch erfolgreicher) Nutzung und der diskursiven Prüfung entsteht so ein Kreislauf, welcher die Wissensbasis idealerweise immer weiter schärft311 und so einen permanenten Lernprozess in Gang hält.312

Fazit: Aus der Theorie heraus konnten verschiedene Gründe für die Aktualisierung der Wissenselemente abgeleitet werden. Auch bereits qualifiziertes Wissen kann überholt werden. Wissen kann sich bewähren, jedoch können auch Widersprüche aufgedeckt werden. Daher erscheint es sinnvoll zu sein, die Wissensbasis zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Es konnten verschiedene theoretische Optionen aufgezeigt werden, wie ein solches Vorgehen realisiert werden könnte. Wie eine derartige Überprüfung und Aktualisierung allerdings in der Praxis konkret gestaltet werden kann, und wie genau eine solche Überarbeitung vorgenommen wird, kann bisher nur ungenügend beschrieben werden. Insofern besteht hier eine Lücke, welche mit der empirischen Untersuchung geschlossen werden soll.

3.5 Entsorgung unnötigen Wissens (Dimension „unwichtig“) Auch kann Wissen die Wissensbasis wieder verlassen. Dies kann ungewollt geschehen, jedoch auch auf Grundlage einer bewussten Entscheidung. Beim ungewollten Entfernen spricht man auch von organisationalem Vergessen. Hierbei kann man zwei Formen unterscheiden: im ersten Fall ist der Gedächtnisinhalt gelöscht und damit dauerhaft verloren, im zweiten Fall ist der Zugriff (befristet oder auf Dauer) nicht möglich. Ein Vergessen ist auf individueller, kollektiver und elektronischer Ebe-

310

311

312

Eine Alternative zur Löschung ist die Bewahrung dieser Erfahrung als „Fehler“; siehe Abschnitt 3.1.2. Zur Entsorgung von Wissen siehe Abschnitt 3.5. Die Möglichkeit, dass hierdurch auch falsche Aussagen in das ursprünglich richtige Wissen gelangen, kann nicht ausgeschlossen werden. Vgl. Wagner (2006), S. 72. Vgl. Schreyögg/Geiger (2006), S. 94.

68

Entwicklung des Bezugsrahmens

ne möglich, so dass verschiedene Ausprägungen (möglicherweise sogar gleichzeitig) auftreten können. Die folgende Tabelle fasst die Formen des organisationalen Vergessens anhand der Art des Vergessens (Ordinate) und der betroffenen Betrachtungsebene (Abszisse) zusammen: Individuell

Tabelle 4

3.5.1

Elektronisch

Kündigung Tod Amnesie Frühpensionierung

• Auflösung eingespielter Teams • Reengineering • Outsourcing von Funktionsbereichen

• Irreversibler Datenverlust (z. B. durch Viren, Hardwarefehler, Systemabstürze)

Befristet

• • • • •

Überlastung (befristet) Versetzung Krankheit/Urlaub Mangelndes Training Dienst nach Vorschrift

• Tabuisierung alter Routinen • Kollektive Sabotage

• Reversibler Datenverlust • Überlastung (befristet) • Schnittstellenproblem

Auf Dauer

• Überlastung (permanent) • Kein Bewusstsein für Wichtigkeit des eigenen Wissens • Innere Kündigung

• Verkauf von Unternehmensteilen • Abwanderung von Teams • Cover-up

• Dauerhafte Inkompatibilität von Systemen • Überlastung (permanent) • Falsche Kodifizierung

Gedächtnisinhalt wird gelöscht

Zugriff nicht möglich

Kollektiv

• • • •

Formen des organisationalen Vergessens313

Gründe für die Entsorgung von Wissen

Neben dem ungewollten Vergessen kann das Entfernen von bereits bestehendem Wissen aus einem Wissensmanagement-System auch gewollt sein. Ziel ist hierbei die Vermeidung von Informationsüberflutung durch Konzentration auf das Wesentliche (vergleichbar mit der Dimension „wichtig“) und somit die Entsorgung unwesentlicher Inhalte. Im Folgenden wird die bewusste Entscheidung zum Entfernen unwichtigen Wissens diskutiert. Mehrere Gründe können hierzu Anlass geben: Wissen veraltet Mit der zunehmenden Geschwindigkeit, mit welcher neues Wissen generiert wird und zur Verfügung steht, werden Wissenselemente auch immer mehr zu Gemeingut und mithin stellen sie keinen Wissensvorsprung mehr dar. Wesentlich ist jedoch das Wissen, das über dieses allgemein verfügbare Wissen hinausgeht: 313

Eigene Darstellung in Anlehnung an Probst et al. (2006), S. 208.

69 „What is scarce and difficult to obtain is not access to knowledge per se but to incremental knowledge, to a ‚marginal unit’ of knowledge. The greater the tempo with which incremental knowledge ages or decays, the greater the influence of those who manufacture or augment knowledge, and correspondingly, of those who transmit such increments […]“314 Insbesondere in innovationsgetriebenen Branchen unterliegt das Wissen einer sinkenden Halbwertszeit.315 Solches Wissen, welches keinen Wettbewerbsvorteil mehr darstellt, könnte die Wissensbasis also evtl. wieder verlassen. Redundantes Wissen In einer Wissensbasis kann redundantes Wissen auftreten, d. h. mehrere Wissensobjekte mit vergleichbarem Inhalt sind vorhanden. Dies kann z. B. geschehen, wenn sich Mitarbeiter nicht bereits vor Einstellung an dem vorhandenen Wissen orientieren, oder ähnliche Inhalte in verschiedenen Abteilungen oder „Communities of Practice“ erarbeitet werden. Um zu verhindern, dass die Wissensnutzer eine größere Anzahl an ähnlichen Wissensobjekten zu einem Thema durchsehen müssen, um das für sie geeignete herauszufinden, könnte es sinnvoll sein, die Wissensbasis durch Konzentration solcher Wissensobjekte bzw. Eliminierung redundanten Wissens zu optimieren.316 Neuorientierung der Organisation Auch wenn sich die Organisation neu orientiert, können Teile der Wissensbasis möglicherweise überflüssig werden. BUKOWITZ/WILLIAMS zeigen u. a. folgende Managemententscheidungen auf, die eine Bereinigung der Wissensbasis zur Folge haben können317:

314 315

316

317

x

Veräußerung eines Patents,

x

Veräußerungen von Geschäftsteilen,

Stehr (2005), S. 307. Hervorhebungen wie im Original. Vgl. Glaser (2002), S. 123. Teilweise kann Wissen so schnell veralten, dass sich der Aufbau von Fachwissen kaum noch lohnt. Vgl. Degele (2002), S. 9. Vgl. Bukowitz/Williams (2002), S. 101. Nonaka argumentiert, dass Redundanz auch positive Eigenschaften besitzen kann. So zeigen mehrere ähnliche Wissenselemente, welche Inhalte für die Unternehmung von besonderer Bedeutung sind. Durch das mehrfache Auftreten können diese einfacher in der Organisation zirkulieren und regen so zu intensiveren Diskussionen an. Vgl. Nonaka (1991), S. 102 f. Vgl. Bukowitz/Williams (2002), S. 387.

70

Entwicklung des Bezugsrahmens x

Bezug einer Dienstleistung oder eines Produkts von Externen,

x

Ersatz oder „Upgrade“ von IT-Systemen, und

x

Kündigung von Partnerschaften oder Verträgen.

Das Festhalten an Erfahrungen der Vergangenheit kann einen Neuanfang sogar erschweren, wenn sich die Organisation z. B. an ein stark verändertes Marktumfeld anpassen muss. So fordert HEDBERG, dass sich Unternehmen in einem solchen Fall von diesen Erfahrungen radikal trennen sollten, um den Neuanfang überhaupt erst zu ermöglichen.318 Nützlichkeit fraglich Auch wenn während des Prozesses der Wissenserstellung die Frage nach der potentiellen Nützlichkeit bejaht wurde (Dimension „wichtig“), so ist es durchaus denkbar, dass dieses Wissen in der Organisation nicht oder sehr selten verwendet wurde. Offensichtlich war das Wissen also nicht sehr relevant für die Mitarbeiter (Dimension „relevant“). Dies kann z. B. der Fall sein, wenn das Wissenselement sehr speziell ist oder ähnliche bzw. konkurrierende Wissenselemente als nützlicher angesehen wurden. Daher stellt sich die Frage, ob für solche Elemente weiterhin Ressourcen aufgewendet werden sollen.319 BUKOWITZ/WILLIAMS sehen eine Entsorgung dieser Wissenselemente sogar als zwingend an: „Knowledge that serves no current or future purpose must be cleared out to free up and focus resources on achieving the future vision.“320 Hierbei ergibt sich jedoch die Problematik, dass das Wissen zwar möglicherweise bisher nicht benötigt wurde, es jedoch schwierig zu erkennen ist, ob es auch in Zukunft nicht mehr gebraucht wird (analog zur Dimension „wichtig“).

3.5.2

Durchführung der Entsorgung

Wie also können Wissenselemente identifiziert werden, welche nicht mehr erforderlich sind? Zwei prinzipielle Vorgehensweisen scheinen möglich zu sein: die automatische Löschung oder eine manuelle Löschung. Bei der automatischen Löschung werden Wissenselemente bei der Erstellung mit dem aktuellen Datum versehen. Sobald dieses Datum mehr als einen definierten Zeitraum (z. B. drei Jahre) zurück318 319 320

Vgl. Hedberg (1981), S. 18. Vgl. Eschenbach/Geyer (2004), S. 35. Bukowitz/Williams (1999), S. 264.

71 liegt, wird die Datenbasis um diese Elemente bereinigt.321 Denkbar wäre dies v. a. in Organisationen, in welchen bekannt ist, dass das Wissen nicht lange Bestand hat, wie z. B. Steuerberatungen oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Vorteil dieses Vorgehens ist, dass für diesen Prozess kaum Ressourcen erforderlich sind; ein Wissensmanagement-System kann eine solche Aufgabe unproblematisch durchführen. Nachteilig wirkt sich jedoch aus, dass ein solcher automatisierter Prozess keine Unterscheidung trifft zwischen tatsächlich veraltetem Wissen und solchem Wissen, das evtl. nochmals gebraucht werden könnte, weil es länger Bestand hat. Auch manuelle Löschprozesse erscheinen praktikabel. Hierbei prüfen Personen die Wissenselemente manuell auf ihre mögliche Relevanz. Indikatoren können die Entscheidung unterstützen; so ist z. B. denkbar, dass in einem ersten Schritt wenig abgerufene oder alte Wissenselemente identifiziert werden, welche dann in einem zweiten Schritt manuell überprüft und ggf. gelöscht werden. Eine Alternative hierzu wäre die (manuelle) Auswertung von Kommentaren der Nutzer bzgl. der Qualitätseinschätzung bzw. der Nützlichkeit. Eine Alternative zu Löschprozessen stellt die Verwendung von Filtermechanismen bei der Suche nach geeigneten Wissensobjekten dar. Statt Elemente zu löschen, werden diese aufgrund der von den Nutzern einstellbaren Filterkriterien bei den Suchergebnissen nicht dargestellt, weil z. B. ein definiertes Alter überschritten wurde.322 Diese Herangehensweise bietet den Vorteil, dass Wissenselemente nicht fälschlicherweise gelöscht werden, obwohl sie evtl. nochmals gebraucht werden könnten. Problematisch ist jedoch die dabei zwangsläufig steigende Menge an Wissenselementen mit den oben beschriebenen negativen Konsequenzen. Einen Kompromiss zur Löschung stellt die Archivierung dar: statt (endgültiger) Entsorgung bzw. Vernichtung empfiehlt LÜBBE eine „zukunftsorientierte und schnelle Musealisierung“323 des Wissens.

Fazit: Verschiedene Gründe für das Entfernen von Wissen aus der Wissensbasis konnten aus der Theorie heraus erarbeitet werden. Die Entsorgung von Wissenselementen ist jedoch mit dem Problem behaftet, dass nur schwer ermittelt werden kann, welches Wissen in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erforderlich ist.

321 322 323

Vgl. Kopp (2005), S. 107. Vgl. Beinhauer (2004), S. 134. Lübbe (1987), S. 284 f.

72

Entwicklung des Bezugsrahmens

Ob eine solche Bereinigung der Wissensbasis um unnötige Elemente in der Praxis auftritt, und welche der genannten Optionen zur Entfernung von Wissen praktikabel sind, wurde bislang noch nicht intensiver erforscht. Daher soll im Rahmen der folgenden empirischen Studie geklärt werden, wie die Unternehmen in der Praxis mit dieser Herausforderung umgehen.

3.6 Zwischenfazit Das Zwischenfazit fasst den bisherigen theoretischen Erkenntnisstand der Arbeit zusammen. Ziel des dritten Kapitels war es, für jede der fünf betrachteten Dimensionen des erarbeiteten Bezugsrahmens324 Aussagen aus der Theorie abzuleiten, um hiermit Ansätze und Möglichkeiten zur Qualitätssicherung im Wissensmanagement beschreiben und erklären können. Hierzu konnte gezeigt werden, dass in der existierenden Literatur bereits einige theoretische Ansätze vorhanden sind, welche für die Betrachtung der Dimensionen geeignet erscheinen. So wurde bereits durch mehrere Autoren formuliert, dass eine Selektion des bewahrungswürdigen Wissens vorliegen müsse, um nur die für die Unternehmung bedeutsamen Inhalte in das Wissensmanagement aufzunehmen (Dimension „wichtig“).325 Allerdings konnte auch dargelegt werden, dass die Frage, welches Wissen nun konkret aufzunehmen sei, nicht einfach zu beantworten ist und sich hierbei verschiedene Probleme stellen. Wie die unternehmerische Praxis mit diesen Herausforderungen umgeht und wie die Mitarbeiter wichtiges und unwichtiges Wissen unterscheiden, wurde bisher noch nicht ausreichend untersucht. Auch im Bezug auf die Dimension „richtig“ konnten ebenfalls mehrere Ansätze aus der Theorie heraus identifiziert werden, wie neue Erkenntnisse einem Prüfprozess unterworfen werden können und somit zu Wissen i. S. dieser Arbeit werden können.326 So können solche Inhalte z. B. in einem Expertengremium diskutiert und auf ihre Verallgemeinerbarkeit hinterfragt werden. Offen geblieben ist jedoch, wie die Unternehmen mit dem Problem der Qualifikation, also der Überprüfung der Richtigkeit in der täglichen Praxis umgehen, und welche Verfahren zur Validierung eingesetzt werden. Insofern besteht auch hier eine Lücke zwischen den theoretischen Ansätzen und der praktischen Ausgestaltung.

324 325 326

Siehe Abschnitt 2.2. Siehe Abschnitt 3.1. Siehe Abschnitt 3.2.

73 Eine solche Lücke existiert ebenfalls bei der Betrachtung der existierenden Ansätze zur Nutzung des Wissens (Dimension „relevant“).327 Hier ist die Diskrepanz sogar besonders augenfällig: zwar konnten einerseits verschiedene Möglichkeiten aus der existierenden Literatur heraus aufgezeigt werden, wie Unternehmen feststellen können, welche Wissensinhalte tatsächlich wieder durch die Mitarbeiter genutzt wurden, andererseits wurde ebenfalls diskutiert, dass diese ganz spezifische Eigenheiten und auch Nachteile besitzen können. So wurde z. B. das Problem beschrieben, dass „Download“-Zahlen lediglich als Indikatoren, jedoch nicht als Beleg für eine tatsächliche Nutzung des Wissens dienen können. Auch hier ist die Antwort auf die Frage offen geblieben, wie die Unternehmen diesem Problem begegnen. Die Dimension „unrichtig“ ist theoretisch besser fundiert. So lassen sich mehrere Gründe für eine Überprüfung finden und auch verschiedene Methoden zur Durchführung einer Aktualisierung herausarbeiten.328 Allerdings stellt sich auch hier die Frage, welche der Verfahren in der unternehmerischen Praxis zur Anwendung gelangen und ob die Unternehmen ggf. sogar weitere Herangehensweisen für sich gefunden haben. Im letzten Abschnitt wurde schließlich diskutiert, wie veraltete Inhalte wieder ihren Weg aus dem Wissensmanagement heraus finden können (Dimension „unwichtig“).329 Hierbei wurde deutlich, dass es verschiedene Gründe bzw. Anlässe geben kann, weshalb Wissen wieder entsorgt werden kann. Darauf aufbauend konnten aus der Theorie heraus mehrere Wege aufgezeigt werden, wie eine Löschung von Inhalten durchgeführt werden könnte. Auch hier hat sich gezeigt, dass noch untersucht werden muss, welche Optionen in der unternehmerischen Realität sinnvoll wahrgenommen werden. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass zu jeder der fünf betrachteten Dimensionen Möglichkeiten aus der Literatur heraus identifiziert werden konnten, wie die existierende Theorie zur Betrachtung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement beitragen kann. Bei jeder einzelnen Dimension hat sich jedoch die Frage gestellt, wie denn die Unternehmen in der täglichen Praxis mit den beschriebenen Herausforderungen umgehen bzw. welche Lösungen umgesetzt werden. Insofern kann hier eine systematische Lücke identifiziert werden. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit soll sein, mit Hilfe einer empirische Studie Antworten auf diese Fragen zu

327 328 329

Siehe Abschnitt 3.3. Siehe Abschnitt 3.4. Siehe Abschnitt 3.5.

74

Entwicklung des Bezugsrahmens

geben und somit erste Ansätze aufzuzeigen, um diese Lücke zu schließen. Im folgenden Kapitel werden Methodik und Vorgehen bei der empirischen Erhebung sowie die betrachteten Fallstudien vorgestellt.

4 Fallstudienanalyse Ziel des vierten Kapitels ist die Untersuchung des theoretischen Bezugsrahmens anhand von Fallstudien. Hierzu wird die Fallstudienmethodik zunächst beschrieben und dann in den wissenschaftlichen Forschungskontext eingeordnet sowie Vorbereitung, Durchführung und Analyse der Fallstudien beschrieben. Danach werden zehn Fallstudien vorgestellt und die Qualitätssicherung in dem jeweiligen Wissensmanagement analysiert. Die fallstudienübergreifende Analyse wird dann in Kapitel 5 vorgenommen.

4.1 Methodik und Vorgehen

4.1.1

Fallstudien als Forschungsmethodik

Da im Wissensmanagement wie gezeigt lediglich einige singuläre theoretische Ansätze zur Qualitätssicherung vorliegen, sollen mit Hilfe dieser Arbeit explorativ neue Erkenntnisse über das Thema Qualitätssicherung gewonnen werden. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde die theoriegeleitete Fallstudienmethodik nach YIN gewählt.330 Die Fallstudienmethodik ist v. a. dann geeignet, wenn: x

es sich um Fragen nach dem „wie“ und/oder „warum“ handelt,

x

es sich um eine empirische Untersuchung eines aktuellen Phänomens in seinem realen Kontext handelt, bei welchem die Grenzen zwischen Phänomen und Kontext nicht klar abgrenzbar sind, und

x

der Forscher keinen Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand hat.331

Alle drei Voraussetzungen treffen hier zu. Anhand der Fallstudien soll einerseits untersucht werden, wie die Qualitätssicherung bei den betrachteten Unternehmen vonstatten geht, andererseits soll auch dem „warum“ auf den Grund gegangen werden, um auf Basis der Erkenntnisse Aussagen zur Gestaltung des Wissensmanagements treffen zu können. Weiterhin soll die Untersuchung den aktuellen Stand des Wissensmanagements abbilden und erhellen. Schließlich kann in diesem Kontext nur

330 331

Vgl. hier und im Folgenden Yin (2003). Vgl. Yin (2003), S. 3 ff. und S. 13.

76

Fallstudienanalyse

eine Betrachtung von außen in die Unternehmen hinein erfolgen, ein Einfluss des Forschenden auf den Untersuchungsgegenstand kann mithin verneint werden. Weitere wesentliche Merkmale der Fallstudienmethodik nach YIN sind die Vielzahl möglicher Variablen, der Einbezug verschiedener Quellen und Methoden zur Datensammlung, sowie die vorangehende Überprüfung der Literatur auf existierende theoretische Ansätze, welche die Datensammlung und Analyse leiten sollen. Insbesondere der letzte Aspekt stellt einen deutlichen Unterschied zum theorielosen Vorgehen nach EISENHARDT dar.332 Dort erfolgt die Fallstudienuntersuchung ohne zugrunde liegende Theorien oder Hypothesen.333 Erst auf Basis der gewonnnen Erkenntnisse werden dann Hypothesen erarbeitet, welche im nächsten Schritt mit der vorhandenen Theorie verglichen werden.334 Die frühe Einbeziehung einer breiten theoretischen Basis bei der Fallstudienmethodik nach YIN erlaubt bereits bei der Wahl der Fallstudien sowie der Durchführung der Fallstudienuntersuchung eine entsprechende Berücksichtigung aller relevanten Aspekte.335 Als Forschungsmethode müssen Fallstudien einem definierten Prozess folgen.336 Hierbei wurde ein induktives Vorgehen gewählt: auf Basis der vorhandenen theoretischen Ansätzen wird zunächst ein Bezugsrahmen entwickelt, welcher dann in einem zweiten Schritt durch die Fallstudienergebnisse präzisiert wird. Da bisher noch wenige Erkenntnisse über die Qualitätssicherung im Wissensmanagement vorliegen, wurde für die vorliegende Fragestellung eine Querschnittsstudie mit mehreren Untersuchungsobjekten gewählt. Die vorliegende Arbeit basiert hauptsächlich auf Experteninterviews, welche durch öffentlich zugängliche Informationen337 ergänzt werden. Interviews gehören zu den wichtigsten Datenquellen bei Fallstudienuntersuchungen.338 Im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen werden Experteninterviews bevorzugt, da „Experten ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“339 Insbesondere bei Organisations-

332 333 334 335 336 337

338 339

Vgl. Eisenhardt (1989). Vgl. Eisenhardt (1989), S. 536. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 541 ff. Vgl. Paré (2004), S. 239. Vgl. Yin (2003), S. 3 ff. Dies sind insbesondere die jeweiligen Internet-Auftritte der Unternehmen sowie Zeitschriftenbeiträge und Artikel in Fachbüchern. Vgl. Yin (2003), S. 89. Gläser/Laudel (2004), S. 10. Vgl. auch Bogner/Menz (2005); Meuser/Nagel (2005). Andere Interviewabgrenzungen sind z. B. problemorientierte, fokussierte, narrative oder episodische Inter-

77 analysen können sie wertvolle Hinweise sowohl zu Prozess- als auch zu Inhaltsfragen geben.340

4.1.2

Einordnung von Fallstudien in den Forschungsprozess

Je nach Forschungsproblematik sind neben dem soeben beschriebenen Ansatz noch weitere Vorgehensweisen im Rahmen der Forschung möglich, auf welche im Folgenden eingegangen werden soll, um die Abgrenzungen zu dem für die durchgeführte empirische Studie getroffenen Vorgehen zu verdeutlichen. Folgende Abbildung zeigt die Einordnung der Fallstudien (engl. „Case Studies“) in den wissenschaftlichen Forschungsprozess nach SAUNDERS ET AL.341 Der Forschende soll hierbei, von außen nach innen vorgehend, verschiedene Fragestellungen beantworten, um die für das zu untersuchende Problem geeignete Forschungsmethodik abzuleiten.342

340 341

342

views. Vgl. z. B. Merton/Kendall (1984); Flick (1996), S. 147 ff.; Mey (2000); Schorn (2000); Witzel (2000); Schorn/Mey (2005), S. 293; Helfferich (2005), S. 24 f. Vgl. Froschauer/Lueger (2005), S. 226. Falls nicht anders angegeben, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf Saunders et al. (2003). Eine konsequente Anwendung dieses Vorgehens findet sich z. B. bei Wufka (2007).

78

Fallstudienanalyse

Positivism

Research philosophy

Experiment Deductive Research approaches

Survey Cross sectional Sampling Secondary data Observation Interviews Questionnaires

Case study

Longitudinal

Grounded theory Ethnography

Action research

Realism

Research strategies

Time horizons Inductive

Interpretivism

Data collection methods

Abbildung 15 Einordnung von Fallstudien in den Forschungsprozess343

Forschungsphilosophie (Research philosophy) Die Forschungsphilosophie beschreibt die grundsätzliche Einstellung des Forschenden zur Generierung von Wissen. Drei Forschungsphilosophien werden von SAUNDERS ET AL. besonders hervorgehoben: der Positivismus, der Realismus und der Konstruktivismus. Da diese teilweise bereits vorgestellt und diskutiert wurden344, soll hier insbesondere auf die forschungsspezifischen Besonderheiten eingegangen werden:

343 344 345

x

Der Positivismus (Positivism) geht davon aus, dass Erkenntnisse aus der Beobachtung von Phänomenen gezogen werden können und diese in Regeln verallgemeinert werden können. Diesen Ansatz verfolgen insbesondere die Naturwissenschaften, welche versuchen, auf Basis der Ergebnisse quantitativer Methoden allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.345

x

Vertreter des Konstruktivismus (Interpretivism) hingegen vertreten die Ansicht, dass in den Wirtschaftswissenschaften (aber auch anderen Wissen-

Eigene Darstellung in Anlehnung an Saunders et al. (2003), S. 83. Siehe Abschnitt 2.1.1.1. Vgl. Remenyi et al. (1998), S. 32.

79 schaften) die Zusammenhänge vielfach komplexer und oft auch einzigartig sind, so dass kaum solche Regelmäßigkeiten abgeleitet werden können. Aufgrund der heterogenen Ansichten, die verschiedene Personen einer Situation beimessen, muss der Forscher versuchen, diese zu interpretieren und so zu verstehen.346 Daher werden hier v. a. qualitative Methoden wie z. B. Beobachtungen eingesetzt. x

Der Realismus (Realism) schließlich geht davon aus, dass es eine Wirklichkeit gibt, welche unabhängig vom menschlichen Glauben oder Denken existiert. So existieren z. B. in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Einflüsse und Wechselwirkungen, ohne dass diese den betroffenen Personen bewusst sind. Der Forscher muss also individuelle Interpretationen eines Phänomens untersuchen, um größere soziale Strukturen oder Effekte verstehen zu können.347 Daher können hier qualitative oder quantitative Methoden oder auch Kombinationen hiervon sinnvoll sein.348

Bei der hier gewählten Forschungsmethodik nach YIN handelt es sich um eine Forschungsstrategie, die dem Realismus zuzuordnen ist, da der Fokus auf dem tiefer gehenden Verständnis von Wissensmanagement-Prozessen liegt, welche durch verschiedene Personen beschrieben und unterschiedlich interpretiert werden. Forschungsansatz (Research approach) Die Wahl des geeigneten Forschungsansatzes wird dadurch bestimmt, wie eindeutig die zu verwendende Theorie zu Forschungsbeginn vorliegt:

346 347 348 349 350

x

Bei dem deduktiven (deductive) Forschungsansatz werden bestehende Theorien über kausale Zusammenhänge von Variablen in der Praxis überprüft. Hierfür werden Hypothesen aufgestellt, welche dann anhand quantitativer (statistischer) Methoden validiert werden.349 Man spricht daher auch vom Theorie prüfenden bzw. quantitativen Ansatz.

x

Beim induktiven (inductive) Forschungsansatz hingegen werden zunächst empirische Daten über eine Problemstellung erhoben und analysiert. Auf Basis der Ergebnisse werden anschließend Hypothesen abgeleitet.350 Ziel die-

Vgl. Saunders et al. (2003), S. 84. Vgl. Saunders et al. (2003), S. 84 f. Vgl. Riege (2003), S. 77. Eine genauere Beschreibung hierzu findet sich etwa bei Robson (1993), S. 19. Für eine detailliertere Beschreibung des Prozesses vgl. Eisenhardt (1989), S. 533.

80

Fallstudienanalyse ses Forschungsansatzes ist es, das Problem und seine Einflussfaktoren besser zu verstehen und so zur Entwicklung neuer Theorien beizutragen. Dieser Ansatz wird daher auch als Theorie entwickelnder oder qualitativer Ansatz bezeichnet.

Eine weitere Klassifizierung, welche in o. a. Abbildung nicht aufgeführt ist, bezieht sich auf das Ziel der Forschung. So lassen sich deskriptive, explanative und explorative Forschungsziele unterscheiden351: x

Das Ziel deskriptiver Studien ist die möglichst genaue Beschreibung von Personen, Ereignissen oder Situationen. Sie ziehen selbst keine Schlüsse, können jedoch als Grundlage für weitere Untersuchungen genutzt werden.

x

Mit Hilfe explanativer Studien werden Kausalbeziehungen zwischen verschiedenen Variablen untersucht und erklärt. Häufig finden hierbei quantitative (statistische) Methoden Anwendung.

x

Explorative Studien hingegen sind v. a. dann geeignet, wenn neue Erkenntnisse gewonnen werden sollen bzw. bekannte Phänomene aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden sollen. Hierbei kann im Fortgang der Untersuchung flexibel auf neue Herausforderungen und Aspekte reagiert werden, wodurch solche Studien zu Untersuchungsbeginn sehr breit aufgestellt sind und sich im Verlauf der Untersuchung dann fokussieren.

Da im Wissensmanagement wie gezeigt lediglich einige singuläre Ansätze zur Qualitätssicherung vorliegen, sollen mit Hilfe dieser Arbeit explorativ neue Erkenntnisse über das Thema Qualitätssicherung gewonnen werden. Hierbei wurde ein induktives Vorgehen gewählt: auf Basis der Analyseergebnisse der Fallstudienuntersuchung sollen neue Thesen formuliert werden. Forschungsstrategie (Research strategy) Auf Basis der Forschungsphilosophie und des Forschungsansatzes kann die Forschungsstrategie festgelegt werden, wobei einige Forschungsstrategien eindeutig dem deduktiven oder induktiven Vorgehen zugeordnet werden können: x

351

Experimente werden insbesondere in den Naturwissenschaften eingesetzt. Hierbei werden zunächst Hypothesen entwickelt, welche dann durch Mes-

Vgl. hier und im Folgenden Robson (2002), S. 59; Saunders et al. (2003), S. 96 ff.; Yin (2003), S. 3.

81 sungen unter verschiedenen Bedingungen oder Zeitpunkten überprüft werden.352 Sie lassen sich somit dem deduktiven Ansatz zuordnen.

352 353 354 355 356

357 358

359

360

x

Umfragen (Surveys) ist eine in den Wirtschaftswissenschaften häufig anzutreffende Forschungsstrategie. Sie kann ebenso zu den deduktiven Ansätzen zugeordnet werden, da hierbei üblicherweise anhand standardisierter Fragebögen große Mengen an Daten erhoben und statistisch analysiert werden.353

x

Die Fallstudien (Case study) Forschungsstrategie kann definiert werden als „a strategy for doing research which involves an empirical investigation of a particular contemporary phenomenon within its real life context using multiple sources of evidence“354. Sie ist v. a. geeignet, um Fragen nach dem „wie“ und „warum“ zu beantworten355 und ist damit sowohl für den deduktiven als auch für den induktiven Forschungsansatz geeignet.356

x

Die Grounded theory Strategie geht auf GLASER/STRAUSS zurück357 und wird v. a. dem induktiven Forschungsansatz zugerechnet. Hierbei beginnt die Datensammlung ohne vorab entwickelten Theorierahmen. Die Theorie wird aus der Analyse der Daten entwickelt, die so erarbeiteten Ableitungen werden dann wiederum in der Praxis getestet und weiter präzisiert.358

x

Ethnography ist eine in den Wirtschaftswissenschaften weniger gebräuchliche induktive Forschungsstrategie, bei welcher die Interpretation eines sozialen Kontexts durch verschiedene Subjekte observiert und wiederum interpretiert wird.359

x

Bei der Aktionsforschung (Action research) werden im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext Veränderungsprozesse innerhalb einer Unternehmung erforscht.360 Der Forscher ist hierbei Teil der Organisation und beobachtet

Vgl. Saunders et al. (2003), S. 91 f. Vgl. Saunders et al. (2003), S. 92. Robson (2002), S. 178. Vgl. Yin (2003), S. 1 ff. Yin schlägt zur Durchführung von Fallstudien einen deduktiven Ansatz vor, indem das Forschungsdesign an einem theoretischen Bezugsrahmen ausgerichtet wird. Vgl. Yin (2003), S. 28 ff. In Abgrenzung hierzu propagiert Eisenhardt einen induktiven Ansatz, bei welchem zunächst möglichst ohne theoretische Grundlagen die Fallstudien durchgeführt werden und erst nach Abschluss der Datenerhebung die Literatur „entfaltet“ wird. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 544 f. Vgl. Glaser/Strauss (1967); Strauss/Corbin (1994). Aufgrund dieses iterativen Vorgehens zählen Hussey/Hussey diese Forschungsstrategie sowohl zu den induktiven als auch zu den deduktiven Ansätzen. Vgl. Hussey/Hussey (1997). Vgl. Saunders et al. (2003), S. 93. In Abgrenzung hierzu können Fallstudien auch ohne direkte Observation durchgeführt werden. Vgl. Yin (2003), S. 14 f. Vgl. Cunningham (1997).

82

Fallstudienanalyse und begleitet den Prozess361, die Erkenntnisse werden dann auf ihre Verallgemeinerbarkeit überprüft. Diese Strategie lässt sich somit dem induktiven Ansatz zuordnen.

Als Forschungsstrategie wurde die Fallstudienmethodik nach YIN gewählt, da diese v. a. dann geeignet ist, wenn Fragen nach dem „wie“ und „warum“ beantwortet werden sollen. Beides ist hier der Fall: zunächst verfolgt diese Arbeit das Ziel, bestehende Ansätze zur Qualitätssicherung im Wissensmanagement zu identifizieren („wie“), außerdem sollen die zugrunde liegenden Maxime beleuchtet werden(„warum“). Zeithorizont (Time horizon) Außerdem muss der Forscher einen geeigneten Zeithorizont für seine Fragestellung definieren, wobei die Wahl grundsätzlich unabhängig von der gewählten Forschungsstrategie ist362: x

Bei Längsschnittstudien (Longitudinal) wird eine Untersuchung über einen längeren Zeitraum durchgeführt, um Veränderungen im Zeitablauf beschreiben und analysieren zu können.

x

Querschnittsstudien (Cross-sectional) hingegen untersuchen ein gewisses Phänomen zu einem gegebenen Zeitpunkt, üblicherweise über mehrere Untersuchungsobjekte hinweg.

Für die vorliegende Arbeit wurde eine Querschnittsstudie mit mehreren zu untersuchenden Fallstudien gewählt, um eine möglichst breite Vielfalt an verschiedenen Ansätzen analysieren zu können. Methode der Datensammlung (Data collection method) Abschließend ist die Methode der Datensammlung zu definieren. Hierbei müssen zunächst geeignete Untersuchungsobjekte ausgewählt werden (Sampling).363 Zur Datensammlung selbst stehen dann u. a. folgende Methoden zur Verfügung, wobei mehrere Methoden im Rahmen einer Untersuchung eingesetzt werden können364:

361 362 363 364

Vgl. Eden/Huxham (1996), S. 75. Vgl. hier und im Folgenden Saunders et al. (2003), S. 95 f. Zur Fallauswahl siehe Abschnitt 4.1.3.1. Vgl. Robson (2002), S. 223 ff.

83 x

Die Beobachtung (Observation) fördert die Erkenntnis über das Untersuchungsobjekt aus externer Sicht.365 Wissenschaftliche Beobachtungsverfahren können hierbei in weiteren Dimensionen unterschieden werden, etwa ob der Beobachter am Feldgeschehen selbst teilnimmt oder nicht, oder ob eine verdeckte oder offene Beobachtung stattfindet.366

x

Im Rahmen von Interviews ist eine direktere Interaktion mit den Mitarbeitern des zu untersuchenden Unternehmens möglich. Hierbei sind standardisierte Interviews von teilstandardisierten bzw. offenen Interviews abzugrenzen. Während bei standardisierten Interviews einem starren Ablauf und vorgegebenen Antwortkategorien gefolgt wird, kann der Forscher bei teilstandardisierten Interviews vom Gesprächsleitfaden abweichen und durch Nachfragen zusätzliche wertvolle Informationen gewinnen. Bei offenen Interviews hingegen wird auf Fragevorgaben weitgehend verzichtet.367

x

Fragebögen (Questionnaires) hingegen sind weitgehend standardisiert, wodurch sie für quantitative Studien mit statistischen Auswertungsverfahren besonders geeignet sind.

Außer diesen Methoden der Primärdatenerhebung kann auch auf Daten zurückgegriffen werden, welche bereits für andere Zwecke erhoben wurden. Diese Sekundärdaten (Secondary Data) können sowohl Rohdaten sein als auch bereits aufbereitete Zusammenfassungen.368 Die vorliegende Arbeit basiert auf Experteninterviews, welche durch öffentlich zugängliche Informationen ergänzt wurden.

Fazit: Zur Beantwortung der Forschungsfragen ist die Fallstudienanalyse nach YIN besonders geeignet. Diese dem Realismus zugeordnete Forschungsstrategie ermöglicht ein induktives Vorgehen, um so explorativ neue Erkenntnisse über die Qualitätssicherung im Wissensmanagement zu gewinnen. Die als Querschnittsstudie angelegte Untersuchung wird insbesondere unter Anwendung von Experteninterviews durchgeführt und erlaubt somit sowohl einen breiten Überblick über mögli-

365 366

367 368

Vgl. Schöne (2003). Für einen Überblick über die Dimensionen wissenschaftlicher Beobachtungsverfahren vgl. Friedrichs (1982), S. 272. Vgl. Hopf (1995), S. 177 ff. Vgl. Saunders et al. (2003), S. 188 ff. Ein tabellarischer Vergleich der Vor- und Nachteile einzelner Datenquellen findet sich bei Yin (2003), S. 86.

84

Fallstudienanalyse

che Qualitätssicherungsansätze als auch tiefer gehende Erkenntnisse über die verwendeten Verfahren.

4.1.3

Vorgehen bei der Fallstudienanalyse

Die Fallstudienmethodik nach YIN besteht aus den drei Hauptbestandteilen Vorbereitung, Durchführung und Analyse.369 1. Vorbereitung Definition von Kriterien zur Auswahl geeigneter Fallstudien Entwicklung eines Interviewleitfadens Durchführung einer Pilotfallstudie zur Überprüfung des Interviewleitfadens Optimierung des Interviewleitfadens

2. Durchführung

3. Analyse

Auswahl geeigneter Fallstudien auf Basis der Kriterien

Strukturierung und Aufbereitung der gesammelten Daten

Sammlung von öffentlich zugänglichen Informationen über die Fallstudien

Analyse der Fallstudien anhand der Aussagen des theoretischen Bezugsrahmens

Durchführung der leitfadengestützten Interviews Klärung offen gebliebener Inhalte / Fragen mit den Interviewpartnern

Vergleichende Analyse der Fallstudienergebnisse Diskussion der Ergebnisse mit den Interviewpartnern

Abbildung 16 Übersicht Fallstudien-Prozess370

4.1.3.1

Vorbereitung der Fallstudien

Die Untersuchung ist als „Multiple-Case Design“ angelegt, d. h. die Wissensmanagementansätze der zu untersuchenden Firmen werden als einzelne Fallstudien betrachtet, die gesamte Untersuchung umfasst jedoch die Ansätze mehrerer Firmen.371 Die Schlussfolgerungen aus mehreren Fallstudien werden als überzeugender wahrgenommen, die abgeleitete Theorie ist somit robuster.372 Da nicht das gesamte Spektrum der existierenden Ansätze erforscht werden kann, ist eine die Abgrenzung einer Teilmenge der zu untersuchenden Organisationen erforderlich (Sampling). Qualitative Studien erlauben hierbei eine Auswahl an möglichen Untersuchungsobjekten, im Unterschied zu quantitativen Studien, welche nach Zufallsverfahren vorzu-

369 370 371 372

Vgl. Yin (2003), S. 19 ff., S. 83 ff. und S. 109 ff. Eigene Darstellung. Vgl. Yin (2003), S. 46 ff. Vgl. Herriott/Firestone (1983).

85 gehen haben.373 Eine Generalisierung der Erkenntnisse ist hierbei auf analytischer, nicht jedoch auf statistischer Grundlage möglich.374 Es gibt keine Definition einer optimalen Anzahl von zu untersuchenden Fällen. Theoretisch ist die Zahl dann ausreichend groß bemessen, wenn sich gewonnene Erkenntnisse wiederholen.375 Für Fallstudienuntersuchungen ist eine Anzahl von vier bis zehn Fallstudien zweckmäßig.376 Aufgrund dieser geringen Zahl ist es sinnvoll, eine zielgerichtete Auswahl vorzunehmen, um einen möglichst hohen Informationsgehalt zu erreichen.377 Hierbei können mehrere Auswahlstrategien herangezogen werden:378

373 374 375 376 377 378 379

x

Mit Hilfe extremer Fälle können ungewöhnliche Situationen aufgegriffen werden. Sie bieten den Vorteil, dass die Analyse dieser Fälle hilfreich für die Erklärung eher typischer Fälle sein kann.

x

Heterogene Fälle unterscheiden sich in einer Vielzahl von Dimensionen und sind daher besonders für die Untersuchung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden geeignet.

x

Im direkten Gegensatz hierzu unterscheiden sich homogene Fälle in ihren Charakteristika kaum. Diese Auswahlstrategie wird daher insbesondere dann herangezogen, um eine bestimmte Problematik besonders tiefgreifend zu untersuchen.

x

Kritische Fälle sind solche Fälle, die für die Untersuchung besonders wichtig sind, da insbesondere hier solche Daten erhoben werden können, welche dann verallgemeinerbare Schlussfolgerungen erlauben.379

x

Bei typischen Fällen spricht man auch von repräsentativen Fällen. Sie dienen v. a. der Darstellung typischer Situationen und sind damit besonders für solche Zielgruppen geeignet, welche den Untersuchungsgegenstand nur in geringem Maße kennen.

x

Bei theoriebasierten Fällen können die Auswahlkriterien (ganz oder zumindest teilweise) anhand der zugrundeliegenden Theorie abgeleitet werden.

Vgl. Saunders et al. (2003), S. 150 ff. Vgl. Yin (2003), S. 10 f. und S. 31 f.; Saunders et al. (2003), S. 152 f. Vgl. Yin (2003), S. 47. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 545. Vgl. Neumann (2000), Patton (2002). Vgl. hier und im Folgenden Kervin (1992), Patton (2002), Saunders et al. (2003), S. 170 ff. Der Forscher kann sich hier z. B. anhand der Frage leiten lassen: „Wenn das Phänomen dort auftritt, wird es dann überall auftreten?“ Vgl. Patton (2002).

86

Fallstudienanalyse x

Durch die Analyse bestätigender und widerlegender Fälle können Rahmenbedingungen und Grenzen der Anwendbarkeit von Theorien herausgearbeitet werden.

x

Intensive Fälle schließlich sind Fälle mit hohem Informationsgehalt in Bezug auf die zu untersuchende Fragestellung. Sie versprechen einen hohen Erkenntnisgewinn, sind jedoch von den extremen Fällen abzugrenzen.

Da Qualitätssicherungsmaßnahmen im Wissensmanagement bislang nicht umfassend erforscht wurden, wurde für die vorliegende Arbeit eine Kombination aus theoriebasierten, heterogenen und intensiven Fällen gewählt. Somit soll einerseits eine möglichst breite Basis verschiedener Qualitätssicherungsansätze untersucht werden, andererseits aber auch ein möglichst hoher Erkenntnisgewinn gewährleistet werden. Aus diesem kombinierten Ansatz lassen sich folgende Kriterien zur Auswahl der Fallstudien ableiten. Zunächst sollen die Unternehmen eine Kodifizierungsstrategie verfolgen, d. h. die Mitarbeiter tauschen Wissen nicht nur durch persönlichen Kontakt aus, sondern durch die Nutzung expliziten Wissens, z. B. durch elektronische Dokumente. Ein Indikator hierfür ist die Verwendung eines entsprechenden WissensmanagementSystems. Außerdem sollen die zu untersuchenden Unternehmen ein etabliertes Wissensmanagement haben, wobei als Untergrenze ein Zeitraum von zwei Jahren seit Einführung des Wissensmanagements angesetzt wurde. Dies ist erforderlich, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass einige Wissenselemente bereits so lange in der Organisation vorgehalten werden, dass sie „unrichtig“ oder „unwichtig“ geworden sein können, und sich die Organisation somit bereits mit den Herausforderungen der Qualitätssicherung im Wissensmanagement konfrontiert sieht.380 Da Unternehmen der gleichen Branche vermutlich auch vergleichbare Anforderungen haben, sollen die Untersuchungsobjekte außerdem möglichst verschiedenen Branchen angehören. Um die Heterogenität zu gewährleisten wurde eine Untergrenze von mindestens drei verschiedenen Branchen definiert. Schließlich sollen die Unternehmen Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen ihres Wissensmanagements einsetzen. Als Indikator hierfür wurde eine entsprechende Aussage in der vorliegenden Wissensmanagementliteratur herangezogen. 380

Zu Gründen der Überprüfung siehe Abschnitte 3.4.1 und 3.5.1.

87 Folgende Tabelle fasst die Auswahlkriterien zusammen: Kriterien Verfolgen einer Kodifizierungsstrategie Theoriebasierte Fälle Etabliertes Wissensmanagement Heterogene Fälle Intensive Fälle

Tabelle 5

Heterogene Branchen Einsatz von Qualitätssicherungsmaßnahmen

Kriterien zur Auswahl der Fallstudienpartner381

Nachdem somit die Kriterien für die Auswahl geeigneter Fallstudienpartner definiert wurden, ist der nächste Schritt der Vorbereitungsphase die Entwicklung eines Interviewleitfadens. Dieser bildet das Gerüst für das Interview, belässt dem Forscher jedoch die Freiheit zu beurteilen, wann welche Frage in welcher Form gestellt werden soll.382 Er stellt außerdem sicher, dass bei einer größeren Anzahl Interviews gleichartige Informationen erhoben werden und keine wesentlichen Aspekte vergessen werden.383 Zur Entwicklung des Interviewleitfadens wurde zunächst anhand der Forschungsfragen und der fünf zu untersuchenden Dimensionen ein Fragenkatalog entwickelt, wobei auf eine weitgehende Offenheit der Fragen geachtet wurde.384 Zur Überprüfung der Eignung des Leitfadens wurden im Rahmen einer Pilotfallstudie drei Interviews durchgeführt.385 Hierbei wurde geprüft, ob die Fragen eindeutig und verständlich sind,386 keine Suggestivfragen sind,387 sowie ein Zeitrahmen von einer Stunde zur Beantwortung der Fragen ausreicht.388 Mit Hilfe der Erkenntnisse aus diesen Pilotfallstudien wurde der Interviewleitfaden dann überarbeitet und optimiert.389

381 382

383 384 385 386 387

388 389

Eigene Darstellung. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 138. Zur Kritik zur Anwendung von Leitfäden im Rahmen induktiver Forschung vgl. Rosenthal (2005), S. 129. Vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 139. Zur Problematik der Offenheit von Fragen vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 127 ff. Zur Bedeutung von Pilotfallstudien vgl. Yin (2003), S. 78 ff. Vgl. Diekmann (1996), S. 410 ff. Suggestivfragen sind Fragen, bei welchen die Frage die Antwort bereits impliziert. Zu einer Diskussion der Auswirkungen von Suggestivfragen vgl. Richardson et al. (1984). Vgl. Hüttner/Schwarting (2002), S. 123. Für einen beispielhaften Interviewleitfaden, der im Rahmen der Fallstudienuntersuchung genutzt wurde, siehe Anhang.

88

Fallstudienanalyse

4.1.3.2

Durchführung der Fallstudien

Die zweite Phase der Fallstudienanalyse beginnt mit der Auswahl geeigneter Fallstudien auf Basis der abgeleiteten Kriterien. Zur Suche potentieller Fallstudienpartner wurde insbesondere die bestehende Literatur zum Wissensmanagement herangezogen. Hierbei wurden zunächst solche Firmen identifiziert, welche ein Wissensmanagement nutzen; dies ergab eine Liste von 167 Unternehmen.390 Auf Grundlage dieser Liste wurden die o. g. Kriterien „Verfolgen einer Kodifizierungsstrategie“, „etabliertes Wissensmanagement“ und „Einsatz von Qualitätssicherungsmaßnahmen“ angewendet. Da nur wenige Firmen Aussagen zur Qualitätssicherung machen, ergab sich nach der Anwendung dieser Kriterien eine Auswahl von 24 relevanten Fallstudien. Diese Unternehmen wurden daraufhin telefonisch bzw. per E-Mail kontaktiert und das Interesse an der Forschungsthematik und der Grad der Erfüllung der beiden theoriebasierten Kriterien diskutiert. Hierbei konnten elf Unternehmen gewonnen werden, mit welchen jeweils leitfadengestützte Interviews durchgeführt wurden. Die Auswahl dieser Unternehmen erfüllt das Kriterium „heterogene Branchen“, so dass somit auch das Heterogenitätskriterium erfüllt ist. Bei der Durchführung der Interviews stellte sich heraus, dass zwei der elf Firmen kein Qualitätsmanagement i. S. dieser Arbeit betreiben, so dass diese von der Analyse ausgeschlossen wurden. Die verbleibenden neun Firmen erfüllen auch diese Vorgabe, so dass hiermit auch das Intensitätskriterium erfüllt ist. Folgende Abbildung verdeutlicht diese Vorgehensweise: Anzahl 200 180 Fallstudien 160 140 120 100 80 60 40 20 0

167

Gesamt

143

Irrelevant

24

13

Relevant

Absagen o.ä.

11

2

9

Durchgeführt

Ausgesondert

Geeignet

Abbildung 17 Vorgehen bei der Auswahl der Fallstudienpartner391

Die finalen neun Fallstudien erfüllen somit alle Auswahlkriterien vollständig. Die Wikipedia, ein öffentlich zugängliches Projekt zum Aufbau einer freien Enzyklopädie, 390 391

Eine Fallstudie kann hierbei eine Firma oder auch ein Firmenteil wie z. B. eine Division sein. Eigene Darstellung.

89 wurde als zehnte, ergänzende Fallstudie aufgenommen. In folgender Tabelle werden die Fallstudien zusammenfassend dargestellt: Fallstudie

Beschreibung des Wissensmanagements

Branche

Fallstudie A

Datenbank mit Lektionen und Ergebnissen bisheriger Projekte

Unternehmensberatung

Fallstudie B

Datenbank mit Lektionen und Ergebnissen bisheriger Projekte

Unternehmensberatung

Fallstudie C

Datenbank mit Inhalten zu Projekten, Abläufen und auch externen Informationen

Unternehmensberatung

Fallstudie D

Tipp-Datenbank mit möglichen Ansätzen zur Fehlerbehebung

Druck-/Kopiertechnik

Fallstudie E

Datenbank mit Projekterfahrungen und Erfahrungen ausscheidender Mitarbeiter

Flugzeughersteller

Fallstudie F

Datenbank mit Erfahrungen ausscheidender Mitarbeiter

Fahrzeughersteller

Fallstudie G

Datenbank mit Liste aufgetretener Probleme während eines Projekts

Fahrzeughersteller

Fallstudie H

Datenbank mit Erfahrungen aus KernkraftwerkRückbauprojekten

Energieversorger

Fallstudie I

System, in dem arbeitsbegleitend Erkenntnisse eingepflegt werden können

Fallstudie J (Wikipedia)

Öffentlich zugängliches Projekt zum Aufbau einer freien Enzyklopädie

Tabelle 6

Kreativunternehmen

Übersicht der Fallstudien392

Auf Wunsch der Interviewpartner werden die Fallstudien anonym vorgestellt, so dass weder Firmennamen noch Namen der Ansprechpartner genannt werden. Die anonyme Darstellung wird als wissenschaftlich zulässig angesehen, wenn es die jeweilige Situation erfordert.393 Die genannten Daten wurden jedoch in einer vertraulichen, separaten Datenbank festgehalten. Um einen möglichst hohen Erkenntnisgewinn sicherzustellen, wurden im Rahmen der Vorbereitung je Fallstudie die jeweils am besten geeigneten Gesprächspartner identifiziert. Hierbei handelt es sich insbesondere um: 394

392 393

394

Eigene Darstellung. Vgl. Yin (2003), S. 158. Weitere Diskussionen zu den Themen Anonymität und Datenschutz finden sich etwa bei Kaase (2002), S. 111 ff.; Hopf (2003), S. 591 ff. Zur Unterscheidung dieser und weiterer Rollen und der jeweiligen Aufgaben im Wissensmanagement vgl. z. B. Bach (1999); Maier (2002), S. 142 ff.; Huang (2004), S. 50 ff.

90

Fallstudienanalyse x

Wissensmanagement-Gesamtverantwortliche („Knowledge Sponsors“), welche insbesondere für Zielsetzung und Ausrichtung des Wissensmanagements verantwortlich sind,

x

Wissensmanagement-Koordinatoren, welche das Wissensmanagement innerhalb ihrer Organisationseinheit koordinieren, und

x

Wissensmanager, welche v. a. die Wissensbasis operativ verwalten und den Mitarbeitern Impulse für die Wissenserzeugung geben.

Insgesamt wurden Interviews mit 17 verschiedenen Personen geführt, welche eine Dauer von ein bis drei Stunden hatten.395 Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Anzahl der Gesprächspartner und ihre Verteilung nach Rollen: Rolle

WM-Gesamtverantwortlicher

WMKoordinator

Wissensmanager

Summe

Anzahl Gespräche

6

6

5

17

Tabelle 7

Anzahl Interviewpartner und Verteilung nach Rollen396

Bei der Durchführung der Interviews wurden die Prinzipien des qualitativen Interviews nach LAMNEK berücksichtigt, insbesondere:397 x

Durchführung einer mündlich-persönlichen Befragung,

x

Nicht-standardisierte Interviews, die eine situative Anpassung erlauben,

x

Stellen ausschließlich offener Fragen, sowie

x

Neutrale Einstellung des Forschers.

Alle Interviews wurden mit einem digitalen Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend transkribiert398 sowie anonymisiert399 und in einer Datenbank erfasst. Falls sich im Nachgang zu den Gesprächen noch offene Fragen ergeben haben, wurden diese telefonisch mit den Interviewpartnern geklärt.

395

396 397 398

399

Die Interviews fanden statt im Zeitraum von Ende September 2006 bis Anfang Februar 2007 und wurden größtenteils persönlich vor Ort in den Räumen der jeweiligen Firma durchgeführt; ein Gespräch wurde telefonisch geführt. Eigene Darstellung. Vgl. Lamnek (2005), S. 346. „Durch die Transkription wird die akustische (oder auch visuelle) Aufzeichnung des Interviews in einen Text überführt.“ Lucius-Hoene/Deppermann (2004), S. 308. Hervorhebung wie im Original. Zur Bedeutung der Transkription und Anonymisierung vgl. Gläser/Laudel (2004), S. 188 ff.

91 Als Ergänzung zu den Interviews wurden öffentlich zugängliche Daten über die jeweiligen Fallstudienunternehmen gesammelt und analysiert. Hierbei wurden insbesondere die Internet-Auftritte der Unternehmen sowie Fachartikel genutzt. In der Fallstudienanalyse dienen solche zusätzlichen Informationen der Triangulation, d. h. der Bekräftigung der Analyseergebnisse durch die Nutzung unterschiedlicher Datenquellen.400

4.1.3.3

Analyse der Fallstudien

Die Fallstudienanalyse orientiert sich an den Forschungsfragen und den Aussagen des Bezugsrahmens.401 Hierzu wurden in einem ersten Schritt die für die fünf Dimensionen jeweils relevanten Aussagen mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms strukturiert und anschließend analysiert.402 Auf die Verwendung einer speziellen Software für die Auswertung wurde nach eingehender Prüfung verzichtet.403 Ziel der Analyse ist einerseits ein genaues Verständnis der jeweiligen Fallstudien, andererseits jedoch auch das Generieren neuer Erkenntnisse über die jeweiligen Einzelfälle hinaus.404 Daher wurde zur Datenanalyse ein zweistufiges Vorgehen gewählt.405 In einem ersten Schritt wurden die Qualitätssicherungsansätze für jedes Unternehmen separat betrachtet. Danach wurde das Wissensmanagement aller Fallstudienpartner übergreifend analysiert.406 Für die Auswertung können mehrere Analysetechniken eingesetzt werden.407 Für die vorliegende Arbeit wurde hauptsächlich die Methode der „strukturierenden Inhaltsanalyse“ angewendet, bei der die empirischen Aussagen zu den aus der Theorie abgeleiteten Kategorien zugeordnet und verglichen werden.408 Diese wurde ergänzt durch die Methode der „Cross-Case Synthesis“, mit welcher fallübergreifend Muster analysiert werden.409 Hierbei wurde darauf geachtet, dass eine geschlossene 400 401 402 403

404 405 406 407 408 409

Vgl. Patton (1987); Yin (2003), S. 97 ff.; Saunders et al. (2003), S. 99 f. Vgl. Yin (2003), S. 111 ff. Zum Vorgehen bei der Analyse qualitativer Daten mit Hilfe von Computern vgl. Kuckartz (1999). Hierfür wurden mehrere Gespräche mit Forschern geführt, welche eine qualitative Inhaltsanalyse im Rahmen ihres Forschungsprojekts durchführen. Für eine Vorstellung verschiedener SoftwarePakete sowie eine Diskussion von Vor- und Nachteilen vgl. z. B. Yin (2003), S. 110 f.; Saunders et al. (2003), S. 402 ff. Vgl. Yin (2003), S. 133. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 539 ff.; Huberman/Miles (1994), S. 432 ff. Die Übergreifende Analyse erfolgt in Kapitel 5. Vgl. Mayring (1988), S. 41 ff.; Yin (2003), S. 116 ff.; Saunders et al. (2003), S. 377 ff. Vgl. Mayring (1988), S. 75 ff. Vgl. Yin (2003), S. 133 ff.

92

Fallstudienanalyse

„Chain of Evidence“410 eingehalten wurde, also dass die Übergänge von den Fallstudienfragen über das Fallstudienprotokoll, die Interview-Transkripte und die Fallstudiendatenbank bis hin zur Fallstudienbeschreibung lückenlos nachvollzogen werden können.411 Abschließend wurden im Rahmen einer Diskussionsrunde die Analyseergebnisse den Interviewteilnehmern vorgestellt und mit diesen diskutiert, um die Gültigkeit der Erkenntnisse zu untermauern.412 Durch die Diskussion soll die Gefahr verringert werden, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen.413

4.1.4

Wissenschaftliche Güte der Fallstudienanalyse

Dieser Abschnitt widmet sich der wissenschaftlichen Güte von Fallstudienanalysen. Fallstudien stehen häufig in der Kritik, eine Generalisierung der Erkenntnisse sei aufgrund der kleinen Stichproben nicht möglich414, sie seien wegen des hohen Zeitbedarfs für die Durchführung wenig effizient415, oder sogar gänzlich unwissenschaftlich.416 Um diese Kritikpunkte zu entkräften, ist die Einhaltung wissenschaftlicher Gütekriterien erforderlich, wobei die wichtigsten Reliabilität und Validität sind.417 Unter Reliabilität versteht man die Zuverlässigkeit wissenschaftlicher Aussagen, d. h. die Replizierbarkeit unter gleichen Bedingungen und somit den Ausschluss von Zufallsfehlern.418 Validität hingegen ist gegeben, wenn es gelingt, den zu untersuchenden Sachverhalt richtig zu erfassen, also auch das zu messen, was man zu messen vorgibt.419 Sie besteht aus der Konstruktvalidität sowie der internen und externen Validität: x

410 411 412

413 414

415 416 417 418

419

Unter Konstruktvalidität versteht man die Operationalisierung (Messbarmachung) von Konstrukten. Sie ist erforderlich, um die Ergebnisse nachvoll-

Engl. Beweiskette. Vgl. Yin (2003), S. 105 f. Die Diskussionsrunde fand am 18. April 2007 als Telefonkonferenz unter gleichzeitiger Darstellung der Ergebnisse mit Unterstützung der Online-Präsentations-Software „MeetingPlace“ statt. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 540. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 546 f.; Scapens (1990), S. 276; Platt (1992), S. 22; Klüver (1995); Reinecker (1995), S. 279 ff.; Chetty (1996), S. 74; Yin (2003), S. 10. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 547; Göthlich (2003), S. 17. Vgl. Donaldson (1992), S. 464; Lukka/Kasanen (1995), S. 71; Walgenbach (1999), S. 375. Vgl. Saunders et al. (2003), S. 100 ff. Ein anderer Forscher sollte also bei gleichen Bedingungen und gleichem Vorgehen zu gleichen Ergebnissen kommen. Vgl. Yin (2003), S. 37. Vgl. Peter (1979), S. 6.

93 ziehbar werden zu lassen und damit dem Vorwurf der subjektiven Interpretation von Ereignissen zu begegnen.420 x

Die interne Validität ist v. a. bei explanativen Studien zu berücksichtigen und gibt an, inwiefern ein beobachteter Zusammenhang zwischen einer abhängigen und einer unabhängigen Variablen kausal zulässig ist.421 Andere Einflussfaktoren sollen damit ausgeschlossen werden.

x

Unter der externen Validität versteht man hingegen den Grad der Verallgemeinerbarkeit der getroffenen Aussagen unter Berücksichtigung der gewählten Forschungsmethodik.422 Vor dem Hintergrund der geringen Zahl an Untersuchungsobjekten ist dieses Gütekriterium bei Fallstudienuntersuchungen besonders wichtig.423

Um sowohl die Reliabilität als auch die Validität zu erhöhen, schlägt YIN mehrere Maßnahmen im Rahmen von Fallstudienuntersuchungen vor.424 Die folgende Tabelle verdeutlicht, welche der Maßnahmen für die vorliegende Arbeit angewendet wurden: Gütekriterium Reliabilität Konstruktvalidität Validität

Interne Validität Externe Validität

Tabelle 8

420 421

422 423 424 425

Beschreibung der in dieser Arbeit angewendeten Maßnahmen • •

Verwendung eines Fallstudienprotokolls Aufbau einer Fallstudiendatenbank

• • •

Verwendung mehrerer Datenquellen (Interviews, Sekundärdaten) Sicherstellung einer „Chain of Evidence“ Ergebnisdiskussion mit den Interviewpartnern



Zuordnung der empirischen Ergebnisse zu den theoretischen Kriterien (Anwendung der „strukturierenden Inhaltsanalyse“) Fallstudienübergreifende Analyse („Cross-case Synthesis“)

• •

Berücksichtigung der theoretischen Replizierbarkeit bei der Fallstudienauswahl

Angewendete Maßnahmen zur Erhöhung der wissenschaftlichen Güte425

Vgl. Yin (2003), S. 35; Riege (2003), S. 80. Vgl. Yin (2003), S. 36 f. Prominentes Beispiel ist der nicht vorhandene kausale Zusammenhang zwischen der Anzahl der Störche und der Geburtenrate, obwohl für bestimmte Zeitabschnitte durchaus eine positive Korrelation dieser beiden Variablen beobachtet werden kann. Vgl. Judd et al. (1991), S. 32. Vgl. De Vaus (2001), S. 29. Vgl. Eisenhardt (1989), S. 546; Yin (2003), S. 10. Vgl. Yin (2003), S. 33 ff. Eigene Darstellung in Anlehnung an Yin (2003), S. 34.

94

Fallstudienanalyse

Zur Erhöhung der Reliabilität wurden in dieser Arbeit alle durchgeführten Schritte exakt dokumentiert. Hierzu wurden insbesondere für alle Interviews Fallstudienprotokolle erstellt, die Interviewinhalte transkribiert sowie die Fallstudien in einer Fallstudiendatenbank protokolliert. Um die Konstruktvalidität zu steigern, wurden mehrere Datenquellen herangezogen, um das Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können.426 Durch die Einhaltung einer „Chain of Evidence“427 sind alle Schritte der Ableitung nachvollziehbar. Auch wurden die Ergebnisse der Untersuchung mit den Interviewpartnern diskutiert, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.428 Die interne Validität wurde durch die konsequente Anwendung der „strukturierenden Inhaltsanalyse“429 und der „Cross-case Synthesis“430 bei der Auswertung erreicht. Um die externe Validität sicherzustellen, wurde bei der Fallauswahl auf die theoretische Replizierbarkeit geachtet. Sie besagt, dass die Ergebnisse der Untersuchung nicht repräsentativ für die Gesamtheit sind, wie dies z. B. bei quantitativen stichprobenbasierten Untersuchungen (statistische Generalisierung) der Fall ist. Vielmehr soll durch Auswahl von Untersuchungsobjekten anhand geeigneter definierter Kriterien eine analytische Generalisierung zum Aufbau einer breiteren Theorie beitragen.431

Fazit: Zur Durchführung der Fallstudienanalyse ist die Auswahl geeigneter Fallstudienobjekte erforderlich. Hierfür wurden die vier Kriterien „Verfolgen einer Kodifizierungsstrategie“, „etabliertes Wissensmanagement“, „heterogene Branchen“ und „Einsatz von Qualitätssicherungsmaßnahmen“ aus der Forschungsproblematik abgeleitet. Im Rahmen dieser Arbeit wurden neun Fallstudien untersucht, welche diese Kriterien erfüllen. Diese werden ergänzt durch eine zehnte Fallstudie, die öffentlich zugängliche Wikipedia. Zur Erhebung der erforderlichen Informationen wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, welcher im Rahmen einer Pilotfallstudie getestet und optimiert wurde. Anschließend wurden Gespräche mit 17 verschiedenen Personen der zu untersuchenden Firmen geführt, die Interviewaufzeichnungen wurden anschließend transkribiert. Für die Analyse wurde ein zweistufiges Vorgehen gewählt: zunächst wurde jede Fallstudie für sich untersucht, gefolgt von einer gesamthaften

426 427 428 429 430 431

Vgl. Flick (1995). Vgl. Yin (2003), S. 105 f. Vgl. Miles (1979), S. 598; Mayring (1999), S. 119 ff. Vgl. Mayring (1988), S. 75 ff. Engl. fallstudienübergreifende Betrachtung. Vgl. Yin (2003), S. 133 ff. Vgl. Lamnek 2005, S. 187 ff.; Yin (2003), S. 37.

95 übergreifenden Betrachtung. Für eine robuste Analyse ist die Beachtung der wissenschaftlichen Gütekriterien essenziell. So wurden für diese Arbeit mehrere Maßnahmen umgesetzt, welche die Validität und Reliabilität der Untersuchungsergebnisse erhöhen.

4.2 Beschreibung und Analyse der Fallstudien In diesem Abschnitt werden die zehn Fallstudien erläutert. Für jede Fallstudie wird zunächst das Unternehmen vorgestellt und allgemeine Informationen zum Wissensmanagement gegeben sowie die Methode der Datenerhebung erläutert. Anschließend folgt die Beschreibung des Wissensmanagements im Hinblick auf die fünf Dimensionen des Bezugsrahmens, jeweils gefolgt von einer Diskussion der Ergebnisse. Eine vergleichende Analyse der Fallstudien wird im anschließenden fünften Kapitel vorgenommen.

4.2.1

Fallstudie A

Bei der Fallstudie A handelt es sich um eine strategische Unternehmensberatung. Mit über 3.000 Beratern werden in mehr als 60 Büros weltweit über USD 1,5 Mrd. umgesetzt. Die Firma ist dabei einerseits regional nach Büros organisiert, andererseits unterstützt sie auch den Wissensaustausch in überregionalen „Communities of Practice“. Funktional orientierte „Communities“ umfassen z. B. Strategie, Informationstechnologie, Unternehmensentwicklung, Organisation und Marketing. Diese werden ergänzt durch branchenorientierte „Communities“, wie z. B. Industriegüter, Konsumgüter, Energie, Finanzdienstleistungen und Informationstechnologie. Zur Datensammlung wurden Interviews mit fünf Personen geführt, diese decken die verschiedenen relevanten Positionen des Wissensmanagements ab. Hierzu gehören: x

zwei Wissensmanager, welche für das Wissen in ihrer jeweiligen „Community“ verantwortlich sind, wobei eine Person einer funktional orientierten „Community“ (Interview-Partner 1) und eine Person einer branchenorientierten „Community“ (Interview-Partner 3) zugeordnet sind,

x

die Person, welche für die regionale Administration des Wissensmanagements u. a. in Deutschland zuständig ist (Interview-Partner 2),

x

der u. a. für Deutschland zuständige regionale Verantwortliche (InterviewPartner 4) für die Gruppe der Wissensmanager, sowie

96

Fallstudienanalyse x

der Geschäftsführer, der die weltweite Verantwortung für das Wissensmanagement trägt (Interview-Partner 5).

Die Angaben aus den Interviews wurden durch unternehmensinterne Dokumente präzisiert; hierbei handelte es sich insbesondere um bereitgestellte Illustrationen des verwendeten Wissensmanagement-Systems. Außerdem wurden Informationen aus allgemeinen, öffentlich zugänglichen Quellen herangezogen. Dies waren v. a. der Internet-Auftritt der Unternehmung sowie Presseberichte.432 Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Zur Unterstützung der Berater zu Projektbeginn als auch während der laufenden Projekte gibt es ein zentrales Wissensmanagement-System, auf das alle Berater weltweit durch das firmenweite Intranet zugreifen können. Hierbei handelt es sich um eine Datenbank, in welcher verschiedene Typen von Dokumenten abgespeichert und zur Verfügung gestellt werden. Bezüglich des Inhalts lassen sich hierbei drei Haupttypen von Wissenselementen unterscheiden: x

Marktstudien, Berichte und Datenbanken sind Informationen, welche üblicherweise durch die Wissensmanager aus externen Quellen bezogen werden.

x

In den Projekterkenntnissen werden Erfahrungen der Berater aus durchgeführten Projekten in anonymisierter Form festgehalten.

x

Diese werden ergänzt durch die sog. „Kernpräsentationen“, welche das zentrale Wissen aus den Projekterfahrungen der „Communities“ zusammenfassen.

Da es sich bei den Marktstudien u. ä. lediglich um Informationen handelt, sollen diese im Folgenden nicht weiter betrachtet werden.433 Dimension „wichtig“ Beschreibung: Projekte zählen nach Einschätzung der befragten Personen zu den wichtigsten Quellen neuen Wissens in der Unternehmensberatung A. Hierbei entscheidet der betreuende Geschäftsführer üblicherweise zu Ende eines Projekts, ob die beteiligten Berater eine Präsentation erstellen sollen. Der Geschäftsführer ist in 432 433

Zur Bedeutung der Nutzung verschiedener Datenquellen siehe Abschnitt 4.1.3.2. Zur Abgrenzung der Konstrukte Wissen und Information siehe Abschnitt 2.1.1.3.

97 der jeweiligen „Community“ beheimatet und hat normalerweise schon mehrere ähnlich gelagerte Projekte durchgeführt und beurteilt auf dieser Basis, ob ihm die neu gewonnenen Erkenntnisse interessant genug erscheinen. Üblicherweise werden erfolgreiche Projekte aufgenommen, ein „Lernen aus Fehlern“ findet hingegen nur selten statt. Unternehmensstrategische Vorgaben zu den Inhalten der Präsentationen gibt es nicht, das Team ist in seiner Entscheidung weitgehend frei, welche Aspekte wie aufgenommen werden sollen: „Was von den Case-Teams aus kommt ist halt so, dass man […] sich in erster Linie Gedanken darüber machen sollte, was ist eigentlich interessant für meine Umwelt und für meine Nachwelt auch.“434 Hierbei existieren keine expliziten Kriterienraster bzw. sonstige formalen Vorgaben, was eine solche Präsentation enthalten sollte. Wünschenswert aus Sicht der Wissensmanager ist eine Beschreibung des Projektumfelds und des Kunden, um den Nutzern eine Einordnung des Kontexts zu ermöglichen. Außerdem sollten sie nicht zu lang sein, wobei als eine grobe Richtgröße 50-70 Seiten angesehen werden. Diese Empfehlungen sind zwar im Intranet veröffentlicht, faktisch jedoch werden sie selten umgesetzt. Aus Sicht der Interviewteilnehmer ist jede der so erstellten Präsentationen bewahrungswürdig: „[…] die Grundaussage [ist] die, dass im Grunde genommen jedes [Wissenselement], was eingestellt ist, für uns sehr wertvoll ist.“435 Die zugrunde liegende Überzeugung ist, dass Projekte zwar ähnlich sein können, aber jedes Projekt einen anderen Blickwinkel und einen anderen Schwerpunkt hat, und daher auch immer etwas Neues dabei ist. Daher werden einmal erstellte Beiträge nicht abgelehnt, sondern grundsätzlich aufgenommen. Auch wenn ein Thema ggf. nicht ganz neu ist, sondern ähnliche Wissensobjekte bereits vorliegen, so werden sowohl die neue Präsentation als eigenständiges Objekt eingestellt als auch die bereits vorhandenen Erkenntnisse beibehalten. Auf Basis des beschriebenen Ansatzes werden jedes Jahr 300 bis 500 neue Wissenselemente in das Wissensmanagement-System eingestellt, wobei vorläufige Versionen nicht vorgesehen sind. Einmal im Monat erhalten die Mitglieder der Kerngruppe436 der jeweiligen „Community“ eine Liste der neu eingestellten Präsentationen:

434 435 436

Zitat Interview-Partner 1. Zitat Interview-Partner 1. Hierzu gehören üblicherweise die Verantwortlichen der jeweiligen „Community“ sowie weitere in diesem Bereich erfahrene Berater.

98

Fallstudienanalyse „Was wir aber machen zum Thema Qualitätssicherung, ist […] dass sie einmal im Monat im Grunde genommen eine Übersicht ‚What’s new in KM’ für unsere [„Community“] zusammenstellt und dann schon mal von sich aus eben sieht, was ist eigentlich besonders wertvoll jetzt aus Sicht unserer [„Community“].“437

Diese Übersicht dient zwei Zielen: x

Die Kerngruppe kann definieren, welche als besonders wertvoll empfundenen Wissenselemente hervorgehoben werden sollen. Die Hervorhebung sorgt dafür, dass diese Präsentationen bei Suchanfragen der Nutzer farbig unterlegt werden sowie in der Ergebnisdarstellung ganz vorne auftauchen.

x

Für die Erstellung der Präsentationen wird keine zusätzliche Zeit vorgesehen, dies erfolgt im Rahmen des Projekts. Wenn die Kerngruppe jedoch zu der Erkenntnis kommt, dass auf einem Projekt besonders wertvolles Wissen generiert wurde, so können in diesem Fall für die weitere Aufbereitung zwei bis drei Tage zusätzlich investiert werden. Etwa 10% der Projekterfahrungen werden so nochmals aufbereitet.

Analyse: Im Folgenden soll aus zwei Sichtweisen betrachtet werden, welches Wissen für die Fallstudie A bewahrungsbedürftig ist: zunächst allgemein aus Sicht des Unternehmens und dann spezieller aus Sicht eines einzelnen Projekts. Für die Antwort auf die Frage, welches Wissen für die Unternehmung wichtig und damit bewahrungswürdig ist, existieren keine expliziten Kriterien oder unternehmensstrategischen Vorgaben. Es wird also angenommen, dass die betroffenen Personen selbst beurteilen können, welche Aspekte bewahrungswürdig sind. Darin zeigt sich, dass in der Firma implizite Ansätze vorhanden sind, wie wichtiges Wissen definiert wird. Hier sind zunächst die Personen zu benennen, welche Wissenselemente erzeugen. So konzentriert sich der Personenkreis auf Berater und Wissensmanager. Das Wissen anderer Personen des Unternehmens wird mithin als weniger wichtig angesehen. Als Grund hierfür könnte man vermuten, dass die Wertschöpfung insbesondere durch die Beratung beim Kunden erfolgt; das dort erzeugte Wissen ist somit von besonders hoher Bedeutung für die Unternehmensberatung. Die Kunden haben höchst individuelle Probleme, welche ebenso individuelle und kreative Lösungen erfordern. Die erarbeitete Problemlösung kann jedoch möglicherweise bei weiteren Projekten mit ähnlichem Kontext (zumindest als Denkansatz) hilfreich sein.

437

Zitat Interview-Partner 1.

99 Daher werden am Ende eines Projekts diese Erfahrungen in Form einer Präsentation festgehalten. Damit kann auch der Zeitpunkt als ein implizites Kriterium angesehen werden: nur Wissenselemente zu Projektende werden eingestellt. Dies kann auch erklären, weshalb keine vorläufigen Versionen in dem WissensmanagementSystem vorhanden sind: am Ende des Projekts werden alle relevanten Inhalte zusammengetragen, so dass direkt die endgültige Version erstellt werden kann. Zudem werden nur erfolgreiche Projekte festgehalten, ein „Lernen aus Fehlern“ ist eher die Ausnahme. Die Berater entscheiden selbst, welche Aspekte eines Projekts in die Wissensbasis des Unternehmens eingestellt werden sollen. Da diese auch gleichzeitig Nutzer des Wissensmanagements sind, fließt in diese Entscheidung offensichtlich auch ihre bisherige Erfahrung ein: anhand der bisher durchgeführten Projekten können sie eher beurteilen, welche Themen für die Kollegen auch künftig von besonderer Bedeutung sind. Ergänzend spielt die Einschätzung des jeweiligen Projektleiters bzw. Geschäftsführer eine Rolle: da dieser einer „Community“ zugeordnet ist und möglicherweise bereits ähnliche Projekte durchgeführt hat, beurteilt er, wie hoch der Neuigkeitsgrad ist, und ob sich die Erzeugung eines zusätzlichen Wissenselements lohnt. Die Prüfung auf „wichtiges“ Wissen findet somit zwar dezentral statt, jedoch auf Grundlage der Expertise des zuständigen Geschäftsführers und somit implizit im Rahmen der jeweiligen „Community“. Diese (subjektive) Einschätzung kann allerdings zur Folge haben, dass mehrere ähnliche Wissensobjekte zu einem Themenbereich vorliegen, jedoch immer ein als ausreichend wichtig angesehener Aspekt anders oder neu ist. Dies kann zu einer Vielfalt an verschiedenen Lösungsansätzen und Herangehensweisen führen, aus welchen die Berater später die für sie am ehesten geeigneten aussuchen können, birgt jedoch auch die Problematik, dass eine gewisse Redundanz und damit später eine Informationsüberflutung auftreten kann. Die Entscheidung, welches Wissen bewahrungswürdig ist, beschränkt sich bei Fallstudie A nicht nur auf die Berater auf dem Projekt. Zusätzlich ist die Hervorhebung eine Maßnahme, um solches Wissen, das aus Sicht der Kerngruppe der „Community“ besonders wichtig ist, von den anderen Wissenselementen abzuheben. Sie dient damit der Beurteilung der Wichtigkeit über die subjektive Ansicht des betroffenen Geschäftsführers hinaus. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Auszeichnung „im Nachhinein“, wenn das Wissen also schon in kodifizierter Form im Wissensmanagement-System vorhanden ist.

100

Fallstudienanalyse

Dimension „richtig“ Beschreibung: Das neue Wissen basiert insbesondere auf Erkenntnissen der Kundenarbeit, wo üblicherweise sowohl von verschiedenen Beratern als auch von mehreren Kundenmitarbeitern gemeinsam im Team Lösungen zu den Kundenproblemen erarbeitet als auch immer wieder hinterfragt werden. Auf Grundlage der gewonnenen Erfahrungen werden dann die o. g. Präsentationen für das Wissensmanagement erstellt. Nach der Erstellung einer solchen neuen Präsentation wird diese abschließend durch den zuständigen Geschäftsführer überprüft und freigegeben, wobei die Intensität der Prüfung nicht geregelt ist. Die Überzeugung der Interviewteilnehmer ist, dass, wenn die Freigabe erfolgt ist, diese von einem Geschäftsführer und somit einem Experten in diesem Gebiet erfolgt. Eine weitergehende inhaltliche Prüfung – z. B. durch die Wissensmanager – wird daher zunächst als nicht erforderlich angesehen. Üblicherweise können die Wissensmanager die Qualität auch nicht beurteilen, da diese normalerweise nicht direkt in dem Projekt involviert sind. Daher beschränkt sich im Normalfall die Überprüfung neuer Präsentationen auf formale Aspekte, wie z. B. Aufbereitung oder Anonymisierung. Erst nach dieser Freigabe kann die Präsentation in das WissensmanagementSystem eingestellt werden.438 Der Wissensmanager der jeweiligen „Community“ verschlagwortet die Präsentation, erstellt eine zusammenfassende Beschreibung und ordnet sie in die relevanten Kategorien ein.439 Regelmäßig wird das in einer „Community“ vorgehaltene Wissen von den jeweiligen Kernmitgliedern mit Hilfe der Wissensmanager aufbereitet. Hierzu werden zu bestimmten Themen sog. „Kernpräsentationen“ erstellt, welche die zentralen Punkte mehrerer Projektpräsentationen vereinigen. Die Kernmitglieder der jeweiligen „Community“ entscheiden, für welche Aspekte ihres Bereiches ein solches Dokument erstellt werden soll. Sie stellen Ressourcen bereit, um verschiedene Projektlösungsansätze und Herangehensweisen zu konzentrieren und zu diskutieren. Beispiele umfassen Industriestudien oder Einführungen in Methodenwissen für junge Berater. Sie spielen eine Schlüsselrolle für das Vorgehen in der Projektarbeit:

438

439

Nur ein kleiner Personenkreis hat die Berechtigung, Dokumente einzustellen oder zu modifizieren; dies sind insbesondere die Wissensmanager sowie wenige benannte Personen der jeweiligen „Community“. Aufgrund der dezentralen Organisation der „Communities“ können Ablauf, Rollen und Aufgaben der Personen im Einzelfall abweichen.

101 „Jetzt noch mal zusammenfassend, was also das Thema Qualitätssicherung angeht. Ich glaube, dass das auf jeden Fall auch für die User wirklich das Wichtigste ist, was man anbieten kann. Wirklich Sachen, die durch die [„Community“] mit den jeweiligen Experten erstellt werden und extra auch so aufgearbeitet werden, dass sie halt irgendwie ‚ready to use’ sind.“440 Kernpräsentationen werden aufgrund ihrer hohen Bedeutung grundsätzlich hervorgehoben.

Analyse: Aus Sicht der Interviewteilnehmer können die in der Kundenarbeit gewonnenen Erkenntnisse als „richtig“ in dem jeweiligen Kontext angesehen werden. Dies folgern sie einerseits aus der erfolgreichen Anwendung im konkreten Projekt441, jedoch auch aus der Tatsache, dass während der Erarbeitung das Wissen einem permanenten Diskurs durch Berater und Kunden unterworfen war. Eine Verallgemeinerung findet i. A. nicht statt, vielmehr soll der konkrete Kontext des Projekts erhalten bleiben. Auch im Rahmen der Überprüfung und Freigabe durch den zuständigen Geschäftsführer ist die Hinterfragung der Übertragbarkeit nicht vorgesehen: „Also es gibt sicherlich ein Review durch den [Geschäftsführer] oder Manager. Also das, glaube ich, ist der Normalfall, dass sich jemand das […], was der Berater geschrieben hat, anschaut. Aber da wird halt sozusagen im eigenen Saft gekocht.“442 Die Überwindung des Kontexts findet erst im Rahmen der Erstellung der Kernpräsentationen statt. Hierbei werden zu Kernthemen Präsentationen erstellt, welche die aus Sicht der Mitglieder der „Community“ wichtigsten Themen enthält. Es handelt sich hierbei um Aspekte, welche in mehreren Präsentationen aufgetreten sind, also vermutlich eher verallgemeinerbar sind. Somit kann für Fallstudie A eine zweistufige Durchführung der Dimension „richtig“ festgestellt werden: Zunächst werden die im Rahmen des Projekts erarbeiteten Erkenntnisse mit dem Kunden und innerhalb des Beraterteams diskutiert. Nach der Freigabe durch den Geschäftsführer werden diese in kontextabhängiger Form den anderen Beratern zur Verfügung gestellt. In einem zweiten Schritt können dann die Kernmitglieder einer „Community“ entscheiden, für ausgewählte Themenfelder eine Kernpräsentation zu erstellen, welche Wissen möglichst losgelöst vom Kontext enthält. Das Ziel scheint hierbei zu sein, einerseits der Heterogenität der Problem440 441 442

Zitat Interview-Partner 1. Siehe hierzu die Sicht des Pragmatismus in Abschnitt 2.1.1.1. Zitat Interview-Partner 4.

102

Fallstudienanalyse

stellungen und damit der Vielzahl möglicher Ansätze Rechnung zu tragen, andererseits insbesondere zu Projektbeginn dem Berater allgemeine Vorgehensweisen an die Hand zu geben. Ein grundsätzlicher Review aller Projekterkenntnisse hingegen ist nicht vorgesehen; die Interview-Partner nennen hierfür mehrere Gründe: x

Zeit ist ein begrenzender Faktor, ein systematischer Review wäre nur mit großem Ressourceneinsatz machbar.

x

Die Qualität des Inhalts einer Präsentation kann aufgrund der Komplexität üblicherweise nur von jemandem beurteilt werden, der Teilnehmer des Projekts war. Ein Dritter kann nur überprüfen, ob er Fehler gefunden hat, nicht jedoch, ob die Aussagen grundsätzlich richtig sind.

x

Da der freigebende Geschäftsführer der Haupt-Autor einer solchen Projektpräsentation ist, wären als „Peers“ demzufolge andere Geschäftsführer mit einem „Peer Review“ zu beauftragen.

Der Sinn eines Prüfverfahrens und die grundsätzliche Eignung zur Erhöhung der Qualität werden jedoch von allen Interview-Partnern geteilt. Dimension „relevant“ Beschreibung: Zu Beginn eines neuen Projekts können sich die Berater mit Hilfe des Wissensmanagement-Systems erkundigen, ob eine ähnliche Problemstellung bereits schon einmal aufgetreten ist, und die damaligen Lösungsansätze in ihre Überlegungen zur Herangehensweise an das neue Projekt einfließen lassen. Sie können hierzu die vorhandenen Dokumente anhand von Suchbegriffen und/oder durch die Verwendung von hierarchischen Kategorien durchsuchen, wobei ein Wissenselement mehreren Kategorien zugeordnet werden kann. Aufgrund des beschriebenen Ansatzes können zu einem bestimmten Thema möglicherweise keine, jedoch auch eine größere Anzahl Präsentationen vorliegen, welche sich ggf. in Teilaspekten sogar ähneln können. Die Vielzahl verschiedener Ansätze ist aufgrund der Komplexität der Kundenprobleme aus Sicht des Unternehmen A wichtig:

103 „[Wir] haben nicht unser Rezept, was wir immer wieder anwenden, sondern wir stellen uns auf die Kunden individuell ein. Und von daher ist es natürlich auch hilfreich, so Wissensansätze zu haben, um wieder Ideen zu kriegen.“443 Um dem Nutzer hier die Orientierung zu erleichtern und dem Phänomen der Informationsüberflutung zu begegnen, soll sich dieser zunächst an den vorbereiteten allgemeinen Kernpräsentationen bzw. den (als erstes angezeigten) hervorgehobenen Präsentationen orientieren und kann dann auf dieser Grundlage speziellere Aspekte recherchieren. In der täglichen Praxis kann jedoch festgestellt werden, dass die Berater regelmäßig die Hilfe der Wissensmanager bzw. Experten der jeweiligen „Communities“ suchen. Diese haben lt. Einschätzung der Befragten einen guten Überblick über die vorhandenen Wissenselemente und können so die Berater gezielt auf geeignete Einträge verweisen oder ergänzende Angaben machen: „I think, for the consumer it is important to check back with the author and that is why we put the authors prominently in our knowledge system. You are not supposed just to read the stuff; you are supposed to call the experts as well. Sometimes people forget to do that. But that is very important. […] I think it should always be used in conjunction with a discussion with the author or with a practice expert. We are not putting all the duty on the author to do that.“444 Zur Überprüfung, welches Wissen für die Nutzer relevant ist, wird bei der Unternehmensberatung A gemessen, wie häufig die Wissenselemente herunter geladen wurden. Besonders populäre Dokumente werden zentral ausgewertet und dann an die jeweilige „Community“ übermittelt. Die Kernmitglieder können dann entscheiden, welche dieser „download bestseller“445 dann ggf. zusätzlich hervorgehoben werden sollen. Formale „Feedback“-Mechanismen wie z. B. Kommentarfelder oder „Ratings“, mit welchen die Nutzer das Wissen bewerten können, sind nicht vorhanden.

Analyse: Da die Präsentationen nicht notwendigerweise alle für den Nutzer relevanten Informationen enthalten, ist dieser angehalten, mit den jeweiligen Autoren Rücksprache zu halten. Auch der direkte Austausch mit den Experten ist aus Sicht des Unternehmens A wünschenswert. Hintergrund ist hierbei offenbar einerseits, dass möglicherweise nicht alle Aspekte in einer solchen Präsentation festgehalten werden 443 444 445

Zitat Interview-Partner 4. Zitat Interview-Partner 5. Zitat Interview-Partner 3.

104

Fallstudienanalyse

können, und andererseits, dass auch die Übertragbarkeit des Kontexts auf die neue Problemstellung nicht immer unmittelbar abgeleitet werden kann. Das im Wissensmanagement-System gespeicherte explizite Wissen wird hier also durch das persönliche Gespräch mit den Autoren und Experten ergänzt. Das Ergebnis der Rückfrage bzw. Diskussion hat keinen Einfluss auf die Präsentation selbst, z. B. in Form einer Präzisierung des Kontexts. Ebenso wenig wird festgehalten, ob das Wissen für das neue Projekt genutzt wurde. Zwar ist eine Meldung an den Wissensmanager der jeweiligen „Community“ per E-Mail prinzipiell denkbar, diese Möglichkeit wird aber kaum genutzt. Die Messung der Relevanz eines Wissenselements für die Nutzer erfolgt bei der Unternehmensberatung lediglich durch Zählung der Häufigkeit, wie oft dieses herunter geladen wurde. Die Einführung von Kommentarfeldern bzw. „Rating“Mechanismen wurde innerhalb der Unternehmung diskutiert. Folgende Aussagen sprachen jedoch dagegen: x

Am Anfang eines Projekts kann man noch nicht beurteilen, welche Präsentationen hilfreich sein können.

x

Zu Projektende hingegen fällt es dem Nutzer schwer, sich zu erinnern, welche Wissenselemente er tatsächlich genutzt hat.

x

Auch Kommentare und „Ratings“ müssen verarbeitet werden.

x

Diese sind außerdem nur aussagekräftig, wenn sie in einer ausreichend hohen Anzahl abgegeben wurden.

Die Messung bzw. Bewertung der Relevanz scheint somit für die Unternehmensberatung von eher untergeordneter Bedeutung zu sein. Dies könnte auf die Ausrichtung des Unternehmens auf kundenindividuelle Lösungen zurückzuführen sein: da eine vielfache Nutzung eines Wissenselements eher untypisch ist, erscheint es nicht unbedingt erforderlich zu sein, solches wieder genutzte Wissen zu identifizieren. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Einmal eingestellte Projekterfahrungen werden üblicherweise nicht mehr geändert. Selbst wenn Berater widersprüchliche oder aus ihrer Sicht offensichtlich falsche Wissenselemente erkennen, führt dies nicht zu einem Diskurs und einer Überarbeitung (oder sogar Entfernung) des betroffenen Dokuments. Faktisch werden solche Wissenselemente von den Beratern einfach ignoriert, ein „Feedback“

105 findet nicht statt. Aus Sicht der Interview-Teilnehmer war solches Wissen in der damaligen konkreten Situation durchaus „richtig“, es ist jedoch lediglich in dem neuen Kontext nicht verwertbar: „It may just be a different way of approaching it. I do not think that there is much on our system that is completely crap, because it always has officer approval. So I think, in terms of correctness, intrinsic correctness, it should be mostly pretty good. It may not be applicable to your situation, but it should be good in itself.”446 Im Gegenzug hierzu werden die erwähnten Kerndokumente jedoch regelmäßig aufbereitet und durchlaufen einen Review innerhalb der jeweiligen „Community“, bei welcher die Experten die neue Version prüfen. Hierbei wird als Zeitraum zwischen den Überarbeitungen normalerweise ein Jahr angesetzt. Für größere gemeinsame Überarbeitungen des Wissens der „Community“ ist ein hoher Ressourceneinsatz erforderlich, sie finden daher lediglich alle zwei bis drei Jahre statt: „Da schaut man sich das zunächst mal alles an und entscheidet dann, bestimmte Sachen schmeißen wir raus und bestimmte Sachen nicht und bestimmte Sachen highlighten wir. […], das sind alles Sachen, da wird die Gruppe gefragt, ob das rausfliegt.“447 Analyse: Das identifizierte zweistufige Verfahren (kontextabhängige Projekterfahrungen und weitgehend kontextunabhängige Kernpräsentationen) spiegelt sich auch bei der Überprüfung der Wissenselemente wider.448 So werden die Projekterfahrungen nicht mehr geändert, Kernpräsentationen hingegen regelmäßig überarbeitet. In Bezug auf die Projekterfahrungen ist dabei festzustellen, dass widersprüchliche Aussagen aus Sicht der befragten Personen nicht notwendigerweise auf unrichtiges Wissen hindeuten, viel mehr können aufgrund unterschiedlicher Kontexte verschiedene Herangehensweisen sinnvoll sein. Dieser Logik folgend kann das Dokument inhaltlich durchaus ein in der damaligen Situation sinnvolles Vorgehen beinhalten, evtl. ist der Kontext jedoch nicht auf die neue Problemstellung übertragbar. Durch die Beibehaltung des Kontexts der Projekterfahrungen wird versucht, die durchaus gewünschte Vielfalt der möglichen Ansätze abzubilden, jedoch auf Kosten der Verallgemeinerbarkeit.

446 447 448

Zitat Interview-Partner 5. Zitat Interview-Partner 4. Siehe die Diskussion zur Dimension “richtig”.

106

Fallstudienanalyse

Diese Herangehensweise kann bestimmte auftretende Widersprüche nachvollziehbar werden lassen, jedoch erscheinen auch Fälle möglich, in welchen offensichtlich überholtes Wissen in einem Dokument vorhanden ist.449 Auch solche Dokumente werden bis zu ihrer Entsorgung nicht mehr aufbereitet. Da es auch keine Verknüpfungen zwischen den einzelnen Präsentationen gibt, ist es für den Nutzer schwierig zu erkennen, ob möglicherweise besser geeignete Wissenselemente vorhanden sind. Offensichtlich steht auch hier die Prämisse dahinter, dass der Nutzer die Verantwortung hat, bei jeder Verwendung des Wissens die Übertragbarkeit auf den neuen Kontext zu hinterfragen und nach evtl. besser geeigneten Inhalten zu suchen bzw. den Rat von Experten einzuholen. Aufgrund der kundenindividuellen Lösungsansätze wird außerdem die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Nutzung möglicherweise als so gering angesehen, dass eine Aktualisierung vor dem Hintergrund des damit verbundenen Aufwandes als nicht sinnvoll erachtet wird. Die Kernpräsentationen andererseits werden regelmäßig aufbereitet. Hierbei werden durch die Kernmitglieder der jeweiligen „Community“ neuere Erkenntnisse eingebracht sowie veraltete Teile entfernt. Das neue Dokument wird wiederum einem Review innerhalb der „Community“ unterzogen, so dass hier unrichtige Aspekte vermutlich eher selten vorzufinden sind. Der vergleichbar hohe Grad der Verallgemeinerung sowie die zeitliche Aktualität begründen offenbar die hohe Bedeutung dieser Kernpräsentationen. Daher werden zur Aufbereitung solcher Kernpräsentationen auch eher Ressourcen bereitgestellt als bei „normalen“ Projekterfahrungen. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Alle zwei Monate erzeugt das Wissensmanagement-System automatisch eine Liste mit Vorschlägen zu löschender Wissenselemente, welche den Wissensmanagern der jeweiligen „Communities“ per E-Mail zugeschickt wird. Hierbei orientiert sich die Auswertung am Alter des Wissenselements und dem Interesse der Nutzer: es werden solche Elemente aufgelistet, welche älter als zwei bzw. fünf Jahre450 sind und eine durch die „Community“ definierte Anzahl an „Downloads“ nicht überschritten haben. Die Wissensmanager überprüfen dann die vorgeschlagenen Elemente manuell und entscheiden – ggf. in Rücksprache mit den jeweiligen Experten – welche Dokumente schlussendlich entfernt werden sollen. Dabei wird sehr konservativ vorgegangen: 449

450

Man denke z. B. an Marktabschätzungen, bei welchen jüngere Erhebungen durch bessere Erhebungsverfahren erheblich abweichende Szenarien liefern im Vergleich zu älteren Analysen. Je nach Definition der „Community“.

107 „Es muss schon krass irrelevant sein, dann wird es herausgenommen. Aber wenn es ein Thema ist, […] von 1990, ‚An Oldie but Perhaps a Goldie’, würde ich es eher drin lassen.“451 Hierbei spielen bei Fallstudie A aus Sicht der Interviewpartner vier Gedanken eine wesentliche Rolle. Zunächst kann es immer wieder sein, dass man Aspekte einer Präsentation nochmals gebrauchen kann, ein alter Ansatz ist besser als kein Ansatz. Außerdem wird das Entfernen von weniger wichtigen Elementen als nicht so dringlich angesehen, da sich wichtige Dokumente durch die Hervorhebung und Darstellung zu Beginn der Suchergebnisliste bereits von den anderen abheben. Des Weiteren kann das seltene Herunterladen auch lediglich auf ein derzeit weniger beachtetes Thema deuten, dieses muss nicht notwendigerweise irrelevant sein. Der vierte Punkt bezieht sich auf den Nutzer, welchem man eine entsprechende Prüfung eher zutraut: „The conclusion we have come to is that we leave that to the consumer. I can see him as pretty smart. And they know that a 1999 e-commerce deck is not going to be that useful. So they will just ignore it when they do the search. That is the conclusion we have come to after quite a lot of discussions about this stuff.“452 Außerdem möchte man vermeiden, potentiell relevante Wissensinhalte zu löschen, „weil man dann ganz schnell den Leuten auf die Füße tritt“453.

Analyse: Bei Fallstudie A werden Wissensobjekte manuell, auf Basis einer automatisch generierten Liste, gelöscht. Dieser Prozess wird in regelmäßigen Abständen angestoßen, allerdings wird beim Entsorgen ein eher konservativer Ansatz verfolgt. Dies hat zur Folge, dass Wissenselemente teilweise relativ lange in der Wissensbasis verbleiben. Entsprechend der bereits zuvor diskutierten Prämisse liegt auch hier wieder die Verantwortung bei dem Berater, welcher das Wissen nutzen möchte. Dieser hat die Inhalte zu hinterfragen und ggf. aktuellere Inhalte zu nutzen. Daher wird das Entfernen von Präsentationen aus dem Wissensmanagement-System auch nicht als besonders wichtig angesehen. Die Existenz veralteter, d. h. unwichtiger und/oder unrichtiger Wissenselemente wird auch aus einem zweiten Grund wissentlich geduldet: das Überprüfen und Entsor-

451 452 453

Zitat Interview-Partner 3. Zitat Interview-Partner 5. Zitat Interview-Partner 4.

108

Fallstudienanalyse

gen einer größeren Zahl von Wissenselementen Ressourcen kostet auch Zeit und somit Geld: „There is certainly outdated material in there, but I think the users are smart enough to see what is out of date. And as I said, it is more costly to clean it out than it is to have the users take their own opinion on it.“454 Zusätzlich besteht bei der Unternehmung die Möglichkeit, durch die Hervorhebung wichtigere von unwichtigeren Inhalten zusätzlich unterscheiden, so dass hierdurch die Erfordernis des Entfernens unwichtigen Wissens weniger ausgeprägt erscheint.

Fazit: Folgende Tabelle fasst den Prozess sowie implizite Aspekte zum Wissensmanagement bei Fallstudie A zusammen: Dimension „wichtig“

„richtig“

Geschäftsführer entscheidet zu Projektende, ob Projekterkenntnisse in das WM eingestellt werden sollen

Geschäftsführer muss Inhalte freigeben

Grundsätzlich ist alles Wissen der Berater Impli- wertvoll zite Projekte können As- ähnlich sein, pekte aber es ist immer etwas Neues dabei

Inhalte kommen von der Kundenarbeit, sollten also richtig sein

Prozess (explizit)

Tabelle 9

4.2.2

Erstellung von Kerndokumenten zu definierten Themen

Review der Kerndokumente durch Experten

„relevant“

„unrichtig“

„unwichtig“

Nutzer suchen nach geeigneten Inhalten, ggf. Rücksprache mit Autor/Experte

Projekterkennt- WMgr erhalten nisse werden alle 2 Monate nicht aktualisiert Listen mit Kerndokumente alten/wenig abgerufenen werden regelInhalten (Löschmäßig übervorschlag) arbeitet

Vielzahl verschiedener Ansätze nötig

Aktualisierung der Projekterkenntnisse lohnt sich kaum; Nutzer müssen Inhalte hinterfragen

Nutzer haben die Verantwortung, jedes Mal die Übertragbarkeit des Kontexts zu prüfen

Alle 2-3 Jahre grundlegende Überarbeitung

WMgr sind beim Löschen eher konservativ Wichtige Inhalte hervorzuheben ist besser als Unwichtiges zu löschen

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie A)455

Fallstudie B

Bei Fallstudie B handelt es sich um eine global agierende Unternehmensberatung mit über 1.000 Mitarbeitern, welche mit Büros in rd. 30 Ländern präsent ist. Kunden 454 455

Zitat Interview-Partner 5. Eigene Darstellung.

109 sind insbesondere ein Großteil der „Fortune 100“ Firmen sowie öffentliche Unternehmen. Die Beratungsarbeit ist sowohl nach Branchen als auch nach Funktionen orientiert. Die Branchen umfassen hierbei Produktion, Energie, Telekommunikation, Chemie, Transport, Automobil, Finanzdienstleistungen und Gesundheitswesen. Funktional sind die Kompetenzfelder Unternehmensentwicklung, Organisation, Finanzen, PMI456, Informations-, Technologie-, Kunden- und Versorgungsmanagement zu unterscheiden. Die Fallstudienuntersuchung basiert auf einem persönlichen Interview mit der Person, welche die globale Verantwortung für das Wissensmanagement bei Unternehmen B trägt (Interview-Partner 6). Zusätzlich wurden allgemein zugängliche Quellen wie z. B. Beiträge in Fachpublikationen sowie der Internet-Auftritt der Unternehmensberatung herangezogen. Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Aus Sicht von Unternehmen B umfasst ein ganzheitliches Wissensmanagement insgesamt fünf Aspekte, auf welchen der Fokus der Aktivitäten liegt. Bei den im Wissensmanagement gespeicherten Wissenselementen (1) handelt es sich im Wesentlichen um Problemlösungsbeispiele, welche dem Nutzer (Berater) Anregungen für sein aktuelles Beratungsprojekt geben sollen. Diese wurden im Rahmen eines (später noch genauer beschriebenen) Prozesses (2) anhand der Erfahrungen bisheriger Projekte erarbeitet. Da im Unternehmensumfeld eine sehr heterogene Begriffwelt vorherrscht, wird mit Hilfe eines elektronischen Thesaurus (3) versucht, zusammengehörige Begriffs- und Themenfelder zu verdeutlichen. Die technische Infrastruktur (4) unterstützt hierbei den Nutzer z. B. durch dynamische Destillation des relevanten Wissens aus der Wissensbasis. Durch die Verankerung von Wissensmanagement als Unternehmensziel sowie regelmäßige Schulungen im Umgang mit dem Wissensmanagement wird schließlich eine Wissenskultur (5) im Unternehmen geschaffen. Organisatorisch wird diese Wissensorientierung in den jeweiligen Projekten durch die Benennung eines verantwortlichen Beraters für das Wissensmanagement verankert, den Wissensarbeiter. Dieser hat die Aufgabe, bereits während der laufenden Projektarbeit potentiell relevante Aspekte zu identifizieren und aufzubewahren. Die eigentlichen Träger der Inhalte sind die „Communities of Practice“, welche ihren

456

Engl. Post Merger Integration = Integration nach Unternehmenszusammenschluss.

110

Fallstudienanalyse

jeweiligen Wissensbereich zu verantworten haben. Die „Communities“ werden durch Wissensmanager unterstützt, i. A. ehemalige Berater, welche für die operative Gesamtfunktion des Wissensmanagements zuständig sind. Die Wissensmanager pflegen die Wissensbasis und sind damit gesamtverantwortlich für die Qualität in ihrem jeweiligen Bereich. Sie bilden junge Berater zu Wissensarbeitern aus, stoßen bei unzureichender Qualität eine Überarbeitung an und unterstützen die Wissensmanagementaktivitäten. Über den Wissensmanagern steht der WissensmanagementAusschuss, welcher direkt an die Geschäftsführung berichtet. Er definiert die grundsätzliche Strategie des Wissensmanagements und verwaltet das Budget. Außerdem erstellt er jährlich einen Bericht zum Stand des Wissensmanagements, welcher auch die Ergebnisse einer jährlichen Umfrage zur Zufriedenheit der Nutzer beinhaltet. Dimension „wichtig“ Beschreibung: Aus Sicht des Unternehmens B sind die wichtigsten Quellen zur Gewinnung neuen Wissens die Projekte.457 Hierfür werden bereits ab Beginn eines neuen Beratungsprojekts durch den Wissensarbeiter solche Informationen gesammelt, welche sich im weiteren Verlauf möglicherweise zu neuem Wissen verdichten können. Der Wissensarbeiter hat hierbei die Aufgabe, immer den aktuellen Stand der Wissensbasis zu kennen, um neuen Aspekte leichter identifizieren zu können. Wichtigstes Instrument zur Identifikation des bewahrungswürdigen Wissens ist dann die Abschlussbesprechung am Ende eines jeden Projekts. Diese wird in drei Phasen durchgeführt. In der Vorbereitungsphase werden zunächst die erarbeiteten relevanten Projektmaterialien von den Projektmitgliedern gesammelt und bereitgestellt. Hierauf folgt in der Hauptphase eine offene Diskussion, in welcher zunächst noch unstrukturiert über das Projekt berichtet wird. Danach wird auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit den Wissensmanagern und den verantwortlichen (erfahrenen) Projektleitern versucht, das hieraus wichtige Wissen zu identifizieren und zu Wissenselementen zu strukturieren. Ziel hierbei ist nicht eine Dokumentation des Projekts, sondern des zugrundeliegenden Lösungsansatzes:

457

Weitere Quellen können z. B. Produktentwicklungen bzw. andere interne Maßnahmen sein oder Abschlussbesprechungen mit Mitarbeitern, welche die Firma verlassen.

111 „Und ein Qualitätskriterium ist, dass sie eben nicht archivieren, dass sie aber nicht einfach auch nur einen lapidaren Projektbericht haben, sondern dass sie den Kontext, in dem diese Problemlösung stattgefunden hat, dass sie den erfassen. […] Es geht darum, die Problemlösung zu beschreiben und nicht einfach [dieses Projekt] zu beschreiben“458 Zur zielgerichteten Durchführung dieser Projektabschlussbesprechungen werden die Berater auf speziell angebotenen Trainings dafür sensibilisiert, solche neuen Aspekte zu identifizieren. Durch die Verpflichtung des Wissensarbeiters, einen Überblick über die bereits bestehende Wissensbasis zu haben, kann ein Abgleich mit den vorhandenen Wissenselementen erfolgen. Hierbei spielen zusätzlich die Vorkenntnisse der Projektleiter eine Rolle. Aufgrund ihrer Kenntnisse bisheriger Projekte fließt diese Erfahrung in den Selektionsprozess zusätzlich mit ein: „[…] und der Projektleiter […], oder die Seniorleute, die müssen das bewerten auf ihre Relevanz. Und die müssen das wirklich sagen, das sieht natürlich ein [Berater] nicht, das muss wirklich von dem Projektleiter auch selbst kommen.“459 In der Nachbereitungsphase der Projektabschlussbesprechung wird das gewonnene Wissen schließlich indexiert und in die Wissensbasis eingepflegt. Ergänzend werden mit Hilfe eines Thesaurus inhaltlich zusammengehörige Begriffs- und Themenfelder gruppiert, so dass diese später einfacher durch die Nutzer wieder gefunden werden können.

Analyse: Bei Fallstudie B wurden durch das Unternehmen keine expliziten Kriterien definiert, anhand derer die Mitarbeiter bewahrungswürdiges Wissen beurteilen sollen. Jedoch können mehrere implizite Ansätze identifiziert werden, wie wichtiges von unwichtigem Wissen unterschieden wird. So beschränkt sich das wichtige Wissen auf die durch Berater gewonnenen Erkenntnisse – anderes Wissen wird offenbar als weniger bedeutsam angesehen. Ähnlich wie bei der Unternehmensberatung A ist vermutlich die Projektarbeit der Berater beim Kunden der wichtigste Wertschöpfungsbeitrag und damit das hierbei erarbeitete Wissen von höchster Bedeutung.

458 459

Zitat Interview-Partner 6. Zitat Interview-Partner 6.

112

Fallstudienanalyse

Auch durch die Art des durchgeführten Prozesses zeigt sich, welches Wissen von Bedeutung ist. So werden neue Wissenselemente zum Ende eines Projekts gemeinsam durch die Team-Mitglieder diskutiert. Dies bedeutet, dass insbesondere solche Inhalte bewahrungswürdig zu sein scheinen, welchen das Team gemeinschaftlich eine hohe Bedeutung beimisst. Auch einmal gemachte Fehler werden aufbewahrt. Somit erscheint es nachvollziehbar, dass in einer sehr offenen Atmosphäre über die wichtigsten Erfahrungen des Projekts diskutiert werden – seien diese positiver oder negativer Art. Durch die Verankerung eines Wissensarbeiters im Projektteam, welcher einen Überblick über die bereits bestehenden Wissenselemente haben muss, ist außerdem ein laufender Abgleich mit der vorhandenen Wissensbasis möglich. Während der Projektabschlussbesprechung kann daher ein Schwerpunkt auf solche Aspekte gelegt werden, welche bisher nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden sind. Dies ermöglicht einen Fokus auf „neues“ Wissen und verringert offensichtlich die Gefahr, zu viele ähnliche Wissensobjekte zu erzeugen. Die Einschätzung der Projektleiter unterstützt zusätzlich die Entscheidung, welches Wissen als „wichtig“ bewertet wird. So kann dieser aufgrund seiner Erfahrung offenbar besonders gut die Bedeutung der gewonnenen Erfahrungen für die Unternehmung einschätzen. Dimension „richtig“ Beschreibung: Während der Projektabschlussbesprechung wird nicht nur lediglich ein Rückblick auf das individuelle Projekt geworfen, sie dient auch der Reflektion über das Gelernte: „Da werden sie immer nur in diesem individuellen Kontext bleiben. Das ist zwar nicht schlecht, ganz klar, aber ich denke, Ziel vom Wissensmanagement, und auch was die Qualität wirklich erhöht, ist, dass man das als Reflektion begreift.“460 Dabei wird gemeinsam im Team versucht herauszuarbeiten, welche Aspekte neues Wissen für die Unternehmung darstellen, und inwieweit dieses in anderen Projekten angewendet werden kann. Die dabei entstehenden Wissenselemente sind allgemeine Problemlösungsbeschreibungen, welche auch außerhalb ihres Entstehungskontexts genutzt werden können. Diese können von einzelnen Kontaktdaten der 460

Zitat Interview-Partner 6.

113 Personen, welche eine Lösung zu einem bestimmten Problem gefunden haben, bis hin zu kurzen Texten oder ganzen Dokumenten reichen. Nur Elemente, die eine solche Reflektion durchlaufen haben, gelangen in die Wissensbasis. Möglicherweise ergibt die Besprechung auch, dass nichts Neues gelernt wurde; dann wird auch dies festgehalten. Da die Reflektion sehr zeitaufwändig ist, wird für Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung ein ganzer Projekttag vorgesehen. Um einen großen zeitlichen Abstand zwischen Projektende und Reflexion zu vermeiden, muss die Projektabschlussbesprechung spätestens vier Wochen nach Ende des Projekts stattgefunden haben. Zum Abschluss wird ein zusammenfassender Abstrakt erstellt, anhand dessen später ein Nutzer entscheiden kann, ob es sich für ihn lohnt, die weiteren zugehörigen Dokumente zu sichten: „Aber eben nicht nur ein deskriptiver Abstrakt, sondern einer, der Hinweise darauf gibt, welche Probleme gelöst wurden und wie, dass der User sofort entscheiden kann, das ist genau die Richtung, die wir wollen. Und dann erst geht er in die einzelnen angehängten Dokumente. Da kann eines dran sein, da können zehn Dokumente drangehängt sein, je nachdem, was es braucht, um diese Aussage […] abzurunden.“461 Eine zusätzliche Überprüfung findet durch die Wissensmanager statt, welche die Dokumente dann in das Wissensmanagement einstellen. Diese prüfen jedoch eher allgemeine formale Punkte, ob z. B. ein Kontext angegeben wurde, nicht jedoch die inhaltliche Richtigkeit. Eine weitere Prüfung des Wissens ist nicht vorgesehen. Allerdings können die Berater das Projekt als Leuchtturmprojekt vorschlagen, wenn das erarbeitete Wissen als besonders innovativ angesehen wird. Innerhalb der betreffenden „Community“ wird jeden Monat durch die Mitglieder gemeinsam ein Leuchtturmprojekt identifiziert, welches dann nochmals mit zusätzlichen Ressourcen aufbereitet wird. Als bedeutsam wird die Einhaltung eines stringenten Prozesses angesehen: „Sie sehen, diese Frage Qualitätsmanagement ist vielschichtig. Das hat sehr viel mit Qualität der Prozesse zu tun.“462 So werden ausschließlich solche Wissenselemente in das Wissensmanagement aufgenommen, welche eine derartige Reflektion erfahren haben. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Kennzahlen erhoben,

461 462

Zitat Interview-Partner 6. Zitat Interview-Partner 6.

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Fallstudienanalyse

z. B. wird die Anzahl der durchgeführten Reflektionen oder die Zeit zwischen faktischem Projektende und Projektabschlussbesprechung gemessen. Die Abweichung dieser KPIs463 zwischen „Soll“ und „Ist“ wird mit einem Ampelsystem464 dargestellt.

Analyse: Die Frage der Richtigkeit wird explizit während der Projektabschlussbesprechung diskutiert. Als problematisch und auch erfolgskritisch wird hierbei die Herauslösung der Erkenntnisse aus dem konkreten Kontext angesehen. Der Wissensarbeiter versucht hierbei, „[…] diese Reflektion auch ein Stück weit zu steuern und zu begleiten und zu sagen: ‚Okay, komm, was war denn da noch, was war denn da wirklich Neues? In welchem anderen Kontext könnte diese Problemlösung, die wir da erarbeitet haben, denn noch interessant sein? Und in welcher Branche, in welchem Kontext taugt es dazu, unsere Service-Architektur da aufzubessern?’.“465 Falls dies nicht möglich ist, soll der Kontext möglichst genau spezifiziert werden. Somit kann festgestellt werden, dass die Projektabschlussbesprechung gleich drei Zielen dient. Zunächst wird im Team erarbeitet, welche Erfahrungen für das Unternehmen wichtig sind. Danach wird diskutiert, inwiefern sich bestimmte Problemlösungen auf andere Kontexte übertragen lassen. Wenn die Reflexion ergibt, dass ein bestimmter Kontextbezug erhalten bleiben muss, so wird versucht, diesen möglichst eindeutig zu spezifizieren. Hieran wird erkenntlich, dass durch dieses Vorgehen eine Verallgemeinerung lediglich aus Sicht der beteiligten Berater eines Projekts möglich ist. Möglicherweise können diese nicht alle Dimensionen einer Generalisierung überblicken, jedoch wird eine inhaltliche Prüfung durch Dritte nicht für nötig erachtet. Der Gedanke hierbei ist, dass die Überprüfung durch nicht am Projekt beteiligte Personen aufgrund der Komplexität der Themen nur schwer durchführbar ist. Die Beurteilung der Übertragbarkeit verbleibt daher also innerhalb des Projektteams. Lediglich bei den Leuchtturmprojekten scheint eine solche unabhängigere Prüfung durch Mitglieder der jeweiligen „Community“ („[…] das sind dann spezielle Teams innerhalb der ‚Practices’“466) stattzufinden. Hierbei wird eine zusätzliche Aufbereitung der Erfahrung mit zusätzlichen Ressourcen, also Beratern, vorgenommen. Diese 463 464 465 466

Engl. Key Performance Indicator = Leistungsindikator. Je nach Abweichung wird hierbei der Status „grün“, „gelb“ oder „rot“ vergeben. Zitat Interview-Partner 6. Zitat Interview-Partner 6.

115 diskutieren die gewonnenen Inhalte außerhalb des ursprünglichen Kontexts, um diese in möglichst allgemein verwendbarer Form festhalten zu können. Ziel ist hierbei, einfach und schnell wieder verwendbares Wissen zu erzeugen, welches dann möglicherweise sogar als eigenes Beratungs-„Produkt“ den Kunden angeboten werden kann. Offensichtlich ist aus ökonomischer Sicht ein derartiger Einsatz nicht bei allen, sondern nur bei ausgewählten Erfahrungen sinnvoll. Dimension „relevant“ Beschreibung: Der Nutzer (Berater) kann sich zu Beginn eines neuen Beratungsprojekts mit Hilfe des Wissensmanagements auf den neuesten Stand des Wissens bringen, welches er im Umfeld des Kunden dann nutzen kann, um neue bzw. individuelle Lösungsansätze zu entwickeln. Da die Datenbank XML467-basiert ist, kann der Berater einfach vom Intranet aus über seinen üblichen „Browser“ auf die gespeicherten Wissenselemente zugreifen. Hierzu kann er in einem Index gezielt nach Schlagworten suchen, jedoch auch mit Hilfe des Thesaurus eine Einordnung des Themenumfelds erhalten und so geeignete Wissenselemente identifizieren. Die „Communities“ können außerdem rollen- oder aufgabentypische Querschnitte durch die Wissensbasis schaffen und so die Orientierung zusätzlich erleichtern. Hilfe erhält der Nutzer durch die Orientierung an den Leuchtturmprojekten. Da es sich hierbei um besonderes Wissen handelt, welches zusätzlich aufbereitet wurde, sind die Berater angehalten, insbesondere solche Projekterfahrungen zu nutzen. Geplant ist sogar eine Verpflichtung zur Wiederverwendung einer Mindestanzahl solcher Wissenselemente je „Community“ bzw. je Land. Für Rückfragen bestehen zusätzlich Kontaktmöglichkeiten zu den jeweils relevanten Experten. In der täglichen Arbeit können daher zwei Herangehensweisen beobachtet werden: einige Berater durchsuchen eher die Wissensbasis nach den für sie geeigneten Elementen, andere hingegen kontaktieren direkt die Experten des jeweiligen Gebiets. In letzterem Fall kann es vorkommen, dass diese die Berater dann doch wieder auf das Wissensmanagement verweisen: „[…] und damit die Aufforderung, sie sollen wirklich von vorne jetzt das alles nochmals erzählen? Dann sagen sie: ‚Nein! Guck Dir das im KM-System an!’ Und das können wir tatsächlich feststellen.“468

467 468

Engl. Extensible Markup Language = erweiterbare Auszeichnungssprache. Zitat Interview-Partner 6. KM = engl. Knowledge Management = Wissensmanagement.

116

Fallstudienanalyse

Im Rahmen der Nutzung werden verschiedene Kennzahlen erhoben, hierzu gehören die Anzahl der Aufrufe von Wissenselementen, die Anzahl der herunter geladenen Dokumente, auch die Anzahl der Suchanfragen. Diese werden v. a. als Indikatoren genutzt, um das Verhalten der Nutzer z. B. nach Regionen oder „Communities“ vergleichen zu können. Ein „Feedback“ bzw. „Rating“-Formular zur Einordnung der Relevanz hingegen existiert nicht. Durch eine Verknüpfung der Projekte, die Wissen aus Leuchtturmprojekten genutzt haben, mit den zugrunde liegenden Quellen kann außerdem ermittelt werden, wie häufig das Wissen aus diesen besonderen Projekten genutzt wurde.

Analyse: Das Unternehmen hat einen Fokus auf der Wiederverwertung des einmal generierten Wissens, und stellt verschiedene Möglichkeiten bereit, wie die Nutzer dieses auffinden können. Es nutzt Mechanismen wie z. B. die Ermittlung von „Download“-Zahlen zur Messung der Relevanz; diese haben laut Aussage des InterviewPartners jedoch keine besonders hohe Bedeutung. Wichtiger aus seiner Sicht ist, dass das Wissen auch tatsächlich wieder genutzt wird: „Nach meiner Auffassung muss man messen, um eine Qualität zu messen, wie oft wurde es sozusagen wieder verwendet. Und zwar nicht Öffnen mit ‚Klick’. Ich halte von diesen Systemen absolut nichts in einem Unternehmenskontext.“469 Die Anzahl der „Downloads“ erscheint somit eher als Indikator dienlich. Daher werden seit kurzer Zeit Verknüpfungen der Wissensobjekte festgehalten bzw. manuell nachgepflegt. Mit diesen sollen Abhängigkeiten („bezieht sich auf“) dargestellt werden. Wenn eine solche Verknüpfung besteht, so wird damit verdeutlicht, dass das referierte Wissen tatsächlich genutzt wurde – es ist schließlich in ein weiteres Projekt eingeflossen. Verknüpfungen werden damit als deutlich besser geeignet angesehen, um die Nutzung von Wissen zu verdeutlichen. Eine besondere Rolle scheinen hierbei die Erfahrungen aus den genannten Leuchtturmprojekten zu spielen. Da diese möglichst kontextunabhängiges Wissen beschreiben und besonders aufbereitet wurden, sind sie ohne größere Adaptionen in einem ähnlichen Problemfall wieder verwendbar. Daher sollen insbesondere diese Inhalte verstärkt wieder von den Beratern genutzt werden. Das Problem der Informationsüberflutung der Nutzer wird bei der Fallstudie B als nicht gravierend angesehen. Da sich durch den aufwändigen Prozess nicht viele,

469

Zitat Interview-Partner 6.

117 dafür jedoch konsequent reflektierte Wissenselemente in der Wissensbasis befinden, welche bei der Erstellung zusätzlich noch mit den bisherigen Inhalten abgeglichen wurden, sind kaum redundante Aspekte zu erwarten. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Grundsätzlich besteht die Möglichkeit der Identifikation unrichtiger Wissenselemente im Rahmen der Projektabschlussbesprechung: falls Diskrepanzen zwischen den Einträgen in der Wissensbasis und den Erkenntnissen der Berater auf dem Projekt auftreten, werden diese während der Reflektion hinterfragt. Wenn die erarbeiteten Erkenntnisse in Widerspruch zu bisherigen Ansätzen stehen bzw. diese einschränken oder ergänzen, so haben die Projektleiter die Aufgabe, diese Diskrepanz auch mit dem Autor des bereits existierenden Wissenselement zu diskutieren. Anhand der Erkenntnisse, welche sich aus dieser Diskussion ergeben, sind dann beide Dokumente entsprechend zu ergänzen: „[…] genau das ist ja das Ziel der Sache. Dann wird es wirklich auch in diesem alten Dokument – wenn es diesen Anspruch erhebt, sozusagen allgemeingültig zu sein – dann wird es entsprechend reflektiert. […] Ja, und da gibt es immer einen ‚Owner’, der das angelegt hat, und den muss man dann fragen. Der muss das machen, mit dem muss man diskutieren.“470 Zusätzlich haben die Wissensmanager der jeweiligen „Community“ die Aufgabe, die Wissenselemente ihres Bereichs mindestens halbjährlich zu überprüfen und mögliche Probleme im Rahmen einer monatlichen Telefonkonferenz innerhalb ihrer „Community“ zu diskutieren. Ein „Feedback“-Mechanismus der Nutzer, wenn ein Dokument aus dessen Sicht als „unrichtig“ angesehen wird, ist hingegen nicht vorgesehen.

Analyse: Durch die Reflektion in der beschriebenen Form möchte das Unternehmen erreichen, dass nicht nur die neuen Erkenntnisse hinterfragt werden, sondern auch Diskrepanzen zwischen den Projekterfahrungen und den existierenden Wissenselementen identifiziert werden. Durch die Diskussion soll einerseits ermöglicht werden, hier wieder zu qualifiziertem Wissen zu gelangen, welches durch die betroffenen Mitarbeiter geteilt wird. Andererseits werden die Ergebnisse der Diskussion auch

470

Zitat Interview-Partner 6.

118

Fallstudienanalyse

in dem bestehenden Wissenselement festgehalten, so dass hierdurch das bereits vorhandene Wissen aktualisiert wird. Solche Erkenntnisse werden erst zu Projektende im Rahmen der Reflektion aufgearbeitet, obwohl sie möglicherweise schon zu Projektbeginn aufgefallen sind. Der Grund hierfür scheint darin zu liegen, dass die Nutzer üblicherweise keine Kommentare an die Autoren schicken, wenn sie im Rahmen ihrer Recherche nach Wissenselementen auf aus ihrer Sicht „unrichtige“ Einträge stoßen. Hierbei stellt sich – entsprechend den Überlegungen bei Unternehmensberatung A – die Frage, ob diese Einträge dann tatsächlich „unrichtig“ sind, oder ob evtl. nur der Kontext nicht auf die neue Problemstellung übertragbar ist. Eine Antwort hierauf kann möglicherweise am besten in der gemeinsamen Reflektion gefunden werden. Um die Wahrscheinlichkeit „unrichtiger“ Wissenselemente weiter zu verringern, haben die Wissensmanager zusätzlich die Aufgabe, im Rahmen ihrer Rolle als Netzwerkknoten für das Wissensmanagement die Einträge ihrer jeweiligen „Community“ regelmäßig zu überprüfen. Dadurch soll erreicht werden, dass auch solche Wissenselemente, welche nicht oder bereits seit längerer Zeit nicht mehr genutzt bzw. aktualisiert wurden, trotzdem auf ihre inhaltliche Richtigkeit hinterfragt werden. Zusammenfassend werden damit zwei Wege der Aktualisierung durch das Unternehmen B beschritten. Zum einen werden bestehende Wissenselemente überarbeitet, wenn hierzu im Rahmen eines Projekts neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Zum anderen werden sie durch die Wissensmanager regelmäßig manuell überprüft und ggf. aktualisiert, um auch nicht verwendete Inhalte aktuell zu halten. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Ein Prozess zum Entfernen von Wissenselementen ist nicht vorgesehen: „Richtig, wobei wir sehr konservativ sind mit dem Rausschmeißen, weil wir auch sehr konservativ sind mit dem ‚Reintun’. Weil wie gesagt, es ist keine Bibliothek. Und die Projekte, die wir gemacht haben, das ist unser Knowledge Asset.“471 Eine abgestufte Kategorisierung nach Wichtigkeit kann jedoch mit Hilfe des Thesaurus verwirklicht werden. Dabei werden als wichtiger angesehene Wissensele-

471

Zitat Interview-Partner 6.

119 mente zu den aktuellen Themenbereichen zugeordnet, weniger wichtige Wissenselemente sind dementsprechend eher am Rand des Begriffsnetzwerks zu finden. Eine solche Neuordnung nach der Wichtigkeit wird regelmäßig durch die jeweiligen Wissensmanager durchgeführt: „Und wie gesagt, ja klar, so ein ‚Spring Cleaning’ gibt es öfters mal. Da werden solche Dinge mal wieder in einen anderen Kontext gesetzt.“472

Analyse: Das Entfernen von Wissen ist bei Fallstudie B nicht vorgesehen. Die zugrunde liegende Überzeugung ist, dass das im Rahmen der Reflektion erarbeitete Wissen zu wertvoll ist, um entsorgt zu werden. Außerdem kann aus Sicht der Unternehmung das einmal erarbeitete Wissen auch möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Zusammenhang wieder gebraucht werden: „Wir haben auch keinen Prozess, sodass wir immer checken, das muss rausfliegen usw. Weil unsere Erfahrung ist, dass oft in einem anderen Kontext betrachtet, das Wissen ist nicht einfach nur obsolet. Manchmal muss man es im anderen Kontext betrachten und hat plötzlich wieder eine völlig andere Story. […] Das ist natürlich auch die Aufgabe der [Wissensmanager], da auch für Sorge zu tragen, dass diese [Wissenselemente] da immer auch in diesem richtigen Cluster zu finden sind.“473 Statt des Löschens werden Wissenselemente daher je nach Wichtigkeit zu einem eher zentralen Begriffs-„Cluster“474 oder einem „Cluster“ eher am Rand des Begriffsnetzwerks (Thesaurus) zugeordnet. Durch eine solche Maßnahme kann ein unterschiedlicher Grad an Wichtigkeit durchaus abgebildet werden.

Fazit: In folgender Tabelle werden der Prozess sowie implizite Aspekte zu den einzelnen Prozess-Schritten zusammengefasst:

472 473 474

Zitat Interview-Partner 6. Zitat Interview-Partner 6. Engl. Anhäufung, Gruppe, Ballen.

120

Fallstudienanalyse Dimension „wichtig“

„richtig“

„relevant“

„unrichtig“

Vorbereitung der Projekt-AbschlussbesprePro- chung mit Idenzess tifikation wichti(expli- gen Wissens zit) Einschätzung der Wichtigkeit zusätzlich durch Projektleiter

Projekt-Abschlussbesprechung mit Reflektion, was gelernt wurde

Nutzer orientieren sich an Index oder Thesaurus, fragen ggf. bei Autoren / Experten nach

Wenn Widersprüche erkannt werden: Hinweis in altem und neuen Dokument

Wissen der Berater ist Implibewahrungszite würdig Aspekte

Beurteilung der Übertragbarkeit und Verallgemeinerung erfolgt durch die ProjektMitglieder

Orientierung an Leuchtturmprojekten, welche verstärkt wieder genutzt werden sollen

Kein zwischenzeitliches Feedback: erst bei gemeinsamer Reflektion

Tabelle 10

4.2.3

Identifikation von Leuchtturmprojekten

Wissensmanager überprüfen Wissensbasis zusätzlich

„unwichtig“ Kein Prozess zum Entfernen von Wissenselementen Abgestufte Wichtigkeit je nach Position im Begriffsnetzwerk

„Konservativ beim Rausschmeißen, da konservativ beim Reintun“

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie B)475

Fallstudie C

Bei Fallstudie C handelt es sich um ein Beratungsunternehmen mit den Schwerpunkten Strategieberatung, Technologiedienstleistungen und Outsourcing476. Kunden sind v. a. ein Großteil der „Fortune Global 500“ Firmen sowie Unternehmen des öffentlichen Sektors. Mit über 140.000 Mitarbeitern werden in rd. 50 Ländern über USD 16 Mrd. umgesetzt, wobei der Schwerpunkt in Amerika sowie Europa, Afrika und Mittlerem Osten liegt. Das Unternehmen ist in die Branchengruppen Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, Produkte, Rohstoffe und öffentlicher Sektor unterteilt. Zur Datensammlung wurde ein Interview mit einem verantwortlichen Wissensmanager (Interview-Partner 7) geführt. Die Angaben wurden ergänzt durch solche aus öffentlich zugänglichen Quellen, wie z. B. Fachliteratur und dem Internet-Auftritt der Firma.

475 476

Eigene Darstellung. Engl. Auslagerung von Geschäftsbereichen oder -prozessen.

121 Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Frühe Wissensmanagement-Ansätze bei Unternehmen C reichen bereits in das Jahr 1992 zurück. Die erste Generation wurde mit einem deutlichen Fokus auf Informationstechnologie erstellt, und dann in mehreren Schritten zur heutigen Sichtweise weiterentwickelt. Der letzte fand vor ca. 1,5 Jahren mit der Portierung der bisherigen dezentralen „Datenbank-Silos“477 auf eine neue Plattform mit einer zentralen Datenbank statt. Entsprechend der Größe der Firma ist auch das Wissensmanagement groß dimensioniert. Etwa 130 Wissensmanager verwalten rd. 80.000 bis 100.000 Dokumente, welche in einem zentralen Datenbanksystem vorgehalten werden. Dimension „wichtig“ Beschreibung: Der Nutzer kann die Wissensbasis nach möglicherweise geeigneten Elementen anhand von Stichworten oder Kategorien durchsuchen. Wenn er hierzu nicht fündig wird, ist er angehalten, zu der konkreten Problemstellung ein Dokument zu erstellen: „Ja er kann dadurch beitragen zur Erhöhung der Qualität des Inhaltes, indem er es benutzt. […] Und dann eben nicht nur meckern, wenn sie mal nichts finden, sondern eben dafür sorgen, dass dann später irgendwann mal was gefunden wird darüber.“478 Die Entscheidung, Wissen oder Informationen in das Wissensmanagement aufzunehmen, liegt bei den einzelnen Mitarbeitern, einheitliche Richtlinien oder Kriterienraster hierzu existieren kaum: „Rein prinzipiell kann jetzt jeder Mitarbeiter, also potentiell alle 140.000 in diesem System, was eingeben. […] Eine einzige Einschränkung ist, dass nicht jeder diese Kundenreferenzen, also diese ‚Credentials’ einstellen darf. Das dürfen nur wir und die Marketingabteilung.“479 Faktisch jedoch werden rd. 80% der neuen Wissenselemente von den Beratern zunächst an den Wissensmanager der jeweiligen „Community“ geschickt, welcher in seinem Bereich einen Überblick über das vorhandene Wissen hat. Üblicherweise werden Dokumente von diesem nicht abgelehnt, denn „dann hat man vielleicht jemanden vergrault, das möchte man ja auch nicht. Also ‚per default’ würde ich sa477 478 479

Zitat Interview-Partner 7. Zitat Interview-Partner 7. Zitat Interview-Partner 7.

122

Fallstudienanalyse

gen, geht es ins [Wissensmanagement], also wird es eingestellt.“480 Die Wissensmanager haben dann die Aufgabe, die entsprechenden Dokumente zu verschlagworten und einzustellen. Normalerweise werden solche Elemente zur Verfügung gestellt, welche zu einem erfolgreichen Projekt geführt haben, die Dokumentation von Fehlern hingegen findet nur selten statt. Ebenso werden nur finale Versionen eingestellt. Um den Prozess besser steuern zu können, erhält der Wissensmanager der jeweiligen „Community“ regelmäßig einen Bericht über die derzeit laufenden Projekte. Wenn dieser hierbei ein Projekt identifiziert, auf welchem möglicherweise interessante Erkenntnisse generiert werden, hat er die Möglichkeit, das Projektteam zu kontaktieren und eine entsprechende Zusammenfassung der Problemlösungsansätze anzustoßen. Um die Elemente strukturieren zu können, gibt es mehrere Pflichtangaben. So müssen die eingestellten Dokumente zu einem von ca. 16 verschiedenen Dokumententypen, z. B. Studie, Geschäftsstrategie oder Produktdemonstration, gehören. Außerdem müssen sie zu einem oder mehreren definierten Themenfeldern zugeordnet werden, z. B. je nach Industrie oder Funktion. Zusätzlich wird eine Beschreibung des jeweiligen Projekt-Kontexts erwartet.

Analyse: Grundsätzlich dürfen alle Mitarbeiter des Unternehmens Wissenselemente in das Wissensmanagement einstellen, so dass zunächst offensichtlich jedes Wissen als wichtig angesehen wird. Unternehmensstrategischen Vorgaben, welches Wissen hierbei aus Sicht der Firma wichtig ist, existieren nicht. Auch die Tatsache, dass ein Großteil der Dokumente nicht direkt durch die Mitarbeiter, sondern durch die Wissensmanager eingestellt wird, hat kaum Auswirkungen auf die Selektion des Wissens, da eingeschickte Wissenselemente üblicherweise nicht abgelehnt werden. Bei der Erzeugung neuer Wissenselemente orientieren sich die Nutzer an den eigenen Erfahrungen sowie den bereits im Wissensmanagement-System enthaltenen Inhalten:

480

Zitat Interview-Partner 7.

123 „Also der Antrieb, das Lernen selbst, vielleicht schon mal eine schlechte Erfahrung gemacht und nichts gefunden zu haben. Und dann eben sagen, okay, das soll den anderen nicht passieren. Und natürlich, also von [uns] aus gesehen, unser gebetsmühlenartiges immer wieder Predigen: ‚Stellt bitte ein, es geht nur mit Euch. Wie schlecht ist es, wenn man nichts findet’ usw. Von daher nehmen wir wahrscheinlich auch eher so ein bisschen ‚Overload’ in Kauf; dass eher was da ist, als dass nichts da ist.“481 Offensichtlich besteht trotz der Größe des Wissensmanagement-Systems aus Sicht des Unternehmens die Problematik, dass zu verschiedenen Themenstellungen noch keine Inhalte vorhanden sind. Die Folge hieraus ist, dass neue Elemente nicht abgelehnt werden, wenn einem Autor ein bestimmtes Thema als derart wichtig erachtet, dass er hierzu ein neues Wissenselement erstellen möchte. Die Gefahr einer Informationsüberflutung wird daher noch als gering angesehen. Ergänzend hierzu erhalten die Wissensmanager regelmäßig eine Überblicksdarstellung über die gerade laufenden Projekte in ihrer „Community“. Sie können hierdurch Projektteams gezielt auf die Erstellung von Wissenselementen ansprechen, wenn aus einem Projekt möglicherweise neue Erkenntnisse zu erwarten sind. Offensichtlich soll hierdurch erreicht werden, dass „Lücken“ in der Wissensbasis gezielt geschlossen werden sollen. Zusammenfassend können also bei Fallstudie C zwei sich gegenseitig ergänzende Herangehensweisen beobachtet werden. Zum einen haben die Autoren die Möglichkeit, neues Wissen einzustellen, wenn sie der Auffassung sind, dass sie zu einem bestimmtem Thema neue Inhalte beisteuern können. Zum anderen können die Wissensmanager gezielt auf Berater zugehen, wenn sie der Meinung sind, dass auf einem laufenden Projekt wichtiges neues Wissen generiert wird. Dimension „richtig“ Beschreibung: Da jedem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben wird, Dokumente in das Wissensmanagement einzustellen, ist eine grundsätzliche Prüfung der Verallgemeinerbarkeit nicht vorgesehen. Ein Diskurs findet – wenn überhaupt – dezentral auf den einzelnen Projekten statt. Auch der Wissensmanager, der einen Großteil der Dokumente zugeschickt bekommt, kann den Inhalt normalerweise nicht beurteilen, und stellt diese im Regelfall ohne weitere Prüfung in das Wissensmanagement

481

Zitat Interview-Partner 7.

124

Fallstudienanalyse

ein.482 Er erhält jedoch eine Auswertung aller neu eingestellten Dokumente und kann so zumindest prüfen, ob das Dokument dem Vokabular der bisher existierenden Wissenselemente folgt, um so das Verständnis und die Vergleichbarkeit zu erhöhen und damit die Komplexität für den Nutzer zu reduzieren.483 Zu bestimmten Themengebieten können die Experten der jeweiligen „Community“ sog. „Kerndokumente“ erstellen: „Das sind wichtige Dokumente, die […] haben auch entsprechend die Download-Zahl, das kann man sich ja aus dem Reporting-System herausholen […] Das machen wir jetzt, das schauen wir uns an. Weil es sind wichtige Dokumente, die beschreiben den ganzen Bereich, und die müssen natürlich ‚top’ sein.“484 Die jeweiligen „Communities“ spielen somit eine Schlüsselrolle bei der Generierung und Prüfung neuen Wissens: „Das sind schon die Keimzellen des Wissens, weil da kommen die Leute zusammen, die dieselbe Sprache sprechen. Da kommen die Logistiker zusammen, da kommen die ‚Customer Relationship’-Leute zusammen, da kommen die ‚Changer’ zusammen, die Strategen – wie auch immer. Und da wird ja richtig das Wissen produziert, so nach dem Motto, was hast du da erlebt beim Kunden, wie bereiten wir uns jetzt da vor, und was ist denn momentan am Markt angesagt etc.“485 Analyse: Da grundsätzlich durch alle Mitarbeiter neue Inhalte eingestellt werden können, wird keine systematische Prüfung der Elemente auf Verallgemeinerung durchgeführt. Auch die Wissensmanager der „Communities“ können eine solche Überprüfung kaum durchführen. Dies wird zum einen damit begründet, dass hierfür einerseits Expertenwissen erforderlich ist, zum anderer können diese eine systematische Überprüfung „einfach aus Zeitgründen gar nicht machen“486, bzw. es sind erhebliche Ressourcen erforderlich. Ein potentieller Nutzer kann also bei einem Dokument üblicherweise nicht erkennen, ob es sich aus Sicht der Unternehmung hierbei um „richtiges“ Wissen handelt oder nicht.

482

483

484 485 486

Aufgrund der dezentralen Organisation der „Communities“ können Ablauf, Rollen und Aufgaben der Personen im Einzelfall abweichen. Ein einheitliches Vokabular wurde von Interview-Partner 7 als essentiell zur Sicherstellung der Qualität bewertet. Zitat Interview-Partner 7. Zitat Interview-Partner 7. Zitat Interview-Partner 7.

125 Anders sieht es bei den Kerndokumenten aus, von welchen aufgrund einer hohen Anzahl an „Downloads“ vermutet wird, dass diese relativ häufig genutzt werden. Diese werden in Zusammenarbeit mit den Experten der jeweiligen „Community“ erstellt und von diesen gemeinsam diskutiert. Aufgrund der Expertise der Teilnehmer und der gemeinschaftlichen Erstellung dieser Dokumente kann in diesen Fällen durchaus von qualifiziertem Wissen gesprochen werden. Ebenso wie die beiden anderen Unternehmensberatungen (Fallstudien A und B) kann hier also ein zweigleisiges Vorgehen identifiziert werden. Zum einen enthält das Wissensmanagement-System solche Dokumente, welche von den Beratern erstellt wurden, und welche üblicherweise keine Überprüfung durch Dritte erfahren haben. Zum anderen sind die Kerndokumente enthalten, welche durch Experten in dem jeweiligen Gebiet gemeinschaftlich erstellt wurden und somit das gemeinsam geteilte Wissen aus Sicht der Firma beschreiben. Möglicherweise liegt auch hier der Gedanke zugrunde, dass sich eine Überprüfung aller Inhalte sowohl aus Zeit- und Kostengründen als auch aus einer eher geringen Wahrscheinlichkeit der Nutzung nicht lohnt, so dass sich ein intensiver Diskurs auf wenige, ausgewählte Inhalte fokussiert. Dimension „relevant“ Beschreibung: Durch die Möglichkeit, dass jeder Nutzer Dokumente einstellen kann, ist es möglich, dass zu einem Thema relativ viele, teilweise ähnlich gelagerte Informationen vorhanden sind, wohingegen zu anderen Themen kaum Materialien vorhanden sind: „Ich will nicht sagen, wir haben Informationsüberflut, aber wir haben schon relativ viel drin, trotz allem, das ist ja verblüffend, aber ich nehme an, das ist einfach so. Wir haben trotzdem noch unglaublich große Wissenslücken, einige Bereiche sind besser dokumentiert als andere.“487 Besonders offensichtlich ist diese Diskrepanz bei „Lessons Learned“; diese werden „[…] immer wieder angefragt. Das ist nach ‚Credential’ der am zweitmeisten gefragte Typ von Dokument: ‚Hast du mal so Lessons Learned?’ Dann muss ich meistens verneinen, die werden leider selten eingestellt.“488

487 488

Zitat Interview-Partner 7. Zitat Interview-Partner 7.

126

Fallstudienanalyse

Um dem Nutzer die Suche nach relevanten Dokumenten zu erleichtern, kann dieser einerseits nach Schlagworten suchen, er kann jedoch auch eine hierarchische Vorgehensweise nach Themenfeldern wählen. Pro Themenfeld gibt es hierbei eine Seite mit Kerndokumenten, welche den Einstieg in die Thematik erleichtern. Wenn in den verschiedenen Wissenselementen Widersprüche auftreten oder unterschiedliche Herangehensweisen beschrieben werden, entscheiden die Mitarbeiter des Projektteam üblicherweise dezentral, welche Aspekte von welchem Dokument übernommen werden. Zusätzliche Hilfe können die Berater bei dem jeweiligen Autor bzw. den Experten der „Communities“ finden. Hierbei können in der Praxis zwei verschiedene Herangehensweisen beobachtet werden. Jüngere Mitarbeiter der Firma haben das Wissensmanagement-System im Rahmen der Einführungstage intensiv kennengelernt und nutzen daher diese Quelle bevorzugt. Bei älteren Mitarbeitern kann hingegen festgestellt werden, dass diese eher auf ihr langjährig aufgebautes persönliches Netzwerk zurückgreifen. Das Nutzerverhalten wird durch eine „Download“-Statistik gemessen, wobei die Häufigkeit des Herunterladens der einzelnen Objekte gezählt wird. Weitere Mechanismen sind noch nicht etabliert, seit Kurzem wird jedoch die Feedback-Möglichkeit durch Kommentare und „Rating-Formulare“ diskutiert.

Analyse: Die bereits beschriebene offene Herangehensweise, dass jeder Mitarbeiter die Möglichkeit hat, Wissenselemente einzustellen, hat für die Nutzer zwei Folgen. So kann einerseits festgestellt werden, dass eine Vielzahl ähnlicher, möglicherweise sogar konkurrierender Problemlösungsansätze existiert, andererseits insbesondere zu den am häufigsten nachgefragten Wissenselementen der „Lessons Learned“ kaum Einträge vorhanden sind. Die Möglichkeit, verschiedene Ansätze zu einem Problem kennenzulernen, erlaubt dem Nutzer, aus den aufgezeigten Optionen die am besten für seine Problemstellung geeignete Herangehensweise auszuwählen. Auch wenn kein Ansatz direkt übertragbar ist, so kann der Mitarbeiter zumindest Ideen für das weitere Vorgehen erhalten. Eine Hilfe für die Nutzer scheint auch eine Nachfrage bei den jeweiligen Experten bzw. Wissensmanagern zu sein. So orientieren sich insbesondere jüngere Berater an den Hinweisen der Experten der jeweiligen „Community“ auf relevante Inhalte. Das im Wissensmanagement-System festgehaltene Wissen wird somit durch die Kenntnisse der Experten ergänzt.

127 Auch die bereitgestellten Kerndokumente sind hilfreich: anhand dieser kann sich ein Nutzer einen aktuellen Überblick über bestimmte Themen verschaffen, bevor er mit Hilfe der spezialisierten Projekterfahrungen zusätzliche und tiefer gehende Erfahrungselemente erhält. Durch die beiden Arten von Dokumenten ist also ein Vorgehen vom Allgemeinen zum Speziellen realisierbar. Dies erlaubt den Beratern, sich schnell in ein neues Themengebiet einzuarbeiten. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Üblicherweise wird ein einmal in das Wissensmanagement-System eingestelltes Dokument nicht mehr verändert. Es besteht zwar die Möglichkeit, dass der Autor seine eigenen Dokumente überarbeiten kann, er kritische Kommentare von Nutzern zugeschickt bekommen kann, bzw. er bei veralteten Inhalten auch von einem Wissensmanager angesprochen werden kann. Alle drei Möglichkeiten werden jedoch in der Praxis nur sehr selten genutzt. Probleme oder Widersprüche werden i. A. durch Rückfrage der Nutzer bei jeweiligen Autoren bzw. durch Diskussion mit den Experten der „Community“ gelöst. Das Ergebnis dieser Rückfrage bzw. Diskussion fließt jedoch nicht in die jeweiligen Dokumente zurück. Anders sieht dies bei den Kerndokumenten aus. Diese werden durch die jeweiligen Autoren, also die Experten in der jeweiligen „Community“, regelmäßig aktualisiert und „können in jedem Stadium ihres Lebens gezeigt werden.“489 Angestoßen wird die Aktualisierung üblicherweise direkt durch den/die Experten selbst oder ggf. den Wissensmanager der jeweiligen „Community“.490 Hierbei wird eine neue Version eines existierenden Eintrags erstellt, welche die vorhergehende Version dann verfeinert und ersetzt: „Dann kommt halt eine Version 1, also das ist die 1. Version, die man auch nach extern zur Not geben könnte. Und dann wird das verfeinert, dann gibt es – wie Sie schon gesagt haben – Version 2, dann tauschen wir es wieder aus.“491 Analyse: Eine systematische Prüfung der Richtigkeit und ggf. Aktualisierung kann lediglich für die Kerndokumente bejaht werden, auch wenn der Prozess nicht einheitlich gelebt wird. Hierbei werden die Inhalte durch die Experten der jeweiligen „Community“ erneut überprüft und ggf. diskutiert und überarbeitet. Durch dieses 489 490 491

Zitat Interview-Partner 7. Auch dieser Prozess wird nicht einheitlich in allen Communities gelebt. Zitat Interview-Partner 7.

128

Fallstudienanalyse

Vorgehen, bei welchem die Mitarbeiter mit einer entsprechenden Expertise ihr Wissen einfließen lassen, kann in diesen Fällen dann durchaus wieder von qualifiziertem Wissen gesprochen werden. Bei allen anderen Elementen in der Wissensbasis findet diese Überprüfung höchstens sporadisch, z. B. durch den Autor, üblicherweise aber nie statt. Ähnlich wie bei dem Einstellen neuer Wissenselemente geht auch hier die Unternehmung offenbar davon aus, dass eine systematische Überprüfung ökonomisch nicht sinnvoll ist, da für ein Wissenselement nicht gesagt werden kann, ob es nochmals benötigt wird. Dies bedeutet, dass der Nutzer einer solchen Erfahrung in diesen Fällen besondere Verantwortung bei der Hinterfragung der Übertragbarkeit auf die neue Problemstellung hat. Das bereits bei der Dimension „richtig“ identifizierte zweigleisige Vorgehen setzt sich hier also fort. Einerseits existieren Kerndokumente im WissensmanagementSystem, welche bereits bei der Erstellung von Experten auf inhaltliche Qualität geprüft wurden, und dann auch später immer wieder aktualisiert werden. Andererseits werden diese ergänzt durch die gewonnenen Erfahrungen aus einzelnen Projekten, welche weder bei der Erstellung noch später durch Dritte geprüft werden, und deshalb von den Nutzern intensiv hinterfragt werden müssen. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: In der Unternehmensberatung C ist ein stringenter Archivierungsprozess aufgesetzt. So wird alle drei Monate automatisch durch das Wissensmanagement-System eine Liste mit Vorschlägen zu löschender Dokumenten erstellt und per E-Mail an die zuständigen Wissensmanager der jeweiligen „Community“ geschickt. Hauptkriterium ist hierbei das Alter des Wissenselements; dieses wird ergänzt durch die Angabe, wie oft es von Nutzern herunter geladen wurde. Das Alter wird je nach Dokumententyp festgelegt und reicht von einem bis fünf Jahre, wobei für den Großteil der Dokumente ein Jahr vorgesehen ist.492 Ein Dokument muss mindestens fünf Mal herunter geladen worden sein, um nicht auf die Vorschlagsliste zu gelangen. Rund 5% bis 10% der im Wissensmanagement-System vorgehaltenen Dokumente gelangen pro Durchlauf auf die Archivierungsliste. Die Wissensmanager prüfen dann die Liste manuell und können entscheiden, welche Elemente trotzdem beibehalten werden sollen. Typischerweise ist dies bei sol492

Ausnahmen sind z. B. Angebote (2 Jahre) oder Kundenreferenzen (5 Jahre).

129 chen Inhalten der Fall, bei welchen keine ähnlichen oder weiteren Dokumente zu einem bestimmten Thema vorhanden sind. Auf diese Art werden dann durchschnittlich rund 10% der Dokumente von den Wissensmanagern wieder von der Vorschlagsliste entfernt, der Rest wird archiviert.

Analyse: Ein Verfahren zu Entfernung unwichtigen Wissens wurde bei Fallstudie C etabliert. Eine geringe Zahl an „Downloads“ in Kombination mit der Überschreitung einer definierten Altersgrenze führt zu einem automatisch generierten Archivierungsvorschlag. Wenn der Wissensmanager der jeweils zuständigen „Community“ diesem Vorschlag nicht widerspricht, wird das entsprechende Dokument aus der aktiven Wissensbasis entfernt. Diese konsequente Archivierungsstrategie kann als notwendige Kompensation für das ungeprüfte Einstellen von Wissenselementen betrachtet werden: „Wenn man vorne sagt, okay, wir sammeln eher lieber ein bisschen mehr und speichern zur Not auch mal das 3. [Angebot] der gleichen Art ab, dann muss man natürlich konsequenterweise – meiner Meinung nach – hinten sagen, okay, dann sind wir auch ein bisschen großzügiger, […] was das Archivieren betrifft.“493 Fazit: Für Fallstudie C können Prozess und implizite Aspekte damit folgendermaßen zusammengefasst werden:

493

Zitat Interview-Partner 7.

130

Fallstudienanalyse Dimension „wichtig“ Jeder kann geeignete Informationen einstellen

Prozess (expli- WMgr kann bei interessanten zit) Projekten die Teams fragen

Alles wird als wichtig angeImpli- sehen, da zu zite verschiedenen As- Themen noch pekte keine Inhalte vorhanden sind

Tabelle 11

4.2.4

„richtig“ Keine inhaltliche Kontrolle neuer Inhalte durch Dritte Experten erstellen „Kerndokumente“ zu besonderen Themen Inhaltliche Kontrolle findet dezentral auf den einzelnen Projekten statt

„relevant“ Nutzer können Dokumente anhand von Schlagworten oder Themenfeldern suchen Ggf. Rücksprache mit Autor/ Experte „Kerndokumente“ sind für Einstieg in ein Thema geeignet Nutzer hat die Verantwortung, die Dokumente zu hinterfragen

„unrichtig“

„unwichtig“

Normale Dokumente werden i. A. nicht mehr geändert

Archivierung: Älter als 1 Jahr und nicht mehr als 5 Downloads

„Kerndokumente“ werden regelmäßig überarbeitet

WMgr prüfen manuell, was trotzdem behalten werden soll

Systematische Überprüfung lohnt sich nicht, daher Fokus auf „Kerndokumente“

„Großzügiger beim Einstellen, also auch großzügiger beim Archivieren“

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie C)494

Fallstudie D

Bei Fallstudie D handelt es sich um ein globales Technologie- und Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Druck- und Vervielfältigungstechnik. Mit über 53.000 Mitarbeitern wird ein weltweiter Umsatz von rd. USD 16 Mrd. erzielt. Fokus der Fallstudienuntersuchung ist der Kundendienst der vertriebenen Produkte, welcher üblicherweise direkt durch das Unternehmen durchgeführt wird, teilweise jedoch auch von Vertragspartnern übernommen werden kann.495 Zur Datenerhebung wurde ein Interview mit dem Projektleiter geführt, welcher für die Entwicklung und Einführung des Wissensmanagement-Systems in Deutschland verantwortlich zeichnet (Interview-Partner 15), sowie dem für Deutschland zuständigen Wissensmanager, der die operative Verantwortung für das Wissensmanagement trägt (Interview-Partner 16). Zusätzlich wurden öffentlich zugängliche Quellen herangezogen – insbesondere Artikel in Fachzeitschriften und -büchern sowie Geschäftsberichte und der Internet-Auftritt der Unternehmung – welche die mündlichen Angaben ergänzen. 494 495

Eigene Darstellung. Die Produkte werden nicht direkt, sondern über Vertragspartner vertrieben, wie z. B. Systemintegratoren, Direktvermarkter oder andere Wiederverkäufer.

131 Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Das hier vorgestellte Wissensmanagement wurde für die Kundendienst-Techniker konzipiert. Deren Aufgabe ist es, die Druck- und Kopiermaschinen der Kunden regelmäßig zu warten sowie während des Betriebs aufgetretene Probleme zu beseitigen. Hierzu stellt das Unternehmen Service-Handbücher zur Verfügung, in welchen typische Probleme beschrieben werden und mögliche Lösungen aufgezeigt werden. Jedoch treten regelmäßig Probleme bei den Geräten auf, welche nicht in diesen Handbüchern erläutert sind. Da die Kundendienstmitarbeiter üblicherweise alleine beim Kunden sind, müssen sie versuchen, auch in solchen Fällen schnell eine Lösung zu finden. Daher wurde eine Tipp-Datenbank496 für die Techniker entwickelt, in welcher Lösungsvorschläge von Kollegen enthalten sind, die schon einmal auf ein ähnliches Problem gestoßen sind. Die Kundendienstmitarbeiter können die Datenbank nach diesen Vorschlägen durchsuchen. Wenn sie nicht fündig werden, müssen sie selbst eine Lösung entwickeln und sind dann angehalten, ihr Vorgehen wiederum den anderen Mitarbeitern durch die Generierung eines neuen Tipps zur Verfügung zu stellen. Die Techniker sind also gleichzeitig Tipp-Geber als auch Tipp-Nutzer. Die Entwicklung des Wissensmanagements zu der heutigen Form hat ihre ersten Ansätze im Jahr 1996. Die ersten Versionen hatten insbesondere vier Problemfelder, welche das Unternehmen damals identifiziert hatte:

496

x

Die Qualität der vorgehaltenen Tipps war oftmals unzureichend; insbesondere wurde der Kontext häufig nur ungenügend beschrieben. Außerdem gab es keine Möglichkeit zur Rückfrage bei den Autoren.

x

Eine einheitliche Kategorisierung der Tipps war nicht vorgesehen. Daher konnte jeder Techniker sein eigenes Schema entwickeln, was anderen Nutzern die Suche sehr erschwert hat.

Physisch handelt es sich hierbei um rd. 330 Einzeldatenbanken, auf welche mit Hilfe eines gemeinsamen Portals zugegriffen werden kann.

132

Fallstudienanalyse x

Hierdurch wurden Tipps mitunter in verschiedenen Kategorien abgelegt, so dass sich zusätzlich eine Datenredundanz ergeben hat.

x

Es existierten keine Verfahren zur Pflege der Daten, so dass auch die Aktualität regelmäßig nicht (mehr) gegeben war.

Daher wurde der Wissensmanagement seither kontinuierlich zu seiner heutigen Form weiterentwickelt, wobei die Abläufe mittlerweile eine so breite Akzeptanz gefunden haben, dass in den letzten zwei Jahren kaum mehr Änderungen nötig waren oder von den Nutzern gewünscht wurden. Die Akzeptanz zeigt sich auch in den Nutzungszahlen: die rd. 23.000 Nutzer497 generieren rd. 300.000 Tipps pro Jahr. Durch die Wiederverwendung dieser Tipps konnte die durchschnittliche Wartungszeit um fünf bis zehn Prozent verringert werden; hieraus hat die Unternehmung eine jährliche Einsparung von rd. USD 12 Mio. jährlich errechnet. Dimension „wichtig“ Beschreibung: Üblicherweise generieren die Techniker einen neuen Tipp aus einem konkreten Problem beim Kunden heraus, wenn das Vorgehen aus den ServiceHandbüchern nicht weitergeholfen hat, sie keine hilfreichen Tipps in der Datenbank gefunden haben, und sie selbst eine neue Herangehensweise ausprobieren mussten, um das Problem zu lösen: „Der Techniker hat nun dieses Problem. Und er weiß, dass seine Kollegen vor dem gleichen Problem stehen werden. Und da ist die Motivation, dass er den Tipp schreibt, um seinen anderen Kollegen zu helfen. […] Ich denke, er braucht einen Anlass, dass er erst mal irgendein Problem hatte. Der generiert so einen Tipp sicherlich aus einer eigenen Problemsituation.“498 Ein explizites Kriterienraster oder vergleichbare Vorgaben, welches Wissen aus Sicht der Unternehmung besonders bewahrungswürdig ist, existiert hierbei nicht. Der einzelne Techniker beurteilt selbst, ob die von ihm entwickelte Herangehensweise so bedeutsam ist, dass sie würdig ist, den anderen Kundendienst-Mitarbeitern mitgeteilt zu werden: „Der Techniker hat so viel Sachverstand; das unterstellen wir einfach, dass er beurteilen kann, ob das ein wertvoller Tipp für andere ist.“499

497

498 499

Nutzer sind die rd. 13.000 Kundendienst-Techniker des Unternehmens sowie rd. 10.000 benannte Techniker der Vertragspartner. Zitat Interview-Partner 16. Zitat Interview-Partner 16.

133 Jeder Techniker besitzt einen Laptop, auf welchem eine lokale Kopie der TippDatenbank abgespeichert ist, in die er direkt beim Kunden diesen Tipp anhand eines vorgegebenen Formulars eingeben kann. Bei der nächsten Verbindung des Rechners mit dem Firmennetzwerk werden die lokale Kopie und die zentrale TippDatenbank synchronisiert, d. h. der Mitarbeiter erhält die neuen Tipps seiner Kollegen, und seine eigenen neuen Tipps werden wiederum in die zentrale TippDatenbank eingestellt.500 Von den Technikern wird erwartet, dass sie ihren Laptop mindestens zwei bis drei Mal pro Woche synchronisieren.501 Die Tipps sind üblicherweise relativ kurz, sie umfassen oftmals nur wenige Zeilen für Problembeschreibung, Ursache und Lösungsansatz, und können daher oftmals innerhalb weniger Minuten erstellt werden. Normalerweise werden nur erfolgreiche Ansätze eingestellt, ein „Lernen aus Fehlern“ ist hingegen nicht vorgesehen. Die neuen Tipps bekommen zunächst den Status „submitted“ zugewiesen. Das bedeutet, dass sie noch nicht für alle Techniker sichtbar sind, sondern nur für die sog. Validatoren. Dies sind ausgewählte, erfahrene Techniker, welche die neuen Tipps überprüfen und freigeben.502 Erst nach der Freigabe erhalten die Tipps den Status „validated“, sie sind somit für alle Nutzer sichtbar.

Analyse: Die Entscheidung, welches Wissen wichtig ist, wird durch die Kundendienst-Techniker vor Ort getroffen; unternehmensspezifische Vorgaben existieren nicht. Jedoch muss vor Veröffentlichung ein Experte – der Validator – die Tipps begutachten und kann hierbei aus seiner Sicht unwichtige Tipps ablehnen: „Das ist Sache des Validators, der das dann rausfiltert. Das zu erkennen, ist Sache des Validators. Es kann schon sein, dass er sagt, das weiß doch jeder, da braucht man keinen Tipp dafür zu schreiben.“503 Das Unternehmen hat sich durch dieses Vorgehen hierbei somit um ein Peer Review Verfahren entschieden. Die neu generierten Tipps werden nicht sofort allen weiteren Kundendienst-Technikern angezeigt, sondern müssen zuerst durch erfahrene gleichgestellte Kollegen (Peers) begutachtet und freigegeben werden. Diese

500

501 502 503

Um die Datenmenge bei der Synchronisation zu begrenzen, kann der Techniker Tipps aus ausgewählten Datenbanken „abonnieren“, so dass z. B. nur solche Tipps synchronisiert werden, die für die von ihm betreuten Produktlinien zutreffend sind. In der Praxis kann sogar eine noch häufigere Synchronisation festgestellt werden. Zur Überprüfung und Freigabe siehe die Diskussion zur Dimension „richtig“. Zitat Interview-Partner 16.

134

Fallstudienanalyse

prüfen einerseits die Wichtigkeit eines Tipps für die anderen Kollegen, andererseits auch die inhaltliche Richtigkeit, auf welche im Folgenden näher eingegangen wird. Dimension „richtig“ Beschreibung: Die rd. 1.100 Validatoren haben nicht nur die Aufgabe, aus ihrer Sicht unwichtige Tipps aus der Datenbank herauszuhalten, sie haben die neu generierten Tipps auch auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.504 So sind verschiedene Maßnahmen verboten, hierzu gehören z. B. bestimmte Umbauten oder das Verwenden maschinenfremder Teile; auch das Bohren von Löchern oder Anschrauben von Elementen kann hiervon betroffen sein. Sind entsprechende Vorschläge in den Tipps enthalten, werden diese durch den Validator herausgefiltert. Zusätzlich hat der Validator den Tipp auf seine Allgemeingültigkeit zu hinterfragen. Da die Techniker sich auf wenige Maschinentypen oder Produktlinien spezialisieren, sind sie üblicherweise auch einem Validator mit der entsprechenden Expertise dieser Produkte zugeordnet. Dieser erhält die neuen Tipps seines Teams und soll diese dann innerhalb von zehn Tagen validieren. Wenn bestimmte Tipps in diesem Zeitraum nicht validiert werden, dann können auch andere Validatoren dies übernehmen. Um zu vermeiden, dass Tipps zu lange lediglich im Status „submitted“ bleiben und damit den Nutzern nicht zur Verfügung stehen, wurde ein globaler Qualitätskoordinator benannt, der die zeitnahe Validierung kontrollieren soll. Zwar basiert das gesamte System auf Freiwilligkeit, jedoch kann der Qualitätskoordinator zumindest eine Art Mahnung an die Gruppe der Validatoren schicken, so dass in der Praxis üblicherweise alle noch offenen Tipps zügig validiert werden. Der Validator kann einen neu generierten Tipp direkt freigeben, er hat jedoch auch die Möglichkeit, den Text zuvor zu überarbeiten bzw. zu ergänzen, Rücksprache mit dem Autor zu halten, oder die Problemlösung an einer vergleichbaren Maschine nachzuvollziehen:

504

Während sowohl Mitarbeiter des Unternehmens D als auch dessen Vertragspartner Nutzer des Systems sein können und auch neue Tipps generieren können, ist die Validierung der Tipps hingegen ausschließlich den Experten (Validatoren) des Unternehmens D vorbehalten.

135 „Er hat also Zugang zu den Maschinen, kann das ausprobieren, was da steht, kann im Zweifelsfall mit dem Autor noch sprechen. […] Im Zweifelsfall kann man ja sagen: ‚Wenn es ihm geholfen hat, glaube ich ihm das’. Man kann sicherlich nicht jede Situation so nachstellen. Einen Wackelkontakt kann man nicht simulieren.“505 Im Zweifelsfall kann der Validator zusätzliche Expertisen von den Mitarbeitern anderer Abteilungen, wie z. B. der Produktentwicklung oder Forschungsabteilung einholen, bevor er einen Tipp endgültig freigibt. Dies kann jedoch in der Praxis nur selten beobachtet werden.

Abbildung 18 Beispiel für einen validierten Tipp (Fallstudie D)506

Analyse: Ein Validator kann nur ein Mitarbeiter werden, der für seine spezifische Produktlinien bzw. Maschinentypen entsprechend Erfahrung und Kenntnisse angeeignet hat, er kann damit als Experte in diesem Bereich bezeichnet werden. Er hat die Aufgabe, neue Tipps auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Zwar kann er möglicherweise nicht jedes einzelne Problem und den zugehörigen Lösungsansatz im Detail nachkonstruieren, jedoch kann er nach Meinung des Unternehmens den Vorschlag einschätzen. Zusätzlich hat er die Möglichkeit, bei Unklarheiten sowohl mit dem Autor als auch mit weiteren Experten innerhalb der Unternehmung Rücksprache halten, bevor er einen 505 506

Zitat Interview-Partner 16. Ausdruck aus der Tipp-Datenbank der Fallstudie D. Hervorzuheben sind: Name des Autors und des Validators, die relativ kurze Beschreibung von Problem, Ursache und Lösung, sowie die Möglichkeit des „Feedback“ durch „Daumen hoch“ bzw. „Daumen runter“.

136

Fallstudienanalyse

Tipp freigibt. Aufgrund dieses vorgegebenen Verfahrens, bei welchem (mindestens) ein weiterer qualifizierter Mitarbeiter (Peer) einen neuen Tipp auf dessen generelle Anwendbarkeit überprüfen muss, kann für solche validierten Tipps durchaus von qualifiziertem Wissen gesprochen werden. Offensichtlich ist ein solcher systematischer Prüfprozess für das Unternehmen von besonderer Bedeutung. Hiermit kann zweierlei erreicht werden: zum einen gelangen nur solche Tipps in die Datenbank, welche von mindestens zwei Personen (dem Autor und dem Validator) als ausreichend wichtig angesehen werden. Dies kann dabei helfen, unnötige Einträge in der Datenbank zu vermeiden. Zum anderen werden diese Tipps auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft. Das Ziel ist hierbei, einerseits die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien sicherzustellen (so werden z. B. unzulässige Modifikationen abgelehnt), andererseits die Übertragbarkeit auf ähnliche Problemstellungen zu überprüfen. Dimension „relevant“ Beschreibung: Die Nutzer können die Datenbank nach Stichworten, wie z. B. Fehlercodes durchsuchen, wobei sie häufig zusätzlich die Suche auf solche Kategorien beschränken, welche die von ihnen betreuten Produktlinien abdecken. Der Kundendienst-Mitarbeiter kann dann die so ermittelten Tipps nacheinander ausprobieren: „Das ist ja nur ein weiterer Versuch, den der Techniker hat, dann versucht er das, und wenn es nicht geholfen hat, dann hat es halt nicht geholfen. […] Man muss sich vorstellen, der Techniker steht vor einer Maschine mit einem großen Problem, und der Kunde steht da und möchte produzieren, dann ist der dankbar für jeden Tipp, auch wenn die teilweise nicht funktionieren. Und wenn der dritte dann hilft, dann hat es sich schon bezahlt gemacht.“507 Der Techniker hat hierbei die Möglichkeit, den Nutzen der Tipps anhand eines simplen „Daumen hoch / Daumen runter“-Systems zu bewerten: wenn der Lösungsvorschlag das Problem beseitigt hat, klickt er auf „Daumen hoch“, ansonsten auf „Daumen runter“. In der täglichen Praxis lässt sich jedoch feststellen, dass diese Funktion nur sehr unregelmäßig angewendet wird:

507

Zitat Interview-Partner 16.

137 „Wenn die das Problem gelöst haben, dann fahren die zum nächsten Kunden. Dann haben die keinen Bock mehr, da rein zu gehen und den Button zu klicken, zumindest in der Regel. Das wird wirklich wenig genutzt.“508 Querverweise und Kommentare sind nicht vorgesehen, ebenso werden keine technischen Auswertungen vorgenommen: da die Nutzer eine lokale Kopie der Datenbank auf ihrem Laptop besitzen, ist die zentrale Ermittlung besonders häufig aufgerufener Tipps technisch derzeit nicht durchführbar.

Analyse: Bei Fallstudie D können die Nutzer bereits existierende Tipps auf möglicherweise auf ihre Problemsituation zutreffende Lösungsmöglichkeiten durchsuchen. Die Suche kann zu mehreren verschiedenen Ansätzen führen, welche die Techniker dann nacheinander ausprobieren können. Das Unternehmen besitzt nur eine Möglichkeit, die relevanten Tipps zu identifizieren, also jene, welche dann tatsächlich zur Lösung des Problemsgeführt haben: das „Daumen hoch / Daumen runter“System. Dieses wird in der täglichen Praxis allerdings nur sehr unregelmäßig genutzt. Zählungen der „Download“-Zahlen können aus technischen Gründen derzeit nicht vorgenommen werden. Offensichtlich ist die Ermittlung der relevanten Wissenselemente für das Unternehmen von geringer Bedeutung. Ein Grund könnte sein, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Fehlerquellen eines technischen Problems gibt, welche auch nur auf wenige Arten beseitigt werden können. Daher ist möglicherweise eine Unterscheidung in relevantere und weniger relevante Inhalte nicht erforderlich: entweder ein Tipp löst das Problem oder eben nicht. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Die Validatoren haben die Aufgabe, die Tipps mindestens einmal pro Quartal manuell durchzugehen und auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Solche Tipps, die unrichtig sind, können von den Validatoren überarbeitet oder gelöscht werden. Die Gründe entsprechen denjenigen bei der Freigabe, so sind z. B. Umbauten oder ähnliche Modifikationen verboten. Auch können widersprüchliche Aussagen auftreten. Diese sollen dann durch den Validator dahingehend geprüft werden, ob tatsächlich beide Herangehensweisen möglich sind:

508

Zitat Interview-Partner 16.

138

Fallstudienanalyse „Wenn einer von denen im System nicht funktioniert, dann muss er aus dem System verschwinden. Dann muss der Validator das erkennen und den löschen. Aber wenn das wirklich zwei unterschiedliche Lösungsvorschläge sind, und beide funktionieren, […] dann können beide drin bleiben. […] Solange ein Tipp funktioniert, kann er drin bleiben; wenn er nicht funktioniert, muss er raus.“509

Zwar haben die Nutzer zusätzlich die Möglichkeit, mit Hilfe einer E-Mail einen Validator auf aus ihrer Sicht unrichtige Wissensinhalte aufmerksam zu machen, dies kann in der Praxis jedoch nur selten beobachtet werden. Eine direkte Kommentierung oder Ergänzung der Inhalte wird durch das System nicht unterstützt.

Analyse: Durch die regelmäßige Überprüfung der Wissensbasis durch die Validatoren werden die Inhalte der Tipps hinterfragt und ggf. überarbeitet. Wenn widersprüchliche Ansätze auftreten, so müssen beide geprüft werden und ggf. einer entfernt werden. Somit kann bei Fallstudie D das Vorliegen eines Verfahrens zur Aktualisierung bejaht werden kann. Der Einfluss der Nutzer auf die Beantwortung der Frage nach der Richtigkeit hingegen scheint nur relativ gering zu sein. Diese können zwar den Autor bzw. den Validator bei unrichtigen Tipps anschreiben, dies geschieht faktisch jedoch kaum. Möglicherweise ist es für die Nutzer des Wissens nicht einfach zu beurteilen, ob der Tipp tatsächlich falsch ist oder nur in der konkreten Problemsituation nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Außerdem können in einem technischen Umfeld verschiedene Faktoren zu einem Problem führen, so dass hier evtl. sukzessive verschiedene Fehlerquellen ausgeschlossen werden müssen, bis der Techniker zur eigentlichen Ursache vordringen kann. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Das in der Datenbank gespeicherte Wissen kann auch wieder unwichtig werden:

509

Zitat Interview-Partner 16.

139 „Das gibt’s, klar. Bei technischen Tipps, da gibt’s Umbauten, und dann hat sich das Thema erledigt, weil es das Problem nicht mehr gibt durch den Pflichtumbau, den es dann überall gegeben hat. Dann muss man den Tipp natürlich rausschmeißen. Das gibt’s häufiger noch bei Software-Releases: Probleme, die bei einem bestimmten Release auftreten, wo einer einen Weg gefunden hat. Beim nächsten Release ist das Problem nicht mehr drin.“510 Ein automatisches Löschen in solchen Fällen ist nicht vorgesehen, da es auch Kunden gibt, die keinen Wartungsvertrag mit der Unternehmung D abgeschlossen haben. Trotz kurzer Produktzyklen nutzen sie die Maschinen relativ lange Zeit, wodurch diese Tipps weiterhin eine gewisse Relevanz besitzen können. Daher haben die Validatoren im Rahmen der mindestens vierteljährlichen Sichtung der Datenbank die Tipps außerdem auf ihre Wichtigkeit hin zu überprüfen, und unwichtig gewordene Tipps zu löschen. Auch soll die Wissensbasis hierbei um auftretende redundante Tipps bereinigt werden: „Es kommt schon vor, dass Tipps sehr unterschiedlich formuliert sind und doch dasselbe meinen, wird aber irgendwann mal einem der Validatoren auffallen, und der schreibt die beiden dann an. Deshalb sind die beiden Links da drin: der zuständige Validator, der es ja anscheinend nicht gemerkt hat, und der Autor. Und die müssen sich dann abstimmen, ob sie diesen Tipp löschen oder den des anderen, welcher von beiden nun besser ist.“511 Technisch betrachtet wird bei einer solchen Löschung dem Tipp in der zentralen Datenbank der Status „deleted“ zugewiesen. Wenn die Kundendienst-Mitarbeiter dann ihren Laptop mit dem Firmennetzwerk verbinden und ihre Tipp-Datenbank synchronisieren, wird der so markierte Tipp auch physisch aus der lokalen Kopie der Datenbank entfernt. Zusätzlich können die Nutzer Hinweise auf unwichtige Tipps geben. Zwar haben sie selbst nicht die Möglichkeit, Tipps zu löschen oder Kommentare zu Tipps zu hinterlassen, sie können jedoch durch Anklicken des Namens des Validators eine kurze E-Mail an diesen schreiben. Das geschieht laut Einschätzung der Interviewpartner jedoch nur sehr selten.

510 511

Zitat Interview-Partner 16. Zitat Interview-Partner 16.

140

Fallstudienanalyse

Analyse: Die Validatoren haben die Datenbank regelmäßig nach unwichtigen Tipps zu durchsuchen, und solche Tipps dann zu löschen, so dass hier das Vorliegen eines systematischen Vorgehens zum Entfernen unwichtigen Wissens bejaht werden kann. Aus Sicht des Unternehmens sind offenbar also weder konkurrierende512 noch redundante Inhalte in der Wissensbasis sinnvoll, weshalb diese regelmäßig durch die beschriebenen Prozesse identifiziert und bereinigt werden sollen. Möglicherweise sind in einem solchen technischen Umfeld nur wenige Ansätze geeignet, um ein aufgetretenes Problem zu lösen, so dass ähnliche oder alternative Inhalte eher als „Ballast“ für das Wissensmanagement-System angesehen werden. Ziel der Unternehmung erscheint daher zu sein, den Umfang der Datenbank auf möglichst aktuelle und nützliche Tipps zu beschränken. Üblicherweise kann der Validator bei der Beurteilung lediglich auf seine persönliche Expertise zurückgreifen. Zwar können die Nutzer den Validatoren Hinweise per E-Mail schicken, diese Möglichkeit wird jedoch nur sehr selten wahrgenommen. Auch die Orientierung an Indikatoren wie z. B. „Downloads“ ist nicht möglich, da diese durch die Verwendung lokaler Kopien der Tipp-Datenbank auf den Laptops der Mitarbeiter nicht erhoben werden. Dies bedeutet, dass die Firma den Validatoren ein hohes Vertrauen entgegenbringt, sowohl die Wichtigkeit als auch die Richtigkeit neuer und bestehender Tipps richtig einzuschätzen.

Fazit: Der Wissensprozess sowie implizite Aspekte hierzu können für Fallstudie D folgendermaßen tabellarisch zusammengefasst werden:

512

Siehe die Diskussion zur Dimension “unrichtig”.

141 Dimension „wichtig“

„richtig“

„relevant“

Techniker hat Lösung zu eiPro- nem Problem zess gefunden, wel(expli- che nicht im zit) Handbuch steht, und generiert einen Tipp

Generierte Tipps werden von Validatoren überprüft und freigegeben

Tipps können bewertet werden, wird jedoch kaum von Nutzern gemacht

Regelmäßige Überprüfung durch Validatoren

Validatoren durchsuchen jedes Quartal manuell nach veralteten Tipps und löschen diese

Techniker kann neuen Tipp Impli- erzeugen, wenn zite er dies möchte As- Validator kann pekte jedoch unwichtige Tipps ablehnen

Validator ist erfahrener „Peer“ und kann Richtigkeit vermutlich einschätzen

Unterscheidung der Relevanz möglicherweise nicht erforderlich

„Solange ein Tipp funktioniert und erlaubt ist, kann er drin bleiben, sonst muss er raus“

Beschränkung des Umfangs der Datenbank auf aktuelle und nützliche Tipps

Tabelle 12

4.2.5

„unrichtig“

„unwichtig“

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie D)513

Fallstudie E

Bei Fallstudie E handelt es sich um einen international organisierten Flugzeughersteller. Mit rd. 57.000 Mitarbeitern wird ein Umsatz von rd. € 26 Mrd. und ein Marktanteil von ca. 43% erzielt. Fokus der folgenden Ausführungen ist der Bereich „Engineering“, also der Bereich Technik und Entwicklung, welcher der Nukleus des Wissensmanagements in der Unternehmung ist.514 In diesem Bereich arbeiten rd. 10.000 Mitarbeiter. Zur Datenerhebung wurde ein Interview mit einem Vorstandsmitglied (CTO515) der Firma geführt, welche das Wissensmanagement für das Unternehmen E sowohl strategisch begleitet als auch operativ umsetzt (Interview-Partner 10). Die Ausführungen wurden durch unternehmensinterne Dokumente – wie z. B. Präsentationen zum Aufbau des Wissensmanagements – sowie Angaben aus öffentlich zugänglichen Quellen – wie z. B. dem Internet-Auftritt der Firma – ergänzt.

513 514

515

Eigene Darstellung. Mittlerweile wurde der Wissensmanagementansatz auf weitere Bereiche, wie z. B. Finanzen, ausgedehnt. Engl. Chief Technology Officer = Vorstand Technische Entwicklung.

142

Fallstudienanalyse

Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Entsprechend der Größe des Unternehmens und der Vielfalt an Anforderungen und Bedürfnissen ist auch das Angebot an Unterstützung durch das Wissensmanagement vielseitig. Folgende fünf Themenbereiche finden sich im Wissensmanagement-Portfolio: Subject

Content

Awareness, Diagnosis, Metrics

• •

Understand KM Identify your KM needs



Measure the benefits of KM

Find knowledge through people

• •

Find who knows what Help people communicate



Transfer knowledge

Share and reuse experience



Reuse product, process, and project knowledge



Share lessons learned and best practices

Know what and know how

• •

Capture product knowledge Capture process knowledge

Integrated access to KM services

• •

Search across databases Single entry point to knowledge

Tabelle 13

Themenbereiche des Wissensmanagements (Fallstudie E)516

Der Themenbereich „Awareness, Diagnosis, Metrics“ ist ein Grundlagenbaustein und umfasst eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Wissensmanagement. Ziel ist hierbei, ein Bewusstsein für Möglichkeiten und Grenzen zu schaffen. „Find knowledge through people“ hilft dabei, „Communities of Practice“ zu organisieren und Experten zu bestimmten Gebieten mittels „Yellow Pages“517 zu finden. Inhalt des Bereich „Share and reuse experience“ sind Möglichkeiten, wie Erfahrungswissen zu Produkten, Prozessen und Projekten festgehalten und mit den anderen Mitarbeitern geteilt wird. Der vierte Bereich „Know what and know why“ deckt den redaktionellen Teil, wie etwa die Erstellung von Handbüchern, Anleitungen und anderen ausführlicheren Darstellungen ab. Der letzte Bereich „Integrated access to KM services“ behandelt v. a. den Zugang zu einer Suchmaschine, mit deren Hilfe gleichzeitig mehrere Wissens-Datenbanken durchsucht werden können.

516

517

Eigene Darstellung in Anlehnung an unternehmensinterne Unterlagen. Der Schwerpunkt der Fallstudienanalyse ist hervorgehoben. Der Ausdruck lehnt sich an den englischen Begriff für Branchenbuch an und bezeichnet üblicherweise ein Personenverzeichnis innerhalb einer Unternehmung, welches außer allgemeinen Kontaktdaten auch ein Fähigkeitenprofil beinhaltet.

143 Schwerpunkt der folgenden Diskussion ist der Themenbereich „Share and reuse experience“. Ziel der Unternehmung ist hierbei der Aufbau einer zentralen Datenbank, in welche unternehmensweit generierte Erfahrungen, sog. „Lessons Learned“ eingestellt werden und von den Mitarbeitern wieder verwendet werden können. Dimension „wichtig“ Beschreibung: Die festgehaltenen Erfahrungen speisen sich üblicherweise aus zwei Quellen. Der eine regelmäßige Anlass, wann diese Erfahrungen bewahrt werden sollen, ist das Ausscheiden von Mitarbeitern. Hierbei wird im Vorhinein durch den Nachfolger und den jeweiligen Vorgesetzten festgelegt, welche Wissensinhalte aus Sicht des Unternehmens wichtig sind und daher übertragen werden sollen: „Der Mitarbeiter hat vielleicht ganz andere Vorstellungen davon, was er erzählen möchte und was er für wichtig hält, als sein Kollege, sein Nachfolger, und sein Vorgesetzter. Das heißt, da ist es dann z. B. so, dass der Wissensempfänger und der Vorgesetzte aus strategischer Sicht entscheiden, bei welchem Wissen das Interesse besteht, dass es transferiert wird.“518 Die hierbei als wichtig identifizierten Wissenselemente werden während bzw. nach dem Gespräch zwischen Vorgänger und Nachfolger schriftlich festgehalten. Die zweite wichtige Quelle sind solche Erfahrungen, die auf Projekten generiert wurden. Hierbei wird durch die Teilnehmer der Projektgruppe gemeinsam das wichtige Wissen identifiziert. Anlass hierfür sind bestimmte Ereignisse, üblicherweise das Erreichen definierter Meilensteine oder das Projektende. In beiden Fällen wird als problematisch gesehen, dass es sich im Flugzeugbau einerseits um sehr langlebige Produkte handelt (üblich sind rd. 30 Jahre), andererseits auch die Erfahrungen von einem Flugzeugtypen auf einen anderen häufig nur schwer übertragbar sind. Damit ist die Frage, welches Wissen bewahrt werden soll, sehr komplex. Um diese Komplexität etwas zu reduzieren, hat das Unternehmen zwei Ansätze umgesetzt. Hierzu gehört zum einen, dass der Fokus insbesondere auf kritischem Erfahrungswissen („Wenn es da Probleme gab, das ist ganz klar, da ist natürlich der Ansatz, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholen darf.“519) bzw. besonderen Erfolgsgeschichten („Es gibt hier immer wieder Beispiele, wo

518 519

Zitat Interview-Partner 10. Zitat Interview-Partner 10.

144

Fallstudienanalyse

man eine Erfahrung hat, die auch wirklich hilft, Fehler zu vermeiden und Millionen zu sparen.“520) liegen soll. Zum anderen wurde vereinbart, dass die Verantwortung für das Wissen und seine Weiterentwicklung in die Zielvereinbarung der Bereiche aufgenommen wurden und diese daher das für den jeweiligen Bereich kritische Wissen zu identifizieren haben: „Und das bedeutet, dass wir aus diesem Bereich repräsentative Anwender abfragen – das sind in diesem Fall Management, Experten und Newcomer, vereinfacht gesagt – die wir zu einem Workshop einladen, und einerseits analysieren, welches Wissen wird in diesem Bereich erzeugt und generiert und verarbeitet, und auch zu bewerten, welches davon ist kritisch.“521 Um diese Diskussion zu steuern, werden mehrere Kriterien vorgeschlagen, an welchen sich die verantwortlichen Personen orientieren können und auf welche bei der Workshop-Moderation geachtet werden. Hierzu gehören z. B.: x

Welche Kosten entstehen, wenn das Wissen verloren geht? Entsteht hierdurch der Verlust der kompletten Kompetenz über einen Bereich?

x

Wie viele Personen kennen sich mit diesem Thema aus?

x

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes des Wissens in künftigen Projekten? Wird es eher häufiger oder eher weniger häufig gebraucht werden?

Ergebnis der Diskussion ist dann eine sog. „Wissenslandkarte“, welche in strukturierter Form das Wissen des jeweiligen Bereichs abbildet und bei welcher für jedes einzelne Thema eine Bewertung der Wichtigkeit stattgefunden hat.

Analyse: Das Unternehmen hat erkannt, dass die Frage, welches Wissen bewahrungswürdig ist, sehr grundlegend für das Wissensmanagement ist:

520 521

Zitat Interview-Partner 10. Zitat Interview-Partner 10.

145 „Und auch da ist immer die Frage, was muss ich transferieren? Was kann ich transferieren? Ich weiß nicht, ob auch das schon unter Qualität fällt, aber auch da beschäftigen wir uns mit der Frage, was ist wichtiges und was ist unwichtiges Wissen. Oder aktuelles und veraltetes Wissen. Und wir haben da auch Ideen, das vernünftig zu machen.“522 Hervorzuheben ist, dass die Entscheidung, was wichtiges Wissen ist, regelmäßig durch mehrere Personen getroffen wird. So entscheiden bei der Projektdiskussion die Experten des jeweiligen Projekts gemeinschaftlich, welche der gewonnen Erfahrungen besonders bewahrungswürdig für das Unternehmen sind – z. B. weil es sich um besonders kritische Themen handelt. Bei Übergabegesprächen ausscheidender Mitarbeiter werden die wichtigen Themen ebenfalls gemeinschaftlich definiert. So gibt zwar der Vorgesetzte die aus seiner Sicht wichtigen und deshalb bevorzugt zu behandelnden Themen vor, zusätzlich wird jedoch auch die Sicht des Nachfragers (also des nachfolgenden Mitarbeiters) berücksichtigt. Offensichtlich geht das Unternehmen davon aus, dass das Wissen dann bewahrungswürdig ist, wenn mehrere relevante Personen dieses als wichtig einschätzen. Die Identifikation dieses Wissens erfolgt in mehreren Ebenen und Schritten, von der Unternehmenssicht bis zum konkreten Projekt. Auf oberster Ebene finden sich eher allgemein gehaltene, steuernde Kriterien, wie z. B. Kompetenz, Kosten oder Personaldichte, an denen sich die Personen orientieren können (Unternehmensebene). Danach folgt die Ebene der Bereiche, welche in einer Wissenslandkarte die für sie wichtigen Themenfelder abdecken. An diesen wiederum sollen sich die Beteiligten der Projektdiskussionen bzw. die Gespräche mit ausscheidenden Mitarbeitern orientieren, wobei hier der Schwerpunkt auf Problemen, also kritischem Erfahrungswissen, bzw. besonderen Erfolgsgeschichten liegt. Einerseits existieren also unternehmensstrategische Vorgaben z. B. in Form der Wissenslandkarten, andererseits haben die Mitarbeiter jedoch die Freiheit, innerhalb dieses Rahmens das aus ihrer Sicht besonders wichtige Wissen gemeinschaftlich auszuwählen. Somit kann festgehalten werden, dass das Unternehmen eine Mischung aus einem eher rigiden und einem eher freien Ansatz zur Selektion des bewahrungswürdigen Wissens umgesetzt hat.

522

Zitat Interview-Partner 10.

146

Fallstudienanalyse

Dimension „richtig“ Beschreibung: Die als bewahrungswürdig angesehenen Erfahrungen werden innerhalb der Gruppe der Projektteilnehmer auf ihre inhaltliche Richtigkeit diskutiert: „Und dadurch, dass da eine Diskussion in der Gruppe stattfindet, erreicht man auch ein gewisses Qualitätsniveau, was dann auch letztendlich für die gesamte Gruppe gilt. […] Es ist die Form, bei der am effizientesten Erfahrungen generiert werden. […] Das Ganze geht eben weg von Einzelprozessen – also der Projektleiter schreibt seine eigenen Lessons Learned – sondern das passiert in gemeinsamen Prozessen im Rahmen von Workshops oder ähnlichen Veranstaltungen.“523 Das auf diese Art generierte und für als wichtig und richtig befundene Wissen wird dann an den Wissensmanagers des jeweiligen Bereiches geschickt. Dieser ist verantwortlich für ein bestimmtes Thema524 und hat die Aufgabe, die neuen „Lessons Learned“ inhaltlich zu prüfen und insbesondere sicherzustellen, dass diese nicht in Widerspruch zu bereits existierenden Leitlinien oder Erfahrungen stehen: „Und das Konfliktpotenzial bei Lessons Learned ist reichhaltig. Es gibt hunderte von internen Prozessen und Methoden. Es gibt nationale und internationale Standards, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Es gibt auch in vielen Bereichen Zertifizierungen und umfangreiches Material, wie etwas abzulaufen hat. Das heißt, da gibt es schon jede Menge potentielle Konflikte, wo man schauen muss, gibt es eventuell Konflikte oder Widersprüche.“525 Falls solche Konflikte auftreten, muss er die neu generierte Erfahrung zurückweisen. Er kann auch, falls er sich nicht sicher ist, weitere Experten zur Klärung hinzuziehen. Wenn der Wissensmanager die Erfahrung geprüft hat, stellt er diese in die Erfahrungsdatenbank ein; sie ist damit für alle Mitarbeiter der Unternehmung sichtbar und abrufbar. Allerdings ist sie noch mit einem „Draft“-Hinweis526 versehen, also noch nicht endgültig freigegeben. Hierzu muss zusätzlich ein „Approval“527 durch einen der offiziell anerkannten Experten erfolgen. Dabei handelt es sich um offiziell von der Unternehmung benannte, erfahrene und langjährige Mitarbeiter eines Bereichs. Erst

523 524 525 526 527

Zitat Interview-Partner 10. Als Beispiel wurde das Thema „Türen“ genannt. Zitat Interview-Partner 10. Engl. draft = Entwurf. Engl. approval = Genehmigung.

147 wenn ein solcher Experte die Erfahrung nochmals geprüft und der Freigabe zugestimmt hat, wird dieser Hinweis entfernt.

Analyse: Durch den mehrstufigen Freigabeprozess hat eine so generierte Erfahrung mehrere Diskurse durchlaufen. Zuerst werden diese „Lessons Learned“ durch die Beteiligten des Projekts bzw. des Mitarbeiterabschlussgesprächs diskutiert. In einem zweiten Schritt wird das Wissen durch den verantwortlichen Wissensmanager geprüft und ggf. wiederum mit weiteren Experten abgestimmt. Auch wenn eine Erfahrung dann bereits in das Wissensmanagement eingestellt ist, wird zusätzlich in einem dritten Schritt die Freigabe durch einen offiziell benannten Experten benötigt, um eine endgültige Version zu erhalten. Durch diesen mehrstufigen Prüfungs-Prozess versucht die Unternehmung einerseits eine hohe Qualität neuen Wissens zu erreichen, andererseits sind die einmal gemachten Erfahrungen durch die Verwendung der Markierung „Draft“ nach Freigabe durch den Wissensmanager schnell in der Organisation verfügbar: „Das ist der Spagat zwischen ‚schnell zugänglich machen’ und ‚den Freigabeprozess nicht so komplex zu machen wie bei einem Standard’. Das hat uns dazu getrieben, diesen [Wissensmanager] einzurichten.“528 Dimension „relevant“ Beschreibung: Die in das Wissensmanagement eingestellten Erfahrungen können mit Hilfe der eingangs erwähnten Suchmaschine durch die interessierten Mitarbeiter anhand von Kategorien oder Schlüsselbegriffen durchsucht werden. Die „Lessons Learned“ unterscheiden sich hierbei im Grad der Qualitätssicherung einerseits von den noch nicht freigegebenen Dokumenten, welche noch durch den „Draft“-Stempel gekennzeichnet sind, und andererseits von den offiziellen Dokumenten, deren Vorschriften z. B. aufgrund gesetzlicher Vorgaben immer eingehalten werden müssen: „Und das ist genau die Lücke für alle Arten von Erfahrungen, die in ihrer Verbindlichkeit deutlich geringer sind als Prozessbeschreibungen oder technische Dokumentationen, die also mehr ergänzen oder erklären, die dafür aber auch sehr schnell erstellt oder ergänzt werden können.“529

528 529

Zitat Interview-Partner 10. Zitat Interview-Partner 10.

148

Fallstudienanalyse

Zusätzlich zu dieser Art der Informationsnachfrage durch die Nutzer („Pull“) wird jedoch auch das aktive Hineintragen der Erfahrungen in neue Projekte durch die Benennung von sog. „Wissenskoordinatoren“ gefördert („Push“): „Was wir allerdings schon versuchen, ist die Wiederverwendung von ‚Lessons Learned’ nicht dem Zufall zu überlassen, sondern auch – genauso wie es Leute gibt, die verantwortlich sind für das Einsammeln von Erfahrungen – Leute zu installieren, die für die Wiederverwendung zuständig sind. Das heißt also, dass es in dem […]-Projekt Leute gibt, die schauen, welche Erfahrungen gibt es, welche können wir verwenden.“530 Folgende Abbildung fasst den Wissensgenerierungs-, PrüfungsWiederverwendungsprozess aus Sicht der Fallstudie E zusammen: Generierung und Prüfung

und

Wiederverwendung Wissenskoordinator trägt Wissen in neues Projekt („Push“)

Autor erstellt

WMgr prüft und stellt ein

Wissensbasis

Nutzer suchen nach geeignetem Wissen („Pull“)

Experte gibt frei

Abbildung 19 Wissensgenerierung, -prüfung und -wiederverwendung (Fallstudie E)531

Zur Identifikation besonders relevanter Wissensobjekte werden die jeweiligen „Downloads“ gezählt, jedoch nicht weiter ausgewertet. Auch haben die Nutzer die Möglichkeit, Kommentare zu den Wissensobjekten hinterlassen, wobei solche Kommentare zur Art der Nutzung eher atypisch sind und die Möglichkeit auch kaum von den Nutzern wahrgenommen wird.532 Zusätzlich wird manuell erhoben, welche der Wissenselemente, die der Wissenskoordinator in ein neues Projekt eingebracht hat, dann in diesem Projekt auch tatsäch530 531 532

Zitat Interview-Partner 10. Eigene Darstellung in Anlehnung an unternehmensinterne Unterlagen. Die Einführung eines „Rating“-Formulars für die Nutzer wurde aufgrund von Befürchtungen, dass sich eine schlechte Bewertung negativ auf die Motivation der Autoren auswirken könnte, wieder verworfen.

149 lich genutzt wurden. Diese Möglichkeit wird jedoch noch nicht sehr konsequent genutzt: „Das kann man dann soweit führen, dass man das quasi als Checkliste behandelt und Feedback abfragt, ob das anwendbar und auch brauchbar war. Das ist aber noch am Anfang. Unser Fokus ist im Moment ganz klar erstmal einsammeln und konsolidieren, damit man eine solide Datenbasis hat.“533 Analyse: Für die Nutzung des erarbeiteten Wissens erlaubt das Wissensmanagement ein zweigleisiges Vorgehen. So können Nutzer einerseits je nach Bedarf selbst nach geeigneten Wissenselementen suchen, andererseits wird versucht, die Wissenswiederverwendung aktiv zu fördern. Die Identifikation relevanter Dokumente erfolgt hierbei durch den Mitarbeiter selbst bzw. durch eine speziell für diese Aufgabe vorgesehene Person, den Wissenskoordinator. Die Sicht der Nutzer, also der internen Kunden des Wissensmanagements, ist für das Unternehmen zentral: „Aus meiner Sicht – ich bin zwar Ingenieur, aber kein Flugzeugbauer – ist Qualität zunächst, dass die Kunden mit dem, was sie da kriegen zufrieden sind, und dass es ihnen hilft, ihre Arbeit besser oder schneller zu verrichten. […] letztendlich entscheidet der Kunde, ob er sagt, das Wissen hat ihm geholfen oder hat ihm nicht geholfen.“534 Die Analyse der für das Unternehmen besonders relevanten Wissenselemente steht noch am Anfang. So werden „Download“-Zahlen erhoben, aber nicht ausgewertet. Die Möglichkeit, Kommentare zu Erfahrungen zu hinterlassen, ist technisch vorgesehen, sie wird aber faktisch kaum genutzt. Die Wiederverwendung von „Lessons Learned“ wird durch Verankerung eines Wissenskoordinators im neuen Projekt gefördert, die tatsächliche Nutzung jedoch nicht nachgehalten. Es kann somit festgestellt werden, dass die Möglichkeiten zur Auswertung zwar bereits vorhanden sind, aber (noch) nicht intensiv genutzt werden. Mehrere Gründe hierfür erscheinen denkbar. So könnte z. B. die lange Lebensdauer von Flugzeugen verbunden mit einer begrenzten Modellpalette dazu führen, dass die festgehaltenen Erfahrungen noch nicht in erheblichen Umfang wieder für einen neuen Flugzeugtyp eingesetzt werden konnten. Denkbar erscheint auch, dass aufgrund des stringenten Prozesses noch nicht so viele Wissenselemente vorhanden sind, so dass eine Unterscheidung in relevantere und weniger relevante Inhalte noch nicht als sinnvoll erachtet wird.

533 534

Zitat Interview-Partner 10. Zitat Interview-Partner 10.

150

Fallstudienanalyse

Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Um die Aktualität der Wissensbasis zu sichern, hat der Wissensmanager die Aufgabe, „regelmäßig oder zumindest jährlich“535 die eingestellten Erfahrungen seines jeweiligen Bereiches zu überprüfen. Hierbei sind üblicherweise zwei Herangehensweisen zu unterscheiden. Zum einen hat der Wissensmanager die Kommentare der Nutzer auszuwerten. Hierbei wird als problematisch gesehen, dass diese Kommentare nur selten hinterlassen werden, was sowohl daran liegt, dass diese nicht aktiv von den Nutzern eingefordert werden, andererseits auch die Nutzer die für sie unbrauchbaren Erfahrungen typischerweise ignorieren. Wenn sich jedoch ein Nutzer kritisch zu den vorgestellten Inhalten äußert, so hat der Wissensmanager die Aufgabe, zusammen mit den Autoren der Erfahrung und dem betroffenen Nutzern diese Diskrepanz zu diskutieren und zu beseitigen. Üblicherweise werden mehrere verschiedene (erfolgreiche) Wissenselemente jedoch beibehalten: „Unser Ansatz ist, dass das Leben nun mal nicht so einfach ist, und dass es da unterschiedliche Ansichten gibt. [Der Nutzer ist] dann aber auch aufgeschlaut, dass es verschiedene gibt und kann sich seine eigene Meinung bilden. Da ist die Idee, durch die geringere Verbindlichkeit hat man zwar keine Diskussion, aber zumindest die Chance, ein Meinungsbild zu haben.“536 Zum anderen muss der Wissensmanager auch die Erfahrungen mit den jeweils gültigen vorgegebenen Prozessen und Standards abgleichen. Bei offensichtlichen Widersprüchen zu diesen sind die Erfahrungen zu entfernen: „Wenn im offiziellen Prozess drinsteht, macht das so, dann kann in einer ‚Lessons Learned’ nicht drin stehen, dass es anders auch ganz prächtig geht. Das will man ja gerade nicht. Da ist es Aufgabe des [Wissensmanagers], das zu erkennen.“537 Zwar ist (als dritte Option) eine Überarbeitung durch die Autoren theoretisch denkbar und technisch möglich, dies wird faktisch allerdings fast nicht durchgeführt.

Analyse: Bei Fallstudie E können zwei hauptsächliche Herangehensweisen beobachtet werden, wie unrichtiges Wissen identifiziert und ggf. überarbeitet wird. Hier-

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Zitat Interview-Partner 10. Zitat Interview-Partner 10. Zitat Interview-Partner 10.

151 bei kann festgestellt werden, dass Kommentare zwar prinzipiell möglich sind, die Möglichkeit jedoch kaum von den Nutzern wahrgenommen wird. Außerdem fokussiert sich die Prüfung auf unrichtiges Wissen auf Diskrepanzen zu offiziellen Prozessen. Ein systematischer Überarbeitungsprozess solcher Wissenselemente, die zwar nicht in Widerspruch zu solchen offiziellen Prozessen steht, jedoch inhaltlich evtl. trotzdem falsch sein können, scheint hingegen deutlich weniger intensiv stattzufinden. Offensichtlich ist die Einhaltung offizieller, z. B. gesetzlicher Regelungen für das Unternehmen von besonders kritischer Bedeutung, was aufgrund der hohen Sicherheitsrelevanz bei Flugzeugen nachvollziehbar erscheint. Daher liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der Überprüfung des Wissens und dessen Widerspruchsfreiheit zu eben diesen Vorgaben. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Bei der Überprüfung auf unrichtig gewordene „Lessons Learned“ haben die Wissensmanager auch die Aufgabe, unwichtige Wissenselemente zu identifizieren. Hierbei haben sie die Möglichkeit, Wissenselemente zu archivieren, wenn diese nicht mehr erforderlich sind. Ein typischer Anlass ist, wenn eine Erfahrung in einen Standardprozess oder -dokument eingeflossen ist und somit als verbindlich erklärt wurde. Dies geschieht z. B. im Rahmen des betrieblichen Vorschlagwesens, wenn sich eine Erfahrung besonders bewährt hat. Da der Wissensmanagement-Prozess keine definierte Schnittstelle zum Prozess des betrieblichen Vorschlagwesens hat, muss hier regelmäßig eine manuelle Überprüfung erfolgen. Außerdem können die Wissensmanager die Inhalte der Kommentare, welche die Nutzer hinterlassen können, als Indikator für unwichtige Wissenselemente nutzen.

Analyse: Obwohl eine regelmäßige Überprüfung durch die Wissensmanager stattfindet, welche sich zusätzlich an den Kommentaren der Nutzer orientiert, ist das Unternehmen doch sehr zurückhaltend bei der Archivierung von Wissenselementen. Wenn diese nicht in einen anderen Prozess eingeflossen sind, werden Wissenselemente kaum entfernt. Hierzu wurden folgende Gründe genannt: x

Die Beurteilung, was bewahrungswürdig ist, erfolgt durch den Wissensmanager. Dieser kann jedoch nur schwer beurteilen, was z. B. ein neu in das Unernehmen gekommener Mitarbeiter benötigt.

152

Fallstudienanalyse x

Bei verschiedenen Wissenselementen konnte festgestellt werden, dass diese nur sehr selten bzw. sehr unregelmäßig nachgefragt werden, jedoch trotzdem sehr nützlich sein können. Daher ist eine geringe Zahl an „Downloads“ nur ein sehr unzureichender Indikator.538

x

Man möchte die Autoren nicht vergraulen, die eine aus ihrer Sicht wichtige Erfahrung dokumentiert haben.

Eine konsequente Archivierung hingegen findet somit erst dann statt, wenn die „Lessons Learned“ in offiziellen Prozessen aufgegangen ist und somit sicherlich nicht mehr erforderlich ist. Die zugrunde liegende Maxime hier scheint also zu sein, dass alles Wissen, solange es geprüft und nicht in Widerspruch zu den existierenden Regelungen ist, möglicherweise wieder gebraucht werden kann und daher nicht entsorgt werden sollte.

Fazit: Folgende Tabelle verdeutlicht den Prozess bei Fallstudie E sowie die impliziten Aspekte:

538

Andererseits können andere „Lessons Learned“ z. B. aufgrund eines interessanten Titels sehr populär, inhaltlich jedoch nicht relevant sein und daher eigentlich archiviert werden.

153 Dimension „wichtig“ Aufbewahrung von: Prozess (explizit)

1) Wissen ausscheidender Mitarbeiter 2) Projekterfahrungen

Wichtiges Wissen wird innerImplihalb der Wiszite senslandkarte Asgemeinschaftpekte lich definiert

Tabelle 14

4.2.6

„richtig“ Zuverlässigkeit wird in der Gruppe diskutiert

„relevant“

„unrichtig“

Kontrolle durch WMgr

Wissensinhalte werden durch WMgr aktiv in neue Projekte hineingetragen („Push“)

Freigabe durch Experten erforderlich

Nutzer können auch selbst suchen („Pull“)

WMgr muss Widersprüche zu offiziellen Prozessen erkennen, Kommentare lesen, und entsprechend Aktionen anstoßen

Mehrstufiger Prüfungsprozess (schnelle Verfügbarkeit vs. geprüftes Wissen)

Noch keine intensive Analyse besonders relevanter Inhalte erforderlich

Einhaltung der offiziellen Regelungen von kritischer Bedeutung

„unwichtig“ WMgr prüft mindestens 1x jährlich, was archiviert werden kann

Zurückhaltende Entsorgung, da das Wissen möglicherweise wieder gebraucht werden kann

Archivierung häufig dann, wenn Erfahrung in einen Standard eingeflossen ist

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie E)539

Fallstudie F

Bei Fallstudie F handelt es sich um einen Automobilhersteller. Mit rd. 50.000 Mitarbeitern werden über 900.000 Fahrzeuge pro Jahr gebaut und damit ein Umsatz von rd. € 31 Mrd. erzielt. Der Fokus der folgenden Ausführungen ist der Bereich „Engineering“, also der Bereich, der sich mit der technischen Entwicklung neuer Fahrzeuge und Fahrzeugteile befasst. Zur Datenerhebung wurde ein Interview mit dem Projektleiter für Wissensmanagement-Projekte der Technischen Entwicklung (Interview-Partner 11) geführt, sowie allgemein zugängliche Quellen wie Fachartikel und der Internet-Auftritt der Unternehmung herangezogen. Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Das Wissensmanagement bei Fallstudie F verfolgt zwei Ziele. So soll zum einen bei einem Mitarbeiterwechsel das relevanten Wissen des Vorgängers auf seinen Nachfolger übergehen, zum anderen auch die weiteren Mitarbeiter von diesem Wissens539

Eigene Darstellung.

154

Fallstudienanalyse

transfer profitieren. Hierzu finden zu einem solchen Anlass mehrere persönliche Gespräche zwischen Vorgänger und Nachfolger statt, manchmal auch in kleinen Gruppen, welche durch einen professionellen (üblicherweise unternehmensexternen) Dienstleister moderiert und anschließend zu Wissensdokumenten transkribiert und zu einer „Wissenslandkarte“ zusammengefasst werden. Diese Dokumente werden dann anschließend in einer Datenbank bereitgestellt und dienen den Kollegen als Referenz. Als größten Nutzen dieses Ansatzes sieht die Unternehmung Prozessbeschleunigung und Fehlervermeidung, insbesondere durch: x

Rückgriff auf vorhandene Erfahrungen („Lessons Learned“),

x

geringere Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter, sowie

x

Vermeidung von Doppelarbeit durch Transparenz.

Das Wissensmanagement im Bereich „Engineering“ ist sehr dezentral organisiert; es existieren insgesamt 16 Wissensdatenbanken in den unterschiedlichen Teilbereichen, welche zwar nach der gleichen Methode entwickelt wurden, jedoch verschiedene Strukturen besitzen können. Außerdem variiert die Intensität des Einsatzes deutlich innerhalb der verschiedenen Teilbereiche. So haben manche Teilbereiche eine dedizierte Person für das Wissensmanagement, welche die Datenbank pflegt und Mitarbeiter zum Einstellen und Nutzen von Erfahrungen motiviert (im Folgenden Wissensmanager genannt). In anderen Teilbereichen ist eine solche Person nicht vorgesehen540; in diesen kann ein abnehmendes Interesse und damit eine geringere Nutzung beobachtet werden kann. Dimension „wichtig“ Beschreibung: Die Entscheidung, welches Wissen vom Experten auf seinen Nachfolger übertragen werden soll, wird von deren Vorgesetzten getroffen. Der Experte selbst ist hierbei nicht involviert:

540

Als Hauptursache wurden die Kosten genannt, die ein Wissensmanager bzw. ein externer Moderator verursacht.

155 „Wenn es einen gibt, der das nicht entscheidet, dann ist es der Experte. Wenn so ein Thema ansteht, dann haben wir es in der Regel so gehalten, dass wir uns mit dem Nachfolger und vor allem mit dem Leiter dieses Experten unterhalten haben, welche kleinen Ausschnitte aus seiner Expertise wirklich für das Unternehmen auch in Zukunft noch interessant sind. […] Dann macht man ganz speziell und punktiert zu diesen Themen die entsprechenden ‚Debriefings’.“541 Der Vorgesetzte orientiert sich hierbei einerseits an der strategischen Zielsetzung seines Bereiches, so z. B. der strategischen Modellpolitik oder der Markenpolitik, andererseits aber auch an solchen Aspekten des Wissens, die aus seiner Sicht besonders sind und normalerweise nicht schriftlich festgehalten werden würden. Dies lässt sich besonders anschaulich anhand eines Beispiels illustrieren, bei welchem ein Doktorand neben der Übergabe seiner Doktorarbeit auch ein solches Übergabegespräch mit seinem Nachfolger durchführt: „[…] es ist aber auch ein Versuchsfahrzeug entstanden mit einem Haufen Elektronik und einem Haufen Ecken und Kanten, wenn man das Ding in Betrieb halten will. Wo man genau wissen muss, wo muss man denn hinfassen, wenn das Gerät hier oder da zuckt, wenn es abstürzt. Was darf man nicht machen, welche Tricks hat man verwendet. […] Das ist so nicht dokumentiert, das hat der Doktorand in seinem Erfahrungsschatz drin. Das ist das eigentlich Wichtige. Dieser Erfahrungsschatz muss eingefangen werden und an den Nachfolger übermittelt werden.“542 Nachdem der Vorgesetzte so den Fokus für die Übergabe definiert hat, findet das eigentliche Übergabegespräch zwischen Vorgänger und Nachfolger statt. Dieses wird durch einen Moderator begleitet, der die Diskussion entsprechend der gewählten Schwerpunkte steuert. Der Nachfolger kann den Übergabeprozess jedoch durch seine eigenen Fragen mitgestalten, und gezielt bei den aus seiner Sicht wichtigen Punkten nachhaken.543 Die Inhalte des Gesprächs werden im Anschluss transkribiert.

Analyse: Durch die Definition durch den Vorgesetzten und die aktive Einflussnahme des Nachfolgers, welches Wissen vom Vorgänger (Experten) übertragen werden soll, werden zwei Aspekte deutlich, wie wichtiges Wissen in der Unternehmung identifi-

541 542 543

Zitat Interview-Partner 11. Zitat Interview-Partner 11. Hierbei kommt eine Interviewtechnik zum Einsatz, welche speziell hierfür zusammen mit einer Forschungsgruppe einer nahen Universität entwickelt wurde.

156

Fallstudienanalyse

ziert wird. So ist zum einen solches Wissen wichtig, welches der Vorgesetzte aus strategischer Sicht (z. B. in Bezug auf die Modellpolitik) als bewahrungswürdig empfindet. Diese Sicht kann sich fundamental von der Einschätzung des jeweiligen Experten unterscheiden: „Wenn ich heute z. B. einen alten Konstrukteur ‚debriefe’, dann hat der sicherlich 15 Jahre Zeichenerfahrung am Brett. Das ist für uns völlig irrelevant, was der Mann noch vom Stricheziehen weiß. Die 15 Jahre kann man schon mal in die Tonne treten. Und die Technologien, die da entstanden sind, sind auch vielleicht nur noch zu einem Promille interessant.“544 Zum anderen hat jedoch auch der Nachfolger die Möglichkeit, den Wissenstransfer durch seine Fragen bewusst zu steuern und so die aus seiner Sicht wichtigen Wissenselemente ebenso zu berücksichtigen. Durch die Moderation einer dritten Person, die „gewollt keine Ahnung hat vom Thema“545, soll hierbei eine Balance zwischen der Schwerpunktsetzung des Vorgesetzten und den Bedürfnissen des Nachfolgers erreicht werden. Dimension „richtig“ Beschreibung: Die Interviewmitschnitte werden durch den Moderator transkribiert und redaktionell aufbereitet und werden dann dem jeweiligen Experten vorgelegt, der seine Ausführungen nochmals durchsehen und ggf. überarbeiten und verbessern kann. In manchen Teilbereichen wird das so entstandene Dokument zusätzlich dem Vorgesetzten zur Bestätigung vorgelegt, bevor es dann durch den Wissensmanager in die Wissensdatenbank eingestellt wird.546 Die Benennung einer Person je Teilbereich, welche die Verantwortung für die jeweiligen Wissensinhalte trägt, wird bei Fallstudie F als essentiell angesehen:

544 545 546

Zitat Interview-Partner 11. Zitat Interview-Partner 11. Aufgrund der dezentralen Organisation des Wissensmanagements der Teilbereiche können Ablauf, Rollen und Aufgaben der Personen im Einzelfall abweichen.

157 „Es braucht einen mit Herzblut, der dahinter steht, der sagt, dass es ihm wichtig ist, dass seine Experten Sachen dokumentieren. Der hinter ihnen dran bleibt. […] Der den Wildwuchs ein bisschen kanalisiert, ohne die Leute zu bevormunden. Ich würde ‚freigeben’ schon als zu streng sehen. Aber einer, der dafür sorgt, dass nicht wie in einem ‚Chat-Room’ nur irgendwelcher Blödsinn rein geschrieben wird. So dass das einen fachlichen Charakter hat. Und der vor allem auch sicherstellt, dass das ganze Thema Pflege und Qualitätssicherung auch tatsächlich durchgeführt wird.“547 Eine dedizierte Person hierfür ist jedoch nur in zwei der 16 Teilbereiche vorhanden, ansonsten wird diese Funktion nur neben der eigentlichen Tätigkeit oder überhaupt nicht wahrgenommen.

Analyse: Die Richtigkeit der gemachten Aussagen ergibt sich bei dieser Fallstudie aus Sicht des Unternehmens aus der gemeinschaftlichen Übergabe von dem Vorgänger auf den Nachfolger, verbunden mit einer Überprüfung des InterviewProtokolls. Ergänzend muss in manchen Teilbereichen der Vorgesetzte dieses Dokument zusätzlich überprüfen und die Inhalte bestätigen. Hier wird also ein zweistufiges Vorgehen umgesetzt: zunächst wird das Dokument durch die betroffenen Personen geprüft, anschließend muss auch der Vorgesetzte die inhaltliche Richtigkeit bestätigen. Die Rolle des Wissensmanagers beschränkt sich hingegen darauf, die Experten zur Teilnahme zu motivieren und die Dokumente auf ihre formale Richtigkeit zu prüfen. Eine inhaltliche Prüfung durch den Wissensmanager ist nicht vorgesehen. Möglicherweise kann dieser die Inhalte aufgrund der hierfür erforderlichen Expertise auch gar nicht hinterfragen. Dimension „relevant“ Beschreibung: Die Mitarbeiter der Teilbereiche können die Datenbank anhand von Stichworten oder Kategorien durchsuchen. Bezüglich der Nutzung des vorhandenen Wissens lässt sich feststellen, dass die Wissensdatenbank insbesondere von jungen Mitarbeitern genutzt wird, Experten jedoch nutzen die gespeicherten Elemente jedoch kaum:

547

Zitat Interview-Partner 11.

158

Fallstudienanalyse „Das liegt ein bisschen an der Psychologie: ‚Ich bin Experte, ich weiß, wie’s geht!’ Das klingt vielleicht jetzt lustig, ist aber tatsächlich so. Bringen Sie mal einen Experten dazu, dass er das von seinem Vorgänger wirklich liest.“548

Zusätzlich kann beobachtet werden, dass die Dokumente mit aktuellen Themen eher direkt zwischen den beteiligten Personen ausgetauscht werden, wohingegen in dem Wissensmanagement-System eher die Dokumente mit grundsätzlichen Inhalten vorgefunden werden können. Auch wenn der Erfahrungsaustausch oft persönlich erfolgt, so sind die Mitarbeiter angehalten, sich anhand der Wissensbasis zu orientieren. Diese sollen zunächst versuchen, selbst die Relevanz der vorgefundenen Inhalte zu ermitteln, bevor sie auf die jeweiligen Experten zurückgreifen: „Der Deal mit den Experten ist: ‚Wir räumen Euer Zeug weg und bringen es in eine vernünftige Struktur, und wir halten Euch die jungen Kollegen vom Leib mit ihren Fragen, denn Ihr habt das da drin dokumentiert’. Und die jungen, die kriegen das auf die Fahne geschrieben: ‚Ihr schaut zuerst da rein. Und wenn Ihr dann nicht zurecht kommt, dann könnt Ihr den Experten löchern, aber nicht vorher!’“549 Die Nutzer haben die Möglichkeit, Kommentare zu den einzelnen Dokumenten zu hinterlassen. In der täglichen Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass eine derartige Bewertung, wie das Wissen genutzt wurde, kaum erfolgt. Üblicherweise hinterlassen die Mitarbeiter ergänzende fachlich-inhaltliche Kommentare, Hinweise auf die Art der Nutzung oder Empfehlungen sind hingegen nur sehr selten anzutreffen.

Analyse: Das in dem Wissensmanagement-System vorgehaltene Wissen soll insbesondere jungen Mitarbeitern helfen, sich in ein Thema einzulesen. Diese sollen die Relevanz des gefundenen Wissens zunächst für sich selbst bewerten. Erst wenn sie sich bezüglich der Übertragbarkeit auf ihre konkrete Problemsituation unsicher sind, sollen sie auf die jeweiligen Autoren zugehen. Somit profitieren auch die Experten, die ihre Erfahrungen dokumentiert haben, von dem Wissensmanagement-System, da sich das Nachfragen tendenziell auf solche Fälle beschränkten sollte, wenn die Nutzer keine entsprechenden Inhalte in der Wissensbasis vorgefunden haben oder die Bewertung der Übertragbarkeit schwierig ist.

548 549

Zitat Interview-Partner 11. Zitat Interview-Partner 11.

159 Der Einsatz der Kommentarfelder könnte bei der Identifikation relevanter Inhalte nützlich sein. Die Wissensnachfrager nutzen jedoch diese Möglichkeit v. a. für fachlich-inhaltliche Kommentare, hingegen nicht für Hinweise auf die Art der Wiederverwendung. Die Kommentarfelder sind aus Sicht der Unternehmung hier also nicht hilfreich. Weitere Möglichkeiten zur Relevanzbewertung konnten nicht identifiziert werden. Ob ein Element aus der Datenbank tatsächlich genutzt wurde, kann also bei Unternehmen F normalerweise nicht festgestellt werden. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Unrichtiges Wissen wird häufig dadurch aufgedeckt, dass widersprüchliche Inhalte in der Wissensbasis durch die Nutzer angetroffen werden, oder dass z. B. neue Mitarbeiter auf aus ihrer Sicht veraltete Einträge stoßen. In der Praxis sieht das so aus, dass in einem ersten Schritt die Nutzer versuchen, die Gründe für die Diskrepanz selbst zu lösen. Wenn sie selbst zu keinem Ergebnis kommen, werden in einem zweiten Schritt die Autoren der jeweiligen Wissenselemente zu der Problematik befragt.550 Wenn auch dies keine Klärung bringt, wird das Thema gemeinsam mit diesen (und ggf. weiteren) Experten diskutiert: „In so einem Fall muss er die Jungs zusammen holen und mit denen das Thema ausdiskutieren. Es hilft nichts, man muss es letztlich im Gespräch lösen. Es gibt keinen ‚höherwertigen’ Experten, der dann den ‚niedrigerwertigen’ Experten überschreibt. In der Regel ist so etwas dokumentiert, und wenn ein Dokument diametral zu etwas anderem ist, dann kommt das irgendwann einmal an das Tageslicht, und dann wird das ganze ausdiskutiert und zu einem Abschluss gebracht.“551 Im Nachgang zu dieser Diskussion wird dann ein Protokoll angefertigt, welches dann als verbindliche Unterlage in das Wissensmanagement-System eingestellt wird. Zusätzlich zu dieser durch die Nutzer abgestoßenen Diskussion wurde ein Verfahren entwickelt, um die Autoren einer Erfahrung nach einer definierten Zeitspanne wieder auf die Richtigkeit ihrer Erfahrung anzusprechen. Hierzu werden diese bei der Erstellung eines neuen Wissenselements gefragt, wie lange die Inhalte ihrer Meinung nach gültig sind:

550 551

Siehe hierzu auch die Diskussion zur Dimension “relevant”. Zitat Interview-Partner 11.

160

Fallstudienanalyse „Ich frage sie zu irgendeiner Expertise, die sie haben, und ich frage sie auch gleichzeitig, wie lange dieser Wissensinhalt Bestand hat. […], dann kann er z. B. sagen: ‚Na gut, frage mich nach einem Jahr noch mal’. Das hängen wir als Meta-Daten an dieses Wissenselement dran: ‚Frage mich nach einem Jahr’.“552

Mit Hilfe eines Computer-Programms kann dann ermittelt werden, zu welchem Zeitpunkt welcher Experte zu welcher Expertise wieder kontaktiert werden soll. Diese Kontaktierung kann durch den Wissensmanager erfolgen, sie wird in manchen Teilbereichen jedoch auch an einen externen Dienstleister vergeben. Der Experte hat dann die Möglichkeit, die Gültigkeit zu verlängern (z. B. wieder um ein Jahr), das entsprechende Dokument zu aktualisieren, wenn es unrichtig gewordene Aspekte enthält, oder es ggf. zu entfernen, wenn es aus seiner Sicht nicht mehr benötigt wird. Zusätzlich zu dieser möglichen Überprüfung und ggf. Aktualisierung durch den Autor selbst bestehen keine Vorgaben, das Wissen aktuell zu halten: „Pflegealgorithmen sind nicht wirklich existent.“553

Analyse: Wenn die Nutzer auf unrichtige Wissenselemente stoßen, versuchen sie zunächst, alleine eine Lösung zu finden. Erst bei größeren Problemen werden die jeweiligen Experten hinzugezogen. Hierbei findet eine gemeinsame Diskussion der Nutzer mit den jeweiligen Experten statt, in welcher versucht wird, die aufgetretenen Widersprüche und Probleme aufzulösen. Die Ergebnisse werden dann protokolliert; sie ergänzen bzw. präzisieren die bisherigen Inhalte des WissensmanagementSystems. Da die relevanten Experten gemeinsam z. B. eine neue, bevorzugte Vorgehensweise festlegen, und diese in schriftlicher Form wieder allgemeinverbindlich den Nutzern zur Verfügung gestellt wird, kann man in diesem Fall durchaus von diskursiv geprüftem Wissen sprechen. Die bisherigen Inhalte werden durch diese Vorgehensweise also aktualisiert. Eine zusätzliche Möglichkeit, wie Wissenselemente wieder geprüft und ggf. entsorgt werden können, wurde geschaffen durch die Definition eines Zeitraumes, innerhalb dessen der jeweilige Experte wieder zu seinen Erfahrungen angesprochen werden soll. In der Praxis ergeben sich hieraus aus Sicht des Unternehmens jedoch drei Probleme. Zunächst ist die Vergabe eines Datums zur Wiedervorlage nicht verpflichtend, so dass eine Teilmenge der Wissenselemente ohne Nachprüfung für lange Zeit in der Wissensbasis verbleiben kann. Außerdem ist es für einen Experten

552 553

Zitat Interview-Partner 11. Zitat Interview-Partner 11.

161 i. A. schwierig zu beurteilen, welches Wissen z. B. für junge Mitarbeiter noch Relevanz besitzt oder problemlos gelöscht werden kann. Ein dritter Problemkreis betrifft die Kommentarfelder: möglicherweise sind die Wissenselemente selbst noch eine gegebene Zeit gültig, aber die Inhalte der Kommentarfelder sind ggf. schon überholt. Dieser Fall wird durch die beschriebene Vorgehensweise nicht abgedeckt: „Da haben wir allerdings natürlich auch ein Tor aufgestoßen, wo die Qualitätssicherung dann auch nicht mehr so funktioniert. Denn wenn jemand einen Satz dazu schreibt, der ihm in dem Moment dazu eingefallen ist, vergisst er mit Sicherheit, dass er irgendwelche Buttons drücken muss, um zu sagen, wie lange der Satz Gültigkeit hat. Und damit hat dieses Qualitätsprodukt etwas zu bröckeln angefangen.“554 Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass bei Fallstudie F auf zwei verschiedenen Wegen versucht wird, das in dem Wissensmanagement-System enthaltene Wissen um unrichtige Einträge zu bereinigen. Zum einen können die Nutzer auf solche Inhalte aufmerksam machen und diese dann gemeinsam mit den Experten diskutieren und aktualisieren, zum anderen haben die Experten selbst durch die Definition eines Zeitraumes eine Möglichkeit, die Gültigkeit ihrer einmal gemachten Aussagen regelmäßig zu überprüfen. In der Praxis können bei beiden Herangehensweisen spezifische Vor- und Nachteile beobachtet werden. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Systematische Prozesse oder Mechanismen zur Entsorgung unwichtigen Wissens sind bei Fallstudie F nicht vorgesehen: „Es gibt sie nicht. Wir haben relativ früh verworfen, solche Mechanismen überhaupt einzubringen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Leute nicht mitmachen. Wenn Sie irgendeinen Prozess haben, der in irgendeiner Weise formalisiert und automatisiert und nicht personalisiert abläuft, dann kriegen Sie eine Ablehnung.“555 Analyse: Zwar ist ein systematischer Prozess nicht vorgesehen; denkbar ist jedoch, dass in Einzelfällen im Rahmen der Überprüfung von Wissenselementen556 die Experten feststellen, dass diese nicht mehr richtig oder aktuell sind. Solche Elemente

554 555 556

Zitat Interview-Partner 11. Zitat Interview-Partner 11. Siehe die vorherige Diskussion zur Dimension „unrichtig“.

162

Fallstudienanalyse

können dann entweder überarbeitet (aktualisiert) werden, oder auch gelöscht werden, wenn das Wissen aus Sicht der Experten überholt ist. Damit ist zumindest eine sporadische Bereinigung der Inhalte des Wissensmanagement-Systems möglich. Aus Vorsicht vor negativen Auswirkungen auf die Motivation der Nutzer sind weitergehende Entsorgungsprozesse nicht vorgesehen.

Fazit: Der Wissensprozess bei Fallstudie F kann durch folgende Abbildung verdeutlicht werden: Dimension „wichtig“

Strukturiertes Gespräch Pro- zwischen Vorzess gänger und (expli- Nachfolger, gleichzeitiges zit) Niederschreiben

Implizite Aspekte

Vorgesetzter und Nachfolger definieren gemeinsam, was wichtig ist

Tabelle 15

4.2.7

„richtig“

InterviewTranskript geht an Experte zur Kontrolle

„relevant“

Erst im WM nachsehen, dann Experten befragen

Teilweise zusätzliche Freigabe durch den Vorgesetzten Richtigkeit ergibt sich aus gemeinsamer Übergabe und Freigabe durch Vorgesetzten

„unrichtig“

„unwichtig“

Bei Widersprüchen: Diskussion der Nutzer mit Experten

Löschen nur, wenn nach Ablauf „Haltbarkeitsdatum“ als unwichtig eingestuft

Nach Ablauf „Haltbarkeitsdatum“: Experte neu befragen Kein Nachhalten, ob Wissen tatsächlich genutzt wurde

./.

Kein systematisches Löschen aus Vorsicht vor negativer Auswirkung auf Motivation

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie F)557

Fallstudie G

Bei Fallstudie G handelt es sich um ein Tochterunternehmen eines global agierenden Automobil-Zulieferers mit über 80.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rd. USD 23 Mrd. Das Tochterunternehmen selbst hat rd. 12.000 Mitarbeiter und hat insbesondere die Aufgaben Automobilentwicklung und -produktion. Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen ist der Bereich der Automobilentwicklung, zu welchem auch das Projektmanagement und das zugeordnete Innovations- und Wissensmanagement gehört.558

557 558

Eigene Darstellung. Während der Einführungsphase des Wissensmanagements wurden mehrere Pilotprojekte in verschiedenen Bereichen des Unternehmens gestartet, die Projekte wurden danach aber auf den Bereich Automobilentwicklung fokussiert.

163 Zur Datensammlung wurden Gespräche mit drei Personen dieses Bereichs geführt. Diese sind: x

der Leiter der Projektmanagement-Unterstützung, welcher gleichzeitig die Gesamtverantwortung für das Innovations- und Wissensmanagement trägt (Interview-Partner 12),

x

der Mitarbeiter, welcher das Wissensmanagement operativ leitet (InterviewPartner 13), sowie

x

eine weitere Person aus dem Aufgabenbereich des Wissensmanagements in der Automobilentwicklung (Interview-Partner 14).

Ergänzend wurden Angaben aus öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere dem Internet-Auftritt der betroffenen Firma und deren Tochterunternehmen, sowie unternehmensinterne Unterlagen herangezogen. Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Das Ziel des Wissensmanagements wurde bei Fallstudie G normativ aus den unternehmensinternen Qualitätsrichtlinien definiert. Darin heißt es: „Bei auftretenden Problemen sind immer die zugrunde liegenden Ursachen zu ermitteln und nachhaltig zu beseitigen, um damit die Wissensbasis für eine vorbeugende [Qualitätssicherung zu schaffen]“559 Hieraus wurde als Aufgabe des Wissensmanagements abgeleitet, die auf Projekten generierten Erfahrungen für zukünftige Projekte aufzubewahren und wieder bereitzustellen.560 Daher wurde das Wissensmanagement als obligatorischer Bestandteil z. B. in den Produktentwicklungsprozess integriert. Das Unternehmen unterscheidet bei Erfahrungen zwischen „Best Practices“ und „Lessons Learned“. Während „Best Practices“ solche Projekterfahrungen beinhalten, welche zu einem besonders erfolgreichen Projektergebnis geführt haben und daher idealerweise in ähnlicher Weise wieder verwendet werden sollen, beschreiben die

559 560

Zitat aus den unternehmensinternen Qualitätsrichtlinien. Ein Nebenaspekt ist hierbei die Problematik, dass das Unternehmen für mehrere Automobilbauer tätig ist und auch deren Geheimhaltungsvereinbarungen berücksichtigen muss, so dass zwischen den beiden Aspekten Lernen und Geheimhaltung immer ein gewisses Spannungsverhältnis besteht.

164

Fallstudienanalyse

„Lessons Learned“ Probleme im Projektablauf, welche sich in künftigen Projekten nicht wiederholen dürfen. Es hat sich herausgestellt, dass „Best Practices“ in der Unternehmung kaum angenommen wurden. Folgende Gründe, weshalb ein Wissensmanagement bewährter „Best Practices“ keine Akzeptanz erfahren hat, konnte das Unternehmen identifizieren: x

Potentielle Nutzer suchen eine solche Erfahrung üblicherweise nicht in einer Datenbank, sondern versuchen im persönlichen Gespräch die wichtigsten Informationen zu bekommen.

x

„Best Practices“ erfordern eine besondere Aufbereitung und Dokumentation, sie sind daher ressourcenintensiv.

x

Die festgehaltenen Erfahrungen und Lösungen sind üblicherweise kontextabhängig, häufig jedoch wurde kein Vergleich des beschriebenen mit dem aktuellen Kontext vorgenommen („Er hat es nicht kapiert, dass ohne den Kontext mit abzubilden und transportieren eine ‚Best Practice’-Lösung wertlos ist – oder sogar gefährlich.“561).

Daher wurde in der Unternehmung beschlossen, den Fokus des Wissensmanagements auf „Lessons Learned“ zu setzen: „Wir arbeiten nicht mit Lösungen. Wir arbeiten eher mit Problemen. Wir kommen aus der Problemlösung heraus.“562 Der Wissensmanagement-Prozess wird durch folgende Grafik verdeutlicht: Anwenden

Adaption

Institutionalisierung

Episoden

Erfahrungslernen

Transfer

Erfahrungswissen

Objektivierung

Abbildung 20 Wissensmanagement-Prozess (Fallstudie G)563

Der Kreislauf lässt sich in vier Phasen unterteilen: 561 562 563

Zitat Interview-Partner 13. Zitat Interview-Partner 13. Eigene Darstellung in Anlehnung an unternehmensinterne Unterlagen.

165 x

Ausgangspunkt sind die Episoden, also die auf den Projekten gewonnenen Erfahrungen (aufgetretene Probleme). Aus diesen ergibt sich durch Erfahrungslernen das Erfahrungswissen (hier also die „Lessons Learned“) der Projektmitarbeiter.

x

Um diese Erfahrungen einzusammeln und für die Organisation nutzbar zu machen, werden am Ende eines Projekts die kritischen Erfahrungen während eines Workshops gesammelt. Hierbei werden auch Empfehlungen diskutiert, wie die aufgetretenen Probleme hätten vermieden werden können. Falls für diese Vorschläge eine Anpassung innerhalb der Organisation erforderlich ist, so werden diese an die Organisationsentwicklung weitergeleitet. Diese kann dann prüfen, ob die vorgeschlagene Veränderung sinnvoll und umsetzbar ist (Objektivierung) und dann ggf. den Vorschlag in die Organisation einbringen (Institutionalisierung). Die weiteren wichtigen „Lessons Learned“ (also solche, die keine Anpassung in der Organisation erfordern) werden zusammen mit den jeweiligen Empfehlungen in einer Datenbank abgespeichert.564

x

Der Transfer dieser kritischen Erfahrungen erfolgt zu Beginn eines neuen Projekts durch Mitarbeiter des Wissensmanagements. Hierzu werden dem Projektteam in einer Sitzung die Probleme aus vergangenen Projekten vorgestellt. Anschließend wird im Team diskutiert, welche der genannten Probleme in dem aktuellen Projekt möglicherweise wieder auftreten können, und was getan werden kann, um eine Wiederholung zu vermeiden (Adaption). Dabei können sich die Mitarbeiter an den erarbeiteten Empfehlungen orientieren.

x

Hieraus ergeben sich Maßnahmenpakete, welche die Mitarbeiter in der Projektarbeit umzusetzen haben (Anwenden). Bei der Umsetzung im Projekt wiederum generieren die Projektmitglieder neue Erfahrungen (Episoden).

Auf die relevanten Abschnitte wird bei der Diskussion der einzelnen Dimensionen noch intensiver eingegangen. Dimension „wichtig“ Beschreibung: Am Ende eines Projekts haben die relevanten Projektteilnehmer (üblicherweise die teilnehmenden Experten eines Fachgebiets) die Aufgabe, die im

564

Das Unternehmen unterscheidet hierbei zusätzlich die technischen von den nicht-technischen „Lessons Learned“.

166

Fallstudienanalyse

Projektablauf aufgetretenen Probleme zu identifizieren. Hierbei wird mit Hilfe einer unternehmensspezifischen Methodik565 versucht, insbesondere solche Aspekte herauszufinden, welche in Zukunft für das Unternehmen bedeutsam werden können: „Da kommt dann dieser Schritt der Abstraktion. Das heißt, ich versuche mit geeigneter Intervention die Experten so zu stimulieren, dass sie das Relevante – das, was mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Zukunft relevant ist – herausfiltern. Ich kann die Streu vom Weizen nur durch geeignetes Fragen trennen.“566 Eine typische Projektabschlussbesprechung wird in mehreren Schritten durchgeführt. Zunächst wird ein Gespräch mit dem Projektleiter über Vorgehen und Ziele geführt. Die Einleitung der gemeinsamen Besprechung mit den anderen Projektteilnehmern dient dann der Erzeugung eines ersten Stimmungsbildes, welches die jeweiligen Höhen und Tiefen eines Projekts aufzeigt. Hierauf aufbauend werden, je nach Präferenz des Projektleiters und des Teams, eine oder mehrere verschiedene Kreativitätstechniken – z. B. „Brainstorming“567 oder „Mindmapping“568 – angewendet, um eine erste Liste von „Lessons Learned“ zu erhalten. Im Anschluss an diese ca. einstündige Phase werden die genannten Themen gemeinsam nach Wichtigkeit sortiert und gruppiert. Bei den als wichtig angesehenen Erkenntnissen werden dann in Einzelgruppen Problemlösungsempfehlungen ausgearbeitet. Hierbei sollen sich die Mitarbeiter an Leitfragen orientieren, z. B. x

Wie hätte es sein sollen?

x

Was kann der einzelne Mitarbeiter beitragen, um diesen Sollzustand zu erreichen?

x

Was kann die Organisation tun, um diesen Sollzustand zu erreichen?

Die Ergebnisse der Einzelgruppen werden im Anschluss im Plenum präsentiert und mit den übrigen Projektmitgliedern abgestimmt.

565

566

567 568

Die hier vorgestellte Methodik stellt den derzeitigen Stand dar; sie wurde im Laufe der letzten vier Jahre regelmäßig verändert und an das Unternehmen angepasst. Zitat Interview-Partner 13. Der Begriff der „Relevanz“ wird in der Unternehmung anders als im Rahmen dieser Arbeit verwendet: die Relevanz bezieht sich darauf, ob ein Inhalt im Wissensmanagement enthalten sein sollte, und gehört damit i. S. dieser Arbeit zur Diskussion der Dimension „wichtig“. Vgl. Schachtner (2001), S. 43. Vgl. Fink (2000), S. 76 ff.

167 Analyse: Das Unternehmen G hat einen strukturierten Prozess zur Bestimmung des bewahrungswürdigen Wissens; dieser wird typischerweise am Ende eines Projekts angestoßen. Zunächst werden Ideen gesammelt, welche Probleme von besonderer Bedeutung für die Firma sein könnten, und die wichtigsten hiervon werden dann systematisch diskutiert. Die Methodik sieht also sowohl einen eher offenen als auch einen eher themenfokussierten Teil vor. Durch die gemeinsame Erarbeitung der aufgetretenen Problemfelder und die anschließende Bewertung der Wichtigkeit durch die Projektmitglieder soll sichergestellt werden, dass die wichtigen Themen aus Sicht dieser Mitarbeiter identifiziert werden. Der moderierende Wissensmanager hat dabei zusätzlich die Möglichkeit, auch die Sicht der Unternehmung einzuflechten, wenn aus unternehmensstrategischer Sicht bestimmte Inhalte von besonderer Bedeutung sind: „Ich verhandle das auch so, dass die Leute die Chance haben, ihre Ideen zu liefern, und wenn ein Thema fehlt, kann man das immer noch einstreuen. […] abhängig von diesen Schwerpunkten aus strategischer Sicht kann man solche Themen ja dann noch einbauen. Es gibt immer wieder Einstiegsmöglichkeiten für solche vorgegebenen Themenstellungen.“569 Auffällig ist der Fokus auf aufgetretene Probleme, worin sich diese Fallstudie von den anderen unterscheidet. Ziel des Wissensmanagements bei diesem Unternehmen ist die Vermeidung bzw. die Verringerung der Folgen von aufgetretenen Problemen. Dies hat zur Folge, dass offensichtlich insbesondere solche Probleme als wichtig erachtet werden, welche wieder in anderen Projekten auftreten können. Ein einfaches Beispiel aus der Praxis ist etwas das Scheuern eines Kabelstranges an einem Autositz, was zu Aussetzern der Elektronik und deshalb im Verlauf eines Projekts zu hohen Kosten geführt hat. Offensichtlich kann ein solches Problem auch in ähnlichen Entwicklungsprojekten auftreten – es wurde daher als „wichtig“ erachtet, dieses in die Wissensbasis aufzunehmen, um solche unnötigen Kosten künftig zu vermeiden. Dimension „richtig“ Beschreibung: Die Fehler und Probleme während eines Projekts sind faktisch aufgetreten und mussten beseitigt werden. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen versucht das Unternehmen mit Hilfe des beschriebenen WissensmanagementAnsatzes, die einmal gemachten Fehler nicht zu wiederholen. Hierzu werden wäh569

Zitat Interview-Partner 13.

168

Fallstudienanalyse

rend der Projektabschlussbesprechung die als wichtig erachteten Problemfelder untersucht und in den Einzelgruppen diskutiert, was die Ursachen der Probleme sind und wie sich die Auswirkungen verringern oder möglichst ganz hätten vermeiden lassen. Auf Basis dieser Überlegungen werden dann Vorschläge zur Problemvermeidung durch die Gruppenmitglieder generiert. Diese Vorschläge werden im Anschluss dem gesamten Projektteam im Plenum vorgestellt und von den Mitgliedern gemeinschaftlich verabschiedet. Der Wissensmanager hat im Anschluss an die Sitzung die Problembeschreibungen sowie die zugehörigen Problemlösungsempfehlungen zu bündeln, aufzubereiten und in der Wissensdatenbank zur Verwendung in zukünftigen Projekten abzuspeichern. Eine weitere inhaltliche Kontrolle dieser Empfehlungen findet hierbei nicht statt. Wenn der Wissensmanager jedoch erkennt, dass bestimmte strukturelle Probleme mehrfach auftreten, dann werden diese Ausführungen an die Organisationsentwicklung weitergeleitet, die zu prüfen hat, welche der Problemlösungsempfehlungen in die Organisation eingebracht und umgesetzt werden können: „Wir sehen das als eine Meldelinie für Veränderungen in unterschiedlichen Dimensionen: in den Prozessen, im Projektmanagement-Handbuch, im HR-Verhalten, in der Abarbeitung von Projekten. Es gibt also verschiedene Kanäle, die da ‚strapaziert’ werden können, die aber nicht unmittelbar von dem Projektteam gesehen werden, sondern eben von den Experten, die sich damit beschäftigen in der Organisationsentwicklung.“570 Die Organisationsentwicklung hat insbesondere die Richtigkeit der Erfahrungen zu prüfen: diese werden „[…] genau in dieser Richtung interpretiert, also ist das nur in dem speziellen Kontext gültig, oder lässt sich das verallgemeinern.“571 Wenn eine solche grundsätzliche Verbesserung identifiziert werden kann, fließt diese in den „Kontinuierlichen Verbesserungsprozess“572 (KVP) ein.573

Analyse: Durch die gemeinsame Diskussion der Problemlösungsempfehlungen während der Projektabschlussbesprechung sowohl in den Einzelgruppen als auch im Plenum werden Empfehlungen erarbeitet, wie verhindert werden kann, dass im Falle eines ähnlichen Projekts die beschriebenen Probleme wieder auftreten. Hierbei findet 570 571 572 573

Zitat Interview-Partner 13. Zitat Interview-Partner 13. Vgl. Witt/Witt (2001). Der weitere Prozess, wie die Empfehlungen vom Wissensmanagement über die Organisationsentwicklung in den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess eingesteuert werden, ist nicht Bestandteil dieser Fallstudienuntersuchung.

169 eine Hinterfragung der Verallgemeinerbarkeit (und damit der Richtigkeit) statt, jedoch mit starkem Projektbezug: der Fokus ist das Festhalten der auf dem konkreten Projekt aufgetretenen „Lessons Learned“, also der Probleme, welche sich nicht wiederholen sollen. Auch orientieren sich die abgeleiteten Problemlösungsempfehlungen daran, wie die Probleme bei diesem Projekt möglicherweise hätten vermieden werden können. Somit unterscheidet sich das Vorgehen bei Fallstudie G auch in der Ausgestaltung der Dimension „richtig“ von den bisher diskutierten Wissensmanagement-Ansätzen: während bei letzteren insbesondere solche Erfahrungen festgehalten werden, welche tatsächlich zu einem positiven Ergebnis geführt haben und deswegen möglicherweise auch in einem anderen Kontext erfolgreich wieder verwendet werden können, sind bei der vorliegenden Fallstudie lediglich die Probleme tatsächlich aufgetreten. Die hieraus abgeleiteten Problemlösungsempfehlungen sind – wie der Name bereits impliziert – lediglich Empfehlungen, wie man möglicherweise eine Wiederholung der genannten Probleme vermeiden kann. Erst bei der Wiederverwendung dieser gemachten Erfahrungen werden die Probleme und die empfohlenen Herangehensweisen durch die neuen Projektmitarbeiter auf ihre Übertragbarkeit in das neue Projekt geprüft, und erst danach kann festgestellt werden, ob die Empfehlungen tatsächlich zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben.574 Eine Ausnahme besteht, wenn der Wissensmanager strukturelle Probleme in den Erfahrungen mehrerer Projekte identifiziert hat. Dann hat er die Möglichkeit, diese zusammen mit den Lösungsvorschlägen an die Organisationsentwicklung weiterzuleiten. Diese hinterfragt die generelle Anwendbarkeit und lässt – bei positivem Ergebnis – die Vorschläge in den KVP einfließen. Da das Wissen hierbei von mehreren Experten (Projektteam, Wissensmanagement, KVP) diskutiert wird, kann in diesen Fällen durchaus von geprüftem Wissen gesprochen werden. Eine solche systematische Überführung der gewonnenen Erfahrungen in die Organisation ist einzigartig bei den hier betrachteten Fallstudien. Dimension „relevant“ Beschreibung: Bei neuen Projekten können die Teammitglieder von den Erfahrungen mit Problemen der vergangenen Projekte profitieren; im Rahmen eines neuen Produktentwicklungsprozesses ist ein Erfahrungstransfer sogar Bestandteil des

574

Bei der Diskussion der Dimension „relevant“ wird hierauf noch näher eingegangen.

170

Fallstudienanalyse

Standard-Präventionsprozesses und damit verbindlich vorgesehen. Hierzu findet eine von einem Wissensmanager moderierte Sitzung statt, in welcher die bisher aufgetretenen Probleme dahingehend überprüft werden, ob sie so (oder ähnlich) in dem neuen Projektkontext ebenfalls auftreten könnten, und falls ja, wie man die Auswirkungen verringern oder ganz vermeiden könnte. In einem ersten Schritt zur Vorbereitung des Gesprächs sucht der Wissensmanager alle relevanten bisher aufgetretenen Probleme und deren zugehörige Lösungsempfehlungen aus der Wissensdatenbank heraus. Eine Priorisierung ist hierbei nicht vorgesehen; jedoch werden nur themenspezifische Probleme aufgenommen.575 Während der etwa eine Stunde dauernden Durchführung der Sitzung, bei welcher neben dem Wissensmanager und den Mitgliedern des neuen Projekts auch ausgewählte Erfahrungsträger teilnehmen, wird diese Liste mit üblicherweise rd. 60 bis 80 Einträgen dann besprochen. Hierbei wird für jeden Punkt überlegt, ob das Problem in der beschriebenen Form oder ähnlich auf dem aktuellen Projekt wieder auftreten könnte. Durch eine straffe Moderation dieses Prozesses durch den Wissensmanager sowie eine eindeutige Zuordnung der Punkte zu den Kategorien „relevant“ oder „nicht relevant“ wird versucht, aus dieser Liste die maximal 10 bis 15 relevantesten Punkte zu identifizieren. Um den beteiligten Personen eine Orientierung zu geben, welche Inhalte möglicherweise besonders relevant sein können, wurde durch die Mitarbeiter des Wissensmanagements manuell ausgewertet, welche Probleme regelmäßig auftreten: „Dazu haben wir […] eine Analyse Protokolle analysiert haben, die wir in haben; und haben geschaut, was sind wieder auftauchen in den Projekten. genau, wo es immer wieder klemmt.“576

gemacht, wo wir uns alle den letzten Jahren gemacht denn die Punkte, die immer […] und wissen jetzt sehr

Daher kann der Wissensmanager während der Priorisierung auf solche wiederkehrenden Probleme besonders hinweisen. Für die identifizierten relevantesten Probleme wird dann diskutiert, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine Wiederholung in dem neuen Projekt zu vermeiden. Hierbei können sich die Projektmitglieder an den während der vergange-

575

576

Hierfür erfolgt eine Vorabstimmung mit dem betroffenen Projektleiter, welcher die Themenschwerpunkte grob definiert. Zitat Interview-Partner 13.

171 nen Projektabschlussbesprechungen ausgearbeiteten Empfehlungen orientieren, sie können jedoch auch mögliche alternative Herangehensweisen diskutieren und beschließen. Zusätzlich können sie die Expertise der anwesenden Erfahrungsträger nutzen. Die identifizierten Problemfelder werden in den Risikobericht des jeweiligen Projektes aufgenommen, die Aussagen hierzu müssen mindestens halbjährlich überprüft und aktualisiert werden.

Analyse: Um die für das neue Projekt relevanten Probleme zu identifizieren, werden diese durch den Wissensmanager in das Projekt aktiv hineingetragen („Push“), ein Suchen nach relevanten Inhalten durch die Mitarbeiter selbst („Pull“) ist hingegen nicht vorgesehen.577 Basierend auf einer langen Liste möglicher Themen wählen die Mitarbeiter diejenigen Punkte aus, die aus ihrer Sicht wieder kritisch werden könnten. Bei dieser Auswahl unterstützen einerseits die Mitarbeiter des Wissensmanagements durch Aufzeigen regelmäßig auftretenden Probleme. Andererseits können auch die anwesenden Erfahrungsträger bei der Einschätzung behilflich sein. Für die so identifizierten Themen wird dann diskutiert, wie ähnliche Probleme im neuen Projekt vermieden werden können. Hierbei können sich die Teilnehmer an den vorgeschlagenen Problemlösungen orientieren, sie können jedoch auch eigene Herangehensweisen wählen. Somit kann festgestellt werden, dass die Problemlösungsvorschläge zwar nicht im Vorhinein während der Projektabschlussbesprechung auf ihre Richtigkeit geprüft wurden578, eine diskursive Evaluation dieser Vorschläge findet aber vor der Anwendung im neuen Projekt durch die Projektmitglieder statt. Diese überprüfen, ob und inwieweit einerseits die Probleme und andererseits die zugehörigen Problemlösungsvorschläge auf den neuen Kontext übertragbar sind. Hilfe erhalten diese Personen durch die anwesenden Erfahrungsträger, welche ihre (möglicherweise nicht schriftlich festgehaltenen) Erfahrungen zusätzlich einbringen können. Die Wissensübertragung findet hier also sowohl auf kodifizierter als auch personalisierter (nicht-kodifizierter) Ebene statt. Auffällig ist hierbei, dass die neuen Projektmitglieder nicht nur die Möglichkeit des Auftretens eines Problems diskutieren müssen, sondern sie haben auch die Problemlösungsvorschläge zu prüfen. Diese stellen ja lediglich eine Empfehlung dar;

577

578

Zu den Begriffen “Push” und “Pull” im Wissensmanagement siehe auch die Ausführungen zu Fallstudie E in Abschnitt 4.2.5. Siehe die Diskussion zur Dimension “richtig”.

172

Fallstudienanalyse

eine erfolgreiche Anwendung hat jedoch nicht zwangsläufig stattgefunden. Somit kann festgestellt werden, dass hier eine zweifache Prüfung erforderlich ist. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Die in dem Wissensmanagement-System festgehaltenen Probleme können nicht unrichtig werden, sie sind faktisch in früheren Projekten aufgetreten und mussten dort beseitigt werden. Daher ist auch keine Hinterfragung dieser Probleme vorgesehen. Jedoch können die hieraus abgeleiteten Empfehlungen zur Vermeidung der Wiederholung überprüft werden. Ein Prozess zur regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung dieser Problemlösungsempfehlungen wurde jedoch bewusst nicht implementiert. Vielmehr ist aus Sicht der Unternehmung jedes Mal ein reflexiver Umgang mit dem Wissen zum Zeitpunkt der Nutzung erforderlich.579 So ist es durch den definierten Wissensprozess durchaus möglich und sogar gewünscht, dass die Wissensbasis zu einem in mehreren Projekten aufgetretenen Problem verschiedene ähnliche oder sogar widersprüchliche Lösungsvorschläge enthält. Solche Widersprüche werden von der Unternehmung in Kauf genommen, eine allgemeine Definition des „richtigen“ Vorgehens wird nicht vorgenommen. Das Gegenteil ist der Fall: „Wie wir schon am Anfang gesagt haben: es kommt auf den Kontext drauf an. Dieses ‚Wir gehen nur linksherum’ gibt es nicht.“580 Bei der Nutzung soll das jeweilige neue Projektteam aus den gesammelten Problemen und Lösungsvorschlägen das für sich geeignete „richtige“ Vorgehen ableiten: „Dann würde das so aussehen, dass wir ganz bewusst solche Widersprüchen vorlesen würden, alle im Raum würden damit befasst sein, und sie würden ausdiskutieren, was das für ihr Projekt bedeutet. Und sie können sich selbst ein Bild machen […] Dieses neue Verhalten ist in der Adaption mit drin. Das ist ein sozialer Prozess, wo ich im Vorhinein gar nicht ausmachen muss, ob das nun richtig oder nicht richtig ist.“581 Jedes neue Projektteam soll für sich selbst herausfinden, auf welche Herausforderungen es treffen kann, basierend auf Problemen, welche auf anderen Projekten aufgetreten sind, und hieraus seine eigene Herangehensweise an die Probleme ableiten. Eine regelmäßige Überprüfung auf unrichtiges Wissen wird demnach von

579 580 581

Siehe hierzu die Diskussion zur Dimension “relevant”. Zitat Interview-Partner 14. Zitat Interview-Partner 13.

173 dem Unternehmen auch nicht gefordert: die Bewertung erfolgt jedes Mal von neuem durch die Nutzer.

Analyse: Durch die Beibehaltung redundanter oder sogar widersprüchlicher Wissenselemente ist bei jedem neuen Projekt eine erneute Reflektion der Problemsituation sowie möglicher Lösungsansätze erforderlich. Hierdurch kann einerseits bei jedem Projekt eine intensive Diskussion des Projektkontexts und damit eine möglichst sinnvolle Herangehensweise im Projektablauf erreicht werden. Andererseits ergeben sich hieraus jedoch auch zeitliche Ineffizienzen durch wiederholte Diskussionen sowie hiermit verbunden ein nur gering ausgeprägter Lernprozess für die Unternehmung.582 Ein Lerneffekt kann jedoch mittelbar erfolgen: durch die Hinweise auf Probleme und die dadurch erreichte Verringerung oder Vermeidung von Fehlern im Projekt werden wiederum neue Erfahrungen generiert, die den ursprünglichen Erfahrungen gegenübergestellt werden können: „Und dann kommen wir im Schritt ‚Abstraktion’ und fragen, wie es war, und ob die Punkte geholfen haben. Damit reift unsere Datenbasis und reift der Lerneffekt, weil wir ganz gezielt mit zwei Jahren Unterschied die Leute konfrontieren.“583 Somit kann für die Dimension „unrichtig“ zweierlei festgestellt werden. Zum einen werden bei Fallstudie G Wissensinhalte – das sind hier sowohl die beschriebenen Probleme als auch die zugehörigen Problemlösungsempfehlungen – nicht regelmäßig z. B. von den Wissensmanagern überprüft und aktualisiert. Vielmehr wird es als sinnvoll angesehen, alle diese Inhalte in der Wissensbasis beizubehalten und es den Nutzern offen zu lassen, die aus ihrer Sicht geeignete Herangehensweise selbst diskursiv herauszufinden. Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass der Lernprozess, welche Herangehensweise sich evtl. bewährt hat, möglicherweise relativ lange dauern kann und nur mittelbar stattfindet – durch die Frage des Wissensmanagers zum Projektende, welche der gewonnenen Erkenntnisse bewahrungswürdig sind: wenn das Problem nicht mehr aufgetreten ist, hat die gewählte Herangehensweise ihren Zweck erfüllt.584

582 583 584

Hierbei liegt lediglich sog. „Single-Loop Learning“ vor. Vgl. Argyris/Schön (1978). Zitat Interview-Partner 13. Siehe hierzu die Darstellung des Wissensmanagement-Prozesses in Abbildung die Diskussion zur Dimension “wichtig”.

174

Fallstudienanalyse

Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Da im Laufe der Zeit immer mehr Projekte durchgeführt werden und dementsprechend auch die Liste aufgetretener Probleme immer länger wird, stellt sich die Frage, wie unwichtig gewordene Einträge die Liste der Erfahrungen wieder verlassen. Ein Löschen solcher Einträge ist derzeit nicht vorgesehen: „Aufwand und Nutzen im Hinblick auf diese Unschärfe ist im Moment noch in einem brauchbaren Verhältnis. Das heißt, wir haben andere Baustellen, wo wir mehr Energie einsetzen – also z. B. in den Projekten präsent zu sein – und da ist das Thema Aktualität des Wissens und veraltetes Wissen ausscheiden zu lassen nicht auf erster Priorität.“585 Analyse: Das Unternehmen hat erkannt, dass das Entfernen unwichtiger Elemente in absehbarer Zeit möglicherweise erforderlich werden kann. Derzeit wird eine Notwendigkeit jedoch nicht gesehen. Dahinter steht die Überzeugung, dass die Überprüfung redundanter oder veralteter Einträge im Rahmen der Besprechung während des Workshops bei neuen Projekten derzeit (noch) weniger Zeit beansprucht als eine systematische Entfernung solcher Elemente.

Fazit: Folgende Abbildung fasst den Wissensmanagement-Prozess sowie implizite Aspekte bei Fallstudie G zusammen:

585

Zitat Interview-Partner 13.

175 Dimension

Prozess (explizit)

„wichtig“

„richtig“

Am Projektende: Herausarbeitung gewonnener Erfahrungen in der Gruppe

Ausarbeitung von Empfehlungen zur Vermeidung der Probleme

Wichtig sind aufgetretene Impli- Probleme zite Aspekte

Tabelle 16

4.2.8

„relevant“

„unrichtig“

„unwichtig“

Bei neuem Projekt: Mitarbeiter müssen entscheiden, welche Probleme für sie Organisationsrelevant werden entwicklung kann strukturelle könnten Themen in den KVP einfließen lassen

Keine regelKein Löschen mäßige Prüfung der Probleme auf Unrichtigkeit

Keine Prüfung der Richtigkeit der Probleme und Empfehlungen; Prüfung wird später durch die Nutzer vorgenommen

Widersprüchliche Aussagen bleiben bestehen, Projektmitarbeiter sollen sich damit auseinandersetzen

Projektteilnehmer sollen selbst entscheiden, welche Herangehensweise in ihrem konkreten Fall geeignet ist

Nutzen rechtfertigt Aufwand (noch) nicht

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie G)586

Fallstudie H

Bei Fallstudie H handelt es sich um den Geschäftsbereich „Kernenergie“ eines multinational aufgestellten Energieversorgers. Die rd. 2.400 Mitarbeiter dieses Bereichs fokussieren sich auf die Erzeugung von Energie mittels Kernspaltung, welche mit einem Anteil von knapp 50% an der Eigenerzeugung ein wichtiger Primärenergierträger des Energieversorgers ist. Fokus der folgenden Betrachtung ist der Ausschnitt „Rückbau“, dessen Aufgabe der Rückbau von Kernkraftwerken ist, welche nicht mehr betrieben werden.587 Zur Datensammlung wurden Interviews mit zwei Personen geführt, welche für das Wissensmanagement des betrachteten Bereichs verantwortlich sind. Dies sind zum einen der Gesamtverantwortliche für das Wissensmanagement (Interview-Partner 8) sowie ein zuständiger Wissensmanager für den Kernkraftwerk-Rückbau (InterviewPartner 9). Anhand allgemein zugänglicher Quellen, wie z. B. dem Internet-Auftritt der Unternehmung, wurden die Angaben ergänzt.

586 587

Eigene Darstellung. Gründe sind z. B. Unwirtschaftlichkeit oder Erreichen des Laufzeitendes.

176

Fallstudienanalyse

Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Die Erfahrungen mit dem Rückbau von Kernkraftwerken bei Fallstudie H sind noch nicht sehr umfangreich, bisher sind hiervon zwei Standorte betroffen. Da solche Projekte nicht sehr häufig auftreten und gewöhnlich ein Zeitraum von 15 Jahren hierfür veranschlagt wird, wurde speziell für diese Anwendung ein eigenes Wissensmanagement aufgestellt. Das langfristige Ziel ist hierbei, dass zu jedem wichtigen Bereich einer Anlage Erfahrungswissen in schriftlicher Form festgehalten wird, welches dann für den Rückbau weiterer Anlagen genutzt werden kann. Da die zwei aktuellen Rückbauprojekte zu verschiedenen Zeitpunkten gestartet wurden, kann das eine Projekt bereits auf den Erfahrungen des anderen aufbauen, so dass im zweiten Fall der Rückbau schneller erfolgen kann.588 Organisatorisch können folgende vier Ebenen unterschieden werden: WissensmanagementGesamtverantwortung Wissensmanager (je Standort) Wissensbereichsverantwortliche (je Wissensbereich) Wissensbereichsmitarbeiter

Abbildung 21 Organisation des Wissensmanagements (Fallstudie H)589

Auf der obersten Ebene findet sich die Person, die gesamtverantwortlich für das Wissensmanagement ist. Sie gehört zum Steuerungsgremium, in welchem zusammen mit Vertretern der Geschäftsleitung, der jeweiligen Standorte sowie einem Bereichsleiter die Grundzüge des Wissensmanagements festgelegt werden. Je Rückbaustandort wird die Projektleitung von einem lokalen Wissensmanager unterstützt. Hierunter befinden sich auf der dritten Ebene die Wissensbereichsverantwortlichen (WBV), welche für je einen von 12 definierten Wissensbereichen zuständig sind, sowie deren zugeordnete Wissensbereichsmitarbeiter. Diese sind, je nach Rolle, eher den Erfahrungsträgern (rd. 30 Personen) oder eher den Erfahrungsnutzern (rd. 50 Personen) zugeordnet.

588 589

Zusätzlich ist die zweite Anlage kleiner als die erste und erfordert auch daher weniger Zeit. Eigene Darstellung.

177 Dimension „wichtig“ Beschreibung: Die Themen, die aus Sicht der Unternehmung bewahrungswürdig sind, werden jedes Jahr im Voraus gemeinsam durch das Wissensmanagement in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Rückbauverantwortlichen im Steuerungsgremium590 bestimmt: „Wir wählen praktisch zusammen mit der Anlagenleitung speziell auch in den Rückbauanlagen Themen aus, meistens in Vorschau für das kommende Jahr – wenn man sieht, was schon geplant ist, und man weiß, was noch dokumentiert werden muss –, stimmen die Themen ab, legen Bearbeiter fest, die diesen Bericht letztendlich schreiben zu abgeschlossenen Zwischenständen, zu abgeschlossenen Projekten.“591 Ergebnis hieraus ist eine Liste mit allen Projekten des kommenden Jahres, und zu welchen Projekten Erfahrungsberichte angefertigt werden sollen. Bei dieser Auswahl unterstützt der jeweilige Wissensbereichverantwortliche, welcher eine Übersicht über alle Themen in seinem Fachbereich hat: „[…] dessen Aufgabe ist es eigentlich auch, so ein bisschen zu steuern, welche Themen fehlen, welche Themen sind relevant bzw. sind wichtig für die Zukunft – und sind es wert, dokumentiert zu werden.“592 Von besonderer Bedeutung sind dabei die sog. „Schlüsselprojekte“, die z. B. das Herzstück des Kernreaktors betreffen, und auch große Projekte mit einem Projektvolumen von € 20 Mio. oder mehr; diese werden üblicherweise berücksichtigt. Jedoch werden auch kleinere Projekte festgehalten, insbesondere wenn hierbei kritische Erfahrungen gemacht werden, es also nicht lediglich um 593 „Standardgeschichten“ geht. Ein „Lernen aus Fehlern“ ist also durchaus erwünscht; sowohl Fehler als auch Erfolge werden festgehalten. Falls dann im Verlauf des Jahres (oder zu einem späteren Zeitpunkt) ein Erfahrungsnutzer feststellt, dass zu einem bestimmten Aspekt ein Bericht sinnvoll wäre, jedoch nicht vorhanden ist, so kann er im Rahmen einer jährlich durchgeführten Umfrage diese Anregung kommunizieren bzw. direkt auf den zuständigen Wissensmanager zugehen, der diesen Wunsch dann in das Steuerungsgremium einflie590 591 592 593

Das Steuerungsgremium wird mindestens zwei Mal pro Jahr einberufen. Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 8. Zitat Interview-Partner 9.

178

Fallstudienanalyse

ßen lässt. Insgesamt soll die Zahl an Berichten jedoch relativ klein gehalten werden: zum Zeitpunkt des Interviews waren rd. 100 Erfahrungsberichte in der Wissensbasis, welche durch weitere rd. 400 Dokumente ergänzt wurden.

Analyse: Das Wissensmanagement bei Fallstudie H steht vor zwei besonderen Herausforderungen. Hierzu gehört einerseits, dass das Wissen bisher lediglich auf der Erfahrung mit zwei Kernkraftwerk-Rückbauprojekten basiert, andererseits dieses Wissen evtl. erst wieder in vielen Jahren verwendet werden kann. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurden zwei wesentliche Elemente bei der Betrachtung der Dimension „wichtig“ berücksichtigt. So wird die Entscheidung, welche Erfahrungen für das Unternehmen später relevant werden können, gemeinsam zwischen Wissensmanagement, Wissensbereichsverantwortlichen und Betriebsleitung getroffen. Dies bedeutet, dass eine Expertenrunde bestimmt, zu welchen Themen Erfahrungsberichte erstellt werden sollen. Zusätzlich zur eigenen Expertise orientiert sich das Steuerungsgremium an den Bedürfnissen der Nachfrager, welche Anregungen zu bisher nicht berücksichtigten Themen geben können. Es gibt keine formalen Vorgaben, was für das Unternehmen bewahrungswürdiges Wissen ist: „Können wir auch nicht haben, weil wir bisher noch keinen Rückbau von vorne bis hinten durchgeführt haben, dass wir jetzt eine Art Checkliste hätten. Deswegen ist es für uns mehr oder weniger die Erfahrung, wenn wir meinen, zu dem Thema sollten wir jetzt mal dokumentieren, wie wir das denn gemacht haben.“594 Jedoch kann festgestellt werden, dass es Indikatoren gibt, an welchen sich die betroffenen Personen orientieren. Hierzu gehören z. B. die Größe des Projekts (gemessen am finanziellen Volumen) oder auch der Bereich („Herzstück“ des Reaktors). Dimension „richtig“ Beschreibung: Die durch das Steuerungsgremium beauftragten Personen bekommen die Aufgabe, zu den beschriebenen Themen Erfahrungsberichte zu erstellen. Unterstützung erhalten sie hierbei von den lokalen Wissensmanagern, welche Vorlagen zur Verfügung stellen und anhand von Beispielen erklären, wie ein solcher Be-

594

Zitat Interview-Partner 8.

179 richt aussehen kann. Üblich ist ein Umfang von ca. 5-20 Seiten, welcher durch Anlagen ergänzt werden kann. Nach der Fertigstellung werden diese Berichte von den Wissensmanagern formal („redaktionell“) geprüft: „Wir bekommen diese Berichte zum Gegenlesen, geben Feedback, ob das so bleiben kann oder ob noch etwas geändert werden muss. Die redaktionellen Fähigkeiten der Mitarbeiter sind natürlich unterschiedlich; nicht jeder, der einen Bericht schreibt, ist der geborene Redakteur. Das kann man unterstützen, diesen Prozess.“595 Nach dieser Überprüfung müssen die Dokumente vom fachlichen Vorgesetzten freigegeben werden, welcher hierzu die inhaltliche Richtigkeit zu prüfen hat. Hierbei wird das Dokument auch durch die genannten drei Personen gemeinsam anhand von drei Dimensionen bewertet: x

Das „Grundpotenzial“ (niedrig/mittel/hoch) beschreibt die Relevanz des Berichts innerhalb des gesamten Themenkomplexes „Rückbau“.

x

Durch die „Übertragbarkeit“ (niedrig/mittel/hoch) wird ausgedrückt, ob diese Erfahrung auf alle Kernkraftwerk-Rückbauprojekte übertragbar ist, oder ob es sich um anlagenspezifische Themen handelt. So unterscheiden sich z. B. bestimmte Abläufe bei Druckwasser- und Siedewasser-Reaktoren.

x

Durch die Vergabe einer „Empfehlung“ (ja/nein) können aus Sicht der Beteiligten besonders lesenswerte Dokumente zusätzlich hervorgehoben werden.

Wenn die Freigabe und Bewertung erfolgt ist, schreibt der zuständige Wissensbereichsverantwortliche zu dem Dokument einen Erfahrungsextrakt, welcher die wesentlichen Elemente des Erfahrungsberichts beschreibt.596 Anschließend wird das Dokument in die Wissensbasis eingestellt und zu dem entsprechenden Themenbereich zugeordnet, so dass es allen Erfahrungsnutzern zur Verfügung steht. Neu eingestellte Dokumente werden außerdem den Wissensbereichsverantwortlichen sowie weiteren interessierten Personen automatisch per E-Mail angezeigt. Diese können die Erfahrungsberichte dann lesen und – falls ihnen Diskrepanzen auffallen – auf diese Probleme aufmerksam machen. 595 596

Zitat Interview-Partner 9. Zwischen Erfahrungsbericht und Erfahrungsextrakt besteht der wesentliche Unterschied, dass der Bericht nach der Erstellung nicht mehr geändert wird, wohingegen Extrakte überarbeitet werden können. Diese Unterscheidung wird später bei der Diskussion zur Dimension „unrichtig“ bedeutsam.

180

Fallstudienanalyse

Analyse: Die inhaltliche Qualitätssicherung beruht bei Fallstudie H auf vier Säulen. Die erste Grundlage ist die Expertise des Autors: „[…] die Leute, die Erfahrungsberichte schreiben, wählt man natürlich so aus; […] die haben an sich schon eine gewisse Qualifikation, das sind meistens, wie gesagt, oft Führungskräfte, oft Bereichsleiter und eben nicht die Hausmeister, die die Erfahrungsberichte schreiben.“597 Zusätzlich können während des Gegenlesens durch den zuständigen Wissensmanager zumindest offensichtliche Fehler bereinigt werden: „Der lokale Wissensmanager macht das per definitionem nur formal – wobei, wir arbeiten ja im Rückbau, das heißt wir können nicht alles im Detail beurteilen, aber sagen wir mal, grobe Schnitzer sollten uns auch auffallen […]“598 In einem dritten Schritt hat der zuständige fachliche Vorgesetzte (welcher oft gleichzeitig der Wissensbereichsverantwortliche ist) die Qualität zu prüfen, bevor dieser das Dokument endgültig freigibt. Eine vierte Art der Qualitätssicherung ergibt sich durch die automatisch generierte E-Mail mit Informationen über neue Dokumente, welche an weitere relevante Personen verschickt wird. Auch diese können die Inhalte lesen und hinterfragen und ggf. auf mögliche Probleme oder Diskrepanzen aufmerksam machen. Der beschriebene Bewertungsprozess hingegen scheint für die Beurteilung der Qualität nicht besonders relevant zu sein. Einerseits können die Charakteristika „Grundpotenzial“ und „Übertragbarkeit“ aufgrund der drei definierten Kategorien (niedrig/mittel/hoch) nur grobe Anhaltspunkte für die genannten Aspekte sein. Andererseits scheinen auch in der Firma Zweifel an der Eignung einer „Empfehlung“ zu existieren, da fast alle Erfahrungsberichte damit ausgezeichnet sind: „Haben wir überhaupt mal einen gehabt, der nicht empfehlenswert war? […] Eigentlich ist er ja schon empfehlenswert, weil überhaupt einer dazu geschrieben wurde.“599

597 598 599

Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 8.

181 Dimension „relevant“ Beschreibung: Die Nutzer können die Wissensbasis anhand von Stichworten oder Kategorien durchsuchen. Bislang ist die Dimension „relevant“ bei Fallstudie H jedoch noch sehr wenig beachtet worden. Dies liegt insbesondere daran, dass die Anzahl der von einem bestimmten Thema betroffenen Personen zum Zeitpunkt des Interviews noch sehr klein war: „Wenn ich mir jetzt einen Wissensbereich heraus nehme – 'Fabrik' oder 'Konditionierung' – dann gibt es in der einen Anlage so ein bis zwei Leute, die das Thema bearbeiten, in der anderen ein bis zwei Leute; die stehen in ziemlich engem Kontakt. Die kennen sich gut. Also der tatsächliche Kreis bei einem Thema ist bei uns klein.“600 Die Firma hat jedoch erkannt, dass dieses Thema künftig wichtiger werden könnte, und lässt daher derzeit technische Maßnahmen implementieren, mit welchen z. B. „Download“-Zahlen erhoben werden können. Eine „Feedback“-Möglichkeit sowie Diskussionsforen sind in dem Wissensmanagement-System zwar bereits vorgesehen, dies wird jedoch im Moment nicht als etablierter Prozess angesehen: „Das ist von der Unternehmenskultur nicht der übliche Weg, also eher rufen die Leute an und sprechen direkt mit den Leuten.“601

Analyse: Obwohl aufgrund des noch geringen Erfahrungsumfangs mit lediglich zwei Kernkraftwerk-Rückbauprojekten die Nutzersicht noch keine große Rolle spielt, hat das Unternehmen mit Blick auf die Zukunft („[…] wenn die nächsten Anlagen kommen […], dann wird es interessant; wenn jetzt die dritte, vierte, fünfte Anlage in Rückbau geht.“602) bereits einige Möglichkeiten geschaffen, um diese Perspektive mit in den Qualitätssicherungsprozess aufzunehmen. Hierzu gehören sowohl Anzahl der „Downloads“ (wird derzeit implementiert) als auch Kommentare bzw. Diskussionen von Nutzern. Diese Möglichkeiten werden aktuell jedoch noch nicht von der Unternehmung bzw. den Nutzern wahrgenommen. Der persönliche Kontakt zu den relevanten Personen erscheint den Mitarbeitern derzeit die zweckmäßigere Alternative zu sein.

600 601 602

Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 9.

182

Fallstudienanalyse

Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Ein einmal eingestellter Erfahrungsbericht ist „statisch abgeschlossen, wird dokumentiert und nicht mehr verändert.“603 Um neuere Erkenntnisse und Änderungen trotzdem einfließen zu lassen, kann jedoch der Extrakt geändert werden. Die Aufgabe der Aktualisierung obliegt dem jeweiligen Wissensbereichsverantwortlichen: „Den Extrakt muss der WBV, also der Wissensbereichsverantwortliche aktuell halten. Stand von Wissen und Technik: das ist sein eigenes Wissen zu dem Bereich, den er abdeckt, und das andere, was aus den Berichten relevant ist, nimmt er mit in den Extrakt rein, extrahiert das.“604 Unterstützung erhält er hierbei durch einen sog. „Paten“. Dieser begleitet den Wissensbereichsverantwortlichen im Sinne eines Mentors und überprüft auch mindestens jährlich dessen Extrakte auf Vollständigkeit und Richtigkeit, wobei die tatsächliche Durchführung zusätzlich mit Kennzahlen kontrolliert wird. Falls ein Nutzer feststellt, dass Wissenselemente aus seiner Sicht „unrichtig“ sind oder Widersprüche zwischen den Erfahrungen der verschiedenen Rückbauprojekte auftreten, sollen diese an die Wissensbereichsverantwortlichen gemeldet werden: „Der hat seine Community of Practice, wo die dann sagen: ‚Hier gibt es zwei verschiedene Berichte, ihr seid unterschiedlich vorgegangen, wie kommt das? Was ist die Ursache? Wie gehen wir jetzt damit um? Was lernen wir daraus?’ Und der hat auch die Aufgabe, das in den Extrakt mit aufzunehmen. Das heißt, er müsste aus dieser Diskussion eine Schlussfolgerung ziehen und die müsste dann wieder in diesem Extrakt landen.“605 Faktisch ist dieser Fall jedoch aufgrund des noch geringen Erfahrungsumfangs von zwei Rückbauprojekten bisher kaum aufgetreten.

Analyse: Bei Fallstudie H wird eine Aktualisierung der bestehenden Wissensinhalte ermöglicht durch die Verwendung eines Erfahrungsberichts, welcher unveränderlich ist, jedoch ergänzt wird durch einen Erfahrungsextrakt, der durch den Wissensbereichsverantwortlichen einfach überarbeitet werden kann. Hierdurch werden über-

603 604 605

Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 9. Zitat Interview-Partner 9.

183 holte Erfahrungen in dem Erfahrungsbericht zwar nicht durch neueres Wissen ersetzt, jedoch durch die Inhalte des Erfahrungsextrakts ergänzt. Der WBV hat – in Zusammenarbeit mit seinem „Paten“ – sicherzustellen, dass die bestehenden Inhalte in regelmäßigen Abständen hinterfragt und ggf. aktualisiert werden. Die Diskussion hierüber in der „Community of Practice“ wiederum kann möglicherweise wieder zu qualifiziertem Wissen führen, der Prozess zur Aktualisierung des bestehenden Wissens ist jedoch weniger strikt geregelt als derjenige bei der Überprüfung. Vermutlich sind aufgrund der geringen Zahl an Projekten und den noch relativ jungen Inhalten des Wissensmanagement-Systems auch noch keine größeren Überarbeitungen erforderlich gewesen, so dass hier eine ebenso konsequente Prüfung wie bei der Erstellung (noch) nicht als erforderlich gesehen wird. Die regelmäßige Überprüfung durch den Wissensbereichsverantwortlichen zusammen mit dessen Paten kann jedoch helfen, unrichtiges Wissen frühzeitig zu identifizieren und zu aktualisieren, auch wenn die Wissenselemente möglicherweise erst einige Jahre später wieder verwendet werden. Hierbei können sie zusätzlich die Sicht der Nutzer einfließen lassen, wenn diese Hinweise gegeben haben auf aus ihrer Sicht „unrichtige“ Inhalte. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Ein Prozess zum Entsorgen unwichtig gewordenen Wissen ist bei Fallstudie H nicht vorgesehen. Dies wird zum einen mit dem noch relativ jungen Wissensmanagement begründet, zum anderen auch mit der langen Laufzeit und der begrenzten Anzahl an Erfahrungsobjekten: „Wir sind ja erst zwei Jahre im Regelbetrieb quasi, so alt ist das alles noch nicht, was da drin steht. […] Und ich werde bei der nächsten Anlage wieder an der gleichen Stelle anfangen, wie ich jetzt hier angefangen habe. Denn ich habe mehr oder weniger den gleichen Rückbauprozess, je nach Strategie natürlich; wenn ich eine ähnliche Strategie anwende, komme ich immer wieder an dieselben Punkte […]“606 Analyse: Derzeit scheint keine Notwendigkeit gegeben zu sein, Wissenselemente wieder aus der Wissensbasis zu entfernen. Jedoch wird möglicherweise in etwas

606

Zitat Interview-Partner 9.

184

Fallstudienanalyse

weiterer Zukunft ein Prozess erforderlich sein, wenn die Erfahrungen mehrerer Rückbau-Projekte vorliegen.

Fazit: Folgende Tabelle fasst den Prozess sowie implizite Aspekte zum Wissensmanagement bei Fallstudie H zusammen: Dimension „wichtig“

„richtig“

Am Jahresanfang stimmen WMgr, WBV und BetriebsPro- leitung ab, für zess welche Themen (expli- Erfahrungsbezit) richte geschrieben werden

Bericht wird von WMgr gegengelesen

Schlüsselprojekte sowie beImplisonders teure zite Projekte sind Asi. A. bewahpekte rungswürdig

Formale Bewertung der Qualität („Empfehlung“) ist nicht sehr aussagekräftig

Tabelle 17

4.2.9

Kontrolle und Freigabe durch Vorgesetzten Relevante Personen werden informiert und können „Feedback“ geben

„relevant“ Nutzer können Inhalte suchen Zählung von „Downloads“ „Feedback“Mechanismus vorhanden, aber nicht gelebt

Personen rufen an, wenn wie etwas wissen wollen

„unrichtig“ WBV müssen Extrakte jährlich überprüfen

„unwichtig“ Kein Löschprozess

Nutzer können dem WBV Hinweise auf Diskrepanzen geben

Aktualisierung bisher nur selten erforderlich, daher Prozess weniger strikt als bei Dimension „richtig“

Inhalte sind noch relativ jung

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie H)607

Fallstudie I

Bei der Fallstudie I handelt es sich um ein Kreativ-Unternehmen, welches mit rd. 50 Mitarbeitern multimediale Lösungen für Unternehmen, Museen und Messen entwickelt und umsetzt. Das Leistungsspektrum umfasst die gesamte Realisierung von der Konzeption über die Entwicklung der Inhalte und der Gestaltung bis zur Produktion und dem übergreifenden Projektmanagement. Die Produktpalette reicht dabei von CDs und DVDs über interaktive Installationen bis hin zu Raum füllenden medialen Inszenierungen.

607

Eigene Darstellung.

185 Zur Datenerhebung wurde ein Interview mit dem Vorstand der Entwicklung (Interview-Partner 17) geführt. Die Erkenntnisse hieraus wurden ergänzt durch Angaben aus öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere dem Internet-Auftritt der Unternehmung, sowie Unternehmenspräsentationen. Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes Das Wissensmanagement bei Fallstudie I ist Wiki-basiert. Wikis608 sind Sammlungen von Seiten im Internet oder Intranet, welche durch jeden Nutzer (üblicherweise ohne Anmeldung) mit Hilfe eines „Browser“ gelesen und auch geändert werden können; die Änderungen sind sofort für alle Nutzer sichtbar.609 Die Entstehung des Wiki-basierten Wissensmanagements bei Fallstudie I geht zurück auf das Jahr 2001, wo es zuerst in der Entwicklungsabteilung eingeführt wurde. Es basiert auf TWiki, einer „Open Source“-Software610, welche an die Bedürfnisse der Unternehmung angepasst wurde. Das Wissensmanagement hat insbesondere einen dokumentarischen Charakter. Es soll solche Dinge enthalten, die zwar immer wieder gebraucht werden, jedoch nicht so regelmäßig, dass die Mitarbeiter das Wissen immer präsent haben. Das Wiki-System hat darüber hinaus auch die Funktion eines Portals: die Nutzer können unter Verwendung der Wiki-Plattform auf weitere Inhalte zugreifen, wie z. B. andere Datenbanken oder Quellcodes. Im Rahmen des Wikis werden insbesondere solche Informationen festgehalten, welche nicht zu einer der anderen genannten (spezialisierten) Datenquellen gehören. Die Wissensbasis ist hierbei hierarchisch organisiert: ausgehend vom Startpunkt existieren verschiedene Kategorien, welche wiederum in Unterkategorien unterteilt werden können. Lediglich die erste Hierarchieebene ist definiert worden (sie orientiert sich insbesondere an der Unternehmensorganisation), alle weiteren Ebenen können durch die Nutzer ihren Bedürfnissen entsprechend frei organisiert und gestaltet werden. Die heutige Struktur ist daher eher evolutionär durch die kontinuierliche Gestaltung der Nutzer entstanden.

608 609

610

„Wiki“ leitet sich ab aus dem hawaiischen Wort „wikiwiki“ = schnell. Vgl. Diederich (2007), S. 3. Zu einer Abgrenzung der Wikis von Diskussionsforen und Weblogs vgl. Wagner/Bolloju (2005). Die wichtigsten Eigenschaften von „Open Source“-Software im Vergleich zu proprietärer Software sind die freie Verfügbarkeit des Quellcodes sowie die uneingeschränkte Nutzung. Vgl. Hetmank (2006), S. 16 f. Zur Diskussion von Wissensmanagement und „Open Source“-Software vgl. Böhmann et al. (2002).

186

Fallstudienanalyse

Dimension „wichtig“ Beschreibung: Das System steht allen Mitarbeitern offen, es gibt keine Zugriffsbeschränkungen. Ebenso kann jede Person des Unternehmens neue Elemente zur Wissensbasis hinzufügen. Regeln oder Leitlinien sind hierfür nicht vorgesehen: „Und zwar ohne jetzt allzu große formale Vorschriften, so oder so hat das zu sein, sondern erstmal ‚quick and dirty’, was auch immer, wer auch immer für wichtig hält, und was man immer glaubt, dass das andere interessieren könnte, das ins Wiki zu werfen.“611 Statt solcher Restriktionen sind die Mitarbeiter im Gegenteil dazu angehalten, das Wiki arbeitsbegleitend zu füllen und selbst zu entscheiden, was nach ihrer (subjektiven) Einschätzung bewahrungswürdig ist. Aus Sicht der Unternehmung fördert diese offene Gestaltung die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Die Angaben zur Nutzungsintensität unterstreichen dies: jedes Jahr muss die Speicherkapazität des Systems etwa verdoppelt werden. Außerdem wird das System mittlerweile von fast allen Mitarbeitern der Unternehmung genutzt.

Analyse: Das Wiki-System wird von den Mitarbeitern als eine Art „verteilter Notizblock“612 betrachtet: jeder kann arbeitsbegleitend entsprechend seinen Vorstellungen neue Inhalte einfügen. Die Offenheit des Wissensmanagement-Systems hat zur Folge, dass der Inhalt der Wissensbasis sehr heterogen ist. So enthält das System neben dem Kernwissen der Unternehmung (wie z. B. Wissen aus aktuellen Projekten oder Erfahrungen bei der Software-Entwicklung) auch solche Themen, die eher Informationen i. S. dieser Arbeit613 darstellen (wie z. B. die Bedienung der Alarmanlage oder der Ablauf bei der Beantragung von Urlaubszeiten). Explizite Kriterien oder Leitlinien, welches Wissen bevorzugt bewahrt (oder eben nicht bewahrt) werden soll, existieren nicht. Ebenso kann eine Orientierung an einem konkreten Bedarf der Nachfrager oder eine ergänzende Einschätzung der Wichtigkeit durch Experten hier nicht identifiziert werden. Vielmehr sollen die Mitarbeiter selbst entscheiden, ob und welche Inhalte so bedeutsam sind, dass sie für die Kollegen von Interesse sein könnten. Es kann jedoch festgestellt werden, dass nicht alle Arten von Inhalten gleichsam vertreten sind. Beispielsweise sind begangene Fehler (oder Warnungen vor solchen) in der Wissensbasis kaum aufzufinden: 611 612 613

Zitat Interview-Partner 17. Zitat Interview-Partner 17. Zur Abgrenzung von Wissen und Information siehe Abschnitt 2.1.1.3.

187 „Aber generell würde ich sagen: nein. Da gibt es kaum Dinge nach der Art: ‚Dieses oder jenes auf keinen Fall tun, oder dieses oder jenes funktioniert nicht’.“614 Aus Sicht der Unternehmung werden insbesondere solche Themen bevorzugt eingestellt, welche aus der Erfahrung der einzelnen Mitarbeiter regelmäßig Nachfragen der Kollegen verursachen. Es kann hier also eine Motivation entstehen, solche Inhalte einmal systematisch aufzubereiten und diese dann in dem allgemein zugänglichen Wissensmanagement-System zu hinterlegen, um weitere Nachfragen zu minimieren: „[…] natürlich läuft das ja so, dass die Leute, bevor sie anrufen, dann einfach einen Blick ins Wiki werfen, ob da dann nicht vielleicht die Information, die sie suchen, dort schon vorhanden ist. Und so entsteht [der Inhalt], allein durch den Wunsch, bestimmte Anfragen zu minimieren, die Arbeitslast zu minimieren, und immer wieder dieselben Fragen beantworten zu müssen.“615 Somit konnten bei Fallstudie I verschiedene implizite Definitionen aufgezeigt werden, wie die Unternehmung nicht bewahrungswürdiges von bewahrungswürdigem Wissen abgrenzt. Alles Wissen wird zunächst als bedeutsam angesehen, wenn der Mitarbeiter dieses in das Wissensmanagement-System einstellt. Fehler werden hierbei offensichtlich als weniger wichtig betrachtet. Insbesondere bei solchen Themen, welche zu regelmäßigen Nachfragen führen, hat der Mitarbeiter eine besondere Motivation zur Erstellung eines entsprechenden Inhalts. Der in der Unternehmung gewählte offene Ansatz erfordert einen regelmäßigen Ausbau der Speicherkapazität des Systems: da keine Restriktionen existieren, steigt der Bedarf annähernd exponentiell an. Daher kann in diesem Fall von einem exzessiven Wissensmanagement-System gesprochen werden.616 Dimension „richtig“ Beschreibung: Durch die jedem Mitarbeiter offenstehende Möglichkeit, Wissenselemente direkt in das Wissensmanagement-System einzustellen, existiert kein explizites Verfahren zur Prüfung der Richtigkeit der neuen Inhalte: die neuen Wissenselemente werden den anderen Nutzern sofort angezeigt. Dies wird von der Unternehmung nicht als gravierendes Problem erachtet: 614 615 616

Zitat Interview-Partner 17. Zitat Interview-Partner 17. Zum Begriff des exzessiven Wissensmanagements siehe Abschnitt 3.1.2.

188

Fallstudienanalyse „[…] aber da ist auch der Ansatz, jetzt was die Qualität betrifft, dass wir lieber Zahlen, die halbwegs richtig sind, haben wollen, als jetzt Zahlen, die möglicherweise bis auf die dritte Nachkommastelle Perfektion vorgaukeln […].“617

Analyse: Ein systematisches Vorgehen zur Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit, bevor neue Wissenselemente in das System eingestellt werden, liegt bei Fallstudie I nicht vor.618 Durch die arbeitsbegleitende Einstellung von Wissenselementen sind auch vorläufige Inhalte vorhanden, möglicherweise können sogar unrichtige Wissenselemente auftreten. Eine explizite Prüfung der Richtigkeit scheint aus Sicht der Unternehmung nicht erforderlich zu sein: auch „halbwegs richtige“ Inhalte können offensichtlich einen Nutzen bringen. Denkbar wäre auch, dass die Mitarbeiter zunächst informell bei einem Kollegen Rat suchen, wenn sie sich nicht sicher über die Richtigkeit ihrer Aussagen sind, bevor sie solche Inhalte einstellen. Ergänzend kommt eine spezifische Eigenheit eines Wiki-basierten Wissensmanagement-Systems hinzu, welche später noch ausführlicher diskutiert wird: das Wissen wird zwar möglicherweise ungeprüft in die Wissensbasis aufgenommen, die Kollegen des Autors haben aber – wenn sie unrichtige Elemente auffinden – die Möglichkeit und sogar Verpflichtung, diese dann umgehend selbst zu korrigieren. Die Idee hierbei ist, dass die Inhalte evtl. am Anfang noch nicht ganz korrekt sind, das Wissen jedoch über die Zeit hinweg „reift“.619 Dimension „relevant“ Beschreibung: Die Nutzer können zur Suche nach geeigneten Wissenselementen in der Wissensbasis anhand der definierten Hierarchie vorgehen oder die Einträge gezielt nach bestimmten Begriffen durchsuchen. Hierbei kann beobachtet werden, dass die Mitarbeiter üblicherweise hierarchisch vorgehen und dann erst eine Volltextsuche durchführen. Erst wenn sie nicht fündig werden oder sich unsicher über die Inhalte sind, sollen sie mit möglicherweise geeigneten Personen in der Unternehmung direkt Kontakt aufzunehmen. Ziel ist hierbei, die Wissensträger in der Unternehmung insbesondere von wiederkehrenden Anfragen zu entlasten.

617 618

619

Zitat Interview-Partner 17. Die Hinterfragung der Richtigkeit erfolgt jedoch nach dem Einstellen. Vgl. die Diskussion zur Dimension „unrichtig“. Siehe hierzu die Diskussion zur Dimension “unrichtig”.

189 Die Häufigkeit, mit welcher bestimmte Seiten aufgerufen werden, wird technisch erhoben, jedoch nicht ausgewertet. Ansonsten besteht keine Möglichkeit herauszufinden, welche Wissenselemente tatsächlich genutzt wurden.

Analyse: Die Mitarbeiter können die Inhalte der Wissensbasis nach den für sie geeigneten Inhalten durchsuchen. Aufgrund des Wiki-Ansatzes ist es hierbei denkbar, dass die vorgefundenen Wissenselemente möglicherweise nicht richtig sind. Dies bedeutet, dass die Unternehmung den Mitarbeitern zutraut, das Wissensmanagement-System entsprechend umsichtig zu nutzen und die vorgefundenen Inhalte auch entsprechend zu hinterfragen. Bei Zweifeln können (und sollen) die Nutzer daher Rücksprache mit Kollegen halten. Eine Identifikation des für die Nutzer relevanten Wissens findet bei Fallstudie I anhand der Ermittlung der Anzahl der „Downloads“ statt, weitere Mechanismen sind nicht vorgesehen. Möglicherweise ist dies auch gar nicht erforderlich: da das System von nahezu allen Mitarbeitern in der täglichen Praxis genutzt wird, ist es für die Unternehmung nicht bedeutsam herauszufinden, welches Wissen besonders intensiv wieder genutzt wird. Das System als Ganzes erfährt offensichtlich hohe Akzeptanz, so dass individuelle Wissenselemente evtl. gar nicht aufgrund ihrer Relevanz unterschieden werden müssen. Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Ebenso wie jeder Mitarbeiter das Recht hat, Wissenselemente zu lesen und neue Informationen in das Wissensmanagement einzustellen, kann auch jeder die bereits bestehenden Inhalte ändern oder ergänzen. Das Unternehmen hat dies sogar als Verpflichtung vorgesehen, wenn ein Nutzer auf unrichtige Inhalte trifft: „Sie sind aber aufgerufen, wenn sie jetzt feststellen, okay, da ist etwas veraltet oder das Ganze funktioniert nicht, […] dann gleich sofort Hand anzulegen und die Information sofort zu korrigieren, zu erweitern oder auch, wenn irgendetwas…. Also das gilt für fehlende oder auch falsche Informationen, da geht es eben darum, die Leute zu ermuntern und zu sagen: ‚Also bitte, wenn Du das durchgehst und Du stellst fest, da ist was falsch, bitte gleich im Wiki ändern.’ Das ist also fast die einzige Regel.“620

620

Zitat Interview-Partner 17.

190

Fallstudienanalyse

Oftmals werden auch unrichtige Einträge identifiziert, welche entweder nicht sofort oder nicht durch den Entdecker korrigiert werden können. Für solche Zwecke existiert eine Pinnwand, an welche dann Karten mit einer Beschreibung des Problems angepinnt werden können. Der Freitag Nachmittag in der Woche ist für Arbeiten an der Infrastruktur vorgesehen. Die Mitarbeiter können sich dann die für sie relevanten Themen von der Pinnwand mitnehmen und die beschriebenen Probleme beheben, so dass in der Praxis beobachtet werden kann, dass einmal identifizierte unrichtige Einträge relativ schnell korrigiert werden. Bei der Überarbeitung einer Seite wird eine neue Version erstellt, wobei frühere Versionen in einer Versionsgeschichte festgehalten werden. Dies erlaubt, den Verlauf der Änderungen nachzuvollziehen und den Autor einer Änderung im Falle von Rückfragen zu ermitteln.

Analyse: Die Freiheit der Mitarbeiter, alle aus ihrer Sicht wichtigen Dinge in das Wissensmanagement einzustellen, geht einher mit der Verpflichtung, gefundene Probleme möglichst sofort zu korrigieren bzw. – wenn dies nicht möglich ist – zumindest auf das Problem aufmerksam zu machen, so dass sich ein anderer Mitarbeiter hierum kümmern kann. Um diese Verbesserung der Inhalte auch faktisch zu erreichen wurde hierzu ein dedizierter Zeitraum für solche Aktivitäten geschaffen – der sog. „Infrastruktur-Freitag“621. Hierdurch können unrichtige Elemente schnell korrigiert werden. Dieses permanente Wechselspiel aus Nutzung, Hinterfragung und ggf. Korrektur ist aus Sicht der Unternehmung essentiell für die Akzeptanz als auch die inhaltliche Qualität: „Also gut, dadurch, dass das System ein lebendiges System ist, was ständig benutzt wird, wie so ein Garten, geht man eben ab und zu mit der Heckenschere dann da durch. […] Ich denke, das ist der wichtigste Aspekt, auch für die Qualität, wenn, also wenn es benutzt wird, so ein Wiki, dann entsteht eben auch Qualität, und es wird auch nur benutzt, wenn Qualität da ist. Das ist ein bisschen wie ein Regelkreis.“622 Offensichtlich ist es bei diesem Vorgehen jedoch auch möglich, dass hierdurch nicht alle unrichtigen Wissensinhalte erfasst und ggf. auch korrigiert werden. So ist z. B. denkbar, dass insbesondere ältere Einträge nicht mehr aktualisiert werden, da ein Nutzer den Eintrag als nicht mehr relevant empfindet und somit auch keine Arbeit

621 622

Zitat Interview-Partner 17. Zitat Interview-Partner 17.

191 mehr in die Aktualisierung stecken möchte. Daher erscheint es wahrscheinlich, dass auch unrichtige Wissenselemente in dem System vorhanden sind. Es obliegt dem Nutzer, dies zu erkennen und immer mit einer kritischen Sicht an die Inhalte heranzugehen.623 Ein dedizierter Wissensmanager, welcher das System auf solche „liegen gebliebenen“ Wissenselemente regelmäßig überprüft und ggf. eine Aktualisierung anstößt und somit die Wahrscheinlichkeit und das Risiko unrichtigen Wissens verringern würde, ist nicht vorgesehen. Die Aufgabe der Hinterfragung und ggf. Überarbeitung des Wissens wird also von allen Mitarbeitern geteilt. Durch diese von allen getragene und immer wieder durchgeführte Aktualisierung entsteht ein permanenter Kreislauf, der die Wissensbasis im Zeitablauf „reifen“ lässt, welcher also unrichtige Inhalte recht schnell verschwinden lässt und somit im Ergebnis zu einer höheren Qualität der Inhalte führen soll. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Eine systematische Entfernung von unwichtig gewordenem Wissen ist bei der Unternehmung nicht vorgesehen: „Nein, also Löschen lohnt sich nicht. […] Das Problem ist, man kann nie mit Sicherheit sagen, dass man irgendetwas nicht mehr brauchen wird. […] aber dadurch, dass nach Jahren, dass viele Dinge plötzlich noch mal interessant werden, sieht es eher so aus, dass wir die Infrastruktur hier regelmäßig ausbauen.“624 Von den Mitarbeitern der Firma als unwichtig angesehene Wissenselemente können jedoch von diesen in tiefer liegende Ebenen in der Hierarchie verschoben werden, so dass sich die aus ihrer Sicht wichtigeren Elemente in den höheren Ebenen befinden.

Analyse: Zwar ist kein regelmäßiger Löschprozess vorgesehen, jedoch kann eine Abstufung nach Wichtigkeit durch die Positionierung des Wissens in der Hierarchie erreicht werden. Dies löst zwar nicht das Problem der Anhäufung unwichtig gewordenen Wissens, bietet jedoch auch verschiedene Vorteile. So erlaubt es dieser Ansatz, den Nutzern eine Einordnung der Wichtigkeit geben: als wichtiger angesehene Inhalte sind in höheren Ebenen der Hierarchie zu finden. Dies vereinfacht ihnen die 623 624

Siehe hierzu die Diskussion zur Dimension “relevant”. Zitat Interview-Partner 17.

192

Fallstudienanalyse

Suche nach relevanten Wissenselementen. Außerdem wird Gefahr der Entsorgung von Inhalten verringert, welche dann doch zu einem späteren Zeitpunkt nochmals hätten nützlich sein können.

Fazit: Der Prozess bei Fallstudie I wird durch folgende Abbildung zusammengefasst: Dimension „wichtig“ Wiki wird arbeitsbegleitend gefüllt

„richtig“ Keine Freigabe o. ä. erforderlich

Prozess Wiki hat auch (expli- Dokumentazit) tionsfunktion

Jeder entscheidet für sich selbst, ob die Impli- Information für zite andere wichtig As- sein könnte pekte Motivation: Weniger Nachfragen der Kollegen

Tabelle 18

Lieber überhaupt einen Ansatz haben, der im Groben stimmt und funktioniert Nutzer korrigieren unrichtige Inhalte später selbst

„relevant“ Nutzer suchen Inhalte anhand von Kategorien bzw. Suchbegriffen

„unrichtig“ Jeder soll Fehler im Wiki sofort korrigieren

Anzahl „Downloads“ wird ermittelt

Nutzer können Probleme auf Karten vermerken

Nutzer wissen, dass Inhalte hinterfragt werden müssen, und nutzen diese entsprechend umsichtig

Durch regelmäßige Nutzung werden Probleme erkannt und können geändert werden (Regelkreis)

„unwichtig“ Kein Löschen Unwichtiges wird tiefer in die Hierarchie geschoben

„Man kann nie mit Sicherheit sagen, dass man etwas nicht mehr braucht“

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie I)625

4.2.10 Fallstudie J Ergänzend zu den bisherigen Fallstudien wurde die Wikipedia als allgemein zugängliche und damit für die Untersuchung gut geeignete Möglichkeit der Wissensbewahrung aufgenommen (Fallstudie J). Das im Jahr 2001 gegründete Projekt der deutschsprachigen Wikipedia626 hat das Ziel, eine „freie Enzyklopädie“ zu schaffen.627 Dies bedeutet, dass jeder Internet-Nutzer die enthaltenen Artikel lesen und nutzen kann, jedoch auch selbst durch das Schreiben oder Ergänzen von Artikeln

625 626

627

Eigene Darstellung. Das Wort setzt sich aus dem engl. Wort „Encyclopedia“ = Enzyklopädie und dem hawaiischen Wort „wikiwiki“ = schnell zusammen. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die folgenden Ausführungen auf die deutschsprachige Wikipedia, abrufbar unter http://de.wikipedia.org, und geben den Stand vom August 2007 wieder.

193 zum Aufbau beitragen kann.628 Es wird von der Wikimedia Foundation betrieben, einer gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in den USA. Die Wikipedia umfasst mittlerweile über 620.000 Artikel und ist eine der am häufigsten aufgerufenen Internet-Seiten in Deutschland.629 Folgende Abbildung zeigt die Hauptseite der Wikipedia:

Abbildung 22 Wikipedia – Hauptseite (Fallstudie J)630

Die Fallstudienuntersuchung basiert auf der Analyse der Funktionsweise der Wikipedia-Plattform und der Auswertung der dort zur Verfügung gestellten Dokumente und Artikel. Ergänzend wurden öffentlich zugängliche Quellen berücksichtigt, insbesondere die vorhandene Fachliteratur zu dieser Form der Wissensgenerierung.631 Interviews waren bei dieser Fallstudie aufgrund der guten öffentlichen Informationslage nicht erforderlich. Beschreibung des Wissensmanagement-Ansatzes In der Wikipedia kann jeder Nutzer ohne Anmeldung fast alle Funktionen benutzen. Hierzu gehören insbesondere: x

628

629 630 631

das Suchen und Lesen von Artikeln,

Die Artikel stehen unter freien Lizenzen, „[…] welche es erlauben, die Inhalte nach Belieben zu überarbeiten und zu verbreiten, sofern Ursprungsautoren und Versionsgeschichte genannt werden.“ Diederich (2007), S. 3. Vgl. o.V. (2007). Quelle: http://www.wikipedia.org. Zuletzt abgerufen am 06.08.07. Vgl. z. B. Lee/Cole (2003); Robles (2004); Ebersbach et al. (2006).

194

Fallstudienanalyse x

die Teilnahme an Diskussionen zu den Artikelinhalten,

x

das Ändern (Überarbeiten) von Artikelinhalten.

Angemeldete Nutzer können zusätzliche Funktionen wie Benutzerseiten632 oder Beobachtungslisten633 verwenden. Administratoren spielen eine besondere Rolle, sie haben zusätzliche Privilegien, wozu insbesondere das Sperren und das endgültige Löschen von Artikeln gehören. Über 430.000 Benutzer sind bei der Wikipedia angemeldet, hiervon sind weniger als 300 Administratoren.634 Dimension „wichtig“ Beschreibung: Jeder Nutzer, der einen Artikel zu einem bestimmten Thema vermisst und hierzu neue Inhalte beisteuern möchte, kann dies durch Vergabe eines neuen Artikelnamens umsetzen. Jedoch soll er in einem ersten Schritt prüfen, ob die Inhalte evtl. bereits unter einem synonym verwendeten Begriff vorhanden sind oder Bestandteil eines existierenden Artikels sind.635 In diesem Fall kann eine Weiterleitung auf den bestehenden Artikel eingerichtet werden. In einem zweiten Schritt soll der Benutzer außerdem die Wichtigkeit beurteilen. Hierbei kann er sich an den zur Verfügung gestellten Relevanzkriterien636 orientieren. So soll sich der Autor eines neuen Artikels z. B. die Frage stellen, ob Themen mit aktuell breiter Öffentlichkeitswirkung nach sinnvollem Ermessen auch zukünftig von Bedeutung sein werden (historische Relevanz). Zusätzlich gibt es eine Seite mit der Erklärung von Inhalten, welche nicht Bestandteil der Wikipedia sein sollen – hierzu gehören reine Worterklärungen (wie in einem Wörterbuch), aber auch z. B. aktuelle Nachrichten oder Firmenverzeichnisse. Zusätzlich zur Orientierung an diesen Vorgaben besteht die Möglichkeit, dass sich dieser an den Anforderungen der Nutzer orientiert. So besteht für die Nutzer die Möglichkeit, Verknüpfungen in existierenden Artikeln auf ein Schlagwort zu erzeugen, auch wenn ein zugehöriger Artikel noch gar nicht existiert. Solche „ins Nichts“ verweisenden Verknüpfungen werden (statt wie üblicherweise blau) durch einen

632 633

634 635 636

Die Benutzerseite dient der persönlichen Vorstellung des Nutzers. Durch Beobachtungslisten können Änderungen an individuell ausgewählten Seiten schnell sichtbar gemacht werden. Die Zahl der nicht angemeldeten Nutzer kann nicht ermittelt werden. Hierbei handelt es sich um Richtlinien, keine verbindlichen Vorgaben. Der Begriff der „Relevanz“ wird in der Wikipedia anders als im Rahmen dieser Arbeit verwendet: die Relevanzkriterien beziehen sich darauf, ob ein Inhalt in der Wikipedia enthalten sein sollte, und gehören damit i. S. dieser Arbeit zur Diskussion der Dimension „wichtig“.

195 roten Text dargestellt. Der Nutzer signalisiert hiermit, dass aus seiner Sicht zu dem Schlagwort noch ein Artikel geschrieben werden sollte. Außerdem existiert eine Seite, auf welcher die Nutzer Wünsche zu Artikeln äußern können, welche sie vermissen, jedoch aus ihrer Sicht in die Wikipedia aufgenommen werden sollten. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass diese Nutzer einerseits Interesse an einem solchen Inhalt haben, jedoch andererseits einen zugehörigen Artikel nicht erstellen wollen oder können (z. B. aus Mangel an Fachkenntnis oder auch Zeit). Die Autoren sollen bei der Erstellung und Überarbeitung von Artikeln die Grundsätze des neutralen Standpunkts beachten. Hierzu gehört u. a., dass Artikel in einem sachlich-neutralen Ton gefasst werden sollen oder bei kontroversen Inhalten auch entgegengesetzte Standpunkte dargestellt werden sollen. Zusätzliche Hilfe erhält der Autor durch veröffentlichte Ratschläge, was einen guten Artikel ausmacht.637 Ein Artikel, bei welchem diese befolgt wurden, und welcher aufgrund seiner hohen Qualität ausgezeichnet wurde, ist z. B. „Frankfurt am Main“:

Abbildung 23 Wikipedia – Artikel (Fallstudie J)638

Analyse: Grundsätzlich hat jeder Internet-Nutzer die Möglichkeit, neue Artikel in die Wikipedia einzustellen. Um den Nutzern hierbei eine Orientierung zu geben, kann sich der Nutzer an mehreren Leitlinien orientieren: 637

638

Diese enthalten allgemeine Grundsätze sowie Hinweise z. B. zum Aufbau eines Artikels oder zum Schreibstil. Beispiel: Frankfurt am Main. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurt_am_Main. Zuletzt abgerufen am 06.08.07.

196

Fallstudienanalyse x

So soll er in einem empfohlenen Prozess zunächst prüfen, ob ähnliche Inhalte bereits vorhanden sind, z. B. unter einem anderen Schlagwort bzw. als Unterthema eines existierenden Artikels.

x

Außerdem soll er die Relevanzkriterien berücksichtigen, welche das aus Sicht der Wikipedia wichtige Wissen beschreiben. Zusätzlich wurden Inhalte definiert, welche von der Wikipedia ausgeschlossen sind.

x

Wenn der Autor von der Wichtigkeit überzeugt ist, kann er sich schließlich noch an den Ratschlägen zum Schreiben inhaltlich guter Artikel orientieren. Außerdem soll er die angegebenen Grundsätze beachten.

In der Praxis kann jedoch beobachtet werden, dass regelmäßig auch Inhalte neu eingestellt werden, welche sich nicht an diesen Leitlinien orientieren. Da eine Vorabprüfung der Inhalte nicht vorgesehen ist, kann die Wichtigkeit neuer Artikel grundsätzlich erst nach Veröffentlichung überprüft werden.639 Eine Orientierung an der Einschätzung von Experten kann nicht festgestellt werden, jedoch können sich Autoren an den Bedürfnissen der anderen Nutzer orientieren. Diese zeigen ihr Interesse durch die Verlinkung zu Schlagworten, zu welchen bisher keine Artikel existieren, oder durch einen entsprechenden Eintrag auf der genannten Seite mit Artikelwünschen. Potentielle Autoren können diese Wünsche aufgreifen, sollen sich dabei aber trotzdem an den o. g. Leitlinien orientieren. Dimension „richtig“ Beschreibung: Die von den Autoren neu erzeugten Wissenselemente werden sofort in der Wikipedia veröffentlicht. Durch diese direkte Veröffentlichung der neu eingestellten Artikel kann die Richtigkeit nicht geprüft werden: neue Artikelinhalte und durchgeführte Änderungen werden unmittelbar für alle anderen Nutzer sichtbar.

Analyse: Ein systematisches Vorgehen zur Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit, bevor neue Wissenselemente in das System eingestellt werden, liegt bei Wikipedia nicht vor. So können möglicherweise auch vorläufige oder sogar falsche Inhalte in der Wikipedia enthalten sein. Die Besonderheit des Wiki-Ansatzes (auf welche später noch näher eingegangen wird) ist jedoch, dass die Hinterfragung der Richtigkeit erst nach dem Einstellen erfolgt. Die Nutzer sollen die Wissenselemente nicht nur nut-

639

Siehe die Diskussion zur Dimension „unwichtig“.

197 zen, sondern im Falle von Diskrepanzen diese möglichst auch gleich selbst korrigieren. Durch die hohe Anzahl an Nutzern soll gewährleistet werden, dass unrichtige Inhalte schnell aufgedeckt und korrigiert werden. Im Idealfall soll so ein Kreislauf entstehen, welcher das Wissen immer weiter schärft.640 Dimension „relevant“ Beschreibung: Die Nutzer können die Datenbasis anhand von Artikelnamen oder Stichworten (Volltextsuche) durchsuchen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, anhand des Index oder mit Hilfe von Kategorien641 oder Themenportalen642 geeignete Einträge zu finden. Eine Besonderheit ist hierbei, dass Artikel mit Hilfe von Verknüpfungen wiederum an weitere Artikel verweisen können, so dass die Nutzer einfach von Artikel zu Artikel navigieren können.643 Die Anzahl der Besucher eines Artikels wird mit technischen Maßnahmen erhoben. Die Auswertung befindet sich jedoch noch in der Testphase. Auch führen die Auswertungsergebnisse nicht zu weiteren Aktionen wie z. B. einer weitergehenden inhaltlichen Optimierung besonders populärer Artikel. Wenn ein Nutzer einen Artikel als besonders gelungen empfindet, kann er diesen Artikel zur Auszeichnung als „lesenswerten“ Artikel vorschlagen. Hierbei können die Nutzer innerhalb von sieben Tagen über die Qualität des Inhalts dieses Artikels abstimmen. Wenn die Mehrheit644 eine solche Auszeichnung befürwortet, wird der Artikel entsprechend gekennzeichnet und in die Liste lesenswerter Artikel aufgenommen. Als von den Nutzern als außergewöhnlich gut empfundene Einträge können zusätzlich zur Auszeichnung als „exzellente“ Artikel vorgeschlagen werden.645 Das Vorgehen entspricht weitgehend demjenigen bei lesenswerten Artikeln.646 Von den über 620.000 Artikeln sind rd. 2.000 als lesenswert und rd. 1.100 als exzellent ausgezeichnet. 640 641

642

643

644

645

646

Siehe die Diskussion zur Dimension „unrichtig“. Jeder Artikel ist mindestens einer Kategorie zugewiesen. Beispiele umfassen Geschichte, Literatur, Recht, Sport und Wirtschaft. Themenportale sind im Gegensatz zu Kategorien redaktionell gepflegte Einstiegsseiten und beinhalten eine Übersicht der wichtigsten Artikel zu einem Thema. Beispiele umfassen Geographie, Gesellschaft, Religion oder Technik. Eine Verknüpfung wird durch einen blauen Text angezeigt. Durch Anklicken dieses Texts wird der Nutzer auf den hinterlegten Artikel weitergeleitet. D. h. bis zum Ende des Abstimmungszeitraumes wurden mindestens drei Pro-Stimmen mehr als Contra-Stimmen abgegeben. Während bei lesenswerten Artikeln kleinere Lücken oder sprachliche Ungenauigkeiten noch toleriert werden, dürfen solche Schwächen bei exzellenten Artikeln nicht mehr auftreten. Die Zeitdauer bis zur Auswertung beträgt jedoch 20 Tage.

198

Fallstudienanalyse

Analyse: Durch die Suchfunktion bzw. die Nutzung der Kategorien und Portale können die Nutzer schnell nach den für sie relevanten Inhalten suchen. Eine technische Auswertung der besonders häufig aufgerufenen Seiten findet zwar statt, führt jedoch zu keinen Konsequenzen wie z. B. einer bevorzugten Überarbeitung. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, herausragende Artikel als „lesenswert“ bzw. „exzellent“ zu bewerten. Über diesen Qualitätsindikator wird durch die Leser des Artikels gemeinschaftlich abgestimmt (ein gemeinschaftliches „Rating“), so dass hier von einer hohen Qualität aus Nutzersicht ausgegangen werden kann. Diese Hervorhebung hilft dem Nutzer jedoch nicht bei der Beurteilung der Relevanz: bei Wikipedia ist zu jedem Thema nur ein Artikel vorhanden, somit kann offensichtlich auch nur dieser relevant sein.647 Eine hohe Qualität bedeutet jedoch nicht gleichzeitig eine hohe Relevanz für die Nutzer. Auch Querverweise werden bei Wikipedia intensiv eingesetzt. Allerdings verweisen diese Verknüpfungen üblicherweise auf andere Artikelinhalte und nicht auf solche Inhalte, auf denen der Artikel aufbaut, so dass auch hieraus keine Relevanzmessung vorgenommen werden kann: viele Verweise bedeuten nicht, dass es sich um einen besonders relevanten Inhalt handelt. Kommentierungen sind bei Wikipedia durch die Nutzung der Diskussionsseiten möglich. Allerdings kann festgestellt werden, dass diese Seiten insbesondere für die fachlich-inhaltlichen Diskussion genutzt werden; ein Hinweis darauf, dass der Inhalt genutzt wurde bzw. auf die Art der Nutzung ist hingegen unüblich.648 Dimension „unrichtig“ Beschreibung: Die Nutzer können bereits bestehende Artikel überarbeiten, wenn diese aus deren Sicht z. B. unvollständig, falsch oder ungenau sind. Hierbei wird eine neue Version des Artikels erzeugt; sobald der Nutzer den Text gespeichert hat, wird den anderen Nutzern diese neue Version angezeigt. Die Versionsgeschichte steht allen Nutzern zur Verfügung und zeigt den Entstehungsverlauf einer Seite sowie die jeweiligen Änderungen und die Namen der Autoren.649 Außerdem können zwei Ver-

647

648 649

Siehe hierzu die Diskussion in Abschnitt 4.2.1, wo eine Hervorhebung den Nutzern durchaus bei der Identifikation des relevanten Wissens helfen kann. Siehe hierzu die Diskussion zur Dimension “unrichtig”. Statt des Autorennamens wird die IP-Adresse des verwendeten Rechners angezeigt, wenn der Autor kein registriertes Mitglied der Wikipedia ist.

199 sionen miteinander verglichen werden, wobei Änderungen farblich hervorgehoben werden. Folgende Abbildung zeigt einen solchen Vergleich beispielhaft:

Abbildung 24 Wikipedia – Vergleich von Versionen (Fallstudie J)650

Die Möglichkeit, die eingestellten Artikel ohne größeren Aufwand zu ändern, kann allerdings gerade bei kontroversen Themen zu Vandalismus führen, z. B. dem Entfernen größerer Textabschnitte, dem Einfügen von Unsinn oder dem Verfälschen von Informationen. Um solche Änderungen rückgängig zu machen, können die Nutzer eine frühere Version aus der Versionsgeschichte wieder herstellen. Durch die einfache Möglichkeit der Änderung von Artikeln sowie die Rücknahme dieser Änderungen durch Wiederherstellung einer früheren Version, können sich sog. „Edit Wars“651 entwickeln, bei welchen Autoren mit unterschiedlichen Ansichten die Änderungen des jeweils anderen wieder rückgängig machen.652 Bei solchen „Edit Wars“ oder wiederholtem Vandalismus kann eine Seite durch die Administratoren gesperrt werden, sie ist dann nur noch durch angemeldete Benutzer (Halbsperrung) bzw. Administratoren (Vollsperrung) änderbar. In Ergänzung oder als Alternative zu einer unmittelbaren Änderung eines Artikels können die Inhalte auf einer zum Artikel gehörigen, jedoch separaten Seite diskutiert werden. Hierzu können die Nutzer Kommentare oder Fragen hinterlassen, auf welche andere Interessierte wiederum antworten können. Aus dieser Diskussion

650

651 652

Beispiel: Frankfurt am Main. Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Frankfurt_am_ Main&diff=35285979&oldid= 35248527. Zuletzt abgerufen am 08.08.07. Engl. Krieg der Änderungen (freie Übersetzung). Vgl. Danowski/Voss (2005), S. 395.

200

Fallstudienanalyse

können die Autoren Informationen über die Ansichten der Nutzer und mögliche Qualitätsprobleme gewinnen. So können Unstimmigkeiten zunächst außerhalb des eigentlichen Artikelinhalts erörtert werden, bevor eine mögliche Änderung umgesetzt wird. Eine solche Diskussion findet sich beispielhaft in folgender Abbildung:

Abbildung 25 Wikipedia – Diskussion (Fallstudie J)653

Im Rahmen eines Review können Autoren außerdem ihre Artikel einer größeren Gruppe von Lesern vorstellen, wenn diese aus ihrer Sicht eine hohe Qualität erreicht haben und sie sich selbst außerstande sehen, diese weiter verbessern zu können. Sie stellen hierzu den Artikel auf einer gesonderten Review-Seite ein. Die Leser können dann Hinweise auf Fehler oder Unvollständigkeiten geben, welche die Autoren berücksichtigen können. Der Review ist beendet, wenn an dem Artikel für ca. zwei Wochen nicht mehr gearbeitet wurde oder soweit verbessert wurde, dass der Artikel zur Auszeichnung als lesenswerter oder exzellenter Artikel vorgeschlagen wurde.654

Analyse: Die oben beschriebenen Möglichkeiten sehen keine systematischen Überprüfung der neu eingestellten oder geänderten Inhalte vor: jeder Nutzer kann Artikel ändern, die Änderungen werden sofort für alle anderen Nutzer sichtbar. Erst dann beginnt die eigentliche Qualitätssicherung: die Nutzer der Wikipedia können die 653

654

Beispiel: Frankfurt am Main. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Frankfurt_am_Main. Zuletzt abgerufen am 06.08.07. Ein Review sollte spätestens nach einer Dauer von sechs Wochen abgeschlossen sein.

201 Inhalte wiederum hinterfragen und ggf. aus ihrer Sicht sinnvolle Ergänzungen oder Verbesserungen machen. In der Praxis kann beobachtet werden, dass durch diese permanente Überprüfung und Änderung durch eine Vielzahl von Nutzern ein Fehler üblicherweise bald bemerkt und auch korrigiert wird. Durch diese als „Linus’ Law“ bekannte Feststellung („Given enough eyeballs, all bugs are shallow“655) reift die Qualität eines Artikels im Zeitablauf. Das Wissen der Wikipedia wird hierbei iterativ bewertet und ggf. verändert: die Nutzer können nicht nur Hinweise auf aus ihrer Sicht unrichtige Einträge hinterlassen, sie können diese Inhalte auch umgehend ändern, wobei die Änderungen sofort wieder für alle Nutzer sichtbar sind. Wenn ein Artikel über einen längeren Zeitraum keine größeren Änderungen mehr erfahren hat, so wird vermutet, dass sich bezüglich des Inhalts ein Qualitätsniveau eingestellt hat, welches für die meisten Nutzer zumindest befriedigend ist. Durch die häufige Überprüfung der Artikelinhalte kann ebenso das Problem des Missbrauchs der offenen Teilnahme verringert werden. So hat eine Untersuchung ergeben, dass z. B. Vandalismus durch Entleeren des gesamten Artikelinhalts in 50% der Fälle in weniger als drei Minuten wieder rückgängig gemacht wurde.656 Eine Besonderheit bei dieser Art der Qualitätssicherung ist jedoch, dass nicht festgestellt werden kann, ob die Inhalte zu einem gegebenen Zeitpunkt tatsächlich richtig sind, oder ob ein Autor (bewusst oder unbewusst) eine falsche Aussage getätigt hat, die erst durch den nächsten Autor wiederum korrigiert werden muss.657 Zusätzlich kann der Leser eines Artikels die Qualität des Inhalts nur schwer beurteilen, weil er sich kein Bild über die Qualifikation des Autors machen kann, da eine Vielzahl an Autoren bei der Entstehung mitgewirkt haben, welche zusätzlich oftmals nur anonym ihr Wissen teilen.658 Trotzdem haben Vergleiche gezeigt, dass die inhaltliche Qualität der WikipediaArtikel durchaus auf vergleichbarem Niveau mit der Qualität traditionell erstellter und durch eine Redaktion geprüfter Enzyklopädien befindet und diese sogar teilweise übertreffen kann.659 Bei einem Vergleich von Wikipedia mit zwei traditionsreichen Lexika (Brockhaus und Encarta), bei welchen eine Redaktion die Richtigkeit

655 656 657

658

659

Raymond (2001), S. 19. Vgl. Viégas et al. (2004), S. 5. Daher werden derzeit Möglichkeiten diskutiert, wie die Qualität weiter verbessert werden kann. Eine Möglichkeit ist z. B. die Umsetzung von stabilen Artikelversionen, über deren inhaltliche Qualität besonders qualifizierte Nutzer abstimmen können. Vgl. Dudek (2007), S. 48. Aus diesem Grund ist die Wikipedia keine angemessene Quelle für wissenschaftliche Publikationen. Vgl. Wehn/Welker (2006). Vgl. hier und im Folgenden Kurzidim (2004).

202

Fallstudienanalyse

der Inhalte prüft, wurden ausgewählte Artikel aus verschiedenen Fachrichtungen durch Wissenschaftler verglichen und analysiert. Hierbei kam es insbesondere auf fachliche Korrektheit, Vollständigkeit und Verständlichkeit an. Die Wikipedia hat die meisten sehr guten Bewertungen bekommen, jedoch gleichzeitig auch einige schlechte oder sehr schlechte, so dass in Summe die Wikipedia im Inhaltstest ein etwas besseres Ergebnis als die beiden anderen Lexika erreichen konnte. Ein weiterer Aspekt betrifft die Frage, ob das, was die Mehrheit der Nutzer als „richtig“ erachtet, auch tatsächlich mit den Fakten übereinstimmt. Zwar kann beobachtet werden, dass, wenn eine große Anzahl von Menschen eine Schätzung abgibt, diese im Mittel dem korrekten Ergebnis sehr nahe kommt; jedoch lassen sich auch prominente Beispiele finden, wo die allgemeine Meinung über einen Sachverhalt im Widerspruch zu den Tatsachen steht.660 Zusätzlich zu dem beschriebenen Verfahren existiert bei der Wikipedia eine ergänzende Maßnahme, wie das Wissen diskursiv bewertet werden kann. So können die Nutzer auch Kommentare zu den Inhalten hinterlassen – auf den Diskussionsseiten eines Artikels. Wenn Artikel aus ihrer Sicht unrichtige Aspekte beinhalten, können sie hier auf solche Probleme aufmerksam machen. Ein solcher Aspekt kann dann durch die anderen Nutzer diskutiert und je nach Ergebnis der Diskussion ggf. korrigiert werden. Es sind daher auch keine Personen vorgesehen, welche die Wissensbasis in regelmäßigen Abständen auf unrichtige Einträge durchsehen und diese dann aktualisieren (oder aktualisieren lassen) – die Wikipedia vertraut hier auf diese „Selbstheilungskräfte“ durch die aktive Teilnahme der Nutzer. Dimension „unwichtig“ Beschreibung: Durch die einfache Möglichkeit, neue Artikel zu erstellen, werden regelmäßig auch unsinnige oder ungeeignete Inhalte eingestellt. Das Löschen von Artikeln wird daher als notwendiger Bestandteil der Qualitätskontrolle bei Wikipedia angesehen. Hierbei sind zwei Herangehensweisen möglich. Bei eindeutigen Fällen (z. B. solchen Artikeln, die leer sind oder nur sinnlose Zeichen enthalten) kann eine Schnelllöschung erfolgen. Hierzu kann ein Nutzer, der einen solchen Eintrag findet, einen Schnelllöschantrag stellen; die Löschung erfolgt unmittelbar nach Prü-

660

Vgl. Blech/von Bredow (2006), S. 182. Ein solches prominentes Beispiel ist der Fall des USJournalisten John Seigenthaler, dem eine Verwicklung in den Mord an US-Präsident John F. Kennedy unterstellt wurde. Diese Aussage befand sich monatelang in der Wikipedia, bevor sie entdeckt wurde. Vgl. Seigenthaler (2005); Dudek (2007), S. 48.

203 fung durch einen Administrator. In den anderen Fällen kann der Nutzer einen (normalen) Löschantrag stellen. Nach Abgabe des Antrags haben alle Nutzer die Möglichkeit, diesen Antrag sieben Tage lang zu diskutieren, indem sie Argumente für bzw. gegen die Löschung vortragen. Wenn die Frist abgelaufen ist, entscheidet ein Administrator über die Löschung anhand der abgegebenen Argumente.

Analyse: Durch das für jedermann offene System können regelmäßig neue Artikel identifiziert werden, die für das Ziel der Wikipedia (den Aufbau einer freien Enzyklopädie) unwichtig sind und daher entfernt werden können. Während offensichtlich unnötige Einträge schnell gelöscht werden können, ist für die Entfernung anderer Einträge wiederum die Meinung der Nutzer von Bedeutung: diese stimmen gemeinsam über die Wichtigkeit der Artikel ab. Somit kann festgestellt werden, dass die niedrige Schwelle, neue Artikel in die Wikipedia einzustellen, kompensiert wird durch eine ebenso einfache Methode, unwichtiges Wissen wieder zu entfernen.

Fazit: Folgende Übersicht fasst den Wissensprozess bei der Wikipedia in Bezug auf die fünf Dimensionen des Bezugsrahmens zusammen: Dimension „wichtig“ Definition durch Leitlinien (Relevanzkriterien, Proausgeschlossezess ne Inhalte, (expliGrundsätze) tit) und Artikelwünsche der Nutzer

„richtig“

„relevant“

„unrichtig“

„unwichtig“

Keine Freigabe o. ä. erforderlich

Suche anhand von Stichworten, Kategorien, Themenportalen

Permanente Hinterfragung und ggf. Überarbeitung der Inhalte durch die Nutzer

Schnelllöschung (bei offensichtlichen Fällen)

Nutzer entschei- Inhalte werden den selbst, ob durch die Nutzer Implineuer Artikel später korrigiert zite wichtig ist für Asdie Wikipedia pekte

Tabelle 19

661

Auszeichnung von „lesenswerten“ und „exzellenten“ Artikeln Es kann nicht festgestellt werden, ob der aktuelle Inhalt tatsächlich richtig ist

Löschantrag (bei allen anderen Fällen)

Zusätzlich Diskussionsseiten Durch regelmäßige Nutzung und Überarbeitung reift die Qualität im Zeitablauf

Niedrige Schwelle beim Einstellen wird kompensiert durch einfache Löschung unwichtiger Inhalte

Prozess und implizite Aspekte zum Wissensmanagement (Fallstudie J)661

Eigene Darstellung.

204

Fallstudienanalyse

Nachdem somit alle zehn Fallstudien beschrieben und separat analysiert wurden, folgt nun im fünften Kapitel die fallstudienübergreifende Analyse, um aus den Erkenntnissen allgemeine Aussagen über die Qualitätssicherung im Wissensmanagement formulieren zu können.

5 Fallstudienübergreifende Analyse Nachdem in Kapitel 4 die Fallstudien einzeln vorgestellt wurden und anhand der fünf Dimensionen beschrieben und analysiert wurden, ist das Ziel dieses Kapitels die fallstudienübergreifende Analyse und Präzisierung des Bezugsrahmens (Abschnitt 5.1) sowie die Ableitung von weiteren Thesen zu Zusammenhängen zwischen den fünf Dimensionen und die Abhängigkeit der Ausprägung dieser Dimensionen von anderen Einflussfaktoren (Abschnitt 5.2). Danach werden die präzisierten Thesen abschließend zusammengefasst (Abschnitt 5.3). Aus der Fallstudienuntersuchung konnte abgeleitet werden, dass der zur Untersuchung aufgestellte theoretische Bezugsrahmen offensichtlich gut geeignet ist, um die Qualitätssicherung im Wissensmanagement bei einem Großteil der Fallstudien zu ordnen. Allerdings konnten drei Ausnahmen identifiziert werden, bei welchen der theoretische Bezugsrahmen die Qualitätssicherungsmaßnahmen offensichtlich nicht ausreichend erfasst: dies sind die Fallstudien G, I und J. Bei Fallstudie G ist das Ziel des Wissensmanagements die Vermeidung der Wiederholung bereits aufgetretener Probleme und nicht – wie bei den anderen Fallstudien – ein Schwerpunkt auf der Bewahrung erfolgreicher Problemlösungen. Daher soll Fallstudie G als Sonderfall des problemzentrierten Wissensmanagements separat betrachtet werden (Abschnitt 5.4.1). Ebenso konnte herausgearbeitet werden, dass bei den beiden Wikibasierten Fallstudien I und J ein deutlich abweichender Qualitätssicherungsansatz verfolgt wird. Neue Wissenselemente werden hier ungeprüft eingestellt und dann immer wieder überarbeitet, so dass im Zeitablauf die Inhalte immer weiter reifen und die Qualität somit idealerweise immer weiter zunimmt. Daher soll auch das Wikibasierte Wissensmanagement der beiden Fallstudien I und J als Sonderfall separat betrachtet werden (Abschnitt 5.4.2). Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher auf die sieben Fallstudien mit (klassischen) prozessorientierten Wissensmanagement-Ansätzen (Fallstudien A, B, C, D, E, F und H).

5.1 Präzisierung des theoretischen Bezugsrahmens Im Folgenden sollen die fünf Dimensionen des Bezugsrahmens fallstudienübergreifend mit dem Ziel diskutiert werden, den auf Basis der bisher existierenden theoretischen Ansätze aufgestellten Bezugsrahmen um die Erkenntnisse aus der Fallstu-

206

Fallstudienübergreifende Analyse

dienuntersuchung zu präzisieren. Dies erfolgt durch Zusammenfassung der bereits bestehenden Ansätze aus der Theorie und deren Gegenüberstellung mit den Erkenntnissen der empirischen Studie. Hierbei werden auch Beispiele für mögliche Ausgestaltungen zu den Aussagen der einzelnen Dimensionen vorgestellt, wie sie in den Fallstudien aufgetreten sind. Weder konnten wesentliche neue Dimensionen im Laufe der Analyse aufgezeigt werden, noch konnte eine der fünf abgeleiteten Dimensionen als nicht zutreffend verworfen werden. Die Dimensionen des Bezugsrahmens haben sich also als Ordnungsmuster bewährt und entsprechen damit denjenigen des ursprünglich entworfenen theoretischen Bezugsrahmens: Selektion und Prüfung Selektion bewahrungswürdigen Wissens („wichtig“)

Prüfung neuen Wissens („richtig“)

Nutzung

Wissensbasis

Aktualisierung und Entsorgung

Aktualisierung vorhandenen Wissens („unrichtig“)

Entsorgung unnötigen Wissens („unwichtig“)

Nutzung vorhandenen Wissens („relevant“)

Abbildung 26 Präzisierter Bezugsrahmen662

Damit lässt sich zunächst folgende, übergreifende These formulieren:

These 1: Zur Betrachtung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement sind fünf Dimensionen von zentraler Bedeutung: die Selektion bewahrungswürdigen Wissens („wichtig“), die Prüfung neuen Wissens („richtig“), die Nutzung des vorhandenen Wissens („relevant“), die Überprüfung und Aktualisierung des vorhandenen Wissens („unrichtig“) sowie die Entsorgung unnötigen Wissens („unwichtig“).

662

Eigene Darstellung.

207 5.1.1

Dimension „wichtig“

Aus den bisherigen theoretischen Ansätzen zur Dimension „wichtig“ konnten drei Möglichkeiten identifiziert werden, wie die Mitarbeiter das aus ihrer Sicht bewahrungswürdige Wissen ermitteln können.663 Sie können eine Einschätzung des wichtigen Wissens selbst vornehmen, wobei sie sich idealerweise an Leitlinien bzw. Kriterien des Unternehmens orientieren sollen (Explizite Kriterien). Auch kann eine Einschätzung von Experten hilfreich bei der Bewertung der Wichtigkeit sein. Zusätzlich ist denkbar, dass ein konkreter Bedarf der Nachfrager vorhanden ist, welcher ein wichtiger Hinweis auf erforderliches Wissen sein kann. Auf diese Ansätze und deren Auftreten in den untersuchten Unternehmen soll im Folgenden näher eingegangen werden, ergänzt durch weitere Aspekte, welche im Rahmen der Fallstudienuntersuchung beobachtet werden konnten, welche jedoch in dieser Form bisher theoretisch nicht bzw. nicht ausreichend erfasst wurden. Explizite Kriterien Eine Einschätzung, welches Wissen bewahrungswürdig ist, kann durch die Autoren selbst erfolgen, wobei eine Orientierung an Unternehmensleitlinien oder Kriterien helfen kann, das aus Unternehmenssicht wichtige Wissen zu identifizieren. Die Fallstudienuntersuchung hat gezeigt, dass diese in nur wenigen Firmen explizit definiert sind. Alle drei Unternehmensberatungen (Fallstudien A, B und C) überlassen die Einschätzung, welche Aspekte wichtig sind, den Beratern auf den jeweiligen Projekten. In keinem der drei Fälle gibt es durch die Unternehmen definierte Vorgaben oder Leitlinien, an denen sich die Berater orientieren können oder sollen. Auch bei Fallstudie D sind keine Kriterien definiert, der Techniker beurteilt die Wichtigkeit alleine anhand seiner Erfahrung. Bei den Fallstudien F und H können ebenfalls keine solchen Richtlinien identifiziert werden. Bei Fallstudie hingegen E sind diese Vorgaben gleich zweifach vorhanden. So sollen die Personen zum einen die erarbeitete „Wissenslandkarte“ berücksichtigen, welche in strukturierter Form das wichtige Wissen eines Bereichs beschreibt. Zum anderen werden durch die Workshop-Moderatoren mögliche Kriterien in die Diskussion eingebracht, an welcher sich die Personen orientieren können, wie z. B. die Höhe der

663

Siehe Abschnitt 3.1.

208

Fallstudienübergreifende Analyse

Kosten bei Verlust des Wissens oder die Anzahl der kompetenten Mitarbeiter zu einem Thema. Auffällig ist somit, dass nur bei sehr wenigen Fallstudien solche Vorgaben gemacht werden. In den meisten Fällen entscheiden die Mitarbeiter ohne explizite Kriterien, welche Inhalte bewahrungswürdig sind. Offensichtlich scheinen also andere, eher implizite Kriterien eine bedeutendere Rolle bei der Selektion zu spielen. Daher soll auf diese später noch genauer eingegangen werden. Beurteilung durch Experten Ein weiterer Ansatz aus der Theorie besagt, dass die Autoren sich bei der Beurteilung der Wichtigkeit auch an der Einschätzung von Experten orientieren können. Diese haben möglicherweise aus ihrer Erfahrung heraus einen guten Überblick über das bereits bestehende Wissen und können dementsprechend die Bedeutung neuer Inhalte besser beurteilen. Eine solche Expertenorientierung konnte in allen Fallstudien beobachtet werden. Bei Fallstudie A wird dieser Ansatz durch die Einschätzung des jeweiligen Geschäftsführers realisiert. Dieser hat in seiner jeweiligen Branche bzw. Funktion üblicherweise bereits mehrere Projekte durchgeführt und kann so die Wichtigkeit des erarbeiteten Projektwissens beurteilen. Ähnliches kann für Fallstudie B festgestellt werden: durch die aktive Teilnahme des erfahrenen Projektleiters kann dessen Sichtweise in den Selektionsprozess einfließen und die Reflektion auf solche Aspekte fokussiert werden, welche aus seiner Sicht besonders nutzbringend erscheinen. Die Expertenorientierung kann bei Fallstudie C zumindest teilweise bejaht werden, und zwar für solche Projekte, bei welchen der Wissensmanager das Projektteam von sich aus kontaktiert hat und einen Prozess angestoßen hat, um von den Beratern geeignete Wissenselemente zu erhalten. Bei Fallstudie D können die Validatoren (also die jeweiligen Experten) Tipps ablehnen, wenn sie der Meinung sind, dass es sich hierbei um nicht ausreichend wichtige Tipps handelt. Eine Einschätzung durch die Vorgesetzten bei einer Übergabe von einem Mitarbeiter auf seinen Nachfolger erfolgt bei Fallstudie F und teilweise bei Fallstudie E. Bei Unternehmung H legen die Mitglieder des Steuerungsgremiums – also insbesondere Geschäftsführung und Wissensmanagement – gemeinsam zu Jahresbeginn fest, bei welchen durchzuführenden Projekten die Erkenntnisse festgehalten werden sollen.

209 Die Beurteilung der Wichtigkeit durch Experten scheint in der unternehmerischen Praxis also von hoher Bedeutung zu sein. Experten sind häufig Vorgesetzte, z. B. Geschäftsführer, erfahrene Projektleiter oder Mitglieder des Steuerungsgremiums. Je nach Ausgestaltung des Wissensmanagement-Ansatzes können auch definierte Wissensvalidatoren oder Wissensmanager Experten sein. Offensichtlich können diese die Bedeutung neuer Wissenselemente aufgrund ihrer übergreifenden Erfahrung besonders gut einschätzen. Bedarf der Nachfrager Bei der Einschätzung, ob neue Inhalte für die Unternehmung von Bedeutung sind, können sich die Mitarbeiter möglicherweise auch an einem konkreten Bedarf der Nachfrager orientieren. Auch hierzu konnten folgende verschiedene Erkenntnisse aus der empirischen Untersuchung gewonnen werden. Diese Orientierung an einem konkreten Bedarf lässt sich gut bei Fallstudie F herausarbeiten. Hier kann der Nachfolger durch Nachfragen den Schwerpunkt des Wissenstransfers beeinflussen. Die Nachfrageorientierung tritt bei Fallstudie E zumindest teilweise auf, und zwar ebenfalls bei der Übergabe des Wissens eines ausscheidenden Mitarbeiters auf seinen Nachfolger.664 Bei Fallstudie B kann durch die Verankerung eines Wissensarbeiters auf jedem Projekt, welcher einen Überblick über die bestehenden Inhalte der Wissensbasis haben soll, dieser die Projektabschlussbesprechung auf solche Inhalte fokussieren, welche bislang noch wenig oder nicht im Unternehmen vorhanden sind. Bei Fallstudie H haben Nutzer die Möglichkeit, im Rahmen der jährlich durchgeführten Umfrage Anregungen zu geben, zu welchen Projekten aus ihrer Sicht zusätzliche Wissenselemente sinnvoll wären. Diese Anregungen werden dann im Steuerungsgremium aufgenommen und ggf. umgesetzt. Eine explizite Nachfrageorientierung kann hingegen bei den Fallstudien A, C und D nicht bestätigt werden. Somit konnten in der Praxis verschiedene Möglichkeiten beobachtet werden, wie die Mitarbeiter sich an den konkreten Anforderungen der Nachfrager orientieren können. Auffällig ist jedoch, dass nur in etwa der Hälfte der Fälle eine solche Nachfrageorientierung vorliegt. Dies unterstützt die Vermutung, dass zusätzliche, eher implizite Definitionen in den Unternehmen vorliegen, wie deren Mitarbeiter wichtiges von

664

Bei den Erkenntnissen aus der Projektarbeit hingegen ist ein Einfluss der Nachfrager auf die Selektion des wichtigen Wissens nicht erkenntlich.

210

Fallstudienübergreifende Analyse

unwichtigem Wissen unterscheiden. Auf diese soll daher im Folgenden näher eingegangen werden. Implizite Definition: Personen Bei der Fallstudienuntersuchung konnte festgestellt werden, dass nicht das Wissen aller Mitarbeiter in gleichem Maße von Bedeutung ist. So fokussieren sich Unternehmen regelmäßig auf solches Wissen, welches von einer bestimmten Personengruppe generiert wird. In den untersuchten Fallstudien konnten verschiedene Einschränkungen gefunden werden. Bei den Fallstudien A und B ist offensichtlich insbesondere solches Wissen von Bedeutung, welches von den Beratern auf den Projekten generiert wurde. Es grenzt sich somit von dem Wissen der anderen in der Unternehmung beschäftigten Personen (z. B. Rechnungswesen, Marketing usw.) ab. Aufgrund der grundsätzlichen Erlaubnis, dass alle Personen Beiträge zum Wissensmanagement leisten können, ist eine solche Definition bei Fallstudie C hingegen nicht ersichtlich. Eine implizite Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis kann ebenfalls nicht bei den Fallstudien D, E, F oder H identifiziert werden. Durch die Fokussierung auf bestimmte Personen, welche neue Inhalte in das jeweilige Wissensmanagement-System einstellen können, haben die Unternehmen also eine implizite Definition des bewahrungswürdigen Wissens getroffen. Das Wissen anderer Mitarbeiter wird mithin als weniger wichtig angesehen. Eine derartige Beschränkung darf jedoch nicht mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Wissensmanagements verwechselt werden. So ist z. B. bei Fallstudie D das System speziell für die Mitarbeiter des Kundendienstes entwickelt worden, daher kann eine implizite Definition dort sicherlich nicht vorliegen. Implizite Definition: Prozess Eine weitere Erkenntnis aus der Fallstudienanalyse, welche durch die bisher existierende Theorie nicht abgedeckt wird, ist eine implizite Definition des wichtigen Wissens durch die Ausgestaltung des Wissensprozesses. Dies bedeutet, dass in manchen Unternehmungen durch den Prozess bestimmte Anlässe definiert werden, zu welchen neues Wissen in das Wissensmanagement-System gelangt. Auch hier konnten verschiedene Ausgestaltungen bei den betrachteten Unternehmen angetroffen werden.

211 So erfolgt bei den Fallstudien A und B die Wissensgenerierung zu/nach Ende eines abgeschlossenen Beratungsprojekts, andere Anlässe sind hingegen selten. Das Einstellen von Wissenselementen während der Projektlaufzeit ist nicht vorgesehen, auch vorläufige Einträge sind in beiden Fällen nicht üblich. Bei Fallstudie D werden neue Einträge ebenfalls lediglich zum Ende eines erfolgreichen KundendienstEinsatzes generiert, ansonsten jedoch nicht. Bei der Fallstudie E werden durch einen Mitarbeiterwechsel bzw. durch das Erreichen des Projektendes Anlässe definiert, wann Erfahrungen festgehalten werden sollen. Dies führt dazu, dass z. B. während des täglichen Geschäfts anfallende Erkenntnisse oder während der Laufzeit eines Projekts gewonnene Erfahrungen implizit als (noch) nicht wichtig angesehen werden. Auch bei Fallstudie F ist die Übergabe vom Vorgänger auf den Nachfolger bei einem Mitarbeiterwechsel ein Anlass, wichtige Wissenselemente zu definieren. Bei Fallstudie C hingegen kann eine Aussage nicht getroffen werden, da alle Mitarbeiter die prinzipielle Möglichkeit haben, Wissen einzustellen. Bei der Fallstudie H ist der Prozess bereits explizit definiert, eine implizite Definition kann daher hier nicht vorliegen. Der vorgesehene Prozess limitiert bei manchen Fallstudien also die bewusste Auseinandersetzung mit den Wissensinhalten auf bestimmte Anlässe wie z. B. einen Mitarbeiterwechsel. Dies mag einerseits ganz pragmatische Gründe haben (möglicherweise soll das Wissen dann „gerettet“ werden, wenn ein Mitarbeiter die Firma verlässt), hat jedoch auch den Effekt, dass auf verschiedene Inhalte implizit verzichtet wird. So wird in diesem letzten Beispiel das Wissen des Mitarbeiters als nicht in dem Wissensmanagement-System bewahrungswürdig angesehen, solange er noch ganz regulär für die Unternehmung arbeitet. Dies erscheint einerseits nachvollziehbar vor der Tatsache, dass er in dieser Zeit noch persönlich gefragt werden kann, hat jedoch den Nachteil, dass das Wissen nicht in dem Wissensmanagement-System vorliegt und daher möglicherweise nicht von allen Mitarbeitern entsprechend gefunden und genutzt werden kann. Festzuhalten bleibt, dass durch die gewählte Vorgehensweise hier eine implizite Definition vorliegt, welche das bewahrungswürdige, also wichtige Wissen von dem unwichtigen Wissen abgrenzt. Implizite Definition: Kritisches Wissen (Fehler) Ein weiterer Aspekt, wie wichtiges Wissen implizit definiert werden kann, wird daran deutlich, wie die Firmen mit gemachten Fehlern umgehen. Für manche Unterneh-

212

Fallstudienübergreifende Analyse

mungen sind gewonnene positive Erkenntnisse als auch eher kritische Erfahrungen (aufgetretene Probleme, gemachte Fehler) gleichermaßen von Bedeutung. So sollen bei Fallstudie B gemachte Fehler ebenfalls explizit mit in die Wissensbasis aufgenommen werden. Bei Fallstudie H sind die Erfahrungen aus den sog. „Schlüsselprojekten“, welche den Kern des Reaktors betreffen, sowie besonders teure Projekte bewahrungswürdig – insbesondere jedoch dann, wenn hierbei Fehler aufgetreten sind, die sich nicht wiederholen dürfen. Gleiches gilt für kritische Erfahrungen bei Fallstudie E. Für verschiedene andere Unternehmungen sind jedoch insbesondere erfolgreiche Lösungen wichtig, Fehler oder Misserfolge hingegen werden kaum im Wissensmanagement-System abgelegt. Bei den Fallstudien A und C werden hauptsächlich Erfahrungen aus erfolgreichen Projekten in das Wissensmanagement eingestellt, das Festhalten von Fehlern findet hingegen eher selten statt. Auch bei den Fallstudie D und F werden Fehler bzw. missglückte Herangehensweisen üblicherweise nicht festgehalten. Regelmäßig wird diese „Selbstbeschränkung“ mit dem Hinweis auf die Unternehmenskultur erklärt: „Das passt nicht in unsere Kultur, dass man so ehrlich mit ‚failures’ umgeht. […] Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so ehrlich ist und sagt: ‚Das Ding haben wir verbockt, und zwar aus dem und dem Grund, also macht es nächstes Mal bitte anders’.“665 Somit kann zusammenfassend festgehalten werden, dass auch durch den Umgang mit Fehlern und Misserfolgen eine implizite Definition vorliegen kann, was wichtiges Wissen für die jeweilige Unternehmung ist. Markierung im Nachhinein Eine weitere Erkenntnis, wie aus der Sicht der Unternehmung wichtiges Wissen identifiziert werden kann, ergibt sich aus den Fallstudien A und B. Hier wird zwar in einem ersten Schritt dezentral auf den einzelnen Projekten durch den jeweiligen Geschäftsführer bzw. Projektleiter beurteilt, ob es sich um (aus ihrer Sicht) wichtiges Wissen handelt, jedoch können in einem zweiten Schritt zusätzlich solche Wissenselemente hervorgehoben bzw. als Leuchtturmprojekte markiert werden, welche aus Sicht der relevanten „Community“ als besonders wertvoll empfunden werden. 665

Zitat Interview-Partner 3.

213 Damit ergibt sich eine zusätzliche Möglichkeit, wie aus Unternehmenssicht wichtiges Wissen von dem eher subjektiv wichtigen Wissen auf einem Projekt unterschieden werden kann. Zwar werden durch diese Herangehensweise möglicherweise unwichtige Inhalte nicht aus dem Wissensmanagement-System herausgehalten, jedoch werden als besonders wichtig empfundene Inhalte durch diese Auszeichnung von den anderen positiv herausgehoben.

Fazit: Durch die empirische Studie konnten verschiedene Möglichkeiten gefunden werden, wie Unternehmen das für sie wichtige von eher unwichtigem Wissen unterscheiden können. Auffällig hierbei ist, dass alle Fallstudien voneinander abweichende Ansätze haben. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass bereits im Rahmen der Fallauswahl auf eine heterogene Zusammensetzung der Untersuchungsobjekte geachtet wurde.666 Zum anderen wird aber auch deutlich, dass den Unternehmen je nach gewünschtem Wissensmanagement-Ansatz verschiedene Möglichkeiten offenstehen, wie bewahrungswürdiges Wissen identifiziert werden kann. Eine besondere Erkenntnis der Analyse ist hierbei, dass neben den expliziten Kriterien in den Unternehmen offensichtlich auch implizite Kriterien existieren. Diese stellen zusätzliche Aspekte dar, wie wichtiges Wissen definiert wird. Das Vorliegen solcher impliziten Kriterien muss nicht notwendigerweise gut oder schlecht sein, für eine holistische Analyse der Qualitätssicherung im Wissensmanagement müssen solche Aspekte jedoch ebenfalls betrachtet werden. Folgende Abbildung zeigt zusammenfassend die präzisierten Aussagen des Bezugsrahmens, wie Unternehmen das für sie wichtige Wissen identifizieren, sowie Beispiele für mögliche Ausgestaltungen und deren Auftreten in den Fallstudien:

666

Siehe Abschnitt 4.1.3.

214

Fallstudienübergreifende Analyse

Aussagen des präzisierten theoretischen Bezugsrahmens

Beispiele für mögliche Ausgestaltungen

Auftreten in der Fallstudie? A

B

C

D

E

F

H

Leitfragen Leitfragen / Vorgaben / Vor/ Kriterien gaben zur Selektion / Kriterien zur Selektion

Wissenslandkarte, Kriterien (z. B. Kosten)

./.

./.

./.

./.

Ja

./.

./

Beurteilung der Wichtigkeit durch Experten usw.

Geschäftsführer, erfahrene Projektleiter, Vorgesetzte

Ja

Ja

(Ja)

Ja

(Ja)

Ja

Ja

Orientierung an Bedarf der Nachfrager / Nutzer

Umfrage-Ergebnisse, Bedarf des Nachfolgers

./.

Ja

./.

./.

(Ja)

Ja

Ja

Implizite Definition

Personen, Prozesse, Unternehmenskultur, kritisches Wissen

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Markierung im Nachhinein

Hervorhebung, Auszeichnung als Leuchtturmprojekt

Ja

Ja

./.

./.

./.

./.

./.

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Zusammenfassung der Aussagen

Tabelle 20

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „wichtig“)667

Anhand dieser übergreifenden Betrachtung kann festgestellt werden, dass bei jeder Fallstudie mindestens eine Möglichkeit gefunden werden konnte, wie das jeweils wichtige und damit bewahrenswürdige Wissen identifiziert wird. Damit scheinen die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens zur Erklärung der Dimension „wichtig“ gut geeignet zu sein. Somit kann die zweite These folgendermaßen formuliert werden:

These 2: Zur Selektion bewahrungswürdigen Wissens können die Unternehmen explizite Kriterien vorgeben; durch die Ausgestaltung des WissensmanagementAnsatzes (z. B. Personen, Prozesse) kann wichtiges Wissen auch implizit definiert werden. Außerdem können Experten bzw. Wissensnachfrager die Mitarbeiter auf

667

Eigene Darstellung. Hier und im Folgenden wird durch „(Ja)“ eine Aussage gekennzeichnet, welche nur für Teile des Wissensmanagements zutrifft, wohingegen durch „Ja“ jeweils für alle Wissenselemente zutreffende Aussagen gekennzeichnet werden.

215 wichtiges Wissen hinweisen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, als besonders wichtig erkanntes Wissen im Nachhinein entsprechend zu markieren.

5.1.2

Dimension „richtig“

Bei der Dimension „richtig“ wird untersucht, wie die Unternehmen prüfen, ob die in das Wissensmanagement neu eingestellten Inhalte „richtig“ sind, also insbesondere inwieweit sich die gewonnenen Erfahrungen auf andere, ähnliche Problemstellungen übertragen lassen und daher verallgemeinerbar sind. Aus der Theorie heraus wurden zwei mögliche Ansätze identifiziert: eine experimentelle Evaluation sowie eine diskursive Prüfung des neuen Wissens.668 Im Folgenden werden diese theoretischen Überlegungen den Ergebnissen aus der empirischen Studie gegenübergestellt und diskutiert, welche neuen Erkenntnisse hieraus gewonnen werden können. Experimentelle Evaluation Zunächst kann versucht werden, das gewonnene neue Wissen in einem ähnlichen Kontext erneut einzusetzen und zu prüfen, ob es auch bei den neuen Rahmenbedingungen zum gewünschten Erfolg führt. Die neuen Erfahrungen werden in diesem Fall also experimentell evaluiert. Hierzu kann aus der Fallstudienanalyse festgestellt werden, dass eine solche Überprüfung lediglich in einem Unternehmen vorgenommen wird (Fallstudie D). Der Validator kann hier – zumindest in manchen Fällen – das in Form eines Tipps vorliegende Wissenselement an einer vergleichbaren Maschine reproduzieren und somit experimentell überprüfen, bevor er einen Tipp freigibt. Für alle anderen Fallstudien kann festgestellt werden, dass keine experimentelle Evaluation des Wissens stattfindet, bevor die Wissenselemente in die jeweilige Wissensbasis aufgenommen werden. Hierbei sei jedoch angemerkt, dass sich das Wissen durchaus nach Aufnahme in die Wissensbasis bewähren kann bzw. falsifiziert werden kann.669 Offensichtlich ist eine solche experimentelle Evaluation nur selten sinnvoll umsetzbar. So kann z. B. das bei einer Unternehmensberatung gewonnene Wissen eines Projekts aufgrund der hoch spezifischen Kundensituationen nur selten ohne größere Anpassungen auf einen anderen Kontext übertragen werden. Auch die experimentel-

668 669

Siehe Abschnitt 3.2. Hierauf wird im Rahmen der Diskussion zur Dimension “unrichtig” in Abschnitt 5.1.4 noch näher eingegangen.

216

Fallstudienübergreifende Analyse

le Überprüfung der Erfahrungen von Kernkraftwerkrückbauprojekten erscheint aufgrund der überschaubaren Anzahl an Fällen wenig sinnvoll zu sein. Trotzdem ist eine solche Art der Überprüfung nicht nur theoretisch denkbar, sondern kann auch in der Praxis beobachtet werden. Sicherlich lassen sich neben der betrachteten Fallstudie D verschiedene weitere Anwendungen finden, wo diese Art der Überprüfung eine sinnvolle Vorgehensweise darstellt – man denke etwa an Versuchsreihen bei Medikamenten – so dass die experimentelle Evaluation in ausgewählten Fällen durchaus ihre Berechtigung zur Prüfung neuer Erkenntnisse haben kann. Diskursive Prüfung Als Alternative zu der experimentellen (praktischen) Evaluation der gewonnenen Erfahrungen konnte in den Unternehmen häufig eine diskursive Prüfung angetroffen werden. Hierbei werden die neuen Erkenntnisse auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft und auf ihre weitere Möglichkeit der Nutzung hinterfragt. Auch hier konnten ganz verschiedene Ausprägungen bei den untersuchten Fallstudien identifiziert werden. Bei der Unternehmensberatung A werden die Erkenntnisse aus der Projektarbeit durch die teilnehmenden Berater erstellt und diskutiert, und dann durch den zuständigen Geschäftsführer freigegeben. Ein neutraler Diskurs findet hingegen nicht statt. Anders sieht es bei den Kernpräsentationen aus: diese werden durch die Experten der jeweiligen „Community“ diskutiert und können damit als qualifiziertes Wissen gelten. Unternehmensberatung B geht hier einen Schritt weiter und diskutiert im Rahmen der Projektabschlussbesprechung auch mögliche Anwendungen der erarbeiteten Projekterkenntnisse außerhalb des Kontexts des eigentlichen Projekts. Allerdings kann auch diese Vorgehensweise einen neutralen Diskurs (z. B. durch „Peers“ oder Experten) nicht ersetzen: durch den Diskurs innerhalb des Projektteams bleiben die Erfahrungen im Kontext verhaftet. Leuchtturmprojekte hingegen werden durch die jeweilige „Community“ mit zusätzlichen Ressourcen mit dem Ziel der Wiederverwendung aufbereitet, womit auch hier qualifiziertes Wissen erarbeitet wird. Ein solches zweistufiges Vorgehen kann auch bei Unternehmensberatung C identifiziert werden. Während normale Wissenselemente durch die freizügige Praxis des Einstellens wohl eher selten einem Diskurs unterworfen waren, werden die Kerndokumente in den „Communities“ durch die jeweiligen Experten erstellt und diskutiert und können somit als qualifiziertes Wissen angesehen werden.

217 Bei den drei Beratungsunternehmen (Fallstudien A, B und C) wird also kein systematischer Review der eingestellten Projekterfahrungen vorgenommen. Eine regelmäßige Prüfung des auf den Projekten erzeugten Wissens durch Dritte wird durch alle drei Unternehmen als nicht sinnvoll erachtet. Hierbei scheint v. a. die Komplexität der erarbeiteten Problemlösungen eine Rolle zu spielen. So wird angegeben, dass die Wissensmanager üblicherweise nicht genug Expertise haben, um die inhaltliche Richtigkeit zu beurteilen, weshalb sich ihre Überprüfung üblicherweise auf formale Aspekte beschränkt. Eine inhaltliche Beurteilung durch Experten hingegen erfordert den intensiven Einsatz von Ressourcen (Zeit und damit Geld) und wird daher ebenfalls nicht regelmäßig durchgeführt. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Heterogenität der Kundensituationen und der damit verbunden Vielfalt an Problemlösungsansätzen nachvollziehbar, ist doch eine unmittelbare Wiederverwendung eher unwahrscheinlich. Allerdings gibt es in jeder der drei Unternehmensberatungen besondere Wissenselemente, welche durch Experten nochmals aufbereitet und diskursiv geprüft werden: Dies sind die Kernpräsentationen (Fallstudie A), die Leuchtturmprojekte (Fallstudie B) bzw. die Kerndokumente (Fallstudie C). Dieser Kompromiss, denn die drei Unternehmen für sich gefunden haben, sieht zwar in der konkreten Ausgestaltung in jeder Unternehmensberatung etwas anders aus, jedoch lassen sich folgende Gemeinsamkeiten feststellen: x

Die Mitglieder der jeweiligen „Community“ (bzw. bestimmte Gruppen hieraus) wählen die Themen (z. B. bestimmte Problemlösungsverfahren aus Projekten) aus, bei welchen aus ihrer Sicht eine weitere Generalisierung nutzbringend erscheint.

x

Diese Themen werden in einem Team aus Beratern und/oder Experten zu einem vom ursprünglichen Kontext losgelösten Dokument aufbereitet.

x

Das entstandene Dokument wird dann innerhalb der „Community“ diskutiert und anschließend in das Wissensmanagement eingestellt.

Eine systematische Hinterfragung aller neu erzeugten Inhalte ist hingegen bei Fallstudie D vorgesehen. Hier haben die Validatoren die Aufgabe, alle neu in das System eingestellten Tipps (ggf. unter Hinzuziehung weiterer Experten) zu hinterfragen und freizugeben, bevor diese für die anderen Nutzer sichtbar sind. Eine derartige Prüfung scheint aufgrund der geringeren Komplexität und der Kürze der Tipps deutlich weniger Zeit in Anspruch zu nehmen, weshalb hier eine systematische Prüfung möglich ist und auch durchgeführt wird.

218

Fallstudienübergreifende Analyse

Bei Fallstudie E werden drei Qualitätsrunden durchlaufen. So wird in einem ersten Schritt bereits in einem Team gemeinsam das gewonnene Wissen erarbeitet (bei Projekterfahrungen) bzw. durch den Nachfolger hinterfragt (bei Übergabegesprächen). Die so generierten Wissensobjekte werden an den Wissensmanager weitergeleitet, welcher eine inhaltliche Kontrolle durchführt und Konflikte zu bestehenden Prozessen und Vorschriften aufzudecken hat. Zusätzlich ist zur endgültigen Freigabe die Einwilligung eines offiziell ernannten Experten erforderlich. Bei Fallstudie H können sogar vier Qualitätssicherungsschritte identifiziert werden: zuerst erfolgt die Erstellung des Wissenselemente durch eine entsprechend qualifizierte Person. Dieses wird dann durch den Wissensmanager redaktionell sowie auf grobe inhaltliche Fehler geprüft. In einem dritten Schritt hat der Vorgesetzte das Wissen freizugeben. Das Wissen wird dann an definierte relevante Personen geschickt, welche nochmals die Möglichkeit haben, ihr „Feedback“ hierzu abzugeben. Im Gegensatz zu den Unternehmensberatungen (Fallstudien A, B und C) kann also bei den Unternehmen D, E und H beobachtet werden, dass systematisch alle neuen Wissensinhalte geprüft werden – bei den Fallstudien E und H sogar gleich mehrfach. Hierfür erscheinen mehrere Erklärungen denkbar (wie z. B. die Sicherheitsrelevanz des Wissens), auf welche später noch genauer eingegangen wird.670 Bei Fallstudie F hingegen ist die Qualitätssicherung weniger ausgeprägt, was v. a. der dezentralen Organisation des Wissensmanagements zuzurechnen ist. Zwar kann der Nachfolger bei einem Übergabegespräch die Ausführungen seines Vorgängers hinterfragen, jedoch ist eine Freigabe durch den Vorgesetzten nur in wenigen Teilbereichen erforderlich. Der Wissensmanager spielt hier ebenfalls eine eher untergeordnete Rolle, da er die Qualität der Wissensinhalte üblicherweise nicht beurteilen kann. Auffällig sind nicht nur die sehr heterogenen Ansätze zu Art und Umfang der Prüfung neuer Inhalte bei den Unternehmen, sondern auch die Unterschiede in der Bedeutung des Wissensmanagers. Während sich bei den Fallstudien A, B, C, D und F dessen Rolle eher auf die Eigenschaft als Katalysator beschränkt, welcher die Wissensmanagement-Aktivitäten am Laufen hält und auf die Einhaltung der Prozesse achtet, ist bei Fallstudie H diese Person mehr in den Wissensprozess einbezogen und kann die Qualität zumindest grob beurteilen. Bei Fallstudie E ist der Grad der Involvierung in die Qualitätssicherung am höchsten: hier hat der Wissensmanager sowohl die neuen Wissenselemente auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu prüfen, als 670

Siehe Abschnitt 5.2.

219 auch sicherzustellen, dass sich keine Konflikte mit bereits vorhandenen Vorgaben ergeben.

Fazit: Die Prüfung neuer Wissensinhalte erfolgt in verschiedener Intensität und scheint somit für die Unternehmen von unterschiedlicher Bedeutung zu sein. Jedoch konnte im Rahmen der empirischen Studie festgestellt werden, dass in allen untersuchten Fallstudien eine (zumindest teilweise) Prüfung vorliegt, welche durchlaufen werden muss, bevor neue Erkenntnisse in das Wissensmanagement-System eingestellt werden. In einigen Unternehmen kann alternativ oder ergänzend eine experimentelle Evaluation neuen Wissens durchgeführt werden. Für die Dimension „richtig“ können die Ergebnis folgendermaßen zusammengefasst werden: Aussagen des präzisierten theoretischen Bezugsrahmens

Beispiele für mögliche Ausgestaltungen

Experimentelle Evaluation

Validator

Diskursive Prüfung

Projektteam, Vorgesetzte, benannte Experten

Zusammenfassung der Aussagen

Tabelle 21

Auftreten in der Fallstudie? A

B

C

D

E

F

H

./.

./.

./.

(Ja)

./.

./.

./

(Ja)

(Ja)

(Ja)

Ja

Ja

(Ja)

Ja

(Ja)

(Ja)

(Ja)

Ja

Ja

(Ja)

Ja

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „richtig“)671

Die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens scheinen damit gut geeignet zur Erklärung der Dimension „richtig“ zu sein. Daher lässt sich folgende These ableiten:

These 3: Unternehmen können durch eine diskursive Prüfung neue Wissenselemente auf ihre Richtigkeit hinterfragen. Auch können neue Erkenntnisse in manchen Fällen experimentell evaluiert werden.

671

Eigene Darstellung.

220 5.1.3

Fallstudienübergreifende Analyse Dimension „relevant“

Der dieser Arbeit zugrunde liegende Ansatz geht davon aus, dass das Wissen, wenn es einmal erzeugt und in das Wissensmanagement-System eingestellt wurde, erst dann seine Wirkung und die damit verbundenen Effizienzgewinne realisieren kann, wenn es von den Mitarbeitern des Unternehmens zunächst gefunden werden kann und dann als so für die konkrete Problemstellung relevant angesehen wird, dass es auch tatsächlich genutzt wird. Daher werden im Folgenden diese drei Schritte separat diskutiert. Der Schwerpunkt aus Unternehmenssicht liegt zwangsläufig auf der tatsächlichen Nutzung (erst dann lassen sich die erhofften Vorteile realisieren), weshalb auf diesen Aspekt besonders ausführlich eingegangen wird. Auffinden des Wissen Zwei Vorgehensweisen konnten ursprünglich herausgearbeitet werden, wie ein Nutzer potentiell relevantes Wissen finden kann: zum einen kann er eine (Volltext-) Suche nach Wissenselementen durchführen, welche einen bestimmten Begriff enthalten, zum anderen kann er systematisch anhand vordefinierter Kategorien nach geeigneten Inhalten suchen.672 Alle Unternehmen haben eine Suchfunktion implementiert, mit welcher die Dokumente bzw. deren Zusammenfassungen nach den vom Benutzer eingegebenen Begriffen durchsucht wird. Ebenso sind bei fast allen Fallstudien Kategorien definiert, zu welchen die Dokumente zugeordnet sind. Diese Kategorien werden zwar meist unterschiedlich bezeichnet673, haben jedoch immer die Aufgabe, thematisch zusammen gehörende Dokumente zu einer Gruppe (Kategorie) zu bündeln, um so dem Nutzer schnell einen Überblick über das vorhandene Wissen zu geben. Ergänzend konnte ein weiterer Aspekt identifiziert werden. Zusätzlich zu der beschriebenen Nachfrage nach Wissenselementen durch den Nutzer („Pull“) wurde bei der Fallstudie E zusätzlich eine Möglichkeit geschaffen, wie das bereits vorhandene Wissen aktiv in neue Projekte hineingetragen werden kann („Push“). Durch den Wissenskoordinator werden hierbei aus der Wissensbasis aus seiner Sicht geeignete Wissenselemente ausgewählt und den neuen Projektmitgliedern vorgestellt. Diese können dann entscheiden, ob und wie sie dieses bereits vorhandene Wissen in dem

672 673

Siehe Abschnitt 3.3. So werden diese z. B. bei den Unternehmensberatungen „Topic“ (Fallstudie A), „Querschnitt“ (Fallstudie B) bzw. „Thesaurus“ (Fallstudie C) genannt.

221 neuen Projekt wieder verwenden wollen. Die potentiell relevanten Inhalte werden also durch den Wissensmanager aktiv in das neue Projekt hineingetragen. Bewertung der Relevanz Die Mitarbeiter überlegen im Anschluss, welche der Wissenselemente aus ihrer Sicht relevant, d. h. in ihrem konkreten Problemkontext anwendbar sind. Üblicherweise diskutieren sie diese Frage zusammen mit ihren Team-Kollegen, sie haben jedoch auch die Möglichkeit, durch Rücksprache bei den Autoren der jeweiligen Dokumente zusätzliche Informationen einzuholen. Die Fallstudienuntersuchung hat gezeigt, dass zusätzlich in der unternehmerischen Praxis zwei weitere Wege relativ häufig vorkommen und auch bei den Fallstudien regelmäßig angetroffen werden können: die Orientierung an besonders aufbereiteten Inhalten sowie die an der Einschätzung von Experten. So orientieren sich z. B. Berater (Fallstudien A, B und C) regelmäßig an den durch die „Communities“ besonders aufbereiteten Wissenselementen (den sog. „Kernpräsentationen“, „Leuchtturmprojekten“ bzw. „Kerndokumenten“), bevor sie individuelle Projekterkenntnisse heranziehen. Dieses Vorgehen vom Allgemeinen zum Speziellen scheint v. a. aus zwei Gründen sinnvoll zu sein: einerseits können sich die Berater zunächst auf das in der „Community“ akzeptierte Wissen konzentrieren, welches bereits diskursiv geprüft wurde, andererseits können sie die Inhalte der Dokumente mit einem Fokus auf spezielle Aspekte im Anschluss besser beurteilen. Außerdem konnte beobachtet werden, dass die Hilfe von Experten in den jeweiligen „Communities“ auch regelmäßig angenommen wird. Diese scheinen hier zwei Rollen zu vereinen: einerseits können sie aufgrund ihrer Erfahrung eine konkrete Problemstellung einschätzen und den Mitarbeitern die für sie relevanten Wissenselemente aufzeigen, andererseits stehen sie auch für Rückfragen zur Verfügung, wenn spezielle Aspekte nicht (bzw. nicht ausreichend) durch die vorhandenen Dokumente in der Wissensbasis erklärt werden. Bei Fallstudie F kann gut beobachtet werden, dass der direkte Kontakt abhängig von der Seniorität in dem Unternehmen ist. Während jüngere Mitarbeiter angewiesen werden, zuerst das in der Wissensbasis vorhandene Wissen zu nutzen, bevor sie einen Experten ansprechen, bevorzugen die älteren Mitarbeiter den direkten Kontakt und nutzen das Netzwerk, welches sie im Laufe der Zeit geknüpft haben. Ein solches Vorgehen konnte lediglich bei Fallstudie D nicht identifiziert werden. Da der Kundendienst-Techniker üblicherweise alleine beim Kunden ist, treten solche

222

Fallstudienübergreifende Analyse

Diskussionen selten auf, welcher Problemlösungsansatz am besten geeignet ist. Die Mitarbeiter hinterfragen die Tipps selbst auf ihre Anwendbarkeit, bzw. probieren alternativ einfach alle Lösungsmöglichkeiten nacheinander aus. Üblicherweise finden Rückfragen erst dann statt, wenn die Techniker trotz eigener Expertise und der Tipp-Datenbank keine Lösung gefunden haben. Nutzung des Wissens Bedeutsam für den Erfolg des Wissensmanagements ist jedoch insbesondere, dass das in der Wissensbasis vorhandene Wissen nicht nur potentiell, sondern auch tatsächlich relevant ist, also auch tatsächlich genutzt wird – erst dann liegt auch Qualität aus Nutzersicht vor. Um herauszufinden, ob und welche Wissenselemente genutzt wurden, konnten aus der Theorie heraus vier Herangehensweisen identifiziert werden: technische Auswertungen, „Rating“-Formulare, Querverweise und Kommentare der Nutzer.674 Ob und inwieweit diese auch in den untersuchten Fallstudien auftreten, wie die Instrumente dort eingesetzt werden, und ob noch weitere Ansätze gefunden wurden, wird im Folgenden beschrieben und diskutiert. Technische Auswertungen Technische Auswertungen bieten eine leicht umsetzbare Maßnahme, um herauszufinden, welche Inhalte der Wissensbasis besonders häufig nachgefragt werden. Solche Auswertungen geschehen insbesondere durch die Zählung von Seitenabrufen bzw. „Downloads“. Eine hohe Anzahl an „Downloads“ wird lediglich bei Fallstudie A beachtet. Die Mitglieder der „Community“ können in diesem Fall das Dokument zusätzlich hervorheben, wenn es als ausreichend interessant angesehen wird. Bei den Fallstudien A und C kann eine geringe Anzahl an „Downloads“ für den Wissensentsorgungsprozess bedeutsam sein. Bei den anderen Fallstudien werden diese Kennzahlen entweder nicht erhoben oder (falls sie erhoben werden) nicht ausgewertet. Offensichtlich jedoch ist die Aussagekraft solcher Auswertungen begrenzt. Nur das Aufrufen bzw. Herunterladen von Wissenselementen bedeutet nicht, dass diese dann auch tatsächlich genutzt wurden – möglicherweise stellt der Mitarbeiter nach Sichtung der Inhalte fest, dass diese doch nicht auf seine Problemstellung anwendbar sind, trotzdem wurde die Zählung um eine Einheit erhöht. Technische Auswertungen können daher lediglich Indikatoren darstellen. Möglicherweise ist dies ein Grund,

674

Siehe Abschnitt 3.3.

223 weshalb nur bei zwei Fallstudien das Ergebnis der Auswertung eine Folge für den jeweiligen Inhalt hat (Hervorhebung bei besonders vielen bzw. Löschung bei besonders wenigen Seitenaufrufen). Zwar sind solche technischen Auswertungen leicht zu realisieren, ihre Aussagekraft scheint jedoch begrenzt zu sein. „Rating“-Formulare „Rating“-Formulare spielen bei den betrachteten Unternehmen ebenfalls keine signifikante Rolle. Lediglich bei einer Fallstudie konnte eine (aus lediglich einer Dimension bestehende) Möglichkeit gefunden werden, wie Nutzer die Qualität bzw. Relevanz eines Wissenselements bewerten können: ein solches „Rating“ wird bei Fallstudie D durch das „Daumen hoch / Daumen runter“-System umgesetzt. Eine Bewertung ist hierdurch zwar möglich, sie wird jedoch nicht durch die Kundendienst-Techniker genutzt. Obwohl die Funktion unkompliziert anzuwenden ist, wird sie wird von den Nutzern jedoch fast nicht angenommen. Als Begründung wurde insbesondere genannt, dass die Mitarbeiter nach der erfolgten Problemlösung häufig vergessen, eine solche Bewertung abzugeben. Ergänzend ist jedoch auch die Frage zu stellen, welche Aussagekraft eine solche Bewertung besitzt, denn: x

wenn der Tipp in einem Fall erfolgreich war („Daumen hoch“), ist er deshalb nicht zwangsläufig relevanter als andere Tipps,

x

falls er nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat („Daumen runter“), heißt das nicht, dass es deshalb ebenfalls für anderen Problemstellungen ungeeignet ist, und

x

wenn lange Zeit keine Bewertung abgegeben wurde, so bedeutet das nicht, dass der Tipp unnötig ist: möglicherweise wurde nur vergessen, das System zu nutzen, oder evtl. wurde ein anderer Tipp zuerst ausprobiert, der vielleicht das Problem schon gelöst hat.

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass „Rating“-Formulare weder aus theoretischer Sicht gut zur Messung der Qualität bzw. Relevanz geeignet sind, noch in den untersuchten Fallstudien systematisch eingesetzt werden. Querverweise Durch Querverweise besteht ebenfalls die Möglichkeit festzustellen, welches Wissen tatsächlich genutzt wurde: wenn ein neues Wissensobjekt erzeugt wird, welches

224

Fallstudienübergreifende Analyse

den Inhalt eines bereits bestehenden Wissensobjekts aufgreift (und dieses Wissen somit also tatsächlich genutzt wurde), dann kann ein Verweis von dem neuen auf das alte Wissensobjekt erfolgen. Eine solche Möglichkeit der Auswertung konnte nur in einem Unternehmen festgestellt werden: Fallstudie B hat soeben damit begonnen, Verweise bei den Leuchtturmprojekten einzuführen. Wenn ein Projekt auf Basis der Erkenntnisse eines Leuchtturmprojekts durchgeführt wurde, besteht die Möglichkeit, eine Verknüpfung zu dem zugrundeliegenden Leuchtturmprojekt zu erstellen. Aufgrund der erst vor kurzem erfolgten Einführung sind jedoch diesbezüglich noch keine detaillierten Erkenntnisse vorhanden. Daher können für diese Arbeit noch keine verallgemeinerbaren Schlüsse gezogen werden. Kommentare der Nutzer Als vierte aus der Theorie abgeleitete Möglichkeit zur Identifizierung, welches Wissen des Wissensmanagement-Systems tatsächlich wieder genutzt wurde, sind Kommentare der Nutzer denkbar. Die Mitarbeiter können in speziellen Eingabefeldern ihre Erfahrungen mit den zugehörigen Wissensinhalten hinterlassen und hierbei auch darauf eingehen, ob und wie das Wissen für sie nützlich war. Solche Kommentarfelder werden in verschiedenen Unternehmen eingesetzt. Bei den Fallstudien E und F wird die Funktion durch die Nutzer in geringem Umfang angenommen. Diese hinterlassen jedoch insbesondere fachlich-inhaltliche Kommentare; Hinweise zu Art und Umfang der Wiederverwendung eines Wissenselements sind eher unüblich. Bei Fallstudie H wurde die Funktion bereits implementiert, jedoch ist aufgrund des kleinen Personenkreises bisher kein Prozess hierzu vorgesehen; sie wurde daher auch nicht genutzt. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass bei den untersuchten Unternehmen diese Möglichkeit des Schreibens von Kommentaren entweder gar nicht vorgesehen ist oder kaum angenommen wird. Selbst bei solchen Fallstudien, bei welchen Kommentarmöglichkeiten prinzipiell vorgesehen sind (Fallstudien E, F und H), hinterlassen die Nutzer üblicherweise keine Kommentare dazu, ob bzw. wie sie die Wissenselemente genutzt haben; häufig werden fachlich-inhaltliche Ergänzungen geschrieben. Folgende, eher persönlich motivierte Erklärungen wurden hierfür gefunden: x

In einem Arbeitsumfeld, in welchem ein kompetitives Umfeld herrscht, wird nur selten jemand gelobt, der einem möglicherweise in Bezug auf die Karriere im Weg stehen könnte.

225 x

Mitarbeiter geben nicht gerne zu, dass sie etwas neu gelernt haben, sondern haben das „sowieso schon gewusst“.

x

Eine solche Bewertung wird durch die Mitarbeiter teilweise als „lästig“ empfunden.

Manuelle Auswertung Bei der Fallstudie E konnte eine zusätzliche Maßnahme identifiziert werden, welche bislang nicht durch die existierende Theorie abgedeckt wird. So können in dem Unternehmen E, in welchem die Wissensmanager potentiell relevantes Wissen aktiv in das neue Projekt hineintragen („Push“), diese die tatsächlich wieder genutzten Wissenselemente manuell auswerten. Sie können damit bei der Diskussion relevanter Inhalte auf solche Themen besonders hinweisen. Die technische Auswertung relevanter Wissensinhalte wird also ergänzt durch die Möglichkeit einer manuellen Erhebung.

Fazit: Im Rahmen der Diskussion konnte herausgearbeitet werden, dass die Mitarbeiter das Wissen zunächst finden müssen und dann dessen Relevanz für die aktuelle Problemstellung bewerten müssen, bevor das Wissen schließlich verwendet werden kann. Um herauszufinden, welche Inhalte tatsächlich wieder genutzt wurden, konnten in den Unternehmen verschiedene Herangehensweisen identifiziert werden: technische und manuelle Auswertungen, „Rating“-Formulare, Querverweise und Kommentare der Nutzer. Hierbei wurde deutlich, dass eine solche Ermittlung der Relevanz der Inhalte aus verschiedenen Gründen häufig problembehaftet ist. So können z. B. einige Auswertungen lediglich als Indikator dienen, auch ist die Bewertung durch die Nutzer wenig aussagekräftig. Trotzdem scheint die Ermittlung der Relevanz von Bedeutung für die Unternehmen zu sein: folgende Tabelle zeigt zusammenfassend für die Dimension „relevant“, dass in allen Fallstudien eine Möglichkeit vorhanden ist, wie die Unternehmen versuchen, relevantes Wissen zu ermitteln.

226

Fallstudienübergreifende Analyse

Aussagen des präzisierten theoretischen Bezugsrahmens

Beispiele für mögliche Ausgestaltungen

Auftreten in der Fallstudie? A

B

C

D

E

F

H

Technische Auswertungen

Anzahl Seitenabrufe, Alter

Ja

Ja

Ja

./.

Ja

./.

Ja

„Rating“-Formulare

„Daumen hoch / Daumen runter“

./.

./.

./.

Ja

./.

./.

./.

Querverweise

Verknüpfungen zu Projekten

./.

(Ja)

./.

./.

./.

./.

./.

Kommentare der Nutzer

Kommentarfelder

./.

./.

./.

./.

Ja

Ja

Ja

Manuelle Auswertungen

Durch WMgr, welche Wissen aktiv in neue Projekte hineintragen („Push“)

./.

./.

./.

./.

(Ja)

./.

./.

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Zusammenfassung der Aussagen

Tabelle 22

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „relevant“)675

Allgemein scheinen die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens zur Beschreibung der Dimension „relevant“ gut geeignet zu sein. Damit kann folgende vierte These formuliert werden:

These 4: Unternehmen können mit Hilfe von technischen Auswertungen und „Rating“-Formularen Hinweise auf genutzte Wissenselemente erhalten. Die tatsächliche Nutzung kann durch Querverweise, Kommentare und manuelle Auswertungen festgehalten werden. Die Aussagekraft ist hierbei jedoch häufig begrenzt.

5.1.4

Dimension „unrichtig“

Durch neueres Wissen können die bereits in der Wissensbasis vorhandenen Inhalte überholt werden. Daher ist es erforderlich, die Wissenselemente auf solches unrichtige Wissen hin zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Aus der Theorie heraus konnten hierfür zwei mögliche Wege abgeleitet werden. Zum einen können Kommentare von Nutzern auf unrichtige Inhalte hinweisen, zum anderen besteht die 675

Eigene Darstellung.

227 Möglichkeit einer systematischen Überprüfung der Wissensbasis durch Experten der „Communities of Practice“ bzw. der jeweiligen Autoren selbst.676 Hinweise der Nutzer Die Mitarbeiter der Unternehmung sollen das in dem Wissensmanagement-System vorgehaltene Wissen nach Möglichkeit wieder verwenden und so durch die Vermeidung von Doppelarbeit Zeit und Kosten sparen. Bei der Überprüfung der Relevanz des Wissens oder auch der unmittelbaren Anwendung kann es sein, dass sich die Wissenselemente als „unrichtig“ herausstellen, z. B. weil neue Rahmenbedingungen (z. B. Gesetzeslage) vorherrschen oder eine Übertragung auf den neuen Problemkontext nicht ohne weiteres möglich ist. In einem solchen Fall könnten die Nutzer ihre Erfahrungen wieder in das Wissensmanagement zurückfließen lassen. Die Ergebnisse der empirischen Studie zeigen, dass die Unternehmen mit solchen Erkenntnissen höchst unterschiedlich umgehen. Bei den Fallstudien A und C werden einmal eingestellte Projekterfahrungen nicht mehr geändert. Wenn Probleme oder Rückfragen auftreten, werden diese üblicherweise direkt mit den Autoren bzw. Experten diskutiert, die Ergebnisse dieser Diskussion fließen jedoch nicht in die Wissensbasis zurück. Ein formaler „Feedback“Mechanismus in Form von Kommentaren ist ebenfalls nicht vorgesehen. Auch bei Fallstudie D sind keine formalen „Feedback“-Mechanismen implementiert. Die theoretische Möglichkeit einer (informellen) E-Mail an den Autor wird in der Praxis ebenfalls kaum genutzt. Die Nutzer können bei Fallstudie E Kommentare zu einzelnen Wissenselementen hinterlassen, was jedoch nicht sehr häufig gemacht wird. Falls jedoch kritische Kommentare vorliegen, hat der Wissensmanager die Aufgabe, die Diskrepanz zusammen mit dem Nutzer und dem Autor der Erfahrung zu beseitigen. Auch bei Fallstudie F haben die Mitarbeiter die (wenig genutzte) Möglichkeit, bei Problemen entsprechende Kommentare zu hinterlassen. Diese fließen bei der nächsten Aktualisierung durch den Autor mit ein. Bei Fallstudie H besteht zwar ebenfalls die Möglichkeit, dass Mitarbeiter Kommentare hinterlassen, diese wird jedoch aufgrund der geringen Anzahl an betroffenen Personen bisher nicht genutzt. Dafür sieht der Prozess zur Korrektur unrichtigen Wissens bei Fallstudie H derzeit vor, dass der Nutzer auf den jeweils zuständigen 676

Siehe Abschnitt 3.4.2.

228

Fallstudienübergreifende Analyse

Wissensbereichsverantwortlichen zugeht und diesen über Probleme informiert. Dieser wiederum hat dann die Aufgabe, diese Diskrepanz in seiner jeweiligen „Community of Practice“ zu diskutieren und das Ergebnis hieraus in den Extrakt des betroffenen Wissenselements einzupflegen. Bei Fallstudie B kann während der Reflektion im Rahmen der Projektabschlussbesprechung durch das Projektteam festgestellt werden, dass Diskrepanzen zwischen den eigenen Projektergebnissen und der existierenden Wissensbasis bestehen. In diesem Fall werden diese Differenzen mit den Autoren des betroffenen Dokuments diskutiert. Das Ergebnis der Diskussion präzisiert dann die neue Projekterfahrung, es fließt zusätzlich auch in das bereits existierende Dokument ein, so dass in diesem Fall eine Aktualisierung vorliegt. Ein ähnlicher Ansatz lässt sich bei Fallstudie F identifizieren: wenn hier Diskrepanzen auftreten, welche die Beteiligten nicht selbst lösen können, werden durch die Erfahrungsnutzer die jeweiligen Experten zu einer Diskussion dieser Probleme eingeladen, das Ergebnis (üblicherweise in Form eines Protokolls) wiederum wird als neue, verbindliche Unterlage im Wissensmanagement abgelegt. Im Hinblick auf das „Feedback“ von Nutzern lässt sich zusammenfassend also feststellen, dass die Unternehmen hier verschiedene Ansätze verfolgen. Lediglich bei den Unternehmen A und C ist kein formelles Verfahren vorgesehen, wie Nutzer auf aus ihrer Sicht unrichtige Inhalte aufmerksam machen. Bei anderen Unternehmen können die Mitarbeiter ihre eigenen Erfahrungen mit Hilfe von Kommentarfeldern zu den einzelnen Wissenselementen hinterlassen (Fallstudien E, F und H). In einigen Fällen ist die Überprüfung besonders intensiv: hier werden als unrichtig angesehene Inhalte in einer größeren Gruppe zusammen mit den Autoren diskutiert und dann je nach Ergebnis überarbeitet bzw. ergänzt (Fallstudien B und F). Durch diese gemeinsame Diskussion und Aktualisierung liegt hier also eine (erneute) diskursive Prüfung vor. Regelmäßige Prüfung Die Alternative zu einer Hinterfragung durch die Nutzer stellt eine regelmäßige und systematische Überprüfung durch weitere, hierzu bestimmte Personen dar. Auch hier ist eine sehr heterogene Ausgestaltung bei den Unternehmen der Fallstudienuntersuchung zu beobachten. Bei Fallstudie B haben die Wissensmanager die Aufgabe, das Wissen ihrer jeweiligen „Community“ mindestens halbjährlich zu überprüfen, und bei Widersprüchen

229 diese gemeinsam mit den Mitgliedern der „Community“ zu diskutieren und die Dokumente ggf. entsprechend zu überarbeiten. Die Validatoren bei Fallstudie D haben ebenfalls die Richtigkeit der vorhandenen Tipps regelmäßig zu hinterfragen. So sollen z. B. widersprüchliche Aussagen in Tipps dahingehend überprüft werden, ob tatsächlich beide Herangehensweisen möglich sind. Auch der Wissensmanager bei Fallstudie E überprüft die Wissensbasis regelmäßig, wobei dieser nicht nur die Kommentare auszuwerten hat, sondern auch Widersprüche zu offiziellen Vorgehensweisen erkennen muss. Bei Fallstudie H hat der Wissensbereichsverantwortliche die Aufgabe, die Elemente seines Bereichs mindestens jährlich zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Ein solches systematisches Vorgehen existiert bei den Unternehmen A und C für die Erfahrungen aus durchgeführten Projekten nicht. Jedoch werden hier zumindest die Kernpräsentationen bzw. Kerndokumente durch die jeweiligen verantwortlichen Experten üblicherweise jährlich überprüft und ggf. aktualisiert. Bei Fallstudie F wird ein etwas abweichender Ansatz verfolgt. Statt einer Aktualisierung durch einen Wissensmanager wird hier der Autor nach dem von ihm definierten Zeitraum kontaktiert mit der Aufgabe, seine jeweiligen Einträge zu überprüfen und diese – falls sie in der Zwischenzeit unrichtig geworden sind – zu aktualisieren. Dies trifft jedoch nur für solche Wissenselemente zu, bei welchen ein solches Wiedervorlagedatum definiert wurde (andere Elemente werden typischerweise ignoriert), so dass hier ebenfalls zumindest eine teilweise Aktualisierung vorliegt.

Fazit: Es kann festgestellt werden, dass auch in dieser Dimension sehr heterogene Ansätze bei den Fallstudien verfolgt werden, wie mit unrichtigen Wissensinhalten umgegangen wird. Es fällt jedoch auf, dass in allen Unternehmen die Wissensbasis mehr oder weniger regelmäßig durch eine oder mehrere Personen überprüft wird und bei Diskrepanzen eine Aktualisierung angestoßen wird. Ergänzend oder als Alternative können in manchen Fällen auch die Nutzer auf unrichtige Inhalte aufmerksam machen („Feedback“), wobei jedoch festgestellt werden konnte, dass eine solche Möglichkeit nur sehr selten wahrgenommen wird. Zusammenfassend lassen sich die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens folgendermaßen darstellen:

230

Fallstudienübergreifende Analyse

Aussagen des präzisierten theoretischen Bezugsrahmens

Beispiele für mögliche Ausgestaltungen

Auftreten in der Fallstudie? A

B

C

D

E

F

H

„Feedback“ durch Nutzer

Diskrepanzen zu Projekterfahrungen, Kommentarfelder

./.

Ja

./.

./.

Ja

Ja

Ja

Regelmäßige Überprüfung der Wissensbasis

Experten, Wissensmanager, Autoren

(Ja)

Ja

(Ja)

Ja

Ja

(Ja)

Ja

(Ja)

Ja

(Ja)

Ja

Ja

Ja

Ja

Zusammenfassung der Aussagen

Tabelle 23

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „unrichtig“)677

Die Auswertung ergibt somit, dass in allen Fällen eine Möglichkeit besteht, unrichtige Wissenselemente zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens scheinen also gut geeignet zur Beschreibung der Dimension „unrichtig“ zu sein. Damit lässt sich folgende These formulieren:

These 5: Zur Aktualisierung des vorhandenen Wissens kann die Wissensbasis regelmäßig durch definierte Personen auf unrichtiges Wissen überprüft werden. Zusätzlich können die Nutzer Hinweise auf solche überholten Inhalte geben.

5.1.5

Dimension „unwichtig“

Aus der Theorie heraus konnten drei Wege beschrieben werden, wie unwichtiges Wissen identifiziert und ggf. gelöscht werden kann. Dies sind einerseits automatische Löschprozesse, andererseits manuell durchgeführte Löschungen auf der Basis von Indikatoren oder Kommentaren.678 Hierzu konnte in der Fallstudienanalyse festgestellt werden, dass automatische Löschprozesse in keinem Fall implementiert sind. Auf die manuellen Löschungsformen wird im Folgenden näher eingegangen.

677 678

Eigene Darstellung. Siehe Abschnitt 3.5.2.

231 Manuelle Löschung auf Basis von Indikatoren Eine manuelle Löschung kann z. B. erfolgen, wenn anhand von Indikatoren festgestellt werden kann, dass die Wissenselemente nicht mehr benötigt werden. Bei den Fallstudien A und C können solche manuell durchgeführten Löschprozesse auf der Basis von Indikatoren identifiziert werden. Bei beiden Unternehmen wird hierzu regelmäßig automatisch durch das Wissensmanagement-System eine Auswertung möglicher zu löschender Elemente angestoßen, welche sich an Alter und Häufigkeit der „Downloads“ orientiert. Die Liste dieser Elemente wird an die zuständigen Wissensmanager der jeweiligen „Community“ verschickt, die dann die Inhalte prüfen und entscheiden, welche Wissenselemente trotzdem weiterhin behalten werden sollen – alle anderen werden archiviert bzw. gelöscht. Bei Fallstudie F sind zwar keine systematischen Löschprozesse vorgesehen, jedoch werden in Einzelfällen durch neueres Wissen überholte Einträge gelöscht, wenn nach Ablauf des definierten Gültigkeitsdatums Wissenselemente als veraltet angesehen werden und damit entsorgt werden können. Auch bei dieser Fallstudie spielt das Alter des Wissenselements also eine Rolle. Manuelle Löschung auf Basis von Kommentaren Bei der Entscheidung, welches Wissen nicht bewahrungswürdig ist, können sich die Wissensmanager nicht nur an o. g. Indikatoren, sondern auch an der Einschätzung der Mitarbeiter orientieren. Falls das Wissensmanagement-System die Möglichkeit vorsieht, können die Nutzer z. B. in Kommentarfeldern Hinweise darauf hinterlassen, ob Inhalte aus ihrer Sicht unwichtig geworden sind. So werden bei Fallstudie E Wissenselemente zwar regelmäßig durch den Wissensmanager überprüft und ggf. entfernt, wenn das Wissen in andere Prozesse eingeflossen ist, der Wissensmanager orientiert sich hierbei jedoch auch an den Kommentaren der Nutzer. Zusätzlich zu den bisherigen, aus der Theorie abgeleiteten Ansätzen konnten im Rahmen der empirischen Studie weitere mögliche Herangehensweisen beobachtet werden, wie Unternehmen mit unwichtigem Wissen verfahren. Systematische Überprüfung So besteht die Möglichkeit einer systematischen manuellen Überprüfung aller vorgehaltenen Wissenselemente. Dies findet z. B. bei Unternehmen D statt: hier haben die Validatoren die Aufgabe, regelmäßig und systematisch die Tipp-

232

Fallstudienübergreifende Analyse

Datenbank nach unwichtig gewordenen Tipps zu durchsuchen. Eine Orientierung anhand von Indikatoren oder Kommentaren findet hierbei nicht statt, diese Möglichkeiten der Auswertung sind technisch bei Fallstudie D auch gar nicht vorgesehen. Abgestufte Wichtigkeit Zusätzlich zu diesen Ergebnissen lässt sich eine weitere Möglichkeit aus der Analyse ableiten, wie man unwichtiges von wichtigem Wissen unterscheiden kann, welche ebenfalls bisher nicht in der Theorie diskutiert wurde. Statt des Löschens der betroffenen Wissenselemente – was ja einer binären Ja-Nein-Entscheidung gleichkommt – kann eine abgestufte Einordnung der Wichtigkeit realisiert werden. Hierzu können zwei verschiedene Herangehensweisen beobachtet werden: x

Bei Fallstudie A können (zusätzlich zu den etablierten Löschprozessen) unwichtigere Wissenselemente von den wichtigeren unterschieden werden, da als besonders wichtig empfundene Dokumente hervorgehoben werden: „But it is actually not worth the effort to clean stuff out. It is actually more important to make the best stuff prominent. So do it the other way round: instead of getting rid of the old stuff, you make the new stuff more prominent.“679

x

Im Unternehmen B kann eine feinere Unterscheidung des Grades der Wichtigkeit durch die Anordnung des Wissenselements im Themennetzwerk erreicht werden: wichtige Einträge werden den zentralen Themen-„Cluster“ zugeordnet, wohingegen weniger wichtige Dokumente eher am Rand des Themennetzwerks zu finden sind.

Für beide Herangehensweise gilt jedoch, dass Wissenselemente hierbei nicht aus der Wissensbasis entfernt werden, mithin lediglich die Symptome einer Informationsüberflutung gelindert werden, nicht jedoch die zugrunde liegenden Ursachen (nämlich eine anwachsende Anzahl an Einträgen in der Wissensbasis) bekämpft werden.

Fazit: Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die untersuchten Unternehmen verschiedene Herangehensweisen entwickelt haben, wie diese mit unwichtig gewordenen Inhalten umgehen. Häufig werden die Inhalte der Wissensbasis durch die jeweiligen Wissensmanager manuell dahingehend überprüft, ob sie weiterhin 679

Zitat Interview-Partner 5.

233 erforderlich sind, und ggf. entsorgt. Hierbei kann ein systematisches Vorgehen vorliegen, jedoch können auch Kommentare bzw. andere Indikatoren (wie z. B. Alter und Anzahl der „Downloads“) zusätzlich hilfreich sein. Ebenfalls konnte eine Alternative bzw. Ergänzung zur Entsorgung identifiziert werden: hierbei werden Wissenselementen verschiedene Grade an Wichtigkeit zugeordnet, so dass hier eine abgestufte Wichtigkeit vorliegt. Folgende Tabelle verdeutlicht die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens sowie das Auftreten in den jeweiligen Fallstudien: Aussagen des präzisierten theoretischen Bezugsrahmens

Beispiele für mögliche Ausgestaltungen

Auftreten in der Fallstudie? A

B

C

D

E

F

H

Manueller Löschprozess anhand von Indikatoren

Alter des Wissenselements, Anzahl von „Downloads“

Ja

./.

Ja

./.

./.

(Ja)

./

Manueller Löschprozess anhand von Kommentaren

Allgemeine Hinweise von Nutzern

./.

./.

./.

./.

Ja

./.

./.

Manueller systematischer Löschprozess

./.

./.

./.

./.

Ja

./.

./.

./.

Abgestufte Wichtigkeit

Hervorhebungen, verschiedene Orte im Begriffsnetzwerk

Ja

Ja

./.

./.

./.

./.

./.

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

(Ja)

./.

Zusammenfassung der Aussagen

Tabelle 24

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Dimension „unwichtig“)680

Auf Basis dieser Auswertung kann festgestellt werden, dass außer bei der Fallstudie H bei allen Wissensmanagement-Ansätzen eine Möglichkeit gefunden wurde, wie mit unwichtig gewordenem Wissen umgegangen wird. Das Wissensmanagement bei Fallstudie H ist vergleichsweise jung und basiert auf den Erkenntnissen aus maximal zwei Großprojekten; die Anwendung des Wissens kann erst wieder in mehreren Jahren erfolgen. Daher ist hier das Entfernen unwichtiger Wissenselemente offensichtlich bisher nicht erforderlich. Durch das Unternehmen wurde jedoch bestätigt, dass in Zukunft hierzu ein Prozess vorgesehen werden muss. Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, dass die Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens gut geeignet zur Beschreibung der Dimension „unwichtig“ scheinen. Die sechste These lässt sich damit wie folgt formulieren: 680

Eigene Darstellung.

234

Fallstudienübergreifende Analyse

These 6: Die Entsorgung unnötigen Wissens kann durch manuelles Löschen von Wissenselementen erfolgen, wobei eine systematische Prüfung sowie ein Vorgehen anhand von Indikatoren oder Kommentaren von Nutzern möglich sind. Ergänzend oder als Alternative können Wissenselemente abgestuft nach Wichtigkeit kategorisiert werden.

Nachdem somit die fünf Dimensionen des Bezugsrahmens in diesem Abschnitt einzeln analysiert wurden, soll im folgenden Abschnitt auf mögliche Beziehungen zwischen diesen fünf Dimensionen sowie auf Abhängigkeiten von anderen Einflussfaktoren eingegangen werden.

5.2 Ableitung von weiteren Thesen zu Zusammenhängen und Abhängigkeiten Ziel dieses Abschnitts ist die Ableitung von Thesen zu Zusammenhängen zwischen den fünf Dimensionen (Abschnitt 5.2.1) sowie von Thesen zu Abhängigkeiten der fünf Dimensionen von anderen Einflussfaktoren (Abschnitt 5.2.2).

5.2.1

Zusammenhänge zwischen den fünf Dimensionen

Im Folgenden sollen zwei naheliegende Zusammenhänge zwischen jeweils zwei Dimensionen des Bezugsrahmens diskutiert werden: zwischen den beiden Dimensionen „wichtig“ und „unwichtig“ sowie zwischen den beiden Dimensionen „richtig“ und „unrichtig“. Zusammenhang zwischen den Dimensionen „wichtig“ und „unwichtig“ Durch die Fallstudienanalyse konnte festgestellt werden, dass Unternehmen, welche beim Einstellen neuer Inhalte vergleichsweise rigide sind, also nur wenige bzw. genau spezifizierte Inhalte als wichtig erachten, bei der Entsorgung von Wissenselementen relativ konservativ sind (Fallstudien A, B, D und E) oder ein Entfernen von Wissen bisher noch nicht vorgesehen haben (Fallstudie H). Umgekehrt lässt sich beobachten, dass eine weitgehende Freiheit beim Hinzufügen neuer Elemente mit einem entsprechend rigorosen Entsorgungsprozess gekoppelt ist, wenn solche Elemente als unwichtig angesehen werden (Fallstudie C). Offensichtlich wird so

235 versucht, die Größe bzw. das Wachstum der Wissensbasis in einem als akzeptabel angesehenen Rahmen zu halten. Unternehmen hingegen, bei welchen das Verhältnis zwischen den beiden Dimensionen „wichtig“ und „unwichtig“ weniger ausgewogen ist, haben mit Informationsüberflutung bzw. überholten Inhalten zu kämpfen (Fallstudie F). Es scheint also sinnvoll zu sein, die Herangehensweisen zum Einstellen und zum Entsorgen so zu definieren, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen beiden Schritten besteht. Damit kann folgende These über den Zusammenhang zwischen den Dimensionen „wichtig“ und „unwichtig“ formuliert werden:

These 7: Unternehmen mit einem strengen Selektionsprozess sind beim Entsorgen eher konservativ. Eine weniger strenge Auswahl wichtigen neuen Wissens wird hingegen durch einen entsprechend großzügigeren Entsorgungsprozess kompensiert. Zusammenhang zwischen den Dimensionen „richtig“ und „unrichtig“ Alle hier betrachteten Unternehmen überprüfen die neu eingestellten Inhalte systematisch (Fallstudien D, E, und H) oder zumindest teilweise (Fallstudien A, B, C und F) auf die Richtigkeit. Ebenso überprüfen alle Unternehmen ihre Wissensbasis systematisch (Fallstudien B, D, E, F und H) oder zumindest teilweise (Fallstudien A und C) auf unrichtige Einträge. Fraglich ist, ob ein Zusammenhang zwischen den Ausgestaltungen der Dimension „richtig“ und der Dimension „unrichtig“ besteht. So könnte man vermuten, dass bei solchen Fallstudien, bei welchen lediglich eine teilweise Überprüfung der Richtigkeit besteht, auch der Prüfprozess auf unrichtige Inhalte lediglich einen Teil der Wissenselemente betrifft. Diese Vermutung konnte durch die Fallstudienuntersuchung nicht bestätigt werden. So werden z. B. bei Unternehmensberatung B nur die sog. Leuchtturmprojekte durch Experten überprüft und zusätzlich aufbereitet; bei allen anderen Projekterfahrungen wird das Wissen lediglich durch die Projektteilnehmer reflektiert. Eine Überprüfung auf unrichtige Inhalte wird hingegen bei allen Wissenselementen (sowohl durch die Nutzer durch den Abgleich mit aktuellen Erfahrungen, als auch durch die Wissensmanager durch die regelmäßige Überprüfung der Wissensbasis) durchgeführt. Somit lassen sich hier aus den untersuchten Fallstudien keine verallgemeinerbaren Aussagen ableiten.

236

Fallstudienübergreifende Analyse

Nachdem somit die Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Dimensionen diskutiert wurden, soll im Folgenden auf Abhängigkeiten von anderen Einflussfaktoren eingegangen werden.

5.2.2

Abhängigkeiten von weiteren Einflussfaktoren

Im Rahmen der Fallstudienanalyse konnten weitere Abhängigkeiten identifiziert werden, welche im Folgenden betrachtet und diskutiert werden sollen. Hierbei handelt es sich um Zusammenhänge zwischen der Ausgestaltung der fünf Dimensionen (abhängige Variablen) und anderen Einflussfaktoren (unabhängige Variablen). Es sollen im Folgenden drei Gruppen solcher Einflussfaktoren unterschieden werden, und zwar Abhängigkeiten vom Unternehmen, von den Nutzern und von den Eigenschaften des festgehaltenen Wissens.

5.2.2.1

Unternehmensabhängige Einflussfaktoren

Unter den unternehmensabhängigen Einflussfaktoren werden solche Faktoren subsumiert, welche sich auf Eigenschaften des Unternehmens bzw. der Bedeutung des Wissensmanagements innerhalb des Unternehmens beziehen. Im Folgenden werden hierzu die Einflussfaktoren „Alter“, „Anzahl der Nutzer“ und „Bedeutung des Wissensmanagements“ sowie „Fehlertoleranz des Unternehmens“ diskutiert. Alter des Wissensmanagements Es konnte festgestellt werden, dass bei Fallstudie H, welche ein vergleichsweise junges Wissensmanagement hat, ein Prozess zum Entfernen unnötigen Wissens (Dimension „unwichtig“) bisher noch nicht implementiert wurde. Offensichtlich sind hier noch keine bzw. nicht ausreichend viele Wissenselemente veraltet, so dass ein solcher Prozess bisher nicht nötig wurde. Bei den etablierten WissensmanagementSystemen hingegen scheint das Problem deutlich drängender zu sein, da hier die Wahrscheinlichkeit veralteter und unwichtig gewordener Einträge deutlich höher ist und die Ineffizienzen hierdurch zunehmen. Daher haben Unternehmen mit langjährigen Wissensmanagementsystemen häufig einen klar definierten Prozess zum Entfernen unwichtiger Wissenselemente (insbes. Fallstudien A. C und D) bzw. die Möglichkeit, solche Inhalte aus dem Zentrum eher an den Rand des Begriffsnetzwerks zu verschieben (Fallstudie B).

237

Art der Variable

Unabhängige Variable

Einflussfaktor bzw. Dimension

Ausprägung

Alter des WM

> 5 Jahre 3 - 5 Jahre < 3 Jahre

Abhängige Variable

Tabelle 25

Ergebnis der Fallstudienanalyse

Dimension „unwichtig“

A

B

C

D

E

F

H

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

(Ja)

./.

Einflussfaktor „Alter des Wissensmanagements“681

Zusammenfassend lässt sich damit folgende These ableiten:

These 8: Bei Unternehmen mit jungem Wissensmanagement sind Maßnahmen zur Entsorgung unnötigen Wissens noch nicht unbedingt erforderlich. Mit zunehmendem Alter steigt der Bedarf einer Möglichkeit zur Entsorgung unwichtig gewordener Wissenselemente. Anzahl der Nutzer des Wissensmanagements Man könnte vermuten, dass Unternehmen mit einer geringeren Zahl an Wissensmanagement-Nutzern (Fallstudie A, B und H) weniger Koordinierungsaufwand haben als solche mit vielen Nutzern (Fallstudien C, D, E und F): mit der Anzahl der Nutzer eines Wissensmanagement-Systems steigt auch die Anzahl der Autoren und damit die Vielfalt der aus individueller Sicht wichtigen Wissenselemente. Daher könnte man ableiten, dass bei solchen großen Wissensmanagement-Systemen eher Leitlinien und Vorgaben für das aus Unternehmenssicht wichtige Wissen vorgegeben sind, ihre kleineren Pendants wichtiges Wissen hingegen eher implizit definieren. Dies konnte aus der Fallstudienanalyse jedoch nicht eindeutig abgeleitet werden. So finden sich auch Wissensmanagement-Systeme mit vielen Teilnehmern, bei denen keine solchen expliziten Kriterien definiert wurden (Fallstudien C, D und F). Auch konnte bei den weiteren Dimensionen keine Abhängigkeit von der Größe des Wissensmanagements festgestellt werden. Die Anzahl der Nutzer des Wissensmanagements alleine scheint keine besonderen spezifischen Eigenheiten der Qualitätssicherung herauszubilden.

681

Eigene Darstellung.

238

Fallstudienübergreifende Analyse

Bedeutung des Wissensmanagements Die Bedeutung des Wissensmanagements für die Unternehmung ist bei den Fallstudien unterschiedlich stark ausgeprägt. Während für die Gruppe der Industrie- und Produktionsunternehmen (Fallstudien E, F und H) sowie die Kundendiensttechniker (Fallstudie D) das System lediglich eine unterstützende Rolle einzunehmen scheint, ist es für die Unternehmensberatungen (Fallstudien A, B und C) offensichtlich sehr bedeutsam. Da es sich bei diesen um sehr wissensintensive Unternehmen handelt, hat auch das Wissensmanagement eine entsprechend hohe Bedeutung.682 Man könnte vermuten, dass aufgrund dieser zentralen Rolle das Wissensmanagement bei den Dienstleistungsunternehmen durch besonders straff aufgesetzte Prozesse beim Einstellen neuer Wissenselemente sowie regelmäßige Überprüfungen und Überarbeitung der Inhalte der Wissensbasis charakterisiert wird. Die Fallstudienuntersuchung konnte diese Vermutung nicht bestätigen. Die Überprüfung der Richtigkeit neuer Wissenselemente wird bei den Unternehmensberatungen sogar nur für die sog. Kerndokumente vorgenommen (Dimension „richtig“), ebenso werden üblicherweise auch nur diese regelmäßig aktualisiert (Dimension „unrichtig“). Bei den Industrie- und Produktionsunternehmen hingegen findet eine Validierung neuen Wissens bei fast allen683, und eine Aktualisierung bei allen Fallstudien statt. Die Bedeutung des Wissensmanagements innerhalb der Unternehmung scheint keinen eindeutigen Zusammenhang mit den Dimensionen „richtig“ und „unrichtig“ aufzuweisen. Fehlertoleranz des Unternehmens Wie in der Fallstudienuntersuchung gezeigt werden konnte, haben Unternehmen unterschiedliche Herangehensweisen an gemachte Fehler. Während bei manchen Unternehmen fast nur solches Wissen festgehalten wird, welches zu erfolgreichen Ergebnissen geführt hat (Fallstudien A, C, D), verbinden andere Unternehmen mit ihrem Wissensmanagement auch das Lernen aus Fehlern und halten sowohl erfolgreiche Problemlösungen als auch nicht erfolgreiche Herangehensweisen vor (Fallstudien B, E, F und H). Daher stellt sich die Frage, ob der Grad der Fehlertoleranz und der Fehlerakzeptanz Auswirkungen auf die Gestaltung des Wissensmanage-

682

683

Wissensintensiv sind Unternehmen üblicherweise dann, wenn sie einen Akademikeranteil von über 50% aufweisen. Vgl. Bonora/Revang (1993); Rehäuser/Krcmar (1996), S. 24; Glück (2002), S. 4. Bei Fallstudie F zumindest teilweise.

239 ments und damit die Ausprägung der fünf Dimensionen hat, insbesondere der Dimension „richtig“. So könnte man vermuten, dass Unternehmen, welche sich auf erfolgreiches Wissen konzentrieren, einen intensiveren Prüfungsprozess aufgesetzt haben, wohingegen fehlertolerantere Unternehmen weniger gewissenhaft bei der Prüfung sind. Ein Zusammenhang zwischen der Fehlertoleranz des Unternehmens und der Ausgestaltung der Prüfung der Richtigkeit konnte jedoch nicht identifiziert werden. Zwar hat z. B. Unternehmen D, welches keine Fehler im Wissensmanagement festhält, einen systematischen Prüfprozess implementiert, jedoch lassen sich auch Gegenbeispiele finden. So geben beispielsweise die beiden Unternehmensberatungen A und C an, dass sie üblicherweise nur erfolgreiche Projekterfahrungen in ihrem Wissensmanagement speichern, eine neutrale Überprüfung der Richtigkeit der auf solchen Projekten generierten Erfahrungen findet jedoch nur selten statt. Somit lassen sich diesbezüglich hier keine allgemeingültigen Aussagen zur Ausgestaltung des Wissensmanagements treffen.

5.2.2.2

Nutzerabhängige Einflussfaktoren

Nachdem im letzten Abschnitt Besonderheiten auf der Ebene des Unternehmens untersucht wurden, liegt in diesem Abschnitt der Fokus auf der Frage, welche Auswirkungen die Eigenschaften der Nutzer auf die Ausgestaltung des Wissensmanagements haben. Hierbei sollen im Folgenden die Einflussfaktoren „Qualifikation“ und „Neigung zur Fehlerkorrektur“ der Nutzer näher untersucht werden. Qualifikation der Nutzer Eine Eigenschaft der Nutzer, welche einen Einfluss auf das Wissensmanagement haben könnte, ist deren Qualifikation. So könnte man vermuten, dass höher qualifizierte Nutzer die in der Wissensbasis vorhandenen Inhalte intensiver hinterfragen und damit eine Prüfung der Richtigkeit eher im Nachhinein durch die Nutzer geschieht. Demgegenüber wäre es denkbar, dass weniger qualifizierte Nutzer die Wissenselemente ohne intensive Hinterfragung nutzen und damit eine Validierung des neuen Wissens vor Einstellung in das System eher erforderlich ist.

240

Fallstudienübergreifende Analyse

Die Fallstudienuntersuchung unterstützt eine solche These: in den Beratungsunternehmen mit einer überdurchschnittlich hohen Akademikerquote684 wird keine systematische Prüfung der eingestellten Wissenselemente auf Verallgemeinerbarkeit vorgenommen (Fallstudien A, B und C). Demgegenüber ist für die Ausbildung zum Kundendienst-Techniker eine klassische Berufsausbildung ausreichend – hier findet auch eine systematische Validierung des Wissens statt (Fallstudie D). Die Industrieund Produktionsunternehmen befinden sich eher im Bereich dazwischen: hier befinden sich sowohl Akademiker als auch Nicht-Akademiker. Auch bei den Fallstudien E und H findet eine systematische Überprüfung statt. Bei der dritten Fallstudie der Gruppe der Industrie- und Produktionsunternehmen (Fallstudie F) findet die Prüfung aufgrund der Heterogenität der Ausgestaltung in den verschiedenen Teilbereichen zumindest teilweise statt. Art der Variable

Einflussfaktor bzw. Dimension

Ausprägung

Unabhängige Variable

Qualifikation der Nutzer

Akademiker Gemischt Nichtakademiker

Abhängige Variable

Tabelle 26

Ergebnis der Fallstudienanalyse

Dimension „richtig“

A

B

C

D

E

F

H

(Ja)

(Ja)

(Ja)

Ja

Ja

(Ja)

Ja

Einflussfaktor „Qualifikation der Nutzer“685

Somit lässt sich folgende These ableiten:

These 9: Bei Unternehmen mit höher qualifizierten Nutzern ist eine systematische Prüfung der Richtigkeit neuer Wissenselemente nicht unbedingt erforderlich, da diese die Inhalte bei der Nutzung intensiv hinterfragen. Mit abnehmender Qualifikation steigt die Erfordernis einer systematischen Prüfung der Richtigkeit. Neigung zur Fehlerkorrektur Auffällige Unterschiede bestehen zwischen den Fallstudien im Hinblick auf die Neigung der Nutzer, auf gefundene Fehler hinzuweisen. Man könnte daher vermuten, dass bei solchen Fallstudien, bei welchen eine hohe Neigung zur Fehlerkorrektur

684 685

Strategieberatungen stellen üblicherweise als Berater ausschließlich Akademiker ein. Eigene Darstellung.

241 besteht, eine regelmäßige Überprüfung der Wissensbasis nicht erforderlich ist, wohingegen eine solche regelmäßige Prüfung auf unrichtige Inhalte v. a. bei solchen Fallstudien nötig ist, bei denen die Nutzer Fehler eher ignorieren. Die Fallstudienuntersuchung bestätigt diese Vermutung nicht. So weisen bei den Fallstudien D und E die Nutzer üblicherweise nicht auf unrichtige Einträge hin, dafür existiert eine regelmäßige Prüfung. Bei den Unternehmen B und H werden zumindest grobe Fehler durch die Nutzer angezeigt, auch hier ist ein systematischer Prüfprozess vorhanden. Bei den Fallstudien A und C hingegen erscheint (aufgrund der hohen Komplexität und Kontextabhängigkeit und damit der geringen Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendung des Wissens) in diesen Fällen weder ein systematisches „Feedback“ der Nutzer noch eine regelmäßige Überprüfung der Wissenselemente zielführend zu sein.

5.2.2.3

Wissensabhängige Einflussfaktoren

Im Folgenden sollen die Auswirkungen der Eigenschaften der im Wissensmanagement vorgehaltenen Wissenselemente auf die Ausgestaltung der fünf Dimensionen untersucht werden. Hierbei werden insbesondere die Einflussfaktoren „Kontextabhängigkeit“ und „Sicherheitsrelevanz“ des Wissens betrachtet. Kontextabhängigkeit des Wissens Unter dem Grad der Kontextabhängigkeit des Wissens soll verstanden werden, wie spezifisch die im Wissensmanagement-System gespeicherten Wissenselemente sind, also ob sie eher allgemein sind und damit unmittelbar auf eine neue Problemsituation übertragen werden können (geringe Kontextabhängigkeit), oder ob sie sehr spezifisch sind und damit das Wissen zuerst hinterfragt und an die neue Situation angepasst werden muss (hohe Kontextabhängigkeit). Bei den Fallstudien konnten beide Extrema festgestellt werden. So sind bei den Unternehmensberatungen (Fallstudien A, B und C) die auf den Kundenprojekten gewonnenen Erfahrungen sehr individuell und können selten ohne erhebliche Adaptionen auf neue Projekte übertragen werden. Demgegenüber sind die Tipps der Kundendienst-Mitarbeiter (Fallstudie D) eher allgemeingültig, so dass sie beim Auftreten des gleichen Fehlers am selben Gerätetyp ohne weitere Adaption direkt ausprobiert werden können. Diese Kontextabhängigkeit des Wissens scheint Auswirkungen auf die Gestaltung der Dimension „richtig“ zu haben. Da die Tipps der Kundendienst-Techniker (Fallstu-

242

Fallstudienübergreifende Analyse

die D) ohne Adaption wieder verwendet werden können, scheint hier eine systematische Validierung aller Tipps auf ihre Verallgemeinerbarkeit vor der Veröffentlichung sinnvoll zu sein. Die Techniker können dann bei einer Problemsituation die Tipps unmittelbar ausprobieren. Unternehmensberatungen (Fallstudien A, B und C) hingegen haben die Problematik, dass jedes Kundenproblem sehr individuell ist. Die Erfahrungen selbst aus ähnlich gelagerten Projekten können nicht unmittelbar wieder verwendet werden. Die Berater müssen erst (üblicherweise gemeinsam im Team) hinterfragen, ob eine vergleichbare Herangehensweise auch im neuen Projektkontext zielführend ist, oder ob aufgrund anderer Umstände evtl. eine andere bzw. völlig neue Umsetzung sinnvoller erscheint. Da die Wahrscheinlichkeit der direkten Wiederverwendung äußerst gering ist, lohnt sich eine systematische Überprüfung der eingestellten Projekterfahrungen nicht. Die Unternehmensberater müssen jede Situation neu bewerten und die Übertragbarkeit auf den neuen Kontext entsprechend hinterfragen.686 Die Industrie- und Produktionsunternehmen (Fallstudien E, F und H) hingegen befinden sich eher im Bereich dazwischen. Zwar sollen die Inhalte möglichst allgemeingültig sein, aufgrund der Komplexität der Produkte erscheint ein gewisser Grad an Kontextabhängigkeit jedoch häufig noch gegeben zu sein. Bei dem Flugzeughersteller E ist das Ziel eine möglichst hohe Wiederverwendung der gemachten Erfahrungen, so dass eine systematische Prüfung der Einträge sinnvoll erscheint.687 Auch bei dem Kernkraft-Unternehmen H wird ein hoher Wiederverwendungsgrad angestrebt und demzufolge werden alle Inhalte systematisch überprüft.688 Bei Fallstudie F ist aufgrund der heterogenen Ausgestaltung des Wissensmanagements in den einzelnen Teilbereichen hierzu keine eindeutige Aussage möglich.

686

687

688

Bei den sog. „Kerndokumenten“ der Beratungen hingegen handelt es sich um solche Dokumente, welche verallgemeinerte Wissensinhalte und Herangehensweisen festhalten. Hier kann beobachtet werden, dass diese durch Experten zusammengestellt, geprüft und regelmäßig aktualisiert werden. Dies passt zu der soeben beschriebenen Unterscheidung: da die Inhalte hier in weitgehend kontextfreier Form vorliegen, können sie ohne größere Adaptionen genutzt werden. Dies zeigt sich u. a. durch die Verankerung eines „Wissenskoordinators“, der die Wissenselemente aktiv in neue Projekte hineintragen soll. Der angestrebte hohe Wiederverwendungsgrad kann aus der geringen Anzahl an Projekten und dem hohen Bedarf an nutzbarem Erfahrungswissen abgeleitet werden.

243

Art der Variable

Unabhängige Variable Abhängige Variable

Tabelle 27

Einflussfaktor bzw. Dimension

Ausprägung

Kontextabhängigkeit

Hoch Mittel Gering

Ergebnis der Fallstudienanalyse

Dimension „richtig“

A

B

C

D

E

F

H

(Ja)

(Ja)

(Ja)

Ja

Ja

(Ja)

Ja

Einflussfaktor „Kontextabhängigkeit des Wissens“689

Der aufgezeigte Zusammenhang lässt sich folgendermaßen formulieren:

These 10: Wissenselemente, welche stark kontextabhängiges Wissen beschreiben, können nur sehr schwer auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Je allgemeingültiger neue Wissensinhalte sein sollen, umso bedeutsamer ist die Prüfung der Richtigkeit. Sicherheitsrelevanz des Wissens Bei zwei Fallstudien ist das im Wissensmanagement festgehaltene Wissen von hoher Bedeutung für die Personensicherheit: beim Kernkraftwerkrückbau (Fallstudie H) und bei der Flugzeugkonstruktion (Fallstudie E). Die Unfallgefahr bei den anderen Fallstudien ist deutlich geringer (Fallstudien D und F), bei den Unternehmensberatern (Fallstudien A, B und C) sogar nahe Null. Offensichtlich aufgrund der hohen Sicherheitsrelevanz des festgehaltenen Wissens gehören die beiden erstgenannten Fallstudien zu den wenigen, welche eine systematische Prüfung der Richtigkeit neuen Wissens durchführen.690 Bei beiden Unternehmen ist sogar ein mehrstufiger Prüfungs- und Freigabeprozess vorgesehen.691 Mit der abnehmenden Bedeutung der Sicherheit scheint auch die Durchführung der Prüfung auf Richtigkeit abzunehmen: während die anderen Industrie- und Produktionsunternehmen zumindest noch teilweise die neuen Inhalte hinterfragen, ist dies bei den Dienstleistungsunternehmen kaum noch der Fall.

689 690

691

Eigene Darstellung. Außer diesen beiden Unternehmen wird eine systematische Prüfung nur noch bei Fallstudie D vorgenommen. Siehe Abschnitt 5.1.2.

244

Fallstudienübergreifende Analyse

Art der Variable

Unabhängige Variable

Einflussfaktor bzw. Dimension

Ausprägung

Sicherheitsrelevanz

Hoch Mittel Gering

Abhängige Variable

Tabelle 28

Ergebnis der Fallstudienanalyse

Dimension „richtig“

A

B

C

D

E

F

H

(Ja)

(Ja)

(Ja)

Ja

Ja

(Ja)

Ja

Einflussfaktor „Sicherheitsrelevanz des Wissens“692

Zusammenfassend lässt sich damit folgende (abschließende) These ableiten:

These 11: Je sicherheitsrelevanter das Wissen ist, umso bedeutsamer ist die Überprüfung der Richtigkeit.

Nachdem somit auch die Zusammenhänge zwischen den fünf Dimensionen sowie deren Abhängigkeiten von weiteren Einflussfaktoren untersucht wurden, sollen im folgenden Abschnitt die abgeleiteten Thesen zusammenfassend dargestellt werden.

5.3 Zusammenfassung der Thesen Bei der fallstudienübergreifenden Analyse der Ergebnisse der empirischen Studie konnten verschiedene Erkenntnisse gewonnen werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse konnten insgesamt elf Thesen zur Erklärung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement formuliert werden. Folgende Tabelle zeigt eine Zusammenfassung der ersten sechs Thesen, welche die Dimensionen des Bezugsrahmens präzisieren:

692

Eigene Darstellung.

245

These

Aussagen des präzisierten Bezugsrahmens (Thesen)

Betroffene Dimensionen

1

Zur Betrachtung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement sind fünf Dimensionen von zentraler Bedeutung: die Selektion bewahrungswürdigen Wissens ("wichtig"), die Prüfung neuen Wissens ("richtig"), die Nutzung des vorhandenen Wissens ("relevant"), die Überprüfung und Aktualisierung des vorhandenen Wissens ("unrichtig") sowie die Entsorgung unnötigen Wissens ("unwichtig").

Alle

2

Zur Selektion bewahrungswürdigen Wissens können die Unternehmen explizite Kriterien vorgeben; durch die Ausgestaltung des Wissensmanagement-Ansatzes (z. B. Personen, Prozesse) kann wichtiges Wissen auch implizit definiert werden. Außerdem können Experten bzw. Wissensnachfrager die Mitarbeiter auf wichtiges Wissen hinweisen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, als besonders wichtig erkanntes Wissen im Nachhinein entsprechend zu markieren.

„wichtig“

3

Unternehmen können durch eine diskursive Prüfung neue Wissenselemente auf ihre Richtigkeit hinterfragen. Auch können neue Erkenntnisse in manchen Fällen experimentell evaluiert werden.

„richtig“

4

Unternehmen können mit Hilfe von technischen Auswertungen und „Rating“-Formularen Hinweise auf genutzte Wissenselemente erhalten. Die tatsächliche Nutzung kann durch Querverweise, Kommentare und manuelle Auswertungen festgehalten werden. Die Aussagekraft ist hierbei jedoch häufig begrenzt.

„relevant“

5

Zur Aktualisierung des vorhandenen Wissens kann die Wissensbasis regelmäßig durch definierte Personen auf unrichtiges Wissen überprüft werden. Zusätzlich können die Nutzer Hinweise auf solche überholten Inhalte geben.

„unrichtig“

6

Die Entsorgung unnötigen Wissens kann durch manuelles Löschen von Wissenselementen erfolgen, wobei eine systematische Prüfung sowie ein Vorgehen anhand von Indikatoren oder Kommentaren von Nutzern möglich sind. Ergänzend oder als Alternative können Wissenselemente abgestuft nach Wichtigkeit kategorisiert werden.

„unwichtig“

Tabelle 29

Zusammenfassung der Thesen zum Bezugsrahmen (Thesen 1-6)693

Außerdem konnten fünf weitere Thesen abgeleitet werden, welche der Erklärung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement zusätzlich dienen, indem sie weitere Zusammenhänge zwischen den Dimensionen bzw. Abhängigkeiten von anderen Einflussfaktoren formulieren. Sie werden in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

693

Eigene Darstellung.

246

Fallstudienübergreifende Analyse

These

Zusammenhänge zwischen den fünf Dimensionen sowie Abhängigkeiten von anderen Einflussfaktoren (Thesen)

Betroffene Dimensionen

7

Unternehmen mit einem strengen Selektionsprozess sind beim Entsorgen eher konservativ. Eine weniger strenge Auswahl wichtigen neuen Wissens wird hingegen durch einen entsprechend großzügigeren Entsorgungsprozess kompensiert.

„wichtig“ und „unwichtig“

8

Bei Unternehmen mit jungem Wissensmanagement sind Maßnahmen zur Entsorgung unnötigen Wissens noch nicht unbedingt erforderlich. Mit zunehmendem Alter steigt der Bedarf einer Möglichkeit zur Entsorgung unwichtig gewordener Wissenselemente.

„unwichtig“

9

Bei Unternehmen mit höher qualifizierten Nutzern ist eine systematische Prüfung der Richtigkeit neuer Wissenselemente nicht unbedingt erforderlich, da diese die Inhalte bei der Nutzung intensiv hinterfragen. Mit abnehmender Qualifikation steigt die Erfordernis einer systematischen Prüfung der Richtigkeit.

„richtig“

10

Wissenselemente, welche stark kontextabhängiges Wissen beschreiben, können nur sehr schwer auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Je allgemeingültiger neue Wissensinhalte sein sollen, umso bedeutsamer ist die Prüfung der Richtigkeit.

„richtig“

11

Je sicherheitsrelevanter das Wissen ist, umso bedeutsamer ist die Überprüfung der Richtigkeit.

„richtig“

Tabelle 30

Weitere Thesen zu Zusammenhängen und Abhängigkeiten (Thesen 7-11)694

Somit konnte ein aus elf Thesen bestehender neuer, präzisierter und erweiterter Bezugsrahmen zur Untersuchung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement abgeleitet werden, welcher zur Beschreibung der sieben untersuchten prozessorientierten Fallstudien gut geeignet ist.

5.4 Untersuchung der Sonderfälle In diesem Abschnitt sollen die drei Fallstudien im Hinblick auf die Qualitätssicherung untersucht werden, welche aufgrund ihres erheblich abweichenden Wissensmanagement-Ansatzes als Sonderfälle angesehen werden. Diese sind das problemzentrierte Wissensmanagement bei Fallstudie G (Abschnitt 5.4.1) sowie das Wikibasierte Wissensmanagement bei den Fallstudien I und J (Abschnitt 5.4.2).

694

Eigene Darstellung.

247 5.4.1

Problemzentriertes Wissensmanagement

Die Fallstudie G wird im Rahmen der Gruppe der Sonderfälle diskutiert: während bei den anderen Fallstudien wieder verwendbare und ggf. geprüfte Problemlösungen im Vordergrund stehen, ist hier das Aufzeigen und Vermeiden von möglichen Problemen der Schwerpunkt.695 Zwar konnte bei einzelnen Fallstudien auch ein „Lernen aus Fehlern" identifiziert werden, die konsequente Ausrichtung auf Probleme hat bei Unternehmen G jedoch weitreichende Folgen auf die Ausgestaltung des Wissensmanagements und die fünf Dimensionen des Bezugsrahmens. Das Ergebnis hieraus ist ein erheblicher Unterschied zum (klassischen) prozessorientierten Wissensmanagement-Ansatz. Auf die Besonderheiten dieses problemzentrierten Wissensmanagements soll daher im Folgenden näher eingegangen werden. Dimension „wichtig" Die Ermittlung der wichtigen, also der kritischen Probleme, erfolgt bei Fallstudie G zu Projektende im Rahmen der Projektabschlussbesprechung durch die Mitglieder des Projektteams. Sie ermitteln gemeinsam, welche kritischen Erfahrungen so bedeutsam waren, dass sie sich nicht mehr wiederholen dürfen. Diese Vorgehensweise ähnelt der Vorgehensweise beim klassischen Wissensmanagement – nur unter umgekehrtem Vorzeichen: während dort die Erfahrungen bewahrt werden, welche aufgrund ihres Erfolgs wieder verwendet werden sollen, sind hier die Probleme wichtig, welche sich aufgrund ihrer (negativen) Bedeutung im Projekt zukünftig nicht wiederholen sollen. Bei Fallstudie G werden nicht nur die aufgetretenen Probleme gesammelt, die Projektmitglieder haben auch die Aufgabe, Empfehlungen zu formulieren, wie aus ihrer Sicht diese Probleme hätten vermieden werden können. Diese sollen bei künftigen Projekten die Herangehensweise vereinfachen. Somit kann festgestellt werden, dass hier ein zweistufiger Prozess vorliegt. In einem ersten Schritt werden die wichtigsten (also kritischen) Probleme ermittelt, im zweiten Schritt werden dann für diese Lösungsempfehlungen formuliert.

695

Man könnte in diesem Fall somit eher von einem „Problemmanagement“ statt von einem „Wissensmanagement“ sprechen.

248

Fallstudienübergreifende Analyse

Dimension „richtig" Im Unterschied zum prozessorientierten Wissensmanagement, wo neue Wissensobjekte üblicherweise vor dem Einstellen in die Wissensbasis auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden696, ist beim problemzentrierten Wissensmanagement eine solche Hinterfragung der Probleme offensichtlich sinnlos: diese sind faktisch aufgetreten und können nicht „wegdiskutiert" werden. Anders sieht es jedoch bei den abgeleiteten Empfehlungen aus: diese können zu allgemeinem Wissen im Sinne dieser Arbeit werden, indem sie diskursiv geprüft werden. Eine solche Hinterfragung der Richtigkeit findet bei Fallstudie G statt; die generierten Vorschläge zur Problemvermeidung werden im Projektteam diskutiert. Sie werden jedoch nicht (zusätzlich) durch Dritte hinterfragt, so dass eine Verhaftung im Projektkontext verbleibt und eine Verallgemeinerung somit zumindest fraglich ist. Eine Ausnahme bilden solche Problemlösungsempfehlungen, welche struktureller Natur sind und durch die Mitarbeiter der Organisationsentwicklung zusätzlich geprüft werden. Ähnlich wie bei manchen Fallstudien mit klassischen Wissensmanagement-Ansätzen findet die Hinterfragung der Übertragbarkeit auf den neuen Kontext erst zu einem späteren Zeitpunkt statt, wenn die Probleme und die zugehörigen Problemlösungsansätze wieder verwendet werden sollen.697 Da auch bei dieser Fallstudie die festgehaltenen Elemente (Problem und Lösungsansatz) sehr kontextspezifisches Wissen beschreiben, ist eine Überprüfung der Übertragbarkeit auf den neuen Kontext vor der Verwendung erforderlich.698 Dimension „relevant" Bei Fallstudie G wird das Wissen durch die Wissensmanager aktiv in neue Projekte hineingetragen. Die Mitarbeiter auf neuen Projekten erhalten von dem Wissensmanager eine Liste mit den Problemen, die auf früheren Projekten aufgetreten sind. Sie müssen dann gemeinsam diskutieren und entscheiden, welche dieser Probleme auch auf dem aktuellen Projekt auftreten können. Für die 10 bis 15 relevantesten Punkte sind dann Maßnahmen zu formulieren, wie diese vermieden werden können. Hierbei können die Teilnehmer die Lösungsempfehlungen vergangener Projekte

696 697 698

Siehe Abschnitt 5.1.2. Siehe hierzu die Diskussion zur Dimension "relevant". Siehe Abschnitt 5.2.2.3.

249 einfließen lassen, sie sind jedoch angehalten, diese entsprechend der neuen Situation zu hinterfragen. Somit lässt sich für das problemzentrierte Wissensmanagement feststellen, dass (ähnlich wie bei dem Einstellen der neuen Erfahrungen) auch hier ein zweistufiger Prozess durchgeführt wird: zunächst wird festgestellt, welche Probleme möglicherweise auftreten können, und danach wird durch die Projektmitglieder diskutiert, wie ein solches Auftreten vermieden werden kann (oder zumindest die negativen Folgen verringert werden können). Auffällig bei Fallstudie G ist die im Vergleich zu den anderen Unternehmen sehr formal ausgeprägte Wiederverwendung des bestehenden Wissens. Während sich die Mitarbeiter dort je nach Bedarf geeignete Wissenselemente suchen können, ist hier ein strikter Prozess vorgesehen, bei welchem die neuen Projektteilnehmer zwingend die Wissenselemente aufgreifen und deren Anwendbarkeit im neuen Projekt diskursiv hinterfragen müssen. Dimension „unrichtig" Eine Besonderheit des problemzentrierten Ansatzes ist, dass die aufgetretenen Probleme ebenfalls nicht auf ihre „Unrichtigkeit" hinterfragt werden können – schließlich sind die Probleme faktisch aufgetreten und können somit nicht unrichtig werden. Daher ist eine Überprüfung und Aktualisierung, wie sie bei den klassischen Wissensmanagement-Ansätzen auftritt, hier nicht vorgesehen.699 Die abgeleiteten Problemlösungsempfehlungen hingegen können durchaus unrichtig werden. Denkbar ist z. B., dass eine Empfehlung in ein neues Projekt übernommen wurde und das beschriebene Problem trotz definierter Maßnahmen zu dessen Vermeidung aufgetreten ist. Trotzdem wird bei Fallstudie G eine Aktualisierung dieser Lösungsempfehlungen ebenfalls nicht vorgenommen. Dies wird zum einen damit begründet, dass der Fokus des Wissensmanagements auf den Problemen liegt, zum anderen damit, dass eine Verallgemeinerung dieser stark kontextabhängigen Erfahrungen nur schwer möglich ist. Dimension „unwichtig" Bei Fallstudie G ist eine Entsorgung unwichtiger Probleme und der zugehörigen Lösungsempfehlungen derzeit noch nicht vorgesehen, da der Nutzen im Verhältnis 699

Siehe Abschnitt 5.1.4.

250

Fallstudienübergreifende Analyse

zum Aufwand noch zu gering ist. Das problemzentrierte Wissensmanagement steht jedoch ebenso wie die klassischen prozessorientierten Ansätze vor der Herausforderung, dass irgendwann die Wissensbasis Probleme enthalten kann, die nicht mehr auftreten können und damit entfernt werden können. Denkbar wäre z. B., dass die betroffenen Prozesse mittlerweile verbessert wurden oder bestimmte Firmenteile nicht mehr existieren. Eine Antwort auf die Frage nach der Entsorgung unwichtig gewordenen Wissens wird früher oder später also ebenfalls gefunden werden müssen.

Fazit: Der problemzentrierte Wissensmanagement-Ansatz hat einen Fokus auf Problemen, welche sich nicht wiederholen sollen. Da diese faktisch aufgetreten sind, können sie nicht auf ihre Richtigkeit hinterfragt werden oder sogar unrichtig werden. Insofern unterscheidet sich der Ansatz vom klassischen prozessorientierten Wissensmanagement. Jedoch lassen sich auch deutliche Parallelen aufzeigen. So muss auch dieser Ansatz die Frage nach der Wichtigkeit beantworten: welche Probleme sind von so großer Bedeutung für die Unternehmung, dass sie sich nicht wiederholen dürfen? Auch kann die Frage nach der Richtigkeit zwar nicht für die Probleme selbst, hingegen jedoch für die Lösungsansätze formuliert werden: ist die generierte Empfehlung wirklich zur Problemvermeidung geeignet? Die Frage nach der Relevanz wurde ebenso gestellt: wie finden die Nutzer heraus, welche Probleme möglicherweise wieder auftreten können? Zwar können die aufgetretenen Probleme selbst nicht unrichtig werden, die abgeleiteten Lösungsempfehlungen hingegen schon: wie können unrichtige Empfehlungen überarbeitet und ggf. aktualisiert werden? Und schließlich konnte auch aufgezeigt werden, dass auch Probleme unwichtig werden und demzufolge die Wissensbasis verlassen können: wie werden diese identifiziert? Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass auch bei diesem Wissensmanagement-Ansatz mit seinen spezifischen Eigenheiten die Fragen der Selektion (der bewahrungswürdigen Probleme) und Richtigkeit (der abgeleiteten Problemlösungsvorschläge) beantwortet werden müssen.

5.4.2

Wiki-basiertes Wissensmanagement

Die beiden Fallstudien I und J wurden als Sonderfälle angesehen, da sich das zugrunde liegende Wiki-basierte Wissensmanagement deutlich von den bisher disku-

251 tierten (klassischen) prozessorientierten Ansätzen als auch dem problemorientierten Ansatz unterscheidet. Der Hauptunterschied besteht darin, dass jeder Nutzer neue Inhalte einstellen kann und existierende Elemente verändern kann, wobei diese Veränderungen sofort und ohne weitere Überprüfung oder Freigabe für alle anderen Nutzer sichtbar sind. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über weitere Unterschiede zwischen den prozessorientierten Ansätzen und den Wiki-basierten Systemen zur Selbstveröffentlichung: Zentral organisiert (prozessorientierter Ansatz)

Systeme zur Selbstveröffentlichung (Wiki-basierter Ansatz)

Inhalt wurde bereinigt, von Experten gebilligt

Unterschiedliche Glaubwürdigkeit

Inhalt muss lange haltbar sein, darf nicht altern

Kann aktuelle, kurzfristig wichtige Informationen enthalten

Strategisch wichtiger Inhalt, mehr Qualität als Quantität

Eher aktuelle Problemlösungen

Informelles, kollaboratives Wissen fehlt

Informeller Gedankenaustausch möglich, Frage-und-Antwort Format

Eigene Mitarbeiter komprimieren Inhalte

Inhalt wird von der Gemeinschaft geschaffen

Inhalte stehen den Nutzern selten sofort zur Verfügung

Inhalt wird sofort bereitgestellt

Tabelle 31

Vergleich prozessorientierter und Wiki-basierter Ansatz700

Im Folgenden soll auf die Besonderheiten der Qualitätssicherung bei Wiki-basiertem Wissensmanagement eingegangen werden, wobei die beiden Fallstudien I und J zusätzlich vergleichend dargestellt werden sollen. Dimension „wichtig" Da jeder Teilnehmer Wissensinhalte direkt einstellen kann, sind diese somit auch verantwortlich für die Beurteilung der Wichtigkeit der neuen Inhalte. Hierbei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Fallstudien I und J. Während in der Unternehmung I keinerlei Restriktionen vorgegeben sind, welche Inhalte in das Wissensmanagement eingestellt werden sollen701, ist bei der Wikipedia (Fallstudie J) eine Vielzahl an Möglichkeiten vorgegeben, mit Hilfe derer die Autoren die Wichtig-

700 701

Eigene Darstellung in Anlehnung an Bukowitz/Williams (2002), S. 98. Jedoch liegen implizite Kriterien vor. Siehe Abschnitt 4.2.9.

252

Fallstudienübergreifende Analyse

keit einordnen können. Hierzu gehören Relevanzkriterien, Ratschläge, Ausschlüsse und Artikelwünsche. Der Grund für diese unterschiedliche Ausgestaltung liegt offensichtlich in der Zielsetzung des jeweiligen Wikis: während bei der Unternehmung I das System gleichzeitig umfassenden dokumentarischen Charakter hat, ist das Ziel der Wikipedia (der Aufbau einer Enzyklopädie) deutlich fokussierter. Dimension „richtig" Die Wiki-typische Eigenheit, dass jedermann Inhalte erstellen und ändern kann, lässt die Dimension „richtig" in diesen Fällen verschwinden: eine Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit findet nicht vor der Veröffentlichung statt. Die Prüfung wird erst später, nach der Veröffentlichung durch die anderen Teilnehmer vorgenommen.702 Daher besteht bei einem Wiki-basierten Wissensmanagement immer die Möglichkeit, dass unsinnige oder sogar falsche Inhalte in der Wissensbasis vorhanden sind. Andererseits ist das Ziel bei diesem Ansatz, auch noch nicht ganz richtige Inhalte aufzunehmen, welche dann durch wiederholtes Überarbeiten der Nutzer „reifen“ und die Qualität somit im Zeitablauf besser wird. Dies wurde auch durch den InterviewTeilnehmer bei Fallstudie I bestätigt: „Also [das ist] der Ansatz: es muss im Groben stimmen und funktionieren.“703 Dimension „relevant" Bei beiden Fallstudien I und J können die Nutzer die Wissensbasis nach Schlagworten durchsuchen (Volltextsuche) bzw. anhand von Kategorien vorgehen. Hier lassen sich in der Praxis unterschiedliche Herangehensweisen beobachten. Während bei der Wikipedia die Nutzer – ähnlich wie bei einer klassischen Enzyklopädie – insbesondere mit Hilfe von Schlagworten nach geeigneten Artikeln suchen, kann bei Unternehmen I festgestellt werden, dass die Mitarbeiter in einem ersten Schritt der entstandenen Hierarchie folgen und hierdurch die Themen immer weiter einschränken, und erst in einem zweiten Schritt (falls überhaupt) eine Volltextsuche durchführen. Bei der Wikipedia besteht die Möglichkeit, die aus Sicht der Nutzer besonders gelungenen Artikel zusätzlich als „lesenswert“ oder sogar „exzellent“ hervorzuheben. Diese Auszeichnung erfahren nur relativ wenige Artikel, bei welchen die Nutzer in

702 703

Vgl. hierzu die Diskussion zur Dimension "unrichtig". Zitat Interview-Partner 17.

253 einer Abstimmung eine hohe inhaltliche Qualität bescheinigen. Eine solche Möglichkeit existiert bei Unternehmen I nicht. Eine Auswertung der Anzahl „Downloads“ findet bei beiden Fallstudien statt, allerdings ergeben sich hieraus keine weiteren Aktionen (wie z. B. eine weitere Überarbeitung besonders populärer Inhalte). Dimension „unrichtig“ Im Gegensatz zu den bisher besprochenen klassischen prozessorientierten und den problemzentrierten Ansätzen haben bei dem Wiki-basierten Wissensmanagement die Nutzer die Möglichkeit, nicht nur auf unrichtige Inhalte hinzuweisen, sie können (und sollen) gefundene Fehler, Ungenauigkeiten oder Unvollständigkeiten direkt selbst überarbeiten, wobei auch diese Änderungen wieder sofort für alle anderen Nutzer sichtbar sind. Hierbei wird in beiden Fällen eine neue Version der betreffenden Seite erstellt, um so Veränderungen leichter nachvollziehen zu können. Insbesondere bei der Wikipedia ist das Rückkehren zu einer früheren Version eine wichtige Funktion: da Vandalismus ein regelmäßig auftretendes Problem ist, können solche Änderungen leicht rückgängig gemacht werden. Damit verbunden ist jedoch auch die Möglichkeit eines „Edit Wars“, bei welchem die Autoren die Änderungen der jeweils anderen Autoren immer wieder rückgängig machen. Diese genannten Probleme scheinen in einem Unternehmenskontext eher unwahrscheinlich zu sein. Im Gegensatz zu Fallstudie I bietet die Wikipedia zusätzlich die Alternative, dass die Nutzer erkannte Diskrepanzen nicht unmittelbar selbst ändern, sondern diese auf einer separaten, zum jeweiligen Artikel zugehörigen Diskussionsseite mitteilen. Diese Kommentare können dann diskutiert werden und das Ergebnis kann dann ggf. in den eigentlichen Artikeltext einfließen. Dies erscheint insbesondere dann sinnvoll zu sein, wenn sich der Nutzer selbst nicht sicher ist, oder er einen Fehler entdeckt hat, den er selbst (z. B. wegen unzureichender Expertise) nicht beseitigen kann. Durch die einfache Möglichkeit, unrichtige Einträge zu überarbeiten, kann beobachtet werden, dass viele Fehler irgendwann erkannt und auch korrigiert werden, so dass sich die Qualität im Zeitverlauf erhöht. Fraglich ist allerdings, ob dies in allen Fällen und auch unter allen Bedingungen in dieser Form auftritt. So könnte man vermuten, dass weniger relevante Inhalte seltener angesehen werden und demzufolge auch seltener aktualisiert werden.

254

Fallstudienübergreifende Analyse

Zusätzlich wäre denkbar, dass auch geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit sich diese Qualität einstellt. Die Wikipedia hat z. B. viele Tausende Nutzer und Autoren, so dass bereits aus statistischer Sicht das Erkennen und Beseitigen von Problemen relativ wahrscheinlich ist. Daher ist die Frage, ob diese Form der Qualitätssicherung auch in kleinerem Maßstab funktioniert, oder ob dann (mangels Zeit oder Interesse) eine Überarbeitung kaum mehr stattfindet. Im Unternehmen I wird dieser Problematik dadurch begegnet, dass u. a. für diese Aktualisierungen ein halber Tag pro Woche dediziert vorgesehen ist. Dimension „unwichtig“ Die beiden Fallstudien haben verschiedene Herangehensweisen, wie sie mit unwichtigem Wissen umgehen. Bei der Wikipedia existieren umfangreiche Hinweise darauf, was zu dem Aufbau einer freien Enzyklopädie dazu gehört bzw. welche Inhalte nicht erwünscht sind.704 Dementsprechend gibt es die Möglichkeit, für ungeeignete Inhalte einen Löschantrag und für sinnlose Einträge sogar einen Schnelllöschantrag zu stellen. Bei Unternehmen I hingegen werden alle Inhalte akzeptiert, daher ist ein Löschen auch nicht vorgesehen. Um trotzdem einen bestimmten Grad an Übersichtlichkeit zu wahren, haben die Nutzer die Möglichkeit, unwichtig gewordene Inhalte tiefer in die Hierarchie zu verschieben.

Fazit: Es konnte festgestellt werden, dass die beiden Fallstudien I und J zwar beide Wiki-basierte Wissensmanagement-Systeme haben, die konkrete Ausgestaltung unterscheidet sich jedoch erheblich. Folgende Tabelle fasst die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf die fünf Dimensionen zusammen:

704

Siehe hierzu die Diskussion zur Dimension „wichtig“.

255

Ausprägung Dimension Fallstudie I „wichtig"

Keine expliziten Restriktionen: Jeder kann Inhalte arbeitsbegleitend einstellen

„richtig"

Fallstudie J (Wikipedia) Umfangreiche Hinweise: Relevanzkriterien, Ratschläge, Ausschlüsse, Artikelwünsche der Nutzer

Keine Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit vor dem Einstellen Suchen nach Schlagworten oder anhand von Kategorien

„relevant"

./.

„unrichtig"

./.

Diskussionsseite, auf welcher die Nutzer Probleme kommentieren können

„unwichtig"

Keine Löschung, unwichtige Inhalte werden stattdessen in tiefer liegende Hierarchieebenen verschoben

Schnellöschung bei sinnlosen Einträgen, Löschantrag bei unwichtigen Inhalten

Auszeichnung „lesenswerter“ und „exzellenter“ Artikel Direkte Überarbeitung von Inhalten, dadurch Erstellung einer neuen Version

Tabelle 32

Vergleich der beiden Wiki-basierten Fallstudien705

Offensichtlich erfahren Mischformen zwischen klassischen prozessorientierten und Wiki-basierten Ansätzen in der Praxis keine besondere Akzeptanz. Dies konnte auch durch das Unternehmen I aus Erfahrung bestätigt werden. Aus dessen Sicht „[…] funktionieren am besten nur diese beiden Extreme: entweder ein komplett freies System, oder ein System, was einen extrem hohen [Vorgabegrad] hat. So der Bereich dazwischen [wird] eigentlich von niemandem gerne genutzt und gepflegt. So geht es ganz schnell, dass so etwas verwahrlost oder irgendjemand da sitzt und ein System pflegt, was eigentlich niemand wirklich gerne benutzen möchte.“706 Eher denkbar hingegen erscheinen parallele Ansätze. So könnte das langfristig wichtige Wissen in geprüfter Form in einem klassischen prozessorientierten Wissensmanagement vorgehalten werden, wohingegen eher operative Probleme in einem Wiki-basierten System bearbeitet werden können. Dabei kann es durchaus sinnvoll erscheinen, als besonders bedeutsam identifizierte Inhalte des Wikibasierten Wissensmanagements nach einer Prüfung in das klassische prozessbasierte Wissensmanagement zu überführen. Das Ergebnis wären zwei sich ergän-

705 706

Eigene Darstellung. Zitat Interview-Partner 17.

256

Fallstudienübergreifende Analyse

zende Systeme: eines mit operativ wichtigen Inhalten, welche jedoch möglicherweise nicht immer validiert werden; sowie eines mit den strategisch wichtigen und regelmäßig überprüften bzw. aktualisierten Wissenselementen.

Nachdem in diesem Kapitel die Ausgestaltung der Wissensmanagement-Ansätze und deren Möglichkeiten zur Qualitätssicherung übergreifend analysiert und diskutiert wurden, können nun auf Basis der Erkenntnisse im folgenden Kapitel Gestaltungsempfehlungen formuliert werden.

6 Ableitung von Gestaltungsempfehlungen Basierend auf dem präzisierten Bezugsrahmen und den Aussagen zu den fünf Dimensionen sollen im Folgenden Gestaltungsempfehlungen für die Qualitätssicherung im Wissensmanagement gegeben werden. Dieses Kapitel richtet sich insbesondere an Wissensmanagement-Verantwortliche, welche ihr Wissensmanagement im Hinblick auf Möglichkeiten zur Qualitätssicherung hinterfragen wollen oder Informationen zu zusätzlichen Optimierungsmöglichkeiten erhalten möchten. Das Kapitel besteht aus zwei Abschnitten: zunächst werden allgemeine Hinweise zur Gestaltung der Qualitätssicherung gegeben (Abschnitt 6.1), anschließend wird auf Besonderheiten der fünf Dimensionen eingegangen (Abschnitt 6.2).

6.1 Allgemeine Gestaltungsempfehlungen Wie im Rahmen der fallstudienübergreifenden Analyse gezeigt werden konnte, unterscheiden sich die konkreten Ausgestaltungen des Wissensmanagements bei den zehn Fallstudien teilweise erheblich voneinander. Der Unterschied zeigt sich am deutlichsten zwischen den (klassischen) prozessorientierten, den problemzentrierten und den Wiki-basierten Fallstudien. Daher sollen zunächst kurz die Unterschiede dieser drei Ansätze aufgezeigt werden, hat die Wahl des WissensmanagementAnsatzes doch erhebliche Auswirkungen die jeweilige Ausgestaltung der Vorgehensweisen zur Qualitätssicherung. Die wichtigste Eigenschaft eines Wiki-basierten Wissensmanagements ist die jedem Nutzer offenstehende Möglichkeit, schnell neue Inhalte bereitzustellen und bestehende Wissenselemente nach Belieben zu verändern.707 Dies birgt zwar die Chance, schnell neues Wissen verfügbar zu machen und unrichtiges Wissen schnell zu korrigieren, beinhaltet jedoch auch das Risiko, dass aufgrund dieses hohen Freiheitsgrades ebenso schnell falsche Inhalte eingestellt werden oder ursprünglich richtiges Wissen verfälscht werden kann. Ein Nutzer kann nur schwer beurteilen, ob es sich zu einem bestimmten Zeitpunkt um tatsächlich richtiges Wissen handelt. Wiki-basiertes Wissensmanagement eignet sich daher eher für solche Anwendungen, wo Inhalte schnell und einfach eingestellt und überarbeitet werden müssen, für sicherheitskritische Inhalte hingegen ist es weniger geeignet.708 Wie gezeigt werden

707 708

Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.4.2. Siehe Abschnitt 5.2.2.3.

258

Ableitung von Gestaltungsempfehlungen

konnte, ist ein solcher Ansatz trotz der genannten Schwächen als Wissensmanagement geeignet, um praktikable Wissensinhalte hervorzubringen: durch die permanente Hinterfragung und Überarbeitung kann sich ein befriedigendes Qualitätsniveau einstellen. Bei einem problemzentrierten Wissensmanagement hingegen ist der Fokus das Lernen aus Fehlern.709 Bei einem solchen Ansatz werden die z. B. in einem Projekt aufgetretenen Probleme festgehalten. Zu Beginn eines neuen Projekts werden diese faktisch aufgetretenen Problemsituationen den neuen Projektteilnehmern vorgestellt mit dem Ziel, eine Wiederholung dieser Probleme zu vermeiden. Hierbei können zusammen mit der Problembeschreibung auch mögliche Lösungsempfehlungen formuliert werden, an welchen sich die Mitarbeiter orientieren können. Wenn die Entscheidung für ein prozessorientiertes Wissensmanagement getroffen wurde, ist für die Beurteilung der Qualitätssicherung die Beachtung jeder der fünf erarbeiteten Dimensionen erforderlich. Zwar können in Einzelfällen bestimmte Aspekte vernachlässigt werden, jedoch sollte die Ausgestaltung aller fünf Dimensionen zumindest hinterfragt werden. Wie gezeigt werden konnte, sind die jeweiligen Unterschiede in den Ausprägungen erheblich. Im Rahmen der fallstudienübergreifenden Untersuchungen konnten verschiedene übergreifende Thesen abgeleitet werden, jedoch muss jede Unternehmung selbst die für sich am besten geeigneten Vorgehensweisen definieren. Anhand der in dieser Arbeit vorgestellten Fallstudien konnten hierzu verschiedene Ansätze verdeutlicht werden. Durch diese Transparenz der existierenden Möglichkeiten können die Unternehmen mehrere mögliche Optionen abwägen und die für sich am besten geeignete hiervon auswählen. Trotzdem können Misserfolge nicht ausgeschlossen werden: nur weil ein Ansatz in einer Firma funktioniert, muss er deshalb nicht in einer anderen Firma funktionieren. Selbst die drei Unternehmensberatungen haben – obwohl sie in den Kundenprojekten mit vergleichbaren Problemstellungen konfrontiert werden – verschiedenartige Ansätze, und deren Übertragbarkeit von der einen auf die andere Firma wurde von den Interviewpartnern regelmäßig angezweifelt. Eine Unternehmung muss daher bereit sein, auch etablierte Vorgehensweisen zu hinterfragen und ggf. entsprechend anzupassen. Hierbei sind graduelle Veränderungen im Zeitablauf denkbar, jedoch kann gerade bei solchen Wissensmanagement-Ansätzen, die sich im Hinblick auf die Qualitätssicherung in der Praxis als nicht zielführend herausgestellt haben, auch ein klarer Einschnitt und 709

Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.4.1.

259 eine neue Ausgestaltung sinnvoll sein – verbunden mit einer konsequenten Prüfung der Wichtigkeit und Richtigkeit und ggf. auch Entsorgung von Teilen des bereits bestehenden Wissens. Die Etablierung einer Person, welche die Verantwortung für das Wissensmanagement auf operativer Basis hat, kann positiv zur Sicherstellung der Qualität beitragen. Dieser Wissensmanager kann als „Prozesstreiber“710 die Mitarbeiter ermuntern, neue Wissensinhalte einzustellen oder Tipps für gute Inhalte geben, er kann die Datenbasis auf unwichtige bzw. unrichtige Inhalten hin durchsuchen, er kann auf „liegengebliebene“ Themen hinweisen, und er kann als Katalysator für die Nutzung der vorhandenen Wissensinhalte fungieren. Ihm fällt somit die Aufgabe zu, auf die Umsetzung der fünf Dimensionen im Unternehmen zu achten.

6.2 Spezielle Gestaltungsempfehlungen zu den fünf Dimensionen Aus der fallstudienübergreifenden Analyse konnte bestätigt werden, dass die betrachteten fünf Dimensionen zur Beschreibung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement gut geeignet sind.711 Daher sollen im Folgenden aus den erarbeiteten Ergebnissen für jede der fünf Dimensionen Gestaltungsempfehlungen zur Qualitätssicherung im Wissensmanagement abgeleitet werden. Diese werden ergänzt um weitere Empfehlungen, welche sich aus der Analyse der Sonderfälle ergeben haben.

6.2.1

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „wichtig“

Die Nützlichkeit eines Wissensmanagement-Systems hängt insbesondere von den darin enthalten Wissenselementen ab: nur wenn die Mitarbeiter dieses Wissen tatsächlich nutzen können, hat das Wissensmanagement das geplante Ziel erreicht. Daher ist von essentieller Bedeutung, welche Inhalte in das System eingestellt werden. In der Praxis lässt sich beobachten, dass sich viele Unternehmen hierzu nur wenig Gedanken machen. Oft lassen sich nur implizite Kriterien ableiten, welches Wissen als wichtig erachtet wird.712 Die Mitarbeiter entscheiden häufig ausschließlich aufgrund ihrer eigenen Überlegungen, ob und welches Wissen wichtig sein könnte. Dies ist aus zwei Gründen problematisch: zum einen kann es für die einzelne Person schwer abzuschätzen sein, ob das Wissen überhaupt jemals wieder gebraucht wer710 711 712

Zitat Interview-Partner 11. Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1. Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1.1.

260

Ableitung von Gestaltungsempfehlungen

den könnte, zum anderen muss die persönliche Sichtweise nicht damit deckungsgleich sein, was aus Unternehmenssicht bewahrungswürdig ist. Für das Unternehmen kann es bedeutsam sein, diese impliziten Kriterien zu erkennen und zu hinterfragen, so z. B.: x

Aus welchem Grund ist nur das Wissen bestimmter Personen wichtig?

x

Wird durch den definierten Prozess nicht anderes bewahrungswürdiges Wissen systematisch ausgeschlossen?

x

Weshalb werden keine Fehler im System festgehalten, die dann immer wieder auftreten können?

Diese Fragen können einem Unternehmen helfen, den Begriff des für die Erreichung der Unternehmensziele „wichtigen“ Wissens zu schärfen. Verschiedene Möglichkeiten bestehen, wie die individuellen Sichtweisen besser der Gesamtsicht der Unternehmung angenähert werden können. So können die Unternehmen Leitfragen vorgeben, an welchen sich die Mitarbeiter orientieren können. Selbst einfache Fragen (z. B.: „Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass dieses Wissenselement innerhalb der Firma wieder genutzt wird?“) können den betroffenen Personen helfen. Zwar können selten „harte“ Kriterien aufgestellt werden, jedoch können solche Fragen die Mitarbeiter darin unterstützen, die individuelle und subjektive Sichtweise der Wichtigkeit zu kalibrieren und zu relativieren. Auch kann die Beurteilung der Wichtigkeit einem Experten oder dem Vorgesetzten überlassen werden. Wie später noch im Rahmen der Dimension „richtig“ diskutiert wird, sind diese Personen nicht nur geeignet, um die Richtigkeit neuer Einträge zu überprüfen, sie können auch deren Bedeutung aus übergeordneter Sicht besser beurteilen. Häufig haben sie auch einen besseren Überblick über bereits vorhandene Wissenselemente und können so besser einschätzen, was bewahrungswürdig ist. Unternehmen können also den Wissensprozess so gestalten, dass die Antworten auf die Fragen nach der Wichtigkeit und der Richtigkeit verbunden werden können. Da das festzuhaltende Wissen den anderen Personen der Unternehmung dienen soll, können sich die Mitarbeiter am Bedarf dieser Nachfrager orientieren – sie sind diejenigen, welche die Wissenselemente später nutzen sollen. So kann z. B. bei einem Mitarbeiterwechsel die Wichtigkeit an der Einschätzung des Nachfolgers bemessen werden. Auch können die Unternehmungen Möglichkeiten schaffen, wie Nutzer ihren Bedarf kommunizieren können – z. B. im Rahmen einer Umfrage oder

261 eines „Feedbacks“ der Mitarbeiter. Die Autoren neuer Wissenselemente können sich dann an diesem Bedarf orientieren.713 Statt der bisher beschriebenen „ex ante“ Betrachtung der Wichtigkeit ist auch eine „ex post“ Betrachtung möglich. Einmal eingestellte Wissenselemente können zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Grad der Wichtigkeit unterschieden werden. So können z. B. als besonders wichtig angesehene Inhalte durch Experten hervorgehoben werden. Diese Hervorhebung kann später den Nutzern bei der Suche nach geeignetem Wissen helfen.

6.2.2

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „richtig“

Durch die Dimension „richtig“ wird beschrieben, wie man die Verallgemeinerbarkeit und damit Übertragbarkeit von Wissenselementen auf neue Problemsituationen prüfen kann.714 Als wichtigstes Verfahren hierfür hat sich die diskursive Prüfung herausgestellt.715 Dies bedeutet, dass die neu eingestellten Inhalte auf ihre Übertragbarkeit hinterfragt und diskutiert werden. Hierbei bestehen mehrere Möglichkeiten, wie diese Qualifizierung erfolgen kann. Zunächst kann das Wissen durch die Autoren selbst diskutiert werden. Zwar bleiben die generierten Erfahrungen damit zwar im Entstehungskontext verhaftet, jedoch werden zumindest Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen angestellt. Zweckmäßiger (und in der Praxis häufiger anzutreffen) ist ein zweistufiges Vorgehen: neue Wissenselemente werden durch die Autoren erstellt, im Anschluss muss jedoch eine Freigabe durch einen Experten (z. B. Vorgesetzten) erfolgen. Diese Vorgehensweise bietet zwei Vorteile. Zum einen wird so eine gewisse Distanz zum Ursprungskontext erreicht, was eine neutralere Bewertung des Wissens ermöglicht, zum anderen kann diese Person auch zur Beurteilung der Wichtigkeit der neuen Inhalte beitragen. Schließlich ist auch eine Diskussion in einer übergreifenden Expertengruppe denkbar. Dies ist insbesondere dann angezeigt, wenn es sich um besonders kritisches,

713

714 715

Da die Mitarbeiter hier einen konkreten Bedarf äußern, kann üblicherweise von wichtigem Wissen ausgegangen werden: statt einem potentiellen und damit abstrakten Nutzen kann hier ein konkreter Nutzen abgeleitet werden. Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1.2. Ein weiteres Verfahren ist die experimentelle Evaluation, also eine Überprüfung der Ergebnisse durch Wiederholung, welche in der Praxis jedoch kaum beobachtet werden konnte.

262

Ableitung von Gestaltungsempfehlungen

z. B. sicherheitsrelevantes Wissen handelt. Die Intensität der Prüfung ist hierbei am höchsten, allerdings verbunden mit einem entsprechend hohen zeitlichen Aufwand. Insbesondere der letzte Punkt macht deutlich, dass Unternehmen hier eine Abwägung zu treffen haben. Eine höhere Wissensqualität ist unmittelbar mit einem entsprechend höheren Aufwand der Prüfung verbunden. Daher müssen die Unternehmen selbst entscheiden, welcher Grad an Unsicherheit bezüglich der Richtigkeit für ihre Zwecke sinnvoll ist. So fällt z. B. bei Unternehmensberatungen diese Prüfung eher allgemein aus, da das auf den Projekten generierte Wissen sehr kundenspezifisch und damit kaum verallgemeinerbar ist. Hingegen muss z. B. bei einem Flugzeughersteller aufgrund der hohen Sicherheitserfordernisse ein intensiver Diskurs erfolgen. Festzuhalten ist jedoch, dass selbst eine allgemeine Prüfung helfen kann, falsches Wissen aus der Wissensbasis herauszuhalten. Die Ausgestaltung dieses Prozesses hat unmittelbar Einfluss auf die Intensität der Hinterfragung durch die späteren Nutzer. Allgemeine und geprüfte Inhalte können durch die Nutzer in der Regel deutlich einfacher wieder verwendet werden als spezielle bzw. ungeprüfte Elemente. Bei letzteren muss der Mitarbeiter jedes Mal vor der Verwendung die Richtigkeit und Übertragbarkeit hinterfragen. Dies kann zwar durch die Art der Tätigkeit manchmal bedingt sein (auch hier können die Unternehmensberatungen als Beispiel dienen), jedoch sollten Unternehmen die hierdurch bedingten Ineffizienzen bei den Überlegungen zur Ausgestaltung der Prüfung neuen Wissens mit einfließen lassen. Etwas anders stellt sich die Situation bei einem Wiki-basierten Wissensmanagement dar: hier können alle Mitarbeiter neue Inhalte ohne vorherige Prüfung in das System einstellen. Eine diskursive Prüfung der Inhalte vor der Veröffentlichung ist nicht vorgesehen, daher besteht immer ein Risiko, dass die vorgefundenen Elemente nicht richtig sind. Die Nutzer müssen sich in solchen Fällen dieser besonderen Situation bewusst sein und entsprechend umsichtig mit den Inhalten umgehen.

6.2.3

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „relevant“

Die Mitarbeiter müssen das für wichtig und richtig empfundene Wissen auch finden und nutzen können.716 Daher ist es bedeutsam, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie Nutzer potentiell geeignete Wissenselemente auffinden können. Üblich sind 716

Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1.3.

263 hierzu zwei Herangehensweisen, welche durch das Unternehmen implementiert werden sollten. Zunächst sollten die Mitarbeiter die Wissensbasis anhand von Begriffen durchsuchen können (Volltext-Suche). Außerdem ist es sinnvoll, die Inhalte anhand von definierten Kategorien zusammenzufassen, so dass die Nutzer die zu einem Themenfeld gehörigen Wissenselemente schnell identifizieren können. Zusätzlich zu diesen beiden Möglichkeiten hat sich gezeigt, dass Mitarbeiter auch oft Experten zu einer Problemstellung ansprechen, welche dann auf geeignete Wissenselemente hinweisen können. Daher kann es für Unternehmen sinnvoll sein, ergänzend zum Wissensmanagement ein Verzeichnis der Experten zu einem Themengebiet zu erstellen.717 Alternativ oder als Ergänzung zu dieser Suche nach geeigneten Wissenselementen durch die Nutzer („Pull“) können Unternehmen die Option in Erwägung ziehen, die einmal generierten Erfahrungen aktiv in neue Problemsituationen hineinzutragen („Push“). Dies kann insbesondere im Rahmen von Projekten sinnvoll sein. So können z. B. zu Projektbeginn gezielt die Erfahrungen aus vergangenen Projekten übernommen werden oder eine verantwortliche Person benannt werden, welche während des gesamten Projektablaufs kontinuierlich geeignete Wissenselemente aus dem Wissensmanagement-System in die Projektarbeit einfließen lässt. Um die erhofften Effizienzsteigerungen durch das Wissensmanagement realisieren zu können, ist es erforderlich, dass die Mitarbeiter das ihnen zur Verfügung gestellte Wissen auch tatsächlich in ihre Arbeit einfließen lassen. Der Nachweis, dass (und welche) Inhalte genutzt wurden, ist in der Praxis nur schwer möglich. Aussagekräftige Auswertungen sind dann möglich, wenn die Mitarbeiter die tatsächliche Nutzung manuell dokumentieren. So kann z. B. die Person, welche die Erfahrungen vergangener Projekte in neue Projekte hineinträgt, beurteilen, welche Wissenselemente wieder verwendet wurden. Bei einem Wissensmanagement, bei welchem die Mitarbeiter geeignetes Wissen selbst suchen718, ist eine direkte Ermittlung der tatsächlichen Nutzung kaum möglich. Daher sollten Firmen zumindest Indikatoren hierfür ermitteln, z. B. durch die Zählung der Seitenaufrufe oder der „Downloads“ von Dokumenten. Damit können durch eine längerfristige Auswertung geeigneter Kennzahlen und Relationen – z. B. Anzahl der Seitenabrufe je Nutzer – Hinweise auf Art und Umfang der Nutzung der Wis-

717

718

Ein solches Verzeichnis bietet den Nebeneffekt, dass es den persönlichen Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern zusätzlich fördern kann. Dies lag bei der Mehrzahl der untersuchten Fallstudien vor.

264

Ableitung von Gestaltungsempfehlungen

sensbasis gewonnen werden. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Wissen auch tatsächlich genutzt wurde, bei populären Inhalten vermutlich größer als bei solchen Inhalten mit nur wenigen Seitenaufrufen. Auch kann die Gesamtzahl der Abrufe in Relation zur Gesamtzahl der Nutzer eine Kenngröße sein, anhand derer Hinweise auf den Nutzungsgrad des Wissensmanagements abgeleitet werden können. Die ermittelten Indikatoren können dann wiederum genutzt werden, um weitere Aktionen anzustoßen. Es kann z. B. sinnvoll sein, besonders populäre Wissenselemente hervorzuheben oder zur besseren und einfacheren Nutzung mit zusätzlichen Ressourcen weiter aufzubereiten. Umgekehrt kann eine geringe Anzahl an Abrufen ein Hinweis darauf sein, dass ein ursprünglich als wichtig angesehenes Wissenselement doch unwichtig (geworden) ist. Ergänzend können Unternehmen erwägen, regelmäßig (z. B. jährlich) Umfragen zum Wissensmanagement durchzuführen, um so allgemeine Informationen zur Sichtweise der Nutzer zu erhalten. Hierbei können mögliche Probleme im Prozess oder in der Umsetzung leichter identifiziert werden. Zusätzlich kann man den Mitarbeitern die Chance geben, Wünsche zu äußern, welches Wissen ihnen zusätzlich helfen könnte, jedoch noch nicht in der Wissensbasis vorhanden ist.

6.2.4

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „unrichtig“

Die im Wissensmanagement vorgehaltenen Wissenselemente können im Zeitablauf durch neueres Wissen überholt werden. Die Dimension „unrichtig“ beschreibt, wie unrichtig gewordenen Inhalte identifiziert und ggf. aktualisiert werden.719 Wenn die Nutzer eine Lösung zu einem Problem suchen, haben sie die Möglichkeit, die Wissensbasis nach geeigneten Ansätzen zu durchsuchen. Wenn sie die gefundenen Inhalte dann daraufhin überprüfen, ob sie für ihre konkrete Problemsituation geeignet sind, können sie manchmal erkennen, dass das gefundene Objekt mittlerweile inhaltlich überholt ist. Das Wissensmanagement sollte in einem solchen Fall dem Nutzer „Feedback“-Möglichkeiten anbieten, wie dieser seine Erkenntnis den anderen Nutzern mitteilen kann. Möglich ist dies z. B. durch Kommentarfelder zu den jeweiligen Wissensobjekten, in welchen solche Hinweise festgehalten werden können. Die Mitarbeiter haben dann die Möglichkeit, diese bei der Beurteilung und Nut-

719

Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1.4.

265 zung des Wissens zusätzlich heranzuziehen. Eine Erweiterung stellen Diskussionsseiten dar, auf welchen die Nutzer Diskrepanzen ausführlicher diskutieren können. Ein weiterer Anlass, wie unrichtige Inhalte identifiziert werden, ist die erneute Nutzung in einem neuen Kontext, welche dann zu abweichenden Erkenntnissen geführt hat. Die Erfahrungsträger sollten in einem solchen Fall die Unterschiede hinterfragen und die Ergebnisse wiederum in das Wissensmanagement einfließen lassen. In der Praxis lässt sich feststellen, dass diese „Feedback“-Möglichkeit jedoch eher selten wahrgenommen wird. So konnte in verschiedenen Unternehmen beobachtet werden, dass selbst offensichtliche Fehler durch die Nutzer ignoriert werden. Die Gefahr der irrtümlichen Nutzung falscher Inhalte steigt damit an. Um dieser Gefahr zu begegnen, können Unternehmen als Alternative oder Ergänzung eine regelmäßige systematische Prüfung der Richtigkeit einzelner Wissenselemente vornehmen. Je nach Ausgestaltung des Wissensmanagements kann die überprüfende Person der Wissensmanager sein, er kann jedoch auch – wenn er selbst keine inhaltliche Beurteilung vornehmen kann – die Überprüfung durch die jeweiligen Experten zumindest anstoßen. Möglich ist auch die Nennung eines Datums beim Einstellen des Wissenselements, wie lange der Inhalt voraussichtlich Bestand hat. Wenn das Datum überschritten wurde, hat der Autor die Aufgabe, das Wissenselement auf seine Richtigkeit zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Eine Besonderheit im Hinblick auf Aktualisierung unrichtiger Wissenselemente existiert bei den Wiki-basierten Wissensmanagement-Ansätzen. Hier haben die Nutzer die Aufgabe, wenn sie auf unrichtige Inhalte treffen, diese sofort zu korrigieren. Alternativ können sie – wenn sie zur Verbesserung selbst nicht in der Lage sind – zumindest auf das Problem aufmerksam machen (z. B. durch eine Eintragung in eine Art Fehlerliste), so dass sich eine geeignete Person des Problems annehmen kann. Die Möglichkeit des freien Einstellens neuer Inhalte wird somit ergänzt durch die Verpflichtung, unrichtige Wissenselemente sofort zu korrigieren. Hierzu kann es sinnvoll oder sogar erforderlich sein, den Mitarbeitern die nötige Zeit dediziert einzuräumen.

6.2.5

Gestaltungsempfehlungen zur Dimension „unwichtig“

Die in dem Wissensmanagement vorgehaltenen Inhalte können im Laufe der Zeit veralten oder nicht mehr erforderlich sein. Die Behandlung solcher Elemente wird

266

Ableitung von Gestaltungsempfehlungen

durch die Dimension „unwichtig“ beschrieben.720 Ebenso schwierig wie die Antwort auf die Frage, welches Wissen bewahrungswürdig ist (Dimension „wichtig“), ist die Herausforderung zu beurteilen, welches Wissen irgendwann einmal nicht mehr gebraucht wird. Eine solche Abwägung wird üblicherweise durch einen Wissensmanager vorgenommen, welcher einen Überblick über die Inhalte des Wissensmanagements hat (bzw. über den Teilbereich, für welchen er zuständig ist). Er kann hierzu die Wissensbasis systematisch durchsehen und prüfen, welche Inhalte aus seiner Sicht unwichtig geworden sind. Da eine solche regelmäßige Prüfung aller Elemente sehr aufwändig ist, können sich die Wissensmanager an Indikatoren orientieren, welche ihnen potentiell weniger wichtige Wissenselemente anzeigen. Als Indikator ist z. B. ein relativ hohes Alter verbunden mit einer geringen Anzahl an „Downloads“ denkbar. Wenn die Nutzer die Möglichkeit haben, Kommentare zu Inhalten zu hinterlassen, so können auch diese Hinweise auf unwichtige Elemente geben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass das Entfernen bzw. Archivieren erst nach Überprüfung manuell durch den Wissensmanager erfolgt: eine automatische Löschung wird den Ansprüchen an eine Wissensbasis mit möglichst wichtigen Inhalten offensichtlich nicht gerecht. Bei solchen Prozessen zum Entfernen unnötigen Wissens sind die Wissensmanager häufig sehr konservativ, schließlich besteht fast immer eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Inhalte doch nochmals gebraucht werden können. Bei manchen Firmen erfüllt das Wissensmanagement darüber hinaus eine dokumentarische Funktion, dann ist das Löschen von Wissen überhaupt nicht vorgesehen. Dies bedeutet einen beständig wachsenden Datenbestand mit der Folge, dass es für die Nutzer immer aufwändiger wird, das für sie relevante Wissen zu identifizieren. Um auch in solchen Fällen die Nutzbarkeit des Systems sicherzustellen, können die Unternehmen als Alternative oder Ergänzung zur Löschung eine abgestufte Wichtigkeit implementieren. So können z. B. besonders wichtige Wissenselemente hervorgehoben werden. Auch können verschiedene Hierarchieebenen Abhilfe schaffen: wichtiges Wissen befindet sich in höheren Ebenen, weniger wichtiges Wissen dementsprechend in tiefer liegenden Ebenen. Eine solche Lösung kann die negativen Auswirkungen eines exzessiven Wissensmanagements zwar mildern, sie löst jedoch nicht das zugrunde liegende Problem des immer umfangreicher werdenden Bestands.

720

Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 5.1.5.

7 Zusammenfassung und Implikationen In diesem letzten Kapitel werden das Vorgehen und die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Außerdem werden die Implikationen auf die Forschung sowie die betriebliche Praxis beschrieben.

7.1 Zusammenfassung Die Bedeutung des Managements von Wissen im betriebswirtschaftlichen Umfeld nimmt kontinuierlich zu, weshalb in den Unternehmen in zunehmendem Maße Wissensmanagement-Systeme eingeführt werden. Hierbei lässt sich beobachten, dass regelmäßig über Qualitätsprobleme berichtet wird.721 Die Qualitätssicherung wird häufig als essentiell für die Umsetzung eines erfolgreichen Wissensmanagements angesehen. Eine gesamtheitliche Betrachtung, wie man Qualität in Wissensmanagement-Systemen sicherstellen kann, hat jedoch bisher nicht stattgefunden. Die Motivation dieser Arbeit war daher die Untersuchung und Erklärung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement mit dem Ziel, sowohl eine theoretisch fundierte zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Dimensionen und Einflussfaktoren zu erhalten, als auch eine Sichtweise auf praktische Umsetzungen zu erhalten, um hieraus Gestaltungsempfehlungen für die Unternehmen abzuleiten.722 Als Forschungsstrategie wurde hierzu die Fallstudienanalyse gewählt, welche versucht, Fragen nach dem „wie“ und „warum“ zu beantworten, und die insbesondere für aktuelle Fragestellungen in einem realen Kontext geeignet ist. Für dieses Vorgehen wurden zunächst die grundlegenden Begriffe der Arbeit „Wissen“, „Qualität“ und „Wissensmanagement“ im Hinblick auf bisher existierende theoretische Aussagen untersucht und Definitionen hierzu vorgenommen.723 Auf Basis dieser Definitionen und der theoretischen Erkenntnisse wurde ein Bezugsrahmen entwickelt. Hierbei hat sich gezeigt, dass für die Erklärung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement fünf Dimensionen zu betrachten sind: die Selektion bewahrungswürdigen Wissens (Dimension „wichtig“), die Überprüfung neuen Wissens (Dimension „richtig“), die Nutzung des vorhandenen Wissens (Dimension „relevant“), die Überprüfung und Aktualisierung des vorhandenen Wissens (Dimension „unrichtig“) sowie die Ent-

721 722 723

Siehe hier und im Folgenden Abschnitt 1.1. Siehe Abschnitt 1.2. Siehe Abschnitt 2.1.

268

Zusammenfassung und Implikationen

sorgung unnötigen Wissens (Dimension „unwichtig“).724 Für diese fünf Dimensionen wurde die existierende Literatur untersucht, um hieraus bereits bestehende theoretische Ansätze für die weitere Untersuchung abzuleiten.725 Darauf aufbauend wurde die Fallstudienuntersuchung vorgenommen.726 Zunächst wurde die Methodik festgelegt und diese Forschungsstrategie in den wissenschaftlichen Forschungsprozess eingeordnet sowie zehn geeignete Fallstudienobjekte identifiziert. In einem ersten Schritt wurde die Fallstudienuntersuchung einzeln durchgeführt, v. a. basierend auf persönlichen Interviews sowie weiteren Informationen zu den jeweiligen Wissensmanagement-Ansätzen. Der zweite Schritt bestand dann aus der vergleichenden Analyse der gewonnenen Erkenntnisse aus der empirischen Erhebung. Das Ergebnis der fallstudienübergreifenden Analyse war ein präzisierter Bezugsrahmen in Form von elf Thesen über die Ausgestaltung der Qualitätssicherung im Wissensmanagement.727 Diese konnten dann zur Formulierung von Gestaltungsempfehlungen genutzt werden.728

7.2 Implikationen für die Praxis Der entwickelte Ansatz kann Unternehmen in der betrieblichen Praxis bei der Lösung ihrer spezifischen Herausforderungen bei der Qualitätssicherung im Wissensmanagement zu helfen. So sollten die Firmen bereits beim Aufbau eines neuen Wissensmanagements versuchen, alle fünf erarbeiteten Dimensionen zu berücksichtigen, auch wenn am Anfang solche Aspekte wie das Entfernen unnötigen Wissens noch nicht sehr dringlich sind. Unternehmen, welche mit existierenden Qualitätsproblemen in ihrem Wissensmanagement konfrontiert sind, erhalten mit dem vorliegenden Konzept Ansatzpunkte, wie sie diese Probleme beseitigen und künftig vermeiden können. Auch Firmen mit einem etablierten Wissensmanagement können zusätzliche Hinweise erhalten, wie sie den Nutzen ihres vorhandenen Systems weiter steigern können. Die vorliegende Arbeit kann hierzu in mehrfacher Hinsicht beitragen. Zunächst erhalten die Unternehmen einen präzisierten Bezugsrahmen, anhand dessen sie die

724 725 726 727 728

Siehe Abschnitt 2.2. Siehe Kapitel 3. Siehe Kapitel 4. Siehe Kapitel 5. Siehe Kapitel 6.

269 relevanten fünf Dimensionen zur Qualitätssicherung im Wissensmanagement betrachten können. Zusätzlich können sie sich an den erarbeiteten elf Thesen orientieren. Die hieraus abgeleiteten Gestaltungsempfehlungen geben weitere Hinweise. Außerdem haben Unternehmen die Möglichkeit, anhand der ausführlichen Fallstudienbeschreibungen weitere Eindrücke über andere existierende Wissensmanagement-Ansätze zu erhalten. Schließlich kann die zu diesem Themenkreis zusammengestellte Literatur weitere, tiefer gehende Einblicke zu bestimmten Aspekten geben. Insbesondere konnte in dieser Arbeit verdeutlicht werden, dass für ein effektives Wissensmanagement nicht nur die Sicht der Anbieter neuen Wissens (also der Autoren neuer Wissensinhalte) von Bedeutung ist, sondern auch insbesondere die Erfordernisse der Nachfrager des vorhandenen Wissens gebührende Betrachtung erfahren sollte. Daher sollte ein Wissensmanagement diese Nachfragesicht stärker in die Gesamtsicht einbinden. Dies kann auf der Ebene einzelner Wissenselemente erfolgen (z. B. durch stärkere Berücksichtung der Bedürfnisse der Nachfolger bei einem Mitarbeiterwechsel), jedoch auch auf einer übergreifenden Ebene (z. B. durch regelmäßige Umfragen bei den Nutzern). Schließlich soll darauf hingewiesen werden, dass das Management expliziten, also schriftlichen Wissens zwar spezifische Herausforderungen im Hinblick auf die Qualitätssicherung hat, jedoch durchaus eine hohe Bedeutung bei der Wissensbereitstellung und -teilung hat. Es tritt neben den impliziten Wissensaustausch, z. B. innerhalb von „Communities of Practice“, und ergänzt diesen. So kann es insbesondere die Experten von wiederkehrenden Anfragen entlasten, einen Wissenstransfer auch über weite Entfernungen stattfinden lassen, und die Gefahr des Wissensabflusses durch Mitarbeiter-Fluktuation verringern.

7.3 Implikationen für die Forschung Der Beitrag dieser Arbeit zur wirtschaftswissenschaftlichen Forschung ist der präzisierte Bezugsrahmen mit den fünf Dimensionen und den zugehörigen erarbeiteten elf Thesen. In der bislang existierenden Literatur wird das Thema der Qualitätssicherung im Wissensmanagement zwar regelmäßig als auftretendes Problem beschrieben, eine gesamtheitliche Betrachtung, welche Aspekte hierzu berücksichtigt müssen und welche Möglichkeiten in der Praxis umgesetzt werden, um die Qualität des Wissens sicherzustellen, hat bisher jedoch nicht stattgefunden. Diese Lücke wurde mit der vorliegenden Arbeit geschlossen. So konnte ein Ansatz entwickelt werden, wel-

270

Zusammenfassung und Implikationen

cher zur Beschreibung der Qualitätssicherung geeignet erscheint, und auf welchem weitere Forschungen zu diesem Themenkomplex aufbauen können. Ergänzend wurde das Wiki-basierte Wissensmanagement im Hinblick auf die Qualitätssicherung analysiert. Hierbei konnte festgestellt werden, dass der Bezugsrahmen für diesen Wissensmanagement-Ansatz nur eingeschränkt geeignet ist. Zusätzlich wurde das problemzentrierte Wissensmanagement als weiterer Sonderfall diskutiert. Hierbei handelt es sich um einen bisher in der Literatur nicht explizit aufgeführten Ansatz, bei welchem der Fokus das Vermeiden bereits aufgetretener Probleme ist. Auch konnte gezeigt werden, dass die Fallstudienuntersuchung als Forschungsstrategie einen ebenbürtigen Platz im Kontext der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung verdient. Durch diesen Forschungsansatz konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden, welche in dieser Form aus den bisherigen theoretischen Überlegungen heraus nicht abgeleitet werden konnten. Umgekehrt konnten einige theoretische Aussagen in der Praxis nicht bestätigt werden. Diese Herangehensweise hat sich als gut geeignet zur Gewinnung neuer Erkenntnisse erwiesen. Die Fallstudienuntersuchung als Forschungsstrategie hat jedoch eine spezifische Restriktion im Hinblick auf Verallgemeinerbarkeit der abgeleiteten Erkenntnisse. Da diese auf Grundlage von zehn Fallstudien gewonnen wurden und diese zusätzlich anhand definierter Kriterien ausgesucht wurden, liegt hier eine analytische Generalisierung vor, jedoch keine statistische Generalisierung. Aus den Erkenntnissen können Ansätze zu weiterführenden Forschungen abgeleitet werden. So können die getroffenen Aussagen durch eine quantitative Untersuchung an einer großen Zahl von Unternehmen überprüft werden und somit eine statistische Generalisierung erreicht werden. Der entwickelte Bezugsrahmen mit seinen elf Thesen stellt einen Ausgangspunkt für die weitere Präzisierung der Einflussfaktoren auf die Ausprägung der einzelnen Dimensionen des Wissensmanagements dar. Da die untersuchten Fallstudien sehr unterschiedlich in ihrer Ausgestaltung waren, konnten nur wenige allgemeine Aussagen zu den Einflussfaktoren getroffen werden, so dass hier weitere Forschungen zu den Abhängigkeiten von diesen Faktoren fruchtbar sein können. Außerdem könnte die Untersuchung der Auswirkungen dieser Ausprägungen auf den Erfolg des Wissensmanagements ein interessantes Forschungsvorhaben sein. Auf Basis der Erkenntnisse kann festgestellt werden, dass die Erforschung der Qualität von Wissen noch nicht ausreichend fortgeschritten und konkret genug formuliert

271 ist. So gibt die Literatur zwar durch eine Vielzahl allgemeiner und auch wissenschaftlicher Abhandlungen zum Themenkomplex „Wissensmanagement“ viele Hinweise und Ansatzpunkte und zeigt auch mögliche Probleme auf. Die Antwort auf die Frage, wie die konkrete Ausgestaltung aussehen kann, wird jedoch häufig überhaupt nicht oder nur unzureichend gegeben. Diese Arbeit soll einen Beitrag zum besseren Verständnis der Qualität von Wissen im Wissensmanagement leisten.

Anhang: Interviewleitfaden

A. Einführung / Allgemeines 1. 2.

Wie beschreiben Sie das Wissensmanagement in Ihrem Unternehmen? Worin unterscheidet sich Ihr Wissensmanagement von dem in anderen Unternehmen?

3.

Wie ist Wissen in Ihrer Firma definiert?

4.

Wie erkennen Sie Qualität?

B. Dimension „wichtig“ 5.

Wie wird definiert, welches Wissen wichtig (bewahrungswürdig) ist?

6.

Wie ist der Zusammenhang zwischen Kodifizierung und Personalisierung?

C. Dimension „richtig“ 7.

Wie wird sichergestellt, dass das Wissen, das in die Wissensbasis gelangt, richtig ist?

8.

Wie ist die Entscheidung für das gewählte Vorgehen zustande gekommen?

D. Dimension „relevant“ 9.

Wie werden besonders relevante Wissensobjekte identifiziert?

10. Wie wird festgestellt, dass das Wissensobjekt den Anforderungen der Nutzer genügt? 11. Wie wird mit redundanten Versionen umgegangen? E. Dimension „unrichtig“ 12. Wie werden unrichtige Inhalte identifiziert? 13. Was geschieht mit diesen?

274

Anhang: Interviewleitfaden

F. Dimension „unwichtig“ 14. Wie werden unwichtige (veraltete) Wissensinhalte identifiziert? 15. Was geschieht mit diesen? G. Schluss 16. Welche Veränderungen am bisherigen Ansatz sind erforderlich, um die Qualität der Inhalte weiter zu erhöhen?

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