Qualitat in einer Okonomie der Publizistik: Betriebswirtschafliche Losungen fur die Redaktion 3531150863, 9783531150864 [PDF]


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Table of contents :
Cover......Page 1
Qualität in einer Ökonomie der Publizistik......Page 3
ISBN 3531150863......Page 4
Vorwort......Page 5
Inhalt......Page 7
1 Kommerzialisierung, Meritorik und eine Ökonomie der Publizistik......Page 10
2 Qualität – Begriff und Diskussionsgrundlage im Journalismus......Page 81
3 Publizistische Ökonomie am Beispiel der Disziplin Marketing......Page 134
4 Mit Benchmarking auf dem Weg zu erweiterter Medienpluralität......Page 202
5 Publizistik im ökonomischen Kontext – ein Fazit......Page 246
Literatur......Page 273
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Qualitat in einer Okonomie der Publizistik: Betriebswirtschafliche Losungen fur die Redaktion
 3531150863, 9783531150864 [PDF]

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Zitiervorschau

Harald Rau Qualität in einer Ökonomie der Publizistik

Harald Rau

Qualität in einer Ökonomie der Publizistik Betriebswirtschaftliche Lösungen für die Redaktion

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage Mai 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Monika Mülhausen / Tanja Köhler Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15086-4

Lass dich deine Lektüre nicht beherrschen, sondern herrsche über sie. Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher

Vorwort

Die Beziehung zwischen Ökonomie und Medien ist fraglos eine besondere. Es ist eine Beziehung, die schwer zu fassen ist. In der Vergangenheit gab es viele Versuche, die oft verwirrend scheinenden Verbindungslinien zu entflechten. Sie sind wertvoll, denn sie haben gezeigt: Man kann sich diesem Feld auf unterschiedliche Weise nähern, zum Beispiel die Erklärungsmodelle der klassischen Volkswirtschaftslehre und darüber hinausgehend die Erkenntnisse aus der Politischen, der Institutionen- oder der Konstitutionenökonomie anlegen und deren Theoriekonzepte anwenden, ohne sich am Ende paradigmatisch entscheiden zu müssen. Beide Konstrukte, beide Begriffsfamilien – Ökonomie wie (massen)mediale Kommunikation – laden sogar nachgerade dazu ein, sich von verschiedenartigen Ebenen und Theorieplattformen zu nähern. So wäre es aus meiner Sicht auch fatal, sich dann – vom theoriegetriebenen Standpunkt aus und angesichts beobachtbarer Realitätszustände oder empirisch gewonnener Daten – eindeutig für eine unverrückbare „Lehre“ zu entscheiden. Oder, anders gesagt: In der Vielfalt ihrer Ansätze – auch solcher fern des Mainstreams – liegt der Reiz der Medienökonomie. Jede kompromisslos gewählte theoretische Annäherung reduziert das durchaus philosophisch zu betrachtende Gesamtsystem auf die Begrenzungen von Modellen. Diese mögen alle für sich genommen schlüssig sein, sie können jedoch im Gegenzug nicht alle beobachtbaren Phänomene erklären. Deshalb auch hat für die Diskussion der Beziehung zwischen Ökonomie und Medien die im Kommunikationsbegriff durchaus anti-humanistisch angelegte Systemtheorie ebenso ihre Daseinsberechtigung wie die Kritische Theorie oder, ganz grundsätzlich, handlungstheoretische Überlegungen. Diese neutralisierte Betrachtungsweise verweist Theorien in die Schranken ihrer, zur Reduktion von Komplexität fraglos sinnvollen, Modellhaftigkeit – eine Haltung, die auch der modernen wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion gut zu Gesicht stünde. Das vorliegende Buch wirkt im besten Sinne integrativ. Es will – allein schon, indem es die Modellhaftigkeit aller Versuche postuliert, die die beschriebene Beziehung zwischen Ökonomie und medialer Kommunikation erklären wollen – zu einer antidogmatischen und gerade deshalb gesunden Auseinandersetzung einladen. Dafür werden Arbeitstechniken der Betriebswirtschaftslehre von ihrem Gewinnmaximierungsanspruch befreit und auf diese Weise in eine neue Ökonomie der Publizistik integriert. Es geht nunmehr nicht länger um das Individuum des Medienakteurs, das kürzlich ja auch als homo oeconomicus neu verortet wurde, und es geht auch nur am Rande um mögliche neue Geschäftsmodelle, die ein Überleben auch in veränderten massenkommunikativen Medienwelten sichern helfen. Vielmehr geht es einer Ökonomie der Publizistik um die Annäherung zweier Welten. Die Ökonomie der Publizistik will ausgleichen und dem Medienbetrieb die Möglichkeiten öffnen, die in vielen ökonomisch motivierten Werkzeugen liegen. Die im Buch gewählten

6 Beispiele und Fallstudien könnten übrigens getrost gegen andere ausgetauscht werden. Vielleicht gelingt es ja auf diese Weise auch erstmalig, eine dann stabil zu beschreitende Brücke zu schlagen – eine Brücke zwischen Medien-, Institutionen- und Politischer Ökonomie, zwischen Journalismus, Publizistik und Betriebswirtschaftslehre. Vielleicht gelingt es ja darüber hinaus, das verwirrende Knäuel, das die Theoriestränge zwischen Ökonomie und Publizistik eben nach wie vor kennzeichnet, ein wenig zu lösen. Wenn das Buch auch nur einen Hauch davon erreichen kann, wird es die Publizistik befruchten. Es wäre ein Wunsch. Nicht von ungefähr, wurde als Objekt einer solchen Ökonomie der Publizistik das schwierig zu fassende Konstrukt publizistischer Qualität ausgewählt. Zeigt es doch idealtypisch die Grenzen auf – und verdeutlicht im Gegenzug, wie wichtig es bei aller Theoriegläubigkeit ist, den Mut zu eindeutigen und klaren Setzungen aufzubringen. Nur diese machen auch journalistische Qualität begreif- und damit im weitesten Sinne messbar. Basis dieses Buches ist meine Habilitationsschrift (Universität Leipzig), und dieses Projekt hätte ich nicht ohne die Unterstützung lieber und mir wichtiger Menschen abschließen können. Deshalb sage ich an dieser Stelle „Danke!“ – für wertvolle Anregungen, gute, tiefgehende Gespräche und auch die freundschaftlich-kritische Reflektion, die diese Schrift erst zu dem gemacht haben, was sie heute darstellt. Das große Dankeschön gilt insofern also all jenen, die mich auf dem Weg zu einer Ökonomie der Publizistik begleitet haben. Meine Frau Elke möchte ich voranstellen – da sie den Entstehungsprozess hautnah erleben durfte, über weite Strecken auch musste und die mich dennoch getragen hat. Dabei habe ich einmal mehr ihre Analyse zu schätzen gelernt – wie anders ist zu erklären, dass sich plötzlich und unerwartet noch neue Wege öffnen konnten, die Meritorik in der Medienwirtschaft zu beleuchten. Auch Michael Haller möchte ich ausdrücklich danken, der nicht nur als Betreuer meiner Habilitation sondern als inzwischen langjähriger Freund wesentliche Hinweise zu Gliederung und Aufbau sowie zur generellen Anlage dieses Buches gegeben hat. Christoph Neuberger hat nicht nur als Gutachter mit freundschaftlich-kritischem Blick Fragestellungen konkretisiert, sondern entscheidend auch zu einer Reflektion und zu dieser Endfassung des Manuskriptes beigetragen – seinen wachen Geist, seinen tiefen theoretischen Fundus und seine klare Urteilsfähigkeit habe ich dabei sehr schätzen gelernt. Auch Mike Friedrichsen schließe ich in den Dank ein; er begutachtete die Habilitationsschrift mit dem Blick des Ökonomen und verstand es im Entstehungsprozess immer wieder, Interdisziplinarität zu reklamieren. Ganz bewusst möchte ich hier auch die Kolleginnen und Kollegen am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie diejenigen der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Leipzig einbeziehen, und darüber hinaus jene der Fachgruppe Medienökonomie in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) nennen, die in zahlreichen Gesprächen und am Rande von Tagungen und Fachgruppentreffen wertvolle Erfahrungen eingebracht haben – viele dieser Ansätze konnte ich konkret in dieser Arbeit umsetzen. Schließlich danke ich meinen Freunden Lars Rosumek und Manfred Schimmel für Ihre Kommentierungen und ihre große Geduld. Ein Letztes: Würde dieses Buch eine Widmung tragen, so wären hier die Namen meiner Studenten einzutragen, die mich in den vergangenen Jahren immer wieder beeindruckt und mir gezeigt haben, wie wertvoll und befruchtend der offene und eben ganz undogmatische Diskurs ist. Harald Rau Schriesheim, Frühjahr 2007

Inhalt

1

Kommerzialisierung, Meritorik und eine Ökonomie der Publizistik............ 11 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.6 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.7.5 1.8

2

Anmerkungen zu den Fragestellungen und zur Methodik............................... 11 Zielsetzung und Anlage der Untersuchung ..................................................... 14 Ökonomisierung, Kommerzialisierung, Kommodifizierung........................... 19 Die „Medienkrise“ und die Ökonomie der Publizistik ............................... 19 Aspekte einer Kommerzialisierungsdebatte ............................................... 24 Publizistik, Meritorik und die Frage der Präferenzen ..................................... 29 „Moral Sentiments“, Interventionen und die Meritorik.............................. 30 Meritorische Bedürfnisse und die Gütersystematik.................................... 33 Meritorik und konfligierende Präferenzebenen .......................................... 35 Beeinflussung der Konsumentensouveränität als Legitimationsproblem... 38 Rückführung des Begriffs auf den Bedürfniskontext ................................. 39 Die Problematik der Meritorik aus Rezipientensicht.................................. 42 Die Anpassungshypothese: Medienkritik der späten 1960er Jahre ................. 46 Die duale Ökonomie wirkt auf die Qualität................................................ 48 Qualitätsdruck und der Akerlof-Prozess..................................................... 51 Kritik der Anpassungshypothese ................................................................ 53 Verifizierungsansätze zur Anpassungshypothese....................................... 55 Die Ökonomie der Publizistik im Kontext: Eine erste Bewertung.................. 63 Die Wertschöpfungskette und eine Ökonomie der Publizistik........................ 65 Hintergründe: „Konzentration auf das Kerngeschäft“................................ 65 Unterschiedliche Paradigmen: Kerngeschäft und Kernkompetenz ............ 67 Kernkompetenzen in journalistisch orientierten Medien............................ 68 Die diskursive Annäherung an die Konstrukte........................................... 70 Die Entflechtung von Wertschöpfungsketten............................................. 72 Für die weitere Argumentation zusammengefasste Aspekte........................... 80

Qualität – Begriff und Diskussionsgrundlage im Journalismus .................... 83 2.1 Journalistische Qualität – ein schwerfälliges Konstrukt.................................. 83 2.1.1 Segmentierung, Fragmentierung und die Antworten des Journalismus ..... 83 2.1.2 Das Qualitätsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre .......................... 86 2.1.3 Journalistische Qualität in der Komplexitätsfalle....................................... 89 2.1.4 Die Problemfelder der Bestimmung journalistischer Qualität.................. 108 2.1.5 Meritorische Qualität als Kategoriensystem............................................. 111 2.1.6 Konsequenzen aus dem Kategoriensystem „meritorische Qualität“ ........ 114 2.2 Qualität und Qualitätsmanagement ............................................................... 117 2.2.1 Total Quality Management: Nähe zur Ökonomie der Publizistik ............ 117 2.2.2 Total Quality Management und Journalismusforschung .......................... 121

8 2.2.3 Eine Rückführung auf die Kriterien von Deming..................................... 129 2.3 Qualität in einer Ökonomie der Publizistik ................................................... 134 3

Publizistische Ökonomie am Beispiel der Disziplin Marketing ................... 137 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6

4

Markterfordernisse und Marketing................................................................ 138 Eine betriebswirtschaftliche Arbeitstechnik im Wandel .......................... 139 Medienmarketing – eine grobe Skizze am Beispiel Tageszeitung ........... 141 Marketing – der Begriff als Objekt der Veränderung............................... 143 Marketing als dominante Führungsfunktion ................................................. 146 Strategisches Marketing: erweiternde Dimension .................................... 148 Marketing für Nonprofit-Organisationen ................................................. 149 Vom Nonprofit- zum Social Marketing.................................................... 151 Öko-Marketing und eine Ökonomie der Publizistik................................. 154 Die Elemente des Marketing-Management................................................... 155 Die zwei Komponenten im Marketing-Management ............................... 155 Marktforschung: Basis für die reaktive Komponente............................... 156 Marktforschung im Rezipientenmarkt...................................................... 159 Reaktion und Aktion im Marketing-Mix.................................................. 171 Marketing als Qualitätsinstrument der Redaktion......................................... 182 Marketing und meritorische Qualität: Total Community Coverage.............. 183 Medien in lokalen Zusammenhängen....................................................... 183 Total Community Coverage – Ansätze für die Berichterstattung............. 188 USA und Europa: Ideale Redaktionsbesetzung durch Diversität? ........... 193 TCC und Diversität: Zur Situation in Deutschland .................................. 196 Medienangebote und ethnische Minderheiten in Deutschland ................. 200 Eine Bewertung: TCC, Marketing und Journalismus............................... 202

Mit Benchmarking auf dem Weg zu erweiterter Medienpluralität............. 205 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3

Grundlegende Anmerkungen zum Einsatz von Benchmarking .................... 205 Benchmarking als definitorisches Problem................................................... 207 Benchmarking – der Begriff und seine Dimensionen............................... 207 Problemkreise: Kultur und Kommunikation ............................................ 212 Ordnung 1: Vergleichskonzepte und der Branchenbezug ............................. 215 Benchmarking innerhalb der Organisation............................................... 215 Benchmarking im konkurrierenden Branchenumfeld............................... 217 Benchmarking in einer funktionalen Betrachtungsweise ......................... 220 Benchmarking im übertragenden Konzept ............................................... 222 Ordnung 2: Benchmarking-Varianten nach Objektgruppen.......................... 224 Strategisches Benchmarking .................................................................... 224 Kostenorientiertes Benchmarking ............................................................ 226 Kundenorientiertes Benchmarking........................................................... 228 Ordnung 3: Objekte des Benchmarking ........................................................ 229 Benchmarking für die Redaktion .................................................................. 231 Der Fokus Tageszeitung im Leipziger Benchmarking-Projekt ................ 231 Benchmarks für den überregionalen Nachrichtenteil ............................... 233 Benchmarks für den Lokalteil von regionalen Tageszeitungen................ 236

9 4.6.4 Das Leipziger Benchmarking-Projekt, eine Bewertung ........................... 238 4.7 Der Prozesscharakter in der Vorgehensweise ............................................... 238 4.8 Das Elementenmodell als Basis für die medienökonomische Annäherung .. 241 4.8.1 Ein mehrstufiges Modell integrierter Elemente........................................ 241 4.8.2 Die Elemente des Modells im Überblick.................................................. 242 4.8.3 Das Beziehungsgeflecht der Elemente ..................................................... 244 4.9 Eine Bewertung: Benchmarking als Qualitätsinstrument der Publizistik...... 246 5

Publizistik im ökonomischen Kontext – ein Fazit ......................................... 249 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.3 5.4

Zu einer Ökonomie der Publizistik ............................................................... 249 Die Diskursfelder und ihre Bewertung im Überblick.................................... 257 Diskursfeld 1: Ausgangspunkt Kommerzialisierung................................ 257 Diskursfeld 2: Rezipienten-Präferenzen und die Frage der Anpassung ... 259 Diskursfeld 3: Publizistische Qualität und Qualitätsmanagement............ 261 Diskursfeld 4: Beispielinstrument Marketing........................................... 264 Diskursfeld 5: Beispielinstrument Benchmarking.................................... 267 Medienmanagement: Schlüssel zu einer Ökonomie der Publizistik.............. 270 Zum guten Schluss: alles Theorie!? .............................................................. 273

Literatur.......................................................................................................................... 277

Im Jetzigen muss das Künftige schon verborgen liegen. Das heißt Plan. Ohne dieses ist nichts in der Welt gut. Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher C 193 gek., 1772/73)

1 Kommerzialisierung, Meritorik und eine Ökonomie der Publizistik

Die Ökonomie der Publizistik ist ein ebenso wertvolles wie kritisches Konstrukt, und auf den folgenden Seiten mag man sich angesichts der Komplexität der präsentierten Zusammenhänge die Logik und Stringenz einfacher Erklärungsmodelle herbeiwünschen. Diesen Gefallen wird dieses Buch nicht tun können, da die Wechselwirkungen zwischen Ökonomie und Publizistik vielschichtig sind, ihr Beziehungsgefüge von so unterschiedlichen Positionen aus betrachtet werden kann, dass eine Reduktion den Anspruch dieser Arbeit nachgerade konterkarieren würde. Nun also bleibt Komplexität. Dabei ist das eigentliche Erkenntnisinteresse dieses Buches leicht erklärt. Es geht um die Frage, ob (und ansatzweise auch inwiefern) betriebswirtschaftliche Arbeitstechniken in publizistischen, genauer: in journalistischen, Produktionszusammenhängen einzusetzen sind, um Medieninhalte qualitativ zu beeinflussen.

1.1 Anmerkungen zu den Fragestellungen und zur Methodik Mehrere Problembereiche sind mit dieser Thesenstellung verknüpft – die schwierige Bestimmung von Medienqualität auf der einen, die Versöhnung publizistisch orientierter Inhaltsproduzenten mit Werkzeugen, die normalerweise kommerziellen Regeln folgen, auf der anderen Seite. So gesehen, liegt die Leistung der folgenden Seiten einerseits darin, diese Werkzeuge zu entkommerzialisieren und andererseits darin, zu mutigen – publizistisch motivierten – Setzungen bei der Bestimmung von Medienqualität zu gelangen. Dem entsprechend ergeben sich die Diskursfelder wie folgt: ƒ

Diskursfeld 1: Ausgangspunkt und Grundphänomen Kommerzialisierung 1. Welche Wirkungen hat eine Ökonomie der Publizistik bezogen auf Kommerzialisierungstendenzen – unabhängig davon, ob diese plausibel erklärt werden können oder nicht? 1.1 Wie ist Kommerzialisierung zu definieren? 1.2 Welche Implikationen hat Kommerzialisierung auf die Aussagenproduktion im Medienkontext? 1.3 Welche Instrumente einer Ökonomie der Publizistik können beobachtbaren Kommerzialisierungstendenzen begegnen?

12

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1.4 Wie können diese Instrumente eingesetzt werden? Diskursfeld 2: Rezipienten-Präferenzen und die Frage der Anpassung 1. Stützt die Meritorik eine Ökonomie der Publizistik? 1.1 Welche Rolle spielt die Einschätzung von Konsumenten- oder, in diesem Falle besser, Rezipientenpräferenzen im Sinne der Meritorik? 1.2 Wie ist über das Konzept der Konsumenten- oder eben wiederum der Rezipientensouveränität auch in Anbetracht der theoretischen Überlegungen zur Meritorik zu urteilen? 2. Welche Implikationen auf das Angebot von Medieninhalten hat eine Anpassung an vermutete oder gemessene Rezipienteninteressen? 2.1 Wie kann man die Diskussion um „Anpassungsjournalismus“ der 1970er Jahre befruchtend auf aktuelle Zusammenhänge übertragen? 2.2 Wie ist über das Thema „Anpassung“ aktuell zu entscheiden? 2.3 Welche theoriegetriebenen Verifizierungsansätze für die Anpassungshypothese sind denkbar? Diskursfeld 3: Medienqualität, journalistische Qualität, Qualitätsmanagement 1. Wie ist über journalistische Qualität zu urteilen? 1.1 Welchen Qualitätsbegriff legt man für die Produktion informatorisch getriebener Medieninhalte zugrunde? 1.2 Wie konsistent oder flexibel ist ein solcher Qualitätsbegriff? 1.3 Welche Setzungen kann man vornehmen, um die Bestrebungen in einer Ökonomie der Publizistik zu stützen? 1.4 Was kann eine Dynamisierung des Qualitätskonzeptes bewirken? 1.5 Führt ein neues Kategoriensystem für journalistische Qualität auch zur stringenteren Wahl von Qualitätskriterien? 1.6 Kann ein solches Kategoriensystem auch meritorisch verankert werden? 2. Können Ansätze des Qualitätsmanagements als Steuergröße einer Ökonomie der Publizistik dienen? 2.1 Lösen Überlegungen zum Qualitätsmanagement das definitorische Dilemma? 2.2 Liegt im „Total Quality Management“ bereits ein Werkzeug der Ökonomie der Publizistik verborgen? 2.3 Wie ist die Situation bei einer Rückführung der Diskussion auf den ursprünglichen TQM-Katalog nach Deming zu beurteilen? Diskursfeld 4: Beispielinstrument einer Ökonomie der Publizistik: Marketing 1. In welcher Weise beeinflusst das Instrument Marketing meritorische Qualität? 1.1 Ist Marketing als Instrument entmonetarisiert im Sinne einer Ökonomie der Publizistik einsetzbar? 1.2 Wie wirkt Nonprofit-Marketing in einer Ökonomie der Publizistik? 1.3 Welche Hinweise für eine Umsetzung in der Redaktion können zusätzlich gegeben werden? Diskursfeld 5: Beispielinstrument einer Ökonomie der Publizistik: Benchmarking 1. In welcher Weise beeinflusst das Instrument Benchmarking das Kategoriensystem publizistischer Qualität?

13 1.1 Ist Benchmarking als Instrument entmonetarisiert im Sinne einer Ökonomie der Publizistik einsetzbar? 1.2 Welche Spielarten von Benchmarking kann man systematisieren und damit für die Ökonomie der Publizistik fruchtbar machen? 1.3 Wie wirkt Benchmarking in einer Ökonomie der Publizistik? 1.4 Welche Hinweise für eine Umsetzung in der Redaktion kann man geben? Wer sich nun direkt einer Zusammenfassung der Ergebnisse und der Bewertung dieser Diskursfelder als Essenz der Untersuchung zur Qualität in einer Ökonomie der Publizistik zuwenden will, sei direkt an das Schlusskapitel und den Abschnitt 5.2 ab Seite 255 verwiesen. Dort werden die hier geöffneten Felder jeweils einzeln einer analytischen Betrachtung unterzogen. Insgesamt zeigt die vorliegende Studie zweierlei: ƒ

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Zum einen wird vorgeführt, dass ein nonprofit-orientiertes, entmonetarisiertes betriebswirtschaftliches Verständnis auch für publizistische Zusammenhänge fruchtbar entwickelt werden kann. Deswegen wird auch – im Unterschied beispielsweise zu volkswirtschaftlich geprägten institutionenökonomischen Ansätzen – die Begrifflichkeit einer Ökonomie der Publizistik eingeführt. Zum zweiten werden beispielhaft mehrere Arbeitstechniken aus dem beinahe unbegrenzten Feld betriebswirtschaftlicher Werkzeuge ausgewählt und direkt überprüft. Hinzuzufügen bleibt dabei: Es wird regelmäßig ausgeblendet, dass ein Einsatz dieser Arbeitstechniken im redaktionellen Umfeld von (Massen-)Medienorganisationen auch andere – nämlich später durchaus am (monetären) Gewinn messbare – Reaktionen zeitigen können. Da dies außerhalb des Erkenntnisinteresses dieser Untersuchung liegt, wird auf die Diskussion dieser Zusammenhänge verzichtet.

Die Untersuchung stellt im Kontext dieser beiden Punkte Zusammenhänge her und leitet die unterschiedlichen Aspekte vorzugsweise aus der Tradition der Betriebswirtschaftslehre ab – dies gilt insbesondere für die Abschnitte, die sich mit konkreten Werkzeugen wie Total Quality Management, Marketing und Benchmarking beschäftigen. Überall dort, wo es um Grundlagenbildung geht, werden insbesondere medien- und kommunikationswissenschaftliche sowie darunter spezifisch medienökonomische Ansätze herangezogen. Bei letzteren zeigt sich im Übrigen die durchgängig volkswirtschaftliche Tradition der deutschsprachigen Medienökonomie. Methodisch erschließt sich diese Untersuchung ihr Feld über weite Strecken explorativ – insbesondere auch deshalb, weil die Zusammenhänge in einer von betriebswirtschaftlichen Instrumenten motivierten Ökonomie der Publizistik als übergreifender Ansatz erstmalig präsentiert werden. So öffnet sich im vorliegenden Buch eine Fülle von Aspekten, die im Rahmen der weiterführenden Forschung nicht nur aufgegriffen, sondern sinnvoll und vermutlich ausgesprochen fruchtbar vertieft werden können. Dieses einführende Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die Zielsetzung und Anlage der Arbeit, und es führt jene für die weitere Diskussion grundlegenden Begriffe und theoretischen Ansatzpunkte ein. Das argumentative Gerüst bedarf insbesondere der Abgrenzung der Begriffe Ökonomisierung, Kommerzialisierung und Kommodifizierung. Außerdem ist eine Ökonomie der Publizistik nicht ohne eine Anerkennung meritorischer Bedürfnisse denkbar – deshalb kommen im weiteren Verlauf dieses Kapitels auch von eindi-

14 mensionalen Konsumentenpräferenzen entkoppelte Güteraspekte in den Blick. Ebenfalls wird bereits in dieser Einführung eine Zunahme kommerzieller Ansprüche in Medienunternehmen mit der daraus möglicherweise folgenden Wirkung auf die Qualität verbunden. Dies erfolgt – weil es im direkten Zusammenhang mit der Kommerzialisierungsdebatte steht – bereits vor einer definitorischen Annäherung an den Komplex journalistische oder publizistische Qualität. Im Grunde könnte die aus Sicht dieser Arbeit notwendige Beschäftigung mit dem Terminus Anpassungsjournalismus (die ebenfalls in diesem ersten Kapitel angesiedelt ist) sinnreich auch nach der Qualitätsdiskussion und damit nach dem zweiten Kapitel eingefügt werden. Um jedoch einen deutlicheren Spannungsbogen zu ziehen, wird dies vorgezogen. So stehen die Thesen und Argumente dieser Arbeit in einem Kontext, der am Ende ein Fazit erlaubt, das von der reinen Theorie abstrahierend die Konsequenzen einer Ökonomie der Publizistik für redaktionelle Führungs- und Arbeitsrealitäten bestimmt.

1.2 Zielsetzung und Anlage der Untersuchung Die konkrete Zielsetzung dieser Arbeit liegt darin, anhand von drei gesondert vertieften Beispielen das Konstrukt einer Ökonomie der Publizistik zu verdeutlichen, die vom monetären Gewinnmaximierungsanspruch einer neoklassischen, liberalistischen Denkhaltung befreit ist. Sie fußt damit – ähnlich wie die Institutionen- oder die Verfassungsökonomik oder auch das Konzept einer Aufmerksamkeitsökonomie – auf der Überzeugung, dass die Ökonomie ein breit auszulegender Ansatz der Sozialwissenschaften ist, der weit mehr als nur realökonomische oder monetär-ertragsbezogene Zusammenhänge erklären kann. Während sich die klassische Institutionenökonomik als (evolutionstheoretischer) ökonomischer Ansatz – bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts in den USA – mit den Wechselwirkungen von Wirtschaft, Institutionen und Gesellschaft beschäftigt, befasst sich die neue Institutionenökonomik mit Systemen von Regeln oder Normen auf Basis einer Ökonomie-Definition als Lehre von der kooperativen Schaffung gemeinsamer Vorteile. Dabei nimmt sie als wesentlichen Gegenstand die Wirkung von Institutionen auf die Ökonomie in den Blick. Die Ökonomie der Publizistik dagegen will die Träger der journalistischen Verantwortung aus ihren realökonomischen Bindungen herauslösen und die Wirkung betriebswirtschaftlicher Methodik auf Qualitätskriterien anwenden, die über das gewählte Hilfskonstrukt vermuteter Meritorik auch rein publizistisch von Interesse sind. Fraglos sind redaktionelle Einheiten – zumindest jene der privatwirtschaftlich organisierten Medienformen – in betriebswirtschaftliche Realitäten eingebunden und jede auf Veränderung der Inhaltsstruktur zielende Aktivität, wird in diesen wie auch immer gelagerte Folgen zeitigen. Dessen ungeachtet erlaubt die Ökonomie der Publizistik über die realökonomischen Zusammenhänge hinausgehend, die Aspekte öffentlicher Güter, die Medienprodukte unstrittig besitzen, durch den Einsatz betriebswirtschaftlicher Werkzeuge zu stützen. Diese Vorgehensweise präsentiert also auch eine Reaktionsmöglichkeit des Journalismus auf das von zunehmender Kommerzialisierung und Kommodifizierung geprägte Marktgeschehen (eine ausführliche Diskussion der Begrifflichkeiten folgt im zweiten Abschnitt dieses Kapitels). Um diesen Kunstgriff anzuwenden, werden Redaktionen aus dem neoklassischen Umfeld des freien Marktgeschehens argumentativ herausgelöst und so betrachtet, als wären sie ähnlich wie Museen, Kirchen oder gemeinnützige Vereine von einem Nonprofit-Ansatz getragen. Dies ist eine durchaus plausibel nachvollziehbare Vorgehens-

15 weise, wenn man die über das normative Leistungsspektrum der Gesellschaft zugewiesenen Funktionen voraussetzt. Es muss dazu allerdings der Charakter journalistischer Medien als öffentliche Güter eigener Prägung einbezogen und damit ganz besonders auf die vermuteten meritorischen Bedürfnisaspekte der kommunikativen Leistung verwiesen werden. Dies wird im Verlauf dieses Kapitels geschehen. Zur Erinnerung: Öffentliche Güter sind auch Rechtssicherheit, sozialer Frieden und ebenfalls eine gut informierte Öffentlichkeit. Diese Güter bereitzustellen, schafft erheblichen Aufwand. Und weil von der Nutzung selbst niemand ausgeschlossen werden kann und/oder beim Konsum keine Rivalität auftritt, ziehen es Akteure höchstwahrscheinlich vor, eines dieser öffentlichen Güter zu nutzen, ohne im Gegenzug adäquate Aufwendungen zu leisten. Damit ist die kontinuierliche Bereitstellung des öffentlichen Gutes tendenziell gefährdet. Da aber ein allgemeines Interesse (wie auch immer dies im Einzelfall ausgeprägt sein mag, sei hier dahingestellt) an der Bereitstellung der genannten öffentlichen Güter besteht, ist es entsprechend politisch durchsetzbar, diese Bereitstellung durch verbindliche Regeln zu sichern. Damit beziehen sich letzten Endes viele medienökonomischen Fragestellungen auf die Rolle des Staates, auf die Legitimation von Marktinterventionen. Dies gilt nicht nur für die Medienmärkte insgesamt sondern auch für den publizistischen Wettbewerb. Die Ökonomie der Publizistik greift diese Zusammenhänge jedoch nur insoweit auf, als sie daraus das Spannungsfeld zwischen publizistischem Markterfolg und Anpassung an möglicherweise „niedere“ Bedürfnisse eines (informatorischen) Massenmarktes aufzeigt. Dies muss deshalb eingebracht und vertieft werden, weil man daran erkennt, in welcher gesellschaftlichen Verantwortung der Einsatz von Instrumenten einer Ökonomie der Publizistik steht. Wenn Marketing und Benchmarking – zwei ausgewählte Arbeitstechniken, an denen die Umsetzung eines entmonetarisierten ökonomischen Anspruches der Redaktion verdeutlicht werden soll – positive Wirkungen auf Kriterien des Kategoriensystems meritorischer Qualität (vgl. Kapitel 2), so muss die Meritorität von bestimmten Medieninhalten oder, genauer, die Meritorität der Bedürfnisse, die diese Inhalte beim Rezipienten befriedigen, festgestellt und die Instanzen, die diese Feststellung treffen, legitimiert sein. Hierin liegt eines der größten Probleme moderner Medienwissenschaft. Diese Zusammenhänge können nun über gesetzliche Regelungen in ein System gesellschaftlicher Normierung eingebettet sein – damit freilich ist die Legitimation nicht geklärt. Dennoch geht es in dieser Arbeit auch um eine Ökonomie der Redaktion, deren Legitimation auf Basis eines meritorischen Qualitätsbegriffes für das journalistische Produkt erfolgt. Problematisch dabei ist – und davor darf man nicht die Augen verschließen –, dass dies nur über konsequente Setzungen erfolgreich durchgeführt werden kann, und so auch die Frage nach der Qualität in einer Ökonomie der Publizistik stets eine Frage der gewählten Strategie und damit eine nach der Ausrichtung des Medienmanagements ist. Die vorliegende Arbeit leistet in diesem Kontext folgendes: ƒ ƒ

Sie grenzt die Begriffsfamilie der Ökonomisierung, Kommerzialisierung und Kommodifizierung neu ab, um insbesondere die Ökonomisierungs-Debatte auf eine bislang ungewohnte Weise zu neutralisieren. Sie erläutert darüber hinaus, warum der Zeitpunkt, das Konstrukt der publizistischen Ökonomie zu diskutieren, gut gewählt ist. Die vielfach betonte (vgl. Friedrichsen/Kurad 2004, S. 21; Schenk/Wolf 2004, S. 35 ff.) aber auch zurückgewiesene (vgl. Ludwig 2004, S. 45) Krise der Medienwirtschaft (vgl. zur Gesamtproblematik Fried-

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richsen/Schenk 2004) verlangt geradezu nach einer strukturierten Vorgehensweise der Redaktionen. Sie beschäftigt sich mit dem Konzept der Meritorik und führt die Auseinandersetzung mit diesem auf den ursprünglichen Ansatz von Musgrave (1959) zurück, der von meritorischen Bedürfnissen ausgeht und erst weit später (vgl. z.B. 1987) von meritorischen Gütern spricht. So gesehen wird bei der Anwendung der Meritorik auf journalistische Medien, insbesondere deren Inhaltsaspekte, einer nachfrageorientierten Betrachtung (Bedürfnisaspekte) höheres Gewicht zugesprochen als der angebotsorientierten (Güteraspekt). Die nachfrageorientierte Betrachtung muss auch handlungstheoretische Überlegungen in den Blick nehmen, um gesellschaftlich normierte Funktionen der Medien zu diskutieren – mehr nicht, da ja schon diese Normierung unter konsequent handlungstheoretischen Gesichtspunkten in Frage steht. Will sagen: Auch die Meritorik-Diskussion ist stets mit einem Fragezeichen zu versehen, da ihre Legitimation über Präferenzen aus handlungstheoretischer Sicht schwer abzuleiten ist. Hinzu kommt die Problematik, dass vielfach mit unpräzisen Rechtsbegriffen gearbeitet wird, was schließlich ist „öffentliche Aufgabe“? Sie greift die Anpassungshypothese als Erklärungsmodell der frühen 1970er Jahre wieder auf, da dieses Konstrukt nach wie vor hohe Erklärungskraft für Medienqualität in der wissenschaftlichen Annäherung besitzt – unabhängig von einer möglichen Verifizierung oder Falsifizierung. Viele Ansätze und Konzeptionen verweisen bis heute auf die Zusammenhänge der Anpassungshypothese und ihre formulierte Befürchtung von negativen Auswirkungen auf die Inhaltsqualität von Medien bei fortschreitender Kommerzialisierung (die Betonung der betriebswirtschaftlichen Seite in der Medienproduktion führt nach Holzer (1969) zu einer Orientierung am vermeintlichen Massengeschmack und damit zu einer Qualitätsverschlechterung des Medieninhalts). In der Auseinandersetzung mit dieser These kann zusätzlich eine Unterscheidung zwischen Gratis- und Kaufmedien als sinnvoll erachtet werden, da bei letzteren zusätzlich der Aspekt der „Wertigkeit“ hinzukommt. Oder, wie es die Betriebswirtschaftslehre formuliert: bei Kaufmedien spielt der im Vergleich deutlich höher liegende „wahrgenommene Wert“ eine Rolle. Sie zeigt in diesem Zusammenhang, dass Qualität für journalistische Arbeitsrealitäten ein definiertes Qualitätsverständnis benötigt, das in Form von Setzungen erfolgt. Qualität ist damit ein Instrument strategischer Wahl – so wie andere Aspekte ebenso strategisch wählbar sind, die Frage nach einer Gestaltung der Medienorganisation im Sinne von Kerngeschäft oder Kernkompetenz. Dieser Ansatz wird zur Veranschaulichung beispielhaft hier entwickelt. Sie stellt unterschiedliche Wege vor, wie Qualität im Journalismus definiert, kategorisiert oder gemessen werden kann und entwickelt in einem Akt konsequenter Reduktion den Begriff der meritorischen Qualität. In diesen dürfen allein jene Kriterien Einzug halten, die dem (nachfrageorientierten) Konzept der Meritorik, wie es in dieser Arbeit gewählt wird, nicht zuwider laufen. Meritorische Qualität wird hier als ein zentrales Kategoriensystem eingeführt, das bei entsprechenden strategischen Optionen des Medienmanagements am Ende auch Subventionen für die mediale Inhaltsproduktion rechtfertigen kann.

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Sie macht plausibel, dass betriebswirtschaftliche Arbeitstechniken auch in NonprofitSituationen funktionsfähig angewendet werden können. Wenn dies der Fall ist, kann man ihren Einsatz im redaktionellen Umfeld ohne den gesamtunternehmerischen Anspruch der Gewinnmaximierung erproben. Dies ist sozusagen auch Voraussetzung dafür, einen Qualitätsbegriff zu formulieren, der (gesellschaftliche, von höheren Präferenzordnungen geprägte) Standards (meritorische Qualität) vorgibt. Sie grenzt einen eher statisch angelegten Qualitätsbegriff von einem dynamisierten, aktivitätsorientierten Kategoriensystem sowie von strategischem Qualitätsmanagement ab. Die Vermischung der Ebenen, hat in der jüngeren Vergangenheit – auch und insbesondere in der Beschäftigung mit Total Quality Management (TQM) – für eine nicht immer konsistente Auseinandersetzung mit den Ebenen der betriebswirtschaftlich motivierten Arbeitstechniken gesorgt. Die Rückführung auf die Deming-Kriterien (vgl. Deming 1982, 1986) als Ausgangspunkt für Qualitätsmanagement vermeidet die Gefahr, dass TQM als quasi selbstreferenzielles System institutioneller Selbstoptimierung implementiert wird. Sie zeigt an ausgewählten Arbeitstechniken der Betriebswirtschaftslehre, dass deren Einsatz in der Praxis durchaus positiv auf die Qualität des Mediums wirken kann – und zwar unabhängig davon, ob ein stark individualistisch gewichtetes (marketingorientierter Begriff) oder ein als gesellschaftlicher Standard vorgebbares Verständnis von Qualität zugrunde gelegt wird. Die Betriebswirtschafts-, genauer die Managementlehre der vergangenen 50 Jahre hat eine Vielzahl von Methoden und Werkzeugen entwickelt, mit deren Hilfe sich Qualität in Herstellungssituationen optimieren lässt; sie hat Modelle geschaffen, die ohne Probleme auch für Medienunternehmen heranzuziehen sind und die sich auch auf die journalistische Arbeitssituation anwenden lassen. Dies gilt selbst bei der sicher auch weiterhin starken Trennung zwischen betriebswirtschaftlichen und redaktionellen Einheiten in Medienunternehmen. ƒ

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Viele dieser Arbeitstechniken können als wertvolle Hilfsmittel der Zukunftssicherung der Redaktionen dienen – sei es Marketing (vgl. Kotler/ Bliemel 1997, Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994), Controlling (vgl. Horváth 1990, vgl. Mayer/Weber 1990), seien es Balanced Scorecards (vgl. Kaplan/Norton 1992, 1993, 1996), sei es Dezentralisierung (vgl. Sloan 1963, 1966, 1986), seien es Konzepte der Lernenden Organisation (vgl. Senge 1990, 1994), oder solche, die Action Learning im Sinne von Revans (vgl. Revans 1966, 1971, 1979) bzw. Wettbewerbsstrategien (Porter 1980, 1985, 1986, 1990) in den Mittelpunkt stellen. Ebenso lassen sich die Führungsprinzipien im Sinne der „Management by Objectives“ (vgl. Humble 1971) oder Hygiene- und Motivationsfaktoren nach Herzberg (vgl. 1966, 1968, 1976 sowie Herzberg/Mausner/Snyderman 1959) in der Medienpraxis anwenden. Ebenso gut kann man das Konzept der Kompetenzkreuzungen nach Meier (2002, vgl. S. 428 f.) als qualitätsrelevant berücksichtigen, das sich direkt auf die Organisation der Redaktion bezieht. Das wäre deshalb interessant, weil auch Meier seine Forschungen nicht fern ökonomisch motivierter Einflussfaktoren positioniert (vgl. 2002, S. 327 ff.). Meier (2002) argumentiert mit Hilfe des Begriffs Ressortautonomie (vgl. 2002, S. 128 und 356). Das ist in seinem Ansatz konsequent und richtig. Er postuliert dabei den Abschied von der Glei-

18 chung Ressort = Sparte (vgl. S. 428). Im Gegensatz dazu greift diese Arbeit weiter und liefert Hilfestellungen, wie einem im Kommerzialisierungsprozess (vgl. den folgenden Abschnitt) drohenden Abschied von der Redaktionsautonomie entgegenzutreten ist. ƒ

Sie stellt für die Analyse zwei mit Punkt 3 kompatible Arbeitstechniken in den Blickpunkt: erstens Marketing, zweitens Benchmarking. Diese beiden Arbeitstechniken werden aus dem angedeuteten Katalog bewusst ausgewählt. ƒ

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Marketing avancierte in den vergangenen 20 Jahren zur Führungsfunktion in Unternehmen – vor allen Dingen deshalb, weil sich in immer mehr Branchen der Wandel von einem Verkäufer- hin zu einem Käufermarkt, von der Produktions- hin zur Marketingorientierung vollzogen hat. Selbst wenn dies nicht flächendeckend für die Wirtschaftspraxis und nach wie vor überwiegend im Idealbild der Wirtschaftswissenschaften gilt, dominiert die Orientierung am Markt alle wertschöpfungsrelevanten betrieblichen Einheiten (vgl. dazu insbes. Kotler/Bliemel 1997). Die Studien zum redaktionellen Marketing (vgl. Rau 2000a, Möllmann 2000) werden aus Sicht der Theorie erheblich erweitert und eine Marketingorientierung mit Ausrichtung auf den in der dualen Ökonomie bereits in früheren Publikationen als dominant abgeleiteten Rezipientenmarkt (vgl. Rau 2000a, S. 101 f.) praxiskonform diskutiert. Es wird außerdem ersichtlich, dass der Einsatz von redaktionellem Marketing nicht zwingend eine Orientierung am (vermeintlichen) Massengeschmack der Rezipienten bedeutet. Marketing agiert nie frei von Beschränkungen, gesellschaftlichen Normenkatalogen oder geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei muss auch klar werden, dass die Implementierung von Methoden wie Marketing zwar in einem Nonprofit-Umfeld stattfinden kann (also in einer bewusst aus dem realökonomischen Kontext herausgelösten Redaktion beispielsweise), dass in privatwirtschaftlichen Organisationen aber dennoch auch Wirkungen auf den ökonomischen Gesamtzusammenhang möglich sind. Setzt man also zum Beispiel redaktionelles Marketing ein und versteht es als Optimierungswerkzeug im Kategoriensystem meritorischer Qualität (dieser Begriff wird in Abgrenzung später herauszuarbeiten sein), hat der Einsatz dennoch Wirkungen auf die ökonomische Realität und damit eventuell auch auf die Ertragskraft des Medienunternehmens. Ein Einsatz von betriebswirtschaftlichen Werkzeugen ohne den Basiskonsens zum Erhalt der Unternehmung ist damit ausgeschlossen. Es gibt also restringierende Faktoren für den Einsatz der Methoden.

Benchmarking ist eines der betriebswirtschaftlichen Instrumente, denen eine Nähe zur Frage nach Qualität inhärent ist. So ist der Einsatz von Benchmarking ein wesentliches Kriterium bei der Vergabe von Auszeichnungen wie dem Malcolm Baldridge Award oder dem European Quality Award. Dennoch ist Benchmarking zumindest im europäischen Kulturkreis ein noch immer eher wenig verbreitetes Werkzeug der unternehme-

19 rischen Praxis (vgl. z.B. Rau 2000b), insbesondere dann, wenn funktionales oder übertragendes Benchmarking ins Zentrum der Recherche rücken, also dann, wenn man mit Hilfe der Methode über den eigenen Branchen-Tellerrand hinausblicken muss. Gerade diese Varianten der Benchmarking-Aktivität bieten eine Vielzahl von Lernaspekten für Medienunternehmen.

1.3 Ökonomisierung, Kommerzialisierung, Kommodifizierung In den vergangenen Jahren wurde immer wieder das Bild der Medienkrise bemüht (vgl. u.a. Friedrichsen/Schenk 2004; Sjurts 2004). Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit zentralen Begriffen und will nicht erneut die Frage nach einer tatsächlichen oder nur vermeintlichen Medienkrise stellen und bekannte Argumente wiederholen – vielmehr wird angesichts eines fortschreitenden Kommerzialisierungsprozesses eine Krise des Journalismus impliziert – dies auch, um die Ökonomie der Publizistik in einen aktuellen Zusammenhang zu stellen. Das heißt: Es wird davon ausgegangen, dass den Journalisten (nicht zuletzt auf Basis der Forschungen in den 1990er Jahren, die eine Ökonomieferne der Redaktion nachweisen konnten, vgl. Rau 2000a, S. 115 ff.) vielfach der Zugang zu ökonomischem Verständnis fehlt. Damit werden aber auch positive Wirkungen ausgegrenzt, die Rationalisierung und Effizienzsteigerung fraglos haben können. Die Redaktion unterwirft sich, wenn der Druck auf die Bilanzen zunimmt, „kampflos“ den vom Kommerzialisierungsstreben geprägten Einheiten in Medienunternehmen, weil sie keine zielführenden Antworten bereithält. (Dieser Bilanzdruck wird übrigens traditionell gerade in Presseunternehmen schnell weitergegeben, da eine Fremd- (als Zwischen-)finanzierung über Kredite in der Vergangenheit gerne mit dem Argument abgelehnt wurde, dass man sich dann in große Abhängigkeiten von Kreditinstituten begebe, die man als „vierte Gewalt“ schließlich auch zu „überwachen“ habe). In diesen Zusammenhängen liegt die eigentliche Ursache für die Krise des Journalismus und die Ökonomie der Publizistik wird zu einem Hilfsmittel der Redaktion, in einer zunehmend konfliktreichen gesamtwirtschaftlichen Situation, die Befriedigung von meritorischen Bedürfnissen weiterhin zu ermöglichen. Weil die Begrifflichkeiten nach wie vor unscharf verwendet werden, erfolgt in diesem Abschnitt eine Neuverortung, wobei insbesondere der Ökonomisierungsbegriff in anderer Weise als der bisher Gewohnten (vgl. z.B. Heinrich 2001b) abgegrenzt und als zusätzliche Option die Kommodifizierung eingeführt wird.

1.3.1 Die „Medienkrise“ und die Ökonomie der Publizistik Die Kernfrage medienökonomischer Diskussion hat bereits Max Weber auf seiner Rede auf dem ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt im Jahr 1910 in eine Kurzform gebracht: „Wir müssen uns fragen: Was bedeutet die kapitalistische Entwicklung innerhalb des Pressewesens für die soziologische Position der Presse im Allgemeinen, für ihre Rolle innerhalb der Entstehung der öffentlichen Meinung?“ (Weber 1988a, S. 431 ff., Weber 1988b, S. 20). Diese Äußerung wird bis heute von zahlreichen Medienökonomen aufgegriffen (vgl. z.B. Steininger, 2002, S. 257 oder auch Kiefer 2001): „Diese Frage ist auch heute von der Kommunikationswissenschaft als der für Medien und öffentliche Kommunikation zustän-

20 digen Wissenschaftsdisziplin noch weitgehend unbeantwortet.“ Kiefer (2001, S. 17). Oder Denis McQuail: Er sah in der Folge in einer fortschreitenden Kommerzialisierung angesichts der Transformationsprozesse im Übergang zum Dualen Rundfunk die Gefahr, dass die erkannten Ambivalenzen zwischen den Charakteristika öffentlicher Güter (journalistische Inhaltsproduktion) und jenen marktfähiger Konsumgüter (Medien als Kuppelprodukt) zu kippen drohen. Die ökonomischen Ziele werden mit den „ideellen“ oder kommunikativen Zielen in Konflikt geraten, diese schließlich verdrängen und Selbstzweck werden (vgl. McQuail 1986, S. 635). Es soll im Rahmen dieser Arbeit bewusst nicht weiter vertieft werden, inwieweit politische Einflussnahme oder eine, wie es Hoffmann-Riem (2002, S. 49 f.) formuliert, „regulierte Selbstregulierung“ die publizistischen Akteure vom Prozess der Kommerzialisierung entlastet oder gar befreit. Auch auf diesem Feld ist die Diskussion weit fortgeschritten – zumal sich hier die Globalisierungsdebatte im Sinne einer weiter um sich greifenden vertikalen Konzentration niederschlägt. Besonders konsequent hat dies sicher Leidinger (2003, S. 334 ff.) beschrieben, die eine Entwicklung von der Transnationalisierung zur Globalisierung der Medien nachvollzieht, in dem sie insbesondere auf die vertikale Konzentrationsbewegung abhebt. Ein zusätzlicher Punkt soll hier jedoch zumindest angedeutet werden, da dieser Aspekt von hohem Interesse für die Situation im medienwirtschaftlichen Entscheidungsumfeld ist. Goldschmidt (2000, S. 12) nutzt den Begriff der „Therapeutokratie“ und stützt sich damit auf einen von Habermas (1981, S. 533) geprägten Ansatz. Gemeint ist, dass Politik immer nur therapeutisch-reduziert, im Grunde punktuell eingreift, nie aber umfassend-reformerische Großlösungen bereithält. Dies verstärkt die dualistische Trennung von ökonomischer und sozialer Sphäre und wird nur durch ein integratives Verständnis beider Bereiche gelöst, wie es zum Beispiel die Ordoliberalisten präsentieren. Natürlich wird niemand einschreiten wollen, solange ausreichend Gewinne erwirtschaftet werden, solange in der „sozialen Marktwirtschaft“ genügend Wachstum generiert wird, das die Folgen materieller Ungleichheit kompensieren kann. Verlangsamt sich aber das wirtschaftliche Wachstum, treten die Probleme des Wohlfahrtsstaates am Kristallisationspunkt des finanziellen Bankrotts offen zu Tage. Auch in der Medienwirtschaft waren die Managementinstrumente an einer „Schönwetter-Programmatik“ ausgerichtet, wie sie Pies (1998, S. 107) für die „soziale Marktwirtschaft“ beschreibt. Die Berücksichtigung, ja gerade die programmatische Stützung öffentlicher und vielleicht gar vermeintlicher meritorischer Güteraspekte ist leicht durchzusetzen, wenn Umsatzrenditen davon unbeeinträchtigt bleiben. Zeigt die Wachstumskurve – wie für die großen Tageszeitungsverlage nach dem Jahrtausendwechsel – nach unten, rückt zunehmend eine konsequente Marktausrichtung ins Zentrum der Überlegungen. Das Risiko steigt, dass Medienschaffende in immer geringerem Ausmaß den Anspruch haben, Bedürfnisse zu befriedigen, die nicht unbedingt mit dem Produktabsatz korrelieren. Vielleicht müsste man die von McQuail im Jahre 1986 vorgeschlagene Kosten-Nutzen-Analyse heute erneut durchführen, und möglicherweise käme man zu einem neuen Schluss. Damals jedenfalls betonte er (S. 642 f.), dass marktwirtschaftliche Ausrichtung und gemeinwohlorientierte öffentliche Kommunikation harmonisiert bestehen können, und sich die Unabhängigkeit der Journalisten bewahren lässt. Diese Arbeit will genau an diesem Punkt ansetzen und zu einer Aktivierung der Redaktionen beitragen, indem funktionsfähige Hilfsmittel beziehungsweise im Grunde leicht anzuwendende und einfach zu implementierende Arbeitstechniken offeriert werden. Denn es steht zu befürchten, dass diese einem im globalen Maßstab weiter voranschreitenden Kommerzi-

21 alisierungsprozess sprach- und regungslos gegenüberstehen. Ein Indiz? Spätestens mit den Übernahme von Berliner Zeitung und Berliner Kurier (Holtzbrinck-Verlagsgruppe) durch den britischen Investor David „Rommel“ Montgomery (über die Beteiligungsgesellschaften Mecom und Veronis, Suhler, Stevenson) ist erstmalig auch der bislang fest in deutscher Hand befindliche Markt für die regionalen Tageszeitungen Objekt der internationalen Begehrlichkeit geworden (Kielinger 2005). Das Beispiel Berlin eignet sich gut dafür, die Redaktionen aufzufordern, sich zumindest mittelfristig mit Einflüssen einer zunehmenden Internationalisierung der Medienmärkte auf ihre berufliche Situation, genauer ihre Arbeitsund Produktionsbedingungen zu beschäftigen. Bislang zeigt sich diese Internationalisierung noch überwiegend im Bereich der Besitzverhältnisse – es mehren sich jedoch Anzeichen, die den Kommerzialisierungsdruck in einem internationalen Kontext definieren. So wurden bereits Einflussnahmen westeuropäischer Verleger auf die redaktionelle Gestaltung von Zeitungen in Osteuropa verzeichnet, und der Umbau von Redaktionen unter internationalen (monetär motivierten) Effizienzkriterien ist angesichts von weniger publizistisch denn betriebswirtschaftlich ausgewiesenen Akteuren im Management von Medienunternehmen bald zu erwarten.

1.3.1.1 Vier Thesen zur „Medienkrise“ Zu Beginn dieses Abschnittes einige polemisch-pointierte Aussagen: Haben sich die ökonomischen Rahmenbedingungen verändert, hat die zunehmende Auseinandersetzung mit den „neuen“ Medien, mit Onlineangeboten insbesondere, die Medienanbieter das Fürchten gelehrt? Die Medienwirtschaft steht derzeit am Beginn eines evolutorischen Transformationsprozesses, dessen Tragweite und Dramatik kaum abzuschätzen ist. Die aktuellen Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand und sie werden sich verändern müssen. Die Marktakteure dürfen derweil nach neuen Wegen des transparenten Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage im wirtschaftlichen und publizistischen Wettbewerb suchen. Und schließlich haben sie sich im demokratischen Umfeld einmal mehr Gedanken über die Grundfrage aller Medienökonomie zu machen: wie Markt und Meritorik zu harmonisieren sind: „Denn jene Krise, die heute schon eine Krise des Journalismus ist, wird sich weiter verschärfen.“ (vgl. Rau 2003). Eine prinzipiell viergeteilte These hilft bei der Einschätzung der Krisensituation: ƒ

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Die Medienkrise ist (k)eine ökonomische. Umsatzrenditen fallen, über Jahrzehnte ertragreiche Unternehmen schreiben im laufenden Betrieb (also ohne Neuinvestitionen) Verluste, der Ausflug in das Internet hat in vielen Unternehmen zu Beginn des dritten Jahrtausends Geld verbrannt, das Erträge aus dem Neugeschäft nicht wieder einbringen konnten. Dass diese ökonomisch-betriebswirtschaftliche Krise nicht schärfer und dramatischer ist als diejenige, die andere Branchen zu durchlaufen hatten oder haben, hat im Übrigen Ludwig (2004, S. 45 ff.) anschaulich nachgewiesen. Die Medienkrise ist (k)eine konjunkturelle. Der Werbemarkt bricht in der Rezession ein. Möglicherweise lassen sich auch Werbeausgaben als Frühindikator für rezessive Tendenzen einer Volkswirtschaft heranziehen. Die Abhängigkeit der privatwirtschaftlichen Medienproduktion vom Werbemarkt ist eines ihrer wesentlichen Charakteristika, die duale Ökonomie ist längst Paradigma. Der Preis, den der Rezipient für ein Me-

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dium bezahlt, setzt sich zum einen aus dem (Geld-)Betrag zusammen, den er für das Medienangebot bezahlen muss (Kaufpreis für Zeitschriften, Zeitungen, Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Sendeangebote, Kaufpreis für Bezahlangebote im elektronischen Bereich („Pay per View“)), zum anderen aus der Bereitschaft, Werbebotschaften zu konsumieren. Dass auch die informatorischen Inhalte der Werbeaussagen eine durchaus positive Wertigkeit haben können und als Grund des Medienkonsums dienen können, soll hier außer Acht gelassen werden. Bereits 2000 wurde über den Auflagenvergleich von Tageszeitungen und von Anzeigenblättern (vgl. Rau 2000, S. 101) nachgewiesen, dass die Märkte in einer klaren Abhängigkeit stehen, und die Werbeakzeptanz für die Produktion des journalistischen Medieninhalts und Angebots in der theoretischen Analyse unbeachtet bleiben kann. Die Medienkrise ist eine (!) managementbezogene. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten, funktionieren Strategien der Erweiterung nur dann, wenn dieses Wachstum durch zusätzliche Erträge gesichert ist. Manager, die im Aufbau positive Kräfte entfalten, sind im Abschwung stark überfordert – und umgekehrt. Es liegt in der Natur der Sache, dass betriebswirtschaftliche Reaktionen in die eine wie in die andere Richtung heftig ausfallen können (vgl. Rau 2004b, S. 244). Vor allen Dingen dann, wenn die Medienrezeption nachwachsender Generationen stark durch Phänomene geprägt ist, die im noch immer unzureichend definitorisch gefüllten Terminus Web 2.0 zusammengefasst werden. Im vom „user generated content“ getriebenen Web 2.0 sind jene Medienmanager besonders erfolgreich, die Inhalte nicht mehr länger redaktionelljournalistisch aufbereiten wollen, sondern jene, die Plattformen mit hoher Reichweite und nahezu unbegrenzter „Connectivity“ zur Verfügung stellen. Wirtschaftlicher Erfolg korreliert hier direkt mit dem netzwerkeffektabhängigen Faktor „Connectivity“, der allerdings erst dadurch zur wirtschaftlichen Größe wird, weil er in höchstem Maße transparent ist. Die Medienkrise ist eine (!) journalistische. Der Journalismus hat in den vergangenen Jahren in vielen Mediengattungen die Annäherung an betriebswirtschaftliche Fragestellungen abgelehnt (vgl. Rau 2000 mit dem Stichwort „die Ökonomieferne der Redaktion“). Dies rächt sich in Zeiten, in denen der wirtschaftliche Druck auf die Medien und ihre Unternehmer wächst. Es gibt keine Eskalationspläne, keine geübten Mechanismen der Reaktion auf zunehmenden ökonomischen Druck. Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Die Führungsetagen haben sich verändert. Statt inhaltlich vorgeprägter, journalistisch versierter Manager als Herausgeber oder Programmdirektoren, hält in vielen Medienunternehmen zunehmend eine neue Generation Einzug, die nicht mehr länger auf eine „journalistische Sozialisation“ verweisen kann. An die Stelle großer Gründergestalten sind Verlagsmanager getreten (Haller 1997, S. 62). So promovierte beispielsweise der Geschäftsführer des Mannheimer Morgen als Maschinenbauer über Schweißtechnologien unter Wasser. Und an seiner Seite ist nicht mehr länger ein starker Herausgeber wie Karl Ackermann, der als „Ex-Kommunist“ und Lizenznehmer der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte die Geschicke des Zeitungshauses maßgeblich beeinflusst hat1.

1 Diese Aussagen gehen auf ein persönliches Gespräch mit Gert Goebel, dem seinerzeitigen Leiter der Wirtschaftsredaktion des Mannheimer Morgen, am Rande einer Veranstaltung des Clubs kurpfälzischer Wirtschaftsjournalisten zurück.

23 1.3.1.2 Ökonomie als Triebfeder der Transformationsprozesse Die Basis für eine freiheitliche demokratische Medienlandschaft hat sich gewandelt (zu einer näheren Betrachtung vgl. Rau 2004b). Als These kann man formulieren: Transformationsprozesse im Medienmarkt der vergangenen Jahrzehnte waren technikinduziert oder von ökonomischen Veränderungen getrieben. All diese Transformationen hatten auch und insbesondere Auswirkungen auf die Gestaltung, die Mischung und die Präsentation der Inhalte. Ein Indiz bestätigt: Der Diskurs zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, bei dem es unter dem Titel „Die Attraktion der Medien“ vor allen Dingen um die Subjekt-Objekt-Relation ging, begann und endete – obwohl bewusst interdisziplinär angelegt – bei der Ökonomie. „Das Programm des Programms ist nicht Inhalt, sondern Ökonomie“, sagte zum Beispiel Rüdiger Steinmetz (2003, o.S.) vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Für Christian Fenner, Politikwissenschaftler der Universität (2003, o.S.), ist es überhaupt das Ziel der Politik, Marktversagen zu korrigieren. Demokratie sei in seinem thesenartigen Verständnis „die Folge der liberalisierenden industriellen Revolution“. Journalisten in privatwirtschaftlich operierenden Medien können sich dem nicht verschließen. Als Mitarbeiter in den Redaktionen sind sie Teil von Organisationen, die im Grunde einem ökonomischen Prinzip folgen: der Gewinnmaximierung. Nun kann man dieses Bestreben mit Hilfe von Gesetzen, Regelungen, Verordnungen und auch mit Maßnahmen der Selbstbeschränkung, mit einem Kodex oder geübtem Standesrecht steuern und beeinflussen, um damit unerwünschte Marktentwicklungen oder echtes, beziehungsweise vermeintliches Marktversagen zu beeinflussen (mit dem Anspruch entsprechend über Sanktionen oder Subventionen marktgestaltend einzuwirken). Man wird dies aber nur insoweit können, als man die Gewinnerzielungsabsicht nicht konterkariert oder aber für Güterangebote, die meritorische Bedürfnisse befriedigen können, alternative, von der Gesellschaft gestützte Formen der Finanzierung findet. Das ist ebenso simpel wie einleuchtend: Ein Medienunternehmen kann eben als privatwirtschaftlich organisiertes Subjekt am Markt nur so lange überleben, wie sich Erlöse und Kosten auf Dauer mindestens die Waage halten. Die Zwischenfinanzierung von vorübergehenden Engpässen oder langfristig orientierten Investitionen im unternehmerischen Risiko ist mit Hilfe von Fremdkapital natürlich möglich. Dennoch wird die Sicherung des reinen Status quo nicht ausreichen. Erst dann, wenn Gewinne die Kosten übersteigen, wird das Engagement für den Investor interessant und zumindest attraktiver als andere Anlageformen. Deshalb steigt zum Beispiel regelmäßig die Zahl der Anträge zur Fusionierung von Wirtschaftssubjekten der Branche, wenn die wirtschaftlichen Daten in dieser nach unten zeigen. In diesen Zeiten werden andere Anlagen bevorzugt. Nicht erst seit Einführung des privaten Rundfunks in den 1980er Jahren oder der bestehenden – beziehungsweise vielleicht ja auch nur vermeintlichen – Medienkrise des beginnenden Jahrtausends ist es, so gesehen, geradezu Journalistenpflicht, sich mit medienökonomischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Die Beschäftigung mit den Auswirkungen von Kommerzialisierungsprozessen zeigt, die meisten Lösungen für wichtige Fragestellungen der Publizistischen Ökonomie werden von den Wirtschaftswissenschaften bereits zur Verfügung gestellt und der Begriff kann damit tatsächlich dem der Medienökonomie zur Seite gestellt werden:

24 Die Publizistische Ökonomie oder Ökonomie der Publizistik beschreibt dann all jene akteursgebundenen Aspekte der Medienökonomie, die nicht länger auf monetär-gewinnmaximierende Zusammenhänge ausgerichtet sind. Diese Differenzierung hilft der Argumentation dieser Arbeit und betont regelmäßig den Nonprofit-Aspekt in den hier bemühten medienwirtschaftlichen Denkmodellen.

1.3.2 Aspekte einer Kommerzialisierungsdebatte 1.3.2.1 Die „Medienkrise“ und die Politische Ökonomie der Medien Ob und wie Medienunternehmen in der Krise stecken und welche Implikationen und Maßnahmen daraus resultieren, beschäftigte Medienschaffende und Medienökonomen im historischen Kontext immer wieder: Im vergangenen Jahrhundert war dies insbesondere zu jenen Gelegenheiten der Fall, in denen Medienmärkte Konzentrationsschübe erlebten. So erschien zum Beispiel die wohl breitflächigste medienökonomische Auseinandersetzung mit den Faktoren „Produktion“ (vgl. Prokop 1972c) und „Konsumtion“ (vgl. Prokop 1973) in den frühen 1970er Jahren, also just zu jener Zeit, als aufgrund der Konzentrationswellen im deutschen Tageszeitungsmarkt auch eine neue Pressefusionskontrolle vorbereitet und auf den Weg gebracht wurde. Das beginnende dritte Jahrtausend nimmt, wie beschrieben, ebenfalls in differenzierter Weise Krisenszenarien in den Blick (vgl. Friedrichsen/Schenk 2004, S. 21 ff.) – wobei interessant erscheint, dass viele Fragestellungen und Themen erneut auf der Tagesordnung stehen. Beispielsweise regte ja auch die vor der Übernahme durch die britisch-amerikanischen Investoren die paradoxe Situation auf dem Berliner Zeitungsmarkt dazu an, eine neue Pressefusionskontrolle zu diskutieren. In den ursprünglichen Überlegungen der Holtzbrinck-Gruppe, Tagesspiegel und Berliner Zeitung (mit Berliner Kurier) unter einem verlegerischen Dach zusammenzuführen und eine Stiftung einzurichten, die die redaktionelle Selbständigkeit der einzelnen Objekte sichert, sollte der Befürchtung begegnet werden, dass die strengen Richtlinien aus den 1970er Jahren Veräußerungen und Übernahmen sogar befördern. Damit würde das Gegenteil von dem bewirkt, was die Gesetzesväter ursprünglich beabsichtigten. Dass die medienökonomischen Themen- und Thesenstellungen gerade der 1970er Jahre wieder neue Aktualität besitzen, dokumentiert schließlich auch die Fachgruppe Medienökonomie in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft mit ihrem Workshop zur Politischen Ökonomie der Medien im Jahr 2005 (Salzburg). Vielfach wurde dort an Fragestellungen angeknüpft, die sich bereits gut 30 Jahre zurück breiten Raum geschaffen hatten, möglicherweise aber nicht bis in ihren Kern diskutiert wurden oder zumindest nach einer Aktualisierung verlangen (vgl. Knoche 2005, o.S.). Gemeinsam ist allen aktuellen Ansätzen einer Politischen Ökonomie der Medien – sei es mit Fokus auf eine Neue Politische Ökonomie der Medien (Kiefer 2001; Steininger 2000, 2003), sei es auf Basis der Neuen Institutionenökonomik in Anwendung auf Medienrealitäten (Heinrich/Lobigs 2003) oder in Form einer Kritik der politischen Ökonomie der Medien (Knoche 2001, S. 177 ff.) – das Ziel, Defizite der Neoklassik zu überwinden. Dies geschieht, indem der Blick auf das Verhältnis von Staat und Politik, von Gesellschaft, Ökonomie und Massenkommunikation gerichtet wird (Knoche/Steininger 2004, S. 2).

25 Der Verweis auf die Aktualität der Politischen Ökonomie der Medien ist für diese Arbeit deshalb von besonderem Reiz, da sie sich im Grunde ganz ähnlich wie die Neue Institutionenökonomik (als Teildisziplin einer Politischen Ökonomie) einer Übertragung wirtschaftswissenschaftlicher Theoriebildung und Erkenntnisse bedient. Den Grund für die Wiederbelebung der Politischen Ökonomie der Medien sehen Knoche und Steininger (2004, S. 1) dabei unter anderem in der „unübersehbar fortschreitenden weltweiten Privatisierung, Ökonomisierung, Kommerzialisierung und Kapitalisierung der Medienindustrie“. Da sie immer wieder im Zusammenhang mit einer Veränderung journalistischen Angebots angeführt werden, müssen für diese Arbeit insbesondere die beiden Vokabeln Ökonomisierung und Kommerzialisierung näher betrachtet werden. Schließlich rechtfertigt gerade der Begriff der Kommerzialisierung auch in dieser Arbeit als argumentativ-kausale Grundlage eine Ökonomie der Publizistik, die sich – wie noch zu zeigen sein wird – akteursbezogen versteht.

1.3.2.2 Ein neuer Ökonomisierungsbegriff Im argumentativen Kontext dieser Arbeit fällt es vergleichsweise schwer, einen funktionsfähigen Begriff für Ökonomisierung zu finden. Meier und Jarren (2001, S. 145) betonen, dass es in der Literatur weder einen Konsens darüber gibt, welche Phänomene mit Ökonomisierung gemeint sind, noch darüber, ob der Begriff der Kommerzialisierung synonym verwendet werden kann. Diese Problematik verdichtet sich in dieser Arbeit weiter. Im Sinne der Ökonomie der Publizistik kann der Begriff der Ökonomisierung auch mit in der gesellschaftlichen Wirkung positivem Vorzeichen gesetzt werden, weil er nun vom Gewinnmaximierungsanspruch und dem Primat des „Rational Choice“-Ansatzes befreit ist. So gesehen muss sich die hier verwendete Begrifflichkeit von derjenigen unterscheiden, die Heinrich (2001b) aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive für die medienökonomische Diskussion gesetzt hat. Er sieht Ökonomisierung als „die Zunahme monetärer und egoistischer Elemente in der Nutzenfunktion der Wirtschaftssubjekte und eine zunehmend striktere Anwendung des Nutzenmaximierungspostulats“ (2001b, S. 159). Auch eine Annäherung über die Beziehung der „Systemrationalitäten ‚Publizität’ und ‚Geld’“ greift so gesehen zu kurz, weil ebenfalls (über die Auswahl dieser Rationalitäten) der monetäre Fokus gesetzt wird. Auf der Ebene der Medienorganisationen mit einer Verbindung zum „Rational Choice“-Ansatz ließe sich die Durchsetzungskraft der beiden Rationalitäten diskutieren – so jedenfalls schlägt es Gabriele Siegert (2001, S. 167) im Rahmen einer systemtheoretischen Betrachtung vor. Ein kurzer Exkurs zur Frage nach der Gültigkeit des „Rational Choice“- Ansatzes, die zentraler Bestandteil jeder medienökonomischen Auseinandersetzung sein muss: Schließlich beschäftigt sich damit auch eine der jüngeren, bedeutenden Untersuchungen zur Theorie der rationalen Entscheidungen. Susanne Fengler und Stephan Ruß-Mohl (2005) haben den Journalisten als homo oeconomicus entdeckt und nachgewiesen, dass Journalisten vielfach eben nicht die neutralen Informationsvermittler und selbstlosen Anwälte des Gemeinwohls sind, sondern eigene Interessen verfolgen. Zur Erinnerung: Das Menschbild des homo oeconomicus versteht den Menschen als Träger individueller Präferenzen, anhand derer er unter Ausnutzung aller verfügbaren Informationen stets die für ihn vorteilhafteste Handlungsoption auswählt. In den Wirtschaftswissenschaften werden die Akteure in der Regel deshalb als egozentrische Nutzenmaximierer model-

26 liert, weil dies für viele Fragestellungen als sachgerechte Vereinfachung akzeptiert wird – gerade unter der Voraussetzung widerstreitender Interessen (Falk 2001, S. 6). Jede Handlung des homo oeconomicus wird allein durch die Maximierung des persönlichen Nutzens auf Basis rationaler Überlegungen determiniert. In den Sozialwissenschaften, insbesondere in der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften, werden Ansätze, die in ihren Grundannahmen auf das Menschenbild des homo oeconomicus aufbauen, als „Rational Choice“-Ansätze bezeichnet. Insbesondere die experimentelle Ökonomik, die Evolutions- und Verhaltensökonomik befassen sich mit beschränkt rationalen Verhaltensmustern des Menschen, deren Gründe unter anderem in der Komplexität der Entscheidungssituationen (Informationsbewertung, Bildung von Zukunftserwartungen etc.) liegen. Dahrendorf (1959 und erweitert 1977) hat analog dazu für seine Rollentheorie den Begriff homo sociologicus geprägt und verwandt. Dabei wird der homo oeconomicus oftmals als unsoziales oder amoralisches Wesen missverstanden. Auch Täuschung und Betrug liegen innerhalb des Spektrums rationaler Handlungsweisen zum eigenen Vorteil. Soweit jedoch seine Präferenzen das Wohlbefinden anderer Akteure nutzensteigernd umfassen, agiert er altruistisch und egoistisch zugleich. In diesem Sinne ist beispielsweise die Fürsorge der Eltern um ihre Kinder oder Sozialismus mit dem Menschenbild des homo oeconomicus verträglich (vgl. Downs 1968, der maßgeblich zur Verbreitung des Menschenbildes homo oeconomicus in anderen Disziplinen – hier speziell in seiner ökonomischen Theorie der Politik – gesorgt hat). Eine Ökonomie der Publizistik kann unter „Nutzengesichtspunkten“ auch mit dieser Begrifflichkeit arbeiten, braucht konsequenter gesehen jedoch das Menschenbild eines homo oeconomicus socialis, das den nutzenmaximierend denkenden „homo oeconomicus“ in einen sozialen Zusammenhang der Gemeinschaft stellt. Spätestens die spieltheoretischen Ansätze von Ockenfels (Ockenfels/Weimann 1996, Ockenfels 1999, sowie Güth/Kliemt/Ockenfels 2003) haben bewusst gemacht, dass Menschen in klar identifizierbaren Entscheidungssituationen nicht nur egoistisch sondern ebenso altruistisch handeln – und zwar in einem Maße, das über die reine Umsetzung eigener Präferenzen (siehe oben) hinausreicht. Unfaires Verhalten anderer wird in den Spielsituationen umgehend sanktioniert (Ockenfels 1999, o.S.). Ein individualistisch geprägter „Rational Choice“-Ansatz für den Journalismus (wie ihn Fengler und Ruß-Mohl implizieren, vgl. 2005), ist somit einerseits nachvollzieh- und begründbar, andererseits ist er spätestens mit diesen Näherungen auf Basis der Spieltheorie zu erweitern. Das Konstrukt des homo oeconomicus socialis scheint eine begrifflich günstige Alternative. Schließlich stellt diese Begrifflichkeit die Theorie der Rationalen Entscheidung in einen gesellschaftlichen Zusammenhang und ermöglicht so die Berücksichtigung freiwillig übernommener normativer Aspekte. Dies ist im Kontext der Meritorik im folgenden Abschnitt (Diskussion der Präferenzen) noch einmal aufzugreifen. Der hier übernommene Begriff des homo oeconomicus socialis ist also gerade nicht das Gegenmodell zum homo oeconomicus. Zusätzlich wäre die Bezeichnung homo reciprocans (Falk 2001, S. 2) einzuführen, da verschiedene Experimentalstudien nach Falk belegen, dass der homo oeconomicus „weitaus weniger universell ist, als gemeinhin angenommen“. Die Mehrheit der Experimentalteilnehmer würde sich reziprok verhalten, das heißt sie belohne faires Verhalten und bestrafe unfaires Verhalten, selbst wenn dies mit Kosten verbunden sei (Falk 2001, S. 2). Aus der Existenz des homo reciprocans folgt, dass Gesellschaften über informelle Mechanismen zur Durchsetzung von Normen und Regeln verfügen. Für eine Ökonomie der Publizistik wird die Begrifflichkeit des homo oeconomicus socialis bevorzugt, da es in diesem ökonomischen Ansatz darum geht, Nutzenkomponenten, Präferenzen und Bedürfnisstrukturen in neue Zusammenhänge zu stellen – hier also in einen sozial-gesellschaftlichen.

Zurück zur Frage der Ökonomisierung: Im Gegensatz zur bereits umfassend geführten Ökonomisierungsdebatte schlägt diese Arbeit vor, den wirtschaftswissenschaftlichen Begriff der Ökonomisierung von seiner monetären Koppelung zu befreien und so zu „neutralisieren“.

27 Ökonomisierung beschreibt demnach die Übernahme wirtschaftsbezogener Denk- und Handlungsmuster in individual- oder organisationsbezogenen Entscheidungssituationen. In diesem Anspruch folgt die Arbeit auch der Forderung von Held und Ruß-Mohl (2005, S. 49; vgl. auch Held/Ruß-Mohl 2000, S. 361 ff.), Ökonomisierung, Rationalisierung und Effizienzsteigerung gerade im Hinblick auf eine Qualitätssteuerung in der journalistischen Produktion in einem neuen Licht zu betrachten: Diese sollten nicht mehr länger als „Antipoden von Qualitätssicherung und Professionalisierung“ begriffen werden, vielmehr gelte es, Qualität und Effizienz in Einklang zu bringen. Übernimmt eine Redaktion Instrumente der Betriebswirtschaftslehre, um auf diesem Weg die Qualität (wie diese für solches Entscheidungshandeln zu definieren ist, wird erst das folgende Kapitel zeigen können) ihres Produktes zu verändern, ist dies ebenfalls ein Prozess der Ökonomisierung. Dieser muss aber nicht zwingend monetären Bezug besitzen, ja nicht einmal auf der Theorie rationaler Entscheidung basieren. Im Sinne dieser Arbeit kann also der Begriff der Ökonomisierung im Kontext einer Ökonomie der Publizistik ökonomische Regeln und Werkzeuge auf journalistische Arbeitsrealitäten anwenden. Der Begriff ist – mit Blick auf den Journalismus – hier in einem weiteren Sinne zu verstehen und beschränkt sich aus Sicht der Redaktion gerade nicht auf die Transformation meritorischer in marktfähige Güter mit den Zielsetzungen der „Erweiterung des Marktes“ und dem „Abbau von Gründen für Marktversagen“ auch wenn hier unstrittig bleibt, dass Produkte der Medienarbeit vielfach ein überwiegend öffentliches und meritorisches (darauf wird noch näher einzugehen sein), dabei nur bedingt marktfähiges Gut darstellen (vgl. Haller 2005, S. 297). Bei konsequenter Betrachtung lässt sich eine Form der Ökonomisierung für Medienschaffende tatsächlich als Antwort auf die zunehmende Kommerzialisierung ihrer Produkte sehen und der im Jahr 2004 für das Hamburger Forum Medienökonomie gewählte Titel eines Beitrages „Ökonomisiert Euch, bevor Ihr ökonomisiert werdet!“ (vgl. Rau 2004c, S. 29) erhält eine eigene Bedeutung (wenn auch konkreter zu sagen wäre: „Ökonomisiert Euch, bevor Ihr kommerzialisiert werdet!“, vgl. unten, S. 72). Aus Sicht der wissenschaftlichen Diskussion jedenfalls, scheint es fahrlässig, Ökonomisierung und Kommerzialisierung in einem Atemzug (vgl. Knoche/Steininger 2005, S. 1) zu nennen und annähernd synonym zu gebrauchen (Kommerzialisierung als „abwertend gemeinte Bezeichnung für Ökonomisierung“, vgl. Heinrich 2001b, S. 159).

1.3.2.3 Zur Unterscheidung: der Kommerzialisierungsbegriff Kommerzialisierung bezeichnet im Unterschied zur Ökonomisierung hier die stringente Übernahme einer monetär-gewinnmaximierenden Haltung im Sinne einer neoklassischen Theoriebildung. Die Ursachen hierfür können in einem Wandel des Leitbildes der Wirtschaftspolitik gesehen werden, als eine Abkehr vom konstruktivistischen Rationalismus (rationale politische Steuerung von Marktprozessen ist notwendig und möglich) und eine Hinwendung zum „offenen Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ (vgl. Heinrich 2001b, S. 160, dort allerdings bezogen auf dessen Begriff der Ökonomisierung). Geht man mit Kiefer (2001, S. 156) davon aus, dass Medien Kuppelprodukte sind, wird Kommerzialisierung zu einem Prozess, in dessen Folge die Regeln in der dualen Ökonomie für alle Produktbestandteile angeglichen werden. Der Teil „immaterielles öffentliches Gut“, der sich in der redaktionellen Leistung manifestiert, hat sich dann den Ordnungsregeln der Neoklassik

28 mit einem freien Spiel von Angebot und Nachfrage zu unterwerfen. Der solchermaßen prozessuale Kommerzialisierungsbegriff beschreibt für die Medienwirtschaft die Eliminierung meritorischer Gütermerkmale und die Verwandlung des Kuppelproduktes zu einem homogenen privaten Gut, dessen Märkte in der dualen Ökonomie (Werbemarkt und Rezipientenmarkt) vollständig verschränkt werden. Das Regelwerk des Rezipientenmarktes wird in zunehmendem Maße von dem des Werbemarktes bestimmt. Der publizistische Wettbewerb, der für den meritorischen Produktbestandteil wesentlich ist, verliert zunehmend an Bedeutung, da das im neoklassischen Sinne marktfähige Produkt ja nicht in den redaktionellen Leistungen, sondern im Zugang zum Rezipienten liegt (vgl. Heinrich 2001b, S. 60 f.; zur „Überformung“ des redaktionellen Teils durch die Ökonomie des Werbeträgers vgl. auch Haller 2005, S. 298). Bei alledem bleibt unbenommen, dass die „Kommerzialität“ des Medienprodukts, so lange Medienunternehmen privatwirtschaftlich organisiert sind, erst die Voraussetzung schaffen, dass redaktioneller Inhalt mit den Aspekten öffentlicher Güter ein breites Publikum erreichen kann; Medienunternehmen können also nur dann die – über normative gesellschaftspolitische Einflussnahme – zugewiesenen Funktionen für das Gemeinwohl erfüllen, wenn ihr Produkt kommerziell erfolgreich ist (vgl. auch McQuail 1986, S. 635). Der Ökonom Jochen Röpke (nicht zu verwechseln mit einem der Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft Wilhelm Röpke (siehe unten) vgl. Röpke 1994) konstatiert im Jahr 1970 (S. 171 ff.) eine Schizoidität in der Rollen- und Funktionsstruktur der Presseorgane, die sowohl verfassungsrechtlich sanktionierte Institutionen mit gesellschaftlicher Aufgabe als auch streng kalkulierende Wirtschaftsunternehmen sein sollen (vgl. auch Steininger 2002, S. 263; vgl. Nussberger 1961, 1966 und 1984). Presseunternehmer verkaufen nach Röpke zwei Güter: Kollektivgüter (öffentliche Meinung) und Privatgüter (selektive Anreize) – das Medium wird zum Kuppelprodukt. Aus gutem Grund, denn es muss das rational operierende Wirtschaftssubjekt dazu bringen, Kosten für die Bereitstellung des Kollektivgutes der öffentlichen Meinung zu übernehmen. Kommerzialisierungstendenzen führen nun mit Röpke dazu, dass der Anteil des Kollektivgutes am Gesamtprodukt im Wettbewerb sinkt (vgl. 1970, S. 188). So gesehen beschreibt Röpke die in der Anpassungshypothese (vgl. Abschnitt 1.4) niedergelegten Zusammenhänge (vgl. dazu insbesondere Holzer 1969 sowie Kiock 1974) aus Sicht des Ökonomen und liefert gleichzeitig erstmalig ein kausales Gerüst, das die schwierigen Aspekte der „Qualitätsreduktion“ in einen wirtschaftstheoretischen Rahmen stellt.

1.3.2.4 Zur Erweiterung: der Begriff der Kommodifizierung Noch nicht geleistet ist in der Medienökonomie bislang die konsequente Erweiterung der Begrifflichkeit hin zu einer Kommodifizierung, ein Begriff der Sozialwissenschaften, der auf den Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi (1978, 1987) zurückgeht. Seine zentrale Untersuchung der „Great Transformation“ beschäftigt sich mit dem Wandel des in die Gesellschaft eingebetteten Marktes zu einer entbetteten Marktgesellschaft in England und stellt die negativen Effekte dieses Prozesses in den Blickpunkt. Kommodifizierung ist dabei die Anpassung aller Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital) an das reine Marktregime. Nach Ansicht von Polanyi komme es zu einer sozialen Desintegration und zur Ablösung humaner Werte durch einen materialistischen Individualismus im Sinne einer allumfassen-

29 den Konsumgesellschaft. In dieser Auffassung lässt sich auch die Kritik an liberalistischen und neoliberalen Wirtschaftskonzepten subsumieren, die in der Medienökonomie ebenfalls vertreten ist (vgl. u. a. Knoche 2001). Für die Medienwirtschaft ist in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit der Anpassungshypothese von Bedeutung, die in den 1970er Jahren von Holzer (1969) zur Grundlage einer breiteren Diskussion gemacht wurde. Diese These beschreibt den Zusammenhang zwischen der (markt-)wirtschaftlichen Ausrichtung von Medienunternehmen und einer Orientierung am vermeintlichen Massengeschmack, was wiederum eine Qualitätsverschlechterung des Medieninhaltes bedinge (zur differenzierten Diskussion der These vgl. Abschnitt 1.4). Auch Hofer, Siegert und Renger (2001, S. 39) sehen in der Medienfinanzierung über Werbeeinnahmen eine hohe Wahrscheinlichkeit der inhaltlichen Ausrichtung am größtmöglichen Publikum. Für eine in Zukunft ausgeweitete wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kommodifizierung gibt es zwei Argumente: ƒ

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Heute ist – bis in die Programme der Sozialdemokratie hinein – die Ausweitung der Marktlogik auf klassische öffentliche Güter wie Bildung, Gesundheitswesen, soziale Sicherung zu beobachten. Genau genommen handelt es sich dabei um eine Kommodifizierung dieser Bereiche. Da Güter, wie sie Medieninhalte repräsentieren, dieser Marktlogik noch näher stehen als die genannten Bereiche öffentlicher Einflussnahme, scheint es geradezu in der Natur der Sache zu liegen, die Kommodifizierung für den Medienbereich neu zu diskutieren. Mit dem zunehmenden Interesse ausländischer Akteure aus anderen Kulturkreisen am deutschen Medienmarkt, werden gesellschaftliche Ansprüche noch stärker von marktwirtschaftlichen verdrängt. Vor diesem Hintergrund wird es spannend sein, die jüngsten Entwicklungen auf dem Berliner und dem Hamburger Tageszeitungsmarkt weiterzuverfolgen (vgl. Kielinger 2005).

Das Feld der Kommodifizierung wird hier der zukünftigen Forschungsarbeit empfohlen und in dieser Arbeit für die Medienwirtschaft zwar eröffnet, jedoch nicht vertieft. Stattdessen konzentrieren sich die folgenden Seiten auf den Handlungsbezug der Redaktion, auf Optionen und Chancen in der Publizistischen Ökonomie, die befreit vom monetären Anspruch neue Optionen einer Nonprofit-Ökonomie integriert. Die Publizistische Ökonomie profitiert dabei von der Möglichkeit, dass die Redaktion eben aufgrund des fraglos nachvollziehbaren Gemeinwohlanspruches, ihres von der Gesellschaft normativ zugewiesenen Auftrages und des in diesem Zusammenhang noch zu diskutierenden meritorischen Charakters ihres Angebotsspektrums als Leistungseinheit durchaus unter Nonprofit-Gesichtspunkten betrachtet werden kann, darf und muss.

1.4 Publizistik, Meritorik und die Frage der Präferenzen Während der letzte Abschnitt die Arbeit quasi positioniert und beschreibt, warum es gerade unter den aktuellen Gegebenheiten interessant erscheint, sich mit einer Ökonomie der Publizistik zu beschäftigen, wird im Folgenden eine weitere Grundlage für die Argumentation gelegt. Es wird gezeigt, dass die Besonderheiten publizistischer Angebote auch einen neuen ökonomischen Zugang erfordern. Die informatorischen Leistungen der Medien befriedigen

30 vielfach Bedürfnisse, die aufgrund ihrer mangelnden Harmonisierbarkeit mit den Konsumentenpräferenzen neben einer Gütersystematik, die in öffentliche und private Güter unterscheidet, eine andere Art der Einteilung fordern. Medienangebote sind in ihrem Güteraspekt schwer zu fassen – dies hat die Medienökonomie immer wieder feststellen müssen. Neben vielen unumstrittenen Güteraspekten der Medien konzentriert sich – insbesondere dann, wenn journalistische Medienangebote und ihre Leistungen im Fokus stehen – die Diskussion auf das Konzept der Meritorik. Die Frage allerdings, ob es sich bei Medien oder zumindest ihren Teilangeboten in der Kuppelproduktion um meritorische Güter handelt, ist so leicht nicht zu beantworten. Der folgende Abschnitt versucht die Annäherung.

1.4.1 „Moral Sentiments“, Interventionen und die Meritorik An dieser Stelle lohnt der Blick zurück zu Adam Smith, dem Vater der Nationalökonomie. 1776 erschien das Hauptwerk „Wohlstand der Nationen – Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen„ (Originaltitel: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations), an dem er zehn Jahre lang zurückgezogen im schottischen Kirkcaldy gearbeitet hatte. Hierin wird Arbeit zur Quelle und zum Maßstab allen Wertes. Im Gegensatz zur Anschauung der Merkantilisten und Physiokraten ist in seinem Verständnis jede nützliche Arbeit produktiv (vgl. Smith 1987, S. 430). Freier Wettbewerb ist bei Smith, ebenso wie bei den Physiokraten, Grundlage für eine richtige Arbeitsteilung. Der für die weitere Diskussion relevante Schluss ist folgender: Eben diese freie innere und internationale Allokationsmöglichkeit von Produktionsfaktoren und Produkten schafft nicht nur beste Voraussetzung für eine sinnvolle und zweckdienliche raumzeitliche Verteilung von Kräften und Mitteln, sorgt nicht nur für Preisbildung und ausgeglichene Gewinne, sondern trägt eben auch zur Beförderung des Gemeinwohls bei. Smith folgert: Das allgemeine, gesellschaftliche Glück werde maximiert, indem jedes Individuum im Rahmen seiner „ethischen Gefühle“ versucht, sein persönliches Glück zu erhöhen. Durch eine unsichtbare Hand erhöht persönliches Glücksstreben gleichzeitig das allgemeine, gesellschaftliche Glück. Diese Schlussfolgerung ist im Grunde eine pragmatische und kann sich ihrer Evidenz zum Beispiel bei der Betrachtung funktionierender, freier Märkte nicht entziehen. Problematisch jedoch ist ihre Verallgemeinerung auf ein universales Leitprinzip. Dies muss umstritten bleiben. Für Kritiker sei angemerkt, dass Smith stets die Begrenzung des persönlichen Glückstrebens durch „ethische Gefühle“ in seinem Denkmodell berücksichtigt hat. So gesehen können seine Theorien nicht als Freibrief herangezogen werden, ohne Reflexion und Rücksicht auf andere Wirtschaftssubjekte Gewinne zu maximieren. Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass Smith als Moralphilosoph 1759 – und damit lange vor dem „Wealth of Nations“ – seine „Theory of Moral Sentiments“ („Theorie der ethischen Gefühle“) publiziert hat. Hier setzt er Verständnis und Sympathie für den Mitmenschen als Grundlage aller Moral und als Triebfeder der menschlichen Arbeit, also jenes Begriffes der im „Wealth of Nations“ zentrale Bedeutung erlangt. (Dies haben bereits Wilson und Skinner in ihren „Essays in Honour of Adam Smith“ 1976 verdeutlicht; vgl. auch Musgrave 1986, S. 254 ff.). Nun wird deutlich, warum eine solch ausführliche Vorrede ihre Daseinsberechtigung hat. Denn die bei Smith angelegte Diskussion führt direkt zur Frage, wie mit der „Metamorphose allseits verfolgten Eigennutzes“ (Kiefer 2001, S. 22) in „Allgemeinwohl“ me-

31 dienökonomisch umzugehen ist (wobei – das wurde auch von Kiefer richtig erkannt – zwischen einer ökonomischen und einer publizistischen Definition des „Allgemeinwohls“ zu unterscheiden ist). Die sich daraus ergebende Frage bleibt diejenige nach der Existenz von Bereichen, die mit den Erklärungsmodellen des Marktes nicht vereinbar sind – also die „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ liegen, wie es in einem Buchtitel Röpkes heißt. Darin befürchtet Röpke (1958, S. 174), dass die Gesetzte des Marktes und seine Maßstäbe auf Felder „überquellen“, die eigentlich eben nicht den Gesetzen von Angebot und Nachfrage gehorchen „sollten“. In eben diesem „sollten“ steckt nun wiederum die schon von Smith eingeforderte Verbindung zu einer ethischen Komponente. Immer dann, wenn man von den „gesellschaftlich normierten“ Funktionen der Medien, von ihrem am „publizistischen Normensystem (…) orientierten Sachziel“ (Kiefer 2001, S. 22) ausgeht, müsse man auch diese Überwindung eines möglicherweise übergeordneten gesellschaftlichen Interesses zuwiderlaufenden Ausgleichs von Angebot und Nachfrage erreichen. Diese Sichtweise ist aus nachvollziehbaren Gründen nicht unumstritten, wird doch mit einer solchen Argumentationskette auch die Einflussnahme wie auch immer legitimierter Instanzen in den Medienmarkt gerechtfertigt. In repräsentativ-demokratisch verfassten Gesellschaften2 wird in diesem Zusammenhang stets die Rolle des Staates beziehungsweise die seiner Repräsentanten diskutiert, und dabei die Möglichkeiten zu legitimierender Einflussnahme erörtert. Der Versuch, Staatsferne als Grundregel für Rundfunkangebote in zahlreichen Ländern der westlichen Welt zu etablieren, ist schließlich eines der Ergebnisse dieser Diskussion. (Aus Sicht des Autors, ist dies beispielsweise beim öffentlichrechtlichen Rundfunk in Deutschland nur ansatzweise gelungen, dessen Staatsferne und damit auch dessen Legitimation angesichts der tatsächlichen Besetzung eigentlich staatsferner und rein an der Programmaufsicht ausgerichteter Rundfunkräte fraglich erscheinen.) Am Ende geht es stets um die normative Bestimmung der Notwendigkeit oder selbst der Möglichkeit staatlicher Zu- und Eingriffe auf den Medienmärkten. Regulierung oder Deregulierung als Re-Regulierung sind die relevanten Vokabeln. Wettbewerb gilt im marktwirtschaftlichen Grundverständnis als schützenswertes Gut. Allein um diesen zu schützen, erlauben die meisten auch marktwirtschaftlich verfassten Volkswirtschaften Eingriffe des Staates – auch aus Sicht einer Ökonomie der Publizistik ist das von Interesse, da beispielsweise die medienökonomischen Rahmenbedingungen in Deutschland stark durch kartellrechtliche Fragestellungen bestimmt werden. Hierbei spielen aktuell vor allen Dingen Fragen crossmedialer Verflechtungen eine Rolle. Dies ist deshalb herausfordernd, weil auch unter publizistischen Gesichtspunkten dem Wettbewerb – häufig unter dem Stichwort „Vielfalt“ – eine positive Grundwirkung zugeschrieben wird. In realökonomischen Zusammenhängen gelten Eingriffe in das Marktgeschehen als riskant, da die Folgen dieser Eingriffe nur schwerlich abzuschätzen sind. Analoges gilt für den publizistischen Wettbewerb, hier muss vor allem anderen das Instanzenproblem thematisiert werden: Welche gesellschaftlich gesicherten Instanzen dürfen eine wie auch immer 2 Bezogen auf die Medienökonomie wäre es von großem Interesse, den Demokratiebegriff und seine Implikationen gesondert aufzuarbeiten, um dann zu beurteilen, ob neben beispielsweise einem republikanischen Demokratiebegriff, nicht weitaus besser mit Hilfe eines deliberativen Demokratieverständnisses zu argumentieren ist. Zumindest einer theoretisch-interpretativen Medienökonomie würde die Deliberation neue Ansatzpunkte öffnen. Dies soll im Zusammenhang der zielgerichteten Untersuchung jedoch nicht erfolgen. Stattdessen sei auf die interessanten Einlassungen von Habermas im Zuge der Jahreskonferenz der ICA, der International Communication Association in Dresden (Juni 2006) verwiesen, die richtungweisend die Brücke zwischen Kommerzialisierungstendenzen in der Medienwirtschaft und deliberativem Demokratieverständnis schlagen (vgl. Habermas 2006).

32 gestaltete Regulierung beschließen? Es soll an dieser Stelle bei diesem Streiflicht auf die Ansprüche einer normativen Wirtschaftswissenschaft (die sich in der Medienökonomie nicht zuletzt durch ihre Empfehlungen für die Rundfunkpolitik legitimieren will) bleiben, die negative wie positive externe Effekte und als eine Sonderform dieser Effekte auch die Meritorik prüft und Interventionen begründet. Die auf diese Weise politikberatende Medienökonomie legitimiert sich auf eine weitere Weise: Stabile Rechtsreglungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit reibungsloser Vertragserfüllung und senken damit Transaktionskosten. Doch zurück zur eigentlichen Fragestellung, die des Ausgleichs gesamtgesellschaftlicher Interessen. Die Volkswirtschaftslehre, genauer, die Finanzwissenschaft hat für all diese Situationen ein wertvolles Konstrukt entwickelt, das 1957 erstmals in der Literatur dokumentiert wird: das der „Meritorik“. Dieses Konstrukt ist hier vor allen Dingen deshalb von Bedeutung, da „der in den westeuropäischen Staaten nach 1945 entwickelte Begründungsrahmen die Informationsfreiheit (Informationszugangs-, Meinungs- sowie Pressefreiheit) für den Bestand der demokratischen Gesellschaftsorganisation als notwendig festschreibt“ (Haller 2004, S. 61). Bestimmte Medieninhalte, insbesondere solche journalistischer Natur, können als solche eingestuft werden, die auch meritorische Bedürfnisse befriedigen können. Die Medienökonomik folgt dieser Auffassung weitestgehend (vgl. Kiefer 2001, S. 136 f.; sowie Heinrich 2001a, S. 101) wobei im Umkehrschluss nicht auszuschließen ist, dass journalistische Medien auch demeritorische Inhalte verbreiten können, die mit Heinrich (2001a, S. 101) im Konzept der Meritorität eine Konsumminderung verlangen würden. Zu denken ist hier an die Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch die Berichterstattung, sensationalistische Darstellung oder Gewaltverherrlichung. Die plastische Darstellung der tagesaktuellen Publikationspraxis in Spanien veranschaulicht die Nähe demeritorischer Inhalte zum meritorischen Inhaltsangebot (Ingendaay 2005, S. 33): „Berichte über ausgehobene Menschenschlepperringe sind in spanischen Tageszeitungen so alltäglich geworden wie die Wettervorhersage. Oder besser: So alltäglich wie die zahllosen Anzeigen von Prostituierten, die selbst von den hochnäsigsten, verzopftesten, prüdesten spanischen Tageszeitungen gedruckt werden und in denen neben der detaillierten Beschreibung des Serviceangebots auch die Tarife erscheinen. Das Hinundherblättern zwischen dem erhebenden Moralgewäsch der Leitartikel und der kruden Realität der Anzeigen, die unter dem Rubrum „Massage“ oder „Relax“ stehen, verrät deutlicher als jede soziologische Analyse, dass die Gesellschaft sich in einer Schizophrenie ganz eigener Prägung eingerichtet hat.“ Ebenso könnte man die Frage nach der (De-)Meritorik des Fernsehens, der Klatschpresse, des Boulevardjournalismus stellen. Das Konstrukt der Meritorik ist in den europäischen Medienmärkten von höchster Bedeutung – schließlich werden auf seiner Basis öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote begründet, wie sie in Deutschland verbreitet sind. Aber auch die englische BBC oder skandinavische Modelle wären nicht denk- und durchsetzbar, ohne eine Existenz von meritorischen Bezügen zu postulieren. Für die weitere Argumentation dieser Arbeit ist die Meritorik ebenfalls zentral und führt sogar zur Begründung eines (zu setzenden) „meritorischen“ Kategoriensystems journalistischer Qualität des Medienangebots. Deshalb sei an dieser Stelle gestattet, die Grundlagen dieses Konzeptes etwas umfassender zu durchleuchten.

33 1.4.2 Meritorische Bedürfnisse und die Gütersystematik Die Meritorik selbst geht auf Richard A. Musgrave zurück, der als junger Heidelberger Student der Volkswirtschaftslehre in den frühen 1930er Jahren ein Stipendium für die Vereinigten Staaten erhielt (Sinn 1999, S. 4 f.). Selbst jüdischer Abstammung, blieb er in den USA und wurde dort zu einem der Wegbereiter moderner Finanzwissenschaft mit weltweiter Reputation. Früh setzte er sich mit der Klassifizierung von privaten und öffentlichen Bedürfnissen auseinander und erkannte dabei, dass es zwischen privaten und spezifischen öffentlichen Bedürfnissen eine Sonderform gibt (Musgrave 1959), die meritorischen Bedürfnisse („merit wants“). Volkswirtschaftslehre und insbesondere Medienökonomie haben diesen Begriff in der Folge unter dem Schlagwort „meritorische Güter“ (meritorium = im Englischen aus dem Lateinischen meritum = Verdienst, meritorious = verdienstlich (interessanterweise wird in den Wirtschaftswissenschaften der Begriff „merit goods“ und nicht, wie es etymologisch richtiger wäre „meritorious goods“ verwendet), altertümlich im Deutschen meritorius = verdientermaßen) intensiv diskutiert. Ziel dieser Arbeit wird es sein, den Blick auf das eigentliche Objekt „Bedürfnisse“ zurückzuführen (vgl. Musgrave 1957, 1959, S. 9-14, außerdem S. 86-89, sowie 1986, S. 34 ff., für eine tiefer gehende Diskussion muss Musgrave/Musgrave 1989, S. 41 ff. sowie Musgrave 2000, S. 126-131 angeführt werden). Musgrave selbst entwickelt das Konzept aus einem intensiven Studium der Finanzwissenschaft und ihrer historischen Publikationen mit besonderer Beachtung der Bedürfnisse („social, public, collective“) und ihrer Determination (Musgrave, Peacock 1958/1994, S. xvii). Für aktuelle wie künftige und vertiefende Forschungen wird es stets gewinnbringend sein, den in weiten Bereichen der Meritorikdiskussion noch wenig differenziert betrachteten Begriff der Bedürfnisse zu durchdringen und diese damit zu den Kernfragen der theoretischen Auseinandersetzung zurückzuholen: 1. „Wie hierarchisiert das Individuum Bedürfnisse und wie entwickelt es Präferenzen, die sich in Handlungen ausdrücken?“ und 2. „Wie finden individuelle Bedürfnislagen und in ihrer Folge wie werden Individualpräferenzen zu kollektiven Präferenzvorstellungen aggregiert?“.

1.4.2.1 Bedürfnisebenen, Bedürfnishierarchien – Erklärungsansätze Hier soll lediglich kurz auf mögliche Ansätze zu einer Klassifizierung, Hierarchisierung, Differenzierung oder Strukturierung von individuellen oder kollektiven Bedürfnislagen verwiesen werden, um zu verdeutlichen, dass die Rückführung der Meritorik auf Bedürfnisstrukturen im weiteren Verlauf dieses Kapitels nicht unreflektiert erfolgt: ƒ ƒ

Die psychoanalytische Herangehensweise in der Tradition Freuds kann die Unterscheidung von basalen (Existenzsicherung) und sublimierten (Triebverzicht) Bedürfnissen (vgl. z.B. de Berg 2003) einbringen. Der Kommunitarismus darf (gerade im Zusammenhang einer ökonomisch zentrierten Arbeit) nicht unberücksichtigt bleiben, da er sich in seinem Verständnis der Bedürfnisse von Individuen in der Gemeinschaft diametral von einem in der Neoklassik verbreiteten Zugang unterscheidet. Schließlich lautet die zentrale These der Kommunitaristen, dass nur Menschen, die von Sprache, Kultur, Religion, Lebensraum oder Ethnie in einer Gemeinschaft verwurzelt sind, auch Gerechtigkeit („basics of justice“) entwickeln

34

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können (vgl. Sandel 1989). Es wird ein Urbedürfnis nach Gemeinschaft und nach Geborgenheit in der Gemeinschaft vermutet – ein Konzept, das nur über Hilfskonstrukte mit der klassischen Wohlfahrtsökonomik vereinbar ist, die über die egozentrierte Erfüllung von Bedürfnissen einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen impliziert (Smith 1776/1991, vgl. Abschnitt 1.3.1). Auch die Dialektik der Bedürfnisse in der Tradition der Budapester Schule um Agnes Heller (vgl. insbesondere 1990 und 1996 aber auch die Publikationen mit Ferenc Fehér (1995) und János Köbánya (1999, „Der Affe auf dem Fahrrad“)) kann zu einem besseren Verständnis im Sinne einer Klassifizierung von Bedürfnislagen herangezogen werden. Ähnlich wie die Budapester Schule hat sich Henri Lefèbvre mit Sartres „Philosophie des Mangels“ in seiner Metaphilosophie (1974, S. 85-86) mit der Dialektik der Bedürfnisse auseinandergesetzt, die aus philosophisch-theoretischer Sicht die aktuelle Diskussion befruchten können – insbesondere deshalb, weil sie in der Trennung von Wunsch und Bedürfnis die Ordnung von Präferenzebenen im Sinne der Meritorik in anderem Kontext beschreibt: „Sartre beschreibt in brillanten Ausführungen (S. 166 ff., [Sartre, Jean-Paul, „Critique de la raison dialectique“, Paris 1960), in deutscher Übersetzung erschien die Einleitung gesondert unter dem Titel Marxismus und Existenzialismus (1964, Reinbek), dort S. 84 ff., Anm. d. Verf.] das Bedürfnis und entdeckt von da aus die »Welt des Mangels«. Nachdem er derart den Mangel zur Welt gemacht hat, läßt er sich seine widersprüchlichen Aspekte entgleiten. Das einzige, was diese Aspekte klären würde, wäre indes die Dialektik der Bedürfnisse, die von unserem Denken so lange reproduziert wird, bis Bedingungen entstehen, unter denen sich der Wunsch (désir) vom Bedürfnis unterscheidet und zum Wunsch nach dem Werk, nach verfeinertem Genuss wird, in Gewalt oder Grausamkeit, in Weisheit oder Größe.“

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Schließlich ist das Konzept der Bedürfnishierarchie heranzuziehen, das Maslow bereits 1954 (S. 80-106) entwickelt hat und das in Form einer Pyramide (in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit) physiologische, Sicherheits- und soziale Bedürfnisse sowie Anerkennungs- und Selbstverwirklichungsbedürfnisse unterscheidet. Das Maslow’sche Modell mag einige Jahre alt und zwischenzeitlich von verschiedenen Seiten kritisch durchleuchtet sein (vgl. unter anderem Kotler/Bliemel 1995, S. 297), seine Deutungs- und Erklärungskraft jedoch hat es nicht verloren. Interessant an diesem Modell ist die ihm innewohnende Logik: Ein Mensch, der Durst und Hunger leidet (physiologische Bedürfnisse, oder: die Basis der Pyramide), wird seine eigenen Schutzbedürfnisse (nächst höhere Stufe) vernachlässigen, um die Bedürfnisse der ersten Stufe zu erfüllen. Erst wenn Bedürfnisse einer Stufe erfüllt sind, wird die nächste Stufe „erklommen“. Das Modell weitergedacht hieße: Meritorische als auf die Funktionsfähigkeit sozial gefügter Gemeinschaften bezogene Bedürfnisse werden erst nach erfolgter Befriedigung anderer, in diesem Verständnis basaler Bedürfnisse überhaupt denkbar und relevant. Möglicherweise wäre hier auch mit der Unterscheidung individueller und kollektiver Bedürfnisse zu argumentieren, wobei letztere sich auch als Aggregation kumulierter Individualpräferenzen ergeben können.

35 1.4.2.2 Meritorik ersetzt die Konsumentensouveränität Die Meritorik wurde in den vergangenen Jahren zu einem vieldiskutierten Konstrukt, das für unterschiedlichste Erklärungsmodelle herangezogen wurde, das aber auch gleichermaßen unterschiedliche Wertigkeiten erhielt. Vielleicht fällt es deshalb heute schwer, einen eindeutigen Begriff zu bilden (gute Überblicksstudien und jeweils Zusammenfassungen der laufenden Diskussion bieten im zeitlichen Verlauf Head 1966, Andel 1984, sowie Schmidt 1988 und Lobigs 2005). Die unterschiedlichen Schulen der Nationalökonomie taten sich jeweils schwer mit der Erklärung von Kollektivbedürfnissen, die die Einflussnahme von Institutionen der Gesellschaft rechtfertigten und damit einer Selbststeuerung durch individualistische Bedürfnisbefriedigung entgegentraten. Hierin liegt bis heute der unumstrittene Kern der Meritorik. Musgrave selbst fasst es 1987 (S. 452) so zusammen: „Wie auch immer, die meisten Interpretationen beziehen sich auf Situationen, in denen die Bewertung eines Gutes (sei es meritorisch oder demeritorisch) nicht allein von der Konsumentensouveränität abhängt, sondern eine alternative Norm mit einschließt.“ (vgl. auch Musgrave 2000, S. 126). Dabei kommt es Musgrave vor allen Dingen darauf an, dass das Konzept der meritorischen Güter – obwohl ursprünglich allein auf den finanzwissenschaftlichen Kontext bezogen – durch die Anwendungserweiterung, die es im Verlauf erfahren hat, nicht mit dem der öffentlichen Güter vermischt wird. Um es konkreter zu machen: Die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Gütern hängt von der Art und Weise ab, in denen der Nutzen verfügbar gemacht wird. Im einen Fall ist das rivalisierend, im anderen nichtrivalisierend und im Ergebnis unterscheiden sich die Pareto-Optimalität ebenso wie die zugehörigen Wahlmechanismen. Doch egal, ob die Wahl über Markt- oder eben über politische Prozesse getroffen wird, beide Wahlhandlungen und auch die normative Evaluierung der Ergebnisse erfordern als Voraussetzung individuelle Präferenzen. Das Konzept der Meritorik (ebenso wie das der Demeritorik) stellt genau diese Voraussetzung in Frage (vgl. Musgrave 1987, S. 453): In diesem Sinne „durchkreuzt es die traditionelle Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Gütern.“ Doch was, respektive wer, sorgt für die Maßstäbe, wer erklärt die Meritorität von Gütern? Die eigentliche Problematik zeigt sich in Form eines Instanzenproblems, das schließlich selbst die unstrittigen Annahmen der neoklassischen Ökonomie mit dem Rationalitätsanspruch des homo oeconomicus in Frage stellt. Kiefer (2001, S. 137): „Das ökonomische Bild vom rational seinen eigenen Vorteil verfolgenden Individuum ist mit dem Konzept meritorischer Güter ja nicht so leicht vereinbar, zumal wenn dabei Vorstellungen vom ‚wohlwollenden Diktator’ geweckt werden, der vorgeblich besser als das Individuum weiß, was diesem frommt.“

1.4.3 Meritorik und konfligierende Präferenzebenen Man könnte meritorische Güter nun damit erklären, dass alle Individualbedürfnisse nicht für sich allein bestehen können, sondern einem gesellschaftlichen Prozess entspringen und damit in gewisser Weise auch eine „Mode“ repräsentieren (zur Begriffswahl „Mode“ (oder, wie im Original, englisch: „fashion“) vgl. Musgrave 1987, S. 153 und Musgrave 2000, S. 127 f.). Wer die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Disziplin „Marketing“ seit den 1950er Jahren verfolgt, erkennt unschwer, dass es in dieser Disziplin im Sinne einer aktiven Komponente stets auch darum ging, diese gesellschaftlichen „Bedürfnismoden“ zu bestim-

36 men. Als Erklärungsmodell für eine Meritorik – die dann Individualpräferenzen als Spiegelbilder jener Mode sehen würde, was die Gesellschaft unterstützt und für wünschenswert hält – ist dieser Ansatz schon beim Blick auf diese Verbindung in Frage zu stellen. Mit Colm (1965) reflektieren Werte der Gemeinschaft stets einen historischen Prozess der Interaktion zwischen Individuen. Erst dieser (im Übrigen veränderbare) Prozess führe zu gemeinschaftlichen Werten oder Präferenzen, die dann in ein allgemeines Normensystem übertragen werden. Mit diesem Erklärungsansatz wird dann auch die Tatsache integrierbar, dass Individuen als Mitglieder einer Gemeinschaft, gesellschaftliche Präferenzen nicht nur akzeptieren (Musgrave) sondern darüber hinaus sogar unterstützend tragen, obwohl ihre persönlichen Präferenzen andere sind. Vielleicht muss man zu einer sinnreichen Klärung der Meritorik tatsächlich von konfligierenden Präferenzebenen ausgehen, wie dies schon Harsanyi 1955 beschrieben hat (subjektive und ethische Präferenzen) und mit Sen (1977) können meritorische in den Bereich der „ethisch herausragenden“ Präferenzen geordnet werden. Besser noch erklärt die Unterscheidung von Handlungs- und Verfassungspräferenzen, wie sie Vanberg und Buchanan (1988, S. 101 ff.; 1991, S. 67 ff.; 2000, S. 357 ff.) treffen, unterschiedliche Präferenzebenen. Dabei handelt es sich bei individuellen Verfassungspräferenzen um eine Selbstbindung des Individuums, das Handlungspräferenzen einschränkt, weil die Vorteile der „Verfassung“ überwiegen (Schulpflicht, Verkehrsregeln, etc.). Grundsätzlich führt eine differenzierte Betrachtung von (übergeordneten) Präferenzen zu einem weiteren Verständnis von Konsumentensouveränität und Individualismus. Denn – so Tietzel und Müller (1998, S. 97 f.) – die meritorischen Bedürfnisse müssen in der individualistischen Betrachtung nicht notwendig „externe“ Werte widerspiegeln, sondern können unter bestimmten Umständen als grundlegendere und aufgeklärtere (Meta-)Präferenzen des Individuums verstanden werden. Brennan und Lomasky prägen den Begriff der „reflexiven Präferenzen“ (1983, S. 183 ff.). Weil dies besser in den Kontext dieser Arbeit passt, soll hier von „Präferenzen höherer Ordnung“ gesprochen werden. Ein bislang ungelöstes Problem besteht nun darin, solche offensichtlich an „höheren Zielen“ orientierten Präferenzen zu bestimmen und verbunden damit ergibt sich die Schwierigkeit, eine Entscheidung darüber zu treffen, wie solche – offenbar gesamtgesellschaftlich positiv zu bewertenden Präferenzen gefördert werden können, wie also letzten Endes die Nachfrage nach meritorischen Gütern geweckt werden kann. Dies ist eine der Kernfragen zur Legitimation des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland, dessen Führungsgremien die Massenattraktivität als eine Grundvoraussetzung für die Erfüllung ihres verfassungsrechtlich begründeten Auftrages sehen. Nur wenn die Programme in breiten Bevölkerungsschichten wahrgenommen und quasi verankert sind, wird auch die Nachfrage nach meritorischen Güterinhalten des Programmangebotes geweckt werden können. Angesichts der Veränderungen im Inhaltsangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Auftreten privater Angebote seit M itte der 1980er Jahre bleibt anzufügen: Eine heute durchaus in Frage zu stellende Argumentation, deren Tragfähigkeit in Zukunft weiter schwinden dürfte. Kops (2005, S. 3 ff.) versucht sich ebenfalls an einer schlüssigen Begründung der Meritorik – als Hilfskonstrukt wählt er die Bezeichnung „alter meritorischer Ansatz“ und führt eine neue Herangehensweise ein. Sein Konzept befasst sich mit der Frage, ob „bestimmte Rundfunkprogramme (de-)meritorische Güter im Sinne Musgraves sind, die nicht nach Maßgabe der Zuhörer/innen und Zuschauer/innen angeboten werden sollten, sondern nach Maßgabe eines besser informierten Anbieters, etwa eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters“, wobei er diesen „alten meritorischen Ansatz“ ablehnt. Gleichzeitig zeigt

37 Kops, dass aufgrund vielfältiger Marktfehler („fehlende Rivalität im Konsum und hohe Kostensubadditivitäten, fehlende Ausschließbarkeit, Externalitäten, asymmetrische Informationsverteilung, hohe Suggestionswirkungen“) die Wünsche der Zuhörer und Zuschauer nach bestimmten Programmarten nicht erfüllt werden, wenn diese nach den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage bereitgestellt werden (vgl. S. 7 ff.). Dies begründet nach Ansicht von Kops (vgl. S. 29) regulatorische Eingriffe oder Korrekturen und „auch eine nichtstaatliche, öffentlich-rechtliche Bereitstellung solcher Programme, und zwar nicht als unzulässige Form paternalistischer (alter) Meritorik, sondern als eine von den Zuhörern und Zuschauern gewünschte Form der Korrektur von Marktmängeln“. Hierin liegt die Parallelität zum hier vorgestellten Anspruch, mit Hilfe von Präferenzen höherer Ordnung zu argumentieren. In ganz ähnlicher Weise nämlich führt Kops zusätzlich zum ökonomisch basierten Konstrukt der Nachfrage, das Konzept der Erwünschtheit ein – nichts anderes also als eine neue Ebene der Präferenzbildung. Kops macht allerdings in seinem rundfunkökonomischen Arbeitspapier zusätzlich deutlich, dass sich die nach seiner Ansicht „alte“ Meritorik trotz allem als Korrektur von Marktmängeln verstehen lässt, „sofern bestimmte Marktversagensformen (asymmetrische Informationsverteilung, hohe Suggestivkraft) für Rundfunkprogramme anerkannt werden“ (2005, S. 29). In diesem Fall könne das in den Wirtschaftswissenschaften allgemein anerkannte Postulat der „Konsumentensouveränität“, das (de-)meritorische Korrekturen ausschließe, für Rundfunkprogramme nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr sind dann auch nach der ökonomischen Theorie, etwa der sogenannten Prinzipal-Agent-Theorie, Programmentscheidungen der (besser informierten) Programmveranstalter (Agenten) geboten, die von den Wünschen der (schlechter informierten) Zuhörer und Zuschauer abweichen. So gesehen verankert Kops seinen spannenden und ernstzunehmenden Ansatz zur Erklärung der Meritorik in Terminologie und Theorie der neuen Institutionenökonomik. Lobigs (2005, S. 25 ff.) argumentiert ganz ähnlich, wenn er unterschiedliche „Meritorik-Konzeptionen“ als paternalistisch, individualistisch oder konstitutionenökonomisch bezeichnet, wobei die „alte, paternalistische Meritorik“ allgemein unterstelle, „dass es Güter gibt, bei denen kompetente externe Entscheidungsträger besser einschätzen können, welche Konsummengen von ihnen im besten Interesse der Konsumenten sind, als diese es selbst zu beurteilen vermögen“ (vgl. Lobigs 2005, S. 26, aber auch Erlei 1992, S. 34). In diesem Verständnis verfügen Konsumenten nicht über ausreichende Informationen oder Erfahrung, ihre Souveränität auszuüben, die deshalb „paternalistisch korrigiert“ wird – ein Ansatz, der in der medienökonomischen Diskussion zwischenzeitlich durchweg kritisch beurteilt wird (vgl. Kiefer 2003, S. 37). Die individualistische „neue“ Meritorik in diesem Verständnis fußt auf dem bereits eingeführten Ansatz von Brennan und Lomasky und einer Unterscheidung handlungsleitender individueller Marktpräferenzen und wünschenswerten (reflexiven) Marktpräferenzen (vgl. Brennan/Lomasky 1983, S. 196). Und schließlich fußt das konstitutionenökonomische medienmeritorische Verständnis auf dem ebenfalls mit unterschiedlichen Präferenzebenen argumentierenden Verständnis von Tietzel und Müller (1998, S. 97), auf dessen Basis Kiefer (2003) die Medienmeritorik neu konzipiert habe (Lobigs 2005, S. 30). Demnach wären meritorische Eingriffe in die Allokation bestimmter Güter dann gerechtfertigt, wenn sich die Substitution des Ziels der Konsumentensouveränität „durch ein ‚alternatives’ Allokationsziel auf Basis einer Zielbestimmung unter Anwendung des konstitutionenökonomischen Konsenskriteriums rechtfertigen lässt“ (Lobigs 2005, S. 30, vgl. auch Kiefer 2003, S. 39 f., Tietzel/Müller 1998). Die Konstitutionenökonomik versteht sich ursprünglich als ein sozialpolitisches Konzept, das unter

38 anderem Gründe für Sozialpolitik liefern soll und sich mit sozialer Ungleichheit beschäftigt (vgl. Homann 1996, S. 203 ff.), sie schließt also eine direkte Handlungsableitung mit ein. Der Klassifikation unterschiedlicher meritorischer Ansätze nach Lobigs wird auch deshalb hier solch breiter Raum eingeräumt, da er auf Basis einer konstitutionenökonomischen Konzeption der Meritorik am Beispiel des gesellschaftlichen Ziels einer demokratischen Funktionalität der Medien die generelle Relevanz moderner Meritorik zu verorten hilft – zumal an diesem Ziel leicht verdeutlicht werden kann, dass sich diese Zielsetzung gegen die ausgeübte Konsumentensouveränität positionieren lässt. Auch Kiefer (2003, S. 31) hat die demokratische Funktionalität von Medienangeboten als eines der konsensfähigen meritorischen Medienziele identifiziert, indem sie sich (S. 32) auf die vom Bundesverfassungsgericht festgeschriebene öffentliche Aufgabe der Medien bezieht. Im Grunde aber ist auch die konstitutionenökonomische Konzeption der Meritorik insofern nicht hilfreich, weil sie keine klare Definition unterschiedlicher, praxisbezogener meritorischer Bedürfnislagen erlaubt. Nachweisbar sind meritorische Bedürfnisse erst, wenn sie ƒ ƒ

erstens von gesellschaftlichen Instanzen gesetzt werden und sich zweitens ihre Befriedigung negativ auf den Markterfolg des verbundenen Angebotes auswirkt.

1.4.4 Beeinflussung der Konsumentensouveränität als Legitimationsproblem Wer über Meritorik diskutiert – sei es im Sinne eines paternalistischen, eines individualistischen oder eines konstitutionenökonomischen Konzeptes – steht also früher oder später jeweils vor der gleichen Frage. Im Grunde steht immer wieder das Erfordernis im Raum, meritorische Bedürfnisse über eine Instanz – oder, besser, Autorität – zu legitimieren und damit zu definieren. Als Individuum unterwirft man sich gezwungenermaßen oder freiwillig der Beeinflussung der eigenen Konsumentensouveränität. Wie eine solchermaßen ausgestattete Instanz repräsentiert werden soll, bleibt selbst im plausiblen Zugang über das konstitutionenökonomische Konsenskriterium offen. Es öffnet sich also nach wie vor die offene Flanke der Meritorikdiskussion. Genau in dieser Bestimmung der Präferenzen, in der empirischen Annäherung an die hierarchische Ordnung von Bedürfnislagen, die auch die der Betriebswirtschaftslehre gleichermaßen „heilige Kuh“ der Konsumentensouveränität aushebeln kann, liegt die große Herausforderung zukünftiger Forschung. Die Meritorik wird und muss auch weiterhin zu den zentralen, diskursiv zu durchleuchtenden Aspekten einer Erforschung des Medienangebotes zählen. Dabei wird es in Zukunft insbesondere darauf ankommen, wie man die Aggregation individueller Präferenzen unterschiedlicher Ordnung transparenter aufzeigen kann. Dies zusammengefasst wird die, in der Bemühung um einen einheitlichen Begriff, im Konsens geprägte Definition, wie sie Tiezel und Müller (1998, S. 88) für ihre Argumentation quasi als kleinsten gemeinsamen Nenner reklamieren, reichlich unscharf. Sie betrachten meritorische als rein private Güter, „in deren Allokation der Staat eingreift, um ein Konsumniveau zu induzieren oder sogar zu erzwingen, das über jenem liegt, das durch Marktprozesse bei alleiniger Geltung der individuellen Präferenzen der Wirtschaftssubjekte zustande käme“. Diese Definition ignoriert zudem, dass meritorische Güter auch öffentliche Güter sein können und blendet zudem externe Effekte aus. Möglicherweise ist es tatsäch-

39 lich angebracht, mit Kiefer (2001, S. 83) wie folgt zu definieren: „Meritorische Güter sind Güter, deren Produktion und Konsum in höherem Ausmaß als gesellschaftlich wünschenswert gilt, als es bei Bereitstellung über den Markt der Fall ist“, wenngleich in dieser Definition kaum die von Musgrave angelegte Spannung erfasst wird, die er über die Diskussion von Präferenzen und Konsumentensouveränität erreicht. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit findet deshalb die folgende Definition meritorischer Güter Anwendung. Meritorische Güter sind private oder öffentliche Güter mit positiven externen Effekten, die aufgrund (aggregierter) Individualpräferenzen niederer Ordnung in geringerem Maße konsumiert werden als dies Präferenzen höherer Ordnung wünschenswert erscheinen lassen. Diese lassen sich über einen historisch veränderlichen gesellschaftlichen Kontext formulieren. Die differenzierte Betrachtung der Meritorik präsentiert am Ende ein Konzept, das es erlaubt, private wie öffentliche Güter mit einem aggregierten Präferenzverständnis (analog zum erwähnten Konsenskriterium) der Gesellschaft zu verbinden. Konsequent angewandt, kann zwar nicht Journalismus als komplexes Phänomen, jedoch können viele seiner Leistungen als meritorisch eingestuft werden. Dies wiederum erleichtert später die Auseinandersetzung mit der Anpassungshypothese (vgl. Abschnitt 1.5) und rechtfertigt die Ausprägung eines meritorischen Qualitätsverständnisses des Journalismus, wie sie im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgenommen wird.

1.4.5

Rückführung des Begriffs auf den Bedürfniskontext

Die Diskussion in den vorangegangenen Abschnitten zusammenfassend gefragt: Sind nun Medien meritorische Güter? Aufgrund der Arbeitsdefinition muss die Antwort lauten: Nein! Grundlegende Aussagen, die zum Beispiel „die Presse“ in ihrer Gesamtheit auch unter ökonomischer Sicht als meritorisches Gut umschreiben, können so nicht formuliert werden, zumal gerade die Tagespresse beweist, dass neben dem inhaltlichen Aspekt auch der (erforderte) marktausgleichende Aspekt der Meritorik-Definition nicht erfüllt ist. Schließlich sind für die Tagespresse in ihrer nach wie vor pluralen Gesamtheit regulierende Eingriffe nicht erforderlich – noch nicht, mag man hinzufügen. Stattdessen muss es vielmehr heißen: Medien besitzen meritorische wie demeritorische Güteraspekte (vgl. Heinrich 2001a, S. 101). Meritorik benötigt im Mediensektor einen nicht angebotszentrierten, sondern nachfragegeleiteten Begriff. Medien befriedigen meritorische Bedürfnisse („merit wants“). Voraussetzung für die Gültigkeit dieses Satzes wäre die jeweilige Analyse einzelner Bedürfnisaspekte auf ihre „Marktfähigkeit“. Es ist dann jeweils zu überprüfen, ob zum Beispiel Informiertheit, Meinungsbildung oder Informationsfreiheit Bedürfnisse darstellen, die unter den Bedingungen eines offenen Medienmarktes der ausschließlich auf der Souveränität seiner Teilnehmer beruht, nicht angeboten werden. Das heißt: ƒ

In einem ersten Schritt müssten Bedürfnisse ermittelt werden, die die Kriterien der Meritorik erfüllen. In dieser „Messung“ liegt das zentrale Problem, das Skepsis und Kritik der Medienwissenschaften beinahe zwingend auf den Plan ruft. Am Leichtesten dürfte dies noch aus einem paternalistischen Verständnis heraus gelingen – dieses

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Konzept freilich ist aus moderner Meritorik-Sicht und wie bereits erläutert wurde kaum tragbar. In einem zweiten Schritt müsste nun, um eine Einflussnahme durch gesellschaftliche Instanzen zu rechtfertigen, ermittelt werden, ob Medien, respektive ihre journalistischen Inhalte diese als meritorisch (und damit nicht der Konsumentensouveränität unterliegend) erkannten Bedürfnisse adressieren.

Was festzuhalten bleibt: Journalismus offeriert nicht per se meritorische Angebote, sondern er könnte (falls dies nachweisbar gelingt) meritorische Bedürfnisse befriedigen. Ein besonderes Problem: Im Verlauf der volkswirtschaftlichen Auseinandersetzung mit der Meritorik verschob sich der definitorische Blick von „wants“ hin zu „goods“. Im Verlauf dieses Abschnitts wurde immer wieder auf ein Spätwerk Musgraves verwiesen (1987, S. 452 – 453), in dem er den meritorischen Güterbegriff bereits adaptiert hat. Musgrave (1957) führte den Begriff ursprünglich jedoch mit der Betonung auf „merit wants“, „meritorische Bedürfnisse“ – also nachfragezentriert – in die Diskussion ein. Erst in späteren Publikationen (vgl. insbesondere 1987 und 2000 (hier S. 126 f.)) ist die Rede von „meritorischen Gütern“ – eine angebotsorientierte Definition. In früheren Publikationen – und bis hinein in sein Standardwerk zur Finanzwissenschaft aus den 1960er Jahren (Musgrave 1966 und 1969) – steht der Begriff ausschließlich unter dem Aspekt „Bedürfnis“ im Blickfeld (Musgrave 1969, S. 8 ff.): „Durch den Staat werden auch solche Bedürfnisse befriedigt, die sonst – obgleich sie der Markt ebenso gut befriedigen könnte – unberücksichtigt blieben, einfach weil die Konsumenten es vorziehen, ihre Mittel für andere Zwecke aufzuwenden. In diesem Fall kann die Ursache für eine budgetäre Maßnahme nicht in technischen Schwierigkeiten erblickt werden, die dadurch entstehen, dass gewisse Leistungen von allen zu gleichen Teilen in Anspruch genommen werden; denn quantitative Unterschiede der individuellen Konsumtion sind durchaus möglich. Der Grund für budgetäre Maßnahmen liegt folglich nur in der Absicht, die individuelle Konsumwahl zu korrigieren.“ (Musgrave 1969, S. 10, Hervorhebung im Original). Dies sind schließlich meritorische Bedürfnisse („merit wants“). Im Gegensatz dazu sind jene öffentlichen Bedürfnisse, die Musgrave als „spezifisch öffentliche“ bezeichnet (vgl. 1969, S. 8), solche, deren Befriedigung „eigentlich dem Grundsatz der Konsumentensouveränität unterworfen sein sollte“ (Musgrave 1969, S. 14). Die zugrunde liegende Mechanik des Begriffes verschiebt sich mit dem Wechsel von „Bedürfnis“ zu „Gut“ im Grunde nur unmerklich – für die Medienökonomie, respektive die publizistische Ökonomie jedoch in bedeutendem Maße. Das Problem, dem sich die Medienökonomie mit dem Thema Meritorik stellt, ähnelt dem, das einem ebenso in der Debatte um journalistische Qualität (vgl. Kapitel 2) begegnet: Der nachfrageorientierte Zusammenhang wird vernachlässigt. Bezogen auf Meritorik heißt dies, dass die Medienökonomie die angebotsorientierte Begrifflichkeit als „Gut“ unkritisch übernommen und in der Reflektion die nachfrageorientierte Kausalität zunehmend aus dem Blick verloren hat. Also nicht: „Journalismus produziert meritorische Güter“, sondern: „Journalismus kann meritorische Bedürfnisse befriedigen“. Es geht also um Bedürfnisse und Bedürfnisbefriedigung durch journalistische Aktivität und den Nachweis einer solchen Bedürfnisbefriedigung. Der bezogen auf eine Ökonomie der Publizistik relevante Begriff der Meritorik muss dies berücksichtigen. Demnach kann folgende Definition für die weitere Argumentation in dieser Arbeit zugrunde gelegt werden:

41 Meritorische Bedürfnisse („merit wants“) werden über Marktmechanismen im Rahmen bestehender Nachfrage befriedigt und gelangen dann in den Bereich öffentlicher Bedürfnisse, wenn sie aufgrund Präferenzen höherer Ordnung als so bedeutsam erachtet werden, dass ihr Konsum über das im Marktmodell mögliche Maß hinaus durch öffentliche Einflussnahme unterstützt wird. Meritorische Bedürfnisse schließen „ihrer Natur nach eine Einmischung“ (Musgrave 1969, S. 15) gesellschaftlicher Instanzen auf Basis eines (individualistisch oder aber auf Basis einer aggregierten Präferenzordnung begründeten) Konsenses in die Konsumentenpräferenzen ein. In der Vergangenheit wurde die Meritorik auch im internationalen Kontext immer wieder bemüht, um die gesellschaftliche, oft staatliche Einflussnahme (insbesondere Unterstützung) auf Medienherstellung zu rechtfertigen. Im nachfrageorientierten Verständnis sind solche „Marktkorrekturmaßnahmen“ ausschließlich kausal ableitbar, wenn sie konsensbildend über „merit wants“ begründet sind. Diese theoretischen Überlegungen stellen im Grunde auch beispielsweise die Finanzierungsmodalitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland auf den Prüfstand. Erst – und nur dann – wenn die Inhalte als meritorische Bedürfnisse („merit wants“) befriedigende erkannt und akzeptiert sind, ist die Einflussnahme über das Marktprinzip hinaus auch aus der ökonomischen Theorie zu rechtfertigen. Also: In einem ersten Schritt wird beispielsweise „Grundversorgung mit Fernsehangeboten“ als meritorisches Bedürfnis in einem gesellschaftlichen Konsens erkannt, in einem zweiten Schritt Überlegungen zur Befriedigung dieser meritorischen Bedürfnislage angestellt. Bewusst wird hier der wohl umstrittenste Begriff der Debatte um eine Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunksysteme beispielhaft verwendet. Die intensive Betrachtung der Konsumentenpräferenzen und die Beschäftigung mit möglicherweise vorhandenen Präferenzen höherer Ordnung erfolgten hier aus verschiedenen Gründen: ƒ

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3

Eine Ökonomie der Publizistik kann sich mit der Fokussierung auf meritorische Bedürfnisse von der Kommerzialisierungsdebatte entkoppeln.3 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass meritorische Bedürfnisse identifiziert und das Instanzenproblem gelöst sind, das heißt auch die Frage beantwortet ist, wer über die Konsistenz meritorischer Bedürfnisse entscheidet. Beim Musgrave’schen Ansatz handelt es sich um einen stringent wirtschaftswissenschaftlichen. Das Konzept der Meritorik ist deshalb bestens dazu geeignet mit der Ökonomie der Publizistik ein Konzept zu rechtfertigen, das durch die Fokussierung auf meritorische Bedürfnisse („merit wants“) von einer monetär-gewinnmaximierenden Ökonomik abstrahiert.

Wenn man mit Jarren und Meier (2002, S. 147) davon ausgeht, dass die öffentliche Aufgabe der Medien in Form beispielsweise einer freien öffentlichen Meinungsbildung (gemäß BVerfG) in der Sicht der normativen Publizistik klar der freien Ausübung der Rezipientensouveränität übergeordnet wird, dann dürfte Medienökonomik immer dann besonders ernst genommen werden, wenn es gelingt, die normativen publizistischen Medienziele in einer ökonomischen Theorie zu verankern. Kaum anders zu bewerten, ist zum Beispiel das Bemühen von Kiefer um eine konstitutionenökonomisch fundierte Medienökonomie (vgl. Kiefer 2003). Gleiches gilt für die Einlassungen von Lobigs (2005, vgl. insbes. S. 33 ff.) über das konstitutionenökonomische Konsenskriterium, die dann quasi gezähmte, weil sozialkompatible ökonomische Theorie als eine zulässige Theorie der Medien in der Publizistik zu positionieren. Für die hier vorliegende Arbeit genügt es im Kontext einer Ökonomie der Publizistik, allein die Möglichkeit einer Existenz meritorischer Bedürfnisse zuzulassen (seien diese rein individualistisch oder über Methoden der Aggregation kollektiv nachweisbar), denn schon diese Existenz erlaubt den entmonetarisierten, an wählbaren Qualitätszielen orientierten Einsatz betriebswirtschaftlicher Arbeitsinstrumente.

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Dass der Einsatz der Arbeitstechniken einer Ökonomie der Publizistik dabei (auch gerade positive) Wirkungen auf die monetäre Situation der Gesamtorganisation haben kann, bleibt davon unbenommen – schließlich sieht auch Musgrave vor dem Hintergrund kaum zu rubrizierender Präferenzordnungen Interdependenzen.

1.4.6 Die Problematik der Meritorik aus Rezipientensicht 1.4.6.1 Meritorik aus handlungstheoretischer Perspektive Die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt sollten auch verdeutlichen: Meritorische Bedürfnisse stehen zu den Individualpräferenzen der Rezipienten in keinem Widerspruch. Dies gilt insbesondere dann, wenn man, wie beschrieben, mit Brennan und Lomasky einen individualistischen Zugang zum Konzept der Meritorik zulässt und von der rein paternalistischen mit handlungstheoretischen Überlegungen kaum kompatiblen Sichtweise des Konzeptes abgeht. Somit gilt: Das Konzept der Meritorik ist grundlegend – und das hat gerade die neuere Meritorik im Verständnis des individualistischen und konstitutionenökonomischen Ansatz gezeigt – kompatibel zur Handlungstheorie, die ja im Grunde aus unterschiedlichen Perspektiven die aktive Äußerung des vergesellschafteten Menschen betrachtet und die kollektive Handlungsmuster jeweils aus dem Zusammenspiel der Individuen ableitet. Die Entscheidung zwischen Tun und Unterlassen werden im Sinne der Handlungstheorie durch sozialen Institutionen und Traditionen bestimmt; für die Meritorik kann dabei hilfreich insbesondere der symbolische Interaktionismus als eine handlungstheoretische Option herangezogen werden – dieser führt komplexe Vorgänge in gesellschaftlichen Zusammenhängen auf das Individuum zurück und interpretiert jedes gemeinschaftliche Handeln als Ergebnis der Auseinandersetzung von Individuen. Kollektives Handeln ist demzufolge das Ergebnis eines ständigen Abstimmungsprozesses und damit nie abgeschlossen (vgl. Abels 2004, Blumer 1973). Interessant im Sinne der Meritorikdiskussion sind jene Fälle, in denen kollektive Handlungen stabil sind und wiederkehren, also quasi gesellschaftlich gefestigte Strukturen repräsentieren. Nun könnte man konsequenterweise ableiten: Meritorische Bedürfnisse werden in der Medienökonomie deshalb so intensiv diskutiert, weil Ihre Befriedigung fernab funktionierender freier Märkte interpretativ gedeutet wird. Deutungen haben im handlungstheoretischen Verständnis eine wichtige Funktion, denn alle an einer Situation beteiligten Menschen haben im Voraus ein Verständnis davon, wie sie selbst und wie andere handeln wollen. Und eben dieses Verständnis davon ist die Folge gemeinsamer, bereits bestehender Deutungen dessen, was von der Handlung eines Teilnehmers einer Situation zu erwarten ist (Kaesler/Vogt 2000, S. 298 f.). Meritorik nun könnte auch jene Situationen im handlungstheoretischen Rahmen beschreiben, in denen die Deutungen nicht konsistent die tatsächliche Entscheidungslage repräsentieren und sich die Deutung anders bemisst. Im Sinne der Handlungstheorie folgt gemeinsame Handlung nicht etwa einer bestehenden Regel oder Norm, sondern im umgekehrten Sinne entstehen solche Regelungen oder Gesetze über die Aushandlung von Bedeutungen. Der handlungstheoretisch fundierte Begriff meritorischer Bedürfnisse ergibt sich damit wie folgt:

43 Meritorische Bedürfnisse sind durch Interaktion bewegte individuelle und gemeinsame Überzeugungen, die ihren Sonderstatus dadurch erlangen, dass die kumulierten individuellen Handlungen paradoxerweise nicht der durch Interaktion „ausgehandelten“ Norm entsprechen.

1.4.6.2 Erklärungsansätze für das handlungstheoretische Paradoxon Handlungstheoretische Annäherungen an die Mediennutzung waren und sind nach wie vor stark vom Uses and Gratification Approach beeinflusst. Ziel schon des grundlegenden Ansatzes, von Katz und Foulkes 1962 eingebracht (vgl. S. 377 ff.), war es, dem Rezipienten eine aktive Rolle im Umgang mit massenmedialen Angeboten zuzuweisen. Während in den Anfängen der Medienwirkungsforschung zumeist danach gefragt wurde, „Was machen die Medien mit den Rezipienten?“, kehrte der Soziologe Katz die Sichtweise um und fragte stattdessen: „Was machen die Rezipienten mit den Medien?“ (vgl. Merten 1994, S. 317). Die Nutzung von Medien – so die Grundannahme – dient der Befriedigung sozialer und psychologischer Bedürfnisse, wobei vom Rezipienten angenommen wird, dass er zur Erreichung bestimmter Ziele Medien aktiv und bewusst einsetzt. Typische Ziele bei der Nutzung von Medien sind Unterhaltung oder Informationsbeschaffung (vgl. Merten 1994). Dass von einem intentional handelnden Rezipienten ausgegangen wird, bedeutet im Gegenzug, dass dieser bei direkter Befragung Handlungsmotive in der Rückschau benennen kann. Aus den Ergebnissen einer Studie gewann dann auch Denis McQuail eine Typologie jener Bedürfnisse (vgl. Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, S. 164f.), die die Mediennutzung adressiert und unterschied Informationsbedürfnisse (Orientierung über relevante Ereignisse in der unmittelbaren Umgebung, in der Gesellschaft und in der Welt, Ratsuche zu praktischen Fragen, Meinungen, Entscheidungsalternativen, Befriedigung von Neugier und allgemeinem Interesse, Lernen, Weiterbildung, Streben nach Sicherheit durch Wissen); soziale Bedürfnisse nach Integration und sozialer Interaktion (sich in die Lebensumstände anderer versetzen, soziale Empathie, sich mit anderen identifizieren, ein Gefühl der Zugehörigkeit haben, eine Grundlage für Gespräche und soziale Interaktion erhalten, einen Ersatz für (fehlende) Geselligkeit oder Partnerschaft finden, Hilfe bei der Annahme sozialer Rollen bekommen, den Kontakt zur Familie, zu Freunden und zur Gesellschaft finden); Bedürfnisse nach persönlicher Identität (Bestärkung der persönlichen Werthaltungen, Suche nach Verhaltensmodellen, Identifikation mit anderen, Selbstfindung); Unterhaltungsbedürfnisse (Wirklichkeitsflucht, Ablenkung von Problemen, Entspannung, kulturelle oder ästhetische Erbauung, Zeit füllen, emotionale Entlastung, sexuelle Stimulation). Die Liste dieser „messbaren“ Bedürfnisse wird vor allen Dingen auch deshalb hier aufgeführt, da auf diese Weise schon ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei Bedürfnissen dieser Art um meritorische handeln kann. Die zentrale Problematik: Der Mensch handelt im Uses and Gratifications Approach stets zweckrational und zielgerichtet, er agiert bewusst und nachvollziehbar. Empirisch ist das kaum sicher zu belegen. Stattdessen lässt sich ebenso postulieren, dass die Motive der Mediennutzung selten besonders rational und aktiv getroffen werden. Um diese Argumentation zu unterfüttern könnte man zusätzlich das Modell von Jäckel (1992, vgl. auch 1999) heranziehen, der den Uses and Gratification Approach kritisch unter die Lupe nimmt, indem er Medienkonsum als Niedrigkostensituation beschreibt. Zum Hintergrund: Entschei-

44 dungsprozesse stellen sich für Jäckel entweder als Hoch- oder eben als Niedrigkostensituationen dar. Eine Hochkostensituation ist immer dann gegeben, wenn die Entscheidung weit reichende und bedeutende Konsequenzen nach sich ziehen wird. In solchen Situationen wird das Individuum hochgradig rational und aktiv entscheiden (Beispiele: Fahrzeugkauf, Hausbau, Berufswahl) – der Grund liegt in den möglichen Risiken persönlicher, finanzieller und sozialer Art. Auf der anderen Seite wäre es „nicht rational, in Low cost-Situationen ein rationales Entscheidungsmodell in allen Phasen der Auswahl anzuwenden.“ (Jäckel 1992, S. 254). Denn wenn die Entscheidung nicht gravierende Konsequenzen zeitigt, ihr Ergebnis kurzfristig und leicht behebbar und/oder zu verschmerzen ist, liegt eine Niedrigkostensituation vor. Die Entscheidung fällt dann auf Basis von Routinen, Gewohnheiten und bekanntbewährten Aktionsmustern. Mediennutzung trägt das Risiko (gemäß Uses and Gratification Approach) einen kurzfristigen Nutzen nicht zu erreichen und die Konsequenzen einer Fehlentscheidung in der Mediennutzung lassen sich leicht beheben – Hörfunk und Fernsehen werden um- oder ausgeschaltet, Medienangebote nicht rezipiert. Ein Beispiel: Dass beim Fernsehen häufig die Kosten-Nutzen-Abwägung vermieden wird, zeige sich in der Orientierung der Rezipienten auf bestimmte Medien, „die sich in ‚Medienimages‘ verdichten können“ (Jäckel 1992, S. 157). Der Rezipient schränkt die Zahl der Selektionsmöglichkeiten so ein, ohne dass er selbst glaubt, ein „schlechtes Geschäft“ (Jäckel 1992, S. 157) zu machen. Die zentrale Frage in diesem Abschnitt muss nun lauten: Sind Medienangebote, und hier ebenso insbesondere journalistische Medieninhalte stets einer Niedrigkostensituation – oder in der Sprache der Betriebswirtschaftslehre einer „Kaufhandlung“ mit geringem Involvement zuzuordnen. Oder gibt es andererseits auch mediale Situationsbezüge, die eine Betrachtung als Hochkostensituation rechtfertigen – eine Hierarchisierung von Bedürfnissen, wie sie in diesem Kapitel diskutiert wurde, legt nahe, dass man hier situativ Entscheidungen treffen muss und nicht grundsätzlich von Niedrigkostensituation oder geringem Involvement ausgehen kann. Diese Einschätzung erhält möglicherweise noch höheres Gewicht, wenn man den Bogen zur Ökonomie der Aufmerksamkeit (Franck 1998, erweitert zu einem „mentalen Kapitalismus“ 2005) spannt. Hier liegt ein spannender Ansatz für zukünftige Forschung. Zu mutmaßen wäre, dass die Nutzung gratifikatorischer Medieninhalte, insbesondere Unterhaltungsangebote des Fernsehens in ihrem Situationsbezug anders bewertet werden müssen, als die Nutzung informatorischer Angebote. Die – wie der vorangegangene Abschnitt gezeigt hat – auch handlungstheoretisch ableitbare Existenz von meritorischen Bedürfnissen impliziert unterschiedliche Situationsbezüge, die sich in den Kosten unterscheidet – wenn darüber hinaus die Währung in Aufmerksamkeit oder Zeitaufwand besteht, kann keinesfalls ausschließlich von durchgängigen Niedrigkostensituationen ausgegangen werden. Zur Erklärung des handlungstheoretischen Meritorik-Paradoxons kann man übrigens wiederum auf den symbolischen Interaktionismus nach Mead (1978, S. 187 ff.) zurückgreifen. Nach dieser Theorie gibt es keine Identität ohne den Einfluss sozialer Ordnung. In seinem Verständnis besteht Identität aus „me“ und „I“. Während das „I“ (im Grunde das personale selbst der Psychologie) für die einzigartige Subjektivität und im Sinne der Meritorik auch für die konkret-subjektive Handlung steht, kennzeichnet das „me“ oder eben dann das soziale selbst die (eigene) Vorstellung davon was der andere/die anderen von mir denken, halten, sehen. Hierin sind die Erwartungen, die an mich gestellt werden, quasi verinnerlicht. Das „me“ steht also für eine innere dialogische Instanz, für eine Bezugsper-

45 son als „Bewegungsinstanz für die Strukturierung der spontanen Impulse“4. Meritorische Bedürfnisse könnten also möglicherweise unter Zuhilfenahme dieses Erklärungsmodells als durch die soziale Ordnung strukturierte Bedürfnisse gekennzeichnet werden, die von einer durch das personale selbst dominierten Handlung überlagert werden und es so gesehen zu einer Verfremdung des „self“ kommt, das bei Mead (1978) handlungsleitend als Ausgleich der symbolischen Interaktion steht. Meritorische Bedürfnisse stehen in diesem Konzept also für jene Bedürfnisse und Überzeugungen, deren Richtigkeit zweifelsfrei für die soziale Ordnung erkannt, die aber nicht handlungsleitend befriedigt werden. Haller (2004, S. 232) bemüht zusätzlich das Konzept der kognitiven Dissonanz (erkenntnisbezogene Unvereinbarkeit), das in der Psychologie die Unvereinbarkeit von Erfahrungen und Informationen zu der persönlichen Einstellung beziehungsweise zu zuvor getroffenen Entscheidungen des menschlichen Individuums beschreibt. Die Dissonanz meint auch die aus dem Widerspruch von Entscheidung und Wahrnehmung folgende innere Spannung. Die Theorie der kognitiven Dissonanz besagt, dass kognitive Elemente (also Informationen) zueinander konsonant, dissonant oder irrelevant sein können (Festinger 1978). In der Annahme des Konzeptes neigen Menschen dazu, einmal getroffene Entscheidungen zunächst beizubehalten, alle neuen Informationen, die zu der getroffenen Entscheidung in Widerspruch stehen, werden tendenziell abgewertet, während alle konsonanten Informationen tendenziell überschätzt werden (zum Konzept der kognitiven Dissonanz vgl. Beckmann 1984). Die Präferenzsysteme des Individuums sind so gesehen mehrstufig, wobei nur ein Präferenzsystem handlungsleitend genutzt wird. Der Einzelne also einerseits unterlässt, was er andererseits für vernünftig hält (vgl. Haller 2004, S. 232). Damit kann für diesen Abschnitt als Fazit gezogen werden: ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ

Erstens: Es ist wichtig, nicht mehr länger von meritorischen Gütern, sondern vielmehr von meritorischen Bedürfnissen zu sprechen Zweitens: Meritorische Bedürfnisse haben die Eigenschaft, im Markt nicht verpreist (nicht verpreisbar) zu sein. Drittens: Sie entziehen sich damit dem konsistenten Nachweis und einer durchgängigen Messbarkeit. Allerdings sind sie – um das handlungstheoretische Bild zu nutzen – verhandelbar und damit Gesellschaftsrealität. Viertens: Tatsächliche Meritorität wäre allein dann nachweisbar, wenn eine Instanz über meritorische Bedürfnisse normativ-setzend entscheiden würde und der Versuch diese Bedürfnisse zu befriedigen den Markterfolg des Gutes negativ beeinflusst und dessen Marktgängigkeit leidet. Fünftens: Die Argumentation mit Hilfe der Meritorik ist also eine Argumentation „in eventu“: Wenn die Existenz meritorischer Bedürfnisse grundsätzlich für möglich erachtet wird, dürfen sie medienpolitisch und medientheoretisch als argumentative Basis herangezogen werden.

In Konsequenz für diese Arbeit bedeutet das: Allein die existenzielle Möglichkeit meritorischer Bedürfnisse, schafft die Voraussetzung für eine Ökonomie der Publizistik. 4

Diese Darstellung orientiert sich ebenfalls an Mead 1978, S. 187 ff.; eine gute Übersicht zum symbolischen Interaktionismus als handlungstheoretisches Konzept bietet aber auch die Eingabe des Stichwortes in Wikipedia (Stand: 20. September 2006).

46 Oder kurz: die Vermutung eines Vorhandenseins meritorischer Bedürfnisse, rechtfertigt die Beschäftigung mit ihnen. Der Kunstgriff der Theorie liegt darin, sich nicht mehr länger in den eklektischen und am Ende beinahe stets ethisch-theologisch motivierten Erklärungsversuchen (dies gilt im Grunde auch für alle ökonomisch basierten Versuche) zu erschöpfen. Dies bedingt nämlich gleichzeitig Barrieren und damit Stillstand, ein konstruktiv-kreatives Weiterdenken, wie es diese Arbeit vorschlägt, wird so jedenfalls verhindert. Auch ein Nachweis über ein konstitutionenökonomisches Konsenskriterium, muss also gar nicht mehr länger geführt werden. Die dargestellte Problematik zeigt sich in ganz ähnlicher Weise auch im Zusammenhang mit dem Konzept des Anpassungsjournalismus – hierbei greifen die Überlegungen jedoch weiter, indem vermutet wird, dass sich (zunehmend kommerziell ausgerichtete) Medienproduktion an den handlungsleitenden Bedürfnissen orientiert. Diesen Zusammenhängen ist der folgende Abschnitt gewidmet.

1.5 Die Anpassungshypothese: Medienkritik der späten 1960er Jahre Zielrichtung einer Ökonomie der Publizistik ist nicht die betriebswirtschaftliche Ebene der Organisation. Alle Methoden, die in eine solche Ökonomie übernommen oder an diese angepasst werden, besitzen also nicht den finalen Anspruch, Gewinn zu generieren. Statt eines „Shareholder Value“-Konzeptes nehmen sich die Arbeitstechniken einem meritorisch begründeten „Stakeholder Approach“ an, der Präferenzen neu sortiert. Die finale Größe, der sich der neue „Stakeholder“-Ansatz befleißigt, ist Qualität als ein konsensfähiges Ziel. Jeder Medienwissenschaftler weiß natürlich um die schwierige Arbeit an und mit dem Qualitätsbegriff. Schließlich hat auch die Jahrestagung 2005 der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (Hamburg) Qualität von solch unterschiedlichen Seiten zu beleuchten gewusst, dass am Ende ein kaum zu überschauender Katalog sinnreicher Fragestellungen stand, was aber eben auch gezeigt hat, dass die Wissenschaft noch keinen paradigmatischen Zugang, geschweige denn ihren wissenschaftlichen Qualitätskanon gefunden hat. Davor will auch dieses Buch nicht die Augen verschließen (vgl. Kapitel 2). Doch bevor der Qualitätsbegriff unter die Lupe genommen wird, soll in diesem Abschnitt der Kommerzialisierungsgedanke insofern weitergeführt werden, als er mit der Medienqualität „verlinkt“ wird. Im zweiten Kapitel wird die Situativität des Qualitätsbegriffs, seine geringe Konsistenz je nach Berücksichtigung unterschiedlicher theoretischer Näherungen anzusprechen sein. In diesem Abschnitt geht es um die Diskussion einer These, die sich spätestens in den 1970er Jahren manifestiert hat. Dieser Abschnitt will also nicht eigentlich klären, inwiefern sich ökonomische Orientierung und Qualität gegenseitig beeinflussen, respektive bedingen; er will stattdessen die Diskussion rekapitulieren und mögliche Ansatzpunkte zeigen, welche Voraussetzungen notwendig sind, um die Ausgangsthese nicht von vornherein zu falsifizieren. Schließlich ist das wichtigste Argument in der Diskussion der letzten Endes individualistisch – und in zunehmend reiferen Gesellschaften wird sich diese Problematik noch verschärft darstellen – geprägter Zugang zu Medienqualität. So gesehen, muss der Leser diesen Abschnitt eng mit der Darstellung im zweiten Kapitel verbinden. Beide fußen auf den gleichen Überzeugungen. Die serielle Darstellung in einem Buch machte es erforderlich, eine Entscheidung über die Platzierung der Kapitel zu treffen. Da die Anpas-

47 sungshypothese eng mit der Kommerzialisierungsdebatte verbunden ist und darüber hinaus auch der Gedanke einer hierarchisierten Bedürfnisstruktur individuell und kollektiv weitergetragen werden kann (vgl. vorangehenden Abschnitt), lag es nahe, die vorliegende Gliederung zu präferieren. Ausgangspunkt ist in diesem Abschnitt eine einfache, jedoch nur thesenartig zu formulierende Formel der Medienkritik der späten 1960er und frühen 1970er Jahre: Zunehmende Kommerzialisierung bedingt demnach eine Anpassung an die vermeintlich „niederen“ Bedarfe eines Massenmarktes. Was folgt, ist ein Qualitätsverlust der Medieninhalte. Die Hypothese lässt sich mit Holzer (1968, S. 6) so wiedergeben: „Wenn Massenmedien in einer demokratisch verwalteten Industriegesellschaft auf Absatz angewiesene Wirtschaftsunternehmen sind, dann passen sie sich in extremer Weise den vermeintlichen Interessen ihrer Rezipienten an.“ Holzer, Prokop oder Kiock beziehen sich im Ansatz auf unterhaltungsorientierte (Print-)Medienangebote, um daraus übergreifende theoretische Überlegungen abzuleiten. Sie üben dabei eine Art Fundamentalkritik, die bei Gültigkeit der These auch die Informationsfunktion der Medien erfasst. Die Anpassungshypothese – und das ist hier wichtig festzuhalten – macht nicht vor informatorischen Medienangeboten halt. Allerdings – und das ist fraglos evident – fehlt ein über einzelne Studien hinausreichende empirische Nachweis. Noch einmal zu betonen bleibt, dass hier die Ausdifferenzierung des Qualitätsbegriffs noch außer Acht gelassen wird, das folgende Kapitel wird dies nachholen. Es erschien jedoch wichtiger, gleich nach einer Verortung von Kommerzialisierung und Meritorik den für diese Arbeit wesentlichen Zusammenhang herzustellen. Eine weitere Vorbemerkung ist hier von Bedeutung: Weil spätestens seit Einführung des Dualen Rundfunks in Deutschland im Marktgeschehen Gratisangebote der Medienindustrie (privates Free TV, privater Hörfunk sowie aktuell die zunehmend in Europa aufkommenden Gratiszeitungen der MetroGruppe und des Schibsted-Verlages) eine wichtige Rolle spielen, werden die in der der Anpassungshypothese niedergelegten Zusammenhang eventuell noch bedeutsamer. Es ist also zusätzlich zu den folgenden Überlegungen eine Unterscheidung zwischen Gratis- und Kaufmedien sinnvoll, die so für die „Väter“ der Hypothese nicht möglich war – noch nicht, ist man geneigt hinzuzufügen. Gratismedien sind möglicherweise noch stärkerer gefährdet, weil bei Kaufmedien der Aspekt der „Wertigkeit“ eine Rolle spielt. Oder, wie es die Betriebswirtschaftslehre formuliert: der „wahrgenommene Wert“ liegt im Vergleich deutlich höher. Die Anpassungshypothese könnte also angesichts der veränderten Medienlandschaft in der Auseinandersetzung wieder höheren Stellenwert erlangen. Auch aus diesem Grund wird sie in dieser Abhandlung so prominent hervorgehoben. Einer der kritischsten Punkte im Rahmen der Anpassungshypothese verbirgt sich im Wörtchen „vermeintlich“ – hier sehen die Autoren der Zeit (Horst Holzer ebenso wie Dieter Prokop) die Schizophrenie eines durchgängig kommerzialisierten Medienangebotes. Die vermeintlichen Interessen sind demnach indoktrinierte, die die kommerziell geprägten Anbieter mit Hilfe ihrer markt- und rezipientengruppenbezogenen Werkzeuge erst zu generieren wissen und folgen einer quasi übersteigerten Marktbearbeitung. An diesem Punkt zeigen sich die kulturkritischen Wurzeln des Ansatzes – die basale Medienkritik wird aus einer übergeordneten Kulturkritik abgeleitet und in einen Gesamtzusammenhang gestellt. Diese Betrachtungsweise ist aus wissenschaftlich-reflektierender Sicht kaum haltbar, zumal für die Anpassungshypothese nur spärliche empirischer Beweise (vgl. unten) herangezogen werden können. Genau deshalb auch ist diese Diskussion der analytischen Auseinanderset-

48 zung mit dem Begriff journalistischer Qualität vorangestellt, da die Väter der Anpassungshypothese den Qualitätsbegriff ideologisch setzen, eine reflexive Betrachtung, wie sie in Kapitel 2 erfolgt, wird nicht geführt.

1.5.1 Die duale Ökonomie wirkt auf die Qualität Kommunikationsunternehmen gehorchen wie alle anderen Unternehmen auch den Gesetzen der kapitalistischen Produktion – auch hier gilt wieder: es muss im Grunde keine Unterscheidung zwischen unterhaltenden und informatorischen Medienangeboten getroffen werden. Das Prinzip dieser Produktion heißt Profitmaximierung (Holzer 1969, S. 70). Der Profit der Medien stammte (das zeigen zum Beispiel die Zahlen für die Tagespresse in den 1990er Jahren (vgl. Keller 1996, S. 53)) fast ausschließlich aus dem Insertionsgeschäft. Heute macht der Werbeumsatz für Tageszeitungen immer noch mindestens die Hälfte des Gesamtumsatzes aus (vgl. die Beiträge von Keller und die darin verarbeiteten ZAW-Zahlen in den Jahrbüchern des BDZV aus den Jahren 2003, 2004 und 2005); andere Mediengattungen finanzieren sich ausschließlich über Werbung und könnten im Sinne von Holzer eine Art Anpassungsspirale zeigen. Die Ausprägung von Formatradios mit Kennzeichnungen für das Musikprogramm wie AC (adult contemporary) oder Hot AC könnte im Übrigen für die Möglichkeit einer wachsenden Anpassungsbereitschaft in rein werbefinanzierten Angeboten beispielhaft herangezogen werden. Doch zurück zum Ausgangspunkt: Das Insertionsgeschäft ist nur dann lukrativ, so schon der Schluss von Holzer 1969, wenn der Werbung große Publika angeboten werden können. Dies sei nur dem Medium möglich, das „sich in extremer Weise den vermeintlichen – nicht zuletzt von den Massenmedien selber indoktrinierten und manipulierten – Interessen des Publikums anpaßt“ (Holzer 1969, S. 79). Der Zusammenhang zwischen dieser profitablen Ausbeutung der ökonomisch, politisch und kulturell unterprivilegierten Situation der meisten Leser und deren Deutung als wahren Dienst am Kunden, manifestiert sich im Terminus Anpassungsjournalismus (vgl. Kiock 1974, S. 13). Holzer (1968, S. 8): „Ein journalistisches Prinzip, das keineswegs der Rückgratlosigkeit der Produzenten, sondern purer ökonomischer Notwendigkeit entspricht.“ (auffällig hier: auch Holzer spricht bereits keineswegs von unterhaltenden sondern von informatorischen Inhalten und bezieht die Anpassungshypothese konsequent auf die journalistische Inhaltsproduktion). Auch Prokop (1972a) beschwört die Risiken einer für die Medienqualität unter den Kriterien einer monetär-profitorientierten Einstellung: Die Verkäuflichkeit wird von der Produktionsseite nur durch formalen Pluralismus und technische Perfektion gesichert (vgl. Prokop 1972a, S. 11 und 1972b, S. 360 ff.). Weil nun das Bewusstsein der Menschen durch das System der Arbeit geprägt wird – und zwar zum einen durch die Teilung der verfügbaren Zeit in Arbeitszeit und Freizeit sowie zum anderen durch die Einteilung der Tätigkeit am Arbeitsplatz in quantifizierbare Einheiten (Lukacs 1923) – werden Bedürfnisstrukturen gefestigt, die für formale Elemente auch im Freizeitverhalten empfänglich sind. Diese von der Organisation der Arbeit her eingeübten Bedürfnisse, die zudem progredient weiterentwickelbar sind (Prokop 1972b, S. 360 f.), richten sich verstärkt auf formale Momente von Farbe, Bewegung, Rhythmus, auf buntes Dekor, Virtuosität – also im Sinne Prokops auf technische Vielfalt und Perfektion und weniger auf kohärente Erkenntnis. Damit aber sind wir im Kern der Problematik der journalistischen Produktion unter be-

49 triebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen angelangt. Legen wir nämlich allen Anstrengungen das Primat einer Gewinnmaximierung zugrunde, beschäftigen wir uns gezwungenermaßen mit Qualitätskriterien, die zwar leicht operationalisierbar und möglicherweise gar objektivierbar sind, jedoch für eine kohärente Erkenntnis nicht taugen. Das Fazit von Müller in Bezug auf die Geschichte der modernen Publizistik: Es öffnet sich der alte erbitterte „Streit zwischen Aufklärungsjournalismus und Anpassungsjournalismus“ (Müller 1968, S. 208). Holzer findet die Ursache des Anpassungsjournalismus in der politökonomischen Analyse der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Er sieht ein grundsätzliches Dilemma im Verhältnis von Demokratie in der modernen Industriegesellschaft und Massenkommunikation: Einerseits wollen Massenmedien öffentliche Institutionen mit einem von der Verfassung legitimierten Auftrag (Löffler 1960, S. 517 f.), andererseits müssen sie hart konkurrierende, gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen sein (Holzer 1969, S. 68). Aus heutiger Sicht können die Überlegungen und Argumentationen durchaus mit einem Fragezeichen versehen werden. So stehen zum Beispiel investigative journalistische Ansätze und unterschiedliche journalistische Qualitätsauffassungen einer Anpassung an Rezipientenbedürfnisse und damit der Rezipientensouveränität und einem funktionierenden Marktmodell keineswegs entgegen – es ist also fraglich, ob es den von Müller beschworenen Haltungskonflikt zwischen Aufklärung und Anpassung tatsächlich gibt – zweitens ist noch immer nicht geklärt, ob eine Anpassung an Rezipientenbedürfnisse negativ zu sehen ist. Wie in den folgenden Abschnitten und insbesondere auch im Kapitel drei dieser Arbeit zu zeigen sein wird, können journalistisch gestaltete Medien im Zusammenhang einer zunehmend saturierter Gesellschaft eine Anpassung an die Rezipientenbedürfnisse nicht vermeiden, wenn sie nicht im Gegenzug der Bedeutungslosigkeit anheim fallen wollen. Zum Kernproblem wird also einmal mehr die Frage nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Rezipienten (vgl. die Diskussion in Kapitel 1) und ob es sich bei allgemein als „Massengeschmack“ titulierten Medienangeboten um – wie von den Vätern der Anpassungshypothese formuliert – vermeintliche Bedürfnisse handelt. Dies vorausgeschickt, muss nun nur noch zusammenfassend formuliert werden: Das Präferenzproblem, man darf beinahe sagen Präferenzdilemma sowie die davon abhängende Ausprägung von Bedürfnishierarchien und damit die Grenzziehung zwischen möglicherweise demeritorischen Medieninhalten, die eher gratifikatorisch orientiert so genannten „Massengeschmack“ bedienen und meritorischem Inhaltsangebot, ist aus Sicht dieser Arbeit die bedeutendste Problemstellung in der Auseinandersetzung mit einer Theorie der Massenmedien. Interessanterweise wird jede Gesellschaftsform eine Lösung dieses Dilemmas ausschließlich über Setzungen erreichen können. Genau in diesem Schluss liegt eine besondere Schwierigkeit in der Auseinandersetzung mit der Anpassungshypothese. Wenn Anpassung purer ökonomischer Notwendigkeit entspricht, dann bleibt stets die Frage im Raum, ob es sich bei den befriedigten Bedürfnissen tatsächlich um „vermeintliche“ (vgl. Holzer 1969, S. 79) handelt, oder ob nicht vielmehr die Orientierung am Massenmarkt tatsächlich aus der ökonomischen Notwendigkeit entspringt, erkannte Bedürfnislagen zu befriedigen – bliebe einmal mehr auf die handlungstheoretischen Überlegungen des vorangegangenen Abschnitts 1.4 zu verweisen. Auch Altmeppen (2002, S. 206) beschreibt dann aus vergleichsweise neutraler Haltung heraus, dass es für Medienunternehmen ökonomisch attraktiv ist, möglichst Massenmärkte zu bedienen, weil ihre Produkte einen erheblichen Kostendegressionseffekt („economies of scale“, Skalenerträge) aufweisen. Die Produktion für reichweitenstarke Märkte verursacht im Ver-

50 gleich zu einer Nischenproduktion geringere Stückkosten und damit Kosten pro Rezipient. Auf der Gegenseite kann natürlich genau das Geschäftsmodell der Nischenbedienung in den stark fragmentierten (bedingt auch durch die Ausprägung von „Teilgesellschaften“, vgl. Fenner 2005) Medienmärkten Erfolg bringen, wobei sich interessanterweise auch in diesem Ansatz eine Anpassungsspirale vermuten lassen könnte – vorausgesetzt, man folgt den theoretischen Überlegungen von Holzer oder Kiock. Eine Lösung kann dann in einer theoretischen Trennung von Gesamtmarkt- und Teilmarktstrategien liegen. Ausgewählte Zielgruppen werden ausschließlich dann bedient, wenn die Tragfähigkeit der Nische, die sie repräsentieren, bereits bewiesen ist oder aber ein finanzierbarer „Trial and Error“-Prozess (vgl. Zeitschriftensektor) ein positives Ergebnis erbringt. Genau genommen muss man also auch bei der Betrachtung unterschiedlicher Geschäftsmodelle in einer gewinnmaximierenden Medienrealität im Grunde nicht zwischen Strategien für Teilmärkte und den Gesamtmarkt unterscheiden. Aus internationaler Sicht folgt jeder von Medienunternehmen implizierte Gesamtmarkt den auch für Teilmärkte definierten Gesetzen. Dieses paradoxe Nebeneinander einer Vereinzelung und Individualisierung des Angebotes auf der einen und der Bedienung eines kleinsten gemeinsamen Nenners (der in saturierten Gesellschaften möglicherweise immer kleiner wird), beschreibt im Übrigen auch McQuail in seiner Massenkommunikationstheorie. Er glaubt, dass die Zukunft der Massenkommunikation entweder durch soziale Fragmentierung oder Vereinheitlichung geprägt ist („The future of mass communication is either socially fragmentating or unifying“, vgl. McQuail 2002, Kapitel 10). Die Anpassungshypothese – obwohl Kind ihrer Zeit und fest in der Medien- und Kulturkritik der beginnenden 1970er Jahre verwurzelt – ist in der Medienwissenschaft ebenso wie ihre Kritik immer wieder aus den formulierten Überzeugungen herauszulesen, obwohl freilich ein durchgängiger empirischer Nachweis der Gültigkeit noch immer aussteht. „Ein Blick über die Auslagen am Kiosk, das abendliche Zapping beim Fernsehen und eine Drehung am Radioknopf beweisen, dass mit der Quantität der Angebote die Qualität im Ganzen gesehen abgenommen hat“, sagen zum Beispiel Elitz und Lindner (1996, S. 344) und führen diese Entwicklung darauf zurück, dass die Medien ein „entscheidender Wirtschaftsfaktor geworden“ sind. Deshalb unterlägen sie heute anderen Bewertungsmaßstäben als zu den Zeiten, in denen es nur die Zeitung zum Frühstück und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gab. Beck vertieft die Zusammenhänge mit kausalen Erklärungen: Durch das Streben nach Quote gebe es eine Art „Verlust an Nähe“ durch unterlassene Recherche, nicht vorhandene Nähe zur Sache, mangelnde inhaltliche Fundierung in Berichten und Kommentaren. Die Konsequenz: Oberflächlichkeit und „eine unnötige Boulevardisierung von Sachthemen“ (Beck 1997, S. 11). Auch Buchwald (1996) glaubt, dass sich in den letzten 10 bis 15 Jahren die „gesamte soziale Kommunikation in einem unvorhergesehenen Maße kommerzialisiert“ hat (S. 12) und man vielerorts (Buchwald bezieht es auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk) dem fatalen Trugschluss unterliege, „den quantitativen Zuspruch zu einem bestimmten publizistischen Produkt mit Qualitätsmaßstäben gleichzusetzen.“ (Buchwald 1996, S. 13).

51 1.5.2 Qualitätsdruck und der Akerlof-Prozess Zurück zur wie auch immer an vermeintlichen oder existierenden Bedarfslagen gemessenen Orientierung am Massenmarkt. Schließlich steigert der Absatz in einem wie auch immer zu definierenden Gesamtmarkt in der dualen Ökonomie die Werbepreise, was zu höheren Umsätzen und damit aufgrund der Kostendegression zu höherem Gewinn führt. Nahezu alle Autoren, die dieses Phänomen beschreiben, diskutieren – eine im Anspruch dieser Arbeit tiefergehend geführte Diskussion meist vernachlässigend – auch anhand der Qualität. So lässt sich mit Sjurts (2002, S.14) sagen, dass in medienökonomischen Gesamtmarktsituationen der kleinste gemeinsame Nenner der Rezeption gesucht wird, um eine möglichst große Zahl von Rezipienten zu erreichen („lowest common denominator content“). So oder ähnlich rückt über ökonomische Größen das Thema Qualität in medienökonomischen Betrachtungen häufiger ins Zentrum. Meist wird – wie bei Sjurts – ein Zusammenhang zwischen Gewinnorientierung und Qualitätsverlust oder zumindest Druck auf Inhaltsqualität impliziert – also die Implikationen der Anpassungshypothese erneut formuliert. Medienökonomen diskutieren diesen Zusammenhang auch gerne auf Basis der Ansätze des USamerikanischen Nobelpreisträgers (2001) George A. Akerlof. Er gilt allgemein als Kritiker der neoliberalen Theorie effizienter Märkte und in seinem berühmtesten Aufsatz The Market for Lemons untersuchte er die Mechanismen des Gebrauchtwagenmarkts und zeigte, dass freie Märkte nicht funktionieren, wenn Käufer und Verkäufer ungleichen Zugang zu Information haben. Da unvollständig informierte Kaufinteressenten nicht zwischen minderwertigen und höherwertigen Angeboten unterscheiden können, sind sie nicht bereit angemessene Preise für die besseren Autos zu zahlen. Deren Besitzer zögern daher, sie anzubieten. Käufer von Gebrauchtwagen können die Qualität der angebotenen Fahrzeuge (wenn überhaupt) nicht kostenlos beurteilen, und in einem Markt, in dem sowohl gute als auch schlechte Gebrauchtwagen („saure Gurken“/“Lemons“) angeboten werden, würden sie einen Erwartungswert für die Qualität des Autos bilden. (Wenn sie für einen guten Wagen 1.000 zahlen würden und für einen schlechten 200 und im Markt gleichviel gute und schlechte Wagen vorhanden sind, wären sie für einen unbekannten Wagen bereit, 600 zu zahlen). Dieser Preis liegt aber unter dem Reservationspreis (einiger) der Anbieter von guten Wagen. Diese Anbieter sind nicht bereit, zu diesem Preis zu verkaufen und werden den Markt verlassen. Damit werden systematisch die Anbieter guter Gebrauchtwagen aus dem Markt gedrängt, so dass am Ende nur noch schlechte Gebrauchtwagen angeboten würden (vgl. Akerlof 1970, S. 493 f.). Im Ergebnis bricht der Markt vollständig zusammen. Man kann den Zusammenbruch zwar durch z.B. TÜV-/DEKRA-Siegel für Gebrauchtwagen verhindern. Eine solche Beseitigung der Informationsasymmetrie aber verursacht Kosten und der vollkommene Markt als optimale Lösung wird nie erreicht. Auch in den anderen Fällen asymmetrischer Information kommt es zu einer Abweichung von der effizienten Lösung, die bei vollständiger Information zu erwarten ist. Im Rahmen der Prinzipal-AgentTheorie werden diese Kosten als Agenturkosten bezeichnet. Das Saure-Gurken-Problem ist ein Unterfall der asymmetrischen Information mit „hidden characteristics“. Hierbei kennt der Prinzipal bestimmte unveränderliche (bzw. nicht mehr kostenlos veränderbare) Eigenschaften des Agenten (oder der von ihm angebotenen Güter und Dienstleistungen) vor Vertragsabschluss nicht, er kann also die Qualität der angebotenen Leistung ex ante nicht beurteilen. Da der Agent dem Prinzipal falsche Tatsachen vorspielen kann, besteht die Gefahr,

52 dass es zu so genannter „adverse selection“ kommt – es werden also (wie im Gebrauchtwagenmarkt) systematisch unerwünschte Vertragspartner ausgewählt. Den zwischenzeitlich für unterschiedliche Beispiele beschriebenen Akerlof-Prozess greifen auch Medienökonomen auf – gerade, um damit zu erklären, warum der ökonomische Kontext die Medienqualität (negativ) beeinflusst. Zum Beispiel Kiefer (2001, S. 335): „Da der Verbraucher Unterschiede in der Qualität von Produkten nicht erkennen kann, ist er nicht in der Lage, seine Zahlungsbereitschaft an der von ihm präferierten Qualität auszurichten. Das bedeutet, er ist auch kaum bereit, die in der Regel höheren Kosten des Produzenten höherer Qualität zu tragen. Dem qualitätsbewussten Produzenten drohen folglich Verluste. Der Akerlof-Prozess setzt ein, das heißt die angebotene Qualität sinkt solange, bis letztendlich nur noch mindere Qualität angeboten wird, der Markt versagt in Hinblick auf die Produktqualität.“ Oder Ruß-Mohl (2003, S. 16): Der Medienmarkt ist ein „Markt, auf dem Käufer keine oder sehr viel weniger Information über die Qualität haben als die Verkäufer“. In den Wirtschaftswissenschaften wird der Endpunkt dieser „Qualitätsspirale“ dann erreicht, wenn die Nachfrage zurückgeht. In der dualen Ökonomie der Medienmärkte würde dies bedeuten: Wenn die Nachfrage auf dem Rezipientenmarkt so weit zurückgeht, dass der Erfolg am Werbemarkt gefährdet ist, sind die Produzenten gezwungen, die Qualität ihrer Produkte wieder anzuheben, um mehr Konsumenten zu finden. Die besondere Schwierigkeit in der Übertragung des Akerlof-Prozesses für diese Untersuchung liegt darin, dass ein Bestehen meritorischer Bedürfnisse („merit wants“) für möglich gehalten wird und damit eine unterrepräsentative Nachfrage im System berücksichtigt ist. Hinzu kommt, dass Qualität im deutlichen Unterschied zu Gebrauchtwagen für die Medienangebote Definitionssache ist. Schließlich wird ja gerade deshalb in dieser Arbeit der Begriff der meritorischen Qualität entwickelt. Den Akerlof-Prozess kann man somit als zusätzlichen und verschärfend wirkenden Aspekt in der Betrachtung der Qualität kennzeichnen. Lässt man ihn auch für eine zunehmend kommerzialisierte (vgl. Abschnitt 2.1.9) Medienwirtschaft gelten, stützt und dramatisiert er sogar – bezogen auf die meritorische Qualität des Medieninhaltes – die Anpassungshypothese. Der Vollständigkeit halber, muss auch die Kritik am Akerlof-Prozess in der Medienwirtschaft formuliert werden: So wäre zu diskutieren, welche Informationen Rezipienten im Medienmarkt tatsächlich über Qualitätskriterien haben und ob damit der Akerlof-Prozess überhaupt ein für die Medienökonomie anwendbares Konstrukt darstellt. Geht man statt von einzelnen Produkten vom gesamten informatorischen Medienangebot aus, ist ein reelles Informationsdefizit des Rezipienten ja durchaus in Frage zu stellen. Konsumentensouveränität und damit die Informationsqualität wären dann aus anderer Sicht zu beurteilen. Darüber hinaus müssen neben gewinnmaximierend-monetären Größen auch andere Aspekte Berücksichtigung finden, die, um im Kontext einer Ökonomie der Publizistik zu bleiben, im Zuge einer Nonprofit-Ökonomie begründbar sind. Auf diesem Wege werden dem Rezipienten von altruistisch agierenden oder zumindest nicht gewinnmaximierend-ökonomisch agierenden Akteuren Informationen zur Verfügung gestellt, die einen „Lack of Quality“ im Sinne des Akerlof-Prozesses selbst im Sinne einer meritorischen Qualität möglicherweise zu vermeiden wissen. Insbesondere kollaborativ erstellte Medienangebote mit „user generated content“ werden ja vielfach als eine Demokratisierung journalistischer Aktivität gesehen – diese Angebote füllen wie einst die Alternativpresse „Civic“ oder „Citizen Journalism“ Lücken im kommerziell angebotenen Medienangebot (vgl. Jahn 2006, S. 16 ff.).

53 Dennoch: Das Problem einer Informationsasymmetrie zwischen den Marktbeteiligten darf im Zusammenhang dieser Untersuchung nicht ignoriert werden. So kann man zum Beispiel auch eine geringe Zahlungsbereitschaft der Nachfrager mit mangelnder Qualitätstransparenz erklären. Die Folge davon: Das Medienangebot wird in nur geringer Qualität angeboten (Akerlof). Es wäre nun leicht, mit Heinrich (1996) Qualität angesichts der Intransparenz eindimensional im Sinne eines Marketingprozesses auf der Rezipientenebene zu verankern, ohne die in den vorangegangenen Abschnitten differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Präferenzebenen zu berücksichtigen. Eine Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Abnehmer, zwischen Herausgeber, Medienmanager und Journalist auf der einen, Leser, Hörer oder Zuschauer auf der anderen Seite würde mit dieser Interpretation bedeuten, dass ganz im Sinne des Akerlof-Prozesses Rezipienten Qualität nur schwer erkennen könnten. So ließe sich letzten Endes auch begründen, warum auf Publikumsmärkten der Kosten- gegenüber dem Qualitätswettbewerb dominiert (Heinrich 1996, S. 175). Nur bestimmte, nämlich finanziell wenig aufwendige Publikumserwartungen, werden nach diesem Ansatz vorrangig erfüllt. Heinrich (1996) bezieht auch den Werbemarkt in diesen Überlegungen mit ein – dieser wird im Rahmen dieser Arbeit bewusst vernachlässigt, da vor allen Dingen die informatorischen Komponenten Beachtung finden sollen. Man muss besonderes Augenmerk auf diese Zusammenhänge und das Vorhandensein asymmetrischer Informationsstände richten, und man wird die Frage der Qualitätstransparenz in Zukunft noch umfassender diskutieren müssen, weil es sich bei Medienangeboten – im Verständnis der einschlägigen Literatur (vgl. Kiefer 2005 oder Heinrich 1996) – um Vertrauens- beziehungsweise Erfahrungsgüter handelt. Bei diesen spielt das vom Käufer bestimmte Qualitätsverständnis die ausschlaggebende Rolle. Eine wesentliche Größe ist in dieser Güterkategorie die „Wiederkaufrate“ – und diese hängt unmittelbar von der Konsonanz ab, die das Gut beim Käufer oder Abnehmer bezogen auf dessen vorausgegangene Erwartungen erreicht. Allein diese Zusammenhänge zeigen, wie sensibel die Frage nach dem Qualitätsverständnis verortet werden muss.

1.5.3 Kritik der Anpassungshypothese Die Anpassungshypothese ist bei einer differenzierten Betrachtung heute fraglos wenig mehr als ein Hilfskonstrukt, das dazu beiträgt, sich von unterschiedlichen Standpunkten immer wieder neu mit den Präferenzen der Rezipienten zu beschäftigen. Aus diesem Grund ist sie ohne Zweifel bis heute ein wertvolles Element zur Auseinandersetzung mit der Rolle des Journalismus in der Massenkommunikation. Dabei ist es wichtig, nicht nur die Möglichkeit der Adressierung des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ – abhängig vom gewählten Qualitätsbegriff (vgl. Kapitel 2) –, sondern ebenso die kritische Tradition in der Auseinandersetzung mit der These zu sehen. Denn in ihrer heute durchaus historischen Dimension wurde diese stets von Skepsis begleitet: Der Kritik am Journalismus der Massengesellschaft, an seiner Anpassung, an seinem Warencharakter setzten zum Beispiel Glotz und Langenbucher schon 1969 ihre „Kritik dieser Kritik am Journalismus“5 entgegen. Sie hiel5 Die Rezeptionsgeschichte zur Anpassungshypothese zeigt also auch hier: Von Anfang an entbrannte die Auseinandersetzung an den informatorischen Medieninhalten und keinesfalls an Unterhaltungsaspekten. Die Medienkritik der Anpassungshypothese war und ist folglich nur denkbar, wenn journalistische (informatorische und eben nicht nur gratifikatorische Angebote) in den Mittelpunkt rücken.

54 ten eine Medienkritik, die die Anpassung an die empirisch feststellbaren Bedürfnisse der Leser verdammt, für nicht vereinbar mit dem System der Repräsentativdemokratie. Interessant ist dabei, dass die Autoren klar die Präferenzebene und die nach ihrer Sicht unzulässigen Setzungen adressieren: „Instanzen, die über ,wahre‘ und ‚falsche‘, über ‚objektive‘ und ‚manipulierte‘ Interessen entscheiden, sind aber innerhalb dieses Systems fraglos etwas ganz und gar Unakzeptables.“ (S. 10 ff.). Die Autoren finden im Selbstverständnis vieler Verleger und Journalisten „pseudodemokratische, bürgerlich-liberal-elitäre, anti-aufklärerische Elemente“. Die geläufige Kritik unseres Kommunikationssystems sei „ein Lamento über die verhassten Kommunikationsbedürfnisse der ‚Konsumenten‘“ (Glotz/Langenbucher 1969, S. 11). Schließlich kommen Glotz und Langenbucher bei der Betrachtung des Angebotes der deutschen Tagespresse zu dem Schluss, dass sich die Journalisten nicht zu viel, sondern entscheidend zu wenig den Bedürfnissen ihrer Leser anpassen – was sich z.B. deutlich an esoterischen Wirtschafts- und Feuilleton-Seiten zeige. Deshalb fordern sie von Verlegern und Redakteuren jene konsequente Umorientierung, die in anderen Bereichen der modernen Industriegesellschaft längst im Zeichen des ‚Marketing‘ stattgefunden habe: „Man sollte endlich begreifen, dass auch der Journalismus von diesem Marketing-Denken lernen kann. Die Zukunft der Zeitung liegt in einem systematisch geplanten Kommunikations-Marketing.“ (Glotz/Langenbucher 1969, S. 152, vgl. auch Flöper/Raue 1995, vgl. Langenbucher 1988, Langenbucher 1995). Diese Quellen werden hier natürlich insbesondere deshalb angeführt, weil sie bereits an diesem Punkt der Ausführungen die Ökonomie der Publizistik mit der Arbeitstechnik Marketing verbinden, die im folgenden beispielhaft (vgl. Kapitel 3) herangezogen wird, um die Wirkung einer Ökonomie der Publizistik zu erklären. Knapp 20 Jahre nach der Veröffentlichung seiner „Kritik der Anpassungskritik“ bekräftigt übrigens Langenbucher die seinerzeit gefasste Meinung: „Der Leser wird auch heute noch missachtet. Im Gegensatz zu 1969 nehme ich diese Zustandsbeschreibung heute zur Kenntnis als bewusste verlegerische und publizistisch-journalistische Entscheidung.“ (Langenbucher 1988, S. 151, vgl. auch Langenbucher 1995). In diesem Verständnis spiegeln Redaktions-, beziehungsweise Kommunikationsmarketing und die These vom Anpassungsjournalismus zwei Seiten einer einzigen Medaille wider. Beide kennzeichnen die journalistische Arbeit mit wechselnder Perspektive: zum einen aus einer der kritischen Theorie stets inhärenten, gesellschaftskritischen Haltung heraus, die dem kommerziell organisierten Medienangebot begegnet („Anpassungsjournalismus“), zum anderen aus einer dem Leistungssystem Journalismus skeptisch gegenüberstehenden akteurskritischen Sicht („zu wenig Anpassung“, vgl. auch Kiock 1974, S. 14). Bei aller Unterschiedlichkeit treffen sich beide Argumentationslinien im gleichen Grund: Sie gehen jeweils von einem unmündigen, indoktrinierten, vom Medienangebot beeinflussten und beschränkten Rezipienten und nicht – wie eine liberale oder auch die neoklassische ökonomische Theorie – von einem in all seinen Entscheidungen freien und auf völlig transparenten Märkten umfassend informierten Souverän aus. Deshalb auch war es wichtig, die Auseinandersetzung mit der Anpassungshypothese noch vor der Qualitätsdiskussion einzubringen und zu deklinieren. Es zeigt sich nämlich: Medienökonomie und damit auch eine Ökonomie der Publizistik, wie sie diese Arbeit propagiert, hängt in ihrer Ausgestaltung und Wirkung ist stets vom Menschenbild ab, das sich die Theorie von den Marktbeteiligten, im Falle publizistischer Zusammenhänge von den handelnden Publizisten und ihren Rezipienten macht, und welche Beziehung der beiden mutmaßlich zugrunde liegt.

55 Natürlich kann man es sich in diesem Kontext auch leicht machen und die Anpassungshypothese schnell falsifizieren: Denn, um die These zu stützen, dass Kommerzialisierung der Medienwelt qualitätsmindernd auf deren Inhalte wirke, müssten sich objektive Faktoren für Medienqualität finden und beschreiben lassen. Eine nähere Analyse unterschiedlicher Qualitätsbegriffe – so auch die Kurzfassung einer Qualitätsdiskussion in Kapitel 2 – zeigen, dass dies ein nahezu unmögliches Unterfangen darstellt. Dies aber bedingt gleichzeitig: Die Anpassungshypothese ist zu falsifizieren. Denn: wo keine objektivierbare Qualität, da ist auch kein nachweisbarer Qualitätsverlust. Mit einer solch kategorischen Ablehnung aber tut man sich nach wie vor schwer: beobachtet und diskutiert man doch nach wie vor angesichts eines weiter angewachsenen Kommerzialisierungsdrucks die Auswirkungen auf die Vielfalt und damit möglicherweise die Qualität der Medieninhalte (vgl. in der Tradition dieser Diskussion Nussberger 1984). Insbesondere die Beobachtung einer Konvergenz der (auch journalistischen) Fernsehprogramminhalte von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern in der „werberelevanten“ Zeit von 16 bis 20 Uhr mit einer starken Betonung boulevardesker Inhalte, lässt ebenfalls an die Zusammenhänge der Anpassungshypothese erinnern. Auch mit einem Verweis auf Kapitel 3 dieser Arbeit, das sich ja intensiv mit der Arbeitstechnik Marketing und damit mit der Möglichkeit beschäftigt, Rezipienteninteressen besser zu treffen, darf festgehalten werden: Es bleibt ein Spannungsfeld zu konstatieren. Einerseits wird in einer Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen der Rezipienten „negativer“ Anpassungsjournalismus vermutet, andererseits eine konsequente Orientierung am Rezipientenmarkt durchaus „positiv“ gesehen, weil sich nur so die Chance bietet, in der realen Lebenswelt der Adressaten anzukommen und wahrgenommen zu werden. Der aufgefrischte Diskurs um die Anpassungshypothese zeigt dabei vor allem eines: Die Kernprobleme der Medienökonomie wurden bereits in den 70er Jahren tiefgehend und weit diskutiert (vgl. insbesondere Prokop 1972c, Prokop 1973). Die erneute Auseinandersetzung kann heute auf den verfügbaren Ergebnissen aufbauen und die noch nicht gelösten Problemfelder empirisch angehen. Wer von einer Rolle der Medien als vierte Gewalt oder als meritorische Bedürfnisse befriedigendes Gut mit gesellschaftlicher Prägung und Relevanz ausgeht, muss in dem oben beschriebenen Sinne auch eine Qualitätskomponente berücksichtigen, die genau dieser Forderung gerecht wird. Wer also so etwas wie „meritorische Qualität“ (vgl. Kapitel 2) gewährleisten will, muss in Demokratien westlicher Prägung möglicherweise deliberativ-demokratische Werkzeuge schaffen, die erkennbar negative Wirkungen eines Kommerzialisierungstrends beschränken. Die Bestimmung eines Leitfadens für Medienqualität scheidet sich also an zwei wesentlichen Punkten: Erstens an der Frage nach den Präferenzen, nach ihrer Messung und Kategorisierung oder Hierarchisierung, zweitens an der Frage, von welchem Menschenbild der jeweilige Betrachter ausgeht.

1.5.4 Verifizierungsansätze zur Anpassungshypothese 1.5.4.1 Empirisch angelegte Untersuchungen zur Verifizierung Auch in diesem Abschnitt soll die Anpassungshypothese noch einmal Thema sein, weil sie aus Sicht des Autors zu den wohl spannendsten theoretischen Konstrukten einer medienökonomischen Auseinandersetzung mit der modernen Publizistik zählt, und weil ihr Kern

56 tatsächlich Dreh- und Angelpunkt einer Ökonomie der Publizistik ist. Genau genommen, kann sogar das noch vorzustellende Instrumentarium dieser nonmonetären Ökonomie der Publizistik gezielt von den Einheiten informatorischer Medieninhaltsproduktion eingesetzt werden, um möglichen negativen Kommerzialisierungsfolgen zu begegnen. Voraussetzung dafür ist allerdings wiederum, dass sich der Theoretiker ein Paradigma zur Klärung der Frage nach der Rezipientensouveränität zurechtgelegt hat. Grundsätzlich – und ohne theoriekritische Reflektion – kann man die Anpassungshypothese leicht nachvollziehen, wird doch auch heute (gerade im Bereich der visuellen Kommunikation) häufig von einer zunehmenden Boulevardisierung journalistischer Inhalte durch Konvergenzgeschehen im Fernsehmarkt gesprochen (auch ohne direkt auf empirisch gewonnene Daten zu verweisen). Aus Sicht eines wissenschaftlich orientierten Diskurses lässt sich die Anpassungshypothese – alle vorausgeschickten Anmerkungen berücksichtigend – grundsätzlich nicht verifizieren. Möglicherweise braucht es dazu eine neue Form der Annäherung und die Setzung des Qualitätsbegriffes. Dies wird unter anderem durch die erweiterte Analyse in Kapitel 2 versucht. Dort wird auf definitorischem Wege Medienqualität zum einen dynamisiert zum anderen in einen Prozess strategischer Setzung eingebunden – und damit konsistent für die Argumentation erfasst. Wenn man nämlich Medienqualität – wie in Kapitel 2 vorgeschlagen – für abgesteckte Geltungsbereiche definiert, wird die Verifizierung der Anpassungshypothese durchaus möglich. Prägt man zum Beispiel über die Ausdifferenzierung des Qualitätsbegriffs die Kategorien „Präsentationsqualität“, „Produktionsqualität durch optimierte Prozesse“ oder eben „meritorische Qualität“ auf Basis des Vier-Säulen-Konzeptes (vgl. Kapitel 2), wird man empirisch feststellen können, dass sich der Kommerzialisierungsdruck auf bestimmte dieser Kategorien positiv, auf andere negativ auswirken kann. So wäre die Anpassungshypothese zu konkretisieren, ohne weiterhin auf das „klassenkämpferische“ Vokabular der späten 1960er zurückgreifen zu müssen. Eine der wenigen empirischen Annäherungen sei hier nicht vorenthalten. Es handelt sich hierbei um eine in den 1990er Jahren durchgeführte Studie: Blake, Lovegrove, Pryde und Strauss (1999) zeigten auf Basis von betriebswirtschaftlichen Trendanalysen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einer zunehmend „populistischen“ Präsentation informatorischer Medieninhalte und dem Grad der Werbefinanzierung gibt – und zwar in der Form, dass die „populistische“ Darstellung mit dem Anteil der Werbefinanzierung wächst. Einen ähnlichen Nachweis erbrachte schon die Studie (Daten von 1986) zu Kosten und Ertrag der „Inland Daily Newspaper Association“ in den USA. Sie besagt, dass die Gesamtkosten schneller steigen als die Auflage und dass der Gesamtertrag dennoch steigt, weil die Kosten pro Seite sinken. Blankenburg (1989, S. 97) sieht aus diesem Grund die Hypothese bestätigt, dass sich die Erhaltung des Profites negativ auf die Qualität von Zeitungen auswirkt.

1.5.4.2 Ein spieltheoretischer Ansatz zur Verifizierung So wie der vorangegangene Abschnitt Möglichkeiten öffnet, sich neu und eben auch mit einem veränderten Fokus und Anspruch mit der Anpassungshypothese auseinanderzusetzen, will dieser Abschnitt einen zusätzlichen Weg öffnen. Über empirische Ansätze hinaus, besteht nämlich eine weitere (sozialwissenschaftlich-theoretische) Möglichkeit, einen Veri-

57 fizierungsversuch zu wagen6. Man kann sich nämlich der Spieltheorie bedienen – ein Ansatz, der in den Wirtschaftswissenschaften der späten 1990er Jahre und auch nach der Jahrtausendwende durchaus en Vogue ist (vgl. Ockenfels 1999, Ockenfels/Weimann 1996, Ockenfels/Güth 2006, Bolton/Ockenfels 2006, Plott/Smith 2006). Auch die Medienökonomie entdeckt zunehmend spieltheoretisch-ökonomische Ansatzpunkte, wenn diese bislang auch meist zu einer eher kontroversen Auseinandersetzung einzuladen scheinen – aber möglicherweise liegt ja darin der besondere Reiz spieltheoretischer Überlegungen, dass sie durch Reduktion pointiert und damit zur Kontroverse geradezu einlädt. Im Grunde wurden so auch durch die über die Literatur geführte Diskussion zwischen Jürgen Heinrich und Frank Lobigs auf der einen und Stephan Märkt auf der anderen Seite auch spieltheoretische Varianten quasi für die Medienökonomie hoffähig gemacht (vgl. Märkt 2005a und 2005b, sowie die Repliken von Heinrich/Lobigs 2005, vgl. auch weiterführend Heinrich/Lobigs 2003). Die Diskussion entzündete sich an der Darstellung Märkts, der einen spieltheoretischen Ansatz für die Verortung und die Möglichkeiten der Qualitätszeitung im Markt bemühte, genauer das Ordnungsproblem im Markt für Qualitätszeitungen beschrieb und einen Vorschlag zu dessen Überwindung anbot (vgl. Märkt 2005a). Auf diesen Diskurs sei vor allen Dingen auch deshalb verwiesen, weil er nachgerade idealtypisch zeigt, wie die Spieltheorie wissenschaftliche Diskussionen befruchten kann, da sie dabei hilft, Entscheidungshandeln auf reduzierte und damit klar modellierbare Situationen zu beschränken. Das öffnet dann den Horizont dafür, jeweils ausgeblendete Aspekte gesondert unter die Lupe zu nehmen. Ebenso bei der Anpassungshypothese: Hier kann ein Verzicht auf die Annahmen über Rezipientenreaktionen einen neuen Zugang bringen. Dazu wird der mikroökonomische „Überbau“ der „Rational Choice“-Theorie gewählt (vgl. zur Kritik der „Rational Choice“Ansätze den Exkurs im Abschnitt 1.3.2.2, S. 21 ff.). Demnach versucht jedes Individuum prinzipiell, seinen Nutzen zu maximieren. Das heißt konkret: In einer Situation, in der sich ein Akteur zwischen zwei oder mehreren Handlungsalternativen entscheiden muss, wird er diejenige mit der für ihn höchsten Nutzenauszahlung (Benefit) wählen. Eine weitere Rolle spielt die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Nutzens (Erwartungswahrscheinlichkeit). Der Akteur entscheidet also über sein Handeln, indem er seinen subjektiv erwarteten Nutzen mit der subjektiv angenommenen Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintretens des Nutzens aufwiegt. Dazu erwägt der Akteur noch entstehende Kosten, die er vom erwarteten Nutzen abzieht. Jedes Handeln eines Akteurs kann als Kosten-Nutzen-Rechnung dargestellt, und sein aktuelles Handeln so erklärt werden. Dieses spieltheoretische Modell ignoriert die Möglichkeit unterschiedlicher Präferenzebenen im Sinne einer Meritorik nicht, beschränkt aber den Handlungsraum dadurch, dass die Frage, welchen Präferenzen Vorrang eingeräumt wird und damit Überlegungen zu unterschiedlichen Nutzenkategorien, (unabhängig vom Angebot) im Individuum bereits final beantwortet ist. Dadurch gelingt es, den multivariaten Entscheidungsraum zu simplifizieren und die Entscheidungsalternativen übersichtlicher darzustellen. In der Überprüfung der Anpassungshypothese wird im Modell also davon ausgegangen, dass sich gesellschaftliche Phänomene auf der Makroebene wie Journalismus, Information und Ökonomie als Aggregation von Einzelhandlungen auf der Mikroebene betrachten lassen (diese Annahmen basieren auf den Überlegungen von James S. Coleman, vgl. 6

Der im weiteren Verlauf vorgestellte Ansatz wurde in Zusammenarbeit mit Johannes R. Gerstner und Alexander Menger an der Universität Leipzig im Sommersemester 2005 entwickelt.

58 Clark 1996). Makrophänomene lassen sich also immer auf das Handeln von Individuen zurückführen. Diese Annahme ist von entscheidender Bedeutung: Sie erst macht das Modell im wahrsten Wortsinn gesellschaftsfähig, da über die Anpassungshypothese und ihre Verifizierung am Ende nur für eine große Grundgesamtheit argumentiert werden kann. Das konkret gewählte Modell nun, ist der Spieltheorie entlehnt (vgl. Ockenfels/Güth 2006). Diese nimmt Entscheidungssubjekte an, deren ƒ ƒ ƒ

Zielsetzungen divergieren, Zielerreichungsaktivitäten gemeinsamen Spielregeln unterliegen, Planungs- und Entscheidungsprozesse die Überlegungen des anderen Akteurs mit einbeziehen (Hillmann 1994, S. 829).

Es entsteht eine Situation „strategischer Interdependenz“ (Das Handeln des einen Akteurs, ist am Handeln des anderen ausgerichtet). Im Speziellen handelt es sich hier um eine Entscheidungsmatrix, die man auch aus Gefangenen- und Freiwilligendilemmata kennt. Zur Erinnerung: Das Gefangenendilemma ist ein spieltheoretisches Paradoxon, das von zwei Mitarbeitern der RAND Corporation in den 1950er Jahren formuliert wurde. Merrill Flood und Melvin Drescher beschrieben ein soziales Dilemma als Zwei-Personen-Spiel, das zeigt, wie individuell rationale Entscheidungen zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen führen können. Bei dem „Prisoner's Dilemma“ – der Name stammt von Albert Tucker – handelt es sich um ein klassisches „Zwei-Personen-nicht-Nullsummen-Spiel“ (vgl. Rapoport/Chammah 1965; Axelrod 2000). Es ist bis heute ein zentraler Bestandteil der Spieltheorie. Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt fünf Jahre. Beiden Gefangenen wird nun ein Handel angeboten, der beiden bekannt ist. Wenn einer gesteht, und somit seinen Partner belastet, kommt er ohne Strafe davon – der andere muss die vollen fünf Jahre absitzen. Entscheiden sich beide zu schweigen, bleiben nur Indizienbeweise, die aber ausreichen, um beide für zwei Jahre einzusperren. Gestehen beide die Tat, erwartet jeden eine Gefängnisstrafe von vier Jahren. Nun werden die Gefangenen unabhängig voneinander befragt. Es besteht weder vor noch während der Befragung die Möglichkeit für die beiden, sich untereinander abzusprechen. Paradox kann dieses Dilemma genannt werden, da die individuell vernünftigste Entscheidung der Gefangenen (gestehen) und die kollektiv vernünftigste Entscheidung (schweigen) auseinander fallen. Eine eindeutige verbindliche Handlungsanweisung kann nicht ohne weiteres angegeben werden. Zusammengefasst: Jeder Akteur verfolgt seinen individuellen Nutzen und kann diesen nur dann erreichen, wenn er das Handeln des anderen einbezieht (z. B. durch Kooperation).

1.5.4.3 Das spieltheoretische Modell, seine Annahmen und Ergebnisse Folgende Modellannahmen werden getroffen: 1.

Allgemeine Annahmen:

ƒ ƒ

Es handelt sich um ideale Akteure. Die Akteure haben zwei Handlungsalternativen: defektieren (D) und kooperieren (K).

59 ƒ ƒ ƒ

Die Akteure beziehen „Benefits“ als Auszahlungen. Hierbei sind die „Benefits“ Summen aus Kosten und Nutzen. Die Akteure werden immer die höhere Auszahlung wählen. In diesem Fall handelt es sich um „One Shot“-Situationen, also um einmalige Situationen strategischer Interdependenz. Das ist eine vereinfachende Annahme. Vermutungen zum Ergebnis bei iterierten Situationen folgen in einem weiteren Abschnitt (siehe unten 1.5.4.4.).

2.

Spezielle Annahmen:

ƒ

Beide Akteure entstammen der öffentlichen Kommunikation mit informatorischen Inhalten: der Journalist und der Rezipient.

Die folgenden Handlungsalternativen haben Rezipient und Journalist im Modell: ƒ ƒ

Rezipient: kaufen (K) oder nicht-kaufen (D) Journalist: produzieren von qualitativ hochwertigem Journalismus (K) oder produzieren von (vermeintlichem) Massengeschmack gemäß Holzer (D)

Die Modellsituation lässt sich wie folgt in einer Matrix darstellen, wobei die Wertigkeit der gewählten Beträge willkürlich ist. Insbesondere relevant für die Beurteilung der Verhaltensweisen im Zuge der Anpassungshypothese ist die erste Zeile der Matrix in der ParetoOptimum (links) und Nash-Gleichgewicht (rechts) zu finden sind.

Akteur B = Journalist Kooperation

Akteur A = Rezipient

Produktion von Qualitätsjournalismus

Kooperation Kauf/Rezeption von Inhalten

A

Abbildung 1:

Produktion von "niederem Journalismus"

A/B

4/4

Defektion kein Kauf/keine Rezeption von Inhalten

Defektion

2/5 B

-3/-2

-2/-1

Spieltheoretisches Modell als Verifizierungsansatz für die Anpassungshypothese.

Die folgenden Ergebnisse kann man bei Anwendung des Modells in seinem festgeschriebenen Rahmen festhalten. Dabei soll zuerst die Situation des Journalisten betrachtet werden. Im Blickpunkt stehen hier die Auszahlungen. Im Modell werden jene Varianten, in denen der Nutzen überwiegt, mit positiven Vorzeichen, all jene, in denen die Kosten überwiegen, mit negativen Vorzeichen gesetzt.

60

ƒ ƒ

ƒ ƒ

K(A)/K(B): hohe Auszahlung (Reward), da das Produkt gekauft und rezipiert wird. K(A)/D(B): noch höhere Auszahlung (Temptation), da das Produkt gekauft wird, und dem Journalisten geringere Kosten bei der Erstellung entstehen. (Annahme: Wenn der Journalist vermeintlichen Massengeschmack bedient, hat er unter Umständen geringere Kosten bei der Erstellung (streitbar), aber zumindest ein geringeres Risiko beim Verkauf (Implikation von „Massengeschmack“), also kann man die Kosten von 1 abziehen). D(A)/K(B): kein Nutzen (Sucker), da das Produkt keinen Ertrag bringt, der Inhalt nicht rezipiert wird, gleich bleibende Kosten für die Produktion D(A)/D(B): geringere Kosten (Punishment), da der Journalist sich den Mehraufwand beim Erarbeiten „qualitativer“ Inhalte spart.

Zur Situation des Rezipienten angesichts der Auszahlungen: ƒ ƒ

ƒ

ƒ

K(A)/K(B): hohe Auszahlung (Temptation), da der rezipierte Inhalt hochwertig ist (Annahme: Der Rezipient profitiert von einer höheren Anzahl an Handlungsoptionen). K(A)/D(B): geringere Auszahlung (Reward), da der Rezipient von dem genannten Nutzen nicht profitieren kann Er hat aber einen Unterhaltungswert (z.B. begründet mit der Eskapismusthese) und profitiert von vorhandenen Informationen, wenn auch nicht auf die optimale Weise. D(A)/K(B): Dem Rezipienten entstehen zwar keine Kosten durch den Kauf (diese kann man unter Umständen sogar vernachlässigen, da Medienrezeption in der Regel geringe monetäre Kosten verursacht), aber Kosten durch den Nichterhalt relevanter Informationen (Sucker). D(A)/D(B): Auch hier keine Kosten bei Kauf, Kosten durch den Nichterhalt der relevanten Restinformationen (Punishment) in gleich bleibender Höhe.

Die wirklich interessanten Ergebnisse finden sich in der ersten Zeile der Matrix. Hier sind (im Unterschied zum Gefangenendilemma übrigens) sowohl Nash-Gleichgewicht als auch Pareto-Optimum zu finden: ƒ

ƒ

2/5: Das Nash-Gleichgewicht ist bekanntermaßen einer der wesentlichen Begriffe in der Spieltheorie. Dieses Gleichgewicht steht für den Zustand, in dem kein einzelner Spieler für sich einen Vorteil erzielen kann, wenn er allein seine Strategie verändert. Definition und Existenzbeweis des Nash-Gleichgewichts gehen auf die 1950 veröffentlichte Dissertation des Mathematikers John Forbes Nash zurück. 4/4: Das Pareto-Optimum ist benannt nach Vilfried Pareto und bezeichnet eine Allokation, in der es nicht mehr möglich ist, ein Wirtschaftssubjekt besserzustellen, ohne gleichzeitig (mindestens) ein Wirtschaftssubjekt schlechterzustellen.

Der Journalist als Anbieter von journalistischen Inhalten wird sich aufgrund der höheren Auszahlung völlig unabhängig von der Einbeziehung des Rezipienten auf das NashGleichgewicht hin orientieren, da ihm dies eine höhere Auszahlung verspricht. Ergo: Bei den getroffenen Annahmen liegt das Nash-Gleichgewicht (und somit die Handlungsentscheidung) in der Situation K(A)/D(B). Der Journalist produziert (vermeintlichen) Massen-

61 geschmack, der Leser kauft ihn. Das ist die höchstmögliche Auszahlung für den Journalisten, der Rezipient erzielt nur eine suboptimale Auszahlung, also ein inferiores Ergebnis. Blicken wir noch auf die denkbaren Folgen, dieser spieltheoretischen Überlegungen: Höchste Motivation erfährt der Journalist, wenn er (vermeintlichen) Massengeschmack bedient. Der Rezipient hat dabei überhaupt keine Wahl: Er muss wohl oder übel das journalistische Angebot konsumieren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass durch seine geringere (suboptimale) Auszahlung und das für ihn inferiore Ergebnis ein Gefühl der Unzufriedenheit zurückbleiben wird. Bleibt nun die Frage, warum es in der Realität dennoch zu Situationen K(A)/K(B) kommt. Dies lässt sich mit der Theorie der selektiven Anreize (Olson 1965, vgl. auch Olson 2004) erklären. Es gibt noch Faktoren, die zusätzliche Auszahlungen oder Kosten bewirken, damit der Nutzen des Journalisten entweder bei Kooperation erhöht, oder bei Defektion vermindert wird. Der vielleicht interessanteste Aspekt des Modells ist hierbei: Solche Anreize sind ausschließlich beim Journalisten sinnvoll einzusetzen. Denkbare Anreize: ƒ ƒ

im Bereich K(B): höheres Ansehen durch Kollegen, Rezipienten (Prestige), Erfüllung der eigenen journalistischen Ethik (Idealismus); im Bereich D(B): Kosten durch Bestrafung seitens des Presserates (selektive Anreize können auch Kosten, etwa durch Normen, verursachen), geringeres Ansehen indem ethische Grundsätze nicht erfüllt werden.

Auf diese Weise findet sich nun auf dem Weg der Spieltheorie ein ganz neuer Ansatz, der Anpassungshypothese zu begegnen. Kritiker mögen einwenden, dass dieser Ansatz in der Tat ausschließlich spielerischen Wert hat. Dennoch muss fraglos zugestanden werden, dass es mit Hilfe der Modellannahmen gelingt, den Zusammenhang zwischen qualitativ hochwertiger Produktion und Angebot von (vermeintlichem) Massengeschmack zu beweisen und zwar nicht mehr länger allein durch die Mittel der Sozialpsychologie. Selbst in einem rein ökonomisch-sozialwissenschaftlichen Modell lässt sich die These durch mathematische Eindeutigkeiten bei richtigen Modellannahmen logisch herleiten.

1.5.4.4 Iteration im Modell erklärt Qualitätsjournalismus Die Situation nach Iteration wird in Abbildung 2 dargestellt. Nun wird zusätzlich angenommen, dass der Rezipient um die Inferiorität der Auszahlung 2 weiß. Eine fundamentale Annahme in den Modellen der Mikroökonomie lautet ja, dass die Akteure vollständig über alle Handlungsoptionen informiert sind. Dies vorausgeschickt, wird ersichtlich, dass der Rezipient im gewählten Modell auch mit der Auszahlung 4 rechnen könnte, wenn ihm Qualitätsjournalismus geboten wird. Dies wiederum würde in einem iterierten Modell dazu führen, dass die Frustration von suboptimaler Situation zu suboptimaler Situation wächst, und der Rezipient in seinem Verständnis nun einen höheren Nutzen durch Nicht-Kauf erlangt. Er kann auf diese Weise seine „Rache“ ausleben. Anders gesagt: Er hat einen von Wiederholung zu Wiederholung anwachsenden Nutzen, an den vermeintlich niederen Bedürfnissen orientierten Journalismus nicht zu kaufen. Auch das wäre ein selektiver Anreiz. Dieser Anreiz würde auf den Fall D(A/B) wirken. Wenn der Wert größer als 2 wäre, würde

62 sich das Ergebnis nach erreichen des kritischen Wertes bei D (A/B) – wie in Abbildung 2 näher dargestellt – präsentieren.

Akteur B = Journalist Kooperation

Akteur A = Rezipient

Produktion von Qualitätsjournalismus

Kooperation Kauf/Rezeption von Inhalten

A

Abbildung 2:

Produktion von "niederem Journalismus"

A/B

4/4

Defektion kein Kauf/keine Rezeption von Inhalten

Defektion

2/3 B

-3/-2

-2/-1

Situation nach Iteration im spieltheoretischen Modell.

Nun käme man zum Ergebnis, dass sich der Journalist gemäß der Anpassungshypothese verhält und in deren Verständnis Journalismus minderer Qualität anbietet, der Rezipient diesen jedoch nicht goutiert. Für den Journalisten stellt dies ein nachweislich suboptimales Ergebnis dar. Die Situation kann ihn nicht zufrieden stellen, was zu Handlungen führt, die wie folgt aussehen könnten: Er erhöht den Nutzen des Rezipienten bei der Rezeption von Massengeschmack (etwa durch Unterhaltung), was vermutlich zu einem höheren Arbeitsaufwand führt. Es könnte so schließlich eine Situation eintreten, in der „Qualitätsjournalismus“ geringere Kosten verursacht und somit für beide Akteure attraktiver wird. Man würde sich beim Pareto-Optimum treffen, was für eine gewisse Stabilität des Systems sorgen könnte. Das würde – spieltheoretisch begründet – auf lange Sicht funktionierenden Qualitätsjournalismus bedingen.

1.5.4.5 Zur Bedeutung des spieltheoretischen Modells Spieltheoretische Modelle erklären Entscheidungshandeln. Das ist im Kontext der Anpassungshypothese hilfreich, da diese lediglich Vermutungen über unternehmerisches Gestaltungshandeln anstellt und bisher konsequente Verifizierungsansätze fehlten. Das Modell zeigt – und das ist im Kontext der Ökonomie der Publizistik elementar – dass die These in der Medienwissenschaft nach wie vor ihre Bestandsberechtigung besitzt. Dabei ist irrelevant, dass sich die Verifizierungsmöglichkeit allein unter den engen Voraussetzungen des spieltheoretischen Modells ergibt. Denn in der stringenten Argumentation dieser Arbeit, geht es in einem ersten Schritt darum, sich erneut mit dem Thema der journalistischen Qualität unter dem Einfluss von ökonomischen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen, die sich mit den Marktgegebenheiten verändern können. In einem zweiten Schritt geht es darum, einen Qualitätsbegriff zu formulieren, der die meritorischen Bedürfnisse integriert (vgl. Kapitel 2) und damit dieses Kapitel mit dem folgenden eng verzahnt. Interessanterweise

63 bedingt sich beides gegenseitig und im Umkehrschluss hätte man ebenso formulieren können, dass erst die Setzung eines passenden Qualitätsbegriffes die Voraussetzung für das spieltheoretische Modell schafft. So verstanden, hätte die Gliederung dieser Arbeit tatsächlich auch die Qualitätsdiskussion vorziehen können, um dann die Anpassungshypothese einzubringen. Es schien jedoch schlüssiger, zuerst die Verbindung zwischen kommerzialisierender Wirkung der klassischen ökonomischen Zusammenhänge und meritorischen Bedürfnissen als theoretische Grundlage einzuführen, um darauf aufbauend, einen Qualitätsbegriff entwickeln zu können, der meritorische Bedürfnisse in Form eines Kategoriensystems spiegelt. Die Spieltheorie liefert dieser Arbeit also wertvolle Impulse, die ein Weiterdenken ermöglichen – dies geschieht an dieser Stelle auf die Gefahr hin, sich fundamentaler Kritik auszusetzen, wie dies die Kontroverse über den ebenfalls auf Qualitätszusammenhänge abzielenden spieltheoretischen Ansatz von Märkt (2005a und 2005b) zeigt. Dennoch wird die Spieltheorie natürlich im vollsten Vertrauen angewandt, in guter wirtschaftswissenschaftlicher Tradition zu stehen. Erfordern doch nahezu alle volkswirtschaftlichen Modelle und Theorien zu guter letzt ebenfalls mehr oder weniger diffizile Modellannahmen, denen – pointiert und provokativ formuliert – ein gewisses Maß an Realitätsferne inhärent ist. Jedes dieser Modelle ist für sich genommen wertvoll und hilft dabei, Zusammenhänge unter bestimmten Bedingungen zu diskutieren und dabei Ansätze aus wissenschaftlicher Sicht klarer zu strukturieren – nichts anderes aber war auch Ziel des spieltheoretischen Modells zur Verifizierung der Anpassungshypothese.

1.6 Die Ökonomie der Publizistik im Kontext: Eine erste Bewertung Diese Arbeit entwickelt eine Ökonomie der Publizistik als Effizienzansatz, mit dessen Instrumenten die publizistische Inhaltsproduktion auch Kommerzialisierungstendenzen begegnen kann. Indem sich also beispielsweise die Redaktion selbst auf eine gewisse Weise (und eben, wie erläutert, nichtmonetär) ökonomisiert, indem Sie Arbeitstechniken der Betriebswirtschaftslehre antizipiert und auf ihr konkretes Produktionsumfeld anwendet, findet sie zum einen professionelle Antworten auf einen Kommerzialisierungsanspruch, der aufgrund einer zunehmend enger werdenden Marktbasis von betriebswirtschaftlich führenden Einheiten auf die Redaktion übertragen wird. Das deutsche Tageszeitungsbeispiel „Frankfurter Rundschau“ dokumentiert dieses Geschehen in den Jahren 2003 bis 2006 gut. Die wirtschaftlich schwindende Basis führte zur Schieflage, die mit Hilfe der SPD Medienholding DDVG aufgefangen werden konnte, und schließlich zu mehreren deutlichen Sparrunden – ein Prozess, der auch nach der Übernahme eines Mehrheitsanteils durch den Kölner Verlag DuMont Schauberg (50 Prozent plus eine Stimme im Juli 2006) noch nicht abgeschlossen scheint. In einer solchen Situation bietet die Ökonomie der Publizistik ein Aktionsfeld, das einerseits die Zusammenhänge im kommerziellen Marktverständnis versteht, aber nicht zwingend antizipiert. Stattdessen kann die (im Sinne dieser Arbeit „neutral“) ökonomisierte Redaktion mit adäquaten Mitteln auf den wirtschaftlichen Druck zu reagieren, ohne gewählte Strategievorgaben aufzugeben. Noch ist im Einzelfall allerdings nicht empirisch belegt, wie sich der Einsatz von Arbeitstechniken im Sinne der Ökonomie der Publizistik auf die realökonomischen Gegebenheiten auswirkt. Dies wäre Stoff für eine zusätzliche

64 Untersuchung, die sich konsequent mit den betriebswirtschaftlichen (Rück-)Wirkungen einer Ökonomie der Publizistik befasst – ein Vorhaben, das an dieser Stelle der zukünftigen Forschung empfohlen sei. Konkret: Es ist nicht auszuschließen, dass eine publizistisch motivierte Integration von Effizienzwerkzeugen wie Total Quality Management, Marketing und Benchmarking (die in dieser Arbeit deklinierten Instrumente), die Herstellung von definierter beziehungsweise gesetzter Qualität kostengünstiger gestaltet und damit die marktbezogene Situation des Unternehmens positiv beeinflusst. Im Unterschied zu einer Qualitätssteigerung bei gleichen Umfeldbedingungen (wie es diese Arbeit durch den Einsatz der betriebswirtschaftlichen Instrumente für die Redaktion impliziert) wäre ja aus Gesamtunternehmenssicht eine Kostensenkung ohne Qualitätssteigerung die strategische Alternative. Es sei angemerkt: Diese Gegebenheiten zu durchleuchten, führt über das Bestreben und Erkenntnisinteresse dieser Arbeit hinaus. Für die Praxis einer Ökonomie der Publizistik bedeutet es: ƒ

ƒ ƒ

ƒ

die hier vorgestellte Ökonomie der Publizistik behandelt die Redaktion als Teilsystem (was im weiteren Verlauf auch die Chance eröffnet, die Entflechtung der Wertschöpfungskette zu untersuchen) und präsentiert dem entsprechend Ansatzpunkte für die praxisorientierte, qualitätssteigernde Integration von Denkmodellen der klassischen Betriebswirtschaftslehre; andere Systemzusammenhänge, Einflüsse und Wirkungen bleiben unberücksichtigt; von den Erkenntnissen einer Ökonomie der Publizistik profitieren am Ende jedoch neben dem Inhaltsmanagement auch die übergeordneten Managementebenen. Auf diese Weise führt der Ansatz dieser Arbeit zu einem stringent am publizistischen Auftrag orientierten aber gestalt- und definierbaren Effizienzkriterien verpflichteten Management von Medienorganisationen; vielleicht wichtigstes Kriterium: die Erfordernis managementgeleiteter Aktivität, das heißt, ohne das bestimmende Entscheidungshandeln im redaktionellen Management verliert die Ökonomie der Publizistik ihre Basis. Sie ist, die Überlegungen des ersten Kapitels zusammenfassend vorausgeschickt, ein Instrument strategischer Wahl mit Handlungsbezug und lässt grundsätzlich die Möglichkeit, Bedürfnisse zu hierarchisieren sowie nicht handlungsleitende Bedürfnisstrukturen zu respektieren oder zu präferieren.

Zwischenfazit des ersten Kapitels bis zu diesem Punkt muss also sein: Das Aktionsfeld der Ökonomie der Publizistik ist gestaltbar und abhängig von aktivem Management. Der folgende Abschnitt beleuchtet beispielhaft diese Möglichkeit der Wahlhandlung, wobei sich daran gut verdeutlichen lässt, wie unterschiedliche managementspezifische Ausrichtung zu eben auch unterschiedlichen Strategien findet. Während ein am Gesamtgewinn eines Unternehmens orientiertes Management die Kerngeschäftsoption wählen wird, dürfte eine auch meritorische Bedürfnisse zulassende Managementorientierung die Option Kernkompetenz bevorzugen.

65 1.7 Die Wertschöpfungskette und eine Ökonomie der Publizistik Redaktionsmanagement operiert zumeist konsequent eingebettet in übergeordnete Managementkultur und –struktur. Es kann an Tendenzen und Fragen einer Gesamtmediensteuerung also schwerlich vorbeigehen. Dabei reduziert eine ernstzunehmende Tendenz im Medienmanagement derzeit die Chance, Elemente und Instrumente der Ökonomie der Publizistik zu implementieren, da sich der Fokus in jüngerer Vergangenheit zunehmend von einer selbständig und vom übrigen Betrieb des Unternehmens unabhängigen Redaktion zumindest in der privatwirtschaftlich organisierten Medienproduktion hin zu einer gesamtbetrieblich integrierten Steuerung verschiebt. Dies wird in diesem Abschnitt anhand der Entwicklungen im deutschen Tageszeitungsmarkt näher beleuchtet. Diese Annäherung zeigt, dass im redaktionellen Handlungsbezug stets die Möglichkeit einer strategischen Wahl besteht, wobei sich als Optionen die beiden Varianten „Kerngeschäft“ und „Kernkompetenz“ zu einer Ökonomie der Publizistik assoziieren. Dennoch soll hier lediglich deutlich werden, dass diese Optionen beispielhaft herangezogen werden, um den Aktivitätsbezug zu kennzeichnen. Es geht also um die strategische Ausrichtung und Planung. Im betriebswirtschaftlichen – für diese Arbeit insgesamt durchaus relevanten – Kontext wird Strategie als langfristig geplante Verhaltensweisen einer Organisation zur Erreichung definierter Ziele verstanden. Nach Porter (1999, S. 15) ist sie „eine in sich stimmige Anordnung von Aktivitäten, die ein Unternehmen von seinen Konkurrenten unterscheidet“. Porter wird hier auch deshalb einund angeführt, da sein Modell der Wertschöpfungskette für diesen Abschnitt noch bedeutsam wird. Seiner Auffassung nach, gewinnt man Wettbewerbsvorteile ausschließlich über ein spezifisches Aktivitätenprofil das in eine der drei Unternehmensstrategien mündet: Kostenführerschaft (Preis wird betont), Differenzierung (Unterschiedsmerkmale und Unverwechselbarkeit des Angebots werden betont) oder Fokussierung als Besetzung tragfähiger Nischen. Differenzierung hingegen dient der Unterscheidung, sozusagen der Schaffung eines spezifischen Aktivitätenprofils. In der Betriebswirtschaftslehre ist derzeit ein klarer Trend zu beobachten: Das Strategiebewusstsein wird dynamisiert. Statt also dauerhaft und langfristig an vorgegebenen strategischen Leitlinien festzuhalten, werden diese regelmäßig überprüft, werden Hybridformen wie eine gleichermaßen an Kosten und Qualität ausgerichtete Strategie (vgl. Meffert 1997) propagiert. Man könnte damit auch in Form einer Thesensetzung vermuten, dass sich Unternehmensführung zunehmend von rein strategischen zu gemischt-taktischen Verhaltensweisen dynamisiert.

1.7.1 Hintergründe: „Konzentration auf das Kerngeschäft“ August 2002: Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck entschließt sich zu einem Schritt mit weitreichenden Konsequenzen. Sämtliche Rundfunkbeteiligungen werden verkauft. Die Devise: „Konzentration auf das Kerngeschäft“. Und das heißt im Sinne von Holtzbrinck die Fokussierung auf Aktivitäten im Printmarkt und den Abschied aus den elektronischen Medien, aus Hörfunk und Fernsehen. Der Anteil an n.tv wird ebenso an den Markt gebracht wie die Hörfunkbeteiligungen. Der Käufer ist in diesem Fall die Bertelsmann-Fernsehsparte RTL. Insgesamt spült diese Entscheidung Einnahmen in Höhe von rund 170 Millionen Euro in Holtzbrincks Kasse (vgl. die Agenturmeldungen von REUTERS und dpa, 13. Au-

66 gust 2002) – allein für die 47,3 Prozent Anteile an n.tv gibt es rund 85 Millionen Euro. Für Bertelsmann ist das ein vergleichsweise preisgünstiger Einstieg beim Nachrichtensender, forderte doch AOL Time Warner noch im Herbst des Jahres 2001 für seine n.tv-Anteile in Höhe von 24,3 Prozent allein 75 Millionen Euro. Am Rande bemerkt: Die Gespräche mit Bertelsmann scheiterten seinerzeit aufgrund der hohen Forderungen. Man könnte nun vermuten, dass der Schritt von Holtzbrinck ganz wesentlich dazu beitragen sollte, die Kassen des Konzerns zu füllen, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung im Geschäft der Tagespresse mit dem heftigen Einbruch im Werbemarkt reichlich strapaziert waren. Aber Holtzbrinck hatte bereits Ende Juni 2002 angekündigt, man wolle mit dem Erwerb von Berliner Zeitung und Berliner Kurier die Präsenz im Hauptstadtmarkt erhöhen. Der Preis für die Übernahme der zwei Berliner Blätter von der Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr wurde auf 250 Millionen Euro geschätzt. Was folgte, ist bekannt: von der Weigerung des Kartellamts, der Zeitungshochzeit den Segen zu erteilen (da Holtzbrinck bereits mit dem Tagesspiegel im Hauptstadtmarkt vertreten war), über die heftige Auseinandersetzung zwischen Axel-Springer Verlag und Holtzbrinck, der Beantragung einer Ministererlaubnis, deren mehrfache Vertagung, der Vorschlag einer Stiftungskonstruktion, die Diskussion einer Lockerung des seit 1975 strengen Pressefusionsrechts, die Diskussion um die Veräußerbarkeit des Berliner Tagesspiegel, den Auftritt des BauerVerlags, der Verkauf an den Holtzbrinck-Intimus Pierre Gerckens, die erneute Verweigerung des Segens durch das Kartellamt in Berlin und letztlich der Verkauf des Berliner Verlages an die britische Investorengruppe um David Montgomery. Neben diesem Sturm im Medien-Wasserglas der Hauptstadt wurden einige grundsätzliche Fragen des HoltzbrinckSchrittes weithin übersehen. Diese scheinen indessen viel interessanter, weil sie auf einen Paradigmenwechsel im Medienmanagement verweisen. So beurteilt etwa Marcus Theurer die Neuausrichtung (FAZ vom 14.08.2003, S. 14): „Holtzbrinck hat mit dem Ausstieg aus dem Rundfunkmarkt eine abrupte Wendung in seiner Strategie vollzogen.“ Schließlich hatte die Stuttgarter Verlagsgruppe noch im Januar 2002 die Beteiligung an n.tv durch den Kauf der Anteile von der Familie Nixdorf um knapp 19 Prozent erhöht (mit n.tv war Holtzbrinck über seine Tochtergesellschaft Verlagsgruppe Handelsblatt verbunden). Die Kehrtwende bei Holtzbrinck lässt sich auf ganz ähnliche Weise bei zahlreichen anderen Medienunternehmen mit Schwerpunkten im Bereich eines Tagespresseverlags dokumentieren. Als Rechtfertigung für Kürzungen bei Onlinediensten (Verlagsgruppe Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, F.A.Z. Electronic Media) oder für die Aufgabe ehrgeiziger Radioprojekten (F.A.Z. Business-Radio) diente das Argument, man wolle sich auf das Kerngeschäft konzentrieren (vgl. z.B. die Mitteilung der F.A.Z.-Geschäftsführung bei der Bekanntgabe der Einstellung von F.A.Z. Business-Radio). Dieses Stichwort fällt gebetsmühlenartig, wenn Manager ihre strategische Ausrichtung in der Krise beschreiben sollen. Doch was heißt eigentlich ‚Beschränkung auf das Kerngeschäft’? Und welche strategischen Prinzipien oder Modelle liegen diesem zugrunde? Begriff und assoziierte Argumentation kommen aus der anglo-amerikanisch geprägten betriebswirtschaftlichen Praxis. Die Beschränkung auf „Core Business(es)“, auf Kerngeschäftsfelder, soll die Ertragskraft von Unternehmen erhöhen. Man konzentriert sich genau auf die Dinge, die maßgeblich zum Gewinn des Unternehmens beitragen und vernachlässigt, streicht oder kürzt all jene Bereiche, die aus Sicht des Gewinnmaximierers in naher Zukunft keinen wirtschaftlichen Ertrag versprechen. So wird zum Beispiel auch im Sanierungsplan der WestLB die „Überprüfung von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Beteiligungen“ zu einem wesentlichen Punkt (vgl.

67 die Berichterstattung der Financial Times Deutschland vom 17.9.2003). Die geplante Veräußerung der britischen Investmenttochter Panmure ist dabei Teil der neuen WestLBStrategie und mit den Andeutungen vom September bereits der zweite zum Verkauf stehende Teil des Londoner Geschäfts. Denn schon im August hatte die WestLB angekündigt, der Konzern wolle sich mittelfristig von Principal Finance trennen. Die Sparte unter der umstrittenen Investmentbankerin Robin Saunders hatte nach einem riskanten Engagement bei der britischen Leasingfirma Boxclever das WestLB-Debakel mit einer überraschend hohen Wertberichtigung ausgelöst – heute wird sie im Rahmen der Neuorientierung vom Kerngeschäft separiert (vgl. o.V. 2003).

1.7.2 Unterschiedliche Paradigmen: Kerngeschäft und Kernkompetenz Im modernen Management wird die Frage nach dem Kerngeschäft beinahe stets mit den Themenfeldern „Diversifikation oder Konzentration“ beziehungsweise „Eigenfertigung oder Fremdbezug“ verknüpft (vgl. Peters/Waterman 1994, S. 38). Die Praxis zeigt dabei: Es gibt durchaus Beispiele, die beweisen, dass ein Rückzug auf Kerngeschäftsfelder erfolgreiches und damit gewinnorientiertes Wirtschaften unterstützen kann. Man hüte sich jedoch – wie häufig bei den viel gepriesenen Werkzeugen der Betriebswirtschaftslehre – vor dem Umkehrschluss. Denn es gibt mindestens ebenso viele erfolgreiche Unternehmen, die bewusst auf Diversifikation und damit auf eine Risikostreuung in ihrem Portfolio der Arbeitsbereiche setzen. Unbestritten ist: Allein der Zwang zur Beschreibung von Geschäftsfeldern und ihren Inhalten zeigt einem Unternehmen bereits auf, wo spezifische Schwächen und Stärken liegen. Die Beschäftigung mit strategischen Geschäftsfeldern hilft zum Beispiel, ein grundlegendes Marketingverständnis im Unternehmen zu schaffen (vgl. MüllerStewens/Lechner 2003). Auch der höchst umstrittene Umbau des Chemiekonzerns Hoechst mit der (Aus-)Gründung einzelner Gesellschaften und mit dem Aufbau des Pharmakonzerns Aventis war eng mit einer Diskussion um das Thema Kerngeschäft verbunden. Die Schwierigkeit bei solch großen Unternehmensgruppen besteht stets darin, zu definieren, welche Bereiche zum „Kern“ erklärt werden. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Frage nach tatsächlich marktbestimmendem Know-how, das diesen (dann zum Kerngeschäft gerechneten Einheiten) exklusiv zur Verfügung steht. Das Beispiel aus der Chemie/Pharmabranche soll deutlich machen, dass sehr unterschiedliche Managementkonzepte gleichermaßen erfolgreich sein können. Während Hoechst in den 1990er Jahren mit dem Heidelberger Manager Jürgen Dormann einen weitreichenden Umbau einläutete, der in eine Abspaltung unterschiedlicher Geschäftseinheiten mündete und vor allem auf eine konzeptionelle Stärkung des Pharmabereichs führte, setzte die BASF AG in Ludwigshafen auf die Verbundproduktion, das heißt die Herstellung unterschiedlichster Produkte an wenigen, den Weltmarkt bestimmenden Standorten. Dabei profitieren die unterschiedlichen Produktlinien voneinander. Am Rande muss natürlich bemerkt werden, dass die Pharmasparte des Unternehmens (damals maßgeblich aus der Tochtergesellschaft Knoll AG bestehend) im Jahr 2000 an Abbott verkauft wurde (übrigens ebenfalls wieder mit dem obligatorischen Hinweis auf das eigene Kerngeschäft). Zurück zur Medienbranche. Hat diese nun einfach von den innovativeren und konjunkturell empfindlicheren Branchen wie Chemie, Elektrotechnik oder Automobil gelernt und betreibt vor diesem Hintergrund gezielt die Konzentration auf das Kerngeschäft? Und

68 worin genau soll der erwähnte Paradigmenwechsel im Medienmanagement der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck liegen? Zur Beantwortung dieser Fragen muss man die Begriffe Kerngeschäftsfeld und Kernkompetenz genauer gegenüberstellen. Denn an dieser Paarung lässt sich die Dramatik einer veränderten Strategieausrichtung am besten festmachen. Die grundlegende Annahme: Statt auf Basis von „Core Business“ zu argumentieren, stand (und steht vielfach) in der Medienbranche das Thema „Core Competence“ im Vordergrund. Das lässt sich insbesondere an zahlreichen Engagements festmachen, die als Tochtergesellschaften, Beteiligungen oder Joint Ventures von kleinen wie großen Medienunternehmen und -konzernen betrieben werden. Die in den Unternehmen verfügbaren Kompetenzen sollten dazu dienen, neue Bereiche zu erschließen und die geschäftliche Basis in der Zukunft sichern. Über den Faktor Kernkompetenz werden zumeist crossmediale Strategien begründet. Spiegel-TV, Stern-TV, Focus-TV oder der langjährige HandelsblattTicker auf n.tv sind so möglich geworden. So nahe sich die Begriffe Kerngeschäft und Kernkompetenz auf den ersten Blick stehen, so gerne sie konzeptionell synonym verwendet werden (vgl. z.B. Karkowski 2003, S. 34), so unterschiedlich sind die unternehmensstrategischen betriebswirtschaftlichen Überlegungen, die diesen Begriffen zugrunde liegen. ƒ

ƒ

Paradigma 1 – oder: „Management by Core Business“ Das Kerngeschäft eines Medienunternehmens liegt beispielsweise im Angebot von Fernsehprogrammen mit Breitenwirkung (z.B. die Bertelsmann-Fernsehsparte RTLGroup) oder in der Herstellung von Tageszeitungen mit Redaktion, Werbevermarktung und Vertrieb. Je professioneller die Befriedigung der Zielgruppeninteressen und je effizienter die Produktion, umso größer der wirtschaftliche Erfolg. Paradigma 2 – oder: „Management by Core Competence“ Die Kernkompetenz eines Medienunternehmens mit journalistischem Anspruch liegt darin, Informationen zu sammeln, aufzubereiten, zusammenzustellen und rezipientengerecht anzubieten. Je besser dies gelingt (über welche distributiven Kanäle auch immer), umso tragfähiger die wirtschaftliche Basis.

Ein Beispiel macht das plastisch: Eine journalistische Kernkompetenz ist das Führen von Interviews. Der Printjournalist generiert über diese Arbeitstechnik zitierfähige Aussagen, die sich in gedruckter Form widerspiegeln (zu den Zielsetzungen journalistischer Gesprächsformen vgl. Haller 1997, S. 99 ff.); aber auch der Fernseh- oder Hörfunkjournalist gewinnt sendefähige Originaltöne oder Interviews. Der Onlinejournalist lässt sich möglicherweise in einem journalistischen Recherchegespräch alle Wege offen und entscheidet erst in der Nachbearbeitung über den Kanal zur Verbreitung der gewonnenen Aussagen.

1.7.3 Kernkompetenzen in journalistisch orientierten Medien Nach Prahalad und Hamel (1995, S. 307) waren japanische Unternehmen im Markt deshalb erfolgreich, weil sie ihre Kernkompetenzen ausgebaut haben. Unter Kernkompetenzen verstanden sie eine besondere Fähigkeit oder ein besonderes Geschick, durch die ein Zugang zu einer größeren Anzahl von Märkten ermöglicht wird, die zur Nutzenbeurteilung des Endproduktes bei den Kunden beitragen und die sich neue Wettbewerber nicht leicht aneignen können (vgl. Hamel/Prahalad 1995, S. 307, vgl. Kotler 1994, S. 93). Genau be-

69 trachtet, könnten im Sinne der Überzeugungen von Prahalad und Hamel Kernkompetenzen als Baum gekennzeichnet werden, der verschiedene Äste austreibt, die sich als Kerngeschäftsfelder ausformulieren lassen. Insofern gibt es also auch schon bei Prahalad und Hamel einen Zusammenhang zwischen beiden Management-Paradigmen. Eine schlüssige dichotomische Trennung als unterschiedliche Philosophieauffassung des Managements ist also auch kaum in deren Sinne. In journalistisch orientierten Medienunternehmen können wesentliche Kompetenzen zum Beispiel in den folgenden Bereichen liegen: ƒ ƒ ƒ

ƒ

in der Produktion (z.B. zeitnahe Herstellung von journalistischen Medienprodukten); Beispiel Wall Street Journal (erhebliche Verkürzung der Durchlaufzeiten zu branchenweit einmaligen Werten in den Jahren 2002 und 2003); in Distribution und Logistik (Auslieferung auf Termin, Zurverfügungstellung bei engen Terminen); Beispiel Springer-Verlag mit der Bedienung unterschiedlicher Druckund Verteilzentren zur Distribution der Bild-Zeitung; in der Marketingleistung umfassender Rezipientenmarktforschung; hier findet sich schwerlich ein aktuelles und griffiges Beispiel – was auch bedeutet, dass es für das ein oder andere Unternehmen auf diesem Feld durchaus noch Positionierungschancen gibt; in der Kombination dualökonomischer Marktgeschehnisse in einem funktionsfähigen Geschäftsmodell; Beispiel Regionalpresse mit über Jahrzehnte hinweg beeindruckenden Umsatzrenditen.

Nimmt man allerdings die Forderung von Hamel und Prahalad (1995, S. 307), dass Kernkompetenz auch Zugang zu einer größeren Zahl von Märkten schaffen muss, um als solche wahrgenommen zu werden, dann bleibt als Kernkompetenz insbesondere die (journalistische) Themenauswahl und Präsentation im Blickfeld. Diese entspricht exakt den von Prahalad und Hamel geforderten Kriterien und kann auf unterschiedlichen Märkten und über verschiedene Kanäle (Hörfunk, Fernsehen, Print und insbesondere Online) eingesetzt werden. Die Beschäftigung mit dem Thema Kernkompetenz bedingt im Falle der Medienunternehmen also die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, die zum Beispiel die redaktionelle Gestaltung von Zeitungen eröffnet. Schließlich – so das Kernkompetenz-Konzept – können die gewonnenen Erfahrungen auch in anderen Medienbereichen eingesetzt werden, die vergleichbare Kompetenzen erfordern. Die Herstellung einer Tageszeitung beispielsweise erfordert ja insbesondere das Know-how für die Auswahl, Zusammenstellung und Verknüpfung von Nachrichten, Hintergründen, Einschätzungen und Meinungen, das auch bei einem Onlinedienst, im Hörfunk oder in einer Fernsehredaktion zum Einsatz gelangt. Dies gilt grundlegend, auch wenn im Falle unterschiedlicher Mediengattungen verständlicherweise zusätzlich spezifische Qualifikationen und Technologien erforderlich sind. Gerade die mangelnde Beachtung dieses letzten Punktes hat möglicherweise bei den Ausflügen mancher Verleger in die Welt „Neuer Medien“ in der Vergangenheit für nur vergleichsweise kurzzeitige Engagements gesorgt. Möglicherweise haben die Verlage die Rolle der Kernkompetenz in den 90er Jahren tatsächlich überschätzt (siehe die Beispiele 1 bis 3) und erkannt, dass zwar viel Know-how übertragbar ist, aber dieser Schritt nicht wirklich Zusatzgeschäfte generiert und Gewinne erwirtschaftet werden. Die aus dieser Sicht logische

70 Konsequenz – nicht allein bei Holtzbrinck – war dann tatsächlich die Besinnung auf das Kerngeschäft. Dabei gilt unbenommen: Ausgehend von einem Wandel der Medienmärkte, muss ein Tageszeitungsunternehmen heute mit dem Fokus „Kernkompetenz“ geführt werden, indem beinahe schon gezwungenermaßen auch neue Distributionswege für die Medieninhalte in den Blick genommen werden. Im Rückblick war unter dem Paradigma „Kernkompetenz“ Mitte der 80er Jahre das Engagement für Bildschirmtext-Angebote, Hörfunkstationen oder Privatfernsehen ebenso konsequent wie es der ambitionierte Aufbau von Onlinemedien durch große, mittlere und selbst kleine Verlage seit Ende der 1990er Jahre ist.

1.7.4 Die diskursive Annäherung an die Konstrukte „Management by Core Competence“ ist im Vergleich zu „Management by Core Business“ als Ausrichtung der Unternehmensführung stets langfristiger orientiert, innovationsfreundlicher, fortschrittsoptimistischer. Das heißt nicht zwingend, dass eine solche Ausrichtung immer auch die „erfolgreichere“ sei. Ein monetär orientiertes Management würde eher das Gegenteil vermuten. Tageszeitungsverlage zum Beispiel, die Mitte der 80er Jahre den Ausflug in die Bereiche lokaler Hörfunk und Ballungsraumfernsehen nicht mitgemacht haben, haben sich in der Rückschau (rein wirtschaftlich betrachtet) keineswegs schlechter gestellt. Ganz im Gegenteil: In vielen Verlagshäusern wurde mit den „elektronischen Engagements“ reichlich Geld verbrannt (vgl. Noch 2005). Beispiel 1: Das von Verlegern durch Zulieferung selbst gefertigter Beiträge unterstützte Nachrichtenprogramm APF Blick („Aktuell Presse Fernsehen“) gab es als Nachrichtensendung auf Sat 1 nur in den ersten Jahren; viele – auch kleine – Verlage (beispielsweise Diesbach Medien („Weinheimer Nachrichten“ und „Odenwälder Zeitung“) oder auch das Verlagshaus der Heilbronner Stimme) hatten für dieses Projekt sogar eigene Studiokapazitäten aufgebaut und eingerichtet. Beispiel 2: Obwohl das neue Gebäude in der Frankfurter Hellerhofstraße in den 1980er Jahren um zwei Fernsehstudios gebaut war, sendete die Tele-FAZ (Regionalprogramm und Wirtschaftsmagazin „netto“ auf RTL) nur wenige Jahre. Beispiel 3: Das Erste Private Fernsehen (EPF am Kabelpilotstandort Ludwigshafen) erreichte die 1990er Jahre nicht und der Konkurrent Rhein-Neckar-Fernsehen wurde Anfang der 1990er durch einen Management-Buyout aus der Verlagsgruppe Dr. Haas (Mannheimer Morgen) herausgelöst. So lässt sich auch heute kaum prognostizieren, ob die zunehmende Betonung des Paradigmas „Kerngeschäft“ im Medienmanagement aus mikroökonomischer Sicht positive oder negative Konsequenzen zeitigt. Man kann allenfalls mutmaßen (vgl. Rau 2004b).

1.7.4.1 Argumente für eine Konzentration auf Kerngeschäftsfelder Die Konzentration erlaubt dem Management, sich intensiv mit den Produktionsabläufen (workflow), deren Effizienz und mit Möglichkeiten zur Kostenreduktion zu beschäftigen. Die Annahme der Medienmanager: In Redaktion, Produktion und Distribution stecken noch mehr Optimierungspotenziale. Entgegen zahlreicher Befürchtungen haben neue Medien in der Vergangenheit nie die „alten“ Medien vom Markt verdrängt. So konnte zum Beispiel weder die Einführung des

71 Radioapparates noch der Siegeszug des Fernsehens die Auflagen der Tageszeitungen spürbar negativ beeinflussen. In der Literatur wird dies auch als Riepl'sches Gesetz diskutiert. Der Historiker Wolfgang Riepl formulierte dieses Gesetz 1913 auf Basis seiner Betrachtungen über das Nachrichtenwesen im Altertum: Zwar verdrängte ein neues Medium keines der älteren, doch wurden dem alten Medium neue Funktionen oktroyiert (vgl. Riepl 1913/1972). Der Einbruch am Werbemarkt kann dazu genutzt werden, die Produktion zu verschlanken und Inhalte stärker am Rezipientenmarkt auszurichten. Zieht die Konjunktur wieder an, dann kommen auch die Zeiten hervorragender Umsatzrenditen – unabhängig der Mediengattung – wieder zurück. Die schwierige Zeit aufgelaufener Verluste wird also für „Aufräumaktionen“ und zum „Ausmisten“ genutzt. Man besinnt sich konsequenterweise auf all die Aktivitäten, die auch tatsächlich Geld einbringen – Manager werden entlastet, das Controlling gewinnt mehr Gewicht, das Wirtschaften in den Medienunternehmen wird übersichtlicher und nachvollziehbarer. Transparenz erhöht die Zukunftsfähigkeit, man kann auf Krisensituationen schneller reagieren, passt Kapazitäten zeitnah an, agiert schneller und flexibler am Markt. So jedenfalls die Wunschvorstellung (zur Rolle der Transparenz im Management vgl. Steinmann/Schreyögg 2000, S. 123 ff.).

1.7.4.2 Argumente für eine Konzentration auf Kernkompetenzen Auf der anderen Seite gibt es mindestens ebenso viele Gründe, die für eine Managementorientierung am zweiten Paradigma, an den (journalistischen) Kernkompetenzen sprechen. Auf diese Weise kann man dem Wandel der Medienmärkte adäquat begegnen und von langfristigen Entwicklungen profitieren. Das im vorangegangenen Abschnitt eingeführte Riepl'sche Gesetz ist ja auch nicht unumstritten. Bei Aufkommen eines neuen Mediums wird es immer neu diskutiert; auch kann es nicht verbindlich eingelöst werden (vgl. Kiefer 2001, S. 157). Substitutionsprozesse sind durchaus wahrscheinlich, so sei das Kino durch das Aufkommen des Fernsehens ganz offensichtlich beeinträchtigt worden und ebenso der Hörfunk. Kiefer: „Die These von der funktionalen Reorganisation der Mediennutzung zielt ja genau auf solche zumindest partiellen Verdrängungsprozesse der weniger effektiven Medien. Medien sind sicherlich keine unverbundenen Güter, die auf Deckung ganz unterschiedlicher und weit voneinander entfernter Bedürfnisse zielen, jedoch sind diese kommunikativen Bedürfnisse selbst so unendlich differenziert, dass enge Substitutionsbeziehungen nach dem Beispiel Streichholz gegen Feuerzeug auch kaum vorstellbar sind.“ (2001, S. 157). Die Konzentration auf Kernkompetenzen lenkt in der dualen Ökonomie den Blick auf die tatsächlich relevanten Einheiten der Medienwirtschaft, diejenigen nämlich, die sich mit der inhaltlichen Gestaltung des Mediums befassen. Es muss von einer Abhängigkeit der Märkte und der Dominanz des Rezipientenmarktes ausgegangen werden (zur kausalen Ableitung vgl. Rau 2000a, S. 79f.). Diese Abhängigkeit zwingt langfristig zur Zukunftssicherung über den Faktor Rezipientenorientierung und damit zur Höhergewichtung des Managementfaktors „Kernkompetenz“. Wer darüber hinaus von einer Rolle der Medien mit Bezug zu einer Befriedigung meritorischer Bedürfnisse (vgl. Kapitel 1) ausgeht, findet weitere Argumente für eine Führungsmaxime die auf (journalistische) Kernkompetenzen reflektiert. Ökonomischer Druck kann dazu genutzt werden, die Geschäftsbasis zu verbreitern und über neue Geschäftsmodelle zusätzlich Profit zu generieren. Es gibt zahlreiche

72 Beispiele, die belegen, dass die geschickte Nutzung von Kernkompetenzen über unterschiedliche Mediengattungen hinweg auch die Voraussetzung für Umsatz- und Ertragswachstum sind. Dow Jones (Online) oder die New York Times (Fernsehen) können hier als Beispiele herangezogen werden. „Management by core competence“ fördert Kreativprozesse, beschleunigt Innovationen, verhindert ein „Kochen im eigenen Saft“ und stellt sich einem Prozess der Gesundschrumpfung, der in der Bedeutungslosigkeit enden kann, entgegen. „Diese Ausrichtung fördert – im Sinne der Abhängigkeit der Märkte – die enge Verzahnung und Verschränkung eines strategischen inhaltlichen Medienmanagements mit den generellen wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens. So fällt zum Beispiel auch auf, dass die erfolgreichsten Ausflüge in die Neuen Medien von ursprünglichen Journalisten in Managementfunktionen geführt werden. Der von Gordon Crovitz (einem Journalisten) geführte Konzernbereich „Electronic Publishing“ des Wall Street Journal glänzte im Jahr 2003 mit zweistelligen Renditen (vgl. FAZ vom 10.2.2003, S. 15). „Management by Core Competence“ stellt in der dualen Ökonomie die Rolle der Redaktion heraus, wie es auch einem konsequenten Ansatz zum redaktionellen Marketing entspricht. In einem stringent umgesetzten Marketing orientiert sich das Medienunternehmen voll am Lesermarkt (zur Ableitung und Argumentation vgl. Rau 2000a, S. 81).

1.7.5 Die Entflechtung von Wertschöpfungsketten Mit Hilfe der Theorie, rückt man indes einem weiteren Problem zuleibe – dem Marktversagen in der dualen Ökonomie. Die Lösung liegt in einer noch weiter als bisher vorangetriebenen Trennung von Contentproduktion (die bei den journalistischen „Produktionseinheiten“ dann crossmedial angelegt sein kann) und dem medialen Angebot als Fernsehprogramm, Tageszeitung oder Hörfunksparte. Konsequent zu Ende gedacht, kann der zunehmende Druck auf die Medienmärkte einen Prozess fördern, der schon einmal im vorvergangenen Jahrhundert mit dem Entstehen großer Nachrichtenagenturen das Entstehen reiner Contentproduzenten beförderte. Wer sich heute die Mühe machen würde, sämtliche Anstrengungen europäischer Medienunternehmer auf dem „Outsourcing“-Feld zu katalogisieren und zu erfassen, müsste ebenfalls den Eindruck gewinnen, dass ein solcher Prozess am Markt längst in Gang gesetzt ist. Dieser umfasst nämlich längst nicht mehr nur Medienunternehmen der Fernsehbranche wie RTL, die außer Nachrichten und Sport nahezu alle (auch journalistischen) Programmbestandteile durch „outgesourcte“ Produktionseinheiten herstellen lassen, sondern auch Häuser wie die Sächsische Zeitung. Aus Sicht der Theorie darf eine solche Argumentation durchaus weitergedacht werden und bleibt auch für die Praxis von Relevanz: Leben doch die Anbieter von Fernsehprogrammen schon heute die Trennung zwischen kreativer Contentproduktion und wirtschaftlichem Management. Bekanntermaßen sind auch die Bilanzen der privaten Sender, die diesen Prozess am weitesten vorangetrieben haben (RTL-Group), von der Medienkrise zwar beeinträchtigt, aber keineswegs erschüttert worden. Diesen Überlegungen liegt – als Instrument der strategischen Analyse – die Wertkette oder Wertschöpfungskette nach Porter zugrunde (1985, vgl. auch 1986). Mit ihrer Hilfe kann man potenzielle Wettbewerbsvorteile im Bereich von Kosten oder Leistungsdifferenzierung ermitteln und der gesamte Prozess der Leistungserbringung lässt sich durchleuchten (und in der Folge strategisch ausrichten). Die Wertschöpfungskette gliedert Leistungs-

73 erbringung der Organisation in primäre und unterstützende Aktivitäten, wobei sich die primäre Aktivitäten auf die Herstellung der Leistung sowie den Leistungsaustausch mit den Abnehmern beziehen, die unterstützende Aktivitäten stehen für die zur Beschaffung und Erzeugung erforderlichen Inputgrößen, die notwendig sind, um die primären Aktivitäten durchzuführen. Je nachdem, ob sich die entsprechende Aktivität dafür eignet, Kostenvorteile zu schaffen oder sich gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren, kann die strategische Entscheidung getroffen werden, diese Aktivität sinnvoll in die Organisation zu integrieren. Zusätzlich wird die Frage danach beantwortet, ob die betrachtete Organisation hier eine Stärke oder Schwäche besitzt. Strategisierung im Sinne der Wertschöpfungskette nach Porter nimmt nun in den Blick, wie Stärken ausgebaut und Schwächen beseitigt werden können. In diesem Zuge kann dann auch die Entscheidung zugunsten oder gegen Insourcing getroffen werden. Zurück zum Medienmanagement. Bei einer Entflechtung der Wertschöpfungskette und mit der Einführung zusätzlicher oder neu strukturierter Ebenen der Leistungserbringung wäre die Dualität der Medienwirtschaft durchaus neu definieren: ƒ

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Alle inhaltsgetriebenen journalistischen Produktionseinheiten folgen dem Paradigma der Führung auf Basis von Kernkompetenzen. Die redaktionelle Leistung dieser selbständigen Produzenten wird auf einem Markt angeboten, auf dem sich die nachgelagerten Hersteller einzelner Medienprodukte frei bedienen können. Medienunternehmen folgen dem Management auf Basis von Kerngeschäftsfeldern. Sie entscheiden so darüber, ob sie ƒ ein rein werbefinanziertes Angebot schaffen, ƒ eine Mischung der Finanzierung durch Einnahmen aus der Werbung und aus dem Verkauf des Produkts anbieten, oder ob sie ƒ den reinen Weg über den Verkauf von Content (werbefreies Angebot) gehen; ƒ und sie entscheiden über tragfähige Marktsegmente (auch Nischen), über Zielgruppen, deren Ansprache sowie die marktgerechte Zusammenstellung bzw. Gestaltung von Medienprodukten. Auf dem Content-Markt kaufen sie die spezifischen Leistungen ein.

Die Lösung aus dem Management-Zielkonflikt zwischen „inhaltlicher Kernkompetenz“ und „gewinnmaximierendem Kerngeschäft“ zeigt sich damit in ƒ ƒ

einer klaren Trennung der journalistischen Produktion von allen anderen wertschöpfungsrelevanten Einheiten und einer „vorgelagerten“ Anwendung des Marktmodells für allen Mediencontent.

Bereits heute gilt: Auch Verlage bedienen sich beispielsweise für die Erstellung von Supplements und Spezialveröffentlichungen unterschiedlicher selbstständiger und eigenverantwortlicher Lieferanten von redaktionellen Leistungen. Daneben präsentieren sich Outsourcing-Modelle (zum Beispiel das der Sächsischen Zeitung mit rechtlicher Verselbstständigung der Lokalredaktionen zu eigenen Verlagsunternehmen) im Praxisalltag. In diesem Modell einer mehrstufigen Wertschöpfungskette selbständiger Produktionseinheiten haben sich die Leistungsbringer auf der journalistischen Ebene in logischer Konsequenz das Managementparadigma „Kernkompetenz“ erwählt. Die Kompetenz der In-

74 haltsauswahl und Präsentation wäre – je nach gewähltem Geschäftsmodell – unabhängig von der Mediengattung. Die Anforderungen von Onlinemedien zeigen ja heute schon, dass es in Zukunft noch viel stärker um die Integration unterschiedlicher Leistungen gehen wird. Fakt ist auch, dass sich die journalistische Ausbildung bereits heute auf die Anforderungen unterschiedlicher Mediengattungen eingestellt hat (vgl. z.B. das Vorlesungsverzeichnis der Universität Leipzig für die Journalistik im Wintersemester 2006/2007). Die zunehmende Bedeutung der Onlinemedien dürfte die Multimedialität der Journalistenausbildung weiter steigern. Und auf diesem Weg haben dann auch kreative Anbieter von gemischtem „Mediencontent“ Erfolg, die ihre Themen multimedial offerieren. Entflechtungsansätze sind zwar im aktuellen Marktgeschehen bereits zu beobachten. In der Summe jedoch fällt im Medienbetrieb die Entscheidung „Eigenfertigung oder Fremdbezug“ noch immer häufig zu Gunsten des Faktors Eigenfertigung aus. Vielleicht auch gerade deshalb, weil der Faktor Eigenfertigung noch immer ein nachprüfbares Maß an (gesetzter oder meritorisch gewichteter) Qualität zu übersichtlichen Kostenfaktoren verspricht. Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion um die Kürzung oder Abbestellung von Agenturleistungen (2004) und der Einsatz zusätzlicher Reporter und Korrespondenten in Tageszeitungsverlagen zu sehen (Freie Presse (Chemnitz), Rheinpfalz (Ludwigshafen) – beides Unternehmen der MedienUnion). Ein weiterer Vorteil zunehmender Entflechtung: Die selektive Subventionierung der Content-Produktion ist grundsätzlich möglich – vorausgesetzt natürlich, man erkennt einen möglichen meritorischen Charakter der journalistischen Gütererstellung an. Diese Subventionierung wäre zum Beispiel über Steuererleichterungen für die journalistischen Produktionsbetriebe zu erreichen. Schon heute kann ja die Erleichterung durch einen reduzierten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent für freie Journalisten (ausschließlich solche Journalisten werden begünstigt, die komplett eigenerstellte journalistische Produkte anbieten) als versteckte Subvention der freien Content-Produktion betrachtet werden. Das Fazit lautet also: ƒ ƒ ƒ

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Management ist auch eine elementare Aufgabe der Redaktion. Management im journalistischen Kontext kann nur „Management by Core Competence“ sein. Wer Medien als Unternehmen verankert, die sich neben der Wahrnehmung gesellschaftlicher Aufgaben und Rollen selbst finanzieren müssen, muss auch das Spiel der Märkte beachten und Regulierung auf ein vertretbares Maß beschränken. Ohne eine liberale Haltung aufzugeben, ist die positive Subventionierung über Steuervorteile für Contentproduzenten dabei ein besseres Werkzeug als negative Sanktionierung. Wer auf wachsende Transparenz bei wachsender Freiheit des Marktspiels vertraut, kann strategische Optionen künftig auch in der Entflechtung der Wertschöpfungskette suchen.

1.7.5.1 Entflechtung der Wertschöpfungskette und Subventionsfähigkeit Publizistische Ökonomie kann – weil durch strategische Eingriffe frei gestaltbar – in Medienunternehmen auch dazu dienen, sich so auszurichten und zu orientieren, dass Subventionierungsfähigkeit erlangt wird – dazu gleich mehr. Doch zuerst zu einigen „ökonomi-

75 schen“ Argumenten, die die These des Abschieds (auf Raten?) von der dualen Ökonomie begründen. Ein solcher Abschied wäre eine der möglichen Konsequenzen aus der Entflechtung der Wertschöpfungskette. ƒ

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Drei von vier Unternehmen glauben, dass die elektronische Rekrutierung von Mitarbeitern inzwischen den Siegeszug angetreten hat. So jedenfalls das Ergebnis einer Studie der Universität Frankfurt am Main. Achtzig Prozent der befragten Unternehmen nutzen ihre Homepage für Bewerbersuche (der Wert für Printanzeigen liegt bei 54 Prozent, der für Internet-Jobbörsen bei 48 Prozent, vgl. Schlesinger 2003, S. 94). Dieser Trend scheint zu bestätigen, dass zumindest der Bereich der (für überregionale Tageszeitungen überlebenswichtigen) Rubrikenanzeigen in einer Strukturkrise steckt. Der Markt für Autoanzeigen sei bereits tot, sagt auch McKinsey-Berater MüllerOerlinghausen (vgl. Theurer 2002). Zu zögerlich hätten die Verlage in der Vergangenheit in ihren Internet-Auftritt investiert. Und wenn die Presse-Unternehmen so weitermachten, könne dies existenzbedrohend werden (Theurer 2002). Diese Aussage aus dem Jahr 2002 mag angesichts der zumindest ansatzweise erfolgten wirtschaftlichen Erholung auch und gerade der großen überregionalen Zeitungen (mit Ausnahme von Frankfurter Rundschau und France Soir) am Ende des Jahres 2006 zu pointiert und scharf klingen, an ihrem Kern jedoch ist kaum zu zweifeln. So dokumentiert zum Beispiel auch Kolo (2006, o.S.) eine deutliche Abschwächung des Umsatzes mit Rubrikenanzeigen am Beispiel der Süddeutschen Zeitung. Die Verluste stabilisierten sich zwar zum Ende des Jahres 2003 – jedoch auf deutlich geringerem Niveau. Kolo leitet daraus eine erkennbare Veränderung von Marktprozessen ab und beschreibt treffend einen Strukturwandel. Es zeigt sich bis 2003, dass in ganz Europa insbesondere überregionale („nationwide“) Tageszeitungen von der Krise betroffen sind, während regionale Tageszeitungen auch noch nach der Jahrtausendwende Umsatzrenditen im unteren zweistelligen Bereich erwirtschaften konnten. So ist im Übrigen auch zu erklären, warum die Südwestdeutsche Zeitungsholding offensichtlich relativ leicht im Jahr 2002 mit einer Kapitalspritze dem Süddeutschen Verlag unter die Arme greifen konnte. Einer der wichtigsten Umsatzträger der nationalen Blätter sind die so genannten Rubrikenanzeigen – also Annoncen, die in den Bereichen Stellenmarkt, Immobilien, Fahrzeuge, Partnerschaft aufgegeben werden. Auf all diesen Gebieten aber bietet das Internet mehr Transparenz und inzwischen damit die weitaus bessere Plattform (vgl. Kolo 2006, o.S.). Das zeigt zum Beispiel auch die Tatsache, dass der Internetdienst „mobile.de“ zwar seine Position als Marktführer aufgeben musste, nachdem Gebühren für die Schaltung von Anzeigen gefordert worden waren. Die Basis jedoch ist keinesfalls dramatisch eingebrochen. Die Zahl der Angebote ging etwa um 15 Prozent zurück. Gleichzeitig ist darauf zu verweisen, dass sich der Internet-Anzeigenmarkt 2006 der Milliarden-Euro-Grenze (für Deutschland) nähert (vgl. Radvilas, S. 1): „Die auf der Düsseldorfer Messe OMD veröffentlichte Reichweitenstudie Internet Facts II, die kontinuierlich ansteigende Zahl der Breitbandanschlüsse und nicht zuletzt die FußballWeltmeisterschaft 2006 bescheren der Internet-Werbung nach Ansicht von Arndt Groth, Präsident des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) „entscheidende Wachstumsimpulse.“ Im Jahr 2006 könne sich so der Online-Werbemarkt nach Einschätzung des Verbandes tatsächlich der Milliarde-Euro-Grenze nähern. 2004 wurden 555 Mio. € brutto für Online-Werbung ausgegeben (vgl. Radvilas 2005, S. 1). So wur-

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de dann auch die OVK7-Umsatzprognose 2006 für den deutschen Online-Werbemarkt deutlich nach oben korrigiert. Diese Prognose erfasst unterschiedliche OnlineWerbebereiche strukturiert und weist diese jeweils einzeln aus. Weit über den Erwartungen verlief das erste Halbjahr 2006 so zum Beispiel im Segment der klassischen Online-Werbung mit einem Brutto-Wachstum von plus 69 Prozent. Die Prognose für das Gesamtjahr wurde hier daher auf 785 Millionen Euro (plus 47 Prozent) angehoben. Die Prognose für das Segment Affiliate-Netzwerke (plus 48 Prozent) wurde nach dem Halbjahres-Fazit bestätigt. Für das Segment Suchwort-Vermarktung lag die Wachstumsprognose bei plus 80 Prozent. Insgesamt können sich die Segmente im Jahr 2006 auf 1,65 Milliarden Euro summieren. Nicht enthalten sind darin Umsätze aus OnlineKleinanzeigen (z.B. für Autos, Immobilien und Stellenanzeigen).8 Die anfänglich – auch und gerade am Kapitalmarkt – euphorisch begrüßten InternetAkteure sind keinesfalls nach dem „Platzen der Spekulationsblase“ in die Versenkung abgetaucht. In den Jahren 2003 bis 2005 gehören Werte wie Freenet, United Internet oder die Branchenprimusse Ebay (Wachstum 2003: 100 Prozent – vgl. Schmidt 2003, S. 19) und Google (Börsengang) zu den Top-Performern in den technologiegetriebenen Börsensegmenten. Dies lässt sich leicht durch die Kursentwicklungen an den Märkten nachvollziehen, die natürlich Korrekturen nicht gefeit sind (vgl. die volatile Entwicklung des TecDAX im Jahresverlauf 2004). Die wahre Internet-Revolution steht noch bevor, es wird sich allerdings kaum um eine erschütternde Revolution „von heute auf morgen“ handeln. Viel eher ist zu erwarten, dass der Prozess schleichend voranschreitet (vgl. Wladawsky-Berger 2003, S. 18) hieß es im Jahr 2003, das Jahr 2006 zeigte schon, dass sich eine neue Welle unter dem Schlagwort Web 2.0 hauptsächlich über „user generated content“ formierte. Internet-Auktions- und -Handelshäuser werden auch in den kommenden Jahren Wachstumsraten erzielen – und den Einzelhandel weiter verändern. „Das große Versprechen ist der Bau der digitalen Ökonomie, die weit effizienter und produktiver ist als heute. In der nächsten Generation des Internets werden Prozesse virtuell. Jedes Unternehmen kann sich auf seine Stärken konzentrieren und andere Prozesse zukaufen. Wir nennen das ‚E-Business on demand’“ (Wladawsky-Berger 2003, S. 18). Dieser Prozess wird auch bei publizierten Medien kaum aufzuhalten sein – vorausgesetzt (und davon ist im Rahmen dieser Argumentation auszugehen), der Kostendruck auf die Unternehmen bleibt bestehen. Die rasanten Entwicklungen, der auf Netzwerkeffekten basierenden Anwendungen, die gerne unter das noch immer undifferenziert verwendete aber inzwischen kaum präziser zu fassende Schlagwort Web 2.0 subsumiert werden, zeigen dabei, dass der Druck auf die (journalistische) Content-Erstellung weiter wachsen wird. Substitutionseffekte ergeben sich möglicherweise über Gebiete, die in den Konkurrenzbeziehungen bislang kaum berücksichtigt wurden. Langfristig gesehen, wird das Internet an Bedeutung weiter zunehmen. So sehen im Medienbereich auch die Berater von PriceWaterhouseCoopers in einer Studie vom Sommer 2003 (PWC 2003), dass vor allen Dingen im Bereich des Internets hohe Wachstumsraten zu erwarten sind (von 4,6 Mrd. € 2003 auf 6,6 Mrd. € im Jahre 2007

7 OVK = Onlinevermarkterkreis im BVDW, im Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (www.bvdw.org). Die OVK-Studien und -Prognosen werden regelmäßig auf der Website des Verbandes veröffentlicht. Für jeweils aktualisierte Daten vgl. www.bvdw.org/marktzahlen.html. 8 Alle Daten aus dem OVK Onlinereport 2006/2, vgl. die in der vorigen Fußnote angegebene URL.

77 – auch das Fernsehen wird seine Werbeumsätze wieder ausbauen können (von 13,2 auf 15,9 Mrd. €). Für Tageszeitungen werden zwar ebenfalls Steigerungen bis zum Jahr 2007 erwartet (10,9 auf 12,0 Mrd. €; Zeitschriften 6,0 auf 6,5 Mrd. €), allerdings halten diese sich weitestgehend im Rahmen und der Rückgang der letzten Jahre wird durch diese Entwicklung kaum wettzumachen sein. Um ein Fazit zu ziehen: Geschäftsmodelle der Medienunternehmen lassen sich grundlegend auf den Prüfstand stellen, dies schließt ein, die duale Ökonomie, die Quersubventionierung des journalistischen Inhalts durch den Verkauf von Werbefläche oder -zeit neu zu definieren. Schon die durch den BDZV für die Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005 ermittelten Zahlen zeigen deutlich, dass die Aktiva-Seite der gewohnten Tageszeitungsbilanz von zwei (Werbung) zu einem Drittel (Vertrieb) heute so nicht mehr haltbar ist. In den neuen Bundesländern zum Beispiel nehmen regionale Abonnement-Tageszeitungen in der Bilanz von 2002 mehr über den Verkauf der Exemplare als über Werbung ein (447 Mio. € (Werbeeinnahmen) zu 478 Mio. € (Vertrieb)), (vgl. dazu die aktuellen IVW-Zahlen, sowie Keller 2003, 2004, 2005). Inwieweit Tageszeitungen in diesem Geschäftsumfeld überlebensfähig sind, wird sich zeigen müssen. Oder anders: Wie stark werden die Preise für journalistische Medien steigen, damit sie auch weiterhin als privatwirtschaftliche Medien am Markt zu führen sind? Dann übrigens wäre das viel diskutierte Marktversagen auf dem Printmedienmarkt quasi vermieden. Die wahrscheinliche Folge: Langfristig müssen Medienunternehmen (insbesondere diejenigen, die wir heute überwiegend dem Printbereich zuordnen), über einen Abschied von der dualen Ökonomie nachdenken. Die bröckelnde Quersubventionierung zwischen den beiden Märkten kann auf der einen Seite zu einer Verschärfung des Kommerzialisierungsprozesses führen. Das Management reagiert darauf mit enger Führung des Unternehmens an Quote beziehungsweise Auflage und damit eindimensional an den Gesetzen des Werbemarktes. Dies gilt dann auch bezogen auf eine Internationalisierung der Kommerzialisierungstendenzen (der Berliner Zeitungsmarkt führt es 2005 und 2006 vor). Auf der anderen Seite aber besteht für Medienanbieter in einer betriebswirtschaftlichen Argumentation stets die Chance einer noch aktiveren Vermarktung ihres Inhalts. Dies wäre eine andere Antwort auf den Ökonomisierungsdruck. Die Vokabel Ökonomisierung ist hier bewusst gewählt – gerade im Begriffsverständnis dieser Arbeit, das eine „Neutralisierung“ verlangt, was wie beschrieben auch im Sinne einer Effizienzdiskussion zu verstehen ist, wie sie Held und Ruß-Mohl (vgl. 2005, S. 49 und 2000, S.361) anregen. Allein die unterschiedliche Fokussierung kann helfen, sich unterschiedliche Optionen im Medienmanagement zu öffnen: Ohne diese These heute bereits belegen zu können, ist der vielfach beschriebene Kommerzialisierungsdruck bislang ein nur vermeintlicher, dem die journalistischen Einheiten, sprich Redaktionen, aus einem Mangel von Informiertheit unvorbereitet nachgeben. Nach wie vor schlummert in der Ökonomisierung der Redaktionen ein ungeheures Potenzial von Möglichkeiten, die den wahrgenommenen Wert des Mediums beim Rezipienten erhöhen helfen – und damit auch die Bereitschaft steigern werden, das Angebot aus der Zwangsjacke der dualen Ökonomie zu befreien. Der gewählte Titel des Beitrags zum Hamburger Forum Medienökonomie im Jahr 2004 – „Ökonomisiert Euch, bevor Ihr Ökonomisiert werdet!“ (vgl. oben, S. 23) müsste also richtiger lauten: „Ökonomisiert Euch, bevor Ihr Kommerzialisiert werdet“ (vgl. Rau 2004, S. 29). Ansatzweise entdecken inzwischen auch Print- und Rundfunk-Medien über RSS-Feeds die Möglichkeit der Syndikation (z.B. FAZ.NET; heute.online), vielleicht erste Gehversuche in einer neugeordneten Me-

78 dienbetriebswirtschaft, die langfristig auf die Verschränkung zweier Märkte verzichten kann. Innovative Strategien – und hierfür sind die so genannten Neuen Medien bestes Gelände – vernachlässigen schon heute in zunehmendem Maße die Besonderheiten der doppelten Ökonomie. Der US-amerikanische Medienmanager Gordon Crovitz zeigt, wie es geht: Bei Dow Jones & Company ist er Senior Vice President der elektronischen Mediensparte (2005) und überschritt mit seinem Internet-Ableger des Wall Street Journal bereits 1999 die Gewinnschwelle. 275.000 Abonnenten hatte er bis dahin für sein Produkt begeistern können, 2003 ist jeder fünfte Stammleser des Wall Street Journal auch Abonnent des Internet-Angebotes. Der Reiz dabei: Mit einigen simplen Einstellungen lässt sich das komplette Dow-Jones-Angebot elektronisch aufbereiten und filtern – je nach Bedarf des Nutzers. Bestimmte Branchen werden dabei besonders gepflegt. Im Jahr 2003 zum Beispiel startete Crovitz mit einem spezifischen Angebot für Manager in den Bereichen Medizin und Gesundheit. Allein damit konnte er mehrere tausend neue Abonnenten gewinnen. Bleibt anzumerken, dass mit Crovitz ein Journalist die Sparte Elektronische Medien führte. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2003, finden sich nach einer Zugriffsmessung von Nielsen/NetRatings unter den Top-20 der US-Websites im Januar 2003 acht TageszeitungsSites, darunter die Gannett-Tageszeitungskette auf Platz sechs, die New York Times auf dem siebten, die Washington Post auf dem neunten und USA Today auf dem zehnten Platz (vgl. Editor & Publisher vom 20.2.2003). Mit Blick auf eine mittel- bis langfristige Planungsstrategie scheint also das ab 2002 von vielen Verlagen exerzierte Zurückfahren der Engagements im online-elektronischen Medienbereich fahrlässig.

1.7.5.2 Strategische Option: Ein öffentlich-rechtliches Pressewesen? Die Überschrift zu diesem Abschnitt ist bewusst mit einem Fragezeichen versehen. An diesem Punkt der Arbeit soll ausschließlich eine interessante, zu weiteren Forschungen einladende These in die Diskussion eingebracht werden, die sich auf die folgende Frage zuspitzen lässt: Wie bald muss man sich tatsächlich darüber Gedanken machen, ein öffentlich-rechtliches Pressewesen zu installieren (wenn am Verfassungsauftrag der Presse nach Artikel 5 GG nicht zu rütteln bleibt)? Nur die schwierige Quersubventionierung in der dualen Ökonomie der abhängigen Medienmärkte (vgl. z.B. Rau 2000a) würde zu der Paradoxie einer Aufweichung der Pressefusionsgesetzgebung für mehr Vielfalt und den Erhalt von publizistischen Einheiten führen (siehe die Berliner Diskussion um Tagesspiegel und Berliner Zeitung, die die Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe schon im Jahr 2004 gerne zusammengeführt hätte). Ursprünglich war die verschärfte Gesetzgebung ja 1975 initiiert worden, um den Wettbewerb zu erhalten und damit die weitere Titel-Erosion auf dem Markt der Tageszeitungen zu bremsen. Solche Umfeldrestriktionen funktionieren – wie beispielsweise bei gesetzlichen Umweltbeschränkungen – stets nur dann, wenn sie finanzierbar sind. Sollte dies nicht der Fall sein, werden sich die am Markt agierenden Wirtschaftssubjekte anderweitig orientieren und sich von den Objekten zurückziehen. Schließlich wird auch beim Gang zum Finanzamt ein langfristig verlustbringendes privatwirtschaftliches Engagement irgendwann als „Liebhaberei“ und damit als „Hobby“ bewertet. Ausgaben für dieses „Hobby“ sind dann nicht mehr abzugsfähig. In marktwirtschaftlichen Systemen ist unbenommen die „Gewinnerzielungsabsicht“ Grundlage allen Wirtschaftens. Werden spezifische Medien gesellschaftlich gewünscht, muss entsprechend die Gesellschaft dafür eintreten – womit

79 man wieder beim Aspekt der Sozialisierung von Medienunternehmen angelangt wäre. Auch wenn die Situation beileibe am Markt kaum solch dramatische Ausmaße angenommen hat, dass dies ernsthaft in Erwägung zu ziehen wäre, muss man, wenn man von einer strukturellen und nicht nur konjunkturellen Krise am (subventionierenden) Werbemarkt ausgeht, in diese Richtung weiterdenken. Darum geht es: Wenn man ernsthaft davon überzeugt ist, dass es sich um eine nicht allein konjunkturelle Krise am Werbemarkt handelt und die Geschäftsmodelle von vielen klassischen Medien nicht mehr tragfähig sind, muss man sich Gedanken darüber machen, welche zukunftsorientierten Geschäftsmodelle die bisher bekannten ablösen können. Folgende Varianten sind denkbar: Gratiszeitungen im Stil der Schwedischen Metro-Gruppe (die inzwischen in einer Vielzahl von europäischen Ländern erfolgreich Gratiszeitungen publiziert – neben Skandinavien insbesondere in Osteuropa, Frankreich und Spanien) oder des Schibsted-Verlages (z.B. „20 Minuten“ an zahlreichen Standorten in der Schweiz), die einer klaren Werbeorientierung eine durchaus ernstzunehmende redaktionelle Leistung beiordnen – der Fokus aber bleibt klar am Werbemarkt, am Bedarf der dortigen Kunden ausgerichtet. Solche Blätter könnten nach dem Aufbau von Marktmacht (wie auf dem schwedischen Markt) gerade auf dem Gebiet der Konsumgüterwerbung den angestammten Blättern Umsatz streitig machen. Zugrundegelegtes Paradigma: Wir gehen davon aus, dass die Rezipienten bei ihrem Medienkonsum tendenziell immer weniger dazu bereit sind, für die Leistung „breiter“ Information Einkommen aufzuwenden, substitutive Effekte werden weiter zunehmen. „Verzichtet auf Werbung und verdoppelt den Preis“ empfahl der 2003 verstorbene Berliner Medienökonom Axel Zerdick in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ den Tageszeitungsverlegern im Juli 2003 – auch dieses Geschäftsmodell ist denkbar. Es könnte jedoch vermutet werden, dass die Auflage der so handelnden Blätter drastisch sinkt und damit auch ihre redaktionelle Qualität infrage gestellt wird, da nun die Duale Ökonomie in eine nach reinen Marktgesetzen funktionierende Ökonomie überführt wird. Wer tatsächlich von einer strukturellen Krise am Werbemarkt – speziell für wenig zielgruppenfokussierte periodische Printprodukte – ausgeht und für ihre Erhaltung aufgrund der wichtigen Rolle im sozialen Kontext plädiert, wird nicht umhinkommen, sich auch mit Formen der Subventionierung auseinanderzusetzen. Dazu aber müssen die entsprechenden Objekte erst ihre Subventionsfähigkeit erlangen – eine Möglichkeit, dies zu leisten, kann dabei übrigens die Einführung des im weiteren Verlauf vorgestellten Konzepts des „Total Community Coverage“ oder aber andere Instrumente aus dem Set einer Ökonomie der Publizistik sein.

1.7.5.3 Aufgabenstellungen an die Akteure Die beschriebenen Zusammenhänge machen deutlich: Wer sich mit Fragen nach Kerngeschäft oder Kernkompetenz auseinandersetzen will, muss sich um ein übergreifendes Verständnis der Zusammenhänge bemühen. Die hier zu vertretende These ist jene, die das gesamte erste Kapitel dieses Buches bestimmt: Journalismus und Journalisten der Zukunft müssen sich schon allein aufgrund der wachsenden Bedeutung der kommerziellen Medienrealitäten, um ein Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge bemühen. Journalisten müssen ihre Rolle reflektieren, sie müssen verstehen, welchen wirtschaftlichen Restriktio-

80 nen die Redaktion im täglichen Produktionsprozess unterliegt und wie sie mit ihnen umgehen kann. Journalisten müssen darüber hinaus antizipieren, dass die persönliche wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber das eigene Rollenverstehen beeinflusst, und sie müssen die Verbindung zwischen dieser fraglos bestehenden Abhängigkeit und ihrer Aufgabenerfüllung im gesellschaftlichen Kontext nicht nur sehen, sondern auch diskursiv oder gar dialektisch betrachten beziehungsweise bewerten können. Sie müssen nicht zuletzt die in dieser Arbeit zentral behandelte Ökonomie der Publizistik als Chance sehen lernen, als Baustein im Selbstverständnis der (wie auch immer behandelten, auf freiem Markt agierenden, subventionierten oder in öffentlich-rechtlichen Formen strukturierten) ‚Contentlieferanten’. Deshalb muss hier auch die Journalistenausbildung angesprochen sein. Journalisten sind längst vom Umbau der Branche betroffen – und das gilt nicht allein im Hauptstadtmarkt, der mit der Neuorganisation jede Menge Verunsicherungen bereithielt und -hält. Die Branche – egal, ob man von Krise, Herausforderung oder gar Chance sprechen will – wandelt sich. Sie befindet sich, deutet man die Zeichen der Zeit, am Anfang eines Transformationsprozesses, der lang anhalten dürfte. Vor allen Dingen bei den klassischen Tagesmedien, die über Jahrzehnte hinweg dem journalistischen Nachwuchs eine breite Palette an Möglichkeiten geboten haben, werden die Nischen durch sich verändernde Marktbedingungen enger. Damit werden sich alle angehenden Journalisten an den Universitäten und auch in den Redaktionen auseinandersetzen müssen. Die Zusammenhänge der Medienökonomie werden zunehmend bedeutungsvoller in privatwirtschaftlich organisierten Medienunternehmen oder Branchensegmenten mit tendenziell abnehmenden Ertragsmöglichkeiten. Wer seine Rolle im System reflektiert – und das ist die Aufgabe des im Sinne des Verfassungsauftrages agierenden Journalisten – kommt an der politischen Ökonomie nicht vorbei. Da spielt es auch keine Rolle, ob das Riepl’sche Gesetz, wonach kein neues Medium in der Vergangenheit ein Bestehendes vom Markt verdrängen konnte (Riepl 1987, Nachdruck von 1913), auch in Zeiten eines nach dem Jahr 2004 vielleicht evolutionär wachsenden Internetbooms seine Gültigkeit bewahrt (obwohl freilich dieses Konzept zu den umstrittensten der Medienwissenschaft zählt). Medienökonomie, nein die politische Medienökonomie wird auf diese Weise zur Journalistenpflicht. Auch um Pressefreiheit gegen Verlegerfreiheit abzuwägen und zu diskutieren, braucht es die Medienökonomie sozusagen als Pflichtfach im Rahmen der journalistischen Ausbildung. Solange sich auch weiterhin Medienunternehmen über ihre – durchaus unterschiedlichen – Geschäftsmodelle in einem kompetitiven Umfeld zu beweisen haben, werden sich auch Journalisten mit den Abhängigkeiten auseinandersetzen müssen.

1.8 Für die weitere Argumentation zusammengefasste Aspekte Im ersten Kapitel dieser Arbeit wurden die Grundlagen einer Ökonomie der Publizistik gelegt, indem Begriffe geschärft und wesentliche Argumentationslinien entwickelt wurden. Folgende Aspekte sind für das weitere Vorgehen besonders wichtig: ƒ

Realökonomische Bezüge wirken sich auf Medieninhalte aus. Weil sich alle Medienangebote im Rezipientenmarkt treffen, und der Wettbewerb um die gleiche Aufmerksamkeit geführt wird, sind von dieser Wirkung auch öffentlich-rechtliche oder, ganz

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grundsätzlich, staatliche beziehungsweise subventionierte Medienangebote nicht ausgeschlossen (Konvergenzgeschehen wird auf diese Weise theoretisch begründbar). Nicht alle im (in der dualen Ökonomie der Medien) entscheidenden Ziel-, dem Rezipientenmarkt (weil der Werbemarkt lediglich ein abgeleiteter ist, der sich funktional aus Rezipientenmarktgröße und externen Einflussfaktoren wie z.B. dem konjunkturellen Geschehen darstellen lässt), vorhandenen Bedürfnisse, werden im sozialen Bezug auch handlungsleitend umgesetzt. Über diese „Handlungsleitung“ entscheiden (neben klassischen Preiskategorien und damit Abwägungen im Sinne der Konsumentensouveränität) unterschiedliche Präferenzkategorien oder Ebenen, die sowohl individualistisch als auch über einen sozialen Konsens begründbar sind. Die Folge für diese Arbeit: Die Existenz meritorischer Bedürfnisse wird grundsätzlich für möglich gehalten. Das ändert nichts daran, dass die Existenz meritorischer Güter in Frage gestellt und eine rein paternalistische Einflussnahme in die Bezüge des Medienmarktes abgelehnt wird. Ein Zusammenhang zwischen ökonomischer Aktivität und Produktqualität wird unterstellt, wobei das Qualitätsverständnis von den im vorangegangenen Absatz gesetzten Rahmenbedingungen unmittelbar abhängt. Qualität, respektive publizistische Qualität, ist abhängig von Standorten und Blickwinkeln, sie wird nur über die strategische Ausrichtung der Organisation erfahrbar (vgl. die unmittelbar vorangegangenen Abschnitte) und ist voraussichtlich lediglich individualistisch oder über (stets schwer nachvollziehbare) Konsensbildung (vgl. die Argumentation zur Meritorik) intersubjektiv zu begründen.

Diese Arbeit impliziert, dass sich mit Hilfe von betriebswirtschaftlichen Arbeitstechniken die publizistische Qualität eines Medienangebotes (eventuell positiv) beeinflussen lässt. Dreh- und Angelpunkt für diese Argumentation ist ein neues (strategieorientiertes) Verständnis von Qualität. Dieses soll im folgenden Kapitel über ein flexibles Kategoriensystem entwickelt werden.

Am besten wird derjenige schreiben, der so schreibt, wie es die Vernünftigsten derjenigen Klasse gut finden würden, die er durch seine Schriften zu belehren gedenkt. Allgemeine Regeln werden sich nie in diesem Stück angeben lassen. Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher C 179 gek., 1772/73)

2 Qualität – Begriff und Diskussionsgrundlage im Journalismus

2.1 Journalistische Qualität – ein schwerfälliges Konstrukt 2.1.1 Segmentierung, Fragmentierung und die Antworten des Journalismus Wie kann man überhaupt von journalistischer Qualität sprechen – in einer Welt, die längst von einer Fragmentierung gesellschaftlicher Interessen geprägt ist? Im Verständnis der neuen Leipziger Schule wird Journalismus – im Unterschied zur vielfach genutzten, auf Rühl zurückgehenden systemtheoretischen Definition des Journalismus (vgl. Rühl 1980, S. 323) – normativ-pragmatisch (vgl. Haller 1992, S. 199; 2000, S. 108) definiert. Diese Auffassung geht auf Habermas zurück, der im Sinne eines akteurszentrierten Ansatzes Medienkommunikation als Handeln bezeichnet, „das dem auf Verständigung gerichteten Geltungsanspruch der Verständlichkeit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit folgt“ (Habermas 1981, S. 384 f.). Journalistisches Handeln hat nach Habermas gesellschaftliche Verständigung zum Ziel. Haller knüpft an eben diese Sichtweise direkt an. Er sieht Journalismus als kommunikatives Handeln, dessen Ziel die „gelingende gesellschaftliche Kommunikation“ ist (Haller 2003, S. 180). Laut Haller gelingt Kommunikation „dann (dort), wenn (wo) der Journalismus eine mediale Wirklichkeit erzeugt, die von den Kommunikationspartnern (Akteuren und Rezipienten) als Orientierung über aktuelle Ereigniszusammenhänge genutzt, zumindest so verstanden wird“. Auch Brosda betrachtet Journalismus als kommunikatives Handeln, da Journalisten Beiträge zur Reproduktion der Lebenswelt leisten, in dem sie kulturelle Wissens- und Interpretationsressourcen überliefern und entwickeln (vgl. 2005, S. 21): „Durch journalistische Kommunikation erfahren wir, was wir wissen müssen, um uns in unserer Gesellschaft zu orientieren und an ihr teilhaben zu können“ (S. 21 f.). Journalismus soll also „die kommunikative Koordinierung gesamtgesellschaftlichen Handelns“ ermöglichen (Baum 1994, S. 161). Wo aber gelingt Kommunikation, wie überhaupt kann sie gelingen, wenn sich journalistische Arbeitsrealitäten in der Medienproduktion einer zunehmend „vereinzelnden“ Lebens- und Medienrealität gegenüber sieht, die – durch das Bestreben immer individuellere Bedürfnisse zu befriedigen – für zunehmend saturierte Gesellschaften typisch ist, solange diese sich am Primat von Wohlfahrtswachstum ausrichten?

84 Es ist einmal mehr die Ökonomie, die sich zur Erklärung dieser Segmentierung in Teilgesellschaften oder Fragmentierung der Grundgesamtheit von Rezipienten heranziehen lässt. Die Qualitätsdiskussion muss angesichts zunehmender Zielgruppenkategorisierung und einem Trend zur Individualisierung des publizistischen Angebots durch die Einflussnahme des Medienmanagements genau hier ansetzen. Bei voranschreitender Entwicklung hin zu reifen, demokratisch verfassten, im Wirtschaftssystem liberalen Gemeinschaften, ist Ökonomie stets Prinzip der Differenzierung. Als Maslow in den 1950er Jahren, von eher soziopsychologischer Seite argumentierend, seine Bedürfnishierarchie entwickelte (vgl. Maslow 1954), implizierte er damit quasi auch den zwingenden Zusammenhang von fortschreitendem Wohlstand, Befriedigung von Bedürfnissen höherer Ordnung und damit eine Ausdifferenzierung des Angebotes. Ergo: Auf Wachstum ausgerichtete Volkswirtschaften tragen dazu bei, immer spezifischere Bedürfnisse zu befriedigen. Und weiter: In unterschiedlichen Medienmärkten – und besonders auffällig bei Zeitschriften-, Hörfunk- und Fernsehangebot – wird die Grundgesamtheit erreichbarer Rezipienten in zunehmendem Maße durch markt- beziehungsweise marketingtechnische Überlegungen in (ökonomisch) tragfähige Zielgruppen gegliedert. Im ökonomischen wie im publizistischen Wettbewerb bedeutet dies: Marketing als betriebswirtschaftliche Disziplin fragmentierter und fragmentierender Bedürfnisstrukturen ausgewählter „Teilgesellschaften“ (Fenner 2005, o.S.; vgl. hierzu auch: Bentele/Haller 1997 und den Begriff der „Teilöffentlichkeit“) wird zur (Basis-) Philosophie. So wie volkswirtschaftliches Wachstum die Entstehung von Teilgesellschaften fördert, so steht ein reifendes (informatorisches) Medienangebot für die Ausprägung journalistischer „Teilwelten“ und damit für die Frage, ob ein auf Produktseite individualisierter Journalismus als eigenständiges (und begriffliches) Phänomen auch in Zukunft seine Daseinsberechtigung besitzt und seine Funktion zur (umfassenden) Orientierung noch wahrnimmt. Letzten Endes vollzieht sich mit der Beschreibung dieser Zusammenhänge auch der Weg vom Informationsjournalismus der 1950er Jahre über die auszumachenden Zwischenstufen des Journalismus (1960er Jahre), des interpretativen Journalismus (1970er Jahre) und des Unterhaltungsjournalismus (1980er und 1990er Jahre) (zur Unterteilung vgl. Haller 2005, o.S.) bis hin zu einem weiter im Sinne einer Ökonomie der saturierten Gesellschaft – wie beschrieben – sich „vereinzelnden“ Journalismus, der alle „Teilgesellschaften“ jeweils spezifisch erfasst. Gerade der Onlinejournalismus zeigt in besonderer Weise die Veränderungen. Mit Hilfe von Blogs kann plötzlich jeder zum Journalisten werden und (s)ein Publikum finden (vgl. Neuberger 2004c). Dies sei hier angemerkt, um zu zeigen, dass dieses Individualisierungsphänomen nicht allein zunehmender Kommerzialisierung geschuldet ist, sondern eine Demokratisierung von Medieninhalten – so wie sie das Internet durch kooperative (para- oder pseudojournalistische (vgl. Neuberger 2004a) oder metajournalistische (vgl. Rau 2007)) Produktionsformen und Rezipienten, die gleichzeitig Produzenten (Stichwort Prosument oder Produser) sind, vorführt – in gleicher Weise vereinzelnd wirken kann (zu dieser These vgl. auch unter dem Titel „Die Demokratisierungsfalle“, Rau 2005). Das ist die eigentliche Herausforderung in der Diskussion um journalistische Qualität, die im Übrigen unabhängig von einer gewählten Journalismustheorie oder -definition besteht. So sieht ja im Unterschied zur oben gewählten normativ-pragmatischen Sichtweise des Phänomens Journalismus das systemtheoretische Verständnis Luhmann’scher Prägung. Demnach ist Journalismus ein autonomes System, dessen primäre Funktion es ist, gemäß der eigenen Programme Informationen zu sammeln, auszuwerten und zu verarbeiten, um sie anschließend den andern gesellschaft-

85 lichen Teilsystemen zur Verfügung zu stellen. Nach Altmeppen (2003, S. 126) müsse man übrigens im (von ihm durchaus reflexiv bewerteten) systemtheoretischen Zugang zur Qualitätsdiskussion, Medien und Journalismus wegen unterschiedlicher Funktionsweisen der Systeme voneinander trennen, da – und hier spiegelt sich der Ansatz einer Ökonomie der Publizistik – Markterfolg und Marketing für den Journalismus dysfunktional seien. Mit Altmeppen (2003, S. 125) liegt die Kernkompetenz des Journalismus darin, „professionell Themen für die öffentliche Kommunikation zu selektieren, zu bearbeiten und zu präsentieren“. Dies kann, präzisierend, auch auf eine „teilöffentliche“ Kommunikation bezogen werden und widerspricht dem anti-humantistischen (nicht Menschen kommunizieren, sondern soziale Systeme) systemtheoretischen Ansatz nicht. Dies bedeutet, dass (gesetzte) Qualität auch in einem systemtheoretischen Verständnis Steuerungsinstanz werden kann: „Versteht man Journalismus als System, das sich ‚autopoetisch’ selbst steuert und das eine spezifische Funktion erfüllt, die es von anderen Systemen unterscheidet, dann lassen sich Standards, Normen, Qualitätskriterien als Teil der Steuerungsinstanzen auffassen, die die Stabilität und Integration des Systems sowie seine Abstimmung – die ‚strukturelle Kopplung’ – mit anderen Systemen sicherstellen“ (Bucher 2003, S. 18). Geht man aber nun – wie erwähnt – von einer fragmentarischen Vereinzelung aus, bedeutet das: Im systemtheoretischen Verständnis kann eventuell nicht mehr länger von einem durchgängigen Phänomen Journalismus sondern vielmehr von einem Set an Journalismen ausgegangen werden – entsprechendes gilt für die Definition journalistischer Qualität(en). Auch wenn man versucht ist zu sagen, dass die einzige Möglichkeit einer Antwort des Journalismus auf ƒ ƒ

zunehmende Fragmentierung journalistischer Angebote und Rezipientengruppen in Teilmarktstrategien bei gleichzeitiger Orientierung am kleinsten gemeinsamen Nenner in Gesamtmarktstrategien9

Qualität lautet, wird man tatsächlich von Qualitäten oder Qualitätsaggregaten zu sprechen haben und unter Berücksichtigung der handlungstheoretischen Optionen aus dem ersten Kapitel dieses Buches auch von einem strategisierten Qualitätsverständnis sprechen müssen. Dies wird auch die tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema publizistische Qualität in den folgenden Abschnitten bestätigen können. Doch zuvor soll knapp und übersichtlich das betriebswirtschaftliche Verständnis von Qualität im Vordergrund stehen. Dies wird zeigen, dass die Publizistik mit ihrem bemühten definitorischen Zugang zum Phänomen Qualität keinesfalls alleine steht.10 Auch die Betriebswirtschaftslehre kennt die komplexe Multidimensionalität der Qualitätsverständnisse, die am Ende zeigt, dass Qualität Setzungen benötigt und dementsprechend den handelnden Eingriff wie auch immer legitimierter oder selbstlegitimierender Instanzen. Das zeigt, dass die Auseinandersetzung um die Defi9 Diese frappante Dichotomie einer nur scheinbar paradoxen Entwicklung, hat ja auch McQuail, wie schon im ersten Kapitel erwähnt, im zehnten Kapitel seiner Theorie der Massenkommunikation verankert. 10 Übrigens: Im produzierenden Gewerbe wie im Dienstleistungsangebot kann man Qualität, wie dies im weiteren Verlauf dieses Kapitels für die Publizistik erfolgt, in nahezu identischer Weise aus normativer Sicht, aus Akteursund aus Kundensicht definieren. Eine Sonderrolle publizistischer Angebote ist nur insofern auszumachen, als möglicherweise Bedürfnis- und damit Qualitätskategorien betroffen sind, die sich nicht im Marktgeschehen abbilden lassen und entweder altruistisch oder aber mit Hilfe der Meritorik im Rahmen der Sicherung sozialer Ordnungen oder aber (vgl. Kapitel 1) auch individualistisch begründbar sind.

86 nition von Qualität eng mit dem Thema Qualitätsmanagement und damit der Frage der Organisationsstrategie verwoben ist. Um diese Zusammenhänge leicht nachvollziehbar zu machen: Eine Strategie der Preisführerschaft in einem kompetitiven Marktumfeld verlangt zum Beispiel qualitative Setzungen in einer anderen Art und Weise als eine Strategie der Differenzierung (zu den strategischen Optionen vgl. Porter 1985 und 1999). Dies hat auch die Publizistikwissenschaft in zunehmendem Maße erkannt und viele jüngere Publikationen stellen, statt sich eklektisch mit Definitionen zu befassen, konsequenterweise aktivitätsorientierte Aspekte publizistischer/journalistischer Qualität ins Zentrum (vgl. z.B. Wyss 2000,2002, Held/Ruß-Mohl 2000, 2005, Hermes 2006). Grundsätzlich kann also ein situatives, von strategischen Überlegungen (vgl. Kapitel 1) beeinflusstes Qualitätsverständnis des Journalismus entworfen werden, das nicht nur variable realökonomische Situationen einbezieht, sondern das durch die Berücksichtigung jener ökonomischen Aspekte, die vielfach als die Ursache einer (wie auch immer gelagerten) „Medienkrise“ angesehen werden, auch eine mögliche Antwort auf aktuelle Herausforderungen bietet.

2.1.2 Das Qualitätsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre Die aus wirtschaftswissenschaftlicher Position wohl interessanteste Perspektive zur Definition von Qualität wird von Wirz bereits 1915 (S. 2) eingebracht: „Qualität ist Zielangepasstheit, ist Lösungsfähigkeit für eine bestimmte Aufgabe“. Die Qualität eines Objektes bestimmt sich hiernach durch den Beitrag eines Objektes zur Zweckerfüllung beziehungsweise Zielerreichung. Das Objekt wird zum Mittel, das einem Zweck möglichst optimal dienen soll. Die Qualität eines Objektes wird somit durch sein Potenzial gekennzeichnet, einem Zweck zu dienen. Durch dieses Verständnis von Qualität ist eine Qualitätsbeschreibung jederzeit möglich, wenn der Verwendungszweck bekannt ist. Da sich die Qualität aus dem Zweck oder dem zu erfüllenden Ziel ableitet, sind für die Qualitätsbeschreibung im zweck- beziehungsweise zielorientierten Sinn nicht alle Eigenschaften relevant, die eine Qualitätsbeschreibung gemäß dem reinen semantischen Verständnis beinhaltet. Die Formulierung des Ziels, dem das Objekt dienlich sein soll, hat selektiven Charakter. „Sie bestimmt, welche Eigenschaften eines Dings Brauchbarkeiten darstellen“ (Wirz 1915, S. 3). Dieser Ansatz wird hier deshalb so hervorgehoben, weil er in maßgeblicher Weise den gültigen betriebswirtschaftlichen Definitionsansatz bedingt. Die betriebswirtschaftliche Bedeutung beschreibt mit der Qualität eines Objektes eine an (extern) vorgegebenen Standards gemessene Größe. Die Qualität eines Objekts leitet sich direkt aus der Erfüllung der vorab bestimmten Norm ab (dieses Verständnis ist in etwa dem der technischen „Qualitätsforderung“ gleichzusetzen (vgl. VDI 1997, S. 15). Diese Standards können aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen Geschäftspartnern zustande kommen oder durch andere Institutionen, die nicht direkt Vertragspartner sind, für alle Objekte dieser Art festgeschrieben sein. Rinne und Mittag (1989, S. 5) betrachten im Rahmen ihrer Beschäftigung mit der Qualitätssicherung „Qualität als Maß für den Grad der Übereinstimmung eines in Anweisungen, Konstruktionsbeschreibungen und Zeichnungen festgelegten Produkts mit dessen wirklicher Ausführung.“ Aussagen über die Qualität eines Objektes können in diesem Begriffsverständnis in ordinaler Form erfolgen. Denn entweder erfüllt das Gut den vorgegebenen Standard oder eben nicht. Die Erfüllung ist der NichtErfüllung hierarchisch übergeordnet (Schopphoven 1996, S. 18). Die Ermittlung von Quali-

87 tät erfolgt zum Beispiel auf Basis der DIN-Vorschriften. So wird Qualität auch im ISOKatalog unter ISO 8402 folgendermaßen definiert: „Die Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen.“ (VDI 1997, S. 15). Die Internationale Standard- Organisation (ISO) geht bei der Beurteilung von Information von einem multiperspektivischen Verständnis aus: „Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen einer Einheit, bezüglich ihrer Eignung, festgelegte oder vorausgesetzte Erwartungen und Anforderungen zu erfüllen“ (Definition nach DIN, ISO 8402). Qualität wird bei dieser Definition als abstrakter Begriff dargestellt, der erst dann konkret wird, wenn man ihm messbare Eigenschaften zuordnen kann. Sie muss also bestimmten Normen entsprechen und ist aus einer Vielzahl von Aspekten und Elementen zusammengesetzt, die für sich analysiert und definiert werden müssen. Die betriebswirtschaftliche Bedeutungsebene von Qualität ist, genau genommen, lediglich eine Sonderform der ziel- und zweckgerichteten Betrachtungsweise. Denn die für das betriebswirtschaftliche Verständnis geforderten externen Standards entstehen mit der Festlegung bestimmter Grenzwerte durch Institutionen, die entweder fachliche Kompetenz oder hierarchische Macht besitzen; oder sie kommen durch Konsensbildung zustande. Das betriebswirtschaftliche Verständnis deckt den anhand von festgelegten Faktoren überprüfbaren Teil der ziel- und zweckorientierten Definition ab, der auch durch den Begriff der technischen Qualität beschrieben und vom Bereich der subjektiv wahrgenommenen zielund zweckorientierten Qualität separiert wird (vgl. Hjorth-Andersen 1984, S. 708, der allerdings hier die externen Standards auch als objektiv bezeichnet – was im Verständnis dieser Arbeit unscharf und nicht korrekt ist). Der vielleicht wichtigste Aspekt: Die internen Standards liegen in der vom Individuum durchgeführten Bestimmung des unmittelbaren Nutzens eines Produktes. Dieser interne Standard kann mit den externen Zwecksetzungen übereinstimmen, genauso aber – positiv wie negativ – von ihnen abweichen. Ein Beispiel: Externe Standards bei der Herstellung von Autos werden durch Fertigungsnormen (DIN-Vorschriften) oder Sicherheitsstandards (TÜV) vorgegeben. Die internen Standards (beim Kauf) stellen die Vorlieben, die Bedürfnisse jedes Käufers dar. Diese können von externen, versucht objektiven Qualitätsbeschreibungen völlig losgelöst sein. So kann die Höhe des subjektiven Anforderungsniveaus bezüglich der Sicherheit eines Fahrzeugs zum Aussondern von alternativen Modellen führen, die den externen Ansprüchen durchaus genügen. Das Attribut Sicherheit ist auch im nach Hjorth-Andersen (1984, S. 708) „objektiven“ Qualitätskatalog enthalten, andere subjektive Attribute wie Sitzkomfort, Farbpalette oder Design dagegen nicht. Wenn wir nun mit Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (1994) oder auch Kotler und Bliemel (1995) darüber hinausgehend davon ausgehen, dass aufgrund ihrer Dominanz im funktionsorientierten Modell der Unternehmensorganisation, eine betriebswirtschaftliche Denkweise insbesondere eine marketingorientierte ist, muss man infolge einer gezwungenermaßen subjektiven Nutzenhierarchie auch allen Überlegungen einen subjektiven Qualitätsbegriff zugrunde legen. Die Betriebswirtschaftslehre unterscheidet dabei nicht zwischen „subjektiv“ und „individualistisch“ und macht sich im Grunde einen Standpunkt zueigen, der dem erkenntnistheoretischen Subjektivismus entspricht. Dieser geht davon aus, dass Erkenntnis stets – oder zumindest überwiegend – durch das menschliche Subjekt bedingt ist und nicht etwa einer objektiven Realität folgt. In der Philosophie gipfelt diese Sichtweise im Solipismus, der die Existenz beziehungsweise die Erkennbarkeit objektiver Zusammen-

88 hänge und Gesetzmäßigkeiten weitestgehend negiert. Die Unterscheidung von „subjektiv“ und „individualistisch“ gibt darüber hinaus die Möglichkeit, ein Phänomen zu berücksichtigen, das sich vielleicht am besten mit dem Terminus Intersubjektivität erfassen lässt und eine quasi harmonisierte Kognition einzelner Subjekte beschreibt. Zurück zum marketingorientierten Qualitätsbegriff: Obwohl Produkte reale Gegenstände verkörpern, ist es für die Zwecke der Marktorientierung im Allgemeinen untauglich, von einer objektiven Produktqualität auszugehen (vgl. z.B. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 212): Dies liege daran, dass ein solches Konstrukt ein eindimensionales Bewertungskriterium voraussetze, während in Wirklichkeit Aggregate aus Nutzenkomponenten zu bilden seien. Solche Nutzenkomponenten sind zum Beispiel: ƒ ƒ ƒ

funktionale Adäquanz (Wirkungsprinzip, technisch-konstruktive Eigenschaften), wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Kostenwirtschaftlichkeit, Wertbeständigkeit, Haltbarkeit) oder physische Gestalt (Material, Größe, Design).

Im Hinblick auf das Zielobjekt der definitorischen Auseinandersetzung „publizistische Qualität“, kann es nun von Vorteil sein, die wirtschaftswissenschaftliche Sichtweise insofern zu verändern, als die Subjektivität in einer Konkretion von Individualität abgelöst wird. Vor allen Dingen weil auch Betriebswirtschaftslehre und insbesondere die Disziplin Marketing das Ziel verfolgen aus diesem „subjektiven“ Qualitätsverständnis heraus „tragfähige“ Aggregate zu generieren. Dem entsprechend orientiert sich der betriebswirtschaftlich-marketingorientierter Qualitätsbegriff an subjektiven (besser individualistischen) Ansprüchen. Damit ist mit Schopphoven (1996, S. 20) Qualität die Fähigkeit, individuellen Zielen zu dienen: „Die Qualität wird somit über das individuelle Ziel bestimmt und kann für unterschiedliche Individuen mit verschiedenen Zielhierarchien sehr unterschiedlich ausgeprägt sein“. Nur um die Nähe zur Medienwirklichkeit zu verdeutlichen, bleibt an dieser Stelle einmal mehr, auf einen der möglicherweise bedeutsamsten Ansätze der Publikumsforschung zu verweisen. Schließlich erwartet der Rezipient (eines aktiven Publikums) im Uses and Gratification Approach von Medien Stressabbau, Alltagsflucht, parasoziale Interaktion, Identifikation oder ein Gefühl der Informiertheit (vgl. Burkart 1998, S.228) – auch im Rahmen der Forschungen hat sich gezeigt, dass tatsächlich unterschiedliche Zielhierarchien zu beobachten sind (zum Uses and Gratification Approach nach Katz und Foulkes (1962) vgl. auch Kapitel 1, Abschnitt 1.4.6.2, S. 38. Die dortigen Ausführungen sind auch im hier beschriebenen Zusammenhang von Bedeutung, vgl. auch Merten 1994, S. 317). Dies zusammengenommen, bietet es sich für die Betriebswirtschaftslehre mit Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (1994, S. 212) an, von einem teleologischen Qualitätsbegriff auszugehen, der eng mit dem Konzept der Zweckeignung verknüpft ist. Ein Qualitätsurteil reflektiert demnach neben einem objektiven Bezugsgegenstand auch dessen Erfassung, dessen kognitive Repräsentation im Bewusstsein sowie ein Bewertung im Lichte individueller Nutzenerwartungen. Die Qualität ist folglich der Grad der Eignung eines Produktes für intendierte Verwendungszwecke. Aus Anbietersicht geht man dabei davon aus, dass ein Verbraucher ein Produkt mit einer umso höheren Wahrscheinlichkeit kauft, je höher die wahrgenommene Qualität ist (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 212 f.).

89 Das betriebswirtschaftliche Verständnis, übertragen auf das Konstrukt publizistischer Qualität, bedingt die bewusste Koppelung von Qualität und Rezeption und muss damit ein rein rezipientenorientiertes sein. Immer dann, wenn sich heterogene Marktsegmente bestimmen lassen, bestehen auch unterschiedliche Ebenen des Qualitätsempfindens. Damit kann in einem gedachten Qualitätsranking ein regionales Boulevardblatt im Stil eines Kölner Express ebenso hohe Werte erreichen, wie eine eher konservativ orientierte regionale Tageszeitung (hier lässt sich einmal mehr auf die Meritorikdiskussion im ersten Kapitel verweisen). Der in der Betriebswirtschaftslehre geläufige Qualitätsbegriff – und deshalb war es auch im Zusammenhang dieser Arbeit wichtig, ihn vorab zu präsentieren – ist nicht denkbar, ohne das ihm innewohnende Bestreben einer Messbarkeit. Qualität im betriebswirtschaftlichen Sinne – und zwar unabhängig von seiner subjektiven Orientierung – ist stets mit der Frage verbunden, in welcher Weise sich Qualitätskriterien operationalisieren lassen. Auch dies wird im Folgenden noch als wesentlicher Aspekt zu berücksichtigen sein, wenn ein praxiskonformes, die theoretischen Ebenen harmonisierendes neues Kategoriensystem (unter Berücksichtigung der Meritorik) für den Journalismus formuliert wird. Möglicherweise jedoch ist ja ein definitorischer Sonderfall zu konstatieren oder gar die der Betriebswirtschaftslehre entlehnte Begrifflichkeit ganz zu verwerfen, wenn an sich klargestellt ist, dass es sich bei journalistischen Angeboten nicht um typische – in Betriebswirtschaftslehre und Marketing fokussierte – private Güter handelt. Der Qualitätsbegriff der Betriebswirtschaftslehre stößt dort an seine Grenze, wo wir von einer übergeordneten (gesellschaftlichen, die soziale Ordnung sichernden) Zwecksetzung ausgehen. Das Konsistenzproblem liegt also an jenem Übergang zwischen subjektiven Ansprüchen die etwa durch individuelle, private Güter befriedigt werden, und streng intersubjektiven Ansprüchen. Qualität in einem publizistischen Verständnis bedarf also zwingend der vertiefenden Auseinandersetzungen mit Güterkategorien und ganz besonders der Meritorikdiskussion, wie sie im vorangegangenen Kapitel nicht zuletzt aus diesem Grund ausführlich ausgebreitet wurde.

2.1.3 Journalistische Qualität in der Komplexitätsfalle Seit den frühen 1990er Jahren gehört das Thema journalistische Qualität neben anderen Feldern wie der journalistischen Berufsforschung, der Gatekeeper- bzw. Nachrichtenwertforschung, der Erforschung des Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus, Ethik und Verantwortung im Journalismus, der Online-Journalismusforschung oder der Journalismus-/Kommunikator-Theorie zum festen Forschungskanon der Journalistik (vgl. Bucher/Altmeppen 2003; Fasel 2005 und, ausgezeichnet in ihrer stringenten Begriffsdiskussion, Hermes 2006). Man könnte nun vereinfachend und praxiskonform, wie dies Haller (2003) vorschlägt, im Grunde eklektisch einen Qualitätsbegriff formulieren, der empirisch gewonnene Eckpunkte in einem Anforderungskatalog (vgl. u.a. Haller 1992, S. 207; Biere 1993, S. 77 ff.; Neuberger 1997, S. 315 ff.; Pöttker 2000, S. 380; Haller 2003, S. 181) für journalistische Leistung zusammenfasst: ƒ

Transparenz in Bezug auf den Status journalistischer Aussagen: Unterscheidung und Kenntlichmachung von Sachverhaltsaussagen, deutenden Aussagen, Kolportage, Sachbehauptung, Bewertung eines Sachverhalts, Bewertung einer anderen Bewertung usw. (vgl. Haller 2000a, S. 214-220).

90 ƒ ƒ ƒ ƒ

Aussagen müssen aus der Sicht der Adressaten in Bezug auf die Ereignisrealität als gehalt-, beziehungsweise bedeutungsvoll verstanden werden (vgl. Haller 1992, S. 203). Die Aussagen sollten für möglichst viele Menschen so verständlich wie möglich sein (formal wie inhaltlich; vgl. auch oben die Ausführungen zur Messung von Verständlichkeit). Die Präsentation der Aussagen sollte für möglichst viele Menschen attraktiv sein (Interesse als Partizipationsmotiv). Die Publikationsweise sollte so gewählt werden, dass die Aussagen möglichst zeitnah zum Vorgang, auf den sie sich beziehen, veröffentlicht werden.11

Ganz ähnlich systematisiert Neuberger (vgl. 2004b) mit Bezugnahme auf unterschiedliche Publikationen, stellt einen Kriterienkatalog auf den Ebenen Relevanz, Objektivität und Interpretation (S. 38) zusammen und weist die von unterschiedlichen Autoren formulierten (Ruß-Mohl 1992a, Rager 1994c, Hagen 1995, Pöttker 2000) Qualitätskriterien diesen Ebenen zu (vgl. Abbildung 3). Eine Hauptursache für die intensive Auseinandersetzung mit qualitativen Fragestellungen liegt darin, sich verändernden, ökonomischen, organisatorischen und technologischen Rahmenbedingungen zu stellen: „Der Journalismus hat Qualitätsprobleme, und mehr als in anderen Bereichen sind die Qualitätsprobleme der Medienbranche Kommunikationsprobleme. ‚Anything goes if it sells’ – die allzu simple These, dass alles Qualität sei, was sich verkaufen lässt, mag sich rein betriebswirtschaftlich betrachtet, da und dort bestätigen. Mit Qualitätsvorstellungen, die sich an Normen journalistischer Professionalität orientieren, ist sie nicht vereinbar.“ (Held/Ruß-Mohl 2005, S. 49). Ein Nebeneinander der Begrifflichkeiten wird quasi unvermeidlich: Abhängig von der Position – und auch der wissenschaftlichen Sozialisation – verändert sich mit dem Fokus selbst auch dessen Aussagehalt. Dabei muss im Sinne dieser Arbeit klar sein, dass am Ende jenen begrifflichen Dimensionen besonderes Augenmerk geschenkt wird, die einer ökonomietheoretischen oder, um noch konkreter zu werden, einer betriebswirtschaftlichen Perspektive ebenso genügen, wie einer medienwissenschaftlich-kommunikationstheoretischen. Alle eher metaphysischen, auf ontologische Erklärungszusammenhänge gerichteten Qualitätsdefinitionen scheiden demnach aus dem Katalog zu betrachtender Dimensionen weitestgehend aus. Dagegen werden neben einer normativen Herangehensweise insbesondere individualistische Aspekte, deren Aggregationen und auch deren Aggregationsfähigkeit zu beleuchten sein. Überall dort, wo zum einen die betriebswirtschaftliche, zum anderen die – an ihrer pragmatischen Anwendung orientierte (die im Übrigen gerade in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche ökonomische Aspekte internalisierende) kommunikationstheoretische, respektive medienwissenschaftliche – Qualitätsdefinition zur Deckung gebracht werden können, finden sich defini11

Hier soll nicht zusätzlich kritisierend auf in diesem Katalog enthaltene „medienwissenschaftlich nicht definierbare Kennzeichnungen“ (Haller 2003, S. 181) wie „erkennbar“, „attraktiv“, „bedeutungsvoll“ eingegangen werden. Denn dabei handelt es sich eindeutig um Verweise auf die empirischen Felder der Wahrnehmungs- und Nutzungsforschung, die über die wahrnehmungsgebundenen Bedingungen gelingender Medienkommunikation Aufschluss geben (vgl. Garcia/Stark 1991; Haller 1997, S. 562 ff.; Doelker 1997, S. 70 ff.; Blum/Bucher 1998, S. 12-17). Diese Bezeichnungen sind so gesehen wichtiger, ja nachgerade elementarer Bestandteil solcher Anforderungskataloge, die ohne die empirisch basierte Ermittlung wahrnehmungsgebundener Faktoren der Massenkommunikation so nicht denkbar sind.

91 torische Ansatzpunkte für das Konstrukt einer so verstandenen, publizistischen Qualität höherer Ordnung. Diese Hierarchisierung wird aus der Diskussion der Präferenzen und Bedürfnisse übernommen, die im vorangegangenen Kapitel unter dem Aspekt der Meritorik umfassend geführt wurde.

Abbildung 3:

Kriterienkataloge journalistischer Qualität – entnommen aus Neuberger, Christoph: Qualität im Onlinejournalismus, in: Beck, Klaus; Schweiger, Wolfgang, Wirth, Werner (Hrsg.): Gute Seiten – schlechte Seiten, Qualität in der Onlinekommunikation, München 2004, S. 38.

Der Ruf nach Qualität als Antwort auf Herausforderungen des Journalismus ist – für sich alleine genommen – zunächst weder originell noch neu. Entscheidend ist aber die Frage, wie tragfähig ein Qualitätsbegriff sein kann. Ulrich Saxer stellt fest: „Weil das Phänomen journalistischer Qualität so komplex ist, hat dies zur Folge, dass im Diskurs ganz verschiedene Dimensionen von Qualität thematisiert werden. Man spricht gar nicht vom Gleichen“ (2000, S.192). Und Weischenberg bemängelt: „Probleme bereitet offenbar, sich auf eindeutige und exklusiv inhaltliche Kriterien für Qualität zu verständigen. Dies gilt auch für die

92 am häufigsten genannten Merkmale wie Objektivität, Ausgewogenheit, Vielfalt, Relevanz, Genauigkeit, Sorgfalt, Fairness, Unparteilichkeit, Verständlichkeit, Transparenz (…). Dabei handelt es sich im Wesentlichen aber um konsentierte professionelle Regeln für den Nachrichten-Journalismus.“ (Weischenberg 2003, S. 169). Kurzum: „Der Begriff publizistische oder journalistische Qualität lässt sich nicht endgültig definieren. Die eine Qualität gibt es nicht. Um Qualitätskriterien sinnvoll anwenden zu können“ – und Hermes (2006, S. 38) beschreibt hier durchaus einen Konsens der kommunikationswissenschaftlichen Forschung – „müssen zahlreiche Perspektiven berücksichtigt werden.“ (Hermes 2006, S. 39). Die Beschäftigung mit publizistischer Qualität erinnert in dieser Vielfalt der Perspektiven an Don Quijotes Kampf mit den Windmühlen (Cervantes, El ingenioso hidalgo Don Quijote de La Mancha, Spanien 1605, erste deutsche Übersetzung 1622). Mit jedem neuen definitorischen Schwerthieb wird die Aussichtslosigkeit eines finalen Schlages angesichts des übermächtigen Gegners offensichtlich. Möglicherweise hat ja Stephan Ruß-Mohl doch noch immer recht, wenn er 1992 konstatiert: „Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln“ (Ruß-Mohl 1992a, S. 85), auch wenn er sich zwischenzeitlich deutlich davon distanziert hat: „Es gehört zu den amüsanteren, aber auch schmerzlichen Erfahrungen wissenschaftlichen Arbeitens, dass gerade dieses Zitat noch immer munter zirkuliert, während sich sein Urheber sich längst eines besseren belehren ließ und (…) inzwischen der Auffassung ist, dass sich journalistische Qualitätskriterien im Gegensatz zu Wackelpeter eben doch ‚festpinnen’ lassen.“ (Held, Ruß-Mohl 2000, S. 368). Entscheidend scheint hier der Begriff des „Festpinnens“ – denn wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, ist tatsächlich die Aktivität der Setzung, also einer bewussten Entscheidung für „gewählte“ Kriterien. Korrekterweise muss hinzugefügt werden, dass in einem solchermaßen situativ-strategischen Qualitätsverständnis die Aggregation solcher Kriterien für alle Medien oder wenigstens für eine Mediengattung im Sinne einer DIN-Standardisierung mit Pütz (1994, S. 21) „unsinnig“ bleibt. Man kann es sich also zwischenzeitlich nicht mehr so leicht machen wie Weber und Rager (1994, S. 7) und von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen Industrieunternehmen, die die Qualitätsvorstellungen ihrer Kundschaft kennen würden, und Redaktionen, in denen das nicht so ist, ausgehen. Es mag sein, dass es im produzierenden Gewerbe mit industrieller Ausrichtung klarere Vorstellungen von den Produktkategorien gibt, die Wert beim Kunden bestimmen, der Unterschied erfolgreichen Qualitätsmanagements liegt möglicherweise jedoch überwiegend darin, dass erfolgreiche Unternehmen sich trauen, Standards zu fixieren, die dann präzise überprüft werden können. Hier werden also Qualitätskriterien bewusst gewählt und handlungsleitend genutzt. Und selbst wenn es in Redaktionen einen Grundkonsens über die angestrebte Qualität gibt, wie Weber und Rager (1994, S. 7) konstatieren, aber die Kriterien dafür nicht eindeutig definiert sind, dann wird nicht nur die Überprüfung unmöglich, sondern läuft jedes journalistische Qualitätskonzept ins Leere. So gesehen definieren dann – quasi in Analogie zum vorangegangenen Abschnitt einer betriebswirtschaftlichen Begriffsprägung – Fabris und Renger (2003, S. 81) durchaus korrekt: „Qualität ist die Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit (eines Produktes, eines Prozesses oder einer Dienstleistung) bezüglich deren Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen.“, und man erkennt in dieser Definition ebenfalls eine Nähe zu den Ingenieurwissenschaften, dort (siehe Abschnitt 2.1.2) wird schließlich ebenfalls von einer Zwecksetzung her definiert. Daraus folgt konsequenterweise: Auch publizistische Qualität braucht die Festlegung von Erfordernissen.

93 Entsprechend bemüht sich die Journalistik durchaus darum, Qualitätskriterien und Qualitätsbegriffe zu entwickeln, die dabei helfen, das „Mehrebenenproblem“ journalistische Qualität über gesetzte Merkmale zu durchdringen. Welche verschiedenen Dimensionen hierbei zu berücksichtigen sind, haben Fabris und das Salzburger Forschungsprojekt zur Qualität herausgearbeitet: Es „handelt (…) sich bei der Qualitätsforschung in der Regel um den Versuch, bestimmte Merkmale, Eigenschaften, Werte eines Medienproduktes, eines Medienakteurs, Medienunternehmens oder Mediensystems zu untersuchen und spezifische Standards herauszufinden, die es erlauben, zwischen ‚gutem’ und ‚schlechtem’ Journalismus (…) zu unterscheiden. Eine derartige ‚Leistungsbeurteilung’ kann dann unter wirtschaftlichen, ästhetischen, publizistischen, rechtlichen usw. Vorzeichen erfolgen.“ (Fabris 2001, S. 56). Diese Vorzeichen werden wiederum auf einer Mikroebene mit Hilfe bestimmter Qualitätsvariablen klassifiziert. Solche zentralen Variablen wären etwa „‚Aktualität’ (…), ‚Relevanz’ der ausgewählten Themen und Ereignisse, ‚Richtigkeit’ der referierten Daten, ‚Vermittlungskompetenz’ im Sinne handwerklichen Könnens.“ (Fabris 2001, S. 61). Hier zeigt sich eine weitere Herausforderung: Die meisten Variablen mit Handlungsbezug lassen sich zumeist direkt auf der Akteursebene (individuell und in der Redaktion) manifestieren, gleichzeitig aber sind – wie erwähnt – die Ebenen der Institution, der Aussagen und des Mediensystems betroffen (vgl. dazu auch Fabris 2001, S. 63). Vielleicht erscheinen viele der von unterschiedlichen Autoren gesetzten Variablen und Kriterien in ihrer Beschreibung willkürlich und dogmatisch. Zumindest – und das gilt auch für viele weitere Aspekte auf den folgenden Seiten – erschöpfen sie sich in informellen oder intuitiven journalistischen Routinen, in konventionellen Standards oder Selbstverständlichkeiten der Profession. Altmeppen (2003, S. 114) stellt quasi simplifizierend die hierzu passenden Fragen: „Ist ein einzelner Beitrag oder eine ganze Sendung oder eine Zeitung der Vergleichsmaßstab? Bestimmen die (…) Journalisten oder das Publikum über die Qualitätskriterien? Sind die Quote und die Auflage das Kriterium oder Aktualität, Relevanz und Rechtmäßigkeit der journalistischen Angebote?“ Man könnte es sich im Sinne einer Komplexitätsreduktion grundsätzlich leicht machen und mit Karmasin, Qualität in ethische (Übereinstimmung mit den Normen journalistischer Ethik), ästhetische (Übereinstimmung mit dem Verständnis von Schönheit) und ökonomische (Akzeptanz durch den Rezipientenmarkt) Qualität unterteilen und diese Kriterienräume voneinander getrennt jeweils aus der Sicht des Individuums (Mikroebene) und aus der des Systems (Makroebene) betrachten (1996, S. 18f.). Optimale mediale Qualität würde nach dieser Überzeugung als Integration von publizistischer (ethischer und ästhetischer) und ökonomischer Qualität (erfolgreiche Anpassung an den Markt) erzielt. Karmasin ist dabei der Meinung, dass sich beides nicht ausschließen muss: „Wirtschaftlicher Erfolg ist nicht nur aufgrund der Verletzung journalistischer bzw. kommunikationswissenschaftlicher Qualitätsstandards erzielbar. Aktualität, Richtigkeit, Relevanz und ethische Normen wie kommunikative Gerechtigkeit, Verantwortung für das Gemeinwohl und Objektivität müssen nicht unbedingt und nicht immer mit ökonomischen Zielen in Widerspruch stehen. Der publizistische Wettbewerb ist also vom ökonomischen ebenso wenig zu trennen wie ökonomischer Erfolg vom publizistischen.“ (Karmasin 1998, S. 333). Auch Karmasin gelingt es also am Ende nicht, die widerstreitenden Aspekte journalistischer Qualität in einer einheitlichen Anschauung zu harmonisieren. So ist zwar der Erfolg beim Rezipienten eindeutig Qualitätsmerkmal, „die Realisierung rein ökonomischer Qualität aus Perspektive der ethischen und ästhetischen Vernunft“ stellt sich jedoch auch ihm als problematisch dar

94 (Karmasin 1998, S. 329). Solchermaßen gelagerte Vereinfachungen und Versuche, Kategoriensysteme zu harmonisieren, scheitern also stets am grundlegenden Dilemma, das schon die im ersten Kapitel dieses Buches behandelte Anpassungshypothese zusammenfasst. Zweifelsohne liegt eine große Herausforderung der Medienwissenschaft, sich angesichts von Kommerzialisierungs- oder Demokratisierungsprozessen (vgl. Rau 2005) diskursiv den unterschiedlichen Auffassungen über eine „Marktanpassung“ zu nähern.

Abbildung 4:

Qualität im Journalismus zwischen Professionalität und Akzeptanz, Senderund User-Quality (nach Lang et. al. 2005, o.S.).

Sehr konsequent erfassen Lang et.al. (2005, o.S., vgl. Abbildung 4) die unterschiedlichen Perspektiven. Journalistische Qualität spiegelt sich hier im Ausgleich zwischen Professionalität und Akzeptanz, sie ergibt sich als Synthese aus dem Rollenverständnis seiner Akteure („Sender Quality“) und den Wünschen der Rezipienten („User-Quality“). Diese in der Überzeugung der vorliegenden Argumentation zentral erscheinenden Begriffe sind von Rössler (2004, S. 127 ff.) übernommen. In der Übersichtsgrafik (Abbildung 4) sind ver-

95 schiedene Aspekte verarbeitet: Schatz/Schulz (1992): Rechtmäßigkeit, Vielfalt, Professionalität, Akzeptanz, Relevanz; Rager (1994c, S. 189): Aktualität, Relevanz, Richtigkeit, Vermittlung; Rössler (2004, S. 127): Sender Quality, User Quality; Vlasic (2004, S.15): Vielfalt. Abbildung 4 ist gleichermaßen eine Handlungsanleitung zur Ermittlung der erforderlichen Synthese in Form eines aufeinander bezogenen Kreislaufs, der zusätzlich auf die Unterscheidung von publizistischem und ökonomischem Erfolg verweist und damit die Qualitätsbestimmung endgültig in die strategische Wahl münden lässt. Bleibt also erneut festzuhalten: Das Verständnis von Qualität hängt jeweils von der Position des Betrachters und dem von ihm gewählten Begründungszusammenhang ab: „Qualität ist unter anderem abhängig vom Medium, der Zielgruppe, dem Genre und auch der Quellenlage. Sie ist aber auch abhängig von der Funktion, die Journalismus erfüllen soll.“ (Ruß-Mohl 1996, S. 102). Sieht man, die Überlegungen Ruß-Mohls vorausgeschickt, Journalismus als geprägt vom (wie auch immer zu legitimierenden) Bewusstsein, im demokratischen Kontext vierte Gewalt zu sein, gesellschaftliche Aufgabe, wird sich die Qualitätsbeurteilung stark am Selbstverständnis des Medienakteurs orientieren. Dieser bildet den Kern im Zwiebelmodell von Weischenberg und zählt damit zu einer von vier Dimensionen des Journalismus (Weischenberg 2004, S. 68). Qualitätsverständnis stünde in der Weiterführung dieser Annahme in Abhängigkeit selbst gewählter Rollenbilder wie etwa derjenigen des Gatekeepers oder des Anwalts seiner Rezipienten. Doch die Ebene der Akteure „als Kern des Weischenberg’schen Zwiebelmodells kann nicht unabhängig von den sie umschließenden Häuten gesehen werden“ (Hermes 2006, S. 26). Und erneut wird ersichtlich, dass sich journalistische Qualität in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung als Mehrebenen- und Vielfaktoren-Phänomen problematisiert. Abbildung 5 veranschaulicht die Wechselwirkungen und Zusammenhänge in diesem offenen Zusammenspiel unterschiedlicher Qualitätsinteressen. Diese Umsetzung von Heine (2005, o.S.) berücksichtigt ästhetische und publizistische Faktoren ebenso, wie ökonomische oder normative. Die grafische Ansicht erfasst nun gut die hohe Komplexität, mit der journalistische Qualität in ihren unterschiedlichen Bezügen zu sehen ist. Die besondere Leistung der Bildgestaltung liegt darin, Wechselwirkungen, Anspruchshaltungen und Interessensgruppen zu durchdringen. Besonders interessant an dieser Herangehensweise erscheint darüber hinaus, dass die journalistische Leistung einer medialen Vermittlung das Ergebnis von Austauschprozessen zwischen politisch-normativen und ökonomischen Einflussfaktoren sowie zwischen Akteurs- und Rezipientenebene darstellt. Begriffe journalistischer Qualität sind also stets in diesem Aktionsfeld abhängig vom Stand- oder Orientierungspunkt zu entwickeln und zu differenzieren. Die Grafik zeigt auch: Qualität ist in diesem Beziehungsgeflecht ein Ergebnis von konsequenten Setzungen. Mit Hilfe der Grafik wird der Entscheidungsraum für journalistische Qualitätsbegriffe deutlich ausgeweitet und in einmaliger Komplexität in seiner gesamten Breite präsentiert. Für diese Abbildung könnte es sogar sinnvoll sein, den ästhetischen und den ethischen Imperativ nach v. Foerster (1993) mit seiner streng konstruktivistischen Haltung (Wirklichkeit = Gemeinschaft) zugrunde zu legen12. Denn diese Übersicht öffnet quasi im v. Foerster’schen Sinne die Wirklichkeit journalistischer Qualitätsbegrifflichkeit als ein Zusammenspiel, das sich je nach Standort in der Systematik grundlegend verändert. Wirklichkeit ergibt sich nur über die Gesamtheit oder aber über die denkbare Schnittmenge aller möglichen Perspektiven. 12

Der ästhetische Imperativ: Willst du erkennen, lerne zu handeln. Der ethische Imperativ: Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst (vgl. 1993, S. 49; Kursivschrift gemäß H. v. Foerster).

96

Abbildung 5:

Qualität im Journalismus in einem Netzwerk umfassender Bezüge (nach Heine 2005, o.S.)

97 Auch das in Abbildung 6 präsentierte Ordnungssystem, versucht nun gleichermaßen den komplexen Entscheidungsraum zu durchdringen und führt neben den beteiligten Subjekten eine Systemebene ein. Innerhalb der Matrix kann eine entsprechend gewählte Anspruchshaltung an den Akteuren und am System abgeglichen werden. Die Leistung dieses Ansatzes liegt in der Systematisierung mit der nun gegebenen Möglichkeit, aktiv gewählte Strategieoptionen zu ordnen. Alle Kriterien, die in die tabellarische Übersicht aufgenommen wurden, sind keinesfalls neu oder unverbraucht – aber erstmalig ergibt sich ein praktikables Arbeitsinstrument, Strategieoptionen auch theoretisch zu ordnen und in ihrer Anspruchshaltung und Zielrichtung zu verorten.

IDEALTYPISCHNORMATIV

SYSTEMBEZOGEN

FERTIGUNGSBEZOGEN

KUNDENBEZOGEN

Gesellschaftliche Dimension

Dimension des Produzenten

Dimension des Rezipienten

Kommunikation zwischen Systemakteuren; Kontrollfunktion (4. Gewalt) Meinungspluralität, Informationsfreiheit gewährleisten

Aktualität Authentizität Universalität Publizität

Information Unterhaltung Bildung

Neutralität Positionierung

Nutzwert Orientierung

Normativ ontologische Handlungsethik

PRAGMATISCHNORMATIV

Vermittlung rechtsstaatlicher Normen; Instrument freier Meinungsäußerung

ÄSTHETISCH

Journalismus als Kulturleistung

ÖKONOMISCH

Unabhängigkeit durch Rentabilität

Abbildung 6:

Sorgfaltspflicht; Professionsethik / Institutionsethik; Persönlichkeitsrechte; Periodizität; Verständlichkeit/Lesbarkeit; Kreativität; Angemessenheit; Rentabilität, Professionalität (Beruf); Produktionseffizienz:; Æ Leistung = Arbeit / Zeiteinheit (physikalischer Leistungsbegriff)

Nachvollziehbarkeit; Glaubhaftigkeit; Nähe?! Genuss; Unterhaltung?! (gratifikatorisch)

Nutzeneffizienz: Æ Kosten/Nutzen; Æ Aufwand/Nutzen (geistig, zeitlich)

Journalistische Qualität im mehrdimensionalen Raum (nach Taubert 2005, o.S.).

Die in den Abbildungen vier bis sechs präsentierten Zusammenhänge, zeigen Versuche, den Definitionsraum für publizistische Qualität zu durchdringen. Ihr Wert liegt darin, in einer bisher noch nicht in dieser Stringenz vorliegenden Weise, Wege der Systematisierung aufzuzeigen. Sie veranschaulichen gleichermaßen die hohe Komplexität der Problemstellung

98 und verweisen auf die Unmöglichkeit, publizistische Qualität für alle Betrachtungswinkel und („sozialpolitischen“) Standpunkte festschreiben zu wollen. In diesem definitorischen Entscheidungsraum wird man, pragmatisch betrachtet, nur zu praxisfähigen Richtlinien gelangen, indem man einen der beiden folgenden Wege beschreitet: ƒ ƒ

Entweder wird Qualität substantiell mit Hilfe von Kriterien definiert, die direkt am jeweiligen publizistischen Produkt gemessen werden; oder Qualität definiert sich in Form von Ansprüchen, die von ausgewählten Stakeholdern (Anspruchsgruppen) formuliert werden (vgl. Neuberger 2004b, S. 34.).

Diese Überlegungen, zu einer im journalistischen Alltag tauglichen Arbeitsdefinition zu gelangen, scheinen zentral. Sie bedeuten: In der journalistischen Qualitätsbegrifflichkeit muss man zwischen ƒ ƒ

passiv-reaktiv-analytischen und aktiv-strategischen

Setzungen unterscheiden. In einem jüngeren Ansatz erweitert Neuberger den zweiten Punkt seiner Überlegungen, dass man Ansprüche zusammenfassen kann, die von „jeweils maßgeblichen“ Anspruchsgruppen formuliert werden und listet (2006, S. 7, vgl. Abbildung 7) Wertungssubjekte auf, „die Qualitätsmaßstäbe definieren, Qualitätsurteile fällen und durch unterschiedliche Steuerungsmittel versuchen, die Qualität von Medien zu beeinflussen.“ (Neuberger 2006, S. 6). Er bietet mit Abbildung 7 also eine pragmatische Variante strategischer Definitionsentscheidung. Sein durchaus überdenkenswerter Vorschlag: Zwischen der autonomen Bewertung von Akteuren, die an der Kommunikation beteiligt sind, und der repräsentativen Bewertung spezialisierter Beobachter zu unterscheiden. Den Überlegungen liegt dabei zusätzlich eine Differenzierung von Elementen des Aussagetyps „Wertung“ zugrunde: Wertungssubjekt (Wer wertet?), Wertprädikat (Wie wird etwas bewertet?), Wertträger (Was wird bewertet?) und Wert (Nach welchem Maßstab wird etwas bewertet?) (Diese Unterscheidung hat Neuberger bereits in früheren Publikationen getroffen, vgl. 1996, S. 49-52). Interessant wird dieser Ansatz vor allen Dingen deshalb, weil er durchaus an den Ansprüchen der Praxis orientiert einen sehr weiten Qualitätsbegriff verwendet, der nicht auf bestimmte Wertmaßstäbe (z.B. gesellschaftliche Erwartungen oder Berufsnormen) oder Wertungssubjekte (z.B. Experten, Medienschaffende) beschränkt ist. Nimmt man alle bisherigen Bemühungen um Transparenz für eine journalistische Qualitätsbegrifflichkeit zusammen, so zeigt sich, dass drei Ebenen eine Rolle spielen: ƒ ƒ ƒ

die Ebene normativer Rahmensetzungen, die Akteursebene mit ihren professioneller Standards sowie die Rezipientenebene, auf der Ansprüche und Erwartungen ihren Ausdruck finden.

Die folgenden Abschnitte sollen in aller Kürze auf Studien und Ansätze verweisen, die insbesondere jeweils einer dieser drei Ebenen zuzuordnen sind.

99

Abbildung 7:

Perspektiven der Bewertung von Medienangeboten nach Neuberger, Christoph: Medienpreise als Qualitätsmaßstab. Eine vergleichende Befragung von Preisträgern, Juroren und Redaktionen über den Adolf Grimme Preis und den Grimme Online Award, Westfälischen WilhelmsUniversität Münster, Stand: Januar 2006.

100 2.1.3.1 Journalistische Qualität auf der normativen Ebene Der normative Zugang leitet sich aus einem verfassungsrechtlich begründeten öffentlichen Auftrag der Presse, aus den rechtlichen Grenzen der Pressefreiheit durch die Landespressegesetze sowie zusätzlich aus wie auch immer gelagerten berufsethischen Normen ab (vgl. auch Abbildung 4). In funktionsfähigen demokratischen Gesellschaften legitimieren sich offensichtlich regelmäßig Instanzen, die normativ auf die Ebene der Medienproduktion wirken. Der Vorteil des normativen Begründungsrahmens liegt also darin, dass eine Legitimation der Instanzen bereits erfolgt ist und dementsprechend nicht erneut zu leisten ist. Ein normativ begründetes Qualitätsverständnis der Publizistik wird sich damit stets auch dem Wandel anpassen, dem gesellschaftliche Instanzen in politischen Entscheidungsräumen unterworfen sind. Die herausragenden Vertreter eines normativ gesetzten Qualitätsverständnisses sind Schatz und Schulz (1992). Sie entwickeln aus dem Wertesystem strukturelle (Sparten, Darstellungsformen) und inhaltliche (Vielfalt, Rechtmäßigkeit) Kriterien. Zusätzlich schaffen Sie mit „Professionalität der Journalisten“ eine Qualitätsinstanz auf der Akteursebene, die sowohl inhaltlich als auch gestalterisch wirkt – deren interpretative Vielseitigkeit jedoch fraglos zu den Schwächen dieses Qualitätsansatzes zählt. Außerdem beziehen Schatz und Schulz die Rezipientenebene mit ein und nennen öffentliche Relevanz journalistischer Produkte (Präferenzenaggregat?) und Akzeptanz beim Publikum (intersubjektiv?) als Kriterien journalistischer Qualität (1992, S. 709). Schatz und Schulz beziehen sich recht durchgängig auf McQuail (1992), der Medienqualität direkt mit einem Demokratieverständnis abendländischer Prägung verknüpft. Die Befriedigung des öffentlichen Interesses liefert für ihn innerhalb eines politischen Rahmens den höchsten Nutzen – und wird deshalb als ultimativer Qualitätsmaßstab gesetzt. Als Grundwerte für Kommunikation (in der Gesellschaft) verankert er Freiheit (Pressefreiheit, freier Informationszugang, Herstellung einer öffentlichen Debatte, Kritik und Kontrolle durch die Medien), Gleichheit (gleicher Medienzugang, Gleichbehandlung in der Darstellung) und Ordnung bzw. Solidarität (Kommunikation fördert gesellschaftliche Integration und Stabilität) – und er liefert damit einen durchaus nachvollziehbaren Rahmen für normative (im Sinne einer regulierenden) „Kreativität“. Zusätzlich zu den Ansätzen McQuails, könnte im Rahmen einer deutschsprachigen Publikation auf der normativen Ebene das Aktionsfeld des Deutschen Presserates erschöpfend diskutiert werden. Dies wäre im Sinne des Ansatzes dieser Arbeit nicht zwingend zielführend und kann deshalb vernachlässigt werden, zumal die normative Leistung des Aktionsspektrums umstritten bleibt.

2.1.3.2 Journalistische Qualität im Bild der Akteure Journalistische Qualität auf der Akteursebene zu definieren, benötigt ebenfalls den Blick auf die normative Rahmensetzung. Insofern fällt es schwer, die beiden Abschnitte und damit die Betrachtungsweisen voneinander zu scheiden. Auf der Akteursebene kann man vom Stichwort „Professionalität“ ausgehen (vgl. Abbildung 4 und den Ansatz von Lang et. al. 2005, o.S.). Schatz und Schulz spiegeln journalistische Professionalität an „üblichen“ handwerklichen Kriterien wie Verständlichkeit, Richtigkeit, Relevanz, Ausgewogenheit, Neutralität, Trennung von Nachricht und Meinung etc.. Hier besteht, so zumindest die Ein-

101 schätzung der Autoren, zwischen dem aktuell vertretenen Qualitätsverständnis der Journalistik (Theorie und Lehre) und dem des Journalismus (Praxis) weitestgehend Kongruenz. Im Folgenden werden Befragungsergebnisse und Studien vorgestellt, die insbesondere kennzeichnen können, welches Qualitätsverständnis ausgewählte Akteure einbringen. Die vorgestellten Studien sind mit Bedacht gewählt, stehen für einen größeren Zeitraum und beschränken sich nicht allein auf den deutschsprachigen Raum sondern integrieren bewusst empirische Befragungsergebnisse aus den Vereinigten Staaten. Dabei liegt der Fokus auf dem Feld der Tageszeitungen, da sich die empirische Qualitätsforschung am besten dokumentieren lässt. Im Jahr 2000 befragte Siegfried Schmidt Chef- und leitende Redakteure von zehn Regionalzeitungen in Ost- und Westdeutschland zum Thema Qualität und stellte fest: „Die überwiegende Mehrheit der Befragten nannte als Erstes die gängigen Standards journalistischen Handwerks, also Professionalitätskriterien. Häufigste Antworten waren: ‚Die Leser aktuell, umfassend und verständlich informieren’ dabei die ‚Sorgfaltspflichten beachten’ und ‚genau recherchieren’ sowie ‚wahrheitsgemäß berichten’ und ‚Zusammenhänge aufzeigen’, das aktuelle Geschehen insgesamt ‚verständlich machen’“ (Schmidt 2000, S. 37). Für den US-amerikanischen Tageszeitungsmarkt entwickeln Lacy und Fico (1990, vgl. auch Lacy 1987) in ganz ähnlicher Weise acht qualitätsbestimmende Kategorien, wobei dieser Ansatz hier deshalb angeführt wird, weil die redaktionell-journalistische Arbeit auf höherer Ebene – nämlich bei der Ausprägung der Ausgaben – angesiedelt wird. Dies ist ein in der Qualitätsdiskussion des deutschsprachigen Raumes eine eher außergewöhnliche Position. Die Kriterien im Einzelnen: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Bekenntnis zu Ausgaben, die vor Ort erstellt werden, Anzahl der Ausgaben, die nicht aufgrund von Werbung abgegrenzt werden, Verhältnis von redaktionell und werblich genutztem Raum, Anzahl von interpretierenden und Hintergrundberichten, Anzahl der Grafiken , Anzahl von Nachrichtendiensten, Länge der Berichte – mehr Tiefe, Arbeitsbelastung der Reporter (vgl. Lacy/Fico 1990, S. 46, vgl. zusätzlich auch Lacy 1987).

Für eine andere Studie des amerikanischen Zeitungsmarktes extrahierte Gladney (1990, S. 58ff.) auf der Akteursebene insgesamt 18 Faktoren, die die Qualität von Zeitungen bestimmen. Er teilte sie in organisatorische und inhaltsbezogene. Gladney nutzte die Faktoren um nachzuprüfen, wie unterschiedlich Redakteure von kleinen und solche von großen Tageszeitungen Qualität einschätzen. Auch dieser Ansatz ist im Vergleich zur Qualitätsdiskussion in Deutschland eher als außergewöhnlich zu bezeichnen und wird deshalb hier gesondert herausgestellt. 1.

Die „organisatorischen Standards“:

ƒ ƒ

Integrität – der Scharfsinn einer Zeitung für professionelle Ethik, Unternehmungsgeist der Beschäftigten – aggressive und originäre Berichterstattung,

102 ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Führungsanspruch in der örtlichen Gemeinschaft – die Bereitschaft eine aktive Rolle zur Verbesserung der Lebensumstände und der Wohlfahrt in der lokalen Gesellschaft zu spielen, redaktionelle Unabhängigkeit – Freiheit von äußerem Druck, der von politischen Interessensgruppen oder wirtschaftlichen Kräften ausgeübt wird, Professionalität der Mitarbeiter – Bereitschaft gegen Falsches zu kämpfen, Anstand – ein Gespür für Moral und „Sauberkeit“, Einfluss – hoher Aufmerksamkeitswert bei Meinungsführern, Unparteilichkeit – Fairness bei der Auswahl und Aufbereitung und Verbreitung von Nachrichten. (Gladney 1990, S. 65).

2.

Die „inhaltlichen Standards“:

ƒ

Nachrichteninterpretation – Betonung von Nachrichteninterpretation, Nachrichtenanalyse und Hintergrundberichterstattung, Fehlen von Sensationalismus, starke Abdeckung lokaler Nachrichten, optisches Erscheinungsbild – effektive und attraktive Präsentation der Nachrichten durch den Gebrauch von visuellen Werkzeugen wie zum Beispiel Typografie, Fotografie, Infografik, Farbe, Layout und Design, Korrektheit, starke Meinungsseite (‚editorial page‘), „CP (Community Press) Standard“ – besonderen Wert auf die Erfassung von Nachrichten legen, die allgemeine gesellschaftliche Werte betreffen und dabei helfen, dem Leser einen Sinn für die Existenz von Individuen und ihren Wert zu vermitteln, umfassende Themenwahl – die Berücksichtigung von Nachrichten aus Bereichen, die außerhalb des direkten Verbreitungsgebietes liegen, gute Schreibe (Gladney 1990, S. 66).

ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Gladneys Studie bestätigte trotz dem etwas unkonventionellen Auflistung von organisatorischen und inhaltlichen Standards das, was später auch Schmidt für deutsche Tageszeitungsjournalisten in Ost und West (vgl. 2000) nachweisen konnte: Redakteure – gleichgültig, ob sie für große oder kleine Blätter arbeiten – besitzen gemeinsame Werte (Gladney 1990, S. 70). Übrigens postuliert auch Weischenberg in ganz ähnlicher Weise ein Qualitätsbewusstsein auf Akteursebene. Beim journalistischen Handeln komme es seiner Ansicht nach allerdings zu einer „Schieflage zwischen Akteur und System, die zu Lasten der Qualität des Produktes geht.“ (2003, S. 175). Fast drei Jahrzehnte vor Gladneys Studie hatte übrigens Tebbel auf ganz ähnliche Weise Qualitätsfaktoren aus Sicht der Akteure verortet. Der am häufigsten genutzte Standard, an dem zumindest große Tageszeitungen gemessen wurden, war „die komplette Nachrichtenabdeckung, die umfassende Behandlung der Themen“ (Tebbel 1961, S. 59). Und mit Noll (1994, S. 17) ist aus Akteurssicht „wichtiges Qualitätsmerkmal“ die Themenwahl, dass das Medium „ganz nah an dem“ ist, „was die Menschen beschäftigt, worüber sie ohnehin bereits reden oder worüber sie sofort zu reden bereit sind, sobald ihnen das Thema angeboten wird“. Aus diesem Grund wird übrigens später gezielt auf die Arbeitstechnik Total Community Coverage eingegangen, die gerade dieses zum Ziel hat. Diese Arbeits-

103 technik kann ergo zu einem marketingbezogenen „Qualitätswerkzeug“ auf der Akteursebene erklärt werden (vgl. Kapitel 3). Wie bei Noll (1994) stehen in vielen Veröffentlichungen zum Thema die inhaltlichen Merkmale (vgl. oben Gladney) im Vordergrund. Das unterstreicht dann auch eine Befragung des US-Verlegermagazins „presstime“, die im Jahr 1984 eine besonders interessante Liste der „besseren“ unter den kleinen Tageszeitungen (vgl. Rambo 1984, S. 15 ff.) veröffentlichte. Die herausgestellten 14 Blätter unterschieden sich besonders im Faktor „journalism enterprise“, durch journalistische Initiative also, von den anderen in die Studie aufgenommenen und eben „schlechteren“ Tageszeitungen. Zu dieser Initiative zählte Rambo „eine Berichterstattung, die innovativ ist und in die Tiefe geht, sowie Arbeit in der Redaktion mit Vorstellungskraft und Sorgfalt“ – und diese waren ein Produkt journalistischer Gestaltung (vgl. Rambo 1984 S. 20 f.) – von den Akteuren bestimmte Qualität also. Ebenso hat Ende der 1980er Jahre Connery (1989) die Qualität von kleinen US-amerikanischen Tageszeitungen getestet und dabei insbesondere die Einbindung der Manager betrachtet. In seiner Untersuchung wurden Zeitungshäuser gebeten, jene Faktoren einzuschätzen, die eine bessere Zeitung ausmachen. Von 55, die die Frage beantworteten, schätzten 50 als wichtigsten Faktor die regionale Abdeckung ein. Andere Aspekte folgen in der Rangliste: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

übergreifende Abdeckung der lokalen Gesellschaft (community), die Meinungsseite (Editorial page) bezieht klar zu Themen der lokalen Gesellschaft Stellung, ein beständiger Anteil von Hintergrundberichterstattung, effektives Design und Outfit der Tageszeitung, Meinungsforum / Leserforum für Themen der lokalen Gesellschaft, übergreifende Sportberichterstattung, Arbeit von individuellen Reporterpersönlichkeiten, lebendige Features, starker Fotojournalismus (vgl. Connery 1989, S. 64).

Die Untersuchungen von Connery (S. 63) haben als wichtiges Element der Akteursebene auch die Unterstützung durch das Management ausgemacht. Ein wesentlicher Punkt für die weitere Qualitätsdiskussion – auch im Europa der für viele Medienunternehmen fallenden Umsatzrenditen. „Nach dem Besuch der sechs Zeitungshäuser wurde uns klar, dass die Wurzeln von übergreifender, originärer Berichterstattung und diejenigen einer starken Meinungsseite ebenso wie die der anderen erwähnten Faktoren in der Unterstützung durch ein Management liegen, das auf einen Glauben, eine Philosophie vertraut, der beziehungsweise die für die gesamte Zeitung steht.“ (Connery 1989, S. 63). Das aber heißt also schon Ende der 1980er Jahre: Führung nach dem Primat der Kernkompetenzen mit starken Persönlichkeiten, die – wie auch immer – in der publizistischen Verantwortung stehen (vgl. Kapitel 1 zur Frage Kerngeschäft versus Kernkompetenz). Hier wird deutlich, warum diese – für viele etwas angestaubt erscheinenden Studien der 1980er Jahre hier noch einmal aufgegriffen werden. Sie verlinken Qualität einmal mehr direkt mit dem Strategisierungstheorem, das im ersten Kapitel entwickelt wurde.

104 2.1.3.3 Journalistische Qualität im Bild der Rezipienten Es könnte so leicht sein: Qualität ist das, was die Leser, Hörer und Zuschauer für Qualität halten und die entsprechenden Messgrößen sind dann verkaufte Auflagen, Einschaltquoten und Reichweiten, die Haushalts- oder Zielgruppenabdeckung. Eine hohe Akzeptanz beim Rezipienten kann per se kein Qualitätsausweis sein (Ruß-Mohl 1996, S. 106), genauso wenig aber definiert sich journalistische Qualität am Publikumsgeschmack vorbei: „Über journalistische Qualität lässt sich nicht abstrakt diskutieren, insbesondere nicht losgelöst von den Publika und Zielgruppen, für die das jeweilige journalistische Produkt bestimmt ist“ (Ruß-Mohl 1994a, S. 22). Ein Dilemma: Die Problematik einer Betrachtung journalistischer Qualität aus Sicht des Rezipienten begleitet dieses Buch vom ersten Abschnitt an. Wie steht es um die Rezipientenbedürfnisse – sind Auflage und Quote und damit reale Marktgrößen allein ausschlaggebend, oder muss nicht doch eine individuell-meritorische oder eine konstitutionenökonomisch begründbare Bedürfnis- oder Präferenzkomponente berücksichtigt werden? Im Grunde könnte man die im ersten Kapitel zusammengestellte Betrachtung von Bedürfnissen nach Freud, Jung, der Budapester Schule oder dem Kommunitarismus und Lefèbvre auch hier noch einmal aufführen (vgl. dazu die Ausführungen im ersten Kapitel, S. 30). Das Problem einer Herleitung von Qualitätsnormen aus der Befriedigung von Bedürfnislagen führt gezwungenermaßen zu den stets mangelnden Kenntnissen über die Bedürfnisse der Rezipienten und verweist damit erneut auf die sich aus unterschiedlichen Präferenzebenen speisende Meritorikdiskussion (vgl. Kapitel 1, Abschnitt 1.4, S. 29 ff.). Grundsätzlich liegt natürlich der Vorteil einer rezipientenorientierten Sichtweise darin, dass an den Medieninhalt selbst keine absoluten Maßstäbe gelegt werden, weil die „Nutzer ihn relativ zu ihren Interessen in einer bestimmten Situation beurteilen.“ (Neuberger 1997, S. 173).13 Auch wenn sich nur schwer klassifizieren lässt, wie wichtig dem Rezipienten Information, Unterhaltung, Kommunikationsstoff, Orientierung oder Partizipation sind, so lassen sich doch Kategorien zusammenstellen, mit deren Hilfe diese Bedürfnisse adressiert werden können (vgl. Penshorn/Streitenberger 2005, S. 23): ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ 13

Attraktivität (Gestaltung und Inhalt) Transparenz (Quellen und Zuständigkeiten) Partizipationsmöglichkeiten (der Rezipienten) Problemlösungs- und Handlungsvorschläge (Nutzwert) Meinungsbildung (als Orientierungshilfe) Relevanz (Was interessiert den Rezipienten, welche Probleme hat er?)

Den Nutzen des Rezipienten sieht Neuberger übrigens in erster Linie in der Befriedigung des Informationsbedürfnisses. Nach Haller bestätige bezogen auf das Medienprodukt Tageszeitung die qualitative Leserforschung, „dass die Abonnenten ihre Zeitung nicht als Konsumprodukt, sondern als eine Kommunikationsleistung verstehen, die ihnen ‚Informiertheit’ und ‚Beteiligtsein’ vermittelt“ (2001b, S. 61f.). Haller zieht hieraus den Schluss, dass die grundlegende Aufgabe – in diesem Fall der Regionalzeitung – die Orientierungsfunktion ist: Sie „macht die Kernkompetenz der Regionalzeitung aus. Sie ist nicht die einzige, jedoch der wichtigste Bezugspunkt für eine vergleichende Beurteilung ihrer journalistischen Qualität“ (2003, S. 189). Zum gleichen Ergebnis kommt übrigens auch die Umfrage von Schmidt zur (Inhalts-)Qualität von Regionalzeitungen. „Deutlich artikuliert wurde (…) der Anspruch, der Lokalteil müsse das öffentliche Leben im Verbreitungsgebiet repräsentieren, dabei die Perspektive des Lesers einnehmen und auch einen unmittelbaren Nutzwert besitzen. Mehrere Befragte wählten hierfür als Generalformel das Etikett: eine ‚Orientierungsfunktion’ ausüben“ (2000, S. 37).

105 Die Hauptschwierigkeit liegt darin, dass der Leser häufig gar nicht so genau wisse, wie es um seine Bedürfnislagen steht. So meint zum Beispiel Haller, dass die Leser ihre Erwartungen „nur vage im engen Horizont ihrer Erfahrungen umreißen“ (2000a, S. 33) können und zeigt damit einmal mehr, wie nah er der kritischen Theorie – genauer: ihrer Medienkritik – steht und wie sehr er der Tradition eines Habermas’schen Weltverständnisses verbunden ist. Deshalb kann hier auch noch pointierter mit Adorno gefragt werden: „Kann das Publikum wollen?“ (1963, S. 55). Adorno selbst schloss dieser – aus seiner Sicht – rhetorischen Frage die Negation gleich an: Der „Allgemeinwille des Publikums, nämlich sein objektives Interesse an geistigen Gebilden“ widerspreche schroff dem, was „der Wille selbst willenlos von sich aus zu wollen meint“. Adorno bezog sich in seiner Darstellung auf das Fernsehen der Bundesrepublik und führt hier direkt zurück zur Frage der Berechtigung, die Konsumentensouveränität auszuhebeln und damit konsequent in die Überlegungen, die bereits im ersten Kapitel dieses Buches ausgebreitet wurden. Adornos Vorschlag: Weil Rezipienten ihre wahren Bedürfnisse nicht kennen, sollten an ihrer Stelle Intellektuelle über die „objektive Qualität“ (1963, S. 57 f.) des Fernsehens entscheiden. Neuberger (2006, S. 3, vgl. dort Fußnote 4) schlägt übrigens den Bogen von dieser Einschätzung Adornos zum öffentlichrechtlichen Rundfunk von heute und einer paternalistisch motivierten Meritorik. Dass diese angesichts individualistischer und konstitutionenökonomischer Ansätze der Meritorik zu kurz greift, sei hier nur ergänzend gestreift und es bleibt, wiederum auf das erste Kapitel dieses Buches zu verweisen. Ein kurzer Exkurs zum darüber hinausführenden Kunstverständnis Adornos sei jedoch erlaubt. An diesem Punkt der Qualitätsdiskussion dürfte es nämlich spannend sein, die Frage nach den Bedürfnissen der Rezipienten und nach der Rolle des Journalismus noch weiter zu fassen und zu überlegen, ob die Qualität einer Ökonomie der Publizistik nicht sogar darin liegt, das Spannungsverhältnis gesellschaftlicher Bezogenheit und Negation derselben zu erkennen. Vielleicht darf sich ja Journalismus künftig in stärkerem Maße mit der „Kunst“ messen, die im Kern ihrer Anlage – so jedenfalls Adorno (1973, S.57 ff.) – nicht gefallen soll (will, darf, kann) und es bei alledem trotzdem tut, am Ende gar Menschen ins Museum bringt. Auch die Problematik einer naheliegenden Kommerzialisierung ursprünglich bewusst gewählter und eigenmotivierter gesellschaftlicher Ausgrenzung und Ferne wird hier bereits unmissverständlich an- und ausgesprochen (S. 59). Spätestens mit der Integration dieser bedeutsamen Sicht, muss die Frage in einem solchermaßen gewählten Kontext demnach lauten, inwiefern es Journalismus tatsächlich gelingt, Bedürfnisebenen zu generieren, zu trennen und zu treffen; und weitergehend ist zu fragen: Wie erlangt Journalismus als Größe mit bedeutendem Gesellschaftsbezug Rechtfertigung auch aus einem Einzelnen gegebenen inneren Zwang und äußerer Bedingtheit heraus? Es lässt sich demnach leicht formulieren: Muss Journalismus gefallen, um gut zu sein? Am Ende kommt auch Adorno im Zuge seiner Überlegungen zum Kunstverständnis zu einem Kernpunkt des genannten Spannungsverhältnisses das eine Übertragung auf andere, der Kunst verwandte Bereiche erleichtert und auch die Frage nach der Qualität im Qualitätsjournalismus umfassen kann: Es ist die Erkenntnis der Moral (in diese Richtung wäre dann also auch die Diskussion um die Meritorik und die Konsumentenpräferenzen (vgl. Kapitel 1) als eine grundlegend ethische zu erweitern). Zur Verdeutlichung: „Das Rohe, subjektiver Kern des Bösen, wird von Kunst, der das Ideal des Durchgeformten unabdingbar ist, a priori negiert: das, nicht die Verkündigung moralischer Thesen oder die Erzielung moralischer Wirkung ist ihre Teilhabe an der Moral und verbindet sie einer menschenwürdigen Gesellschaft.“ (Adorno 1973, S. 65). Solchermaßen verstandene Moralität steht damit auch in engem Beziehungsgeflecht mit der Begrifflichkeit der Ordnungsethik, die die Wirtschaftswissenschaften seit Generationen beschäftigt. Ist Journalismus Kunst? Und ist ein mögliches Bekenntnis zur „Künstlichkeit“ der selbst

106 geschaffenen journalistischen Arbeits- und Produktrealitäten auf Basis der Berufsrollen (vgl. Gruber 1975) auch ein Bollwerk gegen die Kommerzialisierung? Was wäre, wenn wir „Kunst“ im Wort Adornos gegen einen normativ-pragmatischen Journalismusbegriff tauschen? Qualität, Qualitätswahrnehmung und eben auch Qualitätsjournalismus werden in der Abgrenzung unter einer nachgerade paradigmatisch aufleuchtenden „Moralität“ neu durchleuchtet. Damit fände die durchaus erkannte problematische Unterscheidung in polarisierende Schubladen „guten“ und „schlechten“ Journalismus’ auf einer neuen Ebene zusammen. Ein weiterer Aspekt: Wie könnte eine Verpflichtung auf die „Form“ in einen weiteren Kunstbegriff integriert werden, sind Formbeschränkungen in Adornos Verständnis überhaupt zulässig? Zum Hintergrund: Insbesondere in der akademischen Lehre zur Journalistenausbildung, zum Beispiel an den deutschen Universitäten Dortmund und Leipzig oder auch an der US-amerikanischen Columbia, spätestens seit Beginn der 1990er Jahre, wird der handwerkliche Aspekt durchgängig betont. Was also, wenn wir angesichts einer solchen „Handwerklichkeit“ von „Kunsthandwerk“ ausgehen müssen, das nicht mehr länger gesellschaftliche Bezüge negiert. Eine auch theoretische Erklärung wäre gefunden, warum unreflektierter Kommerzialisierung Tür und Tor geöffnet stehen.

Zurück zu den zugegebenermaßen nun relativierten Befragungsergebnissen auf der Rezipientenebene. Alle in diesem Abschnitt angeführten Studien zum Qualitätsverständnis aus Rezipientensicht sind angesichts der Überlegungen zur Relevanz dieser Wünsche (vgl. hier zwingend auch die tief in der kritischen Theorie verwurzelten Überlegungen zur Anpassungshypothese aus dem ersten Kapitel) mit einem Fragezeichen zu versehen? Zusätzlich ist darauf zu verweisen, dass mit der Einführung von Präferenzhierarchien und einer (auch individualistisch begründbaren) möglichen Existenz meritorischer Bedürfnisse jede Rezipientenmarktstudie kritisch zu reflektieren ist. Neuberger weist zurecht auch darauf hin, dass die rezipientenorientierte Qualitätsforschung die Schwierigkeit habe, die Wirkung der Medien beim Konsumenten und nicht nur die Medieninhalte zu untersuchen. Fraglos ein Fakt, der die empirische Nachprüfbarkeit erschwert (1997, S. 179). Dennoch sollen hier noch einige weitere Aspekte der Rezipientenmarktforschung angeführt werden. Schulz nimmt zum Beispiel die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse in den Blick und kommt (bezogen auf den Tageszeitungsleser) zu folgenden Aspekten. Demnach fordert der Leser: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

hohen Lesernutzen (Orientierungshilfe im eigenen lokalen und regionalen Lebensraum), Lesernähe (Themen, die die Menschen bewegen), glaubwürdige, verlässliche Informationen, mutige Kommentare (Meinungsbildung), einfache Navigation, Vernetzung mit weiterführenden Informationen, zum Beispiel im Internet, ausgewogene Mischung aus Reportage, Hintergrund und kurzen Meldungen, positive Sichtweise, Unterhaltung (Schulz 2002, S. 151).

Für eine Optimierung der Befragung repräsentativer Stichproben schlagen Penshorn und Streitenberger (2005, S. 24) die Opus-Methode vor (vgl. z. B. Schütz 1996). Bei dieser werden qualitative Fokusgruppengespräche mit einer anschließenden quantitativen Gewichtung der genannten Mankos kombiniert, und so wird zudem eine Rangfolge von Problemfeldern gebildet. Im Rahmen einer solchen Opus-Studie wurden zum Beispiel bei der Magdeburger Volksstimme folgende Mängel festgestellt:

107 ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Inaktualität im Lokalteil, zu wenig Lokales, zu wenig Verbrauchertipps (Nutzwert), zu wenig Anwalt der Leser; außerdem wurde mehr kritischer Journalismus gefordert (Schneider/Raue 2003, S. 272f.).

Bei der Südwest Presse in Ulm kam der Opus-Test zu dem Ergebnis, dass ƒ ƒ ƒ ƒ

der Leser mehr innenpolitische Hintergrundberichte möchte, die Zeitung mehr Meinung, mehr Tipps für die Freizeit und mehr Erklärung, Beratung und Hintergrund bieten soll (Schütz 1996, S. 3).

Die Schwierigkeit bei der Anwendung dieser Methode ist jedoch der alleinige Bezug auf ein einzelnes Medium. Die festgestellten Mängel lassen sich nur bedingt auf die gesamte Gattung übertragen (vgl. Penshorn/Streitenberger 2005, S. 25). Dies ist auch bei der noch jungen Methode Readerscan der Fall. Jedoch beruhen die Ergebnisse hier auf dem tatsächlichen Verhalten der Leser (Erfassen der gelesenen Textbereiche mit Hilfe eines lichtgesteuerten Speichergerätes), nicht nur auf deren Aussagen. Ergebnisse dieser Methode sind laut Christian Meier (2004, S. 25) zum Beispiel für die Würzburger Main-Post: ƒ ƒ ƒ ƒ

Auch lange Beiträge werden gelesen, wenn sie gut sind. Leitartikel und Kommentare werden in erster Linie gelesen, wenn sie neben dem zugehörigen Artikel stehen. Dem Leser ist der Autor des Artikels egal. Redakteur oder Agentur macht keinen Unterschied. Der Nachrichtenwert ist wichtig, die Themen entscheiden. Geschichten über Menschen und bunte Themen interessieren die Leser.

Die Ergebnisse decken sich für unterschiedliche Zeitungen, so dass von einer durchaus konsistenten Messung ausgegangen werden kann. Überraschenderweise werden mit Hilfe von Readerscan auch Vorurteile zur Einordnung von Ressorts entkräftet. Beim Mannheimer Morgen beispielsweise ergab sich, dass sich lokale und regionale Seiten bezogen auf den Leserzuspruch und die Verweildauer gegenüber den Mantelressorts nicht durchgängig abheben (Goebel 2005, o.S.). Dabei wird im Rahmen von Readerscan über eine Zeitreihe durch aktuelle Messungen auf eine Gewohnheit geschlossen. Diese implizierte Regelmäßigkeit des Produktumgangs ist aus Sicht einer Aktivierung der Akteure ein wesentliches Kriterium für langfristiges Qualitätsbewusstsein: Je stärker nämlich die Öffentlichkeit dem Wunsch entspricht, das angebotene Medienprodukt zu konsumieren, desto kritischer betrachtet sie „ihr“ Medium – so jedenfalls Lavrakas und Holley (1989 , S. 59) mit Verweis auf ihre Studie – und dementsprechend qualitätsbewusster wird die Redaktion.

108 2.1.4 Die Problemfelder der Bestimmung journalistischer Qualität In diesem Abschnitt werden Erkenntnisse aus den vorangegangenen Überlegungen zusammengefasst und in ein Konzept dynamischer Qualitätsbetrachtung überführt. Diese Zusammenfassung soll insbesondere auch die Auffassung unterstreichen, dass sich Qualität im publizistischen Kontext stets als gestaltbares Entscheidungsfeld präsentiert und sich der Autor fraglos damit auch in die Nähe von Hobbes’ Erkenntnistheorie stellt: ƒ ƒ

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Erstens: Es kann weder aus Sicht der Akteure noch in einem rezipientenorientierten Qualitätsverständnis objektive Kriterien geben. Zweitens: Aus „Erstens“ folgt zwingend: Qualität ist eine Frage der Setzung, der situativ-individuellen Festlegung auf Seiten der Produktion. Dabei kann die Produktion von der Befragung repräsentativer Nachfrager profitieren und zusätzlich Mutmaßungen darüber einfließen lassen, welche Bedürfnislagen sie als meritorische (in einem nachfragegeleiteten Ansatz erkannte) zusätzlich berücksichtigen will. Journalistische Qualität ist demnach ein aktiv-dynamischer Gestaltungsprozess. Drittens: Aus den Überlegungen zu den Rezipientenbedürfnissen entsteht ein Konzept gesetzter Ziele in einem nachfragegeleiteten Qualitätsverständnis; publizistische Qualität wird nun situativ-bezogen, strategisch-anwendungsorientiert systematisiert. Sie ist damit nicht durch Fragen wie „Was ist sie, was macht sie aus?“ oder „Wie ist sie gekennzeichnet?“ gekennzeichnet, sondern stets mit der Frage verknüpft „Wer definiert?“, „Wer setzt die Ziele?“, „Welcher Strategie sind diese Ziele untergeordnet?“. Insofern kann man auch hier auf den Ansatz von Neuberger verweisen (2006, S. 7), der zielgerichtet unterschiedliche Wertsubjekte und ihre Erwartungen kategorisiert.

Organisationsstrategie / Teilstrategie

Qualitätsmanagement bestehend aus

angewandt auf Kategoriensystem journalistischer Qualität

Messung und Justierung

Qualitätsziele + Qualitätskriterien

Abbildung 8:

Das dynamische Modell journalistischer Qualität: Strategie im Abgleich mit dem Kategoriensystem; plus Zielsetzung und Operationalisierung; plus Messung und Anpassung in einem aktivitätenorientierten Ansatz.

109 ƒ

Viertens: Aus „Erstens“ bis „Drittens“ folgt sinngerecht: Es gibt keine journalistische Qualität, es gibt nur journalistische Qualitäten; es gibt organisationale Strategien auf der einen Seite, Qualitätskategorien auf der anderen, beides aufeinander bezogen, generiert gesetzte Qualitätsziele (vgl. Abbildung 8); diese Qualitätsziele werden mittels Kriterienkatalogen operationalisiert und damit messbar. Da – wie auch Abbildung acht zeigt – dies alles in einen Prozess eingebettet ist, der die Veränderbarkeit und Anpassungsfähigkeit von strategischen Vorgaben, formulierten Qualitätszielen und Kriterien zeigen soll, wird in diesem Qualitätsmodell nicht wie in vielen der aktuellen Publikationen (vgl. Held/Ruß-Mohl 2005 und 2000, Neuberger 2006, Hermes 2006) von Qualitätssicherung sondern ausschließlich von Qualitätsmanagement gesprochen (vgl. dazu auch den folgenden Abschnitt mit dem Fokus „Total Quality Management“). Dieser Begriff erfasst die Dynamik des Prozessmodells in seiner Variabilität weitaus besser. Qualitätsmanagement erlaubt die Weiterentwicklung der Organisation anbetracht der gesetzten Ziele mit Rückwirkung auf die Strategie. Folgerungen aus dem Modell: ƒ

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Ohne Institutionalstrategie keine Qualität. Genau hier muss die Frage nach dem „Wer?“ ansetzen. Also: Gibt das Organisationsmanagement die Strategie und damit die Richtung für die Qualität vor – zum Beispiel: „Preisführerschaft auf dem Boulevard!“ – oder gelingt es Teilsystemen der Organisation – zum Beispiel der Redaktion – eine eigene Strategie zu formulieren und in den Prozess hineinzugeben – beeinflussen möglicherweise redaktionelle Teilstrategien die übergeordnete strategische Ausrichtung, wie dies beispielsweise regelmäßig der Fall ist, wenn Verleger/Geschäftsführer von Tageszeitungen aus dem journalistischen Umfeld stammen. Grundsätzlich kann die journalistisch gestaltende Einflussnahme auf jeder Stufe erfolgen: Bei der Formulierung der „Globalstrategie“ auf der Ebene der Qualitätsziele, auf der Ebene der Messungen sowie auf der Ebene des nachgeordneten Qualitätsmanagements. Ein entscheidender Aspekt aus Sicht der publizistischen Leistungserstellung ist die Argumentation auf Basis der Kategoriensysteme. Im vorgestellten Modell entscheidet das ebenfalls variable Kategoriensystem über die Qualitätsstrategie.

Fünftens: In Umgebungen funktionierender Konsumentensouveränität entsteht nachfragegerechte Qualität durch die Marktbezüge im ökonomischen Modell quasi automatisch. Angebot und Nachfrage bewegen sich aufeinander zu und finden, hohe Transparenz vorausgesetzt (vgl. die Ausführungen zum Akerlof-Prozess in Abschnitt 1.5.2, S. 45 ff.), zu einem stabilen Gleichgewicht. Wenn dies der Fall ist, müssen marktkonforme Qualitätskriterien nicht gesondert herausgestellt werden. Sie werden in funktionierenden Märkten erwartungskonform bedient. Das bedeutet: Qualitätssicherung ist Wettbewerbssicherung.14 Auf diese Zusammenhänge ist die bisherige Forschung noch zu wenig eingegangen. Zukünftige Ansätze – theoretischer wie empirischer Natur – könnten sich diese Grundregel zunutze machen, zumal sich auch die Chance bietet, ökonomischen und publizistischen Wettbewerb voneinander abzugrenzen.

14 Das europäische Kartellrecht fokussiert ja genau diesen Punkt zur Erhaltung funktionsfähiger Märkte: Vertikale oder horizontale (Markt-)Machtkonzentration, die wettbewerbsschädigend wirkt, wird nicht zugelassen. Dies wird im Common Sense als legitimierter Eingriff in das Marktgeschehen bewertet.

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Sechstens: Je größer die Grundgesamtheit von Rezipienten, desto schwieriger wird der Prozess der Setzung sein. Von der Nachfrage abgeleitete Qualitätsziele sind für zahlreiche Massenmedien kaum konsensfähig zu setzen, da die große Grundgesamtheit eine stark diversifizierte Nutzerstruktur bedingt. Ein Hilfsmittel könnte darin liegen, zwischen Gesamt- und Teilmarktstrategien zu unterscheiden und Qualitätskriterien abhängig zu setzen.15 Siebtens: Auf mögliche Kategoriensysteme wird noch zurückzukommen sein. Hier sei zusätzlich darauf verwiesen, dass aus der Ziel-Kriterien-Abstimmung stets solche Varianten zu wählen sind, die auch in Messgrößen operationalisierbar sind. Denn nur was gemessen werden kann, kann auch erfolgreich verändert (im Modell: gemanagt) werden. Für das Konstrukt Qualität gesprochen: Wer Qualität verändern oder – weniger neutral – steigern will, muss auch ihre Messbarkeit in den Blick nehmen. Nur wenn Qualitätsziele auch operationalisierbar sind, wird man journalistische Leistungen beurteilen können. Auch auf dieser Ebene des Modells steckt jede Menge Gestaltungsfähigkeit. Wenn zum Beispiel das definierte Qualitätsziel (für eine Tageszeitung) Lesbarkeit heißt, dann kann als Kriterienkatalog mit Vorgaben für Wort- und Satzlänge, Stilformen, Darstellungsform et cetera argumentiert werden. Die exogenen Standards sind subjektiv als Qualitätsmerkmal zu bestimmen (Lesbarkeit als Zielsetzung wird hier deshalb aufgeführt, weil es einen weitreichenden Grundkonsens geben dürfte). So wie für technische Geräte DIN-Normen festgelegt werden, lassen sich auf der Ebene der Kriterien auch für journalistische Arbeitsrealitäten sinnbringende Normen und Standards formulieren. Erst dieser Schritt – nämlich die Formulierung von konkreten Standards erlaubt dann die Messung von Qualität. Die Setzung solcher Standards ist ein bewusster Wahlakt, der eine Entscheidungsfindung für situativ zu definierende Qualität erfordert. Jeder Einsatz der im weiteren Verlauf zu beschreibenden Arbeitstechniken verlangt genau dieses: die situative Setzung der Standards. Ein hervorragendes Beispiel, wie eine solche Setzung in der Praxis aussehen kann, beschreiben Langer, Schulz v. Thun und Tauscher (vgl. 1993) in ihrem als „Hamburger Verständlichkeitsmodell“ in die wissenschaftliche Didaktik eingegangenen Ansatz zur Messung der Verständlichkeit von Texten über Ausprägungen (fünfstufige Skala) in vier Dimensionen („Einfachheit“, „Gliederung-Ordnung“, „Kürze-Prägnanz“ und „Anregende Zusätze“ (vgl. S. 26 f.). Sie machen damit auch eindrücklich klar, dass sich Messungen keinesfalls im „Auszählen“ erschöpfen, sondern durchaus Komplexität besitzen dürfen (vgl. S. 136).

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Achtens: Ausgangspunkt und (strategieorientierte) Steuergröße für die Berücksichtigung von meritorischen Bedürfnissen im dynamischen Modell journalistischer Qualität ist das Kategoriensystem: dies soll im folgenden Abschnitt näher unter die Lupe genommen werden. Dies überführt die Meritorik in ein ebenfalls prozessuales Verständnis und entledigt sie damit der Problematik, die eine substanzielle Festschreibung

15 Ein Prinzip übrigens, das auch der ökonomischen Realität reifer Märkte entspricht. Dort ist einerseits eine zunehmende Orientierung am Massenmarkt mit dem strategischen Anspruch der Preis- oder Markenführerschaft zu beobachten, andererseits werden in immer ausgeprägter Weise, Nischen auf ihre Tragfähigkeit getestet. Im europäischen Zeitschriftenmarkt ist dieses Geschehen seit Mitte der 1980er und dynamisiert seit der Öffnung Osteuropas gut zu beobachten. Übrigens hat auch Denis McQuail im zehnten Kapitel seiner Massenkommunikationstheorie dieses nur scheinbar paradoxe Phänomen beschrieben.

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bedingt. Folgt man darüber hinaus einer konstruktivistischen Betrachtungsweise (vgl. z. B. v. Foerster 1993), dann entsteht Wirklichkeit nur in der Gemeinschaft, in der Wahrnehmung anderer Subjekte und deren Fähigkeit Objekte zu klassifizieren. Je größer diese Gemeinschaft, umso bedeutsamer der Aspekt harmonisierter Kognition (diese Begrifflichkeit wird zur Erklärung intersubjektiver Kognitions-Aggregate hier neu eingeführt). Nur in diesem Sinne kann Objektivierbarkeit als an wechselnden Gemeinschaften von Subjekten festzumachendes Kriterium beschrieben werden. Der Versuch, Qualität für Zielmärkte zu setzen, kann demnach nur intersubjektiv geleitet sein.16 Das entlastet die journalistische Praxis vom vielfach noch immer spürbaren und in unbrauchbare philosophische oder eklektische Begriffsannäherungen mündenden Zwang, einen allgemeingültigen Qualitätsbegriff festschreiben zu wollen, was regelmäßig den Versuch, publizistische Qualität zu messen, konterkariert, und dies rechtfertigt am Ende auch einmal mehr den hier gewählten dynamischen Zugang. Neuntens: Publizistische wie alle Qualität ist, und hier darf man einmal mehr auf die Meritorik verweisen, so wie das Akzeptieren und Gestalten von Wirklichkeit(en) eine Frage der Ethik. Eine neue, konsensierbare Ordnungsethik (vgl. u.a. Lütge 2004, Hohmann 1990 und ganz besonders Schmitz 2004) wird die Diskussion um journalistische Qualität möglicherweise weiterbringen als die Ansätze einer moralisierenden Ethik (Lütge 2004, S. 15). In letzter Konsequenz liegt in einer dann systematischen Zusammenführung der Konstrukte journalistische Qualität und journalistische Ethik (vielleicht ja in einem ordnungsethisch gesetzten Rahmen) eine der großen Herausforderungen zukünftiger Journalismusforschung.

2.1.5 Meritorische Qualität als Kategoriensystem Setzungen sind in der Vergangenheit als Essenz der Qualitätsdebatte vermutlich vor allem dann besonders erfolgreich gewesen, wenn eine große Kongruenz zwischen normativem Rahmen, redaktionellem Alltagshandeln der Akteure und der Ansprüche der Rezipienten besteht. Ein Bemühen um solche Setzungen ist, angesichts der nun recht umfassend geführten Debatte, durchaus nachvollziehbar – vor allem dann, wenn berücksichtigt wird, dass eine Publizistik sich im ökonomischen Umfeld bewähren muss. Die Zusammenfassung im vorangegangenen Abschnitt zeigt jedoch deutlich die Schwierigkeit solcher Aggregationen subjektiver (individualistischer) Qualitätsverständnisse. Das dort präsentierte dynamische Modell journalistischer Qualität bedeutet ja, dass stets ein Abgleich zwischen Strategie und Kategoriensystem erfolgen muss, um konkrete Zielsetzungen und deren Operationalisierung, Messung und eventuelle Anpassung zu ermöglichen. Dieses Modell impliziert: Basis aller Setzungen für publizistische Qualität sind Strategie und Kategoriensystem. Auf der Ebene der Strategie – da abhängig von Zielmarkt und organisationalen Möglichkeiten – gibt es wenige Möglichkeiten Handlungsempfehlungen sinnreich zu verankern. Nicht so jedoch auf dem Gebiet des Kategoriensystems. Dies soll mit dem in diesem Abschnitt neu in die wissenschaftliche Diskussion einzuführenden Konstrukt der meritorischen Qualität erreicht werden. 16 Im Grunde genommen wären auch das Konsenskriterium der Konstitutionenökonomik und das Konsensfähigkeitsprinzip der Diskursethik in einem solchen intersubjektiven Raum zu verorten (vgl. Lobigs 2005, S. 23).

112 Die Meritorik liefert gewissermaßen den Schlüssel zu einem Qualitätsverständnis, das die Wünsche des Publikums ebenso wie die gesellschaftliche Erwünschtheit (als Aggregat nicht ausgeübter Individualpräferenzen, die eben auch im Sinne des Individuums soziale Bezüge im gesellschaftlichen Rahmen sichern). Meritorische Qualität kann nur dann sinnvoll in die wissenschaftliche Auseinandersetzung integriert werden, wenn Meritorik selbst – bezogen auf den Mediensektor, anders als bislang üblich, nicht als angebotszentriert definierte, sondern vielmehr als nachfragegeleitete Größe verstanden wird. Es wird also – über die Diskussion der Konsumentenpräferenzen und ihrer gerechtfertigten „Entgrenzung“ im Rahmen der Meritorik – das Instanzenproblem gelöst. Dort wo für Maschinenelemente über Normierungen (insbesondere durch TÜV (Technischer Überwachungs Verein), DIN (Deutsche Industrie Norm) oder ISO (International Standard Organization) formuliert) ebenfalls funktionierende Kategoriensysteme eingeführt werden, steht im Sinne eines aus Individualpräferenzen generierten gesellschaftlich erwünschten journalistischen Angebotes der Rahmen meritorischer Qualitätskategorien. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang noch einmal auf die ausgedehnte Diskussion der Meritorik im ersten Kapitel dieser Arbeit zu verweisen. Bewusst wurde diese schon vorangestellt, da ohne sie das Konzept einer Ökonomie der Publizistik theoretisch nicht abzusichern wäre. Zur Erinnerung: Als meritorische Güter werden Güter bezeichnet, die durch ihre positive Wirkung schützenswert sind, aber im Marktzusammenhang zu wenig nachgefragt werden. Eine höhere Nachfrage wäre gesellschaftlich (und auch auf Basis von (Individual-)Präferenzen höherer Ordnung) wünschenswerter. Die Güter werden zu wenig nachgefragt, weil entweder der Nutzen des Gutes nicht bekannt ist – oder wegen einer falschen Beurteilung zukünftiger Bedürfnisse (Zeitpräferenzrate). Dabei wurde das ursprünglich paternalistische Konzept der Meritorik zwischenzeitlich durch individualistisch geprägte und auch konstitutionenökonomische Vorstellungen erweitert. Dies ändert nichts daran, dass gesellschaftlich geschaffene Institutionen oder ins Leben gerufene Organisationen mit Mehrheitsauftrag in die Lage versetzt werden, möglicherweise vorhandene Präferenzen höherer Ordnung konzeptionell zu berücksichtigen. Entsprechend greifen diese Organisationen (zum Beispiel der Staat) beispielsweise über Subventionen ein und senken so die Preise oder sie verpflichten zum Konsum (vgl. Kapitel 1 und Musgrave 1959, 1987). Bezogen auf die Meritorik besteht eine wesentliche Leistung dieser Arbeit darin, dass Sie den problematischen Güterbegriff insofern geraderückt, als sie die Diskussion auf den Ansatzpunkt von Musgrave (1959) zurückführt, statt „meritorische Güter“ ausschließlich „meritorische Bedürfnisse“ thematisiert und sich damit tatsächlich einer nachfragegeleiteten Begrifflichkeit befleißigt. Ein weiterer in dieser Arbeit neu eingeführter Aspekt: Ein Nachweis meritorischer Bedürfnisse gelingt für unterschiedliche Arbeitsrealitäten nicht. Deshalb gilt hier: Für alle hier angestrengten Diskussionen – auch für die Entwicklung des Kategoriensystems meritorischer Qualität – genügt die vermutete Existenz meritorischer Bedürfnisse.

Meritorische Qualität ist, angewandt auf den publizistischen Kontext, ein Kategoriensystem, das im Zusammenspiel mit den entsprechenden Strategien der Organisation (z.B. der Redaktion) die Setzung von Qualitätskriterien erlaubt, die neben ausgeübten Individualpräferenzen auch alle vorhandenen aber nicht im Markt ablesbaren Präferenzen zu berücksichtigen versucht. Dies kann immer nur ein Versuch sein, da es nach Kenntnis des Autors bislang keine ernstzunehmenden Ansätze gibt, meritorische Bedürfnisse konsistent zu messen oder nachzuweisen – daran ändert auch der am Konsenskriterium ausgerichtete Versuch von Lobigs (vgl. 2005) im Grunde nichts. In der Praxis zeigt sich: Leser abonnieren Tageszeitungen, die Leitartikel und lange Reportagen drucken, Inhalte, die anstrengend zu rezipieren sind und die auch und gerade im Urteil einer Ökonomie der Aufmerksamkeit zeigen,

113 dass die Funktionsfähigkeit des Marktes möglicherweise weiter reicht, als dies die Medienökonomie regelmäßig für möglich hielt; sie kaufen darüber hinaus regelmäßig Nachrichtenmagazine, deren investigativer Journalismus viele Seiten füllt, die kaum einer der Leser in ihrer Fülle zu rezipieren in der Lage ist, indem er aber zwanzig oder dreißig Seiten liest, wird investigativer Journalismus in seiner Gänze über den Abonnementpreis subventioniert. Allein dies schon zeigt, dass allein ein individualistisch-meritorischer Ansatz, wie er in dieser Arbeit ebenfalls herausgearbeitet wurde, seine Berechtigung hat, und die Meritorik nicht allein paternalistische Eingriffe in das Marktgeschehen beschreibt. Allein die Beobachtbarkeit der beschriebenen Phänomene gestattet den Aufbau eines Kategoriensystems, das auch vermuteten meritorischen Bedürfnissen standhält. Dabei ist Meritorik, so wie sie hier verstanden wird, akteursabhängig zu formulieren und im Rahmen des Kategoriensystems nur situativ bestimmbar. Das im Folgenden vorgestellte Vier-Säulen-Konzept meritorischer Qualität verabschiedet sich vom Gedanken, dass meritorische Bedürfnisse ein determinierendes Phänomen sind – stattdessen wird davon ausgegangen, dass in jeder Anwendungssituation Zwecksetzungen neu zu bestimmen sind. Denn selbst, wenn meritorische Bedürfnisse grundsätzlich für möglich gehalten werden, bleibt eine der wesentlichen Fragen, die zuvor gestellt werden muss, unbeantwortet: Ist man in der Lage, erwartete Gratifikationen und erfüllte Gratifikationen an ein bestimmtes Medienangebot zu separieren und empirisch zu (er)fassen? Diese Frage muss im dynamisierten Qualitätsverständnis dieser Arbeit immer dann verneint werden, wenn allgemeingültige (und nicht an der strategischen Orientierung der Organisation ausgerichtete) Maßstäbe festgeschrieben werden sollen. Ergo muss sich publizistisches Qualitätsverständnis vom Gedanken verabschieden, auf Fixpunkte festzunageln zu sein und quasinormative Setzungen für alle verfügbaren Situationen parat zu haben. Im Übrigen kann Abbildung sieben hilfreich herangezogen werden – sie beschreibt ja schon die unterschiedlichen Werterwartungen der Stakeholder und begründet damit akteurszentriert einen Ansatz auch einer in diesem Verständnis der dynamisierten Meritorik. In diesem Kontext setzt sich diese Arbeit – allein schon durch die Kennzeichnung des Kategoriensystems als „meritorische Qualität“ – der kritischen Diskussion gerne aus – denn am Ende bringen nur auf diese Weise sich der Kontroverse öffnende Ansätze die Journalismusforschung voran. Die folgenden vier Faktoren nun stehen im Verständnis dieser Arbeit für das Vier-Säulen-Konzept meritorischer Qualität des Journalismus. Sie stecken einen Kategorien-Rahmen. ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Information (Breite, Tiefe, Selektion, Selektivität, Kongruenz von Medien- und (teil)öffentlicher Agenda); Präsentation (Verständlichkeit, Variabilität in der Darstellung); Reflektion („In wie weit werden fremde Positionen übernommen, hinterfragt, neu beleuchtet?“); soziale Bezogenheit („In wie weit werden die sozialen Bezüge und Realitäten der Gesellschaft durch die journalistische Leistung gespiegelt, erfasst und in der Berichterstattung abgedeckt?“); Bildung (Meinungsbildung und Horizonterweiterung (politisch, kulturell, wirtschaftlich, wissenschaftlich), Orientierungsbildung; in diesem Punkt geht es darum, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Rezipienten Entscheidungen und Entwicklungen auf unterschiedlichen Feldern nachvollziehen und wissend begleiten können, und darüber

114 hinaus mittels Medienangebot Voraussetzungen für ein individuelle Weiterentwicklung schaffen). Es ist eine Leistung dieses Kategoriensystems, dass zum einen nicht zwingend zwischen meritorischen und marktbefriedigten Bedürfnissen unterschieden wird, und dass zum zweiten die Existenz meritorischer Bedürfnisse grundsätzlich für möglich erachtet wird. Es wird also nicht mehr länger anhand der Marktgängigkeit sondern durchgängig auf Basis eines gesellschaftlichen Kontextes argumentiert. Inwiefern sich Medien (im weitesten Sinne) an diesem Kategoriensystem meritorischer Qualität orientieren, ist den einzelnen Organisationseinheiten freigestellt. Es ist also quasi ein Kategorien-Angebot für die Setzung von Qualitätskriterien, die das in gesellschaftlichen Realitäten existente Individuum (befreit von realökonomischen Zwängen) mit den als höher erkannten Bedürfnisebenen adressiert. Aus diesem Modell heraus, kann man nun Setzungen vornehmen und Qualitätskriterien situativ definieren. Der prozessual-dynamische Charakter publizistischer Qualität bleibt davon unberührt, er wird sogar, nimmt man die Akteure aus Abbildung sieben hinzu, nachgerade unterstützt. Qualität ist – die wertenden Subjekte einbezogen – auch eine Frage der Macht und der Machtbeziehungen unter den Akteuren (vgl. auch Abbildung 5, Heine 2005, o.S.) und die Ausbildung von Kriterien unter Berücksichtigung des Kategoriensystems meritorischer Qualität ist demnach eine Frage der auch im realökonomischen Kontext gegebenen Machtverhältnisse. Verschieben sich diese, wird sich auch das Qualitätsverständnis verändern (dies wurde ja unter dem Aspekt „Kommerzialisierung“ bereits in Kapitel 1 beleuchtet).

2.1.6 Konsequenzen aus dem Kategoriensystem „meritorische Qualität“ Die Empfehlung dieser Arbeit lautet also: ƒ ƒ ƒ

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In libertären Gesellschaften ist die Wahl von publizistischen Qualitätskriterien grundsätzlich frei. Publizistische Angebote befriedigen dort stets nicht nur „marktgängige“ sondern auch meritorische Bedürfnisse und damit unterschiedliche Präferenzebenen. Egal, ob Journalismus system- oder handlungstheoretisch begründet wird; egal, ob man sich von strengem Konstruktivismus oder von der Kritischen Theorie leiten lässt: Er ist Teil kommunikativer Beziehung und Bezogenheit in der Gesellschaft und damit ist eine von der monetär-gewinnmaximierenden Ökonomie abstrahierte Setzung qualitativer Standards legitim. Das Vier-Säulen-Konzept meritorischer Qualität bietet hier einen möglicherweise konsentierbaren (und damit eventuell auch konstitutionenökonomisch begründbaren) Ordnungs- oder, vielleicht besser, Orientierungsrahmen, in dessen Grenzen zum Beispiel Stilistik, Thematisierung oder die Art und Weise der Präsentation in unterschiedlichen Ausprägungen abhängig davon formuliert werden, wie weit man die rein marktgesteuerte Umsetzung von Qualität zulässt. Das Vier-Säulen-Konzept liefert darüber hinaus einen Kategorienrahmen, der Setzungen auch ohne aufwendige (Rezipienten-)Marktforschung erlaubt.

115 Hilfreich bei der Gestaltung der Kriterien ist auch die Diskussion öffentlich-rechtlicher beziehungsweise staatlicher Fernsehangebote im internationalen Maßstab (vgl. Hamm et al. 1997). Im Standardwerk „Fernsehen auf dem Prüfstand“ wird der öffentliche Auftrag (vgl. auch Duve 1996 und Golombeck 1995) und entsprechend gesetzte Qualität des Fernsehangebotes schwerpunktmäßig in den Märkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA, Australien und Neuseeland untersucht und mit dem Begriff „Kernbereich“ umrissen. Dieser „Kernbereich“ steht für Inhalte aus den Feldern Nachrichten/Information, Jugend (vgl. dazu auch Hingst et. al. 1995), Bildung und Kultur und repräsentiert damit Güte- oder Qualitätskriterien, die auch mit dem im vorangegangenen Abschnitt entwickelten Kategoriensystem harmonieren. Interessant bei Hamm (et al. 1997) ist das klare Ziel, einen Zusammenhang zwischen der Effizienz von Fernsehsystemen und der Frage herzustellen, wie diese den Kernbereich berücksichtigen – vor allem deshalb wird hier der Bogen ausgerechnet zu dieser Publikation geschlagen. Welche handlungsorientierten Auswirkungen das meritorische Bedürfnisse zulassende Kategoriensystem journalistischer Qualität hat, lässt sich am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der ja – von seiner Konstitution her – bereits als ein Rundfunk erdacht wurde, der im Kern meritorische Bedürfnisse befriedigen soll gut demonstrieren (ob er dies unter dem Primat der „Grundversorgung“ tatsächlich tut, wird hier bewusst nicht diskutiert und darf in Deutschland zumindest für bestimmte Sendezeiten in Frage gestellt werden): Natürlich stellen die theoretischen Überlegungen zu Meritorik und Qualität auch die Finanzierungsmodalitäten dieses öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland auf den Prüfstand. Erst – und nur dann – wenn die Inhalte von den Stakeholdern als solche erkannt werden, die meritorische Bedürfnisse befriedigen, ist eine – vor allem finanziell-fördernde Einflussnahme über das Marktprinzip hinaus auch aus der ökonomischen Theorie in deren Sichtweise zu rechtfertigen. Im nachfrageorientierten Verständnis sind „Marktkorrekturmaßnahmen“ ausschließlich kausal ableitbar, wenn sie über „merit wants“ begründet sind. Bewusst wird hier der wohl kritischste und umstrittenste Begriff der Debatte um eine Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunksysteme – nämlich „Grundversorgung“ – beispielhaft verwendet. Ein Kategoriensystem meritorischer Qualität könnte – bei einer weiter sich zuspitzenden Situation etwa auf dem Zeitungsmarkt – auch für weitergehende, in diesem Sinne qualitätssichernde (verdeckte oder offene) Markteingriffe ein konsistentes Argumentationsmuster sein, wobei hier stets klar sein muss, dass alle auch aus einem solchen Kategoriensystem abgeleiteten Kriterien gesetzt und damit angreifbar sind. Meritorische Qualität ist damit stets ein Prinzip der Auseinandersetzung. Das kann man gut nachvollziehen, wenn die auf der Ebene der Redaktion abgeleiteten Qualitätskriterien von denen auf einer übergeordneten Ebene der Organisation differieren. Dies wird in zahlreichen Markt-Konstellationen der Fall sein. Auf Basis des Kategoriensystems meritorischer Qualität generierte Kriterien suchen, so gesehen, stets auch die Auseinandersetzung. Der Reiz des Außergewöhnlichen des auch meritorische Bedürfnisse zulassenden Kategoriensystems, liegt im Rahmen der Medienökonomie in deren Interpretation als Ökonomie der Publizistik: Also in ihrer Lösung vom Profitansatz. Durch die Qualifizierung einer Nonprofit-Ökonomie innerhalb von Redaktionen, können in einem weiteren Schritt auch die passenden, aus der Betriebswirtschaftslehre übernommenen Managementinstrumente auf die redaktionellen Realitäten übertragen werden; in der Erkenntnis ihrer Rolle als In-

116 strument der publizistischen Qualitätssteuerung.17 Eine derartige, redaktionelle NonprofitÖkonomie wird hierbei verstanden als Ökonomie, die zwar nach Marktprinzipien arbeiten kann, deren erstes Ziel aber nicht monetäre Gewinnmaximierung und damit nachgelagert eine reine Handlungsorientierung am Publikumsgeschmack, sondern vor allem der gesellschaftliche Nutzen und die Bedürfnisbefriedigung ist. Dieser „gesellschaftliche Nutzen“ wird ebenfalls durch individuell zu setzende Variablen und damit vermutungsgesteuert, er vereint Individualpräferenzen unterschiedlicher Ebenen im Verständnis dieser Arbeit. So gesehen, ist das – im Grunde wertneutrale – Schlagwort von der „Ökonomisierung der Medien“ unter dem in den allermeisten Fällen vielmehr eine „Kommerzialisierung“, also negativ konnotierte, kommerzielle Überformung subsumiert wird (vgl. Kapitel 1), nicht mehr länger Schreckensszenario, sondern als (Nonprofit-)Ökonomie der Publizistik eine konsequente Antwort auf den Kommerzialisierungsdruck. Fazit: Betriebswirtschaftliche Methodik hat in journalistischen Arbeitssituationen ihre Daseinsberechtigung und sie kann sich – so wird vermutet – inhaltlich qualitätssteigernd und –sichernd auf das Medienprodukt auswirken. In dieser Arbeit werden Instrumente der Betriebswirtschaftslehre aus dem monetärgewinnmaximierenden Herstellungsdruck herausgelöst, da journalistische Arbeitsrealitäten stets auch in einen Nonprofit-Zusammenhang gesetzt werden können. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass der Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente im rein redaktionellen Umfeld nicht dennoch auch die bilanziell wirksamen ökonomischen Gegebenheiten beeinflusst. Das Herauslösen aus dieser Verpflichtung zur Steigerung des geldwerten Gewinns des Mediums beizutragen, schafft jedoch gegenüber allen anderen Annäherungen die Möglichkeit, mit dem noch immer im Raum stehenden Vorwurf eines bei wachsendem Kommerzialisierungsdruck zunehmenden Anpassungsjournalismus umzugehen. So wie die politische Ökonomie vom Anspruch der Profitabilität befreit ist und ihre Institutionen dennoch mit den Hilfsmitteln der Wirtschaftswissenschaften erklärt (z.B. allokationstheoretisch), befreit die publizistische Ökonomie die Redaktion vom Gewinnmaximierungsanspruch der mikroökonomischen Einheit. Die Publizistische Ökonomie erlaubt der Redaktion, sich qualitativ zu verändern – nämlich ihre Qualität im Rahmen von (gesetzten) Kriterien zu beeinflussen, die sich am Kategoriensystem meritorischer Qualität orientieren können – und der profitorientierten ökonomische Vereinnahmung zu entgehen, ohne sich dabei von einer gesellschaftlichen Zwecksetzung zu entfernen. Zusätzlich sind hier möglicherweise neben den journalistischen Akteuren selbst, Infrastrukturen zu berücksichtigen, die für die Setzung journalistischer Qualitätskriterien eine nicht unmaßgebliche Rolle einnehmen. Für Ruß-Mohl sind dies „Institutionen und Initiativen, die präventiv oder korrektiv zur journalistischen Qualitätssicherung beitragen, indem sie auf den Journalismus einwirken und insbesondere die Professionalisierung der Journalisten und Medienmacher vorantreiben und/oder für die nötige Kritik, Selbstkritik und Transparenz im Mediensystem sorgen“ (1994b, S. 111, vgl. auch Held/Ruß-Mohl 2005). 17 Eine solche Vorgehensweise wird im Grunde auch von Wyss gestützt, der Qualitätssicherung im Journalismus ausschließlich als Aufgabe der Redaktion betrachtet: „Journalistische Qualitätssicherung spielt sich in erster Linie im organisatorischen Kontext der Redaktion ab. In diesem Sinne ist journalistische Qualitätssicherung eine Organisationsfunktion.“ (Wyss 2003, S. 130f.). Auch die Meinung Altmeppens, der Qualitätssicherung auf vier unterschiedlichen Stufen verankert – der journalismusinternen (journalistische Programme mit Standards, Routinen und Ressourcen), der journalismusexternen, der Produktebene und der Medienebene (Altmeppen 2003, S. 114) – steht im Grunde einem Einsatz von Instrumenten publizistischer Ökonomie nicht entgegen.

117 Damit schließt sich der Kreis, der zu Beginn dieses Qualitätskapitels geöffnet wurde: Medieninhalte beantworten ebenso viele Fragen der individuellen Lebensgestaltung wie solche nach ökonomischen Bezugssystemen oder national- bzw. globalpolitischen Perspektiven. Das Redaktionsprodukt spiegelt also stets auch eine eklektisch abgeleitete Verantwortung wider, in der sich der Journalismus und damit seine Protagonisten befinden. Die Übernahme der journalistischen Berufsrolle (vgl. Gruber 1975) kann eben auch (strategisch vorgegeben und an Bedürfnissen höherer Ordnung orientiert) die Übernahme einer interpretativ-öffentlichen Aufgabenstellung bedeuten, damit eine Verantwortlichkeit für Information und Meinungsbildung, für Kontrolle und Kritik. Die Aufgabenstellungen für die Medienpolitik (normative Ebene), das Medienmanagement und die Journalistenausbildung (Akteursebene), sowie die Interpretation der Ansprüche des Publikums (Rezipientenebene) sind heute möglicherweise anders als noch vor 15 Jahren. Wie auch im Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft, kann die Ökonomie der Publizistik einen Ansatz liefern, der einer in zunehmendem Maße der kommerziellen Überformung ausgesetzten Aussagenproduktion der Medien entgegensteht, bevor ein vermuteter „Verlust der Bindekraft“ (Haller 2005, o.S.) weiter voranschreitet. Im Grunde gilt auch: Nur wer um betriebswirtschaftliche Zusammenhänge weiß, wer das Instrumentarium und seine Möglichkeiten kennt, kann auch adäquat auf externe Überformungstendenzen mit eigenen Gegenstrategien reagieren – und dies bei Wahrung einer wie auch immer interpretierten Aufgabe und Rolle in der Gesellschaft unter Berücksichtigung individualistischer oder konstitutionenökonomisch konsentierter Meritorik. So gesehen ist diese Arbeit auch ein nachhaltiger Appell, die Medienökonomie und insbesondere ihre betriebswirtschaftlichen Dimensionen dauerhaft in der journalistischen Ausbildung zu verankern (vgl. auch Bullard 1993). Der Journalismus muss sich aus sich selbst heraus und unter Einbeziehung seiner verantwortlichen Rolle in der Gesellschaft ökonomisieren (genauer: mit der Ökonomik auseinandersetzen), bevor er „von außen“ über die Marktrealitäten kommerzialisiert wird: Wenn Journalismus heute die in der Güterindustrie verfügbaren, ökonomischen Funktionsweisen und Werkzeuge so durchdringt, dass er, unabhängig von den gewählten Geschäftsmodellen (die sich im Übrigen ebenfalls verändern, vgl. Kapitel 1), eine (nicht profitäre) Ökonomie der Publizistik ermöglicht, trägt er nachhaltig zur Sicherung der ihm (einst) zugewiesenen Funktionsleistungen bei. Um es in einer abschließenden These zu formulieren: Die Ökonomisierung der Redaktion (publizistische Nonprofit-Ökonomie), kann zukünftig eine kommerzielle Überformung des Journalismus verhindern helfen, und die Qualität eines gesellschaftlich erwünschten Gutes nachhaltig sichern. Ergo – um es noch einmal zu wiederholen (vgl. oben S. 23 und S. 72): „Ökonomisiert Euch, bevor Ihr kommerzialisiert werdet!“.

2.2 Qualität und Qualitätsmanagement 2.2.1 Total Quality Management: Nähe zur Ökonomie der Publizistik Im Abschnitt 2.1 wurde journalistische Qualität in ein dynamisches Verständnis überführt, wurde der Prozesscharakter herausgestellt und damit auch publizistische Fragestellungen in einen akteurszentrierten Ansatz integriert. Damit nähert sich die Diskussion um journalistische Qualität jener Auffassung, die für den modernen betriebswirtschaftlichen, respektive managementorientierten Zugang in nahezu allen Bereichen der Gütererstellung inzwischen

118 typisch ist. Sowohl für industriell hergestellte Produkte in Konsumgüter- und Investitionsgüterindustrie als auch auf dem Dienstleistungssektor ist ein solchermaßen dynamisiertes Qualitätsverständnis weit verbreitet. Wie schon Abbildung 8 gezeigt hat, ist dies ein Konstrukt, das permanent der Gestaltung bedarf, genauer: das gemanagt werden muss. Eines der wichtigsten Schlagworte der betriebswirtschaftlichen Forschung ist in diesem Zusammenhang Total Quality Management (TQM). Dahinter verbirgt sich zunächst kein eigenständiges Managementsystem oder eine klare Normierung oder normative Regelung, sondern der Anspruch einer Organisation für ihre Produkte und Dienstleistungen Marktführerschaft anzustreben (im Sinne situativer Setzungen journalistischer Qualität kann dieser Markt – akteursabhängig (vgl. Abbildung 7) unter ökonomischen wie unter publizistischen Vorzeichen definiert werden). Im Unterschied zu Qualitätsmanagement bezeichnet TQM die langfristig und dauerhaft angelegte, damit durchgängige sowie alle Bereiche einer Organisation erfassende Bemühung, Qualität als Zielsetzung des Systems zu verankern, wobei ausgehend von in Zielmärkten erkannten Bedürfnissen und den organisationalen Möglichkeiten, das Qualitätsverständnis immer wieder neu orientiert, aktiv gemanagt wird (vgl. insbes. Kamiske/Brauer 2005). TQM geht zurück auf den US-Amerikaner W. Edwards Deming (vgl. 1986/1988 und die folgenden Abschnitte, in denen eine Rückführung auf die ursprünglichen DemingKriterien erfolgt), der sich bereits Ende der 1940er Jahre mit Qualitätsmanagement befasste18. Später wurde in der japanischen Automobilindustrie weiterentwickelt (hierbei fällt regelmäßig das Schlagwort ‚Kaizen’, das für einen strukturierten Qualitätsmanagementprozess steht) und schließlich wieder in die Vereinigten Staaten und nach Europa „reimportiert“.19 Kurz zusammengefasst, könnte man TQM auch als zielgerichtete Entwicklung der wertgenerierenden Prozesse einer Organisation sowie der in ihr aktiven Subjekte bezeichnen. Zu den wesentlichen Prinzipien der „TQM Philosophie“ zählen: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ 18

Qualität orientiert sich am Kunden, Qualität wird mit Mitarbeitern aller Bereiche und Ebenen erzielt, Qualität umfasst mehrere Dimensionen, die durch Kriterien operationalisiert werden müssen, Qualität ist kein Ziel, sondern ein Prozess, der nie zu Ende ist, Qualität bezieht sich nicht nur auf Produkte, sondern auch auf Dienstleistungen, Qualität setzt aktives Handeln voraus und muss erarbeitet werden. 20

Dort freilich wenig Gehör fand, weil sich die industrielle Produktion in der Nachkriegswirtschaft eher an Produktionsvolumina orientierte, denn auf ausgefeilte Qualitätsinstrumente fokussierte. Die Japaner eroberten mit gleichermaßen qualitativ hochwertigen wie preiswerten Produkten weltwiet Marktanteile. Bei einem Blick auf diesen Erfolg, entdeckten die US-Unternehmen die Deming’sche Qualitätsphilosophie. In den siebziger und achtziger Jahren kam diese schließlich auch bei namhaften US-amerikanischen Unternehmen zur Anwendung. Von staatlicher Seite setzte sich vor allem Malcolm Baldrige, der von 1981 bis 1987 als Secretary of Commerce agierte, für Qualität in den Unternehmen ein. Der US-Kongress rief 1987 ein Belohnungsprogramm für Organisationen mit hohen Anforderungen an Qualität und Leistung ins Leben. Der Baldrige Award wird bis heute jährlich verliehen. Er basiert auf einem Qualitätsmodell, das auf den Ideen von Deming beruht und durch die Befragung von zahlreichen Unternehmen stetig weiterentwickelt wird (vgl. www.wikipedia.de; Stichwort „Total Quality Management“, Stand: 26.9.2006). 20 Häufig wird auch zur besseren Kennzeichnung von TQM in Organisation zwischen dem „kleinen ‚q’“ und dem „großen ‚Q’“ unterschieden. Das liegt in der ursprünglichen Zielsetzung der meisten Qualitätsmanagementsysteme in Unternehmen. Diese war auf Produktqualität ausgerichtet („q“) – dem entgegen steht das „große ‚Q’“ für 19

119 Für eine Ökonomie der Publizistik wird TQM vor allen Dingen deshalb interessant, weil dieses in einem betriebswirtschaftlichen Verständnis „Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch das Zufriedenstellen der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft abzielt" (so wird in DIN EN ISO 8402 definiert, vgl. DIN 2000, o.S.; vgl. DIN EN ISO 8402:1995, Nr. 3.729). Insofern geht TQM auch über DIN EN ISO 9001:2000 (vgl. DIN 2000) hinaus21, weil es sich unter anderem darum bemüht, alle Interessengruppen einzubeziehen und neben den direkt von den Zielmärkten vorgegebenen Bedürfnislagen insbesondere die Belange der Gesellschaft (umweltbezogen, sozial, kulturell) mit einschließt. Damit zeigt sich aber auch: Das qualitätsdefinitorische Dilemma kann nicht allein die Medienproduktion für sich reklamieren, es trifft ebenso alle anderen Bereiche ökonomischen Wirkens. Im Grunde kann also die Medienproduktion angesichts eines vermuteten publizistischen Auftrages keine Sonderstellung für sich reklamieren. Total Quality Management wird hier – weil es sich im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Terminus publizistische Qualität nachgerade aufdrängt – zum ersten Werkzeug der Betriebswirtschaftslehre, das hier – vergleichsweise problemlos – in eine Ökonomie der Publizistik übertragen wird. TQM erfordert im Verständnis der Managementlehre eine die gesamte Organisation erfassende Qualitätsphilosophie, die nicht allein Produkt- und Servicemerkmale umfasst, sondern Qualität auch in Hinsicht auf Mitarbeiterzufriedenheit, auf Umwelt und Gesellschaft hin interpretiert und damit alle Stakeholder im Qualitätsprozess mit einschließt. TQM ist dabei eine um Nachhaltigkeit bemühte Qualitäts- und Führungsphilosophie. Der Anspruch einer Ökonomie der Publizistik, die grundsätzlich meritorische Bedürfnisse für möglich hält, liegt also speziell bei der Betrachtung der TQM-Zusammenhänge nicht weit von den grundlegenden Überlegungen der betriebswirtschaftlichen Forschung entfernt. Das zeigt im Übrigen auch das weit verbreitete EFQM-Modell (vgl. Abbildung 9), das als Orientierung für „exzellente Organisationen“ auch „soziale Verantwortung“ vorgibt (vgl. EFQM 2003, S. 4). Wörtlich wird dieser Aspekt im EFQM-Modell wie folgt vertieft: „Exzellente Organisationen stellen sich einen hohen ethischen Anspruch, indem sie als verantwortungsbewusste Organisation ihr Handeln gegenüber ihren Interessengruppen transparent machen und darüber Rechenschaft ablegen. Soziale Verantwortlichkeit und ökologische Nachhaltigkeit beachten und betreiben sie aktiv heute und für die Zukunft. Die soziale Verantwortung der Organisation drückt sich in ihren Werten aus und ist ein integraler Bestandteil der Organisation. Durch ihr offenes und die Interessengruppen einschließendes Engagement erfüllen und übertreffen sie die Bestimmungen und Erwartungen der regionalen und, soweit zutreffend, der globalen Gemeinschaft Sie betreiben auf der einen Seite aktives Risiko-Management und suchen und verfolgen auf der anderen Seite Gelegenheiten für wechselseitig vorteilhafte Projekte mit der Gesellschaft. Auf diese Weise wird ein hohes Niveau des Vertrauens bei den Interessengruppen geschaffen und erhalten. Sie sind sich des derzeitigen und zukünftigen Einflusses der Organisation auf die Gemeinschaft bewusst und bemühen sich um Minimierung jeglicher negativer Einflüsse.“ (vgl. EFQM 2003, S. 7). Die Integration des ohne Frage schwierig zu operationalisierenden Konstruktes „soziale VerQualität in einem übergeordneten integrativen Verständnis, für Prozess-, Führungs-, Personal-, Kommunikationsoder eben auch für Produktqualität. 21 Wenn auch die Unterschiede in Nr. 2.12 der ISO 9000:2000 genannt werden und die Normenreihe mit DIN EN ISO 9004:2000 schon die entsprechenden Möglichkeiten zur Überführung von Qualitätsmanagement in Total Quality Management aufzeigt.

120 antwortung“ zeitigt für die Organisation selbst klare Vorteile, die sich in einem höheren Wert der Marke, einem optimierten Zugang zu Finanzmitteln (z.B. öffentliche Mittel bei sozialer Unterstützung), in gesünderen und sicherer arbeitenden Mitarbeitern, einem verstärkten Risikomanagement und einer besseren organisatorischen Kontrolle ausdrücken. Nach Ansicht der EFQM würde sich gelebte soziale Verantwortung auch in der Motivation der Mitarbeiter, in Kundenloyalität und einem höheren Vertrauen unterschiedlicher Stakeholder ausdrücken. (vgl. EFQM 2003, S. 7). So kommt auch Wyss (2000, S.170) zum Schluss: „Der ganzheitliche TQM-Ansatz ist deshalb auch für die Medienbranche besonders geeignet, weil er der medienspezifischen Eigenrationalität gerecht werden kann, während herkömmliche betriebswirtschaftliche Managementkonzepte primär auf ökonomischen Denkprozessen beruhen.“ Als Anmerkung sei gestattet: Im hier gewählten Kontext klingt die zitierte Aussage etwas unscharf, da Wyss Ökonomie lediglich in ihrem gewinnmaximierend-monetären Zusammenhang sieht, „ökonomische Denkprozesse“ jedoch im Verständnis dieser Arbeit wesentlich weiter reichen. Das EFQM-Modell selbst, versteht sich als Rahmen, der auch die Grundlage für die Vergabe von Qualitätspreisen wie dem deutschen Ludwig-Erhard-Preis bildet. Dieser Rahmen besteht aus acht im Modell näher gekennzeichneten Bereichen, die in ihrer Wirkung auf Qualität bewertet werden. Entscheidend ist dabei (vgl. auch Zink 2004) das Prinzip der Selbsteinschätzung. Das heißt: Jede Organisation kann sich mit den ursprünglich in „enabler“ und „results“ differenzierten Qualitätsüberprüfungsfeldern quasi selbst beurteilen. In einer seit längerem existierenden Variante, die sich noch auf neun Aktionsfelder bezieht, können im Rahmen der Selbsteinschätzung zur Qualität auf der Seite der „enabler“ wie der der „results“ je 500 Punkte vergeben werden, wobei Führung 100, Politik & Strategie 80, Mitarbeiterorientierung 90, verfügbare Ressourcen 90 und die Prozesse 140 Punkte ausmachen (alle auf der Seite der „enabler“ angesiedelt), die Ergebnisfelder Kundenzufriedenheit mit 200, Mitarbeiterzufriedenheit mit 90, die gesellschaftsbezogenen Ergebnisse mit 60 sowie wichtige Ergebnisse der Organisation mit 150 Punkten bedacht werden können (vgl. www.efqm.org). Auf diese Weise lässt sich standardisiert das organisationseigene Qualitätsmanagement überprüfen. Die Erkenntnis ist natürlich nicht grundlegend neu, dass letztlich alle Unternehmensbereiche prozesshaft aufeinander bezogen und am Markterfolg beteiligt, mithin auch in das Qualitätsmanagement einzubeziehen sind. Entscheidend aber ist die zusätzlich relevante Überzeugung, dass TQM einen rekursiv organisierten, integrativen Optimierungsprozess bedingt, der, wie beschrieben, als grundlegende Geisteshaltung der Führung von Organisationen stilisiert werden kann (vgl. Kamiske/Hahne 2000, S. 59 f.).

121

Ergebnisorientierung

Ausrichtung auf den Rezipienten

Soziale Verantwortung

Führung und Zielkonsequenz

Entwicklung von Partnerschaften

Management mittels Prozessen und Fakten

Kontinuierliches Lernen, Innovation und Verbesserung

Abbildung 9:

Mitarbeiterentwicklung und -beteiligung

In Europa ist das hier auf die Medienwirtschaft angepasste EFQM-Modell das wohl verbreitete Modell zur Umsetzung von TQM. Abbildung in Anlehnung an EFQM (Hrsg.) (2003): Die Grundkonzepte der Excellence, Publikation der European Foundation for Quality Management, Brüssel, vgl. auch www.efqm.org.

2.2.2 Total Quality Management und Journalismusforschung 2.2.2.1 Total Quality Management, Medien und die Redaktion Journalismusforschung und Journalistik haben das Qualitätsmanagement bereits seit einigen Jahren für sich entdeckt. Haller unterstellt in einer zusammenfassenden Betrachtung (2003, S. 172 f.), dass über die 1990er Jahre, die er als erstes Jahrzehnt der Diskussion um Qualität im Journalismus bezeichnet, ein der Betriebswirtschaft entlehntes Verständnis dominierte, „dem zufolge Qualität dasselbe sei wie Rationalitätssteigerung im Produktionsprozess, im Glauben, diese führe automatisch zur Effizienzsteigerung“. Und unter Bezugnahme auf Erfahrungen der Dienstleistungsindustrie sei Qualitätsmanagement als Technik begriffen worden, mit der sich Abläufe optimieren lassen. Mit Moss (1998, S. 181 ff.) ließe

122 sich dieser Anspruch wie folgt zusammenfassen: Minderung ineffizienter Produktionsabläufe durch rekursive Informationssysteme, Ziel-/Mittelanalysen, Dezentralisierung der Entscheidungskompetenzen, Neudefinition der Leistungsprofile flankiert von einem griffigen Controlling sowie Beachtung der psychologischen Komponenten (wie: Steigerung der Motivation, Förderung der Corporate Identity). Ähnlich ist bei Meckel (1999, S. 52) ein dreistufiges Modell für Qualitätsmanagement verankert, das die Fixpunkte „strategische Qualitätsplanung“, „Qualitätsumsetzung“ und „Qualitätscontrolling“ besitzt. Zwar werden auch im Verständnis von Moss und Meckel alle Bereiche eines Unternehmens im Sinne des Qualitätsmanagements aufeinander bezogen – der übergreifende und aus Sicht des Journalismus unter Berücksichtigung der Meritorik entscheidende Aspekt des TQM in einer gesellschaftlich-sozialen Verbundenheit wird nicht gesondert herausgestellt. So gesehen, kann man tatsächlich wie Haller (2003) zu einer kritischen Haltung gelangen, die dem TQM jedoch am Ende nicht gerecht wird. Wyss (2000, S.149) hält übrigens eine Erklärung dafür bereit, warum sich die Medienwissenschaften verstärkt dem TQM-Thema widmen – er wählt dazu ökonomische (monetär-profitorientierte) Zusammenhänge und stellt die Redaktion in einen Gesamtzusammenhang betrieblicher Qualitätsprozesse (vgl. Wyss 2002, S. 146 f.). Aus seiner Sicht besteht für Medien ein Reformdruck, der aus den Trends der Technisierung und Kommerzialisierung herrührt. Diese führen wiederum dazu, dass oft anstelle eines Qualitätswettbewerbs ein Kostenwettbewerb (vgl. dazu auch Heinrich 1996, S. 165) stattfindet. Da letztere Strategie auf die Dauer schädlich ist, weil sie sich nicht an den Bedürfnissen der Rezipienten orientiert, käme Total Quality Management in Form einer Differenzierungsstrategie ins Spiel. Er wählt also im Rahmen seiner Argumentation einen durchaus ähnlichen Ansatz wie die übergreifende Ökonomie der Publizistik. Er hält jedoch eine gewisse Institutionalisierung von Routinen und Abläufen für notwendig, weil Journalismus nach Wyss „gleichsam die ständige Produktion von Unikaten“ ist. Deswegen können nicht in jedem Produktzyklus die Qualitätsansprüche neu erarbeitet werden, sondern müssen einsatzbereit vorhanden sein. Dieser Aspekt der „Produktion von Unikaten“ ist von elementarer Wichtigkeit – denn insbesondere er ist Basis einer fundamentalen Kritik am TQM-Konzept. Wyss zeigt eine Herleitung des TQM-Ansatzes anhand des „GAP-Analysis-Modells“ von Zeithaml et al. (1988) und Wentink (1996). Der angloamerikanische Begriff der „Gaps“ steht dabei für Lücken oder Klüfte, die an verschiedenen Stellen der Übertragungsprozesse zwischen Rezipienten und Medienunternehmen entstehen. Als wichtigste wird diejenige zwischen der erwarteten und der tatsächlich wahrgenommenen Leistung seitens der Rezipienten festgestellt. Diese Lücke ist das Resultat anderer Übertragungsverluste wie dem erkannten Unterschied zwischen dem, was das Management für die Erwartungen der Rezipienten hält, und der Realität, der Umsetzung dieser Vorstellungen in Richtlinien und Spezifikationen, die nicht hundertprozentige Umsetzung dieser Richtlinien und schließlich der Kluft zwischen dem, was die Werbung verspricht, und der tatsächlichen Leistung. Je größer diese Lücken sind, desto unzufriedener ist der Kunde. Qualitätsmanagement kann also auch als Führungsmethode definiert werden, die zum Ziel hat, diese Klüfte möglichst klein zu halten. Aufgrund der auch im EFQM-Modell erfassten Bereiche für die ExzellenzOrientierung, lassen sich die Merkmale und Prämissen des TQM – Ganzheitlichkeit, Kundenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Prozessorientierung und Messbarkeit (vgl. Zink 1992, S. 30, Zink 2004, Kamiske/Brauer 2005; Kamiske/Hansen 2002) – relativ problemlos

123 auf die redaktionelle Arbeit auch unter Nonprofit-Gesichtspunkten anwenden.22 Wichtig im Kontext: Der Kern des TQM-Ansatzes liegt also nicht in einem funktionalistisch ausgebauten Ansatz der Qualitätsoptimierung durch einen rekursiven Prozess, nicht in einem perpetuum mobile, das quasi selbsttätig durch einen formal ausgestalteten Funktionskreislauf die Verbesserung einer Organisation evolutorisch bedingt. Wer TQM so sieht, lässt die „philosophische Grundhaltung“ außer acht (Zink 2004, Kamiske/Brauer 2005), die TQM erfordert. Vielmehr liegt jener Kern in einer Unternehmens- oder Organisationsphilosophie, die das Qualitätsstreben auf allen Stufen in allen Prozessen der Unternehmung/der Organisation verankert. Statt Qualität am Ende einer Prozesskette „hineinzuprüfen“ entsteht sie fortlaufend durch die reflektierte und reflektierende Produktion. Das erschließt sich auch aus der Historie des TQM-Ansatzes. Als Vorläufer nämlich versuchten Unternehmen die Qualität ihrer Produkte durch eine Abteilung zur Qualitätssicherung zu garantieren: „Dieser produktionsseitige, technisch bestimmte Ansatz erwies sich in den meisten Fällen als unzureichend“ (Kotler/Bliemel 1995, S. 66). So wuchsen beim Technikmanagement zwei Erkenntnisse. Erstens, dass Qualität nicht durch Fehlerprüfung und Nacharbeit defekter Produkte erzeugt wird, und zweitens, dass Qualität vom Markt her definiert wird. TQM ist im Gegensatz zu einem Qualitätssicherungsinstrument eine Geisteshaltung, die über alle Prozesse hinweg durch unterschiedliche Methoden im Unternehmen verankert wird. Zu den Bausteinen eines TQM-Konzeptes gehört in erster Linie nicht die formal-funktionale Abdeckung der Unternehmens-Funktionsbereiche, sondern eine Qualitätsphilosophie, die die organisatorischen, die personellen und die technischen Rahmenbedingungen berücksichtigt und diesen entsprechend unterschiedliche Methoden und Instrumente einsetzt (vgl. Zink 1992, S. 30). Eine Randbemerkung: Bei der Umsetzung einer TQM-Strategie in der Medienorganisation sieht Wyss (2000 und 2002) neben dem übergeordneten Management insbesondere die Redaktionsleitung in die Pflicht genommen. So wird im TQM-Assesment der Nachweis verlangt, dass die Führung ein System der Wertschätzung und Anerkennung von Mitarbeiterleistungen implementiert und anwendet (vgl. Wyss 2000, S.166). Außerdem soll die Redaktion ihre Strategien anhand von Informationen begründen und bekannt machen. Für Redaktionen äußert sich das in Weiterbildungsmaßnahmen, qualitätsorientierter Rekrutierung von Nachwuchs und funktionierender innerer Kommunikation. Vielleicht liegt die größte Errungenschaft der Qualitätsmodelle auf TQM-Basis darin, Qualitätsmanagement von einem übergeordneten Standpunkt aus zu systematisieren. Unbestritten bleibt, dass Infrastrukturen der Qualitätssicherung wie Redaktionsstatute, eine unabhängige Ombudsstelle und auch regelmäßige Blatt- bzw. Sendungskritik sich hervorragend in den TQM-Kontext integrieren lassen.23

2.2.2.2 Die Kritik der Journalismusforschung am Konzept Für Haller (2003, S. 173) ist der globale Qualitätsansatz des TQM im Medienbereich aus drei Gründen nur bedingt tauglich: 22

Hier sei zur Vertiefung auf Daumenlang und Konrad verwiesen, die 1997 TQM konsequent auf NonprofitOrganisationen angewandt haben. Das muss hier nicht weiter vertieft werden, da man in diesem Zusammenhang getrost auf bereits verfügbare Literatur verweisen kann: insbesondere auf Wyss 2000 und 2002 sowie Hermes 2006. 23

124 ƒ

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Erstens: Überkomplexe Relaunch-Ansätze in Medienunternehmen zerbröseln, weil die tägliche Herstellung eines inhaltlich komplett neuen Produkts nicht allein über Management zu steuern ist; vielmehr müssen auch die von den journalistischen Subjekten geprägten Inhalte und deren redaktionelles Zusammenspiel als Innovationen einbezogen werden. Zweitens: Redaktionen sind keine Warenproduktionsabteilungen, sondern Kommunikatoren, die Medienkommunikation erzeugen, über deren Qualität das Unternehmensmanagement nicht kompetent urteilen kann. Über die Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen der unternehmensexternen Kommunikationspartner kann der Bauch des Chefredakteurs mitunter genauer Auskunft geben als ein TQM-Seminar (vgl. Teichmann 2002, 155-206). Drittens: Das strukturell gegebene Spannungsfeld zwischen Redaktion und Verlag lässt sich nicht wegorganisieren, wie manche Qualitätsmanagementkonzepte Hoffnung machen (Meckel 1999). Denn der hybride Charakter der Presse – journalistisches Produkt und Werbeträger in einem zu sein – beinhaltet zwei keineswegs deckungsgleiche qualitätsrelevante Leitbilder (vgl. Karmasin 1998, S. 282 f.): hier die Stärkung des publizistischen Profils (Renommee, Geltung), dort die Verbesserung der Erlösstruktur (Rendite).

Zu „Erstens“: Punkt eins ist leicht zu entkräften: TQM ist kein Relaunch-Ansatz, sondern geht so weit, wie Management es lässt. Gerade die hoch komplexe und dabei klare Strukturen einfordernde TQM-Logik erlaubt es jedoch geradezu vorbildlich, alle innovativen Elemente – selbst wenn diese tagesaktuell umzusetzen sind – in ein Qualitätsmanagementkonzept zu integrieren. Der Einschätzung liegt wohl auch ein falsches, möglicherweise überholtes Bild von Management und seinen Konzepten zugrunde: Denn Management bedeutet nicht „Führung durch Vorgaben“, stattdessen (und dies gilt insbesondere für TQM) geht es um die Befähigung all derer, die an der Leistungsentstehung beteiligt sind, auf ein gesetztes Organisationsziel hinzuarbeiten. Gleichzeitig erlaubt die offene Individualität des TQMKonzeptes eine Ausgestaltung als dynamisches Qualitätsmanagement, das selbst in seiner Kriterienwahl eine hohe Durchsetzungsrate und ein permanentes Abwägen verträgt. Zu „Zweitens“: Auch hier liegt die Überzeugung zugrunde, dass TQM quasi instanzlich verordnet und durchgesetzt werden kann. Solche Urteile freilich sind allein möglich, wenn Qualitätsmanagement als autoritär vertretenes Durchsetzungskonzept verstanden wird – dann aber hat man die grundlegenden Ansätze des TQM ebenso grundlegend missverstanden. Denn wie auch das vorgestellte EFQM-Modell (vgl. Abbildung 9) idealtypisch zeigt, wirkt TQM integrativ. Und wenn der „Bauch des Chefredakteurs“ so wichtig ist, sollte dieser konzeptionell-strategisch mit einbezogen werden. Im TQM kein Problem. Zu „Drittens“: In der Tat führen das Unternehmensziel „Rendite“ und der Anspruch „publizistisches Profil“ nicht grundlegend zu den gleichen Entscheidungen und zu den identischen Qualitätskriterien. Die zugrunde liegende Problematik zieht sich ja konsequent durch dieses Buch. Doch widerstreitende Zielsetzungen und Interessen sind organisationsimmanent – und zwar immer und überall. Medien können auch hierin keine Sonderstellung reklamieren. Und TQM ist ein Instrument, das Interessenslagen und Divergenzen offen adressiert und damit auch zu ihrer Systematisierung beiträgt. Der Vorteil: Gibt es „Qualitätsroutinen“ auch zur Konfliktlösung, macht das die Gesamtorganisation effizienter.

125 Die Kritik – und deshalb wurde die Kritik der Kritik hier so umfangreich ausgebreitet – dokumentiert einmal mehr die Angst des Journalismus vor der Betriebswirtschaft und ihren Werkzeugen. Sie sucht sich jedoch für diesmal den falschen Adressaten. Denn TQM ist nun gerade ein Instrument, das quasi in jeder Organisation antiautoritär wirkt und wirksam wird. Selbst wenn man alle Einwände, die Haller (2003, S. 173 f.) gegen Qualitätsmanagement vorbringt, für richtig hält, so sind sie dies nur, wenn man von einer stark betriebswirtschaftlichen Ausrichtung des Gesamtmedienmanagements und einer rein an idealistischen Motiven laborierenden redaktionell Verantwortlichen in einer Ökonomie reiner Gewinnmaximierung ausgeht. Im Sinne einer Argumentation mit vermuteter Abhängigkeit der Märkte, der Betrachtung des Werbemarktes als rein abgeleiteten Markt und einer Konzentration auf die journalistische Produktion kann ein Nonprofit-Ansatz mit Maximierung alternativer Nutzenkomponenten und Präferenzen unterschiedlicher Kategorien in den Vordergrund treten; damit wird das TQM-Modell selbst für jene eine echte Alternative, die weiterhin in einem Blockdenken verharren. Denn TQM verankert folgende Punkte: ƒ

ƒ

Kundenorientierung (in der Argumentation dieser Arbeit: Rezipientenorientierung) als Organisationsphilosophie: Alle unternehmerischen Aktivitäten orientieren sich zentral an Erwartungen, Bedürfnissen, Wünschen und Qualitätsauffassungen des Kunden/Rezipienten. Durch diese Ausrichtung soll Kundenzufriedenheit und damit unternehmerischer Erfolg erreicht werden (vgl. Witcher B.J., 1990, S. 1-6; Morgan/Piercy 1992, S. 111 ff.; O'Neal/LaFief 1992, S. 133 ff.). Eine Orientierung an den Bedürfnissen der Rezipienten schließt die Möglichkeit (individualistisch nachweisbarer) meritorischer Bedürfnisse ein. Im Verständnis dieser Arbeit kann auf diesem Weg der Rezipientenorientierung unter gegebenen Rahmenbedingungen und selbst auferlegten Restriktionen und Ausrichtungen die Qualität einer gelingenden medialen Kommunikation im (publizistisch) marktgerechten Austausch steigen. Voraussetzung dafür sind eine jeweils mediengattungs- und medienobjektspezifische Bestimmung relevanter Qualitätskriterien sowie ihre Ausformulierung im Sinne von (journalistischer) Prozess-, Produkt- und Herstellungsqualität. Oder mit der Neuen Institutionenökonomik gesprochen: die Prägung neuer Institutionen (vgl. Erlei et. al., S. 435). Überwindung von Funktionsegoismus: Abteilungs- und funktionsorientiertes Denken in der Organisation muss im Sinne des TQM-Ansatzes komplett überwunden werden, um das Unternehmen konsequent auf die Kundenanforderungen zu fokussieren. Eine Abteilung allein – zum Beispiel eine Qualitätskontrolle, aber auch das Management – kann nicht die erforderliche kundengerechte Qualität erzeugen, wenn nicht Kundenorientierung als gültige „Philosophie“ akzeptiert ist (vgl. vgl. Witcher B.J. 1990, S. 4; Morgan/Piercy 1992, S. 114; O'Neal/LaFief 1992, S. 133). Übertragen auf den Medienzusammenhang kann zwar an diesem Punkt der bereits thematisierte Konflikt zwischen Managementstrategien auf Basis von Kernkompetenz oder auf Basis von Kerngeschäftsfeldern (vgl. Kapitel 1, S. 64 ff.) aufbrechen – aber auch endlich konstruktiv gelöst werden.

Die Anforderungen an das Medienmanagement stellen sich, dies alles vorausgeschickt, dann wie folgt dar:

126 ƒ ƒ

ƒ

ƒ

Akzeptanz der Abhängigkeit der Märkte mit einer Führungsfunktion des Rezipientenmarktes, Integration der funktionalen Interessen unter einer publizistischen Führung mit entsprechend möglichen – durch andere Funktionseinheiten oder den abhängigen Markt bedingte – Restriktionen (zum Beispiel Budgetrestriktionen) in der Qualität eines TQM-Konzeptes (vgl. auch die Grundüberlegungen von Hibbs aus dem Jahr 1950), Formulierung eines zielmarktkompatiblen (Teilmarkt- oder Gesamtmarktstrategie mit allen zwischen diesen Polen liegenden Varianten) Katalogs von Qualitätskriterien – dieser orientiert sich an der jeweils als spezifisch erkannten Situation des ausgewählten Mediums und berücksichtigt das in dieser Arbeit entwickelte Konzept dynamischer Qualität im Journalismus, koordiniertes Mitwirken von allen in der Organisation (vgl. Kotler 1995): „Für die Verwirklichung der Kundenorientierung sind grundsätzlich alle Mitarbeiter zuständig. Die Verwirklichung erfordert ein hohes Maß an innerbetrieblicher Koordination durch Entwicklung und Einsatz entsprechender Koordinations- und Integrationsinstrumente.“ (S. 67). Hier könnte in der Medienwirtschaft einer der Knackpunkte liegen. Denn der aus Sicht medienwissenschaftlicher Theorie stringent nachvollziehbare und auch ökonomisch begründbare Führungsanspruch des Rezipientenmarktes dürfte in der Praxis von Verlagsleitung oder Sendermanagement im Rundfunk so nicht wahrgenommen und akzeptiert werden. Hier bleibt nur einmal mehr auf die nachvollziehbare und für diese Arbeit prägende Meritorikdiskussion in Kapitel 1 zu verweisen, vgl. S. 29 ff.). Noch – und hier mag alle Kritik zurecht greifen – ist von einem koordinierten und unterschiedliche Präferenzebenen berücksichtigenden Miteinander zur Wahrung des zielgruppenorientierten publizistischen Anspruchs nicht auszugehen.

2.2.2.3 Problembereiche der Integration auf Redaktionsebene Die Auseinandersetzung mit dem TQM-Konzept bildet den idealen Einstieg in die Beschäftigung mit betriebswirtschaftlichen Modellen und Methoden, weil sich hier die Schwierigkeit der Übertragung solcher Konzepte in die Medienwirtschaft offenbart. Diese liegen – die obigen Überlegungen vorausgeschickt: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

in der problematischen Trennung zwischen journalistischem Anspruch und gegebener wirtschaftlicher (monetär-gewinnmaximierender) Leistungsfähigkeit, in der durchgängigen funktionalen Ansiedelung betriebswirtschaftlicher Fragestellungen in „journalismusfernen“ Abteilungen, Stäben und Einheiten des Unternehmens, in einer ausgeprägten Skepsis der Journalisten gegenüber Methoden und „Erfindungen“ der Betriebswirtschaft, in der – aus Sicht der Theorie nicht zulässigen – Gleichsetzung von Methodeneinsatz und Gewinnmaximierungsabsicht, in der problematischen Fundierung von Bedürfnissen, Präferenzen und am Ende berechtigten (weil meritorisch begründbaren) Angeboten jenseits der Konsumentensouveränität (vgl. zu dieser Diskussion einmal mehr Kapitel 1, S. 34 f.).

Eine Lösung der in den fünf Punkten beschriebenen Probleme könnte wie folgt aussehen:

127 ƒ

ƒ ƒ

ƒ

Eine Variante wäre, die Methoden nicht unter gesamtbetrieblichem Anspruch umzusetzen, sondern ausschließlich auf die Qualitätsfaktoren der redaktionellen Produktion anzuwenden. Gleichermaßen könnte natürlich auch im Sinne der in dieser Arbeit propagierten dynamisierten Qualitätsbetrachtung ein publizistisches Leitmodell für das Medienmanagement entworfen werden, das publizistisch auch meritorische Bedürfnisse zulassend das TQM-Konzept mit entsprechenden Kriterienkatalogen und Messinstrumenten ausstattet. Präferenzen unterschiedlicher Ebenen können so in einem Konzept der Nutzenmaximierung als Leitprinzipien zugelassen werden. Dem monetär-profitorientierten Modell wird bewusst ein nichtmonetär-nonprofitorientiertes Modell gegenübergestellt (wie dies Kotler (1995) für den Bereich die Marketingwissenschaft beispielhaft vorgeführt hat).24 Qualität wird situativ anhand des Zielmarktes (publizistisch verstanden) und der zielmartkbestimmenden Präferenzen als dynamisches Konzept entwickelt, das das divergierende Werteverständnis unterschiedlicher Stakeholder (vgl. Abbildung 7) durch auf den Zielmarkt bezogene Setzungen handlungsleitend nutzt; dies bedingt einen multivariaten ‚Qualitäts-Approach’, der jeweils einen Entscheidungsraum präsentiert (vgl. Abschnitt 2.1). In der Praxis könnte dies so aussehen, dass für Gesamtmarktstrategien, wie sie zum Beispiel die regionalen Tageszeitung anvisieren muss, empirisch gewonnene Qualitätskriterien am gesetzten Kategoriensystem (Präferenzen unterschiedlicher Ordnung einschließend) als Umweltrestriktion gesetzt und in einer Strategie niedergelegt werden. Auf dieser Ausgangsbasis, wird anschließend ein Katalog situations- und entscheidungsspezifisch festgeschriebener Qualitätskriterien erstellt und als Leitidee in einen die Gesamtorganisation erfassenden TQM-Ansatz überführt.

Haller (2003, S. 184) schlägt übrigens vor, auf Faktoren der Gewinnmaximierung zu verzichten. Stattdessen will er das Bestreben von Redaktion und Gesamtunternehmensmanagement auf der Ebene der (nichtmonetären) Größe „Reichweite“ zusammenführen (Haller begründet dies für die Mediengattung Tageszeitung). So gelingt ihm quasi die Harmonisierung der Zielsetzungen. In der theoretischen Linie dieser Arbeit müsste es, wollte man dieses Konzept übernehmen, um die Reichweite in einem beschriebenen Zielmarkt gehen. Da Haller in seiner Journalismusdefinition (vgl. 2003) aber bereits die weitestmögliche Verbreitung, im Grunde also eine Gesamtmarktstrategie verankert, kann er dies außer acht lassen. Als Ausnahme lässt er Zeitungen mit weltanschaulicher Bindung, wie z.B. die „tageszeitung“ zu. Nach seiner Ansicht lauten dann die von Zeitungsverlag und -redaktion übereinstimmend zu stellenden Fragen: „Wie muss der redaktionelle Teil verändert werden, damit er nicht von immer weniger, sondern eher von mehr Menschen gelesen wird? Wie muss er verändert werden, damit er als attraktives Angebot, sich zu orientieren, verstanden und genutzt wird?“

24 Dies wird im folgenden Kapitel noch aufzugreifen und zu diskutieren sein – deshalb sei an diesem Punkt der Kurzverweis in dieser Form gestattet.

128 2.2.2.4 Qualitätsmanagement in der Redaktion: Deduktion und Induktion Ein praxisorientiertes Modell eines strukturierten Qualitätsmanagements für die „journalistische Produktion“ in Medienunternehmen, könnte dann wie folgt aussehen: ƒ

ƒ ƒ

Bestimmung der strategischen Ausrichtung mit einer grundlegenden Entscheidung zwischen den Eckpunkten Gesamt- und Teilmarkt. Je selektiver die Ansprache einzelner (kleiner) Zielmarkteinheiten, umso intensiver muss die Tragfähigkeitsanalyse (des Marktes) gestaltet sein. Induktive Gewinnung von Aspekten der wahrgenommenen Qualität auf den Zielmärkten (rezipientenorientiert). Diese Gewinnung ist umso komplexer und schwieriger, je näher sich die strategische Ausrichtung dem Pol „Gesamtmarktstrategie“ nähert. Deduktive Formulierung der für relevant erkannten Qualitätsfaktoren. Die Liste orientiert sich zum einen an den unter Punkt 2 gewonnenen Ergebnissen. Darüber hinaus werden aber auch jeweils durch individuelle Entscheidung in wählbarem Maß Restriktionen (oder „Institutionen“ im Sinne der Neueren Institutionenökonomik, vgl. Erlei et. al. 2003) berücksichtigt: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ

bestehende oder geplante Gesetze, ein selbst bestimmter Kodex, „journalistic guidelines“, redaktionelle Statuten, umgesetzte Führungsprinzipien, vorgegebene Markenphilosophie, Corporate Identity, „gesellschaftlicher Konsens“.

Anwendung von Regelkreismodellen, wie sie für „objektivierbare“ Faktoren im Total Quality Management entwickelt wurden. Die Zielsetzung liegt in der Aufgabe, Qualität nicht am Ende durch einen zusätzlich zu schaffenden Funktionsbereich „hineinzuprüfen“, sondern im gesamten Entstehungsprozess zu garantieren.

Ein bislang noch nicht genannter Schwerpunkt der TQM-Philosophie liegt im scharfen Blick auf die genutzten Prozesse. Die Kernfrage lautet: Wie stark sind die Prozesse an den deduktiv bestimmten Qualitätskriterien ausgerichtet? Im Medienbetrieb wären auf sinnvolle Weise zum Beispiel folgende Arbeitsprozesse darauf zu überprüfen: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

die Themenselektion, die Zusammenstellung der Ressort-, Ausgaben- oder Sendungsinhalte, die Vorgabe von Darstellungsformen, die Vorgehensweise und Intensität der Recherche, die medienspezifische Umsetzung einzelner Themen (mit der Mischung von unterschiedlichen Darstellungsformen unter Einbeziehung des Layouts).

Neben den für die gesamte „journalistische Produktion“ bestimmten Qualitätskriterien, können nun für all diese einzeln als wichtig herausgelösten Prozesse dieser knappen Auf-

129 zählung eigene Kataloge mit Faktoren der Qualitätsbestimmung erstellt werden. Die Aufgabe bei deren Formulierung: Alle einzeln angegebenen Faktoren müssen operationalisierbar, also im weitesten Sinne messbar sein. Für die Messungen müssen Vergleichsgrößen wie zum Beispiel Konkurrenz- oder Zeitreihendaten zur Verfügung stehen. Regelmäßige Audits sorgen schließlich dafür, dass Qualitätsmaßstäbe weiterentwickelt, zusätzliche Prozesse erkannt, weitere Felder erschlossen werden. Diese Zusammenstellung zeigt, Qualitätsmanagement: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

erfordert strukturierte Vorgehensweise, ist mit vergleichsweise hohem Aufwand verbunden, lebt von der Operationalisierbarkeit einzelner Qualitätsfaktoren, muss dynamisch verankert werden, besticht durch seine Orientierung und Ausrichtung an Arbeitsprozessen, kann in höchstem Maße selbst gestaltet und individuell umgesetzt werden, ist so flexibel, dass es die Einführung für einzelne Bereiche und Abteilungen (zum Beispiel für die Redaktion – aber auch für das Gesamtunternehmen) erlaubt, braucht einen Grundkonsens und eine klare strategische Ausrichtung der Organisation.

Ebenso gilt: Qualitätsmanagement wird falsch verstanden und eingeführt, ƒ ƒ

wenn man ausschließlich mit vorgefertigten Regelkreismodellen arbeitet, wenn man versucht, Qualitätskriterien ausschließlich induktiv zu gewinnen.

Erforderlich ist stattdessen die Kombination aus: 1. deduktiver Bestimmung des Zielmarktes (Bedingungen: ökonomische Tragfähigkeit), 2. induktiver Analyse der Bedarfslage im Zielmarkt (Zielsetzung: breitestmögliche Erschließung/Abdeckung des Zielmarktes) und Gewinnung von rezipientenorientierten Qualitätskriterien (im Verständnis dieser Arbeit unterschiedliche Präferenzebenen zulassend) und 3. deduktivem Abgleich und bewusste Setzung der als relevant gewählten Faktoren unter Einbeziehung von zum einen der im Zielmarkt gewonnenen Faktoren und zum anderen von Normen, Werten, Arbeitsgrundlagen, handwerklichen Richtlinien, Umweltrestriktionen, etc. – Punkte, die in einem Kategoriensystem, wie es in diesem Kapitel entwickelt wurde, berücksichtigt werden können. So wird Qualitätsmanagement ganz generell nicht allein auf einem Ökonomieverständnis unter dem Primat der Gewinnmaximierung begründet, sondern auch auf die vier Säulen meritorischer Qualität angewandt.

2.2.3 Eine Rückführung auf die Kriterien von Deming Nur durch eine strukturierte Vorgehensweise, die sich von bisherigen TQM-Überlegungen für die Medienwirtschaft unterscheidet, sind jene Schwächen systematisch zu vermeiden,

130 die alle bisher existierende Ansätze zum Qualitätsmanagement der Branche fraglos besitzen. Ein wesentlicher Aspekt, den die bekannten medienwirtschaftlichen Diskussionen ebenfalls immer wieder vernachlässigen, ist die Forderung im Konzept des TQM, dem Kunden stets einen Schritt voraus zu sein, also heute bereits abschätzen zu können, wie die Bedarfslage im Zielmarkt von morgen ist. Auf die redaktionelle Arbeit lässt sich das hervorragend übertragen. Denn auch dort geht es ja täglich oder stündlich, wenn nicht gar minütlich darum, Bedarfe (unterschiedlicher Ebenen für den festgelegten Zielmarkt – s. o.) zu prognostizieren.

2.2.3.1 Kompatibilität für die Medienwirtschaft Dieser Anspruch wurde bereits von Deming (1982) eingebracht, der bis heute als Vater des Qualitätsmanagements gilt. Die von ihm grundlegend entwickelten Ansätze sind vergleichsweise simpel – aber dennoch eingängig und nachvollziehbar. Vielleicht hilft es ja, sich auf die Deming-Wurzeln zu besinnen, um ein funktionierendes, den besonderen Anforderungen der Medienwirtschaft kompatibles Qualitätsmanagement-Modell zu entwickeln. Ansatzpunkt Demings war, dass 85 Prozent aller Produktionsfehler dem Management und nicht den Arbeitern anzulasten seien (vgl. Deming 1982). Dabei wählte der Elektrotechniker und promovierte mathematische Physiker im Wesentlichen einen statistischen Ansatz. Vielleicht deshalb, weil er sich in den 1920er Jahren im Hawthorne-Werk der Western Electric in Chicago, eben dort also, wo auch Elton Mayo seine MotivationsExperimente startete (vgl. Kennedy 1998, S. 61), mit den Arbeiten von Walter Shewharts beschäftigte, dem Pionier im Bereich der Forschungen zu abhängigen und unabhängigen Variablen und in der statistischen Verfahrenskontrolle. Der dort gelegte Grundstock, sorgte später für den Siegeszug seiner Theorien in Japan: „Ich glaube, ich selbst war der einzige, der im Japan des Jahres 1950 an meine Prognose glaubte, dass innerhalb von fünf Jahren die Industriebetriebe der ganzen Welt nach protektionistischen Maßnahmen gegen Japan schreien würden. Nun es dauerte schließlich nur vier Jahre.“ (Deming in der Serie „Nippon“ auf dem britischen Sender BBC 2, zitiert nach Kennedy 1998, S. 62). Erst über den japanischen Umweg kamen übrigens die Theorien und Ideen mit einem strukturierten Qualitätsmanagement zurück in die Vereinigten Staaten. Was aber ist der Kern, der Demingschen Qualitätsphilosophie; was hat ihren Erfolg begründet und welche Punkte lassen sich auf die Medienwirtschaft im Nonprofit-Verständnis übertragen (vgl. dazu Deming 1982, 1986 und Neave 1990)?

2.2.3.2 14 Punkte nach Deming und ihre medienwirtschaftliche Interpretation Insgesamt 14 Punkte hat Deming aufgeführt, die für ein funktionsfähiges Qualitätsmanagement von Bedeutung sind. Hier werden diese noch einmal aufgeführt, um ihre Tauglichkeit für den Einsatz im Bereich der Medienproduktion zu überprüfen: ƒ

Achten Sie auf Kontinuität in Ihren Zielen, um Produkte und Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern.

131 ƒ

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ƒ

Es muss formulierte Qualitätsziele geben. Diesem Ziel steht die für die Medienwirtschaft hier entwickelte Vorgehensweise mit der Kombination induktiver und deduktiver Verfahren nicht entgegen. Diese Faktoren müssen nicht für alle Zeiten festgeschrieben sein. Sie können sich verändern und sich so dem kontinuierlichen Prozess anpassen. Dies gilt auch für ein möglicherweise wechselndes Gewicht, das auf meritorische Aspekte gelegt wird. Machen Sie sich weniger abhängig von Masseninspektionen, sondern sorgen Sie von Beginn an für qualitativ hochwertige Produkte. Dieser Punkt entspricht der Anforderung im TQM, Qualität nicht am Ende eines Produktionsprozesses hineinzuprüfen und hineinzukorrigieren – sondern an jedem Punkt des Prozesses für eine Umsetzung und Anwendung der Kriterien zu sorgen. Qualitätsmanagement ist im Bereich der „journalistischen Produktion“ nicht anders durchzuführen. Um das Feld derjenigen zu beschränken, die auf die Qualitätskriterien verpflichtet arbeiten, könnte man darüber nachdenken, das Newsroom-Konzept umzusetzen. Auf ähnliche Weise übrigens wird seit Jahren bei der Bild-Zeitung ein einheitlicher Standard gesichert – das ist ein interessanter Aspekt, der zeigt, wie wichtig die theoretische Auseinandersetzung mit dem Qualitätsbegriff auch im Rahmen dieser Arbeit ist (vgl. oben, 2.1 und 2.3). Beenden Sie Billigstbieter-Verträge; fordern Sie stattdessen sinnvolle Qualitätsmaßnahmen als zweites Kriterium neben dem Preis. Dieser Aspekt ist zum Beispiel bei einem Automobilhersteller leicht nachzuvollziehen, in der „journalistischen Produktion“ allerdings muss man ein wenig weiter ausholen, um die Tragweite dieses „Qualitätspunktes“ nach Deming zu erkennen. Derzeit läuft im Bereich der Tagesmedien zum Beispiel ein Prozess, den Einkauf von journalistischen Leistungen drastisch zu verbilligen. Durchaus anerkannte Maßnahmen des Managements liegen im Outsourcing gesamter Redaktionsbereiche (wie dies zum Beispiel von der Sächsischen Zeitung in Regionalbereichen umgesetzt wurde) oder aber auch in der Beschränkung der Redaktionsbudgets mit der in vielen Häusern folgenden Freisetzung von Mitarbeitern. Im Fernsehmarkt sind Kostenaspekte im Einkauf von Produktionsleistungen seit Jahren spürbar. Erste Priorität zum Beispiel bei der Buchung von Teams im aktuellen Fernsehbetrieb hat der Preis, eine besondere Qualifizierung der jeweiligen gebuchten Mitarbeiter ist zunehmend ohne Relevanz. Ein anderes Beispiel ist die Honorierung freier Mitarbeiter (vgl. dazu die regelmäßigen Befragungen und Analysen zum Einkommen von Freien durch die IG-Medien - zum Beispiel in den Jahren 2000 und 2001). Im Sinne eines durchgängigen Qualitätsmanagements nach Deming bezogen auf die Vertragsgestaltung sind solche Maßnahmen nicht. Verbessern Sie laufend alle ihre Planungs-, Produktions- und Serviceabläufe. Welche Fragen muss sich ein redaktionelles Management vor diesem Hintergrund stellen? Wie oft muss es Absprachen in einzelnen Redaktionen oder Ressorts sowie auf der übergeordneten Ebene geben? Welchen Ablauf haben diese Abstimmungen? Wie kann die Planung für die Zusammensetzung der Produkte durch informationstechnologische Hilfsmittel optimiert werden? Lässt sich die Zusammenstellung des Produktes durch die direkte Arbeit im Rechner optimieren? Führen Sie moderne „Training on the Job“-Methoden für alle ein. Das gilt auch für das Management. Hier könnte aufgrund der häufig scharfen Trennung zwischen Redaktion und Verlag eine der größten Herausforderungen für die Medienwirtschaft liegen. „Training on the Job“ für das Management hieße in diesem Zusammenhang,

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Verständnis für die jeweilig andere Seite zu entwickeln, Zusammenhänge zu erkennen und gesamtunternehmensrelevante Entscheidungen in Abwägung aller Aspekte zu treffen. „Training on the Job“ wäre im Verständnis dieser Arbeit insbesondere für den Bereich Nonprofit-Management unter meritorischen Güteraspekten notwendig, um das Potenzial wirtschaftswissenschaftlicher Methoden für das Medienmanagement unter reinen nichtmonetären Nutzenaspekten zu erschließen. Achten Sie auf Leadership, auf Führung mit dem Zweck, Mitarbeitern eine qualitativ bessere, respektive angenehmere Arbeit (und Arbeitsumgebung) zu ermöglichen. Auch dieser Aspekt wäre unverändert in den Bereich der Medienwirtschaft zu übertragen. Dieser Punkt meint nicht die autokratische Führung mit Zielvorgaben und klaren Anweisungen, sondern vielmehr die Schaffung von Rahmenbedingungen, in denen sich die Mannschaft positiv entwickeln kann. Heute fühlen sich Journalisten in den Redaktionen auch deshalb verstärkt unter Druck, weil sie bei vielen – durchaus auch juristisch relevanten Fragestellungen (zum Beispiel in der Recherche) – nicht ausreichend „aufgefangen“, das heißt auch „geführt“ werden (Pfitsch 2003). Bauen Sie Ängste ab und fördern Sie die effektive wechselseitige Kommunikation. Gerade im Umgang mit betriebswirtschaftlichen Fragestellungen gibt es auf Seiten des Journalismus Vorbehalte auch und gerade durch Unkenntnis und Unverständnis, was die Instrumente anbetrifft. Dies hat nicht zuletzt die Untersuchung zum Thema Redaktionsmarketing (vgl. Rau 2000a, S. 124 ff.) zutage gefördert. Die Kommunikation zwischen Abteilungen, die betriebswirtschaftlichen Zwängen unterliegen, und journalistischen Einheiten, die auf gesellschaftlichen Kontext, meritorische Aspekte und Positionierung im Rezipientenmarkt abheben, kann ohne Frage fruchtbar genutzt werden. Noch fehlen Untersuchungen, die den Erfolg unterschiedlicher Organisationen unter diesem Aspekt beleuchten – hier wäre interessanter Forschungsbedarf für die nähere Zukunft. Die These, die dann zugrunde gelegt werden müsste: Unternehmen mit einem institutionalisierten kommunikativen Austausch zwischen betriebswirtschaftlichen und journalistischen Einheiten, einer marktorientierten „Bedienung“ des Rezipientenmarktes arbeiten im Kontext gesellschaftlicher Kommunikation erfolgreicher als andere Unternehmen. Bauen Sie Barrieren zwischen Abteilungen und Geschäftsbereichen ab. Für diesen Aspekt gelten analog die Ausführungen zum gerade betrachteten Punkt. Ermahnen Sie Ihre Mitarbeiter nicht, denn dies führt zu Spannungen in der Beziehung, ruft Frustrationen hervor und tötet Effektivität. Schaffen Sie Quoten und in Zahlen ausgedrückte Zielvorgaben ab. Sorgen Sie stattdessen für Hilfestellungen und nutzen Sie einen kooperativen, unterstützenden Führungsstil (nicht autoritär, nicht „laisser faire“). Fördern Sie Stolz auf gute Arbeit, schaffen Sie Jahresbewertungen und „Management by Objectives“ ab. Dies ist ein hoch interessanter Punkt, zumal die meisten Redaktionen gerade in jüngerer Zeit Führung auf Basis von gemeinsam zwischen Management und Mitarbeiter festgelegten Zielvereinbarungen eingeführt haben („Management by Objectives“, vgl. z.B. Hermes 2006, S. 181 und 258 f.). In einer großen Regionalzeitung Süddeutschlands wurde zum Beispiel im Jahr 2004 die Einführung eines Newsrooms in Zielvereinbarungen für die Chefredaktion und die Ressortleiter durch das Verlagsmanagement festgeschrieben. In der Praxis hieß das: variable Gehaltszahlungen orientierten sich an der Einführung des Newsrooms, der folglich auch schnell

133

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kam (2005), ohne freilich den entsprechenden Rückhalt in der Gesamtredaktion zu finden. Im Sinne Demings also könnte zum Beispiel die Führung von Außenredaktionen einem Konzept folgen, bei dem das Management möglicherweise die gelungene Seitengestaltung, die konkrete Themenwahl, die gute Mischung von Darstellungsformen, die hervorragend an der Hauslinie orientierte Kommentierung oder ähnliche Aspekte als Leistung jeweils einzelner Mitarbeiter oder ganzer Redaktionen hervorhebt und dann an alle Außenredaktionen kommuniziert. Der so initiierte Wettbewerb unter den Redaktionen kann fraglos Qualität fördern helfen. Achten Sie auf Aus- und Weiterbildung und bestärken Sie jeden Einzelnen in seinen Verbesserungsbestrebungen. Da Journalismus noch immer vielfach als Begabungsberuf gesehen wird (vgl. z.B. dazu die Auseinandersetzung bei Gruber 1975, S. 32 ff., die im Grunde bis heute so geführt wird), kann man mutmaßen, dass Aspekte der Aus- und Weiterbildung nach wie vor vernachlässigt werden. Möglicherweise hat die zunehmende Professionalisierung des Berufsstandes mit vermehrten universitären Ausbildungsangeboten aber auch schon auf dem Weiterbildungsmarkt eine Trendwende eingeläutet. Bemühungen und Ansätze zur strukturierten universitätsnahen Journalistenweiterbildung geben erste Hinweise darauf. Wichtig bei diesem Aspekt von Deming ist: Er vernachlässigt auch die individuellen Faktoren für die Herstellung einer Produktqualität nicht. Qualitätsmanagement meint also nicht die Umsetzung eines Managementkreislaufs mit verschiedenen Ansätzen, viel eher steht es für eine Einstellung und Managementphilosophie, die sehr stark die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters reflektiert. Gerade dieser Aspekt macht den Ansatz von Deming auch für die „journalistische Produktion“ so interessant. Sorgen Sie für eine eindeutige Definition der Rolle des Top-Managements bei den laufenden Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen und seiner Verpflichtung, alle zuvor genannten Prinzipien umzusetzen.

Die 14 Punkte (vgl. insbesondere Neave 1990 und Kennedy 1998, S. 63 f.) sollten hier dazu dienen, das Vorurteil zu entkräften, Total Quality Management sei etwas sehr Formalistisches, ein vermeintliches „Perpetuum Mobile“ der Qualitätsverbesserung, wie es Haller (2003) in seiner Kritik an den in der Medienwirtschaft seiner Ansicht nach zu wenig reflektiert übernommenen Ansätzen formulierte. Vielmehr charakterisiert Qualitätsmanagement nach Deming: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Es ist hochgradig individualisiert. Es ist an kommunikativen Grundlinien orientiert. Es beschäftigt sich wesentlich mit Abläufen und Prozessen in einer Organisation. Es verpflichtet das Management auf einen Qualitätskonsens. Es fordert vom Top-Management höchstgradige Mitarbeiterorientierung. Es ist konsensorientiert, was die individualisierbaren Qualitätskriterien betrifft. Es entwickelt die Organisation aus sich selbst heraus. Es führt durch Vorbild, nicht durch Vorgabe. Es generiert seine Ziele aus der individuellen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, Abteilungen, Organisationseinheiten, des gesamten Unternehmens.

134 2.3 Qualität in einer Ökonomie der Publizistik Die Diskussion um Qualität und Qualitätsmanagement wurde in den vorangegangenen Abschnitten so umfassend geführt, weil: ƒ ƒ

die ökonomisch motivierte Diskussion der Begrifflichkeit von Medienqualität bislang eher unscharfe und vage Anhaltspunkte gegeben hat, und die Unterschiedlichkeit in den Begriffsdimensionen Qualität und Qualitätsmanagement kaum zum tragen kam.

Dabei ergänzen sich die beiden Aspekte hervorragend: auf der einen Seite der nun dynamisierte Qualitätsbegriff, der sich an individualistischen Nutzenvorstellungen oder strategisch vorgegebenen Standards (Aspekt Messbarkeit) orientiert; auf der anderen Seite das aktivitätsorientierte Qualitätsmanagement, das die bewusste Gestaltung erfordert. Publizistische Qualität ist demnach ein veränderbares Konstrukt, ƒ ƒ ƒ ƒ

das sich ausschließlich über Kategoriensysteme erfassen lässt; das jeweils abhängig von der strategischen Ausrichtung der Organisation unter Zuhilfenahme der Kategoriensysteme zu formulieren ist; das nachgewiesene oder vermutete Präferenzen unterschiedlicher Ordnung adressieren kann; das Vorgaben und Setzungen folgt und für das erst so messbare oder, anders formuliert, im weitesten Sinne operationalisierbare Kriterien entwickelt werden können.

Damit dürfte auch umfassend erläutert und klargestellt sein, warum diese Arbeit bewusst keine Qualitätsbegriffe sondern nur ein neues Kategoriensystem vorgibt. Der Kreativität bei der Setzung dieser Begriffe sind keine Grenzen gesetzt. Das ist die eigentliche Botschaft dieser Arbeit in der Auseinandersetzung mit einem vielfach missverstandenen Konstrukt, das deshalb immer wieder zu Auseinandersetzungen unter Wissenschaftlern wie unter Praktikern führt, weil das nur systematisch zu verstehende Nebeneinander und eine (durchaus mühsame) Gestaltungsfreiheit dafür aufgegeben wird, dogmatischen und damit eindeutig simplifizierenden Mustern zu huldigen. Insofern – und nur insofern – mag man diesem Qualitätskapitel den Vorwurf einer beliebigen Uneindeutigkeit machen können. Dieser wäre jedoch im gleichen Atemzug als Auszeichnung zu verstehen, da nur diese mannigfaltige Offenheit auch dem Entscheidungsraum zur Definition publizistischer Qualität jene Flexibilität gibt, die ein modernes Qualitätsbewusstsein benötigt. Qualität in einer Ökonomie der Publizistik heißt also auch: einem Entscheidungsbaum des Wollens folgen – unter der permanenten Abwägung des gewünschten Markterfolges. Häufig, nein, im Grunde gilt das immer, bestimmen die jeweils gewählten Geschäftsmodelle sowie der gewählte Marktbezug auch darüber, wie Qualität zu setzen ist. Ein Glück für die Publizistik, dass inzwischen auch die Wissenschaft nachgewiesen hat, dass sich der homo oeconomicus als Paradigma ebenso wenig fixieren lässt, wie das Phänomen zweckerfüllender Qualität. Eines muss an diesem Punkt noch angesprochen sein: In diesem Buch wird „journalistische“ und „publizistische“ Qualität bis hierher weitestgehend synonym verwendet. Das ist, bezogen auf die Grundaussagen dieser Abschnitte nicht weiter von Belang. Hier soll präzisierend angemerkt werden, dass der Begriff publizistischer Qualität fraglos weiter

135 greift und hier deshalb häufiger bevorzugt verwendet wurde. Er umfasst auch all jene Phänomene, die als semi-, para-, pseudo- oder metajournalistische (vgl. Rau 2007a, S. 5 und 2007b, S. 31 und die dort angeführten Literaturangaben) bereits beschrieben sind.

Es ist fast nicht möglich, etwas Gutes zu schreiben, ohne dass man sich dabei jemanden oder auch eine gewisse Auswahl von Menschen denkt, die man anredet. Es erleichtert wenigstens den Vortrag sehr in tausend Fällen gegen einen. Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher L 614, 1796-99)

3 Publizistische Ökonomie am Beispiel der Disziplin Marketing

In dieser Arbeit stehen Arbeitstechniken und ihre Wirkung auf die publizistische Qualität im Blickpunkt. Nach der Betrachtung von Qualität und aktivitätsorientiertem Qualitätsmanagement, rücken in den beiden folgenden Kapiteln zwei Arbeitstechniken in den Fokus, deren Einsatz bezogen auf eine Qualitätswirkung betrachtet werden soll. Beide Ansätze unterstützen die Ausgangsfragestellung einer Ökonomisierung im Sinne einer Ökonomie der Publizistik. Beispielhaft wird die Ableitung der Zusammenhänge für die Arbeitstechniken Marketing (Kapitel 3) und Benchmarking (Kapitel 4) vollzogen. In Erweiterung eines im Verlauf der 1990er Jahre entwickelten Ansatzes, wird auf den folgenden Seiten die Disziplin Marketing beleuchtet. Anschließend wird das Konzept des Total Community Coverage (Kapitel 3) betrachtet, das als ein praxistauglicher Ansatz für strategisches redaktionelles Marketing angesehen werden kann. Marketing ist wichtiger Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre und bis heute als Fachrichtung in den wirtschaftswissenschaftlichen Studienfächern angesiedelt. Ursprünglich auf die Absatzfunktion reduziert, hat sich die Begrifflichkeit im Laufe der Jahre stark gewandelt. Marketing und Kommerzialisierung werden häufig auch im ökonomischen Umfeld in einem Atemzug genannt (gut nachvollziehbar ist diese Entwicklung insbesondere bei Kotler/Keller 2006). Vielleicht deshalb, weil sich heute hinter dem Marketingbegriff das klare Bekenntnis zur Schaffung und Befriedigung von am Markt identifizierten Bedürfnissen (zur Diskussion des Begriffs und zu den verschiedenen Optionen einer Klassifizierung, vgl. Kapitel 1, S. 30) verbirgt. Auch in der Medienbranche hat sich Marketing einen festen Stand geschaffen – zahlreiche Publikationen verweisen darauf. Zwei Punkte sind im Rahmen dieses Buches von besonderem Interesse: ƒ ƒ

Die Entwicklung eines modernen Marktverständnisses, die für unterschiedliche Branchen über die zunehmende Befriedigung von Bedürfnissen im Sinne einer Saturierung nachvollzogen werden kann. Die Möglichkeit, die Kommerzialisierungswirkung bewusst zu steuern oder auch zu begrenzen – der Einsatz der Arbeitstechnik Marketing ist schließlich auch in Form von Nonprofit- und „Social Marketing“-Strategien bekannt.

138 Schon in früheren Publikationen (vgl. Rau 2000a) wurde der Zusammenhang zwischen Marketingaktivität und Qualitätsverständnis, wurde die Nähe der Konstrukte Redaktionsmarketing und publizistische Qualität stringent durchleuchtet. Besonders wurde dabei der Unterschied von Gewinn- und Nutzenmaximierung betont. In diesem Zusammenhang der Beurteilung von Qualitätsaspekten und deren Veränderung durch den Einsatz von betriebswirtschaftlichen Instrumenten wird über die bekannte Argumentation hinausgehend von monetär-gewinnmaximierendem Anspruch gesprochen. Wenn es gelingt, diesen Anspruch im wahrsten Wortsinn zu relativieren – und hierfür ist die Disziplin nachgerade idealtypisch geeignet (vgl. unter anderem die Publikationen von Kotler zum Nonprofit- und zum Social Marketing, z.B. Kotler 1975, Kotler 1978, Kotler/Roberto 1989 sowie Bruhn 2005 und Purtschert 2005) – dann darf dies als wichtiger Faktor für die Übertragbarkeit des Ansatzes ins rein redaktionelle Umfeld gewertet werden. Dieses Kapitel zeigt, dass diese Übertragung gelingt, und dass Marketing so gesehen in verschiedenen Zusammenhängen wirksam eingesetzt werden kann: ƒ ƒ ƒ

in einer rein monetär-gewinnmaximierenden Anwendung, in einer kombinatorischen, den aktuellen Verhältnissen in den Redaktionen angepassten Weise, in einer rein auf die gesellschaftlich-integratorische Rolle der Redaktion (nicht werberelevante Zielgruppen werden nicht diskriminiert) ausgerichteten Form – und das bedeutet: im Sinne einer Ökonomie der Publizistik.

3.1 Markterfordernisse und Marketing Ein wichtiger Aspekt, der auch zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Qualitätskomponenten herangezogen werden muss: Die Entwicklung der Marketingtheorie folgt im Zeitablauf den Veränderungen, die auf den jeweiligen Zielmärkten zu beobachten sind. Marketing ist in seinem Grundverständnis in erster Linie eine Reaktion auf sich wandelnde Bedingungen. Als Komponenten umschließt Marketing die passive Reaktion sowie die gestaltende Aktion. Dem entsprechend wäre rein redaktionell implementiertes Marketing eine Grundhaltung, die den Kunden des Redaktionsproduktes, den Leser, Hörer oder Zuschauer, in den Mittelpunkt aller Überlegungen zur Gestaltung des redaktionellen Teils von Medien rückt und gemäß dem Grundprinzip des Marketing deren Bedarfe erforscht und diese gezielt befriedigt. Gleichzeitig versucht Marketing – und das wird in der aktuellen Diskussion zumindest in Europa oft vernachlässigt –, über eine aktive Komponente Bedarfe zu wecken. Die eher reaktive Anpassung an die Marktgegebenheiten, an die über die Marktforschung erkannten und in einer Hierarchie erfassten Bedürfnisse (vgl. Kapitel 1, Abschnitt 1.3.2) wird im Marketing durch eine bewusste aktive Marktbearbeitung und das gezielte Wecken von Bedürfnissen ergänzt. Beide Elemente verlangen, Marketing als gestaltbare Arbeitstechnik zu sehen. Marketing ist eine Methodik, die sowohl die passive Positionsbestimmung im Wettbewerb als auch die aktive Gestaltung einer solchen Position repräsentiert. Gerade diese Dualität macht die Arbeitstechnik im publizistischen Anwendungsumfeld so attraktiv – das leuchtet spätestens dann ein, wenn der geneigte Leser die Meritorik-Debatte aus Kapitel 1 verinnerlicht hat.

139 Marketing ist ein überwiegend für ökonomische Zwecke erforschtes Prinzip, dessen Schwerpunkte in der Anwendung auf klassische Konsumgüter liegen (vgl. u.a. Meffert 1986, 1997, Kotler/Bliemel 1995, Nieschlag/Dichtl /Hörschgen 2002, Kotler/Keller 2006). Schon im Wort Marketing verbirgt sich das englische Wort für „Markt“ – Marketing beschäftigt sich mit den Zusammenhängen von Herstellung und Vermarktung, von einer effektiven Verbindung der beiden Pole über einen Ansatz der durchgängigen Kundenorientierung. Seit 1960 etwa hat sich die Disziplin Marketing innerhalb der Betriebswirtschaftslehre stark verändert. Dies hängt auch mit den Marktgegebenheiten zusammen, mit den jeweils aktuellen ökonomischen Entwicklungen (vgl. Meffert 1997, Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002). Wenn moderne Marketingansätze mit ökonomischer Begründung auf Medienrealitäten übertragen werden sollen, müssen also diese Veränderungen, die in anderen Wirtschaftsbereichen die Entwicklung von Marketing beeinflussten und bedingten, auch in deren Märkten festgemacht werden.

3.1.1 Eine betriebswirtschaftliche Arbeitstechnik im Wandel 3.1.1.1 Marketing auf dem Weg zur Führungsphilosophie Marketing hat im Laufe der Zeit die Entwicklung von einer absatzorientierten, funktionalen Disziplin zu einer „philosophischen“ Grundhaltung, zu einem Führungsprinzip im Unternehmen vollzogen (vgl. u. a. Meffert 1997, Meffert 2003). Dies lässt sich sowohl bei Konsumgütern als auch bei Investitionsgütern und Dienstleistungen (vgl. Meffert/Bruhn 2003) an Veränderungen der Marktgegebenheiten und deren Ursachen festmachen. Konsumgütermärkte durchlaufen verschiedene Phasen – dies jedenfalls wurde in der Vergangenheit beobachtet. Die Wirtschaftswissenschaften nun, kennen verschiedene Begriffe, die diese Phasen beschreiben und die die Weiterentwicklung des Marketingansatzes – parallel zu diesen Veränderungen – begleiten. Unterschieden werden Produktions-, Verkaufs- und Marketingorientierung. Diese Unterscheidung ist für die Medienbranche ebenfalls von Interesse, da auch für sie verschiedene Marktphasen existieren. Die Veränderungen in der Medienlandschaft, die zunehmende intermediale Konkurrenz, die Neuverteilung der Zeitbudgets, die Entwicklung der Alterspyramide auf Seiten der Rezipienten – all das gibt Hinweise auf die ökonomische Situation journalistischer Medien und lässt Rückschlüsse darauf zu, in welchem Stadium der Entwicklung sich das Produkt befindet (ein gutes Beispiel liefert der Zeitungsmarkt in Deutschland: zu den Veränderungen hier, vgl. die BDZVJahrbücher zwischen 1996 und 2004 und dort durchgängig die Beiträge von Dieter Keller). Über den Vergleich mit den Erfahrungen in anderen Branchen, lässt sich ein Marketingansatz für Medienorganisationen auf rein gewinnmaximierend-ökonomischer Basis argumentativ ableiten und rechtfertigen. Die Erfahrung in anderen Unternehmen – vorwiegend solchen, die dem Bereich der Konsumgüterindustrie zugeordnet werden können – hat gezeigt: je nach Erfordernissen des Marktes richten Unternehmen alle ihre Funktionen direkt am Kunden aus. Marketing dient damit der kundenorientierten Steuerung des Unternehmens. Marketing vollzieht in diesem Kontext häufig einen Wandel von einer betrieblichen Funktion, die neben anderen steht, hin zu einem dominanten Führungsinstrument. Dies vorausgeschickt, rückt zwangsläufig ein gesamtbetrieblicher Marketingansatz (vgl. Hensmann 1980) ins Blickfeld, der alle Funktionsbereiche, sprich Redaktion, Produktion, Ak-

140 quisition, Distribution an den Kunden/Abnehmern ausrichtet. Das jedoch ist nicht so einfach, weil zumindest die privatwirtschaftlich organisierten Medienunternehmen nahezu durchweg einer doppelten Ökonomie folgen. Es gibt mehrere (Rezipienten- und Werbemarkt, die allerdings, wie noch zu zeigen sein wird, voneinander abhängen) Märkte, die möglicherweise unterschiedliche Reaktionen oder Aktionen erfordern (vgl. auch Gaßdorf 1986). Es mag auffallen, dass in dieser Arbeit auf eine umfassende Begriffsdiskussion zum „Redaktionsmarketing“ verzichtet wird. Das hat seinen guten Grund. Marketing wird als gestaltbar, als vielseitig und individuell-strategisch ausformulierbar präsentiert und erhält damit verschiedene Attribute.

3.1.1.2 Ausgangspunkt der Überlegungen: der Verkäufermarkt Geht man zurück zum Beginn allen Marketing-Verständnisses, so trifft man in Deutschland recht früh auf den Begriff der Absatzwirtschaft (bis heute hat sich dieser Begriff in Form des Titels einer (durchaus renommierten) Fachzeitschrift erhalten). Dass sich statt dieser Bezeichnung heute der Begriff Marketing international durchgesetzt hat, wird schließlich immer wieder als Resultat der Entwicklung der Marktverhältnisse beschrieben. In Übereinstimmung mit führenden Autoren des Bereiches Marketing – wie zum Beispiel Assael, Kotler und Bliemel, Kuß, Meffert, oder auch Nieschlag, Dichtl und Hörschgen – kann man auf verschiedenen Märkten bestimmte Phasen für die Entwicklung des Absatzbereiches feststellen. Am Anfang steht die Periode, in denen Anbieter von Gütern wegen großer Nachfrage und knappem Angebot eine starke Position halten. Diese Situation wird üblicherweise als Verkäufermarkt bezeichnet. Im Rückblick auf die Entwicklung der Industriezweige wird hier meist an die beginnende industrielle Massenproduktion ab Ende des 19. Jahrhunderts und die Nachkriegszeit in Deutschland erinnert (vgl. z.B. Kuß 1988, S. 18). In diesen Phasen lag der Schwerpunkt unternehmerischen Handelns in der Entwicklung, in der Rationalisierung der Produktion und in der Beschaffung. Der Absatz bereitete unter diesen Bedingungen kaum Schwierigkeiten. In den Unternehmen herrschte die Produktionsorientierung. Man produzierte, was man konnte. Das Unternehmen musste sich kaum anstrengen, genügend Käufer zu finden. Die Beziehungen zu den Abnehmern beschränkten sich auf logistisches Handling. Die Beobachtung wirtschaftlicher Prozesse zeigte: In vielen Verkäufermärkten tritt im Lauf der Zeit eine Sättigungserscheinung ein. Die Position der Anbieter schwächt sich ab, Produkte verschiedener Anbieter sind austauschbar. Die Reaktion darauf: erhöhte Anstrengungen bei der Förderung des Absatzes, Promotion-Aktionen, stärkeres Vertreterengagement, neue Kaufanreize durch Werbung und andere Hilfsmittel zur Absatzförderung. „Die Festlegung des Leistungsprogramms ist hier noch nicht direkter Ausfluss absatzwirtschaftlicher Überlegungen, es wird vielmehr versucht, ein gegebenes Angebot möglichst günstig zu ‚vermarkten‘.“ (Kuß 1988, S. 21). Auf Märkten, die erste Sättigungstendenzen aufweisen, wird also versucht, das abzusetzen, was man produziert hat. In der Betriebswirtschaftslehre spricht man nun auch von Verkaufsorientierung.

141 3.1.1.3 Der Käufermarkt als Konsequenz der Entwicklung Aus der logischen Fortschreibung folgt die Entstehung eines Käufermarktes. Abnehmer mit einem hohen Anteil frei verfügbarer Einkommen stehen einem großen Güterangebot gegenüber. Der Anbieter ist angesichts der Wahlmöglichkeiten seiner Kunden in der schwächeren Position. Das bedeutet: Er muss sich an den Wünschen seiner potenziellen Kunden orientieren und diesen entsprechende Vorteile seines Produktes oder seiner Dienstleistung vermitteln, er muss Bedürfnisse wecken, die er mit seinem Angebot befriedigen kann. Schließlich geht nun längst nicht mehr allein um die Befriedigung von elementaren Bedürfnissen. Auf solchen Märkten wird der Absatz zum so genannten Engpasssektor (vgl. Kotler/Bliemel 1995, S. 25 f.). Werden die gesamten Aktivitäten eines Unternehmens am Absatzmarkt orientiert, dann spricht man von Marketingorientierung. Einfach formuliert: „Beim Verkaufen stehen die Bedürfnisse des Verkäufers im Mittelpunkt; beim Marketing die Bedürfnisse des Käufers. Das Verkaufen ist beseelt vom Wunsch des Verkäufers, sein Produkt zu Geld zu machen; Marketing ist beseelt von der Idee, die Wünsche des Kunden zu erfüllen, und zwar durch das Produkt und alle dazugehörigen Handlungen – von seiner Kreation und Bereitstellung bis hin zu seinem Verbrauch.“ (Levitt 1960). Dabei gilt: In Deutschland waren die Entwicklungen auf dem Markt – im Vergleich zu anderen Ländern später zu beobachten. „Während man sich in den USA schon Jahrzehnte mit Wesen und Aufgaben des Marketing beschäftigte, begann man in Deutschland erst dann sich eingehender mit Marketing zu beschäftigen, als der Verkäufermarkt, der nach 1945 vorhanden war, sich allmählich in einen Käufermarkt wandelte.“ (Weis 1985, S. 15). Der Übergang von der Industriegesellschaft auf der Basis von Massenkonsum hin zu einer post-industriellen Ära spiegelt sich im Bedeutungswandel wider. Statt Quantität rückt verstärkt Qualität in den Vordergrund und statt Standardisierung („standardization“) heißt das Schlagwort Kundenorientierung („customization“). Dieser Wandel lässt den Begriff des Marketingkonzepts neue, verstärkte Bedeutung zukommen. Marketing hat also auch eine Qualitätskomponente. Später wird noch zu zeigen sein, dass genau darin die Herausforderung liegt, wenn über Redaktionsmarketing gesprochen wird. Natürlich lassen sich die verschiedenen Perioden nicht mit „historischer Genauigkeit“ abgrenzen, geschweige denn anhand von Jahreszahlen festmachen. Außerdem beschränkt sich die Beschreibung solcher Phasen auf die hoch entwickelten Industriegesellschaften. Kuß (1988) bringt noch einen anderen Aspekt in die Diskussion ein: Die Entwicklung verläuft sicher nicht unabhängig von Branchen- oder Firmenspezifika. Während die einen Unternehmen schon marketingorientiert handeln müssen, kann für andere noch (oder wieder) die Produktionsorientierung zweckmäßig sein. Offenbar ist typischerweise bei Markenartikelherstellern in Konsumgütermärkten die Marketingorientierung am weitesten fortgeschritten.

3.1.2 Medienmarketing – eine grobe Skizze am Beispiel Tageszeitung An dieser Stelle liegt der Versuch nahe, die Marktsituation von Medienunternehmen einzuschätzen. Diese soll hier grob aber leicht nachvollziehbar am Beispiel von Tageszeitungen geschehen. „Zeitungen zu drucken, war lange Jahre wie Geld drucken“, sagt beispielsweise Dieter Keller, in den 1990er Jahren Leiter der Wirtschaftsredaktion bei einer der großen

142 regionalen Tageszeitungen in Deutschland.25 Umsatzrenditen in zweistelliger Höhe, so seine Einschätzung auf Basis der Veröffentlichungen im Bundesanzeiger, wären bis in die späten 80er Jahre hinein an der Tagesordnung gewesen. Die Praxis der Lizenzvergabe nach dem Zweiten Weltkrieg und durchgängig zu beobachtende Konzentrationsbewegungen auf dem Tageszeitungsmarkt, haben dazu geführt, dass viele Verleger in den Genuss eines Quasi-Monopols kamen (vgl. Röper/Pätzold 1993 und Keller 1997). Spätestens nach der zweiten Konzentrationswelle in den 1970er Jahren war nahezu flächendeckend die Einkreiszeitung realisiert und im „Flickenteppich“ der deutschen Tagespresse fanden sich nurmehr kleine Inseln der Konkurrenz. Die Zahl der Publizistischen Einheiten war in diesem Zeitraum bereits deutlich gesunken – das muss hier nicht weiter nachgezeichnet werden und ist vielfach dokumentiert. Schütz (1996, o.S.) fasst zusammen: „Im vereinten Deutschland arbeiten gegenwärtig (1995, Anm. d. Verf.) noch 136 Vollredaktionen („Publizistische Einheiten“). Es sind (…) damit noch weniger als 1949 im westlichen Bundesgebiet, nach dem die Alliierten durch Aufhebung des Lizenzzwanges die Voraussetzungen für einen freien Pressemarkt schufen. Er ist seit dieser Zeit jedoch nicht vielfältiger geworden. Über Vielfalt der Zeitungen oder Vielfalt in der Zeitung können wir diskutieren, registrieren müssen wir monopolisierte Einfalt.“ Daran haben auch die vergangenen 10 Jahre bis ins Jahr 2006 hinein nichts geändert und dieses Fazit kann bis heute stehen bleiben, vielleicht mit der Anmerkung, dass auch regionale Tageszeitungsverlage zunehmend in den Fokus von Investoren rücken, die gezielt finanzmarktbezogene Ziele verfolgen. Die nach wie vor (im Interbranchenvergleich) guten Umsatzrenditen (zum Beispiel in Höhe von rund 10 Prozent im Falle der Rheinpfalz für das Jahr 2006) haben offensichtlich auch die Finanzmarktakteure erreicht und die im Jahr 2005 geführte „Heuschreckendiskussion“ im Zuge der Übernahme der Berliner Zeitung durch einen Finanzinvestor ist zwischenzeitlich Pilotbeispiel. In anderen Medien sahen die Verleger bis in die 1980er Jahre hinein keine Konkurrenz, erst dann trat mit den ersten Lokalradios intermediale Konkurrenz auf den Markt. Röper und Pätzold haben in ihrer Studie 1993 die Hypothese überprüft und verifiziert, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen der Medien den publizistischen Konzentrationsprozess fördern (S. 6). Dies ist eine Bestätigung der hier gewählten Argumentation. Dabei ist auch nicht relevant, dass der im Rahmen der Pressekonzentration ausgelöste Titelschwund in den ersten Wellen insbesondere Zeitungen mit kleinen Auflagen betraf (vgl. Röper/Pätzold 1993, S. 18). Das wichtigste Ergebnis der Studie zum Tageszeitungsmarkt: „Zwei Drittel des Marktes werden von den 20 größten Verlagsgruppen beherrscht. Für die mehr als 200 anderen Zeitungsverlage bleibt ein Drittel des Marktes (vgl. Röper/Pätzold 1993, S. 19): „Der Konzentrationsgrad liegt damit deutlich höher als wir bislang auf Basis der größten zehn Verlagsgruppen angenommen hatten.“ (S.30 f.). Diese Forschungsergebnisse vom Anfang der 1990er Jahre konnten mit weiter voranschreitender Konzentrationsbewegung bestätigt werden – dies haben Horst Röper und die Forschungen des FormattInstitutes gut dokumentiert und nachgezeichnet und muss hier nicht weiter dargelegt werden. Diese Entwicklungen machen heute deutlich: Bei fortschreitender Konzentration entstanden zunehmend monopolistische Marktsituationen, durch deren Ausnutzung sich Verleger und Verlage um Marketingmaßnahmen über eine lange Periode hinweg nicht kümmern müssen. Die Nachfrage war stets vorhanden – den Abnehmern fehlte es an Alternati25

In einem persönlichen Gespräch am 19.8.2001.

143 ven. Dies galt zumindest in der Vergangenheit nach Ausschaltung der intramedialen Konkurrenz sowohl für die Werbewirtschaft als auch für den Leserkreis. Die Argumentation in Perioden der Produktions-, Verkaufs- und Marketingorientierung vorausgeschickt, bedeutet das: Man befand sich in einer klassischen Phase der Produktionsorientierung. Als in den 80er Jahren die Auflagenzahlen angestammter regionaler Zeitungshäuser bröckelten, Zeitungen einen immer älteren Leserkreis aufwiesen, starteten die ersten Verlage Maßnahmen zur Eigenwerbung. Aktionen wie „Leser werben Leser“ (LwL-Prämien), der Auftritt bei Veranstaltungen und Events wurden nun verstärkt eingesetzt. Man könnte von einer Phase zunehmender Verkaufsorientierung sprechen. Das vorhandene Produkt wurde mit einigen kleineren Veränderungen stärker in den Markt kommuniziert. Auf der wirtschaftlichen Seite wurden all diese Maßnahmen von der Absicherung der Quasi-Monopole begleitet, zumindest was die intramediale Konkurrenz betrifft. Anzeigenverbund ist ein wichtiges Stichwort, aber auch klare Verträge zur Gebietsvorgabe und verstärkter redaktioneller Einsatz in Konkurrenzgebieten (Keller 1997). Diese Situationsbeschreibung traf bis zum Ende der 1990er Jahre weitestgehend flächendeckend zu und könnte auch heute noch in vielen Zeitungsregionen so nachgezeichnet werden. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends jedoch zeigten sich stärkere Auflösungstendenzen scheinbar festgeschriebener Marktrealitäten. Die Auflagen vieler regionaler Tageszeitungen sind deutlich gesunken, die Umsatzrenditen weitaus schmäler als in den Jahrzehnten zuvor, das Verkaufs-, Fusions- und Beteiligungskarussell drehte sich weiter. Bestes Beispiel: die Situation auf dem Berliner Tageszeitungsmarkt, die von Gruner + Jahr über Holtzbrinck, den „Scheinverkauf“ an den ExMitarbeiter Gerckens bis hin zu David „Rommel“ Montgomery und ein britisch-amerikanisches Beteiligungskonsortium reicht. Einige Zeitungshäuser haben in der Reaktion auf die Entwicklung der Märkte Marketingprogramme initiiert oder sich mit einigen Maßnahmen in Richtung einer Marketingorientierung industrieller Prägung bewegt. In den meisten Fällen geschah dies mit Ausrichtung auf den Anzeigenmarkt oder im Rahmen eines gesamtbetrieblichen Ansatzes, weniger im Bereich der Redaktion (Keller 2004). Sollte man für die gesamte Branche regionaler Tageszeitungen jedoch bestimmte Phasen versuchsweise festlegen, so würden die Jahre zwischen 1950 bis 1980 eine klare Phase der Produktionsorientierung repräsentieren, zwischen 1980 und 1990 ließe sich eine Verkaufsorientierung beschreiben und nach 1990 bei einigen wenigen Pionieren erste Tendenzen einer Marketingorientierung ausmachen. So wenig wie der Prozess der Konzentrationsbewegungen abgeschlossen ist, so wenig ist auch die Entwicklung des Marketingbewusstseins abgeschlossen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich mit der Marketingorientierung in Medienunternehmen wie mit anderen Aspekten der Umsetzung von Reformen verhält. Auch hier regiert eher „pathologisches Lernen“ (in der wirtschaftswissenschaftlichen Bedeutung und nicht bezogen auf die biologische Beurteilung von Tiermodellen, also im Sinne der Wirtschaftswissenschaftler Donges und Engels verstanden, vgl. Lambsdorff 2005, S. 15).

3.1.3 Marketing – der Begriff als Objekt der Veränderung „Marketing ist die Durchführung von Unternehmensaktivitäten, die den Strom zum Konsumenten oder Nutzer leiten.“, definiert im Jahr 1960 die American Marketing Association (AMA), 1985 liest sich die Definition der AMA so: „Marketing ist der Prozess der Planung

144 und Durchführung der Entwicklung, Preisgestaltung, Verkaufsunterstützung und des Vertriebs von Ideen, Gütern und Dienstleistungen im Rahmen von Austauschbeziehungen, die individuellen und organisationalen Zielen gerecht werden.“ (vgl. Kotler/Bliemel 1995, S. 17). Und hier die Definition der AMA aus dem Jahr 2005 (vgl. AMA 2005, o.S.): Marketing ist eine organisationale Funktion, die einen verfügbarer Satz von Prozessen repräsentiert. Diese Prozesse wirken für Kunden entweder direkt wertschöpfend, oder sie dienen der Kommunikation oder Distribution von Wert und Werten („an organizational function and a set of processes for creating, communicating, and delivering value to customers“). Marketing dient darüber hinaus dazu, Kundenbeziehungen so zu managen, dass die Organisation und ihre „stakeholder“ profitieren („for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders“). Die Gegenüberstellung dieser drei Definitionen zeigt, wie sich das Begriffsbild mit der Zeit verändert hat und spiegelt die beschriebenen Marktphasen im Konsumgütersektor auch in der Begrifflichkeit. Heute ist es schwer, einen klaren, allgemein gültigen Begriff zu fassen. Insbesondere auch deshalb, weil sich mit der Zeit eine Vielzahl von Unterbegriffen geprägt hat, die einzelne Aspekte des Marketing hervorheben und betonen. Der Blick in das Begriffslexikon de American Marketing Association zeigt diesen Trend deutlich.26 Dabei ist in der Literatur neben dem eigentlichen Begriff Marketing auch häufig von MarketingKonzeption oder Marketing-Management die Rede. Diese Begrifflichkeit wird immer dann hervorgehoben, wenn die Funktionalität der Arbeitstechnik in der Unternehmenspraxis im Mittelpunkt steht. Hier nun eine Auswahl von begrifflichen Aspekten, die für die folgende Diskussion und für ausschließlich redaktionell bezogenes Marketing von besonderer Bedeutung scheinen: ƒ ƒ

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„Marketing ist eine menschliche Tätigkeit, die darauf abzielt, durch Austauschprozesse Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen bzw. zu erfüllen.“ (Kotler 1982, S. 19). „Die Marketing-Konzeption hält es für die Hauptaufgabe der Organisation, die Bedürfnisse und Wünsche der Zielmärkte festzustellen und darauf hinzuarbeiten, dass die Organisation die so ermittelten, vom Zielmarkt erwünschten Befriedigungen wirksamer und effizienter als die Konkurrenz bereitstellt.“ (Kotler 1982, S. 33). „Marketing ist die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung.“ (Meffert 1986, S. 28). „Marketing bedeutet (...) Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmungsziele im gesamtwirtschaftlichen Güterversorgungsprozess verwirklicht werden.“ (Meffert 1986, S. 31). „Marketing wird heute als Ausdruck eines marktorientierten unternehmerischen Denkstils verstanden, der sich durch eine schöpferische, systematische und zuweilen auch aggressive Note auszeichnet. Man begnügt sich nicht mehr damit, auf Entwicklungen zu reagieren, also Daten zu registrieren, sondern strebt danach, selbst Daten zu setzen.“ (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1985, S. 8 f.).

Vgl. dazu die URL http://www.marketingpower.com/live/mg-dictionary.php; hier letztmals überprüft im Januar 2007.

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„Marketing ist ein Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und miteinander austauschen.“ (Kotler/Bliemel 1995, S. 7). „Das Marketingkonzept besagt, dass der Schlüssel zur Erreichung unternehmerischer Ziele darin liegt, die Bedürfnisse und Wünsche des Zielmarktes zu ermitteln und diese dann wirksamer und wirtschaftlicher zufriedenzustellen als die Wettbewerber.“ (Kotler/Bliemel 1995, S. 25). „Das Marketingkonzept ruht auf vier Säulen: Fokussierung auf den Markt, Orientierung am Kunden, koordiniertes Marketing und Gewinn durch zufriedene Kunden.“ (Kotler/Bliemel 1995, S. 26) „Marketing-Management beschreibt den Prozess, Marketingziele für eine Organisation zu setzen (diese Ziele werden unter Berücksichtigung interner Ressourcen und der Möglichkeiten im Markt gesteckt, Aktivitäten zur Erreichung dieser Ziele zu planen und durchzuführen sowie zu messen, inwiefern die Ziele erreicht werden konnten. Dieser Prozess ist gleichermaßen fortschreitend wie rekursiv, so dass sich die Organisation ständig internen und externen Veränderungen unterwerfen und darauf bezogen anpassen muss – das Marketing-Management hat sich also ständig neuen Herausforderungen zu stellen.“ (AMA 2005, o.S.)

All diese Definitionen zusammengenommen ergibt sich also ein vielseitiges Bild des Marketingbegriffs. Einig sind sich die Autoren heute grundlegend im Folgenden: Durch konsequente Marketingorientierung wird die Verwirklichung von Zielen gefördert. Beim Unternehmen bedeutet das in erster Linie: Gewinn maximieren. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch nicht im Gewinn, vielmehr ist der Gewinn lediglich ein „Maßstab für erfolgreiches Wirken“ (Kotler/Bliemel 1995, S. 31). Und im Verständnis der Marketingtheorie: Ein Unternehmen macht Gewinne, wenn es Bedürfnisse der Kunden besser realisiert, als die Konkurrenz. „Wir produzieren keine Autos, wir produzieren Mobilität“, ist eine verbreitete Formulierung, wenn es darum geht, die Marketingorientierung eines Fahrzeugherstellers näher zu beschreiben. Im Sinne der Tageszeitung gedacht, bedeutet dies: Es geht nicht unbedingt darum, Zeitungen zu drucken oder vorhandene Produkte zu erhalten, es geht vielmehr darum, Bedürfnisse (Information oder Unterhaltung?) zu befriedigen. Dies wird ein Punkt sein, über den auch auf den folgenden Seiten noch intensiv nachgedacht werden muss. Für sich genommen, muss Marketing nicht zwingend neue Horizonte öffnen und immer besonders kreatives Instrument sein. Aber als Führungsfunktion spielt es die im Unternehmen dominante Rolle. Es ist der Versuch, neue Ideen den Bedürfnissen des (definierten) Marktes anzupassen (zur Begriffsbildung vgl. Rau 2000a). Demnach ist Marketing – und dies wird hier als neue Definitionsvariante gesetzt – eine grundsätzlich gestaltbare Arbeitstechnik. Zur Führung einer Organisation sowie zur Ausgestaltung ihrer Produkte oder Leistungen, führt sie den Blick auf die Kunden, Abnehmer oder Nutzer und deren Bedürfnisse. Marketing ist damit ein Managementinstrument, das sich an den Individuen orientiert, die möglicherweise aggregierbar die Märkte einer Organisation repräsentieren. Eine Zielsetzung im Marketingprozess ist es, diese Individuen zu erreichen (zum Beispiel durch die Zusammenfassung in möglichst homogenen Gruppen), um Bedürfnisse zu erkennen (passive Komponente), zu wecken (aktive Komponente) und zu befriedigen. Wer nun zusätzlich die Existenz meritorischer Bedürfnisse akzeptiert (vgl.

146 Kapitel 1), erschließt der Disziplin allein schon über die Hierarchisierung unterschiedlicher Präferenzebenen ein über das klassische Konsum- und Investitionsgütermarketing weit hinausgehendes Spektrum. Erst die unterschiedlichen Präferenzebenen, wie sie in Abschnitt 1.3.3 anhand der Meritorik-Debatte beschrieben werden, präsentieren also der Redaktion über die nun korrekte Betonung beider Marketing-Grundausrichtungen – einer passivreflektierenden und einer aktiv-stimulierenden – die Arbeitstechnik als eine ihren (wählbaren) Zielsetzungen dienende.

3.2 Marketing als dominante Führungsfunktion Der wichtigste Aspekt in der modernen Betrachtungsweise: Marketing ordnet sich nicht mehr länger in die funktionale Unternehmenshierarchie ein, sondern dominiert andere Funktionalbereiche. Marketing wird zur Führungsfunktion und erhält einen herausragenden Stellenwert für die strategische Ausrichtung der Organisation. Dies ist bis heute in der Praxis oft nur im Ansatz durchgesetzt. Viele Unternehmen betrachten Marketing weiterhin als Funktion neben anderen. Marketing ist im Verständnis dieser Arbeit eine Kombination des Marketingkonzepts, der Marketingfunktionen und der operationalen Implementierung dieser Funktionen im Kontext des Konzepts. Der Einsatz von Marketingfunktionen ohne die Übernahme des übergreifenden Marketingkonzeptes quasi als philosophisch motivierten Überbau, ist für sich genommen noch kein Marketing (vgl. Trustum 1989, S. 48 ff.). Gerade die Konfrontation der Redaktionen als journalistische Produktion unter Berücksichtigung einer wie auch immer über realökonomische Zusammenhänge hinausreichenden und möglicherweise meritorisch begründeten Rolle mit dem Marketingansatz, lässt am Ende kaum eine andere Herangehensweise zu, als Marketing im redaktionellen Umfeld als strategisch-gestaltende Leitfunktion zu sehen. Im Grunde kann mit Baker (1989, S. 1 f.) Marketing als Auseinandersetzung bezeichnet werden, die Austauschbeziehungen befriedigend steuert. Im Kern ist Marketing eine einfache Philosophie, die von Herstellern verlangt, dass sie mit der Identifizierung und der Spezifizierung von Kundenbedürfnissen beginnen sollen. Und dann müssen die Ressourcen des Unternehmens mobilisiert werden, um für alle Beteiligten befriedigende Austauschbeziehungen zu schaffen, die beide Seiten suchen. Geht man mit Baker (1989, S. 4) nun davon aus, dass sich durch den Wandel der Gesellschaftsform eine Bewegung ergibt, die der Qualität mehr Gewicht als der Quantität im industriellen Produktionsprozess verleiht, bedeutet dies, dass es besonders wichtig wird, die Qualitätsaspekte aus Sicht des Kunden zu ermitteln, um die jeweiligen Produkte schließlich damit auszustatten. Anfangs verstand man unter Marketing nichts anderes als die Vermarktung von Gütern, für die ausreichend Nachfrage bestand. Die absatzwirtschaftlichen Anstrengungen beschränkten sich im Wesentlichen auf die Erfüllung der Verteilungsfunktion. Marketing war Instrument der Distribution. Mit dem Übergang von der Knappheitswirtschaft zur Gesellschaft des Überflusses war man jedoch in zunehmendem Maße gezwungen, Märkte systematisch zu erschließen und zu pflegen. Marketing wurde immer mehr zu einem Schlagwort für eine gewisse Grundhaltung der für ein Unternehmen Verantwortlichen, die sich mit einer konsequenten Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Verbraucher bzw. Bedarfsträger umschreiben lässt. Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (1994, S. 13) sprechen in diesem Zusammenhang auch

147 von „Marketing als Maxime“. Die Herausforderung: ein Höchstmaß an Kundenzufriedenheit erreichen – was sich verständlicherweise bei konfligierenden Präferenzebenen nicht gerade als leichtes Unterfangen erweist. Das bedeutet, sich insbesondere auf den Nutzen zu konzentrieren, den eine Leistung den Abnehmern vermittelt. „Dies ist nicht nur eine Frage der Mentalität, der grundsätzlichen Einstellung gegenüber den Marktpartnern, sondern auch ein Ergebnis des gezielten Einsatzes von Instrumenten (Marketing als Mittel) und einer systematischen Entscheidungsfindung (Marketing als Methode), die bewusst auf Erkenntnisse von Nachbarwissenschaften (z.B. Sozialpsychologie und Volkswirtschaftslehre) zurückgreift und sich vielfältiger analytischer Hilfsmittel bedient.“ (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 13). Symptomatisch für Marketing sind somit die meist systematisch betriebene Erforschung der Bedürfnisse des Menschen und die darauf folgende Suche nach Wegen, wie jene bestmöglich befriedigt werden können. Häufig ist damit die Erschließung bzw. Schaffung eines völlig neuen Marktes verbunden. Dass dazu immer Kreativität und oft gewaltige Forschungsanstrengungen, kombiniert mit einem beträchtlichen Kapitaleinsatz gehören, liegt auf der Hand. Gerade die Analyse von Bedürfnissen ist oft der begrenzende Faktor für Marketing. Das zeigt sich auch bei näherer Betrachtung der Medienmärkte. Darüber hinaus sind eventuell Schwellen oder Grenzen zu berücksichtigen, die legaler, ethischer oder geschmacklicher Natur sind. Auch diese Schwellen sind bei Überlegungen zur Erfüllung von Bedürfnissen sehr wichtig – gerade wenn neben den auf Gewinnerwirtschaftung bezogenen auch sozialbezogene Variablen des Marketing-Denkens in die Überlegungen einbezogen werden sollen. Wer Marketing vor dem beschriebenen „philosophischen Hintergrund“ betrachtet, erkennt schnell, dass es als Prinzip nicht nur dazu dienen kann, Konsumgüter zu verkaufen. Längst gibt es auch wissenschaftlich fundierte Marketingansätze für Investitionsgütermärkte und den Dienstleistungssektor (vgl. z.B. Meffert/Bruhn 2003). Das Produkt der Redaktion in Medienunternehmen ist dienstleistungsorientiert. Aus diesem Grund ist die Erwähnung dieses Aspektes von Bedeutung, zumal sich verstärkt Dienstleistungsunternehmen verschiedener Art mit verstärkten Aktivitäten im Bereich der Kundenorientierung beschäftigen. Hotel- und Bankmarketing können hier beispielhaft genannt werden (vgl. z.B. Meyer 1991 und 1994). Generell lässt sich Marketing als Arbeitsmittel und Führungsprinzip auch auf den tertiären Sektor übertragen (vgl. Meffert/Bruhn 2003). Dies wird bereits hier betont, weil im folgenden das Redaktionsprodukt als Dienstleistung verstärkt ins Zentrum der Diskussion rückt. Versicherungen, Banken, Hotels aber auch in Behörden, Krankenhausverwaltungen und anderen Dienstleistungsorganisationen hat Marketing zwischenzeitlich Einzug gehalten. Am Ende bleiben stets drei Fragen: Was verkauft sich und was kauft der Kunde, an wen wird verkauft und warum bewerten Kunden ein Produkt höher als das der Konkurrenz? (vgl. auch Churchill 1989, S. 81 f.). Auf diese scheinbar einfachen Fragen klare Antworten zu finden, ist im Dienstleistungssektor schwieriger, als dies beispielsweise bei Konsumgütern der Fall ist. Hinzu kommt: „schon rein historisch gesehen sind die Dienstleistungsbranchen von einer Art „Inzucht“ geprägt. Die Mehrheit der Eisenbahnmanager – nur um ein Beispiel zu nennen – haben ihr ganzes Arbeitsleben in der Eisenbahnindustrie verbracht – sogar meistens in nur einem einzigen Unternehmen. Die meisten Hoteliers sind im Hotelgewerbe groß geworden. Und Krankenhaus- oder Universitätsverwaltungsangestellte haben ebenfalls meistens außer im Gesundheitssektor oder eben an der Universität keine Erfahrungen gesammelt. Das Ergebnis solcher engen Entwicklungswege

148 ist zwangsläufig. Manager blicken kaum über den Tellerrand, um aus den Erfahrungen einerseits von Organisationen zu lernen, die sich in anderen Dienstleistungsbereichen mit vergleichbaren Situationen auseinandersetzen müssen und andererseits natürlich von den Marketing-Erfahrungen des Produzierenden Gewerbes zu profitieren.“ (Lovelock 1983, S. 9 f.). Diese Anmerkung wird hier deshalb zitiert, weil für Redaktionen in Medienunternehmen ähnliches konstatiert werden kann, auch wenn bislang kaum aussagekräftige Studien über das Mobilitätsverhalten von Journalisten vorliegen, die sich mit den Wanderungsbewegungen in andere Wirtschaftsbereiche beschäftigen. Stattdessen bestätigt auch die jüngste Studie zur Untersuchung der Lebens- und Arbeitsrealitäten von Journalisten eine klare und durchgängige Fokussierung der Karrieren auf journalistische Zusammenhänge (vgl. Weischenberg, Malik, Scholl 2006).

3.2.1 Strategisches Marketing: erweiternde Dimension Stagnationstendenzen, Sättigungserscheinungen in vielen Märkten, sinkende Massenkaufkraft durch Bevölkerungsrückgang und Arbeitslosigkeit, zunehmende Konzentrationstendenzen im Handel und daraus resultierende Erhöhung der Nachfragemacht, Internationalisierung und Intensivierung des Wettbewerbes, Ressourcenverknappung und Umweltdiskussion, Wertewandel in Teilen der Bevölkerung, die bewusst Konsumverzicht üben – diese und ähnliche Tendenzen hat Meffert bereits 1986 (S. 30) beschrieben. Sie stehen spätestens seit diesem (auch für das Medienmarketing bedeutsamen) Zeitraum für eine Neuorientierung, einen Wandel im Marketing. Angesichts wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen, greift das Marketingkonzept als grundlegende Führungsfunktion und übergreifende „Philosophie“ im Unternehmen noch zu kurz. Denn auch auf diese Weise werden langfristige Entwicklungen der Rahmenbedingungen kaum konsequent einkalkuliert. Was geschieht in der Politik, im Bereich der globalen Wirtschaft, im Wettbewerb, ja generell in der Gesellschaft (vgl. Kuß 1988, S. 33): „Während man traditionell im Marketing häufig versuchte, in allen bearbeiteten Märkten die eigene Position zu verbessern, sind unter schwierigeren Bedingungen die Unternehmen gezwungen, ihre Ressourcen (...) konzentriert einzusetzen.“ Dies bedeutet, dass man ganz bewusst rückläufige Entwicklungen in einzelnen angestammten Märkten in Kauf nimmt, um sich voll auf den Erfolg in attraktiveren Märkten zu konzentrieren. Hinter diesem Ansatz verbirgt sich die Theorie des strategischen Marketing. Bewusst werden die erfolgreichsten, die vielversprechendsten Geschäftsfelder aufgespürt, um diese einem Ranking folgend stärker zu bearbeiten. Die drei grundlegenden Fragen, die das strategische Marketing leiten, hat Jain bereits 1983 formuliert: ƒ ƒ ƒ

Auf welchen Märkten konkurriert man? (Zum Beispiel: Markt der regionalen Tageszeitung oder Markt aller regional orientierten Medien) Wie konkurriert man? (Leistungsvorsprung oder Preisvorteil) Wann konkurriert man? (Markteintritt wird bewusst gewählt – früh oder spät).

Alle Entscheidungen, die bei der Wahl strategischer Geschäftsfelder getroffen werden, sind konsequent langfristig orientiert. Sie sind im Regelfalle Entscheidungen der höchsten unternehmerischen Hierarchieebene. Dieser Aspekt wird hier bewusst eingeführt, da sich zum Beispiel die Entscheidung vieler Verleger zum Einstieg in den „Markt“ der Neuen Medien

149 Mitte der 1980er Jahre als ein Schritt im strategischen Marketing interpretieren lässt. Aber auch andere strategische Optionen sind für das hier immer wieder genutzte Beispiel regionaler Tageszeitungen denkbar: ƒ

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Erstens: Redaktionelle Konzentration auf zentrumsfernere Orte, auf die Arbeit von kleineren Außenredaktionen zum Beispiel (motiviert durch stark zurückgehende Auflagen in Innenstadtbezirken) – ausgedrückt beispielsweise in der Neugliederung der Platzaufteilung des Seitenspiegels. Zweitens: Redaktionelle Ausrichtung auf (tragfähig erscheinende) Zielgruppen. Die starke Bearbeitung von Nichtlesergruppen zum Beispiel – was nur auf Kosten anderer Lesergruppen gehen kann. Solche oder ähnliche Fragestellungen sind bei den Überlegungen zur Marketingstrategie von wesentlicher Bedeutung.

3.2.2 Marketing für Nonprofit-Organisationen Marketing hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Ansatz eine ganze Reihe von Erweiterungen erfahren. Der sicher interessanteste Part dabei: die Ausdehnung des Begriffes auch auf Gebiete, die Marketing nicht als Instrument der Gewinnmaximierung sehen (als wichtigste Publikationen aktueller Prägung dürften in diesem Bereich die umfangreichen Darstellungen von Bruhn 2005 sowie Purtschert 2005 gelten). Es ist gerade auf Basis dieser Entwicklungen sehr interessant, Marketing im redaktionellen Umfeld nicht allein aus gewinnmaximierend-ökonomischer Sicht zu begründen. Deshalb wird hier ein eigenes Kapitel eingeführt, das kurz auf Marketing für den Nonprofit-Bereich eingeht. Dabei soll dieser Abschnitt auch zeigen, wie frühzeitig die Überlegungen zu einem Marketing-Ansatz für Nonprofit-Organisationen in der Literatur dokumentiert sind. Hier wurde (für manche mag das überraschend erscheinen, im historischen Kontext jedoch besitzt dies eine durchaus nachvollziehbare Logik) die wesentliche „Integrationsarbeit“ bereits in den 1970er Jahren geleistet. Wie so oft also verweisen die vielleicht interessantesten Ansätze einer zukunftsorientierten Medienökonomie auf die lebendigen Auseinandersetzungen der 1970er Jahre. Marketing ist – wie beschrieben – ein zumeist betriebswirtschaftlich motiviertes Grundprinzip, das reaktive und aktive Elemente in sich vereinigt. Es „funktioniert“ jedoch auch für Museen, Stadtverwaltungen, Vereine, Kirchen und Verbände. Damit beschäftigt sich der inzwischen weite Bereich des Nonprofit-Marketing. „Why can’t you sell brotherhood like soap?“ (Warum kann man Brüderlichkeit nicht wie Seife verkaufen?) Dies war die entscheidende Frage, mit der Wiebe bereits 1951 die Diskussionen zu Social und Nonprofit-Marketing einläutete. Die Antwort, die Wiebe seinerzeit auf die Frage gab: Diejenigen, die „Nonbusiness“-Produkte vermarkten, vernachlässigen die systematische Situationsanalyse. Diese Missachtung verbinde sich oft mit der Unerfahrenheit von „Nonbusiness“-Managern in Marketingfragen (vgl. Wiebe 1951). Dass sich der Marketing-Ansatz grundsätzlich auch auf die „Vermarktung ideeller Produkte“ anwenden lässt, hat Lamb (1987, S.162) besonders eindrücklich beschrieben: „Die Philosophie des Marketing ist einfach und einleuchtend. Das so genannte ‚Marketing Concept’ ist eine Philosophie, die davon ausgeht, dass die soziale und ökonomische Rechtfertigung für das Bestehen einer Organisation in der Befriedigung von Kundenwünschen liegt. Es beinhaltet die Entwicklung von Wegen, auf denen die Organisation mehr über Kundenwünsche erfahren kann.

150 Und diese Information wird intern zur Formulierung von Marketingprogrammen genutzt, mit deren Hilfe der befriedigende Austausch mit den Zielmärkten (die gewählte Gruppe Menschen, die von der Organisation bedient werden soll) organisiert wird.“ (Lamb 1987, S. 162). So klar so gut: Auch Levy und Kotler beschrieben bereits 1969 (S. 10), dass sich Marketing nicht auf eine Business-Funktion beschränken muss: Viele nicht „businessorientierte“ Organisationen haben im Grunde genommen Marketingprobleme und sind gezwungen, Marketing zu verstehen. In der Folge dieser Publikation erweitern eine ganze Reihe von Autoren den Basisansatz; Shapiro zum Beispiel veröffentlichte in der Harvard Business Review im Jahr 1973 einen Artikel, der in der Wissenschaft besonders kontrovers diskutiert wurde. Das erste Buch erschien 1975 (Kotler), ein weiteres von Gaedecke in 1977. Lovelock und Weinberg beschrieben ebenfalls 1977 bereits konkrete Fälle und Nickels nahm den Nonprofit-Gedanken in sein Marketing-Lehrbuch auf, widmete ihm sogar beinahe ebenso viel Raum, wie dem „business marketing“ (Nickels 1978; Lovelock/Weinberg 1977). Marktsegmentierung ist eines der Grundelemente in der modernen Marketingpraxis. Grundsätzlich lässt sich dieses auch im Nonprofit-Bereich anwenden. Dies kann durchaus von Interesse sein, wenn man darüber nachdenkt, einzelne Bereiche der redaktionellen Inhalte von Medien auf die Nutzungsgewohnheiten abzustimmen. Mindak und Bybee lieferten 1971 den Nachweis, dass das Prinzip der Marktsegmentierung hohen Nutzen bringt, der sich auch im Nonprofit-Bereich ausschöpfen lässt (vgl. S. 15): „Wie auch immer, im Marketing für Konsumgüter, wird das „Heavy-User-Concept“ weitgehend als zutreffend anerkannt. Verschiedene Autoren haben Zusammenhänge von überproportionalem Verbrauchsverhalten für verschiedene Produktlinien beschrieben. Zum Beispiel: Weniger als vier Prozent der männlichen Bevölkerung ist für den Abschluss von 90 Prozent aller Automietverträge verantwortlich. 8 Prozent stehen für 98 Prozent aller Flugreisen in einem Jahr. 26 Prozent der Bevölkerung verbrauchen 81 Prozent des produzierten Instantkaffees.“ Ansätze der Marktsegmentierung dienen dazu, Zielgruppen zu beschreiben, um diese mit den zur Verfügung stehenden Mitteln besonders ansprechen zu können. Auch das Nonprofit-Marketing erfordert in diesem Zusammenhang die Kenntnis der Zielgruppen – und dabei ganz besonders Informationen über die folgenden Variablen: ƒ ƒ ƒ

Soziodemografische Merkmale (‚externe‘ Eigenschaften wie Sozialstatus, Einkommen, Ausbildung, Alter, Familiengröße usw.), Psychologisches Profil (‚interne‘ Eigenschaften wie zum Beispiel Einstellungen, Werte, Motivation und Persönlichkeit) sowie Verhaltensaspekte (verschiedene Verhaltensmuster wie Einkaufsverhalten oder Charakteristika der Entscheidungsfindung).“ (Kotler/Roberto 1989, S. 27).

Rothschild indes (1987, S. 282) glaubt, dass Marketing nicht immer auf den „NonbusinessSektor“ zu übertragen ist: „Wenn man sich den aktuellen Standard der Marketingkommunikation betrachtet, so kann man feststellen, dass die Dinge, die im Bereich der klassischen Konsumgüter begründbar gut funktionieren, nicht ebenso gut auf dem Nonprofit-Sektor einsetzbar sind. Bei den meisten Konsumgütern kann man von einer hohen Spannbreite von Involvement auf mittlerem Niveau ausgehen, viele nichtwirtschaftliche Themenstellungen existieren im Bereich sehr hoher oder sehr niedriger Involvement-Umgebungen. Und diese Umgebungen erfordern möglicherweise eine erweiterte Auswahl von Werkzeugen und Strategien.“ (Rothschild 1987, S. 282). Das hier angesprochene theoretische Konstrukt

151 „Involvement“ ist die vermittelnde Variable, die die Haltung zum Umdenken, zu Lernbereitschaft und Informationsaufnahme, zu Wahrnehmungswandel und zur Verhaltensänderung beschreibt (vgl. u.a. Houston/Rothschild 1977). Zukünftige Forschung muss sich also auch mit der Ermittlung des Involvement im Redaktionsumfeld beschäftigen, wenn es um die nicht allein gewinnmaximierende Durchsetzung eines Marketingansatzes geht, der auch vermutete meritorische Bedürfnisse adressiert. Eines der Hauptprobleme, das insbesondere auch die Diskussion von Redaktionsmarketing in der praktischen Anwendung beherrschen dürfte, beschreibt Rothschild (1987, S. 273): „Kommunikatoren suchen die „Unique Selling Proposition“ um dem Verbraucher die Vorteile einer entsprechenden Verhaltensweise näher zu bringen. Im Nonprofit-Bereich lassen sich häufig nur sehr schwache persönliche Vorteile finden, die schwerlich zu grundlegenden Verhaltensänderungen führen.“ Und Rothschild (1987, S. 272) liefert darüber hinaus eine gute Zusammenfassung der Problembereiche, der Dinge die es so schwierig machen, den Marketingansatz zu übertragen: „Im Nonprofit-Bereich entstehen viele Probleme daraus, dass es sich im Regelfall um Produkte handelt, die nicht greifbar sind, die nicht angefasst werden können. Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Leistungen nicht mit Geld erkauft werden, oder das Fehlen von „Wiederholungskäufen“, das Fehlen von verhaltensverstärkenden Faktoren, die Anforderung eine(n) geschlossene(n) aber sehr heterogene(n) Gesellschaft/Markt zu bedienen und schließlich extrem unterschiedliche Ebenen von Involvement, die von sehr niedrig bis sehr hoch variieren. Diese Faktoren verdeutlichen, dass es weit komplexer und schwieriger ist, Marketingprinzipien aus dem Bereich der profitorientierten Wirtschaft auf Nonprofit-Bereiche zu übertragen, als man ursprünglich dachte.“ Die von Rothschild beschriebenen Erschwernis-Faktoren treffen in weiten Bereichen auch auf die publizistische „Produktion“ zu. Und noch etwas wird in diesem Zusammenhang wichtig und zieht eine Klammer zur weiteren Diskussion: ohne Akzeptanz kein Marketingerfolg. Dies dürfte auch und insbesondere für Redaktionsmarketing gelten: „Internes Marketing – vor allem wenn die Betonung auf Kundenbewusstsein liegt – bedeutet, dass eine Organisation, um die Bedürfnisse des Marktes befriedigen zu können, zuerst die Bedürfnisse des eigenen Personals befriedigen muss.“ (George/Compton 1985, S. 36).

3.2.3 Vom Nonprofit- zum Social Marketing 3.2.3.1 Social Marketing und die Potenziale im dritten Sektor Ökonomische Aktivität ist in den meisten Gesellschaften eine Funktion der Aktionen und Interaktionen eines „profit sector“ und eines „governmental sector“. Kotler (1987, S. 3) stellt ganz bewusst zu diesen beiden den seiner Ansicht nach ebenso wichtigen dritten Sektor der aus Zehntausenden privaten „not-for-profit organizations“ besteht: von Kirchenchor und Bildungseinrichtung hin zu Museum, Hospiz oder Telefonseelsorge. „Dieser starke dritte Sektor fordert einen Mittelweg, um Sozialbedürfnisse zu erfüllen – ohne den Profitgedanken auf der einen Seite und staatliche Bürokratie auf der anderen.“ (Kotler 1987, S. 3, vgl. zu den Zusammenhängen auch Bruhn 2005). Weil er in den 70er und 80er Jahren ökonomisch begründete Probleme in diesem „dritten Sektor“ sah, entwickelte Kotler diverse Marketingansätze speziell für „Nonprofit Organizations“. Seiner Überzeugung nach, kann

152 der theoretische Ansatz der Kundenausrichtung auch diesen Organisationen helfen, Chancen wahrzunehmen: „Marketing erlaubt einer Institution ein besseres Verständnis darüber, was geschieht und es wirft Licht auf neue Möglichkeiten.“ (Kotler 1987, S. 13). Konkret hilft Marketing in dieser Sichtweise, spezifische Dienstleistungen gezielter auf erkennbare Bedürfnisse maßzuschneidern: „Marketing führt zu einem besseren Verständnis von Bedürfnissen verschiedener Kundensegmente, zu sorgfältigerer Vorbereitung und Einführung neuer Dienstleistungen, zu einer Streichung schwacher Dienste, zu effektiveren Methoden der Verteilung, zu flexibleren Ansätzen der Preisgestaltung und zu höheren Ebenen der Kundenzufriedenheit. Zusammengenommen eröffnet Marketing für Organisationen des dritten Sektors ein großes Potential – um zu überleben, zu wachsen und den Beitrag zur allgemeinen Wohlfahrt zu stärken.“ (Kotler 1987, S. 13). In diesem Zusammenhang wurde der Begriff Social Marketing geprägt. Er steht für die Anwendung der Marketing-Theorie und Methodik auf soziale Botschaften, auf Ideen oder Verhaltensweisen (vgl. Kotler/Zaltman 1971). Der inzwischen (seit etwa Ende der 1980er Jahre) in der Betriebswirtschaftslehre geläufige Begriff für Social Marketing: „Eine Technologie, die den sozialen Wandel möglich macht und den Entwurf, die Implementierung und die Kontrolle von Programmen einschließt, die sich zum Ziel gesetzt haben, in einer oder mehreren Zielgruppen (target adopters) die Akzeptanz einer sozialen Idee oder von sozialem Verhalten zu fördern. Es nutzt die Konzepte der Marktsegmentierung, der Verbraucherforschung, der Produktentwicklung und des –tests, der direkten Kommunikation, der (‚Verkaufs-`) Förderung und Incentiveleistungen, um den Respons in den Zielgruppen (bei den „target adopters“) zu maximieren.“ (Kotler/Roberto 1989, S. 25; vgl. auch Krzeminski/Neck 1994, vgl. auch von Roehl 1991). Marketing also präsentiert sich mit Bezug auf eine in dieser Arbeit entwickelte Ökonomie der Publizistik als Idealfall einer betriebswirtschaftlich basierten, jedoch weit über ihren monetär-gewinnmaximierenden Kontext hinausreichenden Arbeitstechnik. Im Zusammenhang mit dem Marketingobjekt „redaktionelles Angebot“ ist eine theoretische Überlegung, die Fox und Kotler (1980 S. 18 f.) beschreiben besonders interessant. Für die beiden Autoren verlangen insbesondere drei Situationen nach Social Marketing: ƒ ƒ

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Wenn neue Informationen und Praktiken erläutert werden müssen. In vielen Situationen müssen Menschen von Chancen und Möglichkeiten unterrichtet werden, die ihre Lebensqualität erhöht. Wenn sogenanntes Gegenmarketing (Countermarketing) benötigt wird. In einigen Ländern der Erde fördern Unternehmen den nicht gerade förderlichen Verbrauch von Produkten, die an sich schon gefährliche Eigenschaften besitzen können (Zigaretten, Alkohol etc.). Social Marketing wird nun von einigen gesellschaftlichen Gruppen oder staatlichen Einrichtungen als adäquates Mittel gesehen, die andere Seite der Medaille darzustellen und Menschen davon zu überzeugen, zum Beispiel eine gesundheitsbewusstere Lebenseinstellung zu übernehmen. Wenn Aktivierung gefordert ist. In vielen Fällen wissen Menschen quasi instinktiv, wie sie sich richtigerweise verhalten sollten. Dennoch agieren sie anders. In solchen Situationen, versucht Social Marketing Menschen aus ihrer verharrenden Haltung herauszubringen und zu aktivieren.

153 Diese drei Punkte sind im Kontext der Arbeit elementar, wird doch an ihnen die ultimative Verbindung zur Bedürfnis-Hierarchisierung in Kapitel 1 geschaffen und die Brücke zu Meritorik und Demeritorik geschlagen.

3.2.3.2 Social Marketing im redaktionellen Aktionsfeld Ein Aspekt für die Ausgestaltung und Institutionalisierung eines publizistisch motivierten Marketingansatzes liegt auch darin, dass das Redaktionsprodukt an sich Themen besetzt oder besetzen kann, die für positiv gewichtete soziale Veränderung stehen, und die nicht gleichzeitig auch die Gewinnerzielungsabsicht oder die monetär-ökonomische Absicherung der Publikation im weitesten Sinne stützen. Dieser Aspekt ist durchgängig auf der Seite der aktiven Marktgestaltung durch Marketingmaßnahmen zuzurechnen. Die Methodik des „Social Marketing“ könnte in diesem Verständnis also: ƒ ƒ ƒ

dem Risiko möglicherweise wachsender Anpassung entgegenwirken (vgl. oben, Kapitel 1). die Subventionsfähigkeit („Gebührenfähigkeit“) eines Mediums unterstützen. Meritorik und Marketing eng miteinander verzahnen.

Die Aktivitätsorientierung findet ihren Ausdruck auch in der Literatur, wenn zum Beispiel Kotler und Roberte bereits 1989 (S. 18) so genannte „Social Change Campaigns“ direkt unter dem Social Marketing zuschlagen. Die wesentlichen Faktoren einer solchen „Kampagne“ sind die folgenden: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

„Cause.“ Ein Sachverhalt aus dem Sozialbereich, den „Change Agents“ für eine passende Antwort auf ein erkanntes Sozialproblem halten. „Change Agent.“ Ein Individuum, eine Organisation oder Vereinigung, die sich über eine „Social Change Campaign“ um den sozialen Wandel bemüht. „Target Adopters.“ Individuen, Gruppen oder Bevölkerungsschichten, die „Social Marketer“ als Zielpersonen oder -gruppen ausgewählt hat. „Channels.“ Kommunikations- oder Vertriebswege zwischen „Change Agents“ und „Target Adopters“ über die Einfluss genommen und der Respons gemessen wird. „Change Strategy.“ Die gewählte Richtung oder ein Programm mit dessen Hilfe „Change Agents“ den Verhaltens- oder Einstellungswandel bei den herausgedeuteten Zielgruppen erreichen wollen.

Schon vergleichsweise früh wurden auch anhand von empirischen Untersuchungen auch vier verschiedene Modelle identifiziert, wie „target adopters“ letztendlich zur Übernahme einer Idee oder einer Verhaltensweise veranlasst werden: (1) ‘learn-feel-do’ adoption, (2) ‘do-feel-learn’ adoption, (3) ‘learn-do feel’ adoption, and (4) ‘multipath’ adoption. (vgl. Ray 1982). Publizistische Aktivität, die sich gezielt über den Ansatz des Social Marketing definiert, kann sich diese verschiedenen Varianten entsprechend zunutze machen und dem entsprechend ihre „nutzerbeeinflussende“ Aktivität entlang erkannter meritorischer Bedürfnisse und interessanterweise auch über publizistische meritorische Bedürfnisse hinausgehend deklinieren.

154 3.2.4 Öko-Marketing und eine Ökonomie der Publizistik In den vergangenen Jahren rücken auch angesichts einer starken Verbreitung von Schriften zum „Social Marketing“ jene Aspekte in den Marketing-Fokus, die sich vom klassischen Konsumgütermarketing insoweit entfernen, als sie soziale Aspekte und jene, die die gesellschaftliche Basis sichern und weiterentwickeln sollen, gezielt neben der Gewinnmaximierung positionieren. Gesamtgesellschaftliche und an Nachhaltigkeitsaspekten orientierte Ziele werden normativ in die realökonomischen Beziehungen eingebettet. Da diese Herauslösung für Marketing im Sinne einer Ökonomie der Publizistik ebenso entscheidend ist, wird hier als Beispiel Öko-Marketing herausgegriffen, das sich in zunehmendem Maß hin zu einem Nachhaltigkeits-Marketing entwickelt. Darunter ist im Grunde die ganzheitliche Ausrichtung des Marketing- und Unternehmenskonzepts, die Kette aus Zielen, Strategien, und Marketing-Mix, unter ökologischen Aspekten bzw. Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu verstehen (vgl. Meffert/Kirchgeorg 1998, Fritz 1995). Wie in einer Ökonomie der Publizistik spielen in diesem Zusammenhang meritorische, im Sinne von Bedürfnissen höherer Ordnung eine Rolle, denn Öko-Marketing knüpft an der gesellschaftlichen Verantwortung allen unternehmerischen Handelns an. Im Sinne des Öko-Marketing Belastungen für die Umwelt zu vermeiden (zu vermindern), um die natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen zu erhalten oder noch zu verbessern sowie alternative, umweltbewusste Lebensführung von Konsumenten aufzugreifen und mit entsprechenden Marketingkonzeptionen zu fördern (vgl. Meffert/Kirchgeorg 1998). Die an ökologischen Grundsätzen ausgerichtete Produkt- und Programmpolitik ist sowohl auf die umweltfreundliche Herstellung der Produkte, ihre umweltfreundliche Nutzung (speziell bei Gebrauchsgütern) wie auch auf ihre umweltfreundliche Entsorgung gerichtet. So gesehen, geht es um die Gestaltung geschlossener Stoffkreisläufe (vgl. Kirchgeorg 1999). Interessanterweise verweist Kirchgeorg auch darauf, dass umweltorientierte Ansätze vom unternehmerischen Grundkonzept abhängen und entsprechend als gesamtunternehmerische Steuerungsgröße nur unter bestimmten Voraussetzungen gelten. So sind etwa kostensteigernde Umweltschutzmaßnahmen für solche Unternehmen problematisch, die eine konsequente Preis-Mengen-Strategie verfolgen, und erhöhten Kostenaufwand nicht in den Abgabepreisen weitergeben können. Unternehmen, die dagegen eine Präferenzstrategie als strategisches Basiskonzept wählen, können jedenfalls aufgrund ihrer Markenpräferenz bzw. aufgrund des monopolistischen Preisspielraums, den sie realisieren können, umweltspezifische Kostenerhöhungen in ihrer Kalkulation eher „verkraften“ bzw. gegebenenfalls an die Abnehmer weitergeben. (vgl. Marketing-Marktplatz 2005). Was offensive – d.h. über gesetzliche Vorschriften und behördliche Auflagen hinausgehende – strategische Ansätze zur umweltorientierten Marketingpolitik betrifft, so bieten sich demnach für preis-mengenstrategisch operierende Unternehmen primär Rationalisierungsmaßnahmen an, um z.B. im Bereich Energie-, Wasser-, Rohstoff- und/oder Abfallkosten (Kosten-)Reserven auszuschöpfen. Die Hauptstoßrichtung läuft bei Wahl dieses Strategiemodells auf Prozessinnovationen, um über Kostenvorsprünge Preis- und damit Wettbewerbsvorteile speziell in (noch) umweltunsensiblen Märkten zu realisieren. Im Sinne der betriebswirtschaftlichen Orientierung von Medienorganisationen gedacht, hieße das: Orientiert sich die gesamte Organisation am preis-mengen-strategischen Modell, rückten als zentrale Aspekte der publizistischen Ökonomie Effizienzkriterien in den Vordergrund – maximale Qualität (im Sinne „meritori-

155 scher Qualität“) bei geringsten Kosten und damit ein Primat der Kostenführerschaft). Also selbst eine solche unternehmerische Strategievorgabe hindert nichts an der Funktionsfähigkeit publizistisch-ökonomischer Konzepte. Bei präferenzstrategischen Konzepten liegt im Öko-Marketing der Schwerpunkt auf qualitätsorientierten, umweltschonend hergestellten wie zu nutzenden Produktinnovationen, die auch eine entsprechende Preisstellung am Markt rechtfertigen. Das ist umso eher möglich, je mehr auch unter ökologieorientierten Gesichtspunkten Differenzierungen gegenüber Konkurrenzprodukten gelingen (vgl. Marketing-Marktplatz 2005). Im Vergleich zur Ökonomie der Publizistik stößt man hier in den direkten Bereich einer Entkoppelung der dualen Ökonomie vor, auch dieses ist ja im Rahmen dieser Arbeit bedeutsames Thema (vgl. Kapitel 1 und die Hinweise zur „Entflechtung der Wertschöpfungskette“).

3.3 Die Elemente des Marketing-Management 3.3.1 Die zwei Komponenten im Marketing-Management Marketing vereint, wie beschrieben, eine aktive mit einer reaktiven oder passiven Komponente. Das bedeutet auch: Marketing nimmt gezielt die Bedürfnisse eines gewählten Zielmarktes wahr. Dazu muss es mit Hilfe von Analysemethoden ermitteln, welche Bedürfnisse bei ausgesuchten Zielgruppen tatsächlich vorhanden sind. Dies ist ein häufig schwieriges Unterfangen, das sich auf komplizierte und umfangreiche Befragungen oder Messungen und deren Auswertung stützt. Neben den am Markterfolg, an Absatzzahlen, Wiederkaufraten und Involvement ablesbaren Bedürfnislagen sind meritorische Bedürfnisse noch schwerer nachzuweisen, geschweige denn zu messen. Die mühsame Ableitung meritorischer Güter über das Konsenskriterium, wie sie zum Beispiel Lobigs (2005) versucht, zeigt die Problematik eines wissenschaftlich korrekten Nachweises. Diese Arbeit argumentiert im Gegensatz dazu lediglich auf Basis einer Existenzmöglichkeit meritorischer Bedürfnisse, was dem eigenständigen Ansatz jedoch völlig genügt. Neben der „passiven“ Marktanpassung besitzt Marketing eine aktive Komponente, die unter Nutzung einer ganzen Reihe von Werkzeugen das Verhalten der Zielgruppen beeinflussen soll. Mit Marketingorientierung ist demzufolge „ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Anpassung an Marktbedingungen und aktiver Beeinflussung der Marktbedingungen gemeint“ (Kuß 1988, S. 19). In dieser Konsequenz sind die Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten zu verstehen. Im Marketingprozess wirken beide Komponenten stets zusammen. Die aktive Marktbearbeitung resultiert aus der reaktiven (und, das bliebe hinzuzufügen, weil auch steuerbar, selektiven) Informationsaufnahme und –verarbeitung aus den (definierbaren und zu definierenden) Märkten, die eine Organisation bedienen will. Dieses Miteinander von aktiven und passiven Elementen öffnet das Spannungsfeld in der Praxis. Dies lässt nun wieder die Aussage zu: Es wird nie eine allgemein gültige und einzig richtige Methodik geben können, Informationen über Märkte zu erhalten, zu verwerten und zu interpretieren. Und ebenso wenig, wird sich in der Folge ein standardisiertes Aktionsprogramm entwickeln lassen, das exakt beschreibt, wie auf die erkannten Aspekte punktgenau zu reagieren ist. Auch diese Unwägbarkeiten machen das Arbeitsfeld für Marketing-Praktiker in publizistischen Situationen so spannend.

156 3.3.2 Marktforschung: Basis für die reaktive Komponente 3.3.2.1 Relevanter Markt und die Rolle der Marktforschung Bedingt durch die duale Ökonomie gibt es mehrere grundlegend relevante Märkte für Medien. Das ist übrigens ein Grund, der es erlaubt, neben einem gesamtbetrieblichen Marketing-Ansatz rein publizistische Marketingansätze zu diskutieren. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Definition des relevanten Marktes zu richten, der für die Marketingstrategien eines Unternehmens und damit auch den Redaktionen die Basis liefert. In „Vahlens Großes Wirtschafts Lexikon“ (1993) finden sich über 60 Begriffe, die mit der Silbe „Markt“ beginnen. Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (2002, S. 34 ff.) beschreiben eine ganze Reihe von Klassifikationsmöglichkeiten, nach Gütern, nach Regionen, nach der Größe, nach den Eintrittsschranken oder nach der Vollkommenheit. Immer wieder ist in den Wirtschaftswissenschaften die Rede vom vollkommenen Markt, der sich durch das Maximumprinzip, durch vollkommene Markttransparenz und unendlich große Reaktionsgeschwindigkeit, durch das Fehlen von Präferenzen und von äußeren Einflüssen auszeichnet. Mit solch einer Definition ist gut zu argumentieren. Die Wirklichkeit dagegen konfrontiert nie mit solchermaßen idealen Bedingungen. Auch je nach Zahl und Bedeutung der Anbieter und Nachfrager werden Märkte klassifiziert – in solche der freien Konkurrenz, des Oligopols und des Monopols. Eines der gängigsten Kriterien zur Einschätzung in einem Schema der Marktformen ist das des relativen Marktanteils, also des Verhältnisses von eigenem Marktanteil zu dem des größten Wettbewerbers oder der größten Konkurrenten (vgl. z.B. Kuß 1988, S. 44). Daneben unterscheidet man gerne Konsum- und Investitionsgütermärkte, weil diese Unterteilung zwei wissenschaftliche Stränge entstehen ließ, die unterschiedliche Konzepte ausgebildet haben, wie betriebswirtschaftliche Strategien in der Praxis anzuwenden sind. Der Markt ist der ökonomische Ort des Tausches, Angebot und Nachfrage begegnen sich, so entstehen Preise. „In einer Marktwirtschaft übernehmen Märkte und Preise, die sich auf diesen bilden, eine zentrale Steuerungsfunktion. Sie stimmen die Einzelpläne der Haushalte und der Unternehmungen aufeinander ab.“ (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 33). Viel interessanter für die Marketingdiskussion scheint jedoch die Einführung des Begriffes „relevanter Markt“, dessen konkrete Festlegung sich als ausgesprochen schwierig erweist. Hierunter ist der „Bereich wirksamer Konkurrenz“ zu sehen, der alle Produkte zusammenfasst, die in der Sicht der Nachfrager kurzfristig austauschbar sind (zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung relevanter Märkte vgl. Heinrich 1994 und dort angegebene Literatur). Auch Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (2002, S. 37 ff.) geben einige Hinweise darauf, wie sich ein solcher Markt im individuellen Fall abstecken lässt. In den betriebswirtschaftlichen Disziplinen wird für die Erklärung von Substitutionsbeziehungen die Kreuzpreiselastizität genutzt, die sich jedoch in der Praxis jedoch schwer bestimmen lässt. Daneben gibt es das praxisorientierte Konzept der funktionalen Austauschbarkeit, die eine vergleichende Analyse der Produkteigenschaften und Verwendungszwecke zugrunde legt (vgl. Heinrich 1994, S. 35). Über Informationen zum relevanten Markt hinaus, benötigt man Kenntnisse darüber, wie sich Abnehmer bzw. Verbraucher verhalten, und wovon dies jeweils abhängt; auch Ort, Zeit und andere äußere Umstände des Verbrauchs oder Gewohnheiten beim Gebrauch der erworbenen Güter spielen im Marketing eine zentrale Rolle. Um näheren Aufschluss über

157 die begleitenden Fragestellungen zu bekommen, gibt es eine ganze Reihe von Hilfsmitteln, die in der Literatur unter dem Thema Marktforschung beschrieben sind. Das Spektrum reicht von explorativen über deskriptive hin zu explikativen und kausalen Studien. Die Methodik nutzt verschiedenste Verfahren der Skalierung – sowohl ein- als auch mehrdimensionale. Der Datengewinnung können Befragung und Beobachtung dienen. Eine besondere Rolle spielen Panelerhebungen, das heißt die Befragung einer homogenen Gruppe, die repräsentativ für eine große Grundgesamtheit steht, in regelmäßigen Abständen. Aber auch apparativ unterstützte Verfahren haben Eingang in die Marktforschung gefunden, ebenso wie psychophysiologische Erhebungsverfahren (zu den hier angesprochenen Verfahren vgl. zum Beispiel Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002; Kotler/Keller 2006, zu den Besonderheiten im Dienstleistungsmarketing vgl. insbesondere Meffert/Bruhn 2003, Meffert/Bruhn 1995, S. 92 ff., vgl. auch den richtungweisenden Beitrag zur Optimierung von Messgrößen in der Marktforschung von Churchill 1979).

3.3.2.2 Datenanalyse in der Marktforschung Für die Analyse von gewonnenen Daten bietet sich ebenfalls ein weiter Bereich an, multivariate Methoden zum Beispiel, wie Regressions-, Varianz-, Diskriminanz-, Kontrastgruppen-, Cluster- oder Faktorenanalyse (vgl. z.B. Meffert 2003, Kotler/Keller 2006, Pepels 2005). Und auch für das Treffen von Prognosen hält die Marketingforschung einige Werkzeuge bereit – Produkt-, Markt- oder Store-Test beispielsweise im Bereich der Wirkungsprognose, die einfache Zeitreihenprognose und Grundformen des exponentiellen Glättens sowie nichtlineare Trend- und Wachstumsfunktionen für die Vorhersage im Bereich der Entwicklungsprognose. Wirkungs- und Entwicklungsprognose lassen sich auch verknüpfen (vgl. Pepels 2005 und für die Besonderheiten von Nonprofit-Organisationen Bruhn 2005, dort insbesondere Kapitel 3). Den Analytikern sind im Rahmen der Marktforschung kaum Grenzen gesetzt. An dieser Stelle kann es natürlich nicht darauf ankommen, die Inhalte gängiger Marktforschungs- oder übergreifender Marketing-Lehrbücher zu beschreiben oder mit einer Reihe von Analysemethoden zu beeindrucken, die den Alltag von Statistikern oder auch Sozialforschern beschreiben. Die Erläuterungen hier dienen dazu, das Spektrum zu verdeutlichen, das der Praxis zur Verfügung steht, um Märkte zu beobachten, zu analysieren und zu bewerten und aus den Erkenntnissen konkrete Handlungen abzuleiten. Das breite Aktionsfeld steht auch den Medienunternehmen zur Verfügung, die damit die beiden Märkte in der doppelten Ökonomie näher erforschen können, um aus den Ergebnissen konkrete Handlungen abzuleiten. In der Praxis hat die Marktforschung für Medienunternehmen unterschiedlich große Bedeutung erlangt. Während im Bereich der privaten elektronischen Medien, Werkzeuge recht umfassend eingesetzt und mit Hilfe von Befragungen und Analysen auch Werbepreise festgelegt werden,27 gab und gibt es im Bereich der Printmedien, insbesondere der Tageszeitungen eher zurückhaltende Ansätze. Während im Zeitschriftensektor vielfach am Kiosk die Tragfähigkeit von Nischen getestet wurde und wird, lag hatte die Zurückhaltung im Einsatz von Marktforschung bei tagesaktuellen Printmedien vor allen Dingen zwei Gründe: 27

Bestes Beispiel ist hier die Media Analyse (MA), die in zwei Befragungswellen (nicht unumstritten) pro Jahr unter Berücksichtigung großer Grundgesamtheiten die Hörfunknutzung in Deutschland ermittelt (die MA setzt sich aus mehreren Landesfunkanalysen zusammen).

158 ƒ ƒ

Eine eher schwierige Erfassung des Gesamtmarktes sowie mangelnde ökonomische Erfordernis.

Mehrere Wellen eines Konzentrationsprozesses hatten den Markt in den 1950er sowie den 1970er Jahren weitestgehend „bereinigt“. In den 1980er Jahren hat sich der Konzentrationsprozess auf dem Tageszeitungsmarkt in Deutschland noch einmal beschleunigt und war in der „wirtschaftlichen Krise“ (Röper 2002, S. 478) nach der Jahrtausendwende wieder in zunehmendem Maße zu verfolgen – mit dem Effekt, dass die Fronten noch deutlicher abgesteckt und Monopolstellungen von Tageszeitungsverlagen weiter gefestigt wurden (vgl. Röper 2002, S. 478 ff.). Heute gibt es nurmehr Inseln der Konkurrenz auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt. Auch die Wiedervereinigung hat nicht für erhöhtes Konkurrenzpotenzial gesorgt. Vielmehr wurden die bestehenden Unternehmen, insbesondere die SEDBezirkszeitungen über die Treuhandanstalt auf eingeführte Verlagsunternehmen übertragen. Dass die Politik und ihre Akteure in diesem Prozess des Konkurrenzausschlusses nicht ganz unbeteiligt waren zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass mit dem Ludwigshafener Verleger Schaub und seiner Medienunion bei der Freien Presse in Chemnitz ein Vertrauter und guter Freund des damaligen Bundeskanzlers zum Zuge kam. Die Freundschaft gründet möglicherweise auf der gemeinsamen Herkunft: In den frühen Tagen (Ende der 60er Jahre) der politischen Karriere Helmut Kohls sollen beide gemeinsam regelmäßig abendlich beim Durchforsten von Agenturmeldungen in den Redaktionsräumen der Rheinpfalz gesichtet worden sein.28 Die Marktbereinigung mit der Folge nur gering ausgeprägter Konkurrenz hat das Selbstverständnis der Tageszeitungsverlage geprägt und sie vielleicht auch nur mangelhaft auf Krisenszenarien vorbereiten lassen. Interessanterweise kommt parallel zur wirtschaftlich verhaltenen Entwicklung des Tageszeitungsgeschäftes nach der Jahrtausendwende mit dem Readerscan-Verfahren auch ein neues Marktforschungsinstrument für die Tagespresse auf, das die Möglichkeit benötigt, große Datenmengen zu verarbeiten. Gelesene Inhalte werden an der elektronisch verfügbaren Datenbank geprüft. Ein kausaler Zusammenhang – Auflagen- bzw. Umsatzrückgang bedingt die Einführung neuer Marktforschungsinstrumente ist nicht nachweisbar, die Einführung des Verfahrens bei unterschiedlichen Regionalmedien (Main-Echo, Mannheimer Morgen) könnte aber darauf hindeuten, dass Auflagenschwund die Entscheidung für das durchaus aufwendige und teure Verfahren gefördert hat.

3.3.2.3 Der Marktforschungsprozess In der Praxis folgen Unternehmen heute in vielen Fällen einem Marktforschungsprozess, der sich in die Definition des Problems, in die Festlegung der Untersuchungsziele, die Festlegung des Untersuchungsdesigns, die Entwicklung von Messinstrumenten, die Beschreibung eines Analyseplans, in Datensammlung, Analyse und die Erstellung eines Berichts gliedert. Das hat Kuß bereits 1989 (S. 75) vorbildlich zusammengefasst. Stück für Stück wird damit der Marktforschungsprozess standardisiert und mit den als passend ausgewählten Instrumenten ausgestattet. Vier Dimensionen bestimmen dabei die „methodische 28 Anekdote, hier zitiert nach Ulla Hofmann. Die langjährige Korrespondentin der Frankfurter Allgemeine für die Region Rhein-Neckar präsentierte diese im Jahr 2001 zum Ende ihrer Korrespondententätigkeit im Rahmen eines „Rückblickes“ bei der Jahreshauptversammlung des Clubs kurpfälzischer Wirtschaftsjournalisten.

159 Spannweite“ der Marktforschung: Das Forschungsziel, der Formalisierungsgrad, der Umfang der gesammelten Daten und die Komplexität der Datenanalyse. Im Spektrum dieser vier Dimensionen lässt sich Marktforschung jeweils individuell gestalten (vgl. Lehmann 1985). Ein analytisch exakter Marktforschungsprozess erleichtert auch die Arbeit im Sinne der Marktforschung beim Rezipienten. Einmal entwickelt und festgelegt, können zu verschiedenen Zeitpunkten stets ähnliche Untersuchungen durchgeführt werden. Dies ist im Rahmen der strategischen Planung durchaus empfehlenswert, da sich die Rahmenbedingungen auf den Märkten und damit auch auf dem Rezipientenmarkt in Bewegung befinden. Geht man an dieser Stelle davon aus, dass dieser Rezipientenmarkt Relevanz besitzt, dann kann die Marktforschung dabei helfen, die Informationssammlung zu standardisieren. Das erleichtert im Anschluss die Auswertung und die Beurteilung der Konsequenzen. Der Grund für eine eher langfristige Orientierung der Marktforschungsinstrumente: Jedes Produkt kann irgendwann in seiner Geschichte in eine Phase des Abschwungs kommen, deshalb müssen Unternehmer das Marketingkonzept, die Marketingorientierung dauerhaft verfolgen und immer wieder neu die Bedürfnisse in den verschiedenen Marktsegmenten erforschen (vgl. Tinsley 1988, S.33). Nach Reibstein (1985) bestimmen drei Kriterien die Antwort auf die Frage, wann ein Unternehmen Marktforschung einsetzen sollte: ƒ ƒ ƒ

Erstens muss Unsicherheit bezüglich einer Marketing-Entscheidung bestehen. Das bedeutet, es existiert Informationsbedarf. Zweitens muss ein Unternehmen bereit sein, Konsequenzen aus den Ergebnissen der Untersuchung ziehen. Drittens: Der Wert der gewonnenen Informationen übersteigt die Kosten der Informationsbeschaffung.

Wer sich diese drei Kriterien stets vor Augen hält, wird die Marktforschung und ihre Methoden sinnvoll einsetzen können, um den Markterfolg der eigenen Organisation zu steigern. Insbesondere der letzte dieser drei Punkte hat in den vergangenen Jahrzehnten Marktforschung im Rezipientenmarkt zu verhindern gewusst (und auch heute sind es insbesondere Kostenfaktoren, die zum Beispiel als Antwort auf die Frage nach dem Einsatz von Readerscan-Verfahren im Tageszeitungsmanagement angeführt werden). Die genannten drei Faktoren sind für eine langfristig angelegte funktionale Marktforschung entscheidend. Möglicherweise ist die Überprüfung dieser Kriterien gerade für Marktforschungsansätze in der Redaktion intensiver zu betreiben, da die Erforderlichkeit in vielen Redaktionen nicht gesehen wird (vgl. dazu insbesondere die Untersuchungsergebnisse bei Rau 2000a, dort insbesondere Kapitel 5).

3.3.3 Marktforschung im Rezipientenmarkt Für publizistisches Marketing wird es von Bedeutung sein, wie die passive Marketingkomponente, die Marktforschung für den Rezipientenmarkt ausgerichtet wird. Sowohl die Kommunikationswissenschaften (vgl. z.B. Lindau 1983) als auch die betriebswirtschaftliche Herangehensweise (vgl. z.B. Bogart 1981 und 1991) stellen Marktforschung für Medienunternehmen immer wieder in den Mittelpunkt. Im Zusammenhang dieser Arbeit soll

160 exemplarisch der komplexe Marktforschungsprozess für das deutsche Fernsehen betrachtet werden. Hieran lässt sich besonders idealtypisch nachvollziehen, wie die duale Ökonomie gekoppelt ist, welche direkten Rückwirkungen ein Erfolg (Quote) auf dem Rezipientenmarkt für die Preispolitik auf dem Werbemarkt hat. Die Betrachtungen in diesem Abschnitt sind also als vertiefender Exkurs zu sehen, der die (kausalen) Voraussetzungen für Anpassungstendenzen der Medienproduktion darstellt. Jeden Morgen, spätestens um 8.30 Uhr, liegen in Deutschland für Programmplaner von Fernsehsendern, Produzenten von TV-Programmen, Werbe- und Mediaplaner der Markenartikelhersteller und für Werbe- und Mediaagenturen die aktuellen Zahlen des Vorabends auf dem Tisch. Jeweils am Tag nach der Ausstrahlung übermittelt die GfK Fernsehforschung, der wichtigste und fraglos mächtigste Datenlieferant der Fernsehlandschaft in Deutschland, die Einschaltquoten des Vortags. In wenigen Augenblicken stehen die Gewinner und die Verlierer im Vortagesprogramm fest. Das gilt für Serien ebenso wie für Nachrichten, Politmagazine oder Quizshows von RTL oder ZDF, für Talkshows in ARD oder ProSieben. Film- und Fernsehschaffende und ihre Beiträge, Moderatoren, unterwerfen sich dieser Messung am Publikum, weil dies nicht nur geübte Praxis ist sondern auch die Refinanzierung in der dualen Ökonomie sichert. Die täglich ermittelten Daten geben Auskunft, wie viele Zuschauer welchen Alters oder welcher sozialen Herkunft wie lange bei welchem Programm bleiben. Seit 1985 ermittelt die GfK Fernsehforschung in einem repräsentativen Forschungspanel die Einschaltquoten (vgl. GfK 2002, S. 6). Dieses Panel – weltweit einzigartig in der Größe der Stichprobe, in der Genauigkeit der Datenerfassung durch elektronische Geräte und in der Verlässlichkeit – stellt ein verkleinertes Abbild der in Deutschland lebenden Wohnbevölkerung in Privathaushalten mit mindestens einem Fernsehgerät dar. Der jeweilige Haupteinkommensbezieher hat dabei entweder die deutsche oder die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes. Sekundengenau wird rund um die Uhr und Tag für Tag ermittelt, wer in Deutschland wann was im Fernsehen sieht. Die Ergebnisse aus den Hochrechnungen der in dieser Stichprobe gewonnenen Informationen liegen am nächsten Tag bei den Anwendern dieser Daten vor. Das sind vor allem Sender und ihre Werbezeitenvermarkter, Werbeagenturen, Markenartikelhersteller, Journalisten, Wissenschaftler, Film- und Fernsehschaffende (vgl. GfK 2002, S. 5 ff.). Eine Besonderheit in Deutschland: Die Anwesenheit im Raum bei laufendem Fernsehgerät genügt nicht, um als Fernsehzuschauer zu gelten. In manchen anderen Ländern ist diese Definition üblich. Nur der Teilnehmer im Fernsehpanel, der auch tatsächlich aktiv fernsieht, ist angehalten, sich über das spezielle Datenerfassungsgerät als Zuschauer anzumelden. Welche Sendungen und Programme der Fernsehzuschauer tatsächlich nutzt, können Programmanbieter – sofern sie keine Fernsehzuschauerforschung betreiben – nur vermuten. Während beispielsweise ein Hersteller von Konsumgütern oder ein Handelsunternehmen durch Verkaufszahlen erfährt, ob ein Warenangebot vom Verbraucher angenommen wird, weiß ein Sender nicht ohne weiteres, wie groß sein Erfolg war. Und dementsprechend könnte er z.B. dem Werbungtreibenden, der einen TV-Spot schaltet, nicht nachweisen, dass dieser von seinen angestrebten Zielgruppen auch tatsächlich gesehen wurde (vgl. GfK 2002, S. 7). In der dualen Ökonomie der elektronischen Medien sichern Informationen über den Erfolg des Programmangebots am Ende die Existenz des Senders. Nur wer nachweisen kann, welche Personengruppen er in welchem Ausmaß erreicht, kann mit verlässlichen Werbeeinnahmen rechnen. Darüber hinaus geben ihm die Daten über die Fernsehnutzung Hinweise für die Gestaltung des Programms im Sinne der Rezipientenbedarfe. Auch die im Wesentlichen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender sind Wettbewerber um die Gunst des Fernsehpublikums (dies ist auch auf die Verankerung des Begriffs der Grundversorgung im Auftrag für die Programm-Gestalter zurückzuführen) und können ohne Daten ihre Position in diesem Wettbewerb nicht bestimmen. Die Erforschung des Nutzerverhaltens harmonisiert Programmangebot und die Zuschauerpräferenzen. Die Ergebnisse sind für Fernsehsender, Werbungtreibende und Werbeagenturen die Grundlage für den

161 Verkauf beziehungsweise Ankauf von Werbeplätzen. Je besser die Reichweiten für einzelne Zielgruppen sind, umso gefragter ist auch die Werbezeit in diesem Programmumfeld. Die Fernsehforschung liefert den Sendern als Anbieter und den Agenturen als Nachfrager von Werbezeiten valide Informationen, die Grundlage für Entscheidungen sind (vgl. GfK 2002). Dabei ist das Konzept der Reichweitenmessung für die Programmgestaltung nicht unumstritten (vgl. Hamm et al. 1997). Mit den GfK-Zahlen kann man die Marktstellung von Sendern und ihren Sendungen, die Dauer und Verteilung der Fernsehnutzung der Gesamtbevölkerung oder bestimmter Zielgruppen ermitteln. Dies mag für die Berechnung von Werbepreisen sinnvoll sein – für eine Erfüllung des Auftrages einer Betonung des Kernbereichs meritorischer Inhaltsgebung jedoch ist diese Art der Marktforschung eher kritisch zu bewerten. Anzumerken bleibt zumindest: Die als meritorisch vermuteten Bedürfnisstrukturen werden systematisch ausgeblendet. Die Sender verfolgen nach Ansicht der GfK (vgl. 2002, S. 8) mit ihrer Initiative zur Marktforschung das Ziel, sowohl Erwartungen von Zuschauern als auch die Ansprüche von Werbetreibenden und Werbeagenturen zufrieden zu stellen. Fernsehzuschauerforschung liefert also Informationen über die Fernsehlandschaft: zum einen darüber, wie gut Programminhalte ankommen, zum anderen, wie gut sich ein Programmumfeld für die von einem Werbespot anvisierte Zielgruppe eignet. Die ökonomische Tragweite der Marktforschung lässt sich in der dualen Ökonomie also gleich in zwei Richtungen interpretieren. Zuschauerforschung basiert in Deutschland auf dem Einsatz von Elektronik. Die Herausforderung dabei: Das Messverfahren muss gewährleisten, dass das Fernsehverhalten nicht durch die Erhebungsmethode selbst beeinflusst und verzerrt wird – schließlich fordert Marktforschung verlässliche Daten ohne systematische Fehler: „Die Messung muss vom Teilnehmer der regelmäßigen Befragung als selbstverständlicher Bestandteil des Alltags wahrgenommen – oder besser, so wenig wie möglich wahrgenommen – werden“ (GfK 2002, S. 14). Die GfK setzt ein spezielles Messgerät ein, das die Panelteilnehmer als Fernbedienung wahrnehmen wird. Das Messgerät ist an die Empfangsgeräte des Haushalts, das heißt an TV, Video, Satelliten-Empfänger und andere Set-Top-Boxen angeschlossen und zeichnet die Programmnutzung der einzelnen Haushaltsmitglieder sekundengenau auf. Neben der Programmpräferenz erfasst dieses Gerät auch die seitenbezogene Nutzung von Teletext und den Einsatz von Videospielen. Darüber hinaus registriert es, wenn Fernsehsendungen, die mit dem Videorecorder aufgezeichnet wurden, später abgespielt werden. Diese enthält für jede dem Haushalt angehörende Person eine eigene Taste, mit der sie sich als Zuschauer an- und abmelden kann. Mit einem Druck auf die jeweils für eine Person definierte Taste an der Fernbedienung meldet sich jedes Haushaltsmitglied an oder ab, wenn es fernsieht. Täglich zwischen 3:00 und 5:00 Uhr werden die gemessenen und gespeicherten Nutzungsdaten über Modem vom zentralen Rechnersystem der GfK über das Telefonnetz abgerufen (vgl. GfK 2002). Zur Grundgesamtheit für das Fernsehpanel gehören alle Fernsehhaushalte in Deutschland, bei denen der Haupteinkommensbezieher die deutsche oder der Haushaltsvorstand eine andere EU-Staatsbürgerschaft besitzt. Um ein Panel als verkleinertes repräsentatives Abbild der Grundgesamtheit erstellen zu können, benötigt die Medienforschung fraglos eine zuverlässiges Abbild der Grundgesamtheit, auf Deutschland bezogen also der Bevölkerung. Der Stichprobe des Fernsehpanels gehören seit 1. Januar 2001 5.640 Haushalte in Deutschland an (dies gilt auch für das Jahr 2006, eine Reform wird im Laufe des Jahres 2007 erwartet, vgl. Schader 2006, S. 40). In diesen Haushalten leben rund 13.000 Personen, die in ihrer Gesamtheit repräsentativ für die oben genannte Grundgesamtheit sind. Basis für die Stichprobenwahl ist die so genannte Media Analyse, die auch für die Hörfunkunternehmen wesentliche Bedeutung hat. Dabei handelt es sich um eine Erhebung zum Mediennutzungsverhalten der in Deutschland lebenden Bevölkerung im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Media Analyse (AG.MA). In dem sich auf die elektronischen Medien beziehenden Teil der MA werden jährlich über 50.000 Interviews durchgeführt (vgl. GfK 2002). Die MA stellt auch für das Fernsehpanel die benötigten Informationen über die Soziodemografie, Haushaltsmerkmale, Geräteausstattung und Empfangsebenen zur Verfügung. Angaben über die Haushalte mit nicht-deutschem Haus-

162 haltsvorstand in Deutschland werden dem vom Statistischen Bundesamt erhobenen Mikrozensus entnommen. Diese Technik ist nicht unumstritten, da Interviewereffekte auftreten können und systematische Fehler nicht ausgeschlossen sind – für valide Daten nicht ideale Ausgangsmöglichkeiten (Schiwy 2002). In der Schweiz ist man zwischenzeitlich zu anderen Messmethoden übergegangen – Geräte in Form von Armbanduhren zeichnen die Radionutzung exakt auf und messen das Ein- und Abschaltverhalten, die Verweildauer und Senderpräferenz. Interessanterweise gab es signifikante Unterschiede zu den Ergebnissen aus den repräsentativen Befragungen (Schiwy 2002). „Ein wichtiges Kennzeichen des Fernsehpanels ist seine disproportionale Verteilung nach Bundesländern. Um auch für kleinere Bundesländer Aussagen auf verlässlicher Basis treffen zu können, sind diese mit einem höheren Anteil von Panelhaushalten im System vertreten als es ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung entspricht. Die disproportionale Berücksichtigung macht es erst möglich, dass kleinere Bundesländer separat ausgewiesen werden können. Bei der Hochrechnung auf das Fernsehverhalten der Gesamtbevölkerung werden diese überproportional vertretenen Einheiten anschließend entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil gewichtet. Damit erreicht man, dass nationale Ergebnisse unverzerrt bleiben. Die 5.640 Haushalte des Fernsehpanels verteilen sich wie folgt: Die Ballungsräume Hamburg, Berlin und München sind im Fernsehpanel separat ausweisbar, sodass das System der kontinuierlichen Fernsehzuschauerforschung auch der zunehmenden Anzahl von Fernsehsendern in diesen Zonen gerecht wird (GfK 2002, S.15). Die grundlegenden Informationen zur Struktur und den wesentlichen Charakteristika der am Fernsehpanel teilnehmenden Haushalte, ihrer Mitglieder und der Ausstattung mit Fernsehern beziehungsweise Empfangseinrichtungen werden in unterschiedlichen Dateien geführt: Die Haushaltsstammdatei enthält grundsätzliche Haushaltsdaten, z.B. die laufende Haushaltsnummer oder das Eintrittsdatum in das Panel. Die Personenstammdatei enthält neben der Haushaltsund Personennummer soziodemographische Daten sowie beispielsweise Daten zum Konsumverhalten der einzelnen Haushaltsmitglieder. Die Gewichtedatei wird durch die Disproportionalität der Zusammensetzung des Panels erforderlich. Die in die Analyse der Fernsehnutzung einbezogenen Haushalte und Personen werden gewichtet. In der Datei wird neben der Haushaltsund Personennummer täglich der jeweilige Gewichtungsfaktor abgestellt, der sich aus der disproportionalen Stichprobe ergibt. Nicht bei allen Panelhaushalten verläuft schon der erste Datenabruf erfolgreich. Deshalb basiert die Berichterstattung, die über Nacht läuft, lediglich auf einer vorläufigen Gewichtung. Daten, die in der ersten Nacht nach einem Fernsehtag geliefert werden, haben somit nur vorläufigen Charakter. Erst nach drei Tagen ist es möglich, alle bis dahin erreichten Haushalte mit einem endgültigen haushalts- beziehungsweise personenbezogenen Gewichtungsfaktor zu versehen. Daraus ergeben sich dann die endgültigen Daten. Die Gerätestammdatei dokumentiert den jeweiligen Bestand an Empfangsgeräten sowie Geräten zur sonstigen Bildschirmnutzung eines Haushalts. Die Flut der sekundengenau gemessenen Fernsehnutzungsdaten eines Tages aus allen Haushalten des Fernsehpanels wird in der so genannten Nutzungsdatendatei gesammelt. Diese enthält über jedes registrierte Nutzungsereignis Informationen, die erkennen lassen, wer in einem Haushalt was ab wann wie lange gesehen hat. Es handelt sich somit um Informationen über jede Geräteeinschaltung, jeden Programmwechsel und jede An- beziehungsweise Abmeldung einer Person. Das gilt für den Zuschauer, der nur eines oder wenige Programme und Sendungen auswählt und durchgängig sieht, ebenso wie für denjenigen, der oft umschaltet. Um Aussagen zu inhaltlichen Aspekten der Fernsehnutzung machen zu können, benötigt man auch Informationen zum täglichen Programmangebot. Zu diesem Zweck übermitteln die Sender täglich Sendeprotokolle. Diese enthalten Informationen zum Ausstrahlungszeitpunkt und zur Dauer von Sendungen und Werbeblöcken. Diese Informationen werden geprüft und in einer Sendestammdatei abgelegt. Auf Basis eines Programmcodesystems, mit dem die GfK die Sendungen verschiedenen Kategorien zuordnet, ist es möglich, das TV-Angebot und seine Nutzung auch nach allgemeinen Programmgattungen wie beispielsweise Nachrichten, Spielfilmen, Sportsendungen etc. auszuwei-

163 sen. „Die Zusammenführung der Struktur- und Sendedaten mit den Nutzungsdaten erlaubt eine Antwort auf die wohl wichtigste Frage der Fernsehzuschauerforschung: Wie viele Personen und Haushalte welchen Typs haben welche Sendungen wie lange gesehen?“ (GfK 2002, S.16). Wie gut und zuverlässig die Daten sind, die man täglich erhebt, steht und fällt mit zwei Kriterien, die methodisch generell eine große Rolle spielen: der Reliabilität, das heißt der Frage, ob verlässlich gemessen wird sowie der Validität, der Frage also, ob das Richtige gemessen wird. Mit Plausibilitätskontrollen der vom Haushalt empfangenen Daten grenzt die GfK mögliche Messfehler weiter ein. Zudem ist anzunehmen, dass die eventuell doch vorkommenden Versäumnisse bei der An- und Abmeldung in etwa gleichmäßig verteilt sind. Diese Frage wird in regelmäßigen Abständen mit so genannten „Internal Coincidental Checks“ überprüft. In diesen werden ausgewählte Haushalte telefonisch zur Situation vor dem Fernsehgerät zum Zeitpunkt des Anrufs befragt. Diese mündlich erteilte Auskunft wird mit der registrierten Fernsehnutzung in diesen Haushalten zur befragten Zeit verglichen. Die Übereinstimmung von tatsächlicher und im Internen Coincidental Check erhobener Nutzung liegt seit vielen Jahren um 98 Prozent. Neben der Reliabilität wird die Validität im Rahmen eines „Externen Coincidental Checks“ überprüft. Dabei untersucht man, ob die im Fernsehpanel ermittelte Fernsehnutzung auch der tatsächlichen Fernsehnutzung der Grundgesamtheit, das heißt der Gesamtheit der deutschen beziehungsweise EU-ausländischen privaten Wohnbevölkerung in Deutschland, entspricht. Dazu beauftragt die AGF in regelmäßigen Zeitabständen ein externes unabhängiges Institut. Dieses soll die Fernsehnutzung zu bestimmten, vorher festgelegten Zeitpunkten in einer Stichprobe außerhalb des Fernsehpanels telefonisch erfragen. Diese außerhalb des Panels erhobene Fernsehnutzung wird dann mit der zeitgleich im Panel gemessenen Fernsehnutzung verglichen: „Auch die im Externen Coincidental Check ermittelte Fernsehnutzung stimmt mit der im Fernsehpanel erhobenen Fernsehnutzung nahezu punktgenau überein.“ (GfK 2002, S. 20).

Der Marktforschungsprozess für den Zuschauermarkt in Deutschland wurde als Exkurs hier aus mehreren Gründen gewählt: Das deutsche Erhebungssystem gilt als eines der zuverlässigsten der Welt (in vielen Ländern wird noch mit Tagebucheintragungen von Zuschauern gearbeitet). Gleichzeitig zeigen sich daran aber auch die Schwächen und damit die Implikationen zukünftiger Erhebungen: „Public Viewing“ (besonders erfolgreich bei Großevents wie der Fußball-Weltmeisterschaft 2006) wird nicht erfasst, ebenso wenig IPTV (obwohl in Deutschland bereits im Jahr 2006 über 20 Prozent der in Haushalten verwendeten Computer über die Fähigkeit verfügen, Fernsehbilder zu verarbeiten. Auch das Problem des „Commercial Skipping“ (Ausblendung von Werbeblöcken durch zeitversetzten Konsum) ist im System kaum zu erfassen. Nicht nur aufgrund dieser Schwachpunkte hat die GfK für das Jahr 2007 eine umfassende Reform angekündigt (unter anderem werden neue Set-TopBoxen sowie die Erweiterung des Panels angekündigt, um auch kleinere Spartenkanäle besser erfassen zu können). Es bleibt zu mutmaßen, dass dies auch dazu führt, dass sich die Fernsehmarktforschung weiter verteuert und sich damit das deutsche System auch als eines der teuersten in der Welt bestätigt. Schon heute kosten die Erhebungen 20 Millionen Euro pro Jahr (vgl. Schader 2006, S. 40). Ein weiterer Grund, warum die Rezipientenmarktforschung für das Fernsehen so umfassend ausgebreitet wurde: sie zeigt nachgerade vorbildlich, dass es am Ende immer über verpreisbare Marktgrößen geht. Sie führt exemplarisch den Prozess kontinuierlicher Anpassung von Medieninhalten vor, da Quote als zentrales Erfolgskriterium für den privaten wie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verankert wird. Geht man nun davon aus, dass damit Regelwirksamkeit für das Gesamtsystem gesetzt wird, verwirkt am Ende der öffentlich-rechtliche Rundfunk – bei stringenter Quotenorientierung – die Berechtigung zur Gebührenfinanzierung des Komplettangebotes. Die einzige Möglichkeit, diesen Kreis zu

164 durchbrechen und damit erneut eine Legitimierung möglichst staatsferner29 öffentlicher Medienangebote zu stabilisieren, liegt im Grunde in der Ökonomie der Publizistik. Die Aufgabe der im sozialen Kontext handelnden Akteure wäre es, den Prozess der beschriebenen handlungstheoretisch begründeten Aushandlung gesellschaftlicher Realitäten, öffentlich zu machen und damit die Transparenz zu erhöhen. Das erfordert allerdings auch den Mut, die handlungsleitenden Prinzipien auszutauschen. Das würde im beschriebenen Fall bedeuten: sich konsequent gegen die „Quote“ zu positionieren und gleichzeitig die Möglichkeiten von „Social Change Campaigns“ als Form gesellschaftlicher Aktivierung zu nutzen. Marktforschung aber würde dann in einem Kontext der Ökonomie der Publizistik kaum an Zahlen messbare Ergebnisse bringen, sie wäre ein Instrument der Öffnung für leuchtende Transparenz. Ein – zugegeben banales – Beispiel soll hier zeigen, um was es geht: Weil nicht quotenfähig wurde das deutsche Bildungsfernsehen – einst eine Säule der dritten Programme – Anfang der 1990er Jahre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitestgehend eliminiert. Ein verschämtes Mäntelchen wissenschaftlicher Magazine hat man sich erhalten, dennoch wird hier die These gesetzt: Bildungsfernsehen findet in Deutschland heute mehr oder weniger ausschließlich in marktgängigen Angeboten privater Fernsehanbieter statt (Formate wie „Galileo“, „Welt der Wunder“). Wenn auf der anderen Seite gesellschaftspolitische Vorstöße der vereinigten deutschen Wirtschaft, Bildung als einzige Schlüsselgröße im globalen Wettbewerb in das Zentrum stellen, tut sich hier ganz offensichtlich eine „meritorische Lücke“30 auf.31

3.3.3.1 Kernprobleme der Marktforschung in tagesaktuellen Printmedien Noch einmal: Warum der umfangreiche Exkurs zur Marktforschung in Rundfunkunternehmen im vorangehenden Abschnitt? Die Antwort ist einfach. Der Wunsch nach Transparenz ist dem freien Spiel der Märkte immanent. So geht man zum Beispiel auch davon aus, dass in den Kursverläufen der Börsen stets alle Informationen in kürzester Zeit „verpreist“ sind (vgl. Weber 2003) – Kurse spiegeln also stets den aktuellen Informationsstand wider. Das bedeutet, dass auch Zukunftserwartungen in den Preisen repräsentiert sind. In der Medienwirtschaft sorgt die Intransparenz der dualen Ökonomie für einen besonderen Informationsbedarf. Bei elektronischen Medien ist dieser Bedarf noch in gesteigerter Weise vorhanden, da hier keine Absatzzahlen zur Verfügung stehen. Das Produkt, das zur Preisfindung auf einem Zweitmarkt dient, wird frei zur Verfügung gestellt, die Nutzung in den relevanten Zweitmarktzielgruppen (werbeaffines, kaufkräftiges Publikum) lässt sich nur mit dem entsprechenden Aufwand feststellen. Die Marktforschung ist so gesehen, ein zwingendes Bindeglied zur Steigerung der Transparenz, und damit trägt sie zur Funktionsfähigkeit des komplexen Marktmodells bei. Aufwand und Intensität der Rezipientenforschung hängen dabei unmittelbar mit der Marktbesetzung und Ausprägung zusammen. In einer Monopolsi29 Auch die Staatsferne des deutschen öffentlich-rechtlichen Systems ist angesichts der Besetzung von steuernden Gremien nicht unumstritten. 30 Zukünftige Forschung wird genau diese „merit gap“ adaptieren müssen. 31 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Positionierung des Vorstandsvorsitzenden des weltgrößten Chemiekonzerns (BASF, Ludwigshafen) – unter anderem dokumentiert in seinem Redeauftritt vor Journalisten im November 2006 (Ludwigshafen). Dort trat er aktiv für das sozialpolitische Projekt der „Wissensfabrik“ ein, das Kindern und Jugendlichen auch den Spaß an Bildung und an wissenschaftlicher Aktivität vermitteln soll. Eine (möglicherweise meritorische) Aufgabe medialer Angebote?

165 tuation würde Marktforschung kaum mit dem in diesem Kapitel beschriebenen Aufwand betrieben werden. Rezipientenorientierung ist auch eine Frage der Konkurrenzbeziehungen am Markt. Das bedeutet: Abhängig von der (gewählten) Marktstrategie und der Konkurrenzbeziehung auf dem relevanten Markt dient die Marktforschung der Positionierung von Medienangeboten. Die These: Mit steigender Konkurrenz steigt der Bedarf an Marktforschungsleistungen. Oder andersherum ausgedrückt: Je monopolistischer das Marktgeschehen, umso geringer der Bedarf an Marktforschung. Marktforschung ist immer dann besonders leicht durchführbar: ƒ ƒ

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wenn die Kaufhäufigkeit, beziehungsweise die Wiederkaufrate bei gleichbleibendem Involvement auf die Zufriedenheit des Käufers oder Abnehmers schließen lässt, wenn sich schon im Vorfeld beschreiben lässt, welche bestehenden Bedürfnisse ein Produkt befriedigt und welches die Produkteigenschaften sind, die im Sinne dieser Bedürfnisbefriedigung vom Kunden oder Abnehmer insbesondere wahrgenommen werden oder wenn sich ein Angebot an eine klar abgrenzbare Zielgruppe richtet, die sich als Teil des Gesamtmarktes, das heißt einer Grundgesamtheit identifizieren lässt.

Daraus ergibt sich: Marktforschung im Lesermarkt kann für tagesaktuelle Printprodukte nicht leicht durchführbar sein. Diese müssen sich nicht täglich am Kiosk neu beweisen. Abonnenten reagieren eher träge und nur bei erheblicher Unzufriedenheit wird die Tageszeitung abbestellt (vgl. z.B. Keller 1997, vgl. auch Mack 1989). Hinzu kommt, dass durch die verschiedenen von Heinrich (1994, S. 199) beschriebenen Mobilitätsfaktoren auch das Involvementkonzept versagt. Hohes beziehungsweise niedriges Involvement lässt sich vielleicht für einzelne Beiträge und Artikel beschreiben, schwerlich jedoch für die Tageszeitung als Produktbündel. Die deutlichen Unterschiede zeigt übrigens auch die vergleichende Auswertung von Readerscan-Ergebnissen für Kaufzeitungen und Abonnementzeitungen (vgl. Imboden 2005, o.S.). Wesentliches Ziel des redaktionellen Angebotes einer Tageszeitung ist die Integration verschiedener Zielgruppen im Verbreitungsgebiet, einzelne Segmente lassen sich nur für Teilangebote herauslösen. Das heißt eine Segmentierung des Marktes findet überwiegend über geografische und nicht über demografische oder soziodemografische Merkmale statt. Oder um es mit Heinrich (1994, S. 231) zu sagen: „Für die klassische Tageszeitung existiert keine klar konturierte Zielgruppe, sie muss sich sozusagen immer an den Durchschnitt der Bevölkerung richten, nur regional kann strikt segmentiert werden.“ Die Problemkreise stellen sich wie folgt dar: ƒ

Problemkreis Nummer 1: Tagesaktuelle Printmedien richten sich nicht konzentriert an bestimmte aus der Gesamtgesellschaft herauslösbare Zielgruppen, sondern an eine breite Bevölkerungsgesamtheit. Die Bedürfnisse und Wünsche dieser Gesamtheit divergieren stark. Sie lassen sich nicht beschreiben. Zum Vergleich: Zeitschriften mit einem klar abgrenzbaren Typologisierungsansatz haben es hier leichter. Denn es ist vergleichsweise einfach, für die Publikation eines Magazins die Lesebedürfnisse von etwa 30jährigen Männern zu ermitteln, die in einem festen Angestelltenverhältnis zwischen 50.000 und 75.000 Euro verdienen.

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Problemkreis Nummer 2: Es ist schwer, eine klare Produktdefinition zu finden. Die Zeitung ist im Kern ein täglich wechselndes Produktbündel aus Artikeln, Reportagen, Fotografien, Grafiken und Anzeigen. Leser nehmen dieses Produktbündel selektiv wahr. Die Frage: Für welchen Teil des Produktbündels wird Marktforschung betrieben? Natürlich kann danach gefragt werden, welche Produktbestandteile besonders intensiv genutzt werden. Dazu können randomisierte Befragungen in der Grundgesamtheit durchgeführt werden. In der Praxis jedoch macht dies wenig Sinn. Das Problem nun: Durch eine redaktionelle Konzentration – im Sinne einer Marketingstrategie – auf diese (meistbeachteten) Themen fallen Anteile in tragfähigen Lesermarktnischen weg, die nicht mehr abgedeckt werden, was zu weiteren Auflagenreduktionen führen kann. Damit hängt der dritte Problemkreis unmittelbar zusammen. Problemkreis Nummer 3: Marketing für die Tageszeitung muss stets integratives Marketing sein, das heißt: neue Gruppen erschließen, ohne die treue Stammleserschaft zu vergraulen. Und das alles bei vorgegebenem Umfang und festgelegtem redaktionellem Raum. Lesermarktforschung hat eine Chance, über Verfahren des Negativausschlusses aussagefähige Ergebnisse zu generieren. Das bedeutet: Marktforschung bei Nichtlesern – hier ist dann auch eine Typologisierung der Nichtleser in der gesellschaftlichen Grundgesamtheit sinnvoll. Erfolgreiche Lesermarktforschung ließe sich also nur im Nichtlesermarkt durchführen – ein Anachronismus, der die Gefahr birgt, die angestammten Märkte tendenziell zu vernachlässigen.

3.3.3.2 Spezifische Probleme strukturierter Lesermarktforschung Die Marktforschung für Presse-Erzeugnisse bleibt (selbst bei Anwendung von ReaderscanVerfahren, vgl. den folgenden Abschnitt) problematisch, weil bei gegenständlichen Konsumgütern die Antwort der Befragten meist mit „digitaler Einfachheit JA/NEIN und ENTWEDER/ODER heißt“ und die Stellungnahme zu Presse-Erzeugnissen häufig JA/ABER und NEIN/OBSCHON lautet (vgl. Oswald 1987, S. 12). Ein einziger, in der betreffenden Ausgabe dominierender Artikel, kann Akzeptanz oder Ablehnung der Zeitung bedeuten. Denn stets werden neben der Gesamtheit auch die einzelnen Komponenten gewertet. So ergibt sich auch beim Copy-Test – dieser soll zeigen, wie bestimmte Zielgruppen auf Rubriken oder Artikel ansprechen – oft ein diffuses Bild, zumal eine erste Schwierigkeit schon in der Abstimmung auf das „einschlägige“ Zielpublikum liegt. Und auch ein Blindtest, der nur Teile offenlegt, ist bei Printmedien weder üblich noch möglich, weil die Zeitung eben nicht ein mechanistisches, sondern ein lebendiges Gefüge ist, das nur als Ganzes beurteilt werden kann: „Zudem wechselt sie täglich in Inhalt und Aussage und wird ebenfalls durch sich rasch ändernde psychologische Umfelder beeinflusst.“ (Oswald 1997, S. 12). Diese Einschätzung erfordert möglicherweise die Konsequenz, besonderes intensiv nach sinnvollen und aussagefähigen Möglichkeiten zu suchen, die Urteile über den Lesermarkt zulassen. Eine mögliche Auswahl zur Anlage von Marktforschungskriterien zur Beurteilung des Lesermarktes bieten unter anderem auch ältere Studien (vgl. Sinus 1988, Körbler 1979, S. 171 ff.). Eine strukturierte, dauerhaft implementierte Lesermarktforschung gab und gibt es nur in seltenen Fällen. Redakteure verlassen sich oft genug auf eigenes Gespür. Und damit liegen sie oft nicht richtig. Noch ein kurzer Blick auf den US-Markt: Porter und Stephens

167 ermittelten in einer empirischen Studie in Utah schon 1989 (S. 87 ff.), dass Tageszeitungsredakteure beispielsweise die Lesbarkeit ihrer Artikel nicht einschätzen konnten: „Weil die meisten üblichen Messungen der Lesbarkeit von Tageszeitungen den Anschein haben, intuitive Schätzungen von Redakteuren zu sein, versucht diese Studie zu messen, wie akkurat diese Lesbarkeitsschätzungen der Redakteure sein könnten. Die allgemeingültige Aussage, dass Reporter Titelgeschichten in einem Achtklässlerstandard schreiben, ist ein Mythos. Sportberichte und weiche Nachrichten entsprechen recht genau dem Standard der achten Klasse – nicht jedoch harte Nachrichten.“ (Porter/Stephens 1989, S. 89).32 In vielen Medienunternehmen des Pressebereichs, wird man aufgrund der beschriebenen Problemfelder auch weiterhin mit Vorbehalten gegenüber der Marktforschung rechnen müssen. Doch diese gibt es grundsätzlich nicht nur in Verlagshäusern – so beschreibt Andreasen (1987, S. 114 ff.) fünf Fehleinschätzungen in kleinen Unternehmen und in Nonprofit-Organisationen. Er klassifiziert sie als die folgenden fünf „Mythen“: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Mythos von der ‚großen Entscheidung‘. Nur wenn ausgesprochen wichtige Entscheidungen zu treffen sind, wird der Einsatz von Marktforschung erwogen. Ansonsten hat Marktforschung wenig mit den Details der täglichen Entscheidungsfindung zu tun. Mythos von der ‚Umfragen-Kurzsichtigkeit‘. Mit seinen randomisierten Stichproben, Fragebögen, Computerausdrucken und statistischen Analysen ist Marketing gleichzusetzen mit Felduntersuchungen. Mythos von den hohen Kosten. Marktforschung ist so teuer, dass es nur von den reichsten Organisationen eingesetzt werden kann – und dann auch nur für die wichtigsten Entscheidungen. Mythos vom erfahren-intellektuellen Forscher. Seit Marktforschung komplexe und fortschrittliche Technologien umfasst, können und sollen nur ausgebildete Experten sie auch anwenden. Mythos von der Auffassung, dass die meisten Forschungsergebnisse nicht gelesen werden. Ein hoher Prozentsatz der Marktforschung ist für Manager irrelevant oder enthält Dinge, die ihnen längst bekannt sind. Häufig wird Marktforschung so schlecht gestaltet und aufbereitet oder so esoterisch verfasst, dass es in der unteren Schreibtischschublade endet. (Andreasen 1987, S. 114).

Nach Lindau (1983, S. 53) hängen die Defizite angewandter Printmedienforschung zu einem sehr großen Teil „mit dem Selbstverständnis der Kommunikationsforschung zusammen“, das eine konsequente sinnreiche Wirkungsforschung nicht zulasse. Dies übrigens hatte schon Renckstorf im Jahr 1977 (S. 8) erkannt, als er „die Symptome des Ungenügens der meisten bisherigen Studien“ der Wirkungsforschung beschrieb. Dieses dokumentiere sich ƒ

im geringen Grad der Konsolidierbarkeit der Forschungsergebnisse, der eine Integration in ein System allgemeiner Aussagen kaum zulasse;

32 Eine Randbemerkung zu den Tageszeitungs-Lesermärkten in den Vereinigten Staaten: Die bislang sicherlich umfassendste Untersuchung des Lesermarktes in den USA hat Bogart (1981 und 1991) vorgelegt – sie ist das Ergebnis des Newspaper Readership Project der American Newspaper Publishers Association (zum Thema Lesermarktforschung vgl. insbesondere 1991, S. 95 ff.).

168 ƒ ƒ

im geringen Grad der Verwendbarkeit der Ergebnisse für die Klärung konkreter Probleme sowie in einem hohen Grad der Isolation der Ansätze von sonstigen Konzepten sozialwissenschaftlicher Forschung.

Der Kernpunkt dieser Diskussion (vgl. dazu Lindau 1983) liegt in der gegenseitigen Beeinflussung von Kommunikator und Rezipienten, um Symmetrien und Asymmetrien in der gegenseitigen Wirkung. Auf der einen Seite vermutet beispielsweise Bauer (1967, S. 400 und 408), dass kurzfristige Asymmetrien von langfristigen gleichgewichtigen Austauschverhältnissen abgelöst werden. Dies wäre mit dem Vorhandensein eines systemimmanenten Kommunikationsmarketing gleichzusetzen. Auf der anderen Seite glaubt unter anderem Naschold (vgl. Aufermann et. al. 1973, S. 47f.), dass es unter „bestimmten Bedingungen doch eine asymmetrische Beziehung zwischen Kommunikator und Publikum“ gibt. In diesem Verständnis aber werden die klassischen kommunikationstheoretischen StimulusResponse-Theorien im Rahmen der Wirkungsforschung aufgehoben (zu S-R- bzw. S-O-RTheorien vgl. z.B. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 164) und eine „publikumszentrierte“ Marktforschung rückt ins Zentrum. Massenkommunikation ist so nicht länger ein Persuasionsprozess, denn nach dem Nutzenansatz bestimmen die Ziele, Interessen, Bedürfnisse, Werte und Wahrnehmungen der Rezipienten, sowie ihr sozialer Kontext die Hinwendung zum Medium (vgl. die Diskussion im ersten Kapitel). Demnach können nicht einmal die potentesten Medien und Medieninhalten einen Rezipienten beeinflussen, für den sie keinen „Sinn“ im sozialen Kontext besitzen (vgl. Lindau 1983, S. 96 f.). Im an dieser Stelle theoretisch möglichen Umkehrschluss ist dies aber auch als kommunikationswissenschaftliche Rechtfertigung eines nutzenzentrierten Marketingansatzes interpretierbar, der im wesentlichen auf der Ableitung von Inhalten aus der Marktforschung im Lesermarkt basiert (vgl. z.B. Rau 2000a). Lindau (1983) entwickelt unter dem Aspekt der beschriebenen systemstrukturellen Reziprozität ein „Redaktionsmarketingschema“, das auf einem kommunikationswissenschaftlich abgeleiteten Nutzenansatz basiert, der deshalb interessant ist, weil er einmal mehr die Alternativen zu einer rein gewinnmaximierenden Herangehensweise an das Thema Redaktions- beziehungsweise Kommunikationsmarketing beschreibt. Spätestens an diesem Punkt muss deutlich werden, warum im Zusammenhang dieser Arbeit ein Schwerpunkt auf der Marktforschungs-Fragestellung einer auf die journalistische Einzelleistung bezogene Quotenbildung liegt – die Messung und Bereitstellung von Quoten hilft nämlich so verstanden (ein meritorisches Qualitätsverständnis vorausgesetzt) auch bei der Optimierung der Präsentation von Angeboten, die als meritorisch gewählten Bedürfnisse befriedigen (idealerweise Panelbefragung).

3.3.3.3 Quoten für die Zeitung: Marktforschung per Readerscan Die These lässt sich nicht nur für den Sektor der in der Konkurrenz stehenden Privatsender der Rundfunklandschaft sondern auch im Marktgeschehen des Printsektors verifizieren. Im Zeitschriftensektor hat sich die Marktforschung etabliert: Mit Befragungen, Gruppendiskussionen und Produkttests wird die inzwischen äußerst langwierige Entwicklung von Zeitschriften ständig begleitet. Zeitschriften werden zumeist in engere Märkte produziert (Geschäftsstrategie) und auf die Stimulation ganz spezifischer Zielgruppen zugeschnitten. Die

169 zunehmende Konkurrenz sorgt in diesen Märkten für eine wachsende „Vernischung“. Die gewählten Platzierungsnischen werden immer enger. Die Platzierung von Zeitschriften folgt häufig einer Tragfähigkeitsanalyse, die herausfinden soll, ob sich Produktionsaufwand und Nischenertrag rechnen. Oftmals zeigt aber auch der Markt die Grenzen der Vorabanalyse – so dass sich zumindest die großen und finanzstarken Akteure im Regelfall auf einen „Trial and Error“-Prozess verlassen und Objekte quasi „live“ im Marktgeschehen testen. Es gibt einen weiteren Grund, warum die Marktforschung für Rundfunkanbieter so umfassend beschrieben wurde. Dieser liegt in der zunehmenden Übernahme dieser MarktforschungsParadigmen in den tagesaktuellen Printbereich. Mit Hilfe der Readerscan-Technologie (Imboden 2005, o.S.) können sich leicht Quoten für einzelne Beiträge in der Tageszeitung erstellen lassen. Ausgewählte Leser (Zufallsauswahl oder gesteuerte Auswahl) „lesen“ die Tageszeitung mit Hilfe eines Lasergerätes, das die gelesenen Bestandteile aufzeichnet. Das ideale Panel liegt nach den ersten Erfahrungen, so jedenfalls Imboden (2005, o.S.) bei 150, mehrere Wellen (in ausgewählten Wochen) erscheinen sinnvoll (in Deutschland haben insbesondere die Zeitungshäuser Mannheimer Morgen und die Mainpost umfassende Erfahrungen mit Readerscan und mehreren „Untersuchungswellen“ gesammelt). Die Ergebnisse (vgl. Imboden 2005, o.S.) sind eklatant. Einige Punkte: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ ƒ

Die Inhalte der Mantelressorts werden zum Teil weit stärker wahrgenommen als vermutet. Das Regionale und Lokale hat geringere Bedeutung als aufgrund von Leserbefragungen vermutet werden kann. Es gibt Artikel die im Panel nicht rezipiert werden (0,0 Prozent Quote). Es gibt Leser, die an einzelnen Tagen ihre Tageszeitung nicht nutzen. Schlechte Lesequoten können alle Ressorts treffen – häufig führt schon ein näherer Blick auf die Beiträge zu kausalen Zusammenhängen: langweilige Überschriften (viele Substantive), unverständlicher Satzbau (vorzugsweise im Lead), unattraktive Bildauswahl (nicht selbsterklärend oder schwierig zu erfassende Bildunterschrift) sowie in hohem Maße auch die reine Platzierung des Beitrags entscheiden über die Quote. Auch lange Artikel werden gelesen – wenn der Spannungsbogen dafürsteht. Über Doppelseiten laufende Beiträge erreichen tendenziell schlechtere Quoten und verwirren den Leser eher. Unter zusätzlicher Zuhilfenahme von Blickverlaufskontrollen (vgl. Haller 2005b, o.S.) erweist sich, dass Beiträge im Seitenkeller tendenziell schlechter genutzt werden, gleiches gilt für Beiträge in der linken unteren Spaltenhälfte.

Zusammengefasst ergibt sich: Zeitungen steht über Readerscan ein Quotenmessverfahren zur Verfügung, das dem aufwändigen Fernsehpanel durchaus vergleichbar ist. Umsetzbar wurde es im Übrigen erst durch die Möglichkeit, „gelesene Daten“ an einer Komplettdatenbank der täglichen Zeitungsartikel abzugleichen. Die Quotenerstellung für einzelne Artikel mit der näheren Bezeichnung von „Abrisskanten“ und Ausstiegselementen. Trotz Readerscan lässt sich beinahe generell sagen, dass Tageszeitungsverlagen zu jenen Medienunternehmen zählen, die bislang nur in verhaltenem Maße Marktforschung eingesetzt haben. Auch das bestätigt die These – haben doch die Verlage die Zeit zwischen 1960 und 1980 Jahre dafür genutzt, die spezifischen Märkte von der Konkurrenz zu befreien. Anhaltende Konzentrationsbewegungen (vgl. Röper 2002) zeugen bis heute davon, dass Verleger aus

170 strategischer Sicht danach streben, Konkurrenz auszuschalten. Inzwischen jedoch – und möglicherweise wird dies von den Diskussionen um die Medienkrise (vgl. Kapitel 1) gefördert – ist zumindest das Interesse an Marktforschungsangeboten groß. Dies zeigt zum Beispiel die große Zahl an Teilnehmern aus den deutschen Zeitungshäusern (ca. 80 hochrangige Vertreter) bei der Fachtagung des Leipziger Instituts für Praktische Journalismusforschung unter dem Titel „Für wen machen wir das Blatt? Nutzenzentriertes Qualitätsmanagement für Tageszeitungen“, die im November 2005 neben Konzepten für die Gratiszeitung insbesondere aktuelle Ergebnisse der Readerscan-Studien präsentierte. In den Vereinigten Staaten übrigens zählt in zahlreichen Städten (bei nach wie vor wahrnehmbarer Konkurrenz übrigens) die integrierte Marktforschung zu den elementaren Instrumenten zukunftsgerichteten Managements. So berichten zum Beispiel Kirby und Kirby bereits 1989 (S. 9) über die Befragung von 116 amerikanischen Zeitungshäusern: „Die Marktforschungsabteilung spielt eine integrierende Rolle im Tageszeitungsgeschäft. Sie deckt den Informationsbedarf von Anzeigenabteilung, Vertrieb und Redaktion, indem sie Primärdaten aus Umfragen sammelt und aufbereitet oder Informationen aus Sekundärquellen zusammenträgt.“ Keine Frage: Das Hauptproblem in der Beziehung von Tageszeitung und Marktforschung liegt nach wie vor in der Universalität ihrer Produktkennung und ihres Angebotes als umfassendes nichtselektives Produktbündel. Das Produkt wird stets komplett geliefert – auch wenn nur selektive Bedarfe angesprochen werden sollen. Dort wo Hörfunk und Fernsehen mit bestimmten Zeitfenstern arbeiten können, dort wo Zeitschriften bei der Produktwahl am „Point Of Sale“ (POS) selektiv den Markteintritt bestimmen können, muss das Modell der Tageszeitung kapitulieren. „Die Wahrheit ist, dass man heute nicht mehr jeden ansprechen kann.“ sagt John Wall (1991, S. 16) und macht deutlich, dass durch veränderte Wertvorstellung und fragmentierte Lebensstile kaum ein Marketingansatz auf die Gesamtheit aller möglichen Verbraucher anwendbar ist. Wall fordert in diesem Zusammenhang den gezielten Einsatz von computerisierten Marktforschungsinstrumenten bei der Tageszeitung (Wall 1991, S. 16). Eine Technik, die Zeitungen in den USA verstärkt einsetzen, nennt sich Prime Prospect Analysis. Sie wird dazu genutzt, Nichtleser herauszufiltern, deren Hintergrund und Interessenslage sich so gestaltet, dass sie eigentlich zum Feld der Leser zählen müssten: „Einmal identifiziert, werden diese ‚Prime Prospects‘ ein wertvolles Segment, das der näheren Analyse und Marketingaktivität wert ist.“ (Martire 1991, S. 17 – bei Martire ist auch das grundlegende Verfahren zur Implementierung dieses Marktforschungsansatzes erläutert). Datenbanksysteme können dabei helfen, die Verbrauchsgewohnheiten der so gefundenen Zielgruppen zu eruieren – Techniken des „Clustering“ verdeutlichen Strukturen und ermitteln auf strategische Weise Vertreter der vielversprechenden Zielgruppen (vgl. Ferranti 1991, S. 18 f.). Um diese Zielgruppen aus der Gesamtheit der vorliegenden Gesellschaftsstruktur herauszulösen, gibt es verschiedene Verfahren. Diese Analysen nutzen zumeist demografische Basisvariablen der Zielgruppen, um den Zugang zu ihnen zu erleichtern (vgl. Howard 1991, S. 17 f.). Besonders spannend wird die Beschäftigung mit der Marktforschungstechnologie Readerscan weil nun neben einer Erhebung von marktfähigen Größen und einer Ermittlung von Quoten auch Veränderungen im Sinne eines meritorischen Angebotes möglich werden. Die Frage muss dann lauten: Wie können Angebote, die vermutlich meritorische Bedürfnisse bedienen, so präsentiert werden, dass ihre Quote steigt. Dis wäre nur über Vergleichsmessungen denkbar. Wenn also – wie im vorangegangenen Abschnitt angedeutet die „Heranführung (zum Beispiel der Zielgruppe „junge Erwachsene“) an naturwissenschaftliche

171 Zusammenhänge“ als meritorisches Bedürfnis vermutet wird, dann ließe sich über vergleichende Messpunkte mittels Readerscan die Umsetzungsqualität mit Zielgruppenbezug optimieren und ermitteln welche Präsentationsformen bevorzugt werden, wie die grafische Veranschaulichung optimiert werden kann oder wie die Verständlichkeit der Texte (eventuell rubriziert nach dem Hamburger Verständlichkeitsmodell) auf die Rezeption wirkt. Readerscan wird damit zu einer technischen Lösung, die die Ökonomie der Publizistik und damit auch ein aktives Marketingelement publizistischer Prägung unterstützen kann, womit auch die Überleitung zum folgenden Abschnitt geleistet wäre.

3.3.4 Reaktion und Aktion im Marketing-Mix Das Feld der aktiven Beeinflussung des Marktgeschehens ist mindestens ebenso breit, wie das der reaktiven Anpassung an die Märkte. Als theoretisches Hilfsmittel zur besseren Gliederung der einzeln beschreibbaren Instrumente wurde das Konstrukt des MarketingMix eingeführt. Die Begriffswahl gibt gleichzeitig einen Hinweis darauf, dass die einzelnen Elemente nie allein, sondern immer nur in gemeinschaftlicher Aktion wirksam werden. Dieses Aktionsfeld gibt schließlich auch die praktischen Hinweise zur Ausgestaltung von Marketingansätzen in Medienunternehmen. Nicht alle Autoren des Bereiches Marketing nutzen den Begriff Marketing-Mix. Überall jedoch wird das Aktionsfeld auf ähnliche Art und Weise abgesteckt. Auch wenn viele Schriften eher den Planungsaspekt in den Vordergrund rücken (vgl. z.B. Kotler/Keller 2006), so hat sich der Begriff des Marketing-Mix dennoch als gutes Erklärungsmodell bewährt. Alle Steuerungsinstrumente, die eingebettet in eine Strategie wirksam werden, benötigen Daten aus der Marktforschung, benötigen Informationen und Hinweise über die Wahrnehmung von Produktqualitäten, über die Akzeptanz von Preisen oder über die Wirkung von Kommunikationsmitteln. Die Recherche im Absatzmarkt ist also elementarer Bestandteil und Voraussetzung, um Marketingstrategien formulieren zu können. Dabei gilt: Der Marketing-Mix ist ein theoretisches Hilfsmittel, um einerseits die verschiedenen Felder der Marktforschung abzustecken und mögliche Optionen der Reaktion zu entwickeln, andererseits ganz bewusst Strategien der Beeinflussung aus der Kombination verschiedener Elemente zu entwickeln. Der Marketing-Mix ist also keine Zusammenfassung der aktiven Komponenten im Marketing (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 1059). Der Marketing-Mix steht auf den vier Säulen Produkt- bzw. Programm-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik. In manchen Lehrbüchern wird zusätzlich das Element der Kontrahierungspolitik eingeführt, das neben den Absatz- auch intensiver die Beschaffungsmärkte ins Blickfeld rückt. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Entscheidungsmöglichkeiten, ist Marketing durchgängig als Planungs- und Gestaltungsaufgabe zu werten. Um zumindest eine kleine Übersicht zu geben, welche Möglichkeiten bestehen, werden im folgenden zu den einzelnen Elementen des Marketing-Mix einige Stichpunkte zur Anregung gegeben.

172 3.3.4.1 Produkt- und Programmpolitik im Marketing-Mix „Ein Produkt ist, was einem Markt angeboten werden kann, um es zu betrachten und zu beachten, zu erwerben, zu gebrauchen oder zu verbrauchen und somit einen Wunsch oder ein Bedürfnis zu erfüllen.“ (Kotler/Bliemel 1995, S. 659). Das heißt: Ein Produkt muss sich nicht nur auf materielle Gegenstände beziehen. Maleri (1991, S. 6) beschreibt die Entmaterialisierung des Gutsbegriffs und erweitert ihn auf nichtkörperliche Leistungen. Damit wird es möglich, auch Dienstleistungen als Produkt zu bezeichnen. Das ist wichtig zu erwähnen, weil es im weiteren Verlauf zur Fundierung eines Marketingansatzes für die Redaktion nicht nur um das auch haptisch erfahrbare Produkt (Printmedien) sondern insbesondere um die immaterielle Leistung des Redaktionsproduktes geht, und diese Leistung ist Teil einer Kuppelproduktion (Kiefer 2001), ist gleichermaßen Erfahrungs- wie Vertrauensgut – schon allein diese Spezifizierung der redaktionellen Leistung zeigt die Schwierigkeiten, mit denen sich die Produkt- und Programmpolitik im medienspezifischen Marketing-Mix konfrontiert sieht. Das Programm bezeichnet daneben die Gesamtheit aller angebotenen Produkte mit allen Haupt- und Nebenleistungen. Die Produktpolitik beschäftigt sich mit dem Käuferverhalten, den spezifischen Auswahlprozessen und findet kognitive oder psychische Prozesse, die als Erklärungsmodell dienen können. Die Produkte werden nach der Einschätzung durch die Käufer bewertet, es lassen sich Aussagen zur Marktgängigkeit, zur Bedarfsgerechtigkeit treffen. Hier wird also auch geklärt, ob ein Produkt der Befriedigung erkannter Bedürfnisse dient. Aber auch Umsatz- und Deckungsbeitragsstrukturanalyse gehören zum Bereich der Produkt- und Programmpolitik. Der Gestaltungsspielraum öffnet sich durch den Leistungskern, durch Verpackung und Markierung sowie durch kauf- und nutzungsbezogene Dienstleistungen, nachträgliche Serviceleistungen zum Beispiel. Innovationen und der Anstoß von Neuentwicklungen mit einer Bewertung und Selektion von Produktideen sind natürlich ebenfalls ein Thema, wie die Produktvariation, Differenzierung oder Elimination (zu den hier geschilderten Maßnahmen und Möglichkeiten der Programm- bzw. Produktpolitik vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 151 ff.). Jedes Produkt steht in Beziehung zu anderen Produkten und lässt sich in eine Hierarchie einbinden. Eine solche Produkthierarchie umfasst das Spektrum vom Grundbedürfnis bis zum speziellen Artikel, der dieses Bedürfnis erfüllt. Mit Kotler und Bliemel (1995, S. 662) lässt sich die Hierarchie in sechs Ebenen unterteilen. An dieser Stelle wird versucht, als erläuterndes Beispiel eine Produkthierarchie für die regionale Tageszeitung aufzubauen. ƒ ƒ ƒ ƒ

Bedürfnisfamilie: Grundbedürfnisse, auf denen Produktfamilien aufbauen. Im Beispiel: Information und Unterhaltung. Produktfamilie: Alle Produktklassen, die ein Grundbedürfnis mehr oder weniger wirkungsvoll zufriedenstellen können. Im Beispiel: Medien wie z.B. Zeitungen, Fernsehen, Hörfunk, Zeitschriften, Web-Sites, CD-ROM. Produktklasse: Eine Gruppe von Produkten innerhalb einer Produktfamilie, zwischen denen ein sachlicher Zusammenhang besteht. Im Beispiel: Zeitungen. Produktlinie: Eine Gruppe von Produkten innerhalb einer Produktklasse, deren Funktionsweise ähnlich ist, die derselben Zielgruppe oder über dieselben Distributionssysteme angeboten wird oder in eine bestimmte Preisklasse fällt. Im Beispiel: Tageszeitungen.

173 ƒ ƒ

Produkttyp: Produkte gleicher Art innerhalb einer Produktlinie. Im Beispiel: regionale Tageszeitungen. Artikel: Eine ganz bestimmte Ausführungsform des Produkttyps, der sich in Details wie zum Beispiel Größe, Preis, Aussehen und zugeordneten Bedingungen von anderen Artikeln unterscheidet. Im Beispiel: eine regionale Tageszeitung, die für ein bestimmtes Gebiet morgens erscheint und per Zusteller ausgetragen wird.

Für publizistische Prozesse lässt sich diese Hierarchie erweitern. Um im Beispiel zu bleiben: Der Ressortmix, die Themenwahl in einzelnen Ressorts sowie die Präsentation einzelner Themen und damit auch die Wahl der Darstellungsform zählen zu den Produktspezifika von hoher Bedeutung. Im Rahmen von produktpolitischen Entscheidungen muss man sich dieser Hierarchie bewusst sein, denn die strategische Marketing-Ausrichtung lässt sich auf verschiedene Ebenen übertragen. Möglicherweise kollidieren auch unterschiedliche Marketingbestrebungen in den Bereichen der Produkt-, wie der Organisationshierarchie. Das ist durchaus vorstellbar, wenn man bedenkt, dass die Marketing-Überlegungen einer Redaktion denen eines übergeordneten Managements diametral entgegenlaufen können – gerade in einem nonprofit-orientierten publizistisch motivierten Marketingansatz, wie er im Zusammenhang dieser Arbeit in seiner Wirkung auf die Produktqualität vertreten wird. Dies alles muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Schließlich galt es in diesem Abschnitt auf die mannigfaltigen Möglichkeiten einer Vorgehensweise im Marketing-Mix abzuheben und vor allem noch einmal auf die strategische Komponente im Marketing-Prozess zu verweisen, was im Falle der Inhaltsproduktion für Medien vor besondere planerische Herausforderungen stellt.

3.3.4.2 Preispolitik im Marketing-Mix für Medienangebote Insbesondere in der Diskussion um die Preisgestaltung für Onlineprodukte ist der Faktor Preispolitik im Marketing-Mix mancher Medienangebote ganz aktuell wieder in den Blickpunkt gerückt. Ohne die Diskussion an diesem Punkt zu weit in die Tiefe zu führen, sei an dieser Stelle auf die bemerkenswerte Dissertation von Timo Schulze (Frankfurt) verwiesen, die sich mit einem Konzept für optimale Nutzungspreise für Online-Zeitungen auseinandersetzt (2005). In den Volkswirtschaften war über lange Zeiträume der Preis das entscheidende Element der Differenzierung. Bis heute ist das Thema der Preisfindung im Rahmen einer Marketingstrategie elementar. Dies gilt insbesondere bei einer Betrachtung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge. Denn in der grundlegenden Überlegungen der Volkswirtschaftslehre enthält der Preis als Ergebnis des Marktspiels alle relevanten Bestandteile, die ein Kunde/Abnehmer zur Entscheidung benötigt. Oder, um es mit dem Sozialphilosophen und Ökonomen Friedrich August von Hayek zu sagen: In einer liberalen Marktgesellschaft braucht der einzelne Entscheidungsträger keineswegs detailliertes Wissen über all jenes zu haben, was für den Erfolg seines Tuns von Bedeutung ist. Die Information über den Preis enthält alles oder doch das meiste für den Marktteilnehmer nötige Wissen über die komplexe Welt. Entsprechend ist das Problem eines defizienten Wissens und des Übermaßes an Information verschwunden – schließlich genügt es, dass sich der Einzelne in seinem Handeln an der simplifizierten Informationslage der Marktpreise orientiert (vgl. Hayek 2003). In der Realität ist dem freilich nicht so und die Kritik an der Hayekschen Lösung des In-

174 formationsüberschusses und Wissensdefizites lässt sich mit Kirsch (2003, S. 13) so formulieren: „Als Folge einer Fülle von Wettbewerbsverzerrungen und Marktunvollkommenheiten, staatlichem Interventionismus und privatem Machtstreben ist das für den einzelnen relevante Wissen über die Welt nicht vollumfänglich in der Information über die Preise enthalten.“ In der Medienökonomie der dualen Märkte ist das ein nachvollziehbarer Zusammenhang. Modernes Marketing schaut – ganz getreu der Basisphilosophie mit der Orientierung am Abnehmer – zur Preisfindung demgegenüber erst einmal darauf, was der Kunde zu zahlen bereit ist. Das ist natürlich nicht leicht festzustellen. Deshalb gibt es auch hier eine ganze Reihe von Instrumenten und Verfahren, die die Preisfindung erleichtern sollen. Drehund Angelpunkt ist die bewusste Wahrnehmung von Preis-/Leistungsverhältnissen. Wahrnehmung wird hier als die bewusste Aufnahme und Verarbeitung von Informationen über die Welt außerhalb des Individuums verstanden. Diese Wahrnehmung wird mit einem subjektiven Bezugssystem konfrontiert (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 328), mit Vor-Wissen, Vor-Urteilen, Werten, Einstellungen, Erwartungen und Ansprüchen. Beim Urteil über das subjektive Preis-/Leistungsverhältnis spielt die Attraktivität der Leistung oder auch der wahrgenommenen Qualität im Vergleich zu den Leistungskosten die wesentliche Rolle. Den Wirtschaftswissenschaften sind einige preistheoretische Modelle zu verdanken, die heute helfen können, Preispolitik zu betreiben: Die preistheoretischen Modelle der mikroökonomischen Theorie zum Beispiel aber auch Modelle aus der betrieblichen Praxis, die kostenorientierte Preisfindung unter Einsatz von Kalkulationsverfahren (vgl. z.B. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 350 ff.), die wettbewerbsbezogene Preisfindung mit der Strategie der Unterordnung unter einen Preisführer oder auch die abnehmerorientierte Variante mit dem Ausgangspunkt „Preis-Absatz-Funktion“ (vgl. z.B. Gutenberg 1984, S. 247). Wichtigstes Element ist hier die Preiselastizität der Nachfrage als Verhältnis von relativer Änderung des Preises und dadurch bewirkte relative Änderung der Absatzmenge. Über verschiedene Verfahren lassen sich auch Preisobergrenzen ermitteln (vgl. u.a. Dichtl 1984, S. 121 ff.). Der Faktor Preis ist heute insbesondere auch ein strategisches Element im Rahmen umfassender Marketingausrichtung. So bestimmt die eigene Einschätzung im PreisQualitäts-Wettbewerb auch die Strategieposition. Zwischen Premiumstrategie und Billigwarenstrategie lassen sich eine ganze Reihe von Misch- oder Alternativformen finden: Übervorteilungsstrategien, Mittelfeldstrategien oder Vorteilsstrategien (vgl. Kotler/Bliemel 1995, S. 745). Preisfindung ist im Medienmanagement ein durchaus erkanntes und spezifisch zu erweiterndes Problemfeld, da sich bereits unterschiedlichste Preismodelle in der Dualen Ökonomie ausgeprägt haben: ƒ ƒ ƒ

Abonnement von Produktbündel – Rezipient zahlt für gebündelte Medieninhalte (zum Beispiel Abonnement-Fernsehen, werbefreie wissenschaftliche Zeitschriften, spezifische Bestandteile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks). Einzelkauf von Medieninhalten (z.B. Kauf von einzelnen Artikeln im Internet, „Pay per View“-Systeme im analogen und digitalen Fernsehen). Einzelkauf von Medieninhalten plus Akzeptanz von Werbeangebot, der Rezipient zahlt zusätzlich durch die Konsum- von und Reaktionsbereitschaft auf Werbeinhalte(n).

175 ƒ ƒ ƒ

Einzelkauf von Produktbündel plus Akzeptanz von Werbeangeboten (Kauf-Zeitschrift, Kauf-Tageszeitung). Inhaltsabonnement plus Werbeangebote im Produktbündel (Tageszeitungen, Zeitschriften). Reine Werbefinanzierung des Mediums – der Rezipient „zahlt“ ausschließlich über den Faktor „Reaktion auf Werbung“ (privates Fernsehen, privater Hörfunk, Gratiszeitungen).

Warum an dieser Stelle nicht der Faktor „Konsum von Werbung“ als Preisgröße aus Rezipientensicht eingeführt wird, sondern gezielt auf den Faktor Reaktionsbereitschaft gesetzt wird, muss näher erläutert werden: Die Preiskomponenten im als führend erkannten Rezipientenmarkt sind auf zwei Größen zu reduzieren: direkt für den Medienkonsum bezahlte Geldbeträge plus die Bereitschaft zur Reaktion auf Werbung, ein Faktor, dessen „Preiswertigkeit“ nur schwer in Geldbeträgen zu erfassen ist. Die Marktforschung versucht in Form der Werbeerfolgsmessungen hier anzusetzen. Konsequent nachvollzogen und in der Theorie ist der Preis für den Faktor „Reaktion auf Werbung“ in den Absatzzahlen der werbenden Wirtschaft enthalten. Es geht bei der Preisbildung im Medienmanagement also weit weniger um den Faktor Preiselastizität der Nachfrage sondern viel eher um das Aufspüren eines Adäquats für die Nachfrageelastizität des Werbeeinsatzes. Die Vorgehensweise müsste also wie folgt aussehen: ƒ ƒ ƒ ƒ

Ermittlung der Absatzzahlen für das beworbene Produkt vor Werbeeinsatz in einem spezifischen Medium, Ermittlung des Absatzes nach Werbeeinsatz im Medium, Bildung der Differenz aus beiden Größen, Errechnung der (medienspezifischen) Erfolgsgrößen über die Kennzahl Umsatzrendite (die auch die Skalenerträge bei gesteigerter Produktion berücksichtigt) – das bedeutet: Umsatzrendite (in Prozent) multipliziert mit der unter Punkt 3 gebildeten Differenz.

Zur Erläuterung des Modells: ƒ ƒ

ƒ

Es darf nicht der „Konsum von Werbung“ verpreist werden, da Werbung langfristig nur dann „geschaltet“ wird, wenn Werbung in ökonomischen Größen messbaren Erfolg zeitigt. Die komplette Absatzsteigerung kann nicht als Preisgröße angesetzt werden, da ja auch der Nutzenaspekt beim Käufer berücksichtigt werden muss – schließlich erwirbt der Käufer mit dem Produkterwerb eine Leistung (Leistungsdissonanzen sind im Modell nicht berücksichtigt). Es dürfen folglich ausschließlich die Preisanteile berücksichtigt werden, die der medienspezifische Werbeeinsatz bei denjenigen verursacht, die auf die Werbung reagieren. Der investierte Werbeaufwand kann nicht komplett verpreist werden, da dieser nichts über die Nachfrageelastizität und die „Investition“ der Zielgruppe (die Bereitschaft einen Preis zu zahlen in Form der Zeitinvestition für die Aufnahme der Werbung und einer Kaufreaktion mit der Akzeptanz eventuell höherer Preise als bei nicht beworbenen Produkten) aussagen kann.

176 ƒ

Die Nachfrageelastizität lässt sich nur in der Gesamtheit anwenden und nicht auf den einzelnen Mediennutzer schlüsseln. Die Preisgrößen werden ja im Modell für die Gesamtheit der Mediennutzer mit erstens den auf die Werbung Reagierenden, zweitens den die Werbung Konsumierenden (ohne Kaufreaktion) und drittens den die Werbung Verweigernden (ohne Konsum ohne Kauf) ermittelt.

Sich bewusst mit dem Thema Preisfindung auseinanderzusetzen, ist spätestens seit der erfolgreichen Marktplatzierung von kostenlosen Anzeigenblättern und ganz besonders stark nach dem europaweiten Siegeszug der Gratisblätter (der schwedischen Metro-Gruppe und des schweizerischen Schibsted-Verlages) um die Jahrtausendwende auch eine Aufgabe für Zeitungshäuser. Welchen Wert hat die redaktionelle Arbeit, wie viel ist der Kunde zu zahlen bereit? Das ist ebenso eine Fragestellung wie die nach dem Preisbewusstsein des Inserenten. Welchen Wert hat es, die gewünschte Zielgruppe über das Medium Tageszeitung zu erreichen? Eines der Hilfsmittel, denen sich alle Medien bedienen, um ihre Leistungen vergleichbar zu machen, ist der Tausender-Kontaktpreis, der Preis den ein Inserent zahlen muss, um insgesamt 1.000 Menschen mit seiner Werbung zu erreichen. Beim Vergleich der Tausender-Kontaktpreise verschiedener Medien liegen Tageszeitungen im Vergleich im oberen Drittel (vgl. Keller 1997). Dabei muss Preis- nicht unbedingt mit einer Entgeltpolitik gleichzusetzen sein. So kann zum Beispiel auch der Faktor „Zeit“ als „preisrelevanter“ Faktor gesehen werden. Schnellere Orientierung durch bessere Gliederung kann damit ein redaktioneller Faktor zur Optimierung der individuell erlebten Wertigkeit der Tageszeitung sein. Produkt- und Programmpolitik gehen auf diesem Weg zwingend eine enge Verbindung mit der Preispolitik ein. Nun leistet diese Arbeit zweierlei – zum einen wurde hier das Feld der Preispolitik für Medienangebote neu systematisiert und damit die klassische Preispolitik im Medienmarketing transparent aufgezeigt. Zum zweiten wird konsistent auf die Preispolitik im Social Marketing verwiesen, da ja die Marketinggrößen einer Ökonomie der Publizistik nicht mehr länger den Regeln der Gewinnmaximierung sondern im gesellschaftlichen Kontext auf Basis von Vermutungen gesetzten Regelmechanismen folgen. Das ist ja, um es in diesem Zusammenhang noch einmal klarzustellen, die eigentliche Kunst einer Ökonomie der Publizistik: Ihr genügt, dass meritorische Bedürfnisse vermutet werden können! Und damit gilt: Marketing im Sinne einer Ökonomie der Publizistik ist immer dann erfolgreich, wenn für eine möglichst große Grundgesamtheit unter Berücksichtigung verschiedener Stellgrößen das Befriedigungsniveau ausgewählter und damit gesetzter Bedürfnislagen tendenziell steigt. Und in einzigartiger Weise können so auch schwer nachweisbare aber vermutete meritorische Bedürfnisse adressiert werden. Im Zentrum dieser Arbeit steht Qualität als argumentative Größe. Nun wird der zu bewältigende Prozess offensichtlich: Marketing ist unter dem Primat einer Ökonomie der Publizistik bezogen auf die Qualität des publizistischen Angebotes dann erfolgreich, wenn der in Messgrößen heruntergebrochene und vorab gesetzte Qualitätsrahmen positiv beeinflusst wird. Dabei ist die Wahl strategischer Optionen nicht mehr länger durch unterschiedliche Qualität-Preis-Paarungen, sondern divergierende Qualität-Aufmerksamkeits-Paare verbunden.

177 3.3.4.3 Kommunikationspolitik im Marketing-Mix für Medienangebote Die Kommunikationspolitik ist das „Sprachrohr des Marketing“ sagen Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (1994, S. 527). Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring sind aktive Kommunikationsinstrumente, mit denen der Absatz von Produkten unterstützt werden kann. Die Marketingtheorie hat verschiedene Grundlagen erarbeitet, die die Gestaltung von Kampagnen zur Kommunikation bestimmen können. Verhaltenswissenschaftliche Elemente wie gestalt- und ganzheitspsychologische Ansätze sowie lerntheoretische und motivationstheoretische Erklärungsmodelle zählen hinzu (vgl. z.B. Nieschlag/ Dichtl/Hörschgen 2002). Wenn man weiß, warum und wie sich Abnehmer für bestimmte Produkte entscheiden, wie sie Verhaltensweisen erlernen, wie sie sich zu bestimmten Handlungen motivieren lassen, dann können entsprechende Kampagnen auf die erkannten Zusammenhänge maßgeschneidert werden. Die Kommunikationspolitik schlägt die Brücke zum Abnehmer. Sie transportiert Aussagen, um Handlungen zu erreichen. Nimmt man beispielsweise das Zeitungsmarketing heraus (vgl. Hirt 1983) spielen Eigenwerbung, Verkaufsförderungsaktionen, Sponsoring und eventuell auch die Öffentlichkeitsarbeit als Aktionsfelder der Kommunikationspolitik eine wichtige Rolle (vgl. Exner 1992). Als Werbeaussage für Eigenwerbekampagnen zum Beispiel werden häufig redaktionelle Inhalte herangezogen (so zum Beispiel bei der Werbekampagne des Mannheimer Morgen unter dem Slogan „Der Morgen bringt es an den Tag“ oder auch bei regionalen Kampagnen der Bild-Zeitung unter dem Slogan „Bild Dir eine Meinung“ – beide Kampagnen beginnen mit dem Jahr 1998 und wurden bis ins Jahr 2003 genutzt). Als Element muss fraglos auch bei der Diskussion von publizistischem Marketing das Thema Kommunikationspolitik behandelt werden. Im Umkehrschluss: Inwieweit redaktionelle Angebote von den Marketing-Erkenntnissen profitieren können, die die Ausgestaltung kommunikationspolitischer Maßnahmen unterstützen, ist ebenfalls ein spannendes Feld zur Erörterung. Die Stichworte (bezogen auf aktuelle Printmedien): Lesewiderstand, Textanordnung, Satzlänge, Informationsgehalt oder Farbe. Grundsätzlich gilt: Im Social Marketing und generell im Nonprofit-Marketing spielt die Kommunikationspolitik eine im Vergleich zu den andern Säulen eine gesteigerte Rolle. Dies leuchtet ein, betrachtet man zum Beispiel die „Gib AIDS keine Chance“-Kampagne, die seit Beginn der 1990er Jahre mit wechselnden Motiven in Deutschland hauptsächlich durch ihre kommunikationspolitischen Maßnahmen auffällt. Zum Beispiel: Wenn „Meinungsbildung“ oder „Informiertheit im Prozess demokratischer Willensbildung“ zu den vermuteten meritorischen Bedürfnissen zählen, die als qualitätsrelevant eingeschätzt werden, so kann im Rahmen der Kommunikationspolitik zum einen die Wichtigkeit dieser Bedürfnisse für die gesellschaftliche Entwicklung herausgehoben und dargestellt, zum anderen die Beiträge zu diesen Themenkomplexen näher an den Rezeptionsgewohnheiten orientiert werden – bessere Platzierung der entsprechenden Themen, angepasste Gewichtung der Berichterstattung. Die aktive Komponente im publizistischen Marketing leistet also zweierlei: ƒ ƒ

Sie erlaubt die Setzung von Vorgaben für kommunikationspolitische Maßnahmen und sie gibt Hinweise auf die Präsentation von Inhalten.

Damit zeigt sich die publizistisch-redaktionelle Verantwortung als Mehrebenen-Herausforderung:

178 ƒ ƒ ƒ

ƒ ƒ

Stufe 1: Setzung von Qualitätskriterien – auch im Sinne vermuteter meritorischer Bedürfnisse. Stufe 2: Identifikation kommunikatorischer/informatorischer Inhalte zur Unterstützung der gesetzten Qualitätskriterien. Stufe 3: Abwägung, inwiefern die identifizierten Inhalte den Grad der GesamtproduktRezeption verringern (wenn Meritorik und damit ein Marktversagen impliziert wird, muss die Aufnahme vermuteter meritorischer Bedürfnisse zu einem Rückgang der Rezeption führen). Stufe 3: Kommunikationspolitische Maßnahmen in der intramedialen Umsetzung der Themen zur Stützung der aufgrund vermuteter meritorischer Bedürfnisbefriedigung rückgängiger Rezeption. Stufe 4: Überlegungen zur extramedialen Umsetzung der Themenstellung.

3.3.4.4 Distributionspolitik im Marketing-Mix für Medienangebote Die Distributionspolitik der Medienwirtschaft muss sich aktuell mit etwa folgenden Fragen beschäftigen: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ƒ

ƒ

Werden E-Paper mittelfristig die Logistik- und damit auch die Wertschöpfungskette der klassischen Printmedien verändern? Wie wird sich die Digitalisierung auf die klassischen Distributionswege (terrestrische, Kabel- oder analoge Sattelitenübertragung) auswirken? Wie stark wird es gelingen, bestehende Medien zu personalisieren, die schon heute beobachtbare Nischenbildung also noch weiter voranzutreiben? Welche Rolle werden über Digitaltechnik in beliebiger Zahl zielgruppengerecht platzierbare Spartenprogramme weiter spielen? Wie wird sich das Bild vom klassischen Medium Fernsehen verändern, wenn neue distributive Möglichkeiten zur Verfügung stehen – insbesondere die Verhandlungen um die Bundesligarechte für die Saison 2006/2007 können hier als Indiz gesehen werden, schließlich tritt hier erstmalig der Betreiber distributiver Netze auf und greift so ins Geschehen ein, dass selbst angestammtes Bezahlfernsehen (Premiere) das Nachsehen hat? Wie wird die zeitliche Entkoppelung des Content die Mediennutzung und die „bespielten“ Kanäle verändern („content on demand“); welche Rolle wird damit künftig die digital-integrative Content-Distribution spielen (z.B. Hörfunkangebote in Form von Podcasts, ständig aktualisierte RSS-feeds, PVR-Angebote von Serverfarmen (Personal Video Recorder – Pilotprojekte gab es zum Beispiel für Graz (Österreich) in Zusammenarbeit mit der Siemens AG)? Wie werden elektronisch distribuierte kollaborative Medienangebote das Rezeptionsverhalten verändern?

Im Rahmen der Distributionspolitik wird entschieden, wie ein Produkt vom Hersteller zum Bedarfsträger kommt – über eine Vertriebsabteilung und Absatzhelfer, direkt oder über verschiedene Stufen des Handels. Häufig wird zwischen physischer Distribution, der reine Gütertransfer vom Anbieter zum Nachfrager, und akquisitorischer Distribution unterschie-

179 den. Letztere meint den Verkauf der Ware, die Anbahnung des Kundenkontaktes, die Bindung an das Unternehmen. Die eindeutige Differenzierung ist meist nur schwerlich möglich. Für das Produkt Tageszeitung zum Beispiel, liegt die Art der Distribution aus traditioneller Sicht weitgehend fest. Dennoch können distributionspolitische Faktoren eine Rolle spielen – insbesondere dann, wenn man die physische Distribution vor dem Hintergrund elektronischer Medien betrachtet. Unter Marketing-Gesichtspunkten kann das Feld der Distributionspolitik durchaus strategische Optionen für die Tageszeitung öffnen. „Angesichts modernster Produktionstechniken bleibt der Transport zum Abonnenten und Käufer ‚mittelalterlich’“, sagt Otmar Ernst schon 1988 (S. 43) und zu seinen zukunftsbezogenen Visionen gehört, dass auch die Zeitungen ‚körperlos’ transportiert und erst aus einem Terminal (...) ‚ausgedruckt’ werden“. Das ist heute im pdf-Standard bereits Realität. Und doch hat sich der Markt nur wenig in Richtung Elektronik verschoben. Möglicherweise also steht die digitale Revolution im klassischen Printmedienbereich noch bevor. Auch die bis weit in die 1990er Jahre als Spekulation bezeichnete Möglichkeit, dass eben dieses Terminal sich merkt, für welche Inhalte und Themen sich der so „instant‘ mit Zeitungslektüre versorgte Leser interessiert und ihm dann auch nur die Informationen und Themen präsentiert, die seinen persönlichen Interessen entsprechen“ (Rau 1997), ist im Zeitalter der InternetCookies beinahe zur Selbstverständlichkeit einer individualisierten Medienlösung geworden. Dennoch gibt es immer wieder Hinweise darauf, die trotz des Aktualitätsabstands der Tageszeitung „zum Anfassen“ eine Zukunft bescheinigen. Schließlich: „Ins Internet kann man keinen Fisch einpacken“, wie es Gerhard Prien, Freier Journalist aus Trier formuliert (vgl. Hanke 1996, S. 16). Eine möglicherweise typische Situation der Zukunft, was die distributionspolitische Dimension inhaltsgetriebener Medienangebote betrifft: Der Rezipient sitzt zum Beispiel in der U-Bahn, rollt eine Polymerfolie aus – auf dieser sind abertausende von kleinen OLEDs aufgebracht. OLED steht dabei für Organische Leuchtdiode oder eben englisch: Organic Light-Emitting Diode. Das ist eine elektrisch angesteuerte Diode, die aus halbleitenden Polymeren oder kleinen Molekülen besteht und die, wenn elektrische Spannung anliegt, Licht aussendet. Ein kleines flaches Kabel verbindet die Folie mit einem mobilen Empfangsgerät, das heute noch Handy heißt und mit UMTS oder einem ähnlich leistungsfähigen Übertragungsstandard ansprechende Datenraten auch für den Bewegtbildtransport zustande bringt. Technologie und Speicherfähigkeit des Empfangsgerätes erlauben zum einen dessen eindeutige Identifizierung, zum anderen die Integration eines Browsers, der bisherige Internetanwendungen vielfach übertrifft. Die Polymerfolie ist gleichzeitig „Touchscreen“, und es wird auf diese Weise leicht möglich sein, auf der Folie mit dem Zeigefinger zu navigieren. Je nach medialem Angebot und gebuchten Favoriten zeigt die Leitseite eine ansprechende Mischung aus Headlines und Unterzeilen, aus kurzen Leadsätzen und Bildmotiven. Das Empfangsgerät kann natürlich bequem – wie heute Handys – auch mit einem Stereokopfhörer verbunden werden. Einzelne Fingerzeige auf die Headlines oder die Standbilder rufen nun entsprechend (vielleicht in neu geöffneten Fenstern auf der Folie) ein hinterlegtes Angebot auf: Text, Standfotografie, Infografik, bewegtes Realbild, animierte Grafik, mit Sprache und Atmosphärenton gemischtes Bewegtbild oder eine reine Tondatei. So, oder zumindest recht ähnlich, wird man sich die Zukunft informatorischer Medienangebote vorstellen müssen. Und zwar vor allem deshalb, weil Nachfrage auch das Angebot regeln wird. Als Indiz mag herangezogen werden können, dass in Dresden das erste Werk für biegsame Lesebildschirme geplant ist – diese sollen biegsam sein und dem

180 Lesen elektronischer Druckerzeugnisse dienen. Die britische Plastic Logic aus Cambridge konnte Investoren unter Führung der Beteiligungsgesellschaft Oak Investment Partners und Tudor Investment Corporation vom Vorhaben überzeugen. 100 Mio. Dollar werden in das neue Unternehmen investiert – eine der größten Finanzierungen in der Geschichte des europäischen Wagniskapitals (vgl. Geinitz 2007, S. 17). Mehrere Bankenbeteiligungen stehen bereits fest – Ende des Jahres 2005 hatte die BASF rund eine Million Pfund in Plastic Logic (eine Ausgründung aus dem Cavendish Labor der Universität Cambridge33) investiert; auch das ein Hinweis darauf, wie deutlich die Zeichen der Zukunft in Richtung von Polymerlösungen stehen. Schließlich setzt das weltgrößte Chemieunternehmen hier Standards. Das Umsatzvolumen mit „elektronischem Papier“ schätzt die Gesellschaft für 2015 auf 30, für 2025 auf 250 Milliarden Dollar. In einer ersten Stufe sehen die Bildschirme wie Zeitschriften aus, die einen etwas breiteren Rücken voller Elektronik besitzen, der Akku reiche für viele tausend Seiten aus: „Unsere Displays werden elektronische Leseprodukte ermöglichen, die sich so bequem und natürlich lesen lassen wie Papier. Egal, ob am Strand, in der Bahn oder zu Hause auf dem Sofa“, sagt Plastic Logic-Chef John Mills (vgl. Geinitz 2007, S. 17). Das Plastik-Medium weist aber über die heute gewohnten „Lese-Anwendungen“ hinaus, da es sich vermutlich schnell als Multimedium etablieren wird. Die dialogische und eben entserialisierte Auseinandersetzung mit einem aktuellen informatorischen Angebot bietet dem Rezipienten im Vergleich zu allen heute verfügbaren (überwiegend journalistisch geprägten) Medienangeboten Effizienzvorteile. Der entscheidende Vorteil jedoch liegt in der Integration der Telekommunikationsleistung und damit der nahezu ubiquitären Verfügbarkeit des Angebotes sowie in seiner Transportabilität. Man kann sagen, das Prinzip Tageszeitung wird erwachsen und Teil eines elektronifizierten Zeitalters (zur technologischen Ausarbeitung des Beispiels und seinen weiteren Implikationen vgl. Rau 2007, S. 37 ff.). Die Distribution von „content“ wird auch durch die technologischen Plattformen, die bereits bereitstehen, wesentlich kostengünstiger. Nur so ist ja auch die Diskussion um partizipative Formen der Medienerstellung überhaupt in dieser Breite erst möglich. Die Frage dabei bleibt, inwiefern es kostengünstiger wird, den Rezipienten zu erreichen. In jedem Fall können Inhalte leichter für unterschiedliche Zielgruppen aufbereitet werden und nahezu unbegrenzter Speicherplatz erlaubt die schnelle Verlinkung unterschiedlichster Hintergrundinformationen. Das aber öffnet auch Chancen für publizistische Marketingansätze mit Nonprofit-Ausrichtung. Und: es lassen sich gleichzeitig unterschiedliche Modelle qualitativer Setzung parallel realisieren. Die Zahl der Optionen wächst also schon allein deshalb, weil sich die distributionspolitischen Möglichkeiten erheblich erweitert haben.

3.3.4.5 Das Zusammenspiel der Elemente im Marketing-Mix Die einzelnen präsentierten Faktoren wirken natürlich im Zuge der aktiven Ausgestaltung von Marketing zusammen. Sie alle ordnen sich der übergreifenden Strategie unter und werden im Idealfall stringent aufeinander abgestimmt. Keine Programmpolitik ohne Distributionsentscheidung, keine Eigenwerbung ohne Produktdefinition. Für einen publizistisch 33 Eine der besonderen Leistungen in diesem Labor: Hier wurden Halbleiter aus Kunststoffen statt aus herkömmlichem und teurerem Silizium entwickelt. Diese sollen in der neuen Fabrik erstmals in industriellem Maßstab gefertigt werden.

181 motivierten Marketingansatz geht es also um mehrere Ebenen der Entscheidung – die folgenden Darstellungen machen indes klar, dass es bei Marketingprozessen am Ende immer um Entscheidungshandeln geht: ƒ

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Auf einer ersten Ebene muss gefragt werden: Von welchen strategischen Überlegungen lässt sich das publizistische Marketing leiten? Die Grundfrage: Wie werden kommerzielle und publizistische Ziele miteinander verknüpft? Und von welchen Grundzielen (möglicherweise auch ethischer Natur) lässt sich das Management leiten? Auf einer zweiten Ebene wird zu entscheiden sein, welche Bedürfnisse angesprochen werden? Sind es allein solche, die vermutlich meritorische sind? Und auch hier wieder: Wie kommen Markt und Meritorik zusammen? Oder: Inwiefern kann die marktgerechte Aufbereitung des Mediums dazu beitragen, dass darüber hinaus auch meritorische und damit gerade nicht marktfähige Bedürfnisse angesprochen werden können. Auf einer dritten Ebene geht es um die Kernfrage: Wie kann man die Rezeption sichern, auch wenn sich das Medium allein auf die Adressierung von vermuteten meritorischen Bedürfnissen konzentriert (und demzufolge nicht vom Markt sondern über Gebührensysteme oder Subventionen finanziert wird). Oder: Welche Mischangebote müssen geleistet werden, um einerseits die Rezeption zu erhalten, andererseits vermutlich meritorische Angebote leisten zu können? Auf einer vierten Ebene erst geht es um die klassischen Felder des Marketing-Mix. Also: Wie werden die publizistischen Produkte formuliert, welche Produkte werden aufgrund der strategischen Überlegungen angeboten? Wie werden diese Produkte gebündelt und präsentiert? Über welchen Kanal (über welche Kanäle (distributionspolitische Entscheidungen)) werden welche Produkte (produkt- und programmpolitische Entscheidungen) angeboten (angesichts der Digitalisierung und Entserialisierung (vgl. Rau 2007, S. 33 f.) von Medienangeboten, eine der wichtigen Fragen für das Medienmanagement der Zukunft)? Welche preispolitischen (1. Ebene: Geschäftsmodelle, 2. Ebene: Geldwerte und Aufmerksamkeitswerte), welche kommunikationspolitischen (Eigenwerbung, Präsentation) und kontrahierungspolitischen (Stichworte: Mischfinanzierungen, Erlangung der Subventionsfähigkeit) Maßnahmen werden getroffen?

Aktives publizistisches Marketing erfordert also einen Entscheidungsbaum, der in seiner Komplexität nicht unterschätzt werden darf, weil publizistisches Marketing immer eines Abwägens bedarf, wie sich eine stärkere Betonung vermuteter meritorischer Bedürfnisbefriedigung auf die Gesamtrezeption auswirkt und weil kommerzieller und publizistischer Erfolg untrennbar miteinander verbunden sind. Die Ansprache vermuteter meritorischer Bedürfnisse braucht Aufmerksamkeit – und diese ist im Medienkontext dann am Ende doch mit Quote oder Auflage zu definieren. Damit führen die Überlegungen zur aktiven Marketingkomponente direkt in das Herz des Medienmanagements und damit der Medienökonomie, die am Ende doch stets das Abwägen zwischen vermuteter publizistischer Meritorik und Marktgängigkeit des Angebotes bedarf. Publizistisches Marketing ist damit konsequentes Entscheidungshandeln auf der Managementebene.

182 3.4 Marketing als Qualitätsinstrument der Redaktion Zusammenfassend zeigt sich: Marketing ist ein Instrument, das sich den spezifischen Anforderungen anpasst. Egal ob betriebswirtschaftliche Ausrichtung oder NonprofitOrientierung und Social Marketing (vgl. Bruhn/Tilmes 1994, Bruhn 2005, Purtschert 2005 und insbesondere auch Klein 2005) – die Arbeitstechnik ist gestaltbar. Sie ist darüber hinaus mit zahlreichen unterschiedlichen Gewichtungsfaktoren zu begrenzen, zu beschränken, zu kanalisieren. Marketing folgt damit den klaren Vorgaben desjenigen, der diese Arbeitstechnik mit einer besonderen Zielsetzung einzusetzen versteht. Es ist die Variabilität in der praktischen Ausformung, die es so interessant macht, gerade dieses Konstrukt der Betriebswirtschaftslehre auszuwählen, um die Möglichkeiten zum Einsatz ökonomischer Instrumente auf das Aktionsfeld Publizistik zu verdeutlichen. Marketing ist in seiner Neutralität ebenso auf der Ebene eines gesamtunternehmerischen Managements unterschiedlicher Mediengattungen einzusetzen, wie es auf Teilsegmente anwendbar ist. Und auch das System Journalismus – hier nach wie vor in einem normativ-pragmatischen Begriffsverständnis ausformuliert – lässt sich herausgelöst aus dem unternehmerischen Zusammenhang unter den mannigfaltigen Aspekten im strategischen Marketing einordnen. Publizistisches Marketing kann Nonprofit-Marketing sein, sich jedoch ebenso mit betriebswirtschaftlich orientiertem Medienmarketing verbinden. Wer nun im Sinne eines ordnungsethischen Ansatzes argumentiert, wird schnell erkennen, wie sinnreich auch ein ursprünglich stringentbetriebswirtschaftlich entwickeltes Werkzeug in Nonprofit-Umgebungen mit klarem gesellschaftlichen Bezug einzusetzen ist (vgl. dazu auch die Überlegungen von Huber 1986). Im Sinne eines rein redaktionell verstandenen Ansatzes wird Marketing seine aktive wie seine passive Komponente gleichermaßen erfüllen müssen. Das heißt: Einerseits auf die Bedürfnisse der erkannten Zielgruppe reagieren, andererseits unter Berücksichtigung vermuteter meritorischer Bedürfnisse auf sie einwirken. Wenn Journalismus das Gelingen gesellschaftlicher Kommunikation bedeutet, dann bedeutet redaktionelles, respektive journalistisch verstandenes Marketing auch die Erfüllung von gesellschaftlichen Aufträgen. Publizistisches Marketing zur Steigerung der (meritorischen oder quasimeritorischen) Qualität entfaltet so gesehen seine besondere Leistungskraft in einem gezielt nonmonetär-gewinnmaximierenden Umfeld. Allein der Austausch der Zielvariablen erlaubt die stringente Übertragung des Marketing-Ansatzes auf die dynamische Betrachtung publizistischer Qualität. Marketing wird in einer solchen Betrachtungsweise aus seinem eindimensionalen Ereignisraum herausgelöst und in einen erweiterten Horizont gestellt. Fazit: Es ist unter verschiedenen Herangehensweisen an ein Qualitätsverständnis wirksames und zielführendes Hilfsmittel zur Steigerung der Qualität. Die Kunst des Einsatzes liegt in der klaren Formulierung der Faktoren, die die entsprechende Ebene der Qualität (also z.B. vermutete Meritorität) beschreiben. Auf der gewählten Ebene einer subjektiven, respektive individualistischen, marketingorientierten Begriffsbildung der Qualität (vgl. Schopphoven 1996) bleibt auch publizistisches Marketing ein Instrument der Fragmentierung – es wird zum Hilfsmittel, erkannte oder vermutete Bedürfnisse zu adressieren. Die Gültigkeit der Anpassungshypothese wäre in unterschiedlichen Situationen sicherlich empirisch zu verifizieren. Auf der gewählten Ebene setzbarer meritorischer Qualität jedoch, wird Marketing zu einem Instrument, das gezielt seine aktive Seite unterstreichen muss und den Aspekt der Bedürfnisweckung in Zielsektoren betont. So gesehen, wird eben neben einem dann transparenter agierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem auch die subventionierbare Presse denkbar.

183 3.5 Marketing und meritorische Qualität: Total Community Coverage Medienqualität ist eine Frage der Interpretation, der gewählten Begrifflichkeiten; sie muss in einem Prozess der Näherung definiert werden – wie dies ausführlich in Kapitel 2 entwickelt wurde. Statt also weiter nach objektivierbaren Qualitätskriterien zu suchen, könnte man einfach und stringent wie vorgeschlagen mit Setzungen arbeiten und das präsentierte Marketing-Instrumentarium anwenden, um die gesetzten Qualitätskriterien zu unterstützen. Dieser Abschnitt verdeutlicht quasi in Form einer Fallstudie die Zusammenhänge am Konzept „Total Community Coverage“ (TCC) und schlägt damit eine Brücke zwischen Qualitätsdiskussion mit der mutigen Setzung von Kriterien und Marketingbemühungen, die gleichermaßen passiv-marktforschende wie aktiv-unterstützende Aspekte vereinen. TCC wird damit zu einem idealen Beispiel für den Aktionsrahmen in der Ökonomie der Publizistik – zumal gleichzeitig ein Bedürfnis aufgegriffen wird – bessere Integrationsleistung durch ein genaueres Abbild gesellschaftlicher (multikultureller) Realität – das ein vermutet meritorisches sein kann. In den Vereinigten Staaten, in einem im Vergleich zu Europa also weit höher kommerzialisierten Mediensystem, rückte insbesondere in den vergangenen 30 Jahren Medienqualität mit der Frage in den Blickpunkt, inwiefern das jeweils betrachtete Medium in der Lage ist, die Vielfalt lokaler Gesellschaftsstrukturen abzubilden. Unterschiedliche Projekte wurden initiiert – die dazugehörigen Schlagworten: „Diversity“, „NewsroomDiversity“, „Community Coverage“, „Total Community Coverage“, „Minority Integration“. Hier soll insbesondere der Ansatz „Total Community Coverage” (TCC) näher betrachtet werden. Er schafft eine Nähe zu jener Diskussion, die im vorangegangenen Kapitel geführt wurde und stellt den Aspekt Rezipientenorientierung in den Vordergrund eines Marketingkonzeptes. TCC lässt sich damit gut in die Philosophie dieser Arbeit integrieren, die die spezifische, ja gar situative Fassung eines Qualitätsbegriffs unter Beachtung des Anpassungsaspektes als für den Medienerfolg erforderliche Rezipientenorientierung versteht. Setzt man – wie Kapitel 2 dieser Arbeit diskutiert – „meritorische Qualität“ als Prämisse, so kann TCC im Rahmen einer Marketingorientierung des Managements die Richtung weisen. Dazu liefert das Konzept des TCC eines jener seltenen Werkzeuge, die beide Aspekte zusammenführen. Es ist ein Werkzeug, das ökonomischen Erfordernissen folgt und durchaus in die Familie publizistischer Marketingwerkzeuge einzuordnen ist. In gleicher Weise ist es ein Instrument zur Steigerung der meritorischen Qualität von Medien mit Gesamtmarkt(unter bestimmten Voraussetzungen auch Teilmarkt-)Strategien. In diesem Verständnis überträgt TCC die im vorangegangenen Kapitel für die Disziplin Marketing überwiegend theoretisch abgeleiteten Aspekte in eine konkret-fassbare praktische Anwendungsumgebung (vgl. u. a. Hussar/Wells Miller 1993).

3.5.1 Medien in lokalen Zusammenhängen 3.5.1.1 Themenabdeckung als Qualitätsmerkmal Als Thomas Connery im Jahr 1989 die Qualität von kleinen US-amerikanischen Tageszeitungen untersuchte und ein Meinungsbild zusammenstellte, mag das Ergebnis in seiner Deutlichkeit vielleicht auch ihn überrascht haben. Von 55 Herausgebern und leitenden Redakteuren sagten 50: Die regionale Abdeckung unterschiedlicher Themenbereiche ist der

184 wichtigste Faktor für eine bessere Zeitung. Deshalb auch steht an der Spitze der Rangliste aller Faktoren, die für die Befragten die Güte der Tageszeitung bestimmen bei Connery (1989) die „übergreifende Abdeckung der örtlichen Gemeinschaft“. Dies ist nur eine recht mangelhafte Übersetzung der Dinge, die im angloamerikanischen „Total Community Coverage“ stecken. Aber genau das ist auch in der genannten Befragung gemeint. Die Qualität eines Mediums – so diese Betrachtungsweise – für den Massenmarkt bestimmt sich durch dessen Fähigkeit, unterschiedlichste gesellschaftliche Aspekte zu integrieren. Dazu zählen: ƒ ƒ ƒ ƒ

Minderheiten wahrnehmen und in die Berichterstattung einbinden, Themen auch für Gruppierungen aufbereiten, die eher am Rand der Gesellschaft stehen, die Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit der Meinungen und Ansichten in einer stark diversifizierten Gesellschaftsstruktur als Chance begreifen und über die Themendiversifizierung zu einer besseren Integrationsleistung zu gelangen.

Wie ernst und wichtig dieses Thema genommen wird, zeigen auch die Berichte aus den APME-Arbeitsgruppen der 90er Jahre. APME steht als Kürzel für Associated Press Managing Editors – eine Initiative der Nachrichtenagentur AP, die das Know-how leitender Redakteure an Tageszeitungen aus allen Staaten der USA in unterschiedlichen Arbeitskreisen und Seminaren bündelt. In diesen Berichten wird die Integrationsleistung der Redaktion und ihr Fähigkeit „Diversity“ abzubilden, immer wieder intensiv diskutiert (vgl. Lawrence 1990, S. 18 f., vgl. Pease 1990, Swope 1993). „Total Community Coverage“ wurde als Begriff übrigens durch ein Programm geprägt, das das US-amerikanische „Robert C. Maynard Institute for Journalism Education“ (vgl. maynardije 2002, o.S.), entwickelt hat. Es soll Tageszeitungen helfen, zunehmend diversifizierte Märkte besser zu beherrschen. Um die Idee des Total Community Coverage anschaulich und verständlich machen zu können, hier ein kurzer Blick auf die begriffliche Zusammensetzung: ƒ ƒ ƒ

Der englische Begriff „total“ steht für „gesamt“, „total“ oder „völlig“. „Community“ kann als „Gemeinde“, aber auch „Allgemeinheit“ oder „Öffentlichkeit“ übersetzt werden. „Coverage“ schließlich heißt „Berichterstattung“ oder sinngemäß „die Behandlung eines Themas“ (vgl. Montag 2002).

Eine mögliche Übersetzung für das Anliegen: Die lokal abgrenzbare Gemeinde (Gemeinschaft oder Gesellschaft) in der Berichterstattung als Ganzes darstellen. Ungenau ist zunächst noch der Begriff Gemeinde. Er kann sowohl auf eine örtliche Gemeinschaft bezogen sein, etwa die Bevölkerung der Stadt oder der näheren Umgebung, in der eine Zeitung erscheint. Andererseits kann dieser Begriff von Gemeinschaft auch als jene Gruppe von Menschen aufgefasst werden, die als Zielgruppe der Medienmacher identifizierbar sind. Das Programm ist ursprünglich für Tageszeitungen entwickelt worden. Man kann also davon ausgehen, dass keine spezielle Zielgruppe innerhalb der Bevölkerung angesprochen ist, sondern die Redaktion ihr Blatt grundsätzlich von der größtmöglichen Zahl der Einwohner gelesen sehen will (Gesamtmarktanspruch der Tageszeitung, vgl. Ledford 1993, S. 26). Den Begriff interpretierend soll hier davon ausgegangen werden, dass die Bemühungen der

185 Zeitungsmacher sich darauf ausrichten, in ihrer Berichterstattung nicht bestimmte Einzelgruppen, sondern die Allgemeinheit widerzuspiegeln, zu der in den USA in zunehmendem Maß auch ethnisch-kulturelle Minderheiten zählen.

3.5.1.2 Total Community Coverage – die Zielsetzung „Das grundlegende Ziel von Total Community Coverage lag von Anfang an darin, die Vielseitigkeit der Stimmen und Bilder zu erhöhen, die sich in der Zeitung spiegeln, auf diese Weise die Gemeinschaft zu stärken und, da wir schon einmal die wirtschaftlichen Abteilungen eingebunden hatten, auch mit den Zeitungen so zu arbeiten, dass wir neue wirtschaftliche Chancen ausloten, die sich mit den Marktzielen decken.” (Montiel 2002). So beschreibt Stephen Montiel, leitender Mitarbeiter beim Maynard Institute for Journalism Education (MIJE) die Zielstellung des Programms. Entwickelt wurde der Ansatz 1992 an eben diesem Institut in Kalifornien. Im Internet wirbt das MIJE für sein Programm mit dem Hinweis, man wolle Unternehmen helfen, den Inhalt ihrer Zeitungen vielfältiger zu gestalten, die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und die Zusammenarbeit in der Redaktion zu verbessern. Aber auch das Erschließen neuer geschäftlicher Möglichkeiten, die sich die Weiterentwicklung der Bevölkerung und ihrer Zusammensetzung zu Nutze machen, wird als Ziel genannt. Die Betonung liegt dabei auf dem Aspekt, „beiden, den Journalisten wie den betriebswirtschaftlichen Managern, beim Analysieren, Verstehen und bei der besseren Vernetzung mit multikulturellen Gesellschaften zu helfen“ (vgl. localcommunities 2002, o.S.). Der Gründer und Namensgeber des Instituts, Robert C. Maynard, wurde in seinen Ideen stark von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung beeinflusst. Ende der Siebziger Jahre war er der erste afro-amerikanische Herausgeber einer Tageszeitung (Oakland Tribune) in den USA. Sein Standpunkt: „Dieses Land kann nicht das Land sein, das wir uns wünschen, wenn seine Geschichten nur von einer Gruppe von Bürgern erzählt werden. Unser Ziel muss es sein, allen Amerikanern Zugang zur Wahrheit zu verschaffen – und zwar durch den Haupteingang.“ (vgl. maynardije 2002, o.S.). Schon vor seiner Tätigkeit als Zeitungsherausgeber versuchte Maynard in verschiedenen Programmen junge Journalisten für die multikulturelle Zusammensetzung der Gesellschaft zu sensibilisieren und dieser Tatsache auch in der Berichterstattung Rechnung zu tragen. Mit der Geburt des Programms Total Community Coverage zwei Jahrzehnte später zog Maynards Institut die Konsequenzen aus der sich wandelnden demographischen Zusammensetzung der Gesellschaft und deren Entwicklung: Etwa 30 Prozent der in den USA lebenden Menschen gehören einer ethnischen Minderheit an, der größte Teil dieser Gruppe hat einen US-amerikanischen Pass. Die Zahl der Minderheiten-Angehörigen stieg zwar nur leicht an, jedoch gab es im Journalismus Aufholbedarf bei der Integration der Minderheiten, die bereits seit Jahrzehnten in den USA lebten (vgl. maynardije 2002, o.S.).

3.5.1.3 Total Community Coverage: Nachrichtenabdeckung plus Ökonomie Das Programm soll also eine Verbindung schaffen: zwischen wirtschaftlichen Aspekten und der idealistischen „Idee der Nachrichtenabdeckung, die uns dabei hilft, uns als Indivi-

186 duum und, die örtliche Gemeinschaft in ihrer komplexen Ganzheit zu sehen.” (vgl. ASNE 2002, o.S.). In den Vereinigten Staaten mag der Aspekt der Minderheiten derzeit noch von höherer Bedeutung scheinen – doch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, könnte es künftig auch für die Medienmacher Europas von wachsender Wichtigkeit sein (vgl. dazu die Studie zur Integrationsleistung deutscher Hörfunkangebote von Ohlendorf 2006), sich Minderheiten als Rezipientengruppen zu erschließen. Schon allein aufgrund höherer Geburtenraten, wird eine Vergrößerung des Minderheitenanteils der Bevölkerung erwartet – und damit bilden sie auch eine wachsende Gruppe potenzieller Rezipienten. Für die Vereinigten Staaten will TCC die Erkenntnis stützen, dass die Tagespresse schon aus rein monetär-ökonomischen Gründen nicht mehr darauf verzichten kann, Minderheiten anzusprechen. Über die Veränderung der Zeitungsinhalte, so die Idee, können nun diese Teile der Bevölkerung als Leser gewonnen werden. Den Machern bleibt in diesem gedanklichen Modell keine Wahl: Sie dürfen ethnische Minderheiten nicht ignorieren, weil sie sich zu einer entscheidenden Konsumentengruppe wandeln werden. Dazu kommt, dass alle im Laufe der Zeit nachkommenden Generationen auf Basis des Geburtsrechts per se USStaatsbürger sind; dennoch sind sie weiterhin vom Einfluss der ursprünglichen Heimat ihrer Eltern und Großeltern geprägt. Dabei gilt im TCC das Primat integrativer Berichterstattung: Minderheiten werden also nicht als exotische und isolierte Randgruppe betrachtet, sondern als Bestandteil der US-Gesellschaft. Carolina Garcia von der ‚San Antonio Express News’ ist überzeugt, dass ebenso, wie sich die Bevölkerung verändert, sich auch die Inhalte der Tageszeitungen ändern müssen (vgl. ASNE 2002, o.S.). Der Herausgeber des Blattes, Robert Rivard, ergänzt: „Unser Ziel ist es, dass jeder, der eine unsere Zeitung in egal welcher Gegend der Stadt in die Hand bekommt, unabhängig von seinem Alter, seinem Einkommen und sozialem Hintergrund das Gefühl hat, die Express-News sind seine Tageszeitung und berichtet über Menschen wie du und ich.” (vgl. Mysanantonio 2002, o.S.). Er bezieht in diese Sicht nicht nur ethnische Minderheiten ein, sondern alle gesellschaftlichen Randgruppen, die nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen. Genau diesen Zusammenhang will das Maynard-Institut den Verantwortlichen in den Redaktionen deutlich machen. Möglicherweise kann das Argument wirtschaftlicher Vorteile dabei helfen, das gesellschaftliche Verständnis und die Integration von Migranten und anderen weniger beachteten gesellschaftlichen Gruppen zu fördern.

3.5.1.4 „Fault Lines“ für die publizistische Praxis „Tatsache ist, Redaktionen bei Tageszeitungen sind überwiegend weiß und in absehbarer Zukunft wird sich daran nichts ändern. Deshalb brauchen Tageszeitungen Werkzeuge um sich zu versichern, dass die Themenabdeckung stärker die gesellschaftliche Realität und nicht die ihrer Mitarbeiter widerspiegelt” (vgl. ASNE 2002, o.S.), meint Montiel. Eine solche Handlungsanleitung hat das Maynard Institute mit dem „Fault Lines“-Konzept geschaffen. Es beruht auf der Idee, dass sich die Mitglieder der Gesellschaft in fünf Charakteristika unterscheiden: Rasse, Klasse, Geschlecht/sexuelle Orientierung, Generation sowie Geographie (Herkunft oder Lebensraum). Diese Unterschiede sind nach Maynard – ähnlich wie geologische Verwerfungslinien – ganz natürlich. Die Journalisten müssten sich diese Zusammenhänge dennoch bewusst machen, um ihre Arbeit darauf auszurichten (vgl. APME 2002, o.S.). „Zuerst einmal gilt es, die Charakteristika der Gemeinde zu identifizieren.

187 Dann nutzt man diese Information, um herauszufinden, wie gut die Zeitung diese Felder abdeckt“ (vgl. ASNE 2002, o.S.). Um zunächst den ersten Schritt zu ermöglichen, vermitteln Mitarbeiter des Maynard Instituts in Workshops und Seminaren Methoden, wie die Journalisten die sie umgebende Öffentlichkeit besser kennenlernen können. Der Leitfaden enthält Verweise auf Behörden und Einrichtungen, die Auskunft zu demographischen Fragen geben. Interessant ist hier die Vorgehensweise, zunächst die Journalisten einschätzen zu lassen, wie sich die sie umgebende Bevölkerung zusammensetzt. Die geschätzten Anteile von Minderheiten werden dann mit den tatsächlichen verglichen. Schon hier wird also damit begonnen, das Bewusstsein der Mitarbeiter für ihre Umgebung zu schärfen und falsche Wahrnehmungen aufzudecken. Die praktische Methode setzt im Weiteren vor allem darauf, mit Hilfe von Inhaltsanalysen die eigene Zeitung zu beurteilen und anschließend gemeinsam in der Diskussion nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Anhand einer detaillierten Anleitung können die Journalisten wahlweise einige Texte, Teile der Zeitung oder auch das ganze Blatt analysieren (möglich ist neben der einmaligen Analyse auch die Untersuchung eines bestimmten Erscheinungszeitraums, z. B. beschränkt sich die Analyse zwei Wochen lang auf den Lokalteil der Zeitung). Beurteilungskriterium der Vielfalt ist die Auswahl der Quellen und handelnden Personen, die in den Texten vorkommen. Anhand einer vorgedruckten Tabelle werden aus einem Text nacheinander die einzelnen zitierten Quellen notiert. Diese sind von den Analysten dann anhand der fünf „Fault Lines“ einzuordnen. Beispielsweise gibt es für die Kategorie Rasse verschiedene Ausprägungen, wie „Black“; „Hispanic“ „Native American“ „White“ etc. Ähnlich sieht es für Klasse, Geschlecht (z. B. männlich, weiblich, aber auch die sexuelle Orientierung wie z.B. homosexuell), Generation (Einteilung in vier Altergruppen) und Geographie aus. Analog funktioniert die tiefere Analyse, die die komplette Zeitung unter die Lupe nimmt (vgl. zum Konzept der Fault Lines: Montag 2002). Wichtig ist hierfür, dass die Redaktionsmitglieder die Analyse selbst durchführen. Denn sie wissen über die Personen, die in ihren Geschichten vorkommen, wesentlich mehr als im gedruckten Text erscheint. Das heißt, ihnen ist es auch am besten möglich, die Personen nach den entsprechenden Kategorien einzuordnen. Nach Einschätzung der Wissenschaftlerin Erna Smith, die verschiedene TCC-Workshops durchgeführt hat, geht es bei der Analyse nicht darum, etwas Wahres oder Falsches herauszubekommen. „Es gibt keine vorgeschriebene Auswahl von Richtlinien für die persönliche Entscheidung, was richtig oder falsch für eine Geschichte ist. Aber man muss erkennen, dass es solche ganz persönlichen Richtlinien gibt. Und da ist dann schon die Frage, ob die Richtlinien, die sich ja dann auch in der Themenabdeckung widerspiegeln, dabei helfen, jene Öffentlichkeit zu erreichen, die man auch erreichen will.” (vgl. ASNE 2002, o.S.). Auf Basis dieser Ergebnisse werden dann in der Diskussion, z. B. mit allen Beschäftigten einer Redaktion verschiedene Fragen erörtert (vgl. APME 2002, o.S.): „Welche Hemmungen und Einschränkungen glauben Sie, beeinflussen die Art und Weise der Darstellung dieses Themenkomplexes? Welche zusätzlichen journalistischen Inhalte könnten dabei helfen, dass die Leser die Bedeutung der Nachricht für ihr tägliches Leben in der örtlichen Gemeinschaft besser verstehen?” (vgl. APME 2002, o.S.). Diese Analyse soll zunächst lediglich das Bewusstsein dafür schaffen, wie stark die Vielfalt und Ausgewogenheit in der jeweiligen Zeitung bereits ausgeprägt ist, wie sehr die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen Platz finden, ob die Zielgruppen, die erreicht werden sollen, sich in dieser Zeitung wirklich wieder finden. Darauf aufbauend werden für jede einzelne Redaktion unter Berücksichtigung des jeweiligen gesell-

188 schaftlichen Umfeldes Strategien entwickelt, wie die Journalisten besser mit der Gemeinschaft in Kontakt treten können und die gewonnenen Erkenntnisse umsetzen können vgl. Montag 2002). Diese Methoden reichen von einer deutlichen Veränderung des Inhalts bis hin zu neuen Arbeitsgewohnheiten von Redakteuren und der Führungsetage (vgl. localcommunities 2002, o.S.).

3.5.2 Total Community Coverage – Ansätze für die Berichterstattung Das TCC-Programm wurde erstmals im April 1993 vom Fort Worth Star-Telegram getestet. Sechs Redakteure überprüften in einem einwöchigen Workshop Ansätze zur Steigerung der Bandbreite des Informationsinhaltes ihrer Tageszeitung. Im Rahmen dieses Workshops produzierten die Redakteure insgesamt acht Nachrichtenseiten, die möglichst die gesamte Bandbreite lokaler Information in Fort Worth abdecken und die Verschiedenartigkeit des Zeitungs-Publikums reflektieren sollten: „(...) wir haben ein sehr effektives Werkzeug gefunden, um einen Bewusstseinswandel herbeizuführen“, sagt Alex MacLeod (1993a). „Das Trainingsprogramm endete mit der Zusammenstellung eines Plans, der dem Star-Telegram dabei helfen sollte, die Themenbandbreite zu erweitern. Außerdem wurde ein elf Personen starkes Komitee gegründet, das die Zeitung bei der Umsetzung dieser Pläne unterstützen sollte.“ (McLeod 1993a). Phil Record, ehemals Redakteur beim Star-Telegram, hat einige Punkte gefunden, die von besonderer Bedeutung sind. Er beschrieb in seinen Ergebnissen zum Workshop beispielsweise, wie kulturell geprägt Definitionen von „Nachrichten“ seien und wie sehr sich diese Definitionen über die Jahre verändert hätten. Wenn man sich dies bewusst mache, wären Veränderungen in den Redaktionen leichter möglich. Darüber hinaus wurde ein weiteres Ergebnis festgehalten: „Weiße Reporter, Redakteure, Fotografen und Grafiker realisierten schnell, dass sie nicht alle den gleichen Wissensstand, den gleichen Intellekt und das gleiche Bewusstsein einbrachten, um Themen zu bearbeiten, die außerhalb des weiß-heterosexuell-mittelklasse-dominierten Kulturkreises liegen. Die meisten erkannten in dieser Tatsache ein Zeichen, dass sie nicht wirklich solch vollständige Journalisten waren, wie sie geglaubt hatten, und das half ihnen dabei, die Lücke in der Tageszeitung zu schließen, die sie herstellen. Für den Wandel ist das ein wichtiger Aspekt.“ (MacLeod 1993a). „In jeder journalistischen Vermittlung liegt ein eigenes Gestaltungselement gesellschaftlicher Pluralität“, sagt Pätzold (1990, S. 12). Der Prozess der „Total Community Coverage“ institutionalisiert diese Auffassung. Record glaubt nach den Erfahrungen aus dem Workshop, dass auch organisatorische Veränderungen leichter zu diskutieren und durchzuführen sind, wenn sie im Rahmen und auf Basis inhaltlicher Analysen zur Sprache kommen (vgl. MacLeod 1993a). Schlechte interne Abstimmung und Kommunikation, fehlendes Vertrauen und schwierige Verhältnisse zwischen Redakteuren, Personen oder Systeme, die keinen Raum für verschiedenartige Meinungen lassen – all dies sind Dinge, die in engem Zusammenhang mit den Zeitungsinhalten stehen. Und – um vielleicht auch einen Hinweis für die Marketingpraktiker in der Redaktion zu geben – betont Record, dass ein solches Konzept Erwartungen unter den Redakteuren schürt: „Wenn das Zeitungsmanagement nicht voll hinter diesem Prozess steht, ihn nicht voranbringen will und das nicht auch noch stets und ständig zeigt, dann wird das Programm kontraproduktiv wirken. Es wird dann zu einem Signal der Täuschung.“ (vgl. McLeod 1993a, o.S., vgl. darüber hinaus Mc-

189 Leod 1993b, o.S.). Dies gibt einen unmissverständlichen Hinweis auch auf die Durchführung von Analysen und Marktforschungsstudien. Haben sie keine Konsequenzen, wächst die Frustration in den Redaktionen. Einige Eindrücke aus dem Praxis-Workshops in den Vereinigten Staaten können in einem europäischen Kontext dabei helfen, die Möglichkeiten der Redaktion im Sinne der „Total Community Coverage“, der Erfassung aller relevanten gesellschaftlichen Bereiche zu nutzen. Für die US-amerikanische Lesart der Studie ist freilich auch die Hautfarbe von Bedeutung, die hinter der Namensangabe mit erwähnt ist. Alle Zitate sind bei Record (1993a, o.S.) zu finden. Dabei handelt es sich um einige der wenigen verfügbaren Quellen, die konkret Ergebnisse aus der Praxisanwendung von TCC dokumentieren. Die Zitate sind an dieser Stelle aufgeführt, um die Praxisrelevanz einer ausgeweiteten Themenabdeckung plastischer herauszuarbeiten. ƒ

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Frank Perkins, Reporter beim Star-Telegram (weiß): „Es war eine beschämende Erkenntnis, dass ich nicht das tat, was ich von meinem Berufsbild her gesehen hätte tun müssen: die GANZE örtliche Gemeinschaft in meiner Arbeit zu berücksichtigen! Diese Erfahrung öffnete mir quasi die Augen und bescherte mir eine Nachhilfestunde, die ich nie vergessen werde.“ Indira Lakshmanan, Reporterin (asiatischer Abstammung): „Einige hatten vielleicht Angst davor, dass der Workshop Gehirnwäsche in Politischer Korrektheit (political correctness) bezüglich unserer Gedanken und unserer Schreibe einschließen würde. In Wahrheit jedoch lehrte er uns zuzuhören, uns zu öffnen und die Unterschiedlichkeit der Menschen schätzen zu lernen. Er lehrte uns, bessere Journalisten zu sein, indem wir die ganze örtliche Gemeinschaft bedienen. Er lehrte uns, bestimmte Menschen nicht zu brandmarken.“ Jackie Koszczuk, Reporterin im Washingtoner Büro der Tageszeitung (weiß): „Ich habe eine ganze Menge alter Annahmen über die Art wie wir als Journalisten in unseren Geschichten und auf unseren Bildern Menschen portraitieren. Als jemand der dachte, weltoffen und tolerant zu sein, habe ich jetzt gelernt, was Weltoffenheit wirklich heißt.“ Joe Cutbirth, weißer Reporter im Austin-Büro des „Telegram“: „Ich habe gelernt, dass die Zeitung denkt, unsere Gemeinschaften sind allesamt bewegungslose Monolithen, so als hätten alle Schwarzen/Schwulen/Juden/etc. die gleiche soziale, politische oder wirtschaftliche Erfahrung. Wir huldigen den Führern unserer Gemeinschaft und so genannten Aktivisten und glauben, dass sie für ganze Gruppen sprechen. Dann versuchen wir unsere Geschichte als eine objektive Arbeit über eine Gruppe auszugeben, wo wir uns eigentlich dazu bekennen sollten, wirkliche Menschen ihre eigenen Geschichten erzählen zu lassen und diese Geschichten ohne zusätzliche Bewertung stehen zu lassen.“ Roland Martin, Reporter (schwarz): „Wir sehen so viele Dinge unterschiedlich, dass es schwer ist, zu einem Schluss zu kommen, was nun richtig und was falsch ist. Im Journalismus haben wir dieses unersättliche Bedürfnis, stets zu entscheiden, welcher Weg richtig und welcher falsch ist. Das Programm gab mir dem entgegen den Eindruck, dass wir in unserem Denken flexibel bleiben müssen.“

190 Diese Auffassungen decken sich mit der Einschätzung von Pätzold (1993), der mutmaßt, dass selbst, wenn über gesellschaftliche Randgruppen der Gemeinschaft berichtet wird, weiterhin eine Tendenz zum Separatismus besteht (vgl. S. 16). Er weist in diesem Zusammenhang auf einen anderen Sachverhalt hin: „Journalisten brauchen Handelnde und Redende in der Gesellschaft. Berichterstattung setzt Ereignisse voraus.“ Das würde bedeuten, dass auch das Konzept der Total Community Coverage einen gesellschaftlichen Integrationsprozess voraussetzt, der von verschiedenen Gruppen getragen wird und sich Bewegungen der Separation entgegenstellt, die zum Beispiel von Pätzold (1993) für Deutsche und Fremde beschrieben werden. Record (1993a und b, o.S.) macht im Zusammenhang unmissverständlich klar, dass durch das neue Programm keineswegs journalistische Grundsätze und Einstellungen oder Verantwortlichkeiten verändert werden: Es geht darum, nicht allein „black stories“ oder „hispanic stories“ zu platzieren, sondern die Tageszeitungen für eine tägliche Berichterstattung zu öffnen. „Guten Journalismus zu praktizieren, heißt ihn so zu praktizieren, dass er überall wo es möglich ist, die gesamten Bedarfe der Gemeinschaft berücksichtigt“, sagt Mary Jo Meisner, ehemals Chefredakteurin beim ‚Star-Telegram’, später bei ‚The Milwaukee Journal’ (vgl. Record 1993b, o.S.). Für die Vereinigten Staaten sind zwischenzeitlich einige Beispiele dokumentiert, in denen tagesaktuelle Printmedien TCC eingesetzt haben. Was beim ‚San Francisco Examiner’ im Rahmen des New-City-Projekts getan wurde, um neue gesellschaftliche Verknüpfungen zu initiieren, war ganz einfach: Zwei Drittel der Mitarbeiter wurden dazu bewegt, in Gebieten auf Tour zu gehen, die sie bislang nicht kannten. Auf diesen Touren ging es einzig darum, mit den Menschen zu reden, die in diesen Gebieten („neighbourhoods“) lebten (vgl. ASNE 2002, o.S.). Der entscheidende Unterschied (der nach dieser Idee auch die Berichterstattung beeinflusst), ist der persönliche Kontakt zu den Menschen, über die der Journalist schreiben soll, der gleichzeitig auch ein persönlicher Kontakt zu Lesern und potenziellen Lesern ist. Teilnehmer der Workshops berichten von zahlreichen neuen Erkenntnissen über und Erlebnissen mit den Bewohnern ihrer Stadt, mit denen sich ihr Medium zuvor nie beschäftigt hatte. „Es gibt die Angewohnheit, immer wieder auf die gleichen Quellen zurückzugreifen und sich am liebsten auf das Telefon zurückzuziehen. In den Zeitungen, mit denen ich gesprochen habe, gibt es die Überzeugung, dass Journalisten eigentlich nicht aus dem Büro gehen und mit Menschen sprechen.” (Stephen Montiel, zitiert nach ASNE 2002, o.S.). Das zu ändern, könnte also auch eine Chance für mehr Vielfalt in den einzelnen Berichten, Reportagen und Interviews bedeuten, aber auch in der Zeitung insgesamt. Peter Bhatia, Herausgeber von ‚The Oregonion’ aus Portland nennt einige Schritte des Prozesses hin zu solchermaßen verstandener Vielfalt: „Aufbau von Datenbanken mit einer größeren Zahl verschiedenartiger Quellen, die Entwicklung von neuen Wegen, um sich mit den gesellschaftlichen Realitäten auseinanderzusetzen; die Schaffung einer Ideenliste mit Themen, die Menschen unterschiedlicher Hautfarbe auf unterschiedliche Weise ins Blatt bringen und die Überwachung, dass die Themen der Liste auch wirklich veröffentlicht werden; auf die gewonnenen Expertisen pochen und die Entwicklung eines Seminarprogramms für alle Mitarbeiter, um sie in die Lage zu versetzen, unterschiedlichste Quellen zu nutzen.” (vgl. ASNE 2002, o.S.). ‚The Orange County Register’ aus Kalifornien kümmert sich verstärkt, um die Berichterstattung über einige Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel „Hispanics“ oder „Senioren“. Um sie besonders anzusprechen, wurden verschiedene Spielarten entwickelt: So gehen Fotografen häufiger in verschiedene Gegenden, die in der Zeitung früher weniger

191 vertreten waren. Die Wirtschaftsredaktion versucht, über Unternehmen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu berichten; ebenso die Unterhaltungs- oder die Ratgeberredaktion. Die Methode: „unterschiedlichste Stimmen in Geschichten von generellem Interesse unterbringen“ (vgl. ASNE 2002, o.S., vgl. Montag 2002). Zu den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten gehört auch die regelmäßige Blattkritik. Wanda Lloyd, leitende Managerin bei ‚The Greenville News’ aus South Carolina, beschreibt die Vorgehensweise in ihrem Haus: „Bei uns gibt es eine tägliche Blattkritik und ein Teil dieser Tageskritik besteht darin, in jedem Ressort die Zahl der Artikel zu zählen, die farbige Menschen einschließen. (...) Ein so genanntes 'diversity committee' (...) garantiert zusätzlich ein konstruktives Feedback. Wir haben darüber hinaus eine Gruppe von Lesern und führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft damit beauftragt, uns mitzuteilen, wie wir ihre unterschiedlichen Ansprüche noch besser berücksichtigen können. Oft besuchen auch solche Führungspersönlichkeiten der örtlichen Gemeinschaft, die hispanischer oder asiatischer Abstammung sind, die Redaktion und sprechen mit den Redaktionsleitern über die spezifischen Themenbereiche dieser gesellschaftlichen Gruppen.” (vgl. ASNE 2002, o.S.). Eine weitere Möglichkeit sind zusätzliche Seiten in der Tageszeitung für bestimmte ethnische Minderheiten. Die Beispiele zeigen, dass zahlreiche Veränderungen in der täglichen Arbeitspraxis dem gleichen Ziel dienen können: Der Umsetzung des TCCKonzepts (vgl. Montag 2002). „Wir versuchen, eine Zeitung anzubieten, die alle Bedarfe der Leser befriedigt. (...) Wir haben keine Wahl. Der Markt verändert sich schon allein durch die demografischen Gegebenheiten. Wenn wir die Gruppen nicht erreichen, verlieren wir sie” (vgl. ASNE 2002, o.S.), sagt Earl Maucker, der Herausgeber des Sun-Sentinel. In der Redaktion seiner Tageszeitung wird seit 1996 mit dem Konzept Total Community Coverage gearbeitet. Im Verbreitungsgebiet leben mehrere hunderttausend Schwarze und Hispanics, auch mehrere zehntausend Asiaten. Der Anteil der Minderheiten an der Bevölkerung beträgt etwa 30 Prozent. Die Leitlinie, die Zeitung für alle Bevölkerungsgruppen interessant zu machen, über alle Bevölkerungsgruppen zu berichten und sie zu Wort kommen zu lassen, wird im Alltag in vielerlei Hinsicht umgesetzt. Zunächst, so berichtet Maucker, ist es wichtig, Wege zu suchen „Mitglieder unserer „Community“ zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen“ (vgl. ASNE 2002, o.S.). Das geschieht etwa durch die finanzielle Unterstützung verschiedener Ereignisse in der Stadt aber auch durch finanziellen Einsatz für Minderheitengruppen. Außerdem werden Leserforen organisiert, der Verleger ist Mitglied in mehreren Minderheiten-Vereinigungen. Es wird also einerseits versucht, auf unterschiedlichen Wegen den Bevölkerungsgruppen zu zeigen, dass das ortsansässige Medium präsent und interessiert ist. Auf der anderen Seite erfahren auch die Mitarbeiter der Redaktion auf diesem Weg viel Neues über die Gemeinschaft und damit die potenziellen Leser (vgl. Montag 2002). Im Prinzip wurde mit dem Konzept der „Total Community Coverage“ ein Instrument geschaffen, das es bei wachsender Zielgruppendiversität erlaubt, möglichst viele der relevanten Gruppen einzubinden und damit Lesebedarfe einzelner Zielgruppen zu befriedigen. Hier wurde ein Werkzeug entwickelt, das auch Forderungen befriedigt, wie sie zum Beispiel von Rager, Schäfer-Dieterle und Weber (1994) aufgestellt wurden, dass im Sinne des sinnvollen redaktionellen Marketing neue Zielgruppen eingebunden werden sollen, ohne die bestehenden zu vertreiben. Möglicherweise ist das gesellschaftliche Spektrum der deutschen regionalen Tageszeitung anders ausgebildet als das einer US-amerikanischen – darauf wird im weiteren Verlauf noch einzugehen sein. Dennoch kann das Basisprinzip prob-

192 lemlos übertragen werden. In Workshops kann danach gefragt werden, wie Ausländer stärker in der Tageszeitung mit Themen berücksichtigt werden. An dieser Stelle kann – insbesondere mit Berücksichtigung des deutschen Marktes – auch die Dimension „Ethnie“ verlassen werden, weil sie nur eine von vielen ist. Für das Europa der kommenden Jahrzehnte (gerade angesichts der demografischen Entwicklungen) könnte zum Beispiel die Altersstruktur das wesentlich evidentere Konstrukt für den TCCEinsatz darstellen. Für die Übertragbarkeit auf den deutschen Markt sei an dieser Stelle auf die Sinus-Milieus verwiesen (vgl. zu dieser Idee auch Stöber 2005). Dieser Begriff entstammt der Marktforschung und stellt eine Sonderform der Zielgruppen-Analyse dar. Die Definition der Sinus-Milieus ergibt sich aus der persönlichen Lebenswelt und dem Lebensstil der Menschen - und nicht aus formalen Kriterien wie Schulbildung, Beruf oder Einkommen. Grundlegende Wertorientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen (Familie, Arbeit, Einrichtung/Wohnen, Konsum). Die Sinus-Milieus sind gesellschaftliche Leitmilieus und fassen Gruppen von Menschen zusammen, deren Lebensweise ähnlich ist (vgl. Abbildung 10). Ein TCC-Programm würde also in einem übergeordneten Schritt ermitteln, welche Sinus-Milieus im Medium aktuell bereits repräsentiert sind und wo erkennbare Lücken der Berichterstattung festzustellen sind. Entsprechend könnten diese Lücken geschlossen werden. Für die Anwendung wird nicht allein die Frage des Inhalts zu diskutieren sein, sondern auch die der sprachlichen Aufbereitung. Dies ist ein Thema, das in der theoretischen und praktischen Diskussion in den USA seit Jahren breiten Raum einnimmt. 1978 bereits hat Fowler (S. 592) die Problematik in knapper, sachlich-konsequenter Weise zusammengefasst: „In einer Zeit, in der Schüler mit einem bestandenen Abschluss von der High-School entlassen werden, ohne richtig lesen und schreiben zu können und in der die Tageszeitungslektüre unter Erwachsenen innerhalb der letzten drei oder vier Jahre um fünf Prozent zurückgegangen ist, sollte die Zeitungsbranche Konzepte zur besseren Lesbarkeit und zur Steigerung der Auflage sorgfältig überprüfen. Sicher, man kann nicht behaupten, dass Lesbarkeit das einzige ist, das Auflagen steigern hilft und die Zukunft der Tageszeitung in ihrer heutigen Form sichert oder dass eine (leichter) lesbare Zeitung die Leute veranlasst, sie sofort zu kaufen. Aber die Branche muss die Konsequenzen daraus ziehen, wenn sie große Teile der Bevölkerung ausschließt, indem sie Produkte herstellt, die schwer zu verstehen sind.“ (Fowler 1978, S. 592). Verständlichkeit ist auch für deutschsprachige Medien Thema und als Faktor eines rezipientenorientierten Qualitätsverständnisses kann es bei entsprechender Auswahl oder Setzung entsprechend gestützt werden. Interessant an diesem Aspekt ist, dass hier – wie in Kapitel 2 diskutiert und gefordert – sinnvolle Messinstrumente zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe der Faktor Verständlichkeit von journalistischen Texten gut operationalisierbar ist. Das „Hamburger Verständlichkeitsmodell“ nach Langer, Schulz v. Thun und Tauscher (vgl. 1993) nutzt für die Messung Ausprägungen (fünfstufige Skala) in den vier Dimensionen „Einfachheit“, „Gliederung-Ordnung“, „Kürze-Prägnanz“ und „Anregende Zusätze“ (vgl. S. 26 f.). Die Autoren verdeutlichen so eindrücklich, dass sich Qualitätsmessinstrumente keinesfalls im reinen Auszählen erschöpfen, sondern Komplexität integrieren können (vgl. S. 136). Das „Hamburger Verständlichkeitsmodell“ geht indes auch weit über die USamerikanische Readability-Schule hinaus, dieser Ansatz argumentiert über weite Strecken mit der Satzlänge – dass dieser Punkt nur bedingt als Qualitätsmaßstab für die Verständlichkeit auch journalistischer Texte herangezogen werden kann, hat der Leipziger Medien-

193 wissenschaftler Werner Früh durch die Prägung des Begriffs „Banalitätsschwelle“ bereits in den 1980er Jahren erkannt.

Abbildung 10: Verteilung der Sinus-Mileus in Deutschland – die Grafik wurde von der Integra-Europe GmbH (2001) zur uneingeschränkten Nutzung freigegeben („public domain“), entnommen aus www.wikipedia.de, Stichwort SinusMilieus, Stand: 30. Oktober 2006.

3.5.3 USA und Europa: Ideale Redaktionsbesetzung durch Diversität? Man muss all dies vorausschicken, um zu verdeutlichen, wie wichtig dieses Thema in der US-amerikanischen Zeitungslandschaft genommen wird. Nur dann nämlich kann man auch eine aktuelle Initiative der „American Society of Newspaper Editors“ (ASNE) verstehen. Aus dem Qualitätsanspruch höchstmöglicher Themenbandbreite und damit größtmöglicher gesellschaftlicher Integrationsfähigkeit leitet diese nämlich Maßgaben für die Besetzung von Tageszeitungsredaktionen ab. Beim Herbstmeeting 1999 wurden unter anderem die Ergebnisse einer Befragung vorgestellt, die unter den Mitgliedern durchgeführt wurde. Sie sollte ein Bild vermitteln, wie sich die Pluralität der amerikanischen Gesellschaft in den Tageszeitungsredaktionen niederschlägt. Gefragt wurde zum Beispiel nach der Frauenquote unter den Redaktionsmitarbeitern und nach deren Abstammung. Die Überlegungen im Hintergrund: Wenn die Redaktionen den Anteilen einer Bevölkerungsgruppe in der Gesamtgesellschaft entsprechend besetzt sind, spiegeln die Inhalte des Mediums ganz automatisch auch die gesellschaftliche Vielfalt wider. Das Ergebnis der Befragung: Im Jahr 1999 waren 11,55 Prozent der Redaktionsangestellten einer Minderheit zuzuordnen, das heißt

194 asiatischer, afroamerikanischer oder indianischer Abstammung. Im Schnitt gehören nach US-Erhebungen (2002) 28,4 Prozent der US-Bürger einer Minderheit an. Die nichthispanischen Weißen repräsentieren 72 Prozent der Bevölkerung. 13 Prozent sind afrikanischer Abstammung, elf Prozent hispanischer Abstammung. Weitere zwei Prozent sind indianischer, asiatischer oder südamerikanischer Herkunft. Diese groben Zuteilungen stellen allerdings in sich keine homogenen Gruppen dar, sondern lassen sich in eine Vielzahl von Nationalitäten unterteilen. Selbst die Mehrheit der so genannten Weißen setzt sich schließlich aus verschiedenen europäischen Nationalitäten zusammen. Fast jeder zehnte Einwohner (25,8 Mio. oder 9,4 Prozent) wurde im Ausland geboren, Derzeit wird davon ausgegangen, dass sich der Anteil nichthispanischer Weißer in den nächsten 50 Jahren auf etwa 53 Prozent verringern wird, wohingegen der Anteil der Hispanics auf 25 Prozent steigen soll. Insgesamt wird sich in dieser Prognose der Anteil der derzeitigen Kernleserschaft verringern und sich ein neues breiter gefächertes Publikum herausbilden. Vor diesem Hintergrund beschloss die ASNE im Dreijahresrhythmus die Überprüfung verschiedener Benchmarks. So soll zum Beispiel regelmäßig gemessen werden, wie stark das Beschäftigungsbild an Tageszeitungen vor Ort den gesellschaftlichen Zusammenhängen entspricht. Die Frage also: sind die Tageszeitungsredaktionen paritätisch besetzt. Als im Jahr 1978 zum ersten Mal Zahlen in diesem Zusammenhang erhoben wurden, gehörten vier Prozent aller Redaktionsmitarbeiter einer Minderheit an. Zwischen 1978 und 1999 stieg die Zahl der Angestellten aus Minderheiten um 276 Prozent, bei weißen Redaktionsmitgliedern wuchs sie um lediglich 17 Prozent. Das erklärte Ziel der ASNE: Tageszeitungsredaktionen sollen bis spätestens 2025 mehr als doppelt so viele Mitglieder aus Minderheiten beschäftigen, als dies Ende 1999 der Fall ist. Im Jahr 2025 werden rund 38 Prozent der US-Bevölkerung einer Minderheit angehören, um Parität zu erreichen, müssten Tageszeitungen den Anteil von Minderheiten in den Redaktionen um 229 Prozent steigern (im Vergleich zu den Zahlen der Jahrtausendwende; vgl. dazu ASNE 2002, o.S.). Zwischenzeitlich hat sich das Projekt unter dem Begriff „Time-Out“ einen festen Platz in der ASNE geschaffen und ein eigenes „Online-Tool“ des Maynard-Institutes unterstützt die Teilnehmer des Programms bei der Überprüfung dabei wie es gelingt, die (gesellschaftlich relevante) Themenvielfalt besser zu erfassen (vgl. ASNE 2006, o.S.). Das bereits abgesprochene Beispiel Sun-Sentinel zeigt indes, dass möglicherweise jene Tageszeitungsverlage, die bereits ERfahrungen mit TCC haben, auch die Diversitäts-Überlegungen stärker antizipieren. Etwa 21 Prozent der Beschäftigten beim Sun-Sentinel gehören einer ethnischkulturellen Minderheit an – weit mehr als in den meisten Tageszeitungen der Vereinigten Staaten üblich. Angesichts des 30-prozentigen Anteils an der gesamten Bevölkerung im Verbreitungsgebiet bilanziert Maucker: „Wir spiegeln unsere Region nicht so gut wider, wie wir dies sollten. (…) Wir haben zwar einiges erreicht, aber haben trotzdem noch einen langen Weg vor uns.“ (vgl. ASNE 2002, o.S.). Auch ein Diversity-Komitee soll dazu beitragen, das ehrgeizige Ziel zu erreichen. Es unterstützt die Verantwortlichen bei Vorstellungsgesprächen und der Einstellung von neuem Personal. Bemühungen um die möglichst „bunte“ Besetzung von Redaktionen dürften in den Vereinigten Staaten im Übrigen größeren Erfolg haben als beispielsweise in Deutschland, denn trotz unterschiedlicher Herkunft ist dort die Identifikation mit dem Land als neuem Lebensmittelpunkt vergleichsweise hoch. Die Mitglieder der ethnischen Gruppen bleiben sich zwar ihrer Herkunft bewusst, identifizieren sich aber dennoch stark. Für einen großen

195 Teil sind die USA seit mehreren Generationen Heimatland, viele Immigranten betrachten sie als Land ihrer Träume. Diese Gruppen stellen ein Leserpotenzial dar, und aufgrund der hohen Identifikation kann bei zunehmenden Sprachkenntnissen davon ausgegangen werden, dass auch eine Bereitschaft vorhanden ist, sich mit der amerikanischen Innen- und Außenpolitik und den aktuellen Geschehnissen in den USA zu beschäftigen. Damit könnte man gleichermaßen schließen, dass ein grundsätzliches Interesse an amerikanischen Medien vorhanden ist. In den Vereinigten Staaten ist die plurale Besetzung der Redaktion ein Qualitätsmerkmal, das größtmögliche Kompetenz und Themenvielfalt garantiert. Dieser Schwerpunkt, der sich deutlich von den in Europa gesetzten unterscheidet, zeigt einmal mehr, wie subjektiv die Auswahl maßgebender Qualitätskriterien ist (vgl. Hingst 1994). Der Ansatz der ASNE zeigt aber noch etwas anderes: nämlich die organisierte, systematische Annäherung an ein Qualitätsideal. So wird der TCC-Aspekt auch in die Definitionswirklichkeit publizistischer Qualität aufgenommen: Neben „Richtigkeit, Vollständigkeit, Sachlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, (…) journalistische Fairness sowie die Prüfung der Quellenvalidität“ (um mit Kübler 1996, S. 208, Aspekte aus der Diskussion in Kapitel 2 aufzugreifen), messen Haas und Wallisch die journalistische Qualität an der Fähigkeit, „Themen der sozialen Wirklichkeit aufzugreifen, durch adäquate Recherchetechniken zu erfassen und durch entsprechende Vermittlungsformen dem Leser nahe zu bringen.“ (Wallisch 1995, S. 148). Die Autoren bleiben jedoch mit dieser Forderung und ihren Überlegungen weitestgehend an der Oberfläche und durchdringen die „soziale Wirklichkeit“ nicht in der möglichen Tiefe, was im Übrigen auch dazu führt, dass in Kapitel 2 dieser Arbeit eher andere Zugänge zu einer journalistischen „Arbeitsqualität“ gesucht werden. Hier jedoch – im Zuge einer Einschätzung des TCC – lässt sich diese Auffassung gut integrieren und vertiefen, da doch in zunehmendem Maße auch ausländische Mitbürger oder Deutsche, die ethnisch-kulturellen Minderheiten angehören, die soziale Wirklichkeit von westlichen Gesellschaften repräsentieren. Wichtig erscheint es auch, die Repräsentation sozialer Realitäten im für diese Arbeit zentralen Begriff einer vermuteten meritorischen Qualitätsbegrifflichkeit zu verankern. Schließlich steht TCC hier modellhaft für die Umsetzung eines in der Ökonomie der Publizistik flexiblen (d.h. mit finalem nicht kausalem Fokus) Marketingprozesses, der positiv auf spezifisch gesetzte publizistische Qualitätszusammenhänge wirkt. Im auf vier Säulen ruhenden Konzept der meritorischen Qualität verankert die Säule „Reflektion“ (vgl. Kapitel 2, S. 109) den Ansatz in den gegebenen sozialen Wirklichkeiten. Viele der in der ASNE organisierten Zeitungsverleger betrachten es inzwischen als Aufgabe des Journalismus, die Gemeinschaft so akkurat wie möglich in den Medien widerzuspiegeln. „Diversität ist für uns ein Teil der Korrektheit. Wir können Diversität nicht als Wert sehen, der unabhängig vom Kern unserer journalistischen Werte exisitert – vielmehr ist sie selbst Teil dieses Kerns: Wenn wir also Diversität im Rahmen unserer journalistischen Arbeit nicht zum Thema machen oder als Auftrag sehen, werden wir unseren Anspruch verfehlen, die Gemeinschaften, die wir erreichen wollen, auch korrekt in unseren Medien zu repräsentieren.” (vgl. ASNE 2006, o.S.). Dieser Aspekt könnte ein Anstoß dafür sein, die akkurate und angemessene Berichterstattung über alle gesellschaftlichen Gruppen als Qualitätskriterium zu definieren und bestehende Modelle dadurch zu ergänzen. Die Systematik mit der die ASNE nach ihrer 99er Herbsttagung das Thema „NewsroomDiversity“ angeht, deutet in eine ähnliche Richtung wie ein konsequent durchgeführter Benchmarking-Ansatz (vgl. das folgende Kapitel). Die Benchmarks, Messpunkte also,

196 werden auf Basis der US-Bevölkerungsstatistik vorgegeben.34 In diesem Fall – „Diversifikationsqualität in den Zeitungsredaktionen“ lassen sich damit leicht Zielpunkte festmachen. Normalerweise ist dies in einem umfassenden Benchmarking-Prozess nicht ganz so einfach. Inzwischen ist Diversität auch in Europa ein in der Fachwelt diskutiertes Thema: So beschäftigte sich unter anderem im September 2004 ein hochkarätig besetzter Workshop in den Niederlanden mit Diversität in Europäischen Medien35. In Europa gelten Großbritannien und die Niederlande als Vorreiter für Diversity-Konzepte.

3.5.4 TCC und Diversität: Zur Situation in Deutschland Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2004, vgl. Statistisches Bundesamt 2005) leben in Deutschland rund sieben Millionen Ausländer. Dazu kommt rund eine Million eingebürgerter Migranten und zwei Gruppen ethnischer Minderheiten36 mit deutscher Staatsangehörigkeit: Die im Grenzbereich zu Tschechien ansässigen Sorben und die so genannten Spätaussiedler. Zwischen 1955 und 1973 kamen infolge des Wirtschaftsbooms und einer Reihe von Abkommen mit insbesondere den südeuropäischen Staaten rund 14 Mio. Gastarbeiter nach Deutschland, von denen jedoch 11 Mio. nach einigen Jahren wieder zurückkehrten (Geißler 1999). Aus Rezession und Arbeitslosigkeit resultierte Anfang der 70er Jahre ein Anwerbestopp für Gastarbeiter. Die ausländische Bevölkerung nahm trotzdem zu (insbesondere wegen hoher Geburtenraten und Familiennachzug). In den 1980er Jahren wurde Deutschland zunehmend Anziehungspunkt für Asylsuchende und Wirtschaftsflüchtlinge aus der Dritten Welt. Grundsätzlich gilt: Die Migranten sind in der Regel in westdeutschen Großstädte zuhause, wo sie einen hohen Prozentteil der Bevölkerung ausmachen: Frankfurt (Main, 29 Prozent), Offenbach (28 Prozent), Stuttgart (27 Prozent), München (23 Prozent) und Mannheim (20 Prozent) (vgl. Geißler 1999). Über die Hälfte dieser Menschen lebt inzwischen länger als zehn Jahre in Deutschland (vgl. ECRI 2000) und spricht deutsch. Eine Umfrage des Bundespresseamtes unter in Deutschland lebenden Türken ermittelte: 72 Prozent der Befragten besitzen die Sprachkompetenz, um Angebote des deutschen Rundfunks zu nutzen, und 55 Prozent haben für deutsche Printmedien ausreichend Lesekenntnisse (Weiß/Trebbe 2001, o.S.). Der Sozialhistoriker Geißler unterteilt die Politik Ausländern gegenüber in drei Phasen: Nach der Anwerbephase (1950-1973) und einer Konsolidierungs- und Integrationsphase (1973-1980) befindet sich die Regierung seit Beginn der 80er Jahre in einer „Abwehrphase“. Integration der Gastarbeiter und steigende 34 Dies kulminiert in der “Time-Out”-Initiative von ASNE und APME: Dabei ist “Time-Out for Accuracy and Diversity” (so der exakte title) eine jährlich angepasste Initiative, die Redaktionen dazu bringen soll, über einzelne „Diversitäts“-Aspekte nachzudenken (vgl. ASNE 2006, o.S.). 35 Der Workshop ist gut dokumentiert und lässt sich über www.multicultural.net und www.tuning2004.nl gut recherchieren (Stand: 17. Februar 2006). 36 Der Begriff „ethnische Minderheiten“ ist an sich nicht unumstritten und in verschiedenen Studien unterschiedlich definiert. Es sind Volksgruppen mit einem einheitlichen sprachlich-kulturellen Hintergrund, die in einem bestimmten Gebiet – hier in Deutschland – nicht die Bevölkerungsmehrheit stellen. Ethnische Minderheiten sind damit nicht identisch mit dem Begriff „Ausländer“. Ausländer sind Menschen mit einer anderen Staatsbürgerschaft. Es gibt jedoch auch in Deutschland Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und einem völlig anderen kulturellen Hintergrund. Neben den bereits eingebürgerten Gastarbeitern betrifft dies besonders die Sorben und die Gruppe der Spätaussiedler oder Russlanddeutschen (Kästner 2002, S. 3 f.).

197 Asylbewerberzahlen in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit stellten die Bundesregierung vor Probleme. Der „Integrationsbeauftragte“ wurde zum „Ausländerbeauftragten“ und die Politik war hauptsächlich damit beschäftigt, die Zuwanderung zu begrenzen – womit sie die Angehörigen ethnischer Minderheiten weiter isolierte: Deutschland ist seit den sechziger Jahren aus ökonomischen, demographischen und humanitären Gründen de facto zu einem Einwanderungsland geworden – allerdings zu einem ‚Einwanderungsland wider Willen’. Die Politik war zu sehr mit Begrenzung und Abwehr befasst und hat es darüber versäumt, ein durchdachtes Konzept zur Eingliederung der ethnischen Minderheiten zu entwickeln.“ (Geißler 1999). Deutlich wird dies unter anderem am Staatsbürgerschaftsrecht: In Deutschland entschied bis zum Jahr 2001 (Änderung des Zuwanderungsgesetzes) nicht der Geburtsort, sondern die Herkunft über die Staatszugehörigkeit („ius sanguinis“) (vgl. Kästner 2002). In ihrem zweiten „Bericht über Deutschland“ weist die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) im Jahr 2000 deutlich auf die Folgen dieser Gesetzgebung hin (ECRI 2000): „Diese Personen, sogar diejenigen, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland geboren sind, bleiben Zuwanderer oder Ausländer in der deutschen Statistik, der öffentlichen Meinung und dem öffentlichen Leben. Die Verwendung des Begriffs Ausländer lässt darauf schließen, dass damit häufig noch eine größere Bevölkerungsgruppe bezeichnet werden soll, einschließlich der Minderheiten, die seit vielen Generationen in Deutschland leben.“ In den Vereinigten Staaten dagegen beruft man sich auf das jus soli – wer in den Vereinigten Staaten geboren ist, ist amerikanischer Staatsbürger. Hinreichend bekannt ist die damit verbundene, lange gepflegte Philosophie vom „melting pot“, in dem alle Menschen, egal mit welchem kulturellen Hintergrund, zu Amerikanern werden. In der Realität gleicht die Bevölkerung der USA dann einer „salad bowle“, in der Unterschiede zwar bestehen bleiben, sich aber zu einem ganzen zusammenfügen (vgl. Kästner 2002). So sind die politisch korrekten Bezeichnungen beispielsweise: African Americans, Spanish Americans oder Chinese Americans. Im Verständnis des jus sanguinis bleibt ein Migrant immer auch Ausländer, deshalb bestünde in Deutschland an sich schon keine Notwendigkeit zur aktiven Integration (Ouaj 1999). Zum gleichen Schluss kommt auch der Bericht der ECRI: „In der Politik und der Einstellung gegenüber diesen Menschen ließ man sich von der ‚Gastarbeiter’-Strategie leiten, bei der sie hauptsächlich nach ihrer Nützlichkeit beurteilt wurden. Diese Menschen haben daher, obwohl ihre Lebensmitte in Deutschland liegt, oft eine widerrufliche Aufenthaltsgenehmigung, was (...) ihre Möglichkeit zur Integration und Beteiligung am gesellschaftlichen Leben in Deutschland beeinträchtigt. Weiterhin obliegt es den Nichtstaatsangehörigen, sich in die deutsche Gesellschaft einzupassen und die Maßnahmen zur Integration haben keine Priorität.“ Vor diesem Hintergrund ist auch eine verhaltene Beschäftigung mit dem Thema Diversität in Medienorganisationen nachvollziehbar: „Es gibt in der Bundesrepublik keine Verpflichtung, von (Medien-)Unternehmen, die Personalstatistiken nach Kriterien wie dem Geschlecht oder der ethnisch-kulturellen Herkunft auszuweisen. Dazu fehlen – anders als beispielsweise in den USA; Großbritannien und den Niederlanden – gesetzliche oder auf Selbstverpflichtung beruhende Maßgaben.“ (Jungk 1999, S. 208). Deshalb kann auf die zahlenmäßige Vertretung von Migranten in den deutschen Medien nur aufgrund freiwilliger Angaben oder Veröffentlichungen der Gewerkschaften geschlossen werden. Die IG Medien führte im Jahr 1997 an, dass von ihren 20.000 Mitgliedern aus dem Bereich Journalismus etwa drei Prozent ausländischer Herkunft sind (vgl. Jungk 1999, S. 209). An der in Deutschland lebenden Bevölkerung haben Ausländer, eingebürgerte Migranten und Spät-

198 aussiedler dagegen einen Anteil von mehr als zehn Prozent. Es dürfte davon auszugehen sein, dass Migranten als Journalisten das Leben von Ausländern in Deutschland anders wahrnehmen, die Lebenszusammenhänge besser kennen und möglicherweise auch angemessener darstellen könnten. Ein Nachweis für diesen Zusammenhang ist die Aussage der Angehörigen einer ethnischen Minderheit, die ein Volontariat beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk absolviert hat: „Auffällig war, dass die Kollegen zum größten Teil Schwierigkeiten im Umgang mit Ausländern haben und keine multikulturelle Kompetenz besitzen. (…) Viele Missverständnisse mit Kollegen basieren auf dem Unwissen über die Kultur und Geschichte anderer Länder.“ (zitiert nach Jungk 1999, S. 222, vgl. auch Kästner 2002, S. 3 f.). Hinzu kommt ein weiterer Aspekt – die Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien: „Medien leisten einer Vorurteilsbildung keinen Widerstand, vielmehr oft Vorschub, sind überwiegend einer weißen, deutschen Perspektive verhaftet und zeichnen ein verzerrtes Bild der Einwanderer-Communities. Sie blenden fast zehn Prozent der Bevölkerung systematisch aus und tragen nicht zur ‚Sichtbarmachung’, Voraussetzung einer Normalisierung des Verhältnisses von Minderheit und Mehrheit, bei.“ (Jungk 1999, S. 212). Zur Berichterstattung über Ausländer gibt es zwischenzeitlich einige inhaltsanalytische Studien. Zusammenfassend schreibt Ruhrmann: „Während die Presse in den Achtzigerjahren das ‚Ausländerproblem’ als ‚Türkenproblem’ definierte, war bis 1993 von einem ‚Asylantenproblem’ die Rede. In der Sprache der Boulevardmedien setzt sich ab 1994 die Bezeichnung ‚Asylbewerber’ oder ‚Asylsuchende’ durch. Magazine und Illustrierte berichten häufig über besonders ‚fremd’ wirkende Kulturen in einem exotischen Rahmen.“ (Ruhrmann 1998, S. 639; zu einer umfassenden Betrachtung von Migranten in den Medien vgl. Schatz/Holtz-Bacha/Nieland 2000, zur Integrationsleistung der Medien, Ohlendorf 2006). Die deutsche Berichterstattung sei „einseitig“ und geprägt von „kultureller Entfernung und Unwissenheit“, so Meier-Braun (2001). Dies betreffe besonders Themen aus dem Bereich des Islam. Bereits 1986 kamen Merten und Ruhrmann in einer Analyse von 18 Tageszeitungen zu dem Ergebnis, dass die Berichterstattung über Ausländer vorwiegend negativ sei und sich auf von Ausländern verübte Verbrechen konzentriere (Ruhrmann/Demren 2000). Auch stellten sie eine Aufteilung in „erwünschte“ und „unerwünschte“ Gruppen von Ausländern fest: „Erwünscht“ und positiv dargestellt würden Sportler, Künstler und andere Gäste, die sich auf Einladung und meist kurzfristig in Deutschland aufhalten – im Gegensatz zu den „unerwünschten“ Gruppen, bestehend aus Migranten, Asylbewerbern und ausländischen Arbeitnehmern, die in den Medien überrepräsentiert seien und negativ dargestellt würden. Auch die kulturelle Distanz zur deutschen Lebensweise spiele eine Rolle: „Fremd“ Anmutendes, wie beispielsweise Türken, würden gerne in einem exotischen Rahmen dargestellt und seien maßlos überrepräsentiert im Vergleich zu Immigranten aus Westeuropa oder den Nachbarländern wie z.B. Polen (Ruhrmann/Demren 2000). Zudem werde der bedrohliche Aspekt betont: Worte wie „Ausländerflut“, „Überfremdung“, „Flüchtlingslawine“ oder „Einwanderungsschwemme“ trügen kaum dazu bei, bei den Deutschen ein objektives Bild über Migranten zu bilden (Meier-Braun 2001, Meier-Braun 1999, Ruhrmann/Demren 2000). Die Ausländer würden als Problem stigmatisiert: „Türkenproblem“ (1980), „Asylantenproblem“ (Anfang der 90er), „Flüchtlingsproblem“ (Ende der 90er) (Ruhrmann/Demren 2000; vgl. auch Montag 2002, S. 11). Ruhrmann und Demren (2000) legen den Journalisten nahe, Mehrfachstigmatisierungen der Ausländer zu vermeiden, etwa die Staatsangehörigkeit nur zu nennen, wenn sie inhaltlich von Bedeutung für das dargestellte Thema ist. Außerdem könnten auch „Erfolgsgeschichten“ häufiger Thema für die

199 Medienmacher sein. Dazu zählen auf der einen Seite positive Beispiele für das Zusammenleben von Aus- und Inländern, aber auch Erfolgsgeschichten aus der Wirtschaft: „Zur Wirtschaftsberichterstattung gehört aber auch die Thematisierung von Schwierigkeiten ausländischer Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt.“ (Ruhrmann/Demren 2000, S. 73). „Nicht die Tatsache kultureller Vielfalt der Gesellschaft ist bestreitbar, wohl aber ist für viele schwer, diese zu akzeptieren. Wie ist die Gemeinlage der Selbst- und Fremdbilder, aus denen der Rundfunk besteht, der Bilder über die verschiedenen Gruppen sesshafter und eingewanderter Menschen, aus denen die multikulturelle Gesellschaft der Bundesrepublik besteht, einzuschätzen? Welches Bild zeichnen die Medien von dieser Gesellschaft als Ganzes?“ (Neumann 2001). Glaubt man der deutschen Presse, gibt es zum Thema Ausländer tatsächlich nur wenig zu sagen: Nach einer Studie des „Medien Tenor“ (1998) sind lediglich fünf Prozent der Berichterstattung mit den in Deutschland lebenden Ausländern befasst. Ausnahmen von diesem bei 20 deutschen Tageszeitungen ermittelten Ergebnis bilden nur die Frankfurter Rundschau und die taz, die dieser Bevölkerungsgruppe 10-12 Prozent ihrer Beiträge widmen (vgl. Kästner 2002, S 6). Noch weniger sind sie in den tagesaktuellen Nachrichtensendungen vertreten: Beim ‚heute journal’ räumte man den in Deutschland lebenden Migranten sechs Prozent ein, bei ‚heute’ sogar nur drei Prozent (Ruhrmann/Nieland 2001). Ähnlich sind die Ergebnisse, was die Art der deutschen Berichterstattung über Ausländer angeht: Das Thema Kriminalität (von Ausländern) dominiert gegenüber Themen aus Kultur und Bildung, die weitgehend ignoriert werden. Dabei wird über Straftaten bei Ausländern anders berichtet als bei Deutschen, wie ein Projekt des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) ergab: Ausländische Straftäter werden als bedrohlicher und organisierter dargestellt als Deutsche, es wird ausdrücklich auf ihre Herkunft hingewiesen, sie werden oft bezichtigt, das deutsche Sozialsystem zu missbrauchen (Jäger/Jäger 2000). „Deutsche Medien berichten häufig aus einer Perspektive, die für Einwanderer wenig interessant ist. Unsere Hörer interessiert nicht in erster Linie, wie gut oder schlecht Ausländer sich vermeintlich integrieren, sondern welche Auswirkungen diese oder jene Gesetzesänderung für sie hat“, fasst Haroun Sweis, Leiter der arabischen Redaktion von „Radio Multikulti“, zusammen (nach Goddar 2001a). Doch das Problem geht weiter als ungenaue und stereotypisierende Berichterstattung: „Alles in allem werde eine Medienwirklichkeit erzeugt, die zwar mit der realen Wirklichkeit nicht übereinstimmt, die aber gerade deswegen die Realität im Sinne der Medienwirklichkeit verändert. Ausländer seien dann eben krimineller, fauler und schlechter als Einheimische – zumindest in den Köpfen der einheimischen Bevölkerung.“ (Meier-Braun 2001). Andererseits mache diese Berichterstattung die deutschen Medien für Migranten uninteressant und verhindere in der Konsequenz deren Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Deutschland (Geißler 2000, S. 131 ff.). Der Sozialwissenschaftler Geißler sieht gerade in der Darstellung von Ausländern in den Medien ein Hindernis für die Integration der Minderheiten. „Eine angemessene Präsentation der ethnischen Minderheiten dürfte einen weiteren wichtigen Integrationseffekt erzeugen. Sie dürfte die Rezeption der deutschen Medien durch ethnische Minderheiten fördern, deren Kenntnisse über die Mehrheitsgesellschaft verbessern und der Ausbildung segregierter ethnischer Öffentlichkeiten (…) entgegenwirken.“ (Geißler 2000, S. 131f.). Vermutlich resultiert aus diesen Punkten zweierlei: Auf der einen Seite wird die Wahrnehmung von ausländischen Mitbürgern negativ beeinflusst, auf der anderen Seite werden so auch die meisten Migranten davon abgehalten, deutsche Medienberichterstattung zu verfolgen. Eine ansatzweise Orientierung an der US-amerika-

200 nischen Denkweise könnte hier erste Abhilfe schaffen (vgl. Montag 2002, S. 12). Grundidee des Total Community Coverage ist ja gerade, auch Randgruppen der Gesellschaft und insbesondere ethnisch-kulturelle Minderheiten verstärkt in den Medien zu Wort kommen zu lassen.

3.5.5 Medienangebote und ethnische Minderheiten in Deutschland All dies heißt natürlich nicht, dass Ausländer in Deutschland nicht beachtet würden. Seit Jahrzehnten gibt es Medienangebote für Migranten und Zuwanderungs- und Leitkulturdebatte haben zwischenzeitlich die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf das Thema Integration gelenkt – und damit auch auf die Medien, und die Rolle, die sie in diesem Prozess spielen (vgl. Lang 2001, vgl. Ohlendorf 2006, die anhand des Beispiels Funkhaus Europa – einem Angebot des WDR – die Integrationsleistung deutscher Medien durchleuchtet und dabei auch die Schwächen statistischer Erhebungen in Deutschland klar gekennzeichnet). Fakt ist: In Deutschland lebenden Migranten haben größtenteils Zugang zu Medien aus ihren Heimatländern; in Deutschland wird eine Vielzahl ausländischer Presseerzeugnisse verkauft, und via Satellit sind kommen Rundfunkprogramme aus dem gesamten europäischen Ausland. Bereits in den 1970er Jahren wurden türkische und jugoslawische Zeitungen für die in Deutschland lebenden Gastarbeiter importiert. Zu Anfang des Jahrtausends gab es in Deutschland mehr als 2.500 fremdsprachige Publikationen und etwa 20 Rundfunkprogramme, die in anderen Sprachen senden. Vor allem im Bereich der Printmedien ist dies nach wie vor die bevorzugte Methode, in Deutschland lebende Ausländer mit Nachrichten zu versorgen. Aus der Türkei beispielsweise kommen allein acht Tageszeitungen: Von der religiös-fundamentalistischen Milli Gazete bis hin zur linksliberalen Milliyet und der kurdisch-nationalistischen Özgür Politika, vom Boulevardblatt Hürriyet bis zum taz-Äquivalent Evrensel sind alle Zeitungsarten vertreten (Sen 2001a). (Einige dieser Zeitungen, wie die Hürriyet, haben auch eine deutsche Redaktion, die täglich einige Seiten für die Deutschlandausgabe produzieren. Da sie jedoch in der Heimatsprache publiziert werden und die Hauptredaktion, die letztendlich für die Zeitung verantwortlich ist, im jeweiligen Heimatland - hier also in der Türkei - sitzt, werden diese Medienangebote ebenfalls zu den ausländischen Medien gezählt.) Daneben geht die serbische Vesti in Deutschland täglich 40.000 Mal über den Ladentisch, rund 20.000 Kroaten greifen hierzulande jeden Tag zu Vecernji List. Nach eigenen Angaben vertreiben die meisten dieser Zeitungen mehr als die Hälfte ihrer Auflage in Deutschland (vgl. Montag 2002, S. 12). Von den 160.000 Exemplaren der Hürriyet, die pro Tag verkauft werden, werden rund 107.000 in Deutschland gelesen (Sen 2001a).37 Unter den elektronischen Medien ist das Fernsehen das beliebteste Medium. Der staatliche türkische Sender TRT-Int hat einen deutschlandbezogenen Programmteil, produzierte teilweise auch in Deutschland, dennoch dominieren im Programm Themen der Türkei. Zu diesem staatlichen Sender kamen seit 1990 die Privatsender Interstar (urspr. Star1), Show TV, HBB, Tele On, Kanal 6, TGRT, ATV, Kanal D und Kanal 7, inzwischen auch Pay TV, Musik und Nachrichtensender. Das Thema Migration und dessen Ursachen wird von diesen Medien kaum behandelt, ebenso wenig wie die Lebensbedingungen der ausgewanderten Landsleute in 37

Jeanette Goddar nennt unter dem Titel „Kontakt der Kulturen“ für die Zeitschrift „Journalist“ (Heft 8, 2001) andere Zahlen: 65.000 verkaufte Exemplare der Hürriyet und 35.000 der Türkiye.

201 europäischen Staaten (Ruhrmann/Nieland 2001). Das Bundespresseamt, das seit einigen Jahren in Deutschland erscheinende türkische Tageszeitungen auswertet, weist darauf hin, dass „viele Journalisten nur unzureichend über die Verhältnisse in Deutschland und in der EU informiert sind“, so Renko Thiemann, im Bundespresseamt zuständig für die Türkei (vgl. Goddar 2001b, S. 15). Die Berichterstattung türkischer Tageszeitungen wird von Medienwissenschaftlern als „arrogant und selbstgerecht“ und „bewusst verletzend“ bezeichnet (Meier-Braun 2001). Die meistgelesene türkische Tageszeitung Hürriyet wurde mehrmals vom deutschen Presserat für ungenaue und verhetzende Berichterstattung gerügt, darunter für regelrechte Kampagnen gegen den Journalisten Klaus Bednarz und den ehemaligen Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir (Meier-Braun 2001; Goddar 2001b, S. 16). Die fünf beschriebenen „Fault Lines“ bieten brauchbare Anhaltspunkte bei der Zielsetzung von Medienunternehmen, Total Community Coverage systematisch zu integrieren. Der Leitfaden verdeutlicht aber auch, dass es sich bei TCC um ein Konzept handelt, das nicht auf eine Mediengattung beschränkt ist, sondern ein originär journalistisches ist. TCC kann ein ernstzunehmender Ansatz für unterschiedliche Medien sein, Interessenbedürfnisse von Minderheiten wahrzunehmen und diese angemessen in die Themenwahl und Berichterstattung einzubinden. Seit den bereits genannten Programmfenstern der öffentlichrechtlichen Anstalten für Gastarbeiter in den 60er – 80er Jahren gab und gibt es immer wieder auch Integrationsversuche deutscher Medien. Derzeit wohl am bekanntesten ist das Berliner „Radio Multikulti“ vom Sender SFB4. Tagsüber wird auf Deutsch gesendet, ab 17 Uhr in 19 verschiedenen Sprachen. Zielgruppe dieses hauptsächlich von Migranten gestalteten Programms sind nach eigener Aussage „die 440.000 in Berlin lebenden Migranten aus 184 Nationen und alle weltoffenen Berliner“. Damit erreicht „Radio Multikulti“ auch Migrantengruppen, die zu wenig Deutsch sprechen, um deutsche Medien zu nutzen, aber aufgrund der großen geographischen Entfernung keine Programme aus der Heimat empfangen können. Der Radiosender mit Hauptsendegebiet Berlin orientiert sich bereits an den fünf „Fault Lines“. So gesehen ist Radio MultiKulti gelebtes TCC in einem öffentlichrechtlichen Umfeld. Neben Multikulti gibt es ähnliche Projekte, wie „Funkhaus Europa“ vom WDR (vgl. die Fallstudie von Ohlendorf 2006) oder das „Radioforum Ausländer bei uns“ des Südwestrundfunks (SWR). Im Printbereich gibt es – sprachlich gesehen – weniger Auswahl. Ein ukrainischer Journalist gründete vor sechs Jahren die Tageszeitung „Russkij Berlin“, inzwischen Marktführer auf dem russisch-deutschen Zeitungsmarkt, neben der Berliner gibt es eine bundesweite sowie eine Rheinland-Ausgabe, die Gesamtauflage aller drei Blätter beträgt 85.000 Stück pro Tag (Goddar 2001a, S. 10 f.). Die Redaktion beschäftigt 30 Journalisten und mehrere Korrespondenten und kooperiert eng mit der russischen Presse. „Unsere Heimat ist die russische Sprache“, so das Motto der Zeitung. Die Leserschaft der „Russkaja Germanija“ besteht zu zwei Dritteln aus „so genannten Russlanddeutschen“ und zu einem Drittel aus russischen Juden. Ein ähnliches Profil haben die in Berlin vertriebenen Monatszeitungen „Kurier Berlinskij“ und „Kurier Polonika“, beide in polnischer Sprache und mit einer Auflage von zusammen rund 10.000 Exemplaren. Zahlen über die Beschäftigung Minderheitenangehöriger sind in Deutschland so gut wie nicht zu bekommen. Der deutsche Journalistenverband, die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Bund deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und die statistischen Bundesämter verzeichnen keinerlei Angaben oder Anhaltspunkte. Die Umsetzung von Diversity-Ansätzen (die bei der Betrachtung von TCC mit einbezogen werden müssen) steht in Deutschland also vor ganz praktischen Problemen: Noch fehlen die Erhebungen

202 (die es in den Vereinigten Staaten für alle Staaten gibt), wie viele Minderheiten-Angehörige in deutschen Redaktionen beschäftigt sind. Auch eine in diese Richtung orientierte Inhaltsanalyse ist bisher noch nicht geleistet. Eine faktische (und in einem ersten Schritt numerische) Analyse zitierter Quellen und ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppe ist derzeit in der Praxis in der Breite kaum denk- und umsetzbar. „Mehr Farbe in den Medien“ gilt vor diesem Hintergrund zwischenzeitlich als Schlagwort – auch in Deutschland. Beim europäischen „On Line / More Colour in the Media Network“ handelt sich dabei um ein Netzwerk von Projekten, Initiativen und Medienorganisationen verschiedener europäischer Länder, die seit 1995 daran arbeiten, den Anteil von Angehörigen ethnischer Minderheiten in den audiovisuellen Medien zu vergrößern. Dabei konzentrieren sie ihre Anstrengungen auf die Bereiche Aus- und Weiterbildung, Berufsberatung, Medienerziehung und den Austausch multikultureller TV-Programme. Ähnlich wie zahlreiche Programme in den USA, hat die Aktion zum Ziel, jungen Leuten aus ethnisch-kulturellen Minderheiten bessere Chancen auf einen Beruf in der Medienbranche zu eröffnen. Gleichzeitig sollen die Rundfunkanstalten erkennen, welche professionellen und kulturellen Potenziale ihnen durch die „Nicht-Einstellung“ von Migranten entgehen (vgl. Jungk 1999, S. 226). Damit wäre auch der Diversitäts-Ansatz, in den USA inzwischen beinahe untrennbar mit TCC-Projekten verbunden, in Deutschland angekommen. Der türkisch-deutsche Journalist Mesut Yeter warnt in diesem Zusammenhang: „Wenn es den deutschen Medien nicht gelingt, Journalisten anderer Herkunft in ihre Redaktion zu integrieren, dann wird ihnen nicht nur die zweite, sondern auch noch die dritte und vierte Generation der Zuwanderer abhanden kommen.“ (zitiert nach Goddar 2001a, S. 16). Aus Deutschland ist das Adolf-GrimmeInstitut als einziges an diesem Netzwerk beteiligt und hat zwischen 1996 und 1998 ein Pilotprojekt durchgeführt, das ähnlich wie im US-amerikanischen Diversitäts-Programm den Anteil von Angehörigen ethnischer Minderheiten in Fernsehredaktionen vergrößern sollte. Nach dem Modell des niederländischen „Meer Kleur in de Media“ entwickelte das Grimme-Institut das Projekt „Mehr Farbe in den Medien“, das von EU und dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung gefördert wurde. 20 Journalistinnen nichtdeutscher Herkunft nahmen an einem siebenmonatigen Theoriekurs des AGI zum Thema TVJournalismus teil und erhielten anschließend ein Volontariat in einem TV-Sender. Ziel des Projektes war, ihnen Zugang zu den Mainstream-Medien zu verschaffen. Parallel dazu veranstaltete das Grimme-Institut öffentliche Foren, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Die abschließende Bewertung durch das European Institute for the Media ist eher verhalten: „In Deutschland hat die Arbeit des Adolf-Grimme-Instituts (...) zu einer besseren Wahrnehmung bei Experten und Entscheidungsträgern gesorgt.“ (Ouaj 1998). Nach Angaben der Projektleiterin Amina Krüger arbeitet ein Teil dieser Journalistinnen heute als feste Redakteurin (vgl. Kästner 2002, S. 11). Eine Neuauflage des Projektes aber ist nicht geplant.

3.5.6 Eine Bewertung: Total Community Coverage, Marketing und Journalismus Total Community Coverage ist ein zielgerichteter Ansatz, um ein strategisches, redaktionell orientiertes Marketingkonzept im Medienbetrieb umzusetzen. Der Erfolg ist davon abhängig, wie es gelingt, Redaktionen darauf zu verpflichten Migranten in ihren Medien als Bestandteil der Bevölkerung zu sehen, darzustellen und zu Wort kommen zu lassen. Dies setzt

203 einen Prozess des Umdenkens voraus, der möglicherweise von einem politischgesellschaftlichen Bewusstseinswandel unterstützt wird, Deutschland als Einwanderungsland zu sehen. Vermutlich ist es gerade die selbst gegebene Identität Nordamerikas, die Diversitäts-Konzepten und strategisch aufgesetzten Modellen wie TCC eine Chance geben, Medienqualität zu setzen und an dieser zu arbeiten. Wichtig ist dabei die Erkenntnis einer immanenten ordnungsethischen Komponente all dieser Konzepte. Der Erfolg – wie auch immer er im Einzelnen gemessen werden kann – ist an eine (normative) Verpflichtung oder Selbstverpflichtung gebunden. Einige entscheidende Fragen sind allerdings bislang auch für die Vereinigten Staaten kaum beantwortet. So gibt es keinerlei empirische Belege dafür, dass der verstärkte Einsatz von Minderheiten in den Redaktionen die Berichterstattung tatsächlich verbessert, im Sinne eines meritorischen Qualitätsbegriffs zu einer Steigerung der wahrgenommenen Medienqualität führt. Auch ein – aus ökonomischer Sicht durchaus spannender – Beleg dafür fehlt, ob und in welchem Maß eine differenzierte Berichterstattung über Minderheiten in diesen Gruppen zu einer vermehrten Nutzung der Medien führt und damit wiederum die Integration gefördert wird. Für eine erfolgreiche Übertragung der Idee des Total Community Coverage sind also zwei Voraussetzungen von Bedeutung: Erstens die Einsicht der Redaktionen, ihre Berichterstattung über und für ethnische Minderheiten zu verbessern (generell: Eigen- oder Fremdverpflichtung). Zweitens muss die Medienforschung Aussagen liefern, ob der TCC die Integration von Minderheiten tatsächlich unterstützt und ob darüber hinaus ökonomische Variablen (weitere Verbreitung in Minderheitengruppen) berührt werden. Eine positive Korrelation würde eine auch breiter angelegte Verbreitung unterstützen. Egal welcher dieser beiden thesenartig festgehaltenen Faktoren validiert wird – in solch einer Denkweise wird dann die Aufnahme von TCC-Methodik tatsächlich ein Element im publizistischen Marketing: für die Verifizierung der ersten These ein nonprofit-bezogenes, für die Verifizierung der zweiten eines, das durchaus auch mit gewinnmaximierenden Anforderungen der Medienökonomie harmoniert. Ziel dieses Abschnitts war, TCC als Methodik eines publizistischen Marketingansatzes zu positionieren. Dies ist fraglos gelungen. TCC zeigt in geradezu idealtypischer Weise, dass sich Nonprofit-, respektive Social Marketing und eine monetär-gewinnmaximierende Einstellung nicht unbedingt widersprechen müssen. Marketing beweist sich – und das war zu beweisen – als zukunftsgerichtete Denkhaltung, die in öffentlich-rechtlichen, wie in privatwirtschaftlichen Medienzusammenhängen eine mannigfaltige Ausprägung erfahren kann. TCC ist ein dieser Denkhaltung entsprechendes und praxiserprobtes Instrument, das die Dimensionen im publizistischen Marketing-Prozess aufzeigt: ƒ

ƒ ƒ

Die Bedeutung einer konsequenten Analyse von Angebot und Bedarf durch Marktforschung auf Angebots- (welche Themen werden abgedeckt) und Nachfrageseite (welche Inhalte entsprechen den tatsächlich beobachtbaren Realitäten im Gesellschaftszusammenhang). Marketing ist flexibel und gestaltbar, und das heißt im Zusammenhang mit dem Thema Medienmarketing insbesondere in seinem kommerziellen Wirkmechanismus begrenzbar, damit auf eine konkrete (auch nichtmonetäre) Zielsetzung fokussierbar. Die mögliche strategische Ausrichtung auf Markterweiterung durch Zielgruppenintegration (neue Kundengruppen) und damit eine in ihrer Beispielhaftigkeit darstellbare direkte Verbindung nonmonetärer und monetärer Wirkungen ökonomischen Aktivität –

204

ƒ ƒ ƒ ƒ

will heißen: Social Marketing kann auch das unternehmerische Ziel der Gewinnmaximierung unterstützen. Die generelle Einbindung von Nonprofit-Variablen (Erfassen der tatsächlichen Realitäten im gesellschaftlichen Miteinander) in ein ökonomisches Konzept im Sinne gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt. Die Einbettung der Marketingstrategie in einen Auftrag (Integration von Minderheiten als gesellschaftliches, als „soziales“ Ziel). Die mögliche „Zähmung“ eines „kommerzialisierenden“ Marketing durch gestaltende Eingriffe und Selbstverpflichtungen unter funktionierenden (möglicherweise ordnungsethischen) Rahmensetzungen. Die Beschäftigung mit einem klar strukturierten, aktivitätsorientierten Konzept verdeutlicht die Tauglichkeit marketingbezogener Ansätze für die Verwirklichung ganz konkreter Zielsetzungen zur Steigerung der Wohlfahrt.

So gesehen wird der zur Vereinzelung neigenden betriebswirtschaftlichen Theoriebildung ein neuer Zugang geöffnet, der verdeutlicht, dass Medienökonomie nicht bei errechenbaren Geldwertgrößen halt machen kann. Unter Vorgabe eines Qualitätsbegriffes, der vermutete meritorische Bedürfnisse und deren Befriedigung integriert, trägt TCC als in die Praxis formulierter Marketingansatz eindeutig zu einer Qualitätssteigerung des Mediums bei. Damit gilt: Marketing wächst unter Berücksichtigung der Forschungsleistungen der vergangenen zwei Jahrzehnte – mit der Erweiterung auf die Gebiete Nonprofit und Social Marketing – über den rein kommerziellen Anspruch hinaus und wird zum wertvollen Qualitätsinstrument für redaktionelle Arbeitsleistungen. Dies zu zeigen, war Ziel dieses Kapitels. Gleichermaßen übergreifend unterstreichen die Ergebnisse die Gültigkeit der grundlegenden These, die dieser Arbeit zugrunde liegt: Betriebswirtschaftliches Instrumentarium lässt sich von seinem gewinnmaximierenden Urgrund abstrahieren und mit einem darüber hinausgehenden ökonomischen Anspruch verbinden. Der bislang stark an der konzeptuellen Volkswirtschaftslehre orientierten (auch politischen) Medienökonomie wird somit ein neues Betätigungsfeld eröffnet, das einer neuen Dimension gleichkommt. Indem Medienökonomie endgültig auf einer Ebene gesellschaftlicher Bedeutung verankert wird (mit – möglicherweise unbeabsichtigten – durchaus erklärten Rückwirkungsmöglichkeiten auf die direkten monetär-ökonomischen Variablen), emanzipiert sie sich als Bindeglied und Brücke in einem sozialwissenschaftlichen Kontext (vgl. auch Groth 1961). Und nicht zuletzt: Es ist der Journalismus, der hier endgültig zum leitenden Prinzip erhoben wird und sich damit ebenfalls emanzipatorisch Raum schafft – wo bislang die Verortung in der dualen Ökonomie eine differenzierte Auseinandersetzung eher verhinderte.

Die Menschheit hat ihre Gradationen, so wie der Mensch. Wir schreiben für den Menschen, mit dem wir leben, und nicht für das alte Griechenland. Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher F 590 gek., 1776-79)

4 Mit Benchmarking auf dem Weg zu erweiterter Medienpluralität

4.1 Grundlegende Anmerkungen zum Einsatz von Benchmarking Mit dem Begriffsumfeld Marketing wurde im Kapitel 3 ein sehr weit gefasstes Betätigungsfeld geöffnet und konkretisiert. Nachweislich wurde dort erkannt: Unter Vorgabe fallbezogener Qualitätsvariablen und einer strukturierenden Begriffsdiskussion, wird Marketing – bezogen auf die Publizistik im gesellschaftlichen Zusammenhang – zu einem Qualitätsinstrument, das in der publizistischen Produktion – also zum Beispiel in Redaktionen – auf eben nahezu die gleiche Weise Wirkung entfalten kann, wie im klassischen Management zur Steuerung von Unternehmen oder, allgemeiner, Organisationen. Allerdings muss dazu ein klarer Rahmen gesteckt werden. In der betriebswirtschaftlichen Theorie wird in der jüngeren Vergangenheit eine andere Arbeitstechnik stets in Verbindung mit den Bemühungen zur Steigerung von Qualität genannt: Benchmarking. Als eines der wichtigsten Kriterien bei der Vergabe des Malcolm Baldridge Award (des US-amerikanischen „Qualitätsoskars“) hat Benchmarking weitreichende Beachtung gefunden. Heute sind es vor allen Dingen die Benchmarking-Börsen – auf elektronischen Plattformen über das Internet zur Verfügung gestellt – die die praktische Bedeutung dieser Arbeitstechnik zur „Lernbeschleunigung“ und damit zum Einschwenken auf einen neuen „Qualitätspfad“ ausmachen. Die Bedeutung von Benchmarking als Qualitätsinstrument für die publizistische Arbeit dürfte insbesondere auch bei einer vermuteten Gültigkeit der Entgrenzungshypothese nach Weischenberg von Bedeutung sein: „Journalismus verliert als fest umrissener, identifizierbarer Sinn- und Handlungszusammenhang deutlich an Konturen; er ist deshalb als Einheit kaum noch beschreib- und beobachtbar.“ (Weischenberg 2001, S. 77). Und um mit dem Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger zu sprechen: „Nicht nur der Wissenschaft entgleitet der Journalismus. Auch in der Medienpraxis lassen sich Indizien für einen Identitätsverlust des Journalismus finden. Ein augenfälliges Beispiel dafür ist die Karriere des Wortes „Content“, das in Berufsbezeichnungen wie „Content Manager“ und „Content Producer“ auftaucht. Das Wort „Content“ erweckt den Eindruck, als ob es auf genauere Unterscheidungen im Internet nicht mehr ankäme, als ob wir es mit einer unterschiedslosen Masse von Inhalten zu tun hätten. Fragt man „Wo lösen sich Grenzen des Journalismus auf?“, hängt die Antwort entscheidend von der Grenzziehung, also der Definition des Journalismus ab.“ (Neuberger 2004a; S. 2). Das bedeutet: Vor einer möglichen

206 Qualitätsoptimierung muss das Feld des Vergleichsspektrums erweitert werden. Dies ist über die Arbeitstechnik Benchmarking – und auch das macht sie so interessant – variabel und problemlos möglich. Wenn davon auszugehen ist, dass Wettbewerbsdruck und Kommerzialisierungstendenzen in der Medienlandschaft wachsen (vgl. Seufert/Friedrichsen 2004; vgl. Kapitel 1 zur Ableitung), kann Benchmarking wertvolles Hilfsmittel für eine beschleunigte Veränderung darstellen und Anpassungsfähigkeit optimieren. Benchmarking war in der Vergangenheit (vgl. Leibfried/McNair 1993; Balm 1992; Camp 1989, 1992; Spendolini 1992; Schmidt 1992) immer dann erfolgreich, wenn ein Unternehmen einem besonders starken Leidensdruck ausgesetzt war, dann, wenn es um den Erhalt der Existenz ging. Im möglichen Umkehrschluss bedeutet das: Nur wer einem spürbaren Leidensdruck unterliegt, kann auch erfolgreich „benchmarken“.38 Im Beispiel der Xerox-Corporation, die sich in den 80er Jahren mit einer vehement verschärften Konkurrenzsituation auseinandersetzen musste (vgl. Camp 1989), ging es tatsächlich um eine bedrohte Existenz. Die Verkaufszahlen waren eingebrochen, die Servicezeiten uferten aus, und die japanische Konkurrenz zog am Traditionshersteller mit Kenndaten vorbei. Ähnliche Zusammenhänge ließen sich zum Beispiel für die großen (Zeitungs-)Verlagshäuser in den Jahren 2001, 2002 und 2003 beschreiben. An dieser Stelle soll nicht einmal mehr das Krisenszenario ausgebreitet werden – doch in der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass ein direkter Zusammenhang zwischen (betriebswirtschaftlichem) Leidensdruck und Benchmarking-Erfolg beobachtbar war. Veränderte Rahmenbedingungen, beschleunigte Innovationsspiralen, fragmentierte Märkte, wachsende internationale Konkurrenz, die Öffnung von Handelsschranken – dies alles sind Hinweise darauf, dass es für viele Unternehmen zunehmend schwieriger wird, unter hohem Kostendruck auf den Weltmärkten zu überleben. Innovations- und Veränderungsmanagement mündet zunehmend in einen Wettlauf mit der Zeit. Im Ergebnis sichern sich nur die Reaktionsschnellsten einen Platz in der internationalen Konkurrenz. Veränderung und Anpassung verlangen den Mut zu schnellen Entscheidungen. Die Zukunft scheint auch und vielleicht gerade in der Medienbranche, die eben auch vor technologischen Herausforderungen steht, der Chamäleon-Organisation zu gehören, die sich ständig der sich verändernden Umweltbedingungen angleicht. Die Folge: Eine der Hauptaufgaben im modernen Management wird darin gesehen, eine Kultur der Lernbereitschaft zu schaffen: Lernen, Verbesserung, Wandel benötigt Techniken, Arbeitshilfen, methodische Unterstützung. Benchmarking – das Lernen von den Besten – stellt ein solches Werkzeug dar, das dabei hilft, schnell und rationell gute Lösungen zu entdecken und zu integrieren (vgl. Rau 2000b, S. 10). Benchmarking kann im Organisationszusammenhang langfristig implementiert werden, es lässt sich als Element der strategischen Führung einer Organisation nutzen, und man muss es nicht allein bei der Anwendung auf Einzelprojekte belassen: „Nur die selbständigkreative Anpassung mit Hilfe einer Benchmarking-Kultur und einer Atmosphäre fast spielerisch verstandener Vergleichsmessung garantiert den Nutzen.“ (Rau 1996a, vgl. auch 1996c). Benchmarking ist ein Instrument beschleunigter Anpassung mit der Orientierung an anerkannt besten Lösungen und Prozessen. Diese allgemeine Fassung erlaubt schon hier eine konsequent umsetzbare Übertragung auf die Publizistik. Hier ist – und insbesondere das näher vorzustellende Leipziger Benchmarking-Projekt wird dies zeigen – sogar in besonders anschaulicher Weise zu beweisen, wie eine aus beobachtbaren Variablen in Ideal38

Bleibt für eine Ökonomie der Publizistik anzumerken: Dieser Leidensdruck muss nicht finanzieller Natur sein.

207 form konstruierte Vergleichsgröße zu einem Ausgangspunkt beschleunigten Qualitätswachstums werden kann. Wichtig – und das führt die Diskussion in diesem Kapitel noch vor – ist erstens die Wahl und Kennzeichnung der beteiligten Objekte, zweitens die strukturierte Vorgehensweise (in einem System, das hier als Elementenmodell im Gegensatz zu Kreislaufmodellen etabliert wird) und drittens eine Umsetzung, die es erlaubt, für das Objekt relevante Messgrößen zu finden, die sich mit begrenzbarem Aufwand auch erheben lassen. Gerade die publizistischen Akteure der Medien sind denen anderer Branchen klar im Vorteil, da die Untersuchungs- und Vergleichsobjekte im Regelfall so zur Verfügung stehen, dass sich Messgrößen leicht generieren, formulieren, erheben und überwachen lassen.

4.2 Benchmarking als definitorisches Problem „Große Künstler stehlen“, sagt Quentin Tarantino. Der damals jugendliche Regisseur aus dem Amerika der 90er Jahre hat 1994 die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes gewonnen. Seine Filme wie Pulp Fiction (1994) oder Kill Bill (2004) bestehen aus Versatzstücken, sind Puzzles geschnittener Reminiszenzen. Als Filme besitzen sie wenig Eigenes, sind inhaltlich zusammengeklaut, und dennoch entstehen eigenständige, nicht nachzuahmende Filmkunstwerke. Den Kinobesucher erwartet ein buntes Farbfeuerwerk, das in seinem fragmentarischen Charakter Kunst wird. Die zugrundeliegende Groschenromanhandlung und ihre platten Sprüche wandeln sich im Drehbuch. Neu zusammengesetzt, verschmelzen die Bildreihen zu einem eigenständigen Sinnbild bedauernswerter Gesellschaftszustände. Die Filmkunst baut eine Brücke: Auch Manager müssen kein Rad neu erfinden, müssen keine neuen Werkzeuge, keine neuen Führungsstile, keine neuen Formen der Prozessorganisation entwickeln, testen und anwenden. Schließlich können sie sich – wie Quentin Tarantino – auf dem Markt bedienen, der Konkurrenz über die Schulter schauen, die besten Prinzipien kopieren und auf die eigene Unternehmenspraxis anwenden. Die genannten Streifen zeigen, dass es mit dem „Diebstahl“ der Ideen längst nicht getan ist. Die unmotivierte Zusammenstellung einzelner Szenen zaubert noch lange kein Kunstwerk auf die Leinwand. Ebenso wenig kann Benchmarking zum Erfolg führen, wenn es nicht strategisch begründet ist und sich nicht ganz bewusst mit den eigenen Schwächen auseinandersetzt, nicht gezielt Strukturen in Frage stellt. Hierin liegt das eigentliche Geheimnis des erfolgreichen Benchmarking: Kopieren mit System und unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter.

4.2.1 Benchmarking – der Begriff und seine Dimensionen Benchmarking ist in den 1990ern beinahe zum Modewort geworden – bis heute wird man eine ganze Reihe von Definitionen finden, die den Begriff dehnbar machen. Vom kreativen Ideendiebstahl ist die Rede, von der Orientierung am Klassenbesten, von Prozess- und Wettbewerbsvergleichen, vom Messen an und mit den Besten einer Branche, vom Lernen aus den Fehlern anderer, von der Gegenüberstellung relevanter Kennzahlen, vom organisierten Strukturwandel (vgl. Rau 2000b, S. 15 ). In all diesen Stichworten steckt ein Körnchen Wahrheit, wenngleich Benchmarking in seiner vollen Dimension mit keiner dieser

208 Beschreibungen auch nur ansatzweise erfasst ist. In Webster's New Collegiate Dictionary wird man gleich doppelt fündig (Webster’s 1973). Auf Seite 102 werden zwei Versionen zumindest des Basisbegriffes angeboten, auch wenn niemand hier etwas von der Tätigkeit wissen will, die in „Benchmarking“ steckt. Als „bench mark“, wird die folgende Definition angeboten: „a mark on a permanent object indication elevation and serving as a reference in topographical surveys and tidal observations“. Als „benchmark“ – nun in zusammengeschriebener Weise – verstehen die Lexikonmacher entweder „a point of reference from which measurements may be made“ oder „something that serves as a standard by which others may be measured“. Unter Geografen hat das Verfahren Tradition: Bestimmte – zumeist landschaftlich klar erkennbare Objekte – dienen als Referenzpunkte für Höhenmessungen, bilden die Basis für Höhenlinien. Überträgt man das Prinzip, so wäre Benchmarking auch in den Unternehmen nichts anderes als das aktive Setzen von Zielwerten, die als Referenzpunkte für Messungen dienen. Doch ist nun Benchmarking die Suche nach guten betriebswirtschaftlichen Methoden, nach der Gestaltung von Prozessen, oder ist es ganz einfach schnödes Kopieren erfolgreicher Systeme, Prozesse oder Produkte? Verbirgt sich dahinter nur die Suche nach konkreten Erfolgszielen, oder ist es lediglich ein Euphemismus für Betriebsspionage? Im Folgenden wird versucht, eine neue, umfassende und möglichst klare Begriffsbestimmung zu dokumentieren, die das Umfeld der Gestaltungsmöglichkeiten absteckt. Beginnen kann man mit David T. Kearns und den frühen Jahren des Benchmarking.39 Er meinte: „Benchmarking ist der kontinuierliche Prozess, Produkte, Services und Praktiken mit denen des härtesten Konkurrenten oder den Unternehmen zu vergleichen, die als Branchenführer anerkannt sind.“ (vgl. Camp 1989, S. 19). Diese Definition enthält zwar wesentliche Elemente und ist von Weitsicht – trotzdem greift sie zu kurz. Internes Benchmarking und funktionales erfasst sie beispielsweise nur am Rande. Besonders bemerkenswert – betrachtet man den Zeitpunkt Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre – ist die Betrachtungsweise von Benchmarking als kontinuierlichem Prozess. Später wird auch von der Benchmarking-Spirale die Rede sein. Ein weiterer Punkt ist hervorzuheben: Kein Benchmarking ohne Messungen! Der eindeutige Nachweis von Unterschieden, das Schaffen einer klaren Vergleichsgrundlage wird Benchmarking-Projekte zum Erfolg führen. Schlechte Messungen, auf Basis ungenügender Recherche und Informationsaufbereitung, sind verantwortlich für mangelhafte Benchmarking-Ergebnisse. Bei solchen Messungen kommt es schließlich darauf an, relevante Werte gegenüberzustellen, die richtigen Vergleiche zu ziehen. Der berühmte „Äpfelmit-Birnen-Vergleich“ verurteilt Projekte zum Scheitern. Auch vor reinen Zahlenvergleichen warnt bereits Camp (1989, S. 11): „Benchmarking ist nicht allein eine Untersuchungsmethode, um festzustellen, welche Verfahren genutzt werden, um effektiv zu produzieren oder Marktführerschaft zu erlangen und mit Hilfe welcher Verfahren gesetzte Zielwerte zu erreichen sind. Benchmarking ist weniger eine Vergleichsstudie, als vielmehr ein Prozess, mit dessen Hilfe die Effektivität der Markt- und Branchenführer (industrial leaders) über die Messung ihrer Ergebnisse ermittelt werden.“ Es ist diese Einschätzung, die insbesondere dazu geführt hat, Benchmarking als Untersuchungsobjekt für eine Ökonomie der Publizistik auszuwählen. Leibfried und McNair fassen gerade vor diesem Hintergrund gut zusammen (1993, S. 13): „Benchmarking ist ein externer Blick auf interne Aktivitäten, Funktionen oder Verfahren, um eine ständige Verbesserung zu erreichen. Ausgehend von 39

Kearns traf die folgende Aussage als „chief executive officer“ der Xerox Corporation und gilt als einer der Urväter des Prinzips Benchmarking.

209 einer Analyse der existierenden Aktivitäten und Praktiken im Unternehmen will man existierende Prozesse oder Aktivitäten verstehen und dann einen externen Bezugspunkt identifizieren, einen Maßstab, an dem die eigenen Aktivität gemessen oder beurteilt werden kann. Eine solche Benchmark lässt sich auf jeder Ebene der Organisation, in jedem funktionellen Bereich ermitteln. Das Endziel ist ganz einfach: besser zu werden als die Besten – einen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen“. In jedem Fall bietet die Begriffsbestimmung bei Leibfried und McNair ein recht brauchbares Instrument für die publizistische Praxis, weil sie verdeutlicht, dass es bei Benchmarking eben nicht zwingend um an monetären Größen messbare Prozesse geht. Nicht uninteressant ist ein weiteres Prinzip, das die Schweden Bengt Karlöf und Svante Östblom in ihrem „Benchmarking-Konzept“ (1994) anwenden. Sie reduzieren Benchmarking auf „das Anstellen von Vergleichen mit bestimmten Bezugspunkten“ und öffnen sich damit ein breites Feld für die Anwendung. Interessanterweise stellen die beiden Schweden Benchmarking insbesondere als Prinzip dar, das wettbewerbsfernen Unternehmensbereichen hilft, effizienter zu arbeiten. In nahezu jeder wirtschaftlich aktiven Organisation existieren Einheiten, die eine gewisse Entfernung zum Markt haben: Benchmarking kann hier „als ein Verfahren des Messens und Einschätzens derjenigen Teile der Organisation genutzt werden, die unter ‚planwirtschaftlichen Verhältnissen’ arbeiten müssen. In der Analyse schließt dies sowohl Abteilungen der Unternehmen oder Organisationen als auch ihre Gepflogenheiten, Produktivitätszahlen, Qualitäten oder Kundennutzen mit ein“. Bei der Wahl der Benchmarking-Objekte kann das Beurteilungsprinzip herangezogen werden, wie markt- beziehungsweise kundennah die betrachteten Untersuchungsobjekte arbeiten. „Damit eine Organisation Erfolg hat und sich auch erfolgreich fühlt – in einem Umfeld mit mehr Gegenspielern und härterem Konkurrenzkampf müssen alle Teile des Systems dem Wettbewerb ausgesetzt werden, so dass sie ihre Leistungsfähigkeit verbessern können.“ (Karlöf/Östblom 1994, S. 9). Diese Argumentation wird hier insbesondere deshalb aufgegriffen, weil sie für redaktionelles Benchmarking herangezogen werden kann. Redaktionen sind im Tendenzbetrieb vielfach als „marktferne Einheiten“ im Sinne von Karlöf und Östblom interpretierbar – wobei diese „Marktferne“ im Einzelfall auch im Sinne der dualen Ökonomie zu beschreiben ist, denn in der Definition des schwedischen Autorenteams beschränkt sich „marktfern“ auf die gewinnmaximierend-betriebswirtschaftliche, nicht jedoch auf die rezipientenorientiert-ökonomische Betrachtungsweise. Benchmarking kann durch seine Gestaltung als vergleichendes Messinstrument die Übertragung von marktwirtschaftlichem Denken unterstützen. Dies mag vor allen Dingen in den wie oben beschrieben in Deutschland und Europa häufiger auftretenden Fällen sinnvoll sein, in denen ein neues Wettbewerbsbewusstsein erst wieder zu lernen ist – bei in monopolistisch gestalteten Marktsituationen agierenden Tageszeitungen zum Beispiel. Darin liegt der eigentliche Gewinn der Sichtweise von Karlöf und Östblom. Im Grunde zeigen sie mit ihrer Argumentation, dass Benchmarking unabhängig von der Gewinnerzielungsabsicht zur Qualitätssteigerung in ausgewählten Organisationsbereichen herangezogen werden kann, ein Fakt, der für die betriebswirtschaftliche Arbeitstechnik Marketing bereits im dritten Kapitel abgeleitet wurde. Nun wird ersichtlich, dass in ähnlicher Weise auch Benchmarking losgelöst von der Gewinnmaximierung zur qualitativen Optimierung ausgewählter Prozesse – in Profit- wie Nonprofit-Situationen – Verwendung finden kann. Dies ist für die praxisorientierte Umsetzung der Arbeitstechnik in der Redaktion eine nutzenbringende Erkenntnis, denn im Rahmen dieser Arbeit wird ja stets ein institutioneller beziehungsweise ein Nonprofit-Aspekt für die publizistische Produktion und der Einsatz

210 betriebswirtschaftlicher Instrumente unter dem Primat der meritorischen Qualität diskutiert. Eignet sich nun Benchmarking eben auch für wettbewerbsferne Einheiten der Unternehmensstruktur (in der Definition von Östblom und Karlöf (1994)), dann kommt es als Arbeitstechnik auch insbesondere für die Effizienz- oder die Qualitätssteigerung der als ökonomiefern (genauer „gewinnmaximierungsfern“ und nicht direkt an monetären Größen gemessen) bestimmbaren redaktionellen Prozesse im Medienbetrieb in Betracht. Oder anders formuliert: Wenn man die Existenz meritorischer Bedürfnisse vermutet und Ansätze für deren Erfüllung in der publizistischen Aktivität erkennt, dann schlagen Östblom und Karlöf mit ihren Anmerkungen dem Benchmarking eine direkte Brücke in die Redaktion. Um die Bemühungen um eine Definition zusammenzufassen: Benchmarking ist ein zukunftsorientiertes Management-Instrument, das es erlaubt, Defizite des eigenen Unternehmens in kürzester Zeit aufzuarbeiten. Gleichzeitig wird die bestmögliche Position im Wettbewerb angestrebt. Das Prinzip Benchmarking basiert auf Messungen, die den direkten Vergleich von eigenen betrieblichen Einheiten oder Arbeitsgängen und Prozessen mit demjenigen ermöglichen, der für den konkret gewählten Vergleichsraum als „Klassenbester“ ermittelt wurde. Die Auswahl solcher „Klassenbester“ erfolgt je nach strategischer Zielsetzung des Managements. Ziel des Benchmarking ist es, durch ein stetig dynamisches Zusammenwirken der Elemente (Vorbereiten, Messen, Lernen, Übertreffen) punktuell selbst zum „Klassenbesten“ zu avancieren und durch kontinuierliche Anpassung der Elemente stets eine neue Zielebene anzustreben und zu festigen. Der Ansatz, Benchmarking als zeitachsenunabhängiges Zusammenspiel von Elementen zu betrachten, geht über die Sichtweise von Benchmarking-Prozessen, -Zyklen oder -Spiralen als kontinuierliche Prozesse hinaus. Über Benchmarking soll damit das Unternehmen zu einer lernfähigen und lernbereiten Organisation werden, bei der dauerhaftes Lernen zwar Instabilität bequemer Zustände provoziert, langfristig aber so über eine dynamisierte Positionsüberprüfung die Überlebensfähigkeit der Unternehmung gesichert wird. Benchmarking hat dabei stets dynamischen Charakter und ist darauf ausgerichtet, einer Organisation unter extrem wandlungsfähigen Umweltbedingungen Potentiale zu erschließen und Wachstum in einem definierten Bereich zu ermöglichen. Diese Ausrichtung auf künftige Entwicklung gilt immer – egal, welches Stadium ein Projekt gerade durchläuft oder welche Stufe Benchmarking im Unternehmen bereits einnimmt. Es ist ein Werkzeug im modernen Management – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dies bedeutet: Benchmarking ist anpassungsfähig, ist gestaltbar und muss je nach Anforderung an die vorzufindenden Bedingungen angepasst werden. Das Werkzeug braucht den aktiv gewünschten und bewusst eingebrachten Einsatz des Managements (zum Beispiel in der Redaktion das Zusammenspiel von Herausgebern und Chefredaktion sowie Redaktions- (eher auf den Rundfunk bezogen) oder Ressortleitern (eher auf die Tageszeitung bezogen)). Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg ist es, die eigenen Problembereiche zu erkennen und abzugrenzen. Es muss eindeutig geklärt werden, was in den Benchmarking-Prozess einbezogen werden soll. Wenn es um Qualität geht, müssen die Kriterien gesetzt sein – so wie das auch im Fazit des zweiten Kapitels gefordert ist. Messungen sind hierbei Dreh- und Angelpunkt, denn sie verhindern Ineffizienz und Unschärfen und liefern Argumente, um den Grundstein zu einer langfristig angelegten Veränderungsphilosophie zu legen. Messergebnisse erhält man durch Aufbereitung, Reduktion und Konzentration der ungerichtet gesammelten Datenbestände. Die Operationalisierung richtet sich ebenso nach innen und außen wie die Recherche. Die Liste der Objekte des Benchmarking ließe sich für jeden Einzelfall beliebig formulieren. Denn in den angesprochenen Vergleich lassen sich

211 einzelne Arbeitsplatzbeschreibungen ebenso einbeziehen wie generelle Fertigungsabläufe oder Produkte. Auch die Wahl der Benchmarking-Objekte ist ein wichtiges Kriterium. Sie erfordert die bewusste Entscheidung des Managements. „Lernen ist wie Schwimmen gegen den Strom – wenn man damit aufhört, treibt man zurück.“ – ein chinesisches Sprichwort. Es steht nachgerade idealtypisch für die Arbeitstechnik Benchmarking, diese verankert den kontinuierlichen Lernprozess in der Organisation. Benchmarking kann systematisch auch als bewusste Destabilisierung bequemer Ist-Situationen gewertet werden. Auch marktferne Abteilungen werden im Rahmen des Vergleichs einer konstruierten Marktsituation ausgesetzt. Das Leben und Wirtschaften in immer neu zu hinterfragender Instabilität ist dabei erklärtes Ziel des Benchmarking. Zusammengefasst formalisiert diese Arbeitstechnik einen Prozess, der darin besteht, eigene Schwächen zu entdecken, Lösungen bei anderen Organisationen zu finden und die entdeckten Verfahren entsprechend in das eigene Unternehmen zu integrieren. „Wir alle suchen den Trost der Tradition. Innerhalb des Unternehmens werden diese Traditionen zu verwurzelten, althergebrachten Praktiken, die nie hinterfragt werden“, schreiben Kathleen H. J. Leibfried und Carol Jean McNair (1993), „Jeder, der einmal die fatale Frage gestellt hat, ‚Warum machen wir das so?’ und mit der schnellen Antwort ‚Weil wir es schon immer so gemacht haben’ abgespeist wurde, weiß, wie blind die Tradition eine Person oder Organisation machen kann.“ Ergo: „Wer nicht bereit ist, mit Traditionen zu brechen, zu Basisfragen zurückzukehren und grundlegende Prozesse in Frage zu stellen, wird auch mit Benchmarking keinen Erfolg haben.“ (Rau 1996a, S. 10): Internationalisierung und beschleunigte Innovationszyklen sprechen eine neue Sprache, fordern kreative Managementmethodik, fordern die intelligente Kombination aus Reaktion und Aktion, aus Anpassung an die und bewusster Gestaltung der Märkte. Und so muss schließlich auch Benchmarking seine Einordnung in ein übergreifendes Management-System erfahren; oder sollte man angesichts solch hehrer Ziele gar von Führungsphilosophie sprechen? Benchmarking ist Arbeitsinstrument, ist Technik, ist Verfahrensweise, um in möglichst kurzer Zeit Anpassungen an den sichtbar höchsten Entwicklungsstand zu erreichen und diesen auf kreativem Wege sogar noch in den Schatten zu stellen. Diese Zusammenhänge zu verdeutlichen, ist auch deshalb wichtig, weil es im Gesamtzusammenhang dieser Arbeit zur Beurteilung einer Wirkung auf die erzeugte Medienqualität eines definitorischen Rahmens bedarf, der es ermöglicht, auch eine Steigerung der gesetzten Qualitätsaspekte (vgl. Kapitel 2) argumentativ zu verankern. Benchmarking stellt häufig nichts anderes als eine bewusste, von Managern gesteuerte Kampfansage an Bewährtes, an beständiges Beharrungsvermögen, an Tradition und Konvention dar. Dies gilt zumindest dann, wenn Benchmarking als Technik verstanden wird, die es erlaubt, sich schnell anzupassen, umzuorientieren, grundsätzliche Prozesse neu zu gestalten. Benchmarking, richtig interpretiert, kann Basisarbeit für sinnvolles Veränderungsmanagement, für grundlegende, umwälzende Um- beziehungsweise Neugestaltung der Organisation leisten. Es handelt sich hier um ein Instrument, das nicht allein zur Veränderung in gewinnmaximierenden ökonomischen Situationen herangezogen werden kann, dieses Instrument der Betriebswirtschaftslehre ist auch unter ganz anderen Rahmenbedingungen einsetzbar und damit ähnlich flexibel wie der Marketingansatz (vgl. das vorangegangene Kapitel). Benchmarking sorgt dafür, Schwachpunkte zu erkennen, jene Bereiche herauszudeuten, in denen der Wandel ansetzen muss, jene Prozesse zu beleuchten und zu filtern, die branchen-, wettbewerbs- und kundenunabhängig die jeweils höchste Leistungssteigerung erwarten lassen.

212 Benchmarking ist das Arbeitsmittel, um Veränderung schnell zu erreichen – schneller als mit anderen Methoden, genau deshalb auch kann es so gewinnbringend als Säule einer Ökonomie der Publizistik dienen.

4.2.2 Problemkreise: Kultur und Kommunikation In den USA ist in den frühen 1990er Jahren ein wahres Benchmarking-Fieber ausgebrochen. Kaum ein Branchenblatt, kaum ein wissenschaftlich oder semiwissenschaftlich orientiertes Journal der Betriebswirtschaft, das in dieser Zeit nicht mehrfach BenchmarkingBeiträge veröffentlichte. In den Vereinigten Staaten arbeitet seit Jahren mit der Benchmarking-Börse www.benchnet.com (TBE 2005) die wohl erfolgreichste Plattform für den Informationsaustausch von Benchmarking-Informationen. Deren Erfolgskonzept liegt in einer hochgradigen Elektronifizierung des Informationsaustausches sowie in der ständig wachsenden Datenbank bei weitestgehender Zusicherung von Anonymität. Viele Befragungen als branchen- oder prozessbezogenen Vergleiche werden über große E-Mail-Verteiler durchgeführt – auf diese Weise werden anonym Benchmarks generiert, die den Teilnehmern der Studie zur Verfügung gestellt werden (vgl. TBE 2005, o.S.). Nicht immer haben Benchmarking-Projekte in der Vergangenheit auch den erhofften Erfolg gezeitigt. Trotzdem gilt: Andere Nationen agieren schneller und offener, wenn es um die Umsetzung von Benchmarking-Konzeptionen geht. Dabei spielen zwei Problemkreise eine zentrale Rolle. Zum einen ist hier das Kulturproblem Benchmarking zu nennen, zum anderen das womöglich weitaus bedeutsamere Kommunikationsproblem.

4.2.2.1 Problemkreis Nummer 1: Unternehmenskultur Das „Kulturproblem Benchmarking“ manifestiert sich auf drei Ebenen: ƒ ƒ ƒ

national individuell organisational

Das bedeutet: Die jeweilige Landes- und Kontinent-Kultur wirkt sich ebenso auf den Umgang mit der Arbeitstechnik Benchmarking aus wie die Sozialisation, das individuelle Aufwachsen in einer Erziehungskultur. Darüber hinaus beeinflusst die Organisationskultur das Verhältnis zu Benchmarking. Das Kulturproblem Benchmarking wird insbesondere bei der Betrachtung kartellrechtlicher Unterschiede deutlich, und der Vergleich zeigt, dass Benchmarking in dieser Konsequenz ein wirtschaftspolitisches Aktionsfeld darstellen kann. Ein gutes Beispiel bietet in diesem Punkt Japan: Die Regierung im Kaiserreich (über das Industrieministerium MITI) fördert mit entsprechender Gesetzgebung den freien und bewussten Informationsaustausch konkurrierender Unternehmen. Diese Kooperation gipfelt natürlich nicht in Preis- oder Mengenabsprachen, wie das die Kartellwächter befürchten mögen. In Forschung und Entwicklung aber brachte diese Offenheit in der Vergangenheit für den Informationstransfer einen Vorsprung. Bewusst finanziert die Regierung mit Staatsgeldern Konsortien, die nichts anderes zum Ziel haben, als auf definierten Märkten Führer-

213 schaft anzustreben. „High-Definition“-Fernsehen (HDTV) war beispielsweise eines der Ergebnisse solcher Gemeinschaftsforschung, die sich bei genauer Rechnung für den gesamten japanischen Staat auszahlte. Auch der große Erfolg des VHS-Videorekorders ist einer konzertierten Aktion japanischer Unternehmen zu verdanken, die zum Ziel hatte, alle übrigen Systeme, egal ob technisch ausgefeilter oder nicht, schnellstmöglich vom Markt zu drängen. „Kulturpolitisch“ provokativ ausgedrückt: Statt staatlicher Behinderung, wird der Austausch von Marktinformationen zielgerichtet unterstützt. Der Vergleich mit den Besten, das Messen an den führenden Unternehmen ist in den verschiedenen Branchen elementarer Teil des Lebens und Überlebens in der industriellen Kultur, die Technik der kontinuierlichen Verbesserung in bestehenden Systemen wurde bereits vor Jahrhunderten geübt. Die rechtlichen Regelungen in der EU und in den USA sind in solchen Punkten weit strenger. In den USA behindern der Sherman Act aus 1890 und das Claytonsche AntitrustGesetz von 1914 mit bestimmten Folgeregelungen den freien Informationsaustausch vor allen Dingen unter Unternehmen der gleichen Branche: „Die Gefahr eines Rechtsstreits und der damit verbundenen enormen Anwaltskosten und potentiellen Schäden, die aus dreifachem Schadenersatz und Geldstrafen resultieren könnten, haben in den USA die Kommunikation zwischen Unternehmen derselben Branche stark eingeschränkt“, sagen Leibfried und McNair (1993, S. 146). Seit 1984 gibt es jedoch in den Staaten eine Erleichterung in Form des National Cooperative Research Act, der es ermöglicht, gemeinschaftlich an bestimmten Forschungsprojekten zu arbeiten. Trotz dieser recht strengen und den in Europa heimischen Varianten des Kartellrechts durchaus ähnlichen Strukturen konnte sich in den Staaten eine Benchmarking-Kultur etablieren, die sich aus dem Selbstverständnis vieler amerikanischer Unternehmen speist. Nur in wenigen Fällen stößt der Informationsaustausch in den USA an kartellrechtliche Grenzen. Der Grund: Benchmarking beschäftigt sich dort nicht mit Marktanteilen oder Preisstrukturen. Es geht um „best practices“ und darum, wie weit das eigene Unternehmen von diesen entfernt ist. Benchmarking blickt auf Verfahren, auf Prozesse, mit deren Hilfe Unternehmen Wertschöpfung erarbeiten. Das Kulturproblem Benchmarking manifestiert sich jedoch noch auf eine ganz andere Art und Weise. Benchmarking ist ein Management-Werkzeug, das das Lernen über den Vergleich mit den Klassenbesten beinhaltet. Doch wo werden solche Techniken erlernt, wo finden sich die Vorbilder für ein solches Vorgehen? Ist es nicht vielmehr so, dass das offene Zugehen auf den Klassenbesten, das Abschreiben im europäischen Kulturkreis in der Sozialisierung früh sanktioniert wird? Der Schulbetrieb fördert individuelle Leistung und verbietet das Abschreiben. Angesichts dieser trainierten Grundhaltung fällt der Umgang mit einem Werkzeug wie Benchmarking schwer. „Offen Ideen von anderen Menschen auszuleihen, widerspricht den Verhaltensweisen, die wir in jahrelangem Training und in unserer Erziehung trainiert haben“, sagen dazu Bogan und English (1994, S. 31). Benchmarking fordert auf gleiche Weise die Bereitschaft, abschreiben zu lassen. Denn es verlangt zwingend nach einer „Kultur der Gegenseitigkeit“. Nur so können beispielsweise auch BenchmarkingBörsen wie das International Benchmarking Clearinghouse des APQC in Houston, Texas oder der internetbasierte Austausch im „Benchnet“ (TBE 2005) Erfolg haben. Betrachtet man die Verteilung der Benchmarking-Aktivität über unterschiedliche Branchen, kommt eine zusätzliche Dimension des Kulturproblems ins Blickfeld. Unterschiedlich strukturierte Industriezweige gehen in unterschiedlicher Weise mit der Arbeitstechnik Benchmarking um. So ist Benchmarking im Bereich der Logistik stark verankert – möglicherweise liegt das an der traditionell starken Außen- und Kommunikationsorientie-

214 rung von Unternehmen mit Logistik-Schwerpunkt. Im Medienbereich dagegen zeigt die Datenbank der größten online verfügbaren Benchmarking-Datenbank nur wenige Treffer – und keine der Studien und Anfragen bezieht sich auf den in der dualen Ökonomie entscheidenden Rezipientenmarkt (vgl. Kapitel 1 und 2). In Medien dominieren BenchmarkingProjekte im Bereich des Vertriebs (vgl. TBE 2005, o.S.). Was sich hier als zusätzliche Dimension des Kulturproblems zeigt, könnte sich thesenartig zusammengefasst auf unterschiedliche Faktoren zurückführen lassen: ƒ

ƒ ƒ ƒ

Die Struktur der Medienunternehmen in der industrialisierten Welt: Eine Dominanz größter Konzerne (wie Bertelsmann) auf der einen und definitiv mittelständisch organisierte Unternehmen (z.B. Verlage die sich auf die Publikation einzelner Objekte im regionalen Tageszeitungsbereich beschränken – wie bei Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg) oder Badischen Neuesten Nachrichten (Karlsruhe) der Fall). Der über lange Zeit fehlende ökonomische Leidensdruck in zahlreichen Medienunternehmen (vgl. Rau 2000a, S. 110). Die starke Trennung der operativ-betriebswirtschaftlichen von der inhaltlich-redaktionellen Produktion. Inwiefern eine oder mehrere dieser Thesen verifiziert werden können, wird in Zukunft nur eine über die theoretische Analyse hinausgehende empirische Untersuchung zeigen können.

4.2.2.2 Problemkreis Nummer zwei: Kommunikationsstruktur Die meist von Consultants entwickelten Werkzeuge modernen Managements haben in der betriebswirtschaftlichen Praxis im Regelfall ein einziges Ziel: die Leistungssteigerung des Unternehmens – messbar an höheren Erträgen. Und fast immer – auch wenn die Folgen möglicherweise herbe Einschnitte bedeuten – lassen sich diese neudeutsch als „Tools“ bezeichneten Objekte recht bequem mit den vorhandenen Daten und Kennzahlen des Unternehmens füttern. Selbst im Total Quality Management (TQM) beschränkt sich das Unternehmen bei der Nutzung fast aller Elemente auf allgemeine beziehungsweise aus dem eigenen Unternehmen generierte Daten. Einschneidende Veränderungen fordern das Miteinander auf verschiedenen Ebenen der Organisation. Die Praxis zeigt in vielen Fällen, dass die erhoffte Kommunikation über alle Stufen unter Einbindung der Linie ebenso wie der Stäbe nur eine Utopie bleibt. Und dieses hieran deutlich hervortretende kommunikative Problem verschärft sich beim Thema Benchmarking. Wenn internes wie externes Kommunikationsverhalten von Führungskräften funktional, selektiv, hierarchisch, autoritär und restriktiv ist, hat es Benchmarking schwer. Diese Arbeitstechnik ist sehr eng mit den Fragen des beobachtbaren Führungsverhaltens gekoppelt. Übergreifende Ziele formulieren, Leitlinien aufstellen und diskutieren, Verbesserungsvorschläge besprechen, Teilnahme über die gesamte Hierarchie ermöglichen – das sind wesentlichen Ziele einer strategischen Unternehmenskommunikation. Entscheidende Fragen für die Ausprägung einer Benchmarking-Kultur auch im Medienumfeld, konkret in der Redaktion: Wer spricht regelmäßig mit wem und worüber? Besteht ein Grüner Tisch, an dem auftretende innerbetriebliche Konflikte werden. Welche Möglichkeiten der schrankenlosen – alle Hierarchien vernachlässigenden – Kontaktaufnahme hat jeder einzelne

215 Mitarbeiter, egal welche Position er einnimmt? Und wo ist das Kommunikationskonzept, das bestimmtes grundsätzliches Gesprächsverhalten auch als Unternehmenskultur fixiert? Benchmarking ist im Set der Management-Methodik ein Instrument, das im höchsten Maße nach strukturierter Kommunikation verlangt. Es braucht sichere, geschickte und mit allen Eventualitäten vertraute Kommunikatoren; und es braucht eine gesunde Gesprächsbasis, auf der eben diese Persönlichkeiten zum Zuge kommen. Bevor also überhaupt über Benchmarking-Projekte gesprochen werden kann – sollte das Kommunikationsverhalten überprüft werden. Kein Benchmarking ohne strategische Unternehmenskommunikation.

4.3 Ordnung 1: Vergleichskonzepte und der Branchenbezug Die Literatur unterscheidet bis zu vier Benchmarking-Arten (nach Rau 1996a): ƒ ƒ ƒ ƒ

das interne, das konkurrenzbezogene, das funktionale und das übertragende Konzept.

Das funktionale und das übertragende („generic“) Konzept wird von vielen Autoren zusammengezogen, da die Unterschiede der beiden Ansätze nur gering sind. Und so beschränken sich die meisten Autoren in ihren Beschreibungen auf die ersten drei konzeptionellen Varianten. Dies mag dann auch daran liegen, dass ein allgemein-übertragendes Benchmarking tatsächlich visionäres Bewusstsein erfordert (vgl. auch Rau 2000b, S. 76).

4.3.1 Benchmarking innerhalb der Organisation Die Variante des internen Benchmarking ist in der Praxis vor allen Dingen für divisionalisierte oder multinationale Konzerne – zumindest aber in einzelne Profit-Center gegliederte Gebilde bedeutsam. Dies schlägt die direkte Brücke zu redaktionellen Strukturen in der Publizistik (eine Vielzahl unabhängig von einander agierender Redaktionen die sich nach Ressorts oder Region gliedern). Noch größeres Gewicht erhält Benchmarking in Vertragshändlersystemen und Franchising-Konzepten; dies dürfte einleuchten, denn hier lassen sich viele Vergleichsebenen finden – je nach Bedarf über verschiedene Standorte hinweg meist auch international. Mögliche Fragestellungen: Welche Vertriebsgruppe beispielsweise arbeitet besonders effizient, in welchen Einheiten entstehen andererseits die höchsten Fixkosten? Warum sind Marketingaktionen der US-Einheit effektiver als die der EuropaDivision? Und meistens gilt: Alle Daten sind leicht zu ermitteln, fast überall ist der direkte Zugriff ohne aufwendige Recherche möglich (vgl. auch Camp, 1989, S. 61). Internes Benchmarking setzt voraus: Es gibt unterschiedliche Prozesse, Problemlösungen, Herstellungsmethoden, Vertriebskonzepte oder -wege innerhalb einer Organisation. Diese Unterschiedlichkeiten können sich durch die unterschiedliche geografische Verteilung einzelner Einheiten oder auch über die historische Entwicklung ergeben. Einzelne Einheiten wurden möglicherweise im Laufe der Geschichte hinzugekauft, gerade weil sie besonders zukunftsorientiert arbeiten. Das intern orientierte Konzept bietet den leichtesten

216 Einstieg in die Arbeitstechnik Benchmarking. Camp: „Dieser erste Schritt der Benchmarking-Untersuchung schafft eine hervorragende Basis nicht nur, um unterschiedliche Interessenslagen festzustellen, sondern auch, um die wirklich relevanten kritischen Faktoren (critical issues) zu erkennen, die dann auch von besonderem Interesse sind, wenn man die im Rahmen von externen Untersuchungen entdeckten Verfahren verstehen will.“ (1989, S. 62). Die große Gefahr: die intern gewonnenen Vergleichsdaten werden überinterpretiert und gute Ergebnisse verhindern den Blick über den Tellerrand. Ein Beispiel für internes Benchmarking: Die Adolf Würth GmbH & Co. KG in Künzelsau. Dieses Unternehmen zählt zu den erfolgreichsten Herstellern und Vermarktern von Schraubenverbindungen und entsprechendem Zubehör. Seit Jahren verzeichnet Würth zweistellige Zuwachsraten. Klaus Güldenbot, in den 1990er Jahren BenchmarkingSpezialist bei Würth: „Benchmarking wird dabei zu einem unerlässlichen Instrument, um die Herausforderungen des Wachstums, wie zunehmende Komplexität oder steigende Kosten rechtzeitig erkennen und meistern zu können.“ (vgl. 1995, o.S.). Ein Zielsetzungs- und Planungsprozess bindet bei Würth alle Einzelgesellschaften der Gruppe ein, die ihre konkreten Zielwerte kommunizieren müssen. Darüber hinaus hat Würth ein Info-Paket entwickelt, das als „erste umfassende Würth-Benchmark-Sammlung“ gewertet werden darf. Hierin sind alle wichtigen Leistungskennzahlen aller Gesellschaften der Gruppe enthalten. Ein konzerneinheitlicher Standard für die Definition der aufgeführten Kennzahlen und der einheitliche Aufbau der Seiten gewährleisten eine relativ hohe Vergleichbarkeit über alle Grenzen hinweg. Ergänzt wird das Info-Paket durch eine quartalsmäßige Publikation, die sich an die Geschäftsführer aller Gesellschaften der Würth-Gruppe richtet und diese zum Vergleich auffordert. 15 elementare Leistungs- und Qualitätskennziffern aus Außen- und Vertriebsinnendienst und deren Entwicklung im Vorjahresvergleich werden hier grafisch dargestellt. Nächster Schritt war Ende der 80er Jahre die Einrichtung eines Informationssystems, das alle Daten zur Unternehmenssteuerung enthält. „Dabei erlaubt das WürthInformations-System neben dem herkömmlichen Plan/Ist-Vergleich der eigenen Leistung und dem Tracking der Performance über mehrere Jahre durch seine einheitliche und durchgängig definierte Datenstruktur ein noch transparenteres Vergleichen mit anderen Gesellschaften. Die Möglichkeit, mit Hilfe von Sonderfunktionen nicht nur einzelne Kennziffern, sondern eine Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu betrachten und mit anderen Unternehmen und deren Prozessen zu vergleichen, stellt den Übergang vom klassischen KennzahlenBenchmarking hin zum Prozess- und Strategiebenchmarking dar.“ (Güldenbot 1995, S. 3). Ein wichtiges Element im Benchmarking-Ansatz bei Würth ist die Kommunikation. Regelmäßig treffen sich Geschäftsführer der Gesellschaften in der Zentrale, immer wieder gibt es Meetings, Performance-Gespräche, zwanglose Diskussionsforen. Die Verantwortlichen einzelner Einheiten sollen sich auch persönlich kennen und austauschen können. Dies erleichtert Benchmarking-Ansätze mit dem ehrlichen Vergleich von Daten und Prozessen. Die Diskussion von „Best Practice“-Beispielen und die Ableitung von teilweise vertriebslinien- oder divisionsweit gültigen Benchmarks ist in ein Konferenz- und Besprechungsschema fest eingebunden. Das „branchenfremde“ Beispiel aus der Welt der Schraubenverbindungen gibt gute Hinweise darauf, wie das interne Konzept auch im Medienumfeld eingesetzt werden kann. Bei einer regionalen Tageszeitung zum Beispiel kann über redaktionelles Benchmarking der Vergleich verschiedener Außenredaktionen institutionalisiert werden. In vielen Fällen

217 wird sich ein Ranking bilden lassen, dessen Klassifikatoren zum Beispiel wie folgt lauten können: ƒ ƒ ƒ

eigeninitiierte Themenstellung“, messbares Verhältnis von Termin- zu Reportagejournalismus (ausgedrückt in der Zahl der Zeilen), das Verhältnis der von der Redaktion selbst erstellte zu den fremdbezogenen Inhalten.

Aber auch noch leichter messbare Kriterien können Anwendung finden: die Zeichenzahl pro Satz, die Anzahl der verwendeten Nebensätze, die Originalität der Überschriften, die Gesamtlänge der Artikel. Wird zwischen den Redaktionen eine klare Unterschiedlichkeit festgestellt, gilt es, die dahinterliegenden Prozesse zu analysieren und zu vergleichen. Die Benchmark wird jeweils bei der für den gewählten Klassifikator höchststehenden Redaktion im Ranking angesiedelt. Dies ist im Verlauf der Untersuchung regelmäßig zu überprüfen. Die entscheidende Frage ist nun diejenige nach dem „Wie“: Wie wird diese Benchmark erreicht? Welche Prozesse nutzen die Journalisten? Diese Vorgehensweise im redaktionellen Benchmarking beinhaltet immer aber auch die vom Management zu leistende Entscheidung über die relevanten Benchmarks. Internes Benchmarking kann gut als Einstieg in einen strukturierten Prozess der Vorgabenmessung genutzt werden, quasi als Trainingsfeld. Wichtig ist es aber auch, über vergleichbare Abteilungsstrukturen hinauszublicken. Eine mögliche Fragestellung könnte zum Beispiel lauten: Kann die Redaktion zum von Arbeitsabläufen im Vertrieb oder in der Herstellung lernen? Ein konstruiertes Beispiel: Die Anzeigenabteilung einer Zeitschrift arbeitet mit festen Layoutschlüsseln, die den eingestellten Anzeigen im System exakt Größe und Platzierung zuweisen. Würden ähnliche Layoutschlüssel für die redaktionelle Bearbeitung verwendet, könnte damit der Herstellungsprozess beschleunigt und damit der als Qualitätsfaktor definierte Aspekt Aktualität erhöht werden. Die genannten Beispiele für die Umsetzung des internen Konzeptes zeigen: Benchmarking benötigt nicht zwingend eine monetärgewinnmaximierende Haltung derjenigen, die es einsetzen. Es ist für die Ökonomie der Publizistik und in ihrem Rahmen gesetzte Qualitätskriterien wie hier an Beispielen beschrieben wurde, ohne Probleme einsetzbar und empfiehlt sich sogar als strukturierende Arbeitstechnik.

4.3.2 Benchmarking im konkurrierenden Branchenumfeld Der Vergleich mit den Wettbewerbern ist so alt wie marktwirtschaftliche Konzepte überhaupt. Bislang schützen Patente, gesetzliche Bestimmungen wie die einzelnen Paragrafen im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb oder Copyright-Richtlinien Innovatoren vor dem allzu schnellen Zugriff der Konkurrenz. Der größte Gegenspieler des konkurrenzbezogenen Benchmarking ist weltweit noch immer der Gesetzgeber. Diese Betrachtungsweise stimmt im Kern, und trotzdem vernachlässigt sie einen wesentlichen Punkt aus der Definition des Benchmarking. Denn eigentlich geht es doch auch darum, die Prozesse des BenchmarkingPartners dazu zu nutzen, besser zu werden, das Original nicht nur zu kopieren, sondern zu überflügeln. Für das Benchmarking-Team bedeutet das: Schützen Patente, Urheberrechte oder klare gesetzliche Bestimmungen das Benchmarking-Objekt, ist verstärkt Kreativität

218 gefordert, um neue Aspekte im Rahmen der betrachteten Objekte zu fokussieren – und damit trotz aller Barrieren aus der Marktsituation zu lernen. Möglicherweise muss der Benchmarking-Ansatz auch nur auf ein neues, verändertes Objekt übertragen werden, bei dem eventuelle Barrieren nicht vorliegen. Fazit: Benchmarking muss mehr bieten als klassische Konkurrenzanalysen (vgl. Rau 1996a, S. 96). Das Ziel von Benchmarking im Wettbewerb ist bei alledem klar: Es gilt, brauchbare Informationen über die Produkte, die Arbeitsabläufe, die Herstellungsprozesse, die wirtschaftlichen Daten der Konkurrenten zu ermitteln, um die eigenen Werte daran zu messen. Solche Messungen und Vergleiche können übrigens auch dann sinnvoll sein, wenn es sich bei den Wettbewerbern nicht unbedingt um „Klassenbeste“ oder führende Unternehmen der Branche handelt – schließlich erlauben die gesammelten Daten nahezu immer eine Polarisierung auf den eigenen Kundenstamm und damit möglicherweise ein verbessertes Standing am Markt. Diese Anmerkung freilich dient wenig dazu, konkurrenzbezogenes Benchmarking näher zu beschreiben, als herkömmlichen Wettbewerbs- und Branchenanalysen auch weiterhin eine Daseinsberechtigung nicht abzusprechen. Der schwierigste Punkt: eine funktionierende Benchmarking-Partnerschaft mit dem bewussten und offenen Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern aufzubauen. Aber auch das funktioniert in der Praxis. Vor allen Dingen dann, wenn es gelingt, sich auf „best practices“ zu konzentrieren. Meist nämlich gelingt es, einen gegenseitigen Austausch herbeizuführen, wenn man sich auf Prozessgrößen bezieht. Der Vorteil für redaktionelles Benchmarking liegt darin, dass die Untersuchungsobjekte mit der freien Verfügbarkeit der Inhalte in optimaler Weise vorliegen. Es gibt wenige Branchen, die sich ähnlich ideal für konkurrenzbezogenes Benchmarking eignen, wie das Medienumfeld. Der Vorteil: eine hohe Markttransparenz und eine Vielzahl von verfügbaren Marktdaten. An dieser Stelle muss auch deutlich werden, warum die Gewinnung von Marktforschungsdaten in Kapitel 3 so betont wurde (vgl. insbesondere Abschnitte 3.5.2 und 3.5.3). Die über die passive Komponente des Marketing gewonnenen Informationen lassen sich hervorragend auch für die Aktivitäten im Bereich Benchmarking nutzen. Die zu Beginn dieser Arbeit schon herausgestellte „Führungsfunktion“ von Marketing für alle Managementbereiche bestätigt sich also erneut. Publizistisches Benchmarking im konkurrenzbezogenen Umfeld kann über alle inhaltsanalytischen Herangehensweisen erfolgen. Die Daten der Media-Analyse zum Beispiel schaffen im Hörfunkbereich ein optimales Spektrum für Benchmarking-Projekte. So lassen sich direkt aus der Analyse selbst Benchmarks auslesen. Mit der Frage, wer diese setzt – das heißt welcher Sender, welche Redaktion möglicherweise im entsprechenden konkurrierenden Format die besten Bewertungen erreicht – lassen sich Benchmarking-Partner gewinnen. Allerdings muss man hier Vorsicht walten lassen, denn die Media-Analyse sucht insbesondere den Quotenvergleich und damit eine dem Anspruch gesetzter Qualität (unter Vermutung von Meritorität) möglicherweise zuwiderlaufende Bezugsgröße. Da aber Benchmarking ebenso flexibel einsetzbar ist, wie die Arbeitstechnik Marketing, muss klar sein, dass das publizistische Management in seiner Entscheidung über die Benchmarks und die zu wählenden Partner frei ist. Also ist es durchaus – eine bewusste Wahl vorausgesetzt – nachvollziehbar, wenn Hörfunkredaktionen die Datenbasis der Media-Analyse für die Wahl eines Benchmarking-Partners nutzen. Möglicherweise ebnet gerade für das konkurrenzbezogene redaktionelle Benchmarking eine Entwicklung des Hörfunks in den vergangenen zehn Jahren den Weg. Die Rede ist von der zunehmenden Ausprägung des Formatradios. Diese lässt sich auch über die

219 Veränderung der Märkte und ein damit verändertes Marketingbewusstsein ableiten. Die Entstehung von Formatradios entspricht einer Typisierung von Programmen, diese werden durchgestaltet und schaffen eine Spezialisierung, die sich in der Nachfrage spiegelt (vgl. Lonitz 2004, o.S.). So gesehen ist das ein Ausdruck eines zunehmenden Markt- oder Marketingbewusstseins. Das Format wird durch musikalische Farbe, Wort-Musik-Mischung, über die Informationsanteile, die Art der Präsentation bestimmt und entwickelte sich in Deutschland durch die den Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen – dieser förderte die Zielgruppenspezialisierung. Ursprünglich sind die meisten Formate in den USA entstanden, wobei sich nahezu alle Programme in Deutschland spätestens mit dem Jahrtausendwechsel „durchformatiert“ präsentieren. Die häufigsten Formate sind AC („Adult Contemporary“, das möglicherweise erfolgreichste Konzept für 20- bis 49jährige, das auf melodiegeprägte Popstandards setzt und extreme Töne vermeidet). Subformate von AC sind: Oldiebased AC, Euro AC, Hot AC und Soft AC. Ein weiteres häufig umgesetztes Format: CHR („Contemporary Hit Radio“, hier finden sich aktuelle Top-Hits, die Rotationsquote ist hoch, die Playlist begrenzt, gespielt werden ausschließlich Titel aus den Charts, absteigenden Hits werden abgesetzt, die Zielgruppe liegt bei den 15- bis 25jährigen, die Moderation ist jugendlich, die Nachrichten sind sehr kurz gehalten). Zum Dritten ist speziell in Deutschland auch DOM (deutsch-orientiert, melodiös) häufig anzutreffen. Dieses Format ist das einzige spezifisch deutsche Format. Gespielt werden aktuelle Schlager insbesondere aber Schlager-Klassiker bis hinein in die volkstümliche Musik, ab und an darf auch ein gemäßigter englischer Oldie über den Äther, der Programmfluss ist gemächlich und ohne Hektik, die Ansprache durch die Moderation ist liebenswert und verständnisvoll, die Nachrichten und Informationen sind häufig sehr regional ausgerichtet. Das Zielpublikum ist 50 Jahre und älter, DOM findet sich ausschließlich bei öffentlichrechtlichen Programmanbietern. Andere Formate sind zum Beispiel Album Oriented Rock (AOR), Urban Contemporary (UC), Rock, Jazz, Klassik, News (vgl. Lonitz 2004, o.S.). Die klare Formatierung von Hörfunkangeboten hat im Sinne von Benchmarking den Vorteil, dass sich die Zahl möglicher aber tatsächlich konkurrierender BenchmarkingPartner in der gleichen Branche bei insgesamt nicht reduzierter Zahl der Branchenteilnehmer verringert. Dies erweitert die Optionen eines Austauschs zwischen Hörfunkanbietern unterschiedlicher Formate, insbesondere dann, wenn eben nicht mit Quotenorientierung gebenchmarkt wird. Im Grunde muss man in der Medienökonomie eine zusätzliche definitorische Stufe einführen. Neben einem konkurrenzbezogenen redaktionellen Benchmarking kann man ein branchenbezogenes aber nicht konkurrierendes redaktionelles Benchmarking umsetzen. Dieses könnte zu einem sehr fruchtbaren Austausch zwischen unterschiedlichen Redaktionen führen, die ähnliche Produktionsbedingungen besitzen, jedoch in keinerlei konkurrierendem Verhältnis stehen. So können regionale Redaktionen von Tageszeitungen im Zeitalter der Einkreiszeitung beinahe überall Benchmarking-Projekte im Vergleich zu anderen regionalen Tageszeitungen umsetzen – und dies sogar nahezu flächendeckend in Deutschland. In den 1970er Jahren hat sich die Zahl von tatsächlich konkurrierenden Tageszeitungen in Deutschland auf eine geringe Menge reduziert. Nicht zuletzt dieser Prozess führte ja zu einer Neuordnung der Pressefusionskontrolle im Jahr 1975. Faktisch ist in den meisten Regionen die Konkurrenz zwischen Zeitungen ausgeschaltet (vgl. Schütz 1996), häufig gibt es Anzeigengemeinschaften, die einen gemeinsamen Auftritt im Werbemarkt ermöglichen. Dies aber erleichtert dem Benchmarker selbst in direkter räumlicher Nähe die Initiative zu Projekten, die sowohl inhaltliche wie auch monetär-ökonomische Variablen in

220 den Blick nehmen. Die besonderen Marktgegebenheiten und Entwicklungen vorausgesetzt, öffnet sich also gerade im brancheninternen nicht konkurrenzbezogenen Vergleich ein Feld der Benchmarking-Möglichkeiten, das in allen anderen Branchen seinesgleichen sucht.

4.3.3 Benchmarking in einer funktionalen Betrachtungsweise Benchmarking-Partner lassen sich auch unter Organisationen finden, die nicht Wettbewerber sind, und wahrscheinlich trifft man mit dem Angebot, Informationen über Prozesse gegenseitig auszutauschen, auf weit mehr Interesse – zumindest aber auf weniger Vorbehalte – als im Kreis der direkten Konkurrenten (wobei es, wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt, im Medienumfeld weitaus leichter sein dürfte in einem direkten Branchenumfeld zu arbeiten). Die Begründung für funktionales Benchmarking ist einleuchtend: Völlig unabhängig von der Branche, von den Herstellungsprozessen für ein Produkt, gibt es unternehmerische Funktionen, die gerade bei Unternehmen ähnlicher Größe vergleichbar sind. So lassen sich zum Beispiel Vertriebs- oder Lagerhaltungssysteme, Auftragsannahme und -bearbeitung, Serviceorganisation beziehungsweise die Erfüllung von Wartungsplänen benchmarken. Fast alle Benchmarking-Autoren erwähnen das vielleicht am besten dokumentierte Benchmarking-Beispiel der Geschichte: Die Rede ist von der Xerox-Corporation und ihrem Programm zur Verbesserung des eigenen Lagerhaltungs- und Vertriebssystems mit Hilfe des Sportartikel-Versenders L. L. Bean. Ausgangspunkt war die Tatsache, dass die XeroxLogistik Anfang der 1980er Jahre ihre Produktivität lediglich um drei bis fünf Prozent pro Jahr steigerte. Bei der wachsenden Konkurrenz auf dem Kopierermarkt blickte Xerox einer recht ungünstigen Zukunft entgegen. Bei intensiver Recherche entdeckten die Mitarbeiter in den Vertriebszentren die Materialentnahme aus dem Lager als besonderen Engpass. Xerox ging auf die Suche nach passenden Benchmarking-Partnern und fand einen Nichtkonkurrenten: den Sportartikel-Versand L. L. Bean. Das Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt für sein Lagersystem bekannt, das seinerzeit mit der Unterstützung von Qualitätszirkeln entwickelt wurde. Wichtige Kriterien für den Vergleich waren Aufträge, Stückzahlen und Gänge pro Mitarbeiter und Tag. Eklatante Unterschiede wurden im Vergleich ersichtlich, zum Beispiel beim Kriterium Gänge pro Mitarbeitertag. L. L. Bean übertraf die Größen bei Xerox um das Dreifache. Einer der wichtigsten Unterschiede, war der Automatisierungsgrad bei L. L. Bean. Viele Aktivitäten wurden dort computergestützt gelöst. Die guten Erfahrungen nutzte Xerox später, um als Benchmarking-Partner auch Hausgeräte-Produzenten oder beispielsweise einen Arzneimittel-Großhandel zu gewinnen. Der jährliche Produktivitätszuwachs stieg in den Folgejahren auf zehn Prozent. Zwischen drei und fünf Prozent führten die Xerox-Benchmarker auf die Vergleichsprogramme zurück (vgl. u.a. Tucker et al. 1987, S. 22 ff.). Im Bereich des publizistischen Benchmarking liegt der Reiz eines funktionalen Ansatzes in der Möglichkeit von den Erkenntnissen in gänzlich anderen Branchen zu profitieren. In den Redaktionen wird vielfach die Betonung der Individualität in der Arbeitsweise dafür sorgen, dass man dort funktionales Benchmarking nicht in Betracht zieht, dabei lassen sich von der Vorgehensweise im Reporting bei großen Konzernen ganz anderer Branchen (IT möglicherweise) durchaus Aspekte für die Umsetzung von Informationen ableiten, aus denen man lernen kann. Oder ein wichtiges redaktionelles Thema: die Erstellung von Dienstplänen, die deshalb erschwert wird, weil die Arbeitsleistung und

221 -belastung über die verschiedenartig disponierten Zeiträume stark variieren kann. Auch das kann ein Aspekt sein, der als Objekt gesetzter Qualität im Bezug auf eine Ökonomie der Publizistik von Relevanz ist. Das Feld für funktionales Benchmarking ist kaum zu überschätzen. Dabei ist es bei näherer Betrachtung gar nicht einmal schwer, die richtigen Benchmarking-Partner auf den Märkten auszumachen. Sicherlich bedarf es einiger Recherche-Leistungen und der konsequenten Einarbeitung in möglicherweise neue Fachgebiete. Ziel ist es, für den erkannten Schwachbereich den Klassenbesten zu ermitteln. Es geht also nicht darum, unter den Wettbewerbern auszuwählen, wer dort beispielsweise die beste Service-Organisation besitzt, sondern vielmehr darum, dasjenige Unternehmen zu finden, das bei entsprechend gültigen Rahmenfaktoren die bestmögliche Lösung präsentiert: „Der Schlüssel zum Erfolg solcher Untersuchungen liegt darin, festzustellen, welche Branchen-, bzw. Marktführer von den gleichen Kundenanforderungen bestimmt werden.“ (Camp 1989, S. 64). Wenn man in dieser knappen Definition von Camp „Kundenanforderungen“ gegen „Rezipientenanforderungen“ austauscht, dann öffnet sich für die Medienökonomie ein noch weiteres Feld als für die Benchmarking-Diskussion in anderen Branchen, weil sich nun auch gezielt NonprofitVarianten nutzen lassen. Die Prozesse müssten nach Camp von ihrer Logistik her gesehen vergleichbar sein. Wenn also das Handling der jeweiligen Produkte betrachtet wird, rücken dementsprechend „handling caracteristics“ wie Größe, Gewicht, Form, Verpackung oder Zerbrechlichkeit ins Blickfeld. Sind solche Faktoren tatsächlich vergleichbar, funktioniert Benchmarking auch zwischen Betrieben verschiedener Branchen. Dies im Sinne eines redaktionellen Benchmarking interpretiert, würde erfordern, Vergleichsfaktoren zu finden: ƒ ƒ ƒ

die Größe der informatorischen Pakete, die Verpackung in unterschiedlichen Darstellungsformen, die Präsentation in Textlänge oder Stil.

Ganz generell betrachtet, sind mögliche Vergleichspartner zum Beispiel auf dem Gebiet des Reporting oder der Unternehmenskommunikation bei gewinnmaximierend arbeitenden Unternehmen oder aber im Fund Raising bei Nonprofit-Organisationen, in den programmgestaltenden Einheiten bei Organisationen unterschiedlicher Prägung – vom Sportverein über Theatern bis zu Museen – zu finden. Insbesondere wird also ein Ziel sein, dem Begriff „handling characteristics“ ein adäquates Pendant für die Formulierung von Rezipientenbedarfen gegenüberzustellen. Es gibt noch einen anderen Grund, warum in der Praxis des Benchmarking gerade das funktionale Konzept in der Umsetzung oft von weit mehr Mitarbeitern getragen wird als interne oder konkurrenzbezogene Ansätze. Die Suche nach Methoden und Verfahren erfolgt in ungleichen Branchen auf einer abstrakteren, objektiveren Basis und weitgehend abgehoben vom Produkt. Gerade diese Tatsache könnte die Schwierigkeiten aufwiegen, alle Beteiligten davon zu überzeugen, dass die gefundenen Verfahren und Arbeitsweisen tatsächlich auch übertragbar und anwendbar sind. Das hier als übertragendes Benchmarking eingeführte Konzept geht bei alledem dann sogar noch einen Schritt weiter.

222 4.3.4 Benchmarking im übertragenden Konzept Die Abgrenzung von funktionalem und übertragendem Benchmarking ist ausgesprochen schwierig. Viele Autoren beschränken sich vermutlich aus diesem Grund auf die Beschreibung des funktionalen Konzeptes. Trotzdem ist ein klarer Unterschied auszumachen: Übertragendes Benchmarking kann sowohl mit Partnern fremder Branchen als auch mit Partnern des eigenen Industriezweiges Erfolg bringen. Es ist die Ebene höchster Abstraktion. Aus der Beobachtung hervorragender Prozesse werden völlig andere, oft nicht zu vergleichende Bereiche verändert. Während es im funktionalen Ansatz um die Ermittlung zueinander passender Benchmarking-Objekte geht, sind diese im übertragenden Benchmarking grundsätzlich nicht vergleichbar. Das Fertigungsprinzip von Zinkrohren beispielsweise wird auf die Herstellung von Kabeln angewandt, die Knüpftechnik für Nylon-Fischernetze dient als Verbesserungs-Vorschlag für eine neue Tuft-Schicht für Teppichböden, oder ein Betrieb für die Fertigung von Brillengläsern übernimmt bestimmte Bearbeitungsverfahren eines Produzenten von Kunststoffflaschen (all diese Beispiele sind fiktiv, sollen aber darauf sensibilisieren, dass keine Grenzen gesetzt sind, und Benchmarking originäre Innovationsgewinnung beinhalten kann). Übertragendes Benchmarking besteht in der Ermittlung von Basisverfahren, die in ganz neue Anwendungsbereiche übernommen werden und diese möglicherweise revolutionieren. Ein besonders gutes Beispiel bietet die Herstellung von Tabletten. Dieses ist gleichzeitig auch eine Fallbeschreibung für internes Benchmarking. Zielsetzung war es, Tabletten mit neuen Verfahren schneller und kostengünstiger herzustellen. Bei der Suche nach einer neuen Methodik wurden die Forscher der seinerzeitigen Ludwigshafener Knoll AG im Kunststofflaboratorium ihrer Muttergesellschaft der BASF AG (später wurde die Knoll AG als BASF Pharma an den Abbott-Konzern verkauft) fündig. Dort werden Kunststoffe mit Hilfe der Extrusion unter anderem eingefärbt. Hierbei handelt es sich um ein Mischverfahren, das unter Nutzung zweier gegenläufiger Metall-Schlangen ähnlich wie ein Fleischwolf funktioniert. Das Verfahren übertrugen die Ingenieure auf die Herstellung von Pillen – mit ungeahntem Erfolg. Der Extruder mischt Wirk- mit Kunststoffen in einer einzigen Maschine, spart insgesamt sieben Arbeitsgänge ein und ist schneller als jedes bisher bekannte Produktionsverfahren für Medikamente. Die Durchlaufzeiten sinken extrem, Kosten in Höhe von 30 Prozent lassen sich einsparen. Der große zusätzliche Vorteil, der das Verfahren zur Herstellung der Tabletten patentwürdig macht: Mit Hilfe der Schmelzextrusion lassen sich neue galenische Formen produzieren. Diese sorgen dann zum Beispiel für eine freie Steuerungsmöglichkeit von Retard-Wirkungen, die garantiert, dass Wirkstoffe auch sehr langsam freigesetzt werden. Auf diese Weise könnten einige medizinische Therapieformen grundlegend revolutioniert werden. Dieses Beispiel zeigt, dass das übertragende Konzept oft den größten Erfolg bringt. Voraussetzung ist, dass man die „best practices“ auch findet. Übertragendes Benchmarking erfordert höchste Kreativität, verlangt das Bewusstsein, sich auf viele neue Bereiche einzulassen. Und dieses Konzept bedeutet fraglos die höchsten Herausforderungen für ein Benchmarking-Team. In dieser Variante führt Benchmarking zu Innovationen, die den Markt revolutionieren und ein Unternehmen im jeweiligen Bereich zum Klassenbesten machen können. Natürlich ähnelt Benchmarking in dieser Ausformulierung der grundlegenden Forschung und Entwicklung. Nicht umsonst wird derzeit auch überlegt, Benchmarking-Systeme als Innovationsersatz zu nutzen. Diese Überlegungen werden häufig vor dem

223 Hintergrund der Kostenexplosion bei den Forschungs- und Entwicklungskosten gesehen. Die Grenzen zwischen klassischer Entwicklungsleistung und Benchmarking sind fließend (vgl. Rau 1996a und 1996b). Nun geht es im Rahmen von Benchmarking nicht nur um konkrete Produkte, sondern auch um die Prozesse ihrer Herstellung und um die Orientierung dieser Prozesse am Klassenbesten. Doch wenn beispielsweise – wie geschehen – ein deutscher Automobilproduzent auf der Suche nach guten Lösungen Nissan-Außenspiegel demontiert, um später die vereinfachte Bauweise mit einer geringeren Anzahl von Teilen zu kopieren, so kann daran doch ersichtlich werden, dass Benchmarking Innovationen beschleunigen und in weiten Bereichen der Wirtschaft ein alternatives Standbein zu großen F & E-Abteilungen sein kann, wobei in der Literatur nach wie vor strittig ist, ob das von Sabisch (vgl. 1995) als „Weltstandsvergleiche“ eingeführte Konzept des Plagiierens tatsächlich unter dem Titel Benchmarking geführt werden sollte. Was an diesem Punkt der analytischen Darstellung relevant ist: Im produktpolitischen Bereich lässt sich generell eine enge Zusammenarbeit zwischen Benchmarking-Team und Entwicklern nicht vermeiden. Gleichzeitig ist denkbar, mittels Benchmarking-Ansätzen weitergehende, noch fortschrittlichere Problemlösungen anzuregen. Der Weg zu einer Marketingorientierung im Unternehmen wurde in Kapitel drei bereits ausführlich dargelegt und beschrieben. Mit wachsender Bedarfsbefriedigung werden Zielgruppen immer kleiner gefasst, Typisierungen der Zielmärkte immer konkreter. Die Entwicklungen im Markt der Zeitschriften zeigt dies in Europa beinahe idealtypisch. Immer kleinere Marktnischen werden auf ihre Tragfähigkeit getestet, immer engere Zielgruppenbeschreibungen formuliert. Die Reaktion in anderen Branchen auf die Anforderungen des Marktumfeldes bei gleichzeitigem Erhalt einer Möglichkeit Skalenerträge zu generieren, lassen sich in einer „Individualisierung der Produktion“ beschreiben. Die Automobilindustrie hat hierfür den Plattformgedanken erfunden – auf ein und dieselbe Plattform werden unterschiedlichste Modelle aufgebaut. Das schafft Standardisierung ohne auf der anderen Seite Individualität und zielgruppenbezogene Vielfalt aufgeben zu müssen. Im „modernsten Traktorenwerk Europas“ (vgl. Neumann 2003, o.S.) hat auch diese Plattform-Bauweise Einzug gehalten. Jeder einzelne Traktor ist vor seiner Fertigung als konkreter Auftrag in die Produktion eingestellt – und bereits verkauft. Er wird mit standardisierten Komponenten aber in einem hohen Maß an individualisierter Leistung montiert und ausgeliefert (Neumann 2003, o.S.). Der Plattformgedanke ließe sich – konsequent zu Ende gedacht – auch in der Medienbranche realisieren. Stichworte wie „Paper on Demand“ oder „News on Demand“ mit zielgruppenorientiert zusammengefassten – und bereits verkauften – individualisierten crossmedial zusammengestellten Informationspaketen, die vom Plattformgedanken als festes Gerüst ausgehen, können für den Anspruch einer zunehmend individualisierten Leistung in konkurrierenden Märkten stehen, auch wenn es für die multimediale „Plattform“ noch keine wirklich funktionsfähige technische Lösung gibt. Es gibt derzeit keine konkreten Beispiele für übertragende Benchmarking-Projekte im Medienumfeld – aber grundsätzlich ist der Gedanke zulässig und möglich. Nichts anderes sollte an dieser Stelle bewiesen werden.

224 4.4 Ordnung 2: Benchmarking-Varianten nach Objektgruppen Eine Typisierung verschiedener Benchmarking-Arten ist auf eine weitere Weise möglich. Die Aufgliederung nach Objektgruppen ist in der Praxis weit verbreitet. Am konsequentesten vielleicht argumentiert Jeffrey A. Schmidt (1992) in dieser Richtung. Er unterscheidet ƒ ƒ ƒ

strategisches, kundenorientiertes und kostenorientiertes Benchmarking.

„Im Idealfall nutzen Manager alle drei Möglichkeiten, um mit ihrer Hilfe funktionale Ziele oder Geschäftsbereichsziele vorzugeben und gleichzeitig Wege zu finden, um branchenoder weltweite Top-Standards (best practices) zu übertreffen“ (Schmidt 1992, S. 3). Towers Perrin (die Beratungsgesellschaft, der Schmidt zu diesem Zeitpunkt als Vice President vorstand) ermittelte diese Varianten aus konkreten Praxis-Projekten.

4.4.1 Strategisches Benchmarking Unternehmen sollen Wertschöpfung für ihre Anteilseigner erwirtschaften. Strategisches Benchmarking nun unterstützt diese, „indem es die wichtigsten ‚Shareholder Value’ schaffenden Kräfte in einer Branche oder einer ausgewählten Gruppe von Unternehmen identifiziert“ (Schmidt 1992, S. 4). Als Kennzahlen kommen beispielsweise das Verhältnis von Markt- und Buchwert eines Unternehmens oder die Höhe der Ausschüttung pro definiertem Anteil in Frage. Anhand solcher Faktoren lässt sich der Klassenbeste einer Branche herausfinden. Es ist derjenige, der für die genannten Bereiche höchste Werte aufweist. Für eine Ökonomie der Publizistik kann dieser Ansatz um die Begrifflichkeit ‚Stakeholder Value’ erweitert werden, um die Variabilität insofern zu erweitern, als andere strategische Steuergrößen als betriebswirtschaftliche integriert werden können. Strategisches Benchmarking endet nicht mit dem Kennzahlenvergleich. Viel wichtiger ist es, die Gründe zu ermitteln, die zu der optimalen Entwicklung führen. Auf der Suche nach diesen Gründen stößt man schnell auf grundlegende Prinzipien: So ist zum Beispiel Prozessqualität ein wesentliches Stichwort. Oft spielen der Grad der Dezentralisierung, die Aufsplittung in einzelne Profit Center, ein schlankes Management oder hohe Mitarbeitermotivation, gemessen an der Leistung der Belegschaft, sowie geringer Krankenstand und eingeschränkte Fluktuation eine Rolle. Diese Gründe gilt es, im Rahmen strategischer Vorgehensweise herauszufinden. Der Zahlenvergleich dient im Wesentlichen dazu, die Entwicklung des eigenen Unternehmens mit der des Klassenbesten zu vergleichen, um daraus Ziele abzuleiten. Das bedeutet: Strategien neu definieren und damit um die Erkenntnis, grundlegende Veränderungen herbeizuführen. Strategisches Benchmarking besteht aus zwei Komponenten. Zum einen geht es tatsächlich um die konsequente Formulierung von Zielsetzungen, um das Setzen von Benchmarks, die zumeist in mühsamer Kleinarbeit aus den Märkten quasi herausgelesen werden müssen (siehe die komplexe Operationalisierung der für den überregionalen und den lokalen Teil der Zeitung relevanten Benchmarks in Abschnitt 4.6). Zum zweiten aber geht es um die Einbringung erfolgreicher Verfahren, bahnbrechender Prozesse in die eigene Organisation (unter Berücksichtigung deren Besonderheiten). Es geht genau genommen um

225 Cover-Versionen, die das Original übertreffen. Was in der Geschichte der Rockmusik gang und gäbe ist, gehört damit prinzipiell auch in den Alltag der (Redaktions-)Manager. Gesucht sind betriebswirtschaftliche oder eben organisatorische Coverversionen (vgl. ausführlich zu diesem Aspekt Rau 1996a und 1997). Ein klassisches betriebswirtschaftlich orientiertes Beispiel: Ein Unternehmen der Ölund Gasbranche geriet aufgrund geringer Umsatzrendite in Schwierigkeiten. Ein genauer Blick auf die geplanten Profite führte zu einem strategischen Benchmarking-Ansatz. Der erste Schritt bestand im Entwurf eines neuen Entwicklungsplans, der wesentlich konservativere Rahmendaten enthielt, als sein Vorläufer. Dieser eröffnete beim Blick auf den kommenden Zeitraum von fünf Jahren eine klare Performance-Lücke: „Das Management wusste, dass es nicht genügen würde, die erkannte Lücke zu schließen, ein konzernweites Erneuerungsprogramm war gefordert“ (Schmidt 1992, S 8). Die Manager setzten strategisches Benchmarking ein, um die Branchenführer in ihrer Entwicklung in den letzten fünf Jahren zu betrachten. Dann projizierten sie diese auf die Entwicklung ihres eigenen Unternehmens im gleichen Zeitraum. Die Analyse bestätigte, dass die Spitzenunternehmen bei einigen Kostenfaktoren weit voraus lagen und dies auch so bleiben würde. Bei den Kapitalkosten, der kritischsten Größe, erreichten die Konkurrenten so zum Beispiel um zwei Drittel günstigere Werte. Dieses Ergebnis wurde als neue Zielsetzung formuliert. Das Unternehmen suchte nun nach Wegen, die Kennzahlen innerhalb der nächsten drei Jahre zu verbessern. Das Niveau der Vergleichsgruppe wollte man nach fünf Jahren erreicht haben. „Dieser neu aufgestellte strategische Plan schloss eine grundlegende Restrukturierung ein, öffnete eine weite Spanne von Maßnahmen zur Kostenreduktion und Steigerung Marketingeffizienz.“ (Schmidt 1992, S. 9). Zurück zum Forschungsobjekt dieser Studie: Die Jahre 2002 und 2003 zeigten vor allem bei den großen Tageszeitungsverlagen in Europa dramatische Einbrüche der Umsatzerlöse und führten nicht zuletzt zur Diskussion einzelne Zeitungstitel wegen wirtschaftlicher Erfolglosigkeit komplett einzustellen. Insbesondere ins Blickfeld geraten waren spätestens mit dem Jahresende 2003 der Berliner (Tagesspiegel) und der Frankfurter (Rundschau) Markt. Strategisches Benchmarking nach Schmidt kann gerade in solchen Situationen über den Vergleich mit anderen Medienunternehmen zu einer strategischen Neuausrichtung führen. Die Frage kann zum Beispiel lauten: Wie sieht das strategische Portfolio jener Unternehmen aus, die noch erfolgreich am Markt agieren und deren Umsatzrenditen nicht dramatisch eingebrochen sind. So könnte beispielsweise die Stuttgarter Medienholding (Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten) oder die Medien-Union der Ludwigshafener Verlegerfamilie Schaub, die maßgebliche Beteiligungen an der Stuttgarter Verlagsgruppe hält, im Zuge eines umfassenden Benchmarking-Prozesses näher analysiert werden. Dies wäre insbesondere auch deshalb interessant, da es der Medien-Union möglich war, auch der in schwieriges Fahrwasser geratenen Süddeutschen Zeitung im Jahr 2002 über eine Kapitalbeteiligung unter die Arme zu greifen. Auch hier ist Kreativität gefragt, da es schwierig sein dürfte, direkt bei den bekanntermaßen zurückhaltenden (vgl. Sandhu 2003, o.S.) Unternehmern der Medien-Union und selbst über dritte an originäre Informationen zu gelangen. Ebenso gut wäre strategisches Benchmarking in Nonprofit-Umgebungen ohne Schwierigkeiten denkbar, da es um beste strategische Lösungen geht, die nicht unbedingt eine monetäre Orientierung erfordern.

226 4.4.2 Kostenorientiertes Benchmarking „Wie John D. Rockefeller vor mehr als einem Jahrhundert bemerkte, wird, wenn alle übrigen, wertbestimmenden Elemente für den Kunden als gleich gelten, derjenige Wettbewerber mit den niedrigsten Kosten per Definition zum führenden Unternehmen. Kostenorientiertes Benchmarking kann sich im Bereich der Kostenstrukturen eines Unternehmens auf operative und organisatorische Komponenten ebenso, wie auf Techniken und Verfahrensweisen konzentrieren“ (Schmidt 1992, S. 9). Viele Probleme und fast alle Schwächen eines Unternehmens, auch die prozessinhärenten, lassen sich auf Kostenfaktoren reduzieren. Der Vorteil für das Benchmarking – diese Faktoren sind nahezu in allen Fällen in Form von Zahlen darstell- und damit vergleichbar. Im Sinne des kostenorientierten Benchmarking können die Produktionskosten, die direkten Kosten und ihre Aufteilung für die Herstellung bestimmter Produkte herangezogen werden. Je detaillierter eine Aufschlüsselung der Kosten möglich ist, umso besser, umso aussagekräftiger ist der anschließende Vergleich. Wenn sich Herstellungskosten nicht vergleichen lassen – das ist oft dann der Fall, wenn der Benchmarking-Partner nicht dem gleichen Geschäft entstammt –, können gezielt auch die Kosten der Organisation verglichen werden. Es geht also verstärkt um indirekte Kostenstrukturen und um Personalkosten, die direkt und indirekt von der jeweils vorzufindenden Prozessqualität eines Unternehmens abhängen. Auch in abgrenzbaren Branchen gibt es große Unterschiede in den Organisationsformen. So variieren die Zahl der Hierarchiestufen (nach Schmidt (1992, S. 9) gibt es in führenden Unternehmen (‚premier companies’) schätzungsweise ein Drittel weniger Management-Hierarchiestufen), der Kompetenzbereich vergleichbarer Ebenen, die Durchgriffstärke des Top-Managements und damit die Bereitschaft zur Umsetzung globaler Strategien oder auch das Maß an „Outsourcing“. Ein Thema das in jüngerer Zeit auch die redaktionelle Organisation von Tageszeitungen wie von Hörfunk- und Fernsehorganisationen beschäftigt. So hat zum Beispiel die Sächsische Zeitung über die Verselbständigung von Außenredaktionen ihre Prozessketten wesentlich verändert, was zu einer Veränderung der Hierarchiestufen und nach Schmidt auch zu einer Veränderung der Prozessqualität führen dürfte. So hat kostenorientiertes Benchmarking am Ende auch seine Daseinsberechtigung in der Ökonomie der Publizistik – über die hohe Transparenz der Kostenstrukturen lässt sich am Ende auch das Produkt bezogen auf die gesetzten Qualitätsmaßstäbe verändern. So schafft beispielsweise Kosteneffizienz in der Distribution Spielräume für die redaktionelle Gestaltung. Eine weitere Alternative des kostenorientierten Benchmarking in der Definition von Jeffrey A. Schmidt ist der Vergleich von Prozessen. Diese Variante lässt sich völlig abstrahieren und verlangt nur selten Partner, die in der gleichen Branche beheimatet sind. Hier bieten sich durchaus Chancen für eine Anwendung in Medienorganisationen. Schmidt unterscheidet dabei zwischen Planungs- und administrativen Prozessen. Die administrativen lassen sich im Kern auf Austauschprozesse reduzieren und sind damit mit Hilfe von Durchlaufzeiten, zusammengefasstem Arbeitsaufwand und ähnlichen Variablen darstellbar. Auch ein solcher Bezug ist zum Vergleich in Redaktionen herstellbar. Aber auch hier gilt: Die Planungsprozesse stellen ein größeres Problem für Benchmarker dar. Für Schmidt geht es hier um Entscheidungsprozesse, um strategische Planung, um Budgetierung, um „wissensbasierte Prozesse“, die wesentlich schwieriger zu benchmarken sind, „weil sie eine viel größere Spannweite qualitativer Variablen, wie Managementstil und Unternehmenskultur einschließen“ (Schmidt 1992, S. 10). Im redaktionellen Umfeld findet man eine Vielzahl

227 dieser Planungsprozesse, die gemäß dieser Betrachtungsweise schwer zu operationalisieren sind. Sicherlich hat die Kostenorientierung im internen Benchmarking ihre größte Daseinsberechtigung. Am Beispiel einer Gruppe selbständig agierender Vertragshändler lässt sich kostenorientiertes Benchmarking besonders gut nachvollziehen. Die Liste der vergleichbaren Kostenfaktoren zwischen einzelnen selbständigen Autohäusern der gleichen Marke zum Beispiel oder Unternehmen, die in Franchising-Formen geführt werden (McDonalds, Eismann etc.) ist unüberschaubar lang. Eine vergleichende Gemeinkostenanalyse kann zum Beispiel Defizite gut aufdecken und Entwicklungslücken aufzeigen. Hinzu kommt die Möglichkeit, Deckungsbeitragsrechnungen gegenüberzustellen. Einzelne Positionen lassen sich auch direkt vergleichen, zum Beispiel der Aufwand für die Lagerhaltung von Ersatzteilen, die Kosten für Hilfsstoffe wie Schmiermittel abhängig vom Ertrag des Werkstattbereiches, Personalkosten, aufgesplittet nach einzelnen Unternehmenseinheiten wie im Autohaus beispielsweise Verkauf Neuwagen, Verkauf Gebrauchtwagen, Ersatzteile, Werkstatt, Buchhaltung und ähnliche Positionen. Einige Hersteller haben ausgefeilte Systeme entwickelt, um ihre Vertragshändler einem Ranking zu unterziehen, aus dem klare Vorgaben abgeleitet werden. Dieses Instrument erlaubt zwar, die einzelnen Vertragshändler massiv unter Druck zu setzen. Trotzdem sind die Vorteile, die jedes einzelne Autohaus aus dem Vergleich mit im direkten Markt nicht direkt konkurrierend auftretenden Unternehmen ähnlicher oder gleicher Prägung ziehen kann, nicht zu unterschätzen. Ohne die Gegebenheiten im Einzelnen darzustellen und die zur heutigen Situation hinführenden Prozesse zu beschreiben, soll hier beispielhaft die vielfach Konkurrenz ausschließende wirtschaftliche Situation von Tageszeitungen in Deutschland herangezogen werden, um die Möglichkeiten für kostenorientiertes Benchmarking näher zu erläutern. In Deutschland (altes Bundesgebiet und durch die Vergabepraxis (Treuhandanstalt) in den beginnenden 1990er Jahren auch in den neuen Ländern, vgl. Schütz 1996, Röper 2002) hat sich durch Konzentrationsprozesse in vielen Regionen eine im Vergleich mit anderen Branchen markttechnische Besonderheit herausgebildet. In den meisten Großregionen ist eine mögliche Konkurrenz zwischen Zeitungsverlagen faktisch ausgeschaltet. Vielerorts – Ausnahmen bestätigen die Regel – liegt die „regionale Informationshoheit“ bei monopolistischen Anbietern. Lediglich an den Rändern der Verbreitungsgebiete ist ansatzweise Konkurrenz zu spüren. Eine für diese Zusammenhänge idealtypische Region ist nach wie vor das Rhein-Neckar-Dreieck mit den drei Zeitungen Mannheimer Morgen (Mannheim, Verlagsgruppe Haas), Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg, erste lizenzierte Zeitung in Deutschland – seinerzeitiger Lizenznehmer war Theodor Heuss – heute im Besitz des Familienunternehmers Wilfried Knorr), Rheinpfalz (Ludwigshafen, Medien-Union der Verlegerfamilie Schaub, zur der neben der Flächenzeitung Rheinpfalz auch die Freie Presse (Chemnitz) sowie maßgebliche Anteile an der Stuttgarter Zeitungsholding und über die Stuttgarter Holding eine ausgewiesene Beteiligung an der Süddeutschen Zeitung gehört). Die Region um den Zusammenfluss von Rhein und Neckar ist für Anzeigenkunden auch als Kombination in allen drei Blättern buchbar, es gibt eine vergleichsweise enge Kooperationen der ausschließlich außerhalb der Kernverbreitungsgebiete (Bergstraße, Schwetzingen, Worms, Speyer) redaktionell konkurrierenden Blätter. Solche Konstrukte mögen aus der Sicht einer für die journalistische Qualität wünschenswerten Konkurrenzsituation nicht wirklich befriedigend sein, sie sind jedoch vielerorts in Deutschland eine Tatsache, die auch die seit Mitte der 1970er Jahre verschärfte Re-

228 gelung der Pressefusion nicht vermeiden konnte. Der Ausschluss von Konkurrenz macht es aber auch möglich, dass sich quer durch die Republik in ihrer Größe vergleichbare Einheiten der gleichen Branche finden lassen. So können zum Beispiel so genannte Einkreiszeitungen in ihren Kostenstrukturen hervorragend verglichen werden – und zwar sowohl was die hierarchischen Strukturen als ganz generell die administrativen Kosten, die – für einen Zeitungsbetrieb elementaren – Kostenblöcke der Distribution, die Kostenstrukturen der Redaktion also (redaktionelle Kosten pro hergestellter Druckseite zum Beispiel). Die Kunst der mit dem Benchmarking-Prozess Beauftragten liegt nun insbesondere in der Wahl der Partner, die sich von der Struktur her gesehen ähneln sollten – insgesamt jedoch dürften sich aufgrund der durch das Statistische Bundesamt gut aufbereiteten Daten für unterschiedliche Regionen in Deutschland (vgl. die aktuellen Statistischen Jahrbücher) und die parallel verfügbaren Datensätze des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (in den regelmäßig publizierten BDZV-Jahrbüchern verfügbar) diese Partner recht schnell ausmachen lassen. Dieses Beispiel macht ersichtlich: Durch seine Flexibilität kann Benchmarking „vielen Herren“ dienen – in Verbindung mit einer Ökonomie der Publizistik zeigt sich, dass ein wesentliches Kriterium die Haltung desjenigen ist, der die Arbeitstechnik verwendet. In einem rein redaktionellen Ansatz hilft die neu gewonnene Kostentransparenz dabei, die Organisation an „publizistischer Effizienz“ auszurichten. Diese lässt sich, gemäß des hier gewählten offenen ökonomischen Ansatzes frei definieren.

4.4.3 Kundenorientiertes Benchmarking Im Zuge des kundenorientierten Benchmarking geht es darum, Lücken zwischen dem Bedarf beziehungsweise dem Anspruch der Kunden und dessen Befriedigung festzustellen. Eingeschlossen darin ist selbstverständlich die Analyse der Werte, die die wichtigsten Konkurrenten bei der Befriedigung von Kundenanforderungen erreichen. „Kundenorientiertes Benchmarking lässt sich durch einen vierstufigen Prozess beschreiben: ƒ ƒ ƒ ƒ

Attribute identifizieren, die beim Kunden die Wahrnehmung von Wert beeinflussen! Unternehmensentwicklungen steuern! Entwicklung und Standing von Wettbewerbern analysieren! Lücken zwischen der gegenwärtigen Entwicklung und den Kundenerwartungen schließen!“ (Schmidt 1992, S. 11).

Das größte Problem stellt in diesem Zusammenhang die Ermittlung konkreter Benchmarks und ihre Messbarkeit dar. In der Literatur beschäftigen sich viele Autoren immer wieder und sehr eingehend mit der Thematik von Kundenzufriedenheitsmessungen. Durch die Abhängigkeiten in der dualen Ökonomie liegt in der Medienwirtschaft der am ehesten nachvollziehbare Schwerpunkt in einer Rezipientenorientierung. Mit dieser Maßgabe kann der vierstufige Prozess nach Schmidt entsprechend interpretatorisch umgesetzt werden, wobei durch die gegebenermaßen hohe Divergenz im Publikum die besondere Schwierigkeit in der Identifikation der Attribute liegen dürfte, die beim Rezipienten die Wahrnehmung von Wert beeinflussen. Aber vielleicht liegt gerade in der Analyse und Erforschung dieser Zusammenhänge der eigentliche Schlüssel für ein faktisch fundierbares Benchmarking-Konzept. Ein gesonderter Hinweis sei hier auch noch einmal auf den an dritter Stelle

229 genannten Faktor gegeben. Durch das zunehmend crossmedial angelegte Informationsverhalten des Rezipienten, ist der Faktor der Wettbewerbsentwicklung nicht mehr länger auf das intramediäre Branchenumfeld sondern eben in zunehmendem Maß auf das intermediäre Verhältnis konkurrierender journalistischer Angebote zu richten. Die Chance zukunftsorientiert zu benchmarken liegt demnach genau in einer konsequenten Rezipientenorientierung. Auch das im weiteren Verlauf vorzustellende Leipziger Benchmarking-Projekt folgt dieser Auffassung und entwickelt die relevanten Benchmarks stets aus Sicht des Rezipienten.

4.5 Ordnung 3: Objekte des Benchmarking Im Sinne der hier verwendeten Definition argumentiert, geht es nicht allein darum, die besten der entdeckten Arbeitsweisen zu übernehmen. Vielmehr steht immer wieder der Prozess der Innovationsfindung im Blickpunkt des Geschehens. Horváth und Herter (1992, S. 7) unterscheiden Formen des Benchmarking nach gewählten Objekten. Dabei sind innerhalb eines „morphologischen Kastens“ alle Objekte auf alle Zielgrößen und Vergleichspartner beziehbar (vgl. Abb. 9). Für die Arbeit in der Redaktion bietet dieser „morphologische Kasten“ eine gute Möglichkeit der Klassifizierung. Das Leipziger Benchmarking-Projekt zum Beispiel lässt sich gut verorten – auf der Objektebene stehen konkrete redaktionelle Produkte im Fokus, die Zielgröße ist in einer selten für journalistische Zusammenhänge so klar formulierter Weise die Qualität. Schwierig ist bei Alledem die Verortung auf der Ebene der Vergleichspartner. Schließlich hebt sich hier das Leipziger Benchmarking-Projekt über viele Erfahrungen heraus, indem aus nicht wirklich konkurrierenden Objekten anderer redaktioneller Qualitäten ein Prototyp entwickelt wird. So gesehen stellt sich Benchmarking im Bereich der Redaktion auf eine neue Stufe. Parameter

Ausprägung des Parameters

Objekt

Produkte

Methoden

Prozesse

Zielgröße

Kosten

Qualität, Kundenzufriedenheit

Zeit

Vergleichspartner

andere Geschäftsbereiche

Konkurrenten/ gleiche/ identifizierte andere Klassenbeste Branche

Abbildung 11: Formen des Benchmarking in Anlehnung an Horváth und Herter (1992, S. 7, erweitert). Es besteht auch die Möglichkeit, eine Rangfolge der Benchmarking-Objekte zu bilden, die sich auf die im Vorfeld bereits erläuterten Arten des Benchmarking bezieht. Je weiter man

230 in der Tabelle von links nach rechts schreitet, umso komplexer und gleichzeitig abstrakter werden die Inhalte des Benchmarking. Je weiter man in der linken Spalte der Zielräume nach unten rückt, umso schwieriger und zeitaufwendiger gestalten sich BenchmarkingProgramme. In einer erweiterten Interpretation lässt sich auch zeigen, dass die Beschäftigung mit Kennzahlen auf interner, konkurrenzbezogener, funktionaler oder generischer Vergleichsebene im Grunde stets zu einem Infragestellen von Prozessen und Strategien führen wird. Kennzahlen

Prozesse

Strategien

intern konkurrenzbezogen funktional generisch Abbildung 12: Wachsende Abstraktions- und Komplexitätsgrade (horizontal wie vertikal) in Abhängigkeit vom Benchmarking-Objekt (Kennzahlen, Prozesse und Strategien) und dem Zielraum der Vergleichs-Recherche (eigene, branchenverwandte, branchenfremde Organisation) (in Anlehnung an Rau 2000b). Für die zukünftige Benchmarking-Arbeit in den Redaktionen bedeutet dies: Eventuell kann man sich von reinen Kennzahlenvergleichen (auch solchen an Prototypen entwickelten Benchmarks) hin zu einem Vergleich von Prozessen und Strategien entwickeln. Genau diese Verortung in einem System fortschreitender Komplexität schlägt die Brücke zur Anwendung von Benchmarking als Element zur Qualitätssteigerung in publizistischen Umgebungen. So führt der reine Kennzahlenvergleich – zum Beispiel die Analyse der Variabilität von Darstellungsformen oder die inhaltliche Analyse mit der Kennzeichnung der Zahl der von Journalisten genutzten Quellen – beinahe gezwungenermaßen zu einer Auseinandersetzung mit den redaktionellen Prozessen – der Themenwahl und –verteilung beispielsweise oder der pro gefertigtem Beitrag gewährten Recherchezeit. Am Ende der Komplexitätskette stehen die grundlegenden Strategien der Medienunternehmung und damit auch die prägende Basis eines journalistischen Selbstverständnisses und einer Verortung im gesellschaftlichen Zusammenhang. Damit aber dringt Benchmarking – interessanterweise allein schon weil erfasste Kenn- und damit Prozessgrößen eine vergleichende Operationalisierung grundlegend ermöglichen – in das Herz der Qualitätsdiskussion. Dies kann wiederum geschehen, ohne eine Verschränkung mit der monetär-gewinnmaximierenden betriebswirtschaftlichen Welt der Medienunternehmung zu provozieren. Benchmarking beweist sich so als funktionsfähiges Instrument zur Qualitätssteigerung. Einen interessanten Einstieg in die Objektwahl bietet auch Michael J. Spendolini: „Der Auswahlprozess, für die Benchmarking-Objekte beginnt mit einer grundlegenden Frage: Wer ist der Kunde für die Benchmarking-Information? Kunde bedeutet in diesem Zusammenhang Nutzer. Wenn erst einmal die Basisanforderungen der Informations-Nutzer verstanden sind, kann der Prozess spezifischer Messungen beginnen“ (1992, S. 53 ff.). Spendolini geht dabei davon aus, dass mit der Datensammlung und Messung nicht jene Mitarbeiter befasst sind, die in den entdeckten Schwachpunktbereichen arbeiten. In der Auswahl

231 konkreter Vergleichsobjekte und damit in der Beschränkung des Rechercheraumes liegt im Sinne von Spendolini die hohe Kunst des Benchmarking. Mit Bezug auf publizistische Prozesse geht es – ähnlich wie bei der Arbeitstechnik Marketing – um eine Emanzipation der publizistischen Akteure. Spendoline glaubt, dass viele Organisationen aufgrund fehlender Strategien im Rahmen von Benchmarking-Programmen mehr Fragen als Antworten produzieren: „Sie verpassen, eine klare Botschaft oder Absicht ihrer Bemühungen zu formulieren, sie vergessen ihre eigenen Prozesse richtig zu verstehen und zu dokumentieren, sie forschen nicht durchgängig nach den Organisationen, die wirklich die höchsten Standards (best practices) repräsentieren, sie bereiten sich nicht ausreichend auf die Treffen mit den Benchmarking-Partnern vor, und diese Liste ließe sich noch verlängern. Das Ergebnis die Benchmarking-Bemühungen sind schlecht geplant und betreut.“ (1992, S. 53 ff.). Aspekte, die in einer Ökonomie der Publizistik nicht unerwähnt bleiben dürfen.

4.6 Benchmarking für die Redaktion 4.6.1 Der Fokus Tageszeitung im Leipziger Benchmarking-Projekt 4.6.1.1 Orientierungsfunktion als zentrale Größe im Ansatz für die Tageszeitung Für den redaktionellen Teil der Tageszeitung müssen nach Haller (2003, S. 175) ƒ ƒ ƒ

quantifizierbare Merkmale, die für die journalistische Leistung aussagekräftig sind, ermittelt, ein zuverlässiges Messinstrument eingerichtet sowie für jedes Merkmal eine Bezugsgröße gefunden werden.

Funktioniert dieses Verfahren, dann lassen sich, so Haller, die Leistungsmerkmale in einem Vergleichstest wie in anderen Branchen auch ermitteln und anhand der Bezugsgrößen bewerten. Zielorientiertes Benchmarking müsse im Zeitalter von Cross- und Multimedia wachsenden Wettbewerbsdruck für Tageszeitungen berücksichtigen, die zurückgehende Reichweite, die geschwächte Leser-Blatt-Bindung, das Versagen der Dualen Ökonomie. Haller beschreibt darüber hinaus den „Verdrängungswettbewerb“, der „in den Köpfen der meisten Zeitungsleser“ stattfindet: „Dort wird tagtäglich die Zeitungslektüre mit dem verglichen, was man über andere Medien aufnimmt bzw. aufgenommen hat. Aus der Mediennutzungsforschung wissen wir, dass die meisten Menschen mit ihren Medien gattungsspezifisch umgehen: mit dem Hörfunk als begleitender Geräuschteppich sowie für flüchtige News, die Fernsehprogramme für aktuelle Nachrichten und Unterhaltung, die abonnierte Tageszeitung indessen vor allem als Orientierungsmedium.“ (2003, S. 176). Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität Leipzig wurden 1998 und 1999 in mehreren Verbreitungsgebieten qualitative Nutzungsstudien durchgeführt. Aus diesen Daten ergibt sich für Zeitungsleser folgendes Nutzungsspektrum: ƒ

Vier von fünf Zeitungslesern (81 Prozent) interessieren sich für überregionale Berichte und Meldungen (In- und Ausland, Vermischtes); sie verlangen nach Orientierung über

232

ƒ ƒ ƒ

das, was wichtig und was folgenreich ist (im Unterschied zur Nutzung der flüchtigen Medien Hörfunk und Fernsehen). Drei von vier Lesern (76 Prozent) interessieren sich für das Lokale als Forum ihrer Alltagswelt und wollen hier umfassend orientiert sein. Zwei von fünf Lesern (38 Prozent) interessieren sich für ihr Bundesland (die Region (unter Einbezug der Landespolitik) und erwarten eine genaue Orientierung. Alle übrigen Themenressorts untergliedern das Lesepublikum in unterschiedlich große Zielgruppen (zwischen acht Prozent Feuilleton und 35 Prozent Sport, Reisen, Freizeit).

Die Orientierungsfunktion mache die Kernkompetenz der Regionalzeitung aus. Sie sei nicht der einzige, jedoch der wichtigste Bezugspunkt für eine vergleichende Beurteilung ihrer journalistischen Qualität. Die Frage lautete: An welcher Norm könne man diese Funktionsleistung messen? Und die Anschlussfrage: Wie könne man ermitteln, ob die Zeitung X ihre Orientierungsfunktion hinreichend realisiert? Der Ansatz der Leipziger Forschung bezieht Qualitätsmessung im Sinne eines Benchmarking-Prozesses auf ein konkretes Anforderungsprofil. Man muss hier also nicht einmal die in dieser Arbeit geleistete Qualitätsdiskussion vorwegnehmen, weil die Forderung nach einer Konkretisierung der Leistungsqualität bereits vollzogen ist. Im Unterschied zu den in den ersten Kapiteln dieser Arbeit entwickelten Zugangsmöglichkeiten über den Faktor meritorische Qualität, wählen Haller und das Leipziger Benchmarking-Team ein analytisch und beinahe deduktiv gewonnenes Profil der Tageszeitung über den Faktor Orientierungsfunktion. Die funktionale Auffächerung erlaubt einen konsequenten Zugang zum Instrumentarium der betriebswirtschaftlichen Arbeitstechnik Benchmarking. Dabei hätte Haller neben der Orientierungsfunktion eine Vielzahl weiterer Funktionen in die Betrachtung einbeziehen können. Allerdings erschließen sich die Unterhaltungsfunktion oder die Fachinformationsfunktionen der Ressorts und auch die Diskursfunktion des Kulturteils kaum einer systematischen – im BenchmarkingProzess geforderten – Vergleichbarkeit. Und so wird die Orientierungsfunktion für das Leipziger Projekt definiert: „Der redaktionelle Anspruch, der sich mit dieser Orientierungsfunktion verbindet, könnte so lauten: Wir wollen, dass unsere Leser über alles Wichtige auf möglichst interessante Art so ins Bild gesetzt werden, dass sie das aktuelle Geschehen verstehen (begreifen, einordnen und bewerten) und – im Lokalen und Regionalen – für sich verwerten können. Wird dieser Anspruch nicht eingelöst, verliert die Zeitung ihr Spezifikum und läuft Gefahr, bei Gelegenheit (etwa der nächsten Abonnement-Preiserhöhung) durch einen billigeren MedienMix ersetzt zu werden. Die qualitative Nutzungsforschung (wie: Abbestelleranalysen) in strukturschwachen Regionen zeigte uns, dass auf das Abonnement der Tageszeitung um so eher verzichtet wird, je geringer ihre Orientierungsfunktion ausgeprägt ist.“ (Haller 2003, S. 188). Eine Lokalzeitung beispielsweise, die sich damit begnügen würde, im überregionalen Nachrichtenbereich nur ein Ergänzungsmedium zu sein, würde im Zweifelsfalle durch andere nutzwertige Lokalmedien ersetzt, etwa durch einen Mix aus lokalem Hörfunk und Anzeigenblatt plus Web-Dienste. Umgekehrt würde eine Regionalzeitung trotz ihres vielleicht hervorragenden Nachrichtenteils als unzureichend empfunden, wenn ihr Lokalteil die Orientierungsfunktion nicht hinreichend erfüllte und zu wenig Nutzwert biete.

233 4.6.1.2 Benchmarking: Leistungsnorm für Screeningprozesse Das Leipziger Modell lässt auch einen anderen Kritikpunkt nicht gelten. Man könnte aus sicht der Skeptiker nämlich auch behaupten, dass die verschiedenen Leserforschungsinstrumente (von Copytests über Opus-Techniken bis zu Repräsentativerhebungen) genügend Hinweise und Strukturdaten über die Art und Weise der Mediennutzung lieferten; mit ihnen könnten bis zu einem gewissen Grade Produktschwächen identifiziert werden. Die konkreten Forschungen im Lesermarkt jedoch zeigen, dass eine Bewertung von Medienqualität häufig scheitert, weil sie viel zu komplex und für die „meisten Leser auch zu fachgebunden“ sei (Haller 2003, S. 178), um sie per Fragebogen, Interview oder Gruppengespräch hinreichend konkret und differenziert zu ermitteln. Darum sind die meisten Erhebungen recht abstrakt oder allgemein gehalten, mit der Folge, dass die Redaktionen ihnen keine praktische Aussagekraft zuschreiben (vgl. Ruzas 2002). Haller: „Aufschluss kann da nur die Beziehung (= Nutzungsweisen, Beurteilungen, Erwartungen) zwischen Rezipienten und Medienangebot selbst geben, sofern valide Qualitätskriterien zur Verfügung stehen. Also müssen die von den Lesern genannten Anforderungen für die Tageszeitung nach Maßgabe unstrittiger Kriterien des journalistischen Zeitungshandwerks operationalisiert werden. Die Schnittlinie dieser zwei Bezugsebenen ergibt ein Profil (Kategorien). Dieses liefert die Messpunkte für die kontinuierliche, vergleichende Analyse des journalistischen Medienangebots in Form eines Screening (zum Beispiel pro Monat sechs Zeitungsausgaben). Nimmt man nun zu jeder Kategorie eine Leistungsnorm als Referenz (= Bezugsgröße), so verwandelt sich das Screening in ein Benchmarking“ (vgl. Haller 2001b, 255ff.). Das Leipziger Projekt geht dabei im Wesentlichen zweistufig vor und entwickelt zum einen ein Benchmarking-Modell für den überregionalen Nachrichten-, zum anderen eines für den Lokalteil. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, da sich nur so wirklich operationalisierbare Kriterien generieren lassen und, was viel entscheidender ist, die richtigen Bezugsgrößen, die „Klassenbesten“ definieren lassen. Man könnte in einem weitergehenden Modell auch einzelne Ressorts benchmarken. Dies jedoch würde eine umfassende Analyse erfordern, um die Branchenbesten jeweils zu ermitteln. Auch wäre es schwierig, einen klaren Konsens über die gewählten Benchmarks zu erzielen. Insofern tun die Leipziger gut daran, das Benchmarking-Projekt auf der beschriebenen Ebene festzuzurren (empirische Daten: vgl. Haller 2000b, S. 44-47).

4.6.2 Benchmarks für den überregionalen Nachrichtenteil Der Leipziger Ansatz wählt in den Medienwissenschaften einen durchaus ungewöhnlichen Zugang, der jedoch Ökonomen durchaus vertraut ist. Die zentrale Frage für die Analyse der Benchmarks für den überregionalen Teil von Tageszeitungen ist die nach der Referenz: Wer entscheidet, was relevante Nachrichten sind? Haller (2003, S. 179): „Es wäre unsinnig, hier wissenschaftlich ermittelte Nachrichtenwerte als Quasi-Autorität anzurufen, denn diese ermitteln ja nur post fest, was der Fall ist. Ausgangspunkt kann nur das Informationsverhalten selbst sein. Jeden Abend sehen mehr als zwei Drittel der Zeitungsleser die Fernsehnachrichten. Bruchstücke davon haben sie noch im Gedächtnis, wenn sie am andern Morgen ihre Zeitung aufschlagen. Also müssen die Fernsehnachrichten des Vorabends in die Untersuchung einbezogen werden. Doch was davon sind wichtige Nachrichten, was bedeutungs-

234 lose? Den aus unserer Sicht validen Maßstab liefern – nach dem Modell des Branchenbesten – die Nachrichtenjournalisten selbst, denn sie sind hierin kompetent: Relevant ist das, was die unstrittig besten Nachrichtenredaktionen für wichtig erklären. Dies sind solche Redaktionen, die a.) im Nachrichtenmarkt erfolgreich sind, die b.) in der Journalistenbranche als besonders professionell und c.) bei den Mediennutzern als attraktiv (aktuell) und glaubwürdig gelten. Für die deutschen Fernsehprogramme trifft dies auf die reichweitenstärksten Abendnachrichten „RTL aktuell“ (für die Privaten) und die „Tagesschau“ (für die Öffentlich-Rechtlichen) zu. Im deutschen Printbereich gelten in der Branche die Nachrichtenangebote der drei überregionalen Tageszeitungen „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine“ und „Welt“ als Maßstab – unbesehen ihrer Unterschiede im politischen Profil. Übrigens liegt der Redaktionsschluss der Bundesausgaben dieser drei Blätter in etwa zeitgleich mit dem der genannten Fernsehnachrichtensendungen.“ Drei Benchmarking-Ebenen ermittelt Haller und gibt damit dem Leipziger Projekt einen Rahmen: Benchmarking auf der ersten Ebene: Nachrichten, die von den Redakteuren dieser fünf Redaktionen zur selben Zeit übereinstimmend ausgewählt und veröffentlicht werden, sind unstrittig relevant. Die Schnittmenge aus dem Informationsangebot dieser fünf Referenzmedien repräsentiert demnach das relevante Nachrichtengeschehen und erzeugt somit eine Liste der Topthemen – sozusagen der „virtuelle Konsens“ unter Deutschlands kompetentesten Nachrichtenjournalisten. Jede Regionalzeitung, die ein primäres Informationsmedium zu sein beansprucht, sollte diese Topthemen ebenfalls ausgewählt haben und anbieten. Fehlen immer wieder bestimmte Themen aus dieser Topliste (etwa: Vorgänge aus der Wirtschaft, Ereignisse aus bestimmten Weltregionen), dann weist das Nachrichtenangebot ein strukturelles Defizit auf, das auch viele der fernsehenden Leser (früher oder später) bemerken. Benchmarking auf der zweiten Ebene beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Regionalzeitung als Gattung positionieren kann und so ihre gegenüber dem Fernsehen umfassendere, tiefer gehende, auf Orientierung angelegte Informationsleistung unter Beweis stellt. Die zweite Ebene erfasst damit, inwiefern die Regionalzeitung ƒ ƒ ƒ ƒ

mehr Sachinformationen als die Fernsehnachrichten (= höhere Informationsdichte durch Eigenleistungen), Hintergrundinformationen zur Einordnung, auch zur Erklärung des Geschehens bieten (= flankierende Beiträge wie: Hintergrundbericht, Stichwort-Kasten, Infografik, Interview), den Lesern Angebote zur Beurteilung und Bewertung machen (Kommentare, Leitartikel, Glossen, Gastbeiträge), die Nachrichten attraktiv präsentieren (wie: illustrierende Bildbeiträge; Mix aus unterschiedlichen Darstellungsformen; über die Titelgebung weiterführende Perspektiven vermitteln) (Aufzählung nach Haller 2003, S. 180)

Dazu werden im Benchmarking-Team von Leipzig alle Fernsehnachrichten, die sich auf die erkannten Topthemen beziehen, codiert und mit den Berichten der Zeitungen abgeglichen. Jede zusätzlich aufgenommene Sachinformation wird über das Codebuch erfasst, ebenso ob und wie zusätzliche „Stücke“, „Hintergründe“, Bildelemente, Glossen oder Kommentare in

235 der Zeitung zum Topthema berücksichtigt werden. Diese Benchmarking-Ebene führt zu einem klaren Urteil darüber, ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

ob die Zeitung nur gerade das Niveau der Fernsehnachrichten bietet, ob sie umfassender informiert (und wenn ja: wie umfassend), ob und wie viel sie zusätzlich an Hintergrund und Deutungshilfen anbietet, ob und wie sie diese Topthemen mit Zusatzelementen attraktiv macht, ob sie damit in der Lage ist, die gesetzte Benchmark zu erreichen oder gar zu übertreffen und an welchen Punkten noch Defizite bestehen und die Regionalzeitung über den Benchmarking-Prozess zu einer neuen Qualität kommen kann.

Benchmarking auf der dritten Ebene: Weil zur Orientierungsfunktion der Zeitung auch ihre Exklusivleistung als Gattung gehöre, führt Haller (2003) als dritte Benchmark diese weitere Ebene ein. Seine Frage: „Welche überregionalen Nachrichten sollte eine Tageszeitung zusätzlich zu den Fernsehnachrichten bieten, damit der Zeitungsleser sich besser informiert weiß? Bezugspunkt sind hier die drei überregionalen Zeitungen: Die Nachrichten, die diese drei Blätter – aber keine der beiden Fernsehnachrichtensendungen – überstimmend bringen, nennt das Leipziger Benchmarking-Team „exklusive Informationsleistungen der Gattung Tageszeitung“. Bekanntlich verfügen diese drei Zeitungen über einen umfangreichen Nachrichtenteil, sie können deutlich mehr unterbringen als eine Regionalzeitung. So gesehen bedeutet die Schnittmenge der von den drei Zeitungen selektierten Nachrichten das Maximum dessen, was eine Regionalzeitung zu bieten vermag – es ist sozusagen der Branchenbeste. Die qualifizierende Frage sowohl der Regionalzeitungsredaktion wie seiner Leser lautet: Bringt das Regionalblatt nur zehn Prozent dieser Schnittmenge oder vielleicht doch zwanzig oder dreißig? Vernachlässigt es bestimmte Themenfelder (und wenn ja: macht dies Sinn?) oder hat es immerhin dieselbe Themenstruktur? Bietet es nur, was von dpa kommt (und darum auch den meisten elektronischen und Online-Medien zur Verfügung steht), oder kann es auch noch eigene Quellen präsentieren, das Thema gar auf das Verbreitungsgebiet beziehen? Man denke in diesem Punkt zum Beispiel an die ausgesprochen erfolgreiche Initiative der „Drehscheibe“ (Regionalpresse), die in den 1980er Jahren unter den Titeln „Bonn in den Lokalteil“ oder „Europa in den Lokalteil“ zahlreiche Veröffentlichungen in Regionalzeitungen förderten, die die „hoch politischen“ Themen aus Bonn und Brüssel herunterbrachen. So gesehen waren auch die Bemühungen der DrehscheibeRedaktion eine Aktivität, die dem Setzen von Benchmarks (durch die Auswahl und Publikation von herausragenden Beispielen anderer Regionalzeitungen) in einem Ausschnittfenster gleichkommt. In ganz ähnlicher Weise wie das Leipziger Projekt wurden seinerzeit Benchmarks gesetzt, an denen sich jede Redaktion messen konnte. Haller (2003, S. 180) merkt zusätzlich an, dass die von ihm im Leipziger Benchmarking-Projekt getroffene Definition von Exklusivität möglicherweise viele Journalisten wundern macht, zumal insbesondere Chefredakteure auf Exklusivleistungen nur ihrer Redaktion besonders stolz wären: „Tatsächlich aber zeigen Leserbefragungen, dass die Informationsleistung der Zeitung am Angebot der elektronischen Medien gemessen wird. Den Lesern ist es gleichgültig, ob eine andere Regionalzeitung in einer anderen Region dieselbe Nachricht bringt. Nur dort, wo Tageszeitungen in einem direkten Wettbewerb stehen, funk-

236 tioniert echte Exklusivität als Qualitätsmerkmal; und selbst dort ist sie in den Augen der Leser nachrangig gegenüber den Merkmalen „Zuverlässigkeit“ und „Attraktivität“.“

4.6.3 Benchmarks für den Lokalteil von regionalen Tageszeitungen Die Problematik für den Lokalteil liegt auf der Hand. Benchmarking braucht den Vergleich – und Vergleichsobjekte gibt es im Bereich der Lokalzeitung in den meisten deutschen Regionen nicht. Dort wo Konkurrenz ausgeschalten ist, scheint Benchmarking kaum möglich (vgl. Abschnitt 5.3). Dies gilt natürlich nur dann, wenn man – wie im Leipziger Projekt aufgesetzt – konkurrenzbezogene oder zumindest branchenbezogene Benchmarks entwickelt. Ansätze aus den erweiternden, zumeist branchenübergreifenden Konzepten sind natürlich weiterhin möglich. Doch auch im direkten Branchenumfeld findet das Team eine Möglichkeit, Benchmarking an Bezugsgrößen zu verorten. Inhaltsanalysen von Lokalzeitungen in verschiedenen Städten hatten eine große Zahl von Übereinstimmungen aufgezeigt: „Vor allem die Themengebiete, die Zusammensetzung der Handlungsträger (Akteure) und der Informationsgeber (Urheber/Quellen) sind selbst in unterschiedlichen Regionen des deutschen Sprachraums strukturell ähnlich. Offenbar erzeugen Städte mit regionaler Zentrumsfunktion ab einer Größe von etwa 40.000 bis 50.000 Einwohnern eine konsonante Themenstruktur. Hierzu gehören zum Beispiel Ereignisthemen rund um die Ver- und Entsorgung, um Sicherheit und Verkehr, behördliche Verwaltungen, die Freizeit- und Veranstaltungskultur, die Rechtspflege, die Ausbildung und – eingeschränkt – die lokale Wirtschaft.“ Auf Basis dieser Daten entwickelten die Leipziger einen „Prototyp des lokalen Nachrichtenspektrums“ (zu der empirischen Fundierung vgl. Haller 2001a). Diese Verfahrensweise ist auch im Sinne der Qualitätsdiskussion ein elementarer Gewinn, vermeidet sie doch definitorische Irritationen und beschreibt sie doch über ihre klaren Handlungsstrukturen eine auch wissenschaftlichen Kriterien genügende Praxis der qualitativen Veränderung, ohne zwingend eine konsequent-normative Aussage darüber treffen zu müssen, in welche Richtung diese qualitative Veränderung deutet. Eine erste Benchmark für den Lokalteil misst die Struktur ihres Nachrichtenangebots: Zunächst werden während mehrerer Monate die Frequenzen ermittelt, mit denen Themen und Akteure abgehandelt werden. Dann werden die Daten mit dem Prototyp – dem virtuellen Referenzmedium – verglichen. Zeigen sich markante Abweichungen, dann besteht Grund, nach den Ursachen zu forschen. An dieser Stelle sei für Details solcher fragenden Ansätze auf Haller (2003, S. 182 f.) verwiesen. Soviel sei jedoch gesagt: Immer wieder gibt diese Art der Recherche Hinweise darauf, dass ein Defizit oder zumindest eine Ignoranzbarriere in den Redaktionen zu finden ist, die eine qualitative Gleich- oder gar Besserstellung gegenüber dem Referenzmedium verhindern. Benchmarking kann also hier praxisrelevant und zielstrebig eingreifen und die Augen für Problemstellungen öffnen. Tatsache ist – und die Analyse der empirischen Daten beweist es (vgl. Haller 2001a) – schon allein eine Aussage darüber, wie oft welche handelnden Akteure in Ihrem Handeln auch im Lokalteil widergespiegelt werden – erlaubt das Aufzeigen einer BenchmarkingLücke gegenüber dem „Best Practice“-Prototypen. Wird der Vorstand des größten Gewerbesteuerzahlers einer Kommune häufiger zitiert als andere und werden Berichte über die Personalentwicklungen im Unternehmen nur selten an Arbeitnehmervertretungen reflektiert, bietet das Hinweise auf die Qualität der Recherche. Gleiches gilt selbst für die Be-

237 richterstattung über den Polizeibericht. Anhand der zitierten Akteure kann schnell und leicht abgelesen werden, wie eine Redaktion recherchiert. Dieses liefert im Kern aber genau qualitative Aussagen. Benchmarking ist also ein erkennbar funktionierendes Instrument zur Qualitätsmessung an vorgegebenen Größen. Weil aber die Nachrichtenstruktur noch nichts über textinhaltliche Qualitäten aussagen kann, haben die Leipziger Forscher auch die Qualität der Präsentation untersucht. Die Frage lautete: Was darf man von einem Lokalteil in journalistisch-handwerklicher Hinsicht erwarten? (Haller 2003, S. 183). Um eben das „real Machbare“ zu erfassen, wurden Lokalausgaben unterschiedlicher Zeitungen in so genannten Fokusgruppengesprächen evaluiert: Die erste Gruppe bestand aus Lokalredakteuren, die zweite aus Zeitungslesern im Alter von 28 bis 55 Jahre. Die von den ausgewählten Gruppen als „gut gemacht“ identifizierten Lokalteile wurden einer quantitativen und qualitativen Analyse unterzogen (120 Zeitungsausgaben mit 4.960 Analyseeinheiten auf 692 Zeitungsseiten wurden untersucht). Mit Hilfe dieses mehrstufigen Verfahrens konnte nun ein „Strukturbild eines handwerklich ‚machbaren’ guten Lokalteils“ zusammengestellt werden. Zudem wurden die Mittelwerte aller dem Benchmark unterzogenen Lokalteile einbezogen, um zu zeigen, dass es Blätter gibt, die kontinuierlich unter diesen Mittelwerten liegen und damit ein „deutlich höheres Qualitätsdefizit“ haben als diejenigen, die „nur“ die Werte des Prototyps unterschreiten. Eine zweite Benchmark operationalisiert über Leserfragen (zum Beispiel „Was/wen alles bringt mir die Zeitung?“ und: „Wie vermittelt und präsentiert Sie mir das Stadtleben?“) den Faktor Repräsentation: „Der Lokalteil soll im Rahmen seiner Orientierungsfunktion das öffentliche Stadtleben auf möglichst interessante, unterhaltsame Weise repräsentieren. Die Bewertung dieser Leistungen ist nun anhand der Qualitätsnormen des durchanalysierten Prototyps möglich (zu Beispielen vgl. Haller 2003, S. 184). Eine dritte Benchmark betrachtet die redaktionelle Eigenleistung. Denn zur Orientierungsfunktion des Lokalteils gehört nicht zuletzt auch die redaktionelle Eigenleistung im Nachrichtenbereich. Haller: „Ist der Redaktion ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit wichtig, dann sollte sie eigenständig thematisieren und den Nachrichten-Input mit zusätzlichen Quellen erweitern. Kurz: Sie muss recherchieren.“ In diesem Punkt stößt Benchmarking verständlicherweise an Grenzen. So ist es kaum möglich, Recherchiertiefe oder die Informationsqualität vergleichend zu ermitteln. Das Leipziger Forscherteam misst Recherchierleistung über die Zahl der Akteure (Sprecher), die in einem Bericht zu Wort kommen oder über die Thematisierungsleistung der Zeitung (diese wird über das Merkmal „Anlass der Berichterstattung“ erfasst). Üblicherweise bezieht sich ein Bericht auf einen externen Anlass (ein Ereignis, eine Veranstaltung usw.). Die redaktionelle Thematisierung hingegen nennt keinen ereignisbezogenen Anlass, sondern verweist in aller Regel auf die Aktualität eines Themas. Beide Formen der Anknüpfung sind textanalytisch leicht zu ermitteln. Auch für diese Analyse lieferte der Prototyp Richtwerte, wie viele eigenständige Thematisierungen einer Lokalredaktion abzufordern sind: „Die Zeitung, deren Lokalteil deutlich unter diesen Normwerten liegt, bleibt bei ihrer Chronistenpflicht und kann die verlangte Orientierungsfunktion nur bedingt (oder gar nicht) erfüllen.“ (Haller 2003, S. 185).

238 4.6.4 Das Leipziger Benchmarking-Projekt, eine Bewertung Die verschiedenen hier nur beispielhaft aufgeführten Ansätze des Leipziger BenchmarkingProjektes zeigen: Die Arbeitstechnik lässt sich bei kreativer Anwendung und bei schlüssiger und überlegter Ableitung von Kriterien gut und stringent zur Qualitätssteigerung in Medien einsetzen. Sie wird auch im Leipziger Modell aus einem gewinnmaximierenden Anspruch herausgelöst. Besonders interessant dabei ist die Vorgehensweise zur Gewinnung der Richtgrößen. Diese ist als empirisch-analytisch zu begreifen und damit für den Einzelfall gestaltbar, hier zeigt sich deutlich, wie flexibel Benchmarking als Managementinstrument gestaltet und ausgeprägt werden kann. Im Verständnis des vorgestellten Projektes wird Benchmarking zum Diagnoseinstrument, das durch eine Entwicklung von Ideal- oder Prototypen die eigene Profilierung erlaubt. Im Unterschied zu den meisten BenchmarkingProjekten anderer Branchen, geht dieser Ansatz sogar einen Stück über die herrschende Lehre hinaus, in dem – möglicherweise aus mangelnder Verfügbarkeit am Markt – aus einem Rezipientenbild Qualitäts-Aggregate gebildet werden, die im Analyseprozess nun als „Best Practice“ und damit als Vorbild für den Vergleich und für das eigene Stärken/Schwächen-Bild dienen. So wird es möglich mit der Arbeitstechnik Benchmarking ein an individuellen Zielsetzungen ausgerichtetes Qualitäts-Programm jeweils sehr projektbezogen zu implementieren. Haller (2003, S. 186) spricht von der Möglichkeit zu Sanierungsprogrammen und ganz allgemein von der Chance, Benchmarking in der Praxis als ein „Instrument der Optimierung des redaktionellen Angebots“ einzusetzen. Man muss an dieser Stelle allerdings einmal mehr betonen, dass der entscheidende Faktor für den Erfolg des Leipziger Modells in der Bildung der Qualitätsaggregate liegt. Benchmarking in den Medien – und das zeigt sich hier besonders eindrücklich – erfordert die mutige, durchaus kreativ gestaltende Konzeptionsleistung. Benchmarking wird so nicht zum rechentechnischen Vergleich leicht zu gewinnender Kennzahlen sondern zu einem intensiv erlebbaren Kreativprozess, der in der Tat auch Sanierungslösungen in ihrer „besten“ Variante ermöglicht, nämlich in einem gesellschaftsbezogenen, die redaktionelle Leistung gestaltenden.

4.7 Der Prozesscharakter in der Vorgehensweise Im Unterschied zu den meisten analytischen Auseinandersetzung mit der Arbeitstechnik wird im Rahmen dieser Studie angenommen, dass es eine bessere – weil in diesem Fall unstrukturiertere und damit unvoreingenommenere – Möglichkeit gibt, sich die Benchmarking-Thematik im konkreten Anwendungsfall zu erschließen. Viele verschiedene Modelle sind bekannt. Nahezu bei allen Autoren aber läuft die nähere Betrachtung des Werkzeuges Benchmarking auf die Beschreibung eines Prozesses hinaus, der je nach Vorlage in verschiedene Stufen aufgegliedert wird. Robert C. Camp beispielsweise konstruiert fünf Stufen, die in sich selbst noch einmal in einzelne Schritte geteilt werden können. Insgesamt ergibt sich ein Kreislauf aus zehn Einzelschritten. Die fünfte Stufe zu erklimmen, kann quasi als Ziel gesetzt werden – die Führungsposition ist erreicht, die „best practices“ sind in das eigene Unternehmen voll integriert. Der Prozess als Lernkreislauf läuft so lange, bis dieses Stadium erreicht ist.

239

Wahl der Benchmarking-Objekte Planung

Finden von Vergleichsunternehmen Festlegen der Methodik und Datensammlung

Feststellen gegenwärtiger Leistungslücken Analyse Vorhersage künftiger Leistungsniveaus

Besprechung der Benchmarking-Ergebnisse und Steigerung der Akzeptanz Integration Vorgabe von Zielen für die Funktionsbereiche

Entwicklung von Plänen zur Umsetzung Aktion

Implementierung einzelner Ansätze und Beobachtung des Fortschritts Anpassung der Benchmarks

Reifestadium

Führungsposition ereicht neue „beste“ Verfahren voll in die laufenden prozesse integriert.

Abbildung 13: Der Benchmarking-Prozessablauf in fünf Stufen nach Camp (vgl. Camp 1989, S. 2). (Neu-)Konzeption des Projekts Implementierung

Planung

Überprüfung und Anpassung

Einleitende Datensammlung

Umsetzungsplanung

KlassenbestenAuswahl

Bewertung

Datensammlung bei Klassenbesten

Abbildung 14: Der Benchmarking-Prozess bei AT & T und seine neun aufeinanderfolgenden Stufen. Quelle: AT & T 1992, S.7).

240 Gerade der von Camp zusammengestellte und streng funktional orientierte Prozess (vgl. Abbildung 11) besitzt hohe Praxisrelevanz, und viele Unternehmen haben auf Basis der beschriebenen Schritte eigene Konzepte für Benchmarking-Projekte entwickelt. Camp (1989 und 1992) stellt seine Überlegungen zur Einbindung von Projektteams in die Gesamtorganisation und die Koppelung von Benchmarking-Programm und Management an das Ende seines Buches und damit an den Schluss des Phasenablaufes. Dies mag im Rahmen der logischen Gliederung sinnvoll sein, gibt aber ebenfalls wieder einen Hinweis darauf, dass eine neue theoretisch fundierte Argumentation in einzelnen, zeitfolgenunabhängigen Elementen durchaus sinnvoll ist. Möglicherweise führt dieser Ansatz zu einer integrierten, vernetzten Betrachtungsweise, in der die Komplexität des Instrumentes besser berücksichtigt ist als im Rahmen eines ablaufenden Prozesses abgeschlossener Phasen. Unter den Unternehmen, die in den vergangenen Jahren erfolgreich Benchmarking praktizierten, sind verschiedenartigste Prozessmodelle verbreitet – sie unterscheiden sich oft weniger in ihrem Inhalt als in der formalen Ausgestaltung. IBM wendet einen 15stufigen Prozess an, der Alcoa-Konzern reduziert seine Prozesse auf sechs Schritte. Nahezu allen PraxisProgrammen sind jedoch bestimmte Inhalte gemeinsam, die sich in ihren Grundzügen eng an das bereits von Robert C. Camp entworfene Modell annähern. Einige Unternehmen haben das Xerox-Modell sogar ohne größere Anpassung übernommen – so zum Beispiel die Caterpillar Inc. in Illinois (USA). Auch die AT & T Benchmarking Group orientiert sich recht eng am Ansatz von Camp (vgl. AT & T 1992, S.7). Während Camp und viele Praktiker, ihre Prozesse an Funktionen orientiert in Planung, Analyse, Integration, Aktion und Reifestadium unterteilen, argumentieren andere Benchmarking-Praktiker – so zum Beispiel diejenigen der ABB AG (Schweiz) – in einem verhaltensorientierten Modell nach Spendolini (1992, S 48). Sie bilden die Stufen im Prozess wie folgt: „Feststellen, was gebenchmarkt werden soll, ein Benchmarking-Team zusammenstellen, Benchmarking-Partner identifizieren, Benchmarking-Informationen sammeln und analysieren, Umsetzen“. Der Prozess beginnt im Rahmen solcher Vorgehensweise stets mit der Auswahl der Benchmarking-Objekte, Unternehmer müssen auf die Suche danach gehen, welche Bereiche ihres Betriebes kritisch für den Erfolg des gesamten Unternehmens sind. In solch aktivitätsorientierten Ansätzen geht es häufig darum, im frühestmöglichen Stadium sogenannte kritische Erfolgsfaktoren („Critical Success Factors“) zu ermitteln. Den aktivitätsorientierten Ansatz treiben Bogan und English (1994, S. 106 f.) zu einer Komplexität, die für jede Phase, für jeden Prozessschritt klare Handlungsanweisungen gibt. Es ergibt sich ein logisch strukturiertes Prozessmodell in Kreislaufform. Um die Auswertung verfügbarer Ansätze noch zu vervollständigen, sei zum Schluss auf eine weitere Alternative der Prozessbeschreibung verwiesen, die unter anderem auch Pieske (vgl. z.B. 1994a und b, 1995) zur Grundlage seiner praktischen Arbeit macht. Er unterscheidet lediglich in zwei globale Bereiche und trennt auch die Phasen Analyse und Implementierung. Die Analyse besteht dabei aus der Bestimmung des Benchmarking-Objekts, einer internen Analyse, der Auswahl der Benchmarking-Partner sowie die Analyse des Benchmarking-Partners. Die nachfolgende Implementierung gliedert sich in die Wertung der Ergebnisse und Erkenntnisse, in die Aktionsplanung sowie deren Realisierung. In einem letzten Unterschritt geht es um Controlling und Perfektionierung: „Benchmarking kann grundsätzlich in eine Analyseund Implementierungsphase gegliedert werden. Die explizite Hervorhebung der Implementierung soll unterstreichen, dass die identifizierten Abstände zu „Besseren“ sowie die extern gesammelten Ideen verarbeitet und umgesetzt werden müssen, denn nur über die erfah-

241 rungsgemäß nicht einfache Implementierung werden die Benchmarking-Ergebnisse in Effizienz und Kundenzufriedenheit umgesetzt.” (Pieske 1994b, S. 4). Gerade langfristig angelegte Benchmarking-Studien zeigen jedoch, dass solche Prozessmodelle regelmäßig zu kurz greifen. Auch die aufwendige Datensammlung im direkten Vergleich von redaktionellen Inhalten, ist kaum in einen der beschriebenen Prozesskreise zu integrieren. Stattdessen, so wird vermutet, braucht gerade die Anwendung der Arbeitstechnik im publizistischen Umfeld eine Öffnung der Methodik.

4.8 Das Elementenmodell als Basis für die medienökonomische Annäherung 4.8.1 Ein mehrstufiges Modell integrierter Elemente Der Benchmarking-Prozess als mehrstufiges Modell kann auch aus selbständig zu betrachtenden Elementen neu entwickelt werden. Das 1996 erstmals eingeführte Elementenmodell (vgl. Rau 1996a) soll es erleichtern, ein spezifisches, individuelles BenchmarkingInstrument zu konzipieren. Dieses ist auch aus der medienökonomischen Betrachtungsweise eine sinnvolle Vorgehensweise, weil sie bewusst macht, wie flexibel das Management mit dem neuen Hilfsmittel umgehen kann, wie differenziert dieses einsetzbar ist und wie unterschiedlich sich einzelne, in der Praxis angewandte Konzepte ausmachen können, die sich sowohl auf die gewinnmaximierende Praxis der Medienunternehmung als auch auf „marktferne“ (siehe oben – das Konzept von Karlöf/Östblom) Einheiten in einem Nonprofit-Verständnis beziehen lassen. Diese Herangehensweise war in Kapitel drei bereits für das redaktionelle Marketing beschrieben und ausgeführt worden, nun wird auch die Arbeitstechnik Benchmarking in einen umfassenderen Verstehenszusammenhang gestellt. Hinzu kommt die beinahe zwingende Anlage von Benchmarking-Erhebungen im publizistischen Umfeld als langfristige Projekte. Das Elementenmodell besteht aus Segmenten, solche, die hinreichende und solche die notwendige Bedingungen für den Erfolg von Konzepten repräsentieren. Dabei geht es hauptsächlich darum, die verhaltens- beziehungsweise aktivitätsorientierten Ansätze mit den analytisch geprägten zusammenzubringen, um anschließend in einem weiteren Gedankengang insofern über beide Varianten hinauszugehen, als eine neue zeitliche Dimension zugrunde gelegt wird. Beide Vorgehensweisen – Funktionen- und Aktivitätenorientierung – sind nachvollziehbar und münden in ein sich stets neu strukturierendes Bezugsystem der Elemente. Andere in der Literatur beschriebene Ansätze, die insbesondere im Abschnitt 4.7 als Prozessmodelle eingeführt wurden, lassen sich in ihren Kernpunkten auf die Pole Funktion und Aktivität projizieren und besitzen einen klaren zeitlichen Horizont. Besonders deutlich wird das an Aktivitätslisten, wie sie Morken (1994, S. 20), Delahaye Paine (1994, S. 42-44) oder auch Allio und Allio (1994, S. 23-25) zur Diskussion stellen. Selbst im Rahmen streng analytischer Vorgehensweise, wie sie schon bei Camp (1989) beschrieben ist, setzt sich der zugrundegelegte Benchmarking-Prozess aus aufeinanderfolgenden Schritten zusammen. Bleibt betriebliches Benchmarking auf einzelne, abgeschlossene und jeweils neu gestartete Projekte beschränkt, so kann diese Vorgehensweise durchaus sinnvoll sein, und dem Entwurf eines möglichst allgemeinen Phasenmodells stünde nichts im Wege. Spätestens jedoch, sobald Organisationen daran denken, das Instrument langfristig und strategisch einzusetzen, auf Dauer zu implementieren oder auf nicht gewinnmaximierend

242 arbeitende Einheiten zu übertragen (vgl. das im vorangegangenen Abschnitt betrachtete Leipziger Benchmarking-Projekt), greifen alle Phasenmodelle und eine funktionale Betrachtungsweise zu kurz, hilft auch die theoretische Fundierung eines rekursiven Lernprozesses nicht weiter. Dies war der Hauptgrund für den Entwurf des Elementenmodells. Dort kommen im Rahmen des strategischen Benchmarking die Elemente parallel und nicht in einer zeitlichen Rangfolge geordnet zum Zuge. Sie folgen in diesem Sinne nicht der Zeitachse, sondern einer Rangfolge aufgrund ihres Komplexitätsgrades. Benchmarking in einer Ökonomie der Publizistik ist ohne das Elementenmodell nur schwer vorstellbar. Ein Blick auf die Management-Forschungen der vergangenen 20 Jahre zeigt: Die Zeiten rein funktionaler Betrachtungsweise von Management sind vorüber. In besonderer Weise hat Mintzberg (erste Veröffentlichung 1973, Überarbeitung 1980; 2004a, S. 27 ff.; 2004b) mit seinen empirisch fundierten Studien dazu beigetragen. Er konnte nachweisen, dass Management viel komplexer, dialogischer, flexibler und spontaner zu sehen ist, als dies die klassische Management-Theorie leistete. Management besteht nur zu einem Teil aus den Funktionen Planung, Analyse, Koordination, Integration oder Kontrolle. Die erfolgreichsten Manager sind vielmehr schnelle, vielseitig beanspruchbare Allrounder, die sich durch eine Sicherheit im Treffen von Entscheidungen von anderen abheben. Auch Peters und Waterman (1982) beziehen sich bereits auf Mintzberg und verwerfen die funktionale Theorie des Managements. Auch vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch der funktionale Ansatz von Camp für den Benchmarking-Kreislauf nicht mehr rechtfertigen. Natürlich helfen die einzeln fundierten Schritte, die Camp aus den praxisorientierten Studien ableitet, dem Benchmarking-Prozess eine klare Struktur zu geben. Trotzdem muss eine aktuelle theoretische Fundierung diesem funktionalen Ansatz ein gleichermaßen offeneres und komplexeres Modell zur Seite stellen. Um Benchmarking langfristig mit Erfolg einzuführen, muss man sich über alle vier Grundelemente ausreichend Gedanken machen: Vorbereiten, Messen, Lernen, Übertreffen. Gerade das erstgenannte Element „Vorbereiten“ lässt noch temporäre Zusammenhänge erwarten. Doch auch diese Stufe der Vorbereitung muss während des ganzen Projektes bereitgestellt werden. Die Verbindung zur Management-Philosophie, zu grundlegenden Vorgaben (und eben auch Setzungen im Sinne der Ableitung im zweiten Kapitel), ist ebenso zu „institutionalisieren“ wie das betriebliche Kommunikationsnetzwerk und die Unternehmensrecherche. Wenn das Element trotzdem den Titel „Vorbereiten“ trägt, so soll dies an diesem Punkt lediglich darauf hindeuten, dass dem strategischen Benchmarking bei nahezu allen potentiellen Anwendern erst der Weg bereitet werden muss, dass bestimmte Grundvoraussetzungen zu schaffen sind, ohne die die Möglichkeiten des Benchmarking – und dies ist im folgenden immer strategisch motiviertes – nicht restlos auszuschöpfen sind.

4.8.2 Die Elemente des Modells im Überblick Die folgenden vier Elemente bilden die Säulen des Elementenmodells flexibel gestalt- und steuerbarer Benchmarking-Ansätze in Organisationen. Dieses Elementenmodell wurde für typische betriebswirtschaftliche Anwendung entwickelt. Eine Verbindung zur Ökonomie der Publizistik lässt sich aufgrund der hohen Flexibilität dieses Modells jedoch leicht herstellen. Die Elemente in der Kurzdarstellung:

243 ƒ

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ƒ

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Vorbereiten! Management-Verbindung: Gegenüber anderen Ansätzen und Überlegungen wird an dieser Stelle gemutmaßt, dass sich Benchmarking immer in vorhandene Rahmenbedingungen einzufügen, in eine formulierte Managementphilosophie einzuklinken hat, immer auch den vorhandenen Führungsstilen untersteht und stets Teil global zu sehender Managementprozesse ist. Kommunikationsnetzwerke: Es ist in einem strukturierten Plan jeder Einheit möglich, Kontakte herzustellen, Probleme anzusprechen, gemeinsam Verbesserungen auszuarbeiten. Dies bedeutet nicht, dass ein Zwang zum Gespräch besteht. Bewährt hat sich für die Analyse der internen Kommunikation der Aufbau einer „interfunktionalen Gesprächsmatrix“ und die Analyse von „weißen Flecken“ (zur Vertiefung vgl. Rau 1996a, S. 113 ff.). Strategische Unternehmensrecherche: Hierbei geht es um die Ermittlung von Objekten. Man kann grundsätzlich alles benchmarken, das Problem besteht jedoch zumeist in der Verfügbarkeit beziehungsweise in der Aussagekraft generierbarer Information. Und Vergleiche sind letzten Endes nur sinnvoll, wenn Daten über das Vergleichsfeld zu gewinnen sind. Messen! Dreh- und Angelpunkt der Benchmarking-Praxis ist das strategische Zusammenspiel von Vorbereitung und Messung. Die Analyse – unabhängig davon, welches der beschriebenen Verfahren genutzt wird – stößt schnell an ihre Grenzen, wenn die zusammengetragene Datenmenge nicht zügig auf die konkret vorliegende Situation angewandt, wenn die oftmals resultierende Datenflut nicht gedämmt beziehungsweise kanalisiert wird. Dies ist die originäre Aufgabe im Element „Messen“. StärkenSchwächen-Profile können einen klaren Objektbezug und damit für eine Datenreduktion sorgen, darüber hinaus werden gesammelte Daten auf einzelne Objekte grundsätzlich reduziert, konkretisiert und kondensiert, der Vergleich konkreter Partnerprofile unterstützt dies. Um sinnvoll Messungen durchführen zu können, müssen im Regelfall Prozesse in Kenngrößen darstellbar sein. Ein sinnvoller Faktor – auch im Sinne der Anwendung auf das redaktionelle Management sind Durchlaufzeiten. Sie repräsentieren den wesentlichen und entscheidenden Faktor für die Verbesserung von Abläufen, wer Durchlaufzeiten (total oder dynamisch) systematisch beobachtet und misst, besitzt mit den Ergebnissen eine bedeutsames Instrument zur kreativ-flexiblen Veränderung, zur kommunikativ-betonten Anpassung, zur kritisch-dynamischen Erneuerung unternehmerischer Prozesse. Eine systematische Reduzierung von Durchlaufzeiten erhöht die Wettbewerbskraft und dies kann auch eine „inhaltliche“ sein. Lernen! Dieses Element öffnet verschiedene neue Wege und Ansätze. Eine besondere Hürde liegt bei der Anwendung von Benchmarking in den Konsequenzen. Möglicherweise zeigen die Aktivitäten im Elementenspektrum von Vorbereiten und Messen sinnvoll integrierbare Prozesse, Arbeitstechniken oder Ansätze – ohne Konsequenz daraus wird Benchmarking die Basis als Ausgangspunkt für beschleunigtes Wachstum auf Basis von schnellem Lernen entzogen. Man muss also die gewonnenen Erkenntnisse auch in die Organisation überführen, diese hat demzufolge Lernaufgaben abzuarbeiten. Übertreffen! Das harmonisierte Zusammenspiel der Elemente gibt eine Zielrichtung vor: Durch das Lernen vom Benchmarking-Partner soll ein Wachstum über dessen derzeitigen Stand hinaus erfolgen. Aus diesem Grund ist auch das in diesem Kapitel beleuchtete Leipzi-

244 ger Benchmarking-Projekt mit dem Fokus Tageszeitung ein gutes Beispiel. Hier ist durch die Prototypisierung bereits ein Anspruch formuliert, der über dem vieler verfügbarer Vergleichsgrößen liegt. Das heißt Benchmarking zielt weiter als auf den im Vergleich beobachtbaren Stand. Balm (1992) vergleicht – allerdings mit Bezug auf einen zeitlichen Ablauf im Prozessmodell – die Vorgehensweise mit dem Akt des Tontaubenschießens. Auch hier muss entsprechend mit Schrot „vorausgehalten“ werden. Benchmarking zielt stets weiter als auf eine reine Deckung der Benchmarking-Lücke im Z-Chart (vgl. dazu beispielsweise Camp 1989). Ein Unternehmen kann mit Hilfe des Systems Benchmarking weit über den eigenen Anspruch hinauswachsen, weil es nicht nur darum geht, bestehende Techniken, Verfahrensweisen, Produktionen künftig ohne Fehler zu steuern, sondern darum, sie im Kern zu revolutionieren. Ginge es ausschließlich um Fehlervermeidung, wäre eine Anwendung als Qualitätssteuerungsinstrument in redaktionellen Zusammenhängen kaum möglich. Der NullFehler-Anspruch, Balm (1992) nennt ihn „entitlement“, liegt entsprechend nicht zwingend im Zielfeld eines Benchmarking-Programms. In der Vergangenheit wurde sogar auch die provokante Frage danach gestellt, inwieweit Unternehmen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben vernachlässigen sollen, um statt dessen Benchmarking-Ansätzen mehr Gewicht zu verleihen (vgl. u.a. Lohmann 1995). Ziel solcher kombinierten F & E & BenchmarkingAbteilungen könnte eine konzertierte Aktion der Rechercheleistung, der Verfahrensübertragung, der Neukonzeption sein. Auch im redaktionellen Umfeld stehen viele Medienunternehmen vor Herausforderungen, die eine solchermaßen gestaltete Zusammenfassung von Aufgabenstellungen unterstützen würde. Nun wird niemand die Medienbranche als forschungsintensiv bezeichnen wollen. Aber: Einen Entwicklungsschwerpunkt kann man spätestens mit dem Aufkommen, den ersten Versuchen und den längst erfolgten Programmbereinigungen in den Onlineangeboten ausmachen. Im Zeitschriftenmarkt ist dieser seit mehr als 20 Jahren in einer Art von „Trial and Error“-Konzeption schon quasi virulent. Die Zusammenfassung der Qualitätsinstrumente würde fraglos zu einer Systematisierung dieses Feldes und damit zu einer strategisch-strukturierten Planung beitragen, die Qualität in einem Verständnis gelingender gesellschaftlicher Kommunikation begreift und damit auch in der Lage sein kann, Ökonomie und gesellschaftliche Funktion, beziehungsweise normative Aufgabenstellung in einem Gesamtsystem des Medienmanagements zu integrieren. Gerade die vergangen Jahre haben gezeigt, dass in vielen Fällen nicht Produkt- sondern insbesondere Prozessinnovationen besondere Erfolge zeitigen. Dies kann auch als zielgerichteter Hinweis auf die Implementierung im publizistischen Umfeld gesehen werden.

4.8.3 Das Beziehungsgeflecht der Elemente Das Beziehungsgeflecht zwischen den Elementen wird nicht auf der Zeitachse über temporäre Beziehungen sondern über Aktivitäts- und Komplexitätsgrad bestimmt. Damit ergibt sich ein Bild, das gleichzeitig die realisierte Stufe des Benchmarking im Unternehmen kennzeichnet und daneben ein konsequentes Controlling aller Benchmarking-Projekte ermöglicht. In der einfachen Vier-Felder-Matrix (vgl. Abb. 13) drückt sich nahezu die gesamte Problematik des Benchmarking aus – von der Definition über die Realisierung in der Praxis bis hin zu Fragen im laufenden Controlling.

245 Wer Benchmarking im Unternehmen umsetzen will, erhält anhand dieses einfachen Modells einen Leitfaden zur stetigen Komplexitätssteigerung seines Programms. Dass in diesem Rahmen bestimmte Elemente quasi den Einstieg bilden müssen, steht außer Frage. Kein Lernen ohne Vorbereiten, kein Übertreffen ohne Messungen. Die eher „passiven“, genauer: unterstützenden Elemente Vorbereiten und Messen sind also diejenigen, ohne die ein Lernprozess und das eigentliche Ziel des Benchmarking, das Übertreffen, das Überflügeln, das Wachsen auf einem neuen Pfad gar nicht möglich wären. Und damit wird noch einmal deutlich: Die Argumentation im Elementenmodell bedeutet nicht, dass alle Benchmarking-Aktivitäten gleichzeitig laufen müssen. Das Modell zeigt lediglich, dass nicht zwingend einzelne Phasen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sind. Im strategischen Benchmarking wird zu jeder Zeit vorbereitet und gemessen, es wird – ist ein Programm erst einmal initiiert – ständig gelernt, und die Bemühungen richten sich darauf, langfristig andere zu übertreffen. Wenn man noch an ein Modell von Phasen denkt, ließe sich das im Elementenmodell nur folgendermaßen rechtfertigen: Es gibt eine Phase des Einstiegs in das strategische Benchmarking. Die zweite Phase steht dann für die Ebene, in der alle vier Elemente aufeinander abgestimmt integriert „arbeiten“. Dann werden zum Beispiel gesammelte Daten nahezu zeitgleich auf ihre Lerninhalte geprüft. Oder Messungen sind das Ergebnis einer Anforderung, die einen bereits angestoßenen Lernvorgang abzusichern wünscht. Immer – und das ist eine der wesentlichen Botschaften des neuen Modells – muss der Rückgriff möglich sein, muss auf Datenbestände zugegriffen werden können, die nicht statisch einen Zeitpunkt repräsentieren, die ebenfalls einer dynamischen Anpassung folgen. Die Innovationszyklen laufen auf den Märkten der Welt zu schnell, um sich auch im Benchmarking-Programm auf Zeitpunkt-Messungen, auf die punktuelle Recherche, auf die unflexible Datengewinnung und „-betreuung“ zu verlassen.

Aktivitätsgrad passiv Vorbereiten

aktiv

Lernen

Messen

Übertreffen

Komplexitätsgrad niedrig

hoch

Abbildung 15: Vier-Felder-Matrix zur Erläuterung von Aktivitäts- und Komplexitätsgrad und der Einordnung der Elemente (nach Rau 1996a 2000b, S. 100).

246 Die Abhängigkeit der Elemente voneinander drückt sich schließlich auch in verschiedenen Einzelaspekten aus, die das Modell mit Leben füllen. Natürlich ist ein Stärken-SchwächenProfil eines Unternehmens nie ohne die strategische Recherche zu ermitteln. Und natürlich bleibt die „Management-Verbindung“ auch eine wesentliche Basis, wenn es darum geht, Kommunikationskultur zu verändern. Und schließlich ist das Wachsen auf neuen Innovationspfaden eng mit der „Lernanforderung“ verknüpft, Leistung zu steigern. In diesen Aspekten findet jeweils der in der Abbildung bereits beschriebene Zusammenhang zwischen Aktivitäts- und Komplexitätsgrad seinen Ausdruck. Die „Krönung“ des Benchmarking ist damit das Element „Übertreffen“. Es repräsentiert bei höchsten Anforderungen an die (Veränderungs-)Aktivität das höchste Maß an Komplexität. Wer Klassenbeste übertreffen will, muss kompromisslos in Frage stellen, muss Verändern, Bewegen, in kürzester Zeit Lücken schließen – dies stellt auch an erfahrene Manager höchste Anforderungen. Und es verlangt, dass alle übrigen Elemente ausreichend beherrscht werden. Aus der Sammlung von Daten, dem Prozess des Messens und dem konsequenten Vergleich zu lernen, ist für viele Unternehmer heute schon eine Herausforderung, die maximale Kraftanstrengung erfordert. Trotz allem sind die drei Elemente noch immer einer eher reaktiven Vorgehensweise zuzuordnen. Das Unternehmen reagiert auf wachsende Anforderungen des Marktes und orientiert sich am Klassenbesten, der schließlich auch in einer prototypisierten Form vorliegen kann (siehe Benchmarking-Projekt Leipzig, vgl. den vorangegangenen Abschnitt), übernimmt dessen Zielsystem, um es in der eigenen Organisation anzuwenden. Selbst wenn ein Unternehmer, der auf solche Weise vorgeht, eigene Kultur berücksichtigt, bestimmte Zusammenhänge einbaut, ist er noch kein guter „Benchmarker“ – weil er im wahrsten Sinne des Wortes als „Reaktionär“ handelt: „Erfolgreiche Unternehmen nutzen Benchmarking um kreativ zu sein, nicht reaktiv.“ (Shetty 1993, S. 39). Es ist nicht im Sinne des Benchmarking, Verfahren, Prozesse, Varianten zu recherchieren, um sie unangepasst zu übernehmen. Ziel ist es, mit Hilfe guter Vorbereitung und qualifizierter Messungen eine erkannte Entwicklungslücke zu schließen, um kreativ und schnell auf einen Innovationspfad einzuschwenken, der auf einer neuen Ebene liegt und damit auch neue Qualität besitzt. Auch Benchmarking im redaktionellen Umfeld besitzt also ƒ ƒ

einen langfristigen Horizont, eine vergleichsweise hohe Komplexität bezogen auf ermittelbare Kenngrößen und darauf bezogene Prozesse und Strategien.

Daraus folgt beinahe zwingend eine bevorzugte Anwendung des Elementenmodells (vor einem der prozessorientierten Modelle). Schon deshalb mussten diese Zusammenhänge hier näher erläutert werden.

4.9 Eine Bewertung: Benchmarking als Qualitätsinstrument der Publizistik Die Annäherung in diesem Kapitel hat gezeigt: Benchmarking kann sich als Instrument der Qualitätssteigerung im publizistischen Umfeld bewähren. Dies gilt aufgrund der hohen Flexibilität dieser Arbeitstechnik für profitbezogene wie für Vergleichsaufgaben aus dem Nonprofit-Bereich. Auch die Voraussetzungen für erfolgreiches Benchmarking in einer

247 Ökonomie der Publizistik lassen sich nun, nach der stringenten theoretischen Aufarbeitung, formulieren. So sind insbesondere die Aktionsfelder abzustecken: Wenn es um Qualität geht, müssen deren Kriterien gesetzt werden. Benchmarking wird, gerade unter Berücksichtigung des Elementenmodells, zu einer sinnvollen Ergänzung oder gar eindrücklichen Fundierung eines Qualitätsprogramms. Dazu braucht es jedoch die richtigen Vergleichsobjekte und Kennzahlen. Diese entscheiden darüber, ob die Verortung in einem Nonprofit-Umfeld möglich wird, und damit Benchmarking auch als ein Instrument konkreter Institutionenökonomik genutzt werden kann. Dass es als praxistaugliches Instrument dient, muss nicht weiter nachgewiesen werden. Schließlich zeigt die Leipziger Langfriststudie evidente Zusammenhänge zwischen Kennzahlenerfassung und struktureller Qualitätsschwäche der Medienproduktion in deutschen Tageszeitungsredaktionen (vgl. Haller 2001b, 2003). Ähnlich wie das „Qualitätsinstrument“ Marketing, gibt auch Benchmarking die Möglichkeit, nonmonetäre Situationen einer ökonomischen Betrachtungsweise zu erschließen. Spätestens jetzt wird ersichtlich, warum für diese Arbeit die beiden betriebswirtschaftlichen Arbeitstechniken Marketing und Benchmarking ausgewählt wurden. Während Marketing eine stringente Rezipientensicht in das redaktionelle Qualitätsstreben integriert, erlaubt Benchmarking die Lösung von restringierenden Faktoren bis hin zu einer strategischen Entwicklung von Prototypen. Das kommt einem dynamischen Verständnis von Qualitätsbegriffen entgegen, wie es diese Arbeit auch im Rahmen ihrer medienökonomischen Analyse entwickelt hat (vgl. Kapitel 2). Zu beweisen war: Benchmarking trägt – die umfassende Qualitätsdiskussion vorausgeschickt und den auf mehreren Säulen ruhenden Qualitätsbegriff dieser Arbeit berücksichtigend – auch in einem nonprofitorientierten Umfeld dazu bei, Qualität zu steigern. Der Beweis gelingt – auch deshalb, weil die systematische Durchdringung des Themas zeigt, wie grundlegend gestaltungsvariabel Benchmarking einsetzbar ist. So beweist es sich schließlich als probates Mittel, auch in einem meritorischen Kategoriensystem verortete Qualität von publizistischen Produkten positiv zu beeinflussen – vorausgesetzt, man findet die entsprechenden Vergleichsobjekte. Eine besondere Schwierigkeit in der Konzeption journalistischer Benchmarking-Projekte liegt also in der Ermittlung von passenden Kenngrößen, die jeweils die entsprechende Qualitätskomponente treffend beschreiben. Glücklicherweise gibt es gerade in der Medienbranche für den Vergleich der redaktionellen Produktion Referenzgrößen auf unterschiedlichen Niveaus und damit nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für den Vergleich. Ob man tatsächlich aus dem Referenzobjekt „nationale Tageszeitung“ Qualitätsmaßstäbe generiert, wie dies im Leipziger Benchmarking-Projekt der Fall ist oder vielleicht rein sprachliche Ansatzpunkte aus der Stilistik zugrunde legt, bleibt dem wählbaren Anspruch der Akteure überlassen. Diese Variabilität, die die Arbeitstechnik auszeichnet, macht schließlich auch den Charme von Benchmarking im Medienumfeld aus. Abschließend sollen hier mögliche operative Felder der redaktionellen BenchmarkingArbeit dazu anregen, sich der gewinnbringend einsetzbaren Arbeitstechnik in kreativer Auseinandersetzung zu nähern. Diese wenigen, überblicksartig zusammengefassten Punkte machen ersichtlich: Es gibt eine Vielzahl operative Felder für redaktionelles Benchmarking, die weit über die Ansätze des Leipziger Benchmarking-Projektes mit Tageszeitungshintergrund hinausreichen. ƒ

Führungsstruktur. Der Vergleich von Führungsstrukturen, wobei sich Redaktionen mit Organisationen vergleichen können, die dem Modell der aktionszentrierten Führung

248

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folgen. Dieser von Adair in den 1980er Jahren entwickelte Ansatz (vgl. Adair 1996) nimmt das Zusammenspiel von Team, Aufgabe und Individuum in den Fokus. Disperse Zielinteressen. Die Überprüfung von publizistischen Angebotsformen auf ihre Zukunftsfähigkeit. Benchmarking würde hier in seiner generischen Form sicherlich am attraktivsten angewandt werden können. So könnte, um ein Beispiel herauszugreifen, der Vergleich mit einem Konsumgüterhersteller zielführend sein. Vorausgesetzt, dieser musste ein im Grunde homogenes Produkt aufgrund von zunehmend dispersen Zielinteressen diversifizieren. Die zentrale Frage dieses Beispielfalles ist: Wie gelingt es die unterschiedlichen Interessen in die Organisation zu integrieren und Produkte auf erkennbar homogenisierbare Bedürfnisstrukturen zu formulieren. Vielfach stehen publizistische Angebote nichtserieller (sequentieller) Prägung (Print und Online) vor eben dieser Herausforderung, zunehmend disperse Zielgruppen zu befriedigen. Andere Branchen haben durch einen höheren Konkurrenzdruck diese Phase auf saturierten Märkten bereits abgeschlossen. Innovationsmanagement. Redaktionen im Zeitschriftensektor stehen unter hohem Anpassungsdruck. Ganz ähnlich wie die Automobilindustrie müssen sie Veränderungen in der Bedarfslage ihrer Leser erkennen und im Blatt umsetzen. Vielfach – und das zeigen auch aktuelle Studien (vgl. z.B. Wirsching 2005) – wird statt umfassender Marktforschung ein Prinzip angewandt, das den Regeln von Versuch und Irrtum folgt. Die Zeitschrift muss sich auf dem Markt behaupten oder wird eingestellt. Dies ist nichts anderes als eine spezifische Form des Innovationsmanagements, wenngleich eine durchaus kostenintensive. Hier könnten Redaktionen unter anderem von den Innovationstreibern der Automobilindustrie (auch der Zulieferindustrie – man denke an Bosch als Unternehmen mit den meisten Patentneuanmeldungen der Branche) via Benchmarking profitieren.

Wahrhaftes, unaffektiertes Misstrauen gegen menschliche Kräfte in allen Stücken ist das sicherste Zeichen von Geistesstärke.

Georg Christoph Lichtenberg (Sudelbücher F 323, 1776-79)

5 Publizistik im ökonomischen Kontext – ein Fazit

Dieses Schlusskapitel zieht ein Fazit auf zwei Ebenen: zum einen werden die theoretischen Überlegungen dieser Arbeit noch einmal zusammengefasst und eine Ökonomie der Publizistik verteidigt. Zum Zweiten will es einige Hinweise präsentieren, wie in der Praxis die Voraussetzungen für eine Ökonomie der Publizistik geschaffen werden können. Obwohl diese theoretisch in einem Nonprofit-Umfeld sinnreich abzuleiten ist, wird die Kritik einer Ökonomie der Publizistik stets an einem Ökonomieverständnis anknüpfen müssen, das die Gewinnmaximierung einschließt. Zumindest mittelfristig wird sich an den privatwirtschaftlichen Voraussetzungen – selbst bei einer weiteren Verschärfung von Krisenszenarien und Kommerzialisierungsprozessen in einem globalen, respektive transnationalen Kontext – der meisten Medienorganisation vermutlich kaum etwas ändern.

5.1 Zu einer Ökonomie der Publizistik Die Ergebnisse der Analyse sind evident. Eine Ökonomie der Publizistik ist möglich. Und: Methoden – genauer, die in dieser Arbeit durchgängig verwendete Begrifflichkeit der Arbeitstechniken – der Betriebswirtschaftslehre lassen sich auf publizistische Arbeitssituationen übertragen und für eine Steigerung gesetzter Qualität nutzen. Dazu hatte es im Rahmen dieser Arbeit einiger konzeptioneller Klarstellungen bedurft. Die Begrifflichkeit einer Ökonomie der Publizistik wurde neu eingeführt und deutlich zu bisherigen definitorischen Ansätzen abgegrenzt. Die Ökonomie der Publizistik umfasst demnach ökonomische Aktivität, die statt kommerziellen Zielen – also Gewinnmaximierung im monetären Sinn – publizistische verfolgt. Diese müssen per definitionem nicht zwingend kommerziellen Zielen widersprechen, können aber von diesen abgegrenzt werden. Diese Arbeit entwickelt die Ökonomie der Publizistik als Effizienzansatz, mit dessen Instrumenten die publizistische Inhaltsproduktion am Ende auch Kommerzialisierungstendenzen begegnen kann. Indem sich die publizistische Produktion selbst auf eine gewisse Weise (und eben, wie in der Arbeit umfassend erläutert, nichtmonetär) ökonomisiert, indem Sie Arbeitstechniken der Betriebswirtschaftslehre antizipiert und auf ihr konkretes Produktionsumfeld anwendet, findet sie zum einen professionelle Antworten auf einen Kommerzialisierungsanspruch, der aufgrund einer zunehmend enger werdenden Marktbasis von betriebswirtschaftlich führenden Einheiten auf die Redaktion übertragen wird. Deshalb auch

250 wurden bereits im ersten Kapitel die Begriffe Ökonomisierung, Kommerzialisierung und Kommodifizierung an das theoretische Konzept angepasst. Insbesondere ging es darum, die Begrifflichkeit zu entdogmatisieren und klarzustellen, dass Ökonomisierung nicht grundsätzlich mit Kommerzialisierung gleichzusetzen ist. Diese Unterscheidung wird in der einschlägigen Literatur bislang nicht oder nicht in dieser Konsequenz getroffen. Eine Ökonomie der Publizistik benötigt die scharfe Scheidung der Definitionen, da der Ökonomisierungsbegriff nun nicht mehr länger rein negativ konnotiert ist. Die Arbeit zeigt, dass dies seine Berechtigung hat. Eine Nutzung betriebswirtschaftlicher Arbeitstechniken in Nonprofit-Situationen (oder neutral: ohne gewinnmaximierend-monetären Bezug), ist ein Akt der Ökonomisierung, aber er steht nicht unter kommerziellen Vorzeichen. Es findet zwar eine Regelübertragung statt, es wird aber nicht mehr länger eine Überformung impliziert. Damit hat die Publizistik jene Freiheiten, auch vermutete nicht in vollem Umfang marktgängige Bedürfnislagen zu befriedigen. So wird nachvollziehbar, warum für eine Ökonomie der Publizistik eine umfassende Betrachtung des für die Medienökonomie maßgeblichen Phänomens der Meritorik erfolgen musste. Im Unterschied zu bisherigen medienökonomischen Studien wurde für die vorliegende Untersuchung zweierlei geleistet: ƒ ƒ

Zum einen wurde die Meritorik auf Bedürfnisstrukturen zurückgeführt – ein konsequenter Schritt, da gerade im medienökonomischen Kontext die Argumentation mit dem Güterbegriff vor besondere Herausforderungen stellt. Außerdem wurde allen bisherigen Versuchen, meritorische Güter über die ökonomische Theorie zu begründen – in jüngerer Vergangenheit ist hier insbesondere die Konstitutionenökonomik zu nennen (vgl. Kiefer 2001 und Lobigs 2005) – eine neue Position entgegengesetzt: Es genügt auch in anspruchsvollen medienökonomischen Ansätze völlig, Präferenzen höherer Ordnung und damit meritorische Bedürfnisse zu vermuten. Die Argumentation auch innerhalb des Rahmens einer Ökonomie der Publizistik ist problemlos möglich, wenn man es für möglich erachtet, dass Präferenzen auf unterschiedlichen Niveaus bestehen und für Präferenzen, die im Rahmen dieser Arbeit als „Präferenzen höherer Ordnung“ definiert werden, Marktversagen vorliegen kann.

Ein weiterer Aspekt mit definitorischem Hintergrund: Die hier vertretene Ökonomie der Publizistik ist keine reine Ökonomie des Journalismus – auch wenn man dies anhand der gewählten Beispiele und Fallstudien sowie der Verweise auf die redaktionelle Produkterstellung immer wieder vermuten könnte. Eine Ökonomie der Publizistik greift weiter, weil sich anhand der getroffenen Ableitungen vermuten lässt, dass nahezu alle publizistischen Situationen aus Sicht einer nonmonetär-ökonomischen Position beleuchtet werden können. Insbesondere gelten die Regeln einer Ökonomie der Publizistik für alle neuen Formen der Kommunikation, wie sie unter dem Schlagwort „Web 2.0“40 zusammengefasst werden. Dieser Ansatz wurde deshalb gewählt, weil anhand der beobachtbaren Entwicklungen me40 Der Begriff Web 2.0 ist wenig transparent und eher ungenau, im Grunde beschreibt er eine Veränderung im Anspruch an Internettechnologien sowie neue Arten der WWW-Nutzung. Im Zentrum steht dabei „User Generated Content“, stehen damit Internet-Inhalte, die Benutzer selbst erstellen oder verändern („Produser“, „Prosument“) – beispielsweise Weblogs (Blogs), Wikis oder auch Dateien in Portalen, die dem Bild-, Video- oder Ton-Austausch dienen. Technologisch betrachtet, umfasst Web 2.0 eine Reihe von Entwicklungen, die für Anwender erst durch breitbandige Internetzugänge interessant wurden (so zum Beispiel Web Service APIs (ca. 1998), Ajax (1998 – Asynchronous Javascript and XML, bis 2005 XmlHttpRequest genannt) und Abonnement-Dienste wie RSS (1997), zu den technologischen Aspekten vgl. Wikipedia, Stichwort „Web 2.0“, Stand: 4.1.2007).

251 dialer Kommunikation unter besonderer Berücksichtigung onlinekommunikativer Plattformen das Phänomen Journalismus insbesondere durch kollaborativ-partizipative Angebote ergänzt und verändert wird. Inwieweit hier dauerhaft auch in Zukunft von Journalismus im engeren Sinne gesprochen werden kann, ist fraglich.41 Auch deshalb also: Ökonomie der Publizistik, zumal eben diese Begrifflichkeit das Feld zum einen über den journalistischen zum anderen über den massenkommunikativen Kontext hinaushebt und alle individualpublizistischen Aktivitäten zumindest im Verständnis der Theorie mit umfassen kann. Ein kleiner Exkurs zum theoretischen Hintergrund sei hier erlaubt: Bereits zu Beginn des zweiten Kapitels wurde die Begrifflichkeit einer Medienkommunikation auf Habermas zurückgeführt (vgl. S. 82), der betont dass diese „dem auf Verständigung gerichteten Geltungsanspruch der Verständlichkeit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit folgt“ (Habermas 1981, S. 384 f.). Damit wurden publizistische, genauer: journalistische, Aktivitäten direkt mit dem Topos der gesellschaftlichen Verständigung verknüpft, eine Auffassung, die auch Haller vertritt, indem er das Ziel des Journalismus in der gelingenden gesellschaftliche Kommunikation sieht. Noch einmal (vgl. auch S. 82): Sie gelinge „dann (dort), wenn (wo) der Journalismus eine mediale Wirklichkeit erzeugt, die von den Kommunikationspartnern (Akteuren und Rezipienten) als Orientierung über aktuelle Ereigniszusammenhänge genutzt, zumindest so verstanden wird“ (2003, S. 180; ähnliche Argumentationen finden wir bei Brosda (vgl. 2005, S. 21 f.) und bei Baum (1994, S. 161), vgl. auch Lang 2006, S. 7). Der Hinweis auf die (kritische) Theorie des Journalismus soll hier auch zeigen: Die Herausforderungen für die moderne Publizistik liegen im Konflikt zwischen sozioökonomisch motivierten Vereinzelungstendenzen in der Gesellschaft einerseits und einer als Auftrag an die zunehmend marginalisierte Massenkommunikation formulierbaren soziokulturellen Kollektivierung andererseits. Auf diese beiden Phänomene muss zum besseren Verständnis hier ein weiteres Mal kurz eingegangen werden (vgl. dazu auch die Darstellungen und Ableitungen zur Qualitätsdiskussion in Kapitel 2). Zur sozioökonomischen Vereinzelung: Saturierte Gesellschaften neigen grundsätzlich dazu, immer individuellere Bedürfnisse42 zu befriedigen. Es ist ein grundlegendes ökonomisches Prinzip, dass in reifenden, kapitalistisch geprägten Gesellschaften bei voranschreitender Entwicklung, Ökonomie differenzierend wirkt. Die Folge ist die beschriebene und an den Medienmärkten gut nachvollziehbare Fragmentierung der Grundgesamtheit erreichbarer Rezipienten auf Basis markt- beziehungsweise marketingtechnischer Überlegungen. Die Spirale einer Befriedigung immer spezifischer Bedürfnisse wurde ebenfalls stringent in dieser Arbeit entwickelt – sie ist eine ökonomische Selbstverständlichkeit. So kann schließlich auch in realökonomischen Zusammenhängen erklärbar gemacht werden, warum Quote, beziehungsweise Auflage wesentlich für die Gewinnsicherung werden (vgl. dazu auch Kotler/Bliemel 1997, Kotler/Keller 2005 oder auch Meffert 2000 und hier Kapitel 3). Eine zunehmend bis in kleine und kleinste Rezipientenaggregate hinein reichende mediale Kommunikation (vgl. z. B. den Zeitschriftenmarkt, die Erwartungen an die Ausprägung von 41

Diese Diskussion wurde intensiv im Beitrag „Metajournalismus“ (weiter)geführt, der im Jahr 2007 in „Zur Zukunft des Journalismus“ erschienen ist. Der Beitrag enthält zahlreiche Verweise auf den Umgang mit neuen Formen kollaborativer Kommunikation wie Meta-, Para-, Pseudo- und eben Metajournalismus (vgl. Rau 2007, S. 31 ff.). 42 Es besteht dabei eine grundlegende Problematik, Bedürfnisse zu klassifizieren, zu ordnen und zu hierarchisieren. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Annäherung – die Psychologie findet ebenso antworten wie Kommunitarismus, politische Ökonomie (Diskussion der Präferenzen) oder Metaphilosophie (insbes. Lefèbvre). Zu einer tieferen Betrachtung vgl. Kapitel 1, S. 30).

252 Spartenprogrammen im digitalen Fernsehen, die Entgrenzung von Ressorts in der klassischen Tageszeitung), ist vergleichbar mit dem Anspruch einer zunehmenden Marktsegmentierung im modernen Marketing und damit Veränderungen ökonomisch motivierter Natur. In der Entwicklung von Volkswirtschaften ist das auch ein beinahe als Automatismus zu sehender Prozess: Im Übergang vom Käufer- zum Verkäufermarkt, wird Ausdifferenzierung zum Thema der Wahl. Gut nachvollziehbar ist dieses Phänomen reifender Märkte tatsächlich am Beispiel des Zeitschriftensektors – hier wird die Tragfähigkeit von Marktnischen quasi am Kiosk ausgetestet. Weil es sich trotz detaillierter Marktforschung und einer Vielzahl von Instrumenten häufig schwierig gestaltet, im Vorfeld zu prognostizieren, wie viele Käufer ein stark ausdifferenziertes Produkt im Markt erreicht, testen Anbieter mit hoher Marktmacht aus, ob sich genügend Nachfrage generieren lässt. Interessanterweise kommt es nicht allein zu einer Ausdifferenzierung der Produkte – sondern aufgrund der insbesondere durch die Dualität verschränkter Märkte geprägten Spezifik privatwirtschaftlicher Medienangebote zu einer Ausdifferenzierung der Geschäftsmodelle. Eine Überformung des (aus Marktsicht dualen) Gesamtproduktes durch die Regeln des Werbemarktes ist hier ebenso zu beobachten, wie die konzeptionelle Arbeit an einer expansiv angelegten Erweiterung der Rezipientenbasis. Selbst die reine Autorenfinanzierung ist zwischenzeitlich denkbar – man beachte nur die Überlegungen zur Neukonzeption der einschlägigen Forschungsmagazine naturwissenschaftlicher Prägung.43 Auch wenn so gesehen Außenpluralität und mediale Vielfalt auf Dauer auch unter Marktbedingungen gesichert scheint, so mögen Vertreter der kritischen Theorie und generell eine soziologische Perspektive diese Entwicklung mit Skepsis begleiten, verliert sich doch in der Vereinzelung auch die gemeinsame Basis in einem gesellschaftlichen Kontext. Zur soziokulturellen Kollektivierung: Die für den Publizisten aus dem vorangegangenen Abschnitt gleichermaßen zwingend folgende Frage: Inwiefern sehen sie ihre Aufgabe darin, einer Vereinzelung entgegenzuwirken und für einen gesamtgesellschaftlichen Ausgleich im Sinne einer „soziokulturellen Kollektivierung“ zu wirken (vgl. zu den Hintergründen auch Kapitel 2, insbes. S. 82 ff.). Hierfür könnte man unterschiedliche Theoriekonzepte bemühen. Ein in der Journalismusforschung beliebter Zugang liegt in der Systemtheorie (vgl. z.B. Rühl 1969 und 1980). Wenn Journalismus in einem solchermaßen gestalteten Zugang als soziales System selbst die Interdependenzen anderer Systeme beobachtet und beschreibt, ja selbst kontrollierend auf Systeme wirken kann, könnte die Abgrenzung der sozialen Systeme nach Luhmann – auch wenn diese stringent anti-humanistisch angelegt ist, da nicht Menschen sondern stets soziale Systeme miteinander kommunizieren – hilfreich für die Beantwortung der gestellten Frage sein. Zur Erinnerung: Die für den Journalismus fruchtbarste Leistung der Systemtheorie mag im von Manfred Rühl 1969 beschriebenen Input-Output-Modell liegen (vgl. S. 190, dieses Modell hat Pürer später konsequent auf massenmediale Kommunikation angewandt, vgl. 1990, insbes. S. 148 ff.). Rühl beschreibt ein System, das durch kausale Beziehungen mit seiner Umwelt verbunden ist (vgl. 1969, S. 190). Dieses System nimmt einerseits Leistungen aus der es umgebenden Umwelt auf und gibt im Gegenzug andere Leistungen an diese Umwelt ab. Durch Feedbackschleifen gelangt Systemoutput auch als Input wieder in das System zurück. Pürer 43

Auch für die großen internationalen naturwissenschaftlichen Titel wie Science oder Nature wurde die reine Finanzierung durch Autoren schon diskutiert.

253 beschreibt das System Massenmedien44 in Form eines solchen Input-/Output-Modells: „Das Massenkommunikationssystem wird als (soziales) System neben anderen Systemen (Parteien, Verbänden, Gewerkschaften, Kammern, Kirchen etc.) gesehen. Mit diesen anderen Systemen steht das Mediensystem in Verbindung, gibt Leistungen (Inputs) an sie ab und empfängt von ihnen aber auch welche (Outputs der anderen Systeme). So entsteht ein Rückkopplungsprozess, durch den die […] Systeme aufrechterhalten bleiben und ihre je verschiedenen Funktionen bzw. Leistungen für die Gesellschaft (…) erbringen“ (Pürer 1990, S. 148). Journalismus trägt Themen aus den unterschiedlichen (sozialen) Systemen der Umwelt zusammen, wählt aus, bearbeitet und stellt diese aufgearbeitete Realität den sozialen Systemen der Umwelt als Medienangebote zur Verfügung (Rühl 1980, S. 319, vgl. dazu auch Lang 2006, S. 5). Die Primärfunktion des Journalismus wäre damit, „die Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“ (Rühl 1980, S. 322f.). Luhmann präzisiert unterdessen diese Primärfunktion des Journalismus weiter, indem er betont, dieser müsse „Hintergrundwissen bereitstellen und jeweils fortschreiben, von dem man in der Kommunikation ausgehen kann“ (Luhmann 1995, S. 49).45 Der knappe Exkurs macht deutlich: Konzepte wie die der kritischen Theorie oder der Systemtheorie führen zu divergierenden Betrachtungsweisen und – was möglicherweise an diesem Punkt noch interessanter ist – zu unterschiedlichen Prognosen. Diese Arbeit nimmt durchgängig eine undogmatische Haltung ein, was bedeutet, dass die unterschiedlichen Theoriemodelle, sonst eher konträr und einander ausschließend eingeführt, hier ohne Schwierigkeiten nebeneinander stehen können. Die Vorgehensweise mag auch mit den durchgängig auf ökonomischen Theorien basierenden Argumentationslinie dieser Arbeit begründbar sein. Schließlich stehen gerade in der Volkswirtschaftslehre unterschiedliche und vielfach gleichermaßen sinnreiche Erklärungsversuche nebeneinander. Statt sich als konsequenter Liberalist, als Neoklassiker, Keynesianer, oder gar Marxist zu positionieren, kann man all die grundlegenden Theoriemodelle ganz undogmatisch nebeneinander stellen. Denn sie alle bleiben tatsächlich Modelle, deren Argumentation nur unter Beschränkung von Umfeldvariablen schlüssig ist. Die Welt ökonomischen Handelns und ökonomischer Austauschbeziehungen können sie jeweils nur bruchstückhaft erklären, indem Annahmen über die Umwelt getroffen werden. Keine theoretische Argumentation, die die Komplexität der Welt reduzieren will, kommt ohne Annahmen und Vermutungen aus. Sie bleibt damit ein Erklärungsversuch. Nichts anderes ist der Kern dieser Arbeit. Auch hier werden Vermutungen angestellt und benamt – vielleicht die wichtigste dabei: es werden meritorische Bedürfnisse vermutet, Bedürfnisse, die – auch das eine Vermutung – über Medienangebote befriedigt werden können. Eine Befriedigung jedoch ist nur dann möglich, wenn die Me44 Lang (2006, S. 5) bemerkt dazu treffend: „Anders als Carsten Brosda unterscheiden Heinz Pürer und Manfred Rühl nicht zwischen dem System Massenmedien und dem System Journalismus.“ Sie geht deshalb davon aus, dass die Systembedingungen der Massenmedien auch für den Journalismus gelten „und zwar insofern als Journalismus für Massenmedien nicht notwendig ist, für Journalismus aber die Existenz von Massenmedien“. Dieser naheliegenden Argumentation wird auch hier gefolgt. 45 Argumentativ wurde schon die Qualitätsdiskussion in Kapitel 2 ganz ähnlich abgeleitet, wobei dort zusätzlich auf die nivellierenden Aspekte einer Befriedigung des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ eingegangen wurde, um dort auch die theoretischen Überlegungen des ersten Kapitels – mit klaren Ausführungen zu einer möglicherweise kritisch zu sehenden Anpassung an (massenfähige – oder hier besser: zielgruppenmaximierungsfähige) Rezipientenbedürfnisse. Es bleibt einmal mehr auf McQuails Massenkommunikationstheorie zu verweisen („The future of mass communication is either socially fragmentating or unifying“, vgl. McQuail 2002, Kapitel 10, vgl. hier Kapitel 1, S. 50 und Kapitel 2 S. 83 f.).

254 dienangebote auch unter (vermutetem) Marktversagen wahrgenommen werden. Dies ist das eigentliche Grunddilemma der Medienwirtschaft. Ein Dilemma, das dem deutschen Fernsehzuschauer nach wie vor marktfähige Angebote auf öffentlich-rechtlichen Sendeplätzen beschert, die über die normativ abgesicherte (Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes) Grundversorgung argumentativ gerechtfertigt werden. Der Zuschauer muss sich also das vermutlich im privaten Fernsehen erfolgreich verbreitbare Format „Wetten Dass“ weiterhin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anschauen. Die Argumentation: Nur die Wahrnehmung des Programms in breiten Bevölkerungsschichten sichert auch, dass Angebote konsumiert werden, die vermutlich meritorische Bedürfnisse befriedigen. Interessanterweise – und damit führt sich das öffentlich-rechtliche System in Deutschland zunehmend ad absurdum – werden Angebote aus dem Kernbereich (Information, Bildung, Kultur, Kinder vgl. Hamm et. al. 1997) zunehmend in Spartenkanäle verschoben. Diese Arbeit empfiehlt auf Basis der theoretischen Entwicklung, eine grundlegende Reform, nein, einen grundlegenden Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebotes. Und zwar bevor die Digitalisierung und in deren Fahrwasser die Demokratisierung, respektive Kollektivierung der publizistischen Produktion Realitäten schafft, die das öffentlich-rechtliche System restlich auf eine immer kleiner werdende Zielgruppe immer älterer Zuschauer und Zuhörer marginalisiert. Die Ökonomie der Publizistik kann einem solchen Umbau die Richtung weisen. Statt Grundversorgung und Mainstreamfernsehen könnten Marketing oder auch Benchmarking den Befriedigungswert für vermutete meritorische Bedürfnisse steigern helfen. Zum Hintergrund: Sozioökonomische Vereinzelung wie soziokulturelle Kollektivierung folgen am Ende der Logik der Ökonomie (das gilt für „Profit-“ wie für „NonprofitSituationen“) und erfüllen gleichermaßen die Voraussetzungen einer Trivialisierung der Rezeption. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Medienangebote bemühen sich um klare Input-Output-Relationen. Diese folgen einer einfachen Formel: „Bei Wahl der Strategievariante X erhöhe ich den Rezeptionsanreiz in der Zielgruppe Y!“ Auch für Angebote, die gezielt vermutete meritorische Bedürfnisse ansprechen, gilt dieser Ansatz, da nur Wahrnehmung auch Wirkung sichert. Gerade deshalb ist es ja möglicherweise für die Anbieter vermutlich meritorischer Angebote so bedeutsam, sich mit den Zusammenhängen im Nonprofit- und Social Marketing auseinanderzusetzen. Die Förderung klarer Input-OutputBeziehungen aber, ist gleichzusetzen mit einer Trivialisierung des Rezipienten. Dieser wird (im Extremfall) auf eine Konditionierung reduziert. Der Begriff der Trivialisierung wird in dieser Argumentation aus dem Konstruktivismus entlehnt, wobei damit nicht im Schlusskapitel dieser Arbeit eine Konstruktivismusdebatte eröffnet werden soll. Es geht allein um die Begrifflichkeit, die nirgendwo klarer formuliert ist als bei v. Foersters (1993). Er argumentiert insbesondere mit dem Begriff der trivialen und der nicht-trivialen „Maschine“. Die triviale Maschine ist durch eine eindeutige Beziehung zwischen ihrem „Input“ (Stimulus, Ursache) und ihrem „Output“ (Reaktion, Wirkung) charakterisiert. „Diese invariante Beziehung ist ‚die Maschine‘.“ (S. 206). Das System ist deterministisch und vorhersagbar. Dem entgegen ist die Input-Output-Beziehung von nicht-trivialen Maschinen nicht invariant. Der Output entscheidet über die „Funktionsweise“ solcher Maschinen. Trivialität ist per definitionem also mit dem Grad der Determination und der Vorhersagbarkeit eines Systems gleichzusetzen (vgl. dazu auch die Einschätzung v. Foersters, dass Tests im Schulsystem das Maß der Trivialisierung festlegen. Demnach verweist ein hervorragendes Testergebnis auf vollkommene Trivialisierung, 1993, S. 208). Dieses simplifizierte Modell lässt

255 sich nun leicht auf die Zusammenhänge dieses Abschnittes übertragen: Ein Medium kann im relevanten Zielmarkt Beachtung im Sinne von Quote oder Auflage ausschließlich durch die zusätzliche Berücksichtigung von möglichen inneren Zuständen dieser Maschine erreichen. Das bedeutet die Ausweitung der Inhalte auf neue, stets tiefer segmentierte Zielgruppenbedarfe (sozioökonomische Vereinzelung). Die konstruktivistische „Medium-Rezipienten-Maschine“ ist geboren. Steigt durch konkurrierende Angebote der Druck auf das Medium (realökonomisch wie in der dualen Ökonomie rein rezeptionsökonomisch betrachtet), stehen die kostenintensive Erweiterung des Sets an inneren Zuständen nicht mehr länger zur Verfügung, das Medium wird gezwungen sein, sich zum Erhalt der Rezeption auf bekannte innere Zustände dieser Maschine zu konzentrieren und an deren Qualität zu arbeiten. Es wird besonders darum gehen, die Eintrittswahrscheinlichkeit der (gewünschten, weil die Rezeption fördernden) Input-Output-Reaktion in diesen inneren Zuständen zu erfüllen. Damit ist der Sachverhalt einer zunehmenden Trivialisierung des Mediennutzers erfüllt. Die Argumentation lässt sich auch dann aufrecht halten, wenn man das Theorem v. Foersters aufgreift, ohne sein radikal konstruktivistisches Konzept zu übernehmen. Angesichts dieser theoretischen Einordnung wäre freilich auch die Betrachtung des selbstreferenziellen Charakters in den Systemen „Journalismus“ oder „Medienproduktion“ – als wichtiger Faktor zur Erklärung ökonomischer Handlungslosigkeit in der Krise – ein dankbares Thema. Dies würde an dieser Stelle zu weit führen. Hier also ist genügend Raum für künftige Forschung. Bleibt die Frage, ob Trivialisierung in diesem theoretischen Verständnis in der Medienpraxis tatsächlich zu beobachten ist. Es gibt Indizien dafür. Einige willkürlich gewählte Beispiele: ƒ

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Die zunehmende Zahl von Interviews, die in Medien verarbeitet werden (Talksendungen, Interviews in Informationsprogrammen und Magazinen – auch Nachrichtenmagazinen) kann im Sinne der Trivialisierungsthese gewertet werden. Interviews erleichtern dem Rezipienten für gewöhnlich die Verarbeitung eines Themas, da er sich und seine Meinung und Orientierung direkt an den Aussagen der Interviewten messen, abprüfen kann. Die Nutzwertdiskussion, die unter anderem durch die Publikationspraxis von Nachrichtenmagazinen und Illustrierten angestoßen wurde. Dahinter steht der Versuch, sich den Realitäten des Rezipienten, seinen Lebenswelten noch besser anzunähern. Themen die unmittelbar die Lebenswirklichkeiten des Rezipienten betreffen, spiegeln bereits bekannte Strukturen – der Stoff wird in das Vorhandene eingebunden und damit leichter reflektiert. Die Ausweitung der MAZ-Anteile in den Nachrichtensendungen des Fernsehens. Diese vermeintlich „authentischen“ Bildanteile schaffen für den Zuschauer eine leichtere Orientierung und unterstützen seine Vorstellungskraft – Inhalte werden leichter rezipierbar.

Im Marktumfeld sind also durchaus Aspekte zu beobachten, die – bei entsprechender empirischer Absicherung – die These von der Trivialisierung des Rezipienten bestätigen könnten. Die Publizistik mit auch meritorisch begründbarem Anspruch, sollte der Trivialisierung begegnen können. Künftig wird die (durchaus polarisierungsfähige) Selbstverortung auf einem stufenlosen Strahl, der die Pole sozioökonomische Realität (Vereinzelung) und soziokulturellem Auftrag (Kollektivierung) verbindet, von wachsender Bedeutung sein. In

256 genau dieser individuell in der Mediengattung oder im Medium zu leistenden Abgrenzung liegt in der zukunftsorientierten Betrachtung des Phänomens Journalismus die eigentliche Herausforderung. Journalismus kann sich, auch im Sinne von normativ gesetztem Bildungs- oder Kulturauftrag, um die Erklärung seiner besonderen Leistung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bemühen und genau darin einen Gutteil seines Selbstverständnisses finden. Dies ist nicht grundlegend neu – aber in dieser Deutlichkeit bislang nicht geleistet. Die Ökonomie nutzt für Produktleistungen die Markierung. Vielleicht liegt in einer dergestalten Vorgehensweise die einzige Chance des Journalismus, als Gesellschaftsphänomen zu überleben. Denn heute ist keineswegs gewiss, wer die dominierenden Medienanbieter der Zukunft sein werden, wer das Regelwerk oder die Agenda erstellt und ob Journalisten von „Gatekeepern“ zu „Gatewatchern“ mutieren, wie dies Axel Bruns (2005) seinerseits in einem (übrigens ebenfalls ökonomisch motivierten, genauer: fordistischen) Modell abgeleitet hat. Erneut ist auf die Veränderung der Medienlandschaft durch neues Web-Verhalten (vgl. Stichwort „Web 2.0“ auf S. 246 und Fußnote 39) einzugehen: Die Demokratisierung der Medienproduktion ist das möglicherweise zentrale Phänomen, wenn es um die Zukunft des Journalismus in der Mediengesellschaft gehen soll.46 Das individualistische Konzept der Medienproduktion wird erst mit den entsprechenden Plattformen massentauglich und damit im informatorischen Bereich auch als publizistische Form sichtbar. Ein gutes Beispiel bietet die spannenderweise als „Trademark“ und damit als eingetragenes Warenzeichen klassifizierte Website „YouTube“ (www.youtube.com) – die den markanten Untertitel „Broadcast Yourself“ trägt. Hier kann jeder seine individuell gestalteten Videoclips einstellen, die Automatisierung bildet Ranglisten und bietet Kategorien nach „Most Viewed“, „Top Rated“, „Most Discussed“, „Top Favourites“, „Most Linked“, „Recently Featured“, „Most Recent“. Die Masse macht die Redaktion. Und genauso gilt: Nur die Masse macht (in einem der Produktion nachgelagerten Prozess) die Redaktion. Das bedeutet: Erst ab dem Erreichen einer (redaktionell) kritischen Masse kann man von redaktioneller Gestaltung sprechen – ob dies im informatorischen Angebot dann schon journalistisch ist, bleibt fraglich.47 In vorangegangenen Publikationen wurde in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, im informatorischen Angebot demokratisierter Medienproduktion mit partizipatorischen Grundzügen bei erreichen einer redaktionell kritischen Masse von Metajounalismus zu sprechen. Dieser Ansatz wird mit zunehmender Veränderung massenmedialer Kommunikation zu erweitern sein. Diese Darstellungen sollten zum Ende dieser Untersuchung noch einmal zeigen: Die Ökonomie der Publizistik und ihre Werkzeuge besitzen Relevanz – und zwar in all den hier 46

Beeindruckend in diesem Zusammenhang die Karriere der Website Myspace. Im Jahr 2003 gegründet, im Jahr 2005 von Rupert Murdoch für 580 Millionen Dollar erworben (in kürzester Zeit hat Murdoch’s News Corp. Inklusive Myspace 1,3 Mrd. Dollar für Akquisitionen von Internetdiensten ausgegeben. Im Sommer 2006 vereinbart Google eine über drei Jahre laufende Partnerschaft mit Myspace (die Website zählt insbesondere bei Jugendlichen zu den populärsten Seiten), die sich Google 900 Millionen Dollar kosten lässt. Dafür wird Myspace Werbetechnologien und Suchmaschinen von Google nutzen und auf der Seite anbieten. Myspace ist eine der bedeutendsten Webcommunities insbesondere für Kreativangebote. Das Potenzial zeigt sich auch darin, dass Musiker Karrieren allein über diese neue Form sozialer (virtueller) Netzwerke Myspace aufbauen und vorantreiben konnten – die klassischen „Gatekeeper“ spielten eine erst nachgeordnete Rolle. 47 Auch aus diesem Grund wurde ja in dieser Arbeit übergreifend die „Publizistik“ und nicht „Massenkommunikation“ oder „Journalistik“ in den Blickpunkt gestellt. Aus Sicht der kollaborativen demokratisierten Medienproduktion ein konsequenter Schritt, der auch dafür stehen soll, dass publizistische Formen der Zukunft möglicherweise nicht mehr länger journalistisch oder massenkommunikativ im aktuellen Verständnis sind.

257 noch einmal pointiert dargestellten Zusammenhängen. Sie weist darüber hinaus schon heute in die Zukunft der Medienproduktion und kann dabei helfen, die neuen Möglichkeiten einer partizipativ-kollaborativen Inhaltsproduktion frühzeitig auch aus publizistischer Sicht einzuordnen. Dies scheint insbesondere deshalb vonnöten, weil sich die Entwicklungsgeschwindigkeit publizistischer Angebote mit den Möglichkeiten aller unter dem Schlagwort „Web 2.0“ zusammengefassten Aspekte dramatisch erhöht. Es wird hier impliziert, dass eine Ökonomie der Publizistik im Rahmen von Selbstverpflichtungen schneller agieren und reagieren kann, als alle normativ ausgerichteten Institutionen.

5.2 Die Diskursfelder und ihre Bewertung im Überblick Die folgenden Diskursfelder wurden zu Beginn der Arbeit geöffnet. Hier nun soll in Form einer Zusammenfassung und Bewertung noch einmal kurz auf die einzelnen Aspekte eingegangen werden:

5.2.1 Diskursfeld 1: Ausgangspunkt Kommerzialisierung 1. Welche Wirkungen hat eine Ökonomie der Publizistik bezogen auf Kommerzialisierungstendenzen – unabhängig davon, ob diese plausibel erklärt werden können oder nicht? 1.1 Wie ist Kommerzialisierung zu definieren und abzugrenzen? 1.2 Welche Implikationen hat Kommerzialisierung auf die Aussagenproduktion im Medienkontext? 1.3 Welche Instrumente einer Ökonomie der Publizistik können beobachtbaren Kommerzialisierungstendenzen begegnen? 1.4 Wie können diese Instrumente eingesetzt werden? Überlegungen und Bewertungen im Diskursfeld 1: Kommerzialisierung – verstanden als die Reduktion eines Lebensbereichs auf die Regeln des Marktes – ist für das Feld der Medien dann ein Thema, wenn man an Medienangebote Erwartungen knüpft, die über eine marktgängige Bedürfnisbefriedigung hinausreichen. Von Kommerzialisierung kann also dann gesprochen werden, wenn vermuteter gesellschaftlicher Nutzen oder Auftrag oder vermutete Nützlichkeit von den betroffenen Akteuren nicht mehr länger handlungsleitend eingesetzt wird. Die Arbeitstechniken einer Ökonomie der Publizistik können, nach den Überlegungen in dieser Studie, eingesetzt werden, um Kommerzialisierung oder Kommodifizierung gegenüberzutreten. Sie liefert Werkzeuge, die dabei helfen, neben marktfähigen Bedürfnissen auch solche zu berücksichtigen, die meritorisch begründbar sind. Dies gilt im Grunde für alle Werkzeuge, die zwar mit rein betriebswirtschaftlicher Motivation entwickelt wurden, aber zwischenzeitlich auch in einem Nonprofit-Umfeld geprüft sind. Insbesondere können Marketing und Benchmarking – die beiden hier gewählten Beispiele – angeführt werden, die sich in den Kontext einer Ökonomie der Publizistik, die grundsätzlich nonmonetär argumentiert, hervorragend einbinden lassen. Die Argumentation im Rahmen der Ökonomie der Publizistik besitzt gegenüber derjenigen in einer reinen Nonprofit-Ökonomie einen entscheidenden Vorteil: Rein betriebswirt-

258 schaftliche sind als Seiteneffekte nicht schädlich und in einen holistischen Ansatz publizistischer Projektsteuerung unschwer zu integrieren. Damit wird die Ökonomie der Publizistik zum Managementinstrument der Wahl, wenn neben dem rein monetären Erfolg und damit singulären Motiven in einem liberalistischen Marktumfeld auch andere Größen zugelassen werden die im weitesten Sinne sozialethischen Maximen folgen. Der Große Vorteil dieser Denkhaltung ist ihr hohes Maß integrativer Leistung. Kommerzialisierung ist angesichts der in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Zusammenhänge ein ganz natürlicher Vorgang im freien Spiel der Märkte – wobei klare (vgl. auch den vorangegangenen Abschnitt) begriffliche Abgrenzungen vorgenommen werden müssen. Zwei Aspekte sollen über die bisherigen Überlegungen hinaus hier noch kurz und angesprochen sein: 1. kann Kommerzialisierung ebenfalls (wie die Ökonomisierung) entdogmatisiert werden, weil sie rationalen Gegebenheiten am Markt entspringt, 2. muss in Zukunft zusätzlich neben der Kommerzialisierung eine neue Art der Überformung Berücksichtigung finden: diejenige mit Hilfe der Regeln des Finanzmarktes – ein in Deutschland zumindest noch recht junges Feld, das allerdings spätestens mit der im Jahr 2006 zu beobachtenden Aktivität von Finanzinvestoren zu diskutieren ist. Statt Kommerzialisierung also zusätzlich eine „Investmentialisierung“ der Medienbranche? Hier muss die medienökonomische Forschung baldmöglichst erste Ansätze entwickeln – interessanterweise kann auch in diesem Zusammenhang die Ökonomie der Publizistik, mit ihrer Ambition, die Steuerung der publizistischen Produktion durchgängig transparent zu gestalten, die Richtung vorgeben. Die Arbeit hat darüber hinaus zusammengefasst, wie schwer es ist, ein Urteil darüber abzugeben, welche Wirkungen Kommerzialisierungstendenzen auf die Aussagenproduktion der Medien haben, zumal sich nicht immer leicht entschlüsseln lässt welche Beweggründe tatsächlich eine Veränderung von Medieninhalten bedingen. So ist schon der reine Wahrnehmungsanspruch der Medien in diesem Verständnis problematisch. Medienangebote, auch mit eigentlich rein publizistischem Auftrag und Fundierung, so wie sie beispielsweise die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender bereitstellen, folgen den Regeln einer Ökonomie der Aufmerksamkeit (zum Begriff vgl. Franck 1998, der in anderem Zusammenhang auch das Schlagwort vom „mentalen Kapitalismus“ geprägt hat) und damit dem Streben nach Quote. Möglicherweise hat ja deshalb auch – nur um eine der Untersuchungen beispielhaft herauszugreifen – die Mainzer Studie zu den Nachrichtenfaktoren im deutschen Fernsehen (vgl. Ruhrmann/Woelke/Maier/ Diehlmann 2003) auf vielen Feldern nur geringe Unterschiede erkannt – zwischen den handlungsleitenden Nachrichtenfaktoren privater Fernsehnachrichtenanbieter und denen, die für Auswahl und Präsentation von Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen empirisch nachgewiesen werden konnten. Die Kernproblematik der Kommerzialisierung liegt also im jedem publizistischen Angebot inhärenten Anspruch einer Wirksamkeit durch Wahrnehmung. Im Unterschied könnte man also konkretisierend statt von einer Ökonomie der Aufmerksamkeit von einer Wahrnehmungsökonomie sprechen. Nimmt man zu diesem Ansatz die im vorangegangenen Abschnitt aufgegriffenen Aspekte sozioökonomischer Vereinzelung und soziokultureller Kollektivierung zusammen, so blättert sich an diesen Begrifflichkeiten das gesamt Feld einer publizistisch orientierten Medienökonomie auf. Folgender Schluss liegt nahe: Je größer die Konkurrenz um Wahrnehmung, desto seltener werden Präferenzen höherer Ordnung bedient. Die in dieser Arbeit vorgestellten Instrumente einer Ökonomie der Publizistik können nun bewusst als Steuerungswerkzeuge eingesetzt werden, um einerseits die Aufmerksam-

259 keit zunehmend auf Präferenzen höherer Ordnung zu leiten oder andererseits mit gesetzten und meritorische Bedürfnisse bedienenden Qualitätsfaktoren zu operieren. Die Ökonomisierung in einer solchen Richtung, kann ergo auch Kommerzialisierungstendenzen entgegenwirken.

5.2.2 Diskursfeld 2: Rezipienten-Präferenzen und die Frage der Anpassung 1. Stützt die Meritorik eine Ökonomie der Publizistik? 1.1 Welche Rolle spielt die Einschätzung von Konsumenten- oder, in diesem Falle besser, Rezipientenpräferenzen im Sinne der Meritorik? 1.2 Wie ist über das Konzept der Konsumenten- oder eben wiederum der Rezipientensouveränität auch in Anbetracht der theoretischen Überlegungen zur Meritorik zu urteilen? 2. Welche Implikationen auf das Angebot von Medieninhalten hat eine Anpassung an vermutete oder gemessene Rezipienteninteressen? 2.1 Wie kann man die Diskussion um „Anpassungsjournalismus“ der 1970er Jahre befruchtend auf aktuelle Zusammenhänge übertragen? 2.2 Wie ist über das Thema „Anpassung“ aktuell zu entscheiden? 2.3 Welche theoriegetriebenen Verifizierungsansätze für die Anpassungshypothese sind denkbar? Überlegungen und Bewertungen im Diskursfeld 2: Die für das Diskursfeld 1 schon beschriebenen Zusammenhänge wirken unmittelbar auch auf das zweite Diskursfeld dieser Studie. Die Meritorik zählt zu den besonders komplexen Phänomenen der Ökonomie, und zumeist werden hoch theoretische Zusammenhänge bemüht, um die Medienmeritorik abzuleiten. Diese Arbeit muss ebenfalls die Frage der Präferenzen aufgreifen und leistet für die weitere (und kaum final abschließbare) wissenschaftliche Diskussion zweierlei: ƒ

ƒ

Erstens: Sie führt die Meritorik zurück an ihren Ausgangspunkt: die Rolle der Bedürfnisse. Konsequent wird also in der Ökonomie der Publizistik von meritorischen Bedürfnissen und nicht mehr länger von meritorischen Gütern gesprochen. Dies hebt auch die philosophiebetonte Rolle dieses Konstruktes in den Vordergrund, da sich auf die unterschiedlichen Versuche einer Hierarchisierung oder Ordnung von menschlichen Bedürfnissen verweisen und damit verdeutlichen lässt, wie wenig fassbar, ja nachgerade wie unmöglich der Nachweis eines einheitlichen Meritorik-Verständnisses selbst für die Betrachtung weitgehend geschlossener Kulturkreise ist. Zweitens: Sie erlaubt sich angesichts der in Kapitel 1 breit ausgeführten Grundproblematik einen Kunstgriff, der im Kern darin besteht, jede Meritorikdiskussion zuzulassen, wenn meritorische Bedürfnisse vermutet werden können. Also: Allein die Vermutung, dass es Präferenzen „höherer Ordnung“ gibt, erlaubt die Integration solcher vermuteten meritorischen Bedürfnisse in einen zu entwickelnden Qualitätsansatz. Damit wird ein Modell publizistischer Qualität möglich, das eine Vielzahl von frei wählbaren – und eben auch an der Meritorik ausrichtbaren – Steuerungsinstrumenten einsetzen kann.

260 Die Diskussion wurde hier somit zum eigentlich entscheidenden Faktor geleitet: die Auseinandersetzung mit den Rezipientenpräferenzen. Für alle weiterführenden Diskussionen, die in der Ökonomie der Publizistik angestoßen und vertieft wurden und in Zukunft vielleicht noch werden, wurde und wird die Beweislast umgekehrt. Erst wenn theoretisch und empirisch schlüssig nachgewiesen ist, dass meritorische Bedürfnisse grundsätzlich nicht existieren können, wäre dies zum Anlass zu nehmen, sie aus dem möglichen Set der mit den Instrumenten der Ökonomie der Publizistik bearbeiteten Kriterien auszuschließen. Das inhärente Paradoxon: Der einzige Nachweis meritorischer Bedürfnisse würde darin liegen, dass bei einem vorliegenden Bedürfnisbündel die Rezeption zurückgeht, wenn mit dem medialen Angebotsbündel meritorische Bedürfnisse befriedigt werden. Die eingesetzten Werkzeuge – wie eben beispielsweise die hier deklinierten Total Quality Management, Marketing oder Benchmarking – können sinnvoll auch dafür genutzt werden, das vermutlich nicht durchgängig gültige (schließlich halten wir meritorische Bedürfnisse für möglich) Konzept der Konsumenten-, respektive Rezipientensouveränität wieder einzusetzen, indem vermeintlich meritorische Bedürfnisse durch Aktivierung in ein funktionsfähiges Marktmodell zurückgeführt werden. So kann gezieltes redaktionelles Marketing unter dem Einsatz unterschiedlicher Aktionsparameter aus Produktfaktoren, aufmerksamkeitsökonomischer Preisgestaltung, kommunikationspolitischen Maßnahmen oder Distributionsentscheidungen die Nachfrage nach publizistischen Angeboten mit vermeintlich meritorischer Qualität zu erhöhen und damit ursprünglich meritorische in den Kreis der handlungsleitenden Bedürfnisse zurückzuführen. Ökonomie der Publizistik arbeitet also – so überraschend dies auf den ersten Eindruck hin klingen mag – auch an einer Erweiterung der Basis für die Rezipientensouveränität. Unmittelbar verbunden mit der Frage einer Existenz von meritorischen Bedürfnissen oder gar Gütern, ist die im Terminus „Anpassungsjournalismus“ zusammengefasste Problematik. Obwohl vielfach im Zusammenhang mit der Arbeitstechnik Kommunikations(vgl. z.B. Kiock 1974), Redaktions- (vgl. z.B. Rau 2000a) oder Kulturmarketing beleuchtet, wird die Frage nach einer „guten“ oder „schlechten“ Anpassung an Abnehmerbedürfnisse in dieser Arbeit vorgezogen und damit bewusst vom Kapitel separiert, das sich konkret mit den Marketingfragestellungen beschäftigt. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass das Phänomen der Anpassung nicht nur für die Arbeitstechnik Marketing, sondern ganz generell für alle Zusammenhänge, in denen meritorische Bedürfnisse vermutet werden, bedeutsam ist. Damit wird es von zentraler Bedeutung auch für diese Arbeit. Dass darüber hinaus die in der publizistisch ausgerichteten Anpassungshypothese zusammengefassten Aspekte unmittelbar mit der Frage nach der Qualität von Medienangeboten verschränkt werden, macht es geradezu zur Pflichtübung dieser Arbeit darauf einzugehen – und zwar noch bevor sich Qualität selbst als Konstrukt der Anpassung präsentiert (vgl. Kapitel 2). Die Verifizierung – und darauf muss diese die unterschiedlichen Kapitel integrierende Zusammenfassung zwingend verweisen – der Anpassungshypothese bedarf der Setzung von Qualitätskriterien. Also erst die in dieser Arbeit erstmalig in solcher Konsequenz entwickelte Dynamik (und damit situativ steuerbare Variabilität) des publizistischen Qualitätsbegriffes erlaubt es, über die Verifizierung nachzudenken. Damit zwingt die Ökonomie der Publizistik alle mit der These operierenden Ansätze der 1970er und 1980er Jahre in die Konkretion normativer Setzungen und damit in eine Form reflexiv-kritischer Selbstwahrnehmung.

261 Die vorliegende Studie bietet zusätzlich über bisherige Diskussionsgrundlagen hinausgehende kreative Möglichkeiten, sich der Anpassungshypothese zu nähern und ihre Gültigkeit für spezifische publizistische Situationen nachzuweisen – darunter ein spieltheoretisches Modell, das sehr plastisch vorführt, dass Anpassungsjournalismus für handelnde Akteure bei vorliegenden Entscheidungsmustern nachweisbar ist. Ebenso lässt sich mit Hilfe der Spieltheorie und darin integriert einer Theorie selektiver Anreize erklären, warum es, trotz spieltheoretischer Evidenz, realiter zu (funktionsfähigen) qualitätsjournalistischen (wie auch immer dieser Begriff gemäß den Ausführungen in Kapitel 2 zu füllen sein wird) Angebotssituationen kommt.

5.2.3 Diskursfeld 3: Publizistische Qualität und Qualitätsmanagement 1. Wie ist über publizistische Qualität zu urteilen? 1.1 Welchen Qualitätsbegriff legt man für die Produktion informatorisch getriebener Medieninhalte zugrunde? 1.2 Wie konsistent oder flexibel ist ein solcher Qualitätsbegriff? 1.3 Welche Setzungen kann man vornehmen, um die Bestrebungen in einer Ökonomie der Publizistik zu stützen? 1.4 Was kann eine Dynamisierung des Qualitätskonzeptes bewirken? 1.5 Führt ein neues Kategoriensystem für journalistische Qualität auch zur stringenteren Wahl von Qualitätskriterien? 1.6 Kann ein solches Kategoriensystem auch meritorisch verankert werden? 2. Können Ansätze des Qualitätsmanagements als Steuergröße einer Ökonomie der Publizistik dienen? 2.1 Lösen Überlegungen zum Qualitätsmanagement das definitorische Dilemma? 2.2 Liegt im „Total Quality Management“ bereits ein Werkzeug der Ökonomie der Publizistik verborgen? 2.3 Wie ist die Situation bei einer Rückführung der Diskussion auf den ursprünglichen TQM-Katalog nach Deming zu beurteilen? Überlegungen und Bewertungen im Diskursfeld 3: Man kann es sich leicht machen: Publizistische Qualität ist nicht fassbar, Punkt. Und dennoch zählt sie zu jenen Dingen über die die Medienwissenschaften seit Jahrzehnten trefflich streiten. Am Ende gilt vielleicht der gütige Kompromiss: Medienqualität unter publizistischen Gesichtspunkten ist eine Frage der Philosophie, wenn nicht der Ethik. In jedem Fall – sie ist interpretier- und gestaltbar, und publizistische Qualität lebt am Ende von Setzungen, die zu guter Letzt auch (abhängig von der Situation) normativ ausfallen können. Den Versuchen und Versuchungen, den Verfassungsauftrag tiefer zu interpretieren (vgl. Löffler 1960, S. 517f.) und mit weiteren eklektischen oder semiphilosophischen Beiträgen die Qualitätsdiskussion emotional weiter zu befruchten, setzt diese Studie ein klares Bekenntnis der Offenheit. Qualität erfordert Setzungen. Und: diese Setzungen können variieren – nach Gattung im Medienvergleich, räumlich nach Region (auch Weltregion) und schließlich zeitlich. Das Qualitätskonzept der Publizistik wird damit endgültig dynamisiert und eine Frage des Managements. Im Sinne einer Qualität der Publizistik ist also künftig kaum mehr nach

262 dem „Wie“ als vielmehr nach dem „Wer“ zu fragen! Denn diese Frage ist angesichts sozioökonomischer Vereinzelung und soziokultureller Kollektivierung (zu diesen Schlagworten vgl. den vorangegangenen Abschnitt 5.1) die einzige von Belang, zumindest dann, wenn es um die Beurteilung publizistischer Qualität geht. Wer ein Qualitätsproblem konstatiert, sieht damit ein Besetzungsproblem. Im Konzert publizistischer – oder konkreter, journalistischer – Qualität spielen eben verstärkt jene Musiker die erste Geige, die allein den kommerziellen Erfolg eindimensionaler (sprich: marktgängiger) Bedürfnisbefriedigung sehen. Ein durchaus mögliches Qualitätsproblem wird hier also stringent auf ein Managementproblem zurückgeführt. Bleibt anzumerken, dass vermutlich jede Gesellschaft jene Medienmanager – oder sollte man konkretisieren: jene Chefredakteure – besitzt, die sie verdient. Ein letzter Hinweis in dieser Sache: Eventuell überleben sich diese Manager schneller als vermutet, wenn partizipative und möglicherweise nicht mehr länger „journalistisch produzierte“ sondern vielmehr allein „journalistisch moderierte“ Formen multimedialer Webangebote weiter Raum greifen. Wenn nun also danach gefragt wird, welchen Qualitätsbegriff man für die Produktion informatorisch getriebener Medieninhalte zugrunde legt, muss die Antwort klar ausfallen: Jeden, den aktuelle Inhaltsentscheider zugrunde legen wollen! Das macht den Qualitätsbegriff nicht nur flexibel sondern ebenso robust. In der Diskussion lassen sich nicht mehr länger moralische Zeigefinger heben – es sei denn, es gibt nachweislich ein Kollektivphänomen meritorischer Anspruchshaltungen. Nun wurde vorausgeschickt, dass allein die Möglichkeit meritorischer Bedürfnisexistenz dazu führen kann, Präferenzen dann höherer Ordnung auch zu adressieren. Auf den Qualitätsbegriff angewandt heißt das: auch meritorische Qualität ist möglich. Im Verständnis der Ökonomie der Publizistik, ist meritorische Qualität ein Kategoriensystem, eine Rahmensetzung für mögliche, an vermuteten meritorischen Bedürfnissen orientierte Qualitätskriterien. Da auch diese wieder interpretierbar sind, kann und will die Studie solche Kriterien selbst nicht vorgeben. Sie sind stets situationsabhängig zu wählen und mutig zu setzen. Jeder Qualitätsbegriff ist damit ebenso konsistent wie flexibel, weil jedoch grundsätzlich meritorische Bedürfnisse vermutet werden können, sei den Entscheidern das meritorische Qualitätssystem ans Herz gelegt. So gesehen, schafft das hier entwickelte dynamische Qualitätskonzept publizistischer (und damit auch journalistischer) Qualität Ordnung und Struktur, es erlaubt die aktuelle Bestimmung der Position und die interpretative Positionierung. Genau genommen führt auf diesem Weg das neue Kategoriensystem meritorischer Qualität auch zur stringenteren, weil nun auch bewusst gemachten Wahl von Qualitätskriterien. All die Überlegungen zu einer Neuordnung journalistischer Qualität werden in der Ökonomie der Publizistik direkt an jene Akteure zurückgespiegelt, die in der gegebenen Ordnung Setzungen vornehmen können und müssen. Diese Setzungen sind im Zeitablauf veränderbar und so auch einem Prozess regelmäßiger Überprüfung zu unterziehen, ein Vorteil, der einmal mehr die undogmatische Haltung des hier gewählten wissenschaftlichen Ansatzes ist. Qualität ist damit gestaltbar, steuerbar und spezifisch auf eine Anwendungssituation zuzuschneiden. Der Blick entfernt sich vom definitorischen Objekt hin zu den definierenden Subjekten. Damit aber werden auch Verantwortlichkeiten klar zugewiesen und all möglicherweise dem Qualitätsthema inhärenten ethischen Fragestellungen zurückgespiegelt an jene, die relevante Setzungen für die Medienqualität vornehmen. Medienqualität, respektive publizistische Qualität benötigt damit Medienmanager, die im Kern publizis-

263 tisch agierende Manager sind, wenn eine publizistische Zielsetzung verfolgt werden soll, die über ein an klassischen Marktgrößen orientiertes Verständnis hinausgehen soll. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Qualität führt also direkt in ein aktivitätenzentriertes Verständnis, das die handelnden Manager wie die politische Administration in die Verantwortung nimmt. Wenn also neben rein marktfähigen Qualitätsaspekten auch meritorische Bedeutung haben, dann muss dies über die handelnden Akteure in den Prozess eingebracht werden. Das kann – bei entsprechender Tragfähigkeit der realökonomischen Modelle – auf der Ebene des Medienmanagements stattfinden. Bei Verlust der marktbezogenen Überlebensfähigkeit müssen sich entsprechend die politischen Rahmenbedingungen ändern. Selbstverständlich lassen sich auch demeritorische Aspekte integrieren – ein Hinweis, der angesichts der Diskussion um die Inhalte von Computerspielen (insbesondere EgoShootern) nicht von der Hand zu weisen ist. Im Grunde entwickelt diese Arbeit ein Modell situativen Qualitätsbewusstseins, das schließlich direkt und unmittelbar mit den Entscheidungen handelnder Akteure verknüpft wird. Sie schafft so die Möglichkeit der Konsensbildung über unterschiedliche „Lager“ hinweg, weil es im Wesentlichen um den Gewinn von Erkenntnis und Transparenz geht. Mit einer solchermaßen dynamisierten Vorgehensweise werden statt einer allein regelmäßig versagenden „publizistischen Qualität“ vielmehr „publizistische Qualitäten“ möglich, und auch das enger zu fassende Konstrukt journalistischer Qualität rückt final in die Nähe von Qualitätsmanagement. Für diese Arbeit ist dieser Schritt nur konsequent, ergibt sich doch auf diese Weise die Chance, ein bewährtes betriebswirtschaftlich etabliertes Instrumentarium unternehmerischer Steuerung sinnstiftend zu diskutieren: Total Quality Management (TQM). Zugegebenermaßen wird bis heute Total Quality Management im betriebswirtschaftlichen Umfeld in überwiegendem Maß Aufgabenstellungen und Arbeitssituationen zugeordnet, in denen sich Qualität vergleichsweise leicht operationalisieren lässt, weil den jeweiligen Produkten Funktionen oder Eigenschaften klar zugewiesen werden. Dann – und nur dann – ist TQM erfolgreich in einer Organisation zu implementieren. Das zuvor entwickelte dynamische Qualitätskonzeptes erlaubt nun gerade dieses: die freie Setzung von Qualitätskriterien, die nun auch so gewählt werden können, dass sie zur Stützung eines Qualitätsmanagementprozesses leicht zu messen sind. Dies kann von der (breitestmöglichen) Mischung unterschiedlicher Darstellungsformen oder der Zahl einzelner Darstellungsformen über den Umfang des Meinungsteils bis hin zur pro Beitrag verwendeten Zahl der Quellen reichen. Bleibt anzumerken, dass TQM stets ein leichteres Unterfangen ist, wenn eine klare Positionierung der Organisation oder ihrer Produkte erfolgt. Einer Tageszeitung beispielsweise wird es leichter fallen, TQM umzusetzen und entsprechend operationalisierbare Merkmale zu bestimmen, wenn klar ist, dass diese sich (angesichts zunehmender intermedialer Konkurrenz und aufgrund ihrer aufbrechenden Aktualitätslücke) als Hintergrundmedium positionieren will, das durch Einschätzungen, Bewertungen, Hintergrundreportagen etc. im Rezipientenmarkt positioniert. Die Leistung dieser Arbeit besteht darin, dass die Diskussion um TQM in Medienorganisationen entspannt oder, besser gesagt, entkrampft wird. Die Diskussion darum, ob es tatsächlich als vermeintliches „perpetuum mobile“ der Qualitätssteigerung in der Medienproduktion wirken kann, ist obsolet. TQM tritt als das hervor, was es auch in der Betriebswirtschaftslehre darstellt: als eine gestaltbare, eine „aufladbare“ Arbeitstechnik. Es spielt indes keine Rolle, welcher Natur die Qualitätskriterien sind, mit denen dieses Werkzeug

264 betraut wird – damit beweist sich TQM an sich bereits als funktionierendes Instrument einer Ökonomie der Publizistik. Hieran zeigt sich, dass schon eine konsequente theoretische Ableitung und eine transparente Darstellung dabei hilft, das Methodenset möglicher Alternativen im publizistischen Management signifikant zu erweitern. Kurzum: Qualitätsmanagement kann Steuergröße einer Ökonomie der Publizistik sein und Total Quality Management ist – richtig abgeleitet – ein funktionsfähiges Werkzeug der Ökonomie der Publizistik. Dabei kann helfen, dass die Diskussion auf den ursprünglichen TQM-Katalog nach Deming zurückgeführt wird, wie dies im zweiten Kapitel dieses Buches geschehen ist.

5.2.4 Diskursfeld 4: Beispielinstrument Marketing 1. In welcher Weise beeinflusst das Instrument Marketing meritorische Qualität? 1.1 Ist Marketing als Instrument entmonetarisiert im Sinne einer Ökonomie der Publizistik einsetzbar? 1.2 Wie wirkt Nonprofit-Marketing in einer Ökonomie der Publizistik? 1.3 Welche Hinweise für eine Umsetzung in der Redaktion können zusätzlich gegeben werden? Überlegungen und Bewertungen im Diskursfeld 4: Man darf dies schon aus dem vorangegangenen Diskursfeld mutmaßen: Immer dann, wenn es gelingt, Qualitätsansprüche in ein Mehr-oder-Weniger, ein Besser-oder-Schlechter, ein Schwächer-oder-Stärker zu übertragen, wird es auch gelingen, betriebswirtschaftliche Arbeitstechniken anzuwenden. Es liegt nun am Grundkonzept einer Ökonomie der Publizistik genau diese Voraussetzungen zu schaffen. Auch hier bestätigt sich noch einmal die stringente theoretische Vorgehensweise dieser Studie – denn diese Bedingungen werden nur zu erzeugen sein, wenn statt wachsweicher und damit stets vermeintlicher Konsensbildung die selbstbewusste Setzung in der gesellschaftlichen Realität abhängig von der Entscheidungssituation erfolgt. Allein solches Herangehen kann dann schließlich auch den sozialen Wandel selbst (als Positivum) systematisch integrieren. Die Ökonomie der Publizistik erschließt sich ihre Daseinsberechtigung am Ende eben auch durch ihre Integrationsfähigkeit. Das heißt aber auch: Induktive und deduktive Vorgehensweise müssen sich in idealtypischer Weise ergänzen, Reaktion auf marktfähige Bedürfnisse als Sicherungselement der Rezeption und Aktion zur systematischen Überführung vermuteter meritorischer in dann marktfähigere Bedürfnisse (gleichzusetzen mit einer Aktivierung der im Zuge dieser Verstärkung auch handlungsleitend genutzten Präferenzen höherer Ordnung) haben gleichermaßen ihre Berechtigung. Der kombinative (und vielfach strategische) Einsatz reaktiver und aktiver Elemente wird heute regelmäßig mit einer betriebswirtschaftlich motivierten Arbeitstechnik in Verbindung gebracht: Marketing. Der voranstehende Absatz lässt nun keinen Zweifel daran, dass gerade Marketing als funktionen- und institutionenübergreifende Technik prädestiniert für einen Einsatz in der Publizistik ist. Dabei zeigt sich: Bezogen auf den Journalismus diskutiert die Publizistik bis heute die Frage, inwieweit sich Journalismus rein marktgetriebenen Bedürfnissen anpassen darf oder gar anzupassen hat. Marketing trifft somit nachgerade ins Herz einer Ökonomie der Publizistik, weil es neben der passiv gelagerten Reaktion auf möglicherweise vorhandene Grundbedürfnisse eine aktive Komponente berücksichtigt,

265 die es ermöglicht, ausgewählte Bedürfnislagen besser zu adressieren. Es besteht in diesem Zusammenhang kein Hindernis, im Marketing-Mix auch jene Bedürfnisse als Leitbilder einzusetzen, die als meritorisch vermutet werden. Zur Erinnerung: Nimmt der Grad der Marktgängigkeit des angebotenen Produktes ab, wenn die als meritorisch vermuteten Bedürfnisse in das Marketingkonzpet integriert werden, so liegt darin rückwirkend der Beweis einer vorhandenen Meritorität. So wie Medien „Social Marketing Campaigns“ (die in gewisser Weise stets auch „Change Campaigns“ sein werden) unterstützen und treiben können, so können sie selbst spezifische (unter meritorische Vermutung stehende) Inhalte oder Eigenschaften zum Inhalt von Marketingkampagnen machen, um auf diese Weise Bedürfnisse zu stärken (oder deren Marktgängigkeit), die aus Sicht von einzelnen Akteuren oder Gruppen unterstützenswert sind und aus gesamtgesellschaftlich-sozialer Sicht in „zu geringem Maß“ befriedigt werden. Wenn „Hintergrundinformation zu politischen Entscheidungen“ vermutlich meritorische Bedürfnisse befriedigt, so bedeutet das, der Souverän in der Demokratie nimmt Angebote dieses publizistischen Bereichs nicht so wahr, dass er seine Rolle optimal (Problemstellung: Optimalität ist hier ebenfalls Vermutung) ausüben könnte. Wenn Informiertheit ein wesentliches Kriterium ist, um diese Rolle besser zu füllen, so könnte eine Marketingstrategie im Rahmen der publizistischen Ökonomie dieses Feld bewusst beackern und zum Beispiel an oder mit den folgenden Punkten „arbeiten“: ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Die Hintergrundberichterstattung zu politischen Entscheidungen wird leichter verständlich aufbereitet (zum Beispiel nach Kriterien des Hamburger Verständlichkeitsmodells, vgl. Langer/Schulz v. Thun/Tausch 1993). Visualisierungsmöglichkeiten über Infografiken (Print) oder Animationen (Bewegtbild/Fernsehen) werden ausdehnender genutzt. Die Tragweite wird verstärkt an Beispielfällen in Form von Reportagen geschildert. Begleitende Features konkretisieren die abstrakten Inhalte. Der politische Prozess wird auch kritisch mit Meinungsbeiträgen begleitet, an denen sich Rezipienten messen können.

Nun kann die Argumentation dahingehend lauten, dass dies schon alles getan wird. Okay – der Unterschied liegt in der klaren strategischen Fokussierung und der darauf basierenden Ausrichtung der gesamten Organisation an den zusammengestellten Zielen. Viele Aspekte einer Ökonomie der Publizistik und auch viele Aspekte redaktioneller Marketingprozesse sind in der publizistischen schon vor Jahrzehnten angekommen – der Unterschied liegt nun in der systematischen Bearbeitung und der Definition handlungsleitender Systeme, die dabei helfen kann, kommerzialisierende Überformungen zu verhindern. Hieran wird einmal mehr deutlich, warum bereits unmittelbar im einführenden Kapitel dieses Buches marktbasierte Kommerzialisierungstrends im Blickpunkt standen. Sie erst legitimieren die Ökonomie der Publizistik als Werkzeugkasten auch kommerzialisierenden Tendenzen mit deren ureigenen Mitteln entgegenzutreten. Der Vorteil des theoretischen Ansatzes liegt darin, dass jegliche strategische Basis wählbar und auch auf einem Zeitstrahl flexibel veränderbar ist. Man kann also auf Basis dieses Buches eine unendliche Zahl von strategischen Möglichkeiten durchspielen, die je nach realökonomischen Ausgangsbedingungen marktfähige und (vermutete) meritorische Bedürfnisse integrieren und damit unterschiedliche Ziele

266 bedienen: die Sicherung der Rezeptionsbasis (sprich: des Marktes), die Erlangung der Subventionsfähigkeit, die Unterstützung von medienbezogenen „Social Change Campaigns“ zur Überführung meritorischer in marktfähige Bedürfnisse… Marketing hat sich als wirtschaftswissenschaftliche Disziplin in den vergangenen 50 Jahren stark gewandelt und darf in einem modernen Verständnis als Geisteshaltung gesehen werden. Das bedeutet: Sein Einsatz wirkt in der unternehmerischen Realität integrativ und dysfunktional, es ist Führungsprinzip und damit anderen Arbeitstechniken übergeordnet. Dies kann auch in einer Ökonomie der Publizistik reklamiert werden, vorausgesetzt, die strategische Dimension wird in der aktiven Marketinggestaltung erkannt. Dabei dürfen sich in einem solchen Verständnis durchaus die publizistischen Akteure an die Spitze eines Medienmarketingprozesses stellen (dies wurde bereits in früheren Publikationen argumentativ abgeleitet, vgl. Rau 2000a, S. 101 ff.), da es sich in der dualen Ökonomie um abgeleitete Märkte handelt (der Werbemarkt ist am Ende ein vom Rezipientenmarkt abgeleiteter, da dessen Angebot nicht in Werbefläche oder Werbezeit sondern in RezipientenAufmerksamkeit besteht). Nun ist davon auszugehen, dass die publizistischen Akteure einer Ökonomie der Publizistik grundlegend aufgeschlossener gegenübertreten als an gewinnmaximierend-monetären Variablen orientiertes Medienmanagement. Als ein wichtiges Fazit darf an dieser Stelle festgehalten werden: Die Ökonomie der Publizistik hängt an ihren Akteuren. Ohne das zielgerichtet publizistische Verständnis oder Engagement kann ihre Kraft kaum zur Entfaltung gebracht werden. Der Ökonomie der Publizistik ist es indes egal, welche Triebfeder zu ihrem Einsatz führt. Da kann eine große Zahl theoretischer Ausgangspunkte gewählt werden: ƒ ƒ

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die Kritische Theorie und Adornos Kunstbegriff (vgl. 1973, S. 57 ff.) oder seine Frage: „Kann das Publikum wollen?“ (1963, S. 55) könnte Motivator für die Entdeckung (vermutlich) meritorischer Bedürfnisse sein; eine systemtheoretische Verortung des Journalismus (vgl. Rühl 1969 und 1980, S. 319 ff.) könnte zu einem konkreten Funktionsdiagramm verdichtet werden, auf dessen Basis dann auch Funktionserwartungen formulierbar sind, die sich nun wiederum in Arbeitsrealitäten integrieren lassen; da könnte gar der ethische Imperativ nach v. Foerster („Handle stets so, dass die Zahl der Möglichkeiten wächst!“, vgl. 1993) als Leitbild zur Befähigung des Rezipienten und somit auch als Aufforderung zum Einsatz marketingstrategischer Mittel herangezogen werden, die dann der „Erweiterung des Sets möglicher Handlungsalternativen“ (bis in den noch meritorischen Bereich reichenden) dienen.

Und so kommt die Ökonomie der Publizistik endgültig in der entdogmatisierten Welt moderner Kommunikations- und Medienwissenschaft an – ein Kreis schließt sich (vgl. S. 5). Marketing ist nicht von ungefähr als Arbeitstechnik so prominent herausgehoben worden. Es ist das strategische Instrument der Wahl in publizistischen, genauer: in redaktionellen, Situationsbezügen, die eine strategisch-stringente Vorgehensweise erfordern, die marktfähige und meritorische Bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigen und miteinander verweben kann. Die Aufgabe, die Medienmeritorik überflüssig zu machen (und gerade das impliziert ja der hier gewählte Ansatz), kann möglicherweise mit Hilfe dieses Werkzeuges am besten geleistet werden – nicht zuletzt deshalb, weil es die längste Tradition im NonprofitBereich und auf dem Feld sozialer Bezüge besitzt.

267 5.2.5 Diskursfeld 5: Beispielinstrument Benchmarking 1. In welcher Weise beeinflusst das Instrument Benchmarking das Kategoriensystem publizistischer Qualität? 1.1 Ist Benchmarking als Instrument entmonetarisiert im Sinne einer Ökonomie der Publizistik einsetzbar? 1.2 Welche Spielarten von Benchmarking kann man systematisieren und damit für die Ökonomie der Publizistik fruchtbar machen? 1.3 Wie wirkt Benchmarking in einer Ökonomie der Publizistik? 1.4 Welche Hinweise für eine Umsetzung in der Redaktion kann man geben? Überlegungen und Bewertungen im Diskursfeld 5: Auch das Diskursfeld fünf ist hier unter den Bedingungen dieser Studie zu bewerten. Das heißt: Abstraktion von seinem betriebswirtschaftlichen Rahmen und seinen auf Kosten und Produktivität bezogenen Einsatzbedingungen durch die Unternehmensführung. Auch bei dieser Arbeitstechnik zeigt sich – sie ist aus dem gewinnmaximierend-monetären Umfeld zu lösen und unter Nonprofit-Bedingungen funktionsfähig. Benchmarking kann an vorgegebenen Zielsetzungen entwickelt werden, und eine Fülle verschiedenartiger Varianten steht zur Verfügung. Besonders interessant für diese Studie wird die Arbeitstechnik aus mehreren Gründen: ƒ

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Zum einen ist sie auch in ihrem betriebswirtschaftlichen Einsatzspektrum stets mit qualitativen Aspekten verbunden, so ist sie fest als Beurteilungskriterium in den Anforderungskatalogen für den US-amerikanischen Malcolm Baldridge Award und den EFQM European Award (ehemals Europäischer Qualitätspreis) verankert. Unternehmen die Benchmarking in ihrem Qualitätsmanagement berücksichtigen, werden regelmäßig höher eingestuft als vergleichbare, die dieses Instrument nicht nutzen. Die direkte Affinität zu einem an Strategien orientierten Qualitätsverständnis, passt dann geradezu idealtypisch zum in diesem Buch gewählten Ansatz. Zum anderen ist Benchmarking ein klassisches recherchebasiertes Instrument der Betriebswirtschaftslehre – und damit beinahe schon in der Natur der journalistischen Publizistik (die hier beispielhaft immer wieder im Blickpunkt steht) verankert. Darüber hinaus sprechen die Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten, die Variabilität der Konzepte sowie die stringente Orientierung an einem Stärken-Schwächen-Profil für Benchmarking für die Zielsetzungen in einer Ökonomie der Publizistik. Diese Arbeitstechnik ist eben durch die Möglichkeit, intern, wettbewerbsbezogen, funktional oder generisch zu agieren, optimal auf unterschiedlichste Anforderungen im publizistischen Management vorbereitet. Außerdem gibt es durch die Leipziger Langzeitstudie schon ein plakatives Fallbeispiel, das verdeutlicht, dass Benchmarking erfolgreich für qualitative Veränderungsprozesse in Redaktionen eingesetzt werden kann. Die Prototypisierung im Rahmen dieses Projektes bietet für eine große Zahl möglicher Anwender die Chance, sich an einem definierten Qualitätsstandard direkt zu messen.

Die Leistung dieser Studie liegt darin, Anregungen zu liefern, wie die Arbeitstechniken der Betriebswirtschaftslehre und Managementmethodik sinnreich auf publizistische Anwen-

268 dungsfelder übertragen werden können. Dem entsprechend werden in Kapitel 4 Optionen angerissen und vorgestellt, die Benchmarking in der publizistischen Realität, vielleicht genauer: im redaktionellen Management, ankommen lassen. Dieses Kapitel ist dem entsprechend eines, das kreative Prozesse initiieren und die publizistischen Produktionseinheiten in die Auseinandersetzung mit ihren Schwachpunkten und Defizitbereichen führen will. Insbesondere geschieht dies über die Präsentation unterschiedlicher BenchmarkingVarianten, die durchgängig zeigen, dass dieses Instrument von der kreativen Analyse profitiert. Egal ob intern innerhalb der eigenen Organisation, konkurrenzbezogen im Wettbewerbsumfeld, funktional im identifizierten Organisationsbereich oder generisch und damit unabhängig von funktionalen Ordnungen oder Branchenfeldern – Benchmarking kann auf unterschiedlichen Feldern den Vergleich suchen. Die Akteure haben damit nicht nur die Aufgabe, die eigene Organisation nach Defizitbereichen zu durchforsten, sondern auch diejenige, sehr offen nach möglichen Vergleichspartnern zu suchen – und zwar auf den unterschiedlichen Ebenen. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, wie stark das Projekt selbst Arbeitszeit beansprucht und durch Bindung von Kapazitäten auch die publizistische Leistung reduziert. Wie stets wird der Einsatz von betriebswirtschaftlichen Instrumenten selbst zu einer im weitesten Sinne zu fassenden ökonomisch abgewogenen Entscheidung. Benchmarking selbst ist dann nur so gut, wie seine Konkretion in leicht zu generierenden Daten durch das Projektteam. In der betriebswirtschaftlichen Praxis hat sich gezeigt, dass Benchmarking immer dann besonders erfolgreich ist, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen: ƒ

ƒ

ƒ

So ist zum Beispiel Leidensdruck eine dieser Variablen. Je stärker der (ökonomische) Druck, umso eher haben Benchmarker eine Chance innerhalb der Organisation. So gesehen, könnte also auch wachsender Druck auf die publizistischen Einheiten dafür sorgen, dass Benchmarking (und vielleicht auch andere Arbeitstechniken) in den Redaktionen stärker genutzt werden. Je weiter sich die Vergleichsobjekte außerhalb des direkten Branchenumfeldes bewegen, umso größer ist der Vergleichseffekt. Egal ob sich Hewlett Packard mit dem Sportartikelversender LL Bean vergleicht oder die Bosch-Siemens-Hausgeräte-Gruppe mit Bahlsen die Logistik für Kühlschränke optimiert, immer ist weder ein direkter Branchenbezug noch zumindest auf den ersten Blick eine Vergleichbarkeit der Anforderungen gegeben. Die in der Literatur dokumentierten Beispiele zeigen jedoch, dass es für erfolgreiches Benchmarking darauf ankommt, Prozesse zu wählen, die punktgenau eine Schwäche der Organisation aufzeigen. Im Rahmen der Ökonomie der Publizistik kommt es ergo darauf an, möglichst detailliert relevante, das heißt hier, die gewählten und gesetzten Qualitätskriterien beeinflussende, Prozesse aufzuspüren, für die Vergleichsobjekte gefunden werden können. Je eindeutiger und genauer die Benchmarks in diesen Prozessen zu operationalisieren sind, umso leichter lässt sich Benchmarking dauerhaft und erfolgsorientiert implementieren. Hierin liegt eine der größten Herausforderungen für Benchmarking in einer Ökonomie der Publizistik: konsistent messbare Größen herauszufiltern, die nicht nur in einem vergangenheitsorientierten Vergleich Schwächen und Qualitätslücken offenbaren, sondern die sich im laufenden Prozess beobachten und steuern lassen.

269 Die genannten Aspekte, waren auch maßgeblich dafür verantwortlich, neben den Regelkreismodellen ein Elementenmodell zu etablieren, das in diesem Buch ebenfalls berücksichtigt wird, weil es gut zeigt, welche Aktivitäten ineinandergreifen müssen, um mit Hilfe dieses Instrumentes erfolgreich an den gesetzten Qualitätszielen zu arbeiten. Um es noch einmal deutlich zu machen. Dieses Buch setzt den Rahmen und öffnet das Gebiet freier Operation. Den Praktikern in der publizistischen Realität wird es vorbehalten sein, die Arbeitstechnik für Prozesse und Qualitätsprogramme fruchtbar zu machen. Dieser Arbeit liegt es also fern, Vorgaben zu formulieren, wie „Publizistisches Benchmarking“ in die redaktionelle Organisation einzubinden ist, da dies, wie in Kapitel 4 ausreichend beschrieben, situationsabhängig ist und sich an den nach Kapitel 2 zu wählenden Qualitätszielen orientiert. In der Literatur wird Benchmarking vielfach als Beschleunigungs- und Vereinfachungswerkzeug für Innovationsprozesse beschrieben und rückt damit zumindest im Unternehmensumfeld in die Nähe der mit Forschung und Entwicklung befassten Funktionalbereiche. Zu dieser Sichtweise passt der Aspekt der innovativen Adaption, den Bogan und English im Jahr 1994 (vgl. dort S. 17) einbringen: „Auf den schnelllebigen wettbewerbsintensiven Märkten von heute ist eine der wichtigsten Aufgaben für das Top-Management eine Organisation zu schaffen, die schnell reagieren kann, die unabhängig von plötzlichen Marktschwankungen wendig und schlank bleibt und die vorausschauend auf fortschrittliche Technologie und veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagiert. Diese ‘Schnelllernende Organisation’ (Fast Learning Organization, kurz: FLO, Anm. d. Verf.) institutionalisiert die Fähigkeit zum rapiden Wandel, zu konstanter Verbesserung und kreativer Evolution. In seinen verschiedenen Erscheinungsformen (...) ist Benchmarking ein mächtiges Instrument für die Veränderung von Unternehmen: Benchmarking hilft ein Unternehmen zu schaffen, in dem alle Arbeitnehmer (...) den Prozess ständiger Verbesserung beschleunigen, indem sie die besten Ideen von anderen erfolgreichen Unternehmen ausleihen, kreativ anpassen und weiterentwickeln oder adaptieren.“ Die innovative Adaption verweist auf einen Kulturwandel, der die permanente Anpassung zum erklärten Ziel macht und der Akkomodation (im Unterschied zu Assimilation) fest in die Organisation integriert – es entsteht eine Chamäleonorganisation. (zur „Lernenden Organisation“ vgl. auch Sattelberger 1996). Journalisten müssen sich schneller als andere Berufsgruppen an den Bedürfnissen ihres Marktes orientieren, im Einzelfall richten sie sich tagesaktuell am „Markt“ aus. Im Sinne von Bogan und English wäre dies auf die Reflektion der eigenen Organisation zu übertragen. Die Fragen lauten: Ist das Gesamtprodukt noch marktgerecht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Präferenzebenen? Müssen neue Leistungen integriert oder durch zusätzliche Maßnahmen unterstützt werden? Muss das Set von Themen neu zusammengestellt, die starre Aufteilung in verfügbare Sendeplätze oder Ressorts aufgeweicht werden? Die entscheidende Übertragung für den Erfolg von Benchmarking-Programmen zur Veränderung von Redaktionen liegt darin, die vorhandene Flexibilität in der Bearbeitung von Themen und journalistischen Inhalten der Medien auf eine generelle Veränderung von Strukturen und Arbeitsabläufen zu beziehen, um auf diese Weise dauerhaft an jenen Qualitätskriterien zu arbeiten, die als bedeutsam gesetzt wurden. Das aber heißt: Strategisches Veränderungsmanagement. Die Ableitungen in den beiden vorangegangenen Absätzen sind deshalb von Interesse, weil die von Dierkes und Hähner Mitte der 1990er Jahre beschriebene Situation (1995, S. 1) für die Medienwirtschaft insbesondere zutrifft: „Die wirtschaftliche, gesellschaftliche

270 und politische Ordnung, die sich nach dem zweiten Weltkrieg weltweit etabliert hatte, bescherte den Unternehmen im Wesentlichen ein stabiles, kalkulierbares Umfeld. Diese Überschaubarkeit der Rahmenbedingungen sorgte für Planungs- und damit Handlungssicherheit. Der Einfluss externer Faktoren auf die Aktivitäten des Unternehmens, konnte in der Regel mit hoher Wahrscheinlichkeit identifiziert und in seinen Auswirkungen auf das Ergebnis recht zuverlässig eingeschätzt werden. Aus diesen Umfeldbedingungen entstanden vielfach Beharrungs- und Verfestigungstendenzen zugunsten erprobter Verhaltensmuster.“ (Dierkes/Hähner 1995, S. 1 f.). „Veränderungsmanagement“ wird unter diesen Voraussetzungen zu einem schwierigen Unterfangen – insbesondere auch dann, wenn diese Beharrungstendenzen auch Bereiche betreffen, die – wie für die Publizistik vermutet – unterschiedliche Präferenzebenen bedienen und damit beinahe prädestiniert für eine kommerzialisierende Überformung stehen. Die Publizistik hat aus der Sicherheit ihrer über Jahrzehnte hinweg funktionierenden Geschäftsmodelle und der daraus resultierenden realökonomischen Stabilität heraus ihre Fähigkeit zur Veränderung verloren, und sie läuft damit Gefahr, sich mit steigendem Marktdruck noch stärker kommerzialisieren zu lassen. Veränderung umfasst hierbei nicht allein Anpassung sondern Gestaltung. Die Ökonomie der Publizistik liefert die Werkzeuge hierfür: Benchmarking ist das Instrument der Wahl, wenn es um eine Beschleunigung von Veränderungsprozessen geht. Der zukünftigen Forschung im Bereich der Publizistik sei über diese Überlegungen hinaus anempfohlen, sich noch intensiver mit Lerntheorien und dem organisationalen Lernen zu beschäftigen. In der Vergangenheit (vgl. u.a. Rau 1996 und 2000b) wurden erfolgreich Erkenntnisse individuellen Lernens auf Organisationen übertragen und dabei vor allem auf die Relevanz von Strukturen verwiesen. Dies ließe sich nun in einem interdisziplinären Ansatz mit aktuellen Forschungen der Neurobiologie verknüpfen. Eine Übertragung auf der theoretischen Ebene könnte schließlich gewinnbringend die Publizistikwissenschaft befruchten. Benchmarking ist ein bislang betriebswirtschaftlich dominiertes „Lerninstrument“ für Organisationen, das – wie hier abgeleitet und vorgestellt – über rein monetäre Größen hinauswachsen kann. Es steht zu vermuten, dass insbesondere die Arbeit an und mit meritorischen Bedürfnissen in einem publizistisch-redaktionellen Benchmarking-Ansatz von den Erkenntnissen aus der Pädagogik erheblich profitiert.

5.3 Medienmanagement: Schlüssel zu einer Ökonomie der Publizistik Mit der hier vorgestellten Ökonomie der Publizistik wurde ein Rahmen vorgestellt, der unendlich viele Optionen lässt. Alle Optionen haben am Ende eines gemeinsam: sie folgen strategischem Entscheidungshandeln der Akteure. Im Grunde macht der hier gewählte theoretische Ansatz also auch den Inhaltsmanagern Mut, sich im publizistischen Prozess zu emanzipieren, um so die Regelsätze wählbarer Strategien mitzubestimmen. Medienmanager und insbesondere „redaktionelle Manager“ können sich dabei auch überlegen, was sie aus den schmerzlichen Krisen anderer Branchen lernen können. Eine gute Anleitung – auch wenn die meisten Beispiele nicht mehr aktuell sind und viele beispielhaft erwähnte Unternehmen in neue Krisen schlitterten – liefert noch immer der Management-Klassiker von Tom Peters und Robert H. Waterman (Peters/Waterman 1982) mit dem Titel „In Search of Excellence“. Hier beschreibt das Autorenteam in idealtypischer Weise, wie man von hervorragend geführten Unternehmen in bestimmten Phasen Wachstumsstrategien übernehmen

271 kann – und solche Strategien müssen nicht an realökonomischen Kennzahlen gemessen werden. Als Fortsetzung sei hier auch Tom Peters' (auch grafisch anschauliches) Werk „The Circle of Innovation“ (1997) empfohlen, das gezielt Grundwerte gesunder Mikroökonomie belebt und dessen Essenz sich vielleicht am besten mit dem Untertitel-Leitspruch „You can't shrink your way to greatness“ zusammenfassen lässt. Dies gilt auch für die Redaktion, die in der Lage ist publizistische Qualität als Prozess sozialer Kommunikation darzustellen und offenzulegen. Besonders aufschlussreich ist dieses Buch für die Medienwelt übrigens deshalb, weil es nachweist, dass sich „Effizienz“, „Zielorientierung“ und „Innovation“ immer ergänzen, nie ausschließen. Die Akteure können sich auch auf die „fünfte Dimension“ besinnen, (zur Erinnerung: „The Fifth Discipline“ wurde 1997 in der Harvard Business Review als eines der wichtigsten Managementbücher der letzten 75 Jahre gefeiert). Darin geht es um die „lernende Organisation“, die ihre Fähigkeit, die eigene Zukunft zu gestalten, kontinuierlich verbessert. Peter M. Senge beschreibt fünf methodische Werkzeuge zur persönlichen Entwicklung, die eine lernende Organisation ausmachen: individuelles Können, Erkennen von Denkmodellen, gemeinsame Visionen, Teamlernen sowie Systemdenken, wobei Letzteres die Gesamtheit der Prozesse und ihr Ineinandergreifen meint (Senge 1990 und 1994). Das aktuelle Management in den Medienunternehmen lässt diese Ansätze im Sinne Senges nicht erkennen – weder auf der Ebene der Gesamtorganisation noch insbesondere auf der redaktionellen Gestaltungsebene. Vielleicht auch deshalb nicht, weil in den Redaktionen ein „Mangel an Flexibilität“ herrscht (vgl. RußMohl 2002). Dieser hätte in der Vergangenheit dazu geführt, dass man beispielsweise viel zu lange an festgefahrenen Ressortstrukturen festhielt und darum „Themen zu spät erkannt oder einseitig dargestellt wurden“. Zu einem Umdenkprozess im (publizistisch bezogenen) Medienmanagement gehört auch die Erkenntnis, dass Medienmarketing immer und übergeordnet redaktionelles Marketing bedeutet (vgl. Kapitel 3). Das bedeutet: die aktiv-strategische Führung des möglicherweise markierten Rezipientenmarktauftrittes und nicht eben die blinde Anpassung an den Massengeschmack (vgl. Kapitel 1 und dort die Ausführungen zur Anpassungshypothese, vgl. Holzer 1968 und 1969, Kiock 1974). Redaktionelles Marketing im weitesten Sinne fokussiert die Positionierung am Rezipientenmarkt, indem die Ergebnisse systematischer Marktforschung mit einem publizistischen Selbstverständnis kombiniert in eine Strategie (vgl. Kapitel 3) münden. Ergo: Redaktionelles Marketing bringt die Publizistik und damit auch Qualitätsmedien nicht um ihre Qualität. Redaktionsmarketing macht vielmehr allein durch die Abgleichung an erkannten und vermuteten Bedürfnissen (auch unterschiedlicher Ordnung) erklär- und nachvollziehbar, warum Inhalte über ein Medium zu einem Zeitpunkt im jeweils gewählten Umfang aufgegriffen und dargestellt werden. Diese Nachvollziehbarkeit, diese Erklärbarkeit der inhaltlichen Zusammensetzung des Mediums, hilft dabei, sich im Wettbewerb schärfer zu profilieren und besser zu positionieren. In diesem Prozess kann es helfen, publizistisch getriebene Projekte konsequent am Prozess der strategischen Planung auszurichten. Wie dies funktioniert, haben beispielsweise Horst Steinmann und Georg Schreyögg anschaulich dargestellt und sie zeigen, wie man die Managementwerkzeuge (von Wertketten über Profilvergleiche und Erfahrungskurve bis zu strategischem Würfel, Portfolio-Strategien und PIMS-Konzept) in diesen Planungsprozess einbindet (vgl. Steinmann/Schreyögg 2000, S. 153-250). All diese Instrumente lassen sich auch für die Zielsetzungen in der Ökonomie der Publizistik und damit befreit von monetär-gewinnmaximierenden Ansprüchen, in ökonomischen Entscheidungssituationen nutzen. Sie sind, wie die in

272 den vorangegangenen Kapiteln deklinierten Techniken Marketing, Benchmarking oder Total Quality Management für das publizistische Entscheidungshandeln fruchtbar zu nutzen. Ein wesentliches Element dieser strategischen Planung ist die unverblümte StärkenSchwächen-Analyse des Unternehmens. Das Ergebnis dieses Analyseschrittes, der noch vor der Formulierung strategischer Optionen liegt, legt offen, woran sich die Medienorganisation orientieren kann. Angesichts der Veränderungen publizistischer Prozesse durch automatisierte oder kollaborativ-partizipative Verfahren benötigt die Medienzukunft möglicherweise neue, innovative Strategien. Innovation aber verlangt nicht nach betriebswirtschaftlich-juristischen, sondern nach kreativen publizistischen Konzepten. In der Praxis zeigt sich (vgl. Peters/Waterman 1982), wie sich in realwirtschaftlichen Problemzeiten den Leidensdruck so erhöht, dass damit auch die Veränderungsbereitschaft wächst. Veränderungsbereitschaft begünstigt seinerseits die Einführung neuer betriebswirtschaftlicher Arbeitstechniken. Für Argumentationen im Rahmen einer Ökonomie der Publizistik also, scheinen Krisenzeiten ein guter Nährboden. Der Bedeutungsverlust der jeweils national operierenden Tageszeitungen in Europa schien im Jahr 2006 nach vier Jahren gestoppt (gut nachzuvollziehen z.B. an den sich stabilisierenden Einnahmen beispielsweise der Süddeutschen Zeitung in Deutschland, vgl. Kolo 2006, o.S.). Der Leidensdruck mag damit zumindest in diesem Mediensektor etwas zurückgegangen sein und damit mag es auch eine Ökonomie der Publizistik (bei den Tageszeitungsverlagen) wieder etwas schwerer haben. Dennoch: die ausgewählten Arbeitstechniken der Betriebswirtschaftslehre haben in dieser Arbeit gut gezeigt, dass aus Sicht der Theorie, deren Einsatz in der Praxis durchaus positiv auf gesetzte Qualitätskriterien des Mediums wirken kann – und zwar unabhängig davon, ob ein stark subjektiv gewichtetes (marketingorientierter Begriff) oder ein an vermuteten meritorischen Bedürfnissen gemessenes Verständnis von Qualität zugrunde gelegt wird. Die Betriebswirtschaftslehre, genauer die Managementlehre der vergangenen 50 Jahre hat eine Vielzahl von Methoden und Werkzeugen entwickelt, wie sich Qualität in Herstellungssituationen sichern und optimieren lässt, sie hat Modelle geschaffen, die ohne Probleme auch für Medienunternehmen heranzuziehen sind und die sich auch auf die publizistische Arbeitssituation anwenden lassen. Dies gilt selbst bei der sicher auch weiterhin starken Trennung zwischen den so genannten geschäftsführenden und den redaktionellen Einheiten in Medienorganisationen. Für die Zukunft liegen die Arbeitsfelder auf der Hand. Schließlich gibt es mit Controlling, Balanced Scorecards, der Bemühung um Dezentralisierung, Konzepten der Lernenden Organisation, dem Action Learning im Sinne von Revans, Wettbewerbsstrategien nach Porter oder weiteren bereits in der Einleitung dieser Arbeit (vgl. Kapitel 1) angeführten Beispiel-Werkzeugen viele mögliche Ansatzpunkte. Bei all diesen Überlegungen darf eines nicht aus den Augen verloren werden: Es geht hier keineswegs um eine spielerische Auseinandersetzung mit betriebswirtschaftlichen Konzepten und den Nachweis ihrer Funktionsfähigkeit in publizistisch-redaktionellen Arbeitsrealitäten. Vielmehr muss allein der Blick auf das Endprodukt und seine hohe und nicht zuletzt im fünften Artikel des Grundgesetzes niedergelegte und auch angesichts beginnender Auflösungstendenzen im Web 2.0 noch immer zentrale gesellschaftliche Rolle nachgerade zwingend dazu führen, sich mit dem Kategoriensystem meritorischer Qualität auseinanderzusetzen. Auch das neue Informationsfreiheitsgesetz – obwohl mit einigen Lücken und Fallstricken behaftet – hat gezeigt, dass die Legislative die Rolle der Journalisten oder des Journalismus in der Gesellschaft für unterstützenswert hält. Wenn die Publizistik in Form von Massenmedien, wenn Journalismus eine tragende Säule von Demokratien

273 westlichen Zuschnitts sein soll, muss zum einen klar gemacht werden, dass dies nicht für jedes, der Beliebigkeit ausgelieferte journalistische Produkt gilt. Boulevardjournalismus beispielsweise – der sich durch Anpassungen an audiovisuelle Berichterstattungsmuster gerade in den letzten Jahren gewandelt hat – kann qualitativ hervorragend umgesetzt werden und dennoch erfüllt er vermutlich nicht jene Kriterien, die mit Hilfe des Kategoriensystems meritorischer Qualität entwickelt wurden. Dies ist entscheidend: Journalismus in seiner hochqualitativen Wertigkeit abzusichern und ihm die bestmögliche „Qualitätsbehandlung“ – auch und gerade über die wertvollen und überprüften Konstrukte der Managementlehre – zukommen zu lassen. Nichts anderes war Ziel dieser Arbeit. Sei es am Ende nur, um die verantwortlichen Redaktionen einmal mehr und auf ganz neuen Wegen an ihre Funktion und die Rollenzuweisung als wesentlicher Faktor für eine lebendige Auseinandersetzung in der Demokratie zu erinnern. So sollten sie in ihren Überlegungen zu Kosteneffizienz („Wie sind bei schwindenden Deckungsbeiträgen die Umsatzrenditen zu halten?“, oder: „Wo können Personalkosten eingespart werden?“), zu redaktioneller Organisation („Warum eigentlich, steht der Aufbau eines Newsrooms steht in Zielvereinbarungen?“), zu technologischen Herausforderungen („Die papierlose und dann multimediale Zeitung ist technologisch umsetzbar!“, vgl. Geinitz 2007, S. 17), zu Quoten- und Auflagenergebenheit („Wenn es unter zwei Millionen geht, wird die Sendung abgesetzt!“), die publizistische Dienstleistung des vielleicht schon bald in Auflösung begriffenen Massenmediums heutiger Prägung (aber das ist eine andere Geschichte) zumindest mittelfristig in der Pflicht sehen, eine immer komplexere Welt erklärbar zu machen. Dieser Anspruch aber bedeutet: Qualität. Qualität, die sich an vermuteten meritorischen Bedürfnissen orientieren darf.

5.4 Zum guten Schluss: alles Theorie!? Ziel dieser Arbeit war es, einen Rahmen48 zu setzen, der zwar theoriegetrieben aber durchweg pragmatisch zu einer Entdogmatisierung der Qualitätsdiskussion in der Publizistik beiträgt. Dennoch wird jeden (redaktionellen) Praktiker nach der Lektüre eine gewisse Ratlosigkeit begleiten, da man sich insgeheim auch von wissenschaftlich fundierten Ausführungen klare, simplifizierende Handlungsanweisungen erwartet. Ein empirischer Ansatz mag das im ein oder anderen Falle ermöglichen, die theoretische Beschäftigung mit publizistischer oder journalistischer Qualität wird jedoch stets in die Komplexität führen und damit die Aufgabenstellung an die Akteure zurückverweisen. Die Beschäftigung mit der Ökonomie der Publizistik wird in ihrer Fokussierung auf den Rezipientenmarkt (als in der dualen Ökonomie abhängiger Markt) immer in die Auseinandersetzung führen, in ein individualistisch geprägtes Abwägen führen, das im Markt gleichermaßen wie in subventionistisch gestützten Situationen unter Marktversagen eine Bandbreite der Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Am Ende hält damit die journalistisch-publizistische Produktion stets der Gesellschaft einen Spiegel vor. Oder: Journalismus ist nur so gut oder schlecht wie die Gesellschaft, da „gut“ oder „schlecht“ niemals als von den Akteuren unabhängige Variablen definiert werden können, bleibt: Publizistik spiegelt die Gesellschaft in ihren Realitä48

Der englischsprachige Begriff „Framework“ würde die präsentierten Zusammenhänge dieser Arbeit weitaus passgenauer definieren.

274 ten49 und Wahrnehmungen. So gesehen, ist die Ökonomie der Publizistik neutral, sie zeigt die Gestaltbarkeit publizistischer Aktivität. In ihrem Kern konfrontiert sie die Akteure mit der Forderung nach aktiver Auseinandersetzung und mit der Erkenntnis, eben auch tatsächlich gestaltend einzugreifen, den Rahmen zu stecken – und dies alles unabhängig von theoriegetriebenen paradigmatischen Zugängen zur Publizistik, respektive zum Journalismus. Warum sonst hätte diese Arbeit mit dem Vier-Säulen-Konzept vermuteter meritorischer Bedürfnisbefriedigung ein neues, nach Setzungen rufendes Kategoriensystem journalistischer Qualität zur Verfügung gestellt? Um die von dogmatischer Schärfe befreite Herangehensweise noch besser zu verdeutlichen, sollen hier zum Ende dieser Arbeit – mit dem Hinweis auf die weiterführende und in die Zukunft der Publizistik weisende Forschung – kurz zwei theoretische Wege durchdekliniert werden. Erstens: ein Zugang zur Ökonomie der Publizistik über die Kritische Theorie der Medien, sowie zweitens: eine Auseinandersetzung mit systemtheoretischen Zusammenhängen, die Überlegungen zu Regelkreismodellen erlauben. Erstens: Eine grundlegende Vermutung innerhalb der kritischen Theorie ist die Vermutung, dass es hinter der Gesellschaft eine bessere Gesellschaft gibt, oder, anders formuliert, dass Soziologie der Gesellschaft die Zukunft weist, indem sie Potenziale aufzeigt. Der Soziologe selbst wird demnach stets eine kritische Haltung gegenüber den herrschenden Verhältnissen einnehmen. Die Gesellschaftskritik führt damit quasi zu einem Gespräch, das die Gesellschaft mit sich selbst führen kann. Medien spielen als Transportmittel der Gesellschaftskritik in diesem Kontext eine ernstzunehmende Rolle. Da hat auch die Kritische Theorie immer so gesehen. Die Ökonomie der Publizistik zeigt nun gerade durch die Einbindung des Meritorik-Gedankens, der mit der Möglichkeit des Marktversagens gleichzeitig impliziert, dass höherranige (im Verständnis der Kritischen Theorie „bessere“(?)) Präferenzen in ein Mediensystem eingebunden werden können. Die Meritorik liefert also prinzipiell den spannenden Ansatz, die kollektiv-kritische Haltung, die im Rahmen der Kritischen Theorie gerade einmal intersubjektiv begründet werden kann, auf das Individuum herunterzubrechen. Sie liefert den Transponder zum individualistischen Bewusstsein in der saturierten Gesellschaft. Denn: Hinter jedem Individuum stehen in Gesellschaftszusammenhängen mit einem ausdifferenzierten System der Bedürfnisbefriedigung neben Präferenzen, die handlungsleitend eingesetzt werden, weitere, die das Individuum selbst für „besser“ oder „höherwertig“ im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenlebens erachtet. Die Ökonomie der Publizistik kann nun einerseits dafür „werben“, diese Präferenzen handlungsleitend einzusetzen und damit das vermutete Marktversagen zu reduzieren, andererseits hat sie die Möglichkeit, die Mitglieder der Gesellschaft davon zu überzeugen, dass diese publizistische Angebote subventionieren, die vermutete meritorische Bedürfnisse adressieren, weil sie nun um die Inferiorität ihrer handlungsleitend eingesetzten Präferenzen weiß. Kurzum: die Arbeitstechniken einer Ökonomie der Publizistik können auf bestehende Präferenzordnungen und Bedürfnissysteme wirken und dabei helfen, diese zu verändern. Im Sinne der Kritischen Theorie verstanden, wirkt die Ökonomie der Publizistik unter den Voraussetzungen, die ein Kategoriensystem meritorischer Qualität stellt, positiv verändernd. Bleibt anzumerken, dass die Kritische Theorie sich stets mit einem normativen Anspruch verbindet, den diese Arbeit ihrerseits wiederum kritisch betrachten muss – alle Vermutungen in diesem 49

Es ist an dieser Stelle wichtig von Realitäten zu sprechen, da auch dass Wirklichkeitskonzept stets als gestaltbar und individuell zu sehen ist.

275 theoretischen Bezug sind ergo Eventualitäten und ausschließlich als solche zu interpretieren. Zweitens: Die Systemtheorie argumentiert in der Journalistik oft mit Input-OutputBeziehungen, die Rühl (vgl. 1969 und 1980) beschrieben hat. Dieses zugrundegelegt, wirkt die Ökonomie der Publizistik auf diese Relationen, indem sie den permanenten Ausgleich zwischen Anpassung und Aktivierung sucht. Denn: Keine Aktivierung meritorischer Bedürfnisse (sollten solche darstellbar sein), ohne die Anpassung an die handlungsleitend wirkenden Rezipientenbedürfnisse. Sonst wäre kaum der mediale Anspruch zu halten, das Medium selbst würde in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Nichtwahrnehmung schließlich verhindert die Aktivierung vom Journalismus abgrenzbarer sozialer Systeme. Eine publizistische Strategie, die sich darum bemüht, unterschiedliche Präferenzebenen oder –ordnungen abzubilden, unterliegt stets dieser Gratwanderung. Sie integriert den Input aus anderen Systembezügen und formuliert einen nicht-trivialen (vgl. v. Foerster 1993), veränderbaren, an vermuteten Bedarfen unterschiedlicher Ordnung orientierten Output, der seinerseits in einem Regelkreis auf allen Input wirken wird. Die Publizistik wird damit zum Spiegelbild der Gesellschaft – die Gesellschaft zum Spiegel der Publizistik und beide sind demnach nur so gut oder schlecht, wie sie das Individuum oder eine intersubjektive Form harmonisierter Kognition in Gruppen sehen, sehen will oder beschreiben kann. Es ist der Akt der Beschreibung, der Definition, der Wunsch nach Erkenntnis und Verbesserung, der neue und alte Wirklichkeiten publizistischer Qualität schafft. So ermöglicht der theoretische Rahmen dieser Arbeit am Ende zweierlei: 1.

2.

Die aktive und normative Setzung von Kriterien in konkreten Situationsbezügen. Aus diesem Grund ist es ja auch kaum richtig, nach dem „Wie?“ publizistischer Qualität zu fragen, sondern vielmehr ist das „Wer definiert sie?“ in den Mittelpunkt zu stellen. Die permanente Reflektion von Input-Output-Relationen eines Regelkreises kommunizierender sozialer Systeme. In diesen Regelkreis greifen soziale Teilsysteme mit wechselndem Erfolg ein, so dass publizistische Qualität gleichermaßen Ergebnis wie Ausgangspunkt ist.

Die Systemtheorie weitergedacht, ergibt sich aber auch: Eine rein an publizistischen Bezügen orientierte Medienökonomie ist, in sozialen Systemen gedacht, dem System Journalismus übergeordnet. Oder anders gesagt: Nur dort, wo der Journalismus die ökonomischen Realitäten des Rezipientenmarktes antizipiert, wird er langfristig überleben können. Dieser Zusammenhang dürfte insbesondere auch vor dem Hintergrund einer dispersen Zukunft des Journalismus zu sehen sein, der schon heute seine systemische Geschlossenheit als einst massenkommunikatives Phänomen verloren hat und zunehmend zum Objekt neuer kommunikativen Formen wird.

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