Mitarbeiter-Placement : eine fit-orientierte Perspektive
 9783835090255, 3835090259 [PDF]

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Zitiervorschau

Yasmin M. Fargel Mitarbeiter-Placement

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zur Unternehmensentwicklung Herausgegeben von Universitatsprofessor Dr. Max J. Ringlstetter

In dieser Schriftenreihe werden aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich der Unternehmensentwicklung prasentiert. Die einzelnen Beitrage orientieren sich an Problemen der Fiihrungs- bzw. Managementpraxis. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themenfelder Strategie, Organisation und Humanressourcen-Management.

Yasmin M. Fargel

Mitarbeiter-Placement Eine fit-orientierte Perspektive

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Max J. Ringlstetter

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Dissertation Katholische Universitat Eichstatt-lngolstadt 2005

I.Auflage Mai 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieSlich alter seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzelchen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheGlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0156-6 ISBN-13 978-3-8350-0156-5

Geleitwort

GELEITWORT

Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit der wissenschaftlichen Analyse der Frage, wie die Mitarbeiter eines Untemehmens in efFektiver und effizienter Form auf den Stellen des Unternehmens einzusetzen und wie vor diesem Hintergrund betriebliche Laufbahnen zu planen sind. Die Verfasserin nennt dieses personalwirtschaftliche Aufgabenfeld „Placement von Humanressourcen". Angesichts der wachsenden Bedeutung von Mitarbeitem als strategische Ressourcen eines Untemehmens sowie einer nachlassenden Planbarkeit konstanter Laufbahnmuster ist das Ziel der Arbeit sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Hinsicht als auBerst interessant und anspruchsvoll einzustufen. Ausgangspunkt und mithin Ursache fiir die der Arbeit zu Grunde liegenden holistisch angelegten Analyse bildet die Feststellung der Verfasserin, dass Entscheidungen zum Placement in der Untemehmenspraxis zum groBten Teil intuitive Bauchentscheidungen sind, die rationaler Entscheidungsgrundlagen entbehren. Gleichzeitig stellt die Verfasserin fest, dass auch in der wissenschaftlichen Durchdringung der Thematik noch erhebliche Defizite bestehen. Das von der Verfasserin verfolgte Ziel besteht darin, offene Fragen der Placementforschung zu klaren und damit einen Beitrag zur Professionalisierung der Placementforschung zu leisten. In den Mittelpunkt der Arbeit stellt die Verfasserin deshalb die anwendungsbezogene Interpretation theoretischer Erkenntnisse fiir die Losung praktischer Probleme. Den Kern der Arbeit bildet die Entwicklung eines neuen Managementansatzes fiir das Humanressourcen-Placement, der auf einer integrativen Zusammenfiihrung zweier Managementperspektiven, der Gestaltungs- und der Steuerungsdimension, basiert und dadurch eine ganzheitliche Betrachtung des Aufgabenfelds zulasst. Dabei wird die Fit-Orientierung als handlungsleitendes Paradigma fur Managementaktivitaten des Placements herangezogen und in einzelne Fit-Dimensionen zerlegt. Dadurch gelingt es der Verfasserin, das komplexe Konstrukt eines Fits zwischen Stelle und Stelleninhaber in transparenter Form aufzuzeigen und fiir daran ausgerichtete Managementaktivitaten zuganglich zu machen. Nicht zuletzt dadurch ist die vorliegende Arbeit als eine Bereicherung der existierenden Literatur zum Thema Placement sowohl fiir Wissenschaft und Praxis anzusehen.

Prof Dr. Max J. Ringlstetter

Vorwort

VII

VORWORT

Die Auseinandersetzung mit dem ^Placement von Humanressourcen" als Thema meiner Dissertation stellte fur mich nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht eine auBerst interessante Aufgabenstellung dar. Vielmehr regte die wissenschaftliche Auseinandersetzung auch immer wieder aus der ganz personlichen Perspektive einer Person, die sich aktiv mit ihrer Karriere beschaftigt, interessante Gedanken iiber das Thema Placement an. Damit waren Fragen angesprochen, was es eigentlich bedeutet, auf der „passenden" Stelle entlang einer „passenden" Laufbahn eingesetzt zu sein. Oder was es heiBt, in einem „passenden" sozialen Arbeitsumfeld mit den „passenden" beruflichen Aufgabenstellungen und Herausforderungen zu arbeiten. Welche betrieblichen Rahmenfaktoren spielen dabei eine Rolle? Welche Fakoren sind in kurzfristiger, welche hingegen in langfristiger Sicht zu beriicksichtigen? So steUte der Erstellungsprozess der vorUegenden Dissertation in simuhaner Form ein wissenschafthches sowie ein personHches Reflektieren iiber das breite Themenspektrum des Mitarbeiter-Placements dar. Damit wurde mir mit der Themenstellung meiner Dissertation die Moghchkeit geboten, noch weit iiber die Promotionszeit hinaus von den Erkenntnissen der Arbeit zu zehren. Auch wenn das Schreiben einer Dissertation primar eine Aufgabe ist, die weitgehend im „Einzelkampfertum" bewaltigt wird, mochte ich einer Reihe von Personen danken, die das Schreiben der Dissertation ermoghcht, erleichtert oder maBgebHch bereichert haben. An erster Stelle ist meinem Doktorvater, Prof. Dr. Max Ringlstetter, zu danken, der mir die Promotion an seinem Lehrstuhl ermoglicht hat. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin in seinem Lehrstuhlteam habe ich sehr viel gelemt und nehme eine Reihe wertvoller Erfahrungen fiir meinen weiteren Werdegang mit. Auch bei meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Johannes Schneider, mochte ich mich sehr herzlich bedanken. Er hat sich sowohl als Zweitgutachter als auch als Vertrauensdozent der Friedrich-Naumann-Stifhing trotz seiner zeitintensiven Funktion als Dekan stets Zeit fur meine Betreuung genommen. Weiterer und ganz besonderer Dank gilt der „guten Lehrstuhl-Fee" und „Office-Managerin" Frau Walburga Mosburger. Ihre iiberaus groBe Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit, sowie ihr offenes Ohr haben erheblich zu einer auBerst angenehmen Arbeitsatmosphare beigetragen. Sie war stets ein Grund, sich morgens auf die Arbeit am Lehrstuhl und die Gesprache mit ihr zu freuen. Des Weiteren mochte ich mich bei meinen unmittelbaren Kollegen am Lehrstuhl bedanken, die mich wahrend meiner Promotionszeit begleitet haben. Hierzu zahlt Dr. Stephan Kaiser, der mich im Anschluss an meine Diplomarbeit an den Lehrstuhl und ins HRM-Team des LSR geholt hat. Ganz besonderer Dank gebiihrt meinem Kollegen und gutem Freund Amd Polert, mit dem ich drei Jahre das Buro am Lehrstuhl teilen durfte. Die vielen Diskussionen wissenschaftlicher und nicht wissenschaftlicher Art werden mir in bester Erinnerung bleiben. Ich hatte mir keinen angenehmeren Kollegen zum Teilen des Biiros vorstellen konnen, ein Vertrauter in Gedanken wird er daher weit iiber die Promotionszeit hinaus - auch in jenen Phasen des „Untertauchens" - bleiben. Danken mochte ich zudem meinem Kollegen, Dr. Bemd Biirger, der parallel mit mir

VIII

Vorwort

seine Dissertation geschrieben hat und fur den regen Erfahrungsaustausch und lustige Diskussionen zur Verfugung stand. Ebenso mochte ich mich bei meiner Kollegin und guten Freundin Susi Knittel herzlich bedanken. Sie war flir mich stets mehr enge Freundin als Kollegin und hat mir insbesondere in der Schlussphase der Promotion und vor dem Rigorosum sehr geholfen. Dank ihr betrachte ich regelmafiiges „Gala-Lesen" als kontinuierliche Forschungsarbeit zum Thema Prominenz. Zu danken ist ebenfalls Andi Hauser, der mir als wissenschaftliche Hilfskraft eine auBerst tatkraftige, stets zuverlassige und freundliche Unterstiitzung bei der Literaturrecherche war. Weiterer sehr herzlicher Dank gebiihrt meinen engen Freundinnen aus der Studien- und Promotionszeit Sina Fichtel, Manuela Leinfelder und Tanja Nadler. Sie haben mich in all den Jahren in enger Freundschaft begleitet, vielfach unterstiitzt, bei Bedarf abgelenkt und meinen Kaffee- und Kuchenkonsum sowie die monatlichen Telefonrechnungen um ein Vielfaches in die Hohe getrieben. Wertvollere Weggefahrten, die parallel die Hohen und kleineren Tiefen von Studium und Promotion durchlaufen haben, kann ich mir nur schwer vorstellen. Fiir deren eigene Promotion und anstehenden Herausforderungen driicke ich fest die Daumen und freue mich auf rege Wiedersehen in Miinchen. Fiir gleichfalls freundschaftliche Treue quasi von Kindesbeinen an sowie fur stets offene Ohren wahrend Studium und Promotion mochte ich mich bei meinen alten Freunden aus Niimberg, Bettina Lang, Susanne Mollenberg, Christina Hatzelmann, Felix Heyd und Constantin Peter, bedanken. Es ist ein wunderbares Gefiihl, so alt bewahrte Felsen in der Brandung hinter sich zu wissen und mit ihnen iiber Jahre hinweg zentrale Meilensteine feiem zu konnen. Herzlich danken mochte ich auch meinen Geschwistem. Meinem alteren Bruder Tim dafur, dass er mir auf Basis seines analogen Werdegangs wahrend Studium, Promotion und Arbeit in der Unternehmensberatung vielfach wertvolle Ratschlage und Anregimgen gegeben hat. Meinem Zwillingsbruder Benjamin danke ich fur hilfreiche praktische und tatkraftige Unterstiitzung bei diversen Umziigen. Danken mochte ich zudem auch der Begabtenforderung der FriedrichNaumann-Stiftung, die mit Mitteln des Bundesministeriums fur Bildung und Forschung meine Promotion mafigeblich finanziert hat. Der Austausch mit den anderen Stipendiaten der Stiftung und der damit verbundene interdisziplinare „Blick iiber den Tellerrand" waren fur mich sehr bereichemd. Zuletzt und sicherlich doch an allererster Stelle mochte ich mich herzlichst bei meinen Eltem bedanken, die einen soliden Grundstein fur meinen akademischen Werdegang gelegt haben. Ohne ein solides Fundament lasst sich schlieBlich kein Turm aus eigener Krafl bauen. Ihnen sowie auch meinem GroBvater, Dr. Heinrich Fargel, dessen eigene Promotion aufgrund des damaligen Zeitgeschehens sicherlich hindemisreicher als die meinige verlaufen ist, mochte ich diese Dissertation von Herzen widmen.

Dr. Yasmin M. Fargel

Inhaltsverzeichnis

IX

INHALTSVERZEICHNIS GELEITWORT

V

VORWORT

VII

INHALTSVERZEICHNIS

IX

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

XV

EINFUHRUNG

1

(1) (2)

(3)

TEIL I:

Aufgabe und zentrale Bezugspunkte des Placements

3

Einordnung des Placements in einen ubergeordneten Rahmen des Humanressourcenmanagements

7

Defizite in der Placementpraxis

(4) Defizite in der Placementforschung

17

(5) Zielsetzungen, Skizze eines Analyse-Bezugsrahmens sowie Aufbau der Arbeit

22

FIT-ORIENTIERUNG ALS GRUNDPFEILER DES HUMANRESSOURCEN-PLACEMENTS

I.l

Entwicklung eines mehrdimensionalen FitModells fiir das Humanressourcen-Placement 1.1.1

13

Die Metapher von „Schlussel und Schloss" als Grundlage eines mehrdimensionalen Fit-Modells fur das Placement

24

27

29

(1) Zentrale Rahmenbedingungen fur das Matching

30

(2) Charakterisierung der einzelnen Fit-Dimensionen

31

Inhaltsverzeichnis

1.1.2

1.2

Vollstandiger Fit versus dosierter Missfit (1) Dosierter fachlicher Missfit

33

(2) Dosierter sozial-kultureller Missfit

35

Generierung informatorischer Grundlagen in den einzelnen Fit-Dimensionen 1.2.1

TEIL II

39

Schaffung informatorischer Grundlagen iiber das „Profil des Schlosses"

40

(1) Anforderungen und Inhalte der Stellen

40

(2) Kultur, Subkultur und Kontextgemeinschaften

48

(3)

1.2.2

32

Betriebliche Entwicklungsmoglichkeiten

Schaffung informatorischer Grundlagen iiber das „Profil des Schliissels"

55

59

(1) Leistungsfahigkeit der Humanressourcen

59

(2) Arbeitsbezogene Bediirfnisse, Werthaltungen und Einstellungen

63

(3) Individuelle Karriereplane

69

(4) Tools zum Aufdecken von Informationen iiber die „Profilelemente des Schliissels"

78

GESTALTUNGSDIMENSION DES HUMANRESSOURCENPLACEMENTS

83

II.l

83

Management des Humanressourcen-Flows II. 1.1

Zentrale Begriffe im Kontext der Gestaltung des Humanressourcen-Flows (1) Der Karrierebegriff j enseits der klassischen Aufsvartsorientierung

85 85

Inhaltsverzeichnis

XI

II. 1.2

II. 1.3

(2) Karriereplanung, Karriere- und Placementpfad und betriebliche Laufbahn

87

Bezugspunkte und Stellhebel zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows

88

(1) Richtung des HumanressourcenFlows

92

(2) Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows

97

(3) Vollstandigkeit des Humanressourcen-Flows

103

Gestaltung des Humanressourcen-Flows im Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat (1)

Spezifitatsorientierte Laufbahnen

(2) Flexibilitatsorientierte Laufbahnen (3)

II. 1.4

Spezialisten-GeneralistenLaufbahnen

Gestaltung des Humanressourcen-Flows unter Beriicksichtigung individueller Karriereplane

105 107 110

113

116

(1) Integrative versus autonome Laufbahnoptionen

II.2

117

(2) Fiihrungslaufbahnen

119

(3) Fach- und Stabslaufbahnen

120

(4) Projektlaufbahnen

121

Management des Humanressourcen-Moves

125

II.2.1

Zentrale Problemfelder einer Humanressource beim Eintritt in einen neuen Arbeitskontext (1) Problemkategorien einer Humanressource nach einem Stellenwechsel

127

127

XII

Inhaltsverzeichnis

11.2.2

11.2.3

TEIL III:

(2) Organisationale Sozialisation zur Vermittlung fachlichen und sozialen Wissens

130

(3) Organisationale Induktion als abgrenzbare Phase des Sozialisationsprozesses

133

Stellenbezogenene Induktionsmafinahmen als zentrales Gestaltungselement des Humanressourcen-Moves

134

(1) Aufgaben und Ziele einer stellenbezogenen Induktion

135

(2) Rollenkonflikte und -ambiguitaten als zentrale Herausforderungen im Induktionsprozess

136

(3) Auswahl und Aufgaben von Induktionsagenten

137

Stellenbezogenes Wissensmanagement als Ausgangsbasis fiir die Entwicklung von Induktionsstrategien (1) Aufgaben und generische Wissensarten eines stellenbezogenen Wissensmanagements

145

(2) Generische Strategien des Wissenstransfers

147

(3) Entwicklung phasenspezifischer Induktionsstrategien

149

STEUERUNGSDIMENSION DES HUMANRESSOURCENPLACEMENTS

III.l

144

159

Organisation des Humanressourcen-Placements

159

III. 1.1 Organisatorische Verankerung und Leistungskonfiguration des Placements

160

(1) Organisatorische Verankerung der Gesamtverantwortung und Institutionalisierung spezifischer Placement-Stellen

160

Inhaltsverzeichnis

XIII

(2) Leistungskonfiguration des Placements III.1.2

Zentralitat des Placements

162 164

(1) Zentralisierung versus Dezentralisierung des Placements

165

(2) Grundsatzliche Dezentralisierung des Placements mit zentralen Elementen

168

(3) Entwicklung eines Free-MarketAnsatzes

173

III.2 Entwicklung von Professionalisierungsansatzen fiir das Humanressourcen-Placement

179

111.2.1 Grundlagen der Professionalisierung des Humanressourcen-Placements

180

(1) Grundcharakteristika der Professionalisierung im Kontext eines Humanressourcenmanagements

180

(2) Transfer des Professionalisierungsgedankens auf das Placement

183

(3) Entwicklung eines grundlegenden Rahmenkonzepts zur Professionalisierung des Placements

185

111.2.2 Entwicklung eines konkreten Bezugsrahmens zur Professionalisierung des Humanressourcen-Placements

187

(1) Initiierung von untemehmensweiten Rollenreflexionsprozessen

187

(2) Rollenverteilungen im Professionalisierungsprozess

190

SCHLUSSBETRACHTUNG

194

(1) Rekapitulation zentraler Ergebnisse

194

XIV

Inhaltsverzeichnis

(2) Ausblick

LITERATURVERZEICHNIS

196

203

Abbildungsverzeichnis

XV

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Einfiihrung:

Abb. E-1:

Zentrale Bezugspunkte des Humanressourcen-Placements

Abb. E-2:

Aufgabenfelder eines lebenszyklusorientierten Humanressourcenmanagements

4

7

Abb. E-3:

Darstellung der Aufgabenfelder in der Will-Skill-Matrix

10

Abb. E-4:

Uberblick ausgewahlter zentraler Veroffentlichungen zum Humanressourcen-Placement

19

Bezugsrahmen zur Analyse des Managements des Humanressourcen-Placements aus einer Fit-orientierten Perspektive

23

Mehrdimensionales Fit-Modell fiir das Humanressourcen -Placement

29

Veranderte Anforderungen durch Abflachung der Hierarchieebenen

47

Einbettung von Subkulturen in eine iibergeordnete Untemehmenskultur

53

Der Stellenbildungsprozess in der Aufgabenanalyse und -synthese

57

Hierarchieabhangige Anforderungsgewichtung der Fahigkeitsklassifikationen nach Katz

61

Uberblick iiber Eigenschaftstheorien und Karriereorientierungen in der Literatur

72

Abb. E-5:

TeUI: Abb. I-l:

Abb. 1-2

Abb. 1-3:

Abb. 1-4

Abb. 1-5

Abb. 1-6

XVI

Abbildungsverzeichnis

Teil II:

Abb. II-1

Alternative betriebliche Karriereverlaufe als Resultat der Gestaltung des Humanressourcen-Flows

84

Abb. II-2

Primar- und Sekundarftinktionen einer Stelle

89

Abb. II-3

Der Scheinsche Kegel als Placementsystem

93

Abb. II-4

Uberlappende Aufgaben entlang einer aufgabenund kulturkongruenten Laufbahn

108

Absicherung einerftinktionsubergreifendenEinsetzbarkeitbei gleichzeitigem Aufbau von Spezialistenwissen

114

Karriereanker und zielgruppengerechte Laufbahnoptionen

118

Abb. II-7

Durchlassigkeit der altemativen Laufbahnoptionen

124

Abb. II-8

Kategorien stellenspezifischen Wissens und Wissenselemente

147

Abb. II-5

Abb. II-6

Abb. II-9

Generische Strategien eines stellenbezogenen Wissensmanagements

148

Abb. 11-10

Tripartition des Induktionsprozesses

150

Abb. II-11

Phasenspezifische Instrumente fiir den Wissenstransfer

153

Integriertes Datenbanksystem fur das Humanressourcen -Placement

176

Primare und sekundare Wissensbasen fur das Placement

186

Teil III: Abb. III-l

Abb. III-2

Abbildungsverzeichnis

Abb. III-3

Bezugsrahmen fiir die Professionalisierung des Humanressourcen-Placements

XVII

189

Einfiihrung

EiNFUHRUNG „Huinan Resources can make the difference between organizational failure or success." (Scheinl978,S. 189) Die hohe Bedeutung, die Schein den Humanressourcen als „strategische Erfolgsfaktoren" zuschreibt, stellt eine weit verbreitete Annahme dar.* Diese Annahme lasst sich dabei in zweierlei Hinsicht verstehen. Zum einen sind die Humanressourcen eines Untemehmens Voraussetzung fur die erfolgreiche Umsetzung und Realisierung von Untemehmensstrategien. Zum anderen stellen sie zudem die treibende Kraft zur Generierung neuer Strategien dar.^ Insbesondere letzteres gewinnt angesichts einer zunehmenden Dynamik der Untemehmensumwelt und des daraus resultierenden Zwangs des kontinuierlichen „Anpassens und Umdenkens" fiir die Untemehmen an Relevanz. So gilt die von Schein 1978 konstatierte Bedeutung von Humanressourcen heutzutage - gut 25 Jahre spater - mehr denn je. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Einigkeit der aktuellen Management-Forschung und -Praxis liber die ausschlaggebende Bedeutung der Humanressourcen als strategische Erfolgsfaktoren und Quelle von Wettbewerbsvorteilen wider."^ Das bloBe Rekrutieren von so genannten „High Potentials""*, d.h. von hochqualifizierten Humanressourcen, reicht freilich nicht aus. So ist es Aufgabe des Humanressourcen-Placements, die Mitarbeiter eines Untemehmens so auf den Stellen des Untemehmens einzusetzen, dass zwei zentrale Bedingungen erfullt werden konnen. •

Zum einen gilt es, eine moglichst weitreichende Ubereinstimmung („Fit") zwischen den Aufgabenanforderungen einer Stelle und der individuellen Leistungsfahigkeit und -

Vgl. Dubbert (1991), S. 25, Schilo-Silbermann (1995), S. 25f, Domsch/Strasse (1997), S. 37, Eckardstein (1997), S. 1, Becker/Huselid (1998), S. 54, Strasse (1998), S. 4, Rustmann (1999), S. 119, Drumm (2000), S. 436, Krauss (2002), S. 1, Gmur (2003), S. 21ff, Martina/Beming (2003), S. 48, Bednarczuk/Bismarck/Aleweld (2003), S. 54, Kaiser (2004), S. 163, Kastaun/Shahidi (2004), S. 8, StruB/Thommen (2004), S. 14. Vgl. Widmaier (1991), S. 103, Hendry/Arthur/Jones (1995), S. 10, Sattelberger (1999), S. 270. Theoretisch fundiert wird die herausragende Rolle von Humanressourcen zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen insbesondere auch durch neuere wissenschaftliche Arbeiten der letzten Jahre, die das Konzept des Resource-based Views auf das Humanressourcenmanagement transferiert und fiir dieses nutzbar gemacht haben. Der Resource-based View-Ansatz stammt dabei urspriinglich aus Forschungsarbeiten des strategischen Managements. Neben dem so genannten Structure-Conduct-Performance-Ansatz der Industrial Organization Forschung stellt der Resource-based View einen zweiten zentralen Untersuchungsansatz zur Erklarung von Wettbewerbsvorteilen dar. In diesem werden die Ressourcen eines Untemehmens zum Ausgangspunkt der Entstehung von Wettbewerbsvorteilen erklart. Neuere wissenschaftliche Arbeiten, die das Konzept des Resource-based Views auf das Humanressourcenmanagement transferiert haben, bejahen die grundsatzliche Eignung einzigartiger Humanressourcen zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Damit wird die Bedeutung von Humanressourcen als erfolgskritische Ressourcen auch in einem theorieorientierten Kontext bekraftigt und analytisch fiindiert. Vgl. hierzu stellvertretend Riedl (1995), S. 217ff, Grunwald (2001), S. 24ff, Kaiser (2001), S. llff, Ridder/Conrad/Schirmer/Bruns (2001), S. 25ff, Hollmiiller (2002), S. 19ff, Krauss (2002), S. 140ff, Klimecki/Gmiir/Bonn/Litz (2003), S.79ff., sowie Stock (2004), S. 24Iff Grunwald (2001) spricht in diesem Kontext vom so genannten Human-Resource-based View. Zu Abgrenzungskriterien fiir diese Mitarbeitergruppe vgl. Hollmiiller (2002), S. 14ff.

2



Einfuhrung

bereitschaft der Humanressourcen herzustellen.^ Dadurch soil sichergestellt werden, dass die Fahigkeiten der Mitarbeiter als strategische Erfolgsfaktoren „wertstiftend" im Untemehmen eingesetzt werden.^ Zum anderen ist dabei zu beachten, dass das Leistungspotenzial der Humanressourcen im Sinne einer effizienten Ressourcennutzung moglichst ausgeschopft werden kann und wertvolle Fahigkeitsressourcen der Mitarbeiter nicht verschwendet werden.

Die Praxis weicht allerdings oftmals von dieser dargestellten Idealvorstellung ab. So wurde in einer 2003 von der Gallup GmbH Deutschland veroffentlichten Studie festgestellt, dass 88 Prozent der deutschen Arbeitnehmer nicht engagiert am Arbeitsplatz sind. Als einer der hierfiir ausschlaggebenden Griinde wird genannt, dass Mitarbeiter oftmals eine Position ausftillen miissen, die ihnen nicht liegt, folglich also ein Missfit^ zwischen Leistungsfahigkeit und/oder -bereitschaft der Mitarbeiter und den ihnen iibertragenen Aufgaben existiert.* Die Konsequenzen eines derartigen Missfits sind vielfaltiger Natur. So konnen Probleme wie Uberforderung, Demotivation, Entfremdung von der Arbeit, mangelndes Commitment, innere Kiindigung und nicht zuletzt eine erhohte Suchneigung der Mitarbeiter nach einem neuen Arbeitsplatz entstehen. Dabei erfahrt das Problem eines Missfits eine zusatzliche Verscharfting dadurch, dass die genannten resultierenden Problemfelder meist miteinander verkniipft sind und sich so in ihren negativen Auswirkungen noch weiter verstarken.*^ Dies allerdings steht der Herausforderung der Untemehmen, Stellen mit adaquaten Mitarbeitem zu besetzen, um sie als „strategische Erft)lgsfaktoren" einsetzen zu konnen, diametral entgegen. Um sich dem Aufgabenfeld des Humanressourcen-Placements in einem ersten Zugang zu nahem und eine solide Ausgangsbasis fiir die weiteren Ausfiihrungen zu schaffen, bietet es sich zunachst an, die Aufgaben und zentralen Bezugspunkte des Placements naher zu konkretisieren und zu erortem (1). Da die Aufgaben des Placements nicht losgelost von anderen Aufgabenfeldem des Humanressourcenmanagements zu betrachten sind, erfolgt in einem

Wie im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlich werden wird, umfasst der angestrebte Fit zwischen Stelle und Stelleninhaber noch weitere Dimensionen. Vgl. hierzu die nachfolgenden Erlauterungen in Kapitell.l. Zum wertstiftenden Einsatz von Humanressourcen vgl. Kaiser (2001), S. 2Iff., der dies als Grundvoraussetzung fur die Entstehung von Renten ansieht. Vgl. hierzu die Defmition eines Missfits von Kirsch (1997a), S. 548, der mit dem Begriff zum Ausdruck bringt, dass verschiedene Dinge nicht zusammenpassen. Vgl. hierzu die Ergebnisse der Studie der Gallup GmbH Deutschland (2003) zum Mitarbeiterengagement in Deutschland, sowie vertiefend zu diesen Ergebnissen Wood (2003). Das primare Untersuchungsziel der genannten Studie lag dabei in der Messung des Grades der emotionalen Bindung von Mitarbeitem zu ihrem Arbeitsplatz. Zu diesem Zweck wurden 2.000 Arbeitoehmer in der Bundesrepublik Deutschland telefonisch befragt. Unter dem Begriff „innere Kiindigung" wird der Prozess der iimeren Abkehr des Mitarbeiters von seiner Arbeit, der Verlust des Interesses an jener, der Verzicht auf eine weitere betriebliche Karriere sowie oftmals damit einhergehend der psychologisch bedingte Ausbruch einer Krankheit bezeichnet. Zu weiterfiihrenden Erlauterungen zu diesem Problemfeld vgl. Hilb (1992), Biichi (1992), S. 65ff., Drumm (2000), S. 438, Fisch (2003), S. 215ff., und BiehLllichter (2004), S. 144ff. Zu exemplarischen Rechnungen zu den Kosten personeller Fehlbesetzungen vgl. Dunnette (1969), S. 7f, sowie Wollsching-Strobel (1999), S. 170f

Einfiihrung

3

nachsten Schritt eine Einordnung des Placements in einen iibergeordneten Bezugsrahmen des Humanressourcenmanagements (2). Dem schlieBt sich eine Betrachtung des Humanressourcen-Placements in der untemehmerischen Praxis sowie eine Identifikation praktischer Defizite an (3). Daran anschlieBend werden die zentralen theoretischen Defizite in der Placementforschung identifiziert (4). In einem weiteren Schritt wird schlieBlich ein grundlegender holistischer Analyse-Bezugsrahmen fiir das Placement entwickelt, der den Aufbau der vorliegenden Arbeit entlang der gesetzten Ziele widerspiegelt und den weiteren Gang der Argumentation leitet (5).

(1)

Aufgabe und zentrale Bezugspunkte des Placements

Die Aufgabe des Humanressourcen-Placements besteht darin, die vorhandenen Stellen des Untemehmens mit geeigneten Mitarbeitem zu besetzen, mit dem Ziel, durch einen „Matching-Prozess", d.h. durch eine Fit-orientierte Zuordnung von Mitarbeitem auf Stellen, eine moglichst weitreichende Ubereinstimmung zwischen Stelle und Stelleninhaber herzustellen. Dabei sind unter das Aufgabenfeld Placement nur vollgiiltige untemehmensinteme Stellenbesetzungen zu subsumieren. ** So stellen beispielsweise voriibergehende Stellvertretungsbesetzungen wie Urlaubs- oder Schwangerschaftsvertretungen kein vollgiiltiges Placement dar. Dariiber hinaus liegt ein Placement auch nur dann vor, wenn es sich bei der Stelle als Bezugsort des Placements um eine primare Beschaftigungseinheit*^ handelt. Wie in Abbildung E-1 dargestellt, besitzt das Placement zwei zentrale Bezugspunkte.

Zum Begriff der vollgultigen Versetzung vgl. Hungenberg (1990), S. 212. Der Begriff ist dabei eng mit dem individualarbeitsrechtlichen Versetzungsbegriff verwandt, der jede „nicht nur voriibergehende Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes" umfasst. Vgl. Willemsen/Brune (1987), S. 18. Unter primarer Beschaftigungseinheit ist gemeint, dass die Humanressource dort wahrend ihrer Arbeitszeit in das Tagesgeschaft eingebunden ist. So fallt die Tatigkeit in verschiedenen Arbeitskreisen oder Ausschiissen, die „zeitlich unbegrenzt regelmaBig oder fallweise zusammentreten" (Ringlstetter 1997, S. 61) nicht unter den Begriff der primaren Beschaftigungseinheit und stellt somit keine Bezugsgr613en fur das Placement dar.

Einflihrung

Besetzen aufgetretener Vakanzen „Ex nunc** (einzelne Stelle als Bezugspunkt)

~

Besetzen neu geschafTener Stellen

Bezugspunkte des Humanressourcen-Placements

— Nachfolgeplanung

„Ex ante" (Laufbahn " als Bezugspunkt) — Nachwuchsplanung

Abb. E-1:

Zentrale Bezugspunkte des Humanressourcen-Placements

Zum einen ist es Aufgabe des Humanressourcen-Placements, kurzfristig auftretende Stellenvakanzen zu schlieBen. Im Problemfokus steht als Bezugspunkt eine einzelne, vakante Stelle, die es moglichst rasch adaquat zu besetzen gilt, um die Kontinuitat der Leistungserbringung nicht zu gefahrden. Da bei solchen plotzlichen Stellenvakanzen eine stelleniibergreifende „Heranfuhrung" der Humanressource an die zu besetzende Stelle, beispielsweise in Form von gezielt gestalteten Aufgabenuberschneidungen zwischen der bisherigen und der neuen Position, in der Regel nicht moglich ist, kann von einem „ex nunc"-Placement gesprochen werden. Ein ausschlieBlicher Fokus auf eine einzelne Stelle als Bezugspunkt allerdings greift zu kurz. So gilt es, diese Perspektive um stelleniibergreifende, antizipative, „ex-ante"- Planungen von Laufbahnen zu erganzen.*"' Damit ist die Planung von Stellenabfolgen als Bezugspunkt der Placementaktivitaten angesprochen. Nicht mehr eine einzelne fokale Stelle, sondem eine sukzessive Verkniipfung von sinnvollen Stellenabfolgen, die ein Mitarbeiter im Laufe seiner Beschaftigung im Untemehmen durchlauft, steht im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Notwendigkeit einer solchen stelleniibergreifenden Planung lasst sich folgendermaBen begrunden: •

Systematische HeranfUhrung an Stellen mit hoher Unternehmensspezifitdt: Zum einen existieren Stellen im Untemehmen, bei denen ein Fit-orientiertes „ex-nunc"-Placement

Vgl. analog Ambrosy (1982), S. 17f.

Einfuhrung

5

kaum realisierbar ist. Dies gilt insbesondere flir Stellen, die hinsichtlich ihrer funktionalen und sozialen Beziehungsstruktur eine hohe Untemehmensspezifitat aufweisen, so dass eine systematische, stellenubergreifende Heranfuhrung der Humanressourcen an jene Stellen erforderlich ist.*"* Als Beispiel ist eine Geschaftsfiihrerposition zu nennen, auf der sukzessiv aufgebaute spezifische Kenntnisse der Untemehmensprodukte und leistungen, der intemen Ablaufe sowie die Akzeptanz der Mitarbeiter und Kollegen fur eine effektive Aufgabenerfullung notwendig sind. Auch Conger/Fulmer (2004) heben die Bedeutung einer solchen systematischen Heranfuhrung hervor. Allerdings stellen sie fest, dass Untemehmen zwar meist vorab Mitarbeiter flir spatere Fiihrungspositionen bestimmen. Doch „(...) eine erschreckend hohe Zahl der Nachfolger scheitert spektakular, weil sie auf die Tatigkeit, fiir die sie schon lange vorher ausgewahlt worden waren, vollig unzureichend vorbereitet wurden." (Conger/Fulmer 2004, S. 49)



Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine stelleniibergreifende Heranfuhrung der Humanressourcen an die anvisierten Zielpositionen erforderlich ist. Eine solche Heranfuhrung kann durch eine Konzipierung von Laufbahnen erreicht werden, die eine gezielte Uberlappung von fachlichen Aufgabenbereichen und Uberschneidungen im sozialen Beziehungsgefuge zwischen den aufeinanderfolgenden Stellen umfasst. Eine systematische Heranfiihrung von Mitarbeitem an Stellen mit einer hohen Untemehmensspezifitat stellt dabei in der Regel einen langerfristigen Prozess dar, der sich nur iiber mehrere Stelleninhaberschaften umsetzen lasst.^^ Aufzeigen betrieblicher Entwicklungsperspektiven: Neben dem Argument einer stelleniibergreifenden Heranfuhrung ist es femer erforderlich, den Humanressourcen durch die antizipative Planung von Laufbahnen berufliche Perspektiven innerhalb des Untemehmens aufzuzeigen, die den Rahmen zur Verwirklichung betrieblicher Werdegange und Karrieren bilden. Dadurch kann die Motivation und die Bindung der Humanressourcen ans Untemehmen gefordert werden. ^^ Empirische Studien weisen darauf hin, dass circa 80 Prozent der Mitarbeiter, die in den ersten drei Jahren ein Untemehmen wieder verlassen, diese Entscheidung mitunter auf einen Mangel an Entwicklungsperspektiven zuriickfuhren.^^ Vor diesem Hintergmnd ist es Aufgabe des Placements, betriebliche Entwicklungsmoglichkeiten aufzuzeigen, um die Wechselbereitschaft und somit die Fluktuation der Mitarbeiter zu reduzieren.^*

Wie in Abbildung E-1 dargestellt, wird bei der Planung von Laufbahnen zwischen zwei verschiedenen Planungsarten differenziert. 14 15

16 17

Vgl.Wunderer(1973),S.21. Vgl. Cespedes/Galford (2004a), S. 40ff., sowie Cespedes/Galford (2004b), S. 86, die von einer „langen Startbahn" fiir Fiihrungsnachwuchskrafte vor der Einnahme von zentralen Fiihrungspositionen sprechen. Vgl. Risch/Sommer (1996), S. 303f, Grunwald (2001), S. 67. Vgl. MaassenA^orbeck (2003), S. 18.

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Einfuhrung



Sind die Laufbahnen auf die Ubemahme konkreter, spaterer Zielpositionen ausgerichtet, beispielsweise auf die Ubemahme einer Geschaftsfiihrerposition in einem bestimmten Teilbereich, entspricht dies einer stellenspezifischen Nachfolgeplanung.



1st die Laufbahngestaltung hingegen an der Ubemahme einer bestimmten Stellenkategorie orientiert, beispielsweise an der Ubemahme einer leitenden Fiihmngsposition im Untemehmen, liegt eine Nachwuchsplanung vor.

In beiden Fallen handelt es sich um die antizipative Festlegung des betrieblichen Werdegangs von Mitarbeitem, wobei in Abhangigkeit des jeweiligen Bezugspunkts einmal eine konkret definierte Stelle (Nachfolgeplanung) und einmal eine bestimmte Stellenkategorie (Nachwuchsplanung) im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Dabei wird bei beiden Planungsarten eine moglichst weitreichende Ubereinstimmung der Laufbahnen mit den individuellen Karriereplanen der Humanressourcen angestrebt. Im Rahmen eines Managements des Humanressourcen-Placements gilt es, sowohl Gestaltungs- als auch Steuemngsaspekte des Placements zu betrachten. •

Die Gestaltungsdimension umfasst alle Aufgaben, die sich auf eine Verandemng der bestehenden Humanressourcen-Architektur beziehen. Der Terminus HumanressourcenArchitektur stellt dabei die bestehende organisatorische Verortung von Humanressourcen im Stellengefuge eines Untemehmens dar.*^ Bei der Gestaltungsdimension des Placements geht es damm, die Mitarbeiter derart innerhalb des Stellengefiiges des Unternehmens zu bewegen, dass eine adaquate Stellenbesetzung auf Basis eines moglichst weitreichenden Fits zwischen Stelle und Stelleninhaber durchgefiihrt werden kann.



Mit der Steuerungsdimension hingegen ist die Analyse von Entscheidungs- und Implementiemngsprozessen des Placements angesprochen, die sich auf die Steuemng der intraorganisationalen Mobilitatsprozesse^^ der Humanressourcen sowie auf die Verteilung von Verantwortlichkeiten fur die Durchfuhrung einzelner Placementaufgaben beziehen.

Gestaltungs- und Steuemngsdimension des Placements sind eng miteinander verwoben und stellen daher keine dichotomen Analyseperspektiven dar. Vor diesem Hintergrund ist eine integrative Management-Betrachtung der beiden Dimensionen sinnvoll. Eine solche integrative Betrachtung der Gestaltungs- und Steuemngsaufgaben des Placements wird der vorliegenden Arbeit zu Grunde gelegt.

18 19 20

Vgl.Grunwald(2001),S. 67. Vgl. Kaiser (2001), S. 4. Zum Begriff der intraorganisationalen Mobilitat vgl. Mayrhofer (1996), S. 43.

Einfilhrung (2)

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Einordnung des Placements in einen iibergeordneten Rahmen des Humanressourcenmanagements

Das Management des Placements entlang der Gestaltungs- und Steuerungsdimension ist nicht losgelost von anderen Aufgabenfeldem des Humanressourcenmanagements zu sehen. Im Folgenden soil daher zunachst in Form einer kurzen, propadeutischen Einfiihrung auf die einzelnen Aufgabenfelder des Humanressourcenmanagements eingegangen werden, um so eine Einordnung des Placements in einen iibergeordneten Bezugsrahmen des Humanressourcenmanagements zu ermoglichen (a). In einem nachsten Schritt werden die Interdependenzen zwischen dem Placement und den anderen Aufgabenfeldem naher beleuchtet, um so ein praziseres Verstandnis fiir die Beziehungen zwischen den einzelnen Aufgabenfeldem sowie deren Wechselwirkungen zueinander zu schaffen (b). (a) Aufgabenfelder eines Humanressourcenmanagements: Ein erster Uberblick iiber die einzelnen Aufgabenfelder eines Humanressourcenmanagements kann anhand der Ableitung der Aufgabenfelder aus dem „prototypischen" beruflichen Lebenszyklus einer Humanressource geschaffen werden. Ein solcher prototypischer Lebenszyklus ist in Abbildung E-2 dargestellt.

Lebenszyklus von Humanressourcen Stellenauswahl

\

Lemen y

Stellensuche

\

\

Tatigkeitswechsel

N^ Engagement

z

/ /

\ /

_y Aufgabenfelder eines Humanressourcen-Managements

\ y

Placement Entwicklung

\ \ *

Motivation

/ / ,

Dispensation

Akquisition ) y y

/ Abb. E-2:

-.

-

^

__/

Aufgabenfelder eines lebenszyklusorientierten Humanressourcenmanagements (Quelle: verandert nach Ringlstetter/Kniehl 1995, S. 151 undS. 153)

Der abgebildete Lebenszyklus fungiert als anwendungsorientierter Bezugsrahmen fiir das Humanressourcenmanagement^\ anhand dessen sich eine Systematik zur Ableitung einzelner

Dieser Bezugsrahmen stellt ein am Lehrstuhl von Professor Ringlstetter entwickeltes Modell dar und wurde in mehreren VerSffentlichungen in modifizierten Formen aufgegriffen, vgl. Brandenberg (2001a), S. 29, Kaiser (2001), S. 3, HOllmUller (2002), S. 56, sowie Krauss (2002), S. 12.

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Einfuhrung

Aufgabenfelder fur das Humanressourcenmanagement generieren lasst.^^ Die dargestellte Aufgabensystematik setzt zunachst an der einzelnen Humanressource bzw. den einzelnen Phasen ihres beruflichen Lebenszyklus an. Hinter dieser Systematik verbirgt sich in Anlehnung an Odiome (1984) der Grundgedanke, dass sich aus den einzelnen Phasen des Lebenszyklus jeweils sehr spezifische Anforderungen an das Management von Humanressourcen ableiten lassen, so dass eine phasenspezifische Ausrichtung der Aufgabensystematik sinnvoU erscheint.^^ Wie in Abbildung E-2 dargestellt, bildet zunachst der prototypische berufliche Lebenszyklus einer Humanressource den Ausgangspunkt der Uberlegungen. Aufbauend auf der Betrachtung des beruflichen Lebenszyklus lasst sich dann ein Perspektivenwechsel vollziehen, indem den einzelnen Phasen des Lebenszyklus jeweils korrespondierende Aufgabenfelder des Humanressourcenmanagements zugeordnet werden. Diese so zugeschnittenen Aufgabenfelder konnen als „Kemaufgaben" des Humanressourcenmanagements betrachtet werden.^"* Die einzelnen Phasen des beruflichen Lebenszyklus einer Humanressource sowie die jeweils korrespondierenden Aufgabenfelder lassen sich folgendermaBen skizzieren: •

Humanressourcen-Akquisition: Zu Beginn ihres beruflichen Lebenszyklus begibt sich die Humanressource zunachst auf Stellensuche. Diese Phase des Lebenszyklus wird in dem Bezugsrahmen durch das Aufgabenfeld der Humanressourcen-Akquisition abgedeckt. Das Ziel der Akquisition ist in der Anwerbung und Auswahl von attraktiven Humanressourcen am extemen Arbeitsmarkt zu sehen, die zum Beitritt in das Untemehmen motiviert werden sollen.



Humanressourcen-Entwicklung: Wahrend ihrer Beschaftigung im Untemehmen entwickelt sich die Humanressource weiter. Das korrespondierende Aufgabenfeld hierzu stellt die Humanressourcen-Entwicklung dar, deren Ziel im Aufbau und Erhalt der notwendigen Fahigkeiten und Fertigkeiten gemaiJ den erforderlichen Aufgabenanforderungen zu sehen ist.

Aufgabensystematiken zur Ableitung von Aufgabenfeldem des Humanressourcenmanagements fmden sich - wenn auch mit differierenden Ansatzpunkten - praktisch in alien anerkannten Lehrbiichem zum Personalmanagement. Vgl. hierzu stellvertretend Oechsler (1992) und Buhner (1994). Ein umfassender ijberblick iiber die einzelnen Ansatze fmdet sich bei Staehle (1994), S. 745ff. Die Grundlage fur derartige Aufgabensystematiken fur das Humanressourcenmanagement wurde in der deutschsprachigen Literatur von NiiBgens (1975), S. lOOff., gelegt. Dabei ging NiiBgens' Differenzierung der Funktionsbereiche in die Personalbedarfsermittlung, -beschaffung, -entwicklung, den Personaleinsatz, die Personalerhaltung, und freistellung quasi paradigmatisch in die deutschsprachigen Lehrbiicher des Personalmanagements ein. In der angelsachsischen Literatur koimten sich in diesem Kontext insbesondere das Harvard-Modell (vgl. Beer et al. 1985) sowie das Michigan-Modell (vgl. Fombrun/Tichy/DeVanna 1984) etablieren. Fiir einen zusammenfuhrenden Uberblick dieser Aufgabensystematiken vgl. Staehle (1990), S. 32ff. Odiome unterscheidet zwischen vier Phasen im beruflichen Lebenszyklus einer Humanressource, die er Start-up-, Growth-, Maturity- und Decline-Phase nennt. Jede dieser Phasen weist bestimmte Charakteristika auf, die eine phasenspezifische Ausrichtung des Humanressourcenmanagements erforderlich machen. Vgl. hierzu Odiome (1984), S. 61ff. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 151.

Einfuhrung

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Humanressourcen-Motivation: Bei der Erfullung der mit einer Stelle verbundenen Aufgaben engagiert sich die Humanressource gemaB eines subjektiv wahrgenommenen Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts in einem bestimmten AusmaB. Dieses Engagement der Humanressource zu halten oder zu steigem, ist Ziel des Aufgabenfelds Humanressourcen-Motivation.



Humanressourcen-PlacemenV. Femer wird die Humanressource Stellen innerhalb des Untemehmens auswahlen, die ihrer individuellen Leistungsfahigkeit und -bereitschaft sowie ihren individuellen Karriereplanen entsprechen. Das korrespondierende Aufgabenfeld hierzu stellt das Humanressourcen-Placement dar, dessen Ziel in der Besetzung von Stellen mit adaquaten Mitarbeitem zu sehen ist. Aus einer stelleniibergreifenden Perspektive ist damit die Gestaltung und Planung innerbetrieblicher Laufbahnen angesprochen. Humanressourcen-Dispensation: SchlieBlich wird die Humanressource zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Untemehmen ausscheiden.^^ Das korrespondierende Aufgabenfeld hierzu stellt die Humanressourcen-Dispensation dar, deren Ziel in der Freisetzung von nicht benotigten oder nicht mehr veriugbaren HumanressourcenKapazitaten liegt.^^



(b) Interdependenzen zwischen dem Placement und den anderen Aufgabenfeldern: Das Placement ist nicht losgelost von den anderen Aufgabenfeldern des Humanressourcenmanagements zu sehen. Vielmehr sind die anderen Aufgabenfelder schnittstellenartig mit dem Placement verwoben, so dass in verschiedener und vielfaltiger Form Interdependenzen existieren. Zur Verdeutlichung dieser Interdependenzen lasst sich eine so genannte Will-Skill-Matrix heranziehen, wie sie in der nachfolgenden Abbildung E-3 dargestellt ist.^^

25 26

Dies muss freilich nicht notwendigerweise am Ende des gesamten beruflichen Lebenszyklus erfolgen. Zu grundlegenden Uberlegungen zum dargestellten beruflichen Lebenszykluskonzept vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 15Iff. Die Autoren weisen dabei darauf hin, dass sich innerhalb des dargestellten Lebenszyklus noch weitere Teilzyklen rekonstruieren lassen. So lasst sich eine entsprechende Phasenfolge nicht nur auf Untemehmensebene rekonstruieren, sondem auch innerhalb eines Untemehmens hinsichtlich verschiedener Bereiche, Abteilungen und einzelnen Stellen. Ebenso wie der in Abbildung E-2 angefuhrte Bezugsrahmen wurde die Will-Skill-Matrix am Lehrstuhl von Professor Ringlstetter entwickelt und in mehreren Veroffentlichungen in modifizierten Formen aufgegriffen, vgl. Kaiser (2001), S. 4, Krauss (2002), S. 10, sowie Kaiser (2004), S. 165.

10

Einftihrung

C

Nutzung der gegebeneii ^

HR-Ausstattung

N.

Restrukturierung der _HR-Ausstattun;

_—^^

skill

skill

nMaximale** Leistungs-

Akqiifsition

fShigkeit

^•Leistung-Ist

% Genutzte

Dispensation

LeistungsfShigkeit

will „Maximale** Motivation

Abb. E-3:

Darstellung der Aufgabenfelder in der Will-Skill-Matrix

Die Leistung bzw. das Leistungsniveau einer Humanressource setzt sich aus der Leistungsfahigkeit (skill) sowie aus der Leistungsbereitschaft (will) zusammen.^* Unter der Leistungsfahigkeit sind die Fahigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen der Humanressource zu subsumieren, die zur Leistungserstellung nutzbar sind. Die Leistungsbereitschaft umfasst die Intensitat und die zeitliche Dauer der Leistungserstellung. Damit ist die Motivation der Humanressource angesprochen.^' Das Leistungsniveau kann daher als Isoquantenverlauf zwischen der Skillund der Will-Achse dargestellt werden. Die Kemaussage der „Will-Skill-Matrix" ist darin zu sehen, dass das verfiigbare Leistungsniveau einer Humanressource entweder durch eine Steigerung der Leistungsfahigkeit und/oder durch eine Erhohung der Leistungsbereitschaft erzielt werden kann.^*^

28 29

Vgl. hierzu stellvertretend Engelhard (1992), Sp. 1256f., und Staehle (1994), S. 771. Grundsatzlich lasst sich die dargestellte mikroperspektivische Betrachtung von Skill und Will einzelner Humanressourcen durch Aggregation auch auf die gesamte Humanressourcenausstattung, d.h. auch auf eine Makroebene transferieren. Im Fokus der Betrachtung stehen dann nicht mehr die LeistungsfMhigkeit und -bereitschaft einzelner Humanressourcen, sondem das Leistungsniveau der gesamten Humanressourcenausstattung. Vgl. Krauss (2002), S. 10. Dabei ist zu beachten, dass das Leistungsniveau sich multiplikativ aus den beiden Komponenten Skill und Will zusammensetzt. Das heiBt, dass keine Leistung erbracht wird, wenn eine der beiden Variablen den Wert Null annimmt. Kniehl (1998), S. 22, unterscheidet dabei zwischen zwei prinzipiellen Fallen. So kann es einerseits einen hochmotivierten Mitarbeiter geben, dem jedoch die Leistungsfahigkeit zur HandlungsausUbung fehh, so dass dessen Motivationspotential „verpufft". Andererseits kann es hingegen einen gut ausgebildeten Mitarbeiter geben, dem die Motivation zur Handlungsausilbung fehlt, so dass er seine LeistungsMigkeit nicht fiir das Untemehmen einsetzt. Dennoch kann innerhalb bestimmter Grenzen von einem substitutiven Verhaltnis zwischen den Komponenten Skill und Will ausgegangen werden. So kann beispielsweise eine geringere Leistungsfahigkeit, die auf mangelnde Erfahrung zurUckzufiihren ist, durch

Einfuhnmg

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Wie aus Abbildung E-3 ersichtlich wird, beziehen sich die Aufgabenfelder Entwicklung, Motivation und Placement auf eine moglichst optimale Nutzung der gegebenen Humanressourcenausstattung, wahrend die Aufgabenfelder Akquisition und Dispensation eine Restrukturierung der gegebenen Humanressourcenausstattung nach sich Ziehen. Die optimale Nutzung der Humanressourcenausstattung driickt sich in dem Versuch aus, die Gesamtleistung der Humanressourcen zu steigem, indem der Einsatz der Leistungsfahigkeit und -bereitschaft der Humanressourcen erhoht wird. Dagegen bezieht sich die Restrukturierung auf die Steuerung der Zu- und Abgange von Humanressourcen, die in Abhangigkeit des jeweiligen Bedarfs des Untemehmens an Humanressourcen zu gestalten ist. Vor dem Hintergrund dieser Erlauterungen lassen sich Interdependenzen und Abstrahleffekte zwischen dem Placement und den anderen Aufgabenfeldem aufzeigen. Diese werden im Folgenden exemplarisch erlautert. •

Zusammenhang Placement/Motivation: So geht mit einem vertikalen Placement, d.h. mit einer Aufwartsbewegung der Humanressource in der Untemehmenshierarchie, in der Regel auch eine Steigerung der Motivation einher. Denn schlieBlich ist mit einer solchen Aufsvartsbewegung in der Regel ein Zuwachs an Einfluss, Gehalt, Prestige, Autonomic, Selbstentfaltungsmoglichkeiten oder Handlungs- und Verantwortungsspielraum verbunden.^* Ebenso konnen zudem auch mit horizontalen Placements, d.h. Versetzungen des Mitarbeiters auf der gleichen Hierarchieebene in einen anderen Funktionsbereich, positive motivational Effekte verbunden sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Mitarbeiter die Versetzung als Abwechslung oder Erweiterung seiner fachlichen Qualifikationen versteht.^^ Auch die Aussicht auf spatere Karriereschritte im Untemehmen kann zu einer hoheren Leistungsbereitschaft beitragen.^'' So ist insgesamt von einer inharenten motivationalen Anreizwirkung von attraktiven Placementschritten auszugehen.



Zusammenhang Placement/Entwicklung: Sind mit einem Placement gleichzeitig auch neue Aufgabeninhalte und Anforderungen verbunden, kann femer auch die Entwicklung neuer Fahigkeiten und Fertigkeiten gefordert werden. So wird sowohl in der Theorie als auch in der Praxis die zunehmende Bedeutung von arbeitsimmanenten Qualifizierungs-

^^

ein hohes Mafi an Motivation des Mitarbeiters ausgeglichen werden. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung E-3 durch die Isoquanten identischer Leistungsniveaus dargestellt. Vgl. Briiderl (1991), S. 20, Rosenstiel (1997), S. 14 und S. 22ff., Rosenstiel/Lang-v. Wins/Sigl (1997), S. 7, Schanz(2000), S. 510f. Dieser Effekt wird in der Praxis mit so genannten Job Rotation-MaCnahmen in Verbindung gebracht, deren Ziel in einer hoheren Abwechslung sowie in der Weiterentwicklung der Humanressourcen zu sehen ist. Oftmals wird das Ziel von Job Rotation-MaBnahmen zudem in Verbindung mit einer Erhohung der Einsatzflexibilitat gesehen. Zum Prinzip der Job Rotation vgl. stellvertretend Hungenberg (1990), S. 212ff., Buhner (1994), S. 143, Stabler (1999), S. 96f., Wollsching-Strobel (1999), S. 41, Scholz (2000), S. 515f., sowie Bock (2002), S. 150. Dariiber hinaus werden mit Job Rotation-MaBnahmen zudem auch Ziele hinsichtlich einer Verbesserung der bereichsiibergreifenden Kommunikation und des Wissenstransfers, sowie die Verbesserung des sozio-emotionalen Beziehungsgeflechts innerhalb des Untemehmens verfolgt. Vgl. Fiichtner (1998), S. 604.

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Einfuhning

prozessen fur die Entwicklung neuer Fahigkeiten und Fertigkeiten betont.^"* So kann durch eine entsprechende Ausgestaltung des Placements, beispielsweise durch die Versetzung einer Humanressource in einen neuen Funktionsbereich, die Entwicklung neuer Fahigkeiten unterstiitzt werden.^^ Dies gilt insbesondere fiir die Entwicklung strategisch relevanter Fahigkeiten, so dass an arbeitsimmanenten Qualifizierungsprozessen ausgerichtete Placementaktivitaten insbesondere fur die Entwicklung von Fiihrungskraften von Bedeutung sind. Hierbei ergibt sich der Qualifizierungsaspekt freilich weniger aus einer entwicklungsorientierten Gestaltung der einzelnen Anforderungselemente einer Stelle als vielmehr aus deren Sequenz, d.h. aus der Verbindung von Arbeitssituationen und den damit verknupflen Anforderungen in zeitlicher Abfolge.^^ In Hinblick auf die Realisierung von unmittelbaren Lemerfahrungen erscheint daher eine Fokusverschiebung der Humanressourcen-Entwicklung hin zu einer starkeren Integration von Aspekten des Humanressourcen-Placements sinnvoll.^^ Es ist davon auszugehen, dass zukunftig angesichts der immer komplexer werdenden Anforderungen an die Entwicklung von Humanressourcen „(...) das Betreiben eines Placements von Mitarbeitem zum zentralen Baustein einer Entwicklung von Humanressourcen [wird, Y.F.]." (Kaiser 2001, S. 178) •

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Zusammenhang Placement/Akquisition: Auch zwischen der Akquisition und dem Placement lasst sich keine vollige Dichotomic feststellen. So ist fur die Akquisition von hochqualifizierten Humanressourcen das Aufzeigen attraktiver Entwicklungsperspektiven innerhalb des Untemehmens von Bedeutung.^* Damit ist die Gestaltung und Planung von betrieblichen Laufbahnoptionen angesprochen. Je besser ein Untemehmen am Arbeitsmarkt hinsichtlich dieser Entwicklungsmoglichkeiten aufgestellt ist, desto leich-

Vgl. Staehle (1994), S. 840, Stetter (1999), S. 4. Vgl. stellvertretend Broimer/Schroder (1983), S. 249ff., Thorn (1987), S. 67, Schmitz (1993), S. 61ff., Wachter (1993), S. 403ff., Buhner (1994), S. 141, Staehle (1994), S. 838, Wollsching-Strobel (1999), S. 37fr., sowie Sonntag/Stegmaier (2001), S. 283. Vgl. Hall (1984), S. 167. Vgl. Hungenberg (1990), S. 187 und S. 212ff., sowie Staudt/Kottmann (2003), S. 39. Vgl. Kaiser (2001), S. 9ff. sowie S. 144ff. Eine solche Integration von Aspekten der HumanressourcenEntwicklung und des Placements entspricht vom Grundgedanken her auch der Philosophic eines „lebenslangen Lemens", das wahrend der gesamten Phase des beruflichen Lebens stattfmden und gegeniiber „lichtblit2artigen" Weiterbildungsaktivitaten bevorzugt werden soil. Auch wenn dieser Gedankengang verstarkt in neueren Arbeiten aufgegrifFen wurde, ist er grundsatzlich nicht neu. So fmdet sich dieser bereits bei Isler (1974), der in seiner Dissertation den systematischen Arbeitsplatzwechsel vor dem Hintergrund der Ausbildung des Fiihrungsnachwuchses im Untemehmen analysiert und eine starkere Verzahnung von Humanressourcen-Entwicklung und Personaleinsatzplanung fordert. Dabei bezeichnet Isler die Einnahme einer neuen Stelle mit neuen Anforderungen als „primares Lemfeld" (on-the-job-training), dem es bei der Fuhrungskrafteentwicklung Bedeutung beizumessen gilt, wahrend er PersonalentwicklungsmaBnahmen auBerhalb des Arbeitsvollzuges als „sekundares Lemfeld" (off-the-job-training) versteht. Vgl. Isler (1974), S. 5ff., sowie zu vergleichbaren Ansatzen Katz (1955), S. 38ff., Frohlich (1984), S. 20f., und Conradi (1983), S. 73f. Vgl. stellvertretend Risch/Sommer (1996), S. 303f, sowie MaassenA^orbeck (2003), S. 18.

Einfuhrung



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ter wird es sein, Mitarbeiter fiir das Untemehmen gewinnen zu konnen.^'^ Ein Angebot von entsprechenden Laufbahnen, die den individuellen Karriereinteressen der Mitarbeiter Rechnung tragen, spielt daher fiir die Akquisition eine entscheidende Rolle und kann zu einer Erhohung des akquisitorischen Potenzials des Untemehmens am extemen Arbeitsmarkt fiihren/^ Zusammenhang Placement/Dispensation: Nicht zuletzt bestehen auch zwischen der Dispensation und dem Placement Interdependenzen. So kann das Risiko einer Dispensation, d.h. einer Personalfreisetzung, die aus der mangelnden Eignung der Humanressourcen zur adaquaten Stellenbesetzung resultiert, dadurch reduziert werden, dass Humanressourcen durch entsprechende Placementaktivitaten „breiter" und somit flexibler einsetzbar werden. Durch ein entsprechend gestaltetes Placement, wie beispielsweise durch den systematisch geplanten Wechsel der Mitarbeiter in verschiedene Funktionsbereiche, kann die innerbetriebliche Einsetzbarkeit der Humanressource erhoht und die Wahrscheinlichkeit einer Dispensation reduziert werden.

Auf Basis dieser exemplarisch dargestellten Interdependenzen zwischen dem Placement und den anderen Aufgabenfeldem wird deutlich, dass in vielfaltiger Form Uberschneidungen zwischen den einzelnen Aufgabenfeldem bestehen. Diese sind bei der Gestaltung von Placementaktivitaten zu beriicksichtigen.

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Deflzite in der Placementpraxis

Wie eingangs erwahnt, herrscht in der allgemeinen Managementpraxis iiber die Bedeutung von Humanressourcen als strategische Erfolgsfaktoren weitestgehend Einigkeit. Um so mehr mag es verwundem, dass in der Praxis iiber die Frage, wie jene strategischen Erfolgsfaktoren auf den Stellen des Untemehmens einzusetzen und im Stellengefiige des Untemehmens zu bewegen sind, noch weit verbreitet Unklarheit herrscht und praxisbezogene Ansatze zum systematischen Management des Placements kaum existieren. So werden Placemententscheidungen in der Praxis oftmals „aus dem Bauch heraus" (Hartmann 2002, S. 119) und ohne Ruckgriff auf rationale Entscheidungskriterien gefallt. Zu dieser Einschatzung gelangen auch Agrawal/Berryman/Richards (2003): „(...) most companies abandon the attempt to make rational choices and instead merely guess how best to assign employees to jobs." (Agrawal/Berryman/Richards 2003, S. 71, Hervorhebungen Y.F.)'*^

Vgl. Stetter (1999), S. 3. So weist Stetter darauf hin, dass betriebliche Karriere- und Entwicklungsmoglichkeiten den Untemehmen eine gewisse planbare Sicherheit bei der Befriedigung der stetigen Nachfrage an Humanressourcen sichem und damit fiir die Akquisition neuer Mitarbeiter von hoher Bedeutung sind. Vgl. Hollmiiller (2002), S. 78. Vgl. hierzu auch Cox (1986), S. 182, Wollsching-Strobel (1999), S. 169., sowie Wildenmann (2000), S. 28, die zu derselben Einschatzung gelangen.

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Einfuhning

Mit anderen Worten fehlt der Praxis ein grundlegender Wissensbestand dariiber, wie adaquate Stellenbesetzungen durchgefuhrt und Stellenabfolgen systematisch vor dem Hintergrund der Erzielung eines Fits gq)lant werden konnen, wodurch es im Zeitablauf zu gravierenden Fehlallokationen der personellen Ressourcen kommen kann/^ Dies lasst auf eine unzureichende Professionalisierung des Humanressourcen-Placements in der Praxis schlieBen. Dass auf dieser Basis ein Fit-orientierter Einsatz von Humanressourcen als Erfolgsfaktoren des Unternehmens nur schwer realisiert werden kann, wird dabei deutlich. Unter Professionalisierung wird in diesem Kontext die Ausfuhrung einer Tatigkeit, hier das Placement, mit einem hohen Grad an Wissen und Fahigkeiten verstanden/"' Von einer solchen Professionalisierung ist das Aufgabenfeld Placement in der Praxis jedoch noch weit entfemt/'* Erschwert wird ein professioneller Umgang mit Placementaktivitaten durch aktuell gultige Entwicklungen in der Praxis, die zentrale Herausforderungen fur das HumanressourcenPlacement darstellen. •

48 49

Verdnderung des Moglichkeitenraumsfiirdas Placement: Durch die Dynamik des wirtschaftlichen Umfelds sind Untemehmen gezwungen, ihre Organisationsstruktur kontinuierlich anzupassen, um im verscharften Wettbewerb erfolgreich bestehen zu konnen. Dabei hat die Dynamik des untemehmerischen Umfelds in den letzten Jahren sowohl qualitativ als auch quantitativ zugenommen.^^ Untemehmen reagieren auf Veranderungen des untemehmerischen Umfelds mit neuen Organisations- und Managementkonzepten wie Lean Management'*^, Business Reengineering^^ oder Total Quality Management.'** Dadurch kommt es zu weitreichenden Verandemngen der Organisationsstmktur, oftmals in Form des Abbaus von Hierarchic- und Fuhrungsebenen, oder zu Neustmkturiemngen von Stellen und ganzen Abteilungen.'*' Mit derartigen Verandemngen der OrVgl.Kossbiel(1992),Sp. 1655. Auf detaillierte Erlauteningen zum Begriff und Inhalt der ,J*rofessionalisierung" sowie auf Ansatze zur Professionalisierung des Humanressourcen-Placements wird in umfassender Form in Teil III der Arbeit eingegangen. Vor diesem Hintergrund wird fur die Besetzung von zentralen Stellenvakanzen oftmals auf exteme Personalberatungsuntemehmen, so genannte ,Jleadhunter", zuruckgegriffen. So werden in Deutschland laut dem Bundesverband Deutscher Untemehmensberater jahrlich mehr als 70.000 vakante Fiihrungs- und Spitzenpositionen durch exteme Personalberatungsgesellschaften besetzt. Vgl. Fulghum/Rickert (2004), S. 128. Da das Placement jedoch eine langerfristige, stelleniibergreifende Ausrichtung sowie weiterfuhrende Aktivitaten wie etwa die Gestaltung von intemen Stellenwechselprozessen umfasst, die weit iiber die Suche nach einem geeigneten Kandidaten fur eine fokale Stellenvakanz hinausgehen, kann der Riickgriff auf exteme Headhunter ein untemehmensintemes, professionalisiertes Management des Placements zwar erganzen, aber keinesfalls ersetzen und soil daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Die qualitative Zunahme wird auch als transformative Komponente der Dynamik bezeichnet und beschreibt die Verandemngsintensitat der Form des untemehmerischen Umfelds. Als Beispiel ist die Auslagemng ausgewahlter Untemehmensfunktionen zu nennen. Hingegen umfasst die quantitative Zunahme die akzelerative Komponente der dynamischen Grofie, so beispielsweise die Geschwindigkeit, mit der Untemehmensfunktionen ausgelagert werden. Vgl. zu diesen Zusammenhangen Perich (1993), S. 16ff. Vgl. stellvertretend Wildemann (1993), PfeifferAVeiB (1994), Bosenberg/Metzen (1995). Vgl. stellvertretend Hammer/Champy (1996), Liebmann (1997), Fiiser (2001). Vgl. stellvertretend Bartel-Lingg (1996), Zink (1998), Rothlauf (2001). Vgl. Meier (2004), S.34f.

Einfuhning

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ganisationsstruktur sind fur die Gestaltung eines Fit-orientierten Placements verschiedene Herausforderungen verbunden. So Ziehen die genannten Entwicklungen eine Anforderungsveranderung fur die Mitarbeiter nach sich, die es bei der Auswahl adaquater Mitarbeiter fur die Besetzung von Stellen zu beachten gilt.^^ Zudem kommt es auch zu einer Veranderung des so genannten „Moglichkeitenraums" des Placements.^^ Darunter ist das variable Stellengefuge der Organisation als organisatorischer Rahmen zur Realisierung innerbetrieblicher Laufbahnen zu verstehen. Die genannten Entwicklungen fuhren Untemehmen zu folgendem Dilemma: „Wahrend sie einerseits insbesondere vor dem Hintergrund einer sich verschlechtemden wirtschaftlichen Situation karriereorientierte Fuhrungskrafte dringend benotigen, um am hart umkampften Markt bestehen zu konnen, werden durch die Transformationen und vielfaltigen Umbauten in den Untemehmen andererseits die alten Karrierestrukturen ihrer Grundlage beraubt (...). Je mehr sie mit Hilfe von RationalisieningsmaBnahmen und Umstrukturierungskonzepten wie Lean Management oder Business Process Reengineering versuchen, im verscharften Wettbewerb erfolgreich zu bestehen, desto geringer werden die Chancen fur die klassische Karriere." (Stetter 1999, S. 6.)



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So sind tradierte Muster innerbetrieblicher Laufbahnen, wie beispielsweise die klassische Fiihrungslaufbahn mit einer ausgepragten Aufwartsorientierung, beim Wegfall von Hierarchieebenen nicht mehr in gleichem Umfang realisierbar.^ Neben diesen „sichtbaren" Veranderungen des Moglichkeitenraums wie dem Wegfall ganzer Hierarchieebenen schwinden zudem auch die „nicht sichtbaren" Moglichkeiten der Untemehmen, nicht mehr benotigte Mitarbeiter auf so genannten „Elefantenfnedh6fen", d.h. auf de facto nicht fur das Tagesgeschaft benotigte Stellen, zu parken. Die Ursachen hierfur konnen einerseits in einem steigenden Kostenbewusstsein der Untemehmen gesehen werden, das sich im Zusammenhang mit dem Shareholder-Value-Gedanken in den vergangenen Jahren herauskristallisiert hat. Andererseits wiirde freilich aber auch die Umsetzung einer Lean Management-Strategic durch die gleichzeitige Pflege der oben genannten „Elefantenfnedh6fe" wohl mehr als konterkariert werden.^^ Die Folge aus den genannten Entwicklungen ist, dass jenseits der klassischen Fiihmngslaufbahn altemative Laufbahnoptionen zur Realisiemng individueller Karriereplane konzipiert werden miissen. Diese miissen dazu geeignet sein, den Verandemngen des Moglichkeitenraums Rechnung zu tragen. Femer ist sicherzustellen, dass die altemativen Laufbahnoptionen aus Sicht der Mitarbeiter attraktive Entwicklungsmoglichkeiten jenseits des vertikalen Aufstiegs darstellen. Verdndertes Karrieredenken und -verstdndnis: Eine weitere Entwicklung, die einen professionellen Umgang mit Placementaktivitaten in der Praxis erschwert, ist in dem Vgl. Judge/Ferris (1992), S. 49. Zum Begriff des Moglichkeitenraums vgl. Mayrhofer (1996), S. 45. Vgl. Oxman/Smith (2004), S. 166. Vgl.Ringlstetter(1998),S. 3.

16

Einfuhrung

sich verandemden Karrieredenken und -verstandnis der Humanressourcen zu sehen, das zu einer zunehmenden Divergenz der individuellen Karriereverstandniskontexte fxihrt. Diese Entwicklung lasst sich auf den in Wissenschaft und Praxis viel diskutierten Wertewandel innerhalb der Gesellschaft zuriickfiihren. Nach Klages (1984) zeichnet sich dieser durch eine Verschiebung von so genannten „Pflicht- und Akzeptanzwerten" hin zu so genannten „Selbstentfaltungswerten"^^ aus.^^ Gemeinhin lasst sich dieser Wertewandel durch eine Verschiebung von materiellen Werten hin zu postmateriellen Werten charakterisieren.^^ Dadurch kommt es zu einer Veranderung der klassischen Deskriptoren einer Karriere.^* So haben im Zuge des Wertewandels materielle Werte wie beruflicher Aufstieg und Einkommen an Bedeutung verloren, wahrend postmaterielle Anspriiche wie sozialer Kontakt, interessante, abwechslungsreiche und verantwortungsvoUe Tatigkeit, Sinngehalt der Arbeit sowie mehr Selbstverantwortung bei der Planung von Karriereschritten wichtiger geworden sind.^' Dabei tragt der dargestellte Wertewandel fur personalpohtische Entscheidungen vor allem deswegen ein Problempotenzial in sich, da er zwar ex post iiber die durch ihn verursachten Werteverschiebungen bei den Mitarbeitem analysierbar, jedoch ex ante nur schwer in seinen einzelnen Auswirkungen prognostizierbar ist.^ So ist die neue Wertesituation gekennzeichnet durch „(.-.) individuellsehr unterschiedliche und instabile Wertemuster [...], deren jeweilige Verandenmgsrichtung nicht vorhersagbar ist." (Kick/Scherm 1993, S. 36) Vgl. Rosenstiel (1987), S. 42ff., Staffelbach (1995), S. 151f., Drumm (1996), S. 16, sowie Stetter (1999), S. 44f. Vgl. Klages (1984), S. 22ff., sowie Klages (1987), S. Iff. Unter Pflicht- und Akzeptanzwerten subsumiert Klages individuelle Werte wie Disziplin, Gehorsam, Pflichterfiillung, Treue, Unterordnung, FleiC, Selbstbeherrschung, Anpassimgsbereitschaft und Enthaltsamkeit. Dagegen versteht er unter Selbstentfaltungswerten Werte wie Emanzipation von Autoritaten, Gleichbehandlung, Demokratie und Autonomie des Einzelnen, Genuss, Abenteuer, Spannung, Abwechslung und Ausleben emotionaler Bediirfnisse, sowie femer auch Kreativitat, Spontanitat, Selbstverwirklichung, Ungebundenheit und Eigenstandigkeit. Es lasst sich auch argumentieren, dass der sich vollziehende Wertewandel iiberhaupt erst der Anlass dafur ist, dass individuelle Karriereverstandnisse der Humanressourcen bei der Gestaltung von Laufbahnen beriicksichtigt werden mussen. Denn solange Pflicht- und Akzeptanzwerte in Relation zu Selbstentfaltungswerten stark dominieren, konnen Untemehmen in starkerem AusmaC bestimmte Laufbahnen vorgeben. Mit dem Trend einer wachsenden Bedeutung von Selbstentfaltungswerten jedoch sinkt dann die Wahrscheinlichkeit, dass vorgegebene Laufbahnen von den Humanressourcen ohne entsprechende Widerstande akzeptiert werden. Vgl. hierzu insbesondere Inglehart (1977), Rosenstiel/Stengel (1987), S. 81, und Rosenstiel (2001), S. 25ff. Unter klassischen Karrieredeskriptoren sind beispielsweise Vermogen, Macht, Entscheidungsbefugnisse, Ansehen, Bekanntheit und Autonomie zu verstehen. Nach Stetter (1999) stellen solche Karrieredeskriptoren hiiu-eichende Interpretationsmuster fur die Planung von Karriereverlaufen im Untemehmen dar. Vgl. Stetter (1999), S. 5. Vgl. Drtimm (1989b), S. 3ff., Frohlich (1990), S. 31, Becker/Kurtz (1991), S. 36, Striimpel/Scholz-Ligma (1992), Sp. 2339, Lehnert (1996), S. 62ff., sowie Nerdinger (1997), S. 47f. Nerdinger weist darauf hin, dass sich Tendenzen des Wertewandels besonders charakteristisch bei jiingeren Humanressourcen mit Hochschulabschluss zeigen, deren Personlichkeit in Zeiten der Prosperitat gepragt wurde. Zu ausfuhrlicheren Uberlegungen zur Wertewandeldiskussion vgl. insbesondere auch Klages (1984), S. 99ff., Rosenstiel (1987), S. 35fr., Widmaier (1991), S. 21ff. In diesem Kontext sei auch auf Scheins Theorie des ,yalue Shifts" verwiesen, die vergleichbare Ergebnisse aufweist. Vgl. Schein (1978), S. 228ff. Vgl. Macharzina (1992), Sp. 1785.

Einfiihrung



(4)

17

Dies fuhrt schlieBlich zu weitgehend unstandardisierbaren, individuellen Karriereplanen der Humanressourcen, die hinsichtlich Richtung und AusmaB des Karrierestrebens verstarkt individuenspezifisch differenzierte Formen annehmen.^* Dadurch schlieBlich werden traditionelle und standardisierte Laufbahnen den individuellen Wiinschen und Orientierungen der Humanressourcen nicht mehr gerecht. Die Konsequenz aus den genannten Wertewandel- und Individualisierungstendenzen ist, dass Placementaktivitaten an ein verandertes Karrieredenken und somit an einen erhohten Individualisierungsbedarf angepasst werden miissen, wodurch es zu einer Komplexitatserhohung des Managements des Placements kommt. Verkurzung der betrieblichen Verweildauern: Eine dritte Herausforderung fur die Professionalisierung des Placements ist im Trend zur Verkurzung betrieblicher Verweildauern der Mitarbeiter zu sehen.^^ Dadurch verkiirzt sich der Planungshorizont, der fur eine Gestaltung von Laufbahnen innerhalb des Untemehmens zu Grunde gelegt werden kann. Dieser Trend kann durch Tendenzen zur Verkurzung der Gesamtarbeitszeit von Humanressourcen durch langere Ausbildungszeiten hervorgerufen werden. Dariiber hinaus tragt auch die Tendenz zum vorzeitigen Eintritt der Mitarbeiter in den Ruhestand zu einer weiteren Verkurzung betrieblicher Verweildauern bei.^^ Zudem kann sich diese auch durch eine weitere Zunahme der regionalen, branchenbezogenen oder funktionalen Mobilitat der Mitarbeiter weiter verkiirzen, da dadurch fur die individuelle Humanressource eine groBere Anzahl an potenziellen Arbeitgebem in Betracht kommt. Dadurch schlieBlich wird ein Untemehmenswechsel wahrscheinlicher. Risch/Sommer (1996) sprechen in diesem Kontext von einer „praktizierten Bindungslosigkeit"^ gegeniiber dem Arbeitgeber, die insbesondere bei hochqualifizierten Humanressourcen festgestellt werden kann.^^ Eine langfristige Planung der betrieblichen Verwendungsplanung von Humanressourcen wird durch diese genannten Tendenzen zunehmend erschwert.

Defizite in der Placementforschung

Nicht nur in der Placementpraxis, sondem auch in der wissenschaftlich-theoretischen Erforschung des Placements lassen sich wesentliche Defizite identifizieren. Dies gilt, obwohl den

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64 65

Vgl. Schanz (2000), S. 505. Vgl. Sattelberger (1996c), S. 85, Oertig/Stoll (1997), S. 9, Stetter (1999), S. 72, Steffens-DuchyTischer (2000), S. 550. So ist eine Tendenz zur Vorverlegung des Ruhestands eher auf das funfzigste als auf das sechzigste Lebensjahr zu beobachten. Vgl. Sattelberger (1999), S. 284. Vgl. Jlisch/Sommer (1996), S. 307. So betont Sattelberger (1999), dass hochqualifizierte Humanressourcen sich dorthin bewegen werden, wo sie geschatzt und gut behandelt werden. Dies setzt eine entsprechende Anpassung von Laufbahnen an die individuellen Karriereplane jener Humanressourcen voraus. Geschieht dies nicht, ist damit zu rechnen, dass die hochqualifizierten Mitarbeiter abwandem und dabei die Loyalitat zum Arbeitgeber eine untergeordnete Rolle spielt. Vgl. Sattelberger (1999), S. 70f., sowie Defillippi/Arthur (1996), S. 116f.

18

Einfuhrung

Untemehmen durchaus eine latente Wissensbasis^^ zum Placement von Humanressourcen zur Verfugimg steht, die aus einer Vielzahl an praxisnahen und wissenschaftlichen Beitragen gespeist wird. So lasst sich in der einschlagigen Literatur das Fehlen einer holistischen Betrachtungsweise des Placements von Humanressourcen konstatieren. Dies ist im Wesentlichen darauf zuriickzufuhren, dass bislang kein eigenstandiges Forschungsfeld Placement von Humanressourcen existiert. So blieb der Versuch, das Aufgabenfeld unter Einnahme einer holistischen Perspektive zu erfassen und zu analysieren, bislang aus. Vielmehr lasst sich ein Pluralismus an personalwirtschaftlichen und organisationspsychologischen Beitragen identifizieren, die sich jeweils auf bestimmte Einzelaspekte des Placements fokussieren und daher lediglich Partialansatze darstellen. Diese decken das Forschungsfeld Placement nur in ausgewahlten Spezialbereichen ab, so dass iibergeordnete Zusammenhange zwischen den einzelnen Placementaktivitaten weitgehend unberiicksichtigt bleiben. Vor diesem Hintergrund ist der bisherige Stand der Placementforschung als fragmentarisch einzustufen. Einen Uberblick hierzu bietet Abbildung E-4, in welcher die zentralen Handlungsfelder des Placements in ausgewahlten wissenschaftlichen Beitragen der deutschsprachigen sowie der angloamerikanischen Literatur dargestellt sind.

Zum Begriff der latenten Wissensbasis vgl. Pautzke (1989), S. 8 If sowie Kirsch (1997b), S. 105.

Einfiihrung

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Abb. E-4:

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Uberblick ausgewdhlter zentraler Veroffentlichungen zum Humanressourcen-Placement

Sowohl in der deutschsprachigen als auch in der angloamerikanischen Literatur setzen sich die gangigen „Standardwerke" des Humanressourcenmanagements mit den in Abbildung E-4 dargestellten zentralen Handlungsfeldem des Placements auseinander. Diese Auseinandersetzung erfolgt dabei querschnitts- und uberblicksartig, wobei die einzelnen Teilfunktionen als einzelne Bausteine dargestellt und dadurch ubergeordnete Zusammenhange des Placements weitgehend vemachlassigt werden. Zudem ist die Betrachtung der einzelnen Teilfunktionen in den Standardwerken oft sehr stark operativ an einzelnen Handlungsfeldem ausgerichtet, wodurch eine strategisch gepragte Gesamtsicht des Aufgabenfelds verloren geht. Die „Spezialliteratur" der deutschsprachigen und angloamerikanischen Forschung lasst sich in zwei wesentliche Kategorien mit entsprechenden Schwerpunktsetzungen einteilen. • Die iiberwiegende Mehrheit der Publikationen setzt sich fokal mit der Analyse individueller Arbeitnehmerkarrieren^^, betrieblicher Laufbahnen^* und Karrieresysteme^^ aus-

67 68 69

Vgl. Hall (1976), Schein (1978), Brown/Brooks (1984) und Lehnert (1996). Vgl. Schein (1978), Hungenberg (1990), Domsch/Siemers (1994), Lehnert (1996), Stetter (1999). Vgl. Schein (1978), Leibowitz (1986), Hungenberg (1990), Clark (1992).

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Einfuhrung

einander. Dieser Kategorie sind auch jene Beitrage organisationspsychologischer Provenienz zuzurechen, die sich mit der Ubereinstimmung von Individuum und sozialem Arbeitsumfeld und deren Implikationen fiir personalwirtschaftliche Themen befassen. •

Die andere Gruppe der Publikationen hingegen analysiert fokal einzelne Problemaspekte des Placements, die sich aus den Bewegungsprozessen der Humanressourcen im organisatorischen Stellengefiige ergeben. Hierzu zahlt beispielsweise der stellenspezifische Fahigkeits- und Wissensverlust nach einem Stellenwechsel/* Die in der vorliegenden Arbeit angestrebte konzeptionelle, holistisch-iibergreifende Untersuchung des Managements des Placements soil jedoch nicht nur auf die Diskussion und Zusammenfuhrung der existierenden Partialansatze beschrankt werden. So geht es folglich nicht um das moglichst vollstandige oder gar das eklektizistische Aufzahlen relevanter wissenschaftlicher und praxisnaher Beitrage. Vielmehr gilt es, die bisherigen Erkenntnisse der verschiedenen Einzelbeitrage aus den interdisziplinaren Wissenschaftstraditionen sinnvoll in einem ganzheitlichen Ansatz zusammenzufiihren und diesen fur neue Ideen und Beitrage zu offtien. Zudem bedarf es im Zuge einer holistischen Problemsicht auch Interdependenzen und Schnittstellen des Placements zu den anderen Aufgabenfeldem des Humanressourcenmanagements zu beriicksichtigen und in die Arbeit einfliefien zu lassen. Auch wenn man die Erkenntnisse der verschiedenen Forschungsansatze in einer holistischen Betrachtungsweise zusammenfugt, lassen sich dariiber hinaus noch wesentliche „blinde Flecken" in den jeweiligen wissenschaftlichen Beitragen identifizieren, die es in der vorliegenden Arbeit ebenfalls zu erhellen gilt. •

Fehlende integrative Betrachtung von Gestaltungs- und Steuerungsaktivitdten des Placements: Ein erster zentraler „blinder Fleck" lasst sich in Hinblick auf die bisher weitgehend fehlende Integration der Analyse von verschiedenen Aspekten der Gestaltung und Steuerung von Placementaktivitaten identifizieren. Da jedoch zwischen Gestaltung und Steuerung des Placements wesentliche Wechselwirkungen bestehen, erscheint eine dichotome Problemperspektive nicht sinnvoll. Daher wird in der vorliegenden Arbeit eine Integration der Analyse der Gestaltungs- und Steuerungsdimension des Placements angestrebt und eine ganzheitliche Managementbetrachtung eingenommen.



Konzeptionelle Ambiguitdt des Fit-Konstrukts: Ein weiterer blinder Fleck, den es zu erhellen gilt, ist in der mangelnden systematischen Ausrichtung der Analyse des Aufgabenfelds an der Erzielung eines Fits zu sehen. Dies mag insofem verwundem, da aus der in der Literatur gangigen Zielsetzung des Placements, Stellen mit adaquaten Mitarbeitem zu besetzen, eine ausgepragte Fit-Orientierung des Aufgabenfelds klar hervorgeht. Diese Forschungsliicke lasst sich im Wesentlichen auf eine bislang vorhandene

^^ ^^

Vgl. Schneider etal. (1997). Vgl. Riistmann (1999), und Kaiser (2001).

Einfiihrung

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„konzeptionelle Ambiguitat"^^ des Fit-Konstrukts im Kontext des HumanressourcenPlacements zuriickfiihren. So stellen Judge/Ferris (1992) fest, dass in der Praxis einer Fit-Erzielung zwischen Stelleninhaber und Stelle zwar eine hohe Bedeutung beigemessen wird und uber die Fit-Erzielung als Grundpostulat fiir das Placement verbreitet Einigkeit herrscht. Jedoch ist bislang weitestgehend unerforscht, was im Einzelnen unter dem Konstrukt „Fit" in diesem Problemkontext zu verstehen und zu subsumieren ist. „Whereas there appears to be little doubt that fit is used frequently in making HR staffing decisions, our current level of understanding of the fit construct is based more on anecdotal evidence than on systematic research.''' (Judge/Ferris 1992, S. 50, Her73





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vorhebungen Y.F.) So wird in der Literatur die Aufgabe des Placements meist recht unscharf mit „den richtigen Mitarbeiter auf der richtigen Stelle einsetzen" umschrieben.'^'* Was sich jedoch konkret hinter dem komplexen Fit-Konstrukt zwischen Stelle und Stelleninhaber verbirgt, d.h. welche einzelnen Dimensionen das Konstrukt umfasst, und wie aufbauend auf diesen Uberlegungen ein solcher durch ein systematisches Management der Placementaktivitaten erzielt werden kann, stellt ein bislang unerforschtes Analysefeld dar. Mangelnde Fit-Orientierung beim Management des Placements: Mit der konzeptionellen Ambiguitat des Fit-Konstrukts zusammenhangend blieb femer in der bisherigen wissenschaftlichen Betrachtung eine systematische Analyse, welche konkreten StellgroBen dem Humanressourcen-Placement bei der Gestaltung der einzelnen Placementaktivitaten zur Realisierung eines Fits zur Verfugung stehen und wie jene vor diesem Hintergrund systematisch anzuwenden sind, bislang aus. Gleiches lasst sich auch in Bezug auf die Analyse der Steuerung des Placements konstatieren. So stellt die Analyse und Diskussion verschiedener Steuerungsoptionen der Placementaktivitaten sowie die damit verbundenen organisatorischen Implikationen vor dem Hintergrund einer FitOrientierung ein weitgehend unerforschtes Feld dar. Fokussierung der bisherigen Placementforschung auf bestimmte Mitarbeitergruppen: SchlieBlich lasst sich eine starke Konzentration der bisherigen Placementforschung auf Fiihrungs- und Spitzenkrafte (High Potentials) konstatieren, die den erhofften und entscheidenden Beitrag zum Untemehmenserfolg leisten sollen. Die Betrachtung des Placements in Bezug auf die grofie Masse der Belegschaft hingegen, die nicht nur einen groBen Teil der anfallenden Arbeit leistet, sondem auch ein erhebliches Potenzial an Chancen und Gefahren (z.B. durch einen betrachtlichen Anteil an stagnierenden, inner-

Vgl. Judge/Ferris (1992), S. 52. Vgl. ebenso Agrawal/Berryman/Richards (2003), S. 72. Vgl. stellvertretend Honig (1993). Vgl. Rynes/Gerhart (1990), die von einer fehlenden prazisen Darstellung und einer „schweren Fassbarkeit" des Fit-Konstrukts bei der Auswahl von Mitarbeitem fur Stellenbesetzungen sprechen: ,Although both strategic management and practicing recruiters endorse selecting applicants on the basis of „fit", precise delineation of fit in a selection context remains elusive." (Rynes/Gerhart 1990, S. 13).

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Einfiihrung

lich gekiindigten Mitarbeitem) darstellt, wird bislang stark vemachlassigt.^^ In vorliegender Arbeit soil daher bewusst eine umfassendere Perspektive der Belegschaft eines Untemehmens eingenommen werden, wobei die Besonderheiten eines Placements von hochqualifizierten Nachwuchs- und Fiihrungskraften hervorgehoben werden.

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Zielsetzungen, Skizze eines Analyse-Bezugsrahmens sowie Aufbau der Arbeit

Fiir eine holistische Analyse des Aufgabenfelds sowie zur SchlieBung der genannten „blinden Flecken" in der theoretischen Erforschung des Placements wird ein geeigneter konzeptioneller Bezugsrahmen entwickelt, der eine Zusammenfiihrung bisheriger Forschungsansatze aus den unterschiedlichen Wissenschaftstraditionen zulasst und sich fur eine iibergreifende Analyse des Aufgabenfelds eignet. Der zu entwickelnde Bezugsrahmen soil femer dazu geeignet sein, eine „Ubersetzungsleistung" zwischen der theoriegeleiteten Forschung und praxisnahen Problemen des Placements von Humanressourcen zu ermoglichen. Ein weiteres Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, das Defizit einer mangelnden Professionalisierung in der Placementpraxis zu schlieBen, indem versucht wird, theoretische Aussagen - auch interdisziplinarer Art - zu erfassen, instrumental, respektive praxeologisch zu interpretieren sowie umzuformen. Dies wird in Form der Entwicklung eines grundlegenden Rahmenkonzepts fur die Professionalisierung des Humanressourcen-Placements erfolgen^^ So soil schliefilich ein Beitrag zu einer anwendungsbezogenen Interpretation der Theorie fur die Losung praktischer Probleme im Placement sowie zu einer starkeren Professionalisierung des Aufgabenfelds geleistet werden. Vor dem Hintergrund der genannten Zielsetzungen gestaltet sich das weitere Vorgehen wie folgt: Zunachst ist das theoretische Fundament einer Fit-Orientierung fur das HumanressourcenPlacement zu entwickeln und das komplexe Phanomen des Fits im Kontext des Placements naher zu analysieren (Teil I). Darauf aufbauend wird - ausgehend von einer umfassenden Gesamtsicht des Aufgabenfelds - die Gestaltungsdimension des Placements betrachtet (Teil II). Daran schlieBt sich die integrative Analyse der Steuerungsdimension des Placements an, die auf zentrale Erkenntnisse der Betrachtung der Gestaltungsdimension aufbaut (Teil III). Die Arbeit schlieBt mit einer Schlussbetrachtung, in der die zentralen Untersuchungsergebnisse der Arbeit nochmals in abschliefiender und pragnanter Form zusammengefasst werden sowie ausblickartig auf weitere interessante Forschungsansatze und -moglichkeiten zur weiteren Erforschimg des Placements verwiesen wird. Beginnend mit dem folgenden Teil I gilt es, zunachst auf den Stand der wissenschaftlichen Fit-Forschung in den relevanten Wissenschaftsdisziplinen einzugehen. Ziel dabei ist, das FitKonstrukt in differenzierter Form zu analysieren, theoretisch zu fundieren, um es schlieBlich Zur Notwendigkeit des Einbezugs der Gesamtbelegschaft in die langfristige Placementplaung vgl. Johnson/Fritzsche/Bertrand (2005), S. 19.

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EinfUhrung

als „Gnindpfeiler des Humanressourcen-Placements" legitimieren und nutzen zu konnen. Durch die Darstellungen in Teil I soil es gelingen, die theoretischen Grundlagen zum FitKonstrukt fiir die weiteren Uberlegungen zum Fit-orientierten Management des Placements, d.h. zur Gestaltimg (Teil II) und zur Steuerung des Placements (Teil III), zu schaffen und das Fit-Konstrukt als „roten Faden" fur die weitere Argumentation der vorliegenden Arbeit heranziehen zu konnen. Vor dem Hintergrund gestaltet sich der Bezugsrahmen fur die vorliegende Arbeit wie folgt: Teil I: Erzielung eines Fits als Grundpfeiler des HR-PIacements

Schlussbetrachtung Abb. E-5:

Bezugsrahmen zur Analyse des Managements eines Humanressourcen-Placements aus einer Fit-orientierten Perspektive

Entsprechend dieses Bezugsrahmens wird sich der weitere Gang der Argumentation gliedem und schlieBlich in seiner Gesamtsicht einen umfassenden Analyserahmen fur das Placement von Humanressourcen konstituieren.

Vgl. die entsprechenden AusfUhnmgen in Teil III.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

TEIL I:

FIT-ORIENTIERUNG ALS GRUNDPFEILER DES HUMANRESSOURCENPLACEMENTS

Das Ziel des Placements besteht darin, iiber einen Fit-orientierten Zuordnungsprozess („Matching") die Stellen des Untemehmens mit adaquaten Mitarbeitem zu besetzen. Fur einen derartigen Zuordnungsprozess ist ein grundlegender Wissensbestand dariiber erforderlich, was sich hinter dem komplexen Konstrukt „Fit" zwischen Stelle und Stelleninhaber verbirgt. Einen solchen grundlegenden, theoretisch fundierten und aus den relevanten Wissenschaftstraditionen gespeisten Wissensbestand zu schaffen sowie darauf aufbauend ein transparentes Analyse-Modell fur das Placement zu entwickeln, ist Ziel des vorliegenden Teil I der Arbeit. Wird zunachst nach einer allgemeinen Fit-Definition gesucht, kann in einem ersten Zugang auf die grundlegenden Ausfuhrungen von Kirsch (1991) sowie von Wolfrum (1993) zum FitBegriff zuriickgegriffen werden. Demnach wird unter dem Ausdruck Fit ganz allgemein eine „passende" Beziehung zwischen zwei oder mehreren organisatorischen Variablen und Variablen des untemehmerischen Umfelds verstanden/* Eine solche „passende" Beziehung zwischen diesen Variablen fuhrt dann dazu, dass die Entwicklung des Untemehmens eine praferierte Richtung einnimmt/^ Nach Kirsch (1991) kann dabei eine solche „Passung" der organisationalen Variablen zu den Variablen des untemehmerischen Umfelds allerdings nicht im Sinne einer im Zeitablauf konstanten GesetzmaBigkeit angesehen werden.*® Vielmehr hangt nach Kirsch (1991) die Bewertung einer bestimmten Konstellation als Fit, respektive als Missfit, stets von der „Passung" der betrachteten Variablen ab, die einer gmndsatzlichen Dynamik und somit Veranderlichkeit im Zeitablauf ausgesetzt sind.*^ Daraus lasst sich ableiten, dass eine Fit-Betrachtung im Sinne einer „passenden" Beziehung zwischen zwei oder mehreren Variablen stets in periodischen Zeitabstanden zu erfolgen hat, um eine Beriicksichtigung 78 79

Vgl. Kirsch (1991), S. 441ff. sowie Wolfrum (1993), S. 189ff. Praziser betrachtet differenziert Kirsch die veranderlichen Variablen in Daten, Theorien und Werte einer fokalen Organisation. Unter Daten versteht Kirsch empirische Fakten iiber die jeweils beobachtbare Welt, unter Theorien Annahmen iiber die zu erwartende Welt sowie unter Werten Annahmen iiber die praferierte Weh, die als „gesollte" Welt als ZielgroCe der Organisation zu betrachten ist. Vgl. hierzu Kirsch (1981), S. 207. In Anlehnung an Galtung (1978) bezeichnet Kirsch (1991), S. 442, das Zusammenspiel von Daten, Theorien und Werten als „trilaterales Argumentationsschema". Aufbauend auf den Uberlegungen Kirschs mit den zu Grunde liegenden Termini lasst sich ein Fit im Kontext eines trilateralen Argumentationsschemas folgendermaBen charakterisieren: Aufgrund einer bestimmten Theorie A (beispielsweise der Theorie, dass eine hohe Serviceorientierung der Mitarbeiter zum erfolgreichen Bestehen im Wettbewerb immer wichtiger wird) ist es moglich, dass bei gleichzeitiger Beobachtung der Variablen X und y als Merkmale des Untemehmens (beispielsweise die Fahigkeiten eines Mitarbeiters) und z als Merkmal des Umfeldes (beispielsweise die sich aus dem untemehmerischen Umfeld ableitenden Anforderungen an den Mitarbeiter) die Entwicklung des Untemehmens die aufgmnd der Werte praferierte Richtung (beispielsweise das Gewinnen von Marktanteilen) nimmt. Zwischen den Variablen x, y und z lasst sich dann ein Fit konstatieren. Wiirde hingegen ceteris paribus die Entwicklung des Untemehmens nicht die praferierte Richtung einnehmen, lage ein Missfit zwischen x, y und z vor. Vgl. analog Wolfmm (1993), S. 189f. Diese Auffassung eines Fits wird in die weiteren Uberiegungen zur Entwicklung eines Fit-Modells fur das Placement einflieBen. Vgl. Wolfmm (1993), S. 189.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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der Dynamik der relevanten Variablen und der darauf basierenden nicht-dauerhaften Natur eines Fits Rechnung zu tragen. Betrachtet man die einschlagigen Beitrage in der personalwirtschaftlichen Literatur betriebswirtschaftlicher Provenienz, so fallt auf, dass die Herstellung eines Fits^^ zwischen Stelle und Stelleninhaber vor allem im Rahmen von MaBnahmen und Instrumenten der Personalund Organisationsentwicklung thematisiert wird.*^ Fiir den Fit-Begriff werden dabei in der gangigen Literatur Synonyme wie „Passung", „Ubereinstimmung", „Stinimigkeit", oder schlicht und einfach das „Zusammenpassen" von Stelle und Stelleninhaber verwendet.*"* Die in den Beitragen diskutierten MaBnahmen zielen dabei mehrheitlich darauf ab, das Leistungsprofil einer Humanressource dem Anforderungsprofil der vorgesehenen Stelle anzupassen. So geht Lehnert (1996) von folgender Definition eines Fits zwischen Stelle und Stelleninhaber aus: „Eine Position ist adaquat besetzt, wenn Deckung zwischen ihren Anfordenmgen und den Qualifikationen des Kandidaten besteht." (Lehnert 1996, S. 140) Es steht folglich der Allokationsaspekt im Vordergrund, bei dem das Ziel verfolgt wird, Mitarbeiter im Sinne einer effektiven und effizienten Ressourcennutzung auf den Stellen des Untemehmens einzusetzen.*^ Durch einen entsprechenden Einsatz der Humanressourcen soil gewahrleistet werden, dass die jeweiligen Aufgaben und Anfordenmgen erfiillt werden so wie das Leistungspotenzial der Humanressourcen moglichst ausgenutzt wird.*^ Die Beriicksichtigung individueller Bediirfhisse der Humanressourcen flieBen dabei quasi als „Nebenbedingung" in die Uberlegungen mit ein. In der Literatur organisationspsychologischer Provenienz hingegen fmdet die Betrachtung des Fits vor allem im Kontext einer Harmonisierung zwischen Stelleninhaber und der sozialkulturellen Arbeitsumwelt statt, in die eine fokale Stelle eingebettet ist.*^ Es findet folglich im Gegensatz zu betriebswirtschaftlichen Beitragen eine Fokusverschiebung zu „weicheren" Faktoren einer Ubereinstimmung statt, wobei auch die organisationspsychologischen Fitsi 82

83 84 85 86

Vgl.Kirsch(1991),S.441f. Das ,J^it"-Konzept wird freilich nicht nur im Humanressourcenmanagement, sondem auch in anderen betriebswirtschaftlichen Kontexten angewendet. Vgl. hierzu stellvertretend Wunderer (1994), S. 238f, Knyphausen-Aufsess (1995), S. 304f. und S. 361, sowie Ridder (2001), S. 103. Vgl. Seeker (1972), S. 62, Thorn (1987), S. 19ff. und Uhich/Fluri (1992), S. 197. Zu den einzelnen Begriffsverwendungen vgl. Lehnert (1996), S. 65, Berthel (1997), S. 196, Rosenstiel/Lang-v. Wins/Sigl (1997), S. 9, Kaiser (2001), S. 47, Schuler (2001b), S. 44. Vgl. Ringlstetter/Kniehl (1995), S. 152, sowie Gmur/Klimecki/Litz (2003), S. 186f. Vgl. in diesem Kontext die Definition der Personaleinsatzplanung (PEP) nach Mag (1998), bei der die moglichst optimale Allokation von Mitarbeitem auf die Stellen des Untemehmens im Vordergrund steht. , J)ie PEP ist die gedankliche Vorwegnahme von Zuordnungen des vorhandenen Personals bestimmter quantitativer und qualitativer Kapazitat auf bestimmte Tatigkeitsbereiche (Teilaufgaben, Stellen) mit der MaBgabe, daB die Zuordnungen moglichst optimal, d.h. zielentsprechend, sind." (Mag 1998, S. 99). Einem Anforderungsprofil wird ein Fahigkeitenprofil der Humanressourcen gegeniibergestellt, so dass sich ein Eignungsprofil erstellen lasst, auf dessen Basis die Personaleinsatzplanung erstellt wird. Vgl. hierzu auch Gmiir/Klimecki/Litz (2003), S. 186f Vgl. Weinert (1992), S. 450.

26

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Ansatze die Bedeutung eines fachlichen Fits freilich nicht negieren.** Im Rahmen der organisationspsychologischen Forschung konnte sich mit der so genannten „Person-OrganizationFit-Forschung" (F-O-Fit-Forschung)*^ ein eigenstandiger Forschungszweig etablieren. Dieser analysiert die Bedeutung eines weichen Fits zwischen den individuellen Werten, Einstellungen und Bediirfhissen der Mitarbeiter und der vorherrschenden Untemehmenskultur.^^ Im Rahmen dieser Forschungsrichtung wird dabei die Forderung nach einer „Kongruenz zwischen Person und Arbeitsumweh" (Weinert 1992, S. 450) vertreten. Dieser Forderung hegt die Annahme zu Grunde, dass jene Mitarbeiter beruflich am zufriedensten, produktivsten und stabilsten sind, die in einer Arbeitsumweh eingesetzt werden, die sich mit ihren Bediirfhissen, Werten und Einstellungen deckt.'* Vor dem Hintergrund dieser Voriiberlegungen gestaket sich das weitere Vorgehen in Teil I der Arbeit wie folgt: Zunachst soil eine theoretische Annaherung an das Definiendum „Fit" erreicht werden. Fiir diesen Zweck erscheint es in einem ersten Schritt sinnvoll, die Erkenntnisse der unterschiedlichen Fit-Ansatze aus der betriebswirtschaftlichen und der organisationspsychologischen Forschung in einem einheitlichen Fit-Ansatz zu integrieren und die Mehrdimensionalitat des FitKonstrukts aufzuzeigen. Dabei wird darauf verzichtet, in gesonderter Form auf Ansatze der organisationspsychologischen Fit-Forschung einzugehen. Vielmehr fliefien diese erganzend in die argumentativen Uberlegungen mit ein und werden so heuristisch auf den betriebswirtschaftlichen Untersuchungskontext iibertragen. Auf dieser Basis wird ein Fit-Modell fur das Placement entwickelt, das aus Erkenntnissen der verschiedenen Wissenschaftstraditionen gespeist wird. Anhand dieses Modells wird in transparenter Form aufgezeigt, welche einzelnen Dimensionen sich hinter der Forderung, „den richtigen Mitarbeiter auf der richtigen Stelle einsetzen", verbirgt. (Kapitel I.l). Entlang des Aufbaus dieses Modells werden die einzelnen Dimensionen in einem anschliefienden zweiten Schritt in ihren konkreten Implikationen fur das Placement naher beleuchtet. In diesem Zusammenhang wird erortert, wie informatorische Grundlagen iiber die einzelnen Dimensionen und ihre Bestandteile generiert werden konnen, die fur Placemententscheidungen relevant sind (Kapitel 1.2).

89

90 91

Vgl. stellvertretendBowen/Ledford/Nathan (1991), S. 35, sowieKristof (1996), S. 4. Die Person-Organization-Fit-Forschung (P-0-Fit-Forschung) stellt einen Forschungszweig der iibergeordneten Person-Environment-Psychology-Forschungsrichtung (P-E-P-Forschung) dar. Die P-E-PForschung geht in ihren fundamentalen Aussagen auf Ausfuhrungen von Lewin (1935) zuriick, der menschliches Verhalten als eine gemeinsame Funktion aus personlichen Attributen und Attributen der Umwelt versteht. Vgl. hierzu Lewin (1935). Ein spezifischer Forschungszweig der P-0-Fit-Forschung stellt die so genannte Person-Job-Fit-Forschung dar, die eine Harmonisierung zwischen individueller Person und einer bestimmten Arbeitsaufgabe untersucht. Vgl. hierzu stellvertretend Dortch (1989), S. 49ff., Edwards (1991), S. 283ff, sowie Weinert (1992), S. 450ff. Vgl. stellvertretend O'Reilly/Chatman/Caldwell (1991), S.487ff. Die Theorie zur Person-Arbeitsumwelt-Kongruenz geht innerhalb der organisationspsychologischen Forschung mafigeblich auf die Berufswahltheorie von Holland (1966) zuriick, die heutzutage als empirisch gesichert angesehen wird. Zu weiteren vertiefenden Erlauterungen vgl. hierzu auch Holland (1973), Weinert (1992), S. 450ff., Bowen/Ledford/Nathan (1991), S. 45ff., Chatman (1991), S. 459ff., Schneider et al. (1997), S. 397ff., Moser/Schmook (2001), S. 221ff.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

1.1

27

Entwicklung eines mehrdimensionalen Fit-Modells fiir das Humanressourcen-Placement

Der Entwicklung eines Fit-Modells fur das Placement liegt das Ziel zu Grunde, in transparenter Form die Dimensionen aufzuzeigen, die fur ein Fit-orientiertes Matching zwischen Stelle und Stelleninhaber von Bedeutung sind. Ubertragen auf das Fit-Verstandnis von Kirsch (1981 und 1991) und Wolfrum (1993) bedeutet dies, die Variablen zu identifizieren, die ineinandergreifen miissen, um einen Fit zwischen Organisation und ihrem Umfeld herzustellen. Das in der personalwirtschaftlichen Literatur gangige Fit-Konzept, das auf einen Abgleich von Fahigkeits- und Anforderungsprofil von Stelle und Stelleninhaber ausgerichtet ist, greift allerdings zu kurz, um einen adaquaten Matching-Prozess vomehmen zu konnen. Denn eine solche Sichtweise wurde das komplexe Fit-Konstrukt auf eine eindimensionale Problembetrachtung reduzieren, das dem komplexen Untersuchungsgegenstand nicht gerecht wird. Die Forderung nach einer Erweiterung des in der personalwirtschaftlichen Literatur gangigen FitKonzepts und eine darauf basierende Entwicklung eines neuen mehrdimensionalen FitModells fur das Placement lasst sich anhand drei zentraler Punkte begriinden. •

Berucksichtigung einer Leistungsbereitschaftskomponente: Humanressourcen sind nicht „Eigentum" des Untemehmens. Coff (1997) geht darauf in seinem Verstandnis von Humanressourcen explizit ein, indem er letztere als „human capital under limited organizational control" (Coff 1997, S. 375) bezeichnet. Dadurch schafft er ein wesentliches Differenzierungskriterium zwischen Human- und anderen Arten von Untemehmensressourcen. Vor diesem Hintergrund sind in einem Fit-Konzept typische menschliche Momente zu beriicksichtigen, die unter dem Schlagwort „Eigensinn" subsumiert werden konnen.'^ Demnach sind Humanressourcen in ihrem Handeln durch Eigeninteressen getrieben. Das fuhrt dazu, dass sie ihre Fahigkeiten nicht unbedingt im Interesse des Untemehmens einsetzen. So kann eine Humanressource auf Basis ihres Fahigkeitenprofils zwar durchaus geeignet sein, die Anforderungen einer fokalen Stelle zu erfuUen. Jedoch wird die Leistungsfahigkeit (skill) einer Humanressource ohne eine entsprechend ausgepragte Leistungsbereitschaft (will) nicht in einer den Fahigkeiten entsprechenden Arbeitsleistung resultieren.'^ Denn Leistungsfahigkeit und -bereitschaft stellen keine independenten Leistungsdeterminanten dar, die aus einer dichotomen Analyseperspektive zu betrachten sind. So gilt es, zusatzlich zur bisher gangigen fachlichen Fit-Betrachtung eine Dimension einzufuhren, die eine „Leistungsbereitschaftskomponente" beriicksichtigt, indem arbeitsbezogene Interessen und Bedurfhisse der Humanressource mit den jeweiligen stellenbezogenen Aufgaben und Inhalten abgeglichen werden.

'^

Zur Eigensinnproblematik vgl. Kirsch (1997b), S. 155, Ringlstetter (1997), S. 9ff Vgl. hierzu die entsprechenden Erlauterungen in der Einfiihrung zur multiplikativen Verkniipfung der beiden Leistungsdeterminanten Skill und Will sowie die Ausfuhningen Engelhards (1992), Sp. 1257f

28

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements



Beriicksichtigung der sozial-kulturellen Arbeitsumgebung: Des Weiteren ist davon auszugehen, dass der Stelleninhaber nicht vollig isoliert von seiner sozial-kulturellen Arbeitsumgebung tatig sein wird. Vielmehr leiten sich zusatzlich zu den fachlichen Erfordemissen auch soziale Anforderungen aus der untemehmensintemen und -extemen sozialen Arbeitsumgebung ab.'^'* Aus diesem Grund ist die Einfuhrung einer FitDimension unerlasslich, die soziale Ubereinstimmungsaspekte des Stelleninhabers mit seinem Arbeitsumfeld beriicksichtigt.^^ Diese soziale Fit-Dimension ist dabei insbesondere bei jenen Stellen von Bedeutung, bei denen der Stelleninhaber verstarkt mit internen Organisationsmitgliedem oder extemen Bezugsgruppen interagieren muss, um seine Aufgaben effektiv erfullen zu konnen.



Beriicksichtigung eines stelleniibergreifenden Matchings: Femer nimmt eine Humanressource im Laufe ihrer betrieblichen Beschaftigung in der Kegel mehr als eine Stelle ein. Daher ist bei der Konzipierung eines Fit-Modells auch eine Dimension einzufuhren, die ein stelleniibergreifendes Matching zwischen den individuellen Karriereplanen der Humanressourcen und den angebotenen betrieblichen Laufbahnoptionen beriicksichtigt. Eine solche Dimension ist fur die Sicherstellung der Eignung sowie der Bereitschaft der Humanressourcen zum Beschreiten eines bestimmten Laufbahntyps erforderlich.

Werden die Ergebnisse der vorangegangenen Uberlegungen zusammengefasst, so wird deutlich, dass es ein Fit-Modell zu entwickeln gilt, das mehrdimensionaler Natur ist und neben einer stellenbezogenen auch die Analyse eines stelleniibergreifenden Fits zwischen Stelle und Stelleninhaber ermoglicht. In einem ersten Schritt bietet es sich an, zunachst die allgemeinen Grundziige des zu entwickelnden Fit-Modells zu erortem, das auf der personalwirtschaftlichen Metapher von „Schlussel und Schloss" aufbaut (1.1.1). Um die Aussagen des Modells differenzierter darstellen zu konnen, erscheint es dariiber hinaus lohnend, sich der Frage zuzuwenden, „wie viel" Fit zwischen Stelle und Stelleninhaber realisierbar und erforderlich ist und welche untemehmensspezifischen Faktoren die Beantwortung dieser Frage maBgeblich bestimmen (1.1.2).

Letztgenannte exteme soziale Arbeitsumgebung wiirde in der Fit-Definition nach Kirsch (1991) durch die Variable z des untemehmerischen Umfelds widergespiegelt werden, vgl. in diesem Kontext Fufinote 79. So weisen Vertreter der Person-Organization-Fit-Forschung darauf hin, dass ein sozialer Fit zwischen Individuum und Organisation bei personalpolitischen Entscheidungen in jedem Fall zu beriicksichtigen ist, um die Akzeptanz des Individuums durch die anderen Organisationsmitglieder und die soziale Eingliederung sowie die Einsetzbarkeit des Individuums innerhalb des Untemehmens zu gewahrleisten. Vgl. Bowen/Ledford/Nathan (1991), S. 38, Chatman (1991), S. 459ff., Judge/Ferris (1992), S. 53ff., OstrofFRothausen (1997), S. 173, Schneider et al. (1997), S. 396ff.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

I.l.l

29

Die Metapher von „Schlussel und Schloss" als Grundlage eines mehrdimensionalen Fit-Modells fiir das Placement

Um sich einem Fit-Modell fiir das Placement in einem ersten Zugang zu nahem, kann auf die in der personalwirtschaftlichen Literatur oftmals verwendete Metapher von „Schlussel und Schloss" zuriickgegriffen werden.^^ Eine solche Metapher wird im Allgemeinen herangezogen, um einen Stimmigkeitsgedanken zu verdeutlichen.^^ Der „SchlusseI" (Stelleninhaber) muss von seinem Profil her geeignet sein, in das vorgesehene „Schloss" (Stelle) zu passen. Aufbauend auf diesem Stimmigkeitsgedanken lasst sich aus der Schlussel-Schloss-Metapher auch ein Potenzialgedanke ableiten. Denn basierend auf dem Stimmigkeitsgedanken konstituiert das „Schlusselprofir' einer Humanressource nur dann ein Erfolgspotenzial, wenn sich mit dem Schliissel die zugeordneten „Schlosser" (Stellen) auch offnen lassen.'* Greift man auf diese Metapher zuriick, so lasst sich ein Fit-Modell fiir das Placement wie in Abbildung I-l entwickeln. M5glichkeitenraum auf Basis einer variablen Stellenstruktur

Schliissel

Schloss Rahmenbedingungen fiir das Matching Stelle/ ^rganisatioiy

Leistungsflhigkeit (skill)AVissen Interessen und BedOrfnisse (will) Werthaltungen/Einstellungen Karriereorientierung/ -motivation

4

„fachlicher" Fit

»

• „motivationaler" Fit 4 » • „sozial-kultureller" Fit '





„stellenObergreifender Karriere"-Fit

Anforderungen Aufgaben/Inhalte Kultur/ ' WerteA'erhaltens' normen/Einstellungen EntwicklungsmOglichkeiten

lErzielung eines mehrdimensionalen Fits als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Abb. I-l:

Mehrdimensionales Fit-Modell fiir das Humanressourcen-Placement

Das dargestellte Fit-Modell setzt sich aus mehreren Dimensionen zusammen, die „ineinandergreifen" miissen, um ein Fit-orientiertes Matching zwischen Stelle und Stelleninhaber erzielen zu konnen. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine einzelne fokale Stelle als auch hinsichtlich des 96 97 98

Vgl. Wolfrum(1993), S. 58ff. Vgl. Kaiser (2001), S. 47. Vgl. analog Wolfrum (1993), S. 62.

30

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Ineinandergreifens von betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten und den individuellen Karriereplanen der Mitarbeiter.'^ Zunachst werden die zentralen Rahmenbedingungen betrachtet, die als Grundvoraussetzungen fur die Initiierung eines Fit-orientierten Matchingprozesses zu beriicksichtigen sind (1). Urn die einzelnen Grundziige und Aussagen des dargestellten Modells naher zu beleuchten und ein grundlegendes Verstandnis des Modells sicherzustellen, wird in einem nachsten Schritt eine Charakterisierung der einzelnen Fit-Dimensionen vorgenommen. Damit ist die Betrachtung des fachlichen, des motivationalen, des sozial-kulturellen sowie des stellenubergreifenden Karriere-Fits angesprochen (2).

(1)

Zentrale Rahmenbedingungen fiir das Matching

Als zentrale Rahmenbedingungen fur das Matching sind jene Voraussetzungen zu bezeichnen, die erfullt sein miissen, damit eine Humanressource als potenzieller Placementkandidat, d.h. als passender „Schlussel", fur eine bestimmte Stelle („Schloss") in Erwagung gezogen werden kann. Dabei lassen sich zwei Kategorien zentraler Rahmenbedingungen identifizieren. •



100 101

Physiologische Rahmenbedingungen: Zum einen miissen physiologische Rahmenbedingungen erfullt sein, d.h. die Humanressource muss auf Basis ihrer korperlichen Fahigkeiten und ihrer gesundheitlichen Verfassung in der Lage sein, die mit einer bestimmten Stelle verbundenen Anforderungen und Belastungen bewaltigen zu konnen. Damit ist die physiologische Leistungsdisposition der Humanressource angesprochen. Diese spielt insbesondere bei Stellen eine wesentliche RoUe, die mit hohen korperlichen Anstrengungen, wie etwa haufige Reisetatigkeiten, verbunden sind.*^^ Monetdre Rahmenbedingungen: Zum anderen mussen monetare Rahmenbedingungen erfullt sein, die der Humanressource eine Absicherung ihres individuellen Lebensstandards ermoglichen.^^^ So wird eine Humanressource in der Regel nicht bereit sein, ihre bisherige Stelle zu wechseln, wenn sie dadurch monetar schlechter gestellt oder die Sicherung ihres individuellen Lebensstandards gefahrdet wird.

Vor dem Hintergrund der angefuhrten Schliissel-Schloss-Metapher ist mitzubedenken, dass es unter Umstanden mehrere Tiiren mit unterschiedlichen Schlossera fiir ein und denselben Raum (beispielsweise eine spater angestrebte Zielposition oder die Aufhahme in einen Fiihrungsnachwuchspool) gibt. Somit kann ein solcher Raum auf mehreren Wegen erfolgreich betreten werden. Zu einem analogen Gedankengang vgl. Kaiser (2001), S. 49. Vgl.Bisani (1995), S. 430. Aus diesem Grund fmden in der Praxis vor Stellenantritt arbeitsmedizinische Untersuchungen statt, die Aufschluss iiber die physiologische Eignung einer Humanressource fur die anvisierte Stelle geben. Mit anderen Worten muss ein „ausreichendes Einkommen" im Sinne eines „Grundbedurfnisses" nach Maslow sichergestellt sein. Vgl. Wohinz (1985), S. 42. Zur Charakterisierung eines Grundbediirfnisses nach Maslow vgl. die entsprechenden Ausfuhrungen in Abschnitt 1.2.2. Ausnahmen existieren freilich, wenn beispielsweise eine Humanressource sich aufgrund Veranderungen in der biopsychischen Sphare, wie etwa Nachwuchs, fur eine Teilzeitstelle mit geringerer monetarer Entlohnung entscheidet.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

31

Sind die physiologischen sowie die monetaren Rahmenbedingiingen erfullt, lasst sich im Rahmen eines Matching-Prozesses priifen, ob eine Humanressource auf Basis der verschiedenen Fit-Dimensionen geeignet ist, eine bestimmte Stelle einzunehmen.

(2)

Charakterisierung der einzelnen Fit-Dimensionen

Die aus dem Modell in Abbildung I-l hervorgehende integrative Betrachtung der vier genannten Dimensionen lasst eine differenziertere und umfassendere Problemsicht des komplexen Fit-Konstrukts zu. Die einzelnen Dimensionen lassen sich wie folgt charakterisieren: •

Der fachliche Fit umfasst den Abgleich von Fahigkeitenprofil der Humanressource und Anforderungsprofil einer fokalen Stelle und soil sicherstellen, dass die fur ein Placement in Frage kommende Humanressource, d.h. der Placementkandidat, die fachlichen Qualifikationen besitzt, die mit einer bestimmten Stelle verbundenen Aufgabenanforderungen erfuUen zu konnen. Mit diesem Abgleich ist die Sicherstellung der fachlichen Eignung einer Humanressource fur eine konkrete Stelle angesprochen/^^



Der motivationale Fit bezieht sich auf den Abgleich zwischen Interessen und Bediirfhissen des Placementkandidaten mit den Inhalten des stellenbezogenen Aufgabengebiets. Dadurch soil die entsprechende Leistungsbereitschaft des Placementkandidaten zur Ubemahme der Stelle und den damit verbundenen Aufgaben und Problemstellungen sichergestellt werden. Interessen und Bediirfhisse stellen dabei die konstituierenden Grundelemente der Motivation dar/^^ die sich auf die stellenbezogene Leistungsbereitschafl der Humanressource auswirkt.



Der sozial-kulturelle Fit wird durch den Abgleich zwischen individuellen Werten und Einstellungen der Humanressource mit der vorherrschenden Kultur und den Verhaltensweisen ihres sozialen Arbeitsumfelds erzielt.^^^ Dabei gilt, dass bei der Zunahme komplexer und arbeitsteiliger Arbeitsaufgaben die sozialen Beziehungen zwischen den einzelnen Humanressourcen bedeutungsvoller werden. Soziale Interaktions- und Koordinationsleistungen werden damit zu entscheidenden Komponenten des Arbeitshandelns.^^^ Ist ein sozial-kultureller Fit zwischen den zusammenarbeitenden Humanressourcen nicht gegeben, kann dies eine Gefahrdung fur die effektive Aufgabenerfiillung bedeuten. Daher ist die Beriicksichtigung einer „sozialen Kompatibilitat" oder einer „sozialen Passung"^*' der Humanressource zu ihrer sozialen Arbeitsumgebung in die Betrachtung einzubeziehen.

104

Vgl. Hungenberg (1990), S. lOf, sowie Alewell (1993), S. 113. Vgl. Weinert (1992), S. 272ff. Vgl. Tams/Oetting (2004), S. 31. Vgl.Selke(1999),S.44. Zu diesem Ausdnick vgl. Wunderer/Dick (2002), S. 382. Vgl. Berthel (1997), S. 196.

105 106 107 108 109

32



Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Der (stelleniibergreifende) Karriere-Fit als vierte Fit-Dimension wird durch den Abgleich der individuellen Kamereorientierung und -motivation der Humanressource mit den existierenden betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten hergestellt. Kamereorientierung und -motivation nehmen dabei Einfluss auf die individuellen Karriereplane der Humanressourcen. Diese sind mit den angebotenen betrieblichen Laufbahnen in Einklang zu bringen.

Kann ein Fit in alien vier genannten Dimensionen erzielt werden, ist davon auszugehen, dass die Humanressource grundsatzlich dazu fahig und bereit ist, den stellenbezogenen Anforderungen gerecht zu werden.*^® Allerdings kann die ungeniigende Auspragung einer einzelnen Fit-Dimension zur Restriktion fur die Erzielung eines iibergreifenden Fits werden. So ist beispielsweise die stellenbezogene Aufgabenerfiillung durch eine fahige und motivierte Humanressource gefahrdet, wenn diese aufgrund eines fehlenden sozial-kulturellen Fits keine Unterstutzung und Akzeptanz in ihrem unmittelbaren sozialen Arbeitsumfeld fmdet. Daraus folgt, dass die einzelnen Fit-Dimensionen nicht isoliert voneinander zu betrachten sind. Es existieren vielmehr verschiedene und vielfaltige Uberschneidungsmoglichkeiten. So beeinflusst beispielsweise die Auspragung einer bestimmten Karriereorientierung auch die Bediirfhisse, die eine Humanressource hinsichtlich ihres Aufgabengebiets besitzt und vice versa.*** Daruber hinaus nimmt die Karriereorientierung auch Einfluss darauf, ob eine Humanressource in ein bestimmtes sozial-kulturelles Arbeitsumfeld passt.

1.1.2

VoUstandiger Fit versus dosierter Missfit

Nachdem in den vorangegangenen Ausfuhrungen ein transparentes Modell des Fit-Konstrukts aufgezeigt wurde, ist der Frage Beriicksichtigung zu schenken, welches AusmaB eines Fits in den einzelnen Dimensionen anzustreben ist. Bislang wurde der Ausdruck eines angestrebten moglichst weitreichenden Fits verwendet. Dieser Ausdruck ist bewusst gewahlt und impliziert dabei zweierlei. Zum einen ist das Erzielen eines vollstandigen Fits in alien vier Dimensionen in der Placementpraxis meist nicht realisierbar.**^ So muss in der Regel auf Placementkandidaten zuriickgegriffen werden, die zwar weitreichend, jedoch nicht in alien Einzelelementen

Vgl. Schein (1978), S. 5. Eine alternative Differenzierung der einzelnen Fit-Dimensionen kann in Anlehnung an die amerikanische Managementliteratur in die Fit-Komponenten Wissen (knowledge), Fahigkeiten (skills) und Haltungen (attitudes) vorgenommen werden. Vgl. hierzu stellvertretend Jucius (1975), S. 244f Mit diesen drei Qualifikationskomponenten werden im Wesentlichen die der vorliegenden Arbeit zu Grunde liegenden Dimensionen angesprochen. Vor dem Hintergrund des konkreten Untersuchungsziels der vorliegenden Arbeit erscheint jedoch die gewahlte Differenzierung nach den genannten FitDimensionen fiir geeigneter, da so eine differenziertere Sicht der einzelnen konstituierenden Elemente der jeweiligen Dimensionen eingenommen und zudem eine stelleniibergreifende Perspektive in Form des ,JCarriere-Fits " eingenommen werden kann. Vgl. Hungenberg (1990), S. 37. Vgl. Isler (1974), S. 123.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

33

eines Fits auf die zu besetzende fokale Stelle passen.**^ Eine solche Abweichung von einem vollstandigen Fit kann sich dabei grundsatzlich auf alle Einzeldimensionen des Fits beziehen. Dabei darf die Abweichung von einem vollstandigen Fit freilich nicht ein AusmaB annehmen, das zu einer Gefahrdung der effektiven Aufgabenerflillung fuhren wiirde. Zum anderen kann es aber auch Griinde geben, die - losgelost von der praktischen Umsetzbarkeit eines vollstandigen Fits - fur eine gezielte Abweichung von einem vollstandigen Fit sprechen. Anders ausgedriickt existieren auch Argumente dafur, dass zwar ein moglichst weitreichender, jedoch kein vollstandiger Fit erstrebenswert ist. Sattelberger (1999) spricht in diesem Kontext vom Begriff des bewussten „dosierten Missfits".**'* Ein solcher zeichnet sich dadurch aus, dass die Ubereinstimmung zwischen Stelle und Placementkandidat ausreichend stark ausgepragt ist, um eine effektive Aufgabenerflillung sicherzustellen. Gleichzeitig sind jedoch gewisse Ubereinstimmungslucken vorhanden, die unterschiedliche Konsequenzen nach sich Ziehen konnen. Grundsatzlich konnen diese Ubereinstimmungsliicken in alien Dimensionen des Fit-Modells aus Abbildung I-l auftreten. Exemplarisch soil im Folgenden auf mogliche Ubereinstimmungsliicken hinsichtlich eines fachlichen (1) sowie eines sozial-kulturellen Fits eingegangen werden (2). Dabei soil der recht abstrakte Gedankengang eines dosierten Missfits anhand konkreter Beispiele veranschaulicht und greifbar gemacht werden.

(1)

Dosierter fachlicher Missfit

Ein moglichst weitreichender Fit zwischen Leistungsfahigkeit der Humanressource und dem Anforderungsprofil der Stelle stellt die grundsatzliche Voraussetzung dafur dar, dass der Placementkandidat geeignet ist, die an ihn gestellten Aufgaben zu bewaltigen. Aus einer entwicklungstheoretischen Perspektive heraus betrachtet allerdings existieren Griinde, die fur eine leichte Uberforderung des Stelleninhabers, d.h. fiir einen dosierten Missfit zwischen Leistungsfahigkeit und Anforderungsprofil, sprechen. So kann ein Missfit, der durch das Placement einer Humanressource auf eine neue Stelle verursacht wurde, in einer Lemherausforderung fur den betroffenen Stelleninhaber resultieren.*^^ Denn ein unmittelbares Erfahrungslemen und somit die Entwicklung neuer Fahigkeiten kann durch die permanente Konfrontation mit neuen Lemherausforderungen gefordert werden. ^*^ So gilt, dass wenn der Mitarbeiter „(...) eine gewisse Deckungsliicke zwischen den Anforderungen der momentanen Aufgabe und seinen daflir vorhandenen Fahigkeiten empfindet, wird er sich um eine Verbesserung seiner Fahigkeiten bemiihen, indem er iiber neue Losungsansatze oder Herangehensweisen reflektiert. Die Herausforderung von Aufgaben wiederum ergibt sich aus dem Neuigkeitsgrad und der Vollstandigkeit der Aufgabenerflillung." (Kaiser 2004, S. 177) 113 114 115

Vgl.McCall(1996), S.45. Vgl. Sattelberger (1999), S. 272f. An dieser Stelle werden die bereits angesprochene enge Verzahnung und die Interdependenzen des Placements mit der Humanressourcen-Entwicklung deutlich. Vgl. Isler (1974), S. 5ff., DeVries (1996), S. 60f., Kaiser (2001), S. 148, Staudt/Kottmann (2003), S. 38.

34

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Mit anderen Worten kann der fachliche Missfit eine „anregende und herausfordemde Dosierung" (Isler 1974, S. 105) neuer Lemherausforderungen darstellen. Nach einer empirischen Studie von Kieser wird eine nicht zu ausgepragte Uberforderung von den Humanressourcen als Anspom wahrgenommen, alle „Reserven zu mobilisieren", um neue Qualifikationen zu erwerben und ihre Leistungsfahigkeit auszubauen.*^^ Es lasst sich also festhalten, dass sich durch das wiederholte Placement von Humanressourcen auf Stellen mit einem gewissen Neuigkeitsgehalt sukzessiv neue Fahigkeiten aufbauen lassen."* Die gezielte Konzeption einer Abfolge von Stellen, zu denen ein dosierter Missfit besteht, kann daher als „entwicklungsfordemde Laufbahn" verstanden werden, entlang welcher die Humanressourcen durch das organisatorische Stellengefuge bewegt werden. Dadurch kann die Entwicklungskontinuitat der Mitarbeiter gefordert werden. DeVries (1996) betont die Bedeutung eines dosierten fachlichen Missfit entlang einer solchen entwicklungsfordemden Laufbahn insbesondere fiir die Weiterentwicklung von hochrangigen Fiihrungskraften. Einen vollstandigen fachlichen Fit zwischen Fiihrungskraften und ihren Stellen bezeichnet er hingegen als nicht erstrebenswerten „comfortable fit", auf dem sich die Fiihrungskrafte ausruhen, ohne sich dabei neuen Lemherausforderungen zu stellen. So stellt DeVries aufbauend auf Uberlegungen von Cox (1986) fest, „(...) that this "comfortable fit" works against the development of top-caliber executives on whom the corporation will depend down the road." (DeVries 1996, S. 60) Mit den dargestellten Lemherausforderungen konnen gleichzeitig auch motivational Effekte einhergehen, da durch die individuelle Weiterentwicklung einer Humanressource die Option auf spatere Karrieremoglichkeiten geschaffen wird.*^^ Einschrankend ist darauf hinzuweisen, dass die positiven Auswirkungen eines dosierten fachlichen Missfits auf Entwicklung und Motivation der Humanressourcen nur dann erzielt werden konnen, wenn die Uberfordemng nicht in einer Gefahrdung der Aufgabenerfiillung und in Widerstanden der Humanressource resultiert.*^* Dies wiirde das Ziel des Placements konterkarieren, Stellen mit geeigneten Mitarbeitem zu besetzen. Femer ist zu beachten, dass ein dosierter Missfit, der eine Unterfordening der Humanressourcen umfasst, aus entwicklungs- und motivationstheoretischer Sicht zu vermeiden ist. Dies gilt insbesondere fiir die qualitative Unterfordemng.*^^ Denn liegen die Anfordemngen einer Stelle unter der Leistungsfahigkeit des Stelleninhabers, so wird meist nur der entsprechende Teil der Leistungsfahigkeit in tatsachliche Leistung umgesetzt, der zur Bewahigung der An-

119 120 121 122

Vgl. Kieser et al. (1990) unter Bezugnahme auf die Studie von Kieser et al. (1980) sowie femer Kieser/Nagel (1986), S. 957. Fiir eine differenziertere Darstellung der Motivationswirkung bei Uberforderung vgl. Flock (1989), S. 112ff. Vgl. Kaiser (2001), S. 146f. Vgl. hierzu auch Cox (1986), S. 182. Vgl. Isler (1974), S. 105. Vgl. DeVries (1996), S. 61. Vgl. Kieser/Nagel (1986), S. 959.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

35

forderungen benotigt wird.*^"^ Ungenutzte Fahigkeiten werden im Zeitablauf abgebaut, wodurch es zu einer Verschwendung von Fahigkeits-Ressourcen kommt.'^'* Dariiber hinaus bleibt bei einer qualitativen Unterforderung die Initiierung neuer Lemprozesse aus. Verscharft werden die Konsequenzen einer quantitativen und qualitativen Unterforderung zudem auch durch eine Verringerung der Motivation der Humanressourcen, wenn diese sich mit den gestellten Aufgaben und Anforderungen nicht ausgelastet oder nicht gefordert flihlen.

(2)

Dosierter sozial-kultureller Missfit

Neben dem dargestellten dosierten fachlichen ist auch eine differenziertere Sicht des dosierten sozial-kulturellen Missfits erforderlich. Die generelle Bedeutung eines sozial-kulturellen Fits zwischen Humanressourcen und Untemehmen hinsichtlich elementarer Werte, so genannter „Leitwerte", gilt in der Literatur als unbestritten.^^^ So miissen sich die zentralen Werte und Einstellungen eines Stelleninhabers mit den untemehmenskulturellen Leitwerten und Normen des relevanten Arbeitsumfelds decken. Beispiele fur derartige elementare Werte stellen etwa eine hohe Leistungs- oder eine hohe Serviceorientierung der Humanressourcen dar. Hingegen wird die Frage, ob eine hohe Ubereinstimmung zwischen den Werthaltungen einer individuellen Humanressource und der vorherrschenden Kultur als Summe der von alien Organisationsmitgliedem geteilten Werte generell positive Implikationen fur die Organisation besitzt, in der Literatur durchaus kontrovers diskutiert. So finden sich in der Literatur diesbeziiglich zwei konfligierende Ansatze. •

Notwendigkeit eines sozial-kulturellen Fits: So existiert einerseits der Ansatz, dass ein hoher Fit zwischen den Werten der Humanressourcen und der vorherrschenden Kultur eine schnellere Eingliederung, eine hohere Arbeitszufriedenheit sowie eine hohere Bleibebereitschaft der Humanressourcen fordert.*^* Mit anderen Worten kann davon ausgegangen werden, dass ein hoher sozial-kultureller Fit tendenziell mit einer leichteren Sozialisation und einem hoheren Commitment^^' sowie Bindungsgrad der Mitarbeiter an

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Vgl. Scholz (2000), S. 332. Vgl. Hungenberg (1990), S. 25, Kieser et al. (1990) sowae Kaiser (2001), S. 153. Vgl. Kaiser (2001), S. 153. Vgl. Scholz (2000), S. 332. Vgl. Schein(1971b), S. 9. Vgl. hierzu die Ergebnisse der empirischen Studie von Chatman (1991), S. 459ff., die untersuchte, inwieweit die Werte von 171 neuen Wirtschaftspriifem mit denen der Organisation ubereinstimmten. Des Weiteren sei auf Forschungsarbeiten aus der Person-Organization-Fit-Forschung verwiesen, die einen weitreichenden Fit zwischen den Werthaltungen und Einstellungen eines Individuums und den Werten des Untemehmens mit Stressreduktion sowie groBerer Zufriedenheit und Motivation in Verbindung bringen. Vgl. hierzu stellvertretend Bowen/Ledford/Nathan (1991), S. 46, sowie Elfenbein/O'Reilly (2002). Damit sind hier insbesondere die Loyalitats-, Zufriedenheits-, Identifikations-, und Involvementeffekte eines Commitments gemeint. Zu umfassenden Erlauterungen zum Commitmentbegriff vgl. Gauger (2000), S. 6ff., sowie zu einer Ubersicht Kieser (1987), Sp. 1345ff.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

ihr neues Arbeitsumfeld verbunden ist.^^^ Femer wird argumentiert, dass ein hoher sozialer Fit der Humanressourcen zu ihrem Arbeitsumfeld insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, wie etwa steigender Leitungs- und damit Kontrollspannen durch Abflachung der Hierarchien, anzustreben ist. Denn durch einen stark ausgepragten sozialen Fit kann es gelingen, die in geringerem Umfang realisierbare Kontrolle des Individuums bis zu einem gewissen AusmaB durch die geteilten Werte, Einstellungen und Verhaltensnormen zu substituieren.*"** Dysfunktionen eines sozial-kulturellen Fits: Demgegeniiber existiert andererseits auch ein Ansatz in der Literatur, der in bestimmten Untemehmenssituationen einen hohen sozialen Fit zwischen Stelleninhaber und seinem sozialen Arbeitsumfeld kritischer beurteilt. „There may be a dark side of good fit. This dark side may be that good fit results in narrowing of the perspectivefromwhich information in the environment is perceived (...), and a reduction in the ability to sense and adapt to change in the environment (...). In a time of rapid change perhaps selecting for good P-O [Person-Organization; Y. F.] fit is not such a good idea." (Schneider et al. 1997, S. 400)*^^ Zwar gehen auch Schneider et al. davon aus, dass es grundsatzlich notwendig ist, dass sich die Werthaltungen der Humanressourcen in grundsatzlichen Fragen mit den Leitwerten des Untemehmens decken. Jedoch bestehe die Gefahr „des Verkrustens" des Untemehmens, wenn nur seiche Mitarbeiter im Untemehmen beschaftigt sind, die in weitgehend homogener Form den in der Organisation verankerten Werthaltungen entsprechen. So ist davon auszugehen, dass eine hohe Wertekonformitat eine Stabilisierung der organisationsspezifischen Denk- und Verhaltensmuster nach sich zieht. Eine solche wiederum tragt die Gefahr in sich, Betriebsblindheit sowie festgefahrene Beharrungstendenzen zu verursachen, die aus einer Abgeschlossenheit des Untemehmens gegeniiber neuen Werten, Ideen und Stromungen resultiert.^^^ Daraus entsteht schliefilich die Gefahr, dass Innovationen und notwendige Anpassungen an Veranderungen verhindert oder zumindest verlangsamt werden.^^'* Dies ist nach Schneider et al. insbesondere fur Untemehmen, die in sehr dynamischen Branchen agieren, kritisch zu beurteilen, da insbesondere dort ein hohes Innovations- und Verandemngspotenzial der Humanressourcenausstattung von erfolgskritischer

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Vgl. Bowen/Ledford/Nathan (1991), S. 46. Vgl. Schneider et al. (1997), S. 398, sowie Kristof (1996), S. 1. Schneider et al. (1997) beziehen sich in ihrer Bewertung des Fits auf Forschungserkenntnisse von Hambrick/Mason(1984), S. 193ff. Vgl. Miiller (1971), S. 20, Schein (1971b), S. 9, Jucius (1975), S. 111, Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 636, Freimuth (1997b), S. 193f. Vgl. Wanous (1980), S. 194ff., Gerke-Holzhauser (1996), S. 42ff., Riistmann (1999), S. 140f., sowie Hambrick/Mason (1984), S. 194ff. Dies mag schlieBlich auch der Grund dafiir sein, dass viele Untemehmen bei der Besetzung von Leitungsstellen auf hochster Hierarchieebene oftmals auf bislang exteme Humanressourcen zuriickgreifen, von denen man davon ausgeht, dass sie aufgrund ihres Erfahrungshintergrunds neuartige Denkweisen und Anregungen fur die Entwicklung des Untemehmens mitbringen und verkmstete Denkstmkturen aufbrechen konnen. Vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 636.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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Bedeutung ist.^^^ So mag es gerade fur die Initiierung von Veranderungs- und Innovationsprozessen sinnvoll sein, einen dosierten kulturellen Missfit zwischen den Humanressourcen des Untemehmens zu pflegen, um eine lahmende, kulturelle Verkrustung zu vermeiden."' Die Erkenntnisse der dargestellten konfligierenden Ansatze lassen sich integrieren und Widerspriiche beseitigen, indem eine situations- und kontextabhangige Problemperspektive eingenommen wird. •

Verortung eines Unternehmens im branchenbezogenen Lebenszyklus: So kann die Position eines Untemehmens im branchenbezogenen Lebenszyklus dariiber entscheidend sein, in welchem AusmaB ein hoher sozialer Fit zwischen Stelleninhaber und Arbeitsumfeld aus Sicht des Untemehmens positiv zu beurteilen ist. Es lasst sich argumentieren, dass in der Pionierphase eines Untemehmens, in der Entscheidungen rasch getroffen und umgesetzt werden mussen, ein hoher sozialer Fit vorteilhaft ist, da durch einen solchen eine reibungslose Kommunikation und Einigung der Entscheidungstrager gefordert wird/^^ In der Reifephase hingegen konnte ein stark ausgepragter sozialer Fit, d.h. weitgehend homogene Wertauffassungen der Humanressourcen, die Anpassungsfahigkeit des Untemehmens an notwendige Verandemngen der Untemehmensumwelt beeintrachtigen.*"** Gerade in dieser Phase ist ein innovatives Potenzial durch unterschiedliche Problemperspektiven der Humanressourcen sicherzustellen. Ein solches wird durch eine dosierte kulturelle Heterogenitat der Humanressourcen unterstiitzt.^^ Gefragt in einer solchen Phase des Lebenszyklus sind dann weniger „Konformisten"^'*^, sondem so genannte „kreative Individualisten"^'*^ innerhalb der Humanressourcenausstattung, die sich bei grundsatzlicher Akzeptanz der zentralen Leitwerte durch eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem sozialen Arbeitsumfeld auszeichnen. Denn ein kreativer Individualist „(...) bewahrt sich die Fdhigkeit, Erwartungen kritisch zu iiberpriifen, um gegebenenfalls innovative Elemente in sein Verhalten einbringen zu konnen." (Volk 1984, S. 96)

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Vgl. Huber (1992), Sp. 765, Schneider et al. (1997), S. 400. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 228, und Stiefel (1979), S. 13. Zur Vermeidung einer solchen sozialen Uberanpassung, die als deckungsgleich mit einem vollstandigen kulturellen Fit anzusehen ist, vgl. die Erlauterungen zu den Induktionsstrategien in Kapitel II.2.2. Vgl. hierzu Hambrick/Mason (1984), S. 203. Vgl. Schneider et al. (1997), S. 403f. Zu diesem Gedankengang vgl. auch Prietula/Simon (1989), S. 124. Ein Konformist zeichnet sich dadurch aus, dass er in seinem Verhalten den an ihn gestellten Verhaltenserwartungen entspricht, indem er sich an die Werte und Normen der Organisation anpasst. Vgl. Volk (1984), S. 95. Ein kreativer Individualist zeichnet sich durch einen von seinem sozialen Arbeitsumfeld abweichenden Erfahrungshintergrund und damit durch abweichende Werte, Sicht- und Verhaltensweisen aus. Dadurch kann er die Rolle eines „Ideen-Generators" und „Impulsgebers fiir Innovationen" iibemehmen. Vgl. Galbraith (1984), S. 324 und S. 338, sowie zum Begriff des kreativen Individualisten Volk (1984), S. 95ff.

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Teil I: Fit-Orientierung als Gnmdpfeiler des Humanressourcen-Placements

Dadurch schlieBlich sind innovative Beitrage zu erwarten, die in der Reifephase von erfolgskritischer Bedeutung sind.*"*^ Change-Prozess im Zuge einer strategischen Neuausrichtung: Femer konnen situationsspezifische Notwendigkeiten, beispielsweise ein zu voUziehender Change-Prozess im Zuge der strategischen Neuausrichtung eines Untemehmens, von einem dosierten sozialen Missfit innerhalb der Humanressourcenausstattung profitieren.*"* Denn in derartigen Change-Prozessen stehen Untemehmen vor der wesentlichen Herausforderung, einen wechselseitigen Anpassungsprozess von existierendem Kontext und neuen Strategien zu initiieren und entsprechend umzusetzen.*'*'* Ein dosierter sozialer Missfit kann hierfur die erforderlichen Veranderungsimpulse erbringen. „So konnen etwa neue Ideen, (...), die mil bestehenden organisatorischen Routinen und Ablaufen nicht konform laufen, zu einem kreativen Spannungsfeld und zum Uberdenken bestehender Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen fiihren." (Hollmiiller 2002, S. 39f., Hervorhebungen Y. F.) Humanressourcen, die sich durch einen solchen dosierten sozialen Missfit zu ihrem Arbeitsumfeld auszeichnen, fungieren als „Change-Agents", indem sie Verfestigungen organisatorischer und sozialer Strukturen aufbrechen sowie innovative Losungsansatze und Herangehensweisen bei der Losung auftretender Probleme anregen. Hambrick/Mason (1984) gehen in Bezug auf die oberste Fiihrungsebene bei ChangeProzessen davon aus, dass ein gewisser kultureller Missfit zwischen den einzelnen Mitgliedem des Topmanagement-Teams vorteilhaft sein und Veranderungsimpulse fordem kann/^^

Es lasst sich festhalten, dass ein gewisser Grad an sozialer Ubereinstimmung zwischen Stelleninhaber und sozialem Arbeitsumfeld erforderlich ist. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf die zentralen Leitwerte, die fur eine effektive Zusammenarbeit der Humanressourcen erforderlich sind. Jedoch kann in Abhangigkeit der spezifischen Untemehmenssituation ein dosierter sozialer Missfit Vorteile bringen, und zwar in jenen Situationen, in denen „innovatives Potenzial" von Bedeutung ist.

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Vgl. Schein (1971b), S. 9, Porter/Lawler/Hackmaim (1975), S. 171, Wanous (1980), S. 194f, Kieser/Nagel (1986), S. 956, Kieser et al. (1990), S. 4, Huber (1992), Sp. 765, sowie Drescher (1993), S. 47. Vgl. Guthrie/Datta (1998), S. lOlff. Vgl. Bemecker/ReiB (2003), S. 14. Zum Begriff und Rollen von Change Agents vgl. Mohr (1997), S. 98ff. Vgl. Hambrick/Mason (1984), S. 203. Dies stellt nicht zuletzt den Grand dafur dar, dass gerade in solchen Change-Situationen exteme, so genannte ,Jnterims-Manager", flir begrenzte Zeit ins Top-Management berufen werden, da diese aufgrund ihres kulturellen Missfits innovatives Potenzial in das Untemehmen bringen und den erforderiichen Wandel voran treiben konnen. Vgl. hierzu auch Vancil (1987), S. 14. Zu einem Uberblick iiber das Themenfeld des Interim-Managements vgl. stellvertretend Bloemer (2003).

Teil I: Fit-Orientienmg als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

1.2

39

Generierung informatorischer Grundlagen in den einzelnen FitDimensionen

Nachdem in den vorangegangenen Ausfuhrungen ein mehrdimensionales Fit-Modell auf Grundlage des „Schlussel-Schloss"-Prinzips fiir das Humanressourcen-Placement entwickelt sowie in differenzierter Form auf das anzustrebende AusmaB eines Fits eingegangen wurde, ist der Frage nachzugehen, wie informatorische Grundlagen iiber die einzelnen FitDimensionen generiert werden konnen, die fur Fit-orientierte Placemententscheidungen heranzuziehen sind. Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis gilt die Bedeutung relevanter, verlasslicher Informationen fur Placemententscheidungen als anerkannt, um auf dieser Basis einen zielgerichteten Einsatz der Humanressourcen durchfuhren zu konnen.*"*^ Allerdings existiert hierbei die zentrale Herausforderung, dass die „(...) Moglichkeiten der Generierung von informatorischen Grundlagen beschrankt sind. Weitestgehend beruhen sie auf Plausibilitatsiiberlegungen, teilweise haben sie vielleicht 148

sogar„trial-and-error"-Charakter." (Kaiser 2001, S. 157) Dies lasst sich im Wesentlichen auf zwei Problemquellen zuriickfuhren. • •

Zum einen sind die fur das Placement relevanten informatorischen Grundlagen meist nicht vollstandig erfassbar oder prognostizierbar. Zum anderen stellt die erforderliche fortlaufende Aktualisierung der informatorischen Grundlagen ein wesentliches Problemfeld dar, da dies eine kontinuierliche Informationserhebung von Veranderungen und Weiterentwicklungen der einzelnen Informationsbestandteile voraussetzt.

Im Rahmen der gegebenen Moglichkeiten sind Bemiihungen anzustellen, das Placement von Humanressourcen informatorisch zu fundieren, um das Risiko personeller Fehlbesetzungen und damit Fehlallokationen strategisch bedeutsamer Humanressourcen reduzieren zu konnen. Die Bemiihungen zur Erhebung der informatorischen Grundlagen sind dabei systematisch an der Bewaltigung der oben genannten Problemfelder auszurichten. Zunachst gilt es, die Moglichkeiten der systematischen Beschaffung, Aktualisierung und Prognose der relevanten informatorischen Grundlagen iiber „Schliisser' und „Schloss" zu analysieren. Der relevante Informationsbedarf leitet sich dabei aus den einzelnen Dimensionen des in Abbildung I-l dargestellten Fit-Modells ab. Zunachst erscheint es sinnvoll, Moglichkeiten zur Erhebung relevanter organisationsseitiger Informationen zu betrachten. Bleibt man bei der angesprochenen Metapher von Schliissel und Schloss geht es also zunachst um die Betrachtung, v/ic Informationen uber das „Profil des Schlosses" generiert v^erden konnen

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Vgl. Borucki/Lafley (1984), S. 80, Backes-GellnerAVemer/Schlinghoff (2001), S. 32, sowie Hering/ThonneBen (2003), S. 22. Vgl. hierzu auch Miiller (1971), S. 26.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

(1.2.1). Daran schliefien sich Uberlegungen an, wie die entsprechenden informatorischen Grundlagen iiber die Humanressourcen, d.h. iiber das Profil des „Schlussels" zu gewinnen sind (1.2.2).

1.2.1

Schaffung informatorischer Grundlagen iiber das „Profil des Schlosses"

Wie aus dem Fit-Modell in Abbildung I-l hervorgeht, sind fur das Placement unterschiedliche organisationsseitige Informationskategorien erforderlich, deren Kenntnis fiir ein Fitorientiertes Placement in den einzelnen Dimensionen von erfolgskritischer Relevanz ist. Dies wirft die Frage auf, welche Ansatzpunkte und Instrumente zur Informationserhebung iiber das „Profil des Schlosses" existieren und welche zentralen Herausforderungen hierbei zu beachten sind. Die Klarung dieser Frage setzt dabei zunachst ein solides Grundverstandnis der einzelnen „Profilelemente des Schlosses" voraus. Daher werden dem Denkschema des Fit-Modells folgend zunachst Anforderungen und Inhalte der Stellen eines Untemehmens naher betrachtet und Moglichkeiten zur Informationserhebung dargestellt (1). In einem sich anschlieBenden zweiten Schritt werden die vorherrschende Untemehmenskultur, Subkulturen und Kontextgemeinschaften in den Mittelpunkt der Betrachtung geruckt und auf Moglichkeiten der Informationserhebung eingegangen (2). SchlieBlich ist in einem dritten Schritt zu klaren, was sich hinter betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten zur Verwirklichung individueller Karrieren im Untemehmen verbirgt und wie Informationen hieriiber generiert werden konnen (3).

(1) Anforderungen und Inhalte der Stellen Um einen fachlichen und motivationalen Fit erzielen zu konnen, sind zunachst Informationen iiber Anforderungen und Inhalte der Stellen erforderlich. Anforderungen leiten sich aus den stellenspezifischen Aufgaben ab, die an den Stelleninhaber gerichtet werden. Diese Anforderungen sind als Soll-Vorstellungen iiber individuelle Leistungsvoraussetzungen des Stelleninhabers zu verstehen, die fur die Erfiillung der erforderlichen Teilleistungen und Inhalte einer Stelle benotigt werden. *^^ In den Anforderungen an die Stelleninhaber werden die Anforderungen des organisationalen Umfelds widergespiegelt. Anforderungen und Inhalte einer Stelle sind eng miteinander verwoben, da die Inhalte einer bestimmten Aufgabe die jeweiligen Anforderungen determinieren. Aus diesem Grund wird im Folgenden auf eine differenzierte Darstellung der Informationserhebung von Anforderungen und Inhalten verzichtet. Eine prinzipielle Moglichkeit, die Anforderungen einer Stelle zu ermitteln, ist in deren Ableitung aus den existierenden Stellenbeschreibungen zu sehen (a). Die auf diese Weise abge-

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Vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 632f. Vgl. BerthellCoch (1985), S. 58f., sowie Isler (1974), S. 58f., und Hungenberg (1990), S. 10 und S. 12.

Teil I: Fit-Orientiening als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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leiteten Anforderungen sind um jene Informationserfordemisse zu erganzen, die nicht auf Basis von klassischen Stellenbeschreibungen gewonnen werden konnen. Damit sind beispielsweise informelle Anforderungen angesprochen (b). Da Anforderungen einer kontinuierlichen Dynamik im Zeitablauf unterliegen, sind schlieBlich auch Informationen uber mogliche Anforderungsveranderungen im Zeitablauf durch eine entsprechende antizipative Prognose zu genieren (c). (a) Ableitung von stellenspezifischen Anforderungen aus Stellenbeschreibungen: Die Kenntnis der konkreten Anforderungen einer Stelle ist fur die Auswahl einer geeigneten Humanressource fur eine bestimmte Stelle sowie fiir die Planung von sinnvollen Stellenabfolgen erforderlich.^^^ Jede einzelne Stelle des Untemehmens ist dabei durch ein spezifisches, singulares Aufgabenbild gekennzeichnet, das dementsprechend ihr eigenes, spezifisches Anforderungsprofil aufweist.^^^ In der Praxis stehen zur Identifikation des stellenspezifischen Aufgabenbilds in der Regel Stellenbeschreibungen^^^ zur Verfugung, die als „informatorische Orientierungshilfe" fur Stellenbesetzungsentscheidungen herangezogen werden konnen/^"* Stellenbeschreibungen konnen begrifflich als die verbindliche, schriftliche Fixierung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten einer Stelle charakterisiert werden. *^^ Sie dienen in erster Linie dazu, einen Uberblick iiber das stellenbezogene Arbeitsgebiet einer Person sowie iiber die damit verbundenen stellenbezogenen Anforderungen zu verschaffen. Zu diesem Zweck wird das Arbeits- und Aufgabengebiet einer bestimmten Stelle mit Hilfe einer verbalen Auflistung von verschiedenen Stellenkomponenten abgebildet.*^^ Das informatorische Fundament fur Stellenbeschreibungen, aus dem sich die Anforderungsprofile ableiten lassen, wird durch eine stellenbezogene Aufgabenanalyse^^^ geschaffen. Eine solche erfordert in konzeptioneller Hinsicht eine dreistufige Vorgehensweise/^* •

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Anforderungsbeschreibung: In einem ersten Schritt muss eine Beschreibung und Analyse der einzelnen Komponenten stellenspezifischer Arbeitssituationen erfolgen. Anhand geeigneter Erhebungs- und Analysetechniken gilt es, moglichst detaillierte Informationen iiber die stellenspezifischen „Job Elements"^^^, d.h. iiber die einzelnen Aufgaben,

Vgl.Kilian(1993), S.22. Vgl.Isler(1974),S. 59. Stellenbeschreibungen werden in der Literatur oftmals synonym mit den Begriffen Funktions-, Positions-, Dienstposten- bzw. Arbeitsplatzbeschreibung verwendet. Vgl. hierzu stellvertretend ReiB (1992), Sp. 2132. Im angloamerikanischen Sprachraum hat sich der Begriff der Job Description durchgesetzt. Vgl. stellvertretend Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 88. Vgl. Mentzel (1994), S. 64, Bisani (1995), S. 194. Vgl. Wunderer (1973), S. 38, Kriiger (1987), Sp. 1891, Hungenberg (1990), S. 132, Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 94. Vgl. ReiB (1992), Sp. 2133. Die stellenbezogene Aufgabenanalyse wird sowohl in der deutschen als auch in der angloamerikanischen Literatur oftmals auch als , Job Analysis" bezeichnet. Zu dieser dreistufigen Vorgehensweise vgl. Hungenberg (1990), S. 136fr., sowie Berthel (1997), S. 120ff Zum Begriff der Job Elements vgl. Seeker (1972), S. 35.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Arbeitsverfahren, eingesetzten Sachmittel und Arbeitsbedingungen, sowie uber Aufgaben- und Interaktionsbeziehungen zu relevanten sozialen Bezugsgruppen zu gewinnen.^^^ Dabei werden letztgenannte Interaktionsbeziehungen in klassischen Stellenbeschreibungen oftmals vemachlassigt.*^^ Allerdings sind diese insofem von Bedeutung, da diese mafigeblich die effektive Aufgabenerfullung beeinflussen konnen. •



Anforderungsanalyse: In einem nachsten Schritt schlieBt sich die Anforderungsanalyse an. Diese umfasst zwei wesentliche Bestandteile. Zum einen werden fur unterschiedliche Anforderungsarten Kategorien gebildet, in denen Aspekte der stellenspezifischen Arbeitssituation in erforderliche Personlichkeitsmerkmale iibersetzt werden. *^^ Zum anderen umfasst die Anforderungsanalyse die stellenspezifische Transformation von den im ersten Schritt festgestellten Situationsmerkmalen in diese Anforderungsmerkmale. Anforderungsbewertung: Im letzten Schritt gilt es, eine Anforderungsbewertung durchzufuhren, in der die jeweiligen Auspragungsgrade der einzelnen Anforderungsarten zu ermitteln sind. Damit ist die Anforderungshohe, d.h. eine Quantifizierung der stellenspezifischen Anforderungen, angesprochen.^^^ Mit anderen Worten wird in diesem letzten Schritt festgelegt, wie bedeutend eine bestimmte Anforderung zur Bewaltigung der stellenspezifischen Aufgaben ist und in welcher Auspragung sie vorliegen muss.

(b) Uber die Stellenbeschreibung hinausgehende Informationserfordernisse: Die dargestellte herkommliche dreistufige Vorgehensweise zur Ableitung der stellenspezifischen Anforderungen bringt zwar relevante Informationen hervor, greift jedoch fiir die Gestaltung eines Fitorientierten Placements zu kurz.*^ Denn es existieren daruber hinaus relevante Anforderungselemente, die iiber die in Stellenbeschreibungen erfassten Informationen hinausgehen. So lassen sich drei wesentliche Herausforderungen identifizieren, die nicht in ausreichender Form durch die dargestellte Vorgehensweise bewaltigt werden konnen und dadurch differenzierte Bemiihungen zur Informafionserhebung erfordem. Im Folgenden werden die einzelnen

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Techniken zur Erhebung von Informationen iiber stellenspezifische Arbeitssituationen stellen beispielsweise die Dokumentenanalyse, Interviews, Berichte ehemaliger Stelleninhaber, Arbeitstagebiicher, die Critical-Incident-Technique oder der Job Analyses Questionnaire dar. Fiir eine Ubersicht und kritische Wiirdigung der genannten Techniken vgl. stellvertretend Isler (1974), S. 62ff., Berthel/Koch (1985), S. 58ff., Oechsler (2001), S. 23Iff., sowie Schneider/Schmitt (1986), S. 23ff. Zur Analyse von Interaktionsbeziehungen bieten sich insbesondere Darstellungstechniken wie die Netzanalyse an. Vgl. hierzu Krackhardt/Hanson (1994), S. 16ff Vgl. Hungenberg (1990), S. 131f Die in Literatur und Praxis am weitesten verbreitete Anforderungsklassifikation stellt das so genannte Genfer Schema dar, das zwischen den vier Anforderungsarten, geistige Anforderungen, korperliche Anforderungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen differenziert. Vgl. hierzu stellvertretend Hentze (1980),S.67ff. Als bekaimtes Beispiel eines Verfahrens zur Quantifizierung der Anforderungen ist in der Literatur das so genannte REFA-Schema weit verbreitet. Vgl. hierzu REFA (1985). Zu einer iibersichtlichen Darstellung des REFA-Schemas vgl. stellvertretend Kirchner (1992), Sp. 393ff. Zu den Informationsdefiziten einer klassischen Stellenbeschreibung fur Stellenbesetzungsentscheidungen vgl. auch Riistmann (1999), S. 15ff.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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Herausforderungen in pragnanter Form dargestellt sowie auf die Moglichkeiten zur Informationserhebung eingegangen. •

Operationalisiening hoherwertiger Tdtigkeiten: In der Regel lassen sich hoherwertige Tatigkeiten, insbesondere Tatigkeiten von Fiihrungskraften, die sich durch einen hohen Anteil an extrafunktionalen Anforderungen, wie etwa Team- und Problemlosungsfahigkeit auszeichnen/^^ nur unzureichend operationalisieren.*^^ So ist in diesem Kontext von „arbeitsanalytisch schwer erfassbaren" Stellen zu sprechen.*^^ Fiir solche Stellen gestaltet sich eine Analyse und Erhebung und folgedessen eine explizite Darstellung der Anforderungen in klassischen Stellenbeschreibungen grundsatzlich schwer, da es sich meist um unscharfe Anforderungen im Sinne von Merkmalen mit einer groBen Bandbreite handeh.*^ Eine weitere Schwierigkeit taucht auf, wenn sich die Anforderungen nur iiber das Hilfskonstrukt von Verhahenserwartungen genauer deskribieren lassen. ^^' Dies ist haufig bei so genannten Wissensstellen der Fall, die in der modemen Wissensokonomie zunehmend an Bedeutung gewinnen/^^ Diese zeichnen sich durch eine hohe Variabilitat der Aufgaben und zugleich durch einen geringen Grad an Formalisierbarkeit, Kontrollierbarkeit und Transparenz aus.*^^ So ist insgesamt von einer „mangelnden Transparenz der Tatigkeit des Wissensarbeiters" (Rustmann 1999, S. 42) auszugehen. Da gerade aber solche Wissensstellen oftmals zentrale Positionen in Form von Fachund Fiihrungspositionen im Untemehmen darstellen, sind unzureichende Anforderungsprofile sehr kritisch zu beurteilen. Derm dadurch konnen Fehlbesetzungen mit weitreichenden negativen Konsequenzen entstehen, die durch den so genannten Multiplikatoreffekt^^^ eine zusatzliche Verstarkung erfahren. Gerade bei solchen Stellen gewinnt da-

Weitere Beispiele in diesem Kontext stellen die Fahigkeit zum analytischen Denken, Kontaktfahigkeit, Integrationsfahigkeit oder Durchsetzungsveraiogen dar. Fiir eine ausfiihrlichere Auflistung von extrafunktionalen Fahigkeiten vgl. Pieper (1991), S. 70ff., sowie Stangel-Meseke (1993), S. 52. Vgl. Hungenberg (1990), S. 12ff, Bruch (1996), S. 164, sowie Stabler (1999), S. 113. Die Ableitung von schwer operationalisierbaren Anforderungen an Fiihrungskrafte stellt dabei eine Problemstellung dar, die in betriebswirtschaftlichen und psychologischen Forschungsarbeiten einen breiten Raum eingenommen hat. Dabei wird in der Literatur grundsatzlich zwischen drei verschiedenen Ansatzen unterschieden: der Ableitung der Anforderungen aus Personlichkeitskonzepten, aus Aufgaben und Stellenzielen sowie aus AQr']Q^e\\\g&a.Arbeitssituation. Hungenberg spricht sich dabei fur den Ansatz der Ableitung der Anforderungen aus der jeweiligen Arbeitssituation aus. Da diese aber bei Fuhrungskraften sehr unterschiedlich sind, weist Hungenberg darauf hin, dass Anforderungen an Fiihrungskrafte grundsatzlich nicht allgemeingiihig bestimmt werden konnen. Vielmehr sind diese jeweils untemehmensbezogen sowie stellen- und situationsspezifisch zu ermitteln. Vgl. hierzu auch Niederfeichtner (1987), Sp. 82ff., sowie Schafer (1983), S.21f. 167 168 169 170

Vgl. Schwarb (1996), S. 158. Vgl. Kaiser (2001), S. 138, Stangel-Meseke (1993), S. 147ff. Vgl. Kaiser (2001), S. 138. Vgl. Oelsnitz (2003), S. 197f. Vgl. Riistmann (1999), S. 42. Hierunter ist der Effekt zu verstehen, dass sich Entscheidungen von Fiihrungskraften uber ihre eigenen Handlungen hinaus auch auf die nachgelagerten Hierarchieebenen und die dortige Aufgabenerfullung auswirken. Vgl. Hungenberg (1990), S. 30, sowie Backes-GelberAVemer/Schlinghoff (2001), S. 31ff

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

her die Durchfuhrung eines umfassenden Wissensmanagements/^^ insbesondere in Bezug auf das stellenspezifische Wissen iiber die Anforderungen einer Stelle, an Bedeutung. Es erscheint daher sinnvoll, ein solches stellenbezogenes Wissensmanagement zur Sicherung der Wissenskontinuitat iiber stellenspezifische Anforderungen zu implementieren.*^"* Erfassung von Aspekten der informellen Organisation: Femer lassen sich Informationen iiber Aspekte der informellen Organisation*^^ sowie iiber informelle Netzwerke nur unzureichend in der formellen Stellenbeschreibung erfassen.*^^ Dies ist insofem kritisch zu beurteilen, da sich aus der informellen Organisation Anforderungen an den Stelleninhaber ableiten, deren Erfiillung fur die effektive Aufgabenbewaltigung erforderlich ist.*^^ Unter einer informellen Organisation sind jene sozialen Kontakte, Beziehungen und informellen Netzwerke der Mitarbeiter zueinander zu subsumieren, die zur Erfiillung der Aufgaben beitragen, ohne jedoch durch die formelle Organisation gesteuert zu sein/^* Risch/Sommer (1997) heben die Bedeutung von jenen Aspekten der informellen Organisation fur die effektive Aufgabenerfullung fur einen Stelleninhaber hervor, indem sie feststellen, Daher fallen die negativen Konsequenzen einer Fehlbesetzung auf zentralen Stellen besonders stark ins Gewicht.

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Zu umfangreichen Erlauterungen zu den Moglichkeiten und Grenzen der Durchfahrung eines systematischen Wissensmanagements beim Stellenwechsel sei auf die Dissertationsschrift von Riistmann (1999) verwiesen. Ein systematisches Wissensmanagement hat dabei zum Ziel, moglichst viel Wissen des Stellenvorgangers zu dokumentieren und explizierbar zu machen, damit kritisches, stellenspezifisches Wissen und somit auch das Wissen iiber stellenspezifische Anforderungen nicht verloren geht. Vgl. hierzu die Ausfiihrungen zur Gestaltung des Humanressourcen-Moves in Kapitel II.2. In der Literatur wird der Begriff der informalen und der informellen Organisation synonym verwendet. In dieser Arbeit wird der Begriff der informellen Organisation bevorzugt, da er mit den angrenzenden Begriffen - wie etwa dem des informellen Netzwerks - konform geht. Das Konzept der informellen Organisation ist keinesfalls neu. Roethlisberger/Dickson erkannten basierend auf den bereits 1931/1932 durchgefiihrten Hawthorne-Studien, dass im Untemehmen eine Vielzahl von wichtigen Beziehungen und Ablaufen existieren, die nicht adaquat durch die formelle Organisation und somit in der Stellenbeschreibung abgebildet werden konnen. So kennzeichnen die HawthomeStudien den Beginn der wissenschaftlichen Beschaftigung mit Aspekten der informellen Organisation. Der urspriingliche Analysegegenstand der Hawthorne-Studien lag in der Untersuchung der Auswirkung objektiver Arbeitsbedingungen wie etwa Licht, Pausen, Arbeitsdauer und Lohn auf die Arbeitsleistung von Humanressourcen. Dabei entdeckten die Forscher, dass auch das Eingebundensein der Humanressource in einer informellen Gruppe wesentliche Auswirkungen auf die Arbeitsleistung besitzt. So wird seither in der Literatur zwischen einer formellen und einer informellen Organisation unterschieden. Fiir ausfuhrliche Darstellungen dieser Studien ist auf Roethlisberger/Dickson (1950), S. 559, Roethlisberger (1978), S. 2ff., und Kesten (1998), S. 9ff., zu verweisen. Vgl.Rustmann(1999), S. 26. Vgl. Rustmann (1999), S. 24. Die in der Literamr weit verbreiteten wesentlichen Charakteristika einer informellen Organisation lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die informelle Organisation entsteht spontan, ohne von der Untemehmensleitung bewusst gestaltet worden zu sein. Informelle Beziehungen konnen dabei nicht zentral gesteuert werden. Vielmehr unterliegen sie dem Prinzip der Selbststeuerung. Die informelle Organisation ist nicht deckungsgleich mit der formellen Organisationsstrukmr. Sie umfasst vielmehr die nicht vorgesehenen Beziehungen. Die informelle Organisation dient den personlichen Bediirfnissen und Helen der Mitarbeiter, nicht den Untemehmenszielen. So besteht die Moglichkeit, dass das Ergebnis der informellen Beziehungen innerhalb des Untemehmens den Zielen der Organisation wi-

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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„(...) dass derjenige, der in der einen Position ein Star war, schon in der nachsten klaglich scheitem kann, wenn ihm keiner hilft." (Risch/Sommer 1997, S. 224)



180 181

Die von Risch/Sommer angesprochene Hilfe umfasst dabei sowohl fachliche, beispielsweise arbeitsbezogene Ratschlage, als auch informelle soziale Unterstiitzungsleistungen, wie etwa das Entgegenbringen von Lob, Anerkennung und Akzeptanz.^^^ In der Literatur wird dabei zwischen drei verschiedenen Typen von informellen Netzen unterschieden. Das informelle Beratungsnetz enthalt Informationen, wer sich bei wem bei arbeitsalltaglichen Fragen Rat einholt. Das informelle Kommunikationsnetz gibt Aufschluss dariiber, wer mit wem Informationen austauscht, wahrend das informelle Vertrauensnetz Informationen umfasst, wer bei wem Vertrauen genieBt/*^ Diese informellen Netzte sind explizierbar zu machen und nach einem erfolgten Placement moglichst aufrecht zu erhalten. Als Instrument zur Aufdeckung von Informationen iiber die informellen Netze bietet sich die so genannte Netzanalyse an. In dieser werden die informellen Beziehungen zunachst durch Befragung erhoben und anschlieBend in einem Schaubild visualisiert.**^ Die Voraussetzung fur die Aktualitat der so aufgedeckten Informationen ist freilich, dass die Netzanalyse in regelmaBigen Zeitabstanden durchgefiihrt wird, da die informellen Netze sich kontinuierlich weiterentwickeln und Veranderungen im Zeitablauf unterliegen. Erfassung von Anforderungen externer Bezugsgruppen: Bei Stellen, die in einem hohen AusmaB mit extemen Bezugsgruppen wie Lieferanten oder Kunden interagieren und kooperieren, werden zudem auch extern induzierte Anforderungen an den Stelleninhaber gestellt. Die Erfassung jener extern induzierter Anforderungen in klassischen Stellenbeschreibungen gestaltet sich schwierig, da sich die Anforderungen in Abhangigkeit der Dynamik der extemen Bezugsgruppen verandem und somit einer fremddeterminierten Variabilitat unterliegen. Die Existenz derartiger extern induzierter Anforderungen fuhrt dazu, dass neben dem bislang diskutierten „intemen sozialen Fit" des Stelleninhabers zu anderen Organisationsmitgliedem auch ein „extemer sozialer Fit" zu beriicksichtigen ist. Dabei geht es in erster Linie um den Abgleich soziookonomischer und psychographischer Merkmale des Stelleninhabers mit den relevanten extemen Bezugspersonen. In der Literatur wird dieser Abgleich gemeinhin auch als „Compatibility Management" bezeichnet.**^ Damit ist der Aufbau so genannter „emotionar' und „social derspricht. Fiir einen umfassenden Uberblick iiber Aspekte der informellen Organisation vgl. Bohle/Bolte (2002), S. 67ff. Zur grundsatzlichen Bedeutung von interpersonellen Arbeitsbeziehungen bei der Ubemahme einer neuen Stelle vgl. Gabarro (1988), S. 79ff. Zu ausfuhrlichen Erlauterungen der drei Typen informeller Netze vgl. Krackhardt/Hanson (1994), S. 16ff. Zu detaillierten Informationen zur Vorgehensweise und zentralen Herausforderungen bei der Implementierung einer Netzanalyse vgl. Krackhardt/Hanson (1994), S. 17ff., sowie Riistmann (1999), S. 30f. Hausmann (2003), S. 237, spricht in diesem Kontext von der Notwendigkeit eines „Sympathisierens" zwischen Organisationsmitglied und extemen Bezugspersonen. Fur ein solches Sympathisieren riickt als untergeordnetes Element des sozial-kulturellen Fits der so genannte „psychologische Fit" starker in den Mittelpunkt. Vgl. Meffert (1998), S. 675, sowie Martin/Pranter (1989).

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

bonds"**^ zu extemen Bezugsgruppen angesprochen. Dies lasst sich damit begriinden, dass die Kooperation zwischen extemen Bezugsgruppen und dem Stelleninhaber in starkerem Ausmafi auf Freiwilligkeit beruht und bei Auftreten eines Missfits schneller wieder gelost werden kann. Die Beriicksichtigung eines solchen extemen sozialen Fits wird somit zur entscheidenden Herausfordemng fiir den Aufbau und den Erhalt der extemen Beziehungen. Als Infomiationsquelle fur die Bestimmung der extemen Anforderungen kommt neben der Befragung der extemen Bezugspersonen insbesondere die Befragung des bisherigen Stelleninhabers in Betracht, der mit den formellen und informellen Anforderungen der extemen Bezugspersonen vertraut ist.^*'* Eine solche Befragung kann dabei im Rahmen eines stellenbezogenen Wissensmanagements durchgefuhrt werden."' (c) Verdnderungen der Anforderungen und deren Prognose: Nicht nur der Status Quo betrieblicher Stellenanforderungen ist zu erfassen. Angesichts kontinuierlicher Verandemngen der intemen und extemen Untemehmensumwelt sind vielmehr auch Anforderungsverandemngen an die Mitarbeiter zu beriicksichtigen. Anfordemngsverandemngen werden in der Regel mit technologischen Neuemngen, insbesondere mit dismptiven Technologien, in Verbindung gebracht. Es erscheint jedoch insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen angebrachter, die Betrachtung von Anfordemngsverandemngen nicht nur auf technologische Innovationen, sondem auf Verandemngen der untemehmerischen Umwelt im weitesten Sinne zu beziehen. Dies umfasst dann auch Anfordemngsverandemngen, die aufgmnd veranderter Untemehmensziele, -strategien, -stmkturen und -kulturen entstehen/*^ So fuhrt eine Neuausrichtung von Unternehmensstrategien, beispielsweise eine verstarkte Dienstleistungs- und Serviceausrichtung des Untemehmens, zu Anfordemngsverschiebungen fur die Mitarbeiter. Dies kann sich etwa in einer starkeren Gewichtung der Kundenorientierung Oder der Kontaktfahigkeit auBem. Auch eine Verdnderung der Unternehmensstruktur zieht Anfordemngs-verandemngen fur die Mitarbeiter nach sich.^*^ Beispielsweise fuhrt der Abbau von Hierarchic- und Fiihmngsebenen zu Anforderungsveranderungen unterschiedlicher Natur.*** In Abbildung 1-2 sind exemplarisch Anfordemngsverandemngen dargestellt, die fur Fiihmngskrafte und Mitarbeiter durch eine Verringemng der Hierarchieebenen hervorgemfen werden.**'

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Vgl. Sharma/Patterson (1999), S. 163. Dies gilt freilich nicht bei neu geschaffenen Stellen, bei denen nicht auf einen bisherigen Stelleninhaber zuriickgegriffen werden kann. Vgl. die Ausfiihrungen zum stellenbezogenen Wissensmanagement in Abschnitt II.2.3. Vgl. Hungenberg (1990), S. 21. Vgl. Ruckle (1994), S. 165. Vgl. Judge/Ferris (1992), S. 48, Meier (2004), S. 34f. An dieser Stelle wird deutlich, dass eine Veranderung der Unternehmensstruktur in zweifacher Hinsicht Konsequenzen fur eine Fit-orientierte Gestaltung des Placements hat: Zum einen wird dadurch eine Veranderung des Moglichkeitenraums fur die Gestaltung von Placementaktivitaten hervorgemfen. Zum ande-

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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A nforderungen • 2 Hierarchiecbenen

Leitungsspanne: 1:64

(Mniiniiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii * iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin

Leitungsspanne; 1:8

3 Hierarchiecbenen

I

I T|

I

I I>•••••I I

FahrungskrSfte - HOhere Delegationsfthigkeit - integrierteres Aufgabenverstandnis - HOhere Fahigkeit zum Umgang mit Unsicherheit • Mitarbeiter - GrOBere Selbstandigkeit, Eigeninitiative - Hfthere Bereitschaft zur Obemahme von Verantwortung - Tendenziell hdhere Qualifikationsniveau

4 Hierarchieebenen

Leitungsspanne: 1:4 Verringerung der^ Hierarchieebenen/ Erhdhung der Leitungsspanne

7 Hierarchieebenen ,

r^rSr^r^ r^rhr^rS

I

Leitungsspanne: 1:2 ,

rSr^nr^rS r^r^ir^r^

^innni innnr Abb. 1-2:

Verdnderte

Anforderungen • Fahrungskrifte - Bereitschaft zur Ubemahme operativer Aufgaben - Fahigkeit zum Umgang mit detaillierten Arbeitsplanen

Anforderungen



Mitarbeiter - „Gehorsam" gegenQber Vorgesetztem - Relativ geringeres Qualifikationsniveau

durch Abflachung

der

Hierarchieebenen

Eine Abflachung der Untemehmenshierarchie zieht zunachst eine VergroBerung der Leitungsspanne nach sich. Unter Leitungsspanne wird das Verhaltnis zwischen Fiihrungskraft und den direkt unterstellten Mitarbeitem verstanden/^ Generell lasst sich sagen, dass eine Verringerung der Hierarchieebenen, respektive eine VergroBerung der Leitungsspanne, ein tendenziell hoheres Qualifikationsniveau, eine hohere Bereitschaft zur Ubemahme von Verantwortung sowie eine hohere Selbstandigkeit und Eigeninitiative der Mitarbeiter erfordert.^^* Gleichzeitig sind damit fiir die Fuhrungskrafte erhohte Anforderungen hinsichtlich ihrer Delegationsfahigkeit und ihres Aufgabenverstandnisses sowie im Umgang mit Unsicherheit verbunden. Neben der strategischen Neuausrichtung und organisatorischen Veranderungen zieht ferner auch der Wandel der Unternehmenskultur, etwa nach einer erfolgten Fusion zwischen zwei Untemehmen, Anforderungsveranderungen fur die Mitarbeiter nach sich. So kann nach der Fusion der Untemehmen beispielsweise eine starker ausgepragte Leistungskultur vorherr-

ren kommt es zu den an dieser Stelle angesprochenen Anforderungsveranderungen fiir Mitarbeiter und Fuhrungskrafte. Vgl. Picot (1993), S. 135, Staehle (1994), S. 671, Ringlstetter (1997), S. 83, sowie Kieser/Kubicek (1992), S. 151, die synonym den Begriff der „Subordinationsspanne" verwenden. Femer gibt die Leitungsspanne auch darilber Auskunft, wie hoch die Konkurrenz der Humanressourcen um den Aufstieg in der Untemehmenshierarchie ist. Vgl. Krakel (1997), S. 23. Vgl. Vicere/Graham (1992), S. 235.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

schen, die entsprechende Anforderungsverschiebungen bin zu einer boberen Belastbarkeit der Humanressourcen oder zu langeren Arbeitszeiten umfasst. Vor dem Hintergrund der dargestellten Kontinuitat von Anforderungsveranderungen ist die kontinuierlicbe Anpassung der Anforderungsprofile als die „Acbillesferse" und somit als kritiscber Punkt ibrer Anwendbarkeit fur Fit-orientierte Placementaktivitaten anzuseben. Dies gilt insbesondere fur Untemebmen, die in einer sebr dynamiscben Brancbe agieren, wodurcb die Anforderungen an die Humanressourcen einer relativ boben Dynamik unterliegen.^ Neben einer kontinuierlicben Anforderungsveranderung ist zudem aucb von einer immer scbnelleren Anforderungsveranderung auszugeben.*^"' Dies macbt eine antizipative Ermittlung zukunftiger Anforderungsprofile durcb eine entsprecbende Prognose erforderlicb, die sicb sowobl auf die Veranderungsr/c/zrw/zg als aucb die Veranderungsm/e/25//a7 bezieben muss. Ein Losungsansatz zur Ableitung zukiinftiger Anforderungsveranderungen liegt in der Erfassvmg und Analyse von Bestimmungsfaktoren der kiinftigen Umweltsituation, welcbe die zukiinfligen untemebmeriscben Rabmenbedingungen determiniert.*'^ Auf Basis dieser Informationen sind prospektive Annabmen iiber die zukiinftigen Aufgaben und Anforderungen abzuleiten und auf den konkreten Aufgabenbereicb einer Stelle zu bezieben. *^^ Als Instrumente der Anforderungsprognose bietet sicb die szenariogestiitzte Prognose von Anforderungsveranderungen auf Basis der Prognose zukunftiger Tatigkeitsfelder und Arbeitsbedingungen sowie Expertenbefragungen oder Trendanalysen an.^^^ Die facblicben Anforderungen sowie die prognostizierten Anforderungsveranderungen sind in die Anforderungsprofile einzupflegen, um sie mit dem Fabigkeitenprofil sowie der Entwicklungsfabigkeit der Placementkandidaten abgleicben zu konnen.

(2)

Kultur, Subkultur und Kontextgemeinschaften

Nacbdem in den vorangegangenen Ausfubrungen stellenbezogene Anforderungen und Inbalte als Grundlage fur die Herstellung eines facblicben und motivationalen Fits im Mittelpunkt der Betracbtung standen, sind erganzend kulturelle Aspekte einer Stelle zu analysieren, die fur die Herstellung eines sozial-kulturellen Fits relevant sind. Die Untemebmenskultur als vielscbicbtiges und komplexes Pbanomen pragt und beeinflusst das Arbeitsumfeld, in das eine fokale Stelle eingebettet ist.^'* Unter Kultur sind in diesem Kontext sowobl die iibergeordnete Un-

193 194 195 196

Vgl. Herrwig (2001), S. 230, Jochmann (2002), S. 254f., Meier (2004), S. 34. Vgl. Oxman/Smith (2004), S. 166, sowie Meier (2004), S. 34. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 59. Vgl. Beck/Oechsler (2001), S. 22. Vgl. Stabler (1999), S. 114, Jochmann (2002), S. 255. Fiir einen Uberblick zu Instrumenten zur Prognose von Umfeldveranderungen vgl. stellvertretend Weber/Klein (1992), Sp. 2148f., Beck/Oechsler (2001), S. 22ff. Fiir eine detailliertere Darstellung der einzehien Instrumente vgl. stellvertretend Drumm (2000), S. 233, Oechsler (2001), S. 23, sowie Scholz (2000), S. 264. Vgl.Rasche(1986),S. 90.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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temehmenskultur*^^ als auch die innerhalb eines Untemehmens existierenden verschiedenen Subkulturen sowie Kontextgemeinschaften zu subsumieren. Die vorherrschende Kultur ist aus zwei wesentlichen Griinden bei der Gestaltung eines Fit-orientierten Placements zu beachten. •

Gefahr des „sozialen Aufienseiters": Zum einen sind geteilte Elemente einer Unternehmenskultur fur die soziale Integration eines Mitarbeiters in das soziale Arbeitsumfeld von zentraler Bedeutung. So vermitteln geteilte Werte, Normen und Einstellungen ein gemeinsames Selbstverstandnis der Individuen, das dem einzelnen Identifikationsmoglichkeiten innerhalb der Organisation sowie die Akzeptanz durch andere Organisationsmitglieder ermoglicht.^^ Wird dagegen ein Mitarbeiter auf eine neue Stelle versetzt, der die Werte, Normen und Einstellungen des neuen Arbeitsumfelds nicht teilt, konnen Akzeptanz- und Integrationsproblemen des neuen Mitarbeiters auftreten. Schein (1971c) setzt dieses Akzeptanz- und Integrationsproblem in Zusammenhang mit einem voriibergehenden Verlust der sozialen Zentralitat der Humanressource. „Because subcultures always tend to exist within a large organization, one may assume that any promotion or transfer results in some temporary loss of centrality, in that the person will not immediately be accepted by the new group into which he has been moved." (Schein 1971c, S. 419) Dadurch wird die Humanressource nach einem Placement in ein neues Arbeitsumfeld zunachst in die Rolle eines „sozialen Aufienseiters" versetzt, wodurch die effektive Aufgabenerfullung gefahrdet werden kann und Lemprozesse der neuen Kultur erforder-



lich werden.^^^ Erfolgreiche Verstdndigung durch geteilte Orientierungsmuster: Zum anderen wirken sich geteilte Elemente der Untemehmenskultur auf das Gelingen einer gemeinsamen Verstandigung und Interaktion der Humanressourcen innerhalb eines sozialen Umfelds aus.^^^ So kann in Anlehnung an Habermas' „Theorie des kommunikativen Handelns" (1981) argumentiert werden, dass zur erfolgreichen Verstandigung und Interaktion innerhalb einer Arbeitsgruppe geteilte Orientierungsmuster benotigt werden, die eine In-

Dass das Phanomen Untemehmenskultur als weicher Aspekt eines Untemehmens Gegenstand einer intensiven Auseinandersetzung in der betriebswirtschaftlichen Literatur geworden ist, ist im Wesentlichen der 1982 publizierten popularwissenschaftlichen Veroffentlichung von PetersAVaterman mit dem Arbeitstitel J n Search of Excellence" zuzuschreiben. In dieser heben die Autoren die Bedeutung eines gelebten Wertesystems fur den Erfolg der Untemehmung hervor. Der Begriff Untemehmenskultur wird in der zeitgenossischen Literatur oftmals synonym zu den Begriffen Firmenkultur, Corporate Culture, Company Culture Oder Organisationskultur verwendet. Vgl. hierzu auch Heinen/Fank (1997), S. 22. Bei einigen Vertretem der deutschsprachigen Literatur fmdet sich eine Begriffsdifferenziemng zwischen Untemehmens- und Organisationskultur, die darauf zuriickzuflihren ist, dass zwar jede Untemehmung eine Organisation hat, aber nicht jede Organisation eine Untemehmung ist. Zu dieser Begriffsdifferenziemng vgl. Fankhauser (1996), S. 5f In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe synonym verwendet, da eine Differenziemng keine weiteren Informationserkenntnisse fur das Untersuchungsziel der Arbeit nach sich Ziehen wiirde. Vgl. Sathe (1985), S. 26, Ebers (1987), Sp. 1625, und Widmaier (1991), S. 108. Vgl. Isler (1974), S. 120. Vgl. stellvertretend Sathe (1985), S. 28f

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

terpretation der sozialen Realitat und damit soziales Handeln ermoglichen.^^^ Denn durch ein gemeinsames Gmndverstandnis der Untemehmenskultur werden die Abstimmungs- und Kommunikationsablaufe erleichtert, Situationen von den einzelnen Individuen auf Basis einer ahnlichen Problemsicht besser eingeschatzt, sowie Zielkonflikte leichter gelost.^®^ Mit anderen Worten wird einem Mitarbeiter, der in einen neuen sozialen Arbeitskontext versetzt wird, durch geteilte Orientierungsmuster die Interaktion mit Kollegen, Vorgesetzten und weiteren Bezugspersonen erleichtert. Um ein grundlegenderes Verstandnis iiber die sozial-kulturelle Fit-Dimension zu erhalten, wird zunachst das Phanomen Untemehmenskultur und dessen Implikationen analysiert (a). Dem schlieBt sich eine Betrachtung der koexistierenden Subkulturen und Kontextgemeinschaften an (b). In einem dritten Schritt wird der Frage nachgegangen, wie Informationen iiber sozial-kulturelle Aspekte generiert werden konnen (c). (a) Das Phanomen Untemehmenskultur: Das Phanomen Untemehmenskultur ist ein „Gerust und ein Vorrat an Sinnstrukturen und Handlungsmuster[n; Y.F.]" (Heinen/Fank 1997, S. 25), auf deren Basis untemehmensspezifische Situationen, Handlungen und Entscheidungen einer bewertenden Interpretation hinsichtlich ihrer Erwiinschtheit und Bedeutung fur die Unternehmung als Ganzes zuganglich werden.^®^ Neuberger/Kompa (1987) definieren Untemehmenskultur als die „(...) Gesamtheit sowohl der manifesten soziokulturellen Gestaltungen (Sprache, Handlungsmuster, materielle Produkte) wie auch der diesen Manifestationen zu Grunde liegenden oder zugeschriebenen Begriindxingen (Werte, Normen, Regain, Wirklichkeitsauffassungen...). Kurz: Soziale Tat-Sachen und ihr Code." (Neuberger/Kompa 1987, S. 283) Diese Begriffsdefinition von Neuberger/Kompa integriert zwei verschiedene Forschungsrichtungen innerhalb der Kulturforschung, die Untemehmenskultur zum einen als so genanntes „pattem of bahavior", d.h. als Verhaltensmuster der Organisationsmitglieder (objektivistischer Kulturansatz), und zum anderen Untemehmenskultur als so genanntes „pattem for behaviour", d.h. als Orientiemngsmuster fur das Verhalten der einzelnen Organisationsmitglieder (individualistischer Kulturansatz), auffassen.^^^ •

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Objektivistischer Kulturansatz: Die Auffassung von Untemehmenskultur als Gesamtheit von wahmehmbaren Verhaltensmustem der Organisationsmitglieder wird durch den objektivistischen Forschungsansatz widergespiegelt.^^^ Nach diesem Ansatz umfasst die Untemehmenskultur alle wahmehmbaren Kulturleistungen eines Untemehmens. Damit

Vgl. Habermas (1987), S. 25ff., sowie Kem (1991), S. 14f Vgl.Widmaier(1991),S. 108. Vgl. Rasche (1986), S. 91, Heinen/Fank (1997), S. 25, und Bonig/Lehmann (2002), S. 132. Die DifFerenzierung dieser beiden Forschungsansatze ist fiir die sich anschlieBende Betrachtung der Moglichkeiten zur Informationserhebung erforderlich. Vgl. Heinen/Fank (1997), S. 15ff., Neuberger/Kompa (1987), S. 24f. Vgl. Heinen/Fank (1997), S. 15f.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements



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sind die typischen Muster der verbalen, interaktionalen und artifiziellen Manifestationen der Untemehmenskultur angesprochen.^®* Grundsatzlich konnen vier Formen der Manifestation von Kulturen unterschieden werden. Dies sind Objekte, die sich im Verhalten der Organisationsmitglieder niederschlagen („shared things"), wie beispielsweise einheitliche Kleidung oder ein bestimmter Dress Code, die Sprache („shared sayings"), wie etwa die gangigen Ausdrucksformen, Geschichten, Anekdoten oder Legenden, das Verhalten („shared doings"), wie die gangigen Umgangsformen, aber auch Routinen, Brauche, Rituale, Zeremonien, und schlieBlich Gefiihle („shared feelings"), wie Stolz, Euphorie oder Begeisterung fiir das Untemehmen.^'^'^ Durch diese manifesten soziokulturellen Charakteristika des Verhaltens der Organisationsmitglieder wird die spezifische Kultur eines Untemehmens sowie ein darauf basierendes „Wir-Gefuhl"^* entscheidend gepragt. Individualistischer Kulturansatz: Die Auffassung hingegen von Untemehmenskultur als Orientierungsmuster fur das Verhalten wird durch den individualistischen Forschungsansatz vertreten. Nach diesem umfasst Untemehmenskultur die mentalen, d.h. die kognitiven sowie psychischen Stmkturen der Mitarbeiter eines Untemehmens, die in ihrer Gesamtheit als „firm thinking" ^** bezeichnet werden konnen. Die Definition von Untemehmenskultur in diesem Forschungsansatz wird dabei auf die Gesamtheit der unternehmensbezogenen Werte, Normen und Einstellungen der einzelnen Organisationsmitglieder begrenzt^^^, die als „konstituierende Elemente" (Heinen 1997, S. 23) die Unternehmenskultur pragen. Werte, Normen und Einstellungen flingieren dabei als Leitbilder, die das Verhalten der Organisationsmitglieder in eine untemehmenskonforme Richtung steuem.^*^ Diese formen die sozialen Rollenerwartungen, die an einen Mitarbeiter von den anderen Organisationsmitgliedem gestellt werden.^*"* Die Kenntnis der herangetragenen Rollenerwartungen durch Ubereinstimmung der Werte, Normen und Einstellungen kann gerade in unklaren Entscheidungssituationen dazu beitragen, dass fiir die einzelnen Organisationsmitglieder „ein vager Korridor gemeinsamen Handelns existiert" (Pieper 1991, S.78). Die einzelnen Elemente einer Untemehmenskultur lassen sich dabei wie folgt charakterisieren und voneinander abgrenzen^^^: Werte stellen Gmndiiberzeugungen dar, die als allgemeine und leitende BeurteilungsmaBstabe fur Handlun-

Vgl.Kem(1991),S. 5 u n d S . 17. Vgl. Sathe (1985), S. 17ff., Kern (1991), S. 8, Staehle (1994), S. 487. Vgl. Rehn (1990), S. 257, sowie fiir eine branchenspezifische Perspektive Ringlstetter/Kaiser/Biirger (2004), S. 22. Zu diesem Terminus vgl. auch Gmiir/Klimecki/Litz (2003), S. 188. Vgl. stellvertretend Sathe (1985), S. lOf, Dill (1986), S. 64, Bleicher (1992), Sp. 2243, Sparrow/Hiltrop (1994), S. 219, Kristof (1996), S. 3. Vgl. Schein (1971b), S. 3, DeallCennedy (1982), S. 21, Rasche (1986), S. 91, Chatman (1991), S. 459. Vgl. Althauser (1982), S. 94. Rollenerwartungen konnen daher auch als ,JIandlungszumutungen" interpretiert werden. Vgl. Althauser (1982), S. 97. Zu den nachfolgenden Uberlegungen vgl. Deal/Kennedy (1982), S. 21ff., Widmaier (1991), S. 105f.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

gen flingieren.^^^ Trotz ihrer relativen Bestandigkeit sind Werte durch Erfahrungen grundsatzlich veranderbar und einem kritischen Diskurs zuganglich. Die Vermittlung untemehmensspezifischer Werte an einzelne Organisationsmitglieder findet im Rahmen des organisationalen Sozialisationsprozesses statt.^^^ Normen hingegen bauen auf den Werten auf und fungieren als Verhaltensmuster und -erwartungen, entlang derer sich das Individuum in seinem Denken und Handeln orientieren kann.^** Einstellungen als drittes konstituierendes Element der Untemehmenskultur setzen sich aus der Summe der mehrheitlich geteilten Grundiiberzeugungen der Untemehmensmitglieder zusammen. Dadurch stellen sie Verhaltenspradispositionen dar, die Kontrolle dariiber ausiiben, wie sich ein Individuum in bestimmten situativen Kontexten zu verhalten hat.^^' In der vorliegenden Arbeit wird die Auffassimg vertreten, dass eine losgeloste Betrachtung von kulturellen Artefakten gemaB dem objektivistischen Forschungsansatz einerseits und von Werten, Normen und Einstellungen gemafi dem individualistischen Forschungsansatz andererseits nicht sinnvoU ist. Denn schlieBlich stellen die von den Organisationsmitgliedem geteilten Werte, Normen und Einstellungen die Voraussetzung zum Verstandnis der kulturellen Artefakte dar. Anders ausgedriickt stellen Werte, Normen und Einstellungen die Erklarungsdeterminanten der wahmehmbaren Kulturmanifestationen dar. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit eine beide Forschungsansatze integrierende Definition von Untemehmenskultur, wie sie nach Neuberger/Kompa (1987) zitiert wurde, zu Grunde gelegt. Aufbauend auf einem solchen integrativen Verstandnis von Untemehmenskultur lasst sich festhalten, dass die Untemehmenskultur mit ihren Verhaltensmustem und konstituierenden Elementen auf organisationales Handeln bis zu einem gewissen Grad vereinheitlichend wirkt.^'^ Allerdings besitzt die Untemehmenskultur eines Untemehmens in der Regel keine unternehmensweite, konsistente Gultigkeit.^^* So stellen Sparrow/Hiltrop (1994) fest: , Although we usually talk about organizational culture in the singular, most organizations have multiple cultures - usually associated with different functional groupings or hierarchical classifications." (Sparrow/Hiltrop 1994, S. 222)

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Vgl. Heinen/Fank (1997), S. 23. Vgl. Heinen/Fank (1997), S. 23, so wie die Ausfiihrungen zur organisationalen Sozialisation in Kapitel II.2.1. Vgl. Opp (1983), S. 4, sowie vertiefend Wright (1979), S. 18ff., und Heinen/Fank (1997), S. 23ff, sowie Stock (2004a), S.787f Vgl. Pawlowski (1986), S. lOff., und Zimbardo (1992), S. 578f. Vgl. Schreyogg (1992), Sp. 1526. Dabei sind freilich nur jene Verhaltensmuster, Werte, Normen und Einstellungen fur die Untemehmenskultur relevant, die sich bei der Mehrheit der Organisationsmitglieder im Denken, Fiihlen und Verhalten tatsachlich niederschlagen und folglich kollektiven Status besitzen. Vgl. hierzu Deal/Kennedy (1982), S. 22, Chatman (1991), S. 460, und Fankhauser (1996), S. 178. Vgl. Staehle (1994), S. 487.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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So setzt sich eine Untemehmenskultur aus koexistierenden funktions- und ebenenbezogenen Subkulturen und Kontextgemeinschaften zusammen, die durchaus heterogener Natur sein konnen^^^, und erganzend zur iibergreifenden Untemehmenskultur zu berucksichtigen sind. (b) Das Phdnomen Subkulturen und Kontextgemeinschaften: Geht man zunachst auf das Verhaltnis der tibergeordneten Untemehmenskultur zu den koexistierenden Subkulturen eines Untemehmens ein, so fmdet sich in der Literatur hierfur der Begriff des „Hierarchieprinzips". Dieser beschreibt das Zusammenwirken von verschiedenen Subkulturen und der tibergeordneten Untemehmenskultur. Unterschiede zwischen den einzelnen Subkulturen konnen durch aufgabeninduzierte Unterschiede hervorgemfen werden, die zwischen verschiedenen Funktionsbereichen bestehen. Innerhalb eines Untemehmens konnen etwa eine spezifische Marketing-, eine F&E- oder eine Controllingsubkultur vorherrschen.^" Zudem konnen Subkulturen zwischen verschiedenen Hierarchieebenen existieren, beispielsweise eine spezifische Manager-, Angestellten- oder Arbeiterkultur. Auch innerhalb dieser Unterteilungen konnen sich zudem verschiedene Subkulturen herauskristallisieren.^^'* Die verschiedenen Subkulturen und deren Einbettung in eine tibergeordnete Untemehmenskultur sind in Abbildung 1-3 dargestellt. Funktionsbezogene Subkulturen/Kontextgemeinschaften "Marketingicultur!"'

tF&Ej. kultuih

"Cpntrojl&igktiltur'i "

Untemehmenskultur als „einbettender Rahmen^'

"Managenijentktiliur"

" Angestel jtenkijldir"

Ebenenbezogene Subkulturen/ Kontextgemeinschaften

"Arbeiteridiltur'

Abb. 1-3

222 223

Einbettung von Subkulturen in eine tibergeordnete Untemehmenskultur

Vgl. Sparrow/Hiltrop (1994), S. 222f., und Scholz (2000), S. 806. Vgl. Schmidt (1993), S. 136, Schmitz (1993), S. 79, Sparrow/Hiltrop (1994), S. 222f., Staehle (1994), S. 487f. Zu entsprechenden empirischen Ergebnissen vgl. Brockhoff (1989), S. 15ff., der von kulturellen „Harmoniest5rungen" zwischen Marketing- und F&E-Abteilungen spricht. So weist Dill darauf hin, dass mnerhalb der Managerkultur zwischen der Kultur des Top-, des mittleren und des unteren Managements zu differenzieren ist, da innerhalb dieser Managementebenen noch deutliche Unterschiede bezUglich Werte, Normen und Einstellungen vorliegen kOnnen. Vgl. Dill (1986), S. 235, und Sparrow/Hiltrop (1994), S. 222.

54

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Neben funktions- und ebenenbezogenen Subkulturen kann nicht zuletzt auch die raumliche Distanzierung zwischen verschiedenen Teileinheiten eines Untemehmens in verschiedenen Subkulturen resultieren.^^^ Die verschiedenen Subkulturen eines Untemehmens konnen durch Inkommensurabilitaten^^^ der einzelnen Kulturelemente gepragt sein, die zu Verstandnisproblemen zwischen Mitgliedem verschiedener Subkulturen sowie zu einer gewissen „kulturellen Abschottung" der einzelnen Subkulturen voneinander fuhren.^^^ Eng im Zusammenhang mit den Subkulturen eines Untemehmens ist die Existenz so genannter Kontextgemeinschaften zu sehen. Kirsch (1997a) definiert das Phanomen der Kontextgemeinschafl wie folgt: ,JDie Kontextgemeinschaft ist ein soziales System, dessen Mitglieder eine spezifische Lebens- und Sprachform teilen. Diese Lebens- und Sprachform konstituiert den Kontext, in dem diese Menschenfiihlen,denken, sprechen, Alltagsprobleme definieren, Werte und Interessen artikulieren usw." (Kirsch 1997a, S. 537). Mit anderen Worten teilen die Humanressourcen einer bestimmten Kontextgemeinschaft eine spezifische Lebens- und Sprachform, die es ihnen erleichtert, in wechselseitiger Verstandigung eine gemeinsame Aufgabe effektiv zu erfiillen.^^* Beispiele hierfiir stellen kontextspezifische Begriffe, Ansichten, Kriterien oder implizite „Selbstverstandlichkeiten" dar, die von den Mitgliedem einer Kontextgemeinschaft geteilt und in homogener Form interpretiert werden. Dagegen konnen zu anderen Kontextgemeinschaften Inkommensurabilitaten der Verstandniskontexte bestehen, die eine gegenseitige Verstandigung und Interaktion behindem konnen.^^' Innerhalb einer bestimmten Subkultur konnen verschiedene Kontextgemeinschaften existieren. Dabei ist anzunehmen, dass das Problem der Inkommensurabilitat von Verstandniskontexten eine Verscharfimg erfahrt, wenn Humanressourcen interagieren, die sowohl hinsichtlich des Funktionsbereichs als auch hinsichtlich ihrer hierarchischen Positionen verschiedenen Kontextgemeinschaften angehoren. (c) Generierung informatorischer Grundlagen iiber kulturelle Aspekte: Als Ansatzpunkte fiir die Generierung informatorischer Gmndlagen iiber kulturelle Aspekte, die das sozialkulturelle Arbeitsumfeld einer Stelle pragen, sind die dominierenden Verhaltensmuster sowie die konstituierenden Merkmale der Untemehmenskultur, respektive der Subkulturen und Kontextgemeinschaften heranzuziehen. Fiir die Analyse jener Ansatzpunkte kann auf Metho225 226

227 228 229

Vgl. Bleicher (1992), Sp. 2246, und Schreyogg (1992), Sp. 1531. Inkommensurabilitat heiBt, „(...) daB die Begriffe von Aussagen, denen ein Kontext A zu Grunde liegt, nicht logisch deduktiv auf Begriffe von Aussagen zuruckgefuhrt werden konnen, denen ein Kontext B zu Grunde liegt." (Ringlstetter 1997, S. 11). Vgl. hierzu auch Kirsch (1992), S. 9ff., sowie Ringlstetter (1995), S. 66ff. Urspriinglich kann der Begriff auf Kuhn in einer Veroffentlichung aus dem Jahr 1967 zuruckgefuhrt werden, vgl. hierzu auch Kuhn (1991). Dieser bezeichnete damit die Unvereinbarkeit verschiedener wissenschaftlicher Paradigmen. Vgl. Rehn (1990), S. 259. Vgl. Kaiser (2001), S. 104. Vgl. Kirsch (1997a), S. 537.

Teil I: Fit-Orientienmg als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

55

den der klassischen Sozialforschung, d.h. die verschiedenen Konzepte der Wert- und Einstellungsforschung zuruckgegriffen werden.^^^ Dabei ist in differenzierter Form bei der Erhebung der einzelnen Kulturelemente vorzugehen.^^^ •



Werte, Normen und Einstellungen, d.h. die Elemente des individualistischen Kulturansatzes, sind per se nicht beobachtbar und konnen nur iiber ihre jeweiligen Erscheinungsformen erschlossen werden.^"'^ So gilt es, deren spezifischen „Code" zu entschlusseln. Dafur bieten sich gmndsatzlich zwei verschiedene Vorgehensweisen an, die sinnvoll miteinander verkniipft werden konnen. Zum einen konnen Befragungen durchgefiihrt werden, in denen die Mitarbeiter gebeten werden, in direkter Form Angaben zu den vorherrschenden Werten, Normen und Einstellungen zu machen. ^^^ Zum anderen kann der „Code" aber auch durch Interpretation der vorgeflindenen Artefakte, Sprachdokumente, Sitten und Gebrauche entschliisselt werden. Dies entspricht einer indirekten Erhebung der Informationen uber die nicht beobachtbaren Elemente der Untemehmenskultur. Sprache, Umgangsformen, Rituale und Verhaltensweisen, d.h. die Elemente des objektivistischen Kulturansatzes, hingegen lassen sich mit dem Instrument Beobachtung ermitteln, indem nach RegelmaBigkeiten in den Sprachformen und sozialen Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder gesucht wird.^"'^ Bei diesen Elementen der Unternehmenskultur liegt kein zu entschlusselnder „Code" vor. Es geht vielmehr um die Identifizierung wiederkehrender Muster und RegelmaBigkeiten, die sich im Verhalten und der Sprache der Organisationsmitglieder widerspiegeln.

Die generierten Informationen iiber das sozial-kulturelle Umfeld einer Stelle sind in das Anforderungsprofil aufzunehmen, um darzulegen, welches Profil eines Placementkandidaten zur Erzielung eines sozial-kulturellen Fits erforderlich ist.

(3)

Betriebliche Entwicklungsmoglichkeiten

Nachdem Anforderungen, Inhalte und kulturelle Aspekte von Stellen als informatorische Grundlagen zur Erzielung eines fachlichen, motivationalen sowie sozial-kulturellen Fits im 230

231 232 233 234

235 236

Zur Erlautenmg und kritischen Darstellung der gangigen Methoden zur Werte- und Einstellungsforschung vgl. Gabele/Kirsch/Treffert (1977), S. lOff., Ulrich/Probst (1982), S. 14ff., Dill (1986), S. 235ff., Rosenstiel (1992), S. 355f und 358ff, sowie Fankhauser (1996), S. 219ff. Vgl. Scholz (2000), S. 810. Vgl. Kern (1991), S. 5. Vgl. Neuberger/Kompa (1987), S. 40. Zur Grundstruktur und zum Aufbau von Befragungsinstrumenten in diesem Kontext vgl. Neuberger/Kompa (1987), S. 4Iff., sowie zu einer differenzierten Darstellung einzelner Instrumente zur Analyse der Untemehmenskultur vgl. Tams/Oetting (2004), S. BOff. Vgl. Scholz (2000), S. 810. Zu ausfuhrlichen Uberlegungen und kritischen Anmerkungen zur Erfassung der Untemehmenskultur vgl. Kern (1991), S. 19ff., sowie Neuberger/Kompa (1987), S. 40ff.

56

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Mittelpunkt der Betrachtung standen, ist dariiber hinaus eine Analyse der betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten erforderlich. Diese werden fur die Herstellung eines stelleniibergreifenden Karriere-Fits benotigt. Die betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten leiten sich aus dem Moglichkeitenraum fur das Placement ab. Letzterer wird durch die organisatorische Stellenstruktur des Untemehmens determiniert, die sich aus der Summe der existierenden Stellen zusammensetzt. Eine organisatorische Stelle ist als eine auf Dauer angelegte Aufgabenmenge zu verstehen, die einer fiktiven oder konkreten Person zugeordnet werden kann. Eine Stelle stellt die kleinste organisatorische Einheit dar und grenzt den Kompetenzbereich fur den jeweiligen Aufgabentrager ab. Somit ist die Stelle als Aufgabenkomplex einer einzelnen Humanressource anzusehen.^^^ In einer Stelle konkretisieren sich die formal en Rollenerwartungen, die das Untemehmen an ein Organisationsmitgliedrichtet.^^*Dabei ist zu beachten, dass die Stellenstruktur eines Untemehmens grundsatzlich variabel ist und dynamischen Veranderungen im Zeitablauf unterliegt. Das heiBt, dass Stellen neu geschaffen, zusammengelegt oder gestrichen werden konnen, wodurch es zu Veranderungen der betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten kommt. Fiir die antizipative Planung von Stellenabfolgen und das Angebot realisierbarer Laufbahnen sind folglich Informationen dariiber erforderlich, welche Stellen gegenwartig (a) sowie auch zukiinftig (b) im Untemehmen existieren, d.h. wie der Moglichkeitenraum fur das Placement gegenwartig aussieht und wie er sich verandem wird. (a) Vorhandene Stellenstruktur des Untemehmens: Um zu einer umfassenden Ubersicht iiber die vorhandenen Stellen des Untemehmens zu gelangen und damit Informationen iiber die Gestalt des Moglichkeitenraums zu erhalten, bietet es sich in einem ersten Zugriff an, auf das Prinzip der klassischen Aufgabenanalyse und -synthese zuriickzugreifen.^^' Die prinzipielle Vorgehensweise bei der Aufgabenanalyse und -synthese ist in Abbildung 1-4 dargestellt.

^^"^ "* "'

Vgl. Rvistmann (1999), S. 16. Vgl. Picot (1993), S. 125. Vgl. Kosiol (1976), S. 42ff., Picot (1993), S. 124f, sowie Ringlstetter (1997), S. 58ff., fur erganzende kritische Anmerkungen.

57

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Stellenstruktur als MOglichkeitenraum fUr das Placement

I Elementaraufgabe li H

Elementaraufgabe II

Stelle la 1

1

TeilStelle lb 1 1 J1 einheit 1

1

M h

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Gesamtorganisation

HJ

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Aufgabenanalyse: Zerlegung der Gesamtaufgabe in

Aufgabensynthese: Bildung von Stellen und^

Teil- und Elementaraufgaben

Einordnung in die Gesamtorganisation

Abb. 1-4

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Der Stellenbildungsprozess in der Aufgabenanalyse und -synthese (Quelle: verandert ubernommen aus Ringlstetter 1997, S. 59)

Das Ziel der Aufgabenanalyse und -synthese ist in der Systematisierung des oftmals unbewussten und ungesteuerten Prozesses der Stellenbildung zu sehen.^"*^ In der Aufgabenanalyse wird zunachst die Gesamtaufgabe der Organisation in verschiedene Teilaufgaben zerlegt. Dieses Verfahren kann prinzipiell so oft iterativ angewandt werden, bis eine Dekomposition der einzelnen Teilaufgaben in nicht mehr weiter zerlegbare Elementaraufgaben vorliegt. In der sich anschlieBenden Aufgabensynthese werden aus diesen Elementaraufgaben zweckmaBige Aufgabenkomplexe gebildet, die den einzelnen Stellen zugeordnet werden.^"** Das Ergebnis ist eine recht abstrakte Ubersicht iiber die existierenden Aufgaben und Stellen im Untemehmen.^« Der klare Vorzug dieser Vorgehensweise ist in der Schaffting einer ubergreifenden Gesamtperspektive iiber alle vorhandenen Stellen im Untemehmen zu sehen. Allerdings konnen freilich so nur Stellen abgebildet werden, die auf Basis der bestehenden Gesamtaufgabe des Untemehmens gebildet werden. Angesichts einer zunehmenden Umweltdynamik ist jedoch davon auszugehen, dass die Gesamtaufgabe und die sich daraus ableitenden Elementaraufgaben und Aufgabenkomplexe Veranderungen unterliegen. Daher ist es zweckmafiig, erganzend eine proaktive Analyse durchzufuhren, um Informationen zu generieren, wie sich die Anzahl

240 241 242

Vgl. hierzu Nordsieck (1932), S. 27. Vgl.Bleicher(1991),S.35. Zu vertiefenden Erlauterungen zum Prinzip der Aufgabenanalyse und -synthese vgl. Ringlstetter (1997), S. 58f.

58

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

der Stellen, die Stellenstruktur und damit die betrieblichen Entwicklungsmoglichkeiten zukunftig verandem werden. (b) Zukiinftige Stellenstruktur des Unternehmens: Fur die Durchfiihrung einer proaktiven Analyse iiber die Gestalt der zukiinftigen Stellenstruktur ist es sinnvoll, auf geeignete Arenen zuruckzugreifen, die sich zur Identifikation zukunftiger Strukturveranderungen eignen. Derartige Arenen lassen sich beispielsweise durch Veranstaltungen in Untemehmensuniversitaten^"*^ mit personeller Besetzung aus alien Untemehmensbereichen institutionalisieren. Ebenso bieten sich fur diesen Zweck auch groBzahlige Open Space-Sitzungen an.^"*"* In derartigen Arenen wird der intensive Dialog unter den Teilnehmem aus alien Untemehmensbereichen gefordert und die Moglichkeit zum teileinheitsubergreifenden Informationsaustausch geboten.^"*^ Des Weiteren zeichnen sich solche Veranstaltungen durch eine besondere Eignung aus, Uberschneidungen und Synergiemoglichkeiten zwischen unterschiedlichen Untemehmensbereichen aufzuzeigen, die sich auf eine sinnvolle Stellenbildung und -schneidung auswirken konnen. Dadurch kann auch die Neubildung oder die Zusammenlegung von Stellen initiiert werden. Die Ergebnisse einer solchen proaktiven Analyse lassen sich dann in die dargestellte Vorgehensweise der Aufgabenanalyse und -synthese integrieren. So lasst sich in antizipativer Form ein Uberblick dariiber entwickeln, wie sich der Moglichkeitenraum und damit auch die realisierbaren Entwicklungsmoglichkeiten fur die Humanressourcen verandem werden.

Fur detailliertere Informationen zu Untemehmensuniversitaten, die oftmals auch als Corporate Universities bezeichnet werden, vgl. stellvertretend Meister (1998), NeumannA^ollath (1999), Sattelberger (1999), S. 22Iff., sowie Schwertfeger (2004). Derzeit existieren in Deutschland ca. 80 Untemehmensuniversitaten. Den Anfang machte 1998 die Lufthansa AG mit ihrer Lufthansa School of Business. Im Jahr 2003 betrieben bereits 16 der Dax-30-Untemehmen eine Untemehmensuniversitat. Zu diesen Daten vgl. Schwertfeger (2004), S. 30. Unter Open Space wird ein GroBgruppenverfahren verstanden, bei dem 20 bis 1000 Menschen an einem bestimmten Thema bzw. an einer Problemlosung arbeiten. Die Open Space-Methode wurde Mitte der 80er Jahre in den USA von Harrison Owen, einem Organisationsberater, entwickelt. Ausgehend von der Beobachtung, dass auf Kongressen ein intensiver Austausch von Wissen und Problemlosungsansatzen verschiedener Teilnehmer in den Kaffeepausen stattfmdet, hat Owen den Prozess der unstrukturierten Kaffeepause analysiert, um daraus Schliisse fur die systematische Gestaltung eines multipersonalen Wissens- und Problemlosungsaustauschs zu Ziehen. Ergebnis ist die Open Space-Methode, die nach dem Kemprinzip der Selbstorganisation konzipiert ist. Vorgegeben wird lediglich die Fragestellung der Veranstaltung, beispielsweise wie sich die Stellenstruktur des Unternehmens im nachsten Jahr verandem wird. Den Teilnehmem der Open Space-Veranstaltung wird eine zeitliche Stmkmr vorgegeben, die einen reibungslosen Ablauf sicherstellen soil. Jeder Aspekt, der von einem Teilnehmer ftir relevant erachtet wird, wird thematisiert, sofera der Teilnehmer die Diskussion dieses Aspektes in die Hand nimmt und weitere Interessenten von der Relevanz des Aspektes iiberzeugen kann. Die Open Space-Methode eroffhet durch die Moglichkeit des Einbezugs einer groBen Anzahl von Teilnehmem den Riickgriff auf eine groBe Ressourcenbasis an Wissenstragem sowie Raum ftir kreative Prozesse und innovative Losungsansatze. Vgl. stellvertretend Owen (1997), Maleh (2000), WitthausAVittwer (2000), Bottger (2001). Vgl. Kaiser (2001), S. 157f

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

1.2.2

59

Schaffung informatorischer Grundlagen iiber das „Profil des Schliissels"

Nachdem in den vorangegangenen Ausfiihrungen die einzelnen „Profilelemente des Schlosses" im Mittelpunkt der Betrachtung standen, wendet sich der Analysefokus der nachfolgenden Uberlegungen den einzelnen „Profilelementen des Schliissels" zu, die quasi als informatorisches Gegenstuck zu den bisherigen Ausfuhrungen fungieren. Wie aus dem Fit-Modell in Abbildung I-l hervorgeht, wird das Profil des Schlussels gepragt durch die Leistungsfahigkeit (1), die arbeitsbezogenen Bediirfiiisse, Werthaltungen und Einstellungen (2), sowie durch die dominierenden Karriereorientierungs- und -motivationstypen der Humanressourcen (3). Diese „Profilelemente des Schlussels" werden im Folgenden in der genannten Reihenfolge dargestellt und erlautert. Analog zu den vorangegangenen Ausfuhrungen sind dabei auch die Moglichkeiten zu betrachten, die zur Informationserhebung iiber die einzelnen Profilelemente geeignet sind. Fiir die Generierung von Informationen iiber die Leistungsfahigkeit der Humanressourcen existieren spezifische Ermittlungsmethoden, die im Anschluss an die Erlauterungen zur Leistungsfahigkeit dargestellt werden. Hingegen lassen sich zur Aufdeckung von Informationen iiber arbeitsbezogene Bediirfhisse, Werthaltungen sowie individuelle Karriereplane der Humanressourcen iibergreifende Informationsbeschaffungs-Tools identifizieren, die fiir jene ^Profilelemente des Schliissels" in einem sich anschlieBenden vierten Schritt in zusammengefasster Form dargestellt werden (4).

(1)

Leistungsfahigkeit der Humanressourcen

Zur ErfuUung der fachlichen Anforderungen einer Stelle ist eine entsprechende Leistungsfahigkeit des Stelleninhabers erforderlich. Dabei ist die Leistungsfahigkeit ein nicht-triviales Konstrukt, das sich aus verschiedenen Einzelkomponenten zusammensetzt. Zunachst werden die einzelnen Komponenten der Leistungsfahigkeit einer differenzierten Betrachtung unterzogen (a). Dariiber hinaus ist zu berucksichtigen, dass die Leistungsfahigkeit keine konstante GroBe darstellt, sondem vielmehr einer kontinuierlichen Weiterentwicklung unterliegt. Vor diesem Hintergrund ist erganzend zur Ermittlung der gegenwartigen auch eine Prognose der zukiinftigen Leistungsfahigkeit durchzufuhren (b). (a) Leistungsfahigkeit als nicht-triviales Konstrukt: Die Leistungsfahigkeit einer Humanressource setzt sich aus den drei Komponenten Fertigkeiten, Wissen und Fahigkeiten zusammen, die miteinander eng verkniipfl sind.^"*^ Unter Fertigkeiten wird die Gesamtheit von Bedingungen subsumiert, die fur die Bewaltigung eng umschriebener, spezifischer Aufgaben notwendig sind. Die Fertigkeiten einer Humanressource sind dabei eng an ihre Fahigkeiten gekniipft, unterscheiden sich jedoch dahin-

Vgl. Engelhard (1992), Sp. 1257.

60

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

gehend, dass sich Fahigkeiten grundsatzlich auf die Bewaltigung heterogener Aufgaben beziehen, wahrend Fertigkeiten einen starker aufgabenspezifischen Fokus einnehmen. ^^"^ Die Fahigkeiten und Fertigkeiten beziehen sich auf die Umsetzbarkeit des Wissens einer Humanressource. Unter Wissen werden alle theoretischen und praktischen Kenntnisse sowie Erfahrungen einer Humanressource subsumiert. Dabei wird im Allgemeinen zwischen tatigkeitsspezifischem (Fach- Oder Funktionswissen) und nicht-tatigkeitsspezifischem Wissen (Fiihrungs- bzw. Allgemeinwissen) unterschieden, wobei letzteres eine breitere Einsetzbarkeit der Humanressource zulasst.^'** Fahigkeiten als dritte Komponente der Leistungsfahigkeit umfassen die Gesamtheit aller psychischen Bedingungen, die zum Vollzug einer Tatigkeit notwendig sind. Dadurch ermogHchen sie den Erwerb von Fertigkeiten.^'*' Unterzieht man die Fahigkeiten einer Humanressource einer praziseren Betrachtung, so lassen sich fachHche, soziale und konzeptionelle Fahigkeiten differenzieren, deren relative Bedeutung fur einen Stelleninhaber mit der hierarchischen Stellung variiert.^^* Diese Veranderung der Gewichtung der einzelnen Fahigkeitskomponenten in Abhangigkeit der hierarchischen Position lasst sich anhand des so genannten „Three Skill Approachs" nach Kahn (1955) darstellen.

^^"^ ^^^ ^^^ ^^®

Vgl. Engelhard (1992), Sp. 1256. Vgl. Hungenberg (1990), S. 14. Vgl. Gebert/Rosenstiel (1992), S. 58. Vgl. Katz (1955), S. 33ff., und Sattelberger (1991c), S. 94.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

\ „conceptual skills" \ (Methodenkompetenz)

hoch

Hierarchische Position der Stelle

^j^^,

\ \

niedrig

61

„technical skills" (Fachkompetenz)

„human skills" (Sozialkompetenz)

\ \

\ \

Anforderungsgewichtung gemaB hierarchischer Position Abb. 1-5

Hierarchieabhdngige Anforderungsgewichtung der Fdhigkeits-klassifikationen nach Katz (Quelle: verdndert nach Sattelberger 1991c, S. 94)

Fachliche Fahigkeiten dienen der Bewaltigung konkreter, tatigkeitsspezifischer Aufgaben und umfassen beispielsweise allgemeines Generalisten- oder fachspezifisches Spezialistenwissen.^^* Soziale Fahigkeiten hingegen beziehen sich auf die Fahigkeit, sich situationsangemessen zu verhalten und Ziele in sozialen Interaktionssituationen realisieren zu konnen.^^^ Dies umfasst beispielsweise die Fahigkeit, mit Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitem, Kunden und ZuHeferem zusammenzuarbeiten, Beziehungen und Kontakte aufzubauen oder ein angenehmes Arbeitskhma zu schaffen.^^^ Konzeptionelle Fahigkeiten hingegen beziehen sich darauf, Informationen zu beschaffen und aufzubereiten, diese zielgerichtet im Arbeitsprozess einzusetzen, gegenwartige Handlungen und deren Konsequenzen auszuwerten und zukiinftige

251 252 253

Vgl. Stabler (1999), S. 93. Vgl. Sonntag(1989), S. 125.

Vgl. KOnig (1992), Sp. 2046, Wunderer/Dick (2002), S. 36Iff.

62

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Handlungen zu planen.^^^ So ist mit den konzeptionellen Fahigkeiten die erfolgsbezogene Umsetzung der Fachkompetenz angesprochen.^^^ Wie in Abbildung 1-5 dargestellt, ist grundsatzlich davon auszugehen, dass mit zunehmender hierarchischer Position die Anforderungen an eine Humanressource hinsichtlich ihrer konzeptionellen Fahigkeiten relativ an Bedeutung gewinnen werden, wahrend gleichzeitig die Anforderungsgewichtung hinsichtlich der erforderlichen Fachkompetenz relativ abnimmt. Letzteres basiert auf der Annahme, dass eine Fuhrungskraft mit zunehmender hierarchischer Position iiber entsprechend fachlich qualifizierte Mitarbeiter verfugt, die ihr als Experten beratend zur Seite stehen.^^^ Die relative Bedeutung der Sozialkompetenz hingegen kann grundsatzlich auf alien Hierarchieebenen als hoch eingestuft werden. Unterschiede sind freilich dahingehend zu identifizieren, dass sich soziale Fahigkeiten auf niedrigeren Hierarchieebenen starker auf den Umgang mit Kollegen innerhalb einer Arbeitsgnippe beziehen, wahrend auf hierarchisch hoheren Positionen starker Fiihrungsfahigkeiten im Umgang mit unterstellten Mitarbeitem angesprochen sind.^^^ (b) Ermittlung und Prognose der Leistungsjahigkeit: Zur Ermittlung der Beurteilung der gegenwartigen Leistungsfahigkeit und der zu Grunde liegenden Kompetenzen stehen grundsatzlich verschiedene Instrumente der Leistungsbeurteilung zur Verfugung.^^* Dabei ist den verschiedenen Instrumenten die zentrale Anforderung gemein, dass die beurteilte Leistung einer Humanressource anrechenbar so wie in vergleichbaren MaBstaben messbar ist, um objektive Leistungsbeurteilungen vomehmen zu konnen.^^' Die Ermittlung der Leistungsfahigkeit auf Basis von Leistungsbeurteilungen beruht meist auf vergangenheitsbezogenen Daten. Daher sind der Aussagefahigkeit der vergangenheitsbezogenen Leistungsbeurteilung fiir das Treffen von Fit-orientierten Placemententscheidungen fur zukiinftige Zielpositionen enge Grenzen gesetzt. Dies ist darauf zuriickzufuhren, dass eine voile Identitat der Anforderungen der neuen und der alten Stelle in der Regel nicht gegeben ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Humanressource nach einem Stellenwechsel mit neuen fachlichen oder sozialen Anforderungen konfrontiert wird. Die Ermittlung der Leistungsfahigkeit ist daher um eine Prognose der Leistungsfahigkeit und somit um eine Prognose des Entwicklungs- und Placementpotenzials

254 255 256 257

259

Vgl. Katz (1955), S. 34ff., sowie Kaiser (2001), S. 33f VglBisani (1995), S. 227. Vgl. Katz (1955), S. 37. Ein vergleichbarer, jedoch weniger differenzierter Ansatz zur Klassifikation der unterschiedlichen Kompetenzarten findet sich bei Meier (2004), der zwischen Fachkompetenz (,JExpert Skills") und Sozialkompetenz („Soft Skills") unterscheidet und dabei davon ausgeht, dass Fach- und Fiihrungskrafte mit zunehmender Hierarchieebene so genannte , Jlybrid Skills", d.h. eine Kombination aus anpassungsfahiger Fachund Sozialkompetenz aufweisen miissen. Zur detaillierteren Darstellung dieses Kompetenzansatzes vgl. Meier (2004), S.34ff. Zu einer detaillierten Darstellung zu den verschiedenen Moglichkeiten und Ansatzen der Leistungsbeurteilung vgl. Curth/Lang (1990), Stehle (1993), S. 176ff. Vgl. Drumm (2000), S. 110.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

63

fur weiterfiihrende Stellen mit hoheren Anforderungen zu erganzen.^^^ Die Potenzialbeurteilung stellt eine spezifische Form der Personalbeurteilung dar, die im Gegensatz zur Leistungsbeurteilung den Zukunftsaspekt der Qualifikation in den Vordergrund stellt.^^^ Eine moglichst genaue Prognose dieses Entwicklungspotenzials ist dabei fur ein Fit-orientiertes Placement in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Denn durch „(•.) unterschdtzte Karrierepotentiale werden vorhandene Ressourcen nicht genutzt. Durch iiberschdtzte Karrierepotentiale entstehen Fehlleistungen, die fiir die Fiihrungskrafte und fiir den Betrieb verhangnisvolle Folgen haben konnen." (Berthel/Koch 1985, S. 55, Hervorhebimgen Y.F.) Die Prognose des Entwicklungspotenzials besitzt dabei zwei Bezugspunkte. • •

Zum einen bezieht sich die Prognose auf das noch ojfene Potenzial. Damit sind die bereits vorhandenen, jedoch noch nicht aktivierten Fahigkeiten angesprochen. Zum anderen bezieht sich die Prognose auch auf das verborgene Potenzial. Dies umfasst die noch nicht ausgebildeten Fahigkeiten, von denen man jedoch annimmt, dass sie im Zeitablauf durch entsprechende EntwicklungsmaBnahmen noch aktivierbar sind.

So lassen sich durch die Prognose der Leistungsfahigkeit Informationen dariiber gewinnen, wie das Fahigkeitspotenzial der Humanressourcen zur Ubemahme kunftiger Folgepositionen einzuschatzen ist.^**^ Dabei ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Ahnlichkeit des Anforderungsprofils zwischen der alten und der neuen Stelle der Verlasslichkeitsgrad der Prognose steigt.^^ Ein in der Praxis weit verbreitetes und bewahrtes Instrument zur Analyse des Entwicklungspotenzials stellen auf diesen Zweck ausgerichtete Assessment-Center, Expertenurteile der Fiihrungskrafte, sowie Mitarbeitergesprache dar. Die Informationen iiber das Entwicklungspotenzial der Humanressourcen sind erganzend zu den Daten der gegenwartigen Leistungsbeurteilung zu dokumentieren, um potenzielle Placementkandidaten fur spatere Zielpositionen im Rahmen einer langfristigen Laufbahnplanung identifizieren zu konnen.

(2)

Arbeitsbezogene Bediirfnisse, Werthaltungen und Einstellungen

Es ist nicht selbstverstandlich, dass Humanressourcen trotz fachlicher Eignung entsprechende Leistungen auf ihrem Arbeitsplatz erbringen. Sie miissen auch zur Erbringen der Leistung 260 261 262 263 264

Vgl. Mentzel (1994), S. 83, Schanz (2000), S. 519. Vgl. Becker (1991), S. 65, sowie fur eine umfassende Darstellung Kleinmann/StrauB (1998). Vgl. Becker (1991), S. 65f, Hilb (2000), S. 139. Vgl.Herrwig(2001), S. 235. Vgl. Eckardstein (1969), S. 90f, sowie Seeker (1972), S. 94. Fiir Instrumente zur Prognose der Leistungsfahigkeit vgl. stellvertretend Berthel/Koch (1985), S. 87fr. Fiir eine kritische Darstellung dieser Potenzialanalyseinstrumente fur spatere Stellenbesetzungsentscheidungen vgl. Becker (1991), S. 63ff., Kieser (1993), S. 407f, Schuler (1993), S. 129ff, Scholz (2000), S. 508f., Herrwig (2001), S. 235, sowie HeringmionneBen (2003), S. 22fr.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

motiviert sein. Denn erst Motivation ermoglicht Leistungsverhalten, das zu entsprechenden Arbeitsleistungen fuhrt.^^^ Dieser Zusammenhang lenkt das Interesse auf eine Betrachtung, wie arbeitsbezogene Motivation entsteht und wie sie beeinflusst werden kann. Motivation ist an die Befriedigung individueller Bediirfhisse der Mitarbeiter gekoppelt. Diese Bediirfhisse wiederum werden von den individuellen Werthaltungen und Einstellungen beeinflusst.^^^ Daher ist eine integrative Betrachtung arbeitsbezogener Bediirfhisse, Werthaltungen und Einstellungen sinnvoll. Bediirfhisse, Werthaltungen und Einstellungen von Mitarbeitem sind als arbeitsbezogene Personlichkeitseigenschaften aufzufassen, die in verschiedenen Situationen und zu verschiedenen Zeitpunkten eine Vielzahl von charakteristisch konsistenten Verhaltensmustem bei der Arbeit beeinflussen.^^ Zunachst konzentrieren sich die nachfolgenden Erlauterungen auf die Analyse arbeitsbezogener Bediirfhisse (a). Daran schliefit sich eine Analyse der arbeitsbezogenen Werthaltungen und Einstellungen an (b). (a) Analyse arbeitsbezogener Bediirfiiisse: Jede Humanressource besitzt ein individuelles „Set" an arbeitsbezogenen Bedurfhissen. Zur Schaffling eines theoretischen Grundverstandnisses iiber die arbeitsbezogenen Bediirfhisse bietet es sich an, auf Motivationstheorien der Organisationspsychologie zuriickzugreifen, die das Zustandekommen des theoretischen Konstrukts Motivation erklaren und die Bediirfhisse der Mitarbeiter als Grundelemente der Motivation in den Mittelpunkt riicken.^^' Um sich dem recht komplexen Konstrukt arbeitsbezogener Motive anzunahem, um daraus konkrete Ansatzpunkte fur die Herstellung eines motivationalen Fits abzuleiten, erscheint es sinnvoll, eine Herangehensweise zu wahlen, die nach den Determinanten arbeitsbezogener Motive fragt. Es geht folglich nicht um inhaltlich konkretisierte Motive, sondem um motivationsbeeinflussende Faktoren, die in ihrer Struktur im Zeitablauf weniger variieren und die Gesamtheit heterogener Motive abdecken. Fiir den Untersuchungskontext lassen sich zwei grundlegende Ansatze der Motivationsforschung zur Analyse arbeitsbezogener Bediirfnisse identifizieren. •

266 267 268 269

Hierarchische Bediirfhistheorien: Zum einen sind dies Theorien, bei denen die arbeitsbezogenen Bediirfhisse der Menschen in hierarchischer Weise angeordnet werden. Diesem Ansatz entspricht die viel beachtete Bediirfhishierarchie von Maslow (aa).

Vgl. die entsprechenden Ausfuhmngen zur Will-Skill-Matrix in der Einfiihrung dieser Arbeit. Vgl. Scholz (2000), S. 332. Vgl. Schein (1971c), S. 412f, Stetter (1999), S. 88, sowie Zimbardo (1992), S. 398. Ein Blick in die relevante personalwirtschaftliche und arbeitspsychologische Literatur zur Motivationsforschung zeigt, dass die Begriffe arbeitsbezogene ,3edurfhisse" und ,>Iotive" weitgehend synonym verwendet werden. Dies lasst sich darauf zuriickzufuhren, dass beide mehr oder weniger den Wunsch bzw. das Streben nach Erreichung eines individuellen Befriedigungszustandes ausdriicken. Allerdings gehen viele Psychologen davon aus, dass Bediirfhisse den Motiven rangmafiig vorgeordnet sind. Zur Vertiefung dieser Problematik vgl. stellvertretend Heckhausen (1980), S. 24ff., sowie Lattmann (1982), S. 105ff. Da eine genauere analytische Trennung der beiden Termini im Kontext des Untersuchungsziels der vorliegenden Arbeit keinen zusatzlichen Informationsgehalt generieren wurde, werden beide Begriffe synonym verwendet.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements



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Nicht-hierarchische Bediirfiiistheorien'. Der andere Ansatz hingegen umfasst Bediirfhiskonzepte nicht-hierarchischer Struktur, die von einem gleichzeitigen Auftreten verschiedener Motive ausgehen. Diesem Ansatz entspricht die bekannte Zwei-FaktorenTheorie von Herzberg (ab).

Sowohl den hierarchischen als auch den nicht-hierarchischen Bediirfhistheorien ist gemein, dass sie menschliche Bediirfhisse analysieren, die ein bestimmtes Verhalten verursachen. Auf beide Ansatze von Bediirfhistheorien mit den entsprechenden Konzepten wird im Folgenden naher eingegangen.^^^ (aa) Die Bediirfhishierarchie von Masiow^^^ aus dem Jahr 1943 bildet in weiten Teilen noch immer die Grundlage der betriebswirtschaftlichen Theorien und der organisatorischen Praxis in Bezug auf die Analyse und hiterpretation von arbeitsbezogenen Motiven und Bediirfhissen von Humanressourcen. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der anhaltenden Prasenz und Rezeption der Maslowschen Theorie in praxisnahen VerofFentlichungen wider.^'^^ Statt unsystematisierte Motivlisten zu erstellen, um die Bedurfhisse des Menschen im Einzelnen transparent zu machen, hat Maslow verschiedene Motive zu Bediirfhisklassen zusammengefasst, die einer hierarchischen Ordnung unterliegen. Die Bediirfhishierarchie von Maslow wird dabei in der Regel in Form einer Pyramide dargestellt, in welcher die hierarchische Abfolge der Bediirfnisse graphisch veranschaulicht werden soll.^^^ Maslow fiihrt funf verschiedene hierarchische Bediirfhisklassen an.

Theorien im Rahmen des hierarchischen und des nicht-hierarchischen Ansatzes entsprechen den so genannten „Contenttheorien" der Arbeitsmotivationsforschung, d.h. es werden die Bediirfnisse analysiert, die das Verhahen von Menschen beeinflussen. Neben der angesprochenen Bedurfhistheorie nach Maslow sowie der Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg sind als weitere bekannte Vertreter auch Alderfers ERG-Theorie sowie McClellands Theorie der gelemten Bedurfhisse den „Contenttheorien" zuzuordnen. Diese werden im Rahmen der Arbeitsmotivationsforschung gegeniiber den so genannten ,J*rozesstheorien" abgegrenzt, die Theorien der Arbeitsmotivation darauf begriinden, wie Arbeitsverhalten energiert, gerichtet und beendet wird. Prozesstheorien allerdings eignen sich fur die angestrebte Systematisierung von arbeitsbezogenen Bedurfhissen im Kontext dieser Arbeit eher weniger und sollen daher nicht weiter vertieft werden. Zu weiteren Erlauterungen zu den einzelnen „Contenttheorien" sei fur einen Uberblick auf Maier (1980), S. 90ff., GebertHosenstiel (1992), S. 38fif., Rosenstiel (1993), S. 153ff., Kniehl (1998), S. 95ff., Scholz (2000), S. 878ff., sowie Weinert (1992), S. 263ff., verwiesen. Zu den Theorien im Einzehen vgl. Maslow (1943), (1954) und (1971), McClelland (1951), (1966) und (1987), Alderfer (1969) und (1972), sowie Herzberg (1995). Fur einen Uberblick zu den ,J»rozesstheorien" vgl. Porter/Lawler (1968), Campbell et al. (1970), Arvey/Mussio (1973), Gebert/Rosenstiel (1992), S. 50ff, Weinert (1992), S. 272ff. 271 272

Vgl. Maslow (1943) sowie Maslow (1954), (1971) und (2002). Nichtsdestotrotz fmdet in der Literatur auch eine durchaus kritische Bewertung des Konzepts von Maslow statt. So ergaben empirische Uberpriifungen, dass sich die Existenz der dargestellten Hierarchic von Bediirfnissen in der angenommenen Form empirisch nicht nachweisen lasst. Auf die einzelnen Kritikpunkte an dem Maslowschen Ansatz soil an dieser Stelle jedoch nicht naher eingegangen werden, da sein Modell lediglich zu einer Systematisierung von arbeitsbezogenen Bedurfhissen herangezogen werden soil. Zu vertiefenden Ausfuhrungen zu den einzehien Kritikpunkten sei stellvertretend auf Weinert (1992), S. 265f., verwiesen. Allerdings hat Maslow selbst in keiner seiner Veroffentlichungen eine streng hierarchische Anordnung der Bediirfnisse in Pyramidenform postuliert, die sich nur in der Sekundarliteratur fmdet. Zu einer entsprechenden Darstellung der Bediirfnishierarchie in Pyramidenform vgl. stellvertretend Hagen (1985), S.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements



Physiologische Bediirfhisse: Die Basis der fiinf Bedurfhiskategorien bilden physiologische Bediirfhisse wie etwa Essen, Trinken, Schlaf und Behausung.



Sicherheitsbediirfnisse: Die nachste Bediirfhisebene stellen Sicherheitsbediirfhisse wie die Freiheit vor Bedrohung und Existenznot dar. Bediirfhisse der Zugehorigkeit: Dem schliefien sich Bediirfiiisse der Zugehorigkeit und der Zuneigung wie beispielsweise Interaktion, Freundschaft und Liebe an. Bediirfiiisse der Achtung: Dem folgen Bediirfhisse der Achtung und der Wertschatzung, die einerseits die Selbstwertschatzung und andererseits die Wertschatzung durch andere umfassen. Bediirfiiisse der Selbstaktualisierung: Die letzte Ebene in der Hierarchie stellen Bedurfnisse der Selbstaktualisierung dar, sprich Bediirfhisse nach Selbstverwirklichung^^'*, Selbstrealisierung und der Aktualisierung des eigenen Potenzials. ^^^

• •



Nach Maslow stellen die vier erstgenannten Ebenen der Bediirfhishierarchie so genannte Defizit' Oder Mangelmotive dar. Sie gehorchen dem Prinzip der Homoostase, d.h. jene Bediirfiiisse werden nur im Fall eines Mangelzustandes aktiviert.^^** Durch Befriedigung der Defizitmotive wird Krankheit vermieden, allerdings fiihrt eine Befriedigung der Defizitmotive noch nicht unmittelbar zu Gesundheit. Gesundheit ist vielmehr erst dann gegeben, wenn das Wachstumsmotiv der Selbstaktualisierung befriedigt wird. Allerdings stellt die Befriedigung der Defizitmotive die Voraussetzung dafiir dar, dass sich das Selbstverwirklichungsmotiv aktualisiert. Femer geht Maslow davon aus, dass hohere Motive erst nach der Befriedigung von in der Hierarchie weiter unten liegenden Bediirfiiissen aktiviert werden. Nur das Selbstaktualisierungsmotiv kann prinzipiell nicht vollstandig befriedigt werden. ^^^ Ubertragt man die Theorie von Maslow in einen arbeitsbezogenen Kontext, sind zwei zentrale Kemaussagen fiir die weiterfiihrenden Uberlegungen von Bedeutung. • •

Grundsatzlich wirken sich arbeitsbezogene Bediirfhisse handlungsleitend und verhaltensbestimmend fur die Mitarbeiter eines Untemehmens aus. Dabei verandem sich Bediirfiiisse im Laufe eines beruflichen Lebenszyklus, d.h. es werden im Zeitablauf andere Bediirfhisse, bzw. andere Bediirfhiskategorien dominant, und bestimmen dadurch das arbeitsbezogene Verhalten.

Maslows Theorie menschlicher Bediirfhisse umfasst auBerst fundamental Uberlegungen, die mit einem hohen Abstraktionsniveau der Betrachtung menschlicher Bedurfhisse behaftet sind. 93, Rosenstiel (1992), S. 369, Nerdinger (1995), S. 39, Franken (1998), S. 17, Klimecki/Gmur (2001), S. 272, und Brooks (2003), S. 56. 274

"^ ^^"^

Kniehl (1998), S. 98, weist darauf hin, dass der Begriff „Selbstverwirklichung" aufgrund seiner umgangssprachlichen Verwendung irrefiihrend ist. Maslow verstand unter Selbstverwirklichung die Verschmelzung von ,3erz und Kopf, Vemunft und Instinkt, Kognition und Konation" (Gasiet 1981, S. 233). Vgl. zu kritischen Anmerkungen zu diesen Bedurfhiskategorien Weinert (1992), S. 264, sowie Striimpel/Scholz-Ligma (1992), Sp. 2338f. Vgl. Maslow (1977), S. 74ff. Vgl. Hagen (1985), S. 92 und S. 94.

Teil I: Fit-Orientienmg als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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Dadurch ist Maslows Theorie fur die Ableitung von konkreten Handlungsempfehlungen fiir den Umgang mit arbeitsbezogenen Bediirfhissen als gedankliche Ausgangsbasis geeignet. Diese ist um weitere Ansatze zu erganzen.^^* (ab) Die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg: Ein entsprechender Versuch, durch einen altemativen Zugang der Erforschung menschlicher Motive in konkreterer Form arbeitsbezogene Bediirfhisse von Humanressourcen zu identifizieren, wird von einigen Vertretem nichthierarchischer Bediirihiskategorien vorgenommen. Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie stellt die wohl popularste Theorie der Arbeitsmotivation dar.^*^ Wie in alien Bediirfnistheorien wird auch in Herzbergs Modell angenommen, dass alien Menschen ein bestimmter Satz an Grundbediirfhissen zueigen ist, nach deren Befriedigung gestrebt wird. Herzbergs Modell baut dabei explizit auf der von Maslow postulierten Bedurftiishierarchie auf. Anstatt jedoch wie Maslow von fiinf Bedurfhiskategorien auszugehen, verfiigen nach Herzberg Mitarbeiter iiber zwei Satze von Grundbedurfhissen, von denen sie in ihrem Verhalten beeinflusst werden.^*^ So differenziert Herzberg nach Bediirfhissen, die zur Zufriedenheit der Mitarbeiter beitragen („Motivatoren bzw. Satisfaktoren") und nach Bediirfhissen, die helfen, Unzufriedenheit zu vermeiden („Hygienefaktoren bzw. Dissatisfaktoren").^ •

Motivatoren umfassen nach Herzberg intrinsische Aspekte der Arbeit, d.h. Aspekte der Arbeit selbst, wie beispielsweise Arbeitserfolg, interessante Arbeitsinhalte, Verantwortung Oder auch Entwicklungsmoglichkeiten. Liegen positive Auspragungen dieser intrinsischen Aspekte der Arbeit vor, erzeugen sie bei den Mitarbeitem Zufriedenheit und bauen Motivation auf. Sind solche intrinsischen Aspekte der Arbeit hingegen nicht gegeben, rufl dies zwar keine hohe Unzufriedenheit hervor, jedoch werden die Organisationsmitglieder auch nicht motiviert.



Hygienefaktoren hingegen beziehen sich auf das Arbeitsumfeld, in dem eine bestimmte Arbeit erbracht wird und werden demnach auch als Kontextfaktoren bezeichnet. Da diese Faktoren sich auf Aspekte beziehen, die auBerhalb der eigentlichen Arbeitsleistung liegen, werden sie auch als extrinsische Faktoren bezeichnet. Beispiele fur derartige extrinsische Faktoren stellen die Arbeitsplatzsicherheit, interpersonelle Beziehungen zu

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Vgl.Kniehl(1998),S. 103. Vgl. hierzu und im Folgenden Herzberg/Mausner/Snyderman (1959), Herzberg (1978), S. 95ff., sowie Herzberg (1995), S. lOff. Vgl.Fuchs(1975),S.44. Vgl. Scholz (2000), S. 882ff. Im Gegensatz zu dem eher intuitiv getriebenen Forschungsansatz von Maslow folgt die nichthierarchische Motivationsforschung einer induktiven Vorgehensweise. Herzberg und seine Mitarbeiter identifizierten mit Hilfe der „Critical-Incident-Technik" leistungsbeeinflussende Faktoren im Untemehmen, um diese im Anschluss daran danach zu differenzieren, inwieweit die einzelnen Faktoren zu Zufriedenheit Oder Unzufriedenheit bei der Arbeit fiihren. Auf Grundlage von 16 groBzahligen Populationen formulierten Herzberg und seine Mitarbeiter schlieBlich ihre Zwei-Faktoren-Theorie, die auf der Identifikation von 16 EinflussgroBen basiert, die in Organisationen jeweils zu Zufriedenheit oder Unzufriedenheit beitragen. Vgl. hierzu Herzberg/Mausner/Snyderman (1959), S. 14ff., Herzberg (1978), S. 98ff., sowie Kniehl (1998), S. 108f

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Vorgesetzten und Kollegen, oder Art und Qualitat der Fiihrung dar. Liegen diese Faktoren in positiver Auspragung vor, dann wird Unzufriedenheit vermieden. Jedoch werden dadurch die Mitarbeiter auch nicht notwendigerweise motiviert. Ubertragt man Herzbergs Erkenntnisse in das Maslowsche Denkschema, dann konnen Hygienefaktoren als arbeitsbezogene Grundbedurftiisse angesehen werden, d.h. als Faktoren, die den Mitarbeiter in seinem Arbeitsumfeld „gesund" erhalten. Im Gegensatz dazu konnen Motivatoren als Bediirfhisse „hoherer Ordnung", d.h. des geistig-seelischen Wachsens und der Selbstaktualisiemng verstanden werden. Diese Bediirfhisse werden nur durch die Verrichtung der Arbeit selbst und nicht durch das Arbeitsumfeld eriullt.^*^ Fiir die weiteren Uberlegungen sind folgende zentrale Erkenntnisse der Theorien von Maslow und Herzberg festzuhalten. • • •

Zur Herstellung eines motivationalen Fits sind sowohl das soziale Arbeitsumfeld als auch die Arbeit selbst mit den Bediirfiiissen der Humanressourcen abzugleichen. Bediirfiiisse von Mitarbeitem verandem sich im Laufe ihres beruflichen Lebenszyklus und bediirfen daher einer regelmaBigen Erhebung. Dabei ist eine kompensatorische Wirkung der beiden Bediirfhisquellen auszuschliefien. Das bedeutet, dass grundsatzlich sowohl die Bediirfhisse hinsichtlich des Arbeitsumfelds als auch hinsichtlich der Arbeit selbst zu befriedigen sind.

(b) Werthaltungen und Einstellungen der Humanressourcen: Neben den arbeitsbezogenen Bediirfhissen sind femer auch die Werthaltungen und Einstellungen der Humanressourcen zu betrachten, um Ansatzpunkte fur die Herstellung eines sozial-kulturellen Fits zu identifizieren. Unter Werthaltungen der Humanressourcen sind im Allgemeinen innere FiihrungsgroBen zu verstehen, die als dauerhaftes und als wichtig wahrgenommenes Verhaltensleitbild fungieren und bewusst oder unbewusst das menschliche Verhalten mitbestimmen.^*'* Diese sind den Bereichen des Denkens und Verhaltens vorgelagert und beeinflussen die Praferenzen von Individuen fiir bestimmte Ziele.^*^ Werthaltungen konnen sich schlieBlich in individuellen sozialen Einstellungen manifestieren, die als Pradispositionen fiir individuelles Verhalten fiingieren und dieses pragen.^*^ Der Mensch tendiert dabei dazu, eine bestimmte „Palette" an

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Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg ist trotz ihrer breiten Rezeption auch intensiver Kritik ausgesetzt. Diese bezieht sich insbesondere auf die geringe Trennscharfe von Hygienefaktoren und Motivatoren, die einen gewissen Interpretationsspieh-aum fur die Einordnung „grenzwertiger" Faktoren zulasst. So kann beispielsweise das Entgelt entweder den Motivatoren oder den Hygienefaktoren zugerechnet werden, da es sowohl Zufriedenheit erzeugen, als auch Unzufriedenheit verhindem helfen kann. Femer wird auch eine mangelnde Beriicksichtigung der situationsabhangigen Wirkung von Hygiene- und Motivationsfaktoren kritisiert. Vgl. Drumm (2000), S. 449, Kniehl (1998), S. 1 lOf. Zur ausfuhrlichen Darstellung der Kritik an Herzbergs Theorie vgl. Campbell et al. (1970), S. 355fr. sowie S. 380ff., Crites (1976), S. 137f., Rosenstiel (1992), S. 80f., Drumm (2000), S. 450f. Vgl. Drumm (1995), S. 455, Lehnert (1996), S. 63. Vgl. Gabele/Kirsch/Treffert (1977), S. 2. Vgl. Becker/Kurtz (1991), S. 36, Hofbauer (1991), S. 48f Einstellungen lassen sich grundsatzlich in eine kognitive (meinungsbezogene), qffektive (emotional-wertende) sowie in eine hortative (intentionsbezogene) Dimension unterteilen. Zu vertiefenden Erlauterungen vgl. Herkner (1992), Sp. 792ff

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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Werthaltungen und Einstellungen iiber seinen beruflichen Lebenszyklus hinweg aufrechtzuerhalten, nachdem sie sich einmal wahrend Kindheit und Jugend ausgebildet haben. Es ist davon auszugehen, dass jede Humanressource ein individuelles Set an Werthaltungen und Einstellungen in sich tragt, das sich auf Basis der individuellen Erfahrungen herausgebildet hat. Das individuelle Wertesystem und die Einstellungen einer Humanressource pragen dabei entscheidend die Wahmehmung der Arbeitsumwelt sowie das arbeitsbezogene Verhalten.^*^ Die Beriicksichtigung individueller Werthaltungen und Einstellungen der Mitarbeiter bei der Gestaltung personalwirtschaftlicher Aktivitaten entspricht vom Grundgedanken her der Philosophic eines „werteorientierten Humanressourcenmanagements".^** Ziel eines solchen ist es, durch die Berucksichtigung von individuellen Werthaltungen und Einstellungen der Mitarbeiter bei personalpolitischen Entscheidungen einen „sinnvollen und tragbaren Ausgleich" (Dill 1986, S. 309) zwischen den Untemehmenszielen und den partikularen Zielen der Mitarbeiter zu finden.^*' Mit anderen Worten ist ein werteorientiertes Humanressourcenmanagement darauf ausgerichtet, in Abgleich mit den individuellen Werthaltungen und Einstellungen der Mitarbeiter differenzierte personalpolitische Entscheidungen zu treffen, indem letztere in harmonischer Form^^^ mit den Werthaltungen der Humanressourcen zusammengefuhrt werden. Ubertragen auf das Placement impliziert dies die Berucksichtigung der individuellen Werthaltungen und Einstellungen der Placementkandidaten, die in „harmonischer Form" in den neuen sozialen Arbeitskontext einzufuhren sind, um dadurch einen sozialkulturellen Fit zu fordem.

(3)

Individuelle Karriereplane

Arbeitsbezogene Bediirfnisse sowie Einstellungen und Werthaltungen einer Humanressource sind eng an individuelle Karriereorientierungen und -motivationstypen gebunden.^^^ Diese nehmen Einfluss darauf, wie sich individuelle stellenubergreifende Karriereplane der Humanressourcen herausbilden. Daher werden Karriereorientierung und -motivation in der Literatur auch als konstitutive Determinanten individueller Karriereplane bezeichnet. Sie spiegeln 287 288

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Vgl. Staehle(1994), S. 157. Die Idee eines solchen „werteorientierten Humanressourcenmanagements" ist auf die Konzeption von Wollert/Bihl (1983) zuriickzufuhren, die fur die BMW AG ein Personalkonzept entwickelt haben, in dem die Werte und Bediirfnisse der Mitarbeiter bei personalpolitischen Entscheidungen starker beriicksichtigt werden sollten. Die von der BMW AG mit der Einfuhrung eines solchen werteorientierten Personalmanagements verfolgte Zielsetzung wurde in der Steigerung der Leistungsfahigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter gesehen. Vgl. hierzu Wollert/Bihl (1983a) und (1983b) sowie Bihl (1995). So ist ein werteorientiertes Humanressourcenmanagement primar als eine okonomische, nicht ethische Managementphilosophie zu verstehen. Zu weiterfuhrenden Uberlegungen vgl. Dill (1986), S. 309ff., Strumpel/Scholz-Ligma (1992), Sp. 2346f., Buhner (1994), S. 39, sowie Widmaier (1991), S. 122f Vgl. Wollert/Bihl (1983a), S. 156. Zu dieser Begriffsverwendung in diesem Kontext vgl. Uhich/Probst (1982), S. 11, Widmaier (1991), S. 122. Vgl. Hungenberg (1990), S. 37f., und Schanz (2000), S. 511. Vgl. Weitbrecht (1992), Sp. 1116., Stetter (1999), S. 79.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

die karrierebezogenen Entwicklungsbediirfhisse und somit die Wiinsche und Vorstellungen der Humanressourcen hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Karriere und der Abfolge einzelner Karriereschritte wider.^'^ Unter individuellen Karriereplanen ist die Planung sowie die antizipative Vorbereitung aneinandergereihter Karriereschritte zu verstehen, die der Realisierung eines bestimmten, individuellen Karriereziels dienen.^^'* Die Karriereorientierung als eine der beiden Determinanten individueller Karriereplanung umfasst die dominierenden Karriereziele eines Individuums. Dagegen ist unter Karrieremotivation die Intensitat des individuellen Karrierestrebens zu verstehen, die sich im Zeitablauf wandeln kann.^^^ Individuelle Karriereorientierung und -motivation als Grundlage individueller Karriereplane nehmen Einfluss darauf, welche Stellenabfolge sich mit den individuellen Karriereplanen deckt. Vor diesem Hintergrund stellen sie Ansatzpunkte fur die Herstellung eines stelleniibergreifenden Karriere-Fits dar. Zunachst werden im Folgenden unterschiedliche Typen von Karriereorientierungen naher analysiert (a). Daran anschlieBend werden verschiedene Karrieremotivationstypen naher betrachtet (b). (a) Karriereorientierungen: Individuelle Karriereorientierungen sind als Resultante der von den Humanressourcen selbst wahrgenommenen Karriereziele, Werte und Leistungsfahigkeit anzusehen.^'*' Dabei stellen Karriereorientierungen relativ iiberdauemde Muster an interpretativen, evaluativen und aspirativen Schemata eines Individuums in Bezug auf die eigene Karriere dar^'^ und beschreiben den Anreizcharakter, den verschiedene Karriereentwicklungsmoglichkeiten fur eine Humanressource besitzen.^'* Die Beriicksichtigung von Karriereorientierungen ist fur die Gestaltung von Laufbahnen von erheblicher Bedeutung, da „(...) eine neue Karrierestation als Misserfolg erlebt [wird; Y.F.], wenn sie nicht der personlichen Karriereorientierung bzw. Erwartung hinsichtlich der betrieblichen Karrieregelegenheiten entspricht." (Berthel 1987, Sp. 1190, Hervorhebung Y. F.) Vor diesem Hintergrund kann die Nichtbeachtung der individuellen Karriereorientierung einer Humanressource bei der Planung vorgesehener Stellenabfolgen zu einer kognitiven Dissonanz^'^ fuhren. Damit wird ein Zustand umschrieben, der auf einem Widerspruch zwischen

293 294 295 296 297 298 299

Vgl.Mentzel(1994),S.43. Vgl. Maier (1980), S. 18, und Weitbrecht (1992), Sp. 1114, sowie die entsprechenden Ausfiihrungen zur individuellen Karriereplanung in Abschnitt II. 1.1. Vgl. Schanz (2000), S. 511, sowie analog Meyer/Reber/Tichy (1987), Sp. 1520. Vgl. Berthel (1987), Sp. 1188, sowie Porter/Lawler/Hackmann (1975), S. 195ff. Vgl. analog Niederfeichtner (1982), S. 21ff. Vgl. Brehm (1998), S. 106f. Der Begriff der kognitiven Dissonanz lasst sich auf Festinger (1957) zuruckfiihren. Die Dissonanztheorie kann heute als eine der bedeutendsten und am haufigsten thematisierten Theorien innerhalb der sozialpsychologischen Forschung angesehen werden. Die Theorie zahlt dabei zur Gruppe der Konsistenztheorien, die auf der Grundannahme basieren, dass Menschen grundsatzlich bestrebt sind, ihre Uberzeugungen, Meinungen, Werthaltungen, Wahmehmungen und Verhaltensweisen moglichst widerspruchsfrei zu organisieren. Fiir einen Uberblick iiber Inhalt und Anwendungsgebiete der Dissonanztheorie vgl. Osnabriigge/Frey (1987), Sp. 147ff., Brandenberg (2001a), S. 108ff., FreyAVeidemann (1992), Sp. 727ff Zu aus-

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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zwei kognitiven Elementen, in diesem Kontext zwischen individueller Karriereorientierung und Karrieregelegenheit, basiert. Dieser Zustand erzeugt bei der Humanressource den Druck^®^, die kognitive Dissonanz zu verringem.^®^ Dies kann durch die Eliminierung eines der widerspriichlichen Elemente aus dem kognitiven System gelingen^^^, indem die Humanressource beispielsweise zu einem anderen Arbeitgeber wechselt, der ihr passendere Karrieremoglichkeiten anbietet. Grundsatzlich ist von einer hohen Heterogenitat und Variabilitat individueller Karriereorientierungen auszugehen.^^"' Anhand potenzieller Karriereziele lassen sich jedoch Systematisierungen der unterschiedlichen Karriereorientierungen vomehmen. Fiir diesen Zweck bietet sich ein Blick in die organisationspsychologische Literatur zu den gangigen Eigenschaftstheorien an."'^^ Als bekannte Vertreter der gangigen Eigenschaftstheorien kann auf die Theorien von Holland (1973), DeLong (1982) sowie Schein (1968; 1995) zunickgegriffen werden. Abbildung 1-6 bietet eine Ubersicht iiber die genannten Eigenschaftstheorien sowie die identifizierten Karriereorientierungen an.

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fuhrlichen Erlauterungen zur Theorie der kognitiven Dissonanz sowie zu ihrer theoretischen Entwicklung vgl. Festinger (1978), S. 274ff. Festinger (1978) weist darauf hin, dass die Starke des Drucks zur Reduktion der kognitiven Dissonanz eine Funktion der Starke der bestehenden kognitiven Dissonanz darstellt. Vgl. Festinger (1978), S. 256. Vgl. hierzu Festinger (1957), S. 18ff., sowie Festinger (1978), S. 17 sowie S. 256. Vgl. Festinger (1978), S. 256, Osnabriigge/Frey (1987), Sp. 147f., Drescher (1993), S. 33. Vgl. Stetter (1999), S.80ff. Eigenschaftstheorien werden auch als „Trait-Factor-Theories", „Career-Logics" oder als „eigenschaftsbezogene Zuordnungsansatze" bezeichnet, die im Allgemeinen zur Bestimmung von Personlichkeitsmerkmalen herangezogen werden. Folglich beschreiben sie Personlichkeitsbilder, die auf organisatorische Situationen - in diesem Kontext die Bestimmung von Karriereorientierungen - iibertragen werden konnen. Vgl.Lehnert(1996),S. 65.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

\ , ^ ^ Vatreter/Eigdi^Nschaflstheorien Holland (1973)

DeLong (1982)

Schein (1968; 1995)

Aufsti egsorientierung

Entaiprutttg

Mantgcntl Compttence

Management' Kompetenz

Spezialisierung



Technictl ComptUnce

Ttchniicbfunktional* Kofflpetanz Autonomii/ Unabhangigtceit

Auspragun^s,^^ derKarriere- ^ v orientierung ^s^^^

Autonomic

Invettigativ*

Autonomy

Sicheiiieitsorienti erung

Conrmtiontl/ RealMtic

Safety/

Kreativitat/ Untemdimertum

InyaitigatiTe/ Aitiitic

Craativity

llntemehmehf che Kreatmtit

Zugehdrigkeit/ Soziale Orientierung

Soaal

Idantity



Berthel/Koch(1985) Gouldner(1957)

„Cosmopolitans" ,J^ocals"

Sicheiheit/ Stabilittt

Serviceorientiening/ Weltverbesserer



Serrict

(Ahxvufmuf)

Herausforderung



Variety

(Totalc HarauaFofdemn^

Life Style





(Integration dee LebentStili)

Abb. 1-6 Uberblick iiber Eigenschaftstheorien und Karriereorientierungen in der Literatur

Bel der Betrachtung der einzelnen Vertreter der Eigenschaftstheorien faUt auf, dass diese in ihren Untersuchungen zu unterschiedUchen Ergebnissen bei der Identifikation von existierenden Karriereorientierungen kommen. Jedoch lassen sich beziigHch der von Schein identifizierten Karriereorientiemngstypen Management-Kompetenz, technisch-ftinktionale Kompetenz, Autonomie und Unabhangigkeit, Sicherheit und StabiHtat, sowie untemehmerische Kreativitat weitgehende Uberschneidungen mit entsprechenden Karriereorientiemngstypen nach Holland und DeLong identifizieren.^^^ Berthel/Koch (1985) griffen in ihrer Typologisierung auf die von Schein identifizierten Karriereorientierungen zuriick und fiihrten in Anlehnung an Gouldner (1957) eine weitere Differenzierung der fiinf Karriereorientierungen nach so genannten „Locals" und „Cosmopolitans" durch. Im Folgenden soil zunachst stellvertretend auf das Konzept Scheins eingegangen werden, dessen Konzept des Karriereankers den in der Literatur wohl am haufigsten rezipierten Ansatz zur Systematisierung unterschiedlicher Karriereorientierungen darstellt (aa). Darauf aufl^auend bietet es sich an, die Weiterentwicklung des Scheinschen Ansatzes durch Berthel/Koch Allerdings ist eine Schwierigkeit beim Vergleich der verschiedenen Eigenschaftstheorien darin zu sehen, dass teilweise fur vergleichbare Orientierungsmuster unterschiedliche Bezeichnungen verwendet wurden. So bezeichnet Holland eine starke Aufwartsorientierung der Humanressource mit dem Karrieretyp „Enterprising", wahrend Schein hierfiir den Terminus ,J4anagement-Kompetenz" wahh. Dies fuhrt schlieBlich dazu, dass erst durch Interpretation der hinter den jeweiligen Karriereorientierungen liegenden einzehien Inhalte ein Vergleich zwischen den identifizierten Orientierungsmustem moglich ist. Vgl. Lehnert (1996), S. 67.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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naher zu betrachten, da durch diesen weiterfiihrende Informationen fiir die Herstellung eines stellenubergreifenden Karriere-Fits gewonnen werden konnen (ab). (aa) Konzept des Karriereankers nach Schein: Schein wird in der Literatur als Vorreiter auf dem Gebiet der Karrieretypologisierung angesehen.^^^ Ausgangspunkt fur Scheins Konzept stellte die Annahme dar, dass Fuhrungskrafte zu Beginn ihres beruflichen Lebenszyklus zunachst nur iiber eine recht geringe Selbstkenntnis hinsichtlich ihrer beruflichen Interessen und Potenziale verfiigen. Erst durch die Auseinandersetzung mit der Arbeit und den damit einhergehenden Erfahrungen gelangen Humanressourcen im Zeitablauf zu einer besseren Selbstkenntnis, d.h. sie erkennen, wo ihre individuellen Starken liegen, was ihre Bediirfhisse sind und welche Werte fur sie von Bedeutung sind.^^^ Das Gewinnen von Erfahrungen und Kenntnissen iiber die eigenen Fahigkeiten, Bediirfhisse sowie Wertvorstellungen bilden die Basis fur die Entwicklung des Bilds von der eigenen arbeitsbezogenen Personlichkeit.^^* Auf Basis dieses Selbstbilds wird es nach Auffassung von Schein den Humanressourcen moglich, rationalere Karriereentscheidungen zu treffen. Die dominierenden Elemente, die zu den Karriereentscheidungen fuhren, bezeichnet Schein als „Karriereanker". Damit sind dominierende Karriereorientierungsmuster angesprochen, die als „treibende Krafle" fur eine bestimmte Karriereentscheidung zu interpretieren sind.^^' Karriereanker tragen dazu bei, dass Humanressourcen trotz vielseitiger Veranderungen im Laufe ihres beruflichen Lebenszyklus ein fiir sie charakteristisches Orientierungsmuster beibehalten.^^^ In der Literatur wird davon ausgegangen, dass sich ein einmal ausgebildeter individueller Karriereanker im Laufe des weiteren Berufsverlaufs stabilisiert und sich dann nicht mehr verandert.^^* „As employees' careers evolve, they gradually form a career anchor that begins to stabilize and guide their careers." (DeLong 1982, S. 51) So bleibt das im Zeitablauf herauskristallisierte Selbstbild in der Regel auch dann bestehen, wenn auBere Umstande, wie z. B. familiare oder okonomische Griinde, die Humanressource zwingen, voriibergehend entgegen ihrem Selbstbild eine Karriereentscheidung zu treffen. Schein geht femer davon aus, dass fur jedes Individuum grundsatzlich ein dominierender 306 307

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Vgl. Lehnert(1996), S. 68. Vgl. hierzu und im Folgendem Schein (1968), (1975), (1978), S. 124ff., sowie (1995), S. 26ff Schein entwickelte das Konzept des Karriereankers auf der Grundlage einer Langfriststudie von iiber 40 Absolventen der Sloan School of Management (M.I.T.). Das urspriingliche Ziel der Studie lag in der Gewinnung von Informationen, die zu einem besseren Verstandnis von Managerkarrieren beitragen sollten. Durch wiederholte Interviews, die in bestinmiten Zeitabstanden mit den Absolventen durchgefiihrt wurden, analysierte Schein die jeweiligen Griinde, die fur die individuellen Karriereentscheidungen und schritte in den einzelnen Fallen ausschlaggebend waren. Dabei liefi sich im Laufe der beruflichen Entwicklung der befragten Absolventen ein immer klarer werdendes Orientierungsmuster erkennen, auf die alle wesentlichen Karriereentscheidungen der einzelnen Personen zuriickgefiihrt werden konnten. Vgl. Schein (1978), S. 125. Vgl. Schein (1978), S. 125. Vgl. Schanz (2000), S. 515. Vgl. DeLong (1982), S. 51, Berthel/Koch (1985), S. 23f., Schein (1995), S. 53. Vgl. Schein (1978), S. 125, sowie Schein (1995), S. 53.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Karriereanker existiert.^*^ Basierend auf seiner Langzeitstudie konnte Schein funf verschiedene Karriereanker identifizieren, die im Folgenden naher charakterisiert werden sollen.^^^ •



Management-Kompetenz als Orientierungsmuster der beruflichen Karriere auBert sich in dem Bestreben der Humanressourcen, in immer hohere Positionen mit wachsenden Fiihrungsaufgaben und hoherer Fiihrungsverantwortung aufzusteigen und betriebliche Entscheidungen mafigeblich mitzubestimmen. So ist dieser Karriereanker durch den Wunsch nach Ubemahme typischer Managementaufgaben sowie durch eine starke Aufwartsorientierung gekennzeichnet. Technisch'funktionale Kompetenz als Orientierungsmuster hingegen umfasst das Streben nach herausfordemden Aufgaben im Rahmen eines bestimmten Funktionsbereichs. Dabei steht der Wunsch, Kompetenzen innerhalb eines bestimmten Spezialgebiets aufzubauen, im Vordergrund. Ein hierarchischer Aufstieg erscheint bei diesem Karriereanker nur dann wiinschenswert, wenn er sich innerhalb des Spezialgebiets vollziehen kann.



Sicherheit und Stabilitdt als dominierende Karriereorientierung kommt in dem Versuch zum Ausdruck, die personliche berufliche Situation und damit einhergehend auch die materielle und soziale Situation zu sichem. Dieser Wunsch steht in Relation zum Streben nach einem hierarchischen Aufstieg klar im Vordergrund. Ein solcher Karriereanker kann als „Status-Quo-orientiert" charakterisiert werden, indem eine Sicherung des Erreichten sowie die Stabilisierung der beruflichen Entwicklung angestrebt wird.



Unternehmerische Kreativitdt auBert sich im dem Bestreben, im Laufe der beruflichen Karriere aus eigener Kraft etwas Neues zu schaffen und eigene Ideen und Vorstellungen zu verwirklichen. Anders ausgedriickt steht bei diesem Karriereanker der Wunsch im Vordergrund, sich jenseits „ausgetretener Pfade" zu bewegen. So lasst sich dieses Orientierungsmuster auch als „Neuland-orientiert" beschreiben.



Autonomie und Unabhdngigkeit als Karriereanker kommt in der Suche nach Arbeitsbereichen mit hoher Unabhangigkeit und groBtmoglicher Freiheit von Beschrankungen zum Ausdruck. So ist dieser Karriereanker durch das Streben gekennzeichnet, bei der

Eine Einschrankung dieser These trifft Schein dahingehend, dass es durchaus sein kann, dass ein Individuum einen dominierenden Karriereanker besitzt, sich jedoch trotzdem an einzelnen Elementen eines anderen Karriereankers orientiert. So kann sich beispielsweise eine Fiihrungskraft mit ausgepragter Management-Kompetenz und einer starken Aufwartsorientierung an Elementen des Karriereankers Kreativitat, wie etwa der Schaffimg von etwas Neuem, orientieren. Jedoch weist Schein darauf hin, dass sich auch bei gewissen Uberschneidungen stets ein dominierender Anker identifizieren lasst, der letztendlich fur einzelne Karriereentscheidungen maBgeblich ist. Vgl. Schein (1995), S. 52f. Schein konnte - wie in Abbildung 1-6 dargestellt - in seiner Studie zwar urspriinglich acht Karriereanker identifizieren, allerdings wurden nur fiinf davon durch ausreichend groBe Gruppen von Humanressourcen reprasentiert. So bilden diese funf Karriereanker nach Schein die Hauptkategorien von Karriereorientierungen und wurden in der Literatur entsprechend aufgegriffen und rezipiert. Die drei restlichen Karriereanker hingegen lieBen sich jeweils nur bei einer kleinen Gruppe von Humanressourcen nachweisen, so dass keine empirisch validen Aussagen iiber jene Karriereanker getroffen werden konnten. Vor diesem Hintergrund soil auf jene Karriereanker nicht weiter eingegangen werden. Vgl. hierzu Stetter (1999), S. 82f

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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Arbeit moglichst frei von institutionellen Zwangen zu sein. Diese Orientierung lasst sich folglich durch eine hohe Freiheitsorientierung und der Suche nach groBtmoglichen Handlungsspielraumen und Freiheitsgraden beschreiben. ^^^ (ab)Weiterentwicklung des Scheinschen Ansatzes: Berthel/Koch (1985) griffen auf die funf dominierenden Karriereanker nach Schein zuriick und entwickelten ihn weiter, indem sie eine weitere Differenzierungsdimension einfuhrten, nach der jeder Karriereanker zudem danach unterschieden wird, ob einem solchen im Rahmen einer „professionellen" (CosmopoHtans) Oder einer „betrieblichen" Orientierung (Locals) nachgegangen wird.^*^ Berthel/Koch fuhrten diese weitere Differenzierungsdimension ein, da sie davon ausgingen, dass die Scheinschen Karriereanker bei zwei prinzipiellen Typen von Humanressourcen vorliegen konnen. •



Cosmopolitans neigen zu einer starkeren m/erorganisationalen Mobilitat, d.h. sie streben eine Verwirklichung ihres jeweiligen Karriereankers bei verschiedenen Untemehmen an. Einem bestimmten Untemehmen gegeniiber fuhlen sie sich bei der Verwirklichung ihrer Karriereplane nicht verpflichtet. Es kann folglich von einer „professionellen Karriereorientierung'*^*^ gesprochen werden. Locals hingegen verspuren eine hohe Verpflichtung gegeniiber einem bestimmten Untemehmen, so dass sie im Rahmen einer m^raorganisationalen Mobilitat dazu neigen, ihre Karriereplane innerhalb eines Untemehmens umzusetzen. Die Tendenz zur interorganisationalen Mobilitat hingegen kann als gering eingestuft werden, so dass vielmehr von einer „betrieblichen Orientierung"^^* und einer damit einhergehenden betrieblichen Loyalitat auszugehen ist."'*'

Durch die Einfiihrung der zusatzlichen Differenzierungsdimension nach Cosmopolitans und Locals entstehen insgesamt zehn Karriereanker.^^^ Dies lasst sich darauf zuruckfuhren, dass die urspriinglichen funf Karriereanker nach Schein jeweils in den Auspragungen „professionelle" oder „betriebliche" Orientierung vorliegen konnen.^^* Eine solche weiterfuhrende Unterscheidung macht fur die Herstellung eines stelleniibergreifenden Karriere-Fits insofem Sinn, da dadurch ein Differenzierungskriterium vorliegt, wie lange Humanressource fur die

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Zu den vorangegangenen Uberlegungen vgl. Schein (1978), S. 124ff., sowie Schein (1995), S. 28ff. Kommentierte Interpretationen des Karriereankerkonzepts von Schein finden sich bei Berthel/Koch (1985), S. 24f., Hungenberg (1990), S. 37f, Sattelberger (1991b), S. 25f., Lehnert (1996), S. 69f, Stetter (1999), S. 80ff., Schanz (2000), S. 515ff. Die Differenzierung nach so genannten Cosmopolitans und Locals geht auf eine empirische Untersuchung von Gouldner (1957) zuriick, der in seinen Untersuchungen zwei „latente Rollenidentitaten" identifizierte, namlich sich an eine Institution gebunden (Locals) und ungebunden (Cosmopolitans) fuhlende Individuen. Vgl. Gouldner (1957), S. 281fr., sowie Gouldner (1968), S. 164ff. Vgl. Weitbrecht (1992), Sp. 1116. Vgl. Weitbrecht (1992), Sp. 1116. Vgl. Berthel (1987), Sp. 1188, Berthel (1992), Sp. 1204f., sowie Brehm (1998), S. 107. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 24f. Vgl. Weitbrecht (1992), Sp. 1116.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

langfristige Verwendungsplanung innerhalb eines fokalen Untemehmens zur Verfiigung stehen. (b) Karrieremotivationstypen'. Neben der Karriereorientierung stellt die Karrieremotivation eine weitere Komponente der individuellen Karriereplanung dar. Wahrend die Karriereorientierung Auskunft iiber die Frage gibt, in welche Richtung sich die Humanressource beruflich entwickeln mochte, kann aus einer Analyse der Karrieremotivation geschlossen werden, mit welcher Intensitdt, d.h. unter welchen Anstrengungen die berufliche Entwicklung in eine bestimmte Richtung verfolgt wird. Das bedeutet, dass Humanressourcen mit einer differierenden Karrieremotivation fur einen bestimmten Karriereverlauf in ungleichem AusmaB bereit sind, einen ganz bestimmten „Preis" zu bezahlen.^^^ Daraus folgt, dass Humanressourcen mit identischer Karriereorientierung, jedoch voneinander abweichender Karrieremotivation eine bestimmte Laufbahnoption, beispielsweise eine steile Fuhrungslaufbahn mit entsprechenden EinbuBen in der Freizeit, als unterschiedlich attraktiv bewerten. Wahrend die Karriereorientierung eine im Zeitablauf relativ konstante Karrieredeterminante darstellt, unterliegt die Karrieremotivation einer Humanressource berufslebenszyklusabhangigen Schwankungen, so dass es im Verlauf von unterschiedlichen Karrierephasen zu Veranderungen der Karrieremotivation kommt.''^^ Hall/Nougaim konnten bereits 1968 nachweisen, dass die Karrieremotivation von jungen Fiihrungskraften in den ersten funf Jahren ihrer beruflichen Laufbahn auf Basis sich verandemder Karrieremotive einer Weiterentwicklung unterliegt, indem sich die Gewichtung der Argumente in ihrer Karrierenutzenfunktion andert. So kann die Karrieremotivation insbesondere wahrend der fruhen Karrierephase in der sozialen bzw. biopsychischen Sphare des Individuums durch Heirat, Eltemschaft und der Entwicklung eines eigenen Lebensstils entscheidend gepragt werden und dadurch Veranderungen unterworfen sein. ^^^ Fiir eine Kategorisierung von moglichen Auspragungen einer Karrieremotivation kann auf die Untersuchung von Einsiedler/Rau/Rosenstiel (1987) zuriickgegriffen werden.^^^ Anlass der Untersuchung stellte die Beobachtung dar, dass zum Untersuchungszeitpunkt immer haufiger lukrativ erscheinende Positionen - insbesondere von jiingeren Nachwuchskraften - abgelehnt wurden. Daher bestand das Ziel der Untersuchung darin, empirisch nachzuweisen, ob einhergehend mit einem Wertewandel auch ein Wandel der Karrieremotivation konstatiert werden kann. So konnten Einsiedler/Rau/Rosenstiel in ihren empirischen Untersuchungen

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Vgl. Stetter(1999), S. 85. In der Literatur wird zwischen der fruhen (bis 35 Jahre), der mittleren (35-50 Jahre) sowie der spaten Karrierephase (50-65 Jahre) differenziert, in denen eine Humanressource mit sich verandemden Herausforderungen hinsichtlich der sozialen und biopsychischen Sphare konfrontiert wird. Zu detaillierteren Erlauterungen vgl. Berthel/Koch (1985), S. 30ff. Vgl. Hall/Nougaim (1968), S. 12ff., sowie Buchanan (1974), S. 534ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Einsiedler/Rau/Rosenstiel (1987), S. 177ff.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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drei „Grundtypen" der Kameremotivation identifizieren."'^^ Die drei „Grundtypen" lassen sich wie folgt charakterisieren: •

Traditionelle Karrieremotivation: Typ I entspricht einer traditionellen Kameremotivation."'^^ Diese zeichnet sich durch das Streben nach einer verantwortlichen Position aus, um dort die Moglichkeit zu erhalten, Einfluss und Entscheidungsmacht auszuiiben und ein hohes Einkommen zu beziehen. Dieses Ziel soil in jedem Fall erreicht werden, auch wenn dafiir ein hoher „Preis" zu bezahlen ist. Humanressourcen eines solchen Karrieretyps sind beispielsweise bereit, fur die Realisierung ihrer Karriereplane auf Freizeit zu verzichten.



Freizeitorientierte Schonhaltung: Typ II wird als freizeitorientierte Schonhaltung bezeichnet. Diese ist dadurch charakterisiert, dass einer sicheren Position mit geregelten Arbeitszeiten und einem guten Verhaltnis zu den Kollegen eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Ein hohes Einkommen wird hingegen als weniger wichtig angesehen. Alternatives Engagement: Typ III entspricht einem altemativen Engagement. Ein solcher Karrieremotivationstyp umfasst eine hohe Leistungsbereitschaft, wobei ethische Ideale bei der Wahl der Karriere im Vordergrund stehen. Dafur werden auch eine geringere Bezahlung sowie ein geringeres Ansehen der Karriere in Kauf genommen.



Die Typen I und III differenzieren sich von der freizeitorientierten Schonhaltung durch eine hohere Bereitschaft zur Leistung und Arbeitszeit. Wahrend Typ I dabei nach einem hohen Einkommen strebt, stehen fur Typ III moralisch-ethische Motive sowie die Etablierung eines bestimmten Life Styles im Vordergrund, fur die gegebenenfalls auf ein hohes Einkommen verzichtet wird. Resiimierend lasst sich festhalten, dass sowohl Karriereorientierungs- als auch Karrieremotivationstyp bei Humanressourcen in einer heterogenen Vielfalt vorliegen konnen. Dies fuhrt zu einer Heterogenitat der individuellen Karriereplane, fur welche unterschiedliche Laufbahnoptionen im Rahmen des Moglichkeitenraums geeignet sind, einen stelleniibergreifenden Karriere-Fit herzustellen.

In den Untersuchungen konnte zudem empirisch die angefuhrte These nachgewiesen werden, dass die Auspragung der Karrieremotivation als veranderlich im Zeitablauf anzusehen ist, so dass eine Humanressource den „Grundtyp" ihrer Karrieremotivation im Zeitablauf andem kann. Vgl. Einsiedler/Rau/Rosenstiel(1987), S. 178f In der Originalquelle wird der BegrifF „traditionelle Karriereorientierung" zur Bezeichnung des Karrieremotivationstyps verwendet. Vgl. Einsiedler/Rau/Rosenstiel (1987), S. 177ff. Um jedoch begriffliche Unklarheiten zu vermeiden, wird an dieser Stelle bewusst von der traditionellen Karrieremotivation gesprochen. Zu der Typologisierung vgl. Einsiedler/Rau/Rosenstiel (1987), S. 177ff., und Stetter (1999), S. 85f.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Tools zum Aufdecken von Informationen iiber die „Profilelemente des Schliissels"

Nachdem die einzelnen Profilelemente des „Schlussels" betrachtet wurden, sind Uberlegungen erforderlich, wie Informationen iiber jene Profilelemente generiert werden konnen. Grundsatzlich lassen sich individuelle Bediirfhisse, Werthaltungen, Einstellungen sowie individuelle Karriereplane im Rahmen von Mitarbeitergesprachen, die als Placement- und Fordergesprache konzipiert sind, oder durch Mitarbeiterbefragungen aufdecken.^^' Dies ist allerdings an die Pramisse gebunden, dass die Mitarbeiter ihr individuelles „Schlusselprofil" kennen sowie in der Lage sind, dieses entsprechend artikulieren zu konnen. Dies setzt eine entsprechende Selbstkenntnis und ein realistisches Selbsteinschatzungsvermogen^^" der Mitarbeiter voraus. Ein solches liegt allerdings oftmals insbesondere bei jiingeren Humanressourcen, die noch am Beginn ihres beruflichen Lebenszyklus stehen, nicht vor."'"'* „The person may lack (...) clarity about his or her values, interests, needs, and workstyle/life-style preferences, or a sense of personal priorities about tradeoffs he or she would be willing to make for a better career fit." (Hall 1986b, S. 147.) Eine solche mangelnde Selbstkenntnis bezieht sich dabei insbesondere auf die spezifischen Fahigkeiten, die sich im Laufe des beruflichen Lebenszyklus noch starker herauskristallisieren."'^^ Eine Moglichkeit zur Erhebung der relevanten informatorischen Grundlagen stellt die regelmaBige Durchflihrung von so genannten Placement-Gesprachen oder PlacementWorkshops dar."'^^ Placement-Workshops unterscheiden sich von individuellen PlacementGesprachen dadurch, dass ein Dialog und ein Austausch mit mehreren Mitarbeitem gleichzeitig stattfinden. Dadurch kann es gelingen, „Gruppeneffekte"^^'* zu nutzen. Beispiele far derartige Gruppeneffekte stellen die Nutzung des Feedbacks von anderen Mitarbeitem oder der Austausch mit anderen Humanressourcen mit ahnlichen Karriereambitionen dar, um auf Basis eines Vergleichsprozesses zu einer realistischeren Selbsteinschatzung zu gelangen. Ein individuelles Placement-Gesprach oder ein -Workshop wird dabei idealerweise durch den Vorgesetzten gefuhrt, der das Potenzial seiner Mitarbeiter einschatzen und dadurch als „PlacementBerater" oder auch als „Placement-Coach""'^^ fimgieren kann. Grundsatzlich kommen fur

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Vgl. Becker/Schwarz (2001b), S. 7. In der Literatur wird hierfiir der Begriff der ,jnitarbeiterbezogenen Laufbahnzielanalyse" verwendet. Vgl. Lehnert (1996), S. 138, sowie Thom/Nadig (1989), S. 312f. In der angloamerikanischen Literatur wird hierfur der Begriff „self-assessment information" verwendet. Vgl. stellvertretend Hall (1986b), S. 147. Zur Bedeutung derartiger Informationen fur die weitere Karriereentwicklung vgl. Hall (1976), S. 181f Vgl. hierzu Hall (1986b), S. 147, Berthel (1997), S. 298. Vgl. Stetter (1999), S.80f Zur konkreten Ausgestaltung und dem Ablauf derartiger Placement-Gesprache und -Workshops in der Praxis vgl. Berthel/Koch (1985), S. 112ff., Saul (1991), Thomson/Mabey (1994), S. 133f, Knowdell (1996), S. 44ff, Giannove (2001), S. 263f, und Becker (2001), S. 126ff. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 120ff. Der Begriff „Coach" entstammt urspriinglich dem angloamerikanischen Raum. Dort wurde eine Person als Coach bezeichnet, die einen Sportier trainiert und ihn auf wichtige Spiele und Wettkampfe vorbereitet.

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

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diese Aufgabe erganzend auch Spezialisten aus der Personalabteilung^^^, betriebliche Mentoren^^^ oder exteme Karriereberater in Frage.^^* Placement-Berater nehmen dabei die Rolle eines „Katalysators"''''' ein, der ziir Aufdeckung arbeitsbezogener Bediirfhisse sowie zur Schaffung eines realistischeren Selbstbilds beitragt, in dem er Fragen stellt, Probleme aufdeckt, mogliche Hindemisse identifiziert und nach Losungsmoglichkeiten sucht."''*^ Flankierend hierzu werden in der Praxis zunehmend auch selbstdiagnostische Instmmente zur Klarung der eigenen Karriereinteressen und Fahigkeiten eingesetzt."''*^ Grundsatzlich besteht ein individuelles Placement-Gesprach oder ein Placement-Workshop aus zwei wesentlichen Elementen. •

Entwicklung eines realistischen Selbstbilds: Einen wesentlichen Bestandteil bilden Unterstutzungsleistungen, die den Mitarbeitem dazu verhelfen, ein realistisches Selbstbild zu entwickeln. Mit anderen Worten soil der Mitarbeiter unterstiitzt werden, den „beruflichen Standort" zu bestimmen, indem ihm die Moglichkeit geboten wird, eigene Widerstande und Antriebe zu klaren, eigene Starken und Schwachen zu erkennen, berufliche Erwartungen und Ziele realistisch zu uberpriifen und personliche Handlungsfelder und Realisierungsschritte zu identifizieren.''^^ In der Regel wird der Mitarbeiter zunachst gebeten, im Rahmen einer Selbstanalyse^"*^ seine Bediirfiiisse, Werthaltungen und Einstellungen zu kommunizieren und eine Selbsteinschatzung beziiglich seiner Karriereorientierung und -motivation vorzunehmen. Ein solches Selbstbild wird dann in einem nachsten Schritt mit der Wahmehmung des Placement-Beraters abgeglichen. In einem interaktiven Reflexionsprozess kommt es zu einer Verzahnung von Selbst- und

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Dabei sollte der Sportier nicht nur in fachlicher, sondem auch in psychologischer Hinsicht unterstiitzt werden, wobei die menschliche Betreuung besonders hervorgehoben wird, Vgl. Looss (1991), S. 34f, Im betrieblichen Kontext wird unter Coaching ein Einzelberatungsprozess verstanden, der darauf abzielt, beim gecoachten Mitarbeiter Wahmehmungsblockaden zu losen und Selbstorganisationsprozesse in Gang zu setzen, die es ihm ermoglichen, seine Fahigkeiten bei der Losung von Problemen und der Bewaltigung der Arbeitsanforderungen effizienter zu nutzen. Vgl. Jung (1991), S. 134ff., Hauser (1993), S. 224, Kienbaum/Jochmann (1994), S. 2Iff., Mentzel (1994), S. 155f, Wexley/Latham (1994), S. 225ff., sowie Doyle (2001), S. 397. Derartige Spezialisten aus der Personalabteilung konnen so genannte , J*lacement-Professionals" sein, wie in Teil III der Arbeit noch erlautert wird. Bei einem Mentor handelt es sich um ein erfahrenes, hierarchisch-hoher stehendes Organisationsmitglied, das seinem ,>Ientee" in Fragen zur Karriereplanung beratend zur Seite steht und Zugang zu intemen sozialen Netzwerken verschafft. Vgl. hierzu stellvertretend Riickle/Mutafofi/Riekehof (1994), S. 52ff., Kram (1986), S. 160ff., Arhen (1992), Grabbe/Moller (2003), S. 26ff., und Wengelowski/Nordmann (2004), S. 20ff. Das Mentoring-Konzept wird ausfuhrlicher in Kapitel II.2.2 dargestellt. Vgl. Kasper (2003), S. 20f., fiir eine Darstellung, wie Mentoren und Personalberater fur die Karriereberatung bei der Daimler-Chrysler AG herangezogen werden. Der Begriff des „Katalysators" wird in der personalwirtschaftlichen Literatur fur diejenigen Personen in einem Untemehmen verwendet, die Einfluss auf die berufliche Entwicklung von Kollegen nehmen, indem sie beispielsweise Feedback geben oder sich fur Coaching-MaBnahmen zur Verfiigung stellen. Vgl. hierzu McCall (1996), S. 52, sowie Sattelberger (1996c), S. 97. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 113, Grabbe/Moller (2003), S. 26. Vgl. Sattelberger (1999), S. 295. Vgl. Bauer/KemmA^oigt (1991), S. 127. Zum Begriff und Inhalt der Selbstanalyse vgl. Lehnert (1996), S. 138.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Fremdeinschatzung, um auf dieser Basis zu einem realistischen Selbstbild zu gelangen. Dabei geht es darum, das Ergebnis des interaktiven Reflexionsprozesses zu nutzen, um der Humanressource „Steuerungshilfen"^'*'* zur Einschatzung des weiteren Entwicklungsverlaufs zur Vediigung zu stellen.^'*^ Somit soil die Humanressource zur eigenstandigen und aktiven Karrieresteuerung befahigt werden, die eine antizipative Planung weiterer, sinnvoller Placementschritte mit konkretem Bezug zu den erreichbaren, zukiinftigen Versetzungsmoglichkeiten umfasst.^"*^ Aufzeigen von mogllchen Entwicklungsperspektiven: Ein weiteres Element von derartigen Placement-Workshops stellt das Aufzeigen von moglichen Entwicklungsperspektiven im Untemehmen dar, damit die Humanressourcen ihr Selbstbild mit den sich anbietenden Entwicklungsmoglichkeiten innerhalb des Untemehmens abgleichen konnen. Ziel dahinter ist, den Mitarbeitem realistische Vorstellungen iiber die zukiinftigen Entwicklungsmoglichkeiten zu vermitteln, so dass dysfunktional wirkende Erwartungsenttauschungen vorgebeugt werden konnen.^"*^ Es gilt folglich, den Mitarbeitem realistische Informationen iiber potenzielle Entwicklungsmoglichkeiten innerhalb des Unternehmens zuganglich zu machen und klar zu kommunizieren, welche zukiinftigen Placementschritte unter welchen Umstanden, beispielsweise bei welcher Leistung und Leistungsfortschritt, zu erreichen sind. Dadurch soil es gelingen, realistische Entwicklimgsmoglichkeiten transparent zu machen sowie unrealistische Erwartungshaltungen beziiglich zukiinftiger Placementschritte zu vermeiden.^'**

Die genannten MaBnahmen zielen darauf ab, den Humanressourcen die Moglichkeit zu bieten, einen „kognitiven Bezugsrahmen"^'*' fur ihren zukiinftigen beruflichen Werdegang zu entwickeln, indem sie beim Aufl)au eines Selbstschemas hinsichtlich ihres betrieblichen Werdegangs unterstiitzt werden. Unter einem solchen Selbstschema sind kognitiv gespeicherte Wahmehmungen, Einstellungen und Wissensbestande iiber die eigene Person zu verstehen, die als Endprodukt aus verschiedenen Informationsverarbeitungsprozessen hervorgegangen sind."'^* Diese Informationen resultieren dabei aus Reflexionsprozessen, die zur Bildung des realistischen Selbstbilds beitragen.

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Vgl. hierzu Strube (1982), S. 207, der darauf hinweist, dass nicht jede Humanressource iiber die entsprechende Fahigkeit zur Selbststeuerung und Selbsteinschatzung verfiigt und daher entsprechend zu unterstiitzen ist. Vgl. Giannove (2001), S. 263. Ausfuhrlichere Erlauterungen zur operativen Ausgestaltung derartiger Steuerungshilfen finden sich bei Hall (1976), S. 181f. Grabbe/Moller (2003), S. 26, Jansen (2003), S. 24. Vgl. Ruppert (1995), S. 154. Vgl. Strube (1982), S. 208, sowie Thom/Nadig (1989), S. 31 Iff. Zum Begriff des „kognitiven Bezugsrahmens" im Kontext der individuellen Karriere vgl. Stetter (1999), S. 63. Zu detaillierteren Erlauterungen zum grundsatzlichen Aufbau von Selbstschemata im Rahmen der so genannten Selbstkonzeptforschung vgl. Gluminski (1993), S. 15, Strasse (1998), S. 3Iff, sowie insbesondereFilipp(1993).

Teil I: Fit-Orientierung als Grundpfeiler des Humanressourcen-Placements

Grundsatzlich bringt die Durchfiihrung von Placement-Gesprachen und -Workshops aus Sicht des Untemehmens zwei wesentliche Vorteile mit sich. •

Ermittlung relevanter Informationen: Zum einen besteht dadurch die Moglichkeit, Informationen iiber Bediirfhisse, Werthaltungen, Einstellungen sowie iiber individuelle Karriereplane zu ermitteln. Auf dieser Basis konnen Mitarbeiter mit entsprechendem Interesse an der Ubemahme weiterfiihrender Aufgaben als zukiinftige Placementkandidaten fiir spatere Stellenvakanzen identifiziert werden. Diese konnen unter Beriicksichtigung der fachlichen Eignung in einem „Kandidaten-Pool" oder auch „PotenzialtragerPool" zusammengefasst werden.^^^ Dabei sind die einzelnen Pools spezifisch je nach Art der zukiinftigen Zielpositionen als „Fuhrungsnachwuchs-Pool", als „SpezialistenPool" Oder auch „Auslandseinsatz-Pool" zu differenzieren, wobei davon auszugehen ist, dass die Pools gewisse Uberschneidungen aufweisen. Auf diese Pools kann dann bei der Besetzung von Stellen vorrangig zuruckgegriffen werden.^^^



Vermittlung realistischer Vorstellungen: Zum anderen lassen sich in PlacementGesprachen und -Workshops auch die Bediirfhisse, Werthaltungen, Einstellungen sowie die individuellen Karriereplane der Humanressourcen bis zu einem gewissen Ausmafi beeinflussen und in eine von Untemehmensseite gewiinschte Richtung lenken.

Da die einzelnen Profilelemente des Schliissels Veranderungen im Zeitablauf unterliegen, ist eine regelmafiige Durchfiihrung von Placement-Gesprachen und -Workshops zur Aktualisierung der Informationen erforderlich. Zusammenfassend fiir Teil I der vorliegenden Arbeit soil festgehalten werden, dass der Fit zwischen Stelle und Stelleninhaber ein nicht triviales, sondem vielmehr ein komplexes Konstrukt darstellt, das hinsichtlich der einzelnen ineinandergreifenden Dimensionen und deren Weiterentwicklung im Zeitablauf einer differenzierten und kontinuierlichen Informationserhebung und -dokumentation bedarf. Dabei wurde deutlich, dass die Erzielung eines Fits zwischen Stelle und Stelleninhaber die iibergeordnete Klammer fiir die einzelnen Teilaspekte des Placements darstellt und somit als Grundpfeiler sowie handlungsleitendes Paradigma fiir das Management eines Placements von Humanressourcen heranzuziehen ist. Auf diesen Ausfiih-

Vgl. Miller (1984), S. 67, Sattelberger (1996b), S. 27. In der Praxis finden sich fiir derartige Pools fiir Nachwuchskrafte auch Begriffe wie „Leistungs- oder Managementkader", ,J^uhrungskreise", „TalentePool",,Acceleration-Pool", oder auch „Goldfischteich". Vgl. stellvertretend Miiller (1971), S. 32, Beer et al. (1985), S. 233, Domsch (1993), S. 407, Amst/Zimmer (1997), S. 24, Schlichting (2001), S. 53, MaassenA^orbeck (2003), S. 17. Vgl. Herrwig (2001), S.233f.

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Teil I: Fit-Orientierung als Grunc^feiler des Humanressourcen-Placements

rungen aus Teil I aufbauend wird die Fit-Orientierung die weiteren Uberlegungen zur Gestaltung und Steuerung des Placements als „gedanklicher roter Faden" begleiten.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

TEIL II

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GESTALTUNGSDIMENSION DES HUMANRESSOURCEN-PLACEMENTS

Im Teil I der Arbeit stand die Herleitung eines mehrdimensionalen Fit-Modells sowie die Analyse, was unter einem „Fit" bei Stellenbesetzungsentscheidimgen zu verstehen ist, im Mittelpunkt der Betrachtung. Darauf aufbauend stellt sich nun die Frage, wie Humanressourcenbewegungen innerhalb des betrieblichen Stellengefuges zu gestalten sind, um einen Fit zwischen Humanressourcen und Stellen bei der Besetzung von Stellenvakanzen zu fordem. Damit ist die Analyse der Gestaltungsdimension des Placements sowie die Betrachtung der beiden zentralen Gestaltungsfelder Humanressourcen-Flow und -Move angesprochen. Dabei geht es um die Frage, wie Stellenabfolgen von Mitarbeitem sowie der Stellenwechselprozess zu gestalten sind, um ein Fit-orientiertes Placement auf die zu besetzenden Stellen zu ermoglichen. Dies bezieht sich sowohl auf die Gestaltung von „ex nunc"- als auch auf die Gestaltung von „ex ante"- Placements, die stelleniibergreifend mit den individuellen Karriereplanen der Mitarbeiter in Einklang zu bringen sind. Im folgenden Kapitel wird zunachst das Management des Humanressourcen-Flows und damit die Gestaltung von Humanressourcenbewegungen innerhalb der organisationalen Stellenstruktur analysiert. Dabei liegt der Betrachtungsfokus auf der Ausgestaltung von Laufbahnen und Laufbahnmustem, die Bewegungsmuster flir Mitarbeiter durch das organisatorische Stellengefuge vorgeben und vor dem Hintergrund einer Fit-Erzielung geeignet erscheinen (II. 1). Damit sind „aufbauorientierte" Aspekte einer Laufbahn angesprochen. In einem nachsten Schritt wird das Management des Humanressourcen-Moves erortert und analysiert, wie der intraorganisationale Stellenwechselprozess gestaltet werden kann, um die Einarbeitung des Stellenwechslers in den neuen fachlichen und sozial-kulturellen Arbeitskontext zu erleichtem und dysfunktionale Reibungsverluste zu vermeiden (II.2). Hierbei handelt es sich demnach um „prozessorientierte" Placementaktivitaten, die eine Fit-orientierte Gestaltung des Humanressourcen-Flows unterstiitzen.

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Management des Humanressourcen-Flows

Das aktive Management von intraorganisationalen Humanressourcenbewegungen kann in Anlehnung an die anglo-amerikanische Literatur auch als das Management des Humanressourcen-Flows bezeichnet werden.^^^ Unter dem Begriff des Humanressourcen-Flows sind alle Veranderungen einer Humanressourcen-Architektur zu subsumieren, die im Zusammenhang mit einem personellen Wechsel der Mitarbeiter im Stellen- und Aufgabengefuge des ^^^

Zum Begriff des Human Resource Flows vgl. Beer et al. (1985), S. 209ff., Judge/Ferris (1992), S. 48, sowie Kaiser (2001), S. 144. Nach Beer et al. ist zwischen einem Internal Flow, einem Inflow und einem Outflow zu difFerenzieren. Placement-Aktivitaten beziehen sich dabei auf den Internal flow (S. 218).

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Piacements

Untemehmens stehen. Die Gestaltimg des Humanressourcen-Flows kommt dabei in der Konzipierung organisationaler Laufbahnen zum Ausdruck, die den Rahmen fur die Verwirklichung individueller betrieblicher Werdegange und Karrieren bilden. Nach Sattelberger (1999) werden Karrieren im 21. Jahrhundert „eine neue Qualitat besitzen" und unterschiedliche Veriaufsformen annehmen^^"*, die in Abbildung II-1 skizziert sind. „Fuhrungskarriere"

Vertikal ausgerichtete Karriereverlaufe

Abb. II-1

„Generalistenkarriere"

horizontal ausgerichtete Karriereverlaufe

„Proteus-Karriere"

Karriereverlaufe mit wechselnden Verlaufsmustem

Alternative betriebliche Karriereverlaufe als Resultat der Gestaltung des HumanressourcenFlows (Quelle: verdndert tibernommen aus Sattelberger 1999, S. 288)

So wird es neben klassischen Fiihrungskarrieren angesichts sich verandemder Karrierebedingungen"'^^ zunehmend breiter ausgelegte Generalisten- sowie Proteuskarrieren mit wechselnden Veriaufsmustem geben."'^^ Dies geht mit einer steigenden Komplexitat der Gestaltung des Humanressourcen-Flows einher. Zunachst ist es sinnvoll, im Sinne einer propadeutischen Heranfiihrung an die Thematik die zentralen Begriffe im Zusammenhang mit dem Humanressourcen-Flow zu defmieren (1.1.1). Im Anschluss daran werden die konkreten Bezugspunkte und Stellhebel zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows erortert, anhand derer Laufbahnen konzipiert werden konnen. Damit ist das „Handwerkszeug" zur Gestaltung betrieblicher Laufbahnen angesprochen (II. 1.2). Aus der Vielfah der grundsatzlich denkbaren Gestaltungsmoglichkeiten ist es erforderlich, die Stellhebelkombination so auszuwahlen, dass Laufbahnen entstehen, die eine Fit-

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Hingegen entsprechen der Inflow (S. 217) sowie der Outflow (S. 234) weitgehend den Aufgabenfeldem der Humanressourcen-Akquisition und der -Dispensation. Vgl. Sattelberger (1999), S. 287, sowie Miles/Snow (1996), S. 97ff. Vgl. hierzu die entsprechenden AusfUhrungen in der Einfiihrung der Arbeit. Vgl. Sattelberger (1999), S. 287. Der Begriff Proteus-Karrieren ist an den griechischen Gott Proteus angelehnt, der Form und Aussehen beliebig andem konnte. Mit dem Begriff werden „exotische" Karriereverlaufe umschrieben, die keinem gSngigen Muster entsprechen.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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orientierte Zuweisung der Mitarbeiter auf die betrieblichen Stellen ermoglichen. Wie deutlich werden wird, umfasst dies Uberlegungen, wie der Humanressourcen-Flow im Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat gestaltet werden kann (11.1.3). Dem schliefien sich Erlauterungen an, wie individuelle Karriereplane der Humanressourcen durch eine entsprechende Gestaltung des Humanressourcen-Flows beriicksichtigt werden konnen, um die Bereitschaft der Humanressourcen zum Beschreiten einer bestimmten Laufbahn sicherstellen zu konnen (II.1.4).

II.l.l

Zentrale Begriffe im Kontext der Gestaltung des Humanressourcen-Flows

In der einschlagigen Literatur lasst sich ein uneinheitliches Sprachspiel der relevanten Begriffsverwendungen fur die Gestaltung eines Humanressourcen-Flows identifizieren. Um fur die weitere Argumentation eine einheitliche terminologische Basis sicherzustellen und begriffliche Ambiguitaten zu vermeiden, ist es sinnvoll, zunachst eine Arbeitsdeflnition fur den Karrierebegriff herzuleiten (1). Dieser konstituiert den iibergeordneten Verstandniskontext zur Einbettung der weiteren grundlegenden Termini Karriereplanung, Karriere- und Placementpfad, sowie betriebliche Laufbahn, die relevante Begriffe im Kontext der Gestaltung des Humanressourcen-Flows darstellen (2).

(1)

Der Karrierebegriff jenseits der klassischen Aufwartsorientierung

Karriere stellt einen „schillemden", jedoch in Theorie und Praxis uneinheitlich verwendeten Begriff dar.^^^ Dies fuhrt zu einer gewissen Inkommensurabilitat der verschiedenen Beitrage und folgedessen zu einer definitorischen Unklarheit des Karrierebegriffs. Trotz der heterogenen Auslegung des Karrierebegriffs in der Literatur lasst sich in den Beitragen der letzten zwei Jahrzehnte eine weit verbreitete Einigkeit zur Abkehr des Karriereverstandnisses vom reinen Aufstiegsstigma konstatieren. So sprechen sich Berthel/Koch (1985) explizit dafiir aus, die Begriffsdefinition vom klassischen vertikalen Aufstiegsbezug „zu entkleiden" und unter Karriere „(...) jede beliebige Stellenfolge einer Person im betrieblichen Stellengefuge" (Berthel/Koch 1985, S. 11, Hervorhebimg Y.F.) zu subsumieren.^^* Nach Berthel/Koch lasst sich die Abkehr von der Aufwartsorientierung der Karrieredefinition anhand zwei wesentlicher Argumente begrunden.^^ Zum einen gehen sie 357 358

Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 11, sowie Stetter (1999), S. 35. Zu einem solchen Begriffsverstandnis vgl. auch Berthel (1992), Sp. 1183, Weitbrecht (1992), Sp. 1114, Staehle (1994), S. 839, Mayrhofer (1996), S. 43. Zu Beitragen, die bereits vor Berthel/Koch (1985) von einem solchen Begriffsverstandnis ausgingen, vgl. stellvertretend Schein (1978), S. 38., Maier (1980). Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 11.

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davon aus, dass auch jene Stellenwechsel von Humanressourcen als Karriereschritte aufzufassen sind, die horizontale Bewegungsrichtungen im Stellengefuge des Untemehmens darstellen und nicht notwendigerweise mit einem Aufstieg auf eine hierarchisch hohere Stelle verbunden sind. Zum anderen verbinden Berthel/Koch ihre Begriffsdefinition mit der Forderung nach einer personalpolitisch sinnvollen Umorientierung der Karriereerwartungen der Humanressourcen, bei denen eine Orientierung an realistischen Versetzungsmoglichkeiten anzustreben ist. Mit dem Ausdruck ,/ealistische Versetzungsmoglichkeiten" ist dabei der Moglichkeitenraum des Placements angesprochen, der durch die vertikale Verjiingung der Untemehmenshierarchie die Realisierung vertikaler Placementbewegungen mit zunehmender hierarchischer Hohe limitiert. Obwohl die von Berthel/Koch angefuhrten Argumente in Hinblick auf aktuelle Entwicklungen wie etwa Hierarchieabflachungen nachvollziehbar sind, kann auch ein wesentlicher Kritikpunkt an ihrer Definition des Karrierebegriffs geauBert werden. Denn durch eine derartig neutrale Begriffsauffassung wird das Phanomen Karriere so stark generalisiert, dass die Termini Karriere und Berufsverlauf als Synonyme aufzufassen sind.^^ Einer solchen neutralen Begriffsauffassung allerdings stehen gesellschaftlich gelaufige Konnotationen des Karrierebegriffs entgegen,^^^ die Karriere mit der Erzielung eines beruflichen Erfolges in Verbindung setzen.^" Letzterer lasst sich dabei anhand unterschiedlicher Karrieredeskriptoren, wie etwa Einkonmien, Ansehen, Einfluss, Macht, Autonomic oder sozialer Anerkennung, charakterisieren. Den unterschiedlichen Karrieredeskriptoren ist dabei gemein, dass sie ein mehr oder minder knappes Gut darstellen, so dass ihnen ein elitarer Status und eine gewisse Exklusivitat zugeschrieben werden kann."'^"' Ein solcher elitarer Status wird dabei nur solchen Berufsverlaufen zuerkannt, die sich von allgemeinen Standardentwicklungen abheben und lediglich von einem abgrenzbaren und limitierten Personenkreis realisiert werden konnen. Beriicksichtigt man diese Uberlegungen, so kann eine differenziertere Arbeitsdefinition des Karrierebegriffs gewahlt werden, die zwar vom klassischen Aufstiegsstigma entkoppelt ist, jedoch den mit einer Karriere konnotierten beruflichen Erfolg einschlieBt. Demnach wird Karriere „(...) zu einem exklusiv geltenden, im Rahmen kollektiver Bedeutungszusammenhange individuell ausgestaltbaren, beruflichen Entwicklungsweg einer Humanressource. Die

360 361

362 363 364

Vgl.Stetter(1999),S.36. Gesellschaftliche Konnotationen spielen bei der Begriffsdefinition der Karriere insofem eine zentrale Rolle, da das Phanomen Karriere stets in einem gesellschaftlichen Bedeutungszusammenhang zu sehen ist. Denn schliefilich hangt die Wahmehmung einer Humanressource, ob ihr beruflicher Werdegang als Karriere zu werten ist, von gesellschaftlich gepragten Konnotationen ab. Diese fungieren gewissermafien als koUektive Standards fur individuelles Karrieredenken, so dass Karriere zu einem kollektiven Phanomen wird. Vgl. hierzu Stetter (1999), S. 21 und S. 38. Vgl. Berthel (1992), Sp. 1204. Vgl. Stetter (1999), S. 38. Dieses Argument greift auch Hall (1976) auf, indem er den Berufsveriauf von Sekretarinnen oder Parkplatzwachtem fur den Begriffskontext der Karriere ausschlieBt. Vgl. Hall (1976), S. 2.

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Entwicklungsschritte oder aber deren Summe sind dabei durch einen Mehrwert fur die Humanressource gekennzeichnet." (Stetter 1999, S. 39f.) So kann eine Karriere neben vertikalen, grundsatzlich auch horizontale oder radiale Karriereschritte umfassen, so lange gewahrleistet ist, dass in der Summe ein realisierter Mehrwert fiir die Humanressource entsteht, der mit beruflichem Erfolg in Verbindung gebracht wird.

(2)

Karriereplanung, Karriere- und Placementpfad und betriebliche Laufbahn

Aufbauend auf der abgeleiteten Definition des Karrierebegriffs lasst sich die individuelle Karriereplanung der Humanressourcen als geplante Abfolge und gedankliche Vorwegnahme einzelner Karriereschritte definieren, die in der Summe dazu geeignet sind, einen Mehrwert aus der individuellen Sicht der Humanressourcen zu generieren. Die individuelle Karriereplanung ist als ein kontinuierlicher Prozess zu verstehen, in welchem die Humanressourcen die Planung ihrer weiteren Karriereschritte im Zeitablauf modifizieren und anpassen. Der Begriff Karrierepfad hingegen bezieht sich auf die tatsachliche Umsetzung individueller Karriereplane und damit auf die Realisierung aneinandergereihter Karriereschritte, die in der Summe einen Mehrwert darstellen.^^^ Fiir den Untersuchungskontext der vorliegenden Arbeit bietet es sich femer an, neu den Begriff des Placementpfads einzufiihren und mit Inhalt zu fiillen. In Anlehnung an die vorangegangenen Ausfiihrungen sind unter Placementpfaden intraorganisationale Karrierepfade zu verstehen, die grundsatzlich fur alle Belegschaftstypen anwendbar sind.^^^ Somit ist der Begriff des Placementpfads nicht an den elitaren Status des Karrierebegriffs gekoppelt und nimmt dadurch eine hohere Anwendungsreichweite als der Karrierebegriff ein. Ein Placementpfad besteht dabei aus einzelnen Placementschritten, die in ihrer Gesamtheit den individuellen Placementpfad einer Humanressource konstituieren. Einen weiteren zu definierenden Begriff stellt die betriebliche Laufbahn dar. Die betriebliche Laufbahn ist als organisatorisches Gegenstiick zu individuellen Karriereplanen aufzufassen."'^ So ist unter einer Laufbahn in einem betrieblichen Kontext die Abfolge von Positionen zu verstehen, die von den Humanressourcen im Laufe ihrer betrieblichen Entwicklung zu

365 366 367

Vgl. Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 250. Vgl. Stetter (1999), S. 41, Mondy/Noe/Premeaux 2002, S. 261. Damit differenziert sich der Begriff des Placementpfads vom Begriffskontext der Karriere nach Hall (1976), der den Berufsverlauf von bestimmten Belegschaftsgruppen aus dem Karrierekontext ausschliefit. In der deutschsprachigen Literatur stammt der Laufbahnbegriff originar aus der offentlichen Verwaltung und bezeichnet dort den feststehenden, normierten Werdegang von Beamten, der die Abfolge von Beforderungen oder von aufsteigenden Dienstgraden umfasst. Eine bestimmte Abfolge von Positionen sowie der hochste erreichbare Dienstgrad stehen dabei oft schon beim Eintritt der Beamten in ihre berufliche Laufbahn fest. Es leuchtet ein, dass in dieser Form feststehende Laufbahnen in der untemehmerischen Praxis nicht realisierbar sind. Denn die Dynamik, denen die Untemehmen ausgesetzt sind, lasst kein statisches Laufbahnsystem zu, welches die Realisierung starrer Stellenabfolgen zulassen wiirde. Vgl. Lehnert (1996), S. 195.

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durchlaufen sind. Laufbahnen zeigen den Weg von der Einstiegsposition iiber Folge- bis zu den erreichbaren Zielpositionen auf.^^* Dabei sind Laufbahnen die organisatorischen „Leitplanken", innerhalb welcher individuelle Karriereplane und Placementpfade der Mitarbeiter realisiert werden konnen.

II. 1.2

Bezugspunkte und Stellhebel zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows

Bezugspunkte fur die Gestaltung des Humanressourcen-Flows stellen die einzelnen zu besetzenden Stellen des Untemehmens dar, die es durch geeignete Abfolgen zu betrieblichen Laufbahnen miteinander zu verkniipfen gilt. Durch die Einnahme von Stellen entlang einer Laufbahn und den gesammelten Erfahrungen erwerben Humanressourcen „Placementpotenziar' fur spatere Folgepositionen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die einzelnen Stellen sinnvoll miteinander verkniipft sind. Berthel (1997) fiihrt dazu aus: „Stellen sind im Laufe der Karriere einzelne Entwicklungsschritte, die auf die weitere Karrierezukunft der Mitarbeiter Auswirkungen haben: Sie enveitem oder beschranken die Moglichkeiten, andere Stellen einzunehmen. Eine ungeplante Stellenfolge nutzt die vergangenen Erfahrungen fiir gegenwartige und zukiinftige Tatigkeiten kaum oder nur unzulanglich, wodurch Lemeffekte verloren gehen." (Berthel 1997, S. 298f) Mit anderen Worten ist durch eine entsprechende Gestaltung des Humanressourcen-Flows sicherzustellen, dass die sukzessiv eingenommenen Stellen der Mitarbeiter eine sinnvolle Verkniipfung aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darstellen. Um eine theoretische Fundierung von Stellen als Bezugspunkte der Gestaltung des Humanressourcen-Flows zu schafFen und Ansatzpunkte fur eine sinnvolle Verkniipfung einzelner Stellen zu betrieblichen Laufbahnen zu identifizieren, ist es sinnvoll, eine differenziertere Sicht der verschiedenen Funktionen einer Stelle einzunehmen. Es lassen sich unterschiedliche Funktionen einer Stelle identifizieren, die in „Primar-" und „Sekundarfunktionen" klassifiziert werden konnen. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung II-2 verdeutlicht.

^^^ ^^^

Vgl. Maier (1980), S. 46, Berthel (1992), Sp. 1203, Mayrhofer (1996), S. 43, Rumpf (1997), S. 25. Vgl.Rumpf(1997),S.24.

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Stelle als Ort der.. „Primarfiinktion" einer Stelle

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Stelle als Feld der...

Leistungserbringung

Tatigkeitsausiibung

Weiterentwicklung

Lernerfahrung „on the job"

Stelle

„Sekundarfunktionen" einer Stelle

Abb. 11-2

Sozialisation

Vermittlung sozialen und fachlichen Wissens

Screening

InformationsbeschafTung uber den Stelleninhaber

Primdr- und Sekundarfunktionen einer Stelle

Die einzelnen Funktionen einer Stelle lassen sich wie folgt charakterisieren. •

Stelle als Arbeitsfeld: Zunachst ist die Stelle als Ort der Leistungserbringung im Organisationsgefiige des Untemehmens zu verstehen und kann somit als das „Arbeitsfeld" des Stelleninhabers bezeichnet werden. In diesem erbringt die Humanressource die Arbeitsleistungen, die auf der Erfiillung der stellenbezogenen Aufgaben basieren. Damit ist die eigentliche „Primarflinktion" einer Stelle angesprochen.



Stelle als Lernfeld: Femer stellt die Stelle auch ein Lem- bzw. ein Entwicklungsfeld dar."'^^ In diesem entwickelt sich die Humanressource „on the job", d.h. wahrend der Ausubung der stellenbezogenen Aufgaben, weiter."^^"* Voraussetzung hierfur ist, dass der Stelleninhaber mit dem Placement auf eine neue Stelle mit neuen Aufgaben und Anforderungen konfrontiert wird. Conradi (1983) pragt in diesem Kontext den Begriff des

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Synonym kann auch der Begriff „Funktionsfeld" verwendet werden. Vgl. Bronner/SchrOder (1983), S. 249, Stiefel (1991), S. 81, Schmitz (1993), S. 62, sowie Sonntag/Stegmaier (2001), S. 283. Vgl. Miller (1984), S. 64, Thorn (1987), S. 67, Stabler (1999), S. 164. Der Ausdruck „on the job" geht auf die Unterteilung von unterschiedlichen Lemorten nach Conradi (1983) zurUck. Dieser unterscheidet Lemorte nach der Beziehung der Lemvorgange zum Arbeitsplatz, so dass diese Lemvorgange grundsatzlich „on the job" oder „off the job" stattfinden kOnnen. Vgl. hierzu Conradi (1983), S. 65ff. sowie 74flf. In der Literatur wird in diesem Kontext auch von einer „impliziten Qualifizierung" der Humanressource wahrend der ArbeitsausUbung gesprochen. Vgl. hierzu Lutz (1987), S. 48f

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„Entwicklungsarbeitsplatzes", der als Vorbereitung auf die spatere Ubemahme von angestrebten Zielpositionen mit vergleichbaren Aufgabenprofilen dient."'^'* So lassen sich im Untemehmen Stellen definieren, die als Vorbereitungsstufen fiir die Einnahme spaterer Folgepositionen dienen, indem sie durch kongruente, d.h. sich iiberschneidende Aufgabenbereiche oder aber auch durch ein kongruentes soziales Umfeld als „hinfiihrende" Stellen^^^ zu bestimmten Zielpositionen ftingieren.^^^ •



374 375 376 377 378 379

382

Stelle als Sozialisationsfeld: Ebenso stellt eine Stelle auch ein Sozialisationsfeld dar, in welchem der Stelleninhaber in das soziale Umfeld der Stelle eingefuhrt und sozialisiert wird. Darunter ist grundsatzlich der Erwerb von Verhaltens-, Orientierungs- und Denkmustem zu verstehen."'^^ Somit baut die Humanressource wahrend der Tatigkeit auf einer bestimmten Stelle im Laufe der Zeit „kulturelle" Kompetenz auf ^^* Diese benotigt sie ftir die Interaktion und Akzeptanz sowie fur die effektive Aufgabenerfiillung im neuen Arbeitskontext. Stelle als Informationsbeschaffungsfeld: Femer konnen auf jeder Stelle uber den Stelleninhaber Informationen gewonnen werden, die quasi als Nebenprodukt der Tatigkeit auf einer bestimmten Stelle entstehen und ein Screening der Humanressource ermoglichen."''^' Somit stellt jede Stelle gewissermaBen auch ein „Bewahrungsfeld" fur spatere Zielpositionen dar, auf dem kontrolliert wird, wie der Stelleninhaber den Anforderungskatalog seiner gegenwartigen Position erfiillt. Daraus lassen sich Schlusse fur die prinzipielle Eignung der Humanressourcen fur spatere Zielpositionen gewinnen und moglichst fhih potenzielle Placementkandidaten identifizieren.^*^ Diesen Uberlegungen entsprechend werden in der Praxis oftmals gezielt so genannte „Assessment-Positionen' definiert, die darauf ausgerichtet sind, das Potenzial der Humanressourcen fur spatere Folgepositionen zu analysieren.^*^ Dabei gilt, dass prognostische Aussagen iiber die Eignung fur spatere Zielpositionen sich umso eher treffen lassen, je ahnlicher die Anforderungsprofile der bisherigen Stelle mit den sich anschlieBenden Folgepositionen sind, d.h. je mehr Uberlappungen zwischen den Aufgaben auf aufeinanderfolgenden

Vgl. Conradi (1983), S. 73, Stiefel (1991), S. 81, und Klimecki/Gmiir (2001), S. 213. Zum Ausdnick der hinfiihrenden Stelle vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 638. Vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 635. Vgl. stellvertretend Maanen (1976), S. 67, Schirmer (1992), S. 196. Vgl. Ebers( 1987), Sp. 1624. Vgl. Backes-GellnerAVemer/Schlinghoff (2001), S. 34. Aufgrund der realen Situation wahrend der Arbeitsausiibung konnen verlasslichere Informationen iiber den Stelleninhaber als bei ,Mnstlich" geschaffenen Situationen zur Leistungsbeurteilung, wie etwa bei Interviews oder Assessment Centem, gewonnen werden. Da die Informationen quasi „on the job" generiert werden, lassen sich die Informationsbeschaffungskosten von kiinstlich geschaffenen Beurteilungssituationen senken. Vgl. Krakel (1997), S. 172ff Vgl. Eckardstein (1969), S. 90, Kellog (1972), Seeker (1972), S. 86, Miller (1984), S. 67, Drucker (1985), S. 22,McCall(1996), S.47. Typisches Beispiel fur derartige ,Assessment-Positionen" sind Traineestellen im Untemehmen, auf denen das Potenzial der Trainees zur spateren Ubemahme von Fuhmngspositionen ermittelt wird. Vgl. Weckmiiller (1998), S. 29, Baron/Kreps (1999), S. 172.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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Stellen entlang einer Laufbahn existieren."'*^ So kann die Informationsakkumulation iiber die Humanressource iiber mehrere Stelleninhaberschaften hinweg wesentlich dazu beitragen, das Risiko von Fehlbesetzungen zu reduzieren.^*"* Eine Stellenvakanz im Untemehmen kann grundsatzlich durch interne oder exteme Humanressourcen geschlossen werden. Wahrend Argumente existieren, die fur eine Stellenbesetzung mit extemen Kandidaten sprechen, beispielsweise die mangelnde Verfiigbarkeit geeigneter intemer Kandidaten oder die gezielte Forderung von „fnschem Wind", existieren auch wesentliche Vorteile einer Stellenbesetzung mit intemen Placementkandidaten. Diese Griinde liegen grundsatzlich der Planung betrieblicher Laufbahnen zu Grunde und lassen sich anhand der erlauterten Sekundarfunktionen einer Stelle darstellen. •

Verldsslichere Beurteilbarkeit: So stellt die verlasslichere Beurteilbarkeit der fachlichen und sozialen Eignung von intemen Humanressourcen einen wesentlichen Vorteil von Stellenbesetzungen mit intemen Kandidaten dar. Dadurch wiedemm kann eine Unsicherheitsreduziemng bei Placemententscheidungen erreicht werden (Stelle als Informationsbeschaffungsfeld). Dies ist insbesondere bei der Besetzung von zentralen Managementpositionen im Untemehmen von Bedeutung."'*^



Geringere Einarbeitungszeiten und Anpassungsprobleme: Zudem lassen sich Einarbeitungszeiten und soziale Anpassungsprobleme verringem. Denn inteme Kandidaten sind mit intemen Arbeits- und Kommunikationsprozessen sowie intemen Beziehungsstmkturen vertraut. Femer sind sie in soziale Beziehungsnetze innerhalb des Untemehmens eingebunden (Stelle als Sozialisationsfeld).^*^



Aufbau eines internen Nachwuchspools: Dariiber hinaus kann durch wiederholte Stellenbesetzungen intemer Kandidaten der Aufbau eines Nachwuchspools realisiert werden. Die Humanressourcen eines solchen Pools erwerben sukzessive wichtige Erfahmngen und Qualifikationen und dadurch Placementpotenzial fur spatere Folgepositionen (Stelle als Lemfeld)."'*^ Dadurch lasst sich eine gewisse Unabhangigkeit vom externen Arbeitsmarkt erzielen, so dass der systematische Aufbau eines solchen Nachwuchspools vor allem fur hochspezialisierte Mitarbeitersegmente von Bedeutung ist, die auf dem extemen Arbeitsmarkt schwer zu beschaffen sind.

Nicht zuletzt sprechen auch motivational Grunde wie etwa das Aufzeigen innerbetrieblicher Entwicklungs- und Karrieremoglichkeiten fur die Stellenbesetzung aus eigenen Reihen. 383 384 385 386 387 388

Vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 635. Vgl. Weckmuller (1998), S. 14. So werden nach Fulghum/Rickert (2004), S. 128, neunzig Prozent aller Managementpositionen aus den eigenen Reihen der Untemehmen besetzt. Dadurch lasst sich nach Eigler (1996), S. 65, eine Senkung der Transaktionskosten erreichen. Vgl. Wunderer/Kuhn (1993), S. 145, Egle/Pfortner/Stemes (1996), S. 150. Freilich sind mit einem stark abgeschotteten intemen Arbeitsmarkt auch Nachteile verbunden. So sind Probleme wie das Auslosen „intemer Vakanzketten", eine damit verbundene Stomng der betrieblichen Ablaufe sowie eine dadurch geforderte ,3etriebsblindheit" zu bewaltigen. Zu einer detaillierteren Gegen-

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Dem Placement stehen drei verschiedene generische Gestaltungshebel zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows zur Verfugung. Anhand dieser Stellhebel konnen individuelle Laufbahnen gestaltet werden, die sich aus einer sinnvollen Abfolge einzelner Stellen zusammensetzen lassen und den Rahmen zur Verwirklichung individueller Placementpfade bilden. Ein erster wesentlicher Gestaltungshebel stellt die Richtung des Humanressourcen-Flows dar, nach der Humanressourcen im Stellengefuge des Untemehmens bewegt werden (1). Jenseits dessen lasst sich bestimmen, mit welcher Geschwindigkeit, d.h. wie haufig die Humanressourcen von Stelle zu Stelle im Untemehmen zu bewegen sind (2). SchlieBlich ist ein dritter Stellhebel in der Vollstandigkeit des Placements zu sehen. Damit ist die Frage angesprochen, ob eine Humanressource vollstandig ihre bisherige Stelle verlasst, um eine neue einzunehmen, Oder ob eine Zwischenform, wie etwa das Placement auf ein Projekt bei Beibehaltung der bisherigen Stelle in der Linie, sinnvoll ist (3).

(1)

Richtung des Humanressourcen-Flows

Zur Analyse moglicher Richtungen des Humanressourcen-Flows bietet es sich an, auf das in der Literatur weit verbreitete Organisationsmodell von Schein (1971c) zuriickzugreifen. Dieses fungiert als Karrieresystem, respektive Placementsystem, indem es mogliche Richtungen der Humanressourcenbewegungen innerhalb einer Organisation verdeutlicht. Scheins Intention bei der Entwicklung eines solchen Organisationsmodells ist in der Schaffung einer hoheren Transparenz von moglichen organisationalen Karriere- und Placementverlaufen zu sehen, indem die eindimensionale Ranghierarchie iiberwunden wird und alternative Bewegungsrichtungen im Untemehmen aufgezeigt werden. Der so genannte „Scheinsche Kegel"^*'^ ist in Abbildung II-3 dargestellt.

iiberstellung der Vor- und Nachteile intemer Stellenbesetzungen vgl. Wunderer (1973), S. 15ff., sowie Krakel(1997),S. 173ff. Dieser hat auch unter der Bezeichnung ,JCarrierekeger' Eingang in die gangige Literatur gefunden. Vgl. stellvertretend Schanz (2000), S. 506.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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Placement-Richtungen: /. vertikal/Rang II: horizontal/Funktion III: zentripetal/Zugehorigkeit IV: diagonal/Kombination aus I-III

wl /

\\ \ife^^

Funktionsbereiche: B: Beschaffung P: Produktion V: Vertrieb

"^^^ Abb. II-3

Der Scheinsche Kegel als Placementsystem (Quelle: verdndert nach Schein I97Ic, S. 404)

Schein differenziert nach vertikalen (a), horizontalen (b) sowie zentripetalen (c) Bewegungsrichtungen, die iimerhalb des Placementsystems verwirklicht werden konnen.^^^ Als weitere Placementrichtung ist dariiber hinaus eine diagonale Bewegungsrichtung denkbar, die eine Kombination der zuvor genannten generischen Richtungen nach Schein darstellt (d). Jede Bewegung der Humanressource entlang einer der genannten Richtungen stellt einen einzelnen Placementschritt, sprich eine Job Rotation, auf eine neue Stelle innerhalb des organisatorischen Stellengefuges dar. Fur die weiteren Uberlegungen erscheint es sinnvoll, die einzelnen Bewegungsrichtungen und ihre Implikationen naher zu charakterisieren und dabei darauf einzugehen, welche Art von Qualifikationen durch eine bestimmte Placementrichtung gefordert wird. Der Qualifikationserwerb nimmt wiederum Einfluss auf die Versetzbarkeit der Humanressource auf weitere Folgepositionen in der organisatorischen Stellenstruktur. (a) Unter vertikalen Placementbewegungen sind die beiden gegenlaufigen ranghierarchischen Bewegungsrichtungen des „Upward-Placements" und des „Downward-Placements" innerhalb der Hierarchic eines Funktionsbereichs zu subsumieren. Unter einem Upward-Placement wird die Versetzung einer Humanressource von hierarchisch niedrigeren zu hoheren Stellen verstanden, die innerhalb des bisherigen Funktionsbereichs erfolgen.^^^ Als Beispiel ist die Ver390 391

Vgl. Schein (1971b), S. 302, (1971c), S. 404, (1978), S. 37ff., sowie Maanen/Schein (1979), S. 218ff. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird ein solches Upward-Placement oftmals mit dem Begriff der Beforderung gleichgesetzt. Allerdings stellt eine Befbrderung lediglich eine besondere Form eines UpwardPlacements dar. Denn grundsatzlich muss eine Befbrderung nicht notwendigerweise mit einem UpwardPlacement einhergehen, sondem kann beispielsweise auch durch eine ErhOhung des Gehalts bei gleich-

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setzung eines Marketing-Trainees auf die Stelle eines Junior-Produktmanagers sowie anschlieBend auf die Stelle eines Produktmanagers im Marketing zu nennen. Durch derartige aneinandergereihte vertikale Placementschritte erwirbt die Humanressource sukzessive flinktionsspezifische Qualifikationen, die sie fur die Ubemahme spaterer Folgepositionen benotigt. Mit einem Upward-Placement sind Veranderungen der bisherigen Aufgabeninhalte verbunden, die in der Kegel mit einer Ausweitung des Verantwortungs- und Kompetenzbereichs einhergehen.^'^ Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Humanressource zusatzlich zu ihren bisherigen Fachaufgaben auch Fiihrungsaufgaben mit entsprechender Personalverantwortung ubemimmt. Allerdings begrenzt die Pyramidenform der Untemehmenshierarchie die Moglichkeit von vertikalen Placementbewegungen derart, dass die Zahl der realisierbaren Upward-Placements mit zunehmender Hohe in der Untemehmenshierarchie abnimmt.^^^ Um so genannte Placement-, respektive Karriereplateaus^''* der Mitarbeiter zu vermeiden, deren Problematik sich durch die Tendenz zur Abflachung von Untemehmenshierarchien weiter verscharfen wird, nimmt die Bedeutung an altemativen Placementrichtungen jenseits des vertikalen Aufstiegs zu.^'^ Eine theoretisch mogliche Alternative im Rahmen von vertikalen Placementbewegungen stellen entgegengerichtete Downward-Placements dar, bei welchen die Humanressource innerhalb eines Funktionsbereichs in der Untemehmenshierarchie absteigt."''^ Jedoch ist eine solche Vorgehensweise in der Praxis meist nicht unproblematisch, da Downward-Placements meist mit objektiven oder subjektiv wahrgenommenen Verschlechterungen einhergehen. ^^ Unsicherheit, Resignation und Leistungsverweigerungen der Humanressourcen sind oftmals die Folgen."''* Da Downward-Placements jedoch gmndsatzlich nicht ausgeschlossen werden

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bleibender Stelle erfolgen. Vgl. hierzu Bisani (1995), S. 319. Aus Griinden der begrifflichen Klarheit soil aus diesem Grund auf die Verwendung des Begriffs Beforderung verzichtet werden. Vgl. Backes-GellnerAVemer/Schlinghoff (2001), S. 31. Vgl. Berthel^och (1985), S. 43, sowie Bock (2002), S. 149. Unter dem Begriff Karriereplateau ist der Punkt einer Karriere zu verstehen, an dem die Wahrscheinlichkeit eines weiteren hierarchischen Aufstiegs als sehr gering einzustufen ist. Es tritt also eine Stagnation der weiteren beruflichen Entwicklung auf der erreichten Position ein, so dass von einer „Sackgasse der Weiterentwicklung" gesprochen werden kann. Haben Humanressourcen einen solchen Punkt ihrer Karriere erreicht, so ist mit Motivationsproblemen zu rechnen, wenn ihnen keine altemativen Weiterentwicklungsmoglichkeiten geboten werden. Zur Problematik von Karriereplateaus vgl. Rosen/Jerdee (1992), S. 61ff., Moulton/Fickel (1993), S. 39ff., Mayrhofer (1996), S. 48, Eckardstein (1997), S. 8ff, sowie Greer (2001), S. 13f. Vgl. Stetter (1999), S. 57ff., Kaiser (2001), S. 151, und Oxman/Smith (2004), S. 166. In der Literatur wird meist der Begriff ,X)ownward Movement" bzw. .^Downward Career Move" verwendet. Vgl. Kuchta (1988), S. 28ff., Becker/Kurtz (1991), S. 35ff., und Lehnert (1996), S. 120. Fiir eine iibersichtiiche und umfassende Darstellung des Downward Movements als Bewegungsrichtung im Karrieresystem sei auf die Dissertationsschrift von Brehm (1998) verwiesen. Allerdings ist das Downward Movement als Bewegungsrichtung in der Praxis bislang nicht sehr verbreitet. Vgl. Briiderl (1991), S. 76, Gibbons (1996), S. 17, und Johnson/Fritzsche/Bertrand (2005), S. 20f Vgl.Brehm(1998), S. 23. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 43, Mayrhofer (1996), S. 47.

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konnen, sind MaBnahmen zu ergreifen, die dazu geeignet sind, die negativen Konnotationen von Abwartsbewegungen zu reduzieren."''' •

Ein denkbarer Ansatz besteht darin, ein Downward-Placement zu einer durchaus gangigen Versetzungsrichtung bei der Gestaltung des Humanressourcen-Flows zu machen. Dies kann dadurch erreicht werden, indem das Downward-Placement lediglich als zwischenzeitliches Placement interpretiert wird, an welches sich zu einem spateren Zeitpunkt emeut ein Upward-Placement anschliefit. Durch die Option auf spatere Aufstiegsmoglichkeiten, bei der auch eine hierarchische Ebene iibersprungen werden kann, kann die Bereitschaft der betroffenen Humanressourcen gefordert werden, gegebenenfalls auch eine zwischenzeitliche Abwartsbewegung zu akzeptieren.



Jenseits dessen kann fur Humanressourcen, deren Karrieremotivation sich im Zuge von Veranderungen in der sozialen bzw. biopsychischen Sphare wie etwa Heirat oder Eltemschaft verandert hat, ein „Downward-Placement" durchaus mit den individuellen Karriereplanen vereinbar sein/**^ In einem solchen Fall kann durch das Angebot eines Downward-Placements der individuellen Karrieremotivation und somit der Herstellung eines Karriere-Fits Rechung getragen werden/^^

(b) Horizontale Placementbewegungen

als Alternative zu vertikalen Placementbewegungen

haben in der praxisnahen Literatur in den letzten Jahren verstarkt Auftnerksamkeit erfahren.^®^ Horizontale Placementbewegungen finden im Gegensatz zu vertikalen Placementschritten auf der gleichen hierarchischen Ebene statt. Dabei wechseln die Humanressourcen zwischen verschiedenen Funktionsbereichen, wie beispielsweise von der Beschaffling in die Produktion. Auch der Auslandseinsatz einer Humanressource auf der gleichen Hierarchieebene stellt eine horizontale Placementbewegung dar/^"* Derartige horizontale Placementbewegungen und die damit verbundenen Tatigkeiten der Humanressourcen in verschiedenen Funktionsbereichen fordem den Erwerb von weitgefacherten und damit generalistischen Qualifikationen/^^ Durch horizontale Placementbewegungen werden daruber hinaus auch der Aufbau von fiinktionsubergreifenden personlichen Netzwerken sowie eine globalere, funktionsiibergreifende Problemperspektive der Mitarbeiter gefordert.

399 400

401 402 403 404 405

Vgl.Kuchta(1988),S. 28. Vgl. Becker/Kurtz (1991), S. 35ff., und Fiichtner (1998), S. 603. Hall (1993), S. 235f., spricht sich bei einer solchen Vorgehensweise fur die Beibehaltung der bisherigen monetaren Entlohnung aus, um die Bereitschaft der Humanressource fur eine solche voriibergehende Abwartsbewegung zu fordem und die Sicherung des bisherigen Lebensstandards nicht zu gefahrden. Vgl. hierzu die in der Einfuhrung der Arbeit angefuhrten Rahmenbedingungen fur ein Fit-orientiertes Matching. Vgl. Johnson/Fritzsche/Bertrand (2005), S. 21. Vgl. Becker/Kurtz (1990), S. 271, sowie Brehm (1998), S. 46. Vgl.Schlichting(2001),S. 51. Vgl. Buhner (1994), S. 144. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 141.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements „Experiences in different parts of an organization force the person to develop a wider range of skills, a wider network of relationships, and more of a company-wide perspective." (Hall 1984, S. 166)

Vor diesem Hintergnmd stellen horizontale Bewegungen oftmals Vorbereitungsschritte fiir einen spateren vertikalen Aufstieg dar. Dies geht auf individueller Ebene mit einer Steigerung der Employability'*^^ der einzelnen Humanressourcen sowie auf aggregierter Ebene mit einer Steigerung der Flexibilitat der Humanressourcenausstattung einher.**^^ (c) Zentripetale Placementbewegungen als dritte Bewegungsrichtung gehen mit einer Annaherung der Humanressourcen an die Macht- bzw. Entscheidungszentren und somit an die wesentlichen „Schaltstellen" des Untemehmens einher/^* In der Literatur wird synonym auch der Begriff der radialen Bewegungsrichtung verwendet, die zu einer Erhohung von Status und individueller Machtausstattung fiihrt/^' Ein Beispiel fur eine zentripetale Placementrichtung stellt die Versetzung einer Humanressource aus einer Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft dar.'*^* Durch eine solche Bewegungsrichtung wird die Zentralitat einer Humanressource gefordert, die in der Regel mit der Ausweitung des Entscheidungsspielraums der Mitarbeiter verbunden ist. Dabei ist zu beachten, dass vertikale Placementbewegungen in der Regel gleichzeitig zentripetaler Natur sind, so dass zwischen diesen beiden Bewegungsrichtungen keine vollstandige Trennscharfe besteht/*^ (d) Diagonale Placementbewegungen als weitere Bewegungsaltemative resultieren aus einer Kombination aus den genannten drei Richtungen. Denn vertikale, horizontale und zentripetale Bewegungsaltemativen sind nicht ausschlieBlich isoliert voneinander anzuwenden, sondem lassen sich vielmehr miteinander kombinieren.'*^^ So kann beispielsweise eine Humanressource aus dem Funktionsbereich Produktion auf eine ranghierarchisch hoher angesiedelte Stelle in den Vertrieb wechseln. In diesem Fall erfolgt eine Kombination aus einer horizontalen und einer vertikalen Placementbewegung. Dadurch kann die Humanressource sowohl Qualifikationen in einem neuen Funktionsbereich als auch auf einer neuen Hierarchieebene sammeln. Mit diagonalen Bewegungsrichtungen sind fur die betroffenen Humanressourcen zwei zentrale Herausforderungen verbunden.

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Das Schlagwort Employability leitet sich aus dem englischen Wort „employable" (anstellbar bzw. beschaftigungsfahig) ab und umschreibt damit die Einsetzbarkeit sowie die Einstellungsfahigkeit der Humanressourcen auf dem intemen und extemen Aibeitsmarkt. Vgl. zur Employability-Diskussion stellvertretend Ratzek (1999), S. 112, Sattelberger (1999a), S. 79ff., sowie Steffens-Duch/Fischer (2000), S. 550ff. Vgl. Oertig/Stoll (1997), S. 8, Kaiser (2001), S. 151f, sowie die nachfolgenden Uberlegungen in Abschnittll.1.3. Vgl. Maier (1980), S. 48, und Kaiser (2001), S. 150. Vgl. Maier (1980), S. 48, Strube (1982), S. 206, sowie Wollsching-Strobel (1999), S. 41. Vgl. Staehle (1994), S. 841, sowie Kaiser (2001), S. 150. Vgl. Krakel (1997), S. 223. Vgl. Stabler (1999), S. 95.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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So ist in der Regel von starken Anforderungsveranderungen auszugehen, die sich aus der Kombination aus neuem Funktionsbereich und hierarchischer Ebene ergeben.



Gleichzeitig ist damit auch eine kulturelle Veranderung des sozialen Arbeitsumfelds gekniipft, die aus einer simultanen Konfrontation mit einer neuen funktions- und hierarchiebezogenen Subkultur, respektive Kontextgemeinschaft, resultiert.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Durchfuhrung von diagonalen Placementbewegungen nur fur Humanressourcen sinnvoll, die sich durch eine hohe Anpassungs- und Entwicklungsfahigkeit auszeichnen. Resiimierend lasst sich festhahen, dass innerhalb des existierenden Moglichkeitenraums die Richtung des Humanressourcen-Flows grundsatzHch durch eine Anderung des hierarchischen Rangs (vertikal), des Funktionsbereichs (horizontal), der Zentralitat (zentripetal) oder durch eine Kombination (diagonal) aus diesen Richtungen gestaltbar ist/*^ Die Struktur des organisationalen Stellengefuges gibt dabei vor, wie hoch der hierarchische Aufstieg sein kann, welche Funktionen existieren und inwieweit die Moglichkeit besteht, die Humanressource naher an das Entscheidungszentrum des Untemehmens zu versetzen.

(2)

Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows

Neben der Bewegungsrichtung stellt die Bewegungsgeschwindigkeit einen weiteren zentralen Stellhebel zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows dar. Unter der Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows ist die Haufigkeit zu verstehen, mit der Humanressourcen innerhalb des organisatorischen Stellengefuges wechseln. Im Untemehmen existieren Positionen, die von vomherein eine relativ geringe Verweildauer vorsehen. Hierzu zahlen etwa TraineeStellen, befristete Auslandsabordnungen oder Projekteinsatze. Mit zunehmender Dynamik und Komplexitat des untemehmerischen Umfelds ist davon auszugehen, dass sich die Haufigkeit, Mitarbeiter auf neue Stellen innerhalb des Untemehmens mit abweichenden Anforderungen zu versetzen, tendenziell erhohen wird.'*^'* Diese Tendenz wird verstarkt durch die in vielen Untemehmen zunehmend verbreitete Vorgehensweise, hochqualifizierte Mitarbeiter bei entsprechender Leistung rasch auf jene Positionen zu versetzen, auf denen das Leistungspotenzial moglichst weitreichend ausgeschopft werden kann/*^ Durch diese Tendenzen sinkt die durchschnittliche Verweildauer der Humanressourcen pro Stelle. Bei der Wahl der Placementgeschwindigkeit ist zu beriicksichtigen, dass die Sichemng der laufenden Aufgabenerfiillung sowohl auf individuellem als auch auf aggregiertem Niveau sichergestellt sein muss. •

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Die Gewahrleistung der Aufgabenerfullung auf individuellem Niveau bedeutet, dass ein Mitarbeiter ausreichend lange auf einer Stelle verweilt, um die an ihn gestellten AnforVgl. Schein (1971c), S. 418. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 11, Meier (2004), S. 34. Fiir diesen Zweck werden in der Praxis so genannte , J^ast-track"-Programme fur aufstrebende Mitarbeiter mit hohem Weiterentwicklungspotenzial eingerichtet. Vgl. stellvertretend Greer (2001), S. 13.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

demngen effektiv bewaltigen zu konnen. So bergen zu haufige Versetzungen des Mitarbeiters die Gefahr in sich, dass dessen Weiterentwicklungs- und Anpassungspotenzial mit den sich kontinuierlich verandemden Anforderungen nicht Schritt halten kann. Die Sicherstellung der AufgabenerfuUung auf aggregiertem Niveau hingegen zielt darauf ab, die durch die betrieblichen Stellenwechsel verursachten aggregierten Storungen der betrieblichen Ablaufe so zu begrenzen, dass die kollektive Leistungsfahigkeit der Humanressourcenausstattung nicht gefahrdet wird/^^ Folgedessen ist zu beachten, dass nicht zu viele Versetzungen von Mitarbeitem auf neue Stellen gleichzeitig durchgeflihrt werden, die zu einer Stoning der betrieblichen Arbeitsprozesse sowie der sozialen Beziehungsstrukturen fiihren.

Zu beriicksichtigen ist in diesem Zusammenhang dariiber hinaus auch, dass jeder interne Arbeitsplatzwechsel eine Kettenreaktion von Versetzungen nach sich zieht, so dass es dadurch zu intemen Vakanzketten kommt/*'^ Uber eine hohe Geschwindigkeit des betrieblichen Humanressourcen-Flows ist daher stets ein Primat der Sicherstellung der untemehmerischen Gesamtaufgabe zu stellen. ,J)ies gilt auch dann, wenn diese [Humanressourcen; Y.F.] bereits die ,>leisterschaft" innerhalb ihrer Aufgaben gefunden haben sollten und somit ,^eif' fiir neue Herausforderung waren." (Kaiser 2001, S. 161) Um die Wahl einer sinnvollen Placementgeschwindigkeit naher spezifizieren zu konnen, wird im Folgenden zunachst auf die allgemeinen Kosten eines Stellenwechsels eingegangen (a). In einem nachsten Schritt werden darauf aufbauend allgemeine Einflussfaktoren fur die Lange der Verweildauer pro Stelle erortert (b). Dem schliefien sich generelle Uberlegungen iiber obere und untere Begrenzungen fur die Lange der Verweildauer an (c). (a) Allgemeine Kosten eines Stellenwechsels: Dadurch, dass jede Neubesetzung einer Stelle und damit auch jeder Stellenwechsel zunachst eine Stoning der betrieblichen Ablaufe durch eine Veranderung der funktionalen und sozialen Beziehungsstruktur darstellt, entstehen Ressourcenverbrauche/*' Mit anderen Worten sind mit jedem Stellenwechsel auch spezifische Kosten verbunden, die als „Reibungsverluste" eines Stellenwechsels zu interpretieren sind/*' Die allgemeinen Kosten eines Stellenwechsels lassen sich danach klassifizieren, ob sie direkt

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Vgl. Kaiser (2001), S. 161. In der Praxis wird eine Obergrenze von 10-20 Prozent der Mitarbeiter, die innerhalb eines Jahres innerhalb des Untemehmens versetzt werden, als realistisch eingestuft, um die aggregierte Leistungsfahigkeit der Humanressourcenausstattung nicht zu gefahrden. Vgl. stellvertretend Schlichting (1994), S. 390. Vgl. Krakel (1997), S. 177. Vgl. Wunderer (1973), S. 14. Der Kostenbegriff ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen und im Siime von entstehenden Nachteilen eines Stellenwechsels zu interpretieren. Diesen Kosten von innerbetrieblichen Stellenwechseln wird in der Praxis bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, indem sich der Fokus der Uberlegungen meist recht einseitig auf die Vorteile haufig stattfmdender Job Rotations richtet. Vgl. Kaiser/Fargel (2004), S. 82.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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durch den Wechsel einer Humanressource auf die neue Stelle oder indirekt durch damit einhergehende Storungen im intemen und extemen Beziehungsgefuge verursacht werden. •

Direkt durch den Stellenwechsel verursachte Kosten konnen auf eine eingeschrankte Leistungserbringung des neuen Stelleninhabers wahrend ineffizienter Einarbeitungsphasen zuriickgefuhrt werden. Diese eingeschrankte Leistungserbringung beruht darauf, dass der neue Stelleninhaber zunachst lemen muss, sich in seinem neuen fachUchen und sozialen Umfeld zurechtzufinden. So verwendet ein neuer Stelleninhaber zunachst viel Energie darauf, den eigenen Status zu sichem und die neue RoUe innerhalb der Arbeitsgruppe zu definieren.'*^'^ Individueller Stress und eine dadurch bedingte geringere Leistungsfahigkeit sind die Folge/^' Daruber hinaus ist unmittelbar nach dem erfolgten Stellenwechsel zunachst von einer erhohten Fehlerquote auszugehen, so lange die Humanressource mit ihrem neuen Aufgabengebiet noch nicht vertraut ist und keine Routine bei der Erledigung der neuen Aufgaben besitzt/^^ Zudem existieren auch Humanressourcen, die einen haufigen Stellenwechsel als Belastung empfinden. Haufig stattfmdende Stellenwechsel konnen bei jenen Humanressourcen zu einer geringeren Leistungsbereitschafl oder gar zu deren Weggang fuhren.



Zusatzlich existieren auch indirekt durch den Stellenwechsel verursachte Kosten. Diese ergeben sich aus den erforderlichen Einarbeitungs- und Unterstutzungsprozessen. Voriibergehend ist von einer starkeren Belastung des Vorgesetzten, der Kollegen sowie der unterstellten Mitarbeiter auszugehen, die den neuen Stelleninhaber einarbeiten, sich an die neuen Rollenverteilungen gewohnen sowie ihre jeweilige soziale Stellung im Beziehungsgefuge neu definieren miissen. Diese Gewohnungs- und Einarbeitungsprozesse erfordem entsprechende zeitliche Ressourcen. Weitere indirekte Kosten resultieren aus dem Verlust stellenspezifischen Wissens, das der bisherige Stelleninhaber wahrend der Ausiibung seiner stellenbezogenen Aufgaben aufgebaut hat. Dieses Wissen geht ohne geeignete MaBnahmen zur Wissenssicherung nach einem Stellenwechsel verloren und steht dem neuen Stelleninhaber nicht mehr zur Verfugung.'*^^ Sind mit der neu zu besetzenden Stelle zudem Beziehungen zu extemem Bezugspersonen wie etwa Kunden oder Lieferanten verbunden, treten zusatzlich indirekte Kosten in Form des Aufbaus neuer Beziehungen auf

Die Entstehung von den dargestellten Kosten eines Stellenwechsels ist dabei unmittelbar an die Haufigkeit der stattfindenden Stellenwechsel und damit an die Lange der Verweildauer der Humanressourcen pro Stelle gekniipft. Das heiBt, dass eine Erhohung der Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows mit entsprechend steigenden Kosten verbunden ist.

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Vgl.Wahren(1994), S. 135. Vgl.Wachter(1974),S.91. Vgl. Kaiser (2001), S. 153f. ZurBedeutung derartiger Routinen vgl. Echter (2004), S. 61ff. Zu Mafinahmen zur Sicherung stellenspezifischen Wissens vgl. II.2.3.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

(b) Einflussfaktoren Jur die Ldnge der Verweildauer: Auch wenn keine allgemeingiiltigen Aussagen uber die Lange der Verweildauer getroffen werden konnen, lassen sich dennoch Einflussfaktoren identifizieren, die sich auf die Haufigkeit des Stellenwechsels einer Humanressource auswirken. So lassen sich verschiedene Tendenzaussagen treffen, die Einfluss auf die Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows nehmen. •

Neuigkeitsgrad

der Stelle: Je spezifischer und komplexer der mit einer bestimmten

Stelle verbundene Aufgabenbereich sowie der damit einhergehende Neuigkeitsgrad fiir den Stellenwechsler ist, desto langer ist im Allgemeinen die erforderliche Zeit, die fur die Einarbeitung auf der Stelle erforderlich ist/^^ Anders ausgedriickt nimmt mit zunehmendem Spezifitats-, Komplexitats- und Neuigkeitsgrad der Stellen die Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows tendenziell ab.'*^^ •

Zugehorigkeit zu einem Belegschaftstyp: Auch die Zugehorigkeit zu einem bestimmten Belegschaftstyp stellt ein Kriterium fur die Haufigkeit eines Stellenwechsels dar/^^ So werden Manager in der Regel haufiger als beispielsweise Techniker versetzt/

Aller-

dings ist insbesondere bei Managem in hoheren Fiihrungsebenen von langen Einarbeitungszeiten in das komplexe Aufgabenumfeld der neuen Stelle auszugehen, wodurch eine gewisse Mindestverweildauer auf der neuen Stelle erforderlich ist.'*^ •

Phase innerhalb des beruflichen Lebenszyklus: Auch die Phase innerhalb des beruflichen Lebenszyklus, in der sich eine Humanressource befmdet, nimmt in der Regel Einfluss auf die Placementgeschwindigkeit. So lasst sich eine Tendenz dahingehend feststellen, dass die Verweildauer in der friihen Karrierephase kiirzer als in spateren Karrierephasen ist, so dass mit haufiger stattfindenden Stellenwechseln zu Beginn einer beruflichen Karriere zu rechnen ist/^'



Strategie der Gesamtorganisation:

Femer hangt die Placementgeschwindigkeit und

somit die Moglichkeit, schnell von Stelle zu Stelle zu wechseln, von der Strategie der Gesamtorganisation und von den Barrieren, die zwischen den verschiedenen organisationalen Teileinheiten existieren, ab. In einem lateral diversifizierten Untemehmen ist beispielsweise von hoheren, geschaftsfeldbezogenen Wechselbarrieren auszugehen als bei weniger stark diversifizierten Untemehmen. Dadurch wird die Geschwindigkeit von

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Vgl. Isler(1974),S. 126. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 137. Vgl.Beeretal. (1985), S. 219. Dies lasst sich in der Argumentationslogik der vorliegenden Arbeit darauf zuriickfiihren, dass Manager und Techniker verschiedene Karriereorientierungen besitzen, die einen abweichenden Karriereweg und verlauf mit unterschiedlich stark ausgepragter Versetzungsgeschwindigkeit erfordem. Zudem gilt, dass durch Versetzungen von Managem und Fiihrungskraften Informationen ausgetauscht werden, beispielsweise iiber die Untemehmenspolitik oder Fiihrungsgrundsatze. Misst ein Untemehmen diesem Informationsaustausch eine hohe Bedeutung bei, ist von einer hoheren Placementgeschwindigkeit speziell diesen Belegschaftstyps auszugehen. Vgl. Gabarro (1988), S. 11. Vgl. Hall (1984), S. 167.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements



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teileinheitsiibergreifenden Placementbewegungen der Mitarbeiter tendenziell verlangsamt. Tdtigkeit in einer bestimmten Branche: SchlieBlich lassen sich auch in Abhangigkeit der Branche, in der ein Untemehmen tatig ist, Tendenzaussagen hinsichtlich der Haufigkeit des Placements der Mitarbeiter ableiten. So lasst sich in reiferen Branchen tendenziell eine geringere Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows und somit eine langere stellenbezogene Verweildauer feststellen. In Wachstumsbranchen hingegen, wie beispielsweise der IT-Branche, die schnellen Veranderungen unterliegt, werden die Mitarbeiter tendenziell mit einer groBeren Haufigkeit von Stelle zu Stelle bewegt. ^^^

(c) Untere und ohere Begrenzung der Verweildauer: Erganzend zu den dargestellten Einflussfaktoren fur die Lange der Verweildauer lassen sich zudem allgemeingiiltige Aussagen iiber die untere und die obere Begrenzung der Verweildauer ableiten, in deren Rahmen die Bewegungsgeschwindigkeit festzulegen ist. Die untere Grenze einer sinnvoUen Verweildauer lasst sich dabei durch drei wesentliche Determinanten bestimmen. •

Sicherstellung der vollstdndigen Aufgabenerfiillung: So ist zum einen die Verweildauer auf einer Stelle so zu wahlen, dass sie den Stelleninhaber zu einer vollstandigen AufgabenerfuUung fuhrt/^^ So wird beispielsweise bei Spezialistenstellen von einer Einarbeitungszeit von rund zwei Jahren ausgegangen."*"^^ Denn bei jeder Neubesetzung einer Stelle ist zunachst von einem gewissen Missfit fachlicher oder sozialer Natur zwischen Stelle und neuem Stelleninhaber auszugehen. Erst mit zunehmender fachlicher Einarbeitung und sozialer Integration steigt der Fit und somit die Effektivitat der Aufgabenerfiillung.'*^^ Zudem gilt, dass eine Humanressource erst nach einer gewissen Einsatzdauer auf der neuen Stelle in der Lage ist, aktiv gestaltend auf ihr Arbeitsumfeld einzuwirken und Verbesserungsvorschlage einzubringen, die iiber die Erfiillung der alltaglichen Aufgabenanforderungenhinausgehen.'*"''*



Sicherstellung der Motivation: Zweitens ist die Lange der Verweildauer auch an Aspekten der Motivation auszurichten. Eine wesentliche Voraussetzung fiir die Motivation stellt die Erfolgsbestatigung in Form positiver Leistungsergebnisse dar. Eine Humanressource ist folglich so lange auf einer Stelle zu belassen, bis sie die Anfangsschwierigkeiten liberwunden hat und positive Erfolgserlebnisse auf der neuen Stelle wahmehmen karm. Diese konnen sich dabei sowohl auf den konkreten Leistungsoutput, aber auch in inkonkreterer Form auf den erfolgreichen Erwerb neuer Fahigkeiten beziehen, die fiir spatere Zielpositionen anwendbar sind. Auch die motivationsfordemde Moglichkeit

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Vgl. Kaiser (2001), S. 152. Vgl.Isler(1974),S. 122. Vgl. Merkwitz/Peitz (2002), S. 148. Vgl. Isler (1974), S. 123. Vgl. Isler (1974), S. 123f.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

zum Aufbau personlicher Netzwerke bedarf einer gewissen Verweildauer auf einer Stelle, um Kontakte zu Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitem aufbauen und pflegen zu konnen. Sicherstellung der Leistungsbeurteilung: Drittens ist fur eine umfassende und objektive Leistungsbeurteilung eine bestimmte Lange der Einsatzdauer erforderlich, auf deren Basis die Leistung der Humanressource beurteilt werden kann. Die Leistungsbeurteilung dient dabei als Grundlage zur Festlegung der weiteren Placementschritte des Mitarbeiters/^^ Dabei ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Tatigkeitsdauer sowohl die Anzahl (Breite) als auch die Giite (Tiefe) der verfugbaren Berteilungsgrundlagen steigt.

Neben den Determinanten der unteren, gilt es, auch jene der oberen Grenze der Verweildauer zu betrachten. Diese gibt Auskunft dariiber, wie lange eine Humanressource langstens auf einer Stelle zu belassen ist. Die obere Grenze der Verweildauer wird dadurch begrenzt, dass ein fachlicher Missfit auf Basis von Unterforderung in jedem Fall zu vermeiden ist, um Demotivationseffekte und die Verschwendung von Fahigkeitsressourcen zu vermeiden. Aus diesem Grund ist das Placement einer Humanressource auf eine neue Stelle in bestimmten Zeitabstanden erforderlich.^^^ Dies gilt insbesondere fur Humanressourcen mit einer hohen Entwicklungsgeschwindigkeit und hohem Weiterentwicklungspotenzial. Denn mit zunehmender Einsatzdauer auf derselben Stelle steigt der Deckungsgrad zwischen den Aufgabenanforderungen und der Leistungsfahigkeit des Stelleninhabers immer weiter an. Die AufgabenerfuUung verliert zunehmend an Lemherausforderung fur den Stelleninhaber. Damit einhergehend verliert die Stelle ihren Charakter als primares Lemfeld."*^* Langfristig wiirde dies in einem fachlichen Missfit auf Basis einer Unterforderung des Stelleninhabers resultieren.'*^^ Um einen solchen fachlichen Missfit zu vermeiden und die Stelle als primares Lemfeld nut-

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Daneben verfolgt die Leistungsbeurteilung freilich auch weitere Ziele wie etwa die Festlegung des Entwicklungsbedarfs der Humanressource oder der Entgeldfindung. Vgl. Vetter (1967), S. 71, Isler (1974), S. 124, sowie Backes-GellnerAVemer/Schlinghoff (2001), S. 33. Freilich existieren alternative Moglichkeiten zu einem Stellenwechsel, um eine Unterforderung zu vermeiden. So konnen auch durch Job Enrichment (Arbeitsbereicherungs-) oder Job Enlargement (Arbeitserweiterungs-) MaBnahmen Unterforderungs- oder Demotivationsprobleme vermieden werden. Job Enrichment-MaBnahmen umfassen eine vertikale Ausweitung der Arbeitsinhalte und dienen damit einer Hoherqualifizierung der Mitarbeiter durch Ubemahme neuer Verantwortung. Hingegen fugen Job Enlargement-MaBnahmen dem aktuellen Aufgabenbereich der Humanressourcen qualitativ gleichwertige Aufgaben hinzu, wodurch ein sukzessiver Aufbau spezifischer Fahigkeiten erreicht werden soil. Diese MaBnahmen sollen an dieser Stelle jedoch nicht weiter thematisiert werden, da sie in der Kegel auf Veranderungen bzw. Erweiterungen der Aufgaben abzielen, ohne dass ein vollgiiltiger Stellenwechsel stattfmdet. Fur einen Uberblick uber Job Enrichment und Job Enlargement-MaBnahmen vgl. stellvertretend Buhner (1994), S. 141, Drumm (2000), S. 401 und S. 521, Scholz (2000), S. 515, sowie Mondy/Noe/Premeaux (2002),S. llOf Isler (1974), S. 125, spricht in diesem Kontext von einem abnehmenden „Grenznutzen" der arbeitsimmanenten Qualifikation. Vgl. hierzu die Uberlegungen zum dosierten Missfit zwischen Anforderungsprofil und Leistungsfahigkeit in Kapitel 1.1.2 sowie Kaiser (2001), S. 153.

Teil II: Gestaltimgsdimension des Humanressourcen-Placements

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zen zu konnen, ist daher bei Erreichen der oberen Grenze der Verweildauer ein Placement der Humanressource auf eine neue Stelle durchzufiihren.'*'*^ Losgelost von den angeftihrten betrieblichen Griinden, die fur eine bestimmte Auspragung der Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows sprechen, wird die Entscheidung zur Haufigkeit der Stellenwechsel der Mitarbeiter auch von Entscheidungen anderer Untemehmen beeinflusst, wenn diese auf dem Markt fur Humanressourcen als Wettbewerber auftreten.'*'** Dies gilt insbesondere fur vertikale Bewegungsrichtungen in Form von Upward-Placements und lasst sich folgendermaBen erklaren: Mit einem vertikalen Placement sind fiir die betroffenen Humanressourcen meist positive motivational Effekte, wie etwa ein Zuwachs an Einkommen, Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum, verbunden. Wenn die Mitarbeiter eines Untemehmens eine AuBenoption besitzen, d.h. wenn ihnen von einem altemativen Arbeitgeber ein attraktives Arbeitsangebot gemacht wird, werden sie unter Umstanden ihr bisheriges Untemehmen verlassen, wenn dieses seltener vertikale Placements durchfuhrt als die Konkurrenz. Dies mag insbesondere bei Humanressourcen mit einer stark vertikal ausgepragten Karriereorientierung der Fall sein, die ihre Bleibebereitschaft und Motivation in starkem AusmaB an den Moglichkeiten eines raschen vertikalen Aufstiegs orientieren. Daraus ist zu schlieBen, dass die Bestimmung der Geschwindigkeit des Humanressourcen-Flows in gewissem Umfang von den entsprechenden Placementaktivitaten der Konkurrenz abhangt und dadurch bis zu einem gewissen GradfremddeterminiertenEinfliissen unterliegt.

(3)

Vollstandigkeit des Humanressourcen-Flows

Die Vollstandigkeit stellt neben der Richtung und der Geschwindigkeit den dritten Stellhebel zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows dar. Grundsatzlich gilt, dass das Placement eines Mitarbeiters nicht immer in dessen vollstandigen Wechsel auf eine neue Stelle resultieren muss. Vielmehr sind auch Zwischenformen des Humanressourcen-Flows durch ein so genanntes partielles Placement denkbar/'*^ Ein solches kann in zwei verschiedenen Formen vorliegen. •

Personelle Verflechtung: Die Humanressourcen konnen zum einen permanente Teilnehmer von zwei verschiedenen Aufgabenbereichen sein. Ein solcher Fall liegt beispielsweise bei verschiedenen Formen der personellen Verflechtung vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn eine Humanressource auf verschiedenen Ebenen der Leitungsorganisation des Untemehmens beschaftigt ist. Dies entspricht einer vertikalen personellen Verflechtung. Dariiber hinaus liegt auch dann eine personelle Verflechtung vor, wenn Wann eine Aufgabe fur eine individuelle Humanressource keine Lemherausforderung mehr darstellt, ist anhand von Erfahrungswerten oder elaborierten Verfahren zur Bestimmung von Lemherausforderungen nur teilweise bestimmbar. Vgl. hierzu Kaiser (2001), S. 160. Daher gilt es im Rahmen der in Kapitel 1.2.2 angesprochenen Placement-Workshops auch Gesprache zu fuhren, die darauf abzielen, die individuelle Einschatzung der Humanressourcen zur momentanen Lemherausforderung zu eruieren. Vgl. Kaiser (2001), S. 152.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

eine Humanressource auf der gleichen Leitungsebene in verschiedenen Teileinheiten Aufgaben ubemimmt. In einem solchen Fall liegt eine horizontale personelle Verflechtung vor. Die Humanressource, die dann gleichzeitig in zwei Aufgabenbereichen tatig ist, kann dabei die Funktion eines „Linking Pins""*"*"* einnehmen, indem sie die Interaktionsbeziehungen zwischen ihren beiden Arbeitskontexten verbessert. Simultane Beschdftigung in Linie und Projekt: Eine weitere Form eines partiellen Placements ist in der Versetzung einer Humanressource in eine temporare Teileinheit zu sehen, wobei die Stelle in der Linienorganisation beibehalten wird. Typisches Beispiel hierfur stellt die zeitlich begrenzte Versetzung einer Humanressource in ein Projekt dar, bei dessen Beendigung die Humanressource ihre Stelle in der Linienorganisation wieder aufhimmt.

Partielle Placements tragen die Besonderheit in sich, dass sie die Wahrscheinlichkeit erhohen, dass durch die Tatigkeit in zwei verschiedenen Aufgabenbereichen zum einen Spezialisierungsprozesse der Humanressourcen ermoglicht werden. Die Humanressource kann dabei in einem Aufgabengebiet ihr Wissen und ihre Fahigkeiten vertiefen und sich somit spezialisieren. Zum anderen erwirbt sie gleichzeitig im anderen Aufgabengebiet neue Fahigkeiten und Wissen. Auf individueller Ebene wird dadurch die flinktionsubergreifende Einsetzbarkeit, d.h. die individuelle Employability, gefordert. Auf aggregierter Ebene fiihrt die Erhohung der individuellen Employability einzelner Humanressourcen zu einer Flexibilisierung der Humanressourcenausstattung. Resiimierend kann festgehalten werden, dass durch Kombination der drei variablen Stellhebel Richtung, Geschwindigkeit und Vollstandigkeit die Gestaltung des HumanressourcenFlows grundsatzlich in vielfaltiger Weise erfolgen kann. Aus dieser Vielfalt der Gestaltungsmoglichkeiten lasst sich die Gestaltung des Humanressourcen-Flows an individuumsspezifische Erfordemisse, beispielsweise die Vermeidung von Unterforderung, sowie an situationsspezifische Anforderungen, beispielsweise die Erhohung des Akquisitionspotenzials des Untemehmens durch das Angebot attraktiver Laufbahnen, ausrichten.

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Vgl. Kaiser (2001), S. 154. Vgl. Ringlstetter (1995), S. 22Iff., sowie Ringlstetter (1997), S. 125ff. Ringlstetter betrachtet personelle Verflechtungen allerdings primar vor dem Hintergrund der Beseitigung von Zielinkongruenzen zwischen verschiedenen Leistungseinheiten im Konzem. Zum Begriff des „Linking pins" vgl. Berthel/Koch (1985), S. 141, Probst (1992), S. 565f., Staehle (1994), S. 722. Vgl. Kaiser (2001), S. 154.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

II.1.3

105

Gestaltung des Humanressourcen-Flows im Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat

Die drei variablen Stellhebel Bewegungsrichtung, -geschwindigkeit sowie -vollstandigkeit stellen das generelle Handwerkszeug zur Gestaltung betrieblicher Laufbahnen dar, anhand dessen eine gnmdsatzliche Vielfalt an denkbaren Gestaltungsaltemativen ermoglicht wird. Diese gnmdsatzliche Vielfalt ist allerdings theoretischer Natur und wird in der Praxis durch zentrale praktische Herausforderungen an die Gestaltung von Laufbahnen limitiert. In einer Studie von Frick (1997) wurde empirisch eraiittelt, dass in deutschen Untemehmen ca. 50 Prozent der Stellenwechsel von Seiten des Untemehmens langfristig geplant werden konnen, wahrend die anderen 50 Prozent hingegen ein kurzfristiges Reagieren zur SchlieBung der nicht antizipierbaren Vakanzen erfordem.'*'*^ Diese Studienergebnisse Ziehen zwei zentrale Herausforderung an die Gestaltung von Laufbahnen nach sich. •

Spezifitdtsziele der Laufbahnplanung: Zum einen sind langfristige und zielgerichtete „ex-ante"-Laufbahnen zu konzipieren, um Mitarbeiter an die antizipierbaren Stellenvakanzen heranzufuhren. Grundsatzlich gilt dabei, dass der Beschaffungsmarkt an passenden Kandidaten fur eine konkrete Stelle umso kleiner ist, je spezifischer die flinktionale und soziale Beziehungsstruktur der Zielposition ausgepragt ist/"*^ Bei der Besetzung derartiger Stellen ist ein fachlicher und sozial-kultureller Fit in der Regel nicht ad hoc herzustellen, sondem ist vielmehr in einem langerfristigen Prozess aufzubauen. Vor diesem Hintergrund ist der Humanressourcen-Flow so zu gestalten, dass Humanressourcen entlang einer zielgerichteten Laufbahn sukzessive von Stelle zu Stelle bewegt werden und dadurch Fahigkeiten und Erfahrungen erwerben, die fiir die Bewaltigung der spezifischen funktionalen und sozialen Anforderungen einer bestimmten Zielposition erforderlich sind. Damit ist die an Spezifitatszielen ausgerichtete Gestaltung des Humanressourcen-Flows angesprochen.



Flexihilitdtsziele der Laujbahnplanung: Gleichzeitig sind durch eine entsprechende Gestaltung des Humanressourcen-Flows zusatzlich auch flexible Kapazitaten aufzubauen, um in Form von „ex nunc"-Placements flexibel auf nicht antizipierbare Stellenvakanzen reagieren zu konnen. Fiir diesen Zweck gilt es, den systematischen Aufbau eines Flexibilitatspotenzials der Humanressourcenausstattung zu fordem. Dies kann durch die an Flexibilitatszielen orientierte Gestaltung des Humanressourcen-Flows erreicht werden.

Fasst man die vorangegangenen Uberlegungen zusammen, so wird deutlich, dass Untemehmen bei der Gestaltung des Humanressourcen-Flows vor der zentralen Herausforderung stehen, diesen im Spannungsfeld zwischen Spezifitats- und Flexibilitatszielen auszutarieren. Vgl. Rustmann (1999), S. 90ff., unter Ruckgriff auf Frick (1997). Frick flihrte eine reprasentative Querschnittsprobe in 2.000 Untemehmen in Deutschland durch. Vgl. Frick (1997), S. 179ff

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Dies wirkt sich auf die Konzipierung von Laufbahnen aus, bei der die wesentliche Herausforderung „(...) im Personaleinsatz zwischen Spezialisierung und geradlinigen Karriereverlaufen (Effizienz) [im Verstandnis dieser Arbeit Spezifitat; Y.F.] auf der einen Seite und wechselnden Einsatzfeldem und Aufstiegswegen (Flexibilitat) auf der anderen Seite [liegt, Y.F.]."(Gmur/Kliniecki/Litz2003, S. 186) Greift man auf die Denkheuristik des Scheinschen Kegels zuruck, so sind folgende Gestaltungsvarianten des Humanressourcen-Flows denkbar, die in den nachfolgenden Ausfuhrungen spezifiziert werden: •





Spezifitdtsorientierte Laufbahnen: Anhand der erorterten Stellhebel lasst sich der Humanressourcen-Flow so gestalten, dass durch die gezielte Aneinanderreihung von ausgewahlten Stellen spezifische aufgaben- und kulturkongruente Laufbahnen entstehen. Dies entspricht einer spezifitatsorientierten Gestaltung von Laufbahnen, die vorwiegend durch vertikale Placementbewegungen innerhalb des Placementsystems gepragt sind (1). Flexibilitdtsorientierte Laufbahnen: Daruber hinaus ist die Humanressourcenausstattung moghchst flexibel zu halten. Dies kann durch die Gestaltung eines HumanressourcenFlows erreicht werden, der iiberwiegend funktionsiibergreifende, d.h. horizontale Placementbewegungen, umfasst. Dadurch wird eine „cross-functional" Mobilitat'*'** und cine breitere Einsetzbarkeit der Humanressourcen gefordert, die auf einer breitbandigen Qualifikation der Humanressourcen basiert. Eine solche breitere polyvalente Einsetzbarkeit der Humanressourcen wird durch eine Laufbahn unterstiitzt, entlang derer die Humanressourcen durch Tatigkeiten in wechselnden Funktionsbereichen simultan oder sequentiell verschiedenartige Qualifikationen erwerben. Dies entspricht einer an Flexibilitatszielen orientierten Gestaltung von Laufbahnen (2). Spezialisten-Generalisten-Laufbahnen: Da eine ausschlieBliche Flexibilitatsorientierung in der Kegel zu Lasten der Spezialisierung der Humanressource in einem bestimmten Aufgabenbereich geht, sind Uberlegungen anzustellen, wie eine Integration von Spezifitats- und Flexibilitatszielen bei der Gestaltung des Humanressourcen-Flows erzielt werden kann, um so das Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat zu uberbriicken. Dabei lasst sich dieses Spannimgsfeld meist nur in Form einer „Gratwanderung" oder durch Pendelbewegungen beherrschen, indem Laufbahnen konzipiert werden, die eine Kombination aus spezifitats- und flexibilitatsorientierten Laufbahnen darstellen und vertikale mit horizontalen Placementschritten verkniipfen (3).

Die verschiedenen Varianten der Laufbahngestaltung werden im Folgenden naher erlautert. Dabei wird in differenzierter Form darauf eingegangen, bei welchen Stellenarten eine be-

^^"^ Vgl. Wunderer (1973), S. 21. 448

Zum Begriff der „cross-fimctionar' Mobilitat vgl. Kaiser (2001), S. 150.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

107

stimmte Laufbahnvariante vor dem Hintergrund einer Fit-Erzielung von besonderer Bedeutung ist.

(1)

Spezifitatsorientierte Laufbahnen

Es existieren Stellen im Untemehmen, fur die eine systematische Heranfuhrung der spateren Stelleninhaber erforderlich ist. Hierzu zahlen insbesondere hierarchisch hoch angesiedelte Fiihrungs- und Fachstellen, die sich durch komplexe und untemehmensspezifische Aufgabenanforderungen auszeichnen und oftmals auch einer sukzessiv aufgebauten intemen Akzeptanz bediirfen. Vor diesem Hintergrund sind fur jene Stellen spezifitatsorientierte Laufbahnen zu konzipieren, entlang welcher die Humanressourcen sukzessive an spatere Folgepositionen herangefuhrt werden. Allerdings wird in der Praxis eine solche systematische Heranfuhrung von Mitarbeitem an derartige Stellen bislang oft vemachlassigt. „Oflmals hat diese Aufgabe im Blickwinkel des agierenden Managements nicht den Stellenwert, der ihm eigentlich zusteht. Man schiebt die Frage vor sich her und hofft, dass sie sich irgendwie schon losen wird. Die Folgen dieser Unterlassung werden dann sichtbar, wenn das Problem vor der Haustiire steht. Wer wird Nachfolger von den Chefs?" (Wildenmann2000, S. 28) Durch das angefuhrte Zitat wird deutlich, dass mit einer spezifitatsorientierten Gestaltung von Laufbahnen die systematische Heranfuhrung eines Nachfolgers fur eine fokale Stelle, sprich eine spezifische Nachfolgeplanung, angesprochen ist. Im Rahmen einer solchen wird darauf abgezielt, fur jede in die Planung einbezogene Stelle mindestens einen potenziellen Nachfolger bereitzustellen, der durch den stelleniibergreifenden Qualifikationserwerb spezifisch an eine bestimmte Zielposition herangefuhrt und dort bei Entstehen der Vakanz eingesetzt werden kann. Eine Nachfolgeplanung bedarf einer Laufbahn, die sich aus aufgaben- und kulturkongruenten Einzelschritten zusammensetzt und von den potenziellen Nachfolgekandidaten durchlaufen wird. Eine solche Laufbahn ist in Abbildung II-4 dargestellt.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

108

I

V

\

Entwicklung globalcr Marketingstrategien, ^v^Fuhrungsaufgaben

^X.

Key Account Management^"—•

Aufgaben-

Entwicklung ^^^^^Managcment Produktportfolios

schwer-

Marketingstrategien

punkte

fur neuc Produkte,

~1 \

f

nach BerufsJ einstieg

^—~^^

ErstcUung Markt-ZKundcnanalyscn, ^ \Wahmehmung Auflendienst-/ Entwicklung Marketingstrategien fur ^^s,^^Vert^ebsaufgaben bestehende Produkte

Posiuon

Zeitdauer

^^^^

M«rkeUng Trainee

Junior Produkt-

Group Produkt-

~Calil)>ahn~imli^nicUonsl>ereich'Marl(etrng ca. 2^Jahre

ca. 3-5 Jahre

ca. 5-7 Jahre

Country Produkt-

|» ca. 7-10 Jahije ,

'-

Abb. II-4

Uberlappende Aufgaben entlang einer aufgaben- undkulturkongruenten Laujbahn

Eine wie in Abbildung II-4 dargestellte Laufbahn wird in der Literatur auch als so genannter „dynamisierter Entwicklungspfad" bezeichnet/*^' Dabei sind die einzelnen Positionen so miteinander verbunden, dass einerseits Uberlappungen zwischen den Aufgabenschwerpunkten der einzelnen Stellen existieren, andererseits jedoch neue Anforderungen hinzukommen, so dass eine stelleniibergreifende Weiterentwicklung der Humanressourcen stattfmdet. Beispielsweise weist das Anforderungsprofil eines Junior Produktmanagers Uberschneidungen mit dem Anforderungsprofil der vorgelagerten Trainee-Stelle auf Gleichzeitig iibernimmt der Junior Produktmanager bereits Aufgaben aus dem Bereich eines Produktmanagers, um antizipativ an diese sich anschlieBende Position herangeflihrt zu werden. Dabei ist flir den Erwerb von kultureller Kompetenz der Humanressource dariiber hinaus auch sicherzustellen, dass die Aufgaben einer fokalen Stelle den Kontakt zum sozialen Arbeitsumfeld der Folgeposition umfassen, so dass dadurch auch eine antizipative Heranflihrung an das neue soziale Arbeitsumfeld ermoglicht wird. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich eine an Spezifitatszielen ausgerichtete Laufbahn primar durch vertikale Placementbewegungen innerhalb eines Funktionsbereichs auszeichnet. Allerdings kann die Aneinanderreihung vertikaler Placementschritte vereinzelt um Placementschritte in andere Bewegungsrichtungen erganzt werden. Greift man das Beispiel einer Marketing-Laufbahn aus Abbildung II-4 auf, kann fiir die Heranflihrung an die Stelle des Group Produktmanagers anstelle einer rein vertikalen Stellenabfolge auch beispielsweise ein vorgelagerter horizontaler Placementschritt in den Vertrieb sinnvoll sein. Auf Basis der vorangegangenen Uberlegungen kbnnen vier wesentliche Vorteile einer solchen spezifitatsorientierten Gestaltung des Humanressourcen-Flows identifiziert werden.

Vgl. Gierke/Komer (1998), S. 67.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

109



Spezifische Heranfuhrung an komplexere Aufgaben: Zum einen wird die Humanressource durch aufeinander aufbauende und sich iiberlappende Aufgabenbereiche spezifisch fur die spatere Ubemahme von hoherwertigeren und komplexeren Aufgaben vorbereitet. Durch die damit verbundene Moglichkeit, Humanressourcen fiir spatere Zielpositionen aus den eigenen Reihen zu entwickeln, kann zudem eine hohere Unabhangigkeit vom extemen Arbeitsmarkt erreicht werden."*^^



Screening auf Basis sich iiberlappender Aufgaben: Neben dieser spezifisch ausgerichteten Entwicklungsfunktion ist ein weiterer Vorzug derartiger Laufbahnen in der Moglichkeit zum Screening der Humanressourcen auf Basis sich iiberlappender Aufgaben zu sehen. So stellt jede Stelle entlang einer solchen spezifitatsorientierten Laufbahn eine Bewahrungsfunktion fur die Einnahme der anvisierten Folgepositionen dar. Liegen zwischen den aneinandergereihten Stellen Anforderungsuberschneidungen vor, ist ein spezifischeres Screening iiber die Eignung der Humanressource fur die Ubemahme der Folgepositionen moglich. Fiir diesen Zweck werden in der Praxis oflmals so genannte „Sollbruchstellen" eingerichtet, die es dem Untemehmen wie auch den Mitarbeitem ermoglichen, die anvisierte Zielposition nochmals zu uberdenken und gegebenenfalls zu revidieren/^^



Spezifische Sozialisation in das Zielumfeld: Femer ist entlang einer solchen Laufbahn eine sukzessiv aufeinander aufbauende Sozialisation der Humanressourcen moglich, die eine gezielte und spezifische Heranfuhrung an das sozial-kulturelle Arbeitsumfeld der Zielposition ermoglichen.



Schnellere Einarbeitung: SchlieBlich ist auch von einer schnelleren Einarbeitung auszugehen, da die Humanressourcen bereits mit einem Teil der Aufgabenanforderungen sowie des sozialen Arbeitsumfelds vertraut sind. Die vollstandige Einsetzbarkeit der Humanressource auf der neuen Stelle kann somit schneller erzielt sowie erforderliche Einarbeitungskosten reduziert werden. Resiimierend lasst sich festhalten, dass die spezifitatsorientierte Gestaltung des Humanressourcen-Flows als stellenspezifische und zukunftsbezogene Zuordnung von Person und Stelle zu verstehen ist/^^ Diese dient dazu, Humanressourcen gezielt an die fachlichen und sozialen Anforderungen von Folgepositionen heranzufiihren und Einarbeitungszeiten sowie -fehler zu reduzieren. Allerdings sind derartige spezifitatsorientierte Laufbahnen und die damit einhergehende Spezialisierung der Humanressourcen auf konkrete Folgepositionen aus Sicht des Untemehmens ambivalenter Natur. Auf der einen Seite wird dadurch eine gezieltere Vorbereitung der Mitarbeiter auf die Anforderungen der Folgestellen moglich und dadurch die Wahrscheinlichkeit eines stellenbezogenen Fits gefordert. Dies allerdings setzt eine gewisse Konstanz und ^^^ ^^^ ^^^

Vgl. Berthel (1992), Sp. 1205. Vgl. Gierke/Koraer (1998), S. 67. Vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 636.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

somit Planbarkeit der Stellenstruktur, der Stellenanforderungen sowie die tatsachliche Verfiigbarkeit eines anvisierten Placementkandidaten voraus/^^ 1st eine solche Konstanz nicht gegeben, steigt durch spezifitatsorientierte Laufbahnen die Gefahr, bei sich verandemden Rahmenbedingungen in eine so genannte „Spezialisierungsfalle"'*^'* hineinzugeraten und nicht ausreichend flexibel auf diese Veranderungen reagieren zu konnen. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass weder die individuellen Karriereplane der Mitarbeiter, noch die betrieblichen Karrieregelegenheiten iiber lange Zeitraume hinweg sicher prognostizierbar sind.«' Vor dem Hintergrund eines Fit-Potenzialgedankens sind bei dynamischen Veranderungen daher erganzend auch Uberlegungen anzustellen, wie der Humanressourcen-Flows flexibilitatsorientiert zu gestalten ist.

(2)

Flexibilitatsorientierte Laufbahnen

Die Gestaltung flexibilitatsorientierter Laufbahnen hat in den letzten Jahren eine wachsende Bedeutung erfahren/^^ Dies lasst sich auf die Notwendigkeit zuriickfuhren, bei immer haufiger auftretenden nicht antizipierbaren Vakanzen die Leistungsfahigkeit der Humanressourcenausstattung aufrecht zu erhalten und eine adaquate Allokation von Humanressourcen sicherzustellen. Dabei steht im Gegensatz zur spezifitatsorientierten Nachfolgeplanung keine konkrete Zielposition im Mittelpunkt der Planung, sondem ledigUch eine ?ositionskategorie, wie beispielsweise eine Fuhrungsposition einer bestimmten Fiihrungsebene. Diese Vorgehensweise entspricht einer stellenunspezifischen Nachwuchsplanung im Sinne einer Zuordnung von Personengruppen zu Positionsgruppen.'*^^ Mit anderen Worten zielt die Nachwuchsplanung auf die Bereitstellung eines Kandidatenpools fur spatere Zielpositionen ab, wobei letztere ex ante noch nicht konkret festgelegt sind. Es geht folglich darum, durch einen flexibilitatsorientierten Humanressourcen-Flow einen breiter einsetzbaren „Anwarterkreis" an Placementkandidaten fur spatere Zielpositionen auszubilden, der dem Untemehmen gewisse

455 456 457

Da dies in der Praxis nicht gewahrleistet ist, erstreckt sich der Zeitraum fur die Nachfolgeplanung in der Regel lediglich auf einen kurz- bis mittelfristigen Planungshorizont, wobei nur jene Stellen in die Planung einbezogen werden, die in den nachsten zwei bis fiinf Jahren neu geschaffen oder vakant werden. Femer sieht die betriebliche Nachfolgeplanung in der Praxis meist fur jede Position drei bis vier potenzielle Nachfolgekandidaten vor, um sich gegen die Gefahren eines vorzeitigen und unerwarteten Ausscheidens eines vorgesehenen Nachfolgekandidatens abzusichem. Vgl. Isler (1974), S. 9, Berthel/Koch (1985), S. 133. Flankiert wird eine an Spezifitatszielen ausgerichtete Nachfolgeplanung durch eine so genannte/705ztionsorientierte Personalentwicklung, bei der es um die Qualifizierung der Humanressource in Bezug auf bestimmte Folgepositionen geht. Vgl. hierzu Mentzel (1994), S. 21. Vgl. Brandenberg (2001b), S. 18, der den Begriff im Kontext spezifischer Fahigkeiten verwendet, deren alternative Verwendbarkeit bei sich andemden Anforderungen begrenzt sind. Vgl. Berthel (1987), Sp. 1191. Vgl. Sattelberger (1999), S. 287ff. Vgl. Eckardstein/Fredecker (1987), Sp. 636.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

111

Freiheitsgrade bei der Besetzung von Stellenvakanzen ermoglicht/^* Im Falle einer kurzfristig auftretenden Vakanz kann ein Mitarbeiter aus einem solchen Pool herausgegriffen und eingesetzt werden, da die erforderlichen Qualifikationen (zumindest in gewissen Teilen) bereits vorhanden sind. Eine solche stellenunspezifische Einsatzflexibilitat der Humanressourcen wird dabei insbesondere durch horizontale Placements gefordert, durch welche die Humanressourcen mit unterschiedlichen Aufgaben konfrontiert werden und funktionsiibergreifende Erfahrungen sammeln/^' Grundsatzlich konnen durch horizontale Placementbewegungen entlang von flexibilitatsorientierten Laufbahnen zwei Arten von Flexibilitat gefordert werden, die fur eine breite Einsetzbarkeit der Humanressourcen erforderlich sind. •

Zum einen wird diQ funktionale Flexibilitat gefordert, die als die Fahigkeit der Humanressourcen zu verstehen ist, sich an veranderte Aufgaben und Arbeitsbedingungen einer neuen Stelle anzupassen.^^



Zum anderen wird der Aufbau von strategischer Flexibilitat unterstiitzt, die sich auf die Fahigkeit bezieht, eine globalere Problemsicht iiber den eigenen Funktionsbereich hinaus zu entwickeln, d.h. interfunktional denken und entsprechend agieren zu konnen.

Es wird deutlich, dass der Aufbau beider Flexibilitatsarten eng an den Aufbau von Fahigkeiten der Humanressourcen gekniipfl ist. Betrachtet man diesen gemeinhin auch als „Multiskilling"^^^ bezeichneten Fahigkeitsaufbau differenzierter, lassen sich drei entwicklungsrelevante Effekte identifizieren.^^^ •

So wird einerseits durch horizontale Placements der Humanressourcen in wechselnde Funktionsbereiche das Lemen an pluralen Lemorten gefordert. Dies wiederum unterstiitzt die Entwicklung so genannter extrafunktionaler Fahigkeiten, die losgelost von einem bestimmten Funktionsbereich in unterschiedlichen Aufgabenbereichen einsetzbar sind.""



Femer ermoglicht das Multiskilling eine Einsetzbarkeit in verschiedenen Funktionsbereichen und somit eine erhohte Flexibilitat auf individueller Ebene. Dies unterstiitzt die Entwicklung von intemer und extemer Employability.



Schliefilich resultiert das Multiskilling einzelner Humanressourcen auch in einer Erhohung der Flexibilitat der kollektiven Fahigkeitsbasis der Humanressourcenausstattung.

461 462

Unterstiitzt wird die Nachwuchsplanimg durch eine potenzialorientierte Personalentwicklung, die auf eine breiter angelegte, polyvalente Qualifizierung fur bestimmte Positionskategorien abzielt. Vgl. Mentzel (1994), S. 21. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 136, sowie Kolb (1989), S. 217.. Vgl. O'Doherty (2001), S. 154f, Kaiser/Rofibach (2003), S. 17, sowie Baruch (2004), S. 111. Vgl.Stetter(1999),S.62. Zum Begriff und wesentlichen Vorteilen des Multiskillings vgl. Backes-Gellner/Lazear/Wolff (2001), S. 488ff. Zu den nachfolgenden Argumentationspunkten vgl. Kaiser (2001), S. 143, sowie Kaiser/Rofibach (2003), S. 17. Vgl. Kolb (1992), S. 43.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Denn zum einen werden qualifikatorische Redundanzen aufgebaut, zum anderen entstehen auf Basis der Kombinatorik zahlreiche potenzielle Kombinationsmoglichkeiten, da die Anzahl der vorhandenen Einzelfahigkeiten der Mitarbeiter steigt. Fasst man die vorangegangenen Uberlegungen zusammen, kann festgehalten werden, dass es durch die Gestaltung flexibilitatsorientierter Laufbahnen auf Basis funktionsiibergreifender Stellenabfolgen moglich ist, sowohl die Flexibilitat der Humanressourcenausstattung auf individueller als auch auf kollektiver Ebene zu fordem. Durch diese Flexibilitatserhohung der Humanressourcenausstattung schlieBlich wachsen die Moglichkeiten des Untemehmens, nicht antizipierbare Stellenvakanzen zu schliefien. Allerdings sind mit einer derartigen Gestaltung von Laufbahnen auch gewisse Nachteile und Restriktionen verbunden. So geht eine durch vorwiegend horizontale Placementbewegungen erzeugte breitbandige Qualifizierung der Mitarbeiter in der Regel zu Lasten einer Spezialisierung in einem bestimmten Funktionsbereich.'*^^ Dadurch werden die erforderlichen Einarbeitungszeiten verlangert. Zudem bringt eine flexibiUtatsorientierte Gestaltung von Laufbahnen den Aufbau von Fahigkeitsredundanzen mit sich, die mit Effizienzverlusten verbimden sind/^^ Derartige funktionsiibergreifende Fahigkeitsredundanzen sind als „qualifikatorische Slack-Ressourcen" zu interpretieren. Diese kommen zwar nicht in vollem Umfang zum Einsatz, werden aber zugunsten einer Flexibilitatserhohung im Placement in Kauf genommen. Dariiber hinaus ist anzunehmen, dass durch die Zugehorigkeit zu einem bestimmten Placement-Pool die Erwartung der Humanressourcen entsteht, eine Position einzunehmen, die ihrer breitbandigen Qualifikation entspricht. Ist eine solche Stelle jedoch nicht zu besetzen, konnen Demotivations- und Abwanderungseffekte entstehen. Vor diesem Hintergrund ist in der Praxis davon auszugehen, dass eineflexibiUtatsorientierteLaufbahn eine gewisse UnternehmensgroBe voraussetzt, bei der angenommen werden kann, dass in regelmaBigen Abstanden Vakanzen auf vergleichbaren Positionsgruppen auflreten. Da dies nicht immer gewahrleistet werden kann, verfahren auch viele groBere Untemehmen nach der so genannten „Reservoir-Theorie".^^^ Demnach wird der Flexibilitat im Riickgriff auf eine groBe Reserve potenzieller Nachfolgekandidaten eine groBere Bedeutung beigemessen als der Gefahr, infolge einer zu groBen Reservenbildung einige Nachwuchskrafte zu verlieren. Die Fahigkeitsredundanzen beiflexibilitatsorientiertenLaufbahnen konnen in gewissen Grenzen dadurch herabgesetzt werden, indem der Pool an Placementkandidaten fiir bestimmte Positionsgruppen moglichst klein gehalten wird. Eine weitere MogUchkeit besteht darin. Reservoirs zusammenzulegen und die Humanressourcen dieses Reservoirs fiir mehrere Positionsgruppen zu qualifizie-

^^^ ^^

Vgl. Klimecki/Gmiir (2001), S. 183. Vgl. Gmiir/Klimecki/Litz (2003), S. 185. Zum BegrifFder Reservoir-Theorie vgl. Mentzel (1994), S. 133.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

113

ren. Dies erhoht dann die Wahrscheinlichkeit fur die einzelne Humanressource, ihre Qualifikation auf einer vakant werdenden Stelle einbringen zu konnen/^

(3)

Spezialisten-Generalisten- Laufbahnen

Auf Basis der vorangegangenen Ausfiihrungen zu spezifitats- und flexibilitatsorientierten Laufbahnen mit den damit verbundenen jeweiligen Vor- und Nachteilen erscheinen Uberlegungen lohnenswert, die sich mit der Verkniipfung der beiden Gestaltungsvarianten auseinandersetzen. Damit ist das Ziel verbunden, das Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat zu iiberwinden. Hierfur bietet sich die Gestaltung einer so genannten „SpeziaHstenGenerahsten"-Laufbahn an, die Pendelbewegungen^^' der Humanressourcen umfassen, die sich aus dem systematischen Wechsel von horizontalen, vertikalen oder diagonalen Placementschritten zusammensetzen. Es kann folgUch von einem „mixed model of specialistsgeneraUsts"^^^ gesprochen werden/^* Eine derartige „Spezialisten-GeneraHsten"-Laufbahn zeichnet sich dadurch aus, dass die Humanressourcen zunachst entlang horizontaler Placementschritte funktionsiibergreifende, breitbandige QuaUfikationen und damit eine hohere EmployabiUty-Reichweite entlang verschiedener Fachbereiche (FB) erwerben. Darauf aufbauend wird diese breitbandige Qualifikation durch sich anschlieBende vertikale Placementschritte und der damit einhergehenden Entwicklung von hoherwertigen Spezialqualifikationen erganzt. Ein solcher Qualifikationserwerb der Humanressourcen lasst sich anhand eines so genannten „T-Shaped Kompetenzprofils"'*^^ darstellen.

468

470 471

Ein weiterer Ansatz ist in dem Riickgriff auf exteme Humanressourcen-Reservoirs, beispielsweise auf Personalleasing-Untemehmen, zu sehen. Der Vorteil eines solchen Riickgriffs auf exteme Humanressourcen besteht darin, dass im Untemehmen weniger qualifikatorische Slack-Ressourcen zur Flexibilitatserhohung aufgebaut werden miissen. Da ein solcher Riickgriff fur Stellen, die sich durch untemehmensspezifische Anforderungen auszeichnen, oder fur Stellen, die nach personalpolitischen Leitlinien ausschlieBlich intern besetzt werden, nicht moglich ist, soil an dieser Stelle jedoch nicht weiter auf den extemen Riickgriff eingegangen werden. Vgl. hierzu in einem analogen Kontext Ringlstetter (1995), S. 317ff., der das Bild des Pendehis in Spannungsfeldem fur die Konzementwicklung zwischen Einheit und Vielheit verwendet. Vgl. Hall (1984), S. 167. Synonym wird hierfur in der Literatur auch der Begriff „network career path" verwendet. Vgl. Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 262f. Als Vertreter der deutschsprachigen Literatur bezeichnet Drumm (2000), S. 232, die Kombination aus vertikalen und horizontalen Placementschritten gemafi ihrer Verlaufsform als „Treppen- oder Spiralkarriere". Zu allgemeinen Eriauterungen zum T-Shaped Kompetenzprofil vgl. stellvertretend Hansen/Oetinger (2001), S. 107ff.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Breite dcr Fachkenntnisse („Generalistentum" durch vorwiegend horizontale Placements) Grundlagen-

Expertenwissen Tiefe der Fachkenntnisse („Spezialistentum" durch vorwiegend vertikale Placements)

Abb. II-5

Absicherung einer funktionsiibergreifenden Einsetzbarkeit bei gleichzeitigem Au/bau von Spezialistenwissen

Es wird deutlich, dass durch die Kombination aus horizontalen und vertikalen Placementbewegungen entlang einer Spezialisten-Generalisten-Laufbahn die simultane Fordenmg der Breite (Generalistentum) sowie der Tiefe der Fachkenntnisse (Spezialistentum) ermoglicht wird. Dadurch kommt es zu einer Absicherung der funktionsiibergreifenden Einsetzbarkeit der Humanressourcen bei gleichzeitigem Aufbau von Spezialwissen. Eine derartige Laufbahn eignet sich insbesondere ftir Humanressourcen, die ftir die spatere Einnahme von Fuhrungspositionen vorgesehen sind. Denn Fuhrungskrafte auf hoheren Hierarchieebenen stellen idealerweise zum einen Fiihrungsspezialisten, zum anderen aber auch fachliche Generalisten dar, die uber eine iiberfunktionale Gesamtsicht des Untemehmens verfugen.'*^"' So erscheint es fur die Heranfiihrung von Humanressourcen an spatere Fuhrungspositionen sinnvoU, dass zunachst durch verschiedene Funktionswechsel iibergreifende Erfahrungen gesammeh werden. Diese werden anschlieBend um vertikale Placementschritte in einem bestimmten Funktionsbereich erganzt, um den Aufbau von Spezialqualifikationen zu fbrdem. Der vorgeschaltete generalistische Qualifikationserwerb durch aneinandergereihte horizontale Placements stellt dabei oftmals die Voraussetzung fiir spatere vertikale Placementschritte in der Untemehmenshierarchie dar/^"*

473 474

VgI.Mtlller(1971), S. 14. Vgl. Kaiser (2001), S. 15If, Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 262.

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Grundsatzlich ist auch die umgekehrte Abfolge von Placementbewegungen, d.h. zunachst vertikale und sich daran anschliefiende horizontale Placementschritte denkbar. „In this system a person might spend a period of time, say, five years, developing as a specialist within a particular function. Then, after that time, the person would be rotated through differentfimctionsand become more a generalist. In this way the person's needs for broadening and preparation for general management could be met while the organization's needs for specialists could also be satisfied." (Hall 1984, S. 167) Eine weitere Gestaltungsvariante einer „Spezialisten-Generalisten"-Laufbahn ist in der Gestaltung einer Laufbahn zu sehen, die zunachst ausschlieBlich vertikale Placementbewegungen innerhalb eines Funktionsbereichs vorsieht. Dem schliefit sich ein horizontaler Wechsel in einen anderen, oflmals verwandten Funktionsbereich an, in welchem die Humanressource verbleibt und fortan innerhalb dieses Funktionsbereichs entlang vertikaler Placementschritte versetzt wird. In diesem Laufbahnmodell wird also kein breitbandiges, d.h. mehrere Funktionsbereiche umfassendes Generalistentum gefordert, sondem vielmehr der Erwerb von Qualifikationen in zwei ausgewahlten Spezialbereichen. Mit einer solchen Gestaltungsvariante ist folglich eine hybride Form einer spezifitats- und flexibilitatsorientierten Laufbahn angesprochen.^^^ Schliefilich ist als letzte Gestaltungsvariante in diesem Kontext auch ein Laufbahnmodell denkbar, das aus vertikalen Placementschritten innerhalb eines Funktionsbereichs in der Linienorganisation besteht. Diese prima facie an Spezifitatszielen ausgerichtete Laufbahn wird zusatzlich durch partielle Placements der Humanressourcen auf Projekte erganzt. Wahrend die Humanressourcen innerhalb ihres Funktionsbereichs in der Linie spezifische Fahigkeiten aufbauen, erwerben sie gleichzeitig bereichsiibergreifende Qualifikationen auf dem Projekt, so dass auch in diesem Fall von einer „Spezialisten-Generalisten"-Laufbahn gesprochen werden kann. Resiimierend lasst sich fur die Gestaltung von „Spezialisten-Generalisten"-Laufbahnen festhalten, dass durch diese das Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat bei der Gestaltung des Humanressourcen-Flows iiberwunden werden kann, indem der Aufbau generalistischer und spezifischer Fahigkeiten simultan gefordert wird. Auch wenn mit der Gestaltung derartiger Laufbahnen insbesondere Nachwuchsfuhrungskrafte fur die Heranfiihrung an spatere Fuhrungspositionen angesprochen sind, ist es sinnvoU, das Prinzip der SpezialistenGeneralisten-Laufbahn auch auf andere Belegschaftstypen auszuweiten, um eine hohere aggregierte Flexibilitat der Humanressourcenausstattung bei gleichzeitigem Aufbau von Spezialqualifikationen sicherzustellen.

Vgl. Hall (1984), S. 167.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

II.1.4

Gestaltung des Humanressourcen-Flows unter Beriicksichtigung individueller Karriereplane

In den vorangegangenen Ausfuhrungen wurden verschiedene Arten von Laufbahnen dargestellt. Allerdings sind Humanressourcen nicht beliebig auf den dargestellten verschiedenen Laufbahnaltemativen einsetzbar. Vielmehr sind die individuellen Karriereplane der Humanressourcen zu beriicksichtigen, um deren Bereitschaft zum Beschreiten einer bestimmten Laufbahn und damit die Herstellung eines stellenubergreifenden Karriere-Fits sicherzustellen."'* Ungeachtet der bereits mehrfach angeklungenen organisatorischen Veranderungstendenzen wie Hierarchieabflachungen sowie der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Humanressourcen auf Basis heterogener Karriereorientierungen individuelle Karriereplane Schmieden, richtet sich das Hauptaugenmerk betrieblicher Laufbahnplanungen immer noch fast ausschlieBlich auf Moglichkeiten eines hierarchischen Aufstiegs entlang klassischer Fiihrungslaufbahnen. „Versuche, diesbeziiglich neue Wege einzuschlagen, die aufgrund der Veranderung des Untemehmens- bzw. des Karrierekontextes notwendig geworden sind, fiihren jedoch bislang oftmals nicht zu dem gewiinschten Erfolg oder versanden, da die angebotenen Entwicklungsaltemativen in vielen Fallen nicht mit der vom Individuum verfolgten Karriereorientierung und somit gewiinschten Entwicklung iibereinstimmt." (Stetter 1999, S. 78) Stetter (1999) spricht damit zwei wesentliche Herausforderungen fur die Gestaltung von Laufbahnen an, die fur die weiteren Uberlegungen von Bedeutung sind. •

Zum einen gilt es, den konstruktiven Aufbau echter Laufbahnaltemativen zu bislang geltenden hierarchischen Prinzipien voranzutreiben, um der Veranderung des Moglichkeitenraums des Placements gerecht zu werden. Damit ist die Entwicklung so genannter „Hierarchiesubstitute" angesprochen, die als alternative und gleichwertige Laufbahnoptionen anzusehen sind und zu einer Verringerung der Bedeutung hierarchischer Befugnisse als Symbole fur Karriere fuhren/^* Die gangigsten Hierarchiesubstitute stellen Each- und Projektlaufbahnen dar, die sich jenseits des vertikalen Aufstiegs realisieren lassen/^'



Zum anderen sind bei der Gestaltung von Laufbahnen individuelle Karriereorientierungen der Humanressourcen starker zu beriicksichtigen. Denn kommt es zu einer fehlenden Berucksichtigung der individuellen Karriereorientierungen, kann dies zu einem sub-

476

Vgl. Cascio/Awad (1981), S. 274f., Looss/Stadelmann (1997), S. 141. Vgl. Stetter (1999), S. 78, Bolduan (2001), S. 68. Vgl. Heimerl-Wagner (1994), S. 146. Neben den Hierarchiesubstituten existieren auch so genannte ,JIierarchiesurrogate". Gangige Hierarchiesurrogate stellen Statussymbole, Titel oder Vollmachten dar. Vgl. ReiB (1994), S. 465ff., sowie Stetter (1999), S. 59f.

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jektiv wahrgenommenen „Karriere-Knick" fuhren und die Leistungsbereitschaft der Humanressourcen senken/*^ Fiir eine differenzierte Betrachtung, wie Laufbahnen vor dem Hintergrund dieser beiden zentralen Herausforderungen zu gestalten sind, werden in einem ersten Schritt Uberlegungen angestellt, in welchem AusmaB individuelle Karriereorientieningen bei der Gestaltung von Laufbahnen zu beriicksichtigen sind. Damit ist die Frage nach integrativen versus autonomen Laufbahnoptionen als Extrempunkte eines Kontinuums der Beriicksichtigung individueller Karriereorientierungsmuster angesprochen (1). In einem nachsten Schritt wird eine differenzierte Charakterisierung der generischen Laufbahnoptionen Fuhrungslaufbahn (2), Fach- und Stabslaufbahn (3) sowie Projektlaufbahn (4) vorgenommen und dargelegt, welcher Laufbahntyp fur welches Karriereorientierungsmuster geeignet ist sowie auf welche Weise sich die generischen Laufbahntypen miteinander verkniipfen lassen. Dabei wird auch auf die spezifischen Herausforderungen bei der Gestaltung der jeweiligen Laufbahntypen, wie etwa die Sicherstellung eines aquivalenten Laufbahndesigns, eingegangen.

(1)

Integrative versus autonome Laufbahnoptionen

Je nachdem wie stark die individuellen Karriereorientieningen der Mitarbeiter in den angebotenen Laufbahnoptionen Beriicksichtigung finden, lasst sich ein Kontinuum unterschiedlicher 481

Integrationsstufen der Gestaltung von Laufbahnen mit zwei Extrempositionen aufspannen. Die eine Seite des Kontinuums bilden autonome Laufbahnoptionen, die individuelle • Karriereorientieningen lediglich in rudimentarer Form in der Laufbahngestaltung beriicksichtigen. • Die andere Seite des Kontinuums dagegen stellen integrative Laufbahnoptionen dar, die eine gezielte Ausrichtimg der Laufbahnen an individuellen Karriereorientieningen der Mitarbeiter widerspiegeln. Der vollkommen autonome Standpunkt ist als abstrakt-theoretisches Konstrukt zu werten, das der Erzielung eines motivationalen sowie eines stelleniibergreifenden Karriere-Fits nicht gerecht wird. Demgegeniiber stellt der vollkommen integrative Standpunkt ein aus Sicht des Fit-Gedankens zwar anzustrebendes, jedoch kontrafaktisches Ideal dar, das sich in der Praxis als nicht umsetzbar erweist.'**^ Die reale Praxis der Laufbahngestaltung ist folgedessen nicht auf einem dieser beiden Extrempunkte zu verorten, wobei im Sinne des Fit-Gedankens eine Vgl. Sattelberger (1991b), Mentzel (1994), S. 146, RoUinghoff (1996), S. 221f., und Stetter (1999), S. 80fF. Freilich ist gnmdsatzlich auch die Karrieremotivation als Deteraiinante individueller Karriereplane zu beriicksichtigen. Da es sich an dieser Stelle jedoch um die Betrachtung der stelleniibergreifenden Laufbahngestaltung handelt, riickt die Karriereorientierung als uberdauemdes handlungsleitendes Muster fur Karriereentscheidungen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausfuhrungen in 1.2.2. Vgl. Stetter (1999), S. 106. Vgl. analog Stetter (1999), S. 106.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

starkere Orientierung an integrativen Laufbahnoptionen anzustreben ist. Erreicht werden kann dies durch die Bildung von karrierebezogenen Zielgruppen, die sich durch eine weitreichende Homogenitat der Karriereorientierungsmuster und damit durch homogene arbeitsbezogene Bediirfiiisse der Humanressourcen hinsichtlich der Gestaltung von Laufbahnen auszeichnen/^"' Fiir diese Zielgruppen gilt es, Laufbahnen zu konzipieren, die den jeweiligen Karriereorientierungsmustem gerecht werden. Greift man auf die Karriereorientierungen nach Schein (1968) zuruck, kann auf die empirisch ermittelten Karriereanker als Bezugspunkt flir die Bildung karrierebezogener Zielgruppen zunickgegriffen werden. Eine entsprechende Zuordnung von Karriereankem zu zielgruppengerechten Laufbahnoptionen ist in Abbildung II-6 dargesteUt.

Dominierende individuelle Karriereorientierung

Zielgruppengerechte Laufbahnoption

Managementkompetenz (auch: FUhrungskompetenz oder Aufwartsorientierung)

Klassische FUhrungslaufbahn

Inhaltliche Konkretisierung

Vertikale Placementschritte, sukzessiv zunehmende Kompetenzen und Fuhrungsverantwortung

Fachlaufbahn/ Stabslaufbahn

Placementschritte Innerhalb eines (Funktions-)Bereichs, Aufbau von bereichsspezifischem Expertenwissen

Sicherheit und Stabilitat

„Status-Quo"-orientierte Laufbahn

Placementschritte orientieren sich an der Sicherung des Erreichten, Konstanz in den Aufgaben, aufgabenkongruente Placementpfade

Untemehmerische Kreativitat

„Neuland"-'Orientierte Laufbahn/ Prqjektiaufbahn

Placementschritte orientieren sich an Aufgaben, die Neuland darstellen, Wechsel in neue Funktionsbereiche, Einsatz auf wechselnden Proiekten

Autonomie und UnabhSngigkeit

„Freiheits"-orientierte Laufbahn/ Prqjektiaufbahn

Placementschritte orientieren sich an Aufgaben mit grOBtmOglichen Spielr^umen und Gestaltungsfreiheit, Projektarbeit

Technisch-fimktionale Kompetenz (auch: Fachkompetenz oder Fahigkeitsorientierung)

Abb. II-6

Karriereanker und zielgruppengerechte Laufbahnoptionen (Quelle: verandert und erweitert nach Stetter 1999, S. 82)

Mit der Bildung von zielgruppengerechten Laufbahnoptionen ist das Ziel verbunden, ein transparentes System zusatzlicher und differenzierter Entwicklungsmoglichkeiten fiir Humanressourcen unter Berucksichtigung heterogener Karriereorientierungsmuster zu schaffen. So

Vgl. Schanz (1994), S. 300ff., sowie ROllinghoff (1996), S. 222.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

119

bieten sich beispielsweise fur Humanressourcen mit der Karriereorientierung „Managementkompetenz" klassische Fuhningslaufbahnen an, wohingegen fiir Humanressourcen mit dem Karriereanker „Untemehmerische Kreativitat" „Neuland"-orientierte Projektlaufbahnen geeigneter erscheinen. Im Folgenden werden die in Abbildung II-6 angefuhrten Laufbahnoptionen inhaltlich konkretisiert und in pragnanter Form dargestellt.

(2)

Fiihrungslaufbahnen

Humanressourcen mit dem dominierenden Karriereanker „Managementkompetenz" besitzen eine Karriereorientierung, die sich auf vertikale Placements auf ranghierarchisch hohere Positionen bezieht.^^ Fiir Humanressourcen mit einem solchen Karriereanker bietet sich eine betriebliche Entwicklung entlang einer klassischen Fuhrungslaufbahn an. Dies entspricht einer so genannten „Managerial Ladder"^*^, die mit einer ausgepragten Aufwartsorientierung verbunden ist. Eine Fuhrungslaufbahn zeichnet sich dabei durch folgende Charakteristika aus: •





Zum einen ist die Fuhrungslaufbahn durch vorwiegend vertikale Aufstiegsbewegungen mit zunehmender Fiihrungs- und Personalverantwortung gepragt und zeichnet sich somit durch eine vertikale Verkniipfung von Fiihrungspositionen in verschiedenen Managementebenen aus/*^ Grundsatzlich sind im Rahmen einer Fuhrungslaufbahn auch diagonale oder zentripetale Placementbewegungen denkbar. Femer geht mit dem Aufstieg entlang der Fuhrungslaufbahn in der Kegel ein sukzessiver Zuwachs an klassischen Managementkompetenzen wie Personal- oder Budgetverantwortung einher, die als Karriereschritte wahrgenommen werden. Dabei werden die Humanressourcen bei einer klassischen Fuhrungslaufbahn mit einer relativ hohen Placementgeschwindigkeit von Stelle zu Stelle bewegt.^*^

Eine Restriktion bei der Anwendbarkeit von Fiihrungslaufbahnen ergibt sich aus der Tendenz zur Abflachung von Hierarchien, wodurch es zu einer Reduktion der existierenden Fiihrungspositionen kommt, deren Zahl relativ zu anderen Positionen im Untemehmen abnimmt. Denn eine flachere „(...) Hierarchie bietet im Idealfall - wenn nicht parallel zum Strukturumbau auch Strukturabbau und Personalanpassungen vollzogen werden - zwar die gleiche Anzahl von Stellen (=Aufgaben), aber mit Sicherheit weniger traditionelle Fiihrungspositionen." (Schlichting 1994, S. 388) Dadurch entsteht die Notwendigkeit, neben der klassischen Fiihrungslaufbahn weitere Laufbahnoptionen zu konzipieren bzw. einzufiihren, die sich mit individuellen Karriereorientie484 485 486 487 488

Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 24, Ruppert (1995), S. 155. Vgl. Muller/Stopfgeshoff (1998), S. 599. Vgl. Fuchtner (1998), S. 604. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausfuhningen zur Placementgeschwindigkeit in Abschnitt II. 1.2. Vgl. Berthel (1997), S. 294, und Muller/Stopfgeshoff (1998), S. 598.

120

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

rungen jenseits des Kamereankers Managementkompetenz in Einklang bringen lassen/*' Die Konzipierung altemativer Laufbahnoptionen wird daher zunehmend zu einer zentralen Herausforderung fiir die Gestaltung von Laufbahnen, um qualifizierte Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. „Wer es nicht versteht, dem viel versprechenden Nachwuchs in flachen Hierarchien unterschiedliche Wege anzubieten, wird sich auf lange Sicht immer wieder schmerzlich von 490

seinen High Potentials verabschieden miissen". (Bolduan 2001, S. 68) Das bedeutet, dass die Bedeutung von altemativen Laufbahnoptionen, wie die Fach-, Stabsund Projektlaufbahn, relativ zur Bedeutung der klassischen Fiihrungslaufbahn zunehmen wird/'^

(3)

Fach- und Stabslaufbahnen

Fiir Humanressourcen mit den Karriereankem „technisch-funktionale Kompetenz" oder „Sicherheit und Stabilitat", die an einer Karriere als Spezialist in einem bestimmten Fachgebiet interessiert sind, erscheint eine Fachlaufbahn^'^, respektive eine Stabslaufbahn, fiir geeignet."*'^ Beide Laufbahntypen lassen sich dabei hinsichtlich der inhaltlichen Aufgabenanforderungen klar von einer klassischen Fiihrungslaufbahn differenzieren. Charakteristisch fur Positionen einer Fachlaufbahn ist ein relativ hoher Anteil an reinen Fachaufgaben, wobei hingegen der Anteil an klassischen Fiihrungs- und Verwaltungsaufgaben bewusst gering gehalten wird. So bietet sich die Fachlaufbahn insbesondere fur Mitarbeiter an, die ein hohes Mal3 an fachspezifischen Qualifikationen aufweisen, fiir die jedoch auf Basis ihrer Karriereorientierung oder fachlichen Eignung eine klassische Fiihrungslaufbahn nicht sinnvoll erscheint. Damit soil erreicht werden, dass Humanressourcen, die eine Fachlaufbahn durchlaufen, sich auf Tatigkeiten in ihrem Spezialgebiet konzentrieren konnen, ohne administrativen Aufgaben aus dem Managementbereich nachgehen zu miissen. Fiir die Etablierung und Akzeptanz einer Fachlaufbahn ist dabei von groBer Bedeutung, dass diese Laufbahnoption mit der Fiihrungslaufbahn vergleichbar ist. Daher ist die Gleichrangigkeit der klassischen Fuhrungs- und der Fachlaufbahn zu gewahrleisten, die sich in der Schaffung eines aquivalenten Laufbahndesigns widerspiegelt.'*''* Bei der Gestaltung eines solchen aquivalenten Laufbahndesigns sind drei wesentliche Herausforderungen zu bewaltigen.

489 490 491 492 493 494

Vgl. Domsch (1993), S. 409, Fiichtner (1998), S. 604ff., sowie Brasse (1998), S. 42ff. Vgl. hierzu auch Elsik (1992), S. 106. Vgl. Drumm (1996), S. 16, Ortig/Stoll (1997), S. 8, sowie Fiichtner (1998), S. 604. In der Literatur werden synonym zum BegrifF der Fachlaufbahn auch die Termini Spezialisten- oder Expertenlaufbahn verwendet. Vgl. hierzu Domsch (1994), S. 9, sowie Gerpott (1994), S. 30f. Vgl. Domsch (1993), S. 412, Mentzel (1994), S. 146. Vgl. Domsch (1993), S. 410, Domsch (1994), S. 9, Fuchs (1997), S. 13.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

121



Zum einen ist ein System paralleler Rangstufen zur Fuhrungslaufbahn zu errichten, das eine detaillierte Beschreibung von typischen Positionen entlang der Fachlaufbahn umfasst. Mogliche Beschreibungskriterien fiir die Rangstufen der Fachlaufbahn sind beispielsweise der Anteil sowie die Komplexitat der einzelnen Fachaufgaben.



Femer sind im Rahmen des Fachlaufbahndesigns die einzelnen Rangdeskriptoren, beispielsweise Gehaltsbreiten oder spezifische Statussymbole, zu determinieren. Gleiches gilt fur die sonstigen Anreize, wie etwa Freiraume beider Arbeitsgestaltung oder flexible Arbeitszeiten. Gleiches gilt auch fur die Definition der Kriterien, die fur die Auswahl und Leistungsbeurteilung von Placementkandidaten fur Positionen der Fachlaufbahn herangezogen werden. Dies ist nicht zuletzt erforderlich, um den exklusiven Charakter und damit den Anreizwert der Fachposition zu erhalten/'^^



Die Stabslaufbahn stellt eine spezifische Form der Fachlaufbahn dar. Eine solche Laufbahn verlaufl iiber Stabsstellen, die dem Vorstand oder anderen hohen Fuhrungsebenen zugeteilt sind. Stabsstellen sind im Wesentlichen mit Ausfuhrungs- und Verfugungskompetenzen zur Vorbereitung und Uberwachung von Entscheidungen ausgestattet und sollen Fiihrungsinstanzen bei der Informationsbeschaffung und -verarbeitung entlasten/'^ Eine weitere zentrale Aufgabe von Mitarbeitem auf Stabsstellen ist in dem Einbringen ihres spezifischen Sachverstands zur Entscheidungsunterstiitzung zu sehen.'*'* Die wahrend der Stabslaufbahn gesammelten Erfahrungen sowie die geschaffenen Kontakte zu hoheren Hierarchieebenen und personlichen Netzwerken verhelfen den Humanressourcen oftmals zu einem spateren Wechsel auf eine hochrangige Linienposition. Vor diesem Hintergrund stellen Placementschritte entlang einer Stabslaufbahn oftmals Vorbereitungsschritte fiir den spateren Wechsel in die Fiihrungslaufbahn dar/'' Fiir die Etablierung einer Stabslaufbahn ist analog wie bei der Fachlaufbahn ein zur Fuhrungslaufbahn aquivalentes Laufbahndesign mit entsprechenden Anreizen und Beurteilungskriterien zu entwickeln.

(4)

Projektlaufbahnen

Eine Projektlaufbahn setzt sich aus der Aneinanderreihung von Stellen auf Projekten zusammen. Projekte stellen zeitlich befristete, komplexe, einmalige, oftmals innovative und relativ umfangreiche Aufgaben dar, die losgelost vom herkommlichen Tagesgeschaft bearbeitet

495 496 497 498 499

Vgl.Domsch (1993), S. 411. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Fachlaufbahnen zu ,Abstellgleisen" fur erfolglose oder freigesetzte Fuhnmgskrafte im Sinne eines Kamereplateaus werden. Vgl. Domsch (1993), S. 412. Vgl. Hammerle (1994), S. 154. Vgl. Picot (1993), S. 127. Vgl. Priewe (1989), S. 104.

122

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

werden.^^® Die Arbeit auf Projekten lasst sich durch eine relative Neuartigkeit der Aufgaben charakterisieren, die von den Projektmitarbeitem ein hohes MaB an Kreativitat, Verantwortungsbereitschaft und Kontaktfahigkeit erfordem.^^^ Eine Projektlaufbahn kommt daher insbesondere fur Humanressourcen mit dem dominierenden Karriereanker „untemehmerische Kreativitat", die in ihrer Karriere Neues schaffen und wechselnde Aufgaben bearbeiten mochten, in Betracht. Gleiches gilt fur Humanressourcen mit dem Karriereanker „Autonomie und Unabhangigkeit", bei denen groBtmogliche Freiheit und Eigenverantwortung im Mittelpunkt der Karriereplane stehen.^®^ Im Zuge der Einfuhrung projektorientierter Organisationsstrukturen und der Bildung unterschiedlicher Projektteams^^"^ hat die Projektlaufbahn als dritte Laufbahnoption in zunehmendem MaBe an Bedeutung gewonnen.^^"* Dies gilt nicht nur fur Branchen, in denen die Projektorganisation weit verbreitet ist und die typische Form der Arbeitsorganisation darstellt, wie beispielsweise in der Bauindustrie, in der Forschung und Entwicklung, oder in Professional Service Firms. Diese Tendenz zu einer Ausweitung der Projektorganisation kann vielmehr in alien Branchen konstatiert werden.^^^ Zusatzlich zum Angebot eines altemativen Laufbahnmusters fur Mitarbeiter mit einer entsprechenden Karriereorientierung bietet sich eine solche Laufbahnoption insbesondere auch dann an, wenn die Laufbahnentwicklung in der Linie durch bestinmite Begebenheiten, beispielsweise durch Alter oder Anciennitat, blockiert wird.^*^ Diese in sich sehr flexible Laufbahnstruktur ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Regel Placementschritte von kleineren hin zu umfangreicheren und strategisch gewichtigeren Projekten stattfinden, die mit wachsenden Aufgabenanforderungen, oftmals auch in Form von Fiihrungsverantwortung als Projektleiter, einhergehen.^^^ Auch die Entsendung eines Mitarbeiters auf ein Auslandsprojekt ist als Placementschritt entlang der Projektlaufbahn denkbar. Eine Projektlaufbahn ist durch folgende Charakteristika gekennzeichnet: •

501 502 503

504 505 506 507

Im Rahmen einer Projektlaufbahn wird die Stelle in der Linienorganisation oftmals nicht verlassen, sondem zusatzliche Mitgliedschaft in einem Projekt ermoglicht. Dies entspricht dem Prinzip eines partiellen Placements. Dadurch wird der Wissenstransfer sowie die Kommunikation zwischen zwei Aufgabenbereichen gefordert, wodurch sich

Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 137, Staerkle (1987), Sp. 1739, Hungenberg (1990), S. 208, Muller/Stopfgeshoff (1998), S. 598. Vgl. Fiichtaer (1998), S. 604. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 24, Corsten (2000), S. 59f. Als Beispiel verschiedener Projektformen und -teams lassen sich beispielsweise sogenannte „Task Force", ,jNJew Venture Team", ,J*roduktteams" oder „Zirkel" unterscheiden. Vgl. Domsch (1993), S. 414, sowie weiterfiihrend Herbst (1976), Cleland/King (1983), Heintel/Krainz (1990), Meyer (1994). Vgl. stellvertretend Bolduan (2001), S. 66ff. Vgl. Meier (2004), S.34f. Vgl. Hungenberg (1990), S. 211, Stetter (1999), S. 113. Vgl. Domsch (1994), S. 7, Freimuth (1997a), S. 146f., sowie Jones (1996), S. 64, fiir eine branchenspezifische Perspektive.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements





123

die kulturelle Erstarrung bestimmter Aufgabenbereiche sowie die Problematik inkommensurabler Eigenlogiken reduzieren lasst. Femer arbeiten in Projektteams in der Regel Mitarbeiter verschiedener Funktionsbereiche und zumeist auch unterschiedlicher hierarchischer Ebenen zusammen. Dadurch wird der interdisziplinare Erfahrungsaustausch zwischen den Projektmitgliedem gefordert. Daruber hinaus kann die Projektlaufbahn sowohl fur den spateren Wechsel in die Fachlaufbahn durch die Sammlung funktionsspezifischer Fachkenntnisse oder auch fiir den Wechsel in die Fiihrungslaufbahn durch erste Fiihrungserfahrung, beispielsweise als verantwortlicher Leiter des Projekts, vorbereiten.^^* Dadurch kann die Projektlaufbahn fur einen spateren Aufstieg in der Linie von Nutzen sein und erweitert den Moglichkeitenraum fur das Placement nicht nur in horizontaler, sondem auch in vertikaler Kinsicht.'*" Daruber hinaus werden die Humanressourcen kontinuierlich mit wechselnden Aufgabenstellungen konfrontiert, wodurch die stetige Weiterentwicklung gefordert wird. Zudem gilt, dass einer „(...) der wichtigsten Vorteile dieser Laufbahn (...) darin [liegt; Y.F.], daB der Mitarbeiter durch die Vielfalt der projektbezogenen Aufgabenstellungen quasi testweise an neue Aufgaben herangefiihrt und ihm und seinem Umfeld die Gelegenheit gegeben wird, herauszufinden, wie er damit zurechtkommt." (Fiichtner 1998, S. 605f.) Vor diesem Hintergrund kann die Projektlaufbahn auch als „reales Assessment Center" fur den spateren Wechsel auf eine Laufbahn in der Linie interpretiert werden.^^^

Mit diesen Charakteristika einer Projektlaufbahn sind gleichzeitig zwei zentrale Herausforderungen fur die Konzipierung von Projektlaufbahnen verbunden. •



508 509 510 511

So ist das Beschreiten dieses beruflichen Weges ofbnals nur zeitlich begrenzt und bietet somit keine dauerhafle Alternative zu den anderen Laufbahnoptionen. Aus diesem Grund gilt es, geeignete Vorkehrungen zu treffen, die den Humanressourcen den spateren Wechsel von der Projektlaufbahn in die Linie ermoglichen.^^* Zudem lasst die Projektlaufbahn oftmals eine transparente Positionsbestimmung im Vergleich zu den anderen Laufbahnpositionen nicht zu. Auch eine eindeutige Zuordnung in der Organisationsstruktur erweist sich oft als problematisch. Daher ist es erfor-

Vgl Meier (2001), S. 33. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 137. Vgl. Domsch (1993), S. 413, sowie Domsch (1994), S. 14. Vgl. Hungenberg (1990), S. 210. In der Literatur wird dieses spezifische Problemfeld einer Projektlaufbahn als „Reentry-Problematik" bezeichnet. In der Praxis existieren verschiedene Ansatze, um dieser Reentry-Problematik zu begegnen. Ein bewahrtes Beispiel stellt die so genannte „4:1-Regelung" dar, bei der Mitarbeiter eines Projektes stets den Kontakt zur Linie behalten, indem sie an einem Tag der Woche fur einen bestimmten Bereich der Linienorganisation arbeiten, wodurch ein spaterer Wechsel dorthin erleichtert werden soil. Vgl. hierzu Corsten (2000), S. 59.

124

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

derlich, ein transparentes iind aquivalentes Laufbahndesign ftir die Projektlaufbahn zu entwickeln.^*^ Die dargestellten altemativen Laufbahnoptionen, Fuhrungs-, Fach/Stabs- sowie Projektlaufbahn stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr besteht eine gewisse Durchlassigkeit, die den Wechsel zwischen den verschiedenen Laufbahnoptionen ermogHcht.^*^ Dieser Zusammenhang ist in Abbildung II-7 dargestelh.

A

Oberes Management

1

CZI

Mittleres Management

IZ

•'7

1

Projektlaufbahn

1

Abb. II-7

Laufbahnwechsel

yy -

- r

/ \

laufbahn

1

1 (Projekt- 1 hierarchie)

CD

r"

FQhrungs-

Laufbahnwechsel

"BUnteres Management

Wechselbarrieren zwischen den Laufbahnoptionen •

CD

Fach-/Stabslaufbahn

/

7

\\

j (FUhrungs-/

\

(Parallel-

/

\

hierarchie)/

/

Durchlassigkeit der alternativen Laufbahnoptionen (Quelle: verdndert ubernommen aus Domsch 1993, S. 410)

Die Durchlassigkeit bezieht sich dabei sowohl auf den Wechsel von der Projekt- und der Fachlaufbahn in die Fuhrungslaufbahn, als auch auf den Wechsel in umgekehrter Richtung.^*'* In der Literatur werden die Durchlassigkeit und die damit verbundene Wechselmoglichkeit zwischen zwei Laufbahnoptionen auch als „Duallaufbahn" bezeichnet.^*^ Im Bereich des unteren und mittleren Managements sind Wechsel zwischen den einzelnen Laufbahnoptionen moglich und zur Sammlung wichtiger Arbeitserfahrungen in anderen Funktionsbereichen erforderlich. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Wechselbarrieren zwischen den einzelnen Laufbahnoptionen mit der Hohe der Position in der jeweiligen Laufbahnhierarchie

513 514 515

Zur kritischen Betrachtung der Projektlaufbahn und entsprechenden Ansatzpunkten vgl. Domsch (1993), S.415. Vgl. Kieser (1993), S. 409, Schlichting (1994), S. 392, Meier (2001), S. 32f. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 137, sowie Schlichting (1994), S. 392. Vgl. stellvertretend Heimerl-Wagner (1994), S. 143ff. Dabei ist in der Kegel die Durchlassigkeit zwischen Ftihrungs- und Fachlaufbahn angesprochen.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

125

tendenziell steigen. Dies lasst sich auf die meist hohe Spezifitat von Stellen auf hoheren Hierarchieebenen zuriickfiihren. Zusammenfassend zu den Uberlegungen zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows lasst sich festhalten, dass es in Anbetracht organisatorischer Voraussetzungen sowie unterschiedlicher Karriereorientierungen der Humanressourcen erforderlich ist, zielgruppengerechte Laufbahnoptionen zu konzipieren. Diese sind hinsichtlich der Placementrichtung, der geschwindigkeit sowie der -vollstandigkeit so auszugestalten, dass sowohl organisatorische als auch individuelle Anforderungen an die Laufbahngestaltung erfullt werden konnen. Dabei ist eine gmndsatzliche Durchlassigkeit der Laufbahnoptionen sicherzustellen, um das Spannungsfeld aus Spezialisierung und Flexibilisierung der Humanressourcenausstattung durch eine entsprechende Gestaltung des Humanressourcen-Flows zu iiberbriicken und damit die Wahrscheinlichkeit einer Fit-Erzielung erhohen zu konnen.

II.2

Management des Humanressourcen-Moves

Wahrend bei der Betrachtung des Managements des Humanressourcen-Flows die Gestaltung von Humanressourcenbewegungen und damit die Konzipierung von Laufbahnen analysiert wurden, richtet sich der Analysefokus des Managements des Humanressourcen-Moves auf die Gestaltung des Stellenwechselprozesses. Der Gestaltung des Humanressourcen-Moves ist vor dem Hintergrund einer ausgepragten Fit-Orientierung des Placements eine hohe Bedeutung beizumessen. Denn im Gegensatz zu Ersatzinvestitionen in einem technischen System ist es bei der Besetzung von Stellen nicht moglich, Humanressourcen mit funktional (z.B. hinsichtlich der Fahigkeiten und des Arbeitsstils) und sozial (z.B. hinsichtlich des Verhaltensstils) exakt identischen Erfullungsmustem auszutauschen und dadurch ad hoc einen neuen passenden Stelleninhaber einzusetzen. Dariiber hinaus ist die Humanressourcenausstattung eines Untemehmens als ein „emergentes Phanomen" zu begreifen.^*^ So entstehen durch den Stellenwechsel iibergreifende Beziehungsveranderungen sowohl innerhalb des Organisationssystems als auch zur extemen Systemumwelt. Diese Beziehungsveranderungen wiederum resultieren in Effizienzverluste,^^^ die selbst dann auftreten, wenn der neue Stelleninhaber eine hohe Eignung fur die neue Stelle mitbringt. So gilt: , Auch wenn die Humanressource im Rahmen einer Job-Rotation durch eine ahnlich fahige Humanressource ersetzt wird, so ist doch zunachst ein Effizienzverlust an Problemlo-

Die Emergenz der Humanressourcenausstattung bedeutet, dass die „Funktionsbedingungen" der Humanressourcenausstattung als Ganzes, d.h. jenseits einzelner Humanressourcen, betrachtet werden mussen. Damit sind die fachlichen und sozialen Verkniipfungen zwischen den einzelnen Humanressourcen angesprochen, die in ihrer Gesamtheit die kollektive Leistungsfahigkeit der Humanressourcenausstattung ausmachen. Vgl. hierzu Willke (1996), S. 144ff, sowie Kaiser (2001), S. 40ff. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 216, sowie die Ausfuhrungen zu den Kosten eines Stellenwechsels in AbschnittII.1.1.

126

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

sungskraft (...) anzunehmen, da die Verweisungszusammenhange erst erlemt werden mussen." (Kaiser 2001, S. 164) Damit sind zweierlei Konsequenzen verbunden. •



Zum einen ist ein Einarbeitungsprozess erforderlich, da die Humanressource die Verweisungszusammenhange der neuen Stelle erst neu erlemen muss. Durch diesen Lemprozess entsteht eine Zeitspanne, in welcher eine effektive Aufgabenbewaltigung durch den neuen Stelleninhaber beeintrachtigt ist. Dariiber hinaus besteht die Gefahr, dass durch eine unzureichende Gestaltung des Humanressourcen-Moves die Einarbeitung des neuen Stelleninhabers verhindert oder ein vorzeitiger Weggang der Humanressource verursacht werden kann.^^*

Diese angefuhrten Problemfelder heben die Relevanz einer entsprechenden Gestaltung des Humanressourcen-Moves hervor, die auf Unterstiitzungsmafinahmen im Stellenwechselprozess basieren. Dies ist nicht nur fur die Erleichterung einer moghchst raschen und reibungslosen Einarbeitung des Stellenwechslers, sondem auch zur Gewahrleistung der Kontinuitat der Leistungsfahigkeit der Humanressourcenausstattung von Bedeutung.^*' So gih es, im Rahmen des Managements des Humanressourcen-Moves geeignete MaBnahmen zu ergreifen, die den Prozess des Stellenwechsels systematisch unterstiitzen. Um sich der Thematik der Gestaltung des Humanressourcen-Moves zu nahem, bietet es sich an, zunachst in propadeutischer Form auf die zentralen Problemfelder einer Humanressource nach einem Stellenwechsel einzugehen, die ein entsprechendes Management des Humanressourcen-Moves erforderlich machen (II.2.1). Im Anschluss daran werden die konkreten Aufgaben und Implikationen einer stellenbezogenen Induktion als zentrales Gestaltungselement des Humanressourcen-Moves erortert, die auf der Bewaltigung jener Problemfelder basieren (II.2.2). In einem dritten Schritt gilt es schlieBlich, aufbauend auf den vorangegangenen Uberlegungen systematische Induktionsstrategien zu entwickeln, die in zielgerichteter und differenzierter Form an den einzelnen Phasen des Induktionsprozesses ansetzen. Induktionsstrategien basieren dabei auf einem stellenbezogenen Wissensmanagement, das auf die Sicherung sowie die Transformation des stellenspezifischen Wissens auf den neuen Stelleninhaber ausgerichtet ist (II.2.3).

Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 25, sowie Watzka (1993), S. 255, der betont, dass eine unzureichende Gestaltung des Wechselprozesses dazu fiihren kann, dass die Humanressource in der kritischen Einarbeitungsphase mit derartigen Problemen konfrontiert ist, dass eine Akzeptanz durch das neue Arbeitsumfeld durch Probleme in der Anfangsphase ex post nicht mehr herzustellen ist. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 215.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

II.2.1

127

Zentrale Problemfelder einer Humanressource beim Eintritt in einen neuen Arbeitskontext

Jeder Stellenwechsel ist fur die betroffene Humanressource mit einem Lemprozess einer neuen fachlichen und sozialen Rolle verbunden. Unter Rollen sind dabei die Erwartungen zu subsumieren, die an die Humanressource aufgrund ihrer Position als Stelleninhaber gerichtet werden.^^^ Dieser Lemprozess stellt fur die Humanressource eine Phase der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit dar, in der eingespielte Routinen der taglichen Arbeit sowie die bisherige Einordnung der Humanressource in das soziale Beziehungsgefuge der Organisation auBer Kraft gesetzt sind oder nur noch begrenzt Giiltigkeit besitzen.^^^ Zunachst ist es sinnvoU, zentrale Problemkategorien einer Humanressource bei einem Stellenwechsel zu identifizieren (1). Um darauf aufbauend grundsatzliche Ansatzpunkte zur Gestaltung des HumanressourcenMoves identifizieren zu konnen, bietet es sich an, auf die Theorie der organisationalen Sozialisation zuriickzugreifen, die auf die fachliche und soziale Einarbeitung einer Humanressource in einen neuen organisationalen Arbeitskontext ausgerichtet ist (2). Da die Theorie der organisationalen Sozialisation fiir den interessierenden Problemfokus eines Stellenwechsels vom Analysefokus zu weit greift, ist es in einem sich anschliefienden Schritt erforderlich, eine konkrete Phase des Sozialisationsprozesses, namlich die organisationale Induktion, herauszugreifen und zu analysieren (3).

(1)

Problemkategorien einer Humanressource nach einem Stellenwechsel

Die Notwendigkeit der Durchfuhrung von geeigneten MaBnahmen, die Mitarbeitem den Eintritt in ein neues Arbeitsumfeld erleichtem, gilt sowohl in der Wissenschafl als auch in der Praxis als anerkannt.^^^ In Anlehnung an Drescher (1993) lassen sich funf wesentliche Problemkategorien einer Humanressource beim Eintritt in ein neues Arbeitsumfeld identifizieren. Diese Kategorien sind dabei nicht als klar voneinander abgrenzbare und iiberschneidungsfreie Problemfelder aufzufassen, sondem spiegeln vielmehr eine Problembeleuchtung aus verschiedenen Perspektiven wider. ^^"^ •

520 521

Kognitive Probleme entstehen durch das Nichtverfugen iiber bestimmte Algorithmen, Heuristiken und Handlungsschemata, die fur die fachliche Aufgabenerfullung erforderlich sind. Vgl. Wiswede (1977), S. 14ff., und Wiswede (1992), Sp. 2001fr. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 214f., Feldman/Brett (1983), S. 258, Freimuth (1986), S. 201, Freimuth/Elfers (1992), S. 31, Watzka (1992a), S. 91, Berthel (1997), S. 201. Die Bedeutung von Einarbeitungsprogrammen resultiert nicht zuletzt aus Erkenntnissen empirischer Untersuchungen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Trennung des neuen Mitarbeiters von seinem neuen Arbeitgeber in den ersten zwolf Monaten signifikant hoher ist als zu einem spateren Zeitpunkt. Vgl. hierzu stellvertretend Dunnette/Arvey/Banas (1973), Kieser et al. (1980), S. 85ff., Wanous (1980), sowie Kieseretal. (1990). Zu den nachfolgenden Problemkategorien vgl. Drescher (1993), S. 13.

128

Teil II: Gestaltimgsdimension des Humanressourcen-Placements



Emotionale Probleme basieren auf einer erhohten Angstlichkeit und Unsicherheit in einem noch nicht vertrauten Arbeitsumfeld.



Soziale Probleme resultieren aus dem Fehlen vertrauter Interaktionsbeziehungen sowie aus der Ungewissheit uber soziale Unterstiitzung im neuen Arbeitsumfeld.



Wert- und normbezogene Probleme sind auf die Konfrontation mit ungewohnten Werten und Normen des neuen Arbeitsumfelds zuriickzufuhren, die mit den bislang gewohnten Werten und Normen der Humanressource kollidieren konnen. Behaviorale Probleme als letzte Kategorie entstehen durch die Konfrontation der Humanressource mit ungewohnten Verhaltensweisen des neuen Arbeitsumfelds und der damit verbundenen erforderlichen Aufgabe von bislang gewohnten Verhaltensweisen.



Fasst man die genannten Problemkategorien zusammen, so ergibt sich folgendes aggregiertes Bild: Mit dem Eintritt in einen neuen Arbeitskontext sind fur eine Humanressource vielfaltige Belastungen verbunden, die aus der Neuartigkeit des fachlichen und sozialen Umfelds resultieren. Psychische Belastungen und Stress sind oftmals die Folge, da die neue Arbeitssituation noch nicht beherrschbar und gewissermaBen als „Neuland" erscheint.^^'* Dies fuhrt schlieBlich dazu, dass Energien einer Humanressource durch den Eintritt in ein neues Arbeitsumfeld zunachst dysfunktional gebunden werden. Blickt man in diesem Zusammenhang in die relevante einschlagige Literatur, so lasst sich eine heterogene Begriffsvielfalt konstatieren. In der Praxis wird der Einfiihrungsprozess einer Humanressource in einen neuen Arbeitskontext oftmals auch als „Einarbeitungs"-, „Inplacement"-, „Onboarding"-, oder „Integrationsprozess" bezeichnet.^^^ In der Theorie hingegen wird mehrheitlich der Terminus „Einfuhrungsprozess" verwendet.^^^ Den einzelnen Termini und deren Implikationen ist dabei gemein, dass sie auf verschiedenen Ansatzen und Techniken der organisationalen Sozialisation basieren. Allerdings beschranken sich sowohl die theoretischen Beitrage als auch die Ansatze der betrieblichen Praxis weitgehend auf EinfuhrungsmaBnahmen for bislang externe Mitarbeiter, die neu in ein Untemehmen eintreten und eingearbeitet werden.^^^ Hingegen wird die systematische Einfiihrung von internen Humanressourcen in den neuen sozialen und fachlichen Arbeitskontext nach einem internen Stellenwechsel weitgehend vemachlassigt. Eine solche Vorgehensweise jedoch erscheint aus unterschiedlichen Griinden problematisch. Dies lasst sich anhand der folgenden Beispiele exemplarisch verdeutlichen:^^*

525 526 527

Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 214, Althauser (1982), S. 1, Kieser et al. (1990), S. 20, Rehn (1990), S. 14, Watzka (1992a), S. 92, Beithel (1997), S. 201, und Bock (2002), S. 72. Vgl. Pellens/Miiller (2003), S. 26, Brenner/Brenner (2001), S. 2ff., und Feige (1991), S. 50. Vgl. Scholz (2000), S. 514. Vgl. Stiefel (1979), Kieser/Nagel (1986), Rehn (1990), Feige (1991), Hanft (1992), Huber (1992), Watzka (1992a), Watzka (1992b), Watzka (1993), KolbAViedmann (1997), Bematzeder/Krakau/Krieger (1999), Wust (1999), Rohleder (2000), Boning/Lehmann (2002), sowie Merkwitz/Peitz (2002). Vgl. Schein (1971c), S. 419, Maanen/Schein (1979), S. 213.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

129



So wird eine Humanressource nach einem horizontalen Placement in einen neuen Funktionsbereich mit neuen fachlichen Anforderungen konfrontiert, die eine entsprechende fachliche Einarbeitung erforderlich machen. Zudem geht mit einem horizontalen Placement eine Konfrontation mit einem neuen sozialen Umfeld einher. Ein solches umfasst eine neue funktionsspezifische Subkultur oder Kontextgemeinschaft mit spezifischen Eigenlogiken, Ausdrucks- und Verhaltensweisen sowie neuen sozialen Beziehungsstrukturen, die von der Humanressource neu erlemt werden miissen.



Vergleichbare Probleme treten fur eine Humanressource nach einem vertikalen Placement in eine andere Hierarchieebene auf. Denn mit einem solchen Placement sind in der Regel neue fachliche Aufgaben, wie beispielsweise Fiihrungs- oder Budgetverantwortung, verbunden. Zudem tritt die Humanressource in eine neue hierarchische Subkultur ein, die eine reibungslose Einarbeitung erschweren kann. Eine zusatzliche Verscharfung erfahren die oben genannten Probleme aus der Verkniipfling von horizontaler und vertikaler Placementrichtung, d.h. wenn die Humanressource diagonal im Stellengeflige des Untemehmens bewegt wird und somit gleichzeitig die Hierarchieebene und den Funktionsbereich wechselt. Denn durch die simultane Konfrontation mit neuem Funktionsbereich und neuer Hierarchieebene wachst der fachliche und soziale Neuigkeitsgrad des Arbeitskontexts, wodurch die Anforderungen an eine systematische Einarbeitung steigen. SchlieBlich ist als weiteres Beispiel auch ein zentripetales Placement einer Humanressource von der Tochter- zur Muttergesellschaft zu nennen. Obwohl es sich in diesem Beispiel formal um das Placement einer intemen Humanressource handelt, sind die relevanten Probleme mit dem Placement einer bislang extemen Humanressource vergleichbar. Der interne Stellenwechsler sieht sich neben einem neuen fachlichen Kontext auch einer neuen Untemehmenskultur gegeniiber, die eine soziale Eingewohnung erschwert. Dieses Problem wird femer dadurch verscharft, wenn mit dem Placement von der Tochter- zur Muttergesellschaft eine regionale Versetzung, beispielsweise eine Versetzung in ein anderes Land, einhergeht und dadurch auch landeskulturelle Spezifika und Anforderungen erlemt werden miissen.





Die in den Beispielen genannten Veranderungen des fachlichen und sozialen Kontexts verdeutlichen, dass Humanressourcen bei einem intemen Stellenwechsel mit vergleichbaren Problemen konfrontiert werden wie bislang exteme Humanressourcen, die neu in ein Unternehmen eintreten. Vor diesem Hintergrund kann von einer grundsatzlichen Analogic der Problemfelder ausgegangen werden.^^' So hat eine Humanressource bei einem intemen Stel-

Vgl. hierzu Maanen/Schein (1979), S. 213, sowie insbesondere auch Feldman/Brett (1983), S. 258ff., die in einer empirischen Studie nachweisen konnten, dass Probleme von neu in die Organisation eintretenden Mitarbeitem und von intemen Stellenwechslem grundsatzlich vergleichbar sind. Allerdings weisen Feldman/Brett darauf hin, dass neu ins Untemehmen eintretende Mitarbeiter und interne Stellenwechsler mit unterschiedlichem Verhalten auf die auftretenden Problemfelder reagieren. Demnach versuchen interne

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Teil II: Gestaltimgsdimension des Humanressourcen-Placements

lenwechsel je nach Bewegungsrichtung gewisse hierarchische, ftinktionale oder radiale Barrieren zu iiberwinden, die eine Einfuhrung in den neuen Stellenkontext erschweren. Dadurch werden geeignete Mafinahmen zur Gestaltung des Humanressourcen-Moves erforderlich.^^^

(2)

Organisationale Sozialisation zur Vermittlung fachlichen und sozialen Wissens

Zur Ermittlung von Ansatzpunkten fur die Gestaltung des Humanressourcen-Moves zur Uberwindung der genannten Problemfelder bietet es sich an, auf Ansatze der organisationalen Sozialisationsforschung zuriickzugreifen. Sozialisationsprozesse im Allgemeinen stellen Lem- und Entwicklungsprozesse dar.^^^ Diese stehen im Zusammenhang mit der subjektiven Intemalisierung von Rollen, die von der sozialen Umwelt an ein Individuum gerichtet werden. Der Begriff der sozialen Umwelt ist dabei grundsatzlich sehr weit auslegbar. Bezieht sie sich auf ein Untemehmen, so wird von der organisationalen Sozialisation gesprochen,^^^ bei der es zu Lemprozessen der neuen, organisationalen Rollen kommt.^''^ Die organisationale Rolle, die einer neuen Humanressource von der Organisation zugewiesen wird, setzt sich dabei aus zwei Rollenelementen zusammen. •



Zum einen ist dies die fachliche Rolle, die sich aus den erforderlichen Aktivitaten und Handlungen ergibt, die mit der Erfullung der an das Individuum gestellten Sachaufgabe verbunden sind. Zum anderen ist dies die soziale Rolle, welche die interpersonellen Kontakte zu anderen Organisationsmitgliedem oder extemen Bezugsgruppen umfasst, die fur die Erfullung der Sachaufgabe erforderlich sind.^"'^

Die Theorie der organisationalen Sozialisation stellt ein eigenstandiges Forschungsfeld dar, das im Rahmen verschiedenster wissenschafllicher Forschungsdisziplinen behandelt wird,^^^

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Stellenwechsler beispielsweise in starkerem AusmaB, das neue Arbeitsumfeld zu beeinflussen, statt sich einseitig den neuen Arbeitsbedingungen anzupassen. Vgl. Feldman/Brett (1983), S. 26If. Vgl. Schein (1971c), S. 404f, der bei einzelnen Bewegungsschritten innerhalb eines Karrieresystems zwischen „hierarchicar', „inclusion" und „functional/departmental boundaries" differenziert, Vgl. Windolf (1981), S. 1, Althauser (1982), S. 4 und S. 51. In der Sozialisationsforschung wird eine Tripartition der Sozialisation vorgenommen. Dabei erfolgt die primdre Sozialisation im Wesentlichen durch die Familie. Die sekunddre Sozialisation fuidet in der Schule statt, wahrend daran anschlieCend die tertidre Sozialisation im Berufsleben stattfindet. Die Entwicklungs- und Lemprozesse, die wahrend der primaren und der sekundaren Sozialisation durchlaufen werden, werden gemeinhin auch als prdorganisationale Sozialisationsprozesse bezeichnet. Diese nehmen Einfluss auf die spater eintretende tertiare Sozialisation, da sie zum einen die Moglichkeiten der mittelund unmittelbaren Fremdsteuerung von beruflichen Lemprozessen einschranken. Zum anderen konnen sie aber auch die berufliche Sozialisation erleichtem. Dies ist insbesondere dann zu erwarten, wenn die praorganisationale Sozialisation in ahnlichen Kontexten stattfand wie die berufliche. Vgl. hierzu auch Windolf (1981), S. 158, sowie Kaiser (2001), S. lOlf. Vgl. Schein (1971c), S. 421, Maanen/Schein (1979), S. 211, Louis/Posner/Powell (1983), S. 857, Nicholson (1984), S. 172, Volk (1984), S. 95, Kasper (1992), Sp. 2056ff., Watzka (1993), S. 255. Zu einer umfassenden Darstellung zum Lemprozess von Rollen im Kontext der Sozialisation vgl. insbesondere Joas (1991), S. 137ff. Vgl. zum Konzept der organisationalen Rolle Kriiger (1983), S. 1 Iff.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

131

wobei die Soziologie und die Psychologie gemeinhin als Ausgangsdisziplinen der organisationalen Sozialisationsforschung anzusehen sind.^^^ Obwohl die Forschungsrichtung grundsatzlich nicht neu ist, hat sie in den letzten Jahren verstarkt Aufinerksamkeit in Theorie und Praxis erfahren. So beschranken sich Bemiihungen zur Optimierung der Sozialisation nicht mehr nur auf hierarchisch hoher stehende Mitarbeitergruppen wie Manager oder Fiihrungskrafte, sondem beziehen sich auch auf die Sozialisation von neuen Mitarbeitem der gesamten operativen Ebene.^"'^ In der Literatur herrscht dabei Einigkeit dariiber, dass sich der organisationale Sozialisationsprozess von neuen Mitarbeitem grundsatzlich aus zwei gegenlaufigen Effekten zusammensetzt.^^* •

Die organisationale Sozialisation umfasst einerseits diejenigen Prozesse, in denen die Humanressource die von ihrer Arbeitsumwelt erwiinschten Werte, Normen, Einstellungen sowie die Deutungs- und Verhaltensmuster ubemimmt und sich an diese anpasst.^^ Dies stellt eine wichtige Voraussetzung fur die Akzeptanz der Humanressource innerhalb des neuen sozialen Arbeitsumfelds und somit fur die effektive Aufgabenerfullung auf der neuen Stelle dar.^^® Allerdings ist davon auszugehen, dass organisationale Sozialisationsbemiihungen dann an Grenzen stoBen, wenn stabile, d.h. schwer manipulierbare Personlichkeitseigenschaflen der Humanressource in Form zentraler Werte, Normen und Einstellungen verandert werden sollen.^'** Im Rahmen dieser genannten Grenze geht die organisationale Sozialisation mit einem Anpassungsprozess der neuen Humanressource an die Kultur der Organisation einher.



Zum anderen kommt es aber neben dem Anpassungsprozess auch zum Prozess der so genannten Individualisation.^'*^ Damit ist die Weiterentwicklung des Arbeitsumfelds durch die neue Humanressource angesprochen, die mit ihren Ideen, Vorstellungen,

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Der Erkenntnisstand zur organisationalen Sozialisation kann dabei als fragmentarisch eingestuft werden. Vgl. Althauser (1982), S. 5, Rehn (1990), S. 14. Ubersichtliche Zusammenfassungen iiber das weit verstreute Themengebiet der organisationalen Sozialisation finden sich bei Schein (1971a), S.lff., Maanen (1976), S. 67ff., Windolf (1981), Schafer (1983), S. 98f., Heinz (1991), S. 397fr., Schirmer (1992), S. 195ff., sowie bei Drescher (1993), S. 4fr. Vgl. Hurrelmann/Ulich (1991), S. 4, Rosenstiel (1992), S. 135, Gluminski (1993), S. 29. Dabei lassen sich zwei wesentliche Forschungsansatze differenzieren. Einstellungstheoretische Ansatze beziehen sich auf eine Anpassung der Einstellungen und Werthaltung des Individuums an die ubergeordnete Kultur. Bekannte Vertreter dieses Forschungsansatzes sind Schein (1978) sowie Ondrack (1975). Hingegen setzen rollenanalytische Ansatze an den zu erbringenden neuen Rollenleistungen und -funktionen an. Prominente Vertreter sind Graen/Cashmann (1975). Eine Ubersichtliche Darstellung der genannten Ansatze findet sich bei Althauser (1982), S. 8ff. Vgl. Gluminski (1993), S. 1. Vgl. Stiefel (1979), S. 12, Rehn (1990), S. 8f. Vgl. Schein (1971c), S. 521, Maanen (1975), S. 207, Maanen/Schein (1979), S. 212, Louis/Posner/Powell (1983), S. 858, Kieser et al. (1990), S. 6, Rosenstiel (1992), S. 134, Schirmer (1992), S. 196, Watzka (1993), S. 255. Vgl. Althauser (1982), S. 13, sowie die Ergebnisse der empirischen Studie von Berlew/Hall (1971), S. 25, uber die Sozialisation von Managem. Vgl. Schein (1971c), S. 424. Vgl. Schein (1971b), S. 302, Porter/Lawler/Hackmann (1975), S. 170, Jablin (1982), S. 257.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Werthaltungen und Einstellungen ihrerseits das neue Arbeitsumfeld pragt. Diese Pragung des Arbeitsumfelds kann sich dabei sowohl auf eine fachliche als auch auf eine soziale Dimension der Weiterentwicklung beziehen. Aus gruppendynamischer Perspektive kommt es durch den Eintritt einer neuen Humanressource in ein bestehendes Arbeitsumfeld zudem zu einer Veranderung der bestehenden Beziehungs- und Interaktionsstrukturen.^'*^ Der Erfolg des Sozialisationsprozesses lasst sich an der Fahigkeit der Humanressource messen, die an sie gestellte organisationale Rolle adaquat auszufullen.^'*'* Grundsatzlich stellt die organisational Sozialisation einen langfristigen Prozess dar und ist somit durch eine gewisse zeitliche Extension gekennzeichnet.^"*^ Fasst man die vorangegangenen Uberlegungen zusammen, lassen sich fur die weiteren Uberlegungen zwei wesentUche Ziele der organisationalen Sozialisation festhalten. •



Vermittlung fachlichen Wissens: Zum einen soil der neue Mitarbeiter die an seine neue organisationale Rolle gekniipften Fahigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse erwerben. Dabei wird durch die Sozialisation eine Konformitatssicherung zur Einhaltung von Leistungsnormen hinsichtlich der iibergeordneten Untemehmensziele angestrebt. Damit ist die Vermittlimg fachlichen Wissens fiir die Ubemahme einer neuen organisationalen Rolle angesprochen. Vermittlung sozialen Wissens: Zum anderen soil das im Sozialisationsprozess vermittelte soziale Wissen dazu beitragen, der Humanressource Orientierung in einem neuen komplexen Arbeitsumfeld zu bieten, indem entsprechende Handlungs- und InterpretationsmogHchkeiten aufgezeigt werden.^^ Damit ist die Vermittlung von Werten, Normen, Einstellungen sowie Verhaltens- und Deutungsmuster gemeint, die mehrdeutige und komplexe Zusammenhange des neuen Arbeitsumfelds in verstandliche und vertraute Kategorien iibersetzen.^"**

Es lasst sich festhalten, dass MaBnahmen zur Unterstutzung und Beschleunigung des Sozialisationsprozesses darauf abzielen, den Erwerb jener Fahigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse sowie sozialer Werte- und Interpretationsmuster zu fordem, die fur die Ubemahme der neuen organisationalen Rolle und den damit verbundenen Aufgaben notwendig sind.^"*

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Vgl. Rehn (1990), S. 8f Durch diesen Prozess der Individualisation unterscheidet sich der Sozialisationsprozess von der Indoktrination. Letztere ist als ein weitgehend einseitiger Anpassungsprozess des Individuums an die Organisation zu verstehen. Vgl. Ringlstetter (1997), S. 133. Vgl. Neugarten/Datan (1979), S. 364, sowie Hentzel (1990), S. 342. Vgl.Gluminski(1993),S. 3. Vgl. Schirmer (1992), S. 197. Gleichzeitig wird damit auch die Kontinuitat sowie der Fortbestand der Untemehmenskultur gesichert. Vgl. Gluminski (1993), S. 30. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 212, Schirmer (1992), S. 196 und S. 217, sowie Gluminski (1993), S. 30. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 211, Schirmer (1992), S. 196, Nordhaug (1994), S. 186, Kaiser (2001), S. 102.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

(3)

133

Organisationale Induktion als abgrenzbare Phase des Sozialisationsprozesses

Die in den vorangegangenen Uberlegungen dargestellte organisationale Sozialisation stellt einen langfristigen, zeitlich-extensiven, ubiquitaren^^^ Prozess dar, der sich auf den gesamten organisationalen Werdegang einer Humanressource bezieht.^^* Fiir den Untersuchungsgegenstand eines Stellenwechsels greift der organisationale Werdegang als Bezugpunkt des Sozialisationsprozesses zu weit. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine Betrachtung der organisationalen Induktion als zeitlich abgrenzbare Phase des Sozialisationsprozesses an.^^^ Der Begriff Induktion ist eng mit dem Begriff der Sozialisation verbunden und lasst sich originar auf eine Arbeit von Schein (1964) zuriickfuhren, in welcher der Induktionsbegriff im Kontext der Einfuhrung von Hochschulabsolventen ins Untemehmen verwendet wurde.^^^ Allerdings liefert Schein in seiner Arbeit selbst keine explizite Definition des Begriffs Induktion, sondem verwendet diesen lediglich im Zusammenhang mit den von ihm entwickelten Induktionsstrategien, die zur Einfuhrung von Hochschulabsolventen ins Untemehmen heranzuziehen sind.^^"* Nach Schein (1964) sind derartige Induktionsstrategien notwendig, um die neu ins Untemehmen eintretenden Humanressourcen mit der organisatorischen Wirklichkeit zu konfrontieren.^^^ Stiefel (1979) nahm den Begriff der Induktion von Schein erstmals in die deutschsprachige Literatur auf Nach Stiefel umfasst der „(...) Begriff Induktionsprogramm (...) alle MaBnahmen, die mit dem Ziel getroffen werden, den neuen Mitarbeiter so in die Organisation einzufiihren, damit er ein bleibendes Mitglied der Organisation wird." (Stiefel 1979, S. 10) In Stiefels Begriffsdefinition wird dabei prima facie nicht deutlich, welche Bestandteile ein Induktionsprogramm aufweisen muss, um aus einem neuen Mitarbeiter ein „bleibendes Mitglied der Organisation" zu machen. Bezieht man sich allerdings auf die Ergebnisse empirischer Studien, so konnen Sozialisationsprobleme als wesentliche Griinde fur ein fnihzeitiges

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Ubiquitat ist in dem Sinne zu verstehen, dass wenn Humanressourcen im Laufe ihrer betrieblichen Laufbahn mehrere Stellen durchlaufen, nach jedem Stellenwechsel neue Sozialisationsprozesse initiiert werden. Vgl. Drescher (1993), S. 6. Vgl. Maanen (1976), S. 67, Maanen/Schein (1979), S. 211, Kieser et al. (1980), S. 87, Schirmer (1992), S. 201. Vgl.John(1980), S. 373. Vgl. Schein (1964), S.70ff. Schein differenziert nach folgenden sechs Strategien zur Einfuhrung von Hochschulabsolventen in das Untemehmen: Strategie des „ins kalte Wasser werfens" („Sink or Swim"), des „Grenzen aufzeigens" („The upending experience"), des „arbeitsbegleitenden Trainings" („Trainig while Working"), „der trainigsbegleitenden Aufgabeniibemahme" („Working while Training") sowie „des vollzeitlichen Einfuhrungstrainings" (,JFull-Time Training"). Die einzelnen Strategietypen nach Schein unterscheiden sich danach, wie stark die Hochschulabsolventen von Beginn an mit der organisatorischen Wirklichkeit konfrontiert werden und in welchem AusmaB ihnen dabei Unterstutzungsleistungen von Seiten der Organisation angeboten werden. Zur ausfuhrlichen Darstellung der jeweiligen Strategietypen vgl. Schein (1964), S. 71ff., sowie Stiefel (1979), S. 3Iff., Gluminski (1993), S. 32f Zur kritischen Bewertung dieser Induktionsstrategien vgl. Kieser/Nagel (1986), S. 958, sowie Watzka (1992a), S. 94. Vgl. hierzu Schein (1964), S. 70.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Ausscheiden neuer Mitarbeiter aus der Organisation identifiziert werden.^^^ Diese lassen sich dabei auf eine unzureichende fachliche Einarbeitung sowie auf eine mangelnde soziale Eingliederung der Humanressource in das neue Arbeitsumfeld zuruckfuhren. Bezieht man diese Grunde in eine prazisere Definition des organisationalen Induktionsbegriffs ein, so sind als Bestandteile der Induktion die fachliche Einarbeitung sowie die soziale Eingliederung identifizierbar. Fiir die Vermittlung des fachlichen und sozialen Wissens sind geeignete erfahrene OrganisationsmitgUeder, so genannte „Induktionsagenten", heranzuziehen, die der neuen Humanressource bei der fachlichen und sozialen Einarbeitung zur Verfugung stehen. Vor dem Hintergrund dieser Uberlegungen lasst sich die organisational Induktion wie folgt definieren: „Organisationale Induktion bezieht sich auf den ProzeB der Einfuhrung neuer Mitarbeiter in die Untemehmung durch erfahrene Organisationsmitglieder (Induktionsagenten), die mittels diverser Induktionstechniken organisationale Erwartungen, Anforderungen und Einstellungen mit dem Ziel kommunizieren, den neuen Mitarbeiter auf seine zukiinftige organisationale, d.h. fachliche und soziale Rolle vorzubereiten." (Gluminski 1993, S. 3) In Gluminskis Begriffsdefinition wird deutlich, dass die organisationale Induktion sich auf die Einfuhrungsphase einer Humanressource in ein neues organisationales Arbeitsumfeld bezieht und darauf ausgerichtet ist, fiir diese Phase charakteristische Probleme zu bewaltigen. Im Gegensatz zum Sozialisationsprozess besitzt der Induktionsprozess somit ein klar defmiertes Ende, das mit Abschluss der Einarbeitung der Humanressource in den neuen Arbeitskontext zusammenfallt.

II.2.2

Stellenbezogenene InduktionsmaBnahmen als zentrales Gestaltungselement des Humanressourcen-Moves

Wissenschaftliche Ausfuhrungen zur systematischen Induktion eines Mitarbeiters nach einem intemen Stellenwechsel existieren bislang nicht. Allerdings lassen sich die vorangegangenen Ausfuhrungen zur organisationalen Induktion so modifizieren und weiterentwickeln, dass sie auf einen stellenbezogenen Kontext fur das Placement intemer Humanressourcen iibertragen und dadurch als zentrales Gestaltungselement des Humanressourcen-Moves herangezogen werden konnen. Durch eine solche Vorgehensweise lassen sich zentrale Ansatzpunkte fur eine Fit-orientierte Gestaltung des Stellenwechselprozesses identiflzieren. Zunachst werden in einem ersten Schritt die konkreten Aufgaben und Ziele der stellenbezogenen Induktion erortert (1). Dem schlieBen sich Uberlegungen zu den charakteristischen Problemfeldem einer stellenbezogenen Induktion an, die als zentrale Herausforderung bei der Gestaltung des In556

Vgl. Pillat (1990), S. 305, Feige (1991), S. 50, Fluck (1992), S. 231ff., Huber (1992), Sp. 763, Rastetter (1998), S. 626, Bematzeder/Krakau/Krieger (1999), S. 70, Moser/Schmook (2001), S. 230, Merkwitz/Peitz (2002), S. 145, sowie Kriiger (1983), S. 7. Allerdings weisen sowohl Kriiger (1983), Fluck (1992) als auch Moser/Schmook (2001) einschrankend darauf hin, dass Fluktuationsentscheidungen von Humanressourcen grundsatzlich nicht monokausal begriindbar sind. Jedoch spielen Sozialisationsprobleme hierfur eine wesentliche Rolle.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

135

duktionsprozesses zu interpretieren sind (2). In einem dritten Schritt wird der Frage Aufinerksamkeit geschenkt, welche Mitarbeitergruppen als Induktionsagenten geeignet sind, um bestimmte Induktionsaufgaben durchzufuhren (3).

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Aufgaben und Ziele einer stellenbezogenen Induktion

In Erweiterung der angefuhrten Definition der organisationalen Induktion kann unter der stellenbezogenen Induktion der systematisch gestaltete Einfuhrungsprozess einer Humanressource in den Arbeitskontext einer neuen Stelle verstanden werden, mit dem das Ziel verfolgt wird, dem Stellenwechsler die neue fachliche und soziale Rolle und deren Implikationen zu vermitteln. Folglich werden analog zu den Zielen der organisationalen Induktion zwei wesentliche Ziele verfolgt.^^^ •



Zum einen zielt die stellenbezogene Induktion auf die stellenspezifische fachliche Einarbeitung des Stellenwechslers ab. Damit ist der Transfer fachlichen Wissens angesprochen. Zum anderen liegt ein weiteres Ziel in der stellenspezifischen sozialen Einfuhrung, sprich in der Vermittlung des erforderlichen sozialen Wissens.

Beide genannten Ziele gehen mit einer weitgehenden Anpassung der Humanressource an ihr neues Arbeitsumfeld einher. Gleichzeitig ist bei der stellenbezogenen Induktion zu gewahrleisten, dass das Innovationspotenzial des neuen Stelleninhabers gesichert werden kann, indem versucht wird, den Anpassungsdruck auf den Stellenwechsler in gewissen Grenzen zu halten. Dadurch soil verhindert werden, dass „(...) die geforderten Verhaltensweisen als unreflektierte Selbstverstandlichkeiten ausgefuhrt werden." (Rosenstiel 1992, S. 135) Mit anderen Worten soil eine Erstarrung bisheriger Arbeitsroutinen und -ablaufe vermieden und eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Arbeitsumfelds erreicht werden.^^* Daher ist die stellenbezogene Induktion so zu gestalten, dass neben der fachlichen und sozialen Einarbeitung in gewissem AusmaB Rolleninnovationen moglich bleiben. Letztere beinhalten eine dosierte Redefinition der neuen Rollenfunktionen, in dem aus einem weitgehend unreflektierten „Role Taking" (Rolleniibemahme) auch ein reflektiertes „Role Making" (Rollengestaltung) wird, das auf diese Weise zu einer Weiter- und Fortentwicklung der Rolle als Stelleninhaber in einem dynamischen Arbeitsumfeld beitragt.^^' In der Praxis sind fiir diesen Zweck

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Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 230, Stiefel (1979), S. 13. Vgl. Althauser (1982), S. 25, Freimuth (1997b), S. 194. Vgl. Maanen/Schein (1979), S. 229, Althauser (1982), S. 89f., Rehn (1990), S. 9. Nicholson (1984) differenziert vier unterschiedliche Adaptionsstufen bei der Ubemahme von Rollen. „Replikation" bedeutet, dass die Humanressource sich nicht oder nur in geringem Umfang der neuen Rolle anpassen muss. Hingegen erfordert die .Absorption" Anpassungsleistungen von der neu eintretenden Humanressource, jedoch keine Anpassungsleistungen vom organisationalen Umfeld. ,J)etermination" bedeutet, dass die

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

insbesondere Instrumente wie individuelle Innovationsgesprache mit dem neuen Stelleninhaber sowie das betriebliche Vorschlagswesen verbreitet.^^ Es lasst sich festhalten, dass stellenbezogene InduktionsmaBnahmen darauf abzielen, in fachlicher und sozialer Hinsicht aus dem Stellenwechsler als „Kontext-Outsider" einen „Kontext-Insider"^^^ zu machen, indem jener dabei unterstiitzt wird, in differenziertem AusmaB die an ihn gestellten neue fachlichen und sozialen Rollen zu erlemen.

(2)

Rollenkonflikte und -ambiguitaten als zentrale Herausforderungen im Induktionsprozess

Grundsatzlich ist nach einem Stellenwechsel zunachst das Auftreten von Rollenkonflikten und -ambiguitaten charakteristisch.^^^ Diese konnen daher auch als typische dysfunktionale Phanomene der Eintrittsphase einer Humanressource in den Arbeitskontext einer neuen Stelle verstanden werden. Diese Phanomene behindem den Lemprozess der neuen Rollen und konnen damit als zentrale Herausforderung fur die Gestaltung der stellenbezogenen Induktion angesehen werden. ^^^ Rollenkonflikte entstehen grundsatzlich immer dann, wenn die Rollen interdependenter Organisationsmitglieder nicht reibungslos ineinandergreifen. Dadurch kommt es zu logischen Widerspriichen oder Inkompatibilitaten zwischen verschiedenen Rollenerwartungen, die simultan an den Stellenwechsler gerichtet werden.^^ Katz/Kahn (1966) fuhren dazu aus: „We define role conflict as the simultaneous occurrence of two (or more) role sendings such that compliance with one would make more difficult compliance with the other. In the extreme case, compliance with one expectation as sent would exclude completely the possibility of compliance with the other; the two expectations are mutually contradictory." (Katz/Kahn 1966, S. 184)^^^ Beispielsweise ist es moglich, dass der Stellenwechsler von seinem neuen Vorgesetzten die Anweisung erhalt, dass von ihm als Fiihrungskraft erwartet wird, die ihm unterstellten Mitarbeiter streng zu uberwachen und entsprechend streng zu fuhren. Gleichzeitig jedoch konnen

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neu eintretende Humanressource hohe Freiheitsgrade bei der Ausgestaltung der neuen Rolle besitzt und kaum personale Anpassungsleistungen an ihr Umfeld zu erbringen hat. ,3xploration" heiBt, dass die neu eintretende Humanressource sowohl selbst personale Anpassungsleistungen erbringt, aber zusatzlich Verandenmgen in ihrem organisationalen Umfeld erwirkt. Vgl. hierzu Nicholson (1984), S172ff., sowie Rehn (1990), S. 9f Im stellenbezogenen Induktionsprozess wird folglich eine Exploration bei der Ubemahme der neuen Rolle angestrebt. Vgl. Stiefel (1979), S.27f Zu dieser Terminologie vgl. Maanen/Schein (1979), S. 213, Watzka (1992a), S. 90, Drescher (1993), S. 20. Vgl. Drescher (1993), S. 13, Kieser (1993), S. 142ff. Vgl. Kieser/Nagel (1986), S. 957, Watzka (1992a), S. 91. Vgl. Wiswede (1977), S. 115, Streich (1993), S. 82. Vgl. hierzu auch Kahn et al. (1964), S. 18ff. und S. 55ff

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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die unterstellten Mitarbeiter von der neuen Fiihrungskraft erwarten, mehr Freiraume bei ihrer Aufgabengestaltimg zu erhalten und weniger strikt iiberwacht zu werden.^^^ Rollenambiguitaten hingegen treten auf, wenn dem Stellenwechsler Informationen dariiber fehlen, die zur erfolgreichen Ubemahme der neuen Rolle notwendig sind. Damit sind insbesondere Informationsdefizite hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung und die Unklarheit der Rollenerwartungen angesprochen.^^^ Als Beispiele sind mangelnde Informationen iiber den genauen Kompetenz- oder Verantwortungsbereich oder iiber die genauen Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse als Stelleninhaber zu nennen.^^ Daher ist die stellenbezogene Induktion so zu gestalten, dass der Stellenwechsler im Lemprozess seiner neuen Rolle unterstiitzt wird und dadurch Rollenkonflikte sowie Rollenambiguitaten vermieden werden konnen.^**' Die erfolgreiche Bewaltigung der dargestellten Rollenkonflikte und -ambiguitaten kann als Gradmesser fur die Effektivitat der durchgefuhrten Induktionsaufgaben angesehen werden.^^^

(3)

Auswahl und Aufgaben von Induktionsagenten

Fiir die Bewaltigung von Rollenkonflikten und -ambiguitaten gilt es, geeignete Mitarbeiter als Trager der Aufgaben im Induktionsprozess auszuwahlen.^^* Die Bedeutung derartiger Induktionsagenten^^^ wird in einer Vielzahl theoretischer und empirischer Ansatze zum organisationalen Induktionsprozess hervorgehoben. Da Induktionsagenten den Stellenwechsler dabei unterstiitzen, die kritischen Elemente der neuen fachlichen und sozialen Rolle zu erlemen, konnen sie auch als „personale Rollensender"^^^ verstanden werden, deren Aufgabe darin besteht, den Stellenwechsler bei der Entschliisselung der neuen Rolle zu unterstiitzen. Aufgrund der Vielschichtigkeit und Komplexitat des Induktionsprozesses erscheint es sinnvoll, mehrere Induktionsagenten aus verschiedenen Mitarbeitergruppen in den Induktionsprozess

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Vgl. Katz/Kahn (1966), S. 184. Vgl. Kahn et al. (1964), S. 21ff. und S. 72ff., Wiswede (1977), S. 89, Ashford/Cummings (1985), S. 68, Berthel/Koch (1985), S. 140, Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 407. Vgl. Kriiger (1983), S. 2 und S. 21, Kieser et al. (1990), S. 90. Vgl. Stiefel (1979), S.15ff. Vgl. Kriiger (1983), S. 13. Vgl. Feldman/Brett (1983), S. 261, sowie Jablin (1987), S. 701f Louis/Posner/Powell (1983) konnten empirisch nachweisen, dass geeignete Induktionsagenten bei der Einfuhrung neuer Mitarbeiter hilfreiche Sozialisationshilfen darstellen. Vgl. hierzu Louis/Posner/Powell (1983), S. 860, sowie Gluminski (1993), S.47. Synonym wird in der Literatur auch der Begriff des „Induktionspraktikers" verwendet. Vgl. Stiefel (1979), S. 15. Der Terminus des „personalen Rollensenders" stammt ursprunglich aus Forschungsarbeiten zu soziologischen Rollenkonzepten. Personale Rollensender haben die Aufgabe, die an ein Individuum gestellten Rollenerwartungen einer Organisation oder Gesellschaft, beispielsweise in Form von Anweisungen, Verhaltenserwartungen, Wiinschen oder Normen, zu kommunizieren. Vgl. Kieser et al. (1980), S. 102, Kriiger (1983), S. 12, Watzka (1992a), S. 90f.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

zu integrieren,^^^ die sich aufgrund ihrer jeweiligen formellen oder informellen Stellung im Untemehmen fur die Ubemahme spezifischer Induktionsaufgaben eignen.^^^ Grundsatzlich kommen all jene Mitarbeitergruppen als Induktionsagenten in Betracht, die mit dem fachlichen und sozialen Arbeitsumfeld des Stellenwechslers vertraut sind. Dariiber hinaus sind verschiedene gnmdlegende Kriterien zu beachten, die Induktionsagenten erfullen miissen, um ihre Aufgabe als Induktionsagenten wahmehmen zu konnen. •







Belohnungsmacht: Dies ist zum einen die Belohnungsmacht („reward power"), iiber die der Induktionsagent qua seiner formellen oder auch informellen Position verfugt. Hierunter lassen sich beispielsweise die Gewahrung von Boni, die Aussprache von Lob, Kritik oder Anerkennung subsumieren. Ahnlichkeit der organisationalen Rolle: Ein weiteres Kriterium stellt die Ahnlichkeit der organisationalen Rolle („role similarity") dar, d.h. die Rolle des Induktionsagenten und die des Stellenwechslers miissen gewisse Uberschneidungen aufweisen. So wird sichergestellt, dass der Induktionsagent mit den Rollenerwartungen und -anforderungen vertraut ist, die er im Induktionsprozess an den Stellenwechsler vermittelt. Verfugbarkeit: Femer stellt auch die Verfugbarkeit („Availability'*) des Induktionsagentens ein wesentliches Kriterium dar. So muss der Induktionsagent fur den Stellenwechsler in zeitlicher und raumlicher Hinsicht zur Vermittlung der Rollenerwartungen erreichbar und ansprechbar sein. Kompetenz und Akzeptanz: SchlieBlich ist die wahrgenommene Kompetenz („Competence") sowie die Akzeptanz („Acceptance") des Induktionsagentens durch den Stellenwechsler zu gewahrleisten. Dies stellt die Voraussetzung dafur dar, dass letzterer fur die RoUensendungen des Induktionsagenten offen und bereit ist, diese anzunehmen und zu intemalisieren.^^^

Erganzend zur fachlichen Einarbeitung kommt den Induktionsagenten auch die Aufgabe „sozialer Unterstiitzung"^^^ zu, deren Bedeutung insbesondere in der sozialwissenschafllichen Forschung hervorgehoben wird. Unter sozialer Unterstiitzung ist im Allgemeinen jede Information zu subsumieren, die dazu fuhrt, dass eine Person das subjektiv wahrgenommene Gefuhl erhalt, dass man sich um sie kiimmert und dass sie als anerkanntes Mitglied in ein soziales Netzwerk eingebunden ist.^^* Ubertragen auf den Stellenwechsel bedeutet dies, dass dem neuen Stelleninhaber das Gefiihl zu vermitteln ist, dass er erwartet wurde und bei der Einar-

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Vgl. Hanft (1992), S. 502, Ruber (1992), Sp. 765f Vgl. Gluminski (1993), S. 50. Zu ahnlichen Kriterien fur die Auswahl von Induktionsagenten vgl. Gluminski (1993), S. 47. In der angloamerikanischen Literatur wird hierfur der Begriff „Social Support" verwendet, der samtliche soziale Ressourcen umfasst, die bei der Bewaltigung von sozialen Problemen im Arbeitsumfeld erforderlich sind. Vgl. Feldman/Brett (1983), S. 261, Gottlieb (1983), Quick/Quick (1984), S. 201f., Watzka (1993), S. 255. Vgl. Schroder/Schmitt (1988), S. 153, fur eine differenzierte Darstellung sozialer Unterstiitzungsleistungen.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

139

beitung unterstiitzt wird.^^' Ebenso zahlt hier die Einfuhrung in untemehmenskulturelle und kontextspezifische Besonderheiten, wie etwa bestimmte informelle Verhaltensanforderungen, hinzu.^^ Empirische Studien konnten belegen, dass Rollenkonflikte und -ambiguitaten in geringerem AusmaB wahrgenommen werden, wenn Mitarbeiter bei ihrem Eintritt in ein neues Arbeitsumfeld ein hohes MaB an sozialer Unterstiitzung erfahren.^*^ Im Folgenden gilt es, die spezifischen Aufgaben zu analysieren, die den verschiedenen Gruppen von Induktionsagenten aufgrund ihrer jeweiligen Stellung im Organisationsgefuge und der daraus resultierenden formellen Beziehung zum Stellenwechsler zukommen. In differenzierter Form werden die spezifischen Induktionsaufgaben der Vorgesetzten (a), des bisherigen Stelleninhabers (b), der Kollegen (c), der Paten und Mentoren (d), sowie des Stellenwechsler selbst naher betrachtet. (a) Vorgesetzte als Induktionsagenten: Der neue Vorgesetzte nimmt fur die Induktion des Stellenwechslers eine zentrale Stellung ein. Er kann daher auch als „Dreh- und Angelpunkt" des Induktionsprozesses bezeichnet werden.^*^ Dessen zentrale Stellung resultiert dabei daraus, dass dem Vorgesetzten in der Kegel die formelle Verantwortung fur die Induktion des Stellenwechslers in den neuen Arbeitskontext zukommt. Mit dieser Stellung sind wesentliche Aufgaben im Induktionsprozess verbimden. •

Dies ist zum einen die fachliche Einarbeitung sowie die soziale Einfuhrung des Stellenwechslers durch den Vorgesetzten. Denkbar ist auch die Benennung eines altemativen Induktionsagentens, der diese Aufgaben an Stelle des Vorgesetzten ubemimmt.^"' Allgemeiner bedeutet dies, dass der Vorgesetzte fiir die Induktion des Stellenwechslers diejenigen Bedingungen zu schaffen sowie die konkreten Induktionsziele zu explizieren hat, die fur die Intemalisierung der neuen stellenspezifischen Rolle grundlegend sind.^*^ Hierzu zahlen insbesondere auch die Vorstellung der neuen Kollegen und Mitarbeiter sowie die Herstellung von Kontakten zu den relevanten intemen und extemen Ansprechpartnem und sozialen Netzwerken.^*^



Des Weiteren besitzt der Vorgesetzte die Aufgabe, dem Stellenwechsler Feedback dariiber zu geben, wie dieser den RoUenerwartungen gerecht wird und in welcher Form Diskrepanzen zwischen Rollenerfullung und Rollenerwartung vorliegen.^* Ein solcher Feedback-Prozess ist insofem wichtig, da eine solche Riickkopplung eine realistische

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Vgl. Drescher (1993), S. 129ff., KolbAViedmann (1997), S. 204. Vgl. Buchanan (1974), S. 536. Vgl.Watzka(1993), S. 256. Vgl. Stiefel (1979), S. 33, Kieser/Nagel (1986), S. 958, Huber (1992), Sp. 768, Watzka (1993), S. 255, und Brenner/Brenner (2001), S. 2. Vgl. Kieser et al. (1990), S. 163ff. Vgl.Gluminski(1993),S.48. Vgl. Kieser (1993), S.146f. Vgl. Kieser/Nagel (1986), S. 959, Kieser et al. (1990), S. 168f., Huber (1992), Sp. 770.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

eigene Einschatzung der Humanressource iiber ihre neue Rolle und deren Erfiillung ermoglicht.^*^ Schliefilich kommt dem Vorgesetzten auch daher eine besondere Bedeutung als Induktionsagent zu, da er als „Rollenmodeir' fiir den Stellenwechsler fiingiert. Als Rollenmodell lebt der Vorgesetzte dem Stellenwechsler die Rollenanforderungen des neuen Arbeitsumfelds vor. Nach Ashford/Cummings (1985) lassen sich zwei generische Wege identifizieren, wie Vorgesetze als Rollenmodelle Informationen iiber Rollenerwartungen an Stellenwechsler weitergeben konnen. Zum einen kann dies durch Beobachtung der Rollenmodelle erfolgen, die das gewiinschte Rollenverhalten zeigen und in ihrem Verhalten auf das Rollenverhalten des Stellenwechslers reagieren. Zum anderen konnen Rollenmodelle auf Basis aktiven Nachfragens des Stellenwechslers die benotigten Informationen iiber die konkreten Rollenerwartungen in verbaler Form zur Verfiigung stellen.^**

(b) Bisheriger Stelleninhaber als InduktionsagenV. Neben dem Vorgesetzten kommt insbesondere auch dem bisherigen Stelleninhaber eine zentrale Rolle als Induktionsagent zu, da dieser die konkreten Anforderungen der Stelle am besten kennt.^*' Aus diesem Grund ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner stellenspezifischen Expertise und seinen Erfahrungen insbesondere in Hinblick auf die fachliche Einarbeitung seines Stellennachfolgers als zentraler Induktionsagent anzusehen. So wird in der praxisnahen Literatur die Bedeutung der Einbeziehung des bisherigen Stelleninhabers zur Einarbeitung seines Nachfolgers betont. Schliefilich ist der bisherige Stelleninhaber nicht nur mit den formellen Anforderungen, die sich aus der Stellenbeschreibung ergeben, vertraut. Er kennt dariiber hinaus insbesondere auch die informellen Anforderungen, wie beispielsweise informelle Rollenerwartungen, die von intemen Mitarbeitergruppen, wie Vorgesetzten oder Kollegen, oder auch von extemen Bezugsgruppen, wie etwa den Kunden, an den Stelleninhaber gestellt werden. Damit ist das stellenspezifische „Schliissel-Know-How" angesprochen, das es durch den bisherigen Stelleninhaber auf seinen Nachfolger zu transferieren gilt. c) Kollegen als Induktionsagenten: Die vorangegangenen Uberlegungen zu den Funktionen des Vorgesetzten und des bisherigen Stelleninhabers als Induktionsagenten lassen sich in weiten Teilen auch auf die Funktionen der Kollegen („Peers") des Stellenwechslers transferieren. Der wesentliche Unterschied ist darin zu sehen, dass die Kollegen in der Regel in hoherem Ausmafi fiir den Stellenwechsler erreichbar und daher die InduktionsmaBnahmen in ihrer Haufigkeit, Dauer und Intensitat dichter sind. Aufgrund des Wegfalls hierarchischer Barrieren

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Vgl. Kieser/Nagel (1986), S. 958. Vgl. hierzu Ashford/Cummings (1985), S. 67ff., sowie Gluminski (1993), S. 49. Vgl. Mentzel (1994), S. 138. Bei einer neu geschaffenen Stelle fallt die Moglichkeit, den bisherigen Stelleninhaber als Induktionsagenten heranzuziehen, freilich weg. In diesem Fall ist stattdessen ein Mitarbeiter einer Stelle mit vergleichbarem Anforderungsprofil als Induktionsagent auszuwahlen. Vgl. Cespedes/Galford (2004), S. 38.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

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konnen im Gegensatz zur Induktion durch den Vorgesetzten auch „intimere" InduktionsmaiJnahmen durchgefuhrt werden.^^* Dadurch ist auch den Kollegen eine zentrale Stellung im Induktionsprozess zuzusprechen, die insbesondere in Arbeitsumfeldem, in denen eine intensive und haufige Interaktion zwischen den Kollegen stattfindet, das soziale Arbeitsumfeld pragen. In Anlehnung an Jablin (1987) lassen sich vier wesentliche Funktionen der Kollegen als Induktionsagentenidentifizieren.^'^ •







Informationsfunktion: Zum einen kommt den Kollegen eine Informationsfiinktion zu, indem sie sowohl Informationen iiber formelle Rollenanforderungen als auch iiber die informellen Rollenanforderungen vermitteln. Letztere stellen informelle Interpretationsund Orientierungsmuster und somit die „informellen Spielregeln" des neuen Arbeitsumfelds dar.^'^ Normative Funktion: Zweitens nehmen die Kollegen auch eine normative Funktion bzw. kulturvermittelnde Funktion ein. Damit beeinflussen sie die arbeitsbezogenen Einstellungen und Werthaltungen des Stellenwechslers. Dariiber hinaus konnen die Kollegen aber auch dazu beitragen, den neuen Stelleninhaber mit den spezifischen Eigenlogiken sowie den gelaufigen Sprach- und Verhaltensmustem vertraut zu machen. Damit ist insbesondere die Einfuhrung in die neue relevante Kultur, respektive Subkultur und Kontextgemeinschafl angesprochen. AffektiV'psychologischen Funktion: Femer ist auch von einer affektiv-psychologischen Funktion der Kollegen auszugehen. Die Kollegen konnen soziale Unterstutzung, beispielsweise in Form von Lob und Anerkennung, gewahren, wodurch dazu beigetragen wird, die mit dem Stellenwechsel verbundenen Unsicherheiten sowie stressinduzierenden Faktoren der neuen Arbeitssituation zu verringem. Operativ unterstiitzende Funktion: SchlieBlich kann den Kollegen zudem eine operativ unterstiitzende Funktion im hiduktionsprozess zugesprochen werden. So leisten die Kollegen im Einarbeitungsprozess in direkter Form, d.h. durch konkrete Einarbeitungshilfe, operative Unterstutzung. Daneben kann diese unterstiitzende Funktion auch indirekt erfolgen, indem der Stellenwechsler seine Kollegen bei einem sachgerechten TatigkeitsvoUzug beobachtet und daraus fur seinen Tatigkeitsbereich relevante Informationen ableitet.

(d) Paten und Mentoren als Induktionsagenten: Auch Paten und Mentoren konnen dem Stellenwechsler als Induktionsagenten zur Seite gestellt werden. Diese werden insbesondere in

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Vgl. Watzka (1993), S. 256. Zu den nachfolgenden Erlauterungen vgl. Jablin (1987), S. 702ff., sowie Gluminski (1993), S. 49, und Watzka (1993), S. 257. Bis zu einem gewissen AusmaB treffen die genannten Induktionsfunktionen auch fur die anderen Gruppen von Induktionsagenten zu. Vgl. Louis/Posner/Powell (1983), S. 858, sowie Hanft (1992), S. 502.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

der Praxis als die klassischen Agenten fur die Einfuhrung von Mitarbeitem in ein neues Arbeitsumfeld angesehen.^'"* Denn Paten und Mentoren „(...) erleichtem einerseits das Verstandnis fur Mikropolitik, Sozialisationsprozesse und Funktionsweisen des Untemehmens, andererseits erhalt der Potentiaitrager die notige Machtbasis und Glaubwurdigkeit, um Hilfe und Ressourcen der Organisation flir sich und die Erreichung wichtiger Ziele zu gewinnen." (Sattelberger 1999, S. 272) Um diese Aufgaben erfullen zu konnen, stellen Paten und Mentoren idealerweise erfahrene „Insider" des neuen Arbeitskontexts dar, die zudem eine hohe Akzeptanz innerhalb des Untemehmens besitzen.^'^ Der Pate stellt dabei einen gleichgestellten Kollegen dar, der mit dem Arbeitsumfeld vertraut ist und dadurch in der Lage ist, den neuen Kollegen bei der Einfuhrung in das neue soziale und fachliche Umfeld zu unterstiitzen.^'^ Grundsatzlich liegen zwischen den Induktionsaufgaben eines Paten und den der Kollegen groBe Uberschneidungen vor. Zusatzlich jedoch ubemimmt der Pate auch Beratungsaufgaben bei personlichen und fachlichen Problemen. Er dient dabei als Bezugsperson und Ansprechpartner bei auftauchenden Fragen und kann zudem informelles Feedback iiber die Eriullung der Rollenerwartungen aussprechen.^^^ Eine wesentliche Aufgabe des Paten kann zudem auch in der Erleichterung der Kontaktaufhahme zu neuen Kollegen und zentralen Ansprechpartnem gesehen werden.^^* Der Mentor stellt im Gegensatz zum Paten ein hierarchisch hoher stehendes Organisationsmitglied dar.^^ Dieser kann neben den klassischen Induktionsaufgaben insbesondere auch Beratungs-, Fiihrungs- und soziale Schutzfunktionen wahmehmen.^^ Oftmals ubemimmt der Mentor auch die Funktion des „Tur6ffiiers" zu untemehmensintemen, personlichen Netzwerken. In dieser Funktion agiert der Mentor als Machtpromotor und kann dadurch seinem Mentee den Aufbau innerbetrieblicher Macht sowie eines innerbetrieblichen Karrierenetzwerks erleichtem.^^ Diese spezifischen Induktionsaufgaben eines Mentors spielen insbesondere fur die Induktion von Stellenwechslem im Fiihrnngskraftebereich eine wesentliche Rolle, bei denen ein Zugang zu untemehmensintemen Netzwerken sowie personliche Beratungs- und

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Vgl. stellvertretend Rehn (1990), S. 255f., Pluck (1992), S. 228, Huber (1992), Sp. 766, Drescher (1993), S. 45, Kieser (1993), S. 150, Berthel (1997), S. 204, KolbAViedmann (1997), S. 205, Wollsching-Strobel (1999), S. 49, Klimecki/Gmiir (2001), S. 21 If. Vereinzelt wird in der Praxis auch der Begriff des „Tandem-Modells" zwischen neuem Stelleninhaber und dem zugeteilten Paten oder Mentor verwendet. Vgl. hierzu stellvertretend Ganz/Helfen/Tombeil (2002), S. 24. Vgl. Drescher (1993), S. 45, Sattelberger (1999), S. 272. Vgl. stellvertretend KolbAViedmann (1997), S. 205, Brettschneider (1979), S. 324ff. Zu einer detaillierteren Auflistung der einzelnen Induktionsaufgaben des Paten sowie zu kritischen Anmerkungen zum Patenkonzept vgl. Berthel (1997), S. 204, Rohleder (2000), S. 68, sowie insbesondere Brettschneider (1979), S. 324fr. Vgl. Brettschneider (1979), S. 325. In der angloamerikanischen Literatur wird der Mentor oftmals als auch „Vaterfigur" gedeutet. Vgl. hierzu Kieser/Nagel (1986), S. 961, Grabbe/Moller (2003), S. 26. Vgl. Kieser/Nagel (1986), S. 961. Vgl. Berthel (1997), S. 205, Wollsching-Strobel (1999), S. 50, Bohning/Lehmann (2002), S. 141, Wengelowski/Nordmann (2004), S. 21.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

143

Unterstiitzungsleistungen hinsichtlich der beruflichen Weiterentwicklung von hoher Bedeutung sind.^^ So kaiin bei dieser Mitarbeitergruppe der Mentor auch als Karriereberater fur den weiteren betrieblichen Werdegang fiingieren, Karrierereflexionen anregen sowie realistische Entwicklungsperspekti ven aufzeigen. ^"^ Fiir die Ausubung der Funktion als Induktionsagenten ist sowohl fur einen Paten als auch fur einen Mentor ein solides Vertrauensverhaltnis sowie eine gewisse „psychologische Nahe"^^ zu den anvertrauten Stellenwechslem erforderlich.^^ (e) Stellenwechsler als sein eigener Induktionsagent: SchlieBlich fungiert der Stellenwechsler selbst als sein eigener Induktionsagent.^^ Denn der Stellenwechsler entscheidet selbst, wie er die an ihn gerichteten InduktionsmaBnahmen annimmt und in welchem AusmaB er die ihm vermittelte neue RoUe intemalisiert. Femer kann sich der Stellenwechsler zusatzlich zu den formal zugewiesenen Induktionsagenten auch auf eigene Initiative Induktionsagenten suchen. Dies konnen beispielsweise erfahrene Kollegen sein, zu denen der Stellenwechsler ein besonderes Vertrauensverhaltnis besitzt. Diese stellen informelle Induktionsagenten dar, die erganzend zu den formal bestimmten Agenten Induktionsaufgaben iibemehmen. In informellen Unterstiitzungsleistungen im Induktionsprozess liegt die Entscheidung iiber die Dauer, Ausgestaltung und Intensitat der Unterstiitzungsleistungen ausschliefilich bei dem Stellenwechsler und seinem informellen Induktionsagenten.^^ Durch Integration der unterschiedlichen Gruppen von Induktionsagenten in den Induktionsprozess wird es moglich, in differenzierter Form Induktionsaufgaben zu bewaltigen, indem jede Gruppe von Induktionsagenten diejenigen Induktionsaufgaben iibemimmt, die sie aufgrund ihrer jeweiligen Stellung formeller und informeller Art am geeignetsten durchfuhren kann.*"

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Vgl. Berthel (1997), S. 205, Wengelowski/Nordmann (2004), S. 21. Vgl. hierzu die Ergebnisse der empirischen Studie von Schiffinger/Steyrer (2004), S. 136ff. Vgl. Drescher (1993), S. 45, KolbAViedmann (1997), S. 204, Bohning/Lehmann (2002), S. 141, Grabbe/Moller (2003), S. 26, Wengelowski/Nordmann (2004), S. 20. Vgl. Stiefel (1979), S. 25, Wengelowski/Nordmann (2004), S. 20. In der Praxis, beispielsweise bei der Lufthansa AG, werden vereinzelt auch so genannte .JleverseMentoring-Ansatze", d.h. ein reziproker Mentoring-Prozess, verfolgt. Dabei werden gezielt die meist unterschiedlichen Hintergriinde, die oftmals auf den Altersunterschied von Mentor und Mentee zuriickzufuhren sind, systematisch genutzt. So fiihrt bei der Lufthansa AG im Rahmen des Lufthansa „WebMentoring-Programs" der Mentor seinen Mentee in personliche Netzwerke ein und steht als Berater bei der betrieblichen Entwicklung zur Seite. Im Austausch dafiir macht der in der Regel jungere Mentee seinen Mentor mit dem Umgang neuer Medien, wie beispielsweise dem Internet und neuer Software, vertraut. Zu vertiefenden Inft)rmationen zu einem solchen Reverse-Mentoring-Ansatz sowie zum Lufthansa Web-Mentoring-Program vgl. o. V. (2003), S. 13. Vgl. Gluminski (1993), S. 51. Vgl. hierzu Wengelowski/Nordmann (2004), S. 20, die zwischen dem Auft)au einer institutionalisierten und einer informellen Form des Mentorings unterscheiden. Maanen/Schein (1979) weisen zurecht darauf hin, dass grundsatzlich auch Mitarbeiter als Induktionsagenten ihres neuen Vorgesetzten in Betracht kommen. Gleiches gilt fiir exteme Personengruppen wie etwa Kunden oder Lieferanten, mit denen die Humanressource wahrend der Ausubung ihrer Tatigkeit interagiert. Da sich die Betrachtungen nur auf die wesentlichen Gruppen von Induktionsagenten beschranken soil und die dargestellten Induktionsaufgaben grundsatzlich auf einen erweiterten Personenkreis

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

II.2.3

Stellenbezogenes Wissensmanagement als Ausgangsbasis fiir die Entwicklung von Induktionsstrategien

Die Induktionsagenten sind fur die Durchfuhrung eines stellenbezogenen Wissensmanagements von zentraler Bedeutung. Denn die stellenbezogene Induktion zielt darauf ab, mit Hilfe der Induktionsagenten den Stellenwechsler in den Arbeitskontext der neuen Stelle einzuarbeiten, indem ihm das hierfiir erforderliche stellenspezifische Wissen vermittelt wird. Dieses stellenspezifische Wissen zeichnet sich dabei zwei zentrale Besonderheiten aus. •



Es wird vom Stelleninhaber sukzessive durch Akkumulation in erfahrungsbasierten Lemprozessen aufgebaut, die sich uber den Zeitraum der Ausiibung der stellenbezogenen Tatigkeiten erstrecken. Beim Wechsel des Stelleninhabers auf eine neue Stelle geht dessen stellenspezifisches Wissen iiber Aufgaben, Anforderungen und Losungswege zur Bewaltigung der stellenbezogenen Aufgabenanforderungen verloren.

Dieser stellenbezogene Wissensverlust ist fiir Untemehmen mit zwei wesentlichen Problemfeldem verbunden. Zum einen steht das stellenbezogene Wissen des bisherigen Stelleninhabers im Induktionsprozess nicht mehr zur Verfugung, so dass weder die Induktionsagenten noch der neue Stelleninhabers darauf zuriickgreifen konnen.^^' Dies fiihrt dazu, dass ohne jenes Wissen zumindest kurzfHstig die Kontinuitat einer effektiven und effizienten Aufgabenerfiillung des neuen Stelleninhabers nicht gewahrleistet werden kann. Zum anderen stellt das stellenbezogene Wissen oftmals kritisches und wettbewerbsrelevantes Wissen dar, das durch den Stellenwechsel verloren gehen kann. Aus einer langfristigen Perspektive heraus betrachtet bedeutet dies, dass sich aus diesem Wissensverlust insbesondere fiir wissensintensive Unternehmen Wettbewerbsnachteile ergeben konnen.^*^ Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoU, ein stellenbezogenes Wissensmanagement zu implementieren, das als Ausgangsbasis fiir die Entwicklung von Induktionsstrategien zur Einarbeitung des neuen Stelleninhabers dient. Unter dem Begriff Induktionsstrategien ist in diesem Kontext ein zielgruppenorientiertes Paket richtungs- und handlungsweisender Mafinahmen fiir die Induktion von Humanressourcen in den Arbeitskontext einer neuen Stelle zu verstehen.^" Um eine theoretische Verstandnisbasis fiir ein stellenbezogenes Wissensmanagement zu schaffen, erscheint es zunachst sinnvoll, die zentralen Aufgaben eines stellenbezogenen Wissensmanagements sowie die verschiedenen Wissensarten und -kategorien zu erlautem (1).

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transferierbar sind, wird auf eine gesonderte Darstellung dieser Gruppen von Induktionsagenten verzichtet. Vgl. Riistmann (1999), S. 1. Vgl. Kaiser/Fargel (2004), S. 82. Diese Problematik des wettbewerbskritischen Wissensverlusts wird in der angloamerikanischen Literatur gegenwartig - allerdings nicht mit stellenbezogenem Fokus - unter dem BegrifF ,JCnowledge Continuity Management" intensiv diskutiert. Vgl. hierzu stellvertretend Beazley/Boenisch/Harden (2002).

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

145

Darauf aufbauend werden in einem nachsten Schritt generische Strategien des Wissensmanagements erortert, die in Abhangigkeit der vorliegenden Wissenskategorie fur den Transfer des stellenbezogenen Wissens geeignet sind (2). Diese bilden die Ausgangsbasis fiir die Entwicklung phasenspezifischer Induktionsstrategien, die in Abhangigkeit der Charakteristika einzelner Phasen im Induktionsprozess zu gestalten und phasenspezifisch auszurichten sind (3).

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Aufgaben und generische Wissensarten eines stellenbezogenen Wissensmanagements

Das breite Feld des Wissensmanagements ist mittlerweile zu einem Modethema in Theorie und Praxis geworden, in das viel Aufwand in Form zeitlicher und finanzieller Ressourcen investiert wird.***^ Ausgangspunkt fur derartige Bemiihung stellt die Erkenntnis dar, dass das immaterielle Gut „Wissen" in der heutigen Wissensokonomie eine entscheidende Wettbewerbsressource darstellt.**"' Der Idee und somit auch der Implementierung eines stellenbezogenen Wissensmanagements allerdings ist bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Dabei ist davon auszugehen, dass gerade ein solches Wissensmanagement angesichts immer haufiger stattfindender Stellenwechsel der Mitarbeiter innerhalb des Untemehmens starker an Bedeutung gewinnen wird. Femer erfahrt ein solches stellenbezogenes Wissensmanagement vor allem auch vor dem Hintergrund einer Zunahme von so genannten Wissensstellen wachsende Bedeutung, deren VariabiUtat und Vielfaltigkeit der Aufgabenanforderungen besondere Mafinahmen zur Erfassung des stellenspezifischen Wissens der Stelleninhaber erfordem.^*'* Ein derartiges stellenbezogenes Wissensmanagement muss dabei zwei wesentliche Aufgaben umfassen.^^^ • •

Zum einen besteht eine zentrale Aufgabe in der Sammlung und Aufbereitung des stellenspezifischen Wissens von Mitarbeitem, die ihre Stelle verlassen. Zum anderen ist der Transfer dieses stellenspezifischen Wissens auf den neuen Stelleninhaber zu gewahrleisten. Dieser Transfer stellt dabei aufgrund der Verschiedenartigkeit der einzelnen Wissensarten und -bestandteile einen komplexen Prozess dar.^*^

Unter stellenspezifischem Wissen ist in Anlehnung an Riistmann (1999) die Kenntnis iiber das Zusammenspiel derjenigen Faktoren zu subsumieren, die dafur verantwortlich sind, dass

^*^

^^^

Zu einem analogen Verstandnis des Strategiebegriffs vgl. Kotler/Bliemel (1992), S. 78, in Verbindung mit Voit (2002), S. 74. Theoretische Uberlegungen zum Thema Wissensmanagement in der Betriebswirtschaft sind grundsatzlich nicht neu und wurden erstmals in den sechziger Jahren aufgegriffen. Jedoch hat die Auseinandersetzung mit dem Wissensmanagement insbesondere in den letzten Jahren im Zuge der zunehmenden Bedeutung der Wissensokonomie eine starke Intensivierung erfahren, vgl. Al-Laham (2003), S. 5f. Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 16ff., Petersen/Lehnhoff (1999), S. 160f., Oelsnitz (2003), S. 197, AlLaham (2003), S. 1. Vgl. hierzu die Ausfuhrungen zu Wissensstellen in Abschnitt 1.2.1. Zu den nachfolgenden Ausfuhrungen vgl. Kaiser/Fargel (2004), S. 82ff. Vgl. hierzu auch Riistmann (1999), S. 53.

146

Teil II: Gestaltimgsdimension des Humanressourcen-Placements

die Mitarbeiter in der Lage sind, ihre stellenbezogenen Aufgaben effektiv und effizient zu erfiillen.^^^ Konkreter ausgedriickt stellt stellenspezifisches Wissen eine flieBende Mischung aus stnikturierten Erfahrungen, Wertvorstellungen, Kontextinformationen und Fachkenntnissen dar, die fur die Bewaltigung der stellenbezogenen Aufgaben erforderlich sind.^** Um im Rahmen des Wissensmanagements geeignete Mafinahmen zur Sicherung und zum Transfer des stellenspezifischen Wissens ergreifen zu konnen, ist es erforderlich, eine differenzierte Sicht der einzelnen Wissensbestandteile einzunehmen. Grundsatzlich lassen sich dabei zwei generische, voneinander abgrenzbare Wissenskategorien identifizieren. •

Explizites Wissen umfasst artikulierbare und dokumentationsfahige Wissensbestandteile, die fur die Ausiibung der stellenbezogenen Tatigkeiten erforderlich sind.



Implizites Wissen hingegen bezieht sich auf verborgene Wissenselemente, die unmittelbar mit Handlungen und Kontexten der stellenbezogenen Tatigkeit verbunden und intangibler Natur sind.^^^ Derartige Wissenselemente erfahren dabei eine allmahliche Einbettung in Routinen, Prozessen, Praktiken und Normen, die sich im Laufe der Tatigkeit auf einer Stelle herauskristallisieren.^^* Implizites Wissen lasst sich in die beiden Unterkategorien tazites (tacit) und nicht expliziertes Wissen einteilen. Unter tazitem Wissen ist verborgenes Wissen zu verstehen, das sich nicht in Worten ausdrucken lasst und sich damit einer spateren Explizierung entzieht."^ Hingegen lasst sich bislang nicht expliziertes Wissen grundsatzlich explizieren und in explizite Wissensbestandteile dokumentieren.^^^

Diese beiden generischen stellenbezogenen Wissenskategorien lassen sich dariiber hinaus zudem danach differenzieren, ob es sich um individuelles oder kollektives Wissen handelt.^^"' Bei individuellem Wissen ist eine Einzelperson Trager des Wissens, wohingegen kollektives Wissen sich auf mehrere Organisationsmitglieder verteilt.**^^ Dies hat zur Folge, dass individuelles stellenspezifisches Wissen nur vom individuellen Wissenstrager, d.h. beispielsweise vom bisherigen Stelleninhaber, auf seinen Nachfolger iibertragen werden kann. Hingegen kommt fur den Transfer kollektiven Wissens grundsatzlich ein erweiterter Personenkreis an

617 618 619 620 621

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Vgl. Riistmann (1999), S. 55. Vgl. Davenport/Prusak (1999), S. 32. Vgl. Freimuth/Haritz (1997), S. 16. Vgl. Davenport/Prusak (1999), S. 32. Vgl. stellvertretend Bird (1996), S. 152f, Wagner (2000), S. 92, Collin (2001), S. 285f., sowie Beazley/Boenisch/Harden (2002), S. 25ff. Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen ist auf die wissenschaftstheoretischen Uberlegungen von Polanyi (1966; 1985) zuriickzufuhren und wurde seither in zahlreichen theoretischen sowie praxisnahen VerofFentlichungen aufgegriffen. Vgl. stellvertretend Nonaka/Takeuchi (1997), S. 8 und 71ff., Romhardt (1998), S. 26, Wagner (2000), S. 93ff, Al-Laham (2003), S. 32f Vgl. Romhardt (1998), S. 27ff. Zu der DifFerenzierung von individuellem und kollektivem Wissen vgl. stellvertretend Pautzke (1989), Oberschulte (1994), Probst/Raub/Romhardt (1997), Giildenberg (1998), sowie DickAVehner (2002).

147

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

Wissenstragem, beispielsweise die verschiedenen Gruppen der Induktionsagenten, in Betracht. In Abbildung II-8 ist ein exemplarischer Uberblick uber die genannten Wissenskategorien mit entsprechenden stellenbezogenen Wissenselementen dargestellt.

Explizites Wissen

Implizites Wissen Nicht expliziert

Tazit

Individuell

• Arbeitsroutinen • Verhaltensroutinen • Denkmuster

• • • •

Erfahrungen Wahmehmungen Prozesswissen Ereigniswissen

• • • •

Arbeitskonzepte AufgabenObersichten AnsprechpartnerObersichten Projektdokumentationen

Kollektiv • Werte

• Kollektive Erfahrungen

• Normen

• Sprachmuster

• Leitlinien

• Einstellungen

• Interaktionsmuster

• Visionen

• Rituale

• Aspekte der informellen Organisation

• Aspekte der formellen

• kollektive Routinen

Abb. II-8

• Regelungen

Orpanisatinn

Kategorien stellenspezifischen Wissens und Wissemelemente

Als Beispiele fur individuelle, tazite Wissenselemente sind die Arbeits- und Verhaltensroutinen eines Stelleninhabers zu nennen, die sich wahrend der Arbeitsausfuhrung eingespielt haben. Kollektive, tazite Wissensbestandteile stellen beispielsweise die vorherrschenden Werte, Normen und Einstellungen einer abteilungsspezifischen Subkultur sowie kollektive Arbeitsroutinen dar, die sich im Zeitablauf herausgebildet haben. Bislang nicht explizierte Wissensbestandteile, wie etwa Prozess- und Ereigniswissen auf individueller Ebene, oder Sprachund Interaktionsmuster auf kollektiver Ebene, stellen implizite Wissenselemente dar, die sich grundsatzlich explizieren lassen. Ergebnis einer solchen Transformation in explizite Wissensbestandteile konnen beispielsweise Projektdokumentationen oder Regelungen und Leitlinien zur intraorganisationalen Zusammenarbeit oder auch Aufgaben- und Ansprechpartneriibersichten sein.^^^

(2)

Generische Strategien des Wissenstransfers

Auf Basis der vorangegangenen Uberlegungen zu den generischen Wissensarten eines stellenbezogenen Wissensmanagements sind geeignete Strategien eines Wissenstransfers naher

Vgl. KroghA^enzin (1995), S. 421.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

148

zu betrachten. In Abhangigkeit davon, um welche Wissenskategorie es sich handelt, ergeben sich unterschiedliche Anforderungen fiir den Transfer des stellenbezogenen Wissens auf den neuen Stelleninhaber. Nach Hansen/Nohria/Tiemey (1999) stehen hierfur mit der Personalisierungs- und der Kodifiziemngsstrategie zwei generische Strategietypen zur Verfiigung.^^^ Die beiden generischen Strategietypen sind in Abbildung II-9 dargestellt. Stellenbezogenes Wissensmanagement

Generische Strategien des Wissenstransfers

Ziele der Induktion

Transfer fachlichen

Explizites Wissen

Wissens Implizites Wissen

Induktionsstrategien

Transfer sozialen

Explizites Wissen

Wissens Implizites Wissen

Abb. II-9

Generische Strategien eines stellenbezogenen Wissensmanagements

Durch eine Kombination der beiden Strategietypen lasst sich ein stellenbezogenes Wissensmanagement realisieren, das sich zur Umsetzimg der Ziele einer stellenbezogenen Induktion, d.h. ftir den Transfer fachlichen und sozialen Wissens, eignet. Wie in Abbildung II-9 dargestellt, sind die beiden generischen Strategietypen eines Wissenstransfers differenziert nach der Kategorie der zu vermittelnden Wissenselemente einzusetzen.^^^ •

Strategie der Personalisierung: Fiir den Transfer impliziter Wissensbestandteile empfehlen Hansen/Nohria/Tiemey die so genannte Strategie der Personalisierung („Person to Person"). Denn aufgrund der mangelnden Artikulierbarkeit kann implizites Wissen „(...) nur in einer aufwendigen praktischen Lehre „neben der Sprache" von dem Meisterauf den Schiiler transferiert werden." (Picot/Dietl/Franck 1997, S. 73)

626 627

Vgl. Hansen/Nohria/Tiemey (1999), S. 107ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Kaiser/Fargel (2004), S. 82ff., sowie analog Hansen/Nohria/Tiemey (1999), S. 107ff.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements



149

Vor diesem Hintergrund findet der Prozess des Wissenstransfers von implizitem Wissen durch Beobachtung und Nachahmung der jeweiligen Wissenstrager statt.^^* So ist der personliche (face-to-face) Kontakt des Stellenwechslers als Wissensempfanger mit den Wissenstragem herzustellen, der es ermoglicht, dass der Stellenwechsler und die jeweiligen Wissenstrager ihr Wissen teilen. Der auf dem Prinzip „Schuler-Meister" basierende Transfer von implizitem Wissen basiert dabei auf einem Kommunikationsprozess, bei dem es zu einem direkten Wissenstransfer kommt. Triviale Notwendigkeit hierflir ist ein Aufenthalt von Wissenstrager und -empfanger zur gleichen Zeit am gleichen Ort, Oder aber die Kommunikation uber geeignete Medien. Strategic der Kodifizierung: Der Transfer expliziter Wissensbestandteile lasst sich hingegen iiber die Strategic der Kodifizierung („People to Documents") realisieren. Zentrale Idee dabei ist die Umwandlung von personlichem Wissen der Wissenstrager in personenunabhangige Wissensspeichersysteme, wie etwa Datenbanken und Dokumente, die dem neuen Stelleninhaber und anderen Organisationsmitgliedem zuganglich sind. Fiir diesen Zweck ubertragen die Wissenstrager ihr Wissen auf die Organisation, die das stellenspezifische Wissen sammelt und in geeigneter Form aufbereitet. Das Ergebnis einer solchen Wissensspeicherung konnen Wissensdatenbanken sein, in denen das kodifizierbare, stellenspezifische Wissen eingepflegt und dem neuen Stelleninhaber zur Verfugung gestellt wird. Es handelt sich hierbei um einen indirekten Wissenstransfer.

Durch die Kombination aus Personalisierungs- und Kodifizierungsstrategie wird es moglich, sowohl implizite als auch explizite Wissensbestandteile auf den neuen Stelleninhaber zu iibertragen.

(3)

Entwicklung phasenspezifischer Induktionsstrategien

Stellenbezogene Induktionsstrategien bauen auf den erlauterten generischen Strategien des Wissensmanagements auf Grundidee von phasenspezifischen Induktionsstrategien ist die spezifische Ausrichtung an einzelnen Phasen des Induktionsprozesses und deren Spezifika. Dadurch wird es im hoheren MaBe moglich, auf die spezifischen Besonderheiten und dominierenden Problemfelder eines Wissenstransfers in den einzelnen Induktionsphasen einzugehen.^^^ Um sich der Betrachtung phasenspezifischer Induktionsstrategien zu nahem, ist eine detailliertere Betrachtung des Induktionsprozesses erforderlich. Daher wird in einem ersten Schritt zunachst eine Tripartition des Induktionsprozesses vorgenommen und die jeweiligen Spezifika der einzelnen Induktionsphasen erortert (a). Darauf aufbauend werden phasenspezi-

628 629 630

Vgl. Bird (1996), S. 158. Vgl. Davenport/Prusak (1999), S. 146ff, Al-Laham (2003), S. 34ff. Vgl. Huber (1992), Sp. 766. Vgl. hierzu auch die Ansatze, in denen eine Aufteilung des Sozialisationsprozesses in verschiedene Phasen gefordert wird. Eine entsprechende Ubersicht findet sich bei Althauser (1982), S. 24ff., sowie bei Drescher (1993), S. 21ff.

150

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

fische Instrumente abgeleitet, die fiir den Wissenstransfer geeignet sind (b). Dem schliefien sich Uberlegungen tiber mogliche Restriktionen sowie uber Umfang und Intensitat der Anwendung der einzelnen InduktionsmaBnahmen an (c). (a) Tripartition des Induktionsprozesses und Spezifika der einzelnen Phasen: Nimmt man eine Tripartition des Induktionsprozesses vor, lassen sich eine Vorbereitungsphase, eine gleitende Wechselphase sowie eine Nachbereitungsphase voneinander differenzieren.^^^ Dies entspricht im Wesentlichen der in der Literatur verbreiteten Trias einer Schnupper-, Orientierungs- und Kontrollphase, aus denen sich idealtypisch ein Einarbeitungsprozess zusammensetzt.^^^ Eine solche Tripartition des Induktionsprozesses sowie die Ubergange zwischen den einzelnen Phasen sind in Abbildung 11-10 dargestellt.

Abb. 11-10

Tripartition des Induktionsprozesses (Quelle: verdndert nach Kaiser 2001, S. 164)

Entlang der drei Induktionsphasen wird die Humanressource von ihrer bisherigen Stelle in einem gleitenden Ubergang auf ihre neue Stelle mit den damit verbundenen neuen fachlichen und sozialen Aufgaben und Anforderungen herangeftihrt. Die fruheste Phase des dreiteiligen Induktionsprozesses stellt die Vorbereitungsphase dar, in welcher die Humanressource zunachst noch in ihrem bisherigen Arbeitsumfeld tatig ist. Dieser Phase schliefit sich die gleitende Wechselphase an, die als der Wechselprozess im engeren Sinne zu verstehen ist. Diese Phase geht schlieBlich in die Nachbereitungsphase liber, in der sicherzustellen ist, dass sich die Humanressource nach dem erfolgten Wechsel in ihr neues Arbeitsumfeld eingearbeitet hat und eigenstandig zur effektiven Aufgabenerfiillung fahig ist. Die einzelnen Phasen zeichnen sich durch folgende Spezifika aus:

631 632

Vgl. Kaiser/Fargel (2004), S. 82ff. Vgl. Kieser et al. (1990), S. 6ff., Rehn (1990), S. 14, sowie BOck (2002), S. 73f.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements



635 636 637 638

151

Vorhereitungsphase: Die Vorbereitungsphase, die dem tatsachlichen Stellenwechsel zeitlich vorgelagert ist, kann als Phase der antizipativen HeranfUhrung des designierten Stelleninhabers an das neue Arbeitsumfeld aufgefasst werden. Diese Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass die Humanressource meist nur uber „vage" Informationen iiber ihre neue Stelle verfugt. In dieser Phase giU es, die Humanressourcen bereits vor ihrem eigentlichen Stellenwechsel auf die neue Stelle vorzubereiten und mit relevanten Vorabinformationen zu versorgen.^^^ Der Frage, wie die antizipatorische Vorbereitungsphase auf eine neue Stelle konkret ausgestaltet werden kann, wird in einem eigenstandigen Forschungszweig, dem so genannten „Realistic-Job-Preview"-Ansatz, nachgegangen.^^'* Diesem Ansatz zufolge gilt es, die Humanressource wahrend der Vorbereitungsphase mit einer mogUchst realitatsnahen Beschreibung der Arbeitsbedingungen zu konfrontieren.^"*^ Dies umfasst eine vorab zur Verfugung gestellte realitatsnahe Tatigkeitsbeschreibung, den Hinweis auf besonders kritische arbeitsbezogene Ereignisse sowie das Aufzeigen potenzieller unangenehmer Aspekte der Arbeit.^^^ Unterstiitzt werden kann die realitatsnahe Tatigkeitsbeschreibung durch die fruhzeitige Verabreichung von Arbeitserfahrungen in kleinen Dosen, wodurch ein so genannter „SchutzimpfungsEffekt"^^^ erzielt werden soil. Durch einen solchen Effekt werden die Humanressourcen bereits vor dem eigentlichen Stellenwechsel auf den neuen fachlichen und sozialen Arbeitskontext vorbereitet. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, „Widerstandskrafte" fur die Konfrontation mit dem neuen Arbeitsumfeld aufzubauen. Das Ziel dahinter ist, einen Realitatsschock, wie er oftmals in der Praxis beobachtet wird, beim Eintritt in das neue Arbeitsumfeld zu vermeiden.^^* Ein solcher resultiert oftmals aus iiberhohten oder unrealistischen Erwartungen der Humanressource an ihre neue Stelle. Werden diese Erwartungen spater nicht erfiillt, ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und betrieblicher Wirklichkeit.^^' Formal kann die antizipatorische Vorbereitungsphase ab dem Zeitpunkt beginnen, an dem der Wechsel der Humanressource auf eine

Die Bedeutimg einer derartigen antizipatorischen Vorbereitungsphase fiir den spateren Einarbeitungserfolg wird in Beitragen der Sozialisationsforschung betont und konnte auch empirisch nachgewiesen werden. Vgl. hierzu Althauser (1982), S. 30, sowie Drescher (1993), S. 28. Die Forschungsbemiihungen innerhalb dieses Forschungszweigs wurden dabei in den 70er Jahren insbesondere in Aibeiten von Wanous (1976), (1977) und (1978) vorangetrieben. Zu einer ubersichtlichen Darstellung des Realistic Job Previews vgl. Schneider/Schmitt (1986), S. 162f., Drescher (1993), S. 28ff., Schwarb (1996), S. 139, und Rastetter (1998), S. 628f. Vgl. Merkwitz/Peitz 2002, S. 149. Vgl. Drescher (1993), S. 28. Zum Begriff des „Schutzimpfungs-Effekts" vgl. stellvertretend Kieser (1993), S. 145. Vgl. Berthel/Koch (1985), S. 31, Rehn (1990), S. 252, Huber (1992), Sp. 767, sowie Merkwitz/Peitz (2002), S. 147. Dabei konnte in empirischen Studien die Notwendigkeit von Bemiihungen zur Minimierung des Realitatsschocks hervorgehoben werden, indem gezeigt wurde, dass Arbeitsleistung und -zufriedenheit umso hoher sind, je geringer der wahrgenommene Realitatsschock ist. Vgl. hierzu stellvertretend Berthel/Koch (1985), S. 31 sowie S. 155.

152

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

konkrete Stelle des Untemehmens feststeht. Dies gilt auch dann, wenn bis zum eigentlichen Stellenwechsel noch eine gewisse Zeit vergeht. •

Gleitende Wechselphase: Die gleitende Wechselphase stellt den Stellenwechsel im engeren Sinne dar. In dieser Phase besteht die zentrale Herausforderung darin, moglichst viel stellenspezifisches individuelles Wissen des bisherigen Stelleninhabers vor dessen Weggang sicherzustellen und auf den neuen Stelleninhaber zu transferieren. Fiir diesen Zweck sind in dieser Phase ein intensiver Austausch sowie eine intensive Interaktion des Stellenvorgangers mit seinem Nachfolger zu gewahrleisten. Es erscheint daher sinnvoll, dass sich in dieser Phase der bisherige und der neue Stelleninhaber im Sinne eines „Job Sharings" fiir einen gewissen Zeitraum die Stelle teilen und die anfallenden Aufgaben gemeinsam erfullen.^^ Da der bisherige Stelleninhaber oftmals bereits auf einer neuen Stelle eingesetzt wird, ist die gleitende Wechselphase durch ein voriibergehendes und zeitlich begrenztes partielles Placement gekennzeichnet.



Nachbereitungsphase: In der sich an die gleitende Wechselphase anschlieBenden Nachbereitungsphase bietet es sich an,"^ eine Kontrolle des stellenbezogenen Induktionserfolgs vorzunehmen. Dieser bemisst sich danach, in welchem Ausmafi Rollenunklarheiten und -ambiguitaten beseitigt werden konnten. Es wird folglich kontrolliert, inwieweit der Stellenwechsler mit den neuen fachlichen und sozialen Arbeitsanforderungen bereits vertraut ist und in welchen einzelnen Aspekten noch Wissensdefizite bestehen. Der Beginn der Nachbereitungsphase fallt mit dem Abschluss des Job Sharings zusammen, d.h. mit dem Zeitpunkt, ab dem der neue Stelleninhaber bei der Aufgabenerledigung auf sich allein gestellt ist.

(b) Phasenspezifische Instrumente zum Wissenstransfer im Induktionsprozess: Aufbauend auf den jeweiligen Charakteristika der einzelnen Induktionsphasen lassen sich verschiedene Instrumente identifizieren, die sich fiir den Wissenstransfer in den einzelnen Phasen eignen. So ist in Abhangigkeit des stattfindenden personlichen Kontaktes zwischen Stellenwechsler und den relevanten Wissenstragem in den einzelnen Phasen primar die Personalisierungs- oder die Kodifizierungsstrategie einzusetzen. Dabei lassen sich die verschiedenen Instrumente der Kodifizierungs- und der Personalisierungsstrategie miteinander kombinieren und auf dieser Basis ein „phasenspezifischer Instrumentenmix" zusammenstellen. Ein Uberblick iiber Instrumente beider generischer Strategietypen ist in Abbildung II-11 dargestellt.

640 641 642

Zum Begriffdes Job Sharings vgl. Sattelberger (1999), S. 294, und Mondy/Noe/Premeaux (2002), S. 375. Vgl. Kaiser (2001), S. 164. Vgl. John (1980), S. 377f, der in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines so genannten „Induction Follow-ups" hervorhebt.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

VorbereitiingsPhase Wissenstransfer

Job-Preview-Gesprache

Personalisierung

Interimsvertretungen/ Cross Exchange ..Schnupper-Besuche"

Kodifizienmg

Abb. II-11

Gleitende Wechselphase Job Sharing Obergabe-Wochenenden Einfilhrungs-ZOrientierungsveranstahungen

Vorabversendung des Anforderungsf)rofils Vorabversendung der Stellenbeschreibung Vorabversendung neuer Ansprechpartner Dokumentation von Projekten

^antizipatorische Induktion^

153

I

NachbereitungsPhase Hotline Patenprogramm Mentorenprogramm Feedback-Gesprache

Nacharbdtungsplan Elektronisches Tagebuch I

„begleitete Induktion" ,,nachbereitete Induktion'*

Phasenspezifische Instrumente JUr den Wissenstransfer (Quelle: verdndert nach Kaiser/Fargel 2004, S.84)



In der Vorbereitungsphase bietet es sich an, verstarkt auf Instrumente einer Kodifizierungsstrategie zuriickzugreifen. So k6nnen beispielsweise das explizierbare Anfordenmgsprofil, die Stellenbeschreibung, eine Liste der relevanten Ansprechpartner oder auch Projektdokumentationen vorab versendet werden. Diese Instrumente lassen sich zu einem stellenbezogenen „Welcome Informations-Package" zusammenfassen und dem designierten Stelleninhaber vor Antritt seiner neuen Stelle zur Verfugung stellen.^'*"' Um die kodifizierten Wissensdokumente um personalisierte Inhalte zu erganzen, ist es sinnvoll, erganzend Instrumente der Personalisierungsstrategie einzusetzen. So kann der bisherige Stelleninhaber in einem so genannten Job-Preview-Gesprach seinem Nachfolger schon vorab Informationen iiber die stellenspezifischen Aufgaben, Inhalte und Anforderungen bereitstellen.^'*'* Dies konnen personliche Berichte des alten Stelleninhabers iiber seine Arbeitserfahrungen der letzten Monate sein, beispielsweise dariiber, mit welchen Kollegen oder Kunden er verstarkt zusammengearbeitet hat, was die kritischen Punkte dieser Zusammenarbeit waren, oder wie hoch die Arbeitsbelastung war. Als eine erweiterte Form des Job-Preview-Gesprachs ist auch denkbar, dass der alte Stelleninhaber seinen Nachfolger zu einer Teamsitzung oder einem Kundengesprach mitnimmt. Er kann seinem Nachfolger so einerseits in das neue soziale Umfeld einfuhren und ihm andererseits die Moglichkeit bieten, ihn bei der Arbeit und im Gesprach mit Kollegen oder Kunden zu beobachten. Es ist insofem auch sinnvoll, zu dem Job-Preview-Gesprach

643

Vgl. Kolb/Wiedmann (1997), S. 205, sowie Brenner/Brenner (2001), S. 25. Vgl. stellvertretend Kieser/Nagel (1986), S. 960, Drescher (1993), S. 28ff., Bening/Lehman (2002), S. 137f., sowie Merkwitz/Peitz (2002), S. 149.

644

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645 646

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

nicht nur den bisherigen Stelleninhaber, sondem auch die zukiinftigen Vorgesetzten und Kollegen hinzuzuziehen, da diese zum einen oftmals iiber zusatzliches Wissen verfugen und zum anderen das soziale Umfeld der neuen Stelle entscheidend pragen. Ein weiteres Instrument stellen Interimsvertretungen, beispielsweise in Form einer Urlaubsvertretung des alten Stelleninhabers, dar.^^ Dadurch kann der designierte Stelleninhaber einen ersten Einblick in seinen neuen Arbeitskontext gewinnen und erste Ansprech- und Kooperationspartner kennenlemen. Ein inhaltlich ahnliches Instrument stellt der so genannte Cross-Exchange zwischen altem und neuem Stelleninhaber dar. Bei dieser MaBnahme tauschen die beiden Humanressourcen fur eine befristete Zeitdauer ihren jeweiligen Arbeitsplatz. Das Ziel dieser MaBnahme liegt neben dem individuellen Erfahrungserwerb insbesondere auch in einer Verbesserung des gegenseitigen Verstandnisses. Dadurch kann langfristig die Kooperation sowie die Kommunikation fur spatere Riickfragen zwischen altem und neuem Stelleninhaber verbessert werden.^^ AbschlieBend ist das Instrument des Schnupper-Besuches zu nennen, in dessen Rahmen der designierte Stelleninhaber vorab fur eine begrenzte Zeitdauer sein neues Arbeitsumfeld besucht und erste Kontakte kniipft. Der Einsatz derartiger Instrumente in der Vorbereitungsphase tragt dazu bei, dass sich der designierte Stelleninhaber gezielter, etwa durch fachliche oder mentale Vorbereitungsmafinahmen, auf seine neue Stelle vorbereiten kann. Diese Phase lasst sich daher auch als „antizipatorische Induktion" bezeichnen. In der gleitenden Wechselphase ist es sinnvoll, in erster Linie Instrumente eines personalisierten Wissenstransfers einzusetzen. Denn hauptsachlich in dieser Phase lasst sich das wettbewerbsrelevante implizite Wissen transferieren. Fiir diesen Zweck eignet sich insbesondere das Prinzip des Job Sharings zwischen altem und neuem Stelleninhaber. Dies hat in mehrfacher Hinsicht Vorteile. So wird durch die zeitweise Doppelbesetzung der Stelle der intensive Austausch zwischen bisherigem und neuem Stelleninhaber gefordert. Dem neuen Stelleninhaber bietet sich dabei die Moglichkeit, seinen Vorganger zu befragen und bei der Erledigung der Arbeit zu beobachten. Letzteres spielt insbesondere fur die Vermittlung impliziten Wissens eine entscheidende Rolle. Gleichzeitig kann der neue Stelleninhaber bereits erste Aufgaben selbst iibemehmen und dabei von seinem Vorganger unterstiitzt und gegebenenfalls korrigiert werden. So ist es beispielsweise denkbar, dass der neue Stelleninhaber bei einer Teamsitzung aktiv als neuer Ansprech- und Gesprachspartner teilnimmt. Zugleich aber besteht die Moglichkeit, dass sich der Stellenvorganger bei Bedarf in die Diskussion einbringt und fiir Riickfragen oder Unklarheiten zur Verfiigung steht. Die zeitliche Lange des Job Sharings ist dabei an der Komplexitat und zeitlichen Dauer des Wissenstransfers auszurichten. Dabei gilt, dass die verfugbare Zeit fur ein Job Sharing grundsatzlich dadurch begrenzt wird, dass der bisherige Stelleninhaber seinerseits bereits auf einer neuen Stelle eingesetzt ist. Ein

Vgl. Wunderer (1973), S. 38f, sowie Bock (2002), S. 150f Vgl. Kammel/Teichelmann (1994), S. 115, und Bock (2002), S. 150f

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements



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155

Losungsansatz hierfiir stellt das Job-Sharing im Rahmen von Uhergahewochenenden dar. Solche Ubergabewochenenden konnen nicht nur zum Wissenstransfer wahrend der gemeinsamen Ausiibung der Tatigkeit genutzt werden, sondem konnen auch die Schafftrng einer emotionalen Basis zwischen Stellenvorganger und seinem Nachfolger fordem. Dadurch schlieBlich kann auch die Bereitschaft fur spatere Riickfragen und Unterstiitzungsleistungen erhoht werden. Derartige Ubergabewochenenden eignen sich zudem insbesondere fur Falle, in denen der bisherige Stelleninhaber bereits aus dem Untemehmen ausgeschieden ist und wahrend der regularen Arbeitszeit nicht mehr der Verfugbarkeit des Untemehmens unteriiegt. Erganzend zu den Ubergabewochenenden ist es sinnvoll, systematisch Einfiihrungs- oder Orientierungsveranstaltungen durchzufiihren.^^ Diese konnen neben der formellen Begriifiung des neuen Stelleninhabers auch die Vorstellung der neuen KoUegen und Ansprechpartner oder einen Rundgang durch die neue Abteilung beinhalten. Erganzend zu den genannten Instrumenten ist es sinnvoll, Instrumente der Kodifizierungsstrategie zu nutzen. So sollte der Stellenvorganger einen Nacharbeitungsplan erstellen, um dem Nachfolger fiir die nachste Phase eine Ubersicht iiber die noch zu erledigenden Aufgaben zu verschaffen. Durch einen solchen Nacharbeitungsplan kann eine Verargerung sowohl der KoUegen als auch der extemen Bezugspersonen durch einen schlechten intemen oder extemen Service nach dem Stellenwechsel verhindert werden. Auch der Zugang zu einem elektronischen Tagebuch des Stellenvorgangers ist empfehlenswert. In einem solchen Tagebuch ist das Erfahrungswissen des Stellenvorgangers, wie etwa iiber zuriickliegende Projekte, deren Verlauf oder die kritischen Punkte bei der Projektarbeit, dokumentiert. Die gleitende Wechselphase kann aufgrund des zentralen Elements des Job-Sharings auch als „begleitete Induktion" bezeichnet werden. In der Nachbereitungsphase ist der vollstandige Wissenstransfer zwischen bisherigem Stelleninhaber und seinem Nachfolger meist noch nicht abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund sind geeignete Instrumente heranzuziehen, um sicherzustellen, dass der neue Stelleninhaber auch nach dem erfolgten Stellenwechsel die Moglichkeit besitzt, fehlendes Wissen erwerben zu konnen. Denkbar ist beispielsweise die Einrichtung einer Hotline, iiber die der neue Stelleninhaber mit dem bisherigen Stelleninhaber bei Bedarf Riicksprache halten und bei Unklarheiten entsprechende Informationen einholen kann. Femer kann in der Nachbereitungsphase auf Paten- und Mentorenprogramme zuriickgegrifPen werden.^* Diese eignen sich insbesondere far den Transfer von impliziten Wissenselementen, wie etwa das Wissen iiber informelle Kommunikationswege zwischen den KoUegen oder das Wissen iiber soziale Normen und Einstellungen, die nur in einem langerfristigen Prozess erworben werden konnen. Einen weiteren denkbaren Ansatz stellen Feedback-Gesprdche mit dem neuen Vorgesetzten oder anderen Induktions-

Vgl. KolbAViedmann (1997), S. 204. Vgl. KolbAViedmann (1997), S. 205, sowie Brenner/Brenner (2001), S. 20f.

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Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

agenten dar.^^ Im Rahmen eines solchen Feedbacks konnen die Anforderungen und Erwartungen an den neuen Stelleninhaber nochmals klar kommuniziert werden. Dariiber hinaus besteht dadurch auch die Moglichkeit, existierende Wissensdefizite zu identifizieren und Mafinahmen fur deren Schliefiung gezielt zu ergreifen. Mit anderen Worten kann dadurch eine „Standortbestinimung" der Humanressource im Induktionsprozess vorgenommen und gegebenenfalls korrigierend eingegriffen werden.^^^ Vor diesem Hintergrund ist diese Phase auch als „nachbereitete Induktion" aufzufassen. Durch den Einsatz der phasenspezifischen Instrumente ist es mogUch, in zielgerichteter Form Mafinahmen fur den Wissenstransfer zu ergreifen, die an den Besonderheiten der einzelnen Induktionsphasen ausgerichtet sind. (c) Herausforderungen sowie Umfang und Intensitdt der Anwendung der genannten Instrumente'. Fiir die Implementierung eines stellenspezifischen Wissensmanagements ist eine zentrale Herausforderung dahingehend zu identifizieren, dass die Motivation der relevanten Wissenstrager zur Weitergabe ihres Wissens sichergestellt sein muss.^^^ Dies stellt insofem eine Herausforderung dar, da Wissen stets mit einem gewissen Machtpotenzial fur den weiteren beruflichen Werdegang verbunden ist („Wissen ist Macht."). Vor diesem Hintergrund besitzen Humanressourcen einen Anreiz, ihr Wissen aufgrund ihres Eigeninteresses zu verstecken. Vor diesem Hintergrund sind geeignete Anreizsysteme zu entwickeln, um den bisherigen Stelleninhaber zur Weitergabe seines Wissens zu motivieren. Derartige Anreizsysteme sind dabei so zu gestalten, dass sich die Preis- und Weitergabe des Wissens fur den bisherigen Stelleninhaber lohnt. Grundsatzlich kann zwischen monetaren und nicht monetaren Anreizsystemen differenziert werden. Erstere konnen beispielsweise Pramienzahlungen fiir die Explizierung und Weitergabe des Wissens umfassen. Als nicht-monetare Anreize kommt neben der Aussprache von Lob und Anerkennung auch die Gewahrung entsprechender zeitlicher Freiraume in Frage, die zur Wissensexplizierung und -weitergabe benotigt werden. Bei der Gestaltung von Anreizsystemen ist allerdings zu beachten, dass die Mitarbeiter ihr Wissen, das sie weitergeben, auch bewusst verfalschen konnen. Vor diesem Hintergrund sind Anreize zu schaffen, die dazu geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wissensverfalschung zu reduzieren. Ein geeigneter Ansatz hierfiir stellt beispielsweise die Gewahrung der Anreize in Abhangigkeit des Einarbeitungserfolgs des Stellennachfolgers dar. AUgemeingultige Aussagen iiber Umfang und Intensitat von Instrumenten zum Wissenstransfer lassen sich nicht treffen. Vielmehr sind der Einsatz und die Zusammenstellung in

649 650 651

Vgl. Kieser/Nagel (1987), Sp. 1570, und Merkwitz/Peitz (2002), S. 153. Vgl. Brenner/Brenner (2001), S. 15. Vgl. Kaiser/Fargel (2004), S. 82. Zu dieser Problematik, die in der Literatur auch als „Management der Wissenskooperation" bezeichnet wird, vgl. zudem auch Moser (2002), S. 97ff. Problematisch an diesem Ansatz ist jedoch, dass die Anreizgewahrung dann zeitlich deutlich nachgelagert erfolgt.

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

157

situationsspezifischer Abhangigkeit zu wahlen.^^^ Grundsatzlich lasst sich jedoch festhalten, dass InduktionsmaBnahmen umso umfangreicher und intensiver durchgefuhrt werden miissen, je mehr Elemente sich zwischen alter und neuer Stelle andem. So erscheinen umfangreiche und intensive InduktionsmaBnahmen insbesondere dann sinnvoll, wenn der Neuigkeitsgrad der Stelle fur den Stellenwechsler besonders hoch ist.^^'* Dies diirfte insbesondere bei einem Stellenwechsel mit diagonaler Versetzungsrichtung der Fall sein, durch welchen sich Funktionsbereich und hierarchische Stellung gleichzeitig verandem. Nimmt man nun femer eine differenziertere Sicht von Stellentypen ein, ist davon auszugehen, dass bei klassischen Stellen durch den relativ hoheren Standardisierungsgrad der Aufgaben ein groBer Teil des Wissenstransfers durch eine Kodifizierung des Wissens bewaltigt werden kann. Bei Wissensstellen hingegen stehen aufgrund der hohen Spezifitat des Wissens und des geringeren Formalisierungsgrads vor allem Personalisierungsstrategien im Vordergrund. Letztere ziehen in der Regel einen hoheren Aufwand bei der Durchfuhrung und damit eine hohere Intensitat sowie Umfang der erforderlichen InduktionsmaBnahmen nach sich.^^^ Resiimierend ist fur Teil II der Arbeit festzuhalten, dass mit der Gestaltung des Humanressourcen-Flows einerseits und des Humanressourcen-Moves andererseits zwei zentrale Gestaltungsfelder des Humanressourcen-Placements existieren. An diesen ist anzusetzen, um Humanressourcenbewegungen innerhalb des Untemehmens systematisch an der Erzielung eines Fits auszurichten. Wie dargestellt wurde, lassen sich anhand verschiedener Stellschrauben des Humanressourcen-Flows Laufbahnen als organisatorische „Leitplanken" entwickeln, im Rahmen derer individuelle Placementpfade im Spannungsfeld zwischen Spezifitat und Flexibilitat sowie unter Beriicksichtigung individueller Karriereorientierungen gestaltet werden konnen. Die einzelnen Placementschritte im Rahmen dieser Laufbahnen sind dabei durch eine entsprechende Gestaltung des Humanressourcen-Moves zu flankieren, um Effizienz- und wettbewerbskritische Wissensverluste zu vermeiden und eine adaquate Einarbeitung auf der neuen Stelle zu ermoglichen. Dabei wurde deutlich, dass MaBnahmen zur Gestaltung des Humanressourcen-Flows und des -Moves systematisch aufeinander abzustimmen sind, um Fit-orientierte Humanressourcenbewegungen innerhalb des Untemehmens sicherstellen zu konnen. Gestaltung und Steuerung des Placements stellen keine dichotomen Problemperspektiven eines Fit-orientierten Managements des Humanressourcen-Placements dar. Vor diesem Hintergrund widmet sich Teil III der Arbeit der Frage, wie die Fit-orientierte Gestaltung des Pla^^^ ^^* ^^^

Vgl. Stiefel (1979), S. 21, John (1980), S. 373, Kieser/Nagel (1986), S. 962, Wust (1999), S. 50. Vgl. Nicholson (1984), S. 178. Vgl. Kaiser/Fargel (2004), S. 82ff.

158

Teil II: Gestaltungsdimension des Humanressourcen-Placements

cements durch eine geeignete Wahl der Steuerungsform unterstiitzt werden kann.^^^ Dabei kniipfen die nachfolgenden Ausfuhrungen in integrativer Form an den Uberlegungen zu den dargestellten Gestaltungsaufgaben des Placements an.

Fiir einen analogen Gedankengang vgl. Schwager (2003), S. 20ff.

Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

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TEBL III: STEUERUNGSDIMENSION DES HUMANRESSOURCEN-PLACEMENTS Nachdem in den vorangegangenen beiden Teilen der Arbeit das Fit-Konstrukt als handlungsleitendes Paradigma sowie die daran ausgerichtete Gestaltungsdimension im Mittelpunkt der Betrachtung standen, gilt es, sich in Teil III der Arbeit im Rahmen einer holistischen Management-Betrachtung des Humanressourcen-Placements der Analyse der Steuerungsdimension zuzuwenden. Das Ziel des dritten Teils der Arbeit besteht darin, zu untersuchen, wie aus einer integrativen Perspektive der Gestaltungs- und Steuerungsdimension Placementaktivitaten im Untemehmen zu steuem sind, um eine Umsetzung der Fit-orientierten Gestaltungsziele unterstiitzen zu konnen. Mit der Steuerungsdimension sind zunachst Fragen zur Organisation sowie der Verantwortlichkeiten des Placements angesprochen. Es gilt hierbei zu klaren, wo die organisatorische Gesamtverantwortung fur das Placement zu verankem ist sowie welche Form der Leistungskonfiguration des Placements zu wahlen ist. Femer ist zu bestimmen, mit welchem organisationalen Zentralitatsgrad die einzelnen Placementaktivitaten durchzufuhren sind. Die Bedeutung einer geeigneten Organisationsform des Placements ist insbesondere fur jene Untemehmen als hoch einzuschatzen, die kontinuierlich groBere „Volumina" an Humanressourcen intraorganisational versetzen. Dies leuchtet insbesondere vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen Tendenz zur Erhohung der Placementgeschwindigkeit und immer haufiger stattfindender Stellenwechsel ein, die eine Komplexitatserhohung der Placementsteuerung nach sich Ziehen. Zunachst sollen zentrale Variablen fiir eine institutionalisierte Organisation des Placements betrachtet werden (III.l). Diese Uberlegungen zur Organisation des Placements bilden die Ausgangsbasis fur die Frage, wie die Steuerung des Placements professionalisiert werden kann. Damit ist die Entwicklung von Professionalisierungsansatzen fur das Management des Humanressourcen-Placements angesprochen.^^^ Das Ziel dahinter ist, ausgehend von den Grundlagen der Professionalisierung des Humanressourcen-Placements einen konkreten Bezugsrahmen fur die Professionalisierung des Placements zu entwickeln, der die Erkenntnisse zur Gestaltimg und Steuerung des Placements der vorliegenden Arbeit integriert und aufzeigt, wie Professionalisierungsbemiihungen hinsichtlich der einzelnen Placementaktivitaten umgesetzt werden konnen (III.2).

III.l

Organisation des Humanressourcen-Placements

Fiir die Durchfuhrung der einzelnen Placementaktivitaten bedarf es einer schlagkrafligen Organisation des Placements. Dies gilt insbesondere in Branchen, die sich durch eine hohe Dynamik und durch eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter auszeichnen, wodurch die Tendenz zu haufig stattfindenden Stellenwechseln gefordert wird. Fiir die Analyse, wie die Orga-

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Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

nisation des Placements institutionalisiert werden kann, sind in Anlehnung an zentrale Organisationsvariablen des Humanressourcenmanagements drei zentrale Untersuchungsdimensionen zu betrachten.^^* In einem ersten Schritt sind die verschiedenen Varianten der organisatorischen Verankerung sowie der Leistungskonfiguration des Placements zu analysieren (III. 1.1). Dem schlieBt sich die Betrachtung des Grads der Zentralitat der Placementsteuerung an (III. 1.2).

III.l.l

Organisatorische Verankerung und Leistungskonfiguration des Placements

Die Form der organisatorischen Verankerung des Placements gibt Aufschluss dariiber, auf welcher hierarchischen Ebene die Gesamtverantwortung fur die Steuerung der Placementaktivitaten liegt. Grundsatzlich kommen hierfur verschiedene Verankerungsebenen in Betracht. Zxmachst werden verschiedene Varianten der organisatorischen Verankerung der Gesamtverantwortung fiir das Placement erortert und die Forderung nach einer Institutionalisierung spezifischer Placement-Stellen begriindet (1). Dem schlieBt sich eine Betrachtung der verschiedenen Moglichkeiten der Leistungskonfiguration des Placements an. Die Leistungskonfiguration als weitere zentrale Organisationsvariable beschreibt, wie Teilaufgaben des Placements spezifischen Abteilungen zugeordnet werden konnen, die fokal Verantwortung in einem abgegrenzten Teilbereich iibemehmen (2).

(1)

Organisatorische Verankerung der Gesamtverantwortung und Institutionalisierung spezifisctier Placement-Stellen

Fur die Ansiedlimg der Gesamtverantwortung fur das Placement kommen grundsatzlich verschiedene organisatorische Verankerungsebenen im Untemehmen in Betracht. Auf hierarchisch hochster Stufe kann die Steuerung des Placements der Untemehmensleitung zugeordnet werden. Auf hierarchisch nachgelagerten Ebenen kann der Personalabteilung, respektive einer Subabteilung, wie etwa einer spezialisierten Placement-Abteilung, die Gesamtverantwortung fur die Steuerung der Placementaktivitaten zugesprochen werden. Ein weiterer grundsatzlich denkbarer Ansatz besteht darin, den jeweiligen Linienvorgesetzten die Verantwortung fur das Placement zu iibertragen. Auch wenn grundsatzlich die verschiedenen genannten hierarchischen Verankerungsebenen in Frage konmien, sprechen wesentliche Argumente dafiir, die Gesamtverantwortung fur

Zur Notwendigkeit einer solchen Professionalisierung vgl. die Ausfiihrungen zu den existierenden Defiziten in der Placementpraxis, wie sie in der Einfuhrung der Arbeit identifiziert wurden. Vgl. hierzu auch Lattmann (1985), S. 192ff., sowie Metz (1995), S. 130ff.

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das Placement moglichst hoch in der Untemehmenshierarchie zu verankem.^^' Dies lasst sich folgendermafien begriinden: •

Orientierung an der angestrehten Unternehmensentwicklung: Erstens ermoglicht eine hierarchisch hoch angesiedehe Gesamtverantwortung eine enge Orientierung des Placements an der angestrehten Unternehmensentwicklung und der sich daraus ableitenden langfristigen Personalstrategie.^^ Durch eine solche Orientierung an der Unternehmensentwicklung konnen kurzfristige, ausschlieBlich am gegenwartigen Placementbedarf ausgerichtete Entscheidungen vermieden werden. Vielmehr lassen sich durch eine langfristig, strategisch ausgerichtete Placementpolitik hochqualifizierte Humanressourcen ans Untemehmen binden, indem attraktive Laufbahnen konzipiert und angeboten werden. Dadurch erst wird es moglich, untemehmensspezifische „Pools" an Nachwuchskraften aufzubauen, die zur Realisierung der langfristigen Unternehmensentwicklung benotigt werden.**^*



Unterstutzung der Induktionsagenten: Zweitens kann durch eine hierarchisch hohe Verankerung des Placements die Unterstutzung der Induktionsagenten sichergestellt werden, die fur die erfolgreiche Durchfiihrung einzelner Placementaktivitaten erforderlich sind. Dies umfasst dabei zweierlei Gesichtspunkte. Zum einen kann durch eine hierarchisch hohe Verortung des Placements den Induktionsagenten formell die Verantwortung fur die Durchfuhrung einzelner Placementaktivitaten iibertragen werden. Zum anderen konnen den Induktionsagenten so auch die entsprechenden zeitlichen Ressourcen zur Durchfuhrung der Induktionsaufgaben zur Verfugung gestellt werden.



Kommunikationstheoretische und unternehmenskulturelle Aspekte: Drittens sprechen auch kommunikationstheoretische und unternehmenskulturelle Aspekte fur eine hohe organisatorische Verankerung der Gesamtverantwortung. So kann sowohl den betroffenen Mitarbeitem als auch den Induktionsagenten glaubhafler vermittelt werden, dass das Placement ein Aufgabenfeld von hoher Bedeutung darstellt. Dadurch wird betont, dass der Durchfuhrung der einzelnen Placementaktivitaten Bedeutung beizumessen ist und ein entsprechendes Engagement der beteiligten Personen gefordert wird. Femer konnen so bestimmte Prinzipien des Placements, beispielsweise die Moglichkeit eines schnellen ranghierarchischen Aufstiegs bei entsprechender Leistung, leichter in der Untemehmenskultur verankert werden. Dadurch lasst sich auch der Stellenwert des Placements und dessen Anerkennung als eigenstandiges Aufgabenfeld erhohen.



Autonomie des Aufgabenfelds: SchlieBlich und viertens kann durch eine hohe organisatorische Verankerung der Gesamtverantwortung auch ein gewisses Mafi an Autonomie

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Vgl. hierzu auch Conger/Fulmer (2004), S. 58f. So weist Ridder (1999), S. 102, darauf hin, dass ein „strategischer Fit" zwischen Strategien der Unternehmensentwicklung und den korrespondierenden Personalstrategien anzustreben ist, um auf Humankapital basierende Wettbewerbsvorteile realisieren zu konnen. Vgl. Moulton/Fickel (1993), S. 30.

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des Placements generiert werden. Dadurch wird ein eigenstandigeres Agieren des Placements ermoglicht, wodurch bestimmte Problemfelder, wie etwa die Eigensinnproblematik einzelner Fuhnmgskrafte bei der Auswahl von Placementkandidaten,^^^ verringert werden konnen. Anhand der angefiihrten Argumente wird deutlich, dass eine moglichst hohe hierarchische Verankerung der Gesamtverantwortung fiir das Placement anzustreben ist, die idealerweise bei der Untemehmensleitung anzusiedeln ist. Dies umfasst die Verantwortung fiir iibergreifende und strategische Aufgaben des Placements. Zur Unterstiitzung der Untemehmensleitung bietet es sich an, hierfiir ausdifferenzierte Stellen zu schaffen. Dies kann durch die Institutionalisienmg einer hierarchisch der Untemehmensleitung direkt unterstellten PlacementAbteilimg erfolgen, in denen Placement-Spezialisten angesiedelt werden. Diesen PlacementSpezialisten konmit die Aufgabe zu, die Untemehmensleitung hinsichtlich der strategischen Aufgaben des Placements beratend zur Seite zu stehen sowie operative Aufgaben bei der Durchfiihrung einzelner Placementaktivitaten zu ubemehmen.

(2)

Leistungskonfiguration des Placements

Neben der hierarchischen Verortung der Gesamtverantwortung fiir das Placement stellt die Leistungskonfiguration eine weitere zentrale organisatorische Gestaltungsvariable dar. Mit dieser Gestaltungsvariablen ist die Frage angesprochen, wie einzelne Teilaufgaben des Placements auf spezifische Stellen und Abteilungen zu verteilen sind. Gmndsatzlich sind drei verschiedene Varianten der Konfiguration denkbar. So kann die Leistungskonfiguration des Placements grundsatzlich nachfimktionalen,objektorientierten oder geographischen Kriterien konfiguriert werden.^^ •



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Bei Giner funktionalen Konfiguration des Placements wird die Gesamtaufgabe in regelmafiig wiederkehrende Teilaufgaben, wie beispielsweise die Identifiziemng und Auswahl geeigneter Placementkandidaten, zerlegt. Diese Teilaufgaben werden dann von jeweils darauf spezialisierten Stellen oder Abteilungen wahrgenommen. Hingegen werden bei einer objektorientierten Konfiguration fiir verschiedene Mitarbeitergmppen spezifische Placement-Stellen eingerichtet, die sich an den jeweiligen Spezifika der Mitarbeitergmppen, wie etwa eine bestimmte Karriereorientiemng, ausrichten. So konnen beispielsweise in Abhangigkeit der zu Grunde liegenden Karriereorientie-

Auf diese Eigensinnproblematik wird in Abschnitt III. 1.2 in detaillierterer Form eingegangen. Zu diesen Varianten der Leistungskonfiguration im Kontext einer Zuordnung von Leistungsaufgaben auf organisatorische Teileinheiten vgl. Ringlstetter (1997), S. 68ff. Eine solche auf dem Prinzip der Verrichtungsorientierung beruhende fiinktionale Konfiguration stellt die bislang in der Praxis am weitesten verbreitete Organisationsform der Personalabteilung dar. So existieren nach diesem Prinzip konfigurierte Spezialabteilungen beispielsweise fiir die Personalentwicklung, fiir das Personab-ecruiting und das -marketing. Vgl. Potthoff (1992), Sp. 498, Metz (1995), S. 131, sowie Bertram (1996),S. 166ff.

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rung spezifische Placement-Stellen fur Fuhrungs- oder fur Fachkrafte geschaffen werden. Als dritte Konfigurationsvariante ist die geographische Konfiguration des Placements denkbar, nach der spezifische Placement-Stellen fur unterschiedliche Regionen geschaffen werden. Somit stellt der geographische Standort von Humanressourcen den Bezugspunkt zur Konfiguration zustandiger Placement-Stellen und -abteilungen dar.

Grundsatzlich birgt jede Konfigurationsvariante gewisse Vor- und Nachteile in sich, die in Abhangigkeit der Spezifika eines bestimmten Untemehmens und der jeweiligen Humanressourcenausstattung zu bewerten sind. Vor dem Hintergrund einer Fit-Orientierung allerdings erscheint insbesondere eine objektorientierte Konfiguration des Placements fiir sinnvoll. Dies lasst sich folgendermaBen begriinden: •

Hohere Spezialisierung: Unterschiedliche Mitarbeitergruppen, wie etwa Facharbeiter oder Fiihrungskrafte, besitzen differierende arbeitsbezogene Bediirfhisse. Vor diesem Hintergrund bietet die objektorientierte Konfiguration dahingehend Vorteile, da sie mit einer hoheren Spezialisierung einzelner Placement-Stellen auf bestimmte Mitarbeitergruppen einhergeht.^^^ Durch eine solche Spezialisierung wird es moglich, Detailwissen uber die Spezifika und Charakteristika bestimmter Mitarbeitergruppen in praziserer Form zu erfassen und entsprechend in die Ausgestaltung der jeweiligen Placementaufgaben zu „ubersetzen".^^^ Dadurch konnen zielgruppengerechtere Ansatze zur Ausgestaltung des Placements entwickelt werden.



Eindeutigere Zustdndigkeit: Ein weiteres wesentliches Argument fur eine objektorientierte Konfiguration ist in der eindeufigeren Zustandigkeit der spezialisierten PlacementStellen fiir eine bestimmte Mitarbeitergruppe zu sehen. So konnen beispielsweise notwendige Koordinationsleistungen zwischen den Linienvorgesetzten und den zustandigen spezialisierten Placement-Stellen leichter erbracht und die Komplexitat der Abstimmungsprozesse reduziert werden. Femer wird das Schnittstellenmanagement zwischen den einzelnen Placementaufgaben, wie etwa die Auswahl eines Placementkandidaten und die sich anschliefiende anfizipatorische Einarbeitung, erleichtert. Zudem lasst sich auch eine einheitlichere Betreuung der Mitarbeiter im Placementprozess realisieren.

Auf Basis dieser Uberlegungen erscheint eine objektorientierte Schaffung von ausdifferenzierten Placement-Stellen oder -abteilungen sinnvoll, die auf bestimmte Mitarbeitergruppen spezialisiert sind. Die theoretisch dargestellte Reinform der objektorientierten Konfigurationsvariante muss in der Praxisfi-eilichnicht stringent durchgehalten werden. Vielmehr lassen sich Elemente der verschiedenen Konfigurationsformen und somit verschiedene Konfigurationslogiken auch in sinnvoller Weise miteinander kombinieren. Bei Bedarf konnen Elemente der fimktionalen oder der geographischen Konfiguration erganzend hinzugezogen werden. So ^^^ ^^

Vgl. analog Ringlstetter (1997), S. 69. Vgl. Metz (1995), S. 135.

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ist beispielsweise die Schaffting einer Placement-Abteilung denkbar, deren Aufgabenbereich auf Placementaktivitaten fiir Fuhrungsnachwuchskrafte ausgerichtet ist. Innerhalb dieser Abteilung konnen einzelne Stellen auf bestimmte Teilftinktionen des Placements, wie beispielsweise die Implementierung und Pflege eines stellenbezogenen Wissensmanagements, spezialisiert sein.^^^ Bei der Gestaltung einer geeigneten objektorientierten Konfigurationsform des Placements ist eine zentrale Herausforderung darin zu sehen, diejenigen Humanressourcen in entsprechenden Mitarbeitergruppen zusammenzufassen, die hinsichtlich relevanter Kriterien, wie etwa arbeitsbezogenen Bediirfhisse, Uberschneidungen aufweisen. Dadurch soil sichergestellt werden, dass die gebildeten Gruppen nach innen weitgehend homogen sind und dadurch eine objektorientierte Spezialisierung ermoglicht wird. Dies entspricht vom Gedankengang her der Bildung von Zielgruppen fur das Placement, fiir welche die einzelnen Placementaktivitaten bedurfhisgerecht auszugestalten sind.

III. 1.2

Zentralitat des Placements

In den vorangegangenen Uberlegungen wurden Fragen hinsichtlich der organisatorischen Verankerung sowie der Leistungskonfiguration des Placements geklart. Eine weitere zentrale organisatorische Gestaltungsvariable stellt die Zentralitat, respektive die Dezentralitat des Placements dar, die festlegt, von welchen Instanzen einzelne Placementaufgaben durchgefuhrt werden. Grundsatzlich kommen hierfur verschiedene Aufgabentrager in Betracht. Diese tragen fokal Teilverantwortung fur die Durchfuhrung der ihnen iibertragenen Placementaufgaben. Bei der Frage nach der Zentralitat der Aufgabendurchfuhrung lassen sich zwei Extrempositionen identifizieren.^^ •



Zum einen konnen die Aufgaben des Placements zentral durch die Spezialisten einer ausdifferenzierten Placement-Abteilung erbracht werden, denen eine „Generalzustandigkeit" fur Placementaufgaben innerhalb des Untemehmens eingeraumt wird.^^^ Zum anderen lassen sie sich dezentral iiber die jeweiligen Linienvorgesetzten und die Induktionsagenten unter Einbezug der betroffenen Humanressourcen selbst durchfuhren.

Sowohl die zentrale als auch die dezentrale Steuerung der einzelnen Placementaktivitaten bergen verschiedene grundsatzliche Vor- und Nachteile in sich, die nachfolgend anhand ausgewahlter Beispiele naher beleuchtet werden (1). Daran schliefit sich eine differenzierte Betrachtung einzelner Placementaufgaben hinsichtlich einer zweckmaBigen Zentralitat oder

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Bei einer solchen Vorgehensweise stehen sich zwei unterschiedliche Konfigurationsvarianten gegenuber, wodurch es zu einer ,^ierarchisch mehrdimensionalen Konfiguration" der Placement-Abteilung kommt. Vgl. analog Ringlstetter (1997), S. 77f. Vgl. zu analogen Uberlegungen Lattmann (1985), S. 207fr., sowie Hollmiiller (2002), S. 103ff. Vgl. analog Rother (1996), S. 204.

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Dezentralitat der Aufgabendurchfiihrung an (2). In einem sich anschliefienden dritten Schritt werden diese vorangegangenen Uberlegimgen in die Entwicklung eines so genannten „FreeMarket-Modells" integriert. Dieses zeigt auf, wie zentrale und dezentrale Elemente der Durchfuhrung von Placementaufgaben ineinandergreifen und miteinander kombiniert werden konnen (3).

(1)

Zentralisierung versus Dezentralisierung des Placements

Uberlegungen hinsichtlich einer Zentralisation oder Dezentralisation von Entscheidungskompetenzen und der Aufgabendurchfuhrung werden in verschiedensten betriebswirtschafllichen Problemkontexten aufgegriffen.^^^ Betrachtet man die Vorteile einer Zentralisierung der Durchfuhrung einzelner Placementaufgaben durch eine zentrale Placement-Abteilung, so lassen sich verschiedene grundsatzliche Argumente identifizieren. •

Einheitlichere Durchfuhrung der einzelnen Placementaufgaben: Zum einen kann durch eine Zentralisation eine in inhaltlicher sowie in prozessualer Hinsicht einheitlichere Durchfuhrung der einzelnen Placementaufgaben erreicht werden. In inhaltlicher Sicht kann sich dies etwa in einheitlichen Kriterien bei der Auswahl von Placementkandidaten fur bestimmte Placementschritte niederschlagen. Dadurch wird eine hohere Vergleichbarkeit der untemehmensweiten Kandidatenauswahl moglich.^^^ Prozessuale Einheitlichkeit hingegen kommt beispielsweise in der Durchfuhrung von Induktionsprozessen zum Ausdruck, die nach identischen Kriterien durchgefiihrt werden. Dadurch konnen deutliche Qualitatsunterschiede bei der Durchfuhrung der Placementaufgaben durch dezentrale Einheiten und ein damit verbundener geringerer Professionalisierungsgrad des Placements vermieden werden.^^^



Verringerung des Koordinationsaufwands: Zudem ist ein weiterer Vorteil der Zentralisierung des Placements in der Tendenz zur Verringerung des Koordinationsaufwands zwischen den einzelnen Aufgabentragem des Placements zu sehen. Dadurch lassen sich Redundanzen, beispielsweise bei der Einarbeitung eines Stellenwechslers, und damit Ressourcenverbrauche eher vermeiden.



Einddmmung des Eigeninteresses: Ein weiterer Vorteil der Zentralisierung ist femer in der Moglichkeit zur Eindammung des Problemfelds des Eigeninteresses einzelner Fiihrungskrafte und des Abteilungsegoismus zu sehen. Der so genannte „EigeninteresseEffekt" sowie das damit eng verwandte Phanomen des Abteilungsegoismus stellen wesentliche und in der Praxis weit verbreitete Problemfelder fur das Placement dar. Hierimter ist der Effekt zu verstehen, dass Fiihrungskrafle besonders fahige Mitarbeiter

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Zu einer generellen Ubersicht iiber typische Ziele einer Zentralisation und Dezentralisation von Entscheidungs- und Verantwortungskompetenzen vgl. Hungenberg (1995), S. 102ff. Vgl. Schmidt (1993), S. 129. Vgl. Sattelberger (1996c), S. 104.

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„verstecken", um zu vermeiden, dass diesen im Untemehmen eine alternative Stelle angeboten wird, so dass sie schlieBlich die Abteilung verlassen. Krakel (1997) beschreibt dieses Problem folgendermafien: ,JFuT reale Situationen (...) ist zu vermuten, dass der Vorgesetzte nicht seinen besten Mitarbeiter, dessen Hilfe er lieber selbst nutzen will, der Untemehmensleitung empfehlen wird (...)." (Krakel 1997, S. 159) Vielmehr existiert fiir Fuhningskrafte oftmals ein Anreiz, gerade ihre besten Mitarbeiter fur weitere Placementschritte zu verbergen. Dadurch konnen Humanressourcen mit hohem Weiterentwicklungspotenzial nicht identifiziert werden, so dass es dadurch zu einer Verschwendung von wertvollen Fahigkeitsressourcen kommt. Ein gegenlaufiges Problemfeld des Eigeninteresses ist in der Problematik des „Weglobens" von Mitarbeitem mit geringerer Leistungsfahigkeit zu sehen. So konnen Fuhningskrafte bewusst eine uberhohte Einschatzung des Leistungs- und Placementpotenzials dieser Mitarbeiter vornehmen, um sie dadurch an eine andere Abteilung zu „verlieren". Durch derartige bewusste Informationsverfalschungen kann es zu gravierenden Fehlbesetzungsentscheidungen kommen.^^^ Durch eine zentrale Placement-Abteilung, die fur eine Identifizierung geeigneter Placementkandidaten verantwortlich ist und in Kooperation mit den zustandigen Linienvorgesetzten Placemententscheidungen trifft, kann das Problem des Eigeninteresses abgeschwacht werden. •

Aujbau von Spezialwissen: Femer ist durch die Zentralisierung des Placements die Moglichkeit geboten, zentralisiert Spezialwissen iiber das Placement aufzubauen und dadurch eine Fragmentierung einzelner Wissensquellen zu vermeiden. Durch eine zentrale Placement-Abteilung lasst sich Wissen zum Placement aus Theorie und Praxis zusammenfuhren, aufbereiten und im Sinne einer fortlaufenden Weiterentwicklung der Wissensbasis kontinuierlich aktualisieren. Ein solcher zentraler Aufbau von Expertenwissen erscheint dabei insbesondere aufgrund der hohen Spezifitat und folgedessen des langfristigen Aufbaus von spezifischem Placement-Wissen fur zweckmaBig.^^'*



Erhohte Wirtschaftlichkeit: SchlieBlich ist als ein weiterer Vorteil der Zentralisierung die erhohte Wirtschaftlichkeit anzufuhren, die sich aus der Zusammenlegung der Placementaktivitaten sowie der Biindelung von Kompetenzen ergibt. Als Beispiel sind der Aufbau imd die kontinuierliche Pflege eines zentralen Datenbanksystems fiir das Placement durch eine zentrale Instanz zu nennen.^

Jenseits der angefuhrten Argumente lassen sich hingegen auch schlagkraftige Griinde anfuhren, die fur eine Dezentralisierung des Humanressourcen-Placements sprechen. Die Dezentralisierung des Placements umfasst die Delegation der Placementaufgaben von zentraler Stelle

^"^^ Zu dieser Problematik vgl. Krakel (1997), S. 159, sowie Bock (2002), S. 146. ^"^^ Vgl. Prietula/Simon (1989), S. 120f. Zu Aufbau und Inhalt eines solchen zentralen Datenbanksystems vgl. die nachfolgenden Uberlegungen in Unterpunkt (3).

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aus an verschiedene dezentralere Einheiten und Mitarbeitergruppen. Aus dieser Delegation resultieren verschiedenartige Vorteile. •

Ruckgriff auf eine grofiere Ressourcenbasis: Ein erster Vorteil ist darin zu sehen, dass auf eine grofiere Ressourcenbasis zur Durchfuhrung der einzelnen Placementaufgaben zuriickgegriffen werden kann, indem zusatzlich zu den Placement-Spezialisten auch die Linienvorgesetzten, die Induktionsagenten sowie die Placementkandidaten selbst herangezogen werden.**^^ Dadurch konnen die Placement-Spezialisten bei der Bewaltigung des komplexen Aufgabenfelds insgesamt entlastet werden.



Forderung eines sozialen Fits: Ein weiterer Vorteil der Dezentralisierung ist in der Forderung eines sozialen Fits durch den Einbezug der relevanten Mitarbeitergruppen zu sehen. Denn letztere verfugen in der Regel iiber einen Informationsvorsprung hinsichtlich der „weicheren" Anforderungen gegeniiber einer zentraleren Institution. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die zukunftigen Arbeitskollegen und weitere Induktionsagenten in die Entscheidung zur Auswahl eines bestimmten Placementkandidaten einzubeziehen. Dies kann die Auswahl eines aus sozial-kultureller Hinsicht passenden Kandidaten erleichtem und dadurch zur Reduktion spaterer Konflikte innerhalb der Arbeitsgruppe beitragen. Dariiber hinaus wirkt die Partizipation der Induktionsagenten an der Placemententscheidung auch in gewissem Umfang verpflichtend fur die Zukunft. Denn wer sich fur einen bestimmten Kollegen eingesetzt hat, wird diesen mit geringerer Wahrscheinlichkeit als neuen Kollegen ablehnen und dessen Einarbeitung und Integration erschweren.^^^ Vermehrter Ruckgriff auf dezentrales Wissen: SchlieBlich ist ein dritter Vorteil der Dezentralisierung in der Moglichkeit eines vermehrten Riickgriffs auf dezentrales Wissen fur das Placement zu sehen. So kann etwa das spezifischere Wissen der Linienvorgesetzten und der Induktionsagenten iiber die fachlichen und sozialen Anforderungen einer bestimmten Stelle besser genutzt werden. Femer werden durch den Einbezug des Placementkandidaten in die Planung seiner eigenen Placementschritte laufbahnbezogene Bediirfhisse und Karriereorientierungen leichter zuganglich.^^* Individuelle Wiinsche und Bediirfhisse der Humanressourcen, die ofbnals angesichts neuer Lebenssituationen starken Veranderungen unterliegen,^^' lassen sich leichter identifizieren. Gerade in diesem Punkt erweist sich die klassische Reinform einer zentralen Steuerung von Placementaktivitaten ofbnals als zu starr, um mit der Dynamik von Veranderungen der individuellen Karrierebediirfhisse Schritt zu halten.^®



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Vgl. hierzu Schwager (2003), S. 22. Vgl. Rehn (1990), S. 253. Vgl. analog Strube (1982), S. 177, Staehle (1994), S. 669, sowie Rother (1996), S. 204. Klassisches Beispiel hierfiir stellt die Heirat des Mitarbeiters oder Nachwuchs dar, die eine Veranderung der Karrieremotivation nachsichziehen. Vgl. Oxman/Smith (2004), S. 166.

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Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

Insbesondere die beiden zuletzt genarmten Argumente sprechen vor dem Hintergrund einer angestrebten Fit-Orientierung fiir eine grundsatzliche Hinwendung der Placementsteuerung zur Dezentralitat. Allerdings erscheint aufgrund der existierenden Vorteile einer Zentralisierung eine „Reinform" der Dezentralitat des Placements weder praktikabel noch zweckmaBig. Mit anderen Worten ist die Frage nach einer zentralen oder dezentralen Durchfiihrung der einzelnen Placementaufgaben nicht mit einer „Entweder-Oder"-Festlegimg zu beantworten. Vielmehr geht es um eine Aufteilung von Schwerpunkten zwischen den einzelnen Aufgabentragem des Placements mit einer Tendenz zur Dezentralitat.^^ An dieser Stelle ist zu konzedieren, dass die Grundidee, zentrale und dezentrale Elemente der Personalarbeit miteinander zu kombinieren, grundsatzlich nicht neu ist. ,J)ie wirklich neue Anforderung ist jedoch die Schajfung einer gesunden Balance zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung." (Sattelberger 1996c, S. 104, HervorhebungenY.F.)^^ So gilt es, im Sinne einer komplementaren Zusammenfuhrung der beiden Extrempositionen eine Kombination aus zentralen und dezentralen Elementen fur die Durchfuhrung der einzelnen Placementaufgaben zu wahlen. Dabei sind die Vorteile einer grundsatzlichen Dezentralisierung des Placements um die Vorteile zentraler Steuerungselemente zu erganzen. Ein solcher Ansatz soil im Folgenden naher beleuchtet und anhand konkreter Betrachtungen einzelner Placementaktivitaten veranschaulicht werden.

(2)

Grundsatzliche Dezentralisierung des Placements mit zentralen Elementen

Fiir die Herleitung, welche einzelnen Placementaktivitaten zentral oder dezentral durchzufiihren sind, ist zunachst eine differenziertere Betrachtung von Placementaktivitaten hinsichtlich der ZweckmaBigkeit einer zentralen oder dezentralen Aufgabendurchfuhrung vorzunehmen (a). Im Anschluss daran werden zentrale Pramissen und Leitlinien fiir das Placement erortert, die eine notwendige Erganzung einer Dezentralisierung des Placements darstellen (b). (a) Differenzierte Betrachtung einer zweckmdfligen Zentralitdt oder Dezentralitat der DurchJuhrung einzelner Aufgaben: Bei einer differenzierten Betrachtung, ob einzelne Placementaktivitaten zentral oder dezentral zu erbringen sind, ist zwischen den Aufgaben der Gestaltung des Humanressourcen-Moves und des -Flows zu unterscheiden. •

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Gestaltungsaufgaben des Humanressourcen-Moves: Bei den Placementaufgaben, die der Gestaltung des Humanressourcen-Moves zuzuordnen sind, wie beispielsweise die verschiedenen Aufgaben im Induktionsprozess, ist der Riickgriff auf dezentrales Wissen sowie auf eine breite Ressourcenbasis erforderlich. Es bedarf beispielsweise des dezentralen Wissens der jeweiligen Linienvorgesetzten iiber die formellen und informellen

Vgl. analog Lattmann (1985), S. 207. Vgl. hierzu auch Thomson/Mabey (1994), S. 126.

Teil III: Steueningsdimension des Humanressourcen-Placements



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Anforderungen des neuen Arbeitsumfelds, um geeignete Placementkandidaten auswahlen zu konnen. Femer ist es - wie an friiherer Stelle dargestellt - sinnvoll, die vielfaltigen Aufgaben des Induktionsprozesses auf verschiedene Induktionsagenten zu verteilen, die aufgrund ihrer spezifischen Stellung und sozialen Einbindung innerhalb des Unternehmens fur bestimmte Induktionsaufgaben geeignet sind. Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, dass die Gestaltung des Humanressourcen-Moves als Gestaltungsaufgabe von verschiedenen Mitarbeitergruppen anzusehen und daher dezentral zu erbringen ist. Gestaltungsaufgaben des Humanressourcen-Flows: Hingegen konnen die Placementaufgaben, die mit der Gestaltung des Humanressourcen-Flows zusammenhangen, wie etwa die Identifizierung und Auswahl geeigneter Placementkandidaten sowie die Konzipierung und Planung von Laufbahnen, grundsatzlich zentral erbracht werden. Allerdings bringen vor dem Hintergrund einer zunehmend erforderlichen Flexibilisierung und damit verbundenen Individualisierung des Humanressourcen-Flows dezentrale Elemente bei der Durchfuhrung der Placementaktivitaten Vorteile mit sich. Denn ohne den Einbezug dezentraler Elemente bei der Gestaltung des Humanressourcen-Flows werden in der Regel nur bewahrte Bewegungsrichtungen mit statischen Laufbahnelementen erfasst.^^ Dies lasst sich darauf zuriickfuhren, dass dezentrales Wissen, wie etwa die individuelle Karrieremotivation eines Placementkandidaten, die sich aufgrund einer hohen Veranderungsdynamik zentral nur schwer erfassen lasst, nur unzureichend verfiigbar ist. Durch eine starkere Dezentralisierung der Gestaltungsaufgaben des Humanressourcen-Flows hingegen, beispielsweise durch den Einbezug der Linienvorgesetzten und der Placementkandidaten in den Gestaltungsprozess betrieblicher Laufbahnen, kann verstarkt auf dieses dezentrale Wissen zuriickgegriffen werden. Dadurch k5nnen eine Reihe „statischer Elemente" gangiger Laufbahnoptionen starker dynamisiert und um individuelle Elemente erganzt werden.

(b) Prdmissen und Leitlinien fiir das Placement: Auch wenn eine grundsatzliche Dezentralisierung des Placements anzustreben ist, sind gewisse zentrale Elemente erforderlich, um zu gewahrleisten, dass die einzelnen Placementaktivitaten im Sinne der Untemehmensleitung durchgefuhrt werden. Vor diesem Hintergrund sind in Abstimmung mit der iibergeordneten Personalstrategie des Untemehmens zentral Pramissen und Leitlinien fur das Placement zu entwickeln. Diese legen den Rahmen fur die dezentrale Durchfuhrung einzelner Placementaktivitaten fest und fungieren als untemehmensweite Richtlinien und Regelungen fur das Placement. Dabei ist es sinnvoll, die zentralen Pramissen und Leitlinien zu formalisieren, um eine Objektivierung der im Untemehmen giiltigen Regelungen fiir das Placement zu schaffen, deren Kommunikation zu vereinfachen sowie deren Transparenz zu fordem. ^^ Die Pramissen

^^ ^^

Vgl. Kaiser (2001), S. 159. Vgl. analog Ringlstetter (1997), S. 107.

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Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

konnen dabei als Bedingungen im Sinne von „Wenn-dann-Aussagen" formuliert werden^*^, die es fiir das Placement einer Humanressource auf bestimmte Positionen zu beachten gilt. In den zentralen Pramissen sind folgende Aspekte festzulegen: •

Schliisselpositionen: Zum einen ist festzulegen, welche Positionen, d.h. welche einzelnen Placementschritte entlang einer bestimmten Laufbahn, eingenommen werden sollen. Dazu zahlt die Frage, welche Positionen als heranfuhrende Schritte an spatere Folgepositionen notwendig sind. Damit ist die Definition vorgelagerter Schliisselpositionen fiir die Einnahme anvisierter Folgepositionen angesprochen, die zum einen dem Qualifikationserwerb, zum anderen aber auch der Leistungsselektion und dem PotenzialScreening dienen.^^ Trainee-Stellen oder Stellen in einer auslandischen Tochtergesellschaft stellen klassische Schliisselstellen fur spatere Fuhrungspositionen dar. Die Auswahl und Festlegung solcher Schliisselpositionen kann iiber die Analyse erfolgreicher innerbetrieblicher Placementpfade und Karriereverlaufe erfolgen, indem wiederkehrende, erfolgreiche Muster identifiziert und auf dieser Basis die erfolgskritischen Stellen ermittelt werden. Die ausgewahlten Schliisselstellen dienen dabei als Sollbruchstellen, die in jedem Fall zur Heranfuhrung an eine bestimmte Position zu durchlaufen sind. Derartige Sollbruchstellen ermoglichen es sowohl dem Untemehmen als auch dem jeweiligen Placementkandidaten, die weiterfuhrende Laufbahn zu iiberdenken und gegebenenfalls zu revidieren.^** Dabei stellt die erfolgreiche Einnahme einer solchen Schliisselposition die notwendige Voraussetzung fiir bestimmte Folgepositionen dar. Dadurch wird der Anwarterkreis an Placementkandidaten fur bestimmte Stellen in selektiver Weise eingegrenzt. Die einzelnen Placementschritte jenseits der definierten Schliisselpositionen sind hingegen nicht zentral vorzugeben, um Individualisierungsspielraume fur die Realisierung individueller Placementpfade zu gewahrleisten.^*' Dies entspricht der Idee eines so genannten „Fix-Vario-Prinzips", das fix vorgegebene Elemente enthalt, jedoch zugleich gewisse variable Bestandteile vorsieht. Dadurch entstehen Wahlmoglichkeiten fur die Humanressourcen und damit eine hohere Bediirfhisorientierung fiir die Gestaltung individueller Laufbahnen.^'^



Reihenfolge der einzelnen Placementschritte: Femer ist in den Pramissen festzulegen, in welcher Reihenfolge die einzelnen Placementschritte erfolgen. Dadurch soil gewahrleistet werden, dass eine sinnvoll aufeinander aufbauende Stellenabfolge realisiert werden

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Vgl. Ringlstetter (1997), S. 100. Zu den nachfolgenden Uberlegungen vgl. Berthel/Koch (1985), S. 146. Vgl. analog Becker (1985), S. 34. Zu diesem Prinzip, das in der Literatur auch „Career Exploration"-Ansatz bezeichnet wird, vgl. Kaye/McKee (1986), S. 66ff., sowie Stetter (1999), S. 63. Vgl. Ruppert (1995), S. 152fr., sowie Rollinghoff (1996), S. 216ff. Ein solches ,J^ix-Vario-Prinzip" zur Gestaltung von Laufbahnen geht auf Strube (1982), S. 203ff., zuriick, der einen solchen Ansatz fur eine verstarkte Beriicksichtigung individueller Bediirfnisse und Fahigkeiten fordert. Vgl. hierzu zudem Ruppert (1995), S. 150f.

686 687 688 689 690

Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

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kann, die sicherstellt, dass die bestehenden Fahigkeiten einer Humanressource entlang einer solchen Laufbahn genutzt werden sowie Qualifikationen zielgerichtet in Hinblick auf spatere Zielpositionen aufgebaut werden. •





Verweildauer pro Stelle: Ebenfalls ist festzulegen, welche Verweildauer pro Stelle mindestens einzuhalten ist. Damit ist die Festlegung eines Rahmens fur die Placementgeschwindigkeit angesprochen. Ein solcher ist erforderlich, um entwicklungstheoretische Gesichtspunkte zu gewahrleisten.^'^ Dariiber hinaus sollen dadurch zudem auch dysftinktional wirkende sozialpsychologische Aspekte, wie etwa Neid oder Missgunst von Kollegen, bei rasch aufeinanderfolgenden vertikalen Placementschritten bestimmter Mitarbeiter reduziert werden. Zielpositionen der Laufbahnen: Des Weiteren ist festzulegen, welche Zielpositionen fur bestimmte Laufbahnen vorgesehen sind. Dies ist fur die Schaffling von Transparenz iiber realisierbare Entwicklungsmoglichkeiten innerhalb des Untemehmens erforderlich. Flankierende Entwicklungsmafinahmen: SchlieBlich ist zudem auch zu bestimmen, welche flankierenden Entwicklungsmafinahmen zur Realisierung der einzelnen Placementschritte entlang bestinmiter Laufbahnen erforderlich sind. Dadurch soil die Erreichung eines fachlichen Fits der Placementkandidaten zu Folge- und Zielpositionen gefordert werden. Damit ist die Schnittstelle des Placements zur HumanressourcenEntwicklung angesprochen.

Durch die Klarung der genannten Aspekte in den zentral definierten Pramissen wird der Rahmen abgesteckt, in dem sich dezentrale Placemententscheidungen bewegen konnen. Die zentralen Pramissen bilden folglich die „Leitplanken", innerhalb derer die unterschiedlichen Trager der einzelnen Placementaktivitaten eigenverantwortlich handeln konnen. Femer tragt die Festlegung derartiger Pramissen zu einer Eingrenzung kiinfliger Aktionsmoglichkeiten und somit zu einer Reduktion der realen Komplexitat von Placemententscheidungen bei.^^^ Beispielsweise wird die theoretisch mogliche Vielzahl von altemativen Placementkandidaten im Sinne einer Vorstrukturierung an Entscheidungsaltemativen auf ein vergleichsweise iiberschaubares Mafi limitiert. Humanressourcen, die den festgelegten Pramissen fur ein Placement nicht entsprechen, scheiden von vomherein aus der Entscheidungsfmdung aus. Diese Vorstrukturierung tragt dabei aus Sicht des Untemehmens zu einer hoheren Transparenz und Uberschaubarkeit der verfiigbaren Placementkandidaten bei. Gleichzeitig fahrt dies auch aus Sicht der Humanressourcen zu einer hoheren Transparenz erreichbarer Placementschritte und Entwicklungsmoglichkeiten.**'^ Erganzend zu diesen Pramissen sind dariiber hinaus auch zentrale Leitlinien fur das Placement zu entwickeln und entsprechend zu formalisieren, die mit den iibergeordneten Strategien des Humanressourcenmanagements und der Untemehmensstrategie abzustimmen sind.

*'^

Vgl. hierzu die detaillierten Ausfuhrungen in Abschnitt II. 1.1. Vgl. Lumann (1971), S. 73, sowie Fuchs (1995), S. 87.

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Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

Grundsatzlich kann zwischen positions- und personenorientierten Leitlinien bei Stellenbesetzungsentscheidungen differenziert werden.^^^ In der Arbeit wird von einem Aufgabenverstandnis des Placements ausgegangen, das sich auf die Besetzung der vorhandenen Stellen des Untemehmens mit adaquaten Mitarbeitem bezieht. Dies entspricht folglich einer positionsbezogenen Placemententscheidung. In der betrieblichen Praxis sind in vereinzelten Fallen allerdings auch Abweichungen von diesem Grundsatz durch personenbezogene Stellenbesetzungsentscheidungen denkbar, die eine individuenspezifische Zuschneidung der Stellen an das Profil des Placementkandidaten umfassen.^'^ Eine solche Vorgehensweise bietet sich in zwei Fallen an. •



Zum einen konnen langfristige Entwicklungsziele einzelner Humanressourcen angestrebt werden, denen Vorrang vor der Fit-orientierten Besetzung einer Stelle mit fixem Aufgaben- und Anforderungsprofil eingeraumt wird. Zum anderen ist auch der Fall denkbar, dass aus akquisitorischen Griinden zur Gewinnung hochspezialisierter Mitarbeiter die funktionale Beziehungsstruktur der vorhandenen Stellen, d.h. die Aufgaben- und Kompetenzverteilung, den individuellen Wiinschen des Placementkandidaten angepasst wird.^'^

Sowohl die formalisierten Pramissen als auch die Leitlinien fur das Placement sind an mogliche Veranderungen, beispielsweise an veranderte Arbeitsmarktbedingungen, anzupassen. Verbessert sich beispielsweise aus Sicht des Arbeitgebers die Situation am extemen Arbeitsmarkt, indem ein „Verkaufermarkt" entsteht, so kann mit hoherer Wahrscheinlichkeit von personenbezogenen Placemententscheidungen Abstand genommen werden als in Zeiten eines „Kaufermarktes".^^^ Die aktuell giiltigen Pramissen und Leitlinien fur das Placement sind fur die Mitarbeiter zuganglich und transparent zu machen. Dies kann beispielsweise in Form von Veroffentlichungen in der Mitarbeiterzeitung, im Intranet, am Schwarzen Brett, in Informationsveranstaltungen, in Karriereworkshops, oder im Rahmen individueller Forder- und Placementgesprache erfolgen.^^* Dabei konnen die genannten Arenen dariiber hinaus auch dazu 693 694 695

Vgl.Fuchs(1975),S. 87. Vgl. hierzu und im Folgenden Wunderer (1973), S. 17f. Vgl. Ortmann (1995), S. 400. Dieser umschreibt - in einem iibertragenen Kontext - das Prinzip der individuellen Zuschneidung von Stellen auf den Stelleninhaber folgendermaBen: „Nicht suchen wir einfach nach dem Schliissel fur ein fix und fertiges SchloB, sondem wir erschlieCen uns die Eigenschaften des Schlosses erst wahrend der Suche und des Ausprobierens des Schliissels, und nie ist ausgeschlossen, daB wir am Ende, statt eines passenden Schliissels fur ein SchloB, ein passendes SchloB ftir einen Schliissel gefunden haben." (Ortmann 1995, S. 400). Da eine solche Vorgehensweise nicht dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Aufgabenverstandnis des Placements entspricht, soil nicht tiefer auf die personenbezogene Zuschneidung von Stellen eingegangen werden. Man spricht in diesem Kontext von einem „Verkaufermarkt", wenn es mehr Humanressourcen am externen Arbeitsmarkt als Arbeitsplatzangebote gibt, wodurch die ,Alacht" der Arbeitgeber erhoht wird. Hingegen liegt ein ,JCaufermarkt" vor, wenn es weniger geeignete Humanressourcen als Arbeitsplatzangebote gibt, so dass die Humanressourcen die Auswahl zwischen mehreren Arbeitgebem besitzen und somit iiber mehr Verhandlungsmacht verfligen. Vgl. SimonAViltinger (1998), S. 29. Vgl. Bock (2002), S.55f

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herangezogen werden, die bestehenden Pramissen im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung zur Diskussion zu stellen.

(3)

Entwicklung eines Free-Market-Ansatzes

Aktuell lasst sich eine grundsatzliche Werteverschiebung der Humanressourcen hin zu einem starkeren Bediirfiiis nach Werten individualistischer Pragung wie Eigenstandigkeit und Selbstbestimmtheit sowie eine starkere Betonung individueller arbeits- und karrierebezogener Bedurfhisse konstatieren. Fiir diese Entwicklung muss auch die Steuerung eines Fitorientierten Humanressourcen-Placements einen geeigneten Bezugrahmen zur Verfugung stellen. Ein solcher kann - einhergehend mit der Forderung nach einer starkeren Dezentralisierung des Placements - anhand eines so genannten „Free-Market-Ansatzes" ^^^ bereitgestellt werden7^® Um sich dem Konzept des Free-Market-Ansatzes zu nahem, werden zunachst die zentralen Bestandteile eines solchen Ansatzes fur das Placement dargestellt (a). Fur die Umsetzung eines derartigen dezentralen Free-Market-Ansatzes ist ein geeignetes Informationssystem iiber organisations- und mitarbeiterbezogene Daten erforderlich. Ein solches Informationssystem liegt in der Praxis allerdings meist nicht vor. ^^^ Vor diesem Hintergrund wird in einem zweiten Schritt ein integriertes Datenbanksystem fur das Placement entwickelt (b). (a) Bestandteile eines Free-Market-Ansatzes: Ein Free-Market-Ansatz setzt sich aus zwei wesentlichen Elementen zusammen. Zum einen sieht der Free-Market-Ansatz vor, dass suchende Linienvorgesetzte in den jeweiligen Teileinheiten geeignete Placementkandidaten selbst ansprechen, die auf eine zu besetzende Stelle passen. Zum anderen umfasst der FreeMarket-Ansatz MaBnahmen, in transparenter Form untemehmensinteme Stellenausschreibungen zu schalten. Dadurch konnen sich die Humanressourcen selbst fur eine bestimmte Vakanz bewerben, die ihrer Leistungsfahigkeit und -bereitschaft sowie ihren Bediirfhissen entspricht/^^ Humanressourcen werden so zu „Agenten ihrer eigenen karrierebezogenen Bediirfnisse"/^"' Ein solcher Free-Market-Ansatz birgt folgende wesentliche Vorteile in sich: •

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Nutzung spezifischer Informationen der Teileinheiten: So ist in der Regel davon auszugehen, dass die suchenden Teileinheiten spezifischere Informationen dariiber besitzen, wie das Profil einer bestimmten Humanressource ausgepragt sein muss, um die fachlichen und sozialen Anforderungen einer bestimmten Stelle zu erfullen. Diese spezifischeren Informationen lassen sich dazu nutzen, zielgerichteter nach geeigneten Placementkandidaten zu suchen.

Zum Begriff des ,J^ree-Market"-Ansatzes in diesem Kontext vgl. Handfield-Jones (2000), S. 122, sowie Kaiser (2001), S. 160. Vgl. Handfield-Jones (2000), S. 116ff. Vgl. Agrawal/Berryman/Richards (2003), S. 72, sowie Idinopulos/Kempler (2003). Vgl. Kaiser (2001), S. 160. Vgl.Ruppert(1994),S. 70.

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Teil III: Steuerungsdimension des Humanressourcen-Placements

Nutzung spezifischer Informationen der Placementkandidaten:

Dariiber hinaus kann

durch den Einbezug der Humanressourcen in ihre Laufbahnplanung der Informationsvorsprung^, den Humanressourcen hinsichtlich ihrer Leistungsfahigkeit und -bereitschaft sowie ihrer individuellen Karriereplane gegeniiber einer zentralen Instanz besitzen, genutzt werden.^^'* So lassen sich beispielsweise individuelle Karriereanker, die in Workshops- und Placement-Gesprachen nicht fehlerfrei aufgedeckt werden konnen, leichter identifizieren. Mit anderen Worten werden die Placementkandidaten, die ihre Fahigkeiten und Bediirfhisse am besten kennen, selbst an der Entscheidung iiber die Einnahme bestimmter Stellen sowie der Planung geeigneter Stellenabfolgen beteiligt. Auf Basis dieser Informationen lassen sich bediirfhisgerechtere Laufbahnen konzipieren.™' •

Verringerung der mitarbeiterinduzierten Fluktuation: Femer kann davon ausgegangen werden, dass eine mitarbeiterinduzierte Fluktuation, d.h. ein fruhzeitiges Verlassen der Stelle, verringert wird, wenn die Humanressource an der Entscheidung, die Stelle einzunehmen, mafigeblich partizipiert hat.

Fasst man diese Vorteile zusammen, ergibt sich folgendes aggregiertes Bild: Der FreeMarket-Ansatz lasst eine spezifischere Nutzung von Informationen zu, die mit einer hoheren Verantwortungsiibemahme der suchenden Teileinheiten sowie der Humanressourcen an der Gestaltung des Humanressourcen-Flows verbunden ist. Dies stellt die betroffenen Humanressourcen vor die zentrale Herausforderung, fur das „strategische Management der eigenen Entwicklung" verantwortlich zu sein.^^^ Der Free-Market-Ansatz entspricht damit der Philosophic eines „Untemehmertums an der eigenen Humanressource"^^^, in welcher den Humanressourcen eine hohere Selbstverantwortung an ihrer Karriere eingeraumt wird/^* Eine solche hohere Selbstverantwortung lasst sich auch durch das Schlagwort „Empowerment" umschreiben. Dieses beschreibt eine starkere Verlagerung von zentralen Entscheidungs- und Machtbefugnissen zum einzelnen Mitarbeiter/^' Die hohere Partizipation der Humanressourcen an der

704 705 706

Vgl. Becker (1990), S. 165f. Vgl. Becker (2003), S. 17. Vgl. Sattelberger (1996c), S. 87fr., Looss/Stadelmann (1997), S. 141, sowie Schwager (2003), S. 19. In der angloamerikanischen Literatur hat sich hierfur insbesondere der Terminus „Self-Motivated-CareerPlanning" durchgesetzt. Vgl. hierzu stellvertretend Benson/Thornton (1978). Zum Terminus „Untemehmertum an der eigenen Humanressource" vgl. Ringlstetter (1998), S. Iff, sowie Kaiser (2001), S. 180. Sattelberger (1999) greift diesen Begriff auf und fordert mehr Selbstverantwortung der Fiihrnngskrafte an ihrer Laufbahn fur den Erhalt ihrer Beschaftigungsfahigkeit. Vgl. hierzu Sattelberger (1999), S. 275. Bereits im Jahr 1913 beurteilte Frederik Taylor die Zuweisung von Tatigkeiten, ohne die Mitarbeiter an dieser Entscheidung teilhaben zu lasen, kritisch: „Auf Grund eines wissenschaftlichen Studiums wahlen sie [die Fuhrungskrafte] die passendsten Leute aus, schulen sie, lehren sie und bilden sie weiter, anstatt, wie fhiher, den Arbeitern selbst die Wahl ihrer Tatigkeit und ihre Weiterbildung zu iiberlassen." (Taylor 1913, S. 38, Hervorhebung Y.F.). Vgl. Hartmann (1993), S. 118, Strasse (1998), S. 13, Holden (2001), S. 559ff, sowie Johnson/Fritzsche/Bertrand (2005), S. 19f

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Gestaltung ihrer Laufbahnen ist dabei durch entsprechende Coaching, Feedback- und Beratungsmafinahmen zu unterstiitzenJ^^ (b) Entwicklung eines integrierten Datenhanksystems fiir das Placement: Vor dem Hintergrund der Forderungen nach einer aktiveren Einbindung von Mitarbeitem in ihre betriebliche Entwicklungsplanung sowie nach einer starkeren DezentraHsierung des Placements gewinnen Systeme an Bedeutung, mit deren Hilfe die Umsetzung beider Forderungen erleichtert werden kann. So erscheint die Errichtung eines Informationssystems^" zweckmafiig, das organisations- und personenbezogene Daten miteinander verbindet und einen Abgleich zwischen dem Profil der zu besetzenden Stellen und den Profilen von potenziellen Placementkandidaten ermoghcht. Fiir diesen Zweck sind eine Personaldatenbank mit einer Stellendatenbank miteinander zu verknupfen^*^ Ein solches integriertes Datenbanksystem dient dabei zwei wesentlichen Zielsetzungen. •

Identifizierung geeigneter Placementkandidaten fur Stellenvakanzen: Zum einen lasst sich dadurch eine systematische Erfassung, Speicherung und Auswertung von entscheidungsrelevanten Informationen fur das Placement realisieren, das den Entscheidungstragem als informatorische Grundlage zur Entscheidungsvorbereitung dient. Durch den Einsatz geeigneter Suchtechnologien im Rahmen einer Datenbanklosung kann die Identifizierung geeigneter Placementkandidaten fur ausgeschriebene Vakanzen in effektiver und effizienter Form unterstiitzt und der Identifizierungsprozess beschleunigt werden. Ein solches Informationssystem ist so zu entwickeln, dass es als Expertenverzeichnis Oder als so genarmte „People-Finder-Datenbank" fur das Placement fungieren kann. In einer derartigen Datenbank werden die einzelnen Humanressourcen des Untemehmens mit ihren jeweiligen Profilen und ihrem bisherigen Werdegang verzeichnet.



Schaffung von Transparenz uber organisationale

Wissenstrdger. Gleichzeitig ermog-

licht eine solche Datenbank die Schaffung von Transparenz iiber die organisationalen Wissenstrager, indem neben der Identifikation geeigneter Placementkandidaten zugleich auch spezialisierte Ansprechpartner fur bestimmtes Expertenwissen auffindbar gemacht werden. So ermoglicht ein solches Datenbanksystem ein „Management des KnowWhos".^^^ Dadurch schlieBlich kann eine durch die konfinuierliche Veranderung der Humanressourcenarchitektur verursachte Intransparenz iiber die Verortung von Wis-

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Vgl. hierzu die Ausfuhrungen zu Placement-Workshops in Kapitel 1.2.2. Zu Personalinformationssystemen im Allgemeinen und deren Anwendbarkeit in personalwirtschaftlichen Einzelfunktionen vgl. Finzer (1991). Vgl. Domsch/Schneble (1993), S. 421f., Bisani (1995), S. 331. Zur exemplarischen Darstellung derartiger Suchtechnologien im Kontext von Stellenbesetzungsentscheidungen vgl. MuUer-Thuns (2000), S. 64f., Idinopulos/Kempler (2003), sowie Schiiler (2003), S. lOff. Vgl. Sattelberger(1999), S. 107. Vgl. Kaiser (2004), S. 181.

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senstragem und damit die Uniibersichtlichkeit der organisationalen Wissensbasis vermieden werden.^^^ Um als Informations- und Entscheidungsgrundlage fur ein Fit-orientiertes Placement herangezogen werden zu konnen, stellt die kontinuierliche Aktualisierung der Datenbank eine wesentliche Voraussetzung fur deren Anwendbarkeit dar7^^ Eine weitere wesentliche Herausforderung bei der Konzipierung eines solchen Datenbanksystems liegt in der sinnvollen Sammlung und Kategorisierung der einzelnen Informationsbestandteile. „Clearly the problem is no one of availability of information but of information management: deciding which data to store in what categories and how to update and maintain them."(Clarkl992, S. 55) Sinnvoll bei der Gestaltung eines integrierten Datenbanksystems ist die Strukturgleichheit der Stellen- und der Personaldatengruppen, um einen direkten Abgleich der Datengruppen zu ermoglichen. Ein entsprechendes Modell fur eine solche integrierte Datenbanklosung fur das Placement ist in Abbildung III-l dargestellt.

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