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German Pages 574 Year 2005
Massivbau in ganzer Breite Festschrift zum 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch
Förderverein Massivbau der TU München e.V. Schriftleitung: Dr.-Ing. Roland Niedermeier
Massivbau in ganzer Breite Festschrift zum 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch
Mit 307 Abbildungen
4ü Springer
Förderverein Massivbau der TU München e.V. Schriftleitung: Dr.-Ing. Roland Niedermeier
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ISBN 3-540-22541-2 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Umschlag-Entwurf: deblik, Berlin Satz: Digitale Druckvorlage der Herausgeber Anzeigen: Renate Birkenstock, Springer, Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020 Rw 5 4 3 2 1 0
UNIV.-PROF. DR.-ING. KONRAD ZILCH
Zum Geleit
Massivbau in ganzer Breite – der Titel dieser Festschrift zum 60. Geburtstag von Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch ist nicht nur eine angemessene Bezeichnung für die Sammlung der hier abgedruckten Beiträge, sondern auch Synonym für das berufliche Wirken des Jubilars als Ordinarius für Massivbau. Dies mag einerseits auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass im großen Bundesland Bayern nur an einer wissenschaftlichen Hochschule eine Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen existiert und der Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität München deshalb traditionell als Ansprechpartner in allen fachlichen Fragen für die Bauverwaltung, die Bauherren und die Bauindustrie gilt. Andererseits hat Herr Prof. Zilch persönlich diese Tradition nicht nur aufgegriffen und fortgeführt sondern stets anhand aktueller Fragestellungen die Kompetenzen seines Lehrstuhls erweitert. Hier sei nur die Etablierung einer ständigen Forschungsgruppe auf dem Gebiet Mauerwerksbau mit der Unterstützung der Mauerwerksindustrie genannt. So sind dem Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität München und seinem derzeitigen Ordinarius nicht nur einzelne Forschungsschwerpunkte zuzuordnen sondern Kompetenz auf dem gesamten Gebiet des Massivbaus. Dies zeigt sich beispielsweise in der Obmannschaft des Technischen Ausschusses für Bemessung und Konstruktion im Deutschen Ausschuss für Stahlbeton, der Mitwirkung in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien, in zahlreichen Veröffentlichungen zu verschiedenen Themen - nicht zuletzt als Herausgeber wichtiger Fachbücher und Fachzeitschriften - sowie der Mitwirkung als Prüfer bei vielen Promotionsverfahren. Die vorliegende Festschrift enthält die Schriftfassungen der Vorträge zum Jubiläums-Seminar, das am 15. Oktober 2004 an der Technischen Universität München stattfindet, sowie zahlreiche Fachbeiträge. Als Autoren haben sich neben renommierten Professorenkollegen von Herrn Prof. Zilch auch seine Doktoranden zu Verfügung gestellt, die er während seiner Hochschullaufbahn bislang als Doktorvater betreute. Gewürdigt wird durch die Beiträge deshalb der Hochschullehrer und Forscher, aber auch der Konstrukteur und Bauverantwortliche. Erwähnt werden soll hier, dass die Anzahl der eingegangenen, Herrn Prof. Zilch gewidmeten Beiträge den ursprünglich geplanten Umfang der Festschrift auf die beinahe doppelte Seitenanzahl anwachsen ließ. Den Autoren sei an dieser Stelle für Ihre hervorragenden Beiträge gedankt.
VIII
Zum Geleit
Zu danken ist auch den nachfolgend genannten Unternehmen, die die Herausgabe dieser Festschrift finanziell unterstützten: Adam Hörnig GmbH & Co. KG Alpine Bau Deutschland GmbH Bauholding Strabag Aktiengesellschaft Bilfinger Berger AG Büchting + Streit GmbH Dywidag -Systems International GmbH Ed. Züblin AG Ing.-Büro Dr. Kupfer Ingenieurbüro Grassl GmbH Ingenieurgemeinschaft Dr.-Ing. Höllerer Schäfer und Partner GmbH Konstruktionsgruppe Bauen Kempten AG Laumer Bautechnik GmbH Leonhardt Andrä und Partner GmbH Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG Max Streicher GmbH & Co. KG aA Obermeyer Planen + Beraten GmbH Prof. Dr.-Ing. Bulicek + Ingenieure Schmitt Stumpf Frühauf und Partner Ingenieurgesellschaft mbH Schwenk Zement KG Solnhofer Portland-Zementwerke GmbH & Co. KG Stahlwerk Annahütte Max Aicher GmbH & Co. KG Torkret AG Vorspann-Technik GmbH & Co. KG Walter Dywidag Engineering GmbH Zilch + Müller Ingenieure GmbH
Herausgeber dieser Festschrift ist der von Herrn Prof. Zilch im Jahr 2000 ins Leben gerufene Förderverein Massivbau der TU München e.V., der den Lehrstuhl für Massivbau bei seinen Aufgaben in Forschung und Lehre unterstützt. Vom Herausgeber wurde ich mit der Schriftleitung für diese Festschrift betraut. Dieser Aufgabe bin ich gerne nachgekommen, da ich Herrn Prof. Zilch seit 1993 als Vorgesetzten, Lehrer und Doktorvater schätzen gelernt habe und ihm - wie viele andere - große Teile meiner beruflichen Qualifikation und Entwicklung verdanke. So habe ich hier die besondere Freude und Ehre, Herrn Prof. Zilch im Namen aller an dieser Festschrift Beteiligten zu danken und zu seinem 60. Geburtstag alles Gute zu wünschen, Gesundheit, Glück und Erfolg bei all seinen privaten und beruflichen Vorhaben.
München, im August 2004
Roland Niedermeier
Veröffentlichungen
In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlreiche Veröffentlichungen von Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch verfasst. Aus Platzgründen können in der folgenden Zusammenstellung nur wichtige Arbeiten angegeben werden.
Bücher und Beiträge zu Büchern und Sammelwerken: 1
Ein Beitrag zur Berechnung von Bauwerken im böigen Wind Mitteilungen aus dem Institut für Massivbau der Technischen Hochschule Darmstadt, Heft 15; Berlin, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, 1970
gemeinsam mit G. König 2
Sicherheitstheoretische Untersuchungen der für die Wirtschaftlichkeit von Hochhäusern maßgebenden Lastannahmen Berichte aus der Bauforschung, Heft 85; Berlin, Vertrieb durch Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, 1973
gemeinsam mit H. Beck und G. König 3
Zum Einfluss winderregter Gebäudeschwingungen auf das Wohlbefinden von Menschen Schwingungstechnik - Kriterien für Schockeinwirkung und Schockverträglichkeit, VDI-Berichte 210. Düsseldorf: VDI-Verlag 1973, S. 33 - 35
4
Zur Berechnung stabilitätsgefährdeter ebener regelmäßiger Windrahmen Dissertation, Technische Hochschule Darmstadt, 1977
5
Hochbrücke Brunsbüttel über den Nord-Ostsee-Kanal Spannbetonbau in der Bundesrepublik Deutschland 1978 - 1982. Wiesbaden: Deutscher Beton-Verein E.V. 1982, S. 67 - 72
X
Veröffentlichungen
6
Ein anschauliches Lastkonzept für Hochhäuser im böigen Wind Habilitationsschrift, Technische Hochschule Darmstadt, 1983
7
Zur nichtlinearen Berechnung ebener Stabwerke aus Stahlbeton Festschrift Heinrich Trost. Aachen: Forschungsförderung Baustatik, Massivbau, Stahlbau e.V. 1991
gemeinsam mit G. Weiler 8
Einfluss des Vorspanngrads auf das Ermüdungsverhalten von Tragwerken unter Eisenbahnlasten Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Gert König, Technische Hochschule Darmstadt, 1994, S. V1-V19
gemeinsam mit L. Bagayoko 9
Non-Linear Analysis and Safety Evaluation by Finite-ElementReliability Method New Developments in Non-Linear Analysis Method, Basic Papers from the Working Party, Lausanne: 1995, S. 49-74 (CEB, Bulletin d’Information No. 229)
gemeinsam mit U. Vismann 10
Grundsätze zur Beurteilung Verstärken von Betonbauteilen – Sachstandsbericht, Deutscher Ausschuß für Stahlbeton, Heft 467. Berlin: Beuth 1996, S. 11-14
gemeinsam mit J. Mainz 11
Entwurf für eine neue DIN 1045 – Vergleich mit der alten DIN 1045 und mit DIN 4227 im Hinblick auf den Fertigteilbau Beton + Fertigteil Jahrbuch 1997, 45. Ausgabe, Bauverlag Wiesbaden, S. 31 – 54; zugleich in: Betonwerk + Fertigteil-Technik, 3 (1997), S. 93 - 109
gemeinsam mit J. Mainz 12
Technical Document of ERRI-346: Fatigue Design of Concrete Railway Bridges: Loading, Resistance Verification Formulae for ENV1992-2 ERRI 1997
gemeinsam mit L. Bagayoko 13
Bemessung von Beton, Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen nach EC 2 für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit Betonkalender 1998, Teil I, Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 1998
gemeinsam mit A. Rogge
Veröffentlichungen
14
XI
Verfahren für die Beschreibung der Interaktion von Baugrund und Tragwerk Mitteilungen des Instituts und der Versuchsanstalt für Geotechnik der TU Darmstadt Nr. 38. Darmstadt, 1998
gemeinsam mit R. Schneider 15
Ausgewählte Kapitel zur Bemessung und Konstruktion von Betonfertigteilen nach DIN 1045-1 Beton + Fertigteil-Jahrbuch 1998. Wiesbaden: Bauverlag, 1998
gemeinsam mit M. Staller 16
Bemessung von Beton, Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen nach EC 2 für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit Betonkalender 1999, Teil I, Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 1999
gemeinsam mit A. Rogge 17
Hochleistungsbeton im Brückenbau Buschmeyer, W. (Hrsg.): Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. György Ivanyi. Düsseldorf: Bau + Technik, 1999
gemeinsam mit M. Hennecke 18
Bemerkungen zur Bemessung von Beton mit rezyklierten Zuschlägen Teutsch, M. (Hrsg.): Betonbau – Forschung, Entwicklung und Anwendung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Horst Falkner, IBMB TU Braunschweig, Heft 142: Braunschweig: 1999
gemeinsam mit F. Roos und M. Müller 19
BK:/3 – Elektronischer Betonkalender CD-ROM. Berlin, Verlag Ernst & Sohn, 1999
gemeinsam mit A. Rogge und C. Schmidhuber 20
Practical Aspects Structural Concrete: Textbook on Behaviour, Design and Performance, Volume 3. Lausanne: Fédération Internationale du Béton (fib), Bulletin 3 1999, S. 237269
gemeinsam mit A. Schießl 21
Klebearmierung - Neue Materialien, neue Verfahren Jahrbuch 2000 der VDI-Gesellschaft Bautechnik, S. 137-149
gemeinsam mit R. Niedermeier
XII
22
Veröffentlichungen
Grundlagen der Bemessung von Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen nach DIN 1045-1 Betonkalender 2000 Teil I. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2000. S. 171-311
gemeinsam mit A. Rogge 23
Bemessung von Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen nach EC 2 für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit Bemessen und Konstruieren im Studium. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2000. S. 1-114
gemeinsam mit A. Rogge 24
Betonkennwerte für die Bemessung und das Verbundverhalten von Beton mit rezykliertem Zuschlag Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 507. Berlin: Beuth-Verlag 2000
gemeinsam mit F. Roos 25
Mauerwerk Atlas Institut für Internationale Architektur-Dokumentation GmbH (Hrsg.) München: Birkhäuser – Edition Detail, 2001 Englische Übersetzung:
Masonry Construction Manual München: Birkhäuser – Edition Detail, 2001 Italienische Übersetzung:
Muratura Turin, Unione Tipigrafico-Editrice Torinese, 2003
gemeinsam mit J. Achtziger, G. Pfeifer und R. Ramcke sowie M. Schätz 26
Übersicht und Struktur der DIN 1045-1 Zilch, K.; Curbach, M. (Hrsg.): Einführung in die DIN 1045-1 - Anwendungsbeispiele. Berlin: Verlag Ernst & Sohn 2001.
gemeinsam mit T. Fritsche 27
Baugrund-Tragwerk-Interaktion Zilch, K.; Diederichs, C.J.; Katzenbach, R. (Hrsg.): Handbuch für Bauingenieure. Berlin: Springer Verlag 2001.
gemeinsam mit R. Katzenbach, C. Brandes und C. Moormann 28
Massivbau Zilch, K.; Diederichs, C.J.; Katzenbach, R. (Hrsg.): Handbuch für Bauingenieure. Berlin: Springer Verlag 2001.
gemeinsam mit R. Schneider
Veröffentlichungen
29
XIII
Externally bonded FRP reinforcement for RC structures Fédération Internationale du Béton (Hrsg.): fib – bulletin 14 : Externally bonded FRP reinforcement for RC structures, Laussane: 2001
gemeinsam mit G. Zehetmaier und R. Niedermeier 30
Übersicht und Struktur der DIN 1045-1 Zilch, K.; Curbach, M. (Hrsg.): Einführung in die DIN 1045-1 - Anwendungsbeispiele. Berlin: Verlag Ernst & Sohn 2001, 2. Auflage.
gemeinsam mit T. Fritsche 31
Schubtragfähigkeit längsbewehrter Porenbetonbauteile ohne Schubbewehrung Thermische Vorspannung bewehrter Porenbetonbauteile Kriechen von unbewehrtem Porenbeton Kriechen des Porenbetons im Bereich der zur Verankerung der Längsbewehrung dienenden Querstäbe und Tragfähigkeit der Verankerung Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 518. Berlin: Beuth 2001
gemeinsam mit F. Daschner 32
Kombinationsregeln für Ermüdung – Untersuchung der Grundlagen für Betriebsfestigkeitsnachweise bei Spannbetonbrücken Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 824. Bonn: BMVBW 2001.
gemeinsam mit M. Hennecke und R. Buba 33
Anwendung neuer Werkstoffe im konstruktiven Betonbau Festschrift zu „Wasserwirtschaft im Wandel“. Kassel Dezember 2001
gemeinsam mit C. Gläser 34
Rissbildung und Verbund - Versuche in Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen Fuchs, W.; Reinhardt H.-W. (Hrsg.): Befestigungstechnik, Bewehrungstechnik und … Stuttgart: ibidem-Verlag 2002
gemeinsam mit M. Cyllok 35
Fatigue of Railway Bridges - Ermüdungsverhalten bei Eisenbahnbrücken - Fatigue des Ponts-Rails en Betons - State of the Art Sachstandsbericht - Etat des Connaissances ERRI Report RP1 - D216. European Rail Services B.V. Utrecht, 2002
gemeinsam mit L. Bagayoko und R. Reinecke
XIV
36
Veröffentlichungen
Anwendung von hochfestem Beton im Brückenbau Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 522. Berlin; Beuth 2002, S. 5-61
gemeinsam mit M. Hennecke 37
Erfahrungen mit Entwurf, Ausschreibung, Vergabe und Tragwerksplanung Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 522. Berlin; Beuth 2002, S. 63-76
gemeinsam mit A. Müller, H. Pfisterer und J. Weber 38
Schubtragfähigkeit von Betonergänzung an nachträglich aufgerauten Betonoberflächen bei Sanierungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 528. Berlin; Beuth 2002
gemeinsam mit J. Mainz 39
Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung – Berechnung und Beobachtung von Rissbreiten unter reiner Biegung P. Schießl, D. Heinz (Hrsg.): Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Peter Schießl. München: cbm 2003 (Schriftenreihe Baustoffe Heft 2/2003)
gemeinsam mit M. Cyllok 40
Zur Berechnung und Begrenzung der Verformung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 525. Berlin: Beuth-Verlag, 2003
gemeinsam mit U. Donaubauer und R. Schneider 41
Zur Berücksichtigung der Nettobetonquerschnittsfläche bei der Bemessung von Stahlbetonquerschnitten mit Druckbewehrung Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 525. Berlin: Beuth-Verlag, 2003
gemeinsam mit A. Jähring und A. Müller 42
Zum Ermüdungsnachweis bei Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 525. Berlin: Beuth-Verlag, 2003
gemeinsam mit G. Zehetmaier und D. Rußwurm 43
Experimentelle Untersuchungen zum Verhalten von Mauerwerk unter Erdbebenbeanspruchung Festschrift zum 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dietmar Hosser , IBMB TU Braunschweig Heft 173. Braunschweig, 2003
gemeinsam mit D. Schermer
Veröffentlichungen
44
XV
Experimentelle und numerische Untersuchungen zum Erdbebentragverhalten unbewehrter Mauerwerksbauten Schubert et. al. (Hrsg.): Mauerwerk-Kalender 2004 (S. 649 – 664). Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2004
gemeinsam mit D. Schermer 45
Ermüdungsnachweis bei Massivbrücken Bergmeister, K.; Wörner, J.-D. (Hrsg.): Betonkalender 2004. Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 2004
gemeinsam mit G. Zehetmaier und C. Gläser 46
Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen im Brückenund Hochbau Bergmeister, K.; Wörner, J.-D. (Hrsg.): Betonkalender 2004. Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 2004
gemeinsam mit A. Rogge
Beiträge in Zeitschriften 47
Zur Formulierung eines Schwingbeiwertes Straße Brücke Tunnel 23 (1971), S. 257 - 262
gemeinsam mit V. Weißgerber 48
Zur Windwirkung auf Gebäude Beton- und Stahlbetonbau 67 (1972), S. 32 - 42. Zuschrift Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Leonhardt und Erwiderung. Beton- und Stahlbetonbau 68 (1973), S. 23 - 24
gemeinsam mit G. König 49
Bemessung von Bauwerken gegen Erdbebenbelastungen - Ein Bericht zum Stand der Forschung und Praxis Die Bautechnik 51 (1974), S. 145 - 155
50
Erläuterungen zu den "Richtlinien für die Bemessung von Stahlbetonbauteilen von Kernkraftwerken für außergewöhnliche äußere Belastungen (Erdbeben, Äußere Explosion, Flugzeugabsturz)" Mitteilungen Institut für Bautechnik, Heft 1, 1976
gemeinsam mit F. Stangenberg
XVI
51
Veröffentlichungen
Wind Loading of Shipyard Gantry Cranes - Full-Scale Measurements Journal of Industrial Aerodynamics 4 (1979), S. 429 - 435
gemeinsam mit G. König und G. Lappas 52
Zur dynamischen Berechnung ebener regelmäßiger Rahmen im Lastfall Erdbeben Die Bautechnik 57 (1980), S. 73 - 81
gemeinsam mit R. Pietzonka 53
Hochbrücke Brunsbüttel - Entwurf, Berechnung und Konstruktion Beton- und Stahlbetonbau 78 (1983), S. 265 - 269 und 308 - 313
gemeinsam mit W. Brünnig und J. Weise 54
Der Bau der Hochbrücke Brunsbüttel über den Nord-Ostsee-Kanal Beton- und Stahlbetonbau 81 (1986), S. 85 - 90 und 131 - 135
gemeinsam mit W. Steinbrücker 55
The Main Valley Viaduct at Veitshöchheim RTR - Railway Technical Review, Special Edition: Railroad Construction 1986, S. 45 - 48
gemeinsam mit R. Doetsch 56
Maintalbrücke Veitshöchheim - Maschinen- und Rüsttechnik für eine ungewöhnliche Bauaufgabe Baumaschine und Bautechnik 34 (1987), S. 38 - 42
57
Betontechnologische Besonderheiten beim Bogen der Maintalbrücke Veitshöchheim Beton- und Stahlbetonbau 82 (1987), S. 229 - 233
gemeinsam mit G. Naumann und R. Springenschmid 58
Konstruktion, Berechnung und Bau der Maintalbrücke Veitshöchheim Beton- und Stahlbetonbau 83 (1988), S.19 - 22 und S. 49 - 52
gemeinsam mit G. Naumann und R. Wiest 59
Untersuchung der Windstruktur bei Starkwind und Sturm Meteorologische Rundschau 42 (1990), S. 202 - 212
gemeinsam mit H. Schroers und H. Lösslein
Veröffentlichungen
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XVII
Neues Fertigteil-Bausystem IBS RWTH Themen 2/91, S. 21 - 23
gemeinsam mit H. Klöckner 61
Verfahren für die Berechnung der Interaktion von Baugrund und Bauwerk Der Prüfingenieur 3 (September 1993), S. 10-21
62
Sensitivitätsanalyse nichtlinearer Stabtragwerke als Grundlage für Zuverlässigkeitsuntersuchungen im Stahlbetonbau Bauingenieur 69 (1994), S. 415-421 gemeinsam mit A. Neuenhofer
63
Konstruktionsbeton aus aufbereitetem Bauschutt Baustoff Recycling + Deponietechnik 4 (1997), S. 15 - 18
gemeinsam mit J. Mainz 64
Vergleichende Untersuchungen zur Berechnung kippgefährdeter Stahlbeton- und Spannbetonträger nach Theorie II. Ordnung Bauingenieur 72 (1997), Heft 4, S. 157 - 165
gemeinsam mit M. Staller und A. Jähring 65
Bemessung und Konstruktion von Tragwerken aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton nach DIN 1045-1 Bauingenieur 72 (1997), Heft 5, S. 253 - 261
gemeinsam mit M. Staller und A. Rogge 66
Boden-Bauwerk-Interaktion aus der Sicht des Massivbaus Der Prüfingenieur 12 (April 1998)
gemeinsam mit A. Ruile und R. Schneider 67
Verstärkung für müden Beton TUM Mitteilungen 97/98 Nr. 2
gemeinsam mit R. Niedermeier 68
Neue Erkenntnisse über die Sicherheit im Spannbetonbau Der Prüfingenieur 13 (Oktober 1998), S. 46 - 56
gemeinsam mit G. König und P. Schießl 69
Zur Bemessung und Konstruktion von Betonfertigteilen nach DIN 1045-1 Betonwerk + Fertigteil-Technik 64 (1998), Heft 4, S. 52 – 63, Heft 5 S. 86 - 97
gemeinsam mit M. Staller
XVIII
70
Veröffentlichungen
Realisierungswettbewerb für die Isarbrücke Grünwald unter Berücksichtigung der schwierigen Gründungsverhältnisse Bauingenieur 74 (1999) Heft 5, S. 232-238
gemeinsam mit H.-W. Schäfer und J. Weber 71
Pilotprojekt Buchloe – Brückenbauwerk mit Hochleistungsbeton B 85 Bauingenieur 74 (1999) Heft 9, S. 370 - 372
gemeinsam mit H. Pfisterer, A. Müller und M. Hennecke 72
Anwendung statistischer Verfahren für die Auswertung von Versuchsdaten Bauingenieur 74 (1999) Heft 1, S. 8 - 16
gemeinsam mit M. Staller und C. Brandes 73
Erläuterungen zur Bemessung und Konstruktion von Tragwerken aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton nach DIN 1045-1 Beton- und Stahlbetonbau 94 (1999) Heft 6, S. 259 - 271
gemeinsam mit M. Staller und A. Rogge 74
Konstruktion und Berechnung von Brücken für den Lastfall Erdbeben Bauingenieur 75 (2000) S. 139-148
gemeinsam mit T. Klöker 75
Innovationen und Entwicklungen im Massivbau Bauingenieur 75 (2000) S. 537-544
76
Innovationen und Entwicklungen im Massivbau Beratende Ingenieure (2000), Juli/August S. 3-12
77
Externe Vorspannung: Ausführungsbeispiele aus Deutschland Schriftenreihe der Österreichische Vereinigung für Beton- und Bautechnik (2000) Heft 45
gemeinsam mit M. Hennecke 78
Zugkraftdeckung bei klebearmierten Bauteilen Beton- und Stahlbetonbau 96. (2001) Heft 12, S. 759 - 770
gemeinsam mit R. Niedermeier
Veröffentlichungen
79
XIX
Fertigteilbrückenbau mit Hochleistungsbeton B 85 und verbundloser interner Längsvorspannung (Ortsumgehung Bad Griesbach – St 2116) Bauingenieur 76 (2001), S. 157-161
gemeinsam mit G. Göger, F. Roos und C. Gläser 80
Ein Ansatz zur Abschätzung des Elastizitätsmoduls von Beton mit rezykliertem Zuschlag Bauingenieur 76 (2001), S. 187-191
gemeinsam mit F. Roos 81
Schnittgrößen statisch unbestimmt gelagerter Beton-Verbundbauteile mit Rissbildung Beton- und Stahlbetonbau 96 (2001) S. 404-411
gemeinsam mit T. Fritsche 82
Anwendung von Hochleistungsbeton im Brückenbau Beton- und Stahlbetonbau 97 (2002), S. 297-302
gemeinsam mit C. Gläser, G. Zehetmaier und M. Hennecke 83
Grundlagenforschung zum Materialverhalten von Hochleistungsbeton Beton- und Stahlbetonbau 97 (2002), S. 271-274
gemeinsam mit A. Schießl und A. Rogge 84
Innovationen im Brückenbau Technik in Bayern. (2002) Heft 3, S. 14 ff
gemeinsam mit J. Weber und C. Gläser 85
Betonbau – Perspektiven Heft 50 der Schriftenreihe der Österreichischen Vereinigung für Beton- und Bautechnik, November 2002
gemeinsam mit G. Zehetmaier 86
Entwicklung eines Bemessungskonzeptes für vorgespannte Ziegeldecken Das Mauerwerk 2003, Heft 1
gemeinsam mit D. Schermer und S. Rüppel 87
Untersuchungen zum Verhalten von Mauerwerksgebäuden unter Erdbebenbeanspruchung Bauingenieur 78 (2003), S. 360 – 368
gemeinsam mit D. Schermer
XX
88
Veröffentlichungen
Rissbildung in Massivbauteilen, Einflüsse auf Dauerhaftigkeit und Wasserundurchlässigkeit Sachverständiger (2004)
gemeinsam mit A. Müller 89
Hochleistungsbeton im Brückenbau Bauingenieur 79 (2004), S. 347-349
gemeinsam mit M. Hennecke 90
Zur Regelung der Betondeckung in EN 1992-1-1 Regulation of concrete cover in 1992-1-1 Betonwerk + Fertigteil-Technik 8 (2004)
gemeinsam mit M. Cyllok
Beiträge in Tagungsbänden 91
A Contribution to the Analysis of Buildings in a Gusty Wind Proceedings, 3rd Meeting of Working Committee for Tower Shaped Structures in Sopron (Ungarn), October 1970; International Association for Shell Structures. Budapest: ETI 1971, S. 153 - 173
92
Stability in the Design of Tall Concrete Buildings Proceedings of the International Conference on Planning and Design of Tall Buildings, Lehigh University, Bethlehem, Pennsylvania, August 1972, Band III. New York/Bethlehem: American Society of Civil Engineers and Joint Committee Headquarters at Lehigh University 1973, S. 499 – 516 Deutsche Übersetzung in: Internationaler Hochhausbericht, Planung-EntwurfBerechnung-Konstruktion. Herausgegeben durch die Deutsche Gruppe der Internationalen Vereinigung für Brückenbau und Hochbau. Wiesbaden: Bauverlag 1975, S. 262 - 280
gemeinsam mit H. Beck 93
Windlasten und Sicherheit von Hochhäusern Sicherheit von Betonbauten. Beiträge zur Arbeitstagung, Berlin, Mai 1973. Wiesbaden: Deutscher Beton-Verein E.V. 1973, S. 141 - 150
gemeinsam mit A. G. Davenport
Veröffentlichungen
94
XXI
Betrachtung zu Regeln für den aseismischen Entwurf in Gebieten relativ geringer Erdbebenhäufigkeit und -stärke Preprints of the 2nd International Conference on Structural Mechanics in Reactor Technology, Berlin 1973, Volume 6B. Brüssel: Kommission der Europäischen Gemeinschaften 1973, S. K1/6, 1 - 14
gemeinsam mit G. König und E. Hasse 95
Codes for Earthquake Resistant Design of Nuclear Power Plants in the Federal Republic of Germany Proceedings of the Specialist Meeting on "The Anti-Seismic Design of Nuclear Installations", OECD-Paris, 1. - 3. December 1975. Paris: OECD 1976, S. 413 418
gemeinsam mit E. Wölfel 96
Studie zur Windlastmessung an Hochhäusern in der Natur 1. Berichtskolloquium des DFG - Schwerpunktprogrammes "Bauwerke unter aerodynamischer Belastung", München, 4. Oktober 1976
gemeinsam mit G. König und H.-C. Gerhardt 97
Messung der Windbeanspruchung eines Werftportalkranes 1. Berichtskolloquium des DFG - Schwerpunktprogrammes "Bauwerke unter aerodynamischer Belastung", München, 4. Oktober 1976
gemeinsam mit G. König, P. Schwarz und B. Adler 98
Böigkeitsfaktoren für Portalkräne 1. Berichtskolloquium des DFG - Schwerpunktprogrammes "Bauwerke unter aerodynamischer Belastung", München, 4. Oktober 1976
gemeinsam mit G. König 99
Response and Stresses of Structures Subjected to Two-directional Earthquake Excitation Proceedings, Sixth World Conference on Earthquake Engineering, New Delhi January 1977. New Delhi: Sarita Prakashan 1977, S. 3.428-3.433 Gemeinsam mit G. Lappas
100
Konstruktive Anforderungen an zähe Bauteile Zur Bemessung von Stahlbetonbauteilen; Beiträge zum 7. Forschungskolloquium des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Mitteilungen aus dem Institut für Massivbau der Technischen Hochschule Darmstadt, Heft 19. Berlin: Verlag Wilhelm Ernst & Sohn 1977, S. 103 - 110
gemeinsam mit S. Liphardt und R. Sitka
XXII
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Veröffentlichungen
Windlastkonzept Zur Bemessung von Stahlbetonbauteilen; Beiträge zum 7. Forschungskolloquium des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Mitteilungen aus dem Institut für Massivbau der Technischen Hochschule Darmstadt, Heft 19. Berlin: Verlag Wilhelm Ernst & Sohn 1977, S. 133 - 140
102
Windbeanspruchung eines Werftportalkranes - Messergebnisse Bauwerke unter aerodynamischer Belastung; Beiträge zum 2. Berichtskolloquium des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Mitteilungen aus dem Institut für Massivbau der Technischen Hochschule Darmstadt, Heft 26. Berlin: Verlag Wilhelm Ernst & Sohn 1977, S. 57 - 69
gemeinsam mit G. Lappas 103
Die Auslegung von Hochhäusern gegen Windeinwirkung unter besonderer Berücksichtigung der Gebrauchsfähigkeit Aeroelastische Probleme außerhalb der Luft- und Raumfahrt; Sammelband der Vorträge des Kolloquiums an der TU Hannover am 2./3. März 1978. Mitteilungen des Curt-Risch-Instituts der Technischen Universität Hannover, S. 483 - 503
104
Windbelastung eines Werftportalkranes - Vergleich von Messungen in der Natur mit Ergebnissen eines Windkanalversuches und mit rechnerischen Untersuchungen Bauwerke unter aerodynamischer Belastung; Beiträge zum 3. Berichtskolloquium des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Institut für Beton und Stahlbeton, Universität Karlsruhe 1978, S. 1 - 16
gemeinsam mit G. Lappas 105
Vergleich von Mess- und Rechenergebnissen der Erdbebenuntersuchung bei niedriger Anregungsstufe an den Modellen 1 und 2 HDR-Sicherheitsprogramm, Erdbebenuntersuchungen; Vergleich von Mess- und Rechenergebnissen der Erdbebenuntersuchung auf niedriger Anregungsstufe, Teil B: Einzelvergleiche. Technischer Fachbericht PHDR 10 - 79. Karlsruhe: Kernforschungszentrum Karlsruhe GmbH 1979, S. 64 - 96
gemeinsam mit H.-J. Reuter 106
Wind Loading of Shipyard Gantry Cranes - A Comparison of FullScale Measurement, Wind Tunnel Test and Gust Factor Approach Wind Engineering, Proceedings of the 5th International Conference 1979. Oxford: Pergamon Press 1980, S. 911 - 923
gemeinsam mit G. König und G. Lappas 107
Zur Windbeanspruchung von Werftportalkränen Gebäudeaerodynamik, DFG - Kolloquium. Konstruktiver Ingenieurbau Berichte, Heft 35/36. Essen: Vulkan-Verlag 1981, S. 104 - 106
gemeinsam mit G. König und G. Lappas
Veröffentlichungen
108
XXIII
Messungen der Starkwindstruktur und deren Auswirkungen auf das Windlastkonzept von Bauwerken Gebäudeaerodynamik, DFG - Kolloquium, Konstruktiver Ingenieurbau Berichte, Heft 35/36. Essen: Vulkan-Verlag 1981, S. 133 - 139
gemeinsam mit H. Schroers 109
Die Eisenbahnbrücke Veitshöchheim Vorträge Betontag 1987. Wiesbaden: Deutscher Beton-Verein E.V., 1988, S. 478 - 495
gemeinsam mit H. Maak 110
Statische Probleme im Betonbrückenbau Baustatik - Baupraxis, 4. Fachtagung, Berichtsband, Hannover 1990
111
Imposed Deformations of Reinforced Concrete Structures - Safety Analysis Proceedings, Concrete 92, Teheran/Iran
gemeinsam mit U. Vismann 112
Safety Evaluation of Nonlinear Concrete Structures Using Finite Element Reliability Methods Proceedings, Concrete 92, Teheran/Iran
gemeinsam mit A. Neuenhofer 113
Investigation on Structural Design Problems During the Development of a New Precast Concrete Construction System Proceedings, Concrete 92, Teheran/Iran
gemeinsam mit H. Klöckner 114
Geometrisch und physikalisch nichtlineare Verfahren zur Berechnung von Stabtragwerken des Stahlbetonbaus Baustatik - Baupraxis, 5. Fachtagung, Berichtsband, München 1993
115
Probabilistic Validation of Eurocode 2 Partial Safety Factors Using Full Distribution Reliability Methods Proceedings, 5th International Federation for Information Processing (IFIP) WG 7.5 Conference, Reliability and Optimization of Structural Systems, Takamatsu, Japan 1993
gemeinsam mit A. Neuenhofer
XXIV
116
Veröffentlichungen
Soil - Structure Interaction Safety and Performance Concepts, Contributions to the workshop-sessions "Model uncertainties", "New concepts" and "Full scale testing" organized by Task Groups of Commission 1 of CEB, Les Diablerets, September 1993. CEB Bulletin d'Information No 219. Lausanne: Comité Euro-International du Béton (CEB) 1993, S. 73 - 98
117
Reliability Analyses of Nonlinear Plane Frame Reinforced Concrete Structures Proceedings, Australasian Structural Engineering Conference, Sydney, Australia: The Institution of Engineers of Australia 1994
gemeinsam mit A. Neuenhofer 118
Prestressed Bearings in the Seismic Isolation of Structures Proceedings, 11th World Conference on Earthquake Engineering, Mexico 1996
gemeinsam mit C. Meskouris und I. Logiadis 119
Eurocode 2, Teil 2: Beton- und Spannbetonbrücken 2. Japanisch-Deutsches Kolloquium über Stahl- und Stahlverbundbrücken, Technische Universität München, 22. u. 23.04.1996 S. II-A-1 – II-C-5
gemeinsam mit L. Bagayoko 120
Non-Linear Analysis and Safety Evaluation for Concrete Structures Basis of Design and Actions on Structures, Background and Application of Eurocode 1, Delft March 1996, IABSE-Report, Volume 74, Zürich: IABSE 1996, S. 265-278
gemeinsam mit U. Vismann 121
Sicherheitsbetrachtungen Verstärken von Massivbauteilen – Baustoffliche Aspekte, 17. Aachener Baustofftag, 31.10.1996
122
Talbrücke Ruderting – Eine sechsfeldrige Brücke auf Lehrgerüst mit externer Vorspannung Vorträge Deutscher Betontag 1997, Wiesbaden: DBV 1997, S. 108-126
gemeinsam mit M. Matthes und J. Weber 123
Erfahrungen bei Entwurf, Vergabe und Bauausführung der Talbrücke Ruderting Spannbetonbrücken mit externer Vorspannung. Bundesministerium für Verkehr 1997
gemeinsam mit M. Matthes
Veröffentlichungen
124
XXV
Externe Vorspannung im Brückenbau in Deutschland - Entwicklungen und Anwendungsbeispiel Talbrücke Ruderting Betonárské Dny 1997, Významné Realizace Betonovych Konstrukcí, Díl 3 (Tschechischer Betontag 1997)
125
Bond Failure Modes of Flexural Members Strengthened With FRP International Conference on Composites in Infrastructure (ICCI), Tucson, Januar 1998
gemeinsam mit M. Blaschko und R. Niedermeier 126
Verstärken mit eingeschlitzten CFK-Lamellen Darmstädter/Wiener Seminar Kreative Ingenieurleistungen, Februar 1998
gemeinsam mit M. Blaschko 127
Rehabilitation of Corrosion Damaged Columns with CFRP Conference on Composite Materials, Neapel, Februar 1998
gemeinsam mit M. Blaschko 128
Retrofitting of a Historical Arch Bridge with CFRP 5th International Conference on Short and Medium Span Bridges, Calgary, Juli 1998
gemeinsam mit M. Blaschko 129
Nachträgliche Verstärkung von Stahlbetonbauteilen durch Ankleben von Kohlenstofffaserfolien 2. Symposium Neue Werkstoffe in Bayern, Bayreuth, März 1998
gemeinsam mit R. Laumer und R. Niedermeier 130
Entwicklung eines Zug-/Spanngliedes aus CFK für das Bauwesen 2. Symposium Neue Werkstoffe in Bayern, Bayreuth, März 1998
gemeinsam mit J. F. Noisternig, F. Dotzler, F. Roos und D. Jungwirth 131
External Prestressing Development to a Standard Design Method Osaka Institute of Technology (Veranst.): 3rd German – Japanese Colloquium for Steel and Composite Bridges, Osaka, 1998
132
Pilotprojekt in Bayern Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Leipzig (Veranst.): Erfahrungen mit Hochleistungsbeton (HLB) – Band 7 Leipziger MassivbauSeminar, Leipzig 1998
gemeinsam mit M. Hennecke
XXVI
133
Veröffentlichungen
Vorgespannte Bauteile nach DIN 1045-1 Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München (Veranst.): Seminarband zum Münchner Massivbau-Seminar 1998 – Anwendungen und Entwicklungen, München 1998
gemeinsam mit A. Rogge und M. Staller 134
External Prestressing, Bavarian Examples Entwurf, Bau und Unterhaltung von Brücken im Donauraum. Bauingenieur Sonderpublikation zur 3. Internationalen Donaubrückenkonferenz 1998 in Regensburg. Düsseldorf: Springer-VDI- Verlag 1998
gemeinsam mit R. Buba 135
Externe Vorspannung für im Grundriss gekrümmte Hohlkastenbrücken Eibl, J. (Hrsg.): Externe Vorspannung und Segmentbauweise. Beiträge zur 5. Tagung vom 05. bis 07. Oktober 1998. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 1998
gemeinsam mit A. Jähring 136
Nichtlineare Berechnungen im Massivbau – Materialmodelle und Sicherheitskonzepte Wriggers, P.; Meißner, U.; Stein, E.; Wunderlich, W. (Hrsg.): FEM’98 – Finite Elemente in der Baupraxis. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 1998
gemeinsam mit E. Penka und R. Schneider 137
Pilotprojekt Buchloe – Brückenbauwerk mit Hochleistungsbeton Vorträge Deutscher Betontag 1999, Berlin: Ernst 1999
gemeinsam mit J. Weber 138
Special Topics in Bridge Engineering Politechnico di Milano (Veranst.)´: Ponti e Viadotti: Concezione, Progetto, Analisi, Gestione, Mailand Juli 1999
139
Full Scale Measurements of Fatigue Loading of Prestressed Concrete Bridges European Association for Structural Dynamics (Veranst.): EURODYN ’99, Prag Juni 1999
140
Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetonbauwerken – Stand der Entwicklung, Struktur und Inhalt der neuen DIN 1045-1 Zilch, K (Hrsg.): Massivbau 1999 – Forschung, Entwicklung und Anwendung. Düsseldorf: Springer-VDI- Verlag 1999
gemeinsam mit A. Jähring
Veröffentlichungen
141
XXVII
Versuche zur Überprüfung der Bemessungskennwerte für Beton mit rezyklierten Zuschlägen BiM Baustoffkreislauf, Technnische Universität Darmstadt, Institut für Massivbau (Veranst.): Fachtagung Beton mit rezykliertem Zuschlag für Konstruktionen nach DIN 1045-1, Berlin 1999
gemeinsam mit F. Roos 142
Die Struktur der neuen technischen Regelwerke im Bauwesen Institut für Deutsches und Internationales Baurecht e.V. (Veranst.): 2. BerlinDarmstädter Baurechts-Kolloquium. Berlin: Oktober 1999
gemeinsam mit C. Schmidhuber 143
New Ways in Teaching – Visualization of Design Aids of Carrying Mechanisms of Concrete Structures Computer Aided Engineering Education CAEE ’99: Sofia September 1999
gemeinsam mit C. Schmidhuber, E. Rank und R. Romberg 144
Neue Bemessungsnorm DIN 1045-1 für den Massivbau 1. Kasseler Baustoff- und Massivbautage. Kassel August 2000
145
Ermüdungsnachweise für bestehende Spannbetonbauwerke Bundesanstalt für Straßenwesen (Veranst.): BMS/BRIME-Kolloquium 2000. Bergisch Gladbach Dezember 2000
146
Erfahrungen mit der externen Vorspannung bei Planungs- und Prüftätigkeit Erfahrungsaustausch Spannbetonbrücken mit externen Spanngliedern. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2000
147
Entwicklung eines Managementsystems für Brücken kommunaler Baulastträger Zilch, K. (Hrsg.): Massivbau 2000 - Forschung, Entwicklungen und Anwendungen. Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag, 2000
gemeinsam mit M. Hennecke und E. Penka 148
Anforderungen an die Dauerhaftigkeit Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit
und
Nachweise
im
Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein (Veranst.): DBV-Arbeitstagung: Die neue DIN 1045 - Wesentliche Änderungen für die Praxis. Hamburg: Dezember 2000
gemeinsam mit A. Jähring
XXVIII
149
Veröffentlichungen
Long term measurements for fatique loading of prestressed concrete bridges Bridge Management 4: inspection, maintenance, assessment and repair. London: Thomas Telford Publishing, 2000. Surry April 2000
gemeinsam mit E. Penka 150
Capacity of shear joints between high-strength precast elements and normal-strength cast-in-place decks Proceedings of the PCI/FHWA/FIB International Symposium on High Performance Concrete. The economical Solution for Durable Bridge and Transportation Structures. Orlando: September 2000
gemeinsam mit R. Reinecke 151
Bemessung von Hochleistungsbeton Tagungsband der 44. Ulmer Beton- und Fertigteil-Tage 2000. Ulm: Februar 2000
gemeinsam mit R. Reinecke 152
Vorspannkonzepte Zilch, K. (Hrsg.): Massivbau 2001 – Forschung, Entwicklungen und Anwendungen. Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag, 2001
gemeinsam mit J. Weber und C. Gläser 153
Developments in Testing Stay Cables IABSE Conference on Cable-Supported Bridges – Challenging Technical Limits. Seoul Juni 2001
gemeinsam mit C. Gläser 154
Design of Concrete Structures Made from Recycled Aggregate – A Global Recommendation following DIN 1045-1 Proceedings, fib-Symposium Concrete and Environment, Berlin, October 2001
gemeinsam mit F. Roos 155
Entwicklung im Brückenbau – bayerische Beispiele Braunschweiger Bauseminar 2001. Braunschweig November 2001
gemeinsam mit C. Gläser 156
Probabilistic Investigation of Fatigue and Service Life of Existing Bridges IABSE-Symposium “Towards a Better Built Environment”, Melbourne, September 2002
gemeinsam mit R. Buba
Veröffentlichungen
157
XXIX
Klebearmierung zur nachträglichen Verstärkung von Stahlbetonbauteilen – Aktuelle Forschungsergebnisse 20. Internationales Klebtechnik-Symposium: Verbindungstechnik im Bauwesen, Rosenheim, 31.01.2002 – 01.02.2002
gemeinsam mit R. Niedermeier 158
Einflussparameter bei der Endverankerung von schlaffen sowie eingeschlitzten CFK-Lamellen Fachtagung FRP 2002. Wien, Salzburg Mai 2002
gemeinsam mit R. Niedermeier 159
Fracture Mechanics on Concrete with Recycled Aggregate fib Symposium 2002. Osaka, Oktober 2002
gemeinsam mit M. Cyllok 160
Massivbau: Rückblick – Perspektiven Zilch, K. (Hrsg.): Massivbau 2002 – Forschung, Entwicklungen und Anwendungen. Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag, 2002
gemeinsam mit C. Gläser 161
Verstärken mit CFK-Lamellen – Grundlagen und Beispiele 6. Dresdner Baustatik-Seminar. Dresden, Oktober 2002
gemeinsam mit R. Niedermeier 162
High Performance Concrete in Strengthening and Retrofitting IABSE Symposium: Towards a Better Built Environment - Innovation, Sustainability, Information Technology. Melbourne, September 2002
gemeinsam mit R. Reinecke 163
Simulated Earthquake Behavior of Unreinforced Masonry Walls Grundmann, H. (Hrsg.): Fifth European Conference on Structural Dynamics EURODYN 2002. München September 2002
gemeinsam mit D. Schermer und W. Scheufler 164
Stifterstelle Mauerwerkbau an der Technischen Universität München Tagungsband zum Deutschen Mauerwerkstag an der TU München., Das Mauerwerk – Sonderdruck, 2002. München, November 2002
gemeinsam mit D. Schermer 165
Application of HPC in Bridge Structures – Three Pilot Projects 6th International Symposium on Utilization of High Strength / High Performance Concrete. Leipzig, Juni 2002
gemeinsam mit G. Zehetmaier
XXX
166
Veröffentlichungen
Behaviour of High Strength Concrete under Multiaxial Stress States 6th International Symposium on Utilization of High Strength / High Performance Concrete. Leipzig, Juni 2002
gemeinsam mit A. Rogge 167
Verification of Bond Anchorage Joining Techniques in the Building Construction Industry; München; Januar 2003
168
Massivbrückenbau mit verbundloser Vorspannung Tagungsband zum internationalen wissenschaftlich-praktischen Seminar „Massivbrückenbau“, Lehrstuhl „Brücke“ der Staatlichen Universität der Verkehrsmittel. St. Petersburg Juli 2003
gemeinsam mit C. Gläser 169
Introduction of European Technical Regulations in German Bridge Construction – Design of Concrete Bridges According to „DINFachbericht 102 Matsui, S.; Nakai, H.; Albrecht, G.; Kurita, A. (Hrsg.): Proceedings of the fifth Japanese-German Joint Symposium on Steel and Composite Bridges. (Keynote lecture). Osaka, September 2003
gemeinsam mit G. Zehetmaier 170
Experiences in Concrete Bridge Design with the new „DINFachbericht 102“ – Two Pilot Projects in Bavaria Matsui, S.; Nakai, H.; Albrecht, G.; Kurita, A. (Hrsg.): Proceedings of the fifth Japanese-German Joint Symposium on Steel and Composite Bridges. Osaka, September 2003
gemeinsam mit G. Zehetmaier 171
Neue Normenwerke in Europa Graubner, C.-A. (Hrsg.): Internationales Brückenbausymposium – Aktuelle Entwicklungen im Brückenbau. Darmstadt, Oktober 2003
gemeinsam mit G. Zehetmaier 172
Fatigue and Service Life of Existing PC Bridges – Long Term Measurements and Probabilistic Investigation Matsui, S.; Nakai, H.; Albrecht, G.; Kurita, A. (Hrsg.): Proceedings of the fifth Japanese-German Joint Symposium on Steel and Composite Bridges. Osaka, September 2003
gemeinsam mit G. Zehetmaier, E. Penka und R. Buba
Veröffentlichungen
173
XXXI
Interaction Between Internal Bars and External FRP Reinforcement in RC Members Tan, K.H. (Hrsg.): Proceedings of the Sixth International Symposium on FRP Reinforcement for Concrete Structures (FSPRCS6). Singapur, Juli 2003
gemeinsam mit G. Zehetmaier 174
Full scale pseudodynamic earthquake tests on a three-story URM building using sub-structure-technique Proceedings of the 13th World Conference on Earthquake Engineering. Vancouver, August 2004
gemeinsam mit D. Schermer 175
Neue Normengeneration im Massivbau – Chancen einer europäischen Harmonisierung Berichtsband, Symposium anlässlich des 70. Geburtstags von em. Prof. Dr.-Ing. Dr,-Ing. e.h. mult. Gert König, Leipzig 2004
gemeinsam mit C. Gläser
Forschungsberichte 176
Untersuchung zur Schaffung von Unterlagen für wirtschaftliche und sichere Annahmen über Windlasten - Windgeschwindigkeitskarte Deutschland Schlussbericht eines Forschungsvorhabens durchgeführt mit Förderung des BM Bau. Darmstadt: Institut für Massivbau 1973
gemeinsam mit G. König 177
Verträglichkeitsuntersuchungen und Stellungnahmen zum Eurocode EC 1 - Lastannahmen Abschlussbericht zum Forschungsauftrag „Harmonisierte europäische Grundnormen; Standsicherheit- und Verträglichkeitsbedingungen“ des BMBau. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 1996
gemeinsam mit M. Schätz
XXXII
178
Veröffentlichungen
Messung der Hydratationswärmeentwicklung und Frühverformungen des hochfesten Betons während des Erhärtungsprozesses an einem Brückenbauwerk Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben FE 15.309/1998/D RB der Bundesanstalt für Straßenwesen. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 1999
gemeinsam mit M. Hennecke 179
Ermittlung der charakteristischen Verbundbruchkraft für auf Betonbauteile aufgeklebte Stahllaschen Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 1999
gemeinsam mit R. Niedermeier 180
Feasibility Study on Realisation of an Interactive CD-ROM with Results of Leonardo Research Project: Advanced Design an Construction in Concrete Machbarkeitsstudie im Auftrag des DBV. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 1999
gemeinsam mit C. Schmidhuber 181
Ermittlung von charakteristischen Werten und von Bemessungswerten für die Durchstanztragfähigkeit und die Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben: Überprüfung und Vereinheit lichung der Bemessungsansätze für querkraftbeanspruchte Stahl- und Spann betonbauteile aus normalfestem und hochfestem Beton nach DIN 1045-1. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2000
gemeinsam mit M. Staller 182
Bauteilversuche zur Querkraftbiegung an mittels Klebearmierung verstärkten Betonbauteilen Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2000
gemeinsam mit C. Schmidhuber und R. Niedermeier 183
Festlegung der Schubbereichsgrenzen bei der Verstärkung von Stahlbetonplatten und Stahlbetonbalken mit aufgeklebten CFKLamellen Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2001
gemeinsam mit C. Schmidhuber
Veröffentlichungen
184
XXXIII
Experimentelle Untersuchung zur Rissverzahnung und zum Verbundverhalten von Bauteilen aus selbstverdichtendem Beton Abschlussbericht zum DAfStb-Forschungsvorhaben V 399. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2001
gemeinsam mit A. Schießl 185
Der Einfluss der Rippengeometrie auf das Verbundverhalten von selbstverdichtendem Beton Schlussbericht zum Forschungsvorhaben des Instituts für Stahlbetonbewehrung. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2001
gemeinsam mit F. Roos und A. Schießl 186
Überprüfung des Nennmaßes der Betondeckung im Falle von carbonatisierungsinduzierter Korrosion mit Hilfe einer Dauerhaftigkeitsbemessung Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2001
gemeinsam mit A. Schießl 187
Grundlagen zu Auswirkungen des Schwerverkehrs auf die Nutzungsdauer von Betonbrücken Forschungsbericht. München: Lehrstuhls für Massivbau, Technische Universität München, 2002
gemeinsam mit R. Buba 188
Einfluss der Trockenrohdichte des Tragfähigkeit von Kunststoffdübeln
Porenbetons
auf
die
Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2002
gemeinsam mit K. Guckenberger und A. Jähring 189
Zusammenwirken von einbetonierter Bewehrung mit Klebearmierung bei verstärkten Betonbauteilen Abschlussbericht zum DFG-Forschungsvorhaben ZI 134/9-1. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2002
gemeinsam mit K. Guckenberger und A. Jähring 190
Temperaturberechnung an Massivbrücken am Beispiel Schirnding. Forschungsbericht. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2003
gemeinsam mit M. Cyllok
XXXIV
191
Veröffentlichungen
Entwicklung eines Bemessungsansatzes für Beton mit rezykliertem Zuschlag Abschlussbericht zum DAfStb-Forschungsvorhaben V 430. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2003
gemeinsam mit F. Roos und M. Cyllok 192
Rechnerische Ermittlung eines begründeten Verhaltensbeiwertes zur Berücksichtung des nichtlinearen Verhaltens von Bauten aus unbewehrten Mauerwerk unter seismischen Einwirkungen Abschlussbericht zum BBR-Forschungsvorhaben: Mauerwerk unter seismischen Einwirkungen. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2003
gemeinsam mit D. Schermer 193
Tragfähigkeit von Betondruckstreben für Stabwerkmodelle nach DIN 1045-1 und EN 1992-1-1 (EC2) Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2003
gemeinsam mit A. Schießl und M. Cyllok 194
Auswirkung erhöhter Dehnungen der Biegezugbewehrung auf die Schubtragfähigkeit von Stahlbetonbauteilen nach Eurocode 2 Abschlussbericht zum DIBt-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2003
gemeinsam mit F. Spitra 195
Einfluss des zunehmenden Schwerverkehrs auf die Nutzungsdauer von Bauwerken der Brückenklassen 30/30 und 45 Abschlussbericht zum BAST-Forschungsvorhaben. München: Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 2004
gemeinsam mit E. Penka
Dissertationen/Habilitationsschriften
Über die nachfolgend zusammengestellten Dissertationen bzw. Habilitationsschriften hat Herr Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch Bericht erstattet.
1985 Dissertation
Zur Mechanik des Stahlbetonbalkens von Dipl.-Ing. Bernhard Hartung 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1989 Dissertation
Beitrag zur Berechnung ebener Stabwerke aus Stahl- und Spannbeton mit nichtlinearem Tragverhalten von Dipl.-Ing. Georg Weiler 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1990 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. H. Trost Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Ein Beitrag zur Spannstahlermüdung unter Reibdauerbeanspruchung bei teilweiser Vorspannung von Dipl.-Ing. Heinrich Bökamp 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1993 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. H. Trost
Zur numerischen Berechnung der Auswirkungen des Kriechens und Schwindens auf Betonverbundtragwerke Grundlagen und Algorithmen für die EDV von Dipl.-Ing. Benno Blessenohl 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1990 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. König Priv.-Doz. Dr.-Ing. K. Zilch
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. H. Trost Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Priv.-Doz. Dr.-Ing. H.Cordes
Beitrag zur Bestimmung der maximalen Bauwerksverformung bei der Erdbebenbelastung von Stahlbauten mit Berücksichtigung der Duktilität von Dipl.-Ing. Ba Tan Nguyen 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. Sedlacek Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
XXXVI
Dissertationen/Habilitationsschriften
1993 Dissertation
Zuverlässigkeitsanalysen ebener Stabwerke aus Stahlbeton mit nichtlinearem Tragverhalten von Dipl.-Ing. Ansgar Neuenhofer 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1994 Dissertation
Die technische und exakte Stabilitätstheorie gerader Stäbe auf Grundlage der Erhaltungssätze und der elastischen Stoffgleichungen der Kontinuumsmechanik von Dipl.-Ing. Michael G. Kotulla 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1994 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Kupfer Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Grundmann Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Beitrag zur Berechnung von Elastomerlagern auf nachgiebiger Unterlage unter Anwendung der Finite-ElementeMethode von Dipl.-Ing. Henning Klöckner 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1994 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. R. Springenschmid Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Über das Festigkeitsverhalten verschiedener Werkstoffe von Yunlong Zhou, M. Sc. 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1994 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. Sedlacek Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Die Entwicklung von Zwang- und Eigenspannungen in Betonbauteilen während der Hydratation von Dipl.-Ing. Martin Mangold 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1994 Dissertation
Univ.-Prof. (em.) Dr.-Ing. Schroeder Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Beitrag zur Definition der Bauwerksregularität und zur Bestimmung der Verhaltensbeiwerte bei der Erdbebenbeanspruchung von Dipl.-Ing. Seung Kyu Kook 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1994 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Prof. M. J. Baker, PhD
Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. R. Sasse Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Schockwellenbeanspruchung von Stahlbetonwänden durch Kontakt-Detonationen von Dipl.-Ing. Stephan Eibl 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Wunderlich Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Dissertationen/Habilitationsschriften
1994 Dissertation
Dreiachsige Druckversuche an Mörtelproben aus Lagerfugen von Mauerwerken von Dipl.-Ing. Henric Bierwirth 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1995 Dissertation
Em. Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. H. Kupfer Univ.-Prof. Dr.-Ing. J.-D. Wörner Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Vertragliche Vereinbarung und öffentliche Sicherheit von Ingenieurbauleistungen von Dipl.-Ing. Andreas Hechtl 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1996 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.techn. h.c. H. Kupfer Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Kreuzinger Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Zur Innenverankerung von Spanngliedern unter Berücksichtigung nichtlinearer Materialgesetze für Beton und Betonstahl von Dipl.-Ing. Erhard Garske 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1995 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Grundmann
Zur Druckfestigkeit des gerissenen Stahlbetons in scheibenförmigen Bauteilen bei gleichzeitig wirkender Querzugbeanspruchung von Dipl.-Ing. Winfried Erwin Roos 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1995 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.techn. h.c. H. Kupfer Univ.-Prof. Dr.-Ing. K.Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. W. Mann
Zuverlässigkeitstheoretische Verifikation von Bemessungskriterien im Stahlbetonbau von Dipl.-Ing. Ulrich Vismann 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1995 Dissertation
XXXVII
Univ.-Prof. Dr.-Ing. J. Nawrath Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Normalbeton unter hohen Dauerlasten bei verhindertem Feuchteaustausch von Dipl.-Ing. Dirk Nechvatal 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.techn. h.c. H. Kupfer Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr. techn. R. Springenschmid
XXXVIII
1996 Dissertation
Dissertationen/Habilitationsschriften
Die Anwendung vertikaler Spannglieder ohne Verbund in der Erdbebenisolierung von Bauwerken von Dipl.-Ing. Ionannis Logiadis 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1996 Dissertation
Bruchverhalten von Beton unter Zugbeanspruchung von Frau Hong Li (M.Sc.) 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1996 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Grundmann
Zur Untersuchung von Systemen von Ermüdungsrissen bei der Inspektionsplanung von Dipl.-Ing. Roger Sindel 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1997 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. R. Floss
Beitrag zur nichtlinearen Berechnung von Brücken für den Lastfall Erdbeben von Dipl.-Ing. Titus Klöker 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1997 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. J. Eisenmann Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Zuverlässigkeitsanalyse von ebenen Tragwerken aus Stahlbeton in Wechselwirkung mit dem Baugrund von Dipl.-Ing. Andreas Böckmann 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1997 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. Sedlacek Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Der Temperaturgradient als Bemessungsgröße bei der Dimensionierung von dicken Betondecken von Dipl.-Ing. Bernhard Lechner 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1996 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. W. Meskouris
Apl. Prof. Dr.-Ing. R. Rackwitz Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Hybride Konstruktionen mit trapezförmig gefalteten Stahlstegen für Straßenbrücken von Dipl.-Ing. André Müller 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. Albrecht
Dissertationen/Habilitationsschriften
1998 Dissertation
Physikalisch nichtlineare Zuverlässigkeitsanalysen für Stahlbetontragwerke von Dipl.-Ing. Hartmut Tworuschka 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1998 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Kreuzinger Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.techn. h.c. H. Kupfer
Zur nichtlinearen adaptiven Finite-Element-Analyse von Stahlbetonscheiben von Dipl.-Ing. Johann Pravida 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1999 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.techn. h.c. H. Kupfer Univ.-Prof. Dr.-Ing. R. Katzenbach
Die gewölbte Eisenbahnbrücke mit einer Öffnung von Dipl.-Ing. Wilmar Karlemann Weber 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1999 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. H. Kreuzinger
Zur Interaktion von Boden und Mauerwerk von Dipl.-Ing. Anton-Vitus Ruile 1. Prüfer: 2. Prüfer: 3. Prüfer:
1999 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. König
Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit nichtlinear bemessener Stahlbetontragwerke von Dipl.-Ing. Achim Johannis 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1999 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. W. von Grabe Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Betriebsfestigkeit von Eisenbahnbrücken in Stahlbetonund Spannbetonbauweise von Dipl.-Ing. Lamine Bagayoko 1. Prüfer: 2. Prüfer:
1999 Dissertation
XXXIX
Univ.-Prof. Dr.-Ing. W. Wunderlich Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Experimentelle Untersuchungen zur grundlegenden Neumodellierung des Biege-, Querkraft- und Verformungsverhaltens von Ziegelelementdecken von Dipl.-Ing. Martin Schätz 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. P. Schießl
XL
Dissertationen/Habilitationsschriften
2000 Dissertation
Zum Kriechen und Schwinden von Verbundbrücken auf Grundlage des Eurocodes von Dipl.-Ing. Hans Detlev Ibach 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2000 Habilitation
Faseroptische Temperaturmessungen im Wasserbau von Dr.-Ing. Markus Aufleger Kommission:
2000 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch o. Univ.-Prof. Dr. techn. Manfred Wicke
Rechnerische Beurteilung der Temperaturbelastung und der Rissgefahr infolge Eigenspannungen bei jungem Hochleistungsbeton von Dipl.-Ing. Markus Raimund Hennecke 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2001 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Curbach
Zugkraftdeckung bei klebearmierten Bauteilen von Dipl.-Ing. Roland Peter Niedermeier 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2001 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. König
Schnittgrößenverteilung nachträglich ergänzter Betonbauteile im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter Berücksichtigung der Rissbildung von Dipl.-Ing. Thomas Fritsche 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2001 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. A. Lauberau Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Analytische und numerische Untersuchungen des Durchstanztragverhaltens punktgestützter Stahlbetonplatten von Dipl.-Ing. Markus Anton Staller 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2000 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. G. Albrecht Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. P. Grübl
Beitrag zur Ermüdungsfestigkeit von hochfestem Beton von Dipl.-Ing. Sven Brosge 1. Prüfer: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. e.h. G. König 2. Prüfer: Prof. Dr.-Ing. R. Thiele 3. Prüfer: Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Dissertationen/Habilitationsschriften
2001 Dissertation
Zum Tragverhalten von Betonbauteilen mit in Schlitze eingeklebten CFK-Lamellen von Dipl.-Ing. Michael Alexander Blaschko 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2002 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ. Prod. Dr.-Ing. Manfred Curbach
Ein Beitrag zur Bemessung von Beton mit rezykliertem Zuschlag nach DIN 1045-1 von Dipl.-Ing. Frank Roos 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2003 Dissertation
em. Univ.-Prof. Dr.-Ing. R. Floss Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Materialverhalten von Beton unter mehrachsiger Beanspruchung von Dipl.-Ing. Andreas Rogge 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2002 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Curbach
Beitrag zum Tragverhalten von Verpresspfählen mit kleinem Durchmesser und axialer zyklischer Belastung von Dipl.-Ing. Peter Schwarz 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2002 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Th. Strobl Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch
Rechnerische Untersuchung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten unter Ansatz wirklichkeitsnaher Steifigkeiten und Lagerungsbedingungen und unter Berücksichtigung zeitabhängiger Verformungen von Dipl.-Ing. Uli W. Donaubauer 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2002 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. F.S. Rostàsy
Injektion von porösem Massenbeton mit hydraulischen Bindemitteln von Dipl.-Ing. Harald Wildner 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2002 Dissertation
XLI
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. P. Grübl
Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Biegeschlankheit von Stahlbetonbrücken aus Normalbeton von Dipl.-Ing. Michael Fuchs 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. B. Steinauer
XLII
Dissertationen/Habilitationsschriften
2004 Dissertation
Grundsätzliche Neumodellierung des Schubtragverhaltens mit CFK-Lamellen verstärkter Bauteile von Dipl.-Ing. Christoph Schmidhuber 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2004 Dissertation
Zur stochastischen Zuverlässigkeit bestehender Spannbetonbrücken gegen Ermüdung von Dipl.-Ing. Richard Buba 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2004 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Prof. Dr.-Ing. E. Fehling
Die Druckfestigkeit zweiachsig beanspruchter Scheibenelemente unter Berücksichtigung des Betontyps von Dipl.-Ing. Angelika Schießl 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2004 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Prof. Dr. Ir. J. Walraven
Verhalten von unbewehrtem Mauerwerk unter Erdbebenbeanspruchung von Dipl.-Ing. Detleff Schermer 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2004 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Keuser
Haftverbund und Rissverzahnung in unbewehrten Betonschubfugen von Dipl.-Ing. Ralf Reinecke 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2004 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch o. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Johann Kollegger
Modellierung des Tragverhaltens flächenhafter Stahlbetontragwerke unter Dauerlast von Dipl.-Ing. Ralf Schneider 1. Prüfer: 2. Prüfer:
2004 Dissertation
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr. techn. Manfred Wicke
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Prof. Dr. Ir. J. Walraven
Beurteilung der Dauerhaftigkeit von Koppelfugenquerschnitten bestehender Spannbetonbrücken durch Langzeitmessungen von Dipl.-Ing. Erwin Penka 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Prof. Dr. E. Brühwiler
Dissertationen/Habilitationsschriften
2004 Dissertation
XLIII
Grundlagen und Bemessungshilfen für die Rissbreitenbeschränkung im Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung Exkurs: Umweltökonomische Betrachtung von Dipl.-Ing. Michael Cyllok 1. Prüfer: 2. Prüfer:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Curbach
Autoren
Dipl.-Ing. Markus Aldejohann Universität Duisburg-Essen Fachbereich Bauwesen Institut für Massivbau Universitätsstr. 15 45141 Essen
Prof. Dr.-Ing Ralf Avak Brandenburgische Technische Universität Fakultät 2 Lehrstuhl für Massivbau Konrad-Wachsmann-Allee 2 03064 Cottbus
Dr.-Ing. Lamine Bagayoko Deutsche Bahn AG, DB Systemtechnik Konstruktiver Ingenieurbau (T.TZF 62) Richelstr. 3 80634 München
Univ. Prof. Dr. phil. et Dr. techn. Konrad Bergmeister Universität für Bodenkultur Wien Department für Bautechnik + Naturgefahren Institut für Konstruktiven Ingenieurbau Peter Jordan Str. 82 A-1190 Wien
Dr.-Ing. Rüdiger Beutel Hegger + Partner GbR Schurzelter Str. 25 52074 Aachen
XLVI
Autoren
Dipl.-Ing. Achim Birk Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dr.-Ing. Michael Blaschko Bilfinger Berger AG ZN Brückenbau Gustav-Nachtigal-Str. 3 65189 Wiesbaden
Dipl.-Ing. Kurt Borchert Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dipl.-Ing. Silke von Cranach Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau Mauerkirchnerstr. 11 80290 München
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach Universität Dresden Institut für Massivbau 01062 Dresden
Dipl.-Ing. Michael Cyllok Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dr.-Ing. Uli Donaubauer F. Wimmer Baugeschäft und Zimmerei GmbH Reuthinger Weg 3 94036 Passau
Prof. Dr.-Ing. Rolf Eligehausen Universität Stuttgart Institut für Werkstoffe im Bauwesen Pfaffenwaldring 4 70550 Stuttgart
Autoren
BR Dipl.-Ing. Bernd Endres Straßenbauamt Bayreuth Wilhelminenstr. 2 95444 Bayreuth
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Horst Falkner Technische Universität Braunschweig IBMB Beethovenstr. 52 38106 Braunschweig
Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Fehling Universität Kassel Fachgebiet Massivbau Kurt-Wolters-Str. 3 34109 Kassel
o. Univ. Prof. Dr.-Ing. Jürgen Feix Leopold Franzens Universität Innsbruck Institut für Betonbau, Baustoffe und Bauphysik Abteilung: Konstruktiver Betonbau Technikerstraße 13 A-6020 Innsbruck
Dr.-Ing. Thomas Fritsche Fritsche Ingenieure Ingenieurbüro für Bauwesen Westlicher Stadtgraben 30b 94469 Deggendorf
BOR Dr.-Ing. Michael Fuchs Straßenbauamt Nürnberg Flaschenhofstraße 53 90402 Nürnberg
Dr.-Ing. Christoph Gehlen Ingenieurbüro Professor Schießl Arnulfstr. 295 80639 München
Dipl.-Ing. Christian Gläser Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
XLVII
XLVIII
Autoren
Dipl.-Ing. Joachim Göhlmann Universität Hannover Institut für Massivbau Appelstraße 9A 30167 Hannover
Dipl.-Ing. Stephanie Grabowski Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner Technische Universität Darmstadt Institut für Massivbau Fachgebiet Konstruktion Alexanderstraße 5 64283 Darmstadt
Univ.-Prof.Dr.-Ing. Peter Grübl Technische Universität Darmstadt Institut für Massivbau Alexanderstr. 5 64283 Darmstadt
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Grünberg Universität Hannover Institut für Massivbau Appelstraße 9A 30167 Hannover
Dipl.-Ing. Jens Peter Grunert Technische Universität Braunschweig IBMB Beethovenstr. 52 38106 Braunschweig
Dipl.-Ing. Gregor Hammelehle Zilch+Müller Ingenieure Lindwurmstr. 129a 80337 München
Dr.-Ing. Uwe Hartz Deutsches Institut für Bautechnik Referat I 1 Kolonnenstraße 30 L 10829 Berlin
Autoren
Dr.-Ing. Wolfram Haumer Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft für Bau- und Verkehrswegeplanung mbH Greifswalder Str. 80A 10405 Berlin
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Institut für Massivbau Mies-van-der-Rohe Str. 1 52074 Aachen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Held Bergische Universität Wuppertal Massivbau & Tragkonstruktionen Pauluskirchstr. 7 42285 Wuppertal
Dr.-Ing. Markus Hennecke Zilch+Müller Ingenieure Lindwurmstr. 129a 80337 München
Dipl.-Ing. Andreas Jähring Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dipl.-Ing. Gesa Kapteina Ingenieurbüro Professor Schießl Arnulfstr. 295 80639 München
Dr.-Ing. Naceur Kerkeni Hegger + Partner GbR Schurzelter Str. 25 52074 Aachen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred W. Keuser Universität der Bundeswehr München BAUV 4 Werner-Heisenberg-Weg 39 85577 Neubiberg
XLIX
L
Autoren
Dipl.-Ing. Christian Kohlmeyer Technische Universität Kaiserslautern Fachgebiet Massivbau und Baukonstruktion Erwin-Schrödinger-Str. 67663 Kaiserslautern
o. Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Johann Kollegger, M. Eng. Technische Universität Wien Institut für Stahlbeton- und Massivbau Karlsplatz 13/E212 A-1040 Wien
Dipl.-Ing. Julia König Bergische Universität Wuppertal Massivbau & Tragkonstruktionen Pauluskirchstr. 7 42285 Wuppertal
Dipl.-Ing. Nadine Krauns Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Prof. i.R. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Krüger Universität Rostock Institut für Bauingenieurwesen Fachgebiet Massivbau Parkstr. 6 18051 Rostock
em. o. Prof. Dr.-Ing. Dr. techn. h.c. Herbert Kupfer Ing.-Büro Dr. Kupfer Barer Str. 44 80799 München
Dipl.-Ing. Torsten Leutbecher Universität Kassel Fachgebiet Massivbau Kurt-Wolters-Str. 3 34109 Kassel
Feng Lin, M.S. Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Bauingenieurwesen Lehrstuhl und Institut für Stahlbeton- und Spannbetonbau Universitätsstr. 150, Geb. IA 4/152 44780 Bochum
Autoren
Dr.-Ing. Hans-Ulrich Litzner Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein Kurfürstenstr. 129 10785 Berlin
Dr.-Ing. Peter Mark Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Bauingenieurwesen Lehrstuhl und Institut für Stahlbeton- und Spannbetonbau Universitätsstr. 150, Geb. IA 4/152 44780 Bochum
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer Universität Dortmund Lehrstuhl für Betonbau 44221 Dortmund
Dr.-Ing. Utz Mayer Nolasoft Ingenieurgesellschaft Ožbolt Mayer Moschner Augustenstr. 39a 70178 Stuttgart
PD Dr.-Ing. habil. Olaf Mertzsch Universität Rostock Institut für Bauingenieurwesen Fachgebiet Massivbau Parkstr. 6 18051 Rostock
Dipl.-Ing. Moritz Michel Deutsches Institut für Bautechnik Referat I 1 Kolonnenstraße 30 L 10829 Berlin
Dipl.-Ing. Andreas Müller Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dr.-Ing. André Müller Zilch+Müller Ingenieure Lindwurmstr. 129a 80337 München
LI
LII
Autoren
Dr.-Ing. Roland Niedermeier Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dipl.-Ing. Erwin Penka Zilch+Müller Ingenieure Lindwurmstr. 129a 80337 München
Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Rackwitz Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Prof. Dr.-Ing. habil. Erich Raue Bauhaus-Universität Weimar Professur Massivbau I Marienstr. 13b 99421 Weimar
Dipl.-Ing. Ralf Reinecke IB - Reinecke Ingenieurgesellschaft für Tragwerksplanung mbH Herzogspitalstr. 8 80331 München
Dr.-Ing. Wolfgang Roesner Hegger + Partner GbR Schurzelter Str. 25 52074 Aachen
Dr.-Ing. Andreas Rogge Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft für Bau- und Verkehrswegeplanung mbH Greifswalder Str. 80A 10405 Berlin
Univ. Prof. Dr.-Ing. Günter Axel Rombach Technische Universität Hamburg-Harburg Arbeitsbereich Massivbau 3-07 Denickestr. 17 21073 Hamburg
Autoren
Dr.-Ing. Frank Roos Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dr.-Ing. Marcus Rühl Technische Universität Darmstadt Institut für Massivbau Alexanderstr. 5 64283 Darmstadt
Dr.-Ing. Anton Ruile Zilch+Müller Ingenieure Lindwurmstr. 129a 80337 München
Dipl.-Ing. Detleff Schermer Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Ltd. BD Dipl.-Ing. Stefan Schiefer Autobahndirektion Nordbayern Flaschenhofstr. 55 90402 Nürnberg
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Peter Schießl Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung Baumbachstr. 7 81245 München
Dipl.-Ing. Angelika Schießl Ingenieurbüro Professor Schießl Arnulfstr. 295 80639 München
Dr.-Ing. Christoph Schmidhuber Laumer Bautechnik GmbH Bahnhofstr. 8 84323 Massing
LIII
LIV
Autoren
Dipl.-Ing. Ralf Schneider Gunta-Stölzl-Str. 13 80807 München
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Schnell Technische Universität Kaiserslautern Fachgebiet Massivbau und Baukonstruktion Erwin-Schrödinger-Str. 67663 Kaiserslautern
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martina Schnellenbach-Held Universität Duisburg-Essen Fachbereich Bauwesen Institut für Massivbau Universitätsstr. 15 45141 Essen
Univ.-Prof. Dr. sc. techn. Victor Sigrist Technische Universität Hamburg-Harburg Arbeitsbereich Massivbau 3-07 Denickestr. 17 21073 Hamburg
Prof. Dr.Ing. Werner Sobek Universität Stuttgart Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren Pfaffenwaldring 7 70569 Stuttgart
Dipl.-Ing. Florian Spitra Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dr.-Ing. Markus Staller Suess Staller Schmitt Ingenieure GmbH Lochhamer Schlag 12 82166 Gräfelfing
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Friedhelm Stangenberg Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Bauingenieurwesen Lehrstuhl und Institut für Stahlbeton- und Spannbetonbau Universitätsstr. 150, Geb. IA 4/152 44780 Bochum
Autoren
Prof. Dr.-Ing. Lothar Stempniewski Universität Karlsruhe (TH) Institut für Massivbau und Baustofftechnologie Abteilung Massivbau 76128 Karlsruhe
Dr.-Ing. Hermann Streicher Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Prof. Dr. Ir. Luc Taerwe Ghent University Department of Structural Engineering Magnel Laboratory for Concrete Research Technologiepark-Zwijnaarde 904 B-9052 Gent
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Vismann Kossin-Vismann + Partner Bauingenieure Alte Münsterstr. 1 48653 Coesfeld
Prof. Dr. Ir. Joost C. Walraven Delft University of Technology Department of Mechanics, Materials and Structures Concrete Structures Stevinweg 1 NL-2628 CN Delft
Prof. MR a.D. Jürgen Weber Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Dipl.-Ing. Herrmann Weiher Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
LV
LVI
Autoren
Univ. Prof. BR.h.c.Dipl. Ing. Dr. Dr.-Ing. E.h. Manfred Wicke Leopold Franzens Universität Innsbruck Institut für Betonbau, Baustoffe und Bauphysik Abteilung: Konstruktiver Betonbau Technikerstraße 13 A-6020 Innsbruck
Dr.-Ing. Norbert Will Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Institut für Massivbau Mies-van-der-Rohe Str. 1 52074 Aachen
Dipl.-Ing. Frank Wille Brandenburgische Technische Universität Fakultät 2 Lehrstuhl für Massivbau Konrad-Wachsmann-Allee 2 03064 Cottbus
Dipl.-Ing. Gerhard Zehetmaier Technische Universität München Institut für Baustoffe und Konstruktion Lehrstuhl für Massivbau 80290 München
Inhaltsverzeichnis
60 Jahre Prof. Zilch: Eine vielseitige Karriere
1
Joost Walraven
Über unser Wissen vom Betonbau
7
Manfred Wicke
Zur Ausbildung künftiger Bauingenieure
13
Hans-Ulrich Litzner
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton - Erfahrungen aus Planung, Bau und Monitoring
19
Reinhard Maurer
Berechnung von Temperaturfeldern
37
Markus Hennecke
Architektur fordert Ingenieure - Die neue Svinesundbrücke
43
Michael Blaschko
Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration: Neubau der Thalwassertalbrücke im Zuge der BAB A 71 Erfurt – Schweinfurt
51
Stefan Schiefer
Werkstoffadäquates Erhaltungsmodell von Brücken
63
Konrad Bergmeister
Stabilitätsverhalten von Betonbögen bei Stabbogenbrücken
69
Thomas Fritsche
Fugen in Segmentfertigteilbrücken
75
Günter Axel Rombach
Dynamik von Eisenbahnbrücken Lamine Bagayoko
83
LVIII
Inhaltsverzeichnis
Beurteilung der Ermüdungssicherheit von Spanngliedkopplungen bestehender Spannbetonbrücken durch Langzeitmessungen
89
Erwin Penka
Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Biegeschlankheit von Stahlbetonbrücken aus Normalbeton
95
Michael Fuchs
Innovationen im Betonbau
101
Jürgen Feix
Windenergieanlagen in Spannbetonbauweise
113
Jürgen Grünberg, Joachim Göhlmann
Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter der Münchner Stadtentwässerung
121
André Müller
Modellierung komplexer Strukturen am Beispiel zweier Großprojekte im Hochbau
133
Gregor Hammelehle
Komplex „Föderation“, Moskau-City
141
Wolfram Haumer, Andreas Rogge
Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Hochhausbau
147
Markus Staller
Grollenburg, Sanierung eines Baudenkmals
155
Ulrich Vismann
Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures: A critical appraisal
161
Luc Taerwe
Delaminationen in multi-direktionalen Faserverbundwerkstofflaminaten 175 Hermann Weiher
Einsatz von eingeschlitzten CFK-Lamellen an der Röslautalbrücke bei Schirnding
181
Jürgen Weber, Bernd Endres
Epoxidharze im konstruktiven Einsatz Kurt Borchert
189
Inhaltsverzeichnis
Überwachung von Verstärkungsmaßnahmen bestehender Brückenbauwerke
LIX
195
Silke von Cranach
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk - experimentelle und numerische 201 Untersuchungen Lothar Stempniewski, Christian Wallner, Sascha Schnepf
Sub-Struktur-Technik bei experimentellen Untersuchungen komplexer Strukturen unter Erdbebenbeanspruchung
219
Detleff Schermer
Überprüfung der Verbundtragfähigkeit bei klebearmierten Stahlbetonbauteilen
225
Roland Niedermeier
Verstärken mit Klebearmierung – Einfluss des Verbundverhaltens auf Zuggurtkräfte
231
Gerhard Zehetmaier
Neumodellierung des Schubtragverhaltens mit CFK-Lamellen verstärkter Stahlbetonbauteile
237
Christoph Schmidhuber
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
243
Manfred Curbach
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
255
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
Modellierung von Stahlbeton-Tragwerken im Tunnelbau
271
Manfred W. Keuser
Numerische Berechnung des Spannungs-Verzerrungs-Zustandes bei zweiachsiger Druck-Zug-Beanspruchung
277
Angelika Schießl
Beurteilung des Tragverhaltens von Kellermauerwerk mit Hilfe num. Berechnungsmethoden Stefanie Grabowski
283
LX
Inhaltsverzeichnis
Untersuchungen zum Verhalten teilweise vorgespannter Bauteile mit sofortigem Verbund im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit
291
Achim Birk
Berechnung und Begrenzung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten
297
Uli Donaubauer
Ausgewählte Ansätze zur Verformungsvorhersage im Betonbau
305
Wolfgang Krüger, Olaf Mertzsch
Berechnung von Verbundquerschnitten mit Hilfe der mathematischen Optimierung
311
Erich Raue
Rissschäden an Außenwänden aus Mauerwerk infolge Deckenverformung
319
Nadine Krauns
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk
325
Anton Ruile
Anmerkungen zum Teilsicherheitskonzept bei schwingungsanfälligen Bauwerken
335
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
Neuere Überlegungen zur Risikoreduktion bei baulichen Anlagen
351
Rüdiger Rackwitz
Kosten-Nutzen-Optimierung von Bestandteilen der Infrastruktur für Instandhaltungsstrategien
359
Hermann Streicher
Steigerung der Querkrafttragfähigkeit von Stahlverbundträgern im Bereich von großen Stegöffnungen durch Querkraftbewehrung
365
Jürgen Schnell, Christian Kohlmeyer
Zweiachsige Hohlkörperdecken: Was ergibt sich für die Querkrafttragfähigkeit?
371
Martina Schnellenbach-Held, Markus Aldejohann
Querkraftbemessung in DIN 1045-1, BS 8110 und ACI 318
377
Florian Spitra
Zum Schubtragverhalten von Stahlbeton Josef Hegger, Wolfgang Roesner, Rüdiger Beutel, Naceur Kerkeni, Norbert Will
383
Inhaltsverzeichnis
Zur Einleitung konzentrierter Kräfte in den Betongurt durch Verbundmittel
LXI
393
Andreas Jähring
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung
401
Herbert Kupfer
Materialmodell für extrem dynamisch beanspruchten Beton und Stahlbeton
413
Feng Lin, Friedhelm Stangenberg, Peter Mark
Ein Materialmodell für Beton unter hohen Dauerlasten
419
Ralf Schneider
Bauingenieursoftware für den mobilen Einsatz
425
Ralf Avak, Frank Wille
Hochfester Beton: von akademischer Spielerei zu harter Realität
431
Joost Walraven
UHPC – Eine Herausforderung
447
Ekkehard Fehling, Torsten Leutbecher
Beton mit Zuschlag aus rezyklierter Gesteinskörnung – ein ambivalenter Baustoff
453
Peter Grübl, Marcus Rühl
Einführung eines ökologischen Baustoffs: Recyclingbeton
463
Frank Roos, Michael Cyllok
Flachdecken aus Leichtbeton
469
Julia König, Markus Held
Die Rolle der Oberflächenrauheit in der Altbetonsanierung
475
Ralf Reinecke
Beton – ein Baustoff der (sich) verbindet
485
Andreas Müller
Optimierung des Verbundes
491
Utz Mayer, Rolf Eligehausen
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen: Dimensionierung mittels FEM Uwe Hartz, Moritz Michel
497
LXII
Inhaltsverzeichnis
Spannverfahren im 21. Jahrhundert - gewandelte Anforderungen an ein dauerhaftes Produkt
507
Christian Gläser
Qualität am Bau – Fertigteile, vorgespannt aus SVB und SFB
515
Horst Falkner, Jens Peter Grunert
Plastische Gelenke
521
Viktor Sigrist
Dauerhaftes und nachhaltiges Bauen Peter Schießl, Christoph Gehlen, Gesa Kapteina
527
60 Jahre Prof. Zilch: eine vielseitige Karriere Joost Walraven
Wir sind hier zu einer besonderen Gelegenheit zusammen. Professor Konrad Zilch wurde vor kurzem sechzig Jahre alt: gratuliere! Das ist ein Grund zu feiern und gleichzeitig zurückzuschauen, zu reflektieren und - warum nicht, wenn man noch so jung ist – sich Gedanken über die Zukunft zu machen. In mathematischem Sinne heißt das: aus der Vergangenheit zu extrapolieren. Zurückschauen ist etwas Eigenartiges. Manche machen es gerne und manche ungern. Es liegt nahe zu glauben, dass das mit dem erzielten Erfolg zu tun hat. Zugegeben: Erfolg spielt hierbei mit Sicherheit eine Rolle. Andererseits haben manche auch die Neigung, beziehungsweise die Fähigkeit, ihre Leistungen aus der Vergangenheit zu relativieren. Eine kleine Anekdote möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Als junger Wissenschaftler wurde ich auf einer Konferenz einmal gefragt, eine Sitzung zu leiten. Das empfand ich als eine große Ehre, vor allem weil ich den damals schon weltberühmten Prof. Surendra Shah ankündigen sollte. Als ich Herrn Shah ankündigte, erwähnte ich, dass er vielleicht mehr als die Hälfte seines erwachsenen Lebens dem Material Beton gewidmet hat. Dazu lächelte er und sagte, er sei nicht sicher, ob das ein Kompliment ist. Diese Bemerkung verunsicherte mich, weil ich nicht wusste, ob ich ihn beleidigt hatte. Über seine Aussage habe ich lange nachgedacht. Erst später wurde mir klar, dass er die Kunst verstand, sich selbst zu relativieren. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich hier über Prof. Shah rede und nicht über Prof. Zilch. Das wird Ihnen später klar werden. Ich komme gleich darauf zurück. Vor etwa einem halben Jahr wurde ich gefragt, ob ich Prof. Zilch anlässlich seines 60. Geburtstags zusprechen möchte. Ich habe die Einladung sofort angenommen. Ich fand es eine Ehre und eine Freude, dabei zu sein und sprechen zu dürfen, vor allem nachdem wir vier Jahr, in einem Team von sechs Leuten aus unterschiedlichen europäischen Ländern gemeinsam an die Erstellung der Eurocode 2 “Betonkonstruktionen“ gearbeitet hatten. Für „gearbeitet“ kann man auch lesen „gelitten, geschwitzt und gekämpft“. Trotzdem war das ein einmaliges Erlebnis, und letztendlich haben wir unser Ziel erreicht: in 2003 wurde der EC2 „Betonkonstruktionen“ durch die Mitgliedstaten angenommen. Herr Zilch hatte dazu noch die Aufgabe, seine eigenen Landsleute zu überzeugen. Das war keine leichte Aufgabe. Es stellte sich mal wieder heraus, dass Deutschland viele gute Wissenschaftler und gewissenhafte Behörden hat, deren Meinung jedoch nicht immer einstimmig ist.
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Dazu gibt es für jede Zahl und jede Formel wohl irgendwo einen Experten, der auf diesem Gebiet seine Doktorarbeit angefertigt hat und der gerne einmal erklären möchte, warum das eigentlich anders sein sollte. Ich hatte es in Holland wesentlich leichter als Herr Zilch. Der gemeinsame Kampf, einerseits gegen und andererseits für Europa, hat jedoch die Verbindung München - Delft weiterhin verstärkt. In einer Laudatio müssen Fakten genannt werden. Heute ist es nicht mehr schwierig Daten und Fakten zu sammeln. Jede Suchmaschine auf Internet liefert auf Anhieb eine Fülle an Informationen. Vielleicht sollte man sogar lieber über eine Überschwimmung reden. Heutzutage ist das Problem nicht mehr, an genügend Informationen heranzukommen, sondern aus dem Überangebot die wesentliche Sachen herauszufiltern. Trotzdem ist ein Suchprogramm ein gutes Instrument, um herauszufinden, wie bekannt eine Person ist. Deshalb habe ich in das Suchprogramm Google den Namen „Konrad Zilch“ eingegeben und einmal geschaut was dabei herauskommt. Das Ergebnis war erstaunlich: es wurden auf Anhieb 1490 Quellen genannt. Dazu hatte die Maschine nur 0,14 Sekunden gebraucht. Offenbar liegt die Information über Konrad Zilch überall zum aufgreifen bereit. Ein beeindruckendes Ergebnis. Jedoch weiß jeder richtige Forscher, dass man Ergebnisse zuerst kritisch evaluieren muss, um zuverlässige Aussagen machen zu können. Quelle 730 enthielt wohl die Namen „Konrad“ und „Zilch“, jedoch handelte es sich hier um einen Herrn, der Zilch hieß, und in der Konrad-Adenauer Strasse wohnte. Also, der muss von den 1490 Ergebnissen abgezogen werden. Das war ein Grund, einmal auf eine andere Weise weiterzusuchen. Ich entschied mich, in die engere Wahl zu gehen und gab ein: „Konrad Zilch Beton“. Das gab statt 1490 immerhin noch 1410 Treffer, in 0,29 Sekunden gefunden. Und alles reiner „Zilch“. Natürlich ist der deutschsprachige Teil von Europa groß. Das ist für die Bekanntschaft ein Vorteil. Auch Österreich und die Schweiz gehören dazu. Manchmal wird auch Holland dazugerechnet. Wenn ich an den Jahressitzungen des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton teilnehme, werde ich immer als Vertreter der deutschsprechenden Nachbarländer angekündigt. Wenn man das Google-Ergebnis trotzdem relativieren möchte, so könnte man hier sagen, dass Vergleiche auf nationaler Ebene in Zukunft ihre Bedeutung verlieren werden. Also, noch einmal probiert mit der Eingabe :“Konrad Zilch Concrete“. Die Maschine hat innerhalb von 1.02 Sekunden 463 Quellen gefunden. Und es handelte sich hierbei wieder immer um “den Zilch“. Das ist unwahrscheinlich viel. Probieren Sie es einmal mit Ihrem eigenen Namen. Es wird Zeit, dass wir einmal genauer betrachten, mit wem wir hier zu tun haben. Konrad Zilch wurde 1944 in Friedewald geboren. Das liegt in der Nähe von Bad Hersfeld. In 1964 fing er sein Bauingenieurstudium der TH Darmstadt an, wo er 1969 sein Diplom erhielt. Anschließend arbeitete er als junger Forscher bei Prof. Hubert Beck am Institut für Massivbau der TH Darmstadt und sammelte seine ersten praktische Erfahrungen im Ingenieurbüro Beck-Gravert-Schneider in Frankfurt. Sein Betreuer Prof. Beck starb jedoch unerwartet und viel zu früh, und Prof. Zilch entschied sich zuerst einmal eine internationale Orientierungsphase einzule-
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gen. Das führte ihn in die USA, wo er als Projektingenieur im Büro des berühmten T.Y. Lin arbeitete. Dazu arbeitete er als Forscher an der Universität von Kalifornien in San Francisco bei Prof. Lin, Prof. Clough and Prof. Bressler, alle namhafte Forscher mit einem sehr starken Bezug zur Praxis. Anschließend verbrachte er noch einige Zeit als Forscher an der Universität von Western Ontario, in Kanada. Heutzutage empfehlen wir vielversprechenden jungen Forschern dringend, sich international zu orientieren, sich in einer anderen Kultur umzusehen, zu verstehen, dass es nicht nur einen Weg gibt, um zum Ziel zu kommen, und um einmal ruhig nachzudenken: dies sind wichtige Elemente einer Ausbildung. Im Jahre1973 ging er zurück nach Darmstadt, wo er 1977 bei Prof. König zum Thema „Zur Berechnung stabilitätsgefährdeter ebener regelmäßiger Windrahmen“ promovierte. Auch die Forschung in Darmstadt wurde durch eine fruchtbare Mischung zwischen Wissenschaft und Praxis geprägt. Diese Denkweise, bei der man wissenschaftliche Fragestellungen aus praktischen Themen entnimmt, sie über Grundlagenforschung erweitert, und schließlich wieder in praxisrelevante Empfehlungen umsetzt, hat Herr Zilch zu seiner allgemeinen Forschungsphilosophie gemacht. Das heißt: kein Grundlagendenken ohne Bezug zur Praxis und keine Praxis ohne Grundlagenverständnis. Seine Kenntnis der Praxis erweiterte er in einem intensiven, neun Jahren langen Periode bei Strabag Bau AG in Köln, wo er Superintendent bei der Abteilung Straßen und Brücken war. Er entwickelte hierbei seine Fähigkeit als Tragwerksplaner und sammelte Baustellenerfahrung. Die Hochschule hat ihn jedoch nicht locker gelassen. Während seiner Tätigkeit bei Strabag war er als Gastprofessor an der TH Darmstadt tätig und erstellte gleichzeitig seine Habilitation bei Prof. König. Mit einer derartigen Ausbildung in Forschung und Praxis kann man sich auf die Dauer nicht gegen die Zugkraft der universitären Welt wehren. Es war somit nur die Frage wann und wo Herr Zilch seine Laufbahn an einer Universität fortsetzen würde. Es wurde 1988 die Nachfolge des berühmten Statikers Prof. Hirschfeld an der RWTH Aachen. Das war schon eine klare Anerkennung, denn das heißt, dass er den Ruf hatte, sich zu einem Spezialisten im breitesten Sinne entwickelt zu haben. Besonders auf einem Lehrstuhl in der Statik ist es wichtig, den Bezug zu den praktischen Problemen des Konstruierens zu pflegen. Es gibt in der Statik noch immer viele herausfordernde und reizvolle Probleme. Es kommt jedoch nicht nur darauf an, dass man die Fähigkeit hat sie zu lösen, sondern vor allem dass man sie erkennt und sich die richtigen Aufgaben stellen kann. Um die Verbindung zur Praxis aufrechtzuerhalten, gründete er das Ingenieurbüro Zilch. Er arbeitete dort als Beratender Ingenieur und als Prüfingenieur auf den Gebieten Massivbau und Stahlbau. Wenn man sich stark profiliert, kommen immer wieder neue schöne und interessante Herausforderungen. Man jagt ihnen nicht nach, aber sie kommen trotzdem. Gerade wenn man sich irgendwo wohl fühlt kommt ein anderes, noch schöneres Angebot. In diesem Fall war das die Nachfolge von Prof. Kupfer in München. So steht man dann wieder in Zweispalt: den Hirschfeldlehrstuhl verlassen, so etwas
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macht man nicht. Aber den Kupfer Lehrstuhl verweigern, so etwas tut man auch nicht. So kam letztendlich der Umzug nach München, 1993, als Prof. Zilch Ordinarius im Fach Massivbau wurde. Nach einer Einarbeitungszeit von einigen Jahren wurde dazu 1997 das Ingenieurbüro Zilch + Müller Ingenieure gegründet, mittlerweile mit Partner Hennecke erweitert. An der TU München hat Prof. Zilch eine erhebliche Forschungsaktivität entwickelt. Es gibt dabei klassische Themen und zukunftorientierte Themen. Der Bedarf an Forschung auf klassischem Gebiet wird von manchen Leuten in Zweifel gezogen. Ich muss sagen: leider. Ein Teil der Forschung darf ruhig einen „klassischen“ Charakter haben. Oft stellt man fest, dass aus der Praxis noch immer Fragen kommen, die man, trotz vieler Veröffentlichungen oder sogar wegen dieser vielen Veröffentlichungen, die miteinander strittig sind, nicht auf Anhieb beantworten kann. Es wäre deshalb falsch, die klassischen Themen aufzugeben und nicht weiter nach Vollständigkeit, Konsistenz und Transparenz zu suchen. Es wird immer viele Fragen auf dem Gebiet des klassischen Massivbaus geben. Sie zu untersuchen und die Ergebnisse zu veröffentlichen führt zudem zu einem ständigen, fruchtbaren Dialog mit der Praxis. Man darf dabei nicht vergessen, dass es heute für die klassische Forschung neue Hilfsmittel gibt. Es gibt weitgehend verbesserte Messtechniken und leistungsfähige, nichtlineare Rechenprogramme, mit denen man das Verhalten von Bauteilen und Konstruktionen besser als je vorher analysieren und verstehen kann. Ein Beispiel zu geben ist nicht schwierig. Ich habe damals selbst, gefühlsmäßig fast in der grauen Vergangenheit, meine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Rissverzahnung angefertigt. In seinen jungen Jahren ist man dann, nach Abschluss seiner Arbeit, völlig überzeugt, dass das Thema nun endlich vollständig gelöst wurde und abgehakt werden kann. Jetzt bin ich Koreferent bei zwei Arbeiten, die unter der Betreuung von Herrn Zilch angefertigt wurden. Die jungen Forscher, Herr Ralph Reinecke und Frau Angelika Schiessl, haben sich beide der Thematik der Schubkraftübertragung über raue Betonflächen gewidmet, das Thema, von dem ich vor 25 Jahren dachte, dass es keine Geheimnisse mehr enthalte. Nachdem ich die Münchener Berichte gelesen hatte, musste ich zugeben, dass ich mehrere Sachen gefunden habe, die ich nicht wusste und wodurch ich letztendlich meine eigene Arbeit besser verstanden habe. Derartige Arbeiten leisten einen Beitrag, um in Zukunft transparentere und konsistentere Richtlinien und Normen zu verfassen. Ein großer Teil der Forschung, die in München unter der Verantwortung des Herrn Zilch lief, war und ist aktuell und zukunftorientiert. So gab es mehrere Arbeiten auf dem Gebiet des hochfesten Betons und des selbstverdichtenden Betons. In Bezug auf den hochfesten Beton war die Umsetzung in die Praxis schnell, vor allem mit den Pilotprojekten Buchloe, Griesbach und Freihamer Allee. Diese Projekte boten eine Fülle an Informationen, nicht nur in Bezug auf den Baustoff HFB allein, sondern auch auf die Vergabe eines Projektes bei einem neuen Baustoff, die Ausführung und die zugehörige Qualitätskontrolle.
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Es gab weiterhin viele Arbeiten zum Thema Brückenbau. Diese bezogen sich auf viele Aspekte, wie zum Beispiel das Langzeitverhalten von Spannbetonbrücken, Ertüchtigung mit aufgeklebter Bewehrung und das Tragverhalten von hybriden Brückenkonstruktionen mit gefalteten Stegen. Weiterhin war Herr Zilch an der Verbreitung der Methode der externen Vorspannung maßgeblich beteiligt. In Vorträgen in In- und Ausland erklärte er die Technik und zeigte Beispiele. Er trug dazu bei, die Methode von dem Status der Pilotprojekte zu dem einer Regelbauweise zu erheben. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit rezyklierten Zuschlägen und dem noch immer nicht völlig aufgeklärten Thema Baugrund-Gebäude Interaktion. Herr Zilch hat sich zudem immer angestrengt, die Kenntnis der Massivbauweise in allen Hinsichten strukturiert zu übertragen. Er war an Handbüchern beteiligt, wie „Einführung in die DIN 1045-1: Anwendungsbeispiele“, sowie das „Handbuch für Bauingenieure, Technik. Organisation und Wirtschaftlichkeit – Fachwissen in einer Hand“, mit Koautoren Diederichs und Katzenbach, und der Mauerwerk Atlas, mit Koautoren Pfeifer, Ramcke, Achtziger und Schatz. Das letzte Handbuch ist auch auf English verfügbar. Dort heißt es Masonry Construction Manual. Prof. Zilch organisierte und initiierte viele Tagungen, von denen das alljährliche Münchener Massivbau Seminar sehr bekannt und gut besucht ist. Weiterhin ist er Chefredakteur der Fachzeitschrift „der Bauingenieur“. Herr Zilch hat immer gerne an der Verbesserung und Modernisierung der Vorschriften gearbeitet. Über unsere Abenteuer beim Eurocode 2 habe ich schon berichtet. Ich habe mich zu dieser Gelegenheit einmal gefragt, wo ich Prof. Zilch kennengelernt habe. Das war 1974 bei der Doktorprüfung des Herrn Heunisch, später Partner im Ingenieurbüro König und Heunisch. Ich hatte zufälligerweise einen Termin an der TH Darmstadt und wurde eingeladen, einmal zu sehen, wie in Deutschland eine Doktorprüfung abläuft. Auch Herr Zilch war dort Zuschauer. Durch seine überdurchschnittliche Länge fiel er mir auf. Er machte dazu einen lockeren Eindruck. Das ist für einen Zuschauer bei einer Doktorprüfung natürlich nichts Besonderes. Alle in dem Raum, bis auf einen, sind locker und entspannt. Man schaut vergnügt zu, wie der Prüfling versucht sich zu retten und freut sich auf die kommende Feier. Jahre später machte ich persönlich mit ihm die Bekanntschaft, als ich in Aachen beim Forschungskolloquium des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton an ihn vorgestellt wurde. Erst dann wusste ich, dass er Prof. Zilch war. Mittlerweile haben wir uns gut kennengelernt. Ich weiß jetzt, dass er nicht nur lang ist, sondern auch breit. Damit meine ich die Breite seiner Kenntnis und die Bandbreite seiner Tätigkeiten. Ich weiß jetzt auch, dass er nicht nur locker ist, sondern auch Humor hat und, genau wie Prof. Shah, relativieren kann. Dazu kann er überzeugen und hat starke Nerven. Das ist eine gute Kombination von Eigenschaften wenn man etwas erreichen möchte.
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Wie schon gesagt, es ist mir eine Ehre und eine Freude hier heute zu sein und sprechen zu dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass ich für viele Kollegen und Freunde aus dem In- und Ausland spreche wenn ich sage: „Konrad, herzlichen Glückwunsch zu Deinem sechzigsten Geburtstag und noch viele glückliche, gesunde und produktive Jahre!
Über unser Wissen vom Betonbau Manfred Wicke
Diese Arbeit berichtet aus mehreren Blickwinkeln über unser Wissen vom Betonbau. Der Betonbau zählt zu den Technischen Wissenschaften und diese mit den Naturwissenschaften zu den Erfahrungswissenschaften. Zunächst wird für diese allgemein über die Verfahren zum Erkenntnisgewinn berichtet. Dies führt zur Antwort auf die öfters gestellte Frage, wie gewiss denn unser Wissen sei. In diesem Zusammenhang wird die Vorläufigkeit unseres Wissens angesprochen und der Frage nachgegangen welche Anforderungen wir an unser Fachwissen stellen. Danach werden die Quellen unseres Wissens besprochen, nämlich Versuch, Theorie, Erfahrungen und Schäden. Das Zusammenspiel von rationalen und empirischen Methoden wird beleuchtet. Die geschichtliche Entwicklung der Wissenschaften im Bauwesen wird kurz angerissen. Die Bedeutung von Paradigmen wird dargelegt und die tief greifenden Veränderungen, die ein Paradigmenwechsel hervorruft, am Beispiel des Wechsels der Sicherheitstheorie geschildert. Die Normung und deren Verhältnis zum Stand der Technik werden kurz angesprochen. Abschließend werden Gedanken zur Ausbildung der Bauingenieure skizziert.
1 Einleitung Im Tagesgeschäft bleibt wenig Zeit über die Quellen unseres Wissens nachzudenken. Meist drängt die Zeit und man greift zu jenen Normen, die jedenfalls eingehalten werden müssen. Weiters zieht man jene Rechenprogramme heran, die durch zahlreiche Anwendungen erprobt sind und auf die man sich somit verlassen kann. Viele Bauwerke werden auf solchen Grundlagen geplant und gebaut. Diese Festschrift ist ein willkommener Anlass über das Wissen zu reflektieren, das den Normen und den Rechenprogrammen zugrunde liegt. Im Berufsleben erlebt man immer wieder Situationen, in denen das aktuelle Wissen hinterfragt oder angezweifelt wird. Neuerungen, wie beispielsweise der Einführung neuer Normen, wird öfters kritisch begegnet und es stellt sich die Frage, warum das Alte und Bewährte aufgegeben werden soll. Es ist reizvoll solchen Fragen, losgelöst von konkreten Anlässen, in Muße nachzugehen. Es wird demnach der Frage erörtert, auf welchen Grundlagen unser angeblich gesichertes Wissen ruht.
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Über unser Wissen vom Betonbau
2 Wie wir zu Wissen gelangen Der Betonbau ist eine Sparte der Technischen Wissenschaften. Diese gehören mit den Naturwissenschaften zu den Erfahrungswissenschaften. Mit dieser Benennung wird ausgedrückt, dass sie letztlich ihre Erkenntnisse an der Erfahrung überprüfen müssen. Darin unterscheiden sie sich von Formalwissenschaften, wie beispielsweise der Mathematik. Diese geht von feststehenden Grundsätzen, den so genannten Axiomen, aus und leitet daraus Folgerungen ab. Durch Ableitung oder Deduktion werden neue Erkenntnisse gewonnen. Nun kann man einwenden, dass auch in den Erfahrungswissenschaften häufig aus allgemeinen Sätzen spezielle Aussagen abgeleitet werden. Auch dies ist ein deduktiver Vorgang, er unterscheidet sich jedoch von jenem in den Formalwissenschaften durch die Qualität der Grundsätze. Diese sind nicht willentlich festgelegt sondern durch frühere Erfahrungen gewonnen worden. Die Grundsätze sind aus einem induktiven Vorgang hervor gegangen und stellen somit Verallgemeinerungen von besonderen Erfahrungen dar. In unzähligen Anwendungen sind sie überprüft und verifiziert worden. Beispielsweise sind die Erhaltungssätze von Energie oder Impuls oder der Satz „Kraft ist Masse mal Beschleunigung“ derart abgesichert, dass sie als Ausgang für weitere Ableitungen verwendet werden können. Nach dem Kritischen Rationalismus von K. Popper sind jedoch noch so viele Verifizierungen kein Beweis für die Richtigkeit eines Satzes. Eine einzige Falsifizierung hingegen bringt neue Erkenntnis, nämlich die, dass die Hypothese verworfen oder modifiziert werden muss. Daraus folgt, dass in den Erfahrungswissenschaften jedes Wissen letztendlich nur vorläufig sein kann. Ein „gesichertes“ Wissen gibt somit nicht, jedoch eines mit mehr oder minder großer Wahrscheinlichkeit. Unter Beachtung dieser Vorbemerkungen können wir nunmehr unsere drei wesentlichen Wissensquellen betrachten, nämlich den Versuch, die Theorie und die Erfahrung. Der Wissenserwerb unmittelbar durch die Erfahrung erfolgt durch die Methode „Versuch und Irrtum“. Vermutlich sind bis ins 19. Jahrhundert Bauwerke nach dieser Methode errichtet worden. Mit großer Sicherheit wurde sie beispielsweise bei den gotischen Kathedralen angewendet. Bevor wir näher darauf eingehen, wollen wir die Frage erörtern, was wir vom Fachwissen verlangen, also welche Anforderungen wir an unser Wissen stellen.
3 Anforderungen an unser Wissen Die Studenten des Bauingenieurwesens werden im ersten Studienabschnitt vornehmlich in Mathematik, Mechanik, Baustatik und Festigkeitslehre ausgebildet. Diese Fächer verwenden überwiegend die deduktive Methodik. Damit festigt sich bei den Hörern die Überzeugung, dass diese auch in den Ingenieurfächern des zweiten Studienabschnitts zu Recht anzuwenden wäre. Sie erwarten, dass Prob-
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lemlösungen aus allgemeinen Sätzen deduziert werden können. Wie bei einem Beispiel einer Mathematikschularbeit gäbe es nur eine richtige Lösung und alle abweichenden wären falsch. Daraus folgt auch das Streben nach der „exakten“ Lösung, da man von deren Existenz unreflektiert überzeugt ist. Näherungen und Vereinfachungen werden als minderwertig betrachtet. Besondere Verwirrung löst man aus, wenn man zwei Verfahren gleichberechtigt nebeneinander zulässt, wie beispielsweise bei der Querkraftsicherung, nämlich die Standardmethode mit Abzugswerten und die Methode der variablen Neigung der Druckstreben. Wenn bei Anwendung beider Methoden zwangsläufig unterschiedliche Bügelbewehrungen errechnet werden, dann wird gefragt welche die „richtige“ sei. In dieser Situation muss einiges klar gestellt werden. Die Suche nach der „genauen“ Lösung, als Folge des Glaubens an die Berechenbarkeit der Naturerscheinungen, muss hinterfragt werden. Was wir in den Erfahrungswissenschaften berechnen können, sind Modelle, mit denen wir die Natur beschreiben. Wir gehen davon aus, dass die Welt so wäre, wie wir sie wahrnehmen. Wir sind hypothetische Realisten und solange wir mit diesem Standpunkt Erfolg haben, gibt es keinen Grund davon abzugehen. Im konstruktiven Ingenieurbau sind es mechanische, mathematisierbare Modelle. Diese sind gröbere oder feinere gedankliche Netze, die wir über die Natur breiten. Die Natur selbst ist nicht berechenbar. Eine Differentialgleichung ist beispielsweise ein sehr feines Netz. Ein Differential ist eine enge Masche, die Realität mit Atomen, Nukleonen und Quanten kann es jedoch nicht erfassen. Die gröberen und feineren Modelle liefern meistens unterschiedliche Ergebnisse. Wie können wir entscheiden, wie weit die Annäherung der Modelle an die Wirklichkeit betrieben werden muss? Ganz einfach, das Modell muss seinen Zweck erfüllen und der besteht letztlich darin eine verlässliche Prognose zu erstellen. Statische Berechnungen sind Vorhersagen über das künftige Verhalten eines Bauwerks. Sie sind hoffentlich sicherer als Wettervorhersagen. Woran erkennen wir, dass ein bestimmtes Modell diese Anforderung erfüllt? Schlussendlich nur an vergangenen Erfahrungen, die wir damit gemacht haben. Damit wären wir wiederum bei einem Induktionsschluss angelangt, der nie sichere sondern höchstens wahrscheinliche Aussagen zulässt. Ein einziger Fehlschlag aus der Anwendung eines konkreten Verfahrens, erfordert dessen Ablöse oder zumindest Abänderung. Die Ingenieure benötigen Modelle, die zuverlässige Vorhersagen ermöglichen, jedoch keine genaueren. Schon Einstein hat dies treffend formuliert mit: „As simple as possible, but not simpler“. Die Suche nach der „exakten“ Lösung, oder man kann auch sagen nach der Wahrheit überlassen wir anderen, die glauben, dass es so etwas gibt.
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4 Versuch, Theorie, Erfahrungen und Schäden Im vorangegangen Abschnitt haben wir gesehen, dass letztlich die Erfahrung über die Brauchbarkeit unseres Wissens entscheidet. Somit kann man provokant fragen: Wozu brauchen wir Versuch und Theorie? Anfänglich wurde vermutlich direkt nach Erfahrungen gebaut: Die nächste Hütte oder das nächste Haus glich dem voran gegangenen, sofern dieses den Bedürfnissen entsprochen hat. Mit dem Wunsch nach Veränderungen oder Abwandlungen kam die Methode „Versuch und Irrtum“ verstärkt zum Einsatz. Das Verlassen des Erfahrungsraums war auch damals schon riskant. Versuch und Theorie vermitteln uns ein Vorauswissen, das die Risken bedeutend eingrenzen kann. Der Versuch ist die Beobachtung der Wirklichkeit unter kontrollierten Randbedingungen. Für Erscheinungen, die von zahlreichen Parametern abhängen, filtern wir einzelne oder wenige heraus und beobachten das Verhalten bei deren Variation. Daraus erkennen wir Zusammenhänge, die wir in Formeln, Sätzen und Hypothesen formulieren. Beispielsweise erkennen aus einem Bruchversuch den Versagensmodus und für diesen können wir unsere Versagenshypothese entwickeln. Heutzutage können wir mit der Hypothese Parameterstudien durchführen und brauchen nur mehr Eckpunkte des Anwendungsfeldes durch Versuche zu überprüfen. Der Zugewinn an Erkenntnis erfolgt somit in enger Verflechtung von Versuch und Hypothese. Diese Vorgangsweise dient auch der Ermittlung des Anwendungsbereichs einer Hypothese. Es handelt sich auch dabei um induktive Schlüsse vom Besonderen auf das Allgemeine und die somit gewonnenen Erkenntnisse sind im Sinne des bisher Gesagten vorläufig und wahrscheinlich, jedoch nicht gewiss. Bauschäden sind eine besondere Art von Erfahrungen. „Nur wer nicht arbeitet macht keine Fehler“ und „aus Schaden wird man klug“. Diese Volksweisheiten gelten auch im Betonbau. Dann stellt sich gleich die Frage, war es ein Planungsfehler oder ein Ausführungsfehler, und danach die Frage nach dem Schuldigen. Man kann jedoch auch anders fragen: War der Fehler vermeidbar, da er ein Verstoß gegen den Stand der Technik war oder war er nicht vorhersehbar? Letztere sind von Interesse, da sie eine Falsifizierung unserer Kenntnisse darstellen. Die Erfahrung hat die Erwartungshaltung nicht bestätigt. Damit werden solche Fehler zu einer sicheren Wissensquelle. Sie erfordern eine Adaptierung unseres Wissens. Dennoch sollten wir diese sichere Wissensquelle meiden, denn lernen aus Fehlern tut weh, insbesondere jenes aus den eigenen. Dafür merkt man sich die daraus gezogenen Lehren sehr nachhaltig.
5 Geometrische und mechanische Bemessung Die Geometrie war die erste Wissenschaft, die für das Bauen herangezogen wurde. Bereits in der Antike wurden Bogenformen konstruiert. Das Verhältnis von
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Bogenstützweite zur Breite der Kämpferpfeiler war ebenfalls ein geometrischer Kennwert. Bis ins beginnende 20. Jahrhundert wurde die geometrische Bemessung noch angewendet. Beispielsweise wurde in der Gründerzeit in Wien (1870 bis 1910) die Höhe der Deckentrame nach Schlankheitsregeln (l/h) bemessen. Für die Mauerstärken gab es in Abhängigkeit von der Geschosszahl absolute Maßvorgaben. Die Fundamentbreite war ebenfalls fix geregelt. Der Einzug der Mechanik in das Bauwesen fand relativ spät statt. Meist setzt man diesen mit dem Gutachten der „tre mattematici“ über die Ursache der Risse im Tambour der Kuppel des Petersdoms in Rom aus dem Jahre 1743 an. Dieses Datum wird auch gerne als Beginn des Bauingenieurwesens bezeichnet. In der Folge setzte sich die Bemessung nach mechanischen Gesichtspunkten allmählich durch. Ende des 19. Jahrhunderts war sie weitgehend installiert und der Stahlbetonbau bediente sich ihrer von Anfang an. Die auftretenden Spannungen wurden der um die Sicherheit reduzierten Festigkeit gegenüber gestellt. Allerdings wurde im Stahlbeton eine kurze Zeit lang auch geometrisch bemessen. Zur damaligen Zeit waren die zulässigen Spannungen von Holz und Beton etwa gleich groß und somit konnte man die Abmessungen von Holzträgern und Stützen voll für den Betonbau übernehmen. Eine Theorie des Stahlbetons war jedoch nur auf mechanischen Prinzipien möglich. Der Verbundquerschnitt bereitete anfangs gedankliche Schwierigkeiten. Aber in relativ kurzer Zeit waren die Grundzüge des Gebrauchsspannungsverfahrens entwickelt und der Siegeszug des Stahlbetons begann.
6 Paradigmen und Paradigmenwechsel Wir bezeichnen mit Paradigma eine besondere Sichtweise auf einen, eher grundlegenden Aspekt eines Fachgebietes, etwas wie einen Leitsatz oder eine Zielvorstellung. Im Stahlbeton ist es beispielsweise die Vernachlässigung der Betonzugspannungen bei der Bemessung. Ein Paradigmenwechsel ist demnach eine grundlegende Änderung der Sichtweise. Bei der Einführung der Spannbetonbauweise im deutschen Sprachraum galt als Paradigma „die Vermeidung von Rissen“. Daraus leiten sich unsere Bemessungsverfahren ab, mit der Dominanz des Nachweises der Gebrauchspannungen. Auch die zehn Gebote für den Spannbeton von Leonhardt spiegeln dieses Paradigma wider, z.B.: „Sorge dafür, dass sich dein Bauwerk verkürzen kann“. Bei einem Hochbau in Ortbetonbauweise ist dieses Gebot nicht erfüllt und deshalb wurden nur Fertigteile vorgespannt. Erst ein Paradigmenwechsel zu „Beherrschung der Durchbiegung“ ließ Zwängungsrisse in vorgespannten Hochbaudecken zu und führte zum erfolgreichen Einsatz der Freien Spanngliedlage.
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7 Normen und Stand der Technik Der ständige Zugewinn an Erkenntnissen bedingt die Vorläufigkeit unseres Wissens. Der Stand der Technik ändert sich laufend. Die Normung kann den Stand der Technik nie gänzlich erreichen. Normen sollte man erst dann, wenn ein Verfahren oder ein Produkt ausgereift und für die allgemeine Anwendung erprobt ist. Ofenfrische Forschungsberichte sind in der Regel nicht normungsreif. In dem kleinen Bereich zwischen Normung und Stand der Technik wird, je nach Rechtslage, mit „Zulassungen im Einzelfall“ oder Gutachten gearbeitet. Die Normen müssen in gewissen Abständen überarbeitet, d.h. an den Stand der Technik herangeführt werden. Dabei gehen auch Paradigmenwechsel an den Normen nicht vorüber. Im Gegenteil, sie bedingen den tiefstgreifenden Wandel. Wir erleben gerade einen solchen, nämlich die Ablösung der deterministischen Sicherheitstheorie durch die semi-probabilistische. In der Rechenpraxis hat sich nicht all zu viel geändert, wie rechnen weiterhin „quasi-deterministisch“ mit Sicherheitsbeiwerten. Diese sind jedoch nicht mehr empirisch festgelegt, sondern aufgrund von Überlegungen bezüglich der Zuverlässigkeit. Dennoch ist die probabilistische Sichtweise sehr wichtig, da unser gesamtes Erfahrungswissen lediglich wahrscheinlich und nicht gewiss ist.
8 Folgerungen für die Ausbildung Eingangs wurde erwähnt, dass die Fächer mit deduktiver Methodik im ersten Studienabschnitt zu Problemen bei den Ingenieurfächern führen können. Natürlich brauchen wir die Mathematik und die Mechanik nach wie vor in der Bauingenieurausbildung. Es frägt sich nur, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht wirkungsvoller wären. Dagegen kann eingewendet werden, dass die Mathematik die Grundlage aller konstruktiven Fächer sei. Das stimmt jedoch nur, solange man die Analyse von Tragstrukturen im Auge hat. Für die Heuristik, im Bauwesen wäre dies der Entwurf, ist es jedoch nicht der Fall. Wir sollten uns die Kollegen von der Architektur zum Vorbild nehmen und zu Beginn des Studiums die Kreativität fördern. Für den Entwurf genügen in der Regel sehr einfache Modelle, die in dieser Phase zu lehren wären. Weiters könnten wir die Vorläufigkeit unseres Wissens betonen und damit die Studenten auf Paradigmenwechsel während ihres Berufslebens besser vorbereiten. Mit dieser Vorbildung würden die Studenten auch die Motivation für die Analyse in den Ingenieurfächer mitbekommen. Mit der Stärkung der Ausbildung für den Entwurf würde sich auch das gesellschaftliche Ansehen der Bauingenieure verbessern.
Zur Ausbildung künftiger Bauingenieure Hans-Ulrich Litzner
Aufgrund politischer Vorgaben auf europäischer und nationaler Ebene soll das bislang mit Erfolg praktizierte duale System, bestehend aus Abschlüssen an Fachhochschulen bzw. an wissenschaftlichen Hochschulen durch Bachelor- und Masterstudiengänge ersetzt werden. Die Beteiligten befürchten einen damit verbundenen Qualitätsverlust bei der künftigen Ingenieurausbildung. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie dieser durch Einführung von Standards bei der Ausbildung von Bauingenieuren verhindert werden kann.
1 Hintergrund Anspruchsvolle Bauaufgaben erfordern qualifizierte Ingenieure - diese These ist in der Fachöffentlichkeit unumstritten. Folglich sind Planer, Beratende Ingenieure, Behörden und öffentliche Stellen sowie die Unternehmen der Bau- und Baustoffwirtschaft an einer qualifizierten Ausbildung des beruflichen Nachwuchses interessiert. Vertreter der zuvor genannten Partner der am Baugeschehen Beteiligten haben sich deshalb wiederholt zu diesem Thema geäußert [1]. Das gewachsene deutsche Ausbildungssystem für Bauingenieure mit seiner dualen Struktur - bestehend aus Studiengängen an Fachhochschulen und solchen an Technischen Hochschulen und Universitäten - hat sich in der Praxis bewährt. Aus Sicht der Bauwirtschaft gab es deshalb keine Veranlassung, dieses System aufzugeben [2]. Mit der 4. Novelle zum Hochschulrahmengesetz (HRG) von 1998 wurde jedoch den deutschen Hochschulen der Weg zur probeweisen Einführung von Bachelor- und Masterstudiengänge eröffnet. Die Bauwirtschaft stand dieser aus ihrer Sicht ausschließlich politischen Zielsetzung zunächst ablehnend gegenüber [2]. Jedoch wurde insbesondere von den Fachhochschulen von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Dies und die weitere politische Entwicklung auf europäischer („Bologna“ - Erklärung der europäischen Bildungsminister vom 19. Juni 1999 und deren Fortsetzung im September 2003 in Berlin) und nationaler Ebene (Ende der Erprobungsphase mit der 6. Novelle zum HRG von 2002) machten aber deutlich, dass die Entwicklung zu den neuen Bachelor- und Masterstudiengänge nicht mehr aufzuhalten war. Diese Einschätzung der Bauwirtschaft wurde letztendlich durch die
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Zur Ausbildung künftiger Bauingenieure
Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 [3] bestätigt. Die Verbände der Bauwirtschaft begannen deshalb, sich mit den fachlichen Inhalten der neuen Studiengänge auseinander zu setzen. Ein wesentlicher Schritt hierbei war die Gründung des Akkreditierungsverbundes für Studiengänge des Bauwesens (ASBau) im April 2002 [4]. Er führte im August 2003 zu den ASBau-Standards zur Akkreditierung, Evaluierung und Weiterentwicklung von Studiengängen des Bauingenieurwesens [5], über die im Folgenden näher berichtet wird.
2 Grundlagen der ASBau-Standards Als Basis für seine Arbeit übernahm der ASBau-Fachausschuss zunächst die einschlägigen gesetzlichen Vorgaben wie etwa das Hochschulrahmengesetz mit seinem § 19 bezüglich der Regelstudienzeiten, die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz von 1986 [6] sowie die Grundsätze der bereits erwähnten BolognaErklärung der europäischen Bildungsminister zur Schaffung eines „europäischen Bildungsraumes“. Daneben verfolgte der ASBau-Fachausschuss das Ziel, die künftige Bauingenieurausbildung möglichst praxisorientiert zu gestalten. Zu diesem Zweck wurde ein Fragebogen entwickelt, der an die Verbände und Unternehmen der Planer bzw. Beratenden Ingenieure, der Bauindustrie sowie des Baugewerbes verschickt wurde. Er enthält zunächst die Einsatzgebiete des in der Praxis tätigen Bauingenieurs, denen bestimmte, von den Hochschulen zu vermittelnde, Wissensgebiete zuzuordnen sind. Zweck des Fragebogens war es, Prioritäten bei dieser Wissensvermittlung festzustellen. Bei den Einsatzgebieten des Bauingenieurs wurden folgende neun Bereiche vorgegeben: Akquisition, Angebotserstellung (Entwurf, Statik, Konstruktion), Sondervorschläge, Kalkulation (Massen- / Kostenermittlung, Termine, Ablauf), Bauvertrag, Arbeitsvorbereitung, Ausführungsplanung, Bauausführung (Steuerung und Kontrolle von Stoffen, Geräten, Maschinen, Personal, Nachunternehmern) sowie die Baunachbereitung (Nachtragsmanagement). Abb. 1 zeigt als Ergebnis der Umfrage die Tendenzen bei der Gewichtung der einzelnen Wissensgebiete durch die Bauindustrie, das Baugewerbe und durch die Beratenden Ingenieure. Diese Bewertung, die von „unerlässlich“ über „wichtig“ bis „weniger wichtig“ reicht, spiegelt naturgemäß die Tätigkeitsfelder der zuvor ge-
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nannten Teile der Fachöffentlichkeit wider. Dennoch besteht, wie Abb. 1 zeigt, ein breiter Grundkonsens bezüglich des Anforderungsprofils an künftige Bauingenieure. Aus diesem Grunde war es unter den ASBau-Partnern verhältnismäßig leicht möglich, das Ergebnis der Umfrage in Studienmodelle umzusetzen. Bauindustrie
Wissensgebiete 1.
Mathematik
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Bauinformatik
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Darstellende Geometrie
4.
Technische Mechanik
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Baustoffkunde
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Bauphysik
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Vermessungskunde
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Baustatik, Baudynamik
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Geotechnik
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Leichtbau
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Massivbau
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Stahlbau
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Allgemeiner Ausbau
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Techn. Gebäudeausrüstung
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Siedlungswasserwirtschaft
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Abfalltechnik, Umwelttechnik
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Verkehrswesen
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Wasserwesen
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Stadtbauwesen
20.
Baubetrieb
21.
Betriebswirtschaft
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Holzbau
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Rechtswesen
24.
Fremdsprachen
25.
Deutsche Sprache
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Unternehmerisches Denken
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Arbeitssicherheit
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Ausführungsplanung
29.
Schadensursachen
30.
Präsentationstechniken
Erläuterung:
Æ unerlässlich;
Baugewerbe
Æ wichtig;
Bund Deutscher Baumeister, Architekten, Ingenieure
Beratende Ingenieure
Æ weniger wichtig
Abb. 1. Auswertung der Fragebögen zur Definition von Studieninhalten
Daneben hat sich der ASBau-Fachausschuss für seine Arbeit auf folgende, übergeordnete Grundsätze verständigt:
16
Zur Ausbildung künftiger Bauingenieure
1. Die Berufsbefähigung der Absolventen muss zentrales Ziel der Bauingenieurausbildung an deutschen Hochschulen sein. 2. Studieninhalte, nicht Abschlüsse sind entscheidend. 3. Die Studienzeit ist eine Konsequenz der zu vermittelnden Inhalte. 4. Der Übergang zwischen allen Studiengängen des Bauingenieurwesens und zwischen den Hochschulen muss möglich sein. 5. Die Freiheit von Lehre und Forschung an den Hochschulen muss gewahrt bleiben. Profilbildung durch hochschulspezifische Studienschwerpunkte ist unbedingt erforderlich. Eine Öffnung der Bauingenieurausbildung für neue Tätigkeitsgebiete wird begrüßt. Hingewiesen sei an dieser Stelle besonders auf den 5. Grundsatz: Die Studienmodelle des ASBau müssen den Hochschulen genügend Freiraum für die Ausgestaltung der Studiengänge einräumen. Aus den folgenden Zusammenhängen wird deutlich, dass dieser Grundsatz durch den ASBau konsequent umgesetzt wurde.
3 Modell für die Studiengänge des Bauingenieurwesens Ausgehend von den einschlägigen politischen Vorgaben im Hinblick auf die Regelstudienzeiten sowie von den Empfehlungen der Studienreformkommission Bauingenieurwesen [6] wurden Studienmodelle entwickelt. Ihnen liegen folgende Beschlüsse des ASBau bzw. Vorgaben zugrunde: Der Bachelor-Abschluss muss qualifizierend für die Ausübung eines akademischen Berufs im Bauwesen sein. Aufgabe des ASBau war es daher, entsprechende Anforderungsprofile für den Bachelor zu definieren. Der akademische Grad „Dipl.-Ing.“ der wissenschaftlichen Hochschulen (TH / TU / Universitäten) ist mindestens äquivalent zum Master-Abschluss. Der Abschluss „Dipl.-Ing. (FH)“ eröffnet die Möglichkeit, einen MasterAbschluss zu erwerben. Der Bachelor-Abschluss wird ohne Berücksichtigung von Praktika nach mindestens 6 Theoriesemestern vergeben. Das Bachelor-Studium muss keine Vertiefungsphase enthalten. Das Bachelor-Studium endet mit einer Prüfung, entweder in Form von studienbegleitenden Prüfungen oder als Abschlussprüfung. Der Bachelor-Abschluss eröffnet die Möglichkeit, einen Master-Abschluss zu erwerben. Die Kriterien der öffentlichen Arbeitgeber werden bei der Definition von Studieninhalten berücksichtigt, die der Kammerfähigkeit von Verbänden dagegen nicht.
Hans-Ulrich Litzner
17
Besonderer Beratungsbedarf bestand beim Studiengang „Bachelor“. Nach § 19 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) beträgt die Regelstudienzeit für diesen Studiengang mindestens drei, höchstens jedoch vier Jahre. Der ASBau vertrat die Auffassung, dass ein strikt auf sechs Semester beschränktes Studium für die Vermittlung des in der Praxis erforderlichen Fachwissens nicht ausreicht. Aus diesem Grunde werden in den ASBau-Standards [5] zusätzlich zu den sechs Theoriesemestern eine Praxisphase, die nach [5] zwölf Wochen nicht überschreiten sollte, sowie die Abschlussarbeit („Bachelor-Thesis“) gefordert. Hieraus resultiert für den Erwerb des „Bachelor“-Grades ein mindestens sieben-semestriges Studium. Das Fächerangebot der Hochschulen (vgl. den nachfolgenden Abschnitt) muss deshalb so umfassend und strukturiert sein, dass die vom ASBau vorgegebenen Leistungspunkte erreicht werden können.
4 Studienmodelle Bachelor, Master, Dipl.-Ing. (FH) und Dipl.-Ing. (TH, TU, Uni) Abb. 2 zeigt das gesamte Studienmodell für die künftige Ausbildung von Bauingenieuren. Es basiert auf den einschlägigen rechtlichen Vorgaben bezüglich der Mindest- und Regelstudienzeiten sowie bezüglich der Berufsqualifizierung durch den Studienabschluss. In Abb. 2 ist nur der konsekutive Masterstudiengang berücksichtigt, der auf einem Bachelor-Grad aufbaut. Zudem wurde in den ASBauStandards [5] beim Bachelor und Master keine Unterscheidung zwischen „of engineering“ bzw. „of science“ vorgenommen (siehe hierzu [3]). 10. Semester
Master
Diplom (TU/TH/Uni)
8. Semester
Diplom (FH)
Bachelor gesetzl. 6 Theorievorgesemester schriebene + MindestPraxisphase semesterzahl + Bachelor(HRG §19) Thesis
Studiengang Bachelor
mit Praxisphase
konsekutiver Studiengang Master
Studiengang Dipl.-Ing. (FH)
Abb. 2. Modell für die Studiengänge des Bauingenieurwesens
evtl. mit Praxisphase
18
Zur Ausbildung künftiger Bauingenieure
5 Fazit Die praxisorientierte und qualifizierende Ausbildung von Ingenieuren muss das Ziel aller am Bau Beteiligter sein. Den Hochschulen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Durch die neuen, politisch gewollten Bachelor- und Masterstudiengänge sind deren Studieninhalte neu zu definieren. Die Standards des ASBau [5] sollen dabei ein Hilfsmittel sein, das jedoch den Belangen der Praxis weitgehend Rechnung trägt. Die ASBau-Standards sind auf Dialog gebaut: die Verantwortlichen des ASBau erwarten deshalb Kritik und Anregungen, um der verantwortungsvollen Aufgaben der Nachwuchsförderung gerecht werden zu können.
6 Literatur [1] Deutscher Beton-Verein E.V.: Der Bauingenieur - Neue Aufgaben und Herausforderungen. Workshop auf dem Deutschen Betontag 1997; Vorträge Betontag 1997, Seiten 49 bis 97; Wiesbaden: Selbstverlag 1997 [2] Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.: Bauingenieure, Diplom contra Bachelor und Master - keine Experimente auf Kosten der Qualifikation des Ingenieurnachwuchses. Parlamentarierbrief; Berlin: Selbstverlag 2000 [3] Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 [4] Akkreditierungsverbund für Studiengänge des Bauwesens (ASBau): Dokumentation der Gründungsveranstaltung am 10. April 2002; Festschrift; Berlin: Selbstverlag 2002 [5] Akkreditierungsverbund für Studiengänge des Bauwesens (ASBau): ASBau-Standards - Akkreditierung und Qualitätssicherung zeitgemäßer Studiengänge des Bauingenieurwesens an deutschen Hochschulen; Berlin: Selbstverlag August 2003 [6] Empfehlungen der Studienreformkommission Bauingenieurwesen. Herausgeber: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Veröffentlichungen zur Studienreform, Heft 33, Juni 1986, 162 Seiten
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton - Erfahrungen aus Planung, Bau und Monitoring Reinhard Maurer, Andreas Arnold
Es wird über die Erfahrungen aus Planung, Bau und Messungen im Rahmen einer Probebelastung sowie aus Langzeitmessungen an einer Spannbetonbrücke in B85 (C70/85) berichtet, die im Jahr 2001 in Sachsen errichtet wurde. Möglich durch die hohe Druckfestigkeit des Betons in Verbindung mit der Vorspannung beträgt die maximale Schlankheit des Überbaus 39,0/1,05 = 37! Das Bauwerk wird wissenschaftlich begleitet, um die Bemessungsansätze und Konstruktionsgrundsätze für den Hochleistungsbeton am Bauwerk unter Baustellenbedingungen zu verifizieren. Wie die Erfahrung gezeigt hat, kann der Hochleistungsbeton B85 (C70/85) unter Baustellenbedingungen zielsicher hergestellt werden, sofern die dazu notwendigen Maßnahmen im Rahmen der Qualitätssicherung erfolgen und das Baustellenpersonal entsprechend sensibilisiert und eingewiesen wird. Auf der Grundlage der bisher durchgeführten Langzeitmessungen einschließlich Probebelastung kann festgestellt werden, dass sich das Bauwerk aus Hochleistungsbeton mit seiner außergewöhnlich großen Schlankheit hinsichtlich des Trag- und Verformungsverhaltens einwandfrei verhält.
1 Das Bauwerk Die Brücke im Zuge der B175 über die Zwickauer Mulde bei Glauchau in Sachsen stellt die bisher größte Anwendung von Hochleistungsbeton im Brückenbau in Deutschland dar. Das Bauwerk weist 2 getrennte Überbauten auf, die über jeweils 5 Felder durchlaufen (Abb. 1). Die Herstellung erfolgte abschnittsweise auf konventionellem Traggerüst. Dadurch hat jeder Überbau 4 Koppelfugen. Beim Querschnitt handelt es sich um einen einstegigen Plattenbalken (Abb. 2). Die Konstruktionshöhe der Überbauten beträgt 1,05 m. Bei einer maximalen Spannweite von 39 m ergibt sich damit eine Schlankheit von l 39 ,0 m = = 37. max = h 1 ,05 m
20
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Abb. 1. Brücke über die Zwickauer Mulde bei Glauchau (Freistaat Sachsen)
Diese außergewöhnliche Schlankheit, bei welcher der bisherige Erfahrungsbereich bei Spannbetonbrücken deutlich verlassen wird, ist nur möglich durch die hohe Festigkeit des Betons B85 (C70/85) in Verbindung mit der Vorspannung. Eine weitere Steigerung der Schlankheit wäre aufgrund des Platzbedarfs der Spanngliedkopplungen an konstruktive Grenzen gestoßen. Infolge der sehr großen Schlankheit beträgt der Spannstahlbedarf ca. 40 kg/m² Brückfläche. Insgesamt wurden ca. 2600 m³ Hochleistungsbeton verarbeitet. Die max. Betonmenge eines Bauabschnittes betrug ca. 300 m³ bei einer Betonierleistung von ca. 40 m³/h. Für die zielsichere Herstellung des Hochleistungsbetons unter Baustellenbedingungen kam dem Qualitätssicherungsplan ein zentrale Bedeutung zu. Die Anwendung des B85 (C70/85) erfolgte auf der Grundlage einer Zustimmung im Einzelfall. Die Vergabe erfolgte nach beschränkter Ausschreibung unter Vorschaltung eines Teilnahmewettbewerbs. Die Betonrezeptur war vom ausführenden Bauunternehmen zu entwickeln. Vor der Betonage des Überbaus erfolgten Verarbeitungsversuche sowie die Herstellung eines Probebauteils in B85. Aufgrund der neuartigen und außergewöhnlich schlanken Konstruktion wurden vor der endgültigen Verkehrsfreigabe Probebelastungen durchgeführt und dabei an ausgewählten Punkten Verformungen und Dehnungen gemessen.
Abb. 2. Querschnitt
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
21
Durch Messungen während der Herstellung sowie Langzeitmessungen wird das Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet, um die Bemessungsansätze und Konstruktionsgrundsätze für den Hochleistungsbeton am Bauwerk unter Praxisbedingungen zu verifizieren.
2 Baustoffkenngrößen 2.1
Druckfestigkeit
Das Pilotprojekt bot die Möglichkeit, Einflüsse auf die Bauteilfestigkeit zu untersuchen. Im Rahmen der Güteüberwachung wurden sowohl im Betonwerk als auch auf der Baustelle jedem Transportbetonfahrzeug Beton für Probewürfel entnommen. Dadurch konnten die Streuungen bei der Herstellung des B 85 ermittelt werden. Des weiteren erfolgten Prüfungen an Bohrkernen, die an den Probekörpern des Verarbeitungsversuches entnommen wurden. Die an diesen Bohrkernen festgestellten Festigkeiten können mit den Festigkeiten der Proben verglichen werden, die bei der Herstellung genommen und nach DIN 1048 gelagert wurden. Durch die Bohrkernentnahme, die über einen längeren Zeitraum wiederholt wurde, konnten Erkenntnisse über die zeitabhängige Festigkeitsentwicklung gewonnen werden. Wie Ergebnisse der Festigkeitsprüfungen zeigen, haben die Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Betonqualität überzeugend gegriffen. Die Druckfestigkeitsprüfungen an den insgesamt 452 Probekörpern von den 10 Betonierabschnitten ergaben folgende Ergebnisse: Anzahl der Probekörper n Mittelwert der Druckfestigkeit wm Standardabweichung s Variationskoeffizient v
= 452 = 104,6 N/mm² = 5,2 N/mm² = 5,0 %
Betondruckfestigkeit [N/mm²]
120,0 115,0 110,0
Wm
105,0
Wm
100,0
Wm
+ 1,0 s
- 1,0 s
W 0,05
95,0 90,0 85,0
WN
80,0 0
50 1. BA Nord 1. BA Süd
100
150
2. BA Nord
200
2. BA Süd
3. BA Nord
250
300
350
5. BA Nord 4. BA Nord 3. BA Süd
400
450
5. BA Süd
500
4. BA Süd
Anzahl der Proben n [-]
Abb. 3. Druckfestigkeitsprüfung im Rahmen der Güteüberwachung auf der Baustelle (bezogen auf 200er Würfel)
22
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Die Ergebnisse beziehen sich auf Probewürfel der Kantenlänge 200 mm. Die Umrechnung der Festigkeiten von w100 auf w200 erfolgte mit dem in der Richtlinie für hochfesten Beton festgelegten Wert 0,92. In Abb. 3 ist die Auswertung der Druckfestigkeitsprüfungen aller auf der Baustelle entnommenen Proben dargestellt. Die tatsächlichen Festigkeiten des Betons im Bauwerk können in Abhängigkeit von Transport, Einbau, Verdichtung, Nachbehandlung sowie durch den gesamten Erhärtungsprozess am Bauwerk gegenüber den in der Eignungsprüfung bzw. den im Rahmen der Güteüberwachung ermittelten Werten abweichen. Zur Überprüfung o. g. Einflüsse wurden aus einem Kranfundament mit den Abmessungen 10 x 1,5 x 1,0 m, welches im Rahmen des Verarbeitungsversuches als Probebauteil hergestellt wurde, zu verschiedenen Zeitpunkten Bohrkerne zur Festigkeitsuntersuchung am Bauteil entnommen. Die an zylindrischen Prüfkörpern mit den Abmessungen Ø = 130 mm, h § 130 mm ermittelten Festigkeiten wurden auf eine einheitliche Würfeldruckfestigkeit w200 umgerechnet und mit den Werten der Eignungsprüfung sowie der Güteüberwachung verglichen. Der zeitliche Verlauf der Festigkeitsentwicklung wurde zusätzlich entsprechend CEB-FIP Model Code 90 wie folgt abgeschätzt: ° ª § 28 · 0 ,5 º ½° = ß exp mit = ß ¸ »¾ ®s «1 ¨ cc( t ) Wm( t ) cc( t ) Wm °¯ ¬« © t t 1 ¹ ¼» °¿ dabei ist: s = 0,2 für 52,5 R (Beiwert für den Zement) 1 4 0 ,0
Druckfestigkeit [N/mm²]
1 2 0 ,0 1 0 0 ,0 8 0 ,0 M odel Code 90
6 0 ,0
E ig n u n g s p r ü f u n g
G ü te ü b e r w a c h u n g
4 0 ,0
B a u w e rk s p r ü f u n g
2 0 ,0 0 ,0 0
28
56
84
112
140
t1 = 1 2 5 d
168
196
224
252
280
t2 = 2 6 3 d
Z e it [ d ]
Abb. 4. Vergleich der Betonfestigkeiten und zeitlicher Verlauf bezogen auf 200-er Würfel
Für Wm wird der Mittelwert der 28-Tage-Festigkeit der Eignungsprüfung = 99 N/mm² verwendet, so dass der Kurvenverlauf den zeitabhängigen Mittelwert der Druckfestigkeit beschreibt. Es ergibt sich eine gute Übereinstimmung zwischen Kurvenverlauf und Messwerten. Eine signifikante Verringerung der am Bauteil gemessenen Festigkeiten gegenüber den Werten der Eignungsprüfung und der Güteüberwachung konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Der anzusetzende Abminderungsfaktor zur Berücksichtigung einer verringerten Festigkeit am Bauwerk nach der Richtlinie für hochfesten Beton beträgt im vorliegenden Fall Wm
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
23
85 § WN · = 0 ,86 ¸ = 1 ,0 ¨ 1 ,0 600 ¹ 600 © Demgegenüber beträgt das Verhältnis der Mittelwerte der Bauteilfestigkeit zu Rechenfestigkeit nach t1 = 125 Tagen:
t1 :
2.2
obs
Wm( t 1 )
cal
Wm( t 1 )
=
112 = 1,02 > 0 ,86 110
E-Modul
Der E-Modul des B 85 wurde im Rahmen der Eignungsprüfung nach DIN 1048 Teil 5 bestimmt. Das Mittel aus 3 Messungen ergab 47000 MN/m² und liegt rd. 10 % über dem nominellen Wert E = 43000 MN/m² der Richtlinie für hochfesten Beton.
2.3
w/b-Wert
Der Wasserbindemittelwert nach Eignungsprüfung betrug w/b = 0,32. Für die Bauausführung wurde der Toleranzbereich mit 0,28 w/b 0,35 vorgegeben.
3 Langzeitmessungen 3.1
Temperaturmessungen
Im ersten Bauabschnitt des nördlichen Überbaus wurden in einem Querschnitt 28 Temperaturmesspunkte angeordnet, um das Temperaturfeld im Überbauquerschnitt infolge der freigesetzten Hydratationswärme messen zu können (Abb. 5).
Abb. 5. Verteilung der Temperaturmessgeber über den Querschnitt
24
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Die Ausschreibung enthielt die Vorgabe, dass die maximale Temperatur im Bauteil 70 °C nicht überschreiten sollte. Die zeitliche Entwicklung des Temperaturfeldes ist in Abb. 6 zusammen mit der Lufttemperatur dargestellt. 70 60
Temperatur [°C]
50 40 30 20 10 0 22.5.01 23.5.01 24.5.01 25.5.01 26.5.01 27.5.01 28.5.01 29.5.01 30.5.01 31.5.01 1.6.01
Abb. 6. Lufttemperatur und Hydratationswärmeentwicklung (28 Messpunkte)
Eine Auswertung in Form von Isothermen ist in Abb. 7 dargestellt.
Abb. 7. Temperaturverteilung bei Erreichen der Maximaltemperatur infolge Hydratationswärmeentwicklung
Die maximalen Temperaturen der einzelnen Bauabschnitte sind, soweit vorhanden, in (Tabelle 1) zusammengefasst.
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
25
Tabelle 1. Maximaltemperaturen der Bauabschnitte infolge Hydratationswärme
BA
Datum
1. BA Nord 1. BA Süd 2. BA Nord 2. BA Süd 4. BA Nord 5. BA Süd
22.05.2001 20.06.2001 10.07.2001 30.07.2001 06.09.2001 27.11.2001
TLuft [°C] 5 10 18 15 15 5
TFB [°C] 22 24 30 27 24 15
maxT [°C] 69 68 72 72 65 54
T [K] 47 44 42 45 41 39
Die höchsten Temperaturen mit 72 °C wurden im Sommermonat Juli erreicht, während in der kühlen Jahreszeit im November eine maximale Temperatur von 54 °C gemessen wurde. Die gemessenen Temperaturfelder sind als Langzeitmessungen für den Zeitraum 05.2001 bis 05.2004 verfügbar. Den Auswertungen liegen jeweils 5 charakteristische Werte zugrunde: To Temperatur im oberen Messfühler Tu Temperatur im unteren Messfühler TN rechnerisch ermittelte, mittlere Bauwerkstemperatur TM rechnerisch ermittelte, linear veränderlicher Temperaturanteil TLuft Lufttemperatur Diese Messungen ergeben wertvolle Erkenntnisse über den Aspekt der Anwendung von Hochleistungsbeton hinaus. Die extremalen gemessenen Temperaturen während dieses Zeitraumes sind in Tabelle 2 enthalten. Tabelle 2. Extremaltemperaturen
Temperaturanteil
max ohne Belag1) mit Belag2) 33,5 32,9 TLuft [°C] 30 31 TN [°C] 12,8 10,8 TM [K] 40,9 37,9 TO [°C] 27,5 30,6 TU [°C] 1) Zeitraum vom 1.07.2001 - 30.06.2002 2) Zeitraum vom 1.07.2002 - 21.05.2004
min ohne Belag1) mit Belag2) -16,7 -11,8 -6,4 -8,9 -3,2 -4,1 -7,6 -10,8 -7,1 -8,7
26
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Im Vergleich dazu ergeben sich beispielsweise die maximalen Temperaturunterschiede TM nach DIN Fachbericht 101 wie folgt: ohne Belag: max TM = 1,5 15 = 22,5 K mit Belag: max TM = 12,3 K Abb. 8 enthält einen Ausschnitt aus den Messungen während der heißen Jahreszeit mit starker Sonneneinstrahlung. Deutlich zu erkennen sind die Temperaturschwankungen im Tagesgang. Der Gradient erreicht sein Minimum gegen 0800 Uhr morgens (fast Null), sein Maximum gegen 1800 Uhr. 50 Tu
To
TN
TLuft
TM
Temperatur [°C]
40 30 20 26.07.2001 18:45
10
18:00
07:45
18:00 08:00
0 -10
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
Zeit [d]
Abb. 8. Temperaturverlauf über 10 Tage im Sommer
Die Temperaturfelder T lassen sich analytisch in einen konstanten TN, einen linear veränderlichen TM und in einen nichtlinearen Temperaturanteil TE aufspalten (Abb. 9). Temperatur [°C] -10
0
0
10
20
6,4
23,2
40
35,5
Querschnittshöhe [cm]
5,9
30
105
-6,4
20,7
3,8 T
TN
TM
23,2 TE
Abb. 9. Temperaturverlauf über den Querschnitt infolge klimatischer Einflüsse max TM = 12,8 K
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
3.2
27
Dehnungsmessungen
Die Langzeitdehnungsmessungen haben das Ziel, Erkenntnisse über das zeitabhängige Verformungsverhalten des Betons infolge Kriechens und Schwindens am Bauwerk zu gewinnen. Gemessen wird jeweils die Gesamtdehnung. Diese enthält summarisch mehrere Anteile: – Temperaturdehnung – elastische Dehnung infolge Spannungsänderungen – zeitabhängige Dehnungen: Kriechen, Schwinden Da an jedem Schwingsaitenaufnehmer neben der Dehnung gleichzeitig die Temperatur gemessen wird, lässt sich der temperaturbedingte Anteil der Dehnung relativ einfach separieren.
3.3
Lagerverschiebungen
Beim Überbau Nord wurden mit Beginn der Herstellung des ersten Bauabschnittes alle Lagerverschiebungen des elastisch gelagerten Überbaus ohne Längsfestlager mit Schwingsaitenaufnehmern gemessen.
Abb. 10. Wegaufnehmer zur Messung der Lagerverschiebung
Der rechnerische Ruhepunkt wurde unter der Annahme eines Schubmoduls G = 1,0 MN/m² für alle Lager des insgesamt 171 m langen Bauwerkes ermittelt. Beispielhaft sind in Abb. 11 die Lagerverschiebungen in Achse F mit der dazugehörigen mittleren Bauwerkstemperatur als Langzeitmessung dargestellt. Die direkte Abhängigkeit der Lagerverschiebung vom Temperaturverlauf ist deutlich zu erkennen.
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
60
70,00
40
50,00
20
30,00
0
10,00
-20
-10,00
-40
-30,00
-60 Apr. 01
Jun. 01
Sep. 01
Dez. 01
Mrz. 02
Jun. 02
Sep. 02
Dez. 02
Mrz. 03
Jun. 03
Sep. 03
Dez. 03
Mrz. 04
mittlere Bauwerkstemperatur [C°]
Lagerverschiebung [mm]
28
-50,00 Jun. 04
Zeit [Monat]
Abb. 11. Lagerverschiebung Achse F mit zugehöriger mittlerer Bauwerkstemperatur
Auf der Grundlage der gemessenen Temperaturen im Querschnitt kann der Einfluss der mittleren Bauwerkstemperatur auf die Lagerverschiebungen abgespalten werden. Die Verkürzung des Überbaus infolge autogenen Schwindens geschieht in den ersten 12 Stunden nach Betonage jedes Bauabschnittes. Nach weiterem Abzug der Überbauverkürzung infolge autogenen Schwindens (-0,22 ‰) unter Berücksichtigung der jeweils veränderlichen Lage des Ruhepunktes während der abschnittsweisen Herstellung ergibt sich die in Abb. 12 dargestellte zeitabhängige Lagerverschiebung infolge zeitabhängiger Verkürzungen des Betonüberbaus. Die Gegenüberstellung der rechnerischen Verschiebung infolge Kriechens und Schwindens nach DAfStb Heft 525 zeigt eine gute Übereinstimmung. 20
1. BA
2. BA 4. BA 3. BA 5. BA
Lagerverschiebung [mm]
10
0
-10
analytisch nach DAfStb Heft 525
-20
-30
-40 Apr. 01
Jun. 01
Sep. 01
Dez. 01
Mrz. 02
Jun. 02
Sep. 02
Dez. 02
Mrz. 03
Jun. 03
Sep. 03
Dez. 03
Mrz. 04
Jun. 04
Zeit
Abb. 12. Lagerverschiebung infolge Kriechens und Schwindens des Hochleistungsbetons (ohne Anteil aus autogenem Schwinden)
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
29
4 Messungen im Rahmen der Probebelastung 4.1
Anordnung der Messstellen
Die Dehnungsmessungen im Rahmen der Probebelastung wurden am nördlichen Überbau in Feldmitte des Hauptfeldes (4. BA), über der Stütze B und in Feldmitte des Endfeldes (5. BA) durchgeführt. Die Lage der Schwingsaitenaufnehmer ist in den folgenden Bildern ersichtlich.
Abb. 13. Lage der Dehnungsaufnehmer im Grundriss
Abb. 14. Lage und Bezeichnung der Dehnungsaufnehmer im Querschnitt
4.2
Laststellungen
Die Probebelastungen wurden mit zwei voll beladenen Muldenkippern mit einem Gesamtgewicht von ca. 34 to/Fahrzeug vorgenommen. Die Achslasten sind unmittelbar vor Beginn der Probebelastungen über eine Wägeeinrichtung ermittelt worden.
30
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Abb. 15. Belastungsfahrzeuge
Abb. 16. Belastungsanordnung, Laststellungen 1-6
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
4.3
31
Tragwerksmodell für die rechnerischen Untersuchungen
Die Modellierung des Tragwerkes erfolgte als Stabwerk. Die Krümmung des Überbaus im Grundriss wurde berücksichtigt. Die Erfassung der Nachgiebigkeit der Lagerung auf Elastomerlagern erfolgte über die entsprechenden Federsteifigkeiten der Lagerungspunkte in x-, y- und z-Richtung. Die Ermittlung der ideellen Querschnittswerte erfolgte unter Berücksichtigung sowohl der Spannglieder als auch des Betonstahls.
4.4
Durchbiegungen des Überbaus
Die Berechnung der Durchbiegungen erfolgte am Tragwerksmodell nach den elementaren Methoden der Stabstatik. Mit Hilfe der lokalen Dehnungsmessungen und der integralen Durchbiegungsmessungen wurde anhand der Berechnungsergebnisse eine Kalibrierung des tatsächlich im Tragwerk vorhandenen E-Moduls zu 52.000 MN/m² vorgenommen. Beispielhaft sind in Abb. 18 die berechneten und gemessenen Werte vergleichend gegenübergestellt. -4,0 -2,0
cal obs
0,0
wz [mm]
2,0
F
D
E
C
B
A
4,0 6,0 8,0 10,0 12,0 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
x [m]
Abb. 17. Vergleich gemessener und berechneter Durchbiegungen, Laststellung 1
Der Vergleich der Messwerte mit den Rechenwerten zeigte in allen Laststellungen eine gute Übereinstimmung. Die mit rund 10 mm größte gemessene Durchbiegung des längsten Feldes ergibt bei der Spannweite von 39 m ein Verhältnis von nur w = 10 mm = l 3900 ! Die Probebelastung mit 2 Fahrzeugen à 34 t entspricht immerhin 75 % der SLW 60/30 Lastgruppe nach DIN 1072.
32
4.5
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Dehnungsänderungen im Querschnitt des Überbaus
Beispielhaft sind in Abb. 18 die gemessenen Dehnungsänderungen für die Feldmitte des 39 m Feldes unter der Laststellung 1 dargestellt. Feld2 oben SS6
Feld2 unten SSA 5
-950
-760
-960
-780
Dehnung [ m/m]
Dehnung [ m/m]
-770
-790 -800 -810
-980
-990
-820 -830 08:50
-970
o
= -0.031 /oo
o
= 0.046 /oo
09:00
09:10
09:20
09:30
09:40
09:50
-1000 08:50
09:00
09:10
09:20
09:30
09:40
09:50
Zeit [hh:mm]
Zeit [hh:mm]
SSA 8
SSA 6
SSA 7
SSA 5
Abb. 18. gemessene Dehnungsänderung, SSA 5 und SSA 6 bei Laststellung 1
Die gemessenen Dehnungen lassen sich für alle Laststellungen mit der elementaren Balkenstatik sehr gut nachvollziehen (Abb. 19). N My = = + z Ai I y ,i E
Abb. 19. Vergleich der gemessenen und berechneten Dehnungsebenen in Feldmitte Feld B-C für Laststellung 1
Reinhard Maurer, Andreas Arnold
33
5 Dynamische Messungen 5.1
Messprogramm
Das Ziel der Überfahrversuche bestand darin, einen Vergleich der Beanspruchungen zwischen statischer und dynamischer Verkehrsbelastung zu ziehen. Das dynamische Verhalten des sehr schlanken Bauwerks sollte untersucht werden. Als Belastungsfahrzeug diente ein vollbeladener LKW mit einem Gesamtgewicht von 30 t. Für die Installation der Messtechnik an der Unterseite des Überbaus wurde das Mittelfeld mit einer Stützweite von 37,00 m ausgewählt. Die Überfahrten erfolgten spurtreu und mit verschiedenen, auf der Brücke konstant gehaltenen Geschwindigkeiten (20 km/h, 40 km/h, 60 km/h und 80 km/h). Für jede Fahrzeuggeschwindigkeit wurden jeweils 3 Überfahrten durchgeführt, der Überbau konnte zwischen den einzelnen Überfahrten ausschwingen. Zusätzlich wurden Überfahrten mit einer in der Fahrspur liegenden 4,0 cm starken Holzbohle durchgeführt. Die Bohle lag in der Feldmitte des Messfeldes quer zur Fahrspur.
5.2
Messtechnik
Auf der Unterseite der Platte wurden zur Messung der Betondehnungen in der Mitte des dritten Feldes vier induktive Wegaufnehmer angebracht. Ebenfalls in Feldmitte wurden die Durchbiegungen gemessen. Hierzu wurden induktive Wegaufnehmer auf einem Gerüst montiert und mit dem Brückenträger verbunden. Zusätzlich zu den Durchbiegungen wurden die vertikalen Beschleunigungen des Brückenüberbaus mit Beschleunigungsaufnehmern gemessen.
5.3
Auswertung der Messergebnisse
Zur vergleichenden Beurteilung des dynamischen Verhaltens der Brücke wurden die Dehnungen unter den verschiedenen Geschwindigkeiten gemessen. Als Referenzmessung wurde zunächst eine statische Dehnungsmessung durchgeführt. Die Auswertungen zeigten, dass mit zunehmender Überfahrtgeschwindigkeit keine Zunahme der Betonranddehnungen gegenüber der statischen Referenzmessung auftritt. Bei allen gefahrenen Geschwindigkeiten wurden maximale Zugdehnungen von 0,023 mm/m gemessen. Die Auswertungen ergaben weiterhin, dass auch bei den Überfahrten mit Bohle mit zunehmender Geschwindigkeit keine Zunahme der Betonranddehnungen gemessen wurde. Die Dehnungswerte liegen allerdings im Mittel bei 0,027 mm/m und damit um ca. 17% über der statischen Referenzmessung (Abb. 20).
34
Spannbetonbrücke aus Hochleistungsbeton
Abb. 20. Geschwindigkeits-Dehnungs-Beziehungen für die Überfahrten mit Bohle
Parallel zu den Dehnungsmessungen wurden die Durchbiegungen unter den verschiedenen Geschwindigkeiten gemessen. Als Referenzmessung wurde auch hier eine statische Durchbiegungsmessung durchgeführt. Die Auswertungen zeigten, dass bei zunehmender Geschwindigkeit nur eine geringe Zunahme der Durchbiegung gegenüber der statischen Referenzmessung (3,5 mm) auftrat. Bei allen gefahrenen Geschwindigkeiten wurden Durchbiegungen von im Mittel ca. 3,65 mm gemessen. Bei allen gefahrenen Geschwindigkeiten mit Bohle wurden Durchbiegungen von im Mittel 4,3 mm gemessen. Gegenüber der statischen Referenzmessung bedeutet dies eine Erhöhung von 23%. Die gemessenen Beschleunigungen geben einen weiteren Aufschluss über das dynamische Verhalten des Bauwerks. Dabei zeigten die Beschleunigungsmessungen relativ deutlich auch die Effekte entfernter Brückenfelder. Bei der Überfahrt ohne Bohle ergaben sich die maximalen Beschleunigungen jeweils bei der Überfahrt der Übergangskonstruktion, obwohl die Messstelle gut 80 m von den Übergangskonstruktionen entfernt ist (Abb. 21). Bei der Überfahrt mit Bohle ergaben sich erwartungsgemäß die maximalen Beschleunigungen (Abb. 22). 0.15
Übergangs konstruktion 1
Übergangs konstruktion 2
Beschl_1
a [ m/s² ]
0.10
Beschl_2
0.05 0.00 -0.05 0
5
10
15
20
25
30
-0.10 -0.15 t[s]
Abb. 21. Gemessene Beschleunigungen bei Überfahrt ohne Bohle
35
40
Reinhard Maurer, Andreas Arnold Überfahrt Bohle
0.60
a [ m/s² ]
35
0.40
Beschl_1
0.20
Beschl_2
0.00
-0.20
0
5
10
15
20
25
30
35
40
-0.40 -0.60 t[s]
Abb. 22. Gemessene Beschleunigungen bei Überfahrt ohne Bohle
Die Eigenwertanalyse erfolgte am 3-D-Stabwerkmodell. Die Biegesteifigkeit wurde anhand der Durchbiegungsmessungen kalibriert (E-Modul: 52.000 MN/m²). Die steifigkeitserhöhende Wirkung der Kappen wurde bei den dynamischen Untersuchungen berücksichtigt. Bei der statischen Probebelastung waren die Kappen noch nicht vorhanden gewesen. Mit f(1) = 1,79 Hz gelang eine sehr gute Vorhersage der am Bauwerk messtechnisch festgestellten gemittelten ersten Eigenfrequenz von f(1) = 1,83 Hz. Die Grundfrequenz liegt damit deutlich niedriger als bei Balkenbrücken mit gleicher Spannweite üblich: 100 100 f = + 0 ,5( Hz ) = + 0 ,5 3,0 Hz L 39 Mit Hilfe der Überfahrversuche wurde der Schwingbeiwert = dyn/ stat in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit für das außergewöhnlich schlanke Bauwerk messtechnisch ermittelt. Der Schwingbeiwert nach DIN 1072 wurde bei der Schnittgrößenermittlung und Bemessung des Überbaus mit = 1,37 angesetzt. Der aus den Messungen ermittelte Schwingbeiwert ergibt sich für den Brückenüberbau bei den Überfahrten ohne Bohle bei dem ebenen neuen Belag i.M. zu = 1,05. Bei den Überfahrten mit Bohle betrug der dynamische Beiwert maximal = 1,28. Damit lag der gemessene dynamische Erhöhungsbeiwert noch ca. 7% unter dem Schwingbeiwert nach DIN 1072.
Berechnung von Temperaturfeldern Markus Hennecke
Die Hydratation des Zementes ist ein exothermer Prozess, der den jungen Beton aufwärmt. Die Wärme wird über die Querschnittsränder abgeführt. Diese sind wechselnden klimatischen Gegebenheiten ausgesetzt. Dies und die Art und Dauer der Nachbehandlung haben Einfluss auf die Temperaturen, die sich im Querschnitt einstellen. Der im Querschnitt ungleich erwärmte Beton erhärtet, so dass sich differente thermische Verformungen einprägen, die beim weiteren Abkühlen Eigenspannungen verursachen. Bei der Ausführung des Pilotprojekts Buchloe 1998 stellte sich die Frage, welchen Einfluss der hohe Zementgehalt von hochfestem Beton auf die Temperaturentwicklung hat. Mit Unterstützung der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden umfangreiche Temperaturmessungen durchgeführt [1]. Im Pfeiler und im Überbau waren Temperatursensoren in einem Raster angeordnet, so dass Temperaturfelder gemessen werden konnten. Die Messung an einem Bauwerk ist eine Bestandsaufnahme unter einmaligen Randbedingungen. Für Parameterstudien zur Verifikation der Einflüsse empfehlen sich rechnerische Untersuchungen, die auf die Messergebnisse aufbauen.
1 Rechenmodell Für die Berechnung der Temperaturfelder liegt ein eigener Lösungsansatz auf Basis der Methode der finiten Elemente vor [2]. Die Motivation für den eigenen Lösungsansatz besteht darin, ein Werkzeug zu schaffen, mit dem die eingegrenzte Aufgabenstellung effektiv gelöst werden kann. Wesentliche Anforderung an die Entwicklung ist die möglichst einfache Berücksichtigung der atmosphärischen Einflüsse und die Integration eines Rechenmodells für die Hydratationswärmeentwicklung. Das Modell für die Berechnung des Wärmeflusses ist so konzipiert, dass Randelemente automatisch erkannt und die Randbedingungen an den Rändern eingearbeitet werden. Damit können Betonierabschnitte und Ausschalvorgänge einfach simuliert werden. Das Kontinuum wird entsprechend erweitert oder gekürzt. Die Lage des Querschnitts im Raum ist durch den Normalenvektor beschrieben. Hieraus wird die räumliche Ausrichtung der Randelemente berechnet.
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Berechnung von Temperaturfeldern
Die Methode der finiten Elemente ist dem konstruktiven Ingenieur hinreichend vertraut für die Berechnung von Tragwerksverformungen. In Tabelle 1 ist die Analogie zwischen der Verformungsberechnung und der Temperaturberechnung aufgezeigt. Tabelle 1. Analogie zwischen Temperatur- und Verformungsberechnung
Temperaturberechnung Temperatur (Skalar) Fourier´sche Wärmeleitungsgesetz Wärmefluss (Skalar) konvektiver Wärmeübergang Strahlungswärme Wärmeflussdichte instationär Wärmekapazität stationär
Verformungsberechnung Verformung (Vektor) Materialgesetz Kräfte (Vektor) Feder Nichtlineare Feder Spannungen dynamisch Masse statisch
2 Meteorologische Einflüsse Die meteorologischen Umgebungsbedingungen bestimmen den Wärmeübergang an der Bauteiloberfläche. Für den konvektiven Wärmeübergang gehen Lufttemperatur und Windgeschwindigkeit in die Berechnung ein. Die Strahlungsanteile werden entsprechend ihrer Charakteristik, wie im Abb. 1 dargestellt, angesetzt. Für die atmosphärischen Einflüsse liegen Wetterdaten über einen Zeitraum von neun Jahren vor. Damit existiert ein repräsentativer Zeitraum, um zum Beispiel den Einfluss von Jahreszeiten auf die Temperaturentwicklung beurteilen zu können.
Abb. 1. Strahlungsanteile
Markus Hennecke
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3 Wärmeentwicklung im Bauteilinneren Die dominierende Prozessgröße bei der Ermittlung der Temperaturen im Bauteilinneren ist die Wärmeentwicklung des Zementes bei seiner Hydratation. Der zeitliche Verlauf und die freigesetzte Wärme sind abhängig von der Betonzusammensetzung und der Beschaffenheit des Zements. Für die mathematische Modellierung des Prozesses finden sich in der Literatur Expotentialfunktionen (1). ª Q(t w ) = Qges exp « «¬
§a· ¨¨ ¸¸ © tw ¹
b
º » »¼
(1)
Die Faktoren werden mit adiabatischen Versuchen bestimmt. Mit diesem auf Versuchen basierenden Vorgehen lässt sich der Hydratationsverlauf der untersuchten Betonzusammensetzung gut nachrechnen. Der Erfahrungsbereich für den mathematischen Ansatz ist Beton mit ausreichendem Wasserbindemittelwert für eine vollständige Hydratation des Zementes. Um auf die Besonderheiten des Hydratationsverlaufs von Beton mit WasserBindemittel-Werten kleiner 0,4 eingehen zu können und unabhängig von Versuchen zu sein, wurde eine ingenieurmäßige Modellierung des Hydratationsverlaufs entwickelt. Die Modellierung baut auf physikalische Eigenschaften des Zementes und der Betonzusammensetzung auf. Die Hydratation des Zements wird als ein Vorgang aufgefasst, der in das einzelne Zementkorn eindringt. Die mathematische Beschreibung erfolgt als Diffusionsvorgang. Die Zustandsgröße, die das Potential beschreibt, ist die Hydratation. Die Lösung der Differentialgleichung für die Diffusion geschieht mit der Methode der finiten Elemente. In Abb. 2 ist der Hydratationsverlauf für verschiedene Korngrößen dargestellt. Als Maß für die Hydratation ist das Verhältnis von hydratisiertem Volumen zu Gesamtvolumen definiert. Die Hydratationsberechnung wird für alle dargestellten Korngrößen durchgeführt. Über die Korngrößenverteilung im RRSB-Netz können unterschiedlich gemahlene Zemente abgebildet werden. Höhere Umgebungstemperaturen beschleunigen den Hydratationsfortschritt. Dieser Effekt ist mit der Arrhenius-Funktion im Modell integriert. Der Wassergehalt wird relevant, wenn Wasser für die Hydratation nicht ausreichend zur Verfügung steht. Über eine Bilanzierung des Wassergehaltes wird dieser Effekt in der Berechnung berücksichtigt. Die Hydratation startet nicht für alle Zementkörner zum gleichen Zeitpunkt. Daher wird der Beginn der Hydratation in den einzelnen Zementfraktionen statistisch mit einer Normalverteilung betrachtet. Zemente bestehen im Wesentlichen aus vier Klinkerphasen. Die Klinkerphasen differieren in ihrer Wärmemenge. Anhand der Zusammensetzung der Zemente wird die spezifische Wärmemenge bestimmt, die theoretisch freigesetzt werden kann.
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Berechnung von Temperaturfeldern
Abb. 2. Hydratationsverlauf für verschiedenen Partikelgrößen
In dem Rechenmodell für die Diffusionsberechnung sind Faktoren vorhanden, die empirisch zu ermitteln sind. Die Kalibrierung erfolgte anhand von Versuchen, die in der Literatur (z.B. [3]) beschrieben sind. Wichtig ist dabei, dass die Faktoren nach der Kalibrierung für alle Zemente und Betonzusammensetzungen konstant gehalten werden. Mit diesem Ansatz ist die exakte Nachrechnung einzelner Betonzusammensetzung nur bedingt möglich. Wesentlich ist jedoch, dass die Einflüsse der Betonzusammensetzung auf den Verlauf der Hydratationswärmeentwicklung gut dargestellt werden können. Tabelle 2. Berechnungsparameter für das Hydratationsmodell
Betonmischung Zementmenge Wassermenge Zuschlagsmenge Zuschlagsart Zusatzstoff Frischbetontemperatur Dauer der Ruheperiode
Zement Anteil der der Klinkerphasen Lagerparameter im RRSB-Netz Steigungsmaß im RRSB-Netz
Im Abb. 3 ist die Temperaturentwicklung für verschiedene Betonzusammensetzungen dargestellt. Der Einfluss unterschiedlicher Zement- und Wassergehalte ist sehr gut zu erkennen.
Markus Hennecke
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Abb. 3. Adiabatische Temperaturentwicklung verschiedener Betonmischungen
4 Ergebnisse Bei der Messung der Temperaturfelder beim Pilotprojekt Buchloe konnte vor Ort nur die Lufttemperatur gemessen werden. Weitere meteorologischen Daten wurden von einer meteorologischen Station aus der Region hinzugezogen. Die Qualität entspricht damit nicht der Datenbasis, die für die Parameterstudien in [2] zur Verfügung steht. Trotz dieser Einschränkung können die Temperaturen im Bauteil gut berechnet werden (Abb. 4). Die Parameter für die Berechnung der Hydratationswärme sind nicht an der Betonmischung für den hochfesten Beton bestimmt worden, sondern durch die Kalibrierung mit adiabatischen Versuchen aus der Literatur. Der dargestellte Temperaturverlauf gilt für einen Messpunkt in Oberflächennähe. Der Temperaturanstieg nach etwa 90 Stunden ist durch Sonnenstrahlung verursacht, die auf die zwischenzeitlich ausgeschalte Oberfläche trifft.
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Berechnung von Temperaturfeldern
Abb. 4. Vergleich zwischen Berechnung und Messung
5 Literatur [1] Zilch, K., Hennecke, M.: Messung der Hydratationswärmeentwicklung und der Frühverformungen des hochfesten Betons während des Erhärtungsprozesses an einem Brückenbauwerk. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben FE 15.309/1998/DRB im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen. Forschungsbericht, Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München, 1999 [2] Hennecke, M.: Rechnerische Beurteilung der Temperaturbelastung und der Rissgefahr infolge Eigenspannungen bei jungem Hochleistungsbeton. In: Berichte aus dem Konstruktiven Ingenieurbau, Technische Universität München. Heft 3. 2002. [3] Hintzen, W.: Zum Verhalten des jungen Betons unter zentrischem Zwang bei Abfließen der Hydratationswärme, In: Schriftenreihe der Zementindustrie, VDZ Verein Deutscher Zementwerke e.V. Heft 59. Verlag VBT Bau + Technik GmbH, Düsseldorf. 1998.
Architektur fordert Ingenieure - Die neue Svinesundbrücke Michael Blaschko
Architektur und Tragwerksplanung marschieren nicht immer in die gleiche Richtung. Mancher Gestaltungswunsch scheitert an statischen Zwängen. Dass aber auch eine gegenseitige Befruchtung möglich ist, zeigt das Beispiel der neuen Svinesundbrücke. Ein Entwurf mit klaren Linien, ohne Schnörkel und Farbtupfer, aber mit einem hohen Anspruch an Transparenz und Leichtigkeit fordert die Tragwerksplaner heraus, spornt an. An einigen Beispielen aus dem Entstehungsprozess dieser Brücke wird gezeigt, wie Architektur und Statik im gegenseitigen Wechselspiel stehen.
1 Architektur und Tragwerksplanung im Spannungsfeld Eine gewisse Rivalität zwischen Bauingenieuren, hier genauer als Tragwerksplaner und Bauleiter spezifiziert, und Architekten ist wohl nicht zu leugnen. Bezeichnen die einen die anderen gerne mit Technokraten, so charakterisieren die anderen die einen schon mal mit Phantasten. Eine ideale Spielwiese für derartige Rangeleien stellen Brückenbauwerke dar, erheben Brücken doch gleichermaßen den Anspruch nach ästhetischer Vollendung wie nach funktionaler Lastableitung. In den Fällen allerdings, in denen sich die Ästhetik nicht nur auf Farbe und Ornamente beschränkt und die Lasten schon mal einen Umweg in Kauf nehmen, entsteht ein Spannungsfeld mit dem Potential, besonderes zu schaffen. Die neue Svinesundbrücke, die aufgrund des Autobahnausbaus zwischen Göteborg und Oslo nötig wird, bewegt sich in solch einem Spannungsfeld. Der folgende Bericht will anhand einiger Beispiele vom Bau dieser Brücke aufzeigen, was aus dem Potential geworden ist.
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Architektur fordert Ingenieure - Die neue Svinesundbrücke
2 Eine Grenzbrücke über den Fjord Der neue Brückenschlag zur Überquerung des Iddefjords findet an einer exponierten Stelle statt: In der Mitte des Fjords verläuft die Ländergrenze zwischen Schweden und Norwegen. Beide Ufer sind durch steil ansteigendes Gelände aus nackten Felsformationen und durch bewaldete Flächen geprägt. Auf Höhe der neuen Trasse hat der Fjord eine mittlere Breite von nur etwa 140 m und die Trasse liegt zwischen der alten Brücke und dem offenen Meer, so dass nicht nur viele Freizeitkapitäne, sondern auch die Benutzer der alten Brücke einen perfekten Blick auf die neue Svinesundbrücke haben werden. Aufgrund dieser besonderen Bedeutung wurde vor der Ausschreibung ein internationaler Ideenwettbewerb ausgelobt. Die Jury wählte den Brückenentwurf des norwegischen Architekten Lund & Slaatto Arkitekter AS aus. Dieser Entwurf ist gekennzeichnet durch zwei Stahlüberbauten aus Hohlkästen mit orthotroper Platte, je Fahrtrichtung ein Stahlhohlkasten, die im Abstand von ca. 6 m angeordnet sind. Diese hängen an einem dazwischen angeordneten Betonbogen, der mit knapp 250 m Spannweite den Fjord überspannt (Abb. 1).
Abb. 1. Computervisualisierung der neuen Svinesundbrücke [1]
Der Entwurf konzentriert sich an der Funktionalität der Bauteile, klare Linien bestimmen das Bild. Ziel ist ein graziler Brückenschlag ohne Schmuck, ohne besonders gestaltete Kappen oder Pfeilerkopfe, ohne „Farbe“.
3 Design and Build Die schwedische Straßenbauverwaltung Vägverket hat diesen Entwurf als „design and build“-Vertrag ausgeschrieben. Im Kern bedeutet dies, dass der Auftragnehmer die äußere Form gemäß dem Architektenentwurf einhalten muss, das „Innenleben“ aber im Rahmen der Normen gestalten kann, um die Standsicherheit zu erreichen.
Michael Blaschko
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Die Sparte Ingenieurbau der Bilfinger Berger AG erhielt im Sommer 2002 den Zuschlag für dieses Brückenbauwerk, von der Planung bis zum schlüsselfertigen Ausbau. Die Verkehrsfreigabe ist zum hundertsten Jahrestag der Unionsauflösung zwischen Schweden und Norwegen am 7. Juni 2005 vorgesehen, ein unverschiebliches Datum.
4 Die äußere Form Die Brücke hat eine Gesamtlänge von 704 m bei vier Pfeilern auf der schwedischen und einem Pfeiler auf der norwegischen Seite (Abb. 2). Die Einzelstützweiten der Überbauten liegen zwischen 58 m und 75 m. Das mit 188,5 m größte Feld im Bogenbereich wird durch die Bogenhänger zusätzlich in Abständen von 30,5 m - 5 x 25,5 m - 30,5 m unterstützt. Ausgehend vom schwedischen Widerlager verläuft die Trasse zunächst bis kurz vor den Bogenbeginn in einem Kreisbogen mit Klothoide und geht dann in eine Gerade über.
Abb. 2. Übersicht zur Bauwerksgeometrie
11m
6,2m
11m
Abspannung des Überbaus Parallele Kanten
Abb. 3. Bauwerksquerschnitt im Bereich Bogen und über den Vorlandpfeilern
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Architektur fordert Ingenieure - Die neue Svinesundbrücke
Im Vorlandbereich tragen Betonpfeiler, die zwischen den Fahrbahnen angeordnet sind, den Überbau. Der Überbau gibt seine Lasten indirekt über Querträger an die Pfeiler ab, deren Breite auf den lichten Abstand der Überbauten beschränkt ist. Abb. 3 zeigt im rechten Teil diesen Querschnitt. Die damit nur geringe Lagerspreizung ist nicht ausreichend, um ein Abheben der Lager bei einseitiger Verkehrslast und Wind zu verhindern. Um dies zu vermeiden, werden jeweils zwischen den Lagern vertikale Abspannungen aus Spanngliedern angeordnet (vgl. Abb. 3).
5 Brückenende und doch kein Ende An den Widerlagern und an den weiterführenden Stützwänden wird die Form des Überbaus aufgegriffen, die Brücke wird optisch über den eigentlichen Stahlteil hinaus verlängert. Umgesetzt wird dies durch die Ausbildung eines geneigten Kragarms an Widerlager und Stützwand, die der Kontur des geneigten Unterflansches des Fahrbahnträgers folgt. Der lichte Abstand zwischen den Fahrbahnen wird ebenso durch Innenstützwände verlängert und geht erst nach einigen Metern in den Straßendamm über.
hochgesetzte Lager
Überbaukontur = WL-Kontur
Querträger mit Zuganker im Fels
Abb. 4. Die Überbaukontur setzt sich bei Widerlager und Stützwand fort. Links: Skizze des versetzten Widerlagers Achse 9. Rechts: Blick ins Innere der Stützwände.
Die Konsequenzen für die Konstruktion soll Abb. 4 verdeutlichen. Zunächst fehlt am Überbauende ein Querträger zur Abtragung der Torsionsmomente. Die Torsion wird durch die Brückenlager in die Widerlager eingeleitet. Die für jede Fahrtrichtung nun alleinstehenden Widerlager werden bei Achse 1 mit einem „unterirdisch“ liegenden Querbalken verbunden. Bei dem versetzten Brückenende an Achse 9 sahen sich die Tragwerksplaner gefordert, es dem schwedischen Widerlager gleich zu tun und verankerten es im Fels, um die nötige Kippstabilität zu erreichen. Ungünstig war die Lageranordnung an der horizontalen Unterseite des Stahlüberbaus: zu wenig Lagerspreizung und optisch störend. Deshalb wird das Überbauende als ausgeklingtes Auflager ausgebildet und die Lager werden hochgesetzt. Die immer noch vorhandenen abhebenden Kräfte werden durch Ballastieren des letzten Überbaufeldes kompensiert.
Michael Blaschko
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6 Schlank und gekoppelt Der Bogen aus Beton hat eine Spannweite von 247,3 m. Die Scheitelhöhe beträgt rund 91 m über dem Wasserspiegel. Da der Bogen ebenfalls zwischen den Fahrbahnen angeordnet ist, ist seine Breite beschränkt. Die Außenabmessungen des einzelligen Hohlkastens betragen am Fundament 6,30 m in der Breite und 4,20 m in der Höhe und am Bogenscheitel 4,0 m in der Breite und 2,7 m in der Höhe. Der Bogen ist damit so schlank, dass er nicht allein gegenüber angreifenden Windlasten standsicher ist. Die Konstrukteure sahen deshalb vor, den Bogen an beiden Kreuzungspunkten mit den Überbauten biegesteif zu koppeln. Der Bogen trägt die Vertikallast der Fahrbahnen und die Fahrbahnen stützen horizontal den Bogen und geben die Last an die Vorlandpfeiler weiter. So weit die Theorie. Praktisch gilt es nun einen Anschluss auszubilden, der Kräfte und Momente um alle Achsen abtragen kann. Zunächst war geplant, die beiden Fahrbahnen mit einem Querträger zu verbinden und diesen auf der Bogenoberseite abzusetzen. Aus Architektensicht leider eine unbrauchbare Lösung: Von außen soll nichts zu sehen sein.
Abb. 5. Links: Der Bogen im Anschlussbereich mit dem Überbau mit den Leerrohren für die Spannglieder. Rechts: Die Litzenspannglieder im Stahlüberbau.
Die Idee: eine überdrückte Fuge. Der Überbau wird an den Bogen angespannt. Das Ergebnis: Der Stahlüberbau gleitet förmlich am Bogen vorbei, wie das kleine Bild in Abb. 1 zeigt. Im Inneren teilen sich 21 verbundlose Spanngliedern mit je 19 Litzen den Platz zwischen Wartungsdurchstiegen, Trapezsteifen und Versorgungsleitungen und auch im durchlöcherten Bogenabschnitt fordert das Kräftespiel seinen Tribut: 425 kg Bewehrung je Kubikmeter Beton. Das bedeutet viel Schweiß für die ausführende Mannschaft.
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Architektur fordert Ingenieure - Die neue Svinesundbrücke
7 Vom Plan zur fertigen Brücke Nun gilt es die statischen und konstruktiven Kniffe in die Realität umzusetzen. Dazu sind eine detaillierte Montageplanung und umfangreiche Montagehilfskonstruktionen erforderlich. Für die Herstellung des Bogens wird die Freivorbaumethode mit Hilfsabspannung gewählt. Da der Entwurf keinen Pfeiler an passender Stelle vorsieht, müssen zwei 82 m hohe Hilfspylone errichtet und später wieder demontiert werden. Diese Hohlkastenpfeiler aus Beton werden parallel zum Bogenfreivorbau geklettert und die Abspannung wird je nach Bauphase eingebaut und gespannt. Bedingt durch die Schlankheit des Bogens wird auch eine seitliche Abspannung erforderlich. Beim Stahlüberbau werden die Fahrbahnhohlkästen längs und quer in ca. 25 m lange und 5,50 m breite Sektionen geteilt. Diese bis zu 85 t schweren Elemente werden im Werk gefertigt und zunächst auf LKW, dann per Schiff zur Baustelle transportiert. Die Montage des Stahlüberbaus gliedert sich in drei Bereiche: Der Vorlandbereich auf der schwedischen Seite im Bereich von Achse 1 bis kurz nach Achse 5 wird im Taktschiebeverfahren ohne zusätzliche Hilfsstützen hergestellt. Der Vorbauschnabel liegt dabei zwischen den beiden Hohlkästen der Richtungsfahrbahnen. Da die Pfeiler zwischen den beiden Überbauten angeordnet sind, muss an jedem Pfeiler eine seitlich auskragende Hilfskonstruktion montiert werden, die die Verschublager aufnimmt. Der Vorlandbereich auf der norwegischen Seite von Achse 7 bis zur Achse 9 und die Anschlussknoten zwischen Stahlüberbau und Bogen werden unter Verwendung von Hilfsstützen mit einem Mobilkran von unten eingehoben. Nach Abschluss dieser beiden Montageabschnitte sind die Stahlüberbauten von beiden Seiten bis zum jeweils ersten Hänger am Bogen montiert. Das noch fehlende Bogenmittelstück mit 126 m Länge wird am Boden vormontiert, eingeschwommen und am Bogen mit Litzenhebern hochgezogen.
8 Fazit Die Straßenbauverwaltung hat Wert darauf gelegt, dass Funktion und Dauerhaftigkeit erhalten bleiben. Architekt und Tragwerksplaner konnten sich gegenseitig inspirieren und die Bauleitung hat dafür gesorgt, dass es ausführbar bleibt. Es ist jetzt dem Betrachter – ob nun Ingenieur, Architekt oder Autofahrer - überlassen, über das Bauwerk zu urteilen. Haben sich all die technischen Klimmzüge gelohnt? Und neben der Spannung zwischen Tragwerksplaner und Architekt darf eine Voraussetzung zur Verwirklichung dieser Brücke nicht unerwähnt bleiben: Die Bereitschaft des Bauherrn, dafür auch mehr Geld auszugeben.
Michael Blaschko
9 Literatur [1] Vägverket, Region Väst: Väg E6, Ny Svinesundsbro, Förfragningsunderlag
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Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration: Neubau der Thalwassertalbrücke im Zuge der BAB A 71 Erfurt – Schweinfurt Stefan Schiefer
Der Neubau der Bundesautobahn A 71 ist als Verkehrsprojekt Deutsche Einheit auf bayerischer Seite mit rund 56 km Länge im Bau. Die neue A 71 dient der Verkehrsverbindung zwischen den thüringischen und fränkischen Wirtschaftszentren sowie der Erschließung des südthüringischen Raumes. Von der Landesgrenze Thüringen / Bayern, nordöstlich von Mellrichstadt, verläuft sie östlich an den Städten Bad Neustadt a. d. Saale und Münnerstadt vorbei bis zur Anbindung an die Bundesautobahn A 70 Schweinfurt – Bamberg zwischen den Anschlussstellen Werneck und Schweinfurt/Bergrheinfeld. Acht Großbrücken, eine Grünbrücke und 73 Über- und Unterführungsbauwerke sind Bestandteil des Projektes. Eine der Großbrücken ist die Thalwassertalbrücke. Sie überspannt ca. 6 km südlich von Münnerstadt mit einer Gesamtlänge von 330 m das Thalwassertal, in dem eine Gemeindeverbindungsstraße, ein Wirtschaftsweg und ein Graben verlaufen.
1 Pilotprojekt Bereits 1985 – also vor mehr als 15 Jahren – haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit einem Beschluss der EEC-Ratsversammlung die Harmonisierung der Anforderungen an Bauprodukte sowie der Bemessung und Berechnung von Bauwerken vereinbart. Zur weitgehenden Vereinheitlichung in Europa wurden Eurocodes als europäische Normen erarbeitet. Die für den Brückenbau maßgebenden Teile der Eurocodes liegen mit Nationalen Anwendungsdokumenten vor und wurden als DIN-Fachberichte ausgearbeitet. Vor deren bauaufsichtlicher Einführung Anfang Mai 2003 wurden die neuen Europäischen Regelungen in einer Erprobungsphase an zehn konkreten Brückenbaumaßnahmen in Deutschland praktisch angewandt. Ziel war es, bei Entwurf, Ausschreibung, Vergabe und Baudurchführung Erfahrungen hinsichtlich der Handhabbarkeit, Verständlichkeit, Vollständigkeit und Kompatibilität zu gewinnen. In einer Arbeitsgruppe wurden
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Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration:
diese Erfahrungen gesammelt und ausgewertet und flossen in die Bearbeitung der Eurocodes mit ein. Die Thalwassertalbrücke ist eines dieser Pilotprojekte.
2 Konstruktion Beim statischen System der Thalwassertalbrücke handelt es sich um einen Durchlaufträger über sechs Felder. Die Felder sind in den Stützweiten harmonisch abgestuft und variieren von 40 Meter an den Talflanken bis zu 62 Meter in Talmitte. Insgesamt 10 Pfeiler tragen die beiden getrennten Überbauten. Die schlanken Pfeiler sind massiv ausgeführt und fallen durch ihre aufwändige Gestaltung mit runden Formen auf.
Abb. 1. Pfeiler der Thalwasertalbrücke
Die Pfeilerschäfte weisen im Querschnitt eine Knochenform auf und verjüngen sich in Querrichtung nach oben deutlich. Sie tragen die Pfeilerköpfe als gesonderte Bauteile, deren Konstruktionshöhe auf die jeweilige Höhenlage über dem Talgrund abgestimmt ist. Auch die Bauhöhe der Überbauten korrespondiert mit der Form des Thalwassertales sowie den Stützweiten. Sie nimmt von 3 Meter an den Widerlagern auf 4,40 Meter in Talmitte zu und beschreibt damit eine Fischbauchform.
Stefan Schiefer
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Abb. 2. Querschnitt
Die beiden Überbauten werden als Spannbeton-Durchlaufträger mit jeweils einzelligem Kastenquerschnitt ausgeführt. Die Vorspannung wird dabei mittels im Inneren der Kästen geradlinig geführter rein externer Spannglieder erzeugt. Nur die zusätzlichen, für eine spätere Nachrüstung möglichen Spannglieder werden im Feld zweimal umgelenkt. Ein Spannglied besteht aus 17 Monolitzen, also Bündel aus jeweils sieben fünf Millimeter starken Drähten. Sie werden bereits im Spannstahlwerk mit einem Korrosionsschutzmittel beschichtet und mit einem Kunststoffmantel umgeben. Alle 17 Monolitzen wiederum sind in einem Hüllrohr aus Polyethylen-Kunststoff untergebracht. Die zulässige Spannkraft der bis zu 45 Meter langen Spannglieder beträgt jeweils 295 Tonnen. Der Vorteil dieser Bauweise ist, dass - im Gegensatz zu einbetonierten Spanngliedern mit Verbund - eine Kontrolle bzw. das Auswechseln dieser für das Bauwerk wesentlichen Bauteile möglich ist. Die beiden Überbauten tragen jeweils eine Richtungsfahrbahn, die bis zu 31 Meter über dem Talgrund liegt. Die Fahrbahnbreite beträgt jeweils 11,50 Meter, so dass für den Baustellenfall auch auf dem Bauwerk eine Verkehrsführung mit zwei Fahrstreifen je Fahrtrichtung auf einem Überbau möglich ist. Die Gründung aller Pfeiler und des Widerlagers Erfurt erfolgt flach auf dem anstehenden Kalksteinfels. Das Widerlager Schweinfurt ist auf Großbohrpfählen mit Durchmesser 150 cm gegründet, die in den Kalksteinfels einbinden. Sie sind z. T. geneigt ausgeführt und erreichen eine Länge von bis zu 12 m.
3 Erkenntnisse Bei der Bearbeitung nach den neuen Europäischen Normen wurden die Erkenntnisse gewonnen, dass sich die Nachweise nach den bisherigen Regelungen und nach den neuen DIN-Fachberichten u. a. bei den Einwirkungskombinationen, Si-
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Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration:
cherheitsbeiwerten und bei den Bemessungskriterien zum Teil stark voneinander unterscheiden. Es ist festzustellen, dass nach den neuen Europäischen Normen im vorliegenden Falle die Verkehrslasten, Windlasten und Temperaturgradienten höher sind als nach bisheriger Norm. Dagegen ergeben sich jetzt durchwegs geringere erforderliche Querschnittswerte für die Betonstahlbewehrungen. Auffallend ist, dass das Bemessungskriterium für Platten ohne Schubbewehrung nach DIN-Fachberichten wesentlich strenger ist als nach bisheriger Norm, so dass bereits bei geringeren Querkraftbeanspruchungen eine Schubbewehrung anzuordnen ist. Die Auswirkungen der neuen Bemessungsregeln auf den Brückenüberbau der 330 m langen Thalwassertalbrücke sind insgesamt gering, der zugehörige Aufwand bei der Berechnung ist deutlich höher als bisher. Neu ist auch die Definition der Eigenschaften des Betons. Vertraute und geläufige Begriffe wie Beton B 25 lauten nun Beton C 25/30, die Eignungsprüfung wird zur Erstprüfung und Betonzuschlag heißt nun Gesteinskörnung. Expositionsklassen und der Nachweis der Konformität eines Betons sind dagegen vollkommen neu. Der entwerfende Ingenieur legt neben der statisch notwendigen Druckfestigkeit auch die Einwirkungen auf das spätere Bauwerk in ihrer Art und Intensität durch Zuordnung zu Expositionsklassen genau fest. Solche Einwirkungen können zum Beispiel Frostangriff mit Tausalz und Korrosion durch chemischen Angriff sein. Die bauausführende Firma ergänzt diese Anforderungen um Eigenschaften, die zum Beispiel die Verarbeitbarkeit des Frischbetons betreffen und bestellt den Beton beim Transportbetonwerk. Dabei ist jeder Beteiligte für die von ihm getroffenen Festlegungen verantwortlich; der Betonlieferant garantiert für die Einhaltung der geforderten Betoneigenschaften. Neu ist hier insbesondere die deutliche Abgrenzung der einzelnen Verantwortungsbereiche voneinander.
Abb. 3. Betonsortenverzeichnis
Stefan Schiefer
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Zweckmäßig für einen reibungslosen Ablauf ist es, vor dem Erstellen der Erstprüfung ein Gespräch zwischen dem Bauherren, der ausführenden Firma, dem Transportbetonwerk und dem Erstprüfer zu führen. In einem weiteren Gespräch, auch mit der Obersten Baubehörde, dem Prüfingenieur und dem Ausführungsplaner, wurde das Betonsortenverzeichnis festgelegt. So war es jederzeit möglich, den auf das Bauteil abgestimmten Beton zu liefern. Die Bauüberwachung hat 3 Schwerpunkte: 1. Es ist die Zusammensetzung der angelieferten C-Betone unter der Maßnahme zu kontrollieren, ob die Vorschriften und Vorgaben eingehalten sind 2. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Nachbehandlung der frisch betonierten Bauteile gerichtet, weil hier gegenüber den bisherigen Vorschriften längere Nachbehandlungszeiten zu beachten sind. Die für die Betonqualität entscheidende Nachbehandlung ist in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen und der Festigkeitsentwicklung geregelt. Beispielsweise ist die Nachbehandlungsdauer zu verdoppeln, wenn keine genauen Nachweise über die Bauteilfestigkeit geführt wurden 3. Ein weiterer Punkt ist der Nachweis und die Einhaltung der Betondruckfestigkeit. Nach der alten DIN 1045 (im Zusammenhang mit der ZTV-K) war die Druckfestigkeit nachgewiesen, wenn der Einzelwert die Nennfestigkeit erreicht hat und die Serienfestigkeit im Mittel 5 N/mm² über der Nennfestigkeit lag. Der nach den neuen Normen gefertigte Nachweis der Konformität bzw. die Annahmekriterien (Identität) gestalten sich aufwendiger, wenn eine größere Menge Beton verarbeitet wird. Exemplarisch ist eine Auswertung für einen Fundamentbeton C 25/30 dargestellt.
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Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration:
Abb. 4. Identitätsprüfung
Abb. 5. Konformitätsprüfung
Stefan Schiefer
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Insgesamt bringen die neuen Regelungen umfassende Umstellungen für alle an der Planung und dem Bau Beteiligten mit sich. Zunächst war ein Zögern bei den Betonherstellern und der Baufirma registriert worden, sich auf bereits eingeführte Teile der Normen umzustellen, bevor nicht alle Teile - einschließlich der angekündigten ZTV-ING - in endgültiger Fassung vorlagen. Das Pilotprojekt hat aber in der Durchführung gezeigt, dass in der Bauwirtschaft die Bereitschaft vorhanden ist, sich mit den neuen Normen auseinander zu setzen. Das gemeinsame Ziel ist es, dass durch die neuen Normen mit ihrer starken Regelungstiefe dauerhaftere Bauwerke als vordem entstehen sollen. Der Aufwand zur Umsetzung war bei der Thalwassertalbrücke als Pilotprojekt beträchtlich, konnte aber ohne Schwierigkeiten gemeistert werden.
4 Gestaltung Bei der Bauwerksgestaltung kamen - neben einer ausgewogenen Feldaufteilung die Detailausbildungen entsprechend dem hier gültigen Gestaltungshandbuch zur Ausführung. Dies sind zum einen runde Formen, die sich bei den Pfeilern, den Widerlagern mit abgerundeten Kanten, bei den Überbauten mit Ausrundungen im Kragarmbereich und bei den abgerundeten Gesimsbalken wiederholen. Des Weiteren kommt das speziell für die A 71 auf bayerischer Seite entworfene Geländer in roter und grauer Farbe zum Einsatz. Mit diesen Gestaltungselementen werden regionale Besonderheiten in der Baukultur, wie der Rundbogen und das Rotbraun der Fachwerke, aufgegriffen.
5 Zeitablauf Der Bauwerksentwurf nach den alten geltenden Normen lag im Oktober 1999 genehmigt vor. Darauf aufbauend wurden die Ausschreibungsunterlagen erarbeitet. Sie waren im April 2001 fast fertig. Auf Grund der Auswahl als Pilotprojekt waren die Unterlagen im Hinblick auf die Europäischen Normen zu überarbeiten und die Vorstatik zu erstellen. Dabei war es erforderlich, eigene Ausschreibungstexte zu formulieren und neue Vertragsgrundlagen zu erarbeiten. Weiterhin war sicherzustellen, dass die den neuen Regelungen entsprechenden Betone zur Verfügung stehen. Um die Zeitverzögerung durch die Umstellung zu kompensieren, erfolgte parallel zur Angebotsbearbeitung bereits die Ausführungsplanung, die in diesem Fall - ausgearbeitet durch das Büro ISP, München und geprüft durch den Prüfing. Univ. Prof. Dr. Ing. Zilch, München - vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wird. Die Submission war im Oktober 2001 und bereits im Februar 2002 konnte
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Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration:
der Auftrag über 10,6 Millionen € an die Firma J. G. Müller aus Wetzlar vergeben werden. Das Planmanagement erfolgt nicht konventionell, sondern wie bei weiteren Großprojekten mit elektronischem Datenaustausch (System EPLASS des Ingenieurbüros Seib, Würzburg). Alle Pläne und Dokumente werden digital verarbeitet (CAD, Textverarbeitung). Über moderne Telekommunikationstechnik (ISDN, Modem) werden Plotfiles versandt. Die Pläne werden per elektronischer Unterschrift freigegeben, wobei sämtliche Informationen an einer zentralen Stelle zusammenlaufen. Neben dem schnellen Planaustausch ist dadurch auch eine aktuelle Kontrolle möglich.
6 Bauverfahren Die Überbauten werden mittels Taktschiebeverfahren in 17 Takten mit Längen zwischen 17,5 und 24 m hergestellt. Die Erstellung des Hohlkastenquerschnittes erfolgt jeweils in zwei Abschnitten. Zunächst werden in der Taktanlage die Bodenplatte, die Stege und die Querträger gefertigt. Im zweiten Abschnitt folgt die Herstellung der Fahrbahnplatte. Der Verschub wird mittels einer Hub-ReibeAnlage bewerkstelligt, welche auf dem Widerlager Erfurt angeordnet ist. Die Überbauten werden mit einer variablen Konstruktionshöhe von 3 m - 4,40 m ausgebildet, wodurch eine stetige Krümmung an der Unterseite der Hohlkästen entsteht. Die Unterkante des Überbaues ist konstant 6,4 m breit, ebenso die Breite am Kragarmanschnitt mit 7,66 m. Durch die variable Überbauhöhe bei konstanter Trogbreite verändert sich die Stegneigung stetig. Dies erfordert eine flexible Schalung, die alle veränderlichen Parameter abdeckt.
Stefan Schiefer
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Abb. 6. Ansicht Thalwassertalbrücke mit Vorbauschnabel
Zusätzlich zu den unterschiedlichen Querschnittshöhen erschweren die Spannstahlarbeiten die Herstellung der Takte. Da es sich hierbei um rein externe Vorspannung handelt, müssen bis zu 40 Durchdringungen, Umlenk- und Ankerstellen in Querträger und Lisenen eingebaut werden. Hierdurch erhöht sich Schal- und Bewehrungsaufwand gegenüber Bauwerken in Mischbauweise erheblich. Das Einziehen und Spannen der Spannglieder erfolgt dann in drei zeitlich voneinander getrennten Phasen. Der betonierte Takt wird ohne Vorspannung, d. h. als Stahlbetonbauteil verschoben. In Phase 1 (vor dem nächsten Verschubvorgang) wird dieser Takt mit den für den Bauzustand vorgesehenen Spanngliedern vorgespannt. Nach dem Endverschub und vor dem Lagerwechsel werden die Spannglieder der Phase 2 gespannt. Das Spannen der restlichen Spannglieder erfolgt dann nach dem Systemwechsel (Ausbau der Hilfsstützen, Ausbau der Taktschiebelager und Einbau der endgültigen Lager) in Phase 3. Als Baubehelfe kommen für den Verschub Hilfspfeiler aus Ortbeton und ein 27,5 Meter langer Vorbauschnabel zum Einsatz. Die Hilfsstützen sind so angeordnet, dass eine max. Spannweite von 43,5 m nicht überschritten wird. Zur Aufnahme der Horizontalkräfte sind die Hilfspfeiler, deren Höhe zwischen ca. 19 m und 26,50 m schwankt, in Brückenlängsrichtung am Kopf gegen die benachbarten Pfeilerfundamente abgespannt. Nach der Fertigstellung des Überbaues Ost werden die Hilfsstützen und die Taktanlage querverschoben und für den Verschub des Überbaues West wiederverwendet. Nach Beendigung der Überbauherstellung werden sie abgebrochen.
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Pilotprojekt nach der neuen Normengeneration:
7 Trinkwasserschutz Eine Besonderheit der Thalwassertalbrücke ist durch ihre Lage begründet. Sie liegt im Wasserschutzgebiet der Städte Münnerstadt und Bad Kissingen. Um in diesem Bereich zu verhindern, dass Fahrbahnoberflächenwasser in den Untergrund gelangt, werden entsprechend den Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten verschärfte Schutzmaßnahmen ergriffen. So wird u. a. die gesamte Autobahnbreite mit einer speziellen, undurchlässigen Tragdeckschicht abgedichtet. Das anfallende Fahrbahnoberflächenwasser wird gesammelt und in dichten Transportleitungen aus dem Wasserschutzgebiet geleitet. Die Ableitung erfolgt dabei über die Thalwassertalbrücke hinweg, in deren Kasten neben der Bauwerksentwässerung mit einem Durchmesser von 25 Zentimeter auch die Streckenentwässerung mit einem Durchmesser von 70 Zentimeter unterzubringen ist. Um ein Abkommen der Fahrzeuge von der Fahrbahn auch im Unglücksfall zu verhindern, werden an den äußeren Fahrbahnrändern Betonschutzwände mit erhöhtem Profil von 1,15 Meter Höhe angeordnet. Die Bereiche hinter den Betonschutzwänden werden mit einer Schicht aus bindigem Boden abgedichtet, die in Einschnitten bis 2 m über die Fahrbahn entlang der Böschung geführt wird. Auf der Thalwassertalbrücke kommen diese Betonschutzwände ebenfalls zum Einsatz. Auch bei der Baudurchführung gelten besondere Auflagen, um den Gewässerschutz zu garantieren. So sind für die Baustelleneinrichtung z. B. dichte Flächen herzustellen, die ein Fassen der Oberflächenwässer und deren Ableitung aus dem Wasserschutzgebiet ermöglichen. Baugruben für Pfeiler und Widerlager werden erst unmittelbar vor Herstellung der Fundamente ausgehoben und danach sofort wieder verfüllt. Dadurch wird verhindert, dass Oberflächenwasser direkt in freiliegende Karstklüfte versickert und eine Gefährdung der Trinkwasserversorgungen zu befürchten ist.
8 Stand Der Baubeginn mit dem Einrichten der Baustelle und dem Anlegen der befestigten Lager- und Arbeitsflächen war im April 2002. Anschließend wurden die Fundamente der Pfeiler, Widerlager und Hilfsstützen erstellt, so dass mit der Herstellung der Pfeiler und sodann der Widerlager begonnen werden konnte. Nach Fertigstellung der Taktanlage wurde der erste Takt Anfang Mai 2003 verschoben. Leider wurde der planmäßige Bauzeitenplan, wonach im Herbst 2003 der erste Überbau nach Fertigstellung seine endgültige Lage erreichen sollte, nicht eingehalten. Grund dafür war, dass der geplante Wochentakt nur bei einem Takt erreicht wurde. Außerdem hat die ausführende Firma Ende Januar 2004 Insolvenzantrag gestellt, weshalb die bisher schleppenden Arbeiten vollständig zum Erliegen kamen.
Stefan Schiefer
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Zu diesem Zeitpunkt waren 17 von 17 Takten hergestellt, es fehlten aber bei Takt 17 die Vorspannung und der Verschub in Endlage. Die Autobahndirektion Nordbayern hat daher mit Hochdruck die Restarbeiten nochmals ausgeschrieben. Nach kurzfristiger Vergabe und neuem Baubeginn im August 2004 ist es das Ziel, durch Beschleunigung die Bauarbeiten an der Thalwassertalbrücke trotz der Verzögerungen so rechtzeitig abzuschließen, dass das Gesamtprojekt der BAB A 71 auf bayerischer Seite bis zum Jahresende 2005 durchgehend zweibahnig befahrbar sein wird. Es bleibt Dank zu sagen der Obersten Baubehörde und Herrn Prof. Dr. Zilch generell für die Unterstützung im Rahmen des Pilotprojektes „Neue Normen“. Anerkennung verdient das Büro ISP zusammen mit dem Prüfingenieur Prof. Dr. Zilch für die Bewältigung der neuartigen Berechnungsmethoden nach den europäischen Normen.
Werkstoffadäquates Erhaltungsmodell von Brücken Konrad Bergmeister
Integrale Brücken bestehend aus Platten- oder Rahmentragwerken ohne Lager stellen die wirtschaftlichste Lösung für eine lange Lebensdauer dar. Daher sollte bei der Instandsetzung ein Serienversagen vermieden und redundante Systeme erstellt werden. Durch die Einführung eines probabilistischen Erhaltungsmodells kann nahezu werkstoffunabhängig die Zuverlässigkeit auf der Basis von Schadensvermeidungsketten errechnet werden. Die Einführung von Robustheitsklassen soll ein redundantes Verhalten der Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit bzw. Funktion fördern.
1 Entwurfsziele und Lebensdauer Im 21. Jahrhundert finden wir in der westlichen Hemisphäre eine nahezu komplett ausgebaute Infrastruktur. Die Kapitalströme verlagern sich weg vom Neubau, hin zur Erhaltung. Sie betragen im Brückenbau 0,8 % bis 2,5% der eingesetzten Baukosten – und das jährlich. Im österreichischen Bundesstraßennetz sind in rund 12000 Brückenobjekten mit einer Fläche von 7,4 Mio. m² rund 9,5 Mrd. Euro veranlagt [1]. Die Durchschnittskosten der baulichen Erhaltung je m² befahrener Brückenfläche kann auf 10-15 Euro geschätzt werden. Der Gesamtwert der deutschen Bausubstanz wird auf 25 Billionen Euro geschätzt [2]. In den USA zeigt eine von 3 Brücken strukturelle Schäden auf oder ist funktionell überaltert. Es werden in nächster Zeit geschätzte 80 Milliarden Dollar benötigt, um die Brückenschäden zu sanieren [3]. Bei noch funktionalen Brücken ist es billiger, die Lebensdauer auf ein Maximum zu verlängern als diese zu ersetzen [3]. Bei der Planung und Konstruktion von Brücken stellen folgende Anforderungen wichtige Parameter dar [4]: • • • • •
Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit Dauerhaftigkeit und Robustheit Herstellungs- und Erhaltungskonzeption Ästhetik und Landschaftseinbindung Wirtschaftlichkeit
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Werkstoffadäquates Erhaltungsmodell von Brücken
Die Entwurfsziele können aber nicht unabhängig von einander gesehen werden. So haben die Robustheit und die Dauerhaftigkeit besonders bei den am stärksten befahrenen Brücken einen wesentlichen Einfluss auf die Erhaltungskosten einerseits und die Nutzungsdauer des gesamten Bauwerks andererseits. Eine potentielle Möglichkeit der Kostenreduktion im Infrastrukturbereich besteht in der Verlängerung der Lebensdauer bestehender Bauwerke.
2 Schadenserhebung von Brücken in Wien Insgesamt befinden sich im Bereich von Wien knapp 1500 Ingenieurbauwerke, davon etwa 900 Brücken. Aus der Funktion der Brücken, etwa 58% sind Straßenbrücken, ergeben sich auch die geometrischen Abmessungen. Der Median der maximalen Länge liegt bei 13 m, der der Breite bei 9 m und der der Brückenfläche bei 180 m². Die Brückenfläche setzt sich aus der Brückenlänge mal der Brückenbreite zusammen. Auffallend sind die großen Donaubrücken mit bis zu 210 m Länge und einer Fläche von 52500 m². Die Altersstruktur ist breit gefächert. Die älteste Brücke stammt aus dem Jahr 1873, insgesamt sind noch zehn der sich in Verwendung befindlichen Brücken vor 1900 erbaut worden. Bei den verwendeten Werkstoffen überwiegen Stahl- und Spannbeton mit etwa 69% (Abb. 1). Beim Tragwerk finden hauptsächlich Plattenbalken Verwendung. Von den untersuchten Brücken finden wir 73% Balken-Plattentragwerke, 17% Rahmentragwerke, 8% weisen ein Gewölbe auf und 2% sind seilverspannte Systeme.
Werkstoffe der Wiener Brücken
Werkstoffe
Verbund Stein Holz Stahl Spannbeton Stahlbeton 0
50
100
150
200
250
Anzahl Brücken
Abb. 1. Werkstoffe der Wiener Brücken
300
350
400
Konrad Bergmeister
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3 Globale Schadensbetrachtung von Brücken Bei einer Schadenseinteilung nach der österreichischen RVS 13.71 „Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunstbauten, Straßenbrücken“ ergibt sich folgende Kategorisierung [5]: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Lager, Gelenke und Fahrbahnübergänge Fahrbahndecken und Gehwegbeläge Abdichtung und Entwässerung Randbalken Sonstige Ausrüstung (Geländer, usw.) Sonstiges Bauteile, wie Stiegen usw.
5% 17 % 14 % 6% 38 % 20%
Bei einer Aufteilung nach Brückenausrüstung, Unter- und Überbau setzt sich im Wesentlichen der Trend aus der Schadensmengenanalyse fort (Abb. 2). Die Brückenausrüstung ist mit weitem Abstand der wesentlichste Kostenfaktor: 75 % der Gesamtschäden verursachen 87 % der Kosten. Beim Überbau verursachen 7 % der Schäden 9 % der Kosten. Damit ist der durchschnittliche Überbauschaden nicht wesentlich teurer als der Durchschnittsschaden. Der Unterbau fällt für die Erhaltungskosten ebenso wie die Reinigung kaum ins Gewicht. Brückenausrüstung 87%
Sonstiges 2%
Reinigen < 0,5%
Überbau 9%
Unterbau < 0,5 %
Abb. 2. Übersicht der Schadenskostenverteilung
Die größten Schäden an der Brückenausrüstung werden von einem nicht funktionierenden Entwässerungssystem, von schadhaften Abdichtungen und Fugen erzeugt. Unter „Fugen“ versteht man Bauwerksfugen, Fugen zwischen Belag und Fahrbahnübergangskonstruktion, also alle Übergangsbereiche. Der Belag als stark der Abnutzung unterworfener Bauteil trägt mit ca. 11 % an den Gesamtkosten bei.
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Werkstoffadäquates Erhaltungsmodell von Brücken
4 Werkstoffadäquates Erhaltungsmodell Die statistische Auswertung der Brückenschäden der letzten 20 Jahre im Bereich Wien hat ergeben, dass die Abdichtung und Entwässerung sowie die Fahrbahnübergangskonstruktion, die Lager und Fugen besonders hohe Erhaltungskosten verursachen. Bei Betonbrücken resultieren viele Schäden meist aus einer in der Vergangenheit zu gering gewählten Überdeckung der Bewehrung mit Beton [6]. Eine ausreichend dicke und dichte Betonüberdeckung minimiert Korrosionsschäden und vergrößert die Lebensdauer der Tragwerke deutlich. Bei Stahltragwerken ist auf die fachgerechte und lückenlose Beschichtung zu achten, bei Holzbauteilen auf wirkungsvolle Imprägnierung im Zusammenwirken mit konstruktivem Holzschutz. Durch die Einführung eines probabilistischen Erhaltungsmodells kann nahezu werkstoffunabhängig die Zuverlässigkeit von Brücken auf der Basis der Schadenserhebung erstellt werden [7]. Bei Serienprozessen der Schädigung, wo die einzelnen Einzelzuverlässigkeiten R1(x), … Rn(x) durch das Produktgesetz miteinander verbunden werden [8], liegt der Fall eines nicht redundanten Systems vor. Fges ( x) = 1
n i=1 R( i x)
(2)
Beispielhaft kann hier ein serienhaftes Versagen verursacht durch ein nicht funktionierendes Abwassersystem oder schadhafte Abdichtung auftreten: Fges ( x) = 1 R1( Entwässerung ) R2( Abdichtung ) Rn( Degradation: Stahl )
(3)
Bei den Parallelsystemen übernimmt im Falle eines Ausfalles ein Nachbarelement seine Funktion. Daraus leitet sich auch die Forderung von redundanten Systemen bzw. integralen Brücken ab. Durch die Erstellung von Schadensvermeidungsketten und die stochastische Modellierung der Prozesse kann ein werkstoffadäquates Erhaltungsmodell erarbeitet werden.
Fges ( x) = 1
n i=1
(1
R( i x))
(4)
Ein Ziel jeglicher Erhaltungsmodelle ist es, aus einem serienhaften ein redundantes Verhalten bzw. ein Parallelsystem zu erwirken (Abb. 4). Deshalb versucht man bei der Erhaltung der Brücken im Bereich von Wien die Entwässerungssysteme zu verbessern, die Abdichtung zu erneuern und vor allem auch die Qualität der Betondeckung zu verbessern. Der Einsatz von Hochleistungsbeton oder anderer widerstandfähigerer Materialien bringt auf diesem Gebiet wesentliche Vorteile. Auch breitere erste Fahrspuren reduzieren den Materialverschleiß, da sich die
Konrad Bergmeister
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Lkws im Fahrspurenquerschnitt besser verteilen. Dadurch kann die Ausbildung von Fahrspuren wesentlich verzögert werden. Eine gesamtheitliche Betrachtung von Erneuerung und Instandhaltung ist daher eine systembedingte Anforderung. Daraus lassen sich zwei grundlegend verschiedene Entscheidungsvarianten ableiten: • •
Nutzung des Objektes bei minimaler Instandhaltung Nutzung des Objektes bei intensiver Instandhaltung
Durch eine konsequente Bauwerksinspektion werden die anfälligsten Bauteile einer jährlichen Wartung mit minimaler Instandsetzung unterzogen werden. Häufig entscheidet nicht nur die finanzielle Verfügbarkeit, sondern die Verkehrsbelastung über die Intensität einer Instandsetzungsmaßnahme.
Ri(x) R1(x)
Ri+1(x)
Rn(x)
Ri+2(x)
Ri+m(x) Abb. 4. Ergänzung eines Seriensystems mit einem Parallelsystem (z. B. Redundanz)
5 Zusammenfassung und Ausblick Es kann abschließend festgehalten werden, dass integrale Brücken mit möglichst redundanten Tragsystemen die wrtschaftlichste Lösung darstellen.. Interessant wäre die Einführung von sogenannten Robustheitsklassen, welche ein serienhaftes Verhalten für die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit bzw. Funktion verhindern. Ein solches Seriensystem kann für die Tragfähigkeit die Kette des mangelhaften Entwässerungssystems – Abdichtung – Degradation Stahl – Fahrbahnübergänge – Lager – Pfeiler – Unterbau sein. Für die Gebrauchstauglichkeit bzw. die Funktionstüchtigkeit kann ein Seriensystem von einer schadhaften Entwässerung ausgehen und eine Kettenreaktion im Bereich des Belags – Aquaplaning – Geländer, etc. auslösen. Daraus kann folgender Vorschlag von Robustheitsklassen angedacht werden:
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Werkstoffadäquates Erhaltungsmodell von Brücken
Tabelle 1. Vorschlag von Robustheitsklassen Robustheitsklasse
Klasse I
Klasse II
Klasse III
Tragfähigkeit (ULS)
Parallelsystem für primäre + sekundäre Tragelemente Parallelsystem für Haupttragglieder + Lastverteilungsebene Einwirkungen auf redundante Lastverteilungsebene
Gebrauchstauglichkeit (SLS) + Funktionstüchtigkeit
Parallelsystem für SLS
Kein Parallelsystem
Kein Parallelsystem
Bei jeder Erhaltungsmaßnahme ist die Schaffung eines integralen Systems mit redundanten Effekten ein wichtiges Ziel. So sollte mindestens durch die Schaffung einer dichten Lastverteilungsplatte, dort wo Einzelträger oder Fertigteilelemente vorhanden sind, die Robustheitsklasse III erreicht werden. Prof. Konrad Zilch hat während seines Berufslebens stets die redundanten Effekte seines Schaffens und Wirkens vorangetrieben, die Resultate der Forschung hinausgetragen in die Normung und mit den Ergebnissen der Entwicklung innovative Bauwerke erstellt. Zu seinem 60. Geburtstag wünsche ich Ihm auch im Namen der Schriftleitung des „Betonkalenders“ und der Zeitschrift „Beton- und Stahlbetonbau“ noch viele Jahre erfolgreichen Schaffens und dabei recht viel Freude und Zufriedenheit.
6 Literatur [1] Wicke, M., Straninger, W., Kirsch, P., Muchitsch, F.: Kostenmodell für den Funktionserhalt von Straßenbrücken, Wien 2000 [2] Leitl, D.: Dauerhaftigkeit und Robustheit von Straßenbrücken. Diplomarbeit BOKU Wien, 2004 [3] Aktan, E.; Gosselin, R.: Nondestructive evaluation of highways, utilities and pipelines. Newport Beach, 2000 [4] Pötzl, M.: Robuste Brücken. Braunschweig – Wiesbaden, Friedrich Vieweg & Sohn, 1996 [5] RVS 13.71: Überwachung, Kontrolle und Prüfung von Kunstbauten, Straßenbrücken, FVS - ÖIAV, BWA Angelegenheiten, Wien 1995 [6] Schießl, P., Gehlen, C., Sodeikat, C.: Dauerhafter Konstruktionsbeton für Verkehrsbauwerke, Betonkalender 2004, Ernst & Sohn Berlin [7] Bergmeister, K., Santa, U.: Brückeninspektion und – überwachung. Betonkalender 2004, Ernst & Sohn Berlin [8] Schlottmann, D.; Schnegas, H.: Auslegung von Konstruktionselementen. Sicherheit, Lebensdauer + Zuverlässigkeit. 2. Aufl. Springer Berlin, 2001
Stabilitätsverhalten von Betonbögen bei Stabbogenbrücken Thomas Fritsche
In diesem Beitrag werden die Ergebnisse numerischer Untersuchungen einer Stabbogenbrücke aus Beton vorgestellt. Das Stabilitätsproblem eines Betonbogens kann durch ein rautenförmiges Hängernetz deutlich reduziert werden. Hierdurch ergeben sich neue Möglichkeiten im Vergleich zu den klassischen Stahlbogenbrücken.
1 Einleitung Zur Erzielung größerer Spannweiten werden oftmals Bogenbrücken ausgeführt. Während bei Taleinschnitten meist Bögen mit aufgeständerter Fahrbahnplatte zum Einsatz kommen, werden bei geringen lichten Höhen wie Flussquerungen meist Bögen mit abgehängter Fahrbahnplatte ausgebildet. Die Standardlösung hierbei ist ein Überbau mit einem oder mehreren nebeneinander stehenden Stahlbögen mit vertikalen Hängern und einer Fahrbahnplatte in Stahlverbundweise entsprechend Abb. 1. Die jüngste Entwicklung der Stahlpreise spornt zu Überlegungen an, Bauwerke möglichst in Beton statt in Baustahl auszuführen. Neben den Baukosten sollten auch die Einflüsse auf die unterschiedlichen Unterhaltungskosten von robusten Betonbauwerken und Stahlbauwerken berücksichtigt werden. Hieraus entstanden Untersuchungen zum Tragverhalten von Betonbögen an einem konkreten Objekt.
Abb. 1. Ansicht einer klassischen Stahlbogenbrücke
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Stabilitätsverhalten von Betonbögen bei Stabbogenbrücken
2 Bauwerksbeschreibung Die Untersuchungen wurden an einem ausgeschriebenen Bauvorhaben mit getrennten Überbauten einer Bundesautobahn mit 2 Bögen je Überbau und somit in Summe 4 Bögen durchgeführt. Wichtigste Eckdaten des ausgeschriebenen Stahlbogen-Bauwerkes (siehe Abb. 1): Stützweite: Bogenstich: Bogen: Hänger: Längsträger:
l = 70 m f = 14 m Stahlbogen mit Querschnittsabmessungen Fuß b/h = 120 / 200 cm Scheitel b/h = 120 / 80 cm vertikal mit Ø 120 mm Stahlträger I-förmig mit b/h = 50 / 200 cm
Folgende Änderungen der wichtigsten Eckdaten ergaben sich aus der Alternative als Beton-Bogenbrücke: Bogen: Hänger: Längsträger:
Betonbogen C 50/60 mit Querschnittsabmessungen Fuß b/h = 110 / 160 cm Scheitel b/h = 110 / 80 cm schräg mit Ø 75 mm Spannbetonträger C 35/45 als überdrücktes Zugband mit b/h = 50 / 160 cm
Durch die geringeren Höhen des Bogenfußes und des Längsträgers ergibt sich eine schlankere Ansicht des Bauwerkes. Zu berücksichtigen ist natürlich das relativ aufwendige Traggerüst für den Betonbogen. Hinsichtlich der Optik können mit sehr einfachen Mitteln (z. B. Trapezleisten) gestalterische Verbesserungen in der Ansicht erzielt werden.
Abb. 2. Ansicht der Bogenbrücke als Betonvariante mit rautenförmigem Hängernetz
Thomas Fritsche
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3 Numerische Untersuchungen Der Dimensionierung des Bauwerkes ging eine numerische Erfassung des Bogens voraus. Das System wurde für einen Bogen modelliert. In den ersten Berechnungen wurde das ausgeschriebene System mit gleichen Abmessungen jedoch mit Betonbogen und Betonlängsträger untersucht. Wichtig bei den Berechnungen ist das nichtlineare Verhalten des Betons für das Stabilitätsverhalten des Gesamtsystems. Neben der Berücksichtigung der Nichtlinearität wurden auch verschiedene Vorverformungsfiguren in Bogenebene und senkrecht dazu sowie die Querbeanspruchung aus der Windeinwirkung erfasst. a)
b)
c) a) und b) Vorverformung in Bogenebene c) Kombination aus Vorverformung in und senkrecht zur Bogenebene
Abb. 3. Beispiele der Vorverformungen für den Bogen
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Stabilitätsverhalten von Betonbögen bei Stabbogenbrücken
Das Betonbogensystem versagte aus der Kombination dieser Einflüsse oder es waren unrealistische Bewehrungsmengen erforderlich. Es stellte sich die Verformungsfigur vor dem Versagen entsprechend Abb. 3 mit Verkehrsbeanspruchung in der zugehörigen Überbauhälfte ein. Die Ausführung aus Beton war somit mit dem herkömmlichen System und der Beibehaltung der Querschnittshöhen bzw. der Schlankheit nicht möglich.
Abb. 4. Verformungsfigur vor dem Stabilitätsversagen des Druckbogens bei einseitiger Verkehrslast
Das Problem ist also die Weichheit des Systems und die großen Verformungen des Bogens durch das „Herunterziehen“ aus der entsprechenden Verkehrsanordnung in der ersten Stützweitenhälfte mit affinen Verformungen des Längsträgers und des Bogens. Die Lösung des Problems ist eigentlich sehr einfach. Durch die Anordnung schräger Stahlhänger und somit einer Ausbildung eines rautenförmigen Hängernetzes wird das Entstehen von großen Verformungen mit affiner Figur unterbunden. Es werden also die vorhandenen „weichen“ Trapeze aus Bogen, Längsträger und Hänger durch sich überlagernde und verformungssteife Dreiecke ersetzt. Hierdurch wird die Stabilität des Bogens deutlich erhöht und die Ausbildung des Bogens in Beton ist möglich. In Abb. 5 ist die Verformung aus nichtlinearer Untersuchung dargestellt. Der Vergleich beider Verformungsbilder bei gleicher Belastung zeigt auf Anhieb das deutlich günstigere Verhalten mit dem rautenförmigen Hängernetz. Bekanntester Vertreter der Stabbogenbrücken mit rautenförmigen Hängernetz ist die 1963 in Betrieb genommene Fehmarnsundbrücke. Die Stahlbrücke steht als Wahrzeichen Schleswig-Holsteins bereits unter Denkmalschutz.
Thomas Fritsche
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Abb. 5. Verformungsfigur unter Berücksichtigung der Einflüsse aus Theorie II. Ordnung für einseitige Verkehrslast
Mit der Optimierung der Querschnittsabmessungen im 2. Arbeitsgang ergaben sich im Vergleich zu der Variante aus Stahl noch geringere erforderliche Querschnittshöhen. Die Schlankheit des Bauwerkes in der Ansicht konnte somit aus gestalterischer Sicht noch verbessert werden. Der Längsträger des Bogens ist vorgespannt. Mit dieser primär zentrischen Vorspannung zur Aufnahme der Zugkraft aus dem Bogen kann auch der Vorspanngrad für ein möglichst gleichmäßiges Verformungsverhalten des Bauwerkes in Längsrichtung mit den Kurz- und Langzeitverformungen im Bogen, Längsträger und Fahrbahnplatte optimiert werden.
4 Fazit Die Untersuchung zum Verformungsverhalten von Bögen ergibt die Möglichkeit der Ausbildung eines Betonbogens in Verbindung mit einem rautenförmigen Hängernetz. Mit der Ausbildung dieses Netzes werden die Verformungen im Bogensystem deutlich reduziert, wodurch wiederum ein Stabilitätsversagen des Druckbogens vermieden werden kann. Inwieweit bei der Herstellung des Bauwerkes sich ein Kostenvorteil gegenüber dem bisher üblichen Stahlbogen ergibt, hängt natürlich von den einzelnen Gegebenheiten ab. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass sich eine Austauschbarkeit und auch ein Nachspannen der Hänger bei der Betonvariante leichter umsetzen lassen. In diese Richtung sollten auch Überlegungen angestellt werden. Die Variante als Betonbogen ist auf jeden Fall wettbewerbsfähig.
Fugen in Segmentfertigteilbrücken Günter Axel Rombach
Segmentäre Hohlkastenbrücken haben in Ausland eine große Verbreitung gefunden. Trotz der sehr positiven Erfahrung mit dieser Bauweise bestehen nach wie vor Unklarheiten bei der Bemessung der Fugen zwischen den Fertigteilen. Auf diesen für die Tragwerkssicherheit wichtigen Aspekt wird in diesem Beitrag näher eingegangen.
1 Einführung Im Gegensatz zu monolithischen Konstruktionen bestehen Segmentbrücken aus einzelnen Fertigteilelementen, welche durch eine externe Vorspannung zusammengehalten werden (Abb. 1). Das Tragwerk wird somit in Querrichtung in kleine leicht transportierbare Einheiten zerlegt. Über die zahleichen Vorteile derartiger Konstruktionen wurde ausführlich in [1] berichtet. Segmentbrücken mit Hohlkastenquerschnitt finden nicht nur bei Großprojekten [2, 3] sondern vermehrt auch für Tragwerke mit relativ geringer Gesamtlänge Anwendung. Als Beispiel sei hier die kreuzungsfreie Überführung der US 183 in Austin [4] sowie die Schrägseilbrücke über den Chesapeake & Delaware Canal in den USA genannt. Letztere zeigt eindrucksvoll die Möglichkeiten der Segmentbauweise. Die Brücke weist eine Hauptspannweite von 229 m auf [5]. Der Überbau besteht aus 2 getrennten Hohlkastensegmenten, welche durch einen Stahlbetonrahmen verbunden sind (Abb. 2). Abb. 1. Segmentbrücke im Bau
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Fugen in Segmentfertigteilbrücken
Abb. 2. Chesapeake & Delaware Canal Bridge
Auch hierzulande dürfte es somit sinnvolle Anwendungsgebiete für Segmentfertigteilbrücken geben. Trotz der langjährigen weitgehend positiven Erfahrungen mit Segmentbrücken bestehen nach wie vor Unklarheiten bezüglich der Fugentragfähigkeit sowie der zulässigen Imperfektionen (Fugenspalt) zwischen aneinanderliegenden Elementen. Auf diese beiden Aspekte wird im Weiteren eingegangen.
2 Fugentragfähigkeit Die Tragfähigkeit von Segmentbrücken beruht im Wesentlichen auf dem Vorhandensein einer ausreichenden Längsdruckspannung, welche durch Vorspannung erzeugt wird, und der sicheren Übertragung der Querkräfte in den unbewehrten Fugen zwischen den Fertigteilelementen. Es ist erstaunlich, dass für den rechnerischen Nachweis der Fugen noch keine allgemein anerkannten Bemessungsregeln existieren. Dies wird aus dem in Abbildung 3 dargestellten Vergleich der zulässigen Querkraft VRk nach amerikanischen [6] und deutschen Richtlinien [7] für die Bemessung von Segmentbrücken deutlich. Nach beiden Vorschriften nimmt VRk linear mit der Normalspannung senkrecht zur Fuge zu. Deutlich sind die großen Differenzen zwischen den beiden Richtlinien zu erkennen.
Günter Axel Rombach
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Abb. 3. Vergleich der unterschiedlichen Bemessungsansätze zur Bestimmung der aufnehmbaren Querkraft VRk in der Fuge.
Die Querkraftübertragung in der unbewehrten Fuge erfolgt sowohl durch Reibung zwischen den Kontaktflächen in der Druckzone als auch durch die Fugenverzahnung (siehe Abb. 3). Letzterer Anteil bleibt nach den Deutschen Empfehlungen für Segmentfertigteilbrücken [7] unberücksichtigt. Gravierende Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Regelungen gibt es beim Ansatz der Tragfähigkeit der Schubnocken sowie der zu berücksichtigenden Reibungsflächen. Zur Bestimmung der Tragfähigkeit profilierter Fugen wurden stofflich nichtlineare numerische Finite-Elemente-Berechnungen durchgeführt, welche durch experimentelle Untersuchungen an maßstäblichen Versuchskörpern mit einer und 3 Schubnocken verifiziert wurden [8, 9]. Nach diesen Studien kann die Querkrafttragfähigkeit von profilierten Trockenfugen nach folgender Gleichung ermittelt werden [9]: 1 VFd = (1) n AFuge + f f ck ANocke F
mit:
(
)
= 2,0 Sicherheitsbeiwert = 0,65 Reibungsbeiwert (Beton – Beton) mittlere Druckspannung in der Fuge n projizierte Fugenoberfläche der Stegdruckzone (bw• hw) AFuge f = 0,14 Faktor zur Berücksichtigung der Schubtragfähigkeit der Feinprofilierung fck charakteristischer Wert der Betondruckfestigkeit Stegbreite bw minimaler Wert der Versagensfläche auf Schub in der Fuge ( hne bn ) ANocke Schubnockenhöhe, mit hne 6 bn hne Breite der Schubnocken bn F
Bei ebenen oder verklebten profilierten Fugen wird der Traganteil der Fugenverzahnung vernachlässigt, da im Allgemeinen im Bruchzustand ein senkrechter Riss im Beton direkt neben der Verklebung auftritt und somit die Verzahnung nicht mitwirkt. Versuche zeigen jedoch generell eine höhere Tragfähigkeit verklebter Fugen im Vergleich zu Trockenfugen. Gleichung (1) basiert auf einer idealen Fuge, d.h. die Stirnflächen der Segmente haben vollflächigen Kontakt miteinander. In der Realität lässt sich ein geringer
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Fugen in Segmentfertigteilbrücken
Fugenspalt auch bei sorgfältiger Herstellung nicht vermeiden (siehe folgender Abschnitt). Diese Imperfektionen können zu einer gravierenden Traglast-minderung führen. In den Versuchen trat das Versagen der ‚perfekten’ Modelle bei einer relativ geringen Verschiebung von lediglich ca. 0,3 mm bis 0,4 mm auf. Bei Trockenfugen mit mehreren Schubnocken ist daher im Allgemeinen in Abhängigkeit von der Herstellungsgenauigkeit eine Traglastminderung gegenüber der Addition der Fugentragfähigkeit der einzelnen Schubnocken nach Gleichung 1 anzusetzen. Genauere Angaben liegen hierzu bislang nicht vor. Bei vollflächig verklebten Fugen tritt kein Spalt auf.
3 Verkrümmung der Segmente beim Betonieren Für die Gebrauchs- und Tragfähigkeit der Konstruktion ist eine hohe Passgenauigkeit aneinanderliegender Segmente von großer Bedeutung. Daher werden die meisten Fertigteile mit dem sogenannten Kontakt-verfahren hergestellt. Am gebräuchlichsten ist die Short Line Match Casting Methode mit einer ortsfesten Schalung. Hierbei dient die Seitenfläche des bereits erhärteten Fertigteils als Schalung für das daran anschließende noch herzustellende SegSchalungsment (Abb. 4). segment Infolge der Hydratationswärmeentwicklung und des damit Abb. 4. Segmentproduktion nach dem Short verbundenen TemperaturgradienLine Match Cast Verfahren ten kommt es zu einer Verkrümmung des Schalungssegmentes (Abb. 5, 6). Der noch nicht steife Beton folgt dieser Verformung und erhärtet in dieser Form. Das neue Segment weist somit eine gekrümmte Seitenfläche auf wohingegen das Schalungssegment nach dem Ausschalen und Abkühlen in seine ursprüngliche Form zurückgeht (Abb. 5). Es verbleibt ein Spalt zwischen aneinanderliegenden Segmenten, welcher sich sowohl auf die Tragfähigkeit als auch auf die LageAbb. 5. Fugenspalt zwischen zwei genauigkeit des Überbaus negativ Segmenten auswirkt.
Günter Axel Rombach
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Abb. 6. Verkrümmung der Segmente beim Short Line Match Casting Verfahren (Verformungen der Fahrbahnplatte)
Dieser sogenannte „Bowing Effekt“ ist bei schlanken Segmenten mit großer Querspannweite in Relation zur Höhe besonders ausgeprägt. Bislang werden Imperfektionen von Fugen bei der Bemessung der Brücke nicht berücksichtigt. Man begrenzt durch geeignete Maßnahmen den Fugenspalt auf = 2,5 mm [7], einem Wert, bei welchem bislang keine Probleme bekannt geworden sind. Diese Vorgehensweise kann nicht befriedigen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes sollen daher die Einflussgrößen von welchen die Verkrümmung der Segmente abhängt sowie die Auswirkungen des Fugenspaltes auf die Gebrauchs- und Tragfähigkeit einer Segmentbrücke untersucht werden. Erste Ergebnisse dieser numerischen Untersuchungen zeigt Abbildung 7. Dargestellt ist die Verteilung der Längsdruckspannungen in der Fahrbahnplatte einer Hohlkastenbrücke mit ‚perfekten’ Segmenten und einer mit einem maximal 2,5 mm breiten Fugenspalt [10]. Neben dem Eigengewicht der Konstruktion werden 20% der Verkehrslasten nach DIN-Fachbericht 101 angesetzt. Ohne Berücksichtigung des Fugenspaltes (Abb. 7A) ergibt sich erwartungsgemäß eine nahezu homogene Verteilung der Längsdruckspannungen in der Fahrbahnplatte. Nur im Auflagerbereich sind Spannungskonzentrationen zu erkennen. Bereits eine Verkrümmung der Segmente mit einem maximalen Stich von = 2,5 mm genügt um den Innenbereich der Fahrbahnplatte zwischen den Stegen weitgehend zu entlasten (Abb. 7B). Durch das Kriechen des Betons ( = 2,5) werden die Spannungskonzentrationen an den Enden der Kragplatte abgebaut und es stellt sich ein Spannungsverlauf ein, welcher nahezu der Brücke ohne Fugenspalt entspricht (Abb. 7C).
80
Fugen in Segmentfertigteilbrücken
A kein Fugenspalt
B Fugenspalt 2,5 mm – unmittelbar nach dem Aufbringen der Belastung
C Fugenspalt 2,5 mm – für Zeit t
Abb. 7. Längsdruckspannungen in der Fahrbahnplatte einer Hohlkastenbrücke mit einem Fugenspalt von 0 bzw. 2,5 mm
4 Literatur [1] [2]
[3] [4] [5]
Rombach, G.; Specker, A.: Segmentbrücken. Betonkalender 1/2004 (Bergmeister/Wörner e.d.); S. 177-212; Verlag Ernst &.Sohn; Berlin; 2003 Rombach, G.: Bangkok Expressway - Segmentbrückenbau contra Verkehrschaos. in: „Aus dem Massivbau und seinem Umfeld“ (Hilsdorf, Kobler ed.); Schriftenreihe des Institutes für Massivbau und Baustofftechnologie; Universität Karlsruhe; 1995; S. 645-656 Brockmann, Ch.: Der Bang Na Expressway, Bangkok: Teil 1: Aufgabe, Bauausführung, Fertigteilwerk. Beton- und Stahlbetonbau 92 (1997); Heft 12; S. 332-337 Landuyt, D.V.: Draped External Bridge Tendons – The Texas Department of Transportation Experience. in: ‚Externe Vorspannung und Segmentbauweise’ (ed: Eibl, J.); Berlin 1998; S. 277-282 Pate D.: The Chesapeake and Delaware Bridge – Design-Construction Highlights. PCI Journal Sept.-Okt. 1995; S. 20-30
Günter Axel Rombach
[6]
81
AASHTO 89 (American Association of State Highway and Transportation Officials): Guide Specifications for Design and Construction of Segmental Concrete Bridges, 1989, Interim Specifications 1990-1999 [7] Bundesministerium für Verkehr: Empfehlungen für Segmentfertigteilbrücken mit externen Spanngliedern, Ausgabe 1999 [8] Specker, A.; Rombach, G.: Ein Beitrag zur Konstruktion und Bemessung von Segmentbrücken. Beton- und Stahlbetonbau; Oktober 2001; S. 654-662 [9] Specker, A.: Der Einfluss der Fugen auf die Querkraft- und Torsionstragfähigkeit extern vorgespannter Segmentbrücken. Dissertation, Technische Universität HamburgHarburg; GCA-Verlag; 2001 [10] Rombach, G.; Abendeh Rae’d.: Temperature Induced Deformations in Match-Cast Segments. IABSE Symposium “Metropolitan Habitats and Infrastructure”; Shanghai 2004
Dynamik von Eisenbahnbrücken Lamine Bagayoko
Bei der Ermittlung der Tragwerksreaktionen infolge Eisenbahnverkehrslasten wird i.d.R. das ursprünglich dynamische Problem nach Einführung von Erhöhungsfaktoren auf eine statische Berechnung mit Ersatzlasten zurückgeführt. Die Ersatzlasten werden so bestimmt, dass die maximalen Beanspruchungen mit ausreichender Genauigkeit wiedergegeben werden. Wenn z.B. wegen der hohen Zuggeschwindigkeit das Tragwerk zu Resonanz angeregt werden kann, muss eine dynamische Berechnung durchgeführt werden. Solche Fälle werden aufgrund der Verkehrsentwicklung immer häufiger. Zusätzliche Angaben werden benötigt. Zudem ist der numerische Aufwand (auch bei einfachen Systemen) relativ hoch. Es ist daher wichtig, die Notwendigkeit einer solchen Berechnung bereits in der Entwurfsphase zu überprüfen. Der Beitrag gibt einen Überblick u.a. über die Berechnungsgrundlagen und über die Parameter, die das dynamische Verhalten beeinflussen.
1 Einleitung Die Berechnung von Straßen- und Eisenbahnbrücken unter Verkehrslasten muss unter Berücksichtigung von dynamischen Erhöhungsfaktoren erfolgen. Durch diese Faktoren (dynamische Beiwerte) wird eine echte dynamische Berechnung (z.B. Lösung der Bewegungsgleichungen im Zeitbereicht) vermieden. Sowohl bei Straßen- als auch bei Eisenbahnbrücken beinhaltet der dynamische Beiwert einen Anteil aus der Fahrbahn (Rauhigkeit bei Straßen-, Gleislagefehler und unrunde Räder bei Eisenbahnbrücken) und einen Anteil aus dem Schwingverhalten der Brücke unter den Verkehrslasten. Bei Eisenbahnbrücken kommt hinzu, dass die Bemessungslast i.d.R. keinen wirklich verkehrenden Zug, sondern ein idealisiertes, für gewisse Typenzüge stellvertretendes Lastmodell darstellt. Die Angabe eines dynamischen Beiwertes ist eine wertvolle Hilfe, ist jedoch an gewisse Voraussetzungen gebunden und ist eine (manchmal grobe) Vereinfachung der tatsächlichen Verhältnisse. Dennoch liefert dieses Verfahren im Regelfall eine für die Praxis ausreichende Genauigkeit. Es ist sogar möglich, den dynamischen Beiwert bereits in den charakteristischen Werten der Einwirkungen für Verkehrslasten zu berücksichtigen, wenn z.B. die (von der Brücke unabhängige) Eigenschaft der Fahrbahn den dominierenden Faktor darstellt oder wenn eine einheitli-
84
Dynamik von Eisenbahnbrücken
che, auf der sicheren Seite liegende Erhöhung möglich ist, ohne zu einer unwirtschaftlichen Bemessung zu führen. Diese Vorgehensweise bietet den großen Vorteil, die numerisch bzw. analytisch schwer zu erfassenden Einflüsse der Fahrbahn z.B. nach Auswertung von Messergebnissen angeben zu können. Aus der Entwicklung der Vorschriften kann die direkte Anwendung der zuvor dargelegten Verfahren verfolgt werden. Während die Straßenverkehrslasten nach DIN 1072 [1] mit Schwingfaktoren zu versehen waren, sind diese nach dem DINFachbericht 101 [2] bzw. nach EN 1991-2 [3] bereits in den charakteristischen Werten berücksichtigt. Hingegen wurde in DIN-Fachbericht 101 und EN 1991-2 das in DS 804 [4] festgelegte Konzept der dynamischen Beiwerte bei Eisenbahnverkehrslasten beibehalten. Gründe und Folgen dieser Entscheidung werden im Folgenden näher betrachtet. Je nach Aufgabenstellung und Randbedingungen müssen folgende Fälle unterschieden werden: - Regelfall der Bemessung (ohne Resonanzrisiko): Es werden nicht die wirklich verkehrenden Betriebszüge betrachtet, sondern ein idealisiertes „Lastmodell“, dass die umhüllenden Beanspruchungen der üblichen Betriebszüge abdeckt. In [2] werden je nach statischem System und zu erwartendem Verkehr die Lastmodelle LM 71, SW/0 und SW/2 definiert. - Sonderfall der außergewöhnlichen Sendungen (Schwerwagentransporte): Es werden Schwerwagen im Verband mit anderen Güterwagen zu einem Zug zusammengestellt. Wegen der hohen Lasten ist nicht a priori sichergestellt, dass solche Züge durch das Bemessungslastmodell abgedeckt sind. Der einzelne Zug muss untersucht werden. Hierfür muss ein dynamischer Erhöhungsfaktor für Betriebzüge definiert werden. Auch in diesem Fall wird vorausgesetzt, dass kein Resonanzrisiko auftritt. - Berechnung bei Resonanzrisiko: Bei Zugfahrten mit aufeinanderfolgenden Radsatzlasten mit annähernd gleichem Abstand kann ein Tragwerk unter bestimmten Bedingungen (insbesondere bei hoher Zuggeschwindigkeit) zu Resonanz angeregt werden, wenn die Erregerfrequenz (oder ein Vielfaches davon) mit einer Eigenfrequenz des Tragwerks übereinstimmt. In solchen Fällen können Betriebszüge (auch solche mit einer geringen Achslast) gegenüber der Bemessungslast maßgebend sein.
2 Dynamik ohne Resonanzrisiko Es ist nicht möglich (zumindest nicht ohne schwerwiegende wirtschaftliche Folgen), einen pauschalen, geschwindigkeits-, bauwerks- und bauteilunabhängigen, auf der sicheren Seite liegenden Erhöhungsfaktor des Bemessungslastbildes (Lastmodell 71, ggf. auch SW/0 und SW/2 nach [2]) oder der Achslasten der Betriebzüge anzugeben. Das statische System muss berücksichtigt werden.
Lamine Bagayoko
85
Dies gelingt in vereinfachter Form im Fall einer Berechnung mit den Lastmodellen nach [2] durch Einführung einer für das Schwingverhalten der Brücke „maßgebenden“ Länge L (s. [2]), die als einziger sichtbarer Parameter bei der Ermittlung des dynamischen Beiwertes übrig bleibt:
= 1,44 /
(
L
)
0 ,2 + 0 ,82
(1)
Der -Wert muss sowohl die Brückenschwingung als auch den Einfluss des Gleises erfassen. Da offensichtlich die Systemreaktionen nicht nur vom statischen System sondern auch von der Erregung abhängen, müssen bei der Definition von weitere Annahmen getroffen worden sein. Es wird in der Tat vorausgesetzt, dass: a) durch die maßgebende Länge L (mit den üblichen Steifigkeits- und Massenverhältnissen) gewisse Schranken für die Eigenfrequenz des Systems bekannt sind, b) die Zuggeschwindigkeit (wesentlicher Parameter für die Erregerfrequenz) gewisse Grenzen nicht überschreitet, c) Resonanzerscheinungen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Die qualitativ angegebenen Bedingungen a) bis c) stellen die in [2] näher beschriebenen Anwendungsgrenzen des dynamischen Beiwertes dar. Sie sorgen dafür, dass die Betriebszüge einschließlich Dynamik keine ungünstigeren Beanspruchungen hervorrufen als das idealisierte Bemessungslastbild einschließlich . Beim Verletzen dieser Grenzen sind zusätzliche Untersuchungen nach den Vorgaben der Richtlinie 804 [5] erforderlich (s. auch Abschnitt 3). Werden einzelne Züge untersucht (z.B. für außergewöhnliche Transporte) kann der für die Lastmodelle (LM 71, SW/0 und SW/2) definierte dynamische Beiwert nicht verwendet werden. Zur Berücksichtigung der dynamischen Effekte wird der folgende Beiwert Blz definiert (siehe u.a. [2], [6], [7]): Blz
= 1+
= 1 + ' +a ' '
(2)
Die Anteile zu Berücksichtigung der Brückenschwingung ( ') und der Gleislagefehler (a '') werden nun explizit angegeben. Sie wurden zum Teil aus Versuchen, zum Teil durch theoretische Untersuchungen abgeleitet (s. auch [7]). Beide Komponenten sind von der Zuggeschwindigkeit v, von der Eigenfrequenz n0 der Brücke und von der maßgebenden Länge L abhängig. Durch diese differenziertere Betrachtung sind gegenüber der Kombination Lastmodell 71 mit genauere Werte zu erwarten. Die Radsatzkonfiguration (Abstände der Achslasten) geht allerdings nicht explizit in die Berechnung von Blz ein. Es wird also unterstellt, dass unterschiedliche Betriebszüge bei einem gegebenen Bauwerk den gleichen dynamischen Beiwert aufweisen, wenn sie mit der gleichen Geschwindigkeit fahren, obwohl unterschiedliche Erregerfrequenzen auftreten, wenn die Wagenlängen nicht identisch sind. Es wird demnach auch mit Blz bewusst eine gewisse Unschärfe in Kauf genommen. Des Weiteren wird ein Resonanzrisiko ausgeschlossen.
86
Dynamik von Eisenbahnbrücken
3 Dynamik bei Resonanzrisiko Wenn die Erregerfrequenz oder ein Vielfaches davon und eine Eigenfrequenz des Systems übereinstimmen, wird in regelmäßigen Zeitabständen dem System Energie zugeführt. Ein Teil dieser Energie wird (wegen der Dämpfung) bei jeder Schwingung wieder abgegeben. Des Weiteren kann wegen der endlichen Länge der Züge auch für den theoretischen Fall einer Schwingung ohne Dämpfung die Amplitude nur endliche Werte erreichen. Dennoch kann es zu übermäßigen Schwingungen kommen, die durch die im Abschnitt 2 angegebenen Erhöhungsfaktoren nicht abgedeckt sind. Die zu einer Eigenfrequenz nj gehörenden kritischen Geschwindigkeiten (Resonanzgeschwindigkeiten vres) können näherungsweise unter der Annahme ermitteln werden, dass nicht der einzelne Achsabstand (innerhalb eines Drehgestells), sondern die Wagenlänge LüP (Länge über Puffer) die maßgebende Größe für die regelmäßige Energiezufuhr darstellt: v res = n j LüP / i
mit i=1,2,3,4
(3)
Kriterien zur Überprüfung des Resonanzrisikos können [5] entnommen werden. Qualitativ lassen sich die wesentlichen Bedingungen wie folgt zusammenfassen. Resonanzrisiko mit Überschreitung der Beanspruchung aus den Lastmodellen besteht nicht: - bei geringer Zuggeschwindigkeit (die Resonanzgeschwindigkeit wird nicht erreicht). - bei Bauwerken mit einer großen Überschüttungshöhe (große Dampfung des Gesamtsystems). - bei Bauwerken unter Bedingungen, die durch Betriebserfahrung bzw. durch zusätzliche theoretische und versuchstechnische Untersuchung ausreichend abgesichert sind. Wenn eine dynamische Berechnung erforderlich ist, müssen dem Betriebsprogramm entsprechend alle Züge einzeln untersucht werden. Die Berechnung erfolgt entweder mit bewegten Einzellasten, oder durch Modellierung des Wagenkastens als Teil des Schwingungssystems. Die Simulation der Zugüberfahrten (Aufstellen und Lösen der Bewegungsgleichungen) kann mit den üblichen Mitteln der Baudynamik erfolgen (siehe z.B. [8], [9], [10]). Bei der Modellierung (z.B. als FESystem) ist gegenüber einer statischen Berechnung eine größere Sorgfalt erforderlich. Die Simulation ist für mehrere Geschwindigkeiten (in der Nähe der Resonanzgeschwindigkeit mit einer kleineren Schrittweite) zu führen. Für die üblichen Tragsicherheitsnachweise außer Ermüdung ist die Untersuchung bis zum 1,2fachen Wert der maximalen Geschwindigkeit zu führen. Für den Ermüdungsnachweis, für Gebrauchstauglichkeitsnachweise und für den Nachweis der vertikalen Beschleunigung ist der 1,0-fache Wert der maximalen Geschwindigkeit ausreichend. Die Begrenzung der vertikalen Beschleunigung ist ein für die Resonanzuntersuchung zusätzlich zu führender Nachweis, der neben der Kom-
Lamine Bagayoko
87
fortbedingung auch eine Vermeidung der Gleisinstabilität beim Schotteroberbau sicherstellen soll [13]. Die Grenzen betragen nach [5], [13]: - 3,5 m/s² für Schotteroberbau - 5,0 m/s² für Feste Fahrbahn. Für bestehende Brücken sind in kritischen Fällen Messungen der Dämpfung (ggf. auch der Eigenfrequenz) zu empfehlen. Die ausgewerteten Ergebnisse (z.B. nach [11], [12]) können anschließend anstelle der in [3], [5] normativ vorsichtig festgelegten Werte in die rechnerische Untersuchung einbezogen werden, was i.d.R. zu günstigeren Ergebnissen führt. Aus Messungen an bestehenden Bauwerken ist außerdem bekannt, dass eine numerische Berechnung der Eigenfrequenz oft kleinere Werte ergibt als die versuchstechnisch ermittelten. Detailliertere Betrachtungen zeigen, dass neben der üblichen Unterschätzung der sich aus Materialeigenschaften ergebenden Steifigkeiten (z.B. E-Modul des verwendeten Betons) der Einfluss des Gleises auf die Gesamtsteifigkeit des Systems (besonders bei kleinen Stützweiten) sowie die Berücksichtigung der realen Auflagerbedingungen (Abweichung von ideal gelenkigen Lagern) oft von Bedeutung sind. In Abb. 1 sind die Ergebnisse einer rechnerischen Untersuchung beispielhaft dargestellt. Es handelt sich um ein bestehendes Bauwerk, das aufgrund einer Geschwindigkeitserhöhung neu berechnet werden musste. Wie aus dem Verlauf der Schnittgrößen zu entnehmen ist, traten Überschreitungen der Bemessungsschnittgrößen auf. Eine wiederholte Berechnung mit gemessenen Werten für die Dämpfung und für die Eigenfrequenz und der Vergleich mit den aufnehmbaren Momenten zeigte allerdings eine ausreichende Tragsicherheit. Talgo(min)
LM 71
Talgo(max)
5000 4000 Moment in Feldmitte M[kNm]
3000
Einfeldträger: Dämpfung 2,5 % L 12,50 m 6,1 Hz n0 Zug Talgo LüP 13,14 m vres 290 km/h, 145 km/h
2000 1000 0 -1000 -2000 -3000 -4000 -5000 100
150
200
250
300
Zuggeschwindigkeit v[km/h]
Abb. 1. Beispiel einer Simulation (Zug: Talgo, System: Einfeldträger L=12,50 m)
88
Dynamik von Eisenbahnbrücken
4 Ausblick Durch die Verkehrsentwicklung (hohe Geschwindigkeit im Personenverkehr, Ganzzugverkehr mit kurzen Wagen und hoher Radsatzlast im Güterverkehr) werden vermehrt zusätzliche dynamische Untersuchungen erforderlich. Aus den bisherigen Erfahrung auf Neu- und Ausbaustrecken sowie auf Strecken mit Ganzzugverkehr wurden in [5] einfach zu überprüfenden Bedingungen angegeben, die in vielen Fällen einen Verzicht auf die dynamische Berechnung ermöglichen. Im Rahmen der Fortschreibung der Regelwerke der Deutschen Bahn AG wird zur Zeit untersucht, welche Kriterien als Alternative zu den Festlegungen in [13] (Begrenzung der Spitzenwerte der vertikalen Beschleunigung) möglich sind. Im Rahmen dieser Untersuchung sollen neben den Spitzenwerten auch die zugehörigen Wegamplituden, die Dauer und die Häufigkeit der Überschreitungen berücksichtigt werden. Somit können dem Nachweisziel (u.a. Vermeidung von Gleisinstabilität) besser angepasste Kriterien entwickelt werden.
5 Literatur [1] DIN 1072 – Straßen- und Wegbrücken; Lastannahmen – Ausgabe Dezember 1985. [2] DIN-Fachbericht 101 – Einwirkungen auf Brücken – Beuth Verlag – März 2003. [3] EN 1991-2 – Eurocode 1- Action on structures; Part 2: Traffic loads on brigdes - Ausgabe 09/2003. [4] DS 804 – Vorschrift für Eisenbahnbrücken und sonstige Ingenieurbauwerke; B6, 2000. [5] Richtlinie 804 – Eisenbahnbrücken (und sonstige Ingenieurbauwerke) planen, bauen und instand halten, 2003. [6] W. Weber: Schwingbeiwerte und sogenannte „dynamische Beiwerte“ („Schwingfaktoren“) von Eisenbahnbrücken – Stahlbau 67 (1998), Heft 8. [7] UIC-Kodex 776-1 E: Bei der Berechnung von Eisenbahnbrücken zu berücksichtigende Lasten – Internationaler Eisenbahnverband, 1994. [8] R. Flesch: Baudynamik praxisgerecht; Band 1: Berechnungsgrundlagen – Bauverlag Wiesbaden und Berlin, 1993. [9] K.-J. Bathe: Finite-Elemente-Methoden – Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, 1990. [10] R.W. Clough and J. Penzien: Dynamics of structures – McGraw-Hill Book Company, New York, 2. Edition, 1993. [11] VDI-Richtlinie 3830, Blatt 5 – Werkstoff- und Bauteilprüfung; Versuchstechniken zur Ermittlung von Dämpfungsgrößen – Juni 2004 (Entwurf). [12] J.P. Tartary and A. Fournol: Railway bridges damping identification using traffic induced vibration – in Eurodyn´99 Vol 2 – A.A. Bakelma, Rotterdam, 1999. [13] EN 1990 – Eurocode: Basis of structural design – Annex A2: Application for bridges (Entwurf)
Beurteilung der Ermüdungssicherheit von Spanngliedkopplungen bestehender Spannbetonbrücken durch Langzeitmessungen Erwin Penka
In der deutschen Normung wurden vor 1970 die Temperaturbelastungen bei der Bemessung von Spannbetonbrücken nicht berücksichtigt. Für Querschnitte von Durchlaufträgern mit einem hohen Momentenanteil aus ständigen Lasten hat diese Vernachlässigung nur einen sehr geringen Einfluss. Jedoch sind dadurch Bereiche mit niedriger ständiger Belastung nach heutigen Bemessungsansätzen oft unterdimensioniert. Besonders die rechnerischen Momentennullpunkte sind davon betroffen, in denen bei abschnittsweise hergestellten Brücken im Normalfall eine Betonierfuge angeordnet und die vorgespannte Bewehrung mit Spanngliedkopplungen verbunden wird. Die infolge der Temperatur erhöhte Belastung und eine aufgrund des Anbetonierens meist verminderte Betonzugfestigkeit führten in diesen Koppelfugen häufig zu Rissen. Durch das stark nichtlineare Momenten-Spannungs-Verhalten vorgespannter Querschnitte werden in diesem gerissenen Zustand jedoch deutlich höhere Spannungsschwingbreiten in der Bewehrung erzeugt. Zusammen mit dem geringen Widerstand der Spanngliedkopplungen gegen Ermüdung kann dies zu einem Ermüdungsbruch der Kopplungen und im Extremfall zu einem Versagen dieser Querschnitte führen. Bei unklaren Verhältnissen am Bauwerk, wie zum Beispiel einem deutlichen Rissbild trotz rechnerisch überdrücktem Querschnitt, werden zur Beurteilung des tatsächlichen Belastungsniveaus und Tragverhaltens der Koppelfuge Langzeitmessungen unter gleichzeitiger Temperatur- und Verkehrsbelastung durchgeführt. In [1] wird ein einfaches Verfahren zur Beurteilung der Ermüdungssicherheit gezeigt, bei dem die gewonnenen Messergebnisse als Grundlage dienen. Die Bewertung der Ermüdungsgefährdung dieses Messquerschnitts, der eine über die Höhe annähernd lineare Dehnungsverteilung aufweist, erfolgt über den Vergleich der gemessenen und rechnerischen Dekompressionspunkte. Bei Querschnitten, deren gemessenes Tragverhalten von der Annahme des ebenen Querschnitts aufgrund der lokalen Effekte an Koppelfugen deutlich abweicht, erfolgt die Beurteilung über eine Simulation des Tragverhaltens, bei der die Messergebnisse zur Kalibrierung des Rechenmodells herangezo-
90
Beurteilung der Ermüdungssicherheit von Spanngliedkopplungen
gen werden. Nachfolgend wird für einen Koppelfugenquerschnitt dieses Verfahren zur Beurteilung der Ermüdungssicherheit gezeigt.
1 Langzeitmessung Die Rissbewegungen an der Koppelfuge können durch die Temperaturbelastung des Bauwerks stark beeinflusst werden. Aufgrund der Abhängigkeit dieser Belastung von den aktuellen Wetterbedingungen wird die Messung über einen längeren Zeitraum durchgeführt, wodurch eine Abdeckung eines großen Spektrums der Temperaturbelastung des Bauwerks und somit auch der möglichen Rissbewegungen des Querschnitts erzielt werden kann. Die Temperaturbelastung wird dabei aus gemessenen Querschnittstemperaturen berechnet (siehe [1]). Das Tragverhalten des Querschnitts wird unter Betriebsbedingungen über die Messung der Betonranddehnungen und der Rissbewegungen bestimmt. Mit diesen Messgrößen wird gewährleistet, dass sich keine Spannungsumlagerungen im Querschnitt einstellen, die bei einer Freilegung der Spanngliedkopplung zur direkten Messung der Spannstahldehnungen durch die Beeinflussung des Verbundverhaltens auftreten würden. Abbildung 1 zeigt die Anordnung der Messpunkte im Koppelfugenquerschnitt. Die Rissmesspunkte (R1 bis R4) werden dabei direkt über dem Riss angebracht. Die betrachtete Brücke führt zwei Fahrspuren, die beide von Lastkraftwagen befahren werden. Der Koppelfugenriss verläuft am linken Steg bis zu einer Höhe von 0,2 m und am rechten Steg bis ca. 2,0 m, weshalb die Messung vorrangig an diesem Steg erfolgt. Die Betonranddehnungen werden am rechten Steg jeweils vor und hinter der Koppelfuge in 0,22 m Steghöhe mit den Aufnehmern D1 und D2 gemessen. Am linken Steg werden die Dehnungen vor der Fuge mit dem Aufnehmer D3 bestimmt.
D3 R4 22
` ` ` ` ` ` ` ` `
` ` ` ` ` ` ` ` `
` ` ` ` ` ` ` ` ` R1
` ` ` ` ` ` ` ` `
R3
R2 D11, 25 D2 22
2, 462
30
Abb. 1. Querschnitt der Koppelfuge mit den Rissbreiten- und Dehnungsmesspunkten
Die Messung der Rissbewegungen und Dehnungen wird mit einer Abtastrate von 100 Hz durchgeführt. Die dabei anfallende Datenmenge erfordert eine erste Auswertung der Daten am Bauwerk. Dazu werden in Abhängigkeit vom Ver-
Erwin Penka
91
kehrsaufkommen Zeitintervalle von 3 bis 5 Minuten gebildet und für diese Abschnitte eine Mittelwertbildung der Messergebnisse sowie eine Auswertung des maximalen und des minimalen Ereignisses durchgeführt. Die Differenz aus den Maximal- und Minimalwerten ergibt die Doppelamplitude der Rissbreiten und Dehnungen für die Überfahrt eines Lastkraftwagens unter der Annahme, dass das Fahrzeug, das den maximalen Ausschlag an dem Messaufnehmer in dem betrachteten Zeitintervall erzeugt, auch den minimalen Wert hervorruft. Die gemessenen Rissdoppelamplituden setzen sich aus einem Anteil elastischer Dehnungen des Betons der Rissflanken und den eigentlichen Rissbewegungen zusammen. Im Falle eines überdrückten Risses ergibt sich die Doppelamplitude allein aus den elastischen Dehnungen des Betons. Bei den nachfolgenden Betrachtungen wird zwischen diesen Anteilen nicht unterschieden, sondern die Summe einheitlich als Rissdoppelamplitude bezeichnet.
1.1 Auswertung der Messergebnisse 1.1.1 Temperaturbelastung Die Temperaturbelastung des Bauwerks wird über die gemessenen Querschnittstemperaturen rechnerisch bestimmt. Bei der beschriebenen Messung ergibt sich ein vertikaler Temperaturunterschied Tv in einem Bereich von -3,5 K bis +8,0 K, wobei der Mittelwert bei ca. 0,7 K liegt. Die in [2] für einen Plattenbalken berechnete Verteilung des vertikalen Temperaturunterschieds Tv ist der für diese Brücke bestimmten ähnlich, jedoch beträgt dort der Maximalwert 9,5 K. Somit deckt die Messung den Großteil der wahrscheinlichen Temperaturunterschiede ab. Jedoch ist davon auszugehen, dass für das Bauwerk bei extremen Wetterbedingungen geringfügig höhere Temperaturbelastungen auftreten können. 1.1.2 Rissbewegungen und Dehnungen Der Querschnitt befindet sich im Bereich der Dehnungsaufnehmer im ungerissenen Zustand. Daher sind die auftretenden Dehnungsamplituden nahezu unabhängig von der augenblicklich herrschenden Grundbelastung. Sie hängen vorrangig von der Verkehrsbelastung im betrachteten Zeitintervall ab, weshalb mit den Ergebnissen diese Aufnehmer die tatsächliche Verkehrsbelastung bestimmt wird. Aufgrund der Nichtlinearität eines gerissenen Spannbetonquerschnitts hängen die Rissdoppelamplituden auch vom Temperaturunterschied Tv ab. Diese Temperaturbelastung lässt sich abhängig vom Brückensystem in ein linear elastisches Moment M Tv umrechnen. Durch die Addition zum ständigen Moment Mst (Summe der Momente aus Eigengewicht Mg, Ausbaulast M g und statisch unbestimmte Wirkung der Vorspannung Mp,ind) erhält man für jede Temperaturbelastung das Grundmoment M0.
92
Beurteilung der Ermüdungssicherheit von Spanngliedkopplungen
M 0 = M st + M
Tv
(1)
Die Abhängigkeit der Mittelwerte der Rissdoppelamplituden vom Grundmoment M0 ist für diesen Querschnitt in Abbildung 2 dargestellt, wobei in der Darstellung bereits das sich aus der Simulation ergebende tatsächliche, ständige Moment verwendet wird. Bei der Auswertung der Mittelwerte der Rissbewegungen wurden nur Zeitintervalle berücksichtigt, die aufgrund der Amplitude des Dehnungsaufnehmers D2 mindestens eine Überfahrt eines Lastkraftwagens auf der Fahrspur des rechten Steges beinhalten. Das Diagramm zeigt, dass die Rissdoppelamplituden R1 und R2 eine ausgeprägte Abhängigkeit vom Temperaturunterschied Tv aufweisen. Schon beim Grundmoment M0 = 15,1 MNm ( Tv = -3,0 K) treten mittlere Doppelamplituden auf, die verglichen mit den elastischen Dehnungen des Aufnehmers D2, eine Öffnung des Risses anzeigen. Bei der Überfahrt eines Lastkraftwagens befindet sich der Koppelfugenquerschnitt somit im Zustand II. Bei höheren Temperaturbelastungen nehmen die Mittelwerte der Doppelamplituden dieser beiden Rissaufnehmer bis auf einen Wert von 0,037 mm zu. Beim Aufnehmer R3, der in einer Steghöhe von 1,25 m angebracht ist, nehmen die Rissdoppelamplituden bei steigendem Grundmoment langsam von 0,008 mm auf 0,014 mm zu. Weitere Ergebnisse der Messung sind in [3] und [4] dargestellt.
2 Finite Elemente Simulation der Koppelfuge Aufgrund der Abweichungen von einer ebenen Dehnungsverteilung und der Tatsache, dass sich der Riss bereits bei geringen Temperaturbelastungen öffnet, wurde für diesen Querschnitt eine Finite Elemente Simulation des Tragverhaltens der Koppelfuge durchgeführt. Dazu wurde das Basisprogramm Marc.Mentat verwendet, und spezielle Materialverhalten über benutzerdefinierte Subroutinen implementiert, wodurch die besonderen Eigenschaften der Querschnitte mit Spanngliedkopplungen simuliert werden können. Zur Modellierung des Plattenbalkenquerschnitts der betrachteten Spannbetonbrücke wird für den Beton ein vier-knotiges, isoparametrisches Scheibenelement verwendet, das für Berechnungen mit ebener Spannungsverteilung geeignet ist. Die vorgespannte sowie die schlaffe Bewehrung des Querschnitts werden diskret abgebildet, wofür ein zwei-knotiges gerades Stabelement verwendet wird. Das unterschiedliche Verhalten des Spannglieds und der Spanngliedkopplung wird über eine Anpassung der geometrischen Eigenschaften des Elements erzielt. Der Verbund zwischen Bewehrung bzw. Spanngliedkopplung und umliegendem Beton wird über nichtlineare Federn, die zwischen den Knoten der beiden Elementgruppen liegen, modelliert. Die Ansätze, die zur Beschreibung der Materialeigenschaften und des Tragverhaltens (Langzeiteffekte, Verhalten unter nicht ruhender Belastung, Verbundeigenschaften, Effekte des abschnittsweisen Bauens) verwendet werden sind in [4] beschrieben.
Erwin Penka
93
Durch den Vergleich der rechnerischen und gemessenen Riss- und Dehnungsdoppelamplituden wird das FE-Modell kalibriert (siehe Abbildung 2) und die tatsächlich vorhandene statisch bestimmte Wirkung der Vorspannung Pdir,vorh und das ständige Moment Mst,vorh bestimmt. Die Kalibrierung ergab, dass mit den nachfolgenden Werten das gemessene Tragverhalten der Koppelfuge in der Simulation sehr gut widergegeben werden kann: Pdir ,0,vorh = 0,7 Pdir ,0
(2)
M st ,vorh = M st + 2,2MNm
(3)
Abb. 2. Vergleich der rechnerischen und gemessenen Rissdoppelamplituden
3 Beurteilung der Ermüdungssicherheit Der Betriebsfestigkeitsnachweis für die unterste Spanngliedlage wird nach [5] durchgeführt, wobei die Spannstahlspannungen dabei mit Hilfe der FE-Simulation berechnet werden. Die Schädigung D wird bei der Berechnung für eine Lebensdauer der Brücke von 100 Jahren bestimmt. Um die tatsächliche Temperatur- und Verkehrsbelastung zu berücksichtigen, werden die Schwingspielzahlen nE,ik für jeden, während der Messung aufgetretenen, Beanspruchungsblock der Klasse i des Grundmomentes M0 bzw. des Temperaturunterschieds Tv und der Klasse k der Verkehrsbelastung (Dehnungsdoppelamplituden des Aufnehmers D2) ermittelt. NR,ik stellt die Bruchschwingspielzahl der Spannungsschwingbreite der Klasse ik
94
Beurteilung der Ermüdungssicherheit von Spanngliedkopplungen
dar. Die Schädigung D erhält man über die Summation aller Schädigungen der einzelnen Beanspruchungsblöcke: 24 6
n E ,ik
i =1 k =1
N R ,ik
D = ¦¦
= 0,45 = 45%
(4)
Man erkennt, dass für diesen Querschnitt keine Ermüdungsgefährdung bei einer Betriebsdauer von 100 Jahren und einem Verkehr, der vergleichbar mit dem im Messzeitraum ist, besteht.
4 Fazit Die durchgeführten Langzeitmessungen bieten bei bestehenden Spannbetonbrücken eine sehr gute Möglichkeit, das tatsächliche Tragverhalten des Querschnitts und dessen Temperatur- und Verkehrsbelastung zu bestimmen, ohne mit dem Verfahren das Bauwerk zusätzlich zu schädigen. Zusammen mit anschließenden rechnerischen Analysen, die auf den gemessenen Ergebnissen basieren, kann die Ermüdungsgefährdung der Spanngliedkopplungen wirklichkeitsnah beurteilt werden. Dadurch können, wie im oberen Beispiel gezeigt, aufwendige Ertüchtigungen entfallen, oder sehr wirtschaftliche Lösungen bei eventuell anfallenden Verstärkungen erzielt werden.
5 Literatur [1] Zilch, K.; Penka, E.: Long term measurements for fatigue loading of prestressed concrete bridges. In: Bridge management 4 - inspection, maintenance, assessment and repair. Thomas Telford Publishing; London; 2000 [2] Zilch, K.; Hennecke, M.; Buba, R.: Kombinationsregeln für Ermüdung - Untersuchung der Grundlagen für Betriebsfestigkeitsnachweise bei Spannbetonbrücken. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Heft 824); Bonn; 2001 [3] Penka, E.: Beurteilung der Ermüdungssicherheit von Koppelfugenquerschnitten bestehender Spannbetonbrücken durch Langzeitmessungen. In: Massivbau 2003 - Forschung, Entwicklungen und Anwendungen; Springer VDI Verlag; Düsseldorf 2003 [4] Penka, E.: Beurteilung der Dauerhaftigkeit von Koppelfugenquerschnitten bestehender Spannbetonbrücken durch Langzeitmessungen. Eingereichte Dissertation; Technische Universität München; 2003 [5] DIN-Fachbericht 102: Betonbrücken; Beuth Verlag; Berlin; 2003
Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Biegeschlankheit von Stahlbetonbrücken aus Normalbeton Michael Fuchs
Der nachfolgende Beitrag gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teilbereiche. Im ersten Teil werden in Anlehnung an die Regelungen für Eisenbahnbrücken Grenzwerte für eine Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken festgelegt, die die Belange der Linienführung, der Verkehrssicherheit und des Fahrkomforts und damit die Qualität des Verkehrsablaufes berücksichtigen. Im zweiten Teil wird ein vereinfachter Nachweis der Beschränkung der Durchbiegung durch Begrenzung der Biegeschlankheit von Stahlbetonbrücken aus Normalbeton unter Festlegung der maßgebenden Einflussfaktoren für die Durchbiegungsberechnung erarbeitet.
1 Einleitung In den letzten Jahren ist eine deutliche Zunahme des Straßenverkehrs festzustellen. Für Brückenbauwerke ist insbesondere die Zunahme des Schwerverkehrs von Bedeutung. Neben den steigenden Verkehrslasten ist in den letzten Jahrzehnten ein Trend zu größeren Spannweiten und schlankeren Konstruktionen zur optimalen Ausnutzung der verwendeten Werkstoffe kennzeichnend für die Entwicklung im Brückenbau. Durch den Einsatz von neuen Materialien, wie etwa den Hochleistungsbeton, der durch seine gesteigerte Druckfestigkeit hoch vorgespannt werden kann, sind sehr schlanke Konstruktionen realisierbar. Aus den genannten Gesichtspunkten heraus ergibt sich die Fragestellung nach Grenzwerten für eine Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit. Die Anforderungen der Verformungsbeschränkung im üblichen Hochbau beziehen sich auf biegebeanspruchte Bauteile (Balken, Platten). Bei Straßenbrücken ergeben sich andere Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit (Fahrkomfort,
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Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken
Verkehrssicherheit), die mit den genannten Grenzwerten nicht berücksichtigt und abgedeckt werden. Es müssen daher gesonderte Grenzwertregelungen erarbeitet werden.
2 Grenzwerte für die Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken Die Gebrauchstauglichkeit von Straßenbrücken wird vor allem bestimmt durch die Fahrdynamik, dem Fahrkomfort und die Verkehrssicherheit. Beim Überfahren einer Straße mit einem Kraftfahrzeug wird der Zustand einer Straße durch das menschliche Empfinden beurteilt. Durch die Unebenheiten der Fahrbahn ergibt sich beim Überfahren eine Schwingungserregung des Fahrzeugs in einem weiten Frequenzbereich. Neben den statischen sind vor allem die dynamischen Radlasten von Bedeutung. h(x)
Weg x
unebene Straße L = 2 ʌ/ȍ
Abb.1: Sinusförmige Unebenheitsfunktion [1]
Die Unebenheitshöhe h(x) wird in Abhängigkeit von der Weglänge x dargestellt. Diese Fahrbahnunebenheiten können als regellose Unebenheiten aufgefasst und somit als stationäre stochastische Prozesse dargestellt werden. Sie lassen sich beschreiben als spektrale Dichte der Unebenheitsamplituden h( ). Die spektrale Dichte ist abhängig vom Unebenheitsmaß h( 0), der Wegkreisfrequenz , der Bezugskreisfrequenz 0 und der Welligkeit w. h(
)=
ª h( 0 ) « ¬
º » 0¼
w
(1)
Brückenüberfahrten stellen in der regellosen Unebenheit der Fahrbahn zusätzliche Hindernisse dar. Insbesondere die Ein- und Ausfahrtsbereiche mit den Übergangskonstruktionen, die von einer idealisierten Biegelinie abweichen, stellen Bereiche mit einer erhöhten Anregung dar. Beschrieben werden diese Hindernisse bei kurzen Brückenüberfahrten bis zu einer Unebenheitswellenlänge von L = 40 m
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als Trapezfunktion, [2,3]. Es wird nur eine erhabene (positive) Kontur für diese Hindernisform betrachtet, da sie gegenüber einer gleichen, aber versenkten (negativen) Form höhere Belastungen erzeugt [2]. Als Bewertungskriterium bei der Überfahrt solcher Einzelhindernisse werden in [2, 3] Abnahme-, Warn- und Schwellwerte für die am Fahrzeug auftretenden Schwingungserscheinungen in Abhängigkeit der Straßenkategorie vorgeschlagen. h(t)
Th = Ereignisdauer h* = Unebenheitshöhe v = Fahrgeschwindigkeit L = v Th Unebenheitswellenlänge t0 0,1 Th
t1
t2
0,8 Th Th
t3
h*
Zeit t
0,1 Th
Abb. 2: Beschreibung einer Brückenüberfahrt durch eine Trapezfunktion [2, 3]
Für größere Stützweiten (lange Brücken) liegen bisher noch keine Untersuchungen hinsichtlich des Fahrkomforts vor. Für diese Stützweiten wird die Grenzwertregelung hinsichtlich des Fahrkomforts für die Kuppen- und Wannenfahrten mit einer Beschränkung der Zentrifugalbeschleunigung auf bv = 0,5 m/s² [4] angesetzt. Die aus den genannten Grundsätzen heraus erarbeiteten Grenzwerte sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt: Tabelle 1: Grenzwerte für die Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken Stützweite [m]
l 16 16 < l 25 25 < l 40 40 < l 55 l > 55
Bundesautobahnen l/410 l/410 l/480 l/480 l/540
Bundes- und Landesstraßen l/410 l/410 l/410 l/410 l/410
Kreis- und Gemeindestraßen l/410 l/410 l/410 l/410 l/410
3 Modellierung von Stahlbetonbrücken mit Finiten Elementen Die statischen Systeme von Brückenbauwerken können in der Regel mit Einfeldträger- und Durchlaufträgersystemen beschrieben werden. Die Brückenquerschnit-
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Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken
te werden auf zwei einheitliche Systeme mit konstanten Abmessungen entsprechend der nachfolgenden Abbildung zurückgeführt. Plattenquerschnitt
Plattenbalkenquerschnitt
3,0 m
0,3 m
Abb. 3: Gewählte Brückenquerschnitte
Die Bemessung der Brückensysteme als Einfeld- bzw. Dreifeldträger erfolgt im Grenzzustand der Tragfähigkeit jeweils nach Eurocode 1 Teil 3 [5] für den jeweils ungünstigsten Lastfall. Die Fahrbahntafel einer Stahlbetonbrücke kann als Flächentragwerk betrachtet werden. Im Brückenbau werden meist Trägerrostsysteme für die statische Berechnung des Überbaus einer Brücke verwendet. In zunehmendem Masse werden die Grundrisse aber immer schiefer und breiter, so dass die Quertragwirkung immer schwieriger zu berücksichtigen ist. Hinzu kommt, dass die Bauhöhen meist stark reduziert werden und der Plattenbalken fast zu einer reinen Plattenbrücke entartet, insbesondere wenn die Stege größere Breiten aufweisen. Es bietet sich daher die Berechnung des Überbaues als Plattensystem mit Finiten Elementen an. Für die Diskretisierung der Stahlbetonbrücken als Platten- und Plattenbalkenquerschnitt wird ein Rechteckelement als 4 -Knoten - Element nach der Mindlinschen Plattentheorie angesetzt. Die Berechnung der Brückendurchbiegung erfolgt unter Berücksichtigung physikalischer Nichtlinearitäten. Diese nichtlinearen Effekte können nur iterativ berechnet werden. Die Berechnung erfolgt nach dem modifizierten Newton Raphson - Verfahren. Die Geschwindigkeit des Verfahrens wird durch einen Beschleunigungsalgorithmus nach Crisfield [6] erhöht. Mit der Layermodellierung [6] wird das Schalenelement in einzelne Schichten unterteilt, in denen ein zweiachsialer Spannungszustand angesetzt wird. Dadurch ist eine Berücksichtigung der Spannungsumlagerungen vom Beton auf die Bewehrung infolge von Kriech- und Schwindeffekten möglich. Die Risse werden in den Elemente “verschmiert“. Die einzelnen Parameter des Querschnittes werden mittels Integration über die Bauteilhöhe bestimmt. Innerhalb der Layerschichten werden die Eigenschaften des “nackten Betons“ (Tension Softening und mehraxiale Betondruckfestigkeit) definiert. Die Verbundwirkung der Bewehrung (Tension Stiffening) wird unter Berücksichtigung des Wirkungsbereiches der Bewehrung mit den Layerschichten überlagert. Innerhalb einer Layerschicht ergibt sich eine lineare Spannungsverteilung.
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Layerschichten eines Schalenelementes
Betonstahl mit Wirkungsbereich der Bewehrung
Dehnungen
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Spannungsverteilung beim Layermodell
Abb. 4: Layermodellierung eines Schalenelementes
4 Nachweis der Beschränkung der Durchbiegung von Stahlbetonbrücken durch Begrenzung der Biegeschlankheit Im Rahmen von Vergleichsberechnungen wird ein vereinfachter Nachweis der Beschränkung der Durchbiegung durch eine Begrenzung der Biegeschlankheit erarbeitet. Bei den Berechnungen wurde ein Nutzungszeitraum von 100 Jahre angesetzt. Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen, dass der Einfluss der Verkehrsbelastung auf die Kurz- und Langzeitverformung von Stahlbetonbrücken vernachlässigbar ist. Damit wurden die Lastannahmen im Eurocode 1 Teil 3 [5] für die Berechnung der Durchbiegung von Straßenbrücken im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit bestätigt, wonach lediglich das Eigengewicht und ein Temperaturanteil als Belastung zu berücksichtigen ist. Die Untersuchung der einzelnen Materialparameter zeigt einen starken Einfluss der Betonzugfestigkeit auf das Verformungsverhalten. Demgegenüber ist die Streuung des Elastizitätsmoduls als gering einzustufen. In der nachfolgenden Tabelle sind die zulässigen Biegeschlankheiten am Beispiel einer einfeldrigen Plattenbrücke dargestellt. Tabelle 2: Zulässige Biegeschlankheiten, statisches System Einfeldträger (Plattenbrücken)
Biegeschlankheit h/l
1/ 15 1/16 1/17 1/18 1/19 1/20
C 35/45 20 17 14 12 11 10
Stützweite [m] C 40/50 C 45/55 20 20 19 20 16 19 14 16 12 14 11 12
C 50/60 20 20 20 17 16 13
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Beschränkung der Durchbiegung von Straßenbrücken
5 Ausblick Die durchgeführten Berechnungen zeigen, dass die Einhaltung der vorgeschlagenen Grenzwerte aus den Anforderungen des Fahrkomforts und der Verkehrssicherheit durch das Langzeitverformungsverhalten von Straßenbrücken aus Stahlbeton bestimmt werden. Die Verformung infolge der Überfahrt einzelner Fahrzeuge hat keinen signifikanten Einfluss auf den Fahrkomfort oder die Verkehrssicherheit. Die Berechnungen mit Normalbeton zeigen, dass weitergehende Untersuchungen bei hochfestem Beton erforderlich werden, der im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt wurde, da durch die höhere Festigkeit sehr schlanke Konstruktionen möglich werden.
6 Literatur [1] Braun, H.; Liesner, W.: Sammlung und Auswertung von Straßenunebenheitsdaten. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Heft 598. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen 1991. [2] Mitschke, M.; Braun, H.; Liesner, W.: Ermittlung zulässiger Amplituden und Wellenlängen periodischer Fahrbahnunebenheiten unter den Gesichtspunkten Straßen- und Ladegutbeanspruchung, Fahrsicherheit und Schwingempfinden. Forschung Straßenbau und Verkehrstechnik Heft 466. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen 1986. [3] Mitschke, M.; Braun, H.; Klinger, M.: Zulässige Amplituden und Wellenlängen herausragender Unebenheitsanteile. Einfluss von Einzelhindernissen und Periodizitäten auf Fahrkomfort, Straßen-, Fahrzeug- und Ladegutbeanspruchung sowie Fahrsicherheit. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik Heft 710. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen 1995. [4] Müller, W.: Die Fahrdynamik der Verkehrsmittel. Springer-Verlag Berlin 1940. [5] ENV 1991-3- Eurocode 1: Grundlagen der Tragwerksplanung und Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 3: Verkehrslasten auf Brücken. Beuth Verlag Berlin 1994. [6] Sofistik AG Nürnberg: Sofistik - Modul ASE für die nichtlineare Finite Elemente Berechnung von Stahlbetonbauteilen.
Innovationen im Betonbau Jürgen Feix
Der Betonbau im neuen Jahrtausend wird vor allem geprägt sein durch neue betontechnologische Ansätze und die Verwendung von Beton in innovativen Konstruktionen. Neben dem Einsatz von Beton beim Neubau wird das Feld der Verstärkung und Instandsetzung noch mehr an Bedeutung gewinnen. Schließlich werden wir im Bewusstsein knapper werdender Ressourcen zu nachhaltigem Bauen gezwungen sein. Im folgenden Beitrag sollen bereits in der Praxis bewährte, aber auch erst im Entwicklungsstadium befindliche Innovationen aus dem Bereich des Betonbaues vorgestellt werden.
1 Historie Der Baustoff Beton begann vor etwa 2000 Jahren in Form des römischen Betons die Bautechnik zu revolutionieren. Der lateinische Begriff »Opus caementitium« beschreibt ein aus Steinen (»caementitium«) und Bindemittel (»materia«) zusammengefügtes Konglomerat-Gestein, dessen Aussehen und Eigenschaften denen des heutigen Betons ähneln.
Abb. 1. Bogen aus opus caementitium über einer Holzbrettschalung errichtet, Kaiserthermen Trier (4. Jahrh.. n. Chr.) [1]
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Innovationen im Betonbau
Die typischen Materialeigenschaften – hohe Druckfestigkeit und geringe Zugfestigkeit – beeinflussten die Form der Bauwerke, die im Wesentlichen druckbeansprucht sein sollten. Erst durch die Erfindung des Verbundbaustoffes Stahlbeton im 19. Jahrhundert konnten planmäßig auch Biegemomente und Zugkräfte durch Betonkonstruktionen aufgenommen werden. Seit dieser Zeit hat der Baustoff Beton wegen seiner Vorteile der freien Formbarkeit, hoher Dauerhaftigkeit und hoher Wirtschaftlichkeit seinen Siegeszug angetreten. Für das neue Jahrtausend werden wiederum bahnbrechende Innovationen erforderlich sein, um die starke Position des Betonbaus im Baugeschehen zu festigen.
2 Innovationen der Betontechnologie Die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten vom Normalbeton (B25 bis B55) zum Hochleistungsbeton war nur möglich durch die Ergänzung des klassischen DreiStoff-Systems, bestehend aus Zement, Zuschlag und Wasser, um Zusatzmittel (Verflüssiger und Fließmittel) und Zusatzstoffe (z.B. Silicastaub). Nur so konnten sehr niedrige Wasser-Zement-Werte bei gleichzeitig guter Verarbeitbarkeit erreicht werden, wodurch nicht nur hochfester, sondern auch hochdichter und damit äußerst widerstandsfähiger Beton hergestellt werden kann. Hinsichtlich der Festigkeit ist zwischen hochfestem Beton (HPC, C55/67 bis C100/15), dessen Anwendung durch Normen (z.B. [2]) und Richtlinien bereits geregelt ist und ultrahochfesten Betonen (UHPC, Festigkeiten bis 1000 N/mm2 und mehr), deren Einsatz noch nicht normativ geregelt ist, zu unterscheiden Kennzeichnend für diese Betone ist die mit zunehmender Festigkeit steigende Packungsdichte des Gefüges. Dies bedingt jedoch auch Nachteile für höherfeste Betone durch spröderes Versagen. Um hier zu einem gutmütigen, weil duktileren Versagensmechanismus zu kommen, bietet sich z.B. der Einsatz von Stahlfasern (2 bis 6 Vol% an. Für den Lastfall Brand werden dem Beton Polypropylenfasern beigemischt, die bei hohen Temperaturen im Bauteilinneren verbrennen und so die notwendigen Poren für die erforderliche Wasserdampfdruckentlastung schaffen. Wenn man dem Beton nun sowieso Fasern zugibt, so liegt die Überlegung, die Fasern bei der Bemessung zu berücksichtigen, sehr nahe. Aus diesem Grund sind ganz aktuell Richtlinien [3], [4] für die Anwendung und Bemessung von Faserbetonen erarbeitet worden. Speziell in Verbindung mit den ebenfalls neu entwickelten und geregelten Selbstverdichtenden Betonen (SCC [5], [6]) werden der Betonbauweise völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Die selbstverdichtenden Betone stellen jedoch wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Veränderungen der Mischungszusammensetzung große Anforderungen an die Lieferwerke. Dass diese Anforderungen zu meistern sind, beweist uns das Ausland, in dem der Anteil der selbstverdichtenden Betone teilweise schon bei gut 15 % aller eingebauten Betone liegt.
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Um Rückschläge zu vermeiden, muss in der Anfangsphase ein erhöhter Forschungs- und Kontrollaufwand getrieben werden, damit die gegenüber »normalen« Betonen veränderten Eigenschaften der »neuen« Betone ausreichend erfasst und beschrieben werden. Dazu zählen die Veränderung der Elastizitätsmoduli, des Verbundverhaltens, der zeitabhängigen Verformungen, der Kurzzeit- und Dauerfestigkeiten sowie der Tragmechanismen [7]. Durch Kostenersparnis bei der Verarbeitung bzw. durch Flächengewinne in Folge reduzierter Querschnitte können die eigentlich teureren Hochleistungsbetone schon heute zu gesamtwirtschaftlichen Vorteilen führen.
3 Innovationen beim Neubau Neben dem zunehmenden Einsatz der oben beschriebenen Hochleistungsbetone gibt es im Bereich des Neubaus weitere Innovationen. So erlaubt heute z.B. die vertiefte Kenntnis über komplexe Tragmechanismen sowie das Vorhandensein leistungsfähiger Rechenprogramme wirtschaftlichere Tragstrukturen unabhängig vom Baustoff. Als betonbaurelevantes Beispiel sei hier der Neubau des Hochhauses am Münchner Tor erwähnt, bei dem erstmals in tragfähigen Münchner Böden eine kombinierte Pfahl-Plattengründung (KPP, [8], [9]) zum Einsatz kam.
Abb. 2. Hochhaus am Münchner Tor mit kombinierter Pfahl-Plattengründung
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Innovationen im Betonbau
Durch die rechnerische Berücksichtigung des Zusammenwirkens der Gründungselemente Pfahl und Bodenplatte hat diese Gründungsvariante nicht nur technologische (geringere Setzungen), sondern auch wirtschaftliche Vorteile [10]. Darüber hinaus wird der künftige Neubau vor allem durch hybride Betonkonstruktionen und die Anwendung der Vorspannung im Hochbau geprägt sein. Über beide Punkte soll im Folgenden etwas vertiefter berichtet werden.
3.1 Beton in hybriden Konstruktionen Als hybride Betonkonstruktionen [11] bezeichnet man Tragsysteme, in welchen Betonabschnitte oder –bauteile mit Abschnitten oder Bauteilen aus anderen Werkstoffen in technologisch oder wirtschaftlich [12] vorteilhafter Weise zusammenwirken. Streng genommen sind bereits reine Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen hybrid, weil die Druckkräfte dem Beton und die Zugkräfte dem Stahl zugewiesen werden. Echte hybride Konstruktionen sind jedoch z.B. Verbundträger.
Abb. 3. Beispiel einer modernen Verbundbrücke im Zuge der Erschließung der AllianzArena in Ausführung
Die verbreitetste Bauweise stellen hier die Stahlverbundträger im Hoch- und Brückenbau dar. Im Brückenbau haben Stahlverbundträgerlösungen in den letzten Jahren den klassischen, reinen Betonfertigteillösungen vermehrt erfolgreich Konkurrenz gemacht. Die Stahlverbundträgerüberbauten sind zwar meist nicht in den reinen Herstellkosten des Überbaus überlegen, bieten aber technische Vorteile,
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wie z.B. größere Schlankheiten, größere mögliche Stützweiten (Verzicht auf Mittelunterstützungen bei Autobahnüberführungen) oder leichtere Transportgewichte. Ob der Verbund zwischen Stahlträger und Beton bereits im Werk – zu so genannten Verbundfertigteilträgern – oder erst auf der Baustelle durch Verguss hergestellt wird, ist sekundär. Bewährt haben sich hier Baukastensysteme aus torsionssteifen Stahlkastenträgern, die mit entsprechender Überhöhung produziert und eingebaut werden. Auf diesen Trägern werden Stahlbetonfertigteilplatten verlegt, die als verlorene Schalung für die Ortbetonergänzung der Fahrbahnplatte dienen.
Abb. 4.
Beispiel eines Baukastensystems zur Erstellung von Verbundbrücken
Dieses Bauverfahren führt wegen des hohen Vorfertigungsgrades zu kurzen Bauzeiten bei hoher Ausführungsqualität. Darüber hinaus erreicht man auch hohe Gestaltungsqualität. Holz-Beton-Verbundkonstruktionen sind bisher vor allem im Zuge von Instandsetzungs- und Verstärkungsmaßnahmen bei Bestandsbauten eingesetzt worden. In jüngster Zeit sind Untersuchungen im Gange, um weitgehend vorgefertigte Holz-Beton-Verbunddecken im Neubau einzusetzen. Erfolgversprechend erscheint dies vor allem in Regionen mit entsprechend hohem Holzvorkommen und gleichzeitig gut ausgerüsteten Holz- und Fertigteilfertigungsstätten. In einem weiteren Sinne hybrid sind Tragwerke, welche aus mehreren Bauteilen bzw. Abschnitten unterschiedlicher Baustoffe zusammengesetzt sind. Beispielhaft angeführt sei hier der hybride Überbau der Normandiebrücke oder der hybride Fahrwegträger für den Transrapid [13]. Die Innovation dieses Fahrwegträgers besteht darin, den Trägerquerschnitt so aus verschiedenen Baustoffen zusammenzusetzen, dass für die diversen Funktionen der jeweils optimale Baustoff eingesetzt wird. Dadurch werden die Vorteile der früher eingesetzten reinen Stahl oder Betonträger auf einen Träger vereint und gleichzeitig die jeweiligen baustoffspezifischen Nachteile vermieden. Während die globale Tragfunktion durch einen Spannbetonträger am wirtschaftlichsten erfüllt wird, bietet die Stahlbauweise im Funktionsebenenbereich die ideale Lösung, um die systembedingten Genauigkeitsanforderungen zu erfüllen. Durch diesen optimierten Materialeinsatz und die ebenfalls neu entwickelte modulare Bauweise bietet der hybride Fahrwegträger gegenüber den reinen Beton-
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Innovationen im Betonbau
oder Stahlträgern ein Kosteneinsparungspotenzial von mehr als 20 %. Die praktische Einsatzreife dieses Trägersystems wurde bei Bau der ersten TransrapidAnwendungsstrecke in Shanghai bewiesen.
Abb. 5. Querschnitt des hybriden Fahrwegträgers bestehend aus – Spannbetonhauptträger
– gusseiserne Verbindungskonsole – stählerne modulare Funktionsebenenträger
Seit Ende 2003 erfolgt der fahrplanmäßige Verkehr im 10-Minutentakt auf dem knapp 35 km langen Doppelspurfahrweg. Die Fahrzeit liegt bei einer Höchstgeschwindigkeit von 430 km/h unter acht Minuten. Gerade im Bewusstsein der Beschränktheit der Ressourcen und aus gestalterischen Gesichtspunkten dürfte der Einsatz von Tragwerken, bestehend aus mehreren verschiedenen Baustoffen stetig zunehmen. Voraussetzung dafür ist u.a. eine baustoffübergreifende Ausbildung an den Hochschulen.
Abb. 6. Weltweit erste Transrapid-Anwendungsstrecke in Shanghai mit hybriden Fahrwegträgern
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3.2 Vorspannung ohne Verbund im Hochbau Während sich die Vorspannung im Brückenbau im letzten Jahrhundert etabliert hat und heute nach wie vor in den meisten Fällen die wirtschaftlichste Bauart für Brücken größerer Spannweite darstellt, spielt die Vorspannung im Hochbau – zumindest in Deutschland – bisher eine absolut untergeordnete Rolle. Als Gründe für den Nichteinsatz der Vorspannung im Hochbau werden folgende Punkte angeführt: • zu hohe Kosten • zu hohe Anforderungen an die Bauausführenden • eventuelle Bauzeitverlängerung durch zusätzliche Arbeitsschritte In anderen Ländern wird Vorspannung seit langem erfolgreich im Hochbau eingesetzt. In den nächsten Jahren scheint die Vorspannung im Hochbau auch im deutschsprachigen Raum vor dem Durchbruch zu stehen. Voraussetzung dafür ist zum einen die Entwicklung von robusten Vorspannverfahren, was durch die Vorspannung ohne Verbund mit doppelt korrosionsgeschützten Litzen bereits gelungen ist. Zum anderen ist es der in den neuen international beeinflussten Normengenerationen verankerte Paradigmenwechsel weg vom streng getrennten Stahlbeton und Spannbeton hin zum vorgespannten Stahlbeton. Als letzte Voraussetzung ist die unter Wicke ([14], [15], [16]) entwickelte so genannte »Freie Spanngliedlage« anzuführen. Bei dieser Form der Spanngliedführung können eigene Abstandhalter für die Spannglieder vermieden werden.
Abb. 7. Flughafen Innsbruck; Parkhaus mit verbundlos vorgespannten Decken
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Innovationen im Betonbau
Die Spannglieder werden lediglich an vier Stellen je Feld mit der oberen bzw. unteren schlaffen Bewehrung verbunden. Dies vereinfacht den Einbau dramatisch und trägt wesentlich zur Kostensenkung bei. Bei der Bemessung im Grenzzustand der Tragfähigkeit auf Biegung werden die Spannglieder vereinfachend auf der sicheren Seite liegend vernachlässigt. D.h. die erforderliche Vorspannung ergibt sich aus der Begrenzung der Durchbiegung, wozu meist relativ geringe erforderliche zentrische Vorspannungen von 1 bis 1,5 N/mm2 notwendig sind. Vor allem bei weiter gespannten Decken kann die Deckenstärke im Vergleich zu reinen Stahlbetondecken um 20 % bis 30 % verringert werden. Dies führ nicht nur zu direkter Massenersparnis bei den Platten selbst, sondern vor allem zu indirekten Kosteneinsparungen durch schlankere, lastweiterleitende Bauteile bis hin zu den Fundamenten sowie durch eine Reduktion des umbauten Raumes. Einige eindrucksvolle inzwischen fertiggestellte Bauwerke, wie z.B. das Parkhaus am Flughafen Innsbruck, belegen die angeführten Vorteile. Bei punktgestützten Platten wird die positive Wirkung der Vorspannung im Gurtstreifen auf die aufnehmbare Durchstanzlast auch im Grenzzustand der Tragfähigkeit berücksichtigt. Dazu wird die Summe der Vertikalkomponenten der Vorspannkräfte Vpol im kritischen Rundschnitt auf der Widerstandsseite berücksichtigt VRd = VRd, c + Vpd
(1)
Zu dieser Fragestellung wurden an der Universität Innsbruck in den letzten zwei Jahren eine Reihe von Durchstanzversuchen an vorgespannten Platten mit und ohne Durchstanzbewehrung durchgeführt [17].
Abb. 8. Versuchsanordnung, Schnitt
Abb. 9. Durchstanzversuch einer vorgespannten Flachdecke; Querschnitt Versuchskörper
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Diese Versuche belegen eindrucksvoll, dass die Wirkung der Vorspannung auf die Durchstanzlast nicht nur von der Neigung der Spannglieder im kritischen Rundschnitt abhängt, sondern vor allem von der konstruktiven Durchbildung im Durchstanzbereich. Der Wirkungsgrad der Vorspannung auf die Erhöhung der Durchstanzlast liegt je nach Spanngliedgeometrie zwischen 20 % und 115 % bezogen auf die Vertikalkomponente der Vorspannung im kritischen Schnitt. Damit liegt der derzeitige Bemessungsansatz durchaus auch auf der unsicheren Seite. Dieses Beispiel belegt, dass auch bei diesen neuen Konstruktionsformen trotz aller Fortschritte in der computerunterstützten Berechnung der Ingenieurverstand und die ingenieurmäßige Detaildurchbildung von ausschlaggebener Bedeutung für die Tragfähigkeit einer Konstruktion bleiben. Welch großes Potenzial in vorgespannten Flachdecken steckt, belegt die weltweit erste Ausführung einer punktgestützten vorgespannten Faserbetondecke ohne schlaffe Bewehrung [18].
4 Innovationen bei Instandsetzung und Verstärkung Das Bauen im Bestand nimmt einen immer größer werdenden Anteil am Gesamtbauvolumen ein. Während im Hochbau oft denkmalpflegerische Hintergründe gegen einen Neubau sprechen, führen im Ingenieurbau meist pragmatische Gründe zur Instandsetzung bzw. Verstärkung bestehender Bauwerke anstatt eines Ersatzneubaus. Vielfach erlauben die zu bewältigenden Verkehrsflüsse gar keine so starke Störung, wie sie der Ersatzneubau darstellen würde. Gerade im Bereich der Vestärkung und Instandsetzung sind innovative Baustoffe, wie selbstverdichtender Hochleistungsbeton oder CFK–Verstärkungen bzw. Bauverfahren, wie z.B. die nachträgliche externe Vorspannung nicht mehr wegzudenken. Als ein typisches Beispiel für derartige Maßnahmen ist die in den letzten Jahren bei einigen Spannbetonbrückenbauwerken aus den Siebziger Jahren durchgeführte Koppelfugensanierung zu nennen. Wegen der zum damaligen Zeitpunkt zulässigen Kopplung aller Spannglieder in einer Fuge sowie der sehr geringen Mindestbewehrung kann bei diesen Bauwerken die Dauerfestigkeit des Spannstahles in den Koppelfugen gefährdet sein (z.B. [19]). In derartigen Fällen stellt die Verstärkung des Gesamttragwerkes mittels zusätzlicher Vorspannung eine wirtschaftliche Sanierungsmöglichkeit dar. Durch die zusätzliche extern geführte Vorspannung wird das Dekompressionsmoment des Koppelfugenquerschnittes erhöht, wodurch die ermüdungsrelevanten Beanspruchungen des Spannstahls reduziert werden. Um den Aufwand für den Einbau zu minimieren, wird man eine zentrische, geradlinige Spanngliedführung bevorzugen.
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Innovationen im Betonbau
Bei der Verstärkung der Candidbrücke in München [20] konnten zudem die bestehenden Querträger für die Umlenkung herangezogen werden. Die aus der Umlenkung resultierenden Zusatzbeanspruchungen und deren Aufnahme durch die bestehenden Bauteile mußten selbstverständlich nachgewiesen werden. Lediglich im Bereich der Endverankerungen der externen Vorspannung mußten die alten Bestandsquerträger durch neue Endverankerungsblöcke ergänzt werden.
Abb. 10. Mit selbstverdichtendem Beton hergestellte Endverankerung der externen Vorspannung
Um Störungen des auch während der Bauzeit uneingeschränkten Verkehrs auf dem Bauwerk zu vermeiden, wurden die vier Endverankerungsblöcke aus Beton nicht klassisch von oben durch eine Öffnung in der Fahrbahnplatte betoniert und verdichtet. Stattdessen wurde selbstverdichtender Beton von einer unter dem Bauwerk stehenden Pumpe in die Schalung gedrückt. Dadurch konnten Eingriffe in die Fahrbahnplatte komplett vermieden werden, was sich nicht nur konstruktiv, sondern auch verkehrstechnisch und kostenmäßig sehr günstig auswirkte. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, die den auf innovativen Ansätzen beruhenden Fortschritt in der Baupraxis bei der Instandsetzung und Verstärkung belegen.
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Abb. 11. Aufbringen der zusätzlichen externen Vorspannkraft
5 Fazit Die betontechnologische Entwicklung hochfester, ultrahochfester, selbstverdichtender und faserbewehrter Betone eröffnet dem Baustoff neue Anwendungsmöglichkeiten. Denn neben höheren Festigkeiten bieten diese Betone vor allem eine hohe Dauerhaftigkeit, die notwendige Duktilität und Vorteile bei der Verarbeitung. Um Rückschläge zu vermeiden, ist die parallele Weiterentwicklung der Prüfund Bemessungsverfahren unabdingbar. Diese Bemessungsverfahren sind auch Grundlage für die Anwendung von Beton in innovativen reinen Beton- oder hybriden Konstruktionen. Den Ingenieuren eröffnen sich hier noch große gestalterische, technische und wirtschaftliche Optimierungspotenziale. Damit wird der Baustoff Beton in Zukunft – entgegen manchen Unkenrufen – seine große Bedeutung behalten.
6 Literatur [1] Lamprecht, H.-O.: Opus caementitium, Bautechnik der Römer. Düsseldorf: Beton-Verlag,, 1996 [2] DIN 1045-1 und DIN 1045-2, Ausgabe 2001-07: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Berlin: DIN 2001 [3] DBV-Merkblatt Stahlfaserbeton. Wiesbaden: Deutscher Beton-Verein, Oktober 2001 [4] DAfStb-Richtlinie: Faserbeton. Berlin: Deutscher Ausschuß für Stahlbeton, 2002
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Innovationen im Betonbau
[5] König, G.; Holschemacher, K.; Dehn, F.: Selbstverdichtender Beton. Berlin: BauwerkVerlag, 2001 [6] DAfStb-Richtlinie: Selbstverdichtender Beton. Berlin: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, November 2003 [7] Fritsche, G.: Untersuchung des Querkraftwiderstandes von Durchlaufträgern aus Stahlfaserbeton. Innsbruck: 2004 (in Vorbereitung) [8] KPP-Richtlinie, zB in Bautechnik 77 (2000), Seite 676 bis 681 [9] Hanisch, J.; Katzenbach, R.; König, G.: Kombinierte Pfahl-Plattengründungen. Berlin: Ernst & Sohn, 2002 [10] Feix, J.: Bau des Hochhauses am Münchner Tor – erstmalige Anwendung einer kombinierten Pfahl-Plattengründung in tragfähigen Münchner Böden. In: Zilch, K.: Massivbau 2003, Springer VDI-Verlag, Seite 132 bis 144 [11] Kupfer, H.; Feix, J.: Analyse der Entwicklung neuerer Tragsysteme unter Beteiligung von Betonbauteilen. Deutscher Betontag 1989, Seite 216 bis 230. Wiesbaden: DBV, 1990 [12] Engelsmann, S.; Feix, J.; Kupfer, H.: Wirtschaftlichkeitsstudie zum Einsatz hybrider Konstruktionen für Versteifungsträger weit gespannter Schrägkabelbrücken. Bauingenieur 68 (1993), Seite 513 bis 517 [13] Feix, J.: Innovative hybride Tragwerke – am Beispiel des Transrapid Fahrwegträgers. Bauingenieur 77 (2002), Seite 151 bis 157 [14] Wicke, M. et al.: Verbundlose Vorspannung im Hochbau – Freie Spanngliedlage. Wien: Schriftenreihe des Österreichischen Betonvereines, Heft 34/September 1998 [15] Maier, K.: Wicke M.: Die Freie Spanngliedlage – Entwicklung und Umsetzung in die Praxis. Beton- und Stahlbetonbau 2/2000, Seite 62 bis 71 [16] Brunnsteiner, A.: Flachdecken mit Vorspannung ohne Verbund, Ausführungsbeispiele mit freier Spanngliedlage. Wien: Schriftenreihe der Österreichischen Vereinigung für Beton- und Bautechnik, Heft 50/2002, Seite 85 bis 90 [17] Wicke, M.; Feix, J.; Zorn, A.: Durchstanzen von verbundlos vorgespannten Flachdecken, Versuchsbericht. Innsbruck: Institut für Betonbau, Baustoffe und Bauphysik, September 2004 (in Vorbereitung) [18] Grad, J., Kaßner, U.: Zäh und flexibel. Deutsches Ingenieurblatt, April 2004, Seite 60 bis 62 [19] Zilch, K.; Penka, E.: Full scale measurements of fatigue loading of prestressed concrete bridges. Proceedings of 5. European Conferenece of Structural Dynamics, Eurodyn ˚99, Prague 1999 [20] Feix, J.: Verstärkung der Candidbrücke mit externer Vorspannung. In: Zilch, K.: Massivbau 2001, Forschung, Entwicklungen und Anwendungen, Springer-VDI-Verlag, Seite 228 bis 239
Windenergieanlagen in Spannbetonbauweise Jürgen Grünberg, Joachim Göhlmann
Windenergieanlagen sind stark ermüdungsbeanspruchte Bauwerke. Für die Dimensionierung von Stahlbeton- bzw. Spannbetonbauteilen können daher die Ermüdungsnachweise maßgebend werden. Auf Basis neuerer Forschungsergebnisse kann das Materialverhalten gegenüber den Normenansätzen genauer berücksichtigt werden. Ziel eines am Institut für Massivbau der Universität Hannover laufenden Forschungsvorhabens ist die Ableitung von Schädigungsparametern für nicht konstante Spannungsamplituden.
1 Allgemeines Einhergehend mit der Entwicklung von immer leistungsfähigeren Windenergieanlagen (WEA) zur effizienteren Auswertung des Windprofils über der Erde wurden die Anforderungen an die gesamte Tragkonstruktion einer WEA sowie deren Gründung stark erhöht. In jüngster Zeit haben sich Turmkonstruktionen aus Spannbeton mit externer Vorspannung und angeschlossenem Stahlsegment mit Gondel als eine sehr wirtschaftliche Lösung erwiesen. WEA sind stark dynamisch beanspruchte Bauwerke mit Lastwechselzahlen bis zu N = 109. Für die Dimensionierung der Stahlbeton- bzw. Spannbetonbauteile werden daher neben den Maximallasten die Ermüdungsbeanspruchungen maßgebend.
2 Ermüdungsnachweise nach DIBt – Richtlinie Bei Türmen aus Spannbeton sind Ermüdungsnachweise für den Beton, den Betonstahl und den Spannstahl sowie für dessen Verankerung zu führen. Sie dürfen entsprechend den Angaben in der Richtlinie für Windenergieanlagen [1] nach den Nachweisverfahren des CEB – FIP Model Code 1990 [2] geführt werden.
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Windenergieanlagen in Spannbetonbauweise
2.1 Vereinfachter Nachweis nach DIBt – Richtlinie Für Windenergieanlagen ist ein genauerer Nachweis für den Beton nicht erforderlich, wenn die Bedingung nach Gleichung (1) eingehalten wird [1]:
S cd ,max
0 ,40 + 0 ,46 S cd ,min
(1)
Der vereinfachte Nachweis wurde für Scd,min = 0 und einer Lastspielzahl von N = 109 kalibriert und deckt somit im Regelfall die aus numerischen Windlastsimulationen berechneten Lastwechselzahlen für die Lebensdauer einer WEA ab. Vergleichend dazu führt der vereinfachte Ermüdungsnachweis nach DIN 1045-1 [3] zu einer Lastwechselzahl von N = 106. Dieser ist somit nicht für die Anwendung bei WEA geeignet. Der Vergleich des vereinfachten Nachweises mit anderen Vorschriften ist in Abbildung 1 dargestellt. 1 0,9
Direkter Nachweis
0,8 0,7 0,6
DIBt - Richtlinie
Model Code 90
0,5
DIN 1045-1 / EC 2
DAfStb Heft 439, Gl. (88)
0,4
Vereinfachter Nachweis
0,3 0,2 0,1 0 0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
Scd,min
Abb. 1. Vereinfachter Nachweise für Beton unter Druckschwellbelastung
2.2 Direkter Nachweis nach DIBt – Richtlinie Ist der vereinfachte Nachweis nicht erfüllt, kann der Ermüdungsnachweis auf Grundlage des gesamten Beanspruchungsspektrums nach Model Code 90 geführt werden. Der Ermüdungsnachweis basiert auf einem Modell zur Schädigungsberechnung nach Palmgren und Miner, vgl. [4]. Der Grundgedanke besteht darin, dass jede schwingende Beanspruchung eine Schädigung im Bauteil bewirkt und diese bis zum Erreichen eines kritischen Schädigungswertes, bei dem der Bruch des Bauteils erfolgt, linear akkumuliert.
Jürgen Grünberg, Joachim Göhlmann
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Nachzuweisen ist daher, dass die Schädigung D des Bauteils infolge wiederholender Beanspruchung den Grenzwert der Schädigung Dlim nicht überschreitet [4]: D=
j
¦
i=1
ni N Ri
Dlim = 1
Dabei sind: ni = Schwingspielzahl eines Beanspruchungsblocks mit der Schwingweite NRi = Bruchschwingspielzahl aus der Wöhlerlinie für Beton nach [2]
(2)
i
In [4] aufgeführte Versuchsauswertungen zeigen jedoch, dass lineare Akkumulationshypothesen die tatsächlichen Schädigungsentwicklungen nur unzureichend erfassen. Vielmehr folgen diese stark nichtlinearen Zusammenhängen. Die Anwendung einer linearen Akkumulationshypothese im Betonbau stellt daher oftmals lediglich einen Sonderfall von vielen möglichen Schädigungsentwicklungen dar und kann sowohl zu unwirtschaftlichen als auch zu unsicheren Bemessungsergebnissen führen.
2.3 Ergebnisse der Schädigungsberechnungen nach DIBt – Richtlinie Die Ergebnisse der Schädigungsberechnungen sind stark von den Eingangsparametern abhängig. So zeigen eigene Vergleichsrechnungen für den Ermüdungsnachweis bei einer WEA, dass allein durch die Festlegung des Betonalters bei Erstbelastung die berechnete Schädigung deutlich über D = 1,0 liegen kann und die Wahl eines geringfügig späteren Belastungsbeginns zu einem starken Abfallen der Schädigung auf Werte von D 0,1 führt. Ebenfalls besteht eine starke Abhängigkeit zwischen der in die Berechnung eingehenden Betondruckspannung und der errechneten Lebensdauer. So variiert bereits die Schädigung bei geringer Veränderung der Vorspannung zwischen D 0,1 und D 1000. Dies bedeutet eine Schwankung der rechnerischen Lebensdauer zwischen 10 Tagen und mehreren Millionen Jahren [5]. Die vorangestellten Ausführungen zeigen deutlich, dass für den Ermüdungsnachweis von Beton ein wirklichkeitsnahes Bemessungsmodell erforderlich ist, welches die tatsächlich eintretende Schädigungsentwicklung im Beton auch unter mehraxialer Beanspruchung berücksichtigt.
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Windenergieanlagen in Spannbetonbauweise
3 Materialverhalten von Beton unter einaxialer Ermüdungsbeanspruchung Beton weist schon im unbelasteten Zustand Mikrorisse zwischen Zementmatrix und Zuschlagstoffen auf, die sich bei zunehmender Beanspruchung zu Makrorissen verbinden und das Ermüdungsversagen maßgebend steuern. Der Schädigungsverlauf unter Ermüdungsdruckbeanspruchung kann in drei Phasen unterteilt werden, Abb.2. Die erste Phase umfasst den Bereich bis ca. 20% der Bruchlastspielzahlen und ist durch ein schnell anwachsendes Mikrorisswachstum und eine schnelle Abnahme der Steifigkeit gekennzeichnet. In der zweiten Phase (ca. 20% bis 80% der Bruchlastspielzahlen) wachsen die Risse in der Mesoebene langsam und kontinuierlich. In den letzten 20% der Lebensdauer tritt hingegen instabiles Risswachstum (Schädigungslokalisierung) auf, welches die Steifigkeitsabnahme des Bauteils stark beschleunigt und letztendlich zur Bruchflächenbildung führt. 0 0,00
0,20
0,40
0,60
0,80
1,00
ıu = 0.05 · fc ıo = 0.675 · fc
-0,001
-0,002
-0,003
-0,004
n / NR
Abb. 2. Dehnungsentwicklung bei konstanter Schwingweite
3.1 Modelle zur Beschreibung von Ermüdungsschädigungen In der Literatur sind eine Vielzahl von Modifizierungen der Palmgren – Miner – Regel für nicht konstante Spannungsamplituden vorgeschlagen worden [4]. Diese phänomenologischen Ansätze basieren jedoch im Wesentlichen auf Auswertungen durchgeführter Versuchsreihen und sind nicht auf andere Versuchsergebnisse übertragbar. In [6] wird ein energetischer Ansatz zur Beschreibung des Materialverhaltens unter Ermüdungsbeanspruchung bei konstanter Schwingweite vorge-
Jürgen Grünberg, Joachim Göhlmann
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stellt. Ausgehend von den Beobachtungen in [7], dass die Zunahme von mechanischer Schädigung in Beton energetisch ein dissipativer Prozess ist, wird die folgende Hypothese aufgestellt: Die im Ermüdungsprozess für einen bestimmten geschädigten Zustand aufzubringende Arbeit entspricht genau der Arbeit, die durch eine monotone Belastung aufgewendet wird, um den gleichen Schädigungszustand herzustellen. Somit kann die Schädigung im Ermüdungsprozess über die geleistete Arbeit definiert und über die Schädigungshypothese direkt aus der monotonen Arbeitslinie des Betons bestimmt werden. In Abbildung 3 sind die mit dem in [6] vorgestellten Ermüdungsmodell berechneten Schädigungsentwicklungen für ein Betonprisma unter Druckschwellbeanspruchung dargestellt. 1
0,8
ıu = 0.05 · fc
ıo = 0.2 · fc
0,6
0,4
0,2
ıo = 0.9 · fc
0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
n / NR
Abb. 3. Berechnete Schädigungsentwicklung nach [6]
3.2 Numerische und Experimentelle Untersuchungen Am Institut für Massivbau der Universität Hannover werden derzeit Übergangsbereiche an Windenergieanlagen in hybrider Bauweise experimentell und numerisch untersucht. Die Abbildung 4 zeigt einen Spannbetonschaft mit verspanntem Stahladapter für das weiterführende Stahlsegment. In Abbildung 5 ist einer der dieser typischen Anschlussausbildung nachgebauten Prüfkörper dargestellt. Ziel des Vorhabens ist es, ein wirklichkeitsnahes Bemessungsmodell für den Beton insbesondere in den Anschluss- und Übergangsbereichen von WEA zu entwickeln. Erste Ergebnisse zeigen, dass mit der oben dargestellten energetischen Betrachtungsweise des Ermüdungsprozesses im Beton Schädigungsparameter abgeleitet werden können, mit denen auch die Schädigungsentwicklungen für nicht konstante Spannungsamplituden sowie die Veränderungen der Materialsteifigkeiten abgeschätzt werden können. Um diese Ergebnisse auf mehraxiale Beanspruchungen
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Windenergieanlagen in Spannbetonbauweise
übertragen zu können, wird auf bekannte Bruchhypothesen [8] zurückgegriffen, deren Parameter an experimentell ermittelte statische Festigkeitswerte [9] u.a. angepasst werden.
Stahladapter
Stahladapter Spannglied
Spannbetonschaft
Abb. 4. In – Situ Messungen an einer 5 MW - Anlage
Betonprüfkörper
Abb. 5. Prüfkörper im Laborversuch
3.3 Fazit Der Ermüdungsnachweis nach den derzeitig gültigen Vorschriften berücksichtigt die Schädigungsentwicklung in Betonbauteilen nur unzureichend. Dies kann sowohl zu unwirtschaftlichen als auch unsicheren Bemessungsergebnissen führen. Daher sind dringend Ermüdungsmodelle, die das tatsächliche Materialverhalten wirklichkeitsnäher abbilden, notwendig.
4 Literatur [1] Richtlinie Windenergieanlagen. Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung. Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt). Entwurf: Mai 2003 [2] CEB – FIP Model Code 90. Final Draft. Lausanne: July 1991 [3] DIN 1045 -1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Ausgabe Juli 2001. [4] König, G.; Danielewics, I.: Ermüdungsfestigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 439. Beuth, 1994
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[5] Seidel, M.: Auslegung von Hybridtürmen für Windenergieanlagen. Beton- und Stahlbetonbau 97 (2002), Heft 11, S. 564-575 [6] Pfanner, D.: Zur Degradation von Stahlbetonbauteilen unter Ermüdungsbeanspruchung. Konstruktiven Ingenieurbau. Ruhr-Universität Bochum. VDI Verlag GmbH, 2003 [7] Spooner, D.C., Pomery, C.D. J.W. Dougill, J.W.: Damage and energy dissipation in cement pastes in compression. Mag. Conc. Res. 28(94):21-29, 1976 [8] Willam, K.J.; Warnke, E.P.: Constitutive model for triaxial behaviour of concrete. Vol. 19, ISMES, Bergamo, Italy, p. 174 (1975). [9] Kupfer, H.: Das Verhalten des Betons unter mehrachsiger Kurzzeitbelastung unter besonderer Berücksichtigung der zweiachsigen Beanspruchung. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 229. Ernst & Sohn, 1973
Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter der Münchner Stadtentwässerung André Müller
Die neuen Faulbehälter der Münchener Stadtentwässerung bilden eine besondere Herausforderung für das Planungsteam und Ausführende Firma. Die Geometrie der Behälter kann als eine Verschmelzung zweier Kegelstümpfe beschrieben werden. Die Behälter tragen im Wesentlichen durch die Membrantragwirkung. In den Störzonen entstehen zusätzliche Biegemomente und Querkräfte. Die komplexe Spanngliedführung, die dichte Betonstahlbewehrung und die erforderlichen Rohrdurchführungen sowie Einbauteile erfordern eine besonders detaillierte Planung bei der konstruktiven Durchbildung. Die Verlegung der Betonstahl- und Spannstahlbewehrung erfolgt unter erschwerten Baustellenbedingungen, die es bei der Planung und Arbeitsvorbereitung zu berücksichtigen gilt. Zur besseren Betonierbarkeit wird im unteren Trichterbereich selbstverdichtender Beton (SVB) eingesetzt. Auf besondere Aspekte zum Einsatz des selbstverdichtenden Betons wir ausgiebig eingegangen.
1 Tragwirkung und Modellierung 1.1 Einleitung und Baubeschreibung Die Münchner Stadtentwässerung baut zur Zeit im Klärwerk Gut Großlappen, München Freimann, vier neue 47 Meter hohe Faulschlammbehälter mit einem maximalen Durchmesser von je 32 Meter. Zugehörig wird ein erdüberschüttetes Betriebs- und Installationsgebäude mit den Grundrissabmessungen von 60 x 80 Meter erstellt. Der hier vorliegende Bericht beschreibt die statisch konstruktiven und ausführungstechnischen Besonderheiten bei dem außerordentlich komplexen Bauvorhaben der Faulschlammbehälter. Die für einen Faulschlammbehälter außergewöhnliche Geometrie lässt sich vereinfacht als eine Verschmelzung zweier entgegengesetzter Kegelstümpfe beschreiben. Im Verschneidungsbereich der beiden Kegel, dem Äquator des Behälters, sind die Bauteilabmessungen im Vergleich
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Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter
zu den Regelbereichen aus geometrischen Gründen stark vergrößert. Die Rotationssymmetrie wird durch einen im unteren Bereich des Behälters seitlich angehängten Pumpenkeller gestört. Der Pumpenkeller dient zur Steuerung der Befüllung der Behälter und bildet den Zugang aus dem Betriebsgebäude. Die vier Faulbehälter dienen zur Aufnahme von je 14.600 m3 flüssigen Faulschlamm. Neben der Tragsicherheit ist die Dichtigkeit der Faulbehälter das maßgebende Bemessungskriterium. Zu den Bemessungslastfällen wurde im Rahmen des Massivbauseminars ausgiebig berichtet [1,2]. Wegen den hohen Dichtigkeitsanforderungen werden die vier Faulbehälter als Spannbetonkonstruktion konzipiert.
Abb. 1. Schnitt durch den Regelbereich des Faulschlammbehälters
Zur Ausführung der Behälter kommt eine Unternehmervariante. Die Variante sieht neben den üblichen Ring- und Vertikalspanngliedern den Einbau hyperbolischer Spannglieder im unteren Trichterbereich vor. Es kommen für alle Spanglieder verbundlose Viererlitzen des Systems VT zum Einsatz. Die Lasten des unteren Kegels werden mittels der hyperbolischen Spannglieder zum Äquatorbereich hochgehängt und in den in diesem Bereich angeordneten Bohrpfahlring eingeleitet.
André Müller
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Abb. 2. Hyperbolische Spannglieder im unteren Trichterbereich (Grundriss)
Der hyperbolische Verlauf der Spannglieder entsteht durch das Schneiden schräger Ebenen mit dem unteren Bereich des Kegels. Für einen möglicht rotationssymmetrischen Kräfteverlauf aus der Vorspannung sind insgesamt vier Spanngliedscharen, die jeweils um 90 Grad versetzt sind, angeordnet.
Abb. 3. Eine Schar hyperbolischer Spannglieder
1.2 Tragwirkung Die unterschiedlichen Einwirkungen erzeugen im Behälter Biegemomente, Querkräfte und im Besonderen Membrankräfte. Das Verhalten des Behälters als Membrantragwerk lässt sich anhand der maßgebenden Belastungszustände aus der
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Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter
Füllung darstellen. Im Querschnitt des Behälters resultieren daraus nachfolgend beschriebene wesentliche Beanspruchungen. - Zugkräfte in Ringrichtung aus Flüssigkeitsdruck in Abhängigkeit vom Radius und der Füllhöhe - Auftrieb des oberen Kegels, Erzeugung von vertikalen Zugkräften in der Schale - „Aufhängung“ des Trichters aufgrund der vorliegenden Gründungsverhältnisse Die maßgebenden Biegebeanspruchungen entstehen im Verschneidungbereich der Kegel. Durch die Versteifung des Querschnittes in diesem Bereich des Behälters entstehen Störmomente. Zusätzlich werden Biegemomente durch die Einleitung der Auflagerkräfte in den Bohrpfahlring erzeugt.
1.3 Modellierung Die rechnerische Untersuchung der vorgespannten Behälterkonstruktion durch den Prüfingenieur erfolgte mittels einer dreidimensionalen Modellierung mit der Finiten-Element-Methode. Der Behälter wurde unter Verwendung von Schalenelementen abgebildet, die drei verschiedenen Spanngliedverläufe wurden dabei entsprechend mitmodelliert. Hierbei wurde das Programmpaket Infograph eingesetzt. Die Ergebnisse der umfangsreichen rechnerischen Untersuchung ermöglichen eine komfortable Beurteilung der Konstruktion, insbesondere der Störzonen im Äquator- oder im Pumpenkellerbereich. Bei der Modellierung der Spannglieder wurde auf drei Zugangsöffnungen ( 1,20m und 2 x 2,00m) Rücksicht genommen. Kleinere Rohrdurchführungen ( 15 x 20 - 40cm) und weitere Einbauteile wurden im FEM-Modell nicht berücksichtigt.
2 Planerische Besonderheiten 2.1 Spanngliedführung Es zeigt sich bei der Ausführungsplanung der Spanngliedführung, dass die konstruktive Umsetzung selbst bei kleineren Rohrdurchführungen eine detaillierte planerische Durchbildung erfordert. Die Durchführungen im unteren Trichterbereich liegen z.T. in Bereichen sich kreuzender Spanngliedscharen. Das Verziehen der Spannglieder unter Berücksichtigung der Mindestabstände und -radien, bildet eine besondere Herausforderung für den Konstrukteur. Eventuelle Kollisionspunkte der Spanngliedführung mit den Durchführungen, Einbauteilen, den anderen Spannglieder oder der Betonstahlbewehrung kann oft nur in der räumlichen Dar-
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125
stellung festgestellt werden. Beim Verziehen der Spannglieder entstehen zudem zusätzliche Umlenkkräfte, die bei der Bemessung zu berücksichtigen sind. Ein weiterer schwieriger und sorgfältig zu konstruierender Bereich ist die Vielzahl an Verankerungskörpern der Spannglieder. Sie bilden erhebliche Störelemente im regelmäßigen Stabraster der Betonstahlbewehrung. Neben der erforderlichen Wendelbewehrung im Ankerbereich der Spannglieder sind Zusatzbewehrungen gemäß Zulassung zu berücksichtigen und die Nischengeometrie bzw. Lisenengeometrie konstruktiv detailliert durchzubilden. Bei Spannanker, die in Lisenen aus dem Querschnitt herausgeführt werden, zeigen sich die Platzverhältnisse günstiger als bei Nischen im Querschnitt. Hingegen ist bei Lisenen das Zusatzmoment aus der vergrößerten Exzentrizität zum Regelquerschnitt sowie das Verziehen der Spanngliedern in die Solllage durch das regelmäßige Raster der Betonstahlbewehrung hindurch zu beachten. Sind Nischen zur Verankerung der Spanngliedkräfte vorgesehen, empfiehlt es sich die Platzverhältnisse detailliert (zum Beispiel 1:5 oder gar 1:1) zu untersuchen und Mindestabmessungen der betroffenen Bauteile zu definieren.
2.2 Bemessung und Konstruktion der Betonstahlbewehrung Für die Grundbewehrung der Betonstahlbewehrung ist ein regelmäßiges Raster, das die Gradeinteilung des Kreises aufnimmt von Vorteil. Das Aufweiten im unteren Bereich bzw. Verjüngen des Kegels oben, erfordert ein häufiges Anpassen der Betonstahlbewehrung. Erhöhte Aufmerksamkeit ist auf die Übergangs- und Stossbereiche der einzelnen Bauabschnitte zu legen, da es hier zu erheblichen Bewehrungskonzentrationen kommen kann. Die Verwendung von Schraubstößen kann in diesen Bereichen Abhilfe schaffen. Die Bemessung der Betonstahlbewehrung erfolgt im Wesentlichen infolge Rissbreitenbeschränkung. Die Beanspruchung resultiert aus der Last- und Zwangseinwirkung. Für die Bemessung der Bewehrung infolge Beschränkung der Rissbreite ist die Zugfestigkeit zum Zeitpunkt der Rissentwicklung maßgebend und somit der Zeitpunkt des Vorspannens entscheidend. Die Schalungskonstruktion muss zum Vorspannzeitpunkt abgelassen bzw. abgebaut sein. Deshalb ist eine Abstimmung der Schalungssystems mit den Vorspannprogramm und der daraus resultierenden zeitlichen Abläufe für die Bemessung unerlässlich. Der Bauablauf beeinflusst direkt die Bemessungskriterien des Betonstahls.
126
Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter
3 Ausführung 3.1 Verlegen der Betonstahlbewehrung Eine einfache Rastereinteilung der Betonstahlbewehrung erleichtert die Verlegung. Der Einbau der Bewehrung erfordert in einem 45 Grad steigenden Trichter nahezu akrobatische Fähigkeiten des Verlegtrupps. Je einfacher die Bewehrungssystematik vorgegeben ist, desto kleiner sind die Montagetoleranzen bei der Umsetzung.
Abb. 4. Verlegen der Betonstahlbewehrung im unteren Trichterbereich
Für die Arbeitssicherheit sind hohe Anforderungen zu erfüllen. Dabei dürfen die betrieblichen Abläufe nicht gestört werden. Zusätzliche Arbeitsbühnen dienen als Zugang für die Montagetrupps. Der Einbau in der Schräge sollte nur von geübten Fachkräfte durchgeführt werden.
3.2 Verlegen der Spannstahlbewehrung Der maßgenaue Einbau der Spannglieder fordert eine enorme Leistung der Arbeitsvorbereitung und der Montagetruppe. Die genaue Lagesicherheit der hyperbolischen Spannglieder muss in der schrägen Trichterwand in Kreuzungsbereichen
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127
unter Baustellen- und Betonierbetrieb gewährleistet werden. Das bedeutet, dass bis zu drei Lagen sich kreuzende hyperbolische Spannglieder und eine Lage vertikale Loopspannglieder sowie Ringspannglieder verlässlich durch Abstandhalterkonstruktionen in der geforderten Lage sicher liegen. Die Spannglieder werden direkt von der Kabeltrommel abgerollt und eingebaut. Die vertikalen Spannglieder werden auf Hilfsbühnen zwischengelagert.
Abb. 5. Verlegen der Spannstahlbewehrung, direkt von der Rolle
128
Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter
4 Betonage 4.1 Betonierbarkeit und Schalungssystem Im unteren Kegelbereich beeinflussen neben der Bauteildicke, die mehrlagig eingebaute Spann- und Betonstahlbewehrung, die Einbauteile sowie die Ausbildung der Konterschalung die Betonierbarkeit. Dabei sind unterschiedliche Schalungssysteme miteinander zu vergleichen. Im Wesentlichen kann in zwei Systeme unterschieden werden, eine vorgefertigte geschlossene innere Konterschalung, die das Betonieren durch angeordnete Betonieröffnungen zulässt sowie eine offene Schalung - als Gerippe -, die während des Betonierens kontinuierlich, dem Fortschritt entsprechend, geschlossen wird. Die geschlossene Schalung besitzt den Vorteil, dass während des Betonierens keine Schalarbeiten durchgeführt werden müssen. Der Nachteil ist, dass das Einbringen und das Verdichten des Betons nur durch die örtlichen Betonieröffnungen begrenzt, möglich ist. Das offene Schalungssystem lässt eine freiere Betonage zu.
4.2 Selbstverdichtender Beton Aufgrund der beschriebenen verschiedenen schwierigen Rahmenbedingungen zur Verwendung von normalem Rüttelbeton, entschloss sich die ausführende Firma vorerst im ersten Bauabschnitt im unteren Trichterbereich einen selbstverdichtenden Beton einzusetzen. Professor Reinhard, Technische Universität Stuttgart, begleitete mit einer gutachterlichen Stellungnahme die Festlegung der Betonrezeptur. Als Grundlage für die gutachterliche Stellungnahme diente die Richtlinie für selbstverdichtenden Beton vom Deutschen Ausschuss für Stahlbeton [3,4] und die Eignungsprüfung. Die Richtlinie ist bisher nicht allgemein bauaufsichtlich eingeführt, weshalb eine Zustimmung im Einzelfall bei der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern erforderlich wurde. Zur Zeit wird für den zweiten Bauabschnitt die Verwendung des selbstverdichtenden Beton in Erwägung gezogen. Im zweiten Bauabschnitt werden alle 220 hyperbolischen Spannglieder sowie Ringspannglieder verankert und vorgespannt. Deshalb wurde eine gutachterliche Untersuchung durch Professor Zilch hinsichtlich der Verankerung der Spannglieder im selbstverdichtenden Beton durchgeführt. Aus früheren Projekten [5] ist bekannt, dass das Rissverhalten des selbstverdichtenden Betons im Ankerbereich beim Push-Out Test nach ETAG 013 [6] empfindlicher reagiert als im Vergleich zu normalem Rüttelbeton. Die Zusatzbewehrung im Ankerbereich gemäß Zulassung wurde aufgrund der Versuchsdurchführung im Rahmen der Zustimmung im Einzelfall geringfügig angepasst. Die Zugfestigkeit des selbstverdichtenden Betons fällt im Regelfall höher aus als bei Normalbeton [7]. Das wurde im Rahmen der Untersuchungen anhand von
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129
Biegezugprüfungen bestätigt. Die höhere Betonzugfestigkeit sollte im Rahmen der Nachbehandlung und Bemessung berücksichtigt werden. In der Literatur werden unterschiedliche Ansätze für die Festlegung des Betonierdrucks bei selbstverdichtenden Beton beschrieben. In der Richtlinie [3] wird die Anwendung des hydrostatischen Druckes für die Bemessung der Schalung empfohlen. Weitere Kriterien für die Beurteilung des Schalungsdruckes ist die Art des Einbringens, mittels Pumpe von unten oder von oben geschüttet. Essentiell ist die betontechnologische Auslegung des Betons, das Ansteifverhalten, der Erstarrungszeitpunkt, die Art und Menge der Feinzuschläge und die Frischbetontemperatur sowie die Verwendung von Zusatzmitteln (z.B. Stabilisatoren, Verzögerer, usw.). Dabei ergibt sich zum Teil ein geringerer Schalungsdruck als bei Normalbeton [8]. In unserem Bauvorhaben wird der Schalungsdruck messtechnisch begleitet, so dass eine Steuerung der Betoniergeschwindigkeit und implizit des Betonerdruckes während der Betonage möglich ist.
Abb. 6. Ergebnis der Probebetonage mit verschiedenen Rezepturen
Um Erfahrung mit dem neuen Werkstoff zu gewinnen, wurde ein Ausschnitt des Behälters (in vier Teile untergliedert) - im Maßstab 1 zu 1 - als Probekörper nachgebaut. Die Probebetonage gibt dem Personal Erfahrung mit dem zähflüssigen ungewöhnlichen Betonwerkstoff. Zudem zeigte es den 2 bis 3-mal höheren Zeitbedarf beim Mischen auf. Die Betonpumpe muss aufgrund des klebrigen und zähen Werkstoffes sehr leistungsfähig sein. Begleitet wird die Betonage durch eine umfangreiche Qualitätskontrolle zur Beurteilung der Frischbetoneigenschaften um bei eventuellen Unregelmäßigkeiten reagieren zu können. Ein eingewiesenes Ersatzwerk mit Erfahrung wird vorgehalten.
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Bemessung und Ausführung neuer Faulbehälter
5 Projektbeteiligte Bauherr:
Münchener Stadtentwässerung
Objektplanung und Tragwerksplanung: Planungsgemeinschaft: Obermeyer Planen und Beraten, GmbH Ackermann und Partner, Architekten BDA GEK Consult, Beratende Ingenieure GmbH Ausführung:
ARGE: Wayss & Freytag und Bauer Spezialtiefbau Subunternehmer: Spannsystem: VT Vorspanntechnik Schalungssystem: Gleitbau Salzburg Betonlabor: Ingenieurbüro Körner Betonlieferwerk: Schüring Beton Planung Unternehmervariante: Peter Jäger Partner AG, Basel
Objektüberwachung: Obermeyer Planen und Beraten Prüfingenieur: Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch, Zilch-Müller-Hennecke
6 Literatur [1] Achermann, M.; Seiler, M.: Erfahrungen mit der Anwendung der DIN 1045-1 am Beispiel Klärwerk Gut Großlappen, SEW München: Neubau des Klärwerks. Massivbau 2004; Forschung, Entwicklung und Anwendung; Springer VDI Verlag [2] Müller, A.; Stettner, C.: Erfahrungen mit der Anwendung der DIN 1045-1 am Beispiel Klärwerk Gut Großlappen, SEW München: Besondere Aspekte der Bemessung und Konstruktion. Massivbau 2004; Forschung, Entwicklung und Anwendung; Springer VDI Verlag [3] Richtlinie „Selbstverdichtender Beton“ (Ergänzung zu DIN 1045: 1988-07), Deutscher Ausschuss für Stahlbeton im Deutschen Institut für Normung, Juni 2001, Berlin [4] Richtlinie „Selbstverdichtender Beton“ (Änderung und Ergänzung zu DIN 1045-1: 2001-07), Deutscher Ausschuss für Stahlbeton im Deutschen Institut für Normung, November 2003, Berlin [5] Gläser, C.: Verankerungsbereiche von Spannverfahren in selbstverdichtendem Beton. Massivbau 2004; Forschung, Entwicklung und Anwendung; Springer VDI Verlag [6] ETAG 013, Ausgabe Juni 2002: „Leitlinie für europäische technische Zulassung für Spannverfahren zur Vorspannung von Tragwerken“, European Organisation for Technical Approvals (EOTA), Brüssel
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[7] Reinhardt, H.W.: 1. Richtlinie SVB des DafStb. 1. Münchner Baustoffseminar – Selbstverdichtender Beton – Oktober 2001. Lehrstuhl für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung, Technische Universität München [8] Brameshuber, W.; Uebachs, S.: Schalungsdruck bei Verwendung von selbstverdichtendem Beton, Forschungsbericht F848, 15.08.2003. JBAC, Institut für Bauforschung, Technische Universität Aachen
Modellierung komplexer Strukturen am Beispiel zweier Großprojekte im Hochbau Gregor Hammelehle
Unregelmäßige und filigrane Gebäudestrukturen, schlanke Aussteifungssysteme oder die Verbindung von alter mit neuer Gebäudestruktur stellen erhöhte Anforderungen an die Qualität der baustatischen Modellierung. Oft sind ebene Ersatzbetrachtungen für eine abschließende Beurteilung dieser komplexen Systeme nicht mehr ausreichend, so dass bei der Abbildung häufig räumliche Modellierungen am Gesamtsystem unter Berücksichtigung der zugehörigen Steifigkeiten gewählt werden. Im Folgenden werden am Beispiel zweier Hochbauprojekte räumliche Fachwerk- und Finite-Elemente-Modelle für die Beurteilung der Aussteifung, der vertikalen Lastweiterleitung sowie der Gründung vorgestellt.
1 Hochhausprojekt 1.1 Baubeschreibung Das vorgestellte Bauvorhaben teilt sich in einen ca. 65 m hohen, 17-stöckigen Hochhausbereich mit den Grundrissabmessungen von ca. 20 x 25 m und einen seitlich anschließenden ca. 25 m hohen Flach- bzw. Längsbau, welcher im Grundriss die Abmessungen von ca. 20 x 75 m hat. Die beiden Gebäudeteile sind über die durchgehenden, fugenlosen Deckenscheiben bis zur Decke über dem 4. OG kraftschlüssig miteinander verbunden. Das Gebäude ist auf seiner gesamten Grundfläche dreistöckig unterkellert, wobei der Kellerkasten als „Weiße Wanne“ ausgebildet wird. Die vertikale Lastabtragung erfolgt über Stahlbeton- bzw. Verbundstützen sowie über je zwei Stahlbetonkerne im Hochhaus- und Längsbaubereich. Die Stahlbetonkerne bilden zudem die horizontalen Aussteifungselemente. Die Gründung beider Gebäudeteile erfolgt auf einer durchgehenden, fugenlosen Bodenplatte. In statischer Hinsicht liegt die Besonderheit des Bauvorhabens vor allem in dem komplexen Aussteifungssystem, welches sich durch die stark exzentrische Lage und die großen Schlankheiten der beiden Hochhauskerne kennzeichnet. Insbesondere durch die vorhandene Kopplung mit den beiden Aussteifungskernen
134
Modellierung komplexer Strukturen
des Längsbaus im Bereich der unteren Geschossdecken sowie die Einspannung der Kerne in die drei Untergeschosse wird eine vereinfachte Beurteilung des Tragverhaltens unmöglich. Eine weitere Besonderheit ergibt sich im Bereich der Gründung infolge des deutlich unterschiedlichen Lastniveaus von Hochhaus und Längsbau. Im Hinblick auf die Ausbildung als „Weiße Wanne“ gelten dabei erhöhte Anforderungen an die Abbildung der durchgehenden Bodenplatte.
1.2 Modellierung Die Modellierung der Aussteifung, der vertikalen Lastweiterleitung sowie der Gründung erfolgt im Rahmen der baustatischen Prüfung in zwei Schritten. Dabei wird in ein Tragsystem oberhalb und unterhalb der Decke über 1. UG unterschieden. Das Tragverhalten oberhalb der Decke über dem 1. UG wird mit Hilfe eines räumlichen Fachwerkmodells beurteilt, welches derart konzipiert wird, dass sowohl Aussagen über die vertikale als auch über die horizontale Lastabtragung möglich sind (siehe Abbildung 1). Die Aussteifungskerne des Hochhauses werden als Biegestäbe mit den zugehörigen Querschnittswerten abgebildet. Dieses vereinfachte Vorgehen ist ausreichend, weil die beiden Kernquerschnitte über die gesamte Höhe weitestgehend unverändert bleiben. Die Stahlbeton- bzw. Verbundstützen werden als Pendelstäbe diskretisiert, die Deckenscheiben werden mit ebenen Fachwerksystemen modelliert, wobei die Scheibensteifigkeiten den tatsächlichen Steifigkeiten der entsprechenden Stahlbetondecken entsprechen. Die beiden Aussteifungskerne im Bereich des Längsbaus werden mit Hilfe lokaler räumlicher Fachwerke abgebildet. Sämtliche Pendelstützen sowie die Fachwerkstäbe der Aussteifungskerne des Längsbaus sind im Bereich der Decke über 1. UG vertikal und horizontal unverschieblich gelagert. Die Biegestäbe der Hochhauskerne sind zudem auf Höhe der Decke über 1. UG allseitig eingespannt. Die horizontale Lastaufbringung infolge Wind und Schiefstellung erfolgt unter Berücksichtigung der exakten Lastangriffspunkte auf Höhe der einzelnen Deckenscheiben. Die vertikalen Lasten im Bereich der Stützen und der Kerne resultieren aus unabhängigen Deckenberechnungen. Die Berechnungen werden sowohl nach Theorie 1. Ordnung als auch nach Theorie 2. Ordnung durchgeführt. Die Beurteilung der Lastweiterleitung sowie der Gründung erfolgt im Anschluss mit Hilfe eines räumlichen Finite-Elemente-Modells (siehe Abbildung 2). Die maßgebenden Wandscheiben der Aussteifungskerne und weiterer, für die Lastabtragung relevanter Wandscheiben, werden unter Berücksichtigung von Wandöffnungen mit Schalenelementen modelliert. Die Deckenscheiben der Untergeschosse werden mit Plattenelementen abgebildet. Unterzüge, die an der Lastabtragung der Stützen des Erdgeschosses beteiligt sind, werden als Plattenbalken mit den zugehörigen Querschnittswerten in die Decken integriert. Stützen, die sich
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135
in den Untergeschossen fortsetzen werden mit Stabelementen abgebildet. Die Modellierung der Bodenplatte erfolgt mit Hilfe elastisch gebetteter Plattenelemente. Als theoretische Grundlage für das Tragverhalten der Bodenfedern dient das Bettungsmodulverfahren. Als Eingangslasten dienen zum einen die Reaktionskräfte der Fachwerkberechnung und zum anderen die feldweise verteilten Flächenlasten im Bereich der Untergeschossdecken. Aussteifungskerne Hochhaus
Aussteifungskerne Längsbau
Abb. 1. Modellierung der Aussteifung mit Hilfe eines räumlichen Fachwerkmodells.
Abb. 2. Räumliche Modellierung der Lastabtragung in den Untergeschossen.
136
Modellierung komplexer Strukturen
1.3 Beurteilung der Modellierung Die Abbildung der Aussteifung mit Hilfe des gewählten räumlichen Fachwerkmodells unter Berücksichtigung der Bauteilsteifigkeiten, in Verbindung mit der detaillierten Lastaufbringung, ermöglicht eine genaue Beurteilung der auf die einzelnen Kerne abfallenden Lastanteile. Zudem lassen sich die zugehörigen Koppelkräfte im Bereich der durchlaufenden Geschossdecken nach Größe und Lage exakt bestimmen. Aufgrund der vereinfachten Modellierung der Hochhauskerne als Biegestäbe können die Beanspruchungen anschaulich anhand von Schnittgrößenverläufen dargestellt und mit einfachen Vergleichsrechnungen überprüft werden. Auf Grundlage der räumlichen Finite-Elemente-Berechnung kann das scheibenartige Lastabtragungsverhalten der Aussteifungswände in den Untergeschossen unter Berücksichtigung sämtlicher Wandöffnungen hinreichend genau abgebildet und beurteilt werden. Die Lastabtragung des Kerneinspannmoments erfolgt zum einen über die sich ausbildenden horizontalen Kräftepaare im Bereich der Deckenscheiben und zum anderen über exzentrisch verteilte Auflagerreaktionen im Bereich der Bodenplatte. Für die Bestimmung der beiden Traganteile stellt die realitätsnahe Abbildung der Kernwände eine unabdingbare Voraussetzung dar. Im Bereich der Gründung ermöglicht die realitätsnahe Modellierung zudem eine detaillierte Untersuchung der Bodenplatte und der zu erwartenden Bodenpressungen unter Berücksichtigung verschiedener Grenzbetrachtungen bei der Wahl der Bettungskennwerte.
2 Innerstädtisches Büro- und Verwaltungsgebäude 2.1 Baubeschreibung Das im Folgenden beschriebene Bauvorhaben stellt einen 10-geschossigen Neubau eines innerstädtischen Büro- und Verwaltungsgebäudes mit teilweiser Anbindung an die benachbarten Bestandsgebäude dar. In Teilbereichen kragt der Neubau sogar über die bestehenden Gebäudeteile hinaus. Das Gebäude wird in Massivbauweise ausgeführt. Die vertikale Lastweiterleitung erfolgt über Stahlbetonstützen und Stahlbetonkerne, in Teilbereichen werden bestehende Gebäudebauteile in die vertikale Lastabtragung miteinbezogen. An der horizontalen Aussteifung beteiligen sich in erster Linie die drei Stahlbetonkerne des Neubaus und, infolge kraftschlüssiger Anbindung, ein weiterer Aussteifungskern eines Bestandsgebäudes.
Gregor Hammelehle
137
Im Bereich des ungestörten Neubaus wird das Gebäude einfach unterkellert, die Gründung erfolgt in diesem Bereich auf einer durchgehenden Bodenplatte. In einer Tiefe von ca. 20 m verlaufen zwei bestehende U-Bahn-Röhren. In statischer Hinsicht kennzeichnet sich das Projekt aufgrund der komplexen vertikalen Lastweiterleitung im Gegensatz zum erstgenannten Bauvorhaben durch erhöhte Anforderungen bei der Modellierung der Aussteifungskerne im Rahmen der Aussteifungsberechnung. Der einseitig an die bestehende Bebauung angrenzende Aussteifungskern „1“ (siehe Abbildung 3) erhält aus den oberen Neubaugeschossen große und stark exzentrische vertikale Einzelkraftbelastungen. Zusätzlich wird der Kern infolge Wind und Schiefstellung maßgeblich auf Torsion belastet. Die Lastabtragung wird durch den Querschnittssprung beim Übergang vom 4. zum 5. OG erheblich beeinflusst. Zudem ist der Lastfluss im Kernbereich durch zahlreiche Wandöffnungen gestört. Die Anbindung des auf der gegenüberliegenden Neubauseite angeordneten Aussteifungskerns „3“ an den massiven Aussteifungskern des Bestandsgebäudes erfolgt über eine schubfeste Verbindung der beiden Kernaußenwände und zusätzlich über die scheibenartige Verbindung infolge des durchgehenden Deckenanschlusses über dem 6. OG. Die Kopplung von Neubau und Altbau hat sowohl auf die Lastabtragung der horizontalen als auch der vertikalen Lasten erheblichen Einfluss. An die Ermittlung der Bodenpressung sind im Hinblick auf die Beurteilung der bestehenden U-Bahn-Röhren besonders hohe Genauigkeitsanforderungen gestellt.
2.2 Modellierung Die rechnerischen Untersuchungen zur Aussteifung und zur vertikalen Lastweiterleitung im Bereich der hochbelasteten Stahlbetonkerne erfolgen in den Betrachtungen des Prüfingenieurs am Gesamtsystem mit Hilfe reines räumlichen FiniteElemente-Faltwerks (siehe Abbildung 3). Die Modellierung der Aussteifungskerne erfolgt mit Schalenelementen. Es werden nur die maßgebenden bzw. übergeordneten Wandscheiben berücksichtigt. Wandöffnungen, die den Lastfluss maßgeblich beeinflussen, werden bei der Modellierung ebenfalls beachtet. Die Wandscheiben werden auf elastisch gebetteten Linienlagerungen aufgelagert, deren jeweilige Steifigkeit aus einer detaillierten Bodenplattenberechnung resultiert. In Abbildung 4 sind exemplarisch die aussteifenden Wandscheiben des 4. OG dargestellt. Die einzelnen Kerne werden vereinfacht über horizontale Fachwerksysteme auf Höhe der Geschossdecken miteinander gekoppelt, wobei die Steifigkeiten den Scheibensteifigkeiten der tatsächlichen Deckenscheiben entsprechen. Im Bereich der Kerne werden die Geschossdecken mit Finiten Plattenelementen modelliert. Die schubsteifen Verbindungen von Alt- und Neubau im Bereich der Kerne „3“ und „Bestand“ werden mit Hilfe von Starrkörperkopplungen modelliert.
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Modellierung komplexer Strukturen
Sämtliche an der Aussteifung beteiligten Bauteile werden in systematisch organisierte Gruppen aufgeteilt, die im Rahmen der Ergebnisauswertung eine losgelöste Betrachtungen einzelner Wandscheiben ermöglichen. Die horizontalen Lasten infolge Wind und Schiefstellung werden unter Berücksichtigung der erforderlichen Exzentrizitäten auf Höhe der Deckenscheiben realitätsnah in Form von Linienlasten aufgegeben. Die von den einzelnen Kernwänden abzutragenden Vertikallasten werden im Rahmen von unabhängigen Vorlaufberechnungen, wie z.B. ebenen Deckenberechnungen, ermittelt. Die anschließende Lastaufbringung auf das Aussteifungsmodell wird durch die systematische Organisation der Einzelwände erheblich vereinfacht. Die Auflagerreaktionen der Aussteifungsberechnung dienen im Rahmen der weiteren Bearbeitung als Eingangswerte für eine mit Hilfe von elastisch gebetteten Finiten-Plattenelementen durchgeführten Bodenplattenberechnung. Kern 3 Kern 1
Bestandskern
Abb. 3. Räumliche Abbildung der Aussteifung mit Hilfe eines Finite-Elemente-Faltwerks.
Abb. 4. Aussteifende Wandscheiben im 4. OG.
Gregor Hammelehle
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2.3 Beurteilung der Modellierung Auf Grundlage des räumlichen Aussteifungsmodells mit der detaillierten Abbildung der Aussteifungskerne lässt sich insbesondere im Bereich des hochbelasteten Kerns „1“ die Lastein- und Lastweiterleitung entsprechend der vorhandenen Steifigkeiten realitätsnah erfassen. Aufgrund der zusätzlichen lokalen Berücksichtigung der Deckensteifigkeiten kann zudem das Zusammenspiel einzelner KernTeilquerschnitte im Hinblick auf die zu übertragenden Schubbeanspruchungen hinreichend genau beurteilt werden. Vergleichbar lassen sich auch die Untersuchungen bezüglich der gegenseitigen Beeinflussung von Alt- und Neubau im Bereich der Kerne „3“ und „Bestand“ beurteilen, wo die zu übertragenden Schub- und Zugkräfte und die anschließende Lastweiterleitung in Abhängigkeit unterschiedlicher Gründungssteifigkeiten ermittelt werden können. Trotz der detaillierten Abbildung der einzelnen Wandscheiben kann die Übersichtlichkeit im Rahmen der Ergebnisauswertung aufgrund der systematischen Bauteilorganisation gewährleistet werden. Damit eignet sich die vorgestellte räumliche Modellierung neben globalen Betrachtungen auch für die lokale Bauteilbemessung. Die Untersuchung der Lastweiterleitung unter Berücksichtigung der Bauteilsteifigkeiten bildet die Voraussetzung für eine ausreichend genaue Ermittlung der zusätzlich auf die bestehenden U-Bahn-Röhren wirkenden Bodenpressungen. Mit der gewählten Modellierung am Gesamtsystem und der anschließenden Bodenplatten-Nachlaufrechnung lassen sich detaillierte Belastungsbilder in Abhängigkeit variierender Bodenkennwerte erstellen.
3 Fazit Im Rahmen des Beitrags wurden am Beispiel zweier Großprojekte aus dem Hochbau drei unterschiedliche, räumliche Modellierungen vorgestellt. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Art und Genauigkeit der jeweils gewählten Modellierung maßgeblich von der jeweiligen Problemstellung abhängig ist. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass räumliche Abbildungen, vorausgesetzt, sie werden auf das Wesentliche beschränkt, ein geeignetes Hilfsmittel bei der Beurteilung komplexer Strukturen darstellen. Auf die Übersichtlichkeit und Überprüfbarkeit der Ergebnisse ist besonders zu achten.
Baustatische Prüfung bei beiden Projekten:
Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch (Zilch – Müller – Hennecke GbR)
Komplex „Föderation“, Moskau-City Ʉɨɦɩɥɟɤɫ «Ɏɟɞɟɪɚɰɢɹ» Ɇɨɫɤɜɚ - ɋɢɬɢ
Wolfram Haumer, Andreas Rogge
Auf Beschluss der Moskauer Regierung wurden für das am Ufer der Moskwa, westlich des alten Stadtzentrums gelegene Gebiet „Moskau-City“ besondere Rahmenbedingungen für eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung geschaffen. Ein Projekt dieses neuen Stadtkerns ist der Gebäudekomplex „Föderation“. In einem beschränkten Realisierungswettbewerb setzte sich ein deutsches Planerteam mit den Architekten Sergej Tchoban (nps tchoban voss) und Prof. Peter Schweger (ASP Architekten Schweger Partner) an der Spitze durch (Abb. 1). Mit der Entwurfsplanung des Tragwerkes wurde eine Arbeitsgemeinschaft der Ingenieurbüros Schüßler-Plan Berlin und Leonhardt, Andrä und Partner beauftragt. Bauherr des kühnen Vorhabens ist die russische Baufirma Stroymontage. Neben dem Komplex „Föderation“ werden im Gebiet Moskau-City u.a. der „Turm Russland“ mit über 500m Höhe (SOM-Architekten) sowie das russische Parlament (Duma) ihren Platz finden. Während der „Turm Russland“ noch auf seine Realisierung wartet, ist der Baubeginn für den Komplex „Föderation“ bereits für das Jahr 2004 vorgesehen. Damit hat dieses Projekt die Chance, zumindest zwischenzeitlich das höchste Abb. 1. Animation des Haus Europas zu werden. Gesamtbauwerkes
1 Bauwerk Der Gebäudekomplex besteht aus einer Sockelbebauung mit 3 Unter- und 3-5 Obergeschossen auf einer Grundfläche von 70m x 140m. Im Zentrum des Grundstücks ragen zwei Hochhäuser auf nahezu dreieckigem Grundriss (Abb. 2) und ei-
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Komplex „Föderation“, Moskau-City
ner Höhe von 340m bzw. 160m auf, die von einem Fahrstuhlturm, der sich wie eine Nadel in den Himmel reckt, überragt werden. Die 90 Bürogeschosse werden im Abstand von jeweils 15 Geschossen durch zwei Sondergeschosse unterbrochen, die im Gesamttragwerk folgende Funktionen übernehmen: Abfangung der im Abstand von 15 Geschossen verspringenden Innenstützenreihe zur Realisierung der jeweils in zwei der drei Ebenen vorgesehenen Fassadenneigung von ca. 4° Bauzeitliche Abfangung der Geschosslasten Abb. 2. Regelgrundriss zur Beschleunigung des Bauablaufes durch zeitgleiche Erstellung der Geschosse auf mehreren Ebenen (Abb. 3) Mitwirkung an der Gebäudeaussteifung durch schubsteife Verbindung des Kerns mit den Außen- und Megastützen Nutzung als Technik- bzw. Konferenzbereiche Die Tragfähigkeit und das Verformungsverhalten der Gesamtstruktur während des Bauzustandes wurden im Entwurf ergänzend untersucht und die Machbarkeit des gewählten Montagekonzeptes nachgewiesen. Die Gründung der Hochhäuser wurde als Pfahlgründung mit ca. 180 bzw. 120 Pfählen = 180cm unter zwei Pfahlkopfplatten mit d = 250cm entworfen. Unter der für Moskau typischen Bodenschichtung aus Kalksteinbänken mit eingelagerten Tonbändern wurde eine ausreichend tragfähige Felsschicht in einer Tiefe von 23,5m unter der geplanten Gründungsordinate angetroffen. Die wahrscheinlichen Setzungen wurden für die Pfahlgründung zu ca. 40mm (gegenüber ca. 170mm für eine Flachgründung) ermittelt.
2 Aussteifung Bei einer Gebäudehöhe von 340m ist eine Tragwerksaussteifung mittels innen liegender Stahlbetonkerne allein nicht mehr ausreichend. Ergänzend sind aussteifende Elemente in der Fassadenebene mit entsprechend größerem Hebelarm heranzuziehen. Hierfür kommen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht: Bei „tube in tube“-Systemen wird die gesamte Fassadenebene als mittragende Lochfassade aus Stahlbeton ausgebildet. Die schub- und ggf. biegesteife Verbindung des inneren und äußeren „Rohres“ wird in der Regel über die Deckenscheiben verwirklicht.
Abb. 3. Bauablauf
Wolfram Haumer, Andreas Rogge
143
Eine größere Transparenz der Fassadenebene wird durch „Outrigger“-Systeme erreicht. Hierbei werden lediglich einzelne, sehr steife vertikale Tragelemente in oder unmittelbar hinter der Fassade angeordnet und durch Rahmenriegel mit dem Kern verbunden. Für den Gebäudekomplex „Föderation“ wurde in Abstimmung mit den Architekten eine Tragwerkslösung des „Outrigger“-Typs entwickelt, bei welcher jedoch die außen liegenden Tragelemente auf ein Mindestmaß reduziert werden sollten. Nach umfangreichen statischen und dynamischen Untersuchungen wurden letztlich folgende Bauteilabmessungen festgelegt: Kernwände mit Betongüten bis C 70/85 und Wanddicken d = 90...150cm Außenstützen in Stahlverbundbauweise = 60...80cm 6 „Megastützen“ (d = 150cm) in Verlängerung der Kernwände (Abb. 2) Die Momente infolge Horizontallasten und Stabilisierung werden mit diesem Tragsystem zu 60% vom Kern und zu ca. 40% von den Außenstützen abgetragen. Die jeweils über zwei Geschosse reichenden Outrigger werden mit Stahl- bzw. Stahlverbundprofilen als räumliche, den Kern umschließende Fachwerke ausgebildet und für folgende Beanspruchungen dimensioniert: Lastübertragung zwischen Kern und Außenstützen aus der Aussteifung des Gesamttragwerkes Verteilung der Zwangskräfte infolge unterschiedlicher Vertikalverformungen zwischen Stahlbetonkern und StahlverbundAußenstützen (s.u.) Abfangung der Vertikallasten aus der Innenstützenreihe aus jeweils 15 Geschossen im Endzustand Abfangung der bauzeitlichen Vertikallasten aus jeweils 15 Geschossen im Bauzustand Die oben und unten anschließenden Geschossdecken wirken in Verbindung mit den Restquerschnitten der Kerndecken als umlaufende Scheiben, so dass sich die dreiseitig symmetrischen Komponenten der horizontalen Lasten kurzschließen und nur die asymmetrischen Lastanteile in den Kern eingeleitet werden (Abb. 4). Mit dieser Konstruktion sind biegesteife Anschlüsse der RegelGeschossdecken an den Kern entbehrlich, so dass die konstruktive Ausbildung dieser Anschlüsse erheblich vereinfacht werden kann. Abb. 4. Tragsystem der Abfangegeschosse
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Komplex „Föderation“, Moskau-City
3 Modellierung Die statischen und dynamischen Berechnungen wurden mit dem Programmsystem SOFISTIK durchgeführt. Zur Verkürzung der Rechenzeiten und zur parallelen Bearbeitung der verschiedenen Fragestellungen wurde das Gesamttragwerk in mehreren Teilsystemen untersucht: 1. Der Stahlbetonkern wurde mit finiten Schalenelementen modelliert, um sowohl das Gesamttragverhalten als aussteifendes Bauteil als auch das lokale Tragverhalten z.B. im Bereich der Türöffnungen zu untersuchen. 2. Das Gesamtsystem wurde in einem zweiten Berechnungsschritt als reines Stabwerk abgebildet. Die für die Gesamtaussteifung nicht mitwirkenden Innenstützen sowie die Geschossdecken wurden als Eigen- und Verkehrslasten auf den Abfangeträgern angesetzt. Die Biege-, Schub- und Torsionssteifigkeiten des Kerns wurden unter Ansatz von Einheitslasten auf das Scheibentragwerk nach 1. ermittelt und im Gesamtsystem einem Ersatzstab Abb. 5. Tragwerksmodell zugewiesen. 3. Für die Ermittlung der Lastverteilung in der Gründungsebene wurden zusätzliche finite Plattenelemente angeordnet, die in den untersuchten Gründungsvarianten auf Bettungsfedern (Flachgründung) bzw. Einzelfedern (Pfahlgründung) gelagert wurden. Ein aus obigen Komponenten zuammengesetztes Gesamtmodell (ohne Geschossdecken) ist in Abb. 5 dargestellt.
4 Berechnungen Als erster Schritt wurden sowohl die anzusetzenden Lasten als auch das grundlegende Bemessungskonzept der deutschen und russischen Normen miteinander verglichen. Das Zuverlässigkeitsniveau des russischen Nachweiskonzeptes mit Teilsicherheitsbeiwerten liegt auch unter Berücksichtigung des um 20% höher anzusetzenden Sicherheitsniveaus für diese Gebäudeklasse geringfügig unter dem Niveau der aktuellen deutschen Vorschriften. Die Berechnungen für den Entwurf konnten daher nach dem aktuellen deutschen Regelwerk durchgeführt werden. Die für die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit und Tragfähigkeit anzusetzenden Windlasten nach russischer Norm entsprechen näherungsweise den in
Wolfram Haumer, Andreas Rogge
145
Deutschland üblichen Lastannahmen für Hochhäuser. Gemäß der russischen Vorschrift ist für die Nachweise der Gebrauchstauglichkeit eine Windlast anzusetzen, die sich aus statischen und dynamischen Komponenten zusammensetzt. Unter Berücksichtigung der Gebäudehöhe und -form, des umgebenden Geländes, der Eigenfrequenz und der Massenbelegung des Gebäudes ergibt sich der charakteristische Wert des hierfür maßgebenden 5-Jahreswindes zu (1) w ges ( 5a ) = w stat + wdyn = 0 ,85 + 0 ,61 = 1,46 kN/m 2 .
[
]
Unter Ansatz einer Gumbel-Wahrscheinlichkeitsverteilung wird aus diesem Wert der für die Nachweise der Tragfähigkeit maßgebende 50-Jahreswind ermittelt: w ges ( 50 a ) = w ges ( 5a ) 1 = 1,46 1,38 = 2 ,01 kN/m 2 . (2) 0 ,85 2 In diesem Wert sind die Korrelationseffekte über die Gebäudehöhe (Nichtgleichzeitigkeit der Spitzenwindlasten an allen Geschossen) bereits enthalten. Die unplanmäßige Schiefstellung des Gebäudes wurde im statischen Modell mit einer Ausmitte von 1 1 = 18 cm (3) a1 = 100 h ges 1844
[
]
entsprechend den Ansätzen der DIN 1045-1 (2001) berücksichtigt. Erdbebenlasten sind in der Moskauer Region gegenüber den Bemessungswindlasten nicht maßgebend und wurden nicht separat berechnet. Sonderlastfälle wie Flugzeuganprall oder Sprengstoffanschläge wurden mit dem Bauherren diskutiert, aber zunächst nicht weiter verfolgt. Aufgrund der abschnittweisen Konstruktion mit Abfangeebenen im Abstand von 15 Geschossen kann jedoch eine gewisse Tragwerksredundanz für lokale Einwirkungen vorausgesetzt werden. Als weiterer maßgebender Lastfall waren für die hier entwickelte Konstruktion die Differenzverformungen der lastabtragenden Bauteile zu berücksichtigen. Aufgrund der gewünschten hohen Steifigkeit des Stahlbetonkerns und der sich daraus ergebenden Wanddicken bleiben dessen elastische Dehnungen deutlich geringer als die elastischen Verformungen der hoch beanspruchten Außenstützen in Verbundbauweise. Diese bereits im Bauzustand bzw. zu Belastungsbeginn auftretenden Differenzverformungen können in der Konstruktion durch Wahl geeigneter Überhöhungen berücksichtigt werden. Die Differenzverformungen infolge Schwindens und Kriechens des Stahlbetonkerns im Gegensatz zu den aufgrund des hohen Stahlanteils sehr geringen Langzeitverformungen der Verbundstützen sind innerhalb der Gesamtkonstruktion als Zwängungen aufzunehmen. Durch einen möglichst späten Anschluss der Außenstützen an die Abfangegeschosse können mit dem geplanten Montagekonzept (Abb. 3) ca. 30% der Differenzverformungen im Bauzustand vor Aktivierung des Gesamtsystems konstruktiv ausgeglichen werden. Die verbleibenden Dehnungsdifferenzen von ca. 20cm für das Gesamttragwerk sind jedoch bei der Bemessung des Kerns, der Außenstützen und der diese verbindenden Outrigger zu berücksichtigen. Die Schnittgrößen infolge der Zwängungen entsprechen in der Lastfallüberlagerung ca. 30% der Gesamtbeanspruchung.
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Komplex „Föderation“, Moskau-City
5 Behaglichkeit Neben den Nachweisen der Gebrauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit ist für Hochhäuser das Schwingungsverhalten ein entscheidendes Entwurfskriterium. Hierfür sind eine Begrenzung der Kopfauslenkung sowie der Kopfbeschleunigung nachzuweisen. Diese Tragwerkseigenschaften werden vom Benutzer direkt wahrgenommen und daher auch als Behaglichkeits-Kriterien bezeichnet. Da die Kopfauslenkung mit zunehmender Steifigkeit des Gebäudes ab-, die Beschleunigung dagegen zunimmt, können beide Anforderungen gleichzeitig nur nach einer iterativen Tragwerksoptimierung erfüllt werden. Im vorliegenden Fall wurde die Kopfauslenkung unter Ansatz des 5-Jahreswindes auf Gebrauchslastniveau mit a = 62cm ermittelt. Der Grenzwert gemäß russischer Vorschrift von amax = 71cm (hges/500) wurde damit eingehalten. Zusätzlich wurde für das 340m hohe Hochhaus unter Ansatz der am Gesamttragwerk ermittelten 1. Eigenfrequenz f0 = 0,105Hz und einer vertikalen Massenbelegung von 690t/m eine Spektralwertanalyse erstellt. Die unter Ansatz des 1-Jahreswindes berechnete Kopfbeschleunigung von 0,07m/s2 in Beanspruchungsrichtung liegt unterhalb des gemäß russischen Vorschriften und internationalen Empfehlungen zulässigen Grenzwertes von 0,8g entsprechend 0,08m/s2. Windinduzierte Querschwingungen infolge Wirbelbildungen können grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Diese sind jedoch erheblich von der Gebäudeform, z.B. Ausrundungen der Gebäudeecken, und der Oberflächenstruktur der Fassade abhängig und können in der Entwurfsphase nur grob abgeschätzt werden. Im vorliegenden Fall konnte durch Grenzwertuntersuchungen gezeigt werden, dass das Problem der Querschwingungen durch entsprechende Berücksichtigung bei der Fassadengestaltung oder im ungünstigsten Fall durch Einbau von Schwingungstilgern im oberen Gebäudebereich in jedem Fall beherrschbar ist. Endgültige Aussagen können jedoch erst nach der Auswertung von Windkanaluntersuchungen getroffen werden.
6 Fazit Die Ergebnisse der Entwurfsplanung für den Komplex „Föderation“ wurden dem Bauherren am 3. Dezember 2003 in Moskau abschließend präsentiert. In der Zwischenzeit wurde ein russisches Planungsteam mit der Erarbeitung einer alternativen Ausführungsvariante beauftragt, in welcher die vom Bauherren als technisch zu schwierig angesehenen Konstruktionselemente, insbesondere die OutriggerSysteme und die Tiefgründung, vermieden werden sollen. Eine ausgearbeitete Tragwerkslösung für diese Variante liegt derzeit allerdings noch nicht vor. Ungeachtet dieser noch ungeklärten Fragen zur Wahl des Tragwerkes wurde im Februar 2004 mit dem Aushub der Baugrube begonnen.
Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Hochhausbau Markus Staller
Dieser Beitrag beschreibt die Erfahrungen mit hochfestem Beton auf einer Hochhausbaustelle in München aus der Sicht der Bauüberwachung und der Bautechnischen Prüfung. Er zeigt die besondere Bedeutung des Zusammenwirkens aller am Bau Beteiligten in Verbindung mit einer vollumfänglichen Bauüberwachung bei Verwendung von Hochleistungsbaustoffen wie hochfestem und selbstverdichtendem Beton sowie hochfesten und geschmiedeten Stählen. Anhand einiger hochbeanspruchter Detailpunkte werden die Besonderheiten bei der Anwendung von hochfestem Beton beschrieben. Insgesamt wurden über 1600 m³ hochfester Beton der Festigkeitsklasse B 85 eingebaut.
1 Einführung Die Highlight Munich Business Towers entstehen in der Parkstadt München-Schwabing. Der Baubeginn erfolgte im Mai 2002, die Fertigstellung ist für September 2004 geplant (Abb. 1). Der Gebäudekomplex besteht aus zwei schlanken 106 m und 123 m hohen Hochhausscheiben mit 28 und 33 Geschossen sowie zwei Gebäuden mit fünf und sieben Geschossen. Die Grundrisse der Hochhäuser sind Parallelogramme, die von Rechtecken mit 80 m x 13,5 m Seitenlänge umschrieben werden. Die Hochhäuser werden durch zwei ein- bzw. zweigeschossige Brücken verbunden, die in die Stahl-Glaskonstruktionen der Aufzugstürme eingehängt sind. Die Gebäudefassaden sind als vorgehängte Alu-Glaskonstruktionen ausgebildet. Die als Stahlrahmen konstruierten Dachschrägen erhöhen durch die vollflächigen Glasdächer die transparente Erscheinung maßgeblich.
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Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Hochhausbau
2 Tragkonstruktion und Aussteifung der Hochhäuser Als primär aussteifende Tragsysteme dienen jeweils in den Endbereichen Stahlverbund-Fachwerksysteme mit einer im Grundriss U-förmigen Struktur (Abb. 2). In Gebäudequerrichtung wird dabei ein aufgespreiztes K-Fachwerk mit biegesteifen Riegeln eingesetzt. Die Systemhöhe der Fachwerke beträgt außer im Erdgeschoss jeweils zwei Geschosse. Die Abtragung der vertikalen Lasten aus den Flachdecken erfolgt je Gebäude über die 8 Stahlverbundstützen der Aussteifungskonstruktionen und über 3 Stahlbeton- sowie 19 Stahlverbundstützen, die als geschosshohe Pendelstützen ausgebildet sind. In Verbindung mit den 28 cm dicken punktgestützten Stahlbeton-Flachdecken ergibt sich die Gesamtaussteifung. Die Aussteifungslasten der Pendelstützen und die Windbeanspruchungen werden über die Scheibenwirkung der Zwischengeschossdecken auf die biegesteif durchlaufenden Haupt- und Nebenaussteifungsstützen und in den Hauptgeschossdecken unmittelbar in die Aussteifungskonstruktionen eingeleitet. Ein klassischer Aussteifungskern in Massivbaubauweise ist somit entbehrlich. Die Hochhäuser geben ihre Vertikallasten über die 30 Pendelstützen, die Horizontal- und die Aussteifungslasten konzentriert über die Haupt- und Nebenaussteifungsstützen der Aussteifungskonstruktionen in das Tiefbauwerk ab.
Abb. 1. Highlight Munich Business Towers im Januar 2004
Markus Staller
Nebenaussteifungsstutze
149
Hauptaussteifungsstutzen
4. OG
3. OG
Ebene Zwischengeschossdecke
2. OG
Ebene Hauptgeschossdecke
1. OG
EG
1. UG
Verankerungselemente mit Fußplatten
Ankerstangen mit Ankerbarren
Abb. 2. Aussteifungskonstruktion (ergänzte Übersichtszeichnung, Fa. stahl + verbundbau)
3 Verankerung der Hochhäuser auf dem Tiefbauwerk Die einzelnen Gebäudeteile werden über ein als monolithischen Stahlbetonbaukörper ausgebildetes dreigeschossiges Tiefbauwerk flach gegründet, das aufgrund des anstehenden Grundwassers fugenlos als Weiße Wanne geplant wurde. Die Dicke der Bodenplatte beträgt in den Bereichen unter den Hochhäusern 3,0 m und im Bereich der vier Aussteifungskonstruktionen 4,0 m.
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Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Hochhausbau
Im Bereich der Aussteifungskonstruktionen sind im Tiefbauwerk in Gebäudequerrichtung vier durchgehende Stahlbetonwandscheiben, so genannte Schottwände, vorgesehen. Diese übertragen zusätzlich zu den Lasten aus den Hochhäusern die Schubbeanspruchungen, die aus der Gesamttragwirkung des Gründungskastens zwischen der Decke über 1. UG und der Bodenplatte entstehen. Aufgrund der extrem hohen Beanspruchungen werden die 80 cm bis 120 cm dicken, mit Bewehrungsgraden bis zu 3% hochbewehrten Schottwände aus hochfestem Beton hergestellt (Abb. 3). Ebenfalls aus B 85 wurden die Übergangsbereiche der Gebäudestützen in die Decke und die darunter stehenden Stahlbetonstützen des Tiefbauwerks sowie die Lasteinleitungsbereiche in der Bodenplatte ausgeführt.
Abb. 3. Schottwand mit Fußplatte vor dem Betonieren
Die Hauptaussteifungsstützen geben bis zu 70 MN vertikale Druckkräfte im charakteristischen Lastniveau an die in den Schottwänden integrierten Schottstützen ab. Bedingt durch die große Schlankheit der Gebäude in Querrichtung von 1:10 können aus Windbeanspruchungen bis zu 16 MN abhebende Zugkräfte auftreten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit die Aussteifungskonstruktionen der Gebäude auf dem Tiefbauwerk zu verankern. Um ein Atmen in der Fuge zwischen Stahlverbund- und Massivbau zu vermeiden und die Dauerfestigkeit der Ankerstangen zu gewährleisten, wurde gemeinsam mit dem Tragwerksplaner und der ausführenden Firma eine Vorspannung der Ankerstangen der Verankerungselemente festgelegt. Die Vorspannkräfte der Ankerstangen wurden so bestimmt, dass unter Berücksichtigung der zeitabhängigen Verluste des Betons wie Kriechen und Schwinden für den Zeitpunkt "unendlich" die maximal auftretende Zugbeanspruchung an den Fußpunkten der Gebäude gerade überdrückt wird (Dekompression). Dazu wurden die 0,9-fachen Eigenlasten der Bauteile einschließlich der Fassade, die Windbeanspruchung aus dem 50-Jahreswind sowie die Hälfte der Ausbaulasten berücksichtigt.
Markus Staller
151
3.1 Konstruktionen zur Lasteinleitung Für die einwandfreie Übertragung der vertikalen Druckkräfte aus den Aussteifungsstützen in das Tiefbauwerk sind die Vollflächigkeit des Betons unter den Stahlfußplatten der Verankerungselemente und die einwandfreie Qualität des eingebauten Betons erforderlich. Die Druckkraftübertragung erfolgte in Höhe der Decke über 1. UG neben der Betonfläche unter den 250 mm dicken Fußplatten (1200 mm x 1700 mm) über bis zu 220 Bewehrungsstäbe (d = 28 mm). Die Bewehrungsmenge war aus Gründen der Einbau- und Betonierbarkeit sowie durch den in [2] vorgeschriebenen Höchstbewehrungsgrad von 6 % begrenzt. Die Kraftübertragung der planeben gesägten GEWI-Stäbe wurde über Kontaktstöße an die Stahlplatten sichergestellt. Die Verankerung der Zugkräfte aus den Haupt- und Nebenaussteifungsstützen in die Schottstützen des Tiefbauwerkes wird über maximal 8 Ankerstangen M85 bzw. M100 (Festigkeitsklasse 8.8) erreicht. Als Endverankerung im hochfesten Beton dienen für jeweils vier Stangen bis zu 600 mm lange, querliegende massive Stahlbarren (150 mm x 250 mm) in den Schottwänden in Höhe des 1. Untergeschosses (Abb. 4).
Abb. 4. Verankerungselemente
3.2 Betonierversuche an Modellstützen In den Bereichen der Fußplatten der Verankerungselemente traten durch die hohen Bewehrungsgrade in vertikaler, aber auch in horizontaler Richtung und durch zusätzlich kreuzende Unterzüge im 1. UG erhebliche Bewehrungskonzentrationen auf. Verstärkt wurde dieses Platzproblem durch die große Anzahl an Lenton- und GEWI-Muffenstößen.
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Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Hochhausbau
Die durch die Baustelle vor Ausführung durchgeführten Betonierversuche an original getreuen 1:1 Modellen (Abb. 5) bestätigten die Befürchtungen, dass eine hundertprozentige Vollflächigkeit unter den vorher eingebauten Fußplatten durch Lufteinschlüsse aus der Porenbildung des B 85 nicht erreichbar ist, zeigten andererseits aber eine gute Betonqualität. Diese wurde durch extra dünne Spezialrüttler, Betoniergassen und nicht zuletzt durch große Sorgfalt erreicht. Unterstützt wurde diese durch die Wahl eines B 85 mit sehr guten Fließeigenschaften, die einem selbstverdichtenden Beton nahe kommen. Die grafischen Auswertungen der Oberflächen unter den zur Kontrolle wieder entfernten Platten ergaben im Mittel ca. 9% teilweise handtellergroße Fehlstellen (max. 12%) mit einer Tiefe von 1 bis 2 mm.
Abb. 5. Bewehrungskorb eines Betonierversuchs an einer Modellstütze
3.3 Betoniervorgang im Bereich der Verankerungselemente Die Stahlbauteile der Verankerungselemente mit den Fußplatten mussten aufgrund der geforderten Genauigkeitsanforderungen mit höchster Präzision auf speziell angefertigten Stahlgerüsten vor dem Betonieren der Schottwände montiert werden. Dies hatte zur Folge, dass der Beton unter die Fußplatten fliesen musste. Die in den Fußplatten vorgesehenen Bohrungen ermöglichten das Einbringen der Rüttler und somit eine gute Verdichtung. Der Betoniervorgang erfolgte mit größter Sorgfalt schichtenweise und zeitlich gestreckt um dem Beton das Entlüften zu ermöglichen. Die Baufirma konnte durch umfangreiche Würfeldruckversuche und eine anschließende statistische Auswertung nachweisen, dass die verwendeten Betone durchweg eine deutlich höhere Druckfestigkeit als der geplante B 85 aufweisen. Die an unterschiedlich alten Probewürfeln (zwischen 2 und 56 Tage) gemessenen
Markus Staller
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Werte führten zu prognostizierten Endfestigkeiten die einem "B 100" entsprechen. Somit ergibt sich für die maßgebenden Beanspruchungen unter den Hauptaussteifungsstützen auch unter Berücksichtigung der anzunehmenden Fehlstellen rechnerisch eine ausreichende Tragfähigkeit. Hier zeigten sich in besonderem Maße die Vorzüge einer sorgfältigen Planung der Ausführung in Abstimmung mit einer betontechnologischen Fachberatung, dem Tragwerksplaner und der Bauüberwachung [6].
4 Lasteintragung und Durchstanzprobleme in den Geschossdecken Die Durchmesser der Mantelrohre und die Querschnitte der Stahlkerne der Stahlverbundstützen variieren über die Höhe der Gebäude entsprechend den statischen Erfordernissen. Zwischen Mantelrohr und Stahlkern befindet sich ein nur einige Zentimeter breiter Spalt. Dieser mit Beton gefüllte Ring diente einerseits als Auflager der Decke und andererseits der Erzielung der Feuerwiderstandsdauer (F 120).
Abb. 6. Betonieren der B 85-Plombe im Durchstanzbereich
Die Stahlbetonflachdecken wurden bedingt durch die aus dem Bauablauf heraus geforderte Frühfestigkeit und wegen der Einleitung von lokalen Randmomenten im Bereich der Randstützen in B 55 ausgeführt. Durch die Reduzierung der Stützendurchmesser konnte die Durchstanztragfähigkeit der oberen Geschosse an einigen Stützen-Deckenverbindungen trotz Verwendung von DoppelkopfbolzenDübelleisten nicht nachgewiesen werden.
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Erfahrungen bei der Anwendung von hochfestem Beton im Hochhausbau
Eine Verbesserung konnte durch die genaue Ermittlung der Erhöhungsfaktoren für die exzentrische Lasteinleitung nach den Vorschlägen in [147] erreicht werden. Die noch verbleibende Überschreitung der zulässigen Schubspannungen wurde durch die Verwendung eines B 85 im Durchstanzbereich ausgeglichen (Abb. 6). Die aufnehmbaren Durchstanzlasten wurden durch Extrapolation der in Zulassung der Dübelleisten angegebenen Werte ermittelt. Dabei wurden die höhere Zugfestigkeit des hochfesten Betons in Anlehnung an die in der einschlägigen Literatur [3] bis [6] angegebenen Gesetzmäßigkeiten berücksichtigt.
5 Beteiligte Bauherr
Bürozentrum Parkstadt München-Schwabing KG v.d. ProAreal GmbH, München Architekt Murphy/Jahn Architects, Chicago Tragwerksplaner Werner Sobek Ingenieure GmbH, Stuttgart und Frankfurt Generalunternehmer STRABAG Hoch- und Ingenieurbau AG, München Stahlverbundbau stahl + verbundbau GmbH, Dreieich Prüfingenieur Dr.-Ing. Anton Staller Ingenieurbüro Suess Staller Schmitt, Gräfelfing
6 Literatur [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Hrsg.): Erläuterungen zur DIN 1045-1. Berlin: Beuth, 2003. (DAfStb Heft 525) [2] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Hrsg.): Richtlinie für hochfesten Beton. Ergänzungen zu DIN 1045/07.88 für die Festigkeitsklassen B 65 bis B 115. August 1995 [3] fédération internationale du béton (Hrsg.): Punching of structural concrete slabs. Lausanne: 2001. (fib-Bulletin No. 12) [4] König, G.; Zink, M.; Tue, N.: Hochleistungsbeton. Berlin: Ernst & Sohn, 2001 [5] Staller, M.: Analytische und numerische Untersuchungen des Durchstanztragverhaltens punktgestützter Stahlbetonplatten. Berlin: Beuth, 2001. (DAfStb Heft 515) [6] Zilch, K.; Hennecke, M.: Anwendung von hochfestem Beton im Brückenbau. Berlin: Beuth, 2002. (DAfStb Heft 522)
Grollenburg, Sanierung eines Baudenkmals Ulrich Vismann
Am Beispiel eines Baudenkmals aus dem 18. Jahrhundert, der Grollenburg in Horstmar-Leer werden einige Aspekte zur Sanierung des Dachstuhls und des Kellergewölbes vorgestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt der Betrachtungen auf den statisch-konstruktiven Lösungen unter Wahrung der historischen Bausubstanz. Für die Zukunftsaufgabe „Bauen im Bestand“, welche auch für die Tragwerksplanung oftmals eine interessante Herausforderung darstellt, wird exemplarisch gezeigt, wie mit vertretbarem Aufwand neue Nutzungsanforderungen realisiert werden können.
1 Einführung Im Rahmen der Ortsteilentwicklung Leers in Horstmar (Kreis Steinfurt, NRW) wurde im Jahr 2000 beschlossen, das Gebäude des ehemaligen Adelssitzes Haus Grollenburg zukünftig als integrativen Kindergarten neu zu nutzen. Bei diesem Baudenkmal handelt es sich um ein Herrenhaus aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Bereich eines abgebrannten, ehemals herrschaftlichen Wohnsitzes der Fam. Groll aus dem 16. Jahrhundert [1]. Die noch vorhandene Bausubstanz bestand aus einem seit vielen Jahren nicht genutzten Haupthaus sowie weiteren Nebengebäuden. Die Maßnahme war insgesamt darauf ausgerichtet, den Erhalt und die Gestaltung des historischen Erbes zur geschichtlichen und architektonischen Identifikation für den Ortsteil unter dem Motto „Zukunft braucht Herkunft“ zu fördern. Das Gebäude selbst besteht im Kellergeschoss und Erdgeschoss aus Natursteinmauerwerk (Sandstein), die Decken sind als Holzbalkendecken konstruiert. Das Dachtragwerk entspricht einem Kehlbalkendach mit Krüppelwalm. Alle Holzbauteile sind aus Eiche, wobei Feuchtigkeitsschäden am Holz in erheblichem Umfang an allen Bauteilen zu erkennen waren. Das Gebäude ist teilunterkellert, wobei der tragende Teil der Kellerdecke ebenfalls mit Holzbalken ausgeführt wurde. Die Unteransicht des Kellers ist in Form eines Kreuzgewölbes ausgebildet, welches teilweise abgesackt und provisorisch bereits abgestützt war. Die Bestandsunterlagen des Gebäudes mussten als Planungsgrundlage zunächst komplett neu erstellt werden.
156
Grollenburg, Sanierung eines Baudenkmals
Abb. 1. Grollenburg, Bestand, Grundriss KG, Schnitte [1]
Für die Umnutzung mussten insbesondere die Vorgaben aus dem Bestandsschutz mit den Nutzungsanforderungen eines neuen Gebäudes in Übereinstimmung gebracht werden. Hieraus ergaben sich die folgenden Aspekte: Umbau und Ausbau des Dachgeschosses als Gruppenräume bzw. Mehrzweckraum, Umbaumaßnahmen im EG mit neuer Treppenanlage, neuer Raumaufteilung und entsprechenden bauphysikalischen Anpassungen, Einbau von Horizontalsperren im Natursteinmauerwerk, Vergrößerung der Kellergeschosshöhe mit neuen Abdichtungen gegen zeitweise drückendes Wasser um diese Räume ebenfalls einer Nutzung zugänglich zu machen. Aus der Sicht der Tragwerksplanung gab es bei diesem Projekt verschiedene interessante Themen, von denen ich hier zwei besonders herausstellen möchte: die Instandsetzung des Dachstuhls sowie die Sanierung des Gewölbekellers.
Ulrich Vismann
157
2 Instandsetzung des Dachstuhls Bei der vorhandenen Dachkonstruktion handelt es sich um ein Kehlbalkendach mit liegendem Stuhl, der hier von vornherein den Vorteil eines freien Dachraumes bot, allerdings mit der Konsequenz relativ hoch beanspruchter Verbindungen. Die umfangreichen Beschädigungen an den Fußpfetten, den Sparrenfüßen und im Bereich der Holzverbindungen werden exemplarisch in Abb. 2 mit einem Fußpunktdetail aufgezeigt, die Standsicherheit war nicht mehr gegeben.
Abb. 2. Fußpunktdetail vor der Sanierung Abb. 3. Dachstuhl, Überblick Sanierung
Im Rahmen verschiedener Voruntersuchungen wurde zunächst verifiziert, unter welchen Randbedingungen eine Sanierung der Konstruktion durchgeführt werden kann. Vor dem Hindergrund einer später in wesentlichen Teilen sichtbaren Holzkonstruktion musste hier auf die Verwendung von sichtbaren Verstärkungen z.B. mit Stahl oder Holz verzichtet werden. Daher wurden umfangreiche rechnerische Untersuchungen zur Verwendung von so genannten Holzersatzsystemen durchgeführt [2], welche als eine Art Prothese für Balkenköpfe, Sparrenfüße etc. durch Entfernen des geschädigten Altholzes, Einbohren einer Armierung aus GFKStäben und dem Vergießen des Prothesenkörpers mit einem entsprechenden Kunstharz hergestellt werden [3]. Die rechnerischen Nachweise können hierbei weitgehend in Analogie zu den Regeln des Holzbaus erfolgen. In der Fuge zwischen Holzbalken und Holzersatzsystem erfolgt die Bemessung ähnlich den Bemessungsgrundsätzen des Massivbaus für gerissene Querschnitte unter Nachweis zulässiger Druckspannungen, der erforderlichen Zugstabquerschnitte unter Berücksichtigung des Versatzmaßes, sowie der Zugstabverankerungen. Es ist auch möglich, anstelle mit einer Holz-Kunstharz Prothese mit einer Holz-Holz Prothese zu arbeiten, wobei der Verbund wiederum über die beidseitig angeschlossene GFK-Armierung erfolgt. Alternativ wurden natürlich auch die Möglichkeiten der zimmermannsmäßigen und ingenieurmäßigen Holzverbindungen untersucht, wobei hier vom kompletten Austausch von einzelnen Holzbalken, über den Ersatz von Teilquerschnitten und
158
Grollenburg, Sanierung eines Baudenkmals
den Einsatz von Stahl nachgedacht wurde. Die folgende Abbildung zeigt wiederum exemplarisch einige der hier gewählten Lösungen.
Abb. 4. Beispiele der konventionellen Fußpunktsanierung
3 Sanierung des Kellergewölbes Bei dem vorhandenen Kellergewölbe handelte es sich um ein Kreuzgewölbe, gemauert aus Vollziegeln und Kalkmörtel mit einer lichten Stützweite von ca. 3,70 m bzw. 5,0 m. Die Stichhöhe des Bogens betrug ca. 60 cm, womit ein Lastabtrag nach dem Stützlinienverfahren angenommen werden konnte [5]. Für den bereits abgesackten Gewölbeteil bestand keine Sanierungsmöglichkeit mehr, so dass hier nur ein Abbruch mit anschließender Neuaufmauerung zur Wiederherstellung sinnvoll war oder aber der gänzliche Verzicht auf ein Gewölbe. Für die Gewölbe selber musste eine Sicherung für den Bauzustand und den Endzustand gefunden werden, wobei zu berücksichtigen war, dass die neue Kellersohle gegenüber dem Bestand um ca. 80 cm tiefer gelegt werden sollte. Um von außen einen Zugang zu den Räumlichkeiten zu schaffen wurde das im Bestand vorhandene Außenmauerwerk, welches eine Stärke von ca. 87 cm aufwies, an einer Gebäudeseitig komplett abgegraben. Da der Nachweis der horizontalen Lastaufnahme der Kelleraußenwände nur mit unrealistisch hohen Rohdichten für Natursteinmauerwerk zu führen war, wurden zur sicheren Aufnahme des Horizontalschubes des Gewölbes in den Lasteinleitungspunkten der Kreuzgrate von außen vertikale Stahlbetonträger in das Natursteinmauerwerk eingesetzt. Oberhalb des Gewölbes konnten diese Stahlbetonträger dann mithilfe einer Auskreuzung aus Stahlzugstangen miteinander verspannt werden. Im Fußpunktbereich
Ulrich Vismann
159
wurden die Träger über einen direkten Bewehrungsanschluss mit der neuen Stahlbetonsohle des Kellers gehalten. So konnte die Stabilisierung des Gewölbes auf einfache Art und unabhängig von den verschiedenen Bauzuständen sowie der Tragfähigkeit des Natursteinmauerwerkes der Außenwände sichergestellt werden. Die vertikalen Stahlbetonträger hatten hier gegenüber einem umlaufenden Ringbalken in Höhe der Gewölbekämpfer zudem den Vorteil, dass die geplanten Türund Fensteröffnungen im Bereich des Kellermauerwerkes relativ unproblematisch ausgeführt werden konnten.
Abb. 5. Auszug Positionsplan zur Gewölbeinstandsetzung
In der Literatur finden sich vielfältige Hinweise zu mehr oder weniger aufwendigen Berechnungsmethoden mit Stabwerken oder FE-Modellen, welche im Wesentlichen alle auf Basis der Elastizitätstheorie arbeiten. Hinzuweisen ist insbesondere auf [6], wo aus beobachteten Rissbildern ein Tragverhalten abgeleitet wird. In jüngerer Zeit wurden dann auch zunehmend nichtlineare Materialeigenschaften und dreidimensionale Schalenmodelle in die FE-Berechnung eingeführt. Einige Ergebnisse sind z.B. in [7] ausführlich dokumentiert. Im vorliegenden Fall wurde in Anlehnung an [6] für das Gewölbe ein dreidimensionales Stabwerk gewählt, welches in den Achsen der Kreuzgrate verläuft. Die Form der Bögen konnte dabei aus dem vorhandenen Aufmass direkt übernommen werden. Zum Vergleich dieser Berechnungen boten sich sehr einfach handhabbare Tabellenwerke an [4]. Diese Tabellen sind aus Stützlinien in Abhängigkeit der Stichhöhe und der Kappenstärke berechnet worden und zeigten eine ausreichende Übereinstimmung mit den zuvor ermittelten Werten und bieten den für die Praxis unschlagbaren Vorteil der deutlich schnelleren Bearbeitungszeit.
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Grollenburg, Sanierung eines Baudenkmals
Abb. 6. Ausschnitt im Natursteinmauerwerk und Detail Kopfpunkt Aussteifungsträger
4 Literatur [1] Wolters, F.: Stadterneuerungsmaßnahme in Horstmar-Leer, Grollenburg, Dokumentation, c/o Wolters Partner, Coesfeld [2] Dünschede, S.: Tragwerksplanung für ein Baudenkmal aus dem 18. Jahrhundert. Diplomarbeit FH-Aachen, 2002 [3] Deutsches Institut für Bautechnik, Zulassungsnummer Z-10.7.2-41, Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung zur Sanierung schadhafter Holzbauteile mittels Reaktionsharzen, Reaktionsharzmörteln und Stäben aus GFK (Beta-Verfahren) [4] Ungewitter,G., Mohrmann, K.: Lehrbuch der gotischen Konstruktionen, Leipzig 1901, 4. Auflage [5] Achtziger, Pfeiffer, Ramcke, Zilch: Mauerwerk Atlas, Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH, München 2001 [6] Pieper , K. Sicherung Historischer Bauten, Ernst & Sohn, Berlin 1983, ISBN 3-433-00967-8 [7] Barthel, R.: Tragverhalten gemauerter Kreuzgewölbe. Aus Forschung und Lehre, Heft 26, Univ. Karlsruhe 1991
Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures: A critical appraisal Luc Taerwe
If properly designed, constructed and maintained, reinforced or prestressed concrete structures generally have service lifes of 50 years and more. Nevertheless, durability problems often occur, among which corrosion of steel, especially for concrete structures in aggressive environments. Fibre reinforced polymers (FRP) appeared as non-metallic reinforcement for concrete structures about 25 years ago. Basically they were conceived as an alternative for the traditional reinforcing and prestressing steels which frequently cause damage to concrete structures due to gradual corrosion. Although quite expensive, it was expected that on a life-time basis, their application could turn out to be economic. However, practice shows that applications of FRP as ordinary reinforcement or as prestressing tendons are limited to demonstration projects and that mainly external bonding of CFRP strips or sheets has become a widely accepted strengthening technique [1-10]. In the paper, the evolution in the use of FRP for concrete structures is given, different features are analyzed and a critical appraisal of material and structural behaviour is given.
1 Materials
1.1 General aspects Fibres are the principal constituent of FRP materials as they occupy the largest volume fraction and share the major portion of the load acting on a composite structure. Proper selection of the type, amount and orientation of fibres is very important, since it influences the tensile and compressive properties of FRP as well as the electrical and thermal conductivities and cost. Mechanical properties of commonly used fibres are shown in table 1. For manufacturing linear elements,
162
Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures
the pultrusion process is most widely applied. Table 1. Mechanical properties of fibres
Fibre type
Ultimate strain (%)
E (GPa)
Aramid
Tensile strength (MPa) 2700-4800
2.5-4.0
70-130
Carbon (low modulus)
3800-5500
1.2-1.6
220-300
Carbon (high modulus)
> 3100
> 0.5
350-500
E-glass
1800-2700
3.0-4.5
70-75
S-glass
3400-4800
4.5-5.5
85-100
As structural reinforcement for concrete members, FRP elements are made available in the form of bars, tendons, ropes, grids, sheets or profiles. For new structures, they are used to reinforce and prestress concrete elements. In the repair sector, they are used to strengthen existing structures e.g. by means of external post-tensioning, external sheet bonding or in combination with shotcrete. The characteristics of FRP products differ greatly according to the volume fractions of the fibres and the matrix and according to the fibre properties. Moreover, different parameters affect the stress-strain characteristics of FRP such as diameter, length, temperature and rate of loading. Stress-strain curves for some types of FRP and reinforcing and prestressing steel are given in fig. 1. Similar to the behaviour of the fibres and unlike steel, FRP do not experience any yield but rather a linear elastic behaviour nearly up to failure. Compared to steel, the Young's modulus for FRP is often much less and ranges between 50 to 250 GPa, while the tensile strength is close to that of prestressing steel. The mechanical properties of aligned composite materials transverse to the fibres are much less than those parallel to the fibres. The general advantages of FRP reinforcement compared to steel are: - High ratio of strength to mass density (up to 5 times greater than that of steel). - Not susceptible to the classical types of corrosion. - Electromagnetic neutrality. However, the disadvantages of FRP reinforcement include: - High cost. - Low failure strain. - High ratio of axial to lateral strength. - Low long-term to short-term static strength, especially for GFRP - Glass fibres (and to a lesser extend aramid fibres) may deteriorate in alkaline environment. The higher initial material cost can be compensated by smaller maintenance and repair costs of the structure resulting in a smaller global cost when considering a service life design approach. Some of the long-term properties are discussed in more detail in the next
Luc Taerwe
163
section. 3500 CFRP sheet CarboDur (100 mm x 1.2 mm)
Stress
[N/mm²]
3000 2500
CFRP Carbon Stress
5 mm (sanded surface)
2000 Prestressing steel FeP 1670
6 mm
FRP-grid NEFMAC type C
1500
AFRP Arapree
7.5 mm (sanded surface)
1000
Steel S500
500
10 mm
FRP-grid NEFMAC type H (carbon & glass fibres)
0 0.0
1.0
2.0
3.0
4.0
Strain
5.0
6.0
7.0
8.0
[%]
Fig. 1. Stress-strain curves of FRP elements
1.2 Fire resistance The use of FRP reinforcement is not recommended for structures in which fire resistance is essential to maintain structural integrity [12]. Because FRP is embedded in concrete it cannot burn due to a lack of oxygen. However, the polymers will soften due to excessive heat. The temperature at which a polymer will soften is know as the glass-transition temperature Tg. Beyond Tg, the elastic modulus of a polymer is significantly reduced due to changes in its molecular structure [18]. The value of Tg depends on the type of resin but is normally in the region of 65 to 120°C. For internal FRP (prestressing) reinforcement, sufficient concrete cover should be provided to obtain an acceptable fire resistance. For externally bonded reinforcement a fire protection system is generally required [19], especially in the case of high strengthening ratios.
164
Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures
2 Long-term behaviour
2.1 Creep rupture A particular aspect of the long-term mechanical behaviour of FRP reinforcement is "creep rupture" or "stress rupture" [14]. When a sustained tensile load is applied to an FRP element, some of the fibres may break due to the inevitable nonuniform stress distribution in individual fibres. A redistribution of load among the remaining intact fibres causes a stress increase and consequently progressive rupture of some of them. Stress rupture is dependent on the type of fibres and resin and the fibre volume fraction. It may be determined experimentally on the basis of e.g. JSCE-E5331995 "Test method for creep failure of continuous fibre reinforcing materials" [11]. The results are modelled by an equation of the type Y = a b log T (1) where Y the ratio of the applied load to the short-term tensile strength, T the load application time in hours, a and b are empirical constants. The load ratio at 1 million hours (approximately 114 years) determined from the calculated regression line is called the "creep failure load ratio". This ratio is introduced in the design procedure and corresponds to a 100 year design service life. Typical values for this ratio are 90 %, 45 % and 30 % for CFRP, AFRP and GFRP respectively [13]. To avoid failure of an FRP reinforced member due to creep rupture of the FRP, the stress level in the FRP reinforcement should be limited. In [12] the following values for safe sustained stress levels (dead loads and the sustained portion of the live load) are given : 0,20 ffu for GFRP ; 0,30 ffu for AFRP and 0,55 ffu for CFRP, where ffu is the design tensile strength of FRP, considering a reduction for the service environment (see next section). These stress limits include a safety factor of 1/0.60. Although the high inherent strength of FRP, the stress level under service conditions is rather low, especially for GFRP and AFRP.
2.2 Durability under various types of environments Long-term exposure to various types of environments can reduce the tensile strength and fatigue endurance of FRP bars. When FRP is embedded in concrete, it must withstand the alkaline environment. Although the concrete pore solution is not pure NaOH, the alkali resistance of FRP is mostly determined in accelerated tests making use of a NaOH solution in which the FRP bars are immersed. Uomoto [13] reports that in case of CFRP and AFRP bars there is no special change in strength even after an immersion period of 1000 hours. However, in the case of GFRP bars, the strength reduces abruptly as the temperature and the concentration of NaOH increase. For a particular type of GFRP bar (diameter 6 mm) the strength
Luc Taerwe
165
reduction in concrete (alkali concentration 0.05 N or pH = 12.7) is estimated at 50 % after 9 years at 20°C. For so-called AR-glass (akali resistant) better results are obtained. In [12] a strength reduction factor CE is introduced based on the type and level of environmental exposure. The design tensile strength is calculated as f fu = C E f *fu (2)
where f *fu is the guaranteed tensile strength and CE is the environmental reduction factor given in table 2. Table 2. Values of CE [12]
Expose condition Concrete not exposed to earth and weather
Concrete exposed to earth and weather
Fibre type Carbon Glass Aramid Carbon Glass Aramid
CE 1.0 0.8 0.9 0.9 0.7 0.8
2.3 Summary Uomoto [13] summarizes the long-term aspects of different types of FRP as follows: - No particular long-term problems occur with carbon fibres and CFRP as internal and/or external reinforcement. - Aramid fibres and AFRP have good long-term characteristics (alkali resistance, cyclic fatigue, freeze-thaw resistance) except for static fatigue and acidic attack. When used as internal reinforcement, care has to be taken on static fatigue and tensile stresses under service conditions have to be limited. When used as external reinforcement, not only sustained load but also deterioration due to acidic environment must be considered. - Glass fibres and GFRP have poor durability except for acidic resistance and freeze-thaw resistance. Due to the poor alkali resistance, the durability of GFRP used as internal reinforcement is problematic. When GFRP is used as external reinforcement, attention should be paid to deteriotation due to sustained load, fatigue and alkali resistance. In all cases direct exposure of FRP to ultra-violet rays causes deterioration of the resin.
166
Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures
3 Reinforced concrete
3.1 Serviceability Up to now, GFRP has mainly been used in reinforced concrete applications. However, as its modulus of elasticity is typically about 50 GPa, serviceability problems may arise when the design is based on ultimate limit state considerations only. This can be explained by the load-deflection diagrams shown in figure 2. Curve 1 represents the behaviour of a reference concrete member reinforced with steel bars. Curve 2 holds for a similar element with FRP reinforcement, designed for the same ultimate load as member 1. It is clear that the deflection under service load is significantly higher and will probably fail to meet current serviceability criteria. Case 3 is the same concrete member sufficiently reinforced with FRP in such a way that the flexural stiffness is the same as for case 1. However, in this case the ultimate load will be significantly higher and the high strength of the composite will not be fully exploited.
Fig. 2. Comparison of load-deflection diagrams
3.2 Ductility FRP reinforcement behaves linear elastic up to failure. A reinforced concrete member will show sufficient deformability before failure but the major part of the stored energy is elastic. This means that upon unloading, the major part of the energy is realised as shown by the shaded area in figure 3. Hence at ultimate quite sudden and explosive failures may occur. It can be concluded that (properly designed) FRP reinforced members exhibit a high safety margin in terms of
Luc Taerwe
167
deformability and ratio of ultimate to service load, while almost no ductility is obtained.
Fig. 3. Elastic deformation energy
As in the case of FRP reinforcement no yielding occurs, structures can not be expected to undergo plastic deformations unless special measures are taken. For this reason, redistribution of bending moments due to plastic deformation in statically indeterminate structures is generally not considered [11,12].
3.3 Flexural failure modes The non-ductile behaviour of FRP reinforcement necessitates a reconsideration of flexural failure modes. If FRP reinforcement ruptures, failure of the member is sudden and catastrophic. However, there would be warning of impending failure in the form of extensive cracking and large deflection due to the significant elongation that FRP reinforcement experiences before rupture. The concrete crushing failure mode is marginally more desirable for flexural members reinforced with FRP bars since the member does exhibit some plastic behaviour before failure. In conclusion, both failure modes (i.e., FRP rupture and concrete crushing) are acceptable in governing the design of flexural members reinforced with FRP bars provided that strength and serviceability criteria are satisfied. To compensate for the lack of ductility, the member should possess a higher reserve of strength. The margin of safety against failure suggested in existing design guidelines is therefore higher than that used in traditional steel-RC design.
3.4 Stirrups In a bent portion of an FRP bar, the strength is reduced due to fibre bending and stress concentration. The applicable design tensile strength can be estimated by the following equation [11,12]
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Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures
§ · r f fb = ¨¨ 0.05 b + 0.3 ¸¸ f fu f fu (3) db © ¹ where rb is the radius of the bend and db is the bar diameter. An FRP bar consisting of a thermoset resin cannot be bent once it has been manufactured. Hence bending should be performed during the manufacturing process before the resin is fully cured. This is quite a disadvantage from a practical point of view since all stirrups need to be prefabricated with the exact measures. In most test beams to investigate flexural behaviour, the longitudinal reinforcement consists of FRP bars while steel stirrups are used for the shear resistance. This is quite contradictory since stirrups have a smaller concrete cover than the longitudinal bars and are more vulnerable to corrosion.
3.5 Shear resistance As pointed out in [12], several issues need to be addressed when using FRP as shear reinforcement, namely : a) FRP has a relatively low modulus of elasticity b) FRP has no plastic deformation capacity c) Tensile strength of the bent portion of an FRP bar is significantly lower than the straight portion (see eq. 3) d) FRP has low dowel resistance due to its lower strength and stiffness in the transverse direction. Regarding a), it was found that the strain in the shear reinforcement at ultimate is affected by concrete strength, the rigidity of tensile and shear reinforcement and axial compressive force. In [11] a comprehensive set of formulae is given. In [12], the strain at ultimate is limited to 0,4 % while in the Canadian Bridge Design Code, this value is conservatively reduced to 0,2 % which corresponds to the yield strain of steel with a yield stress of 400 MPa. Research on the shear capacity of flexural members without shear reinforcement has indicated that the concrete shear strength Vc (including aggregate interlock and compressed concrete) is influenced by the stiffness of the tensile (flexural) reinforcement. According to [12] the concrete shear capacity Vc,f of flexural members using FRP as main reinforcement can be evaluated as Af E f (4) Vc , f = Vc As E s where As is the steel reinforcement section which provides the same ultimate moment as Af. Regarding d), Park and Naaman [16] carried out experimental investigation of the shear behaviour of concrete beams prestressed with CFRP tendons. They observed a mode of failure, not encountered with steel tendons, described as shear tendon rupture failure which is due to tendon rupture by dowel shear at the shearcraking plane. It is attributed to the brittle behaviour and low transverse resistance of FRP tendons.
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169
3.6 Textile concrete In Germany two major research projects on "textile concrete" are running at Dresden University of Technology and at RWTH Aachen [20]. Multifilament yarns made of AR glass are processed with the aid of textile technology to get 2dimensional structures. The fields of application envisaged are : - manufacturing of thin concrete members (facade elements, permanent formwork systems, pipes, …) - external strengthening of existing concrete structures with a mortar layer in wich textile reinforcement is embedded. Bond between the fibres to the mortar matrix and durability aspects are two of the main research items.
3.7 Applications Typical applications of FRP in reinforced concrete include - aggressive environments with high and inevitable risk of steel corrosion : deicing salts (bridges and parking structures, …), marine environment (piers, jetties, floating structures, …), chemical production plants, wastewater treatment plants … - containments for specific devices where low electric conductivity or electromagnetic neutrality is required (e.g. MRI rooms in hospitals). - temporary reinforcement of tunnels, slurry walls etc. with GFRP, which can easily be cut by tunnel drilling machines (so-called TBM soft-eye openings) - non-loadbearing elements along roads (Jersey barriers, parapets, …) - thin concrete elements (textile reinforcement) - shrinkage reinforcement.
4 Prestressed concrete
4.1 General survey When FRP is used for reinforced concrete, the stress level in service conditions is quite low and the low modulus of elasticity results in large deformations which can be avoided by increasing the cross-section of FRP which increases the cost. This makes FRP (from a structural point of view) more suitable for prestressed concrete. By prestressing, serviceability criteria can easily be satisfied and moreover, the FRP strength can be utilized in an optimum way. Furthermore, it is
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Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures
noted that a low modulus of elasticity of the FRP prestressing reinforcement is beneficial in terms of long-term prestressing losses due to creep and shrinkage of the concrete. When FRP is used as prestressing reinforcement it is important that the allowable initial stress level is determined for each type FRP in an appropriate way, considering relaxation, creep and stress rupture. As the transverse strength of FRP is considerably lower than its axial strength, special anchorage devices have to be utilized. The development of reliable anchorage systems for post-tensioning applications has resulted in rather complicated devices which turn out to be very expensive. This is related to the fact that mostly small diameter CFRP wires are used (e.g. 5 mm) which results in a high number of wires to obtain realistic prestressing forces. Also for the GFRP tendons (Polystal) developed by StrabagBau AG and Bayer AG in the 1980's, it turned out that the anchorages had to be manufactured in a rather complicated way which was hardly feasible at the building site. In the case of unbonded tendons, the structural integrity depends on the timedependent reliability of the anchorages. Application of FRP for pretensioning appears to be less justified because almost no durability problems with pretensioned steel tendons have been reported.
4.2 Thermal effects In the 1980's, AKZO and HBG (Hollandsche Beton Groep ; The Netherlands) cooperated in the development of aramid fibre based prestressing elements. The composite elements were fabricated with so-called Twaron aramid fibres embedded in an epoxy resin, and received the commercial name Arapree (Aramid Prestressing Element). Applications of Arapree mainly focussed on thin elements where a reduction in cross section could be obtained due to the smaller concrete cover that is needed compared to similar elements with steel reinforcing bars. However, due to the fairly short development length, high circumferential tensile stresses develop in the surrounding concrete, which in turn determine the thickness of the concrete cover. Moreover it was recognized that the transverse coefficient of thermal expansion of the FRP bars is several times higher than that of concrete, and hence even uniform temperature increases may cause additional tensile stresses and risk for longitudinal cracking [22]. Arapree was used in 90 pretensioned posts of a noise barrier in The Netherlands. After some time, small cracks appeared at the side faces of the posts. This type of cracking was attributed to the high transverse thermal expansion of the AFRP wires. This example shows that particular aspects of composites, which do not occur for steel, can cause serious practical problems when not recognized in advance.
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5 Externally bonded reinforcement Strengthening of concrete structures by means of externally bonded FRP sheets or fabrics has become a widely accepted technique (flexural and shear strengthening of beams and slabs; confinement of columns) [21]. Compared to bonded steel plates, FRP is not susceptible to corrosion, the FRP sheets are light and easy to handle, and FRP can be delivered in quasi unlimited lengths so that joints can be avoided. Due to these advantages and despite additional material costs, it turns out that FRP can offer and economic solution for strengthening and rehabilitation. In general, the FRP systems can be subdivided into “prefab or pre-cured” and “wet-lay-up or cured in situ” types. The “prefab” systems are straight or shaped stiff plates with a thickness of about 1 mm. They are normally applied in one layer and have less need for quality control. The “cured-in-situ” systems are flexible sheets or fabrics with a thickness of about 0.1 mm. They are shaped and impregnated with epoxy during application and are normally applied in multiple layers. Because of the flexibility of these sheets and their in-situ curing more quality control is needed. Procedures for application will differ between systems and depend on type and condition of the structure. The external reinforcement is widely applied for repair and strengthening of damaged structures after earthquakes (Japan, USA, Italy), to upgrade structures in seismic regions (including automated wrapping of columns and chimneys), to protect and strengthen historical buildings, to modify the concept or function of a structure, to increase the load carrying capacity, to meet serviceability criteria, ... . Besides concrete, this strengthening technique is also applied to masonry and wood structures. For strengthening purposes also the technique of near surface mounted (NMR) FRP reinforcement may be used [15,17]. The method consists in gluing CFRP strips or rods into grooves which are cut into the concrete, perpendicular to its surface.
6 Design guidelines The considerable interest in FRP as structural reinforcement will only successfully result in applications on a broader basis, if design guidance and finally code regulations are available. In Japan, the U.S.A. (ACI Committee 440), Canada and Europe several initiatives have been taken, of which some have resulted in design codes [11, 12, 21, 23, 24, 25]. An fib (International Federation of Structural Concrete) Task Group “FRP Reinforcement”, convened by the author, is elaborating design recommendations for concrete structures reinforced,
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Use of Fibre Reinforced Polymers (FRP) in concrete structures
prestressed or strengthened with FRP, based on the design format of the CEB-FIP Model Code and Eurocode 2. On externally bonded reinforcement this task group issued comprehensive design guidelines in [21].
7 Conclusions -
-
The application of FRP reinforcement is related to the utilization of the specific material properties of FRP. Therefore, it has to be used as a specific alternative for common steel reinforcement, rather than a general substitute for it. Under these conditions, FRP reinforcement may offer a practical and economic alternative to conventional steel reinforcement if used for particular applications where the higher initial cost is compensated by lower maintenance and repair costs. Although the high strength of FRP can be better exploited in prestressing applications, the practical use of FRP tendons for post-tensioning is hampered by difficulties in manufacturing cost effective and reliable anchorages. Strengthening of beams and slabs and confinement of columns by means of externally bonded FRP sheets or fabrics has become a widely accepted strengthening and rehabilitation technique. At an international level, several design guidelines exist which cover the basic design aspects for reinforcing, prestressing and strengthening applications. It must be appreciated that the application of FRP reinforcement is still partly in an experimental stage and that different aspects of this emerging technology will be the subject of more detailed investigations.
8 References [1]
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Delaminationen in multi-direktionalen Faserverbundwerkstofflaminaten Hermann Weiher
Faserverbundwerkstoffe (FVW) sind wegen ihrer mechanischen Eigenschaften, ihres geringen Gewichts und vor allem aufgrund der einfachen Formbarkeit ein sehr interessanter Werkstoff für Sandwichkonstruktionen. Infolge der zum Teil hohen Beanspruchung treten u.a. Delaminationsschäden in den Laminaten auf. Im Rahmen dieses Beitrages werden die Bruchfestigkeit und das Rissverhalten der zur Reparatur verwendeten Materialien (Laminate aus Glasfasern, Aramidfasern und Epoxidharz) im Schäl- (Modus I) und im Schermodus (Modus II) experimentell untersucht. Für beide Beanspruchungssituationen wird der bisher ausschließlich für uni-direktionale FVW verwendete Double Cantilever Beam (DCB) als Versuchskörper verwendet. Im Rahmen der Untersuchung der zur Reparatur der Sandwichkonstruktion verwendeten Materialien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit werden auch Einflüsse des multi-direktionalen Laminataufbaus betrachtet.
1 Untersuchte Materialien Es wurden vier verschiedene Laminate hinsichtlich ihres Rissverhaltens untersucht. Die Laminate bilden die ursprünglichen (Orig.) und die für die Reparatur verwendeten (Rep.) Häute einer Sandwichkonstruktion mit einem PVC Kern. Sie unterscheiden sich zum einen in den Materialien für die Fasern und für die den Verbund herstellende Matrix und zum anderen in der Orientierung der Fasern. Tabelle 1 fasst das Versuchsprogramm zusammen.
Abb. 1. Versuchsaufbau Modus I (links) und Modus II (rechts)
176
Delaminationen in multi-direktionalen Faserverbundwerkstofflaminaten
Tabelle 1. Untersuchte Laminate
Bezeichnung G 26 K 75
Fasern Matrix Schichtenfolge Anwendung E-Glas Ampreg 26 [45/W/-45]8* Innenhaut (Orig.) Aramid Ampreg 75 [0/-45/90/45]8 Außenhaut (Orig.) E-Glas K 26 Aramid Ampreg 26 [90/45/0/-45]8 Außenhaut (Rep.) E-Glas K 26/75 Aramid Ampreg 26 [45/0/-45/90]8 Außenhaut (Rep., E-Glas Ampreg 75 Orig.)** * W steht für Leinwandgewebe (woven rowings) ** Eine Hälfte des Versuchskörpers entspricht K 75, die andere K 26
Für den DCB-Versuch (Schälmodus) und für den End Loaded Split (ELS) Versuch (Schermodus) wurde der DCB-Versuchskörper verwendet (siehe Abb. 1). Dieser hat an einem Ende in der Mitte eine PTFE-Folie, die als Anriss dient.
2 Versuche im Modus I (Schälmodus) Der Schäl- oder der öffnende Modus ist die häufigste Beanspruchungssituation bei Delaminationen. Abb. 1 zeigt schematisch den Versuchsaufbau. Für die Ermittlung der Energiefreisetzungsrate GIC gibt es zahlreiche Methoden (u.a. Balkentheorie, Compliance Calibration (CC) Methode, Energiemethoden). Für die durchgeführten Untersuchungen wird auf die Modifizierte Balkentheorie zurückgegriffen (siehe Gleichung (1)). Mit ihr wurden die konservativsten Ergebnisse gewonnen. Allerdings lagen die Energiefreisetzugsraten aus CC- und Modifizierter CC-Methode in allen Versuchen nur weniger als 5% darüber. G IC =
3 ⋅ P ⋅δ 2 ⋅b ⋅( a + ∆ )
(1)
mit P Last, į Öffnung (Weg), b Breite des Versuchskörpers, a Risslänge und ǻ Korrekturfaktor [3]
Die 20 getesteten Versuchskörper sind 250 mm lang, 35 mm breit und etwa 7,3 mm (G 26) bzw. 8,5 mm (alle Aramid Laminate) dick. Die Lasteinleitung erfolgte über das Aufkleben relativ steifer Scharnierstücke, die zusätzlich noch verschraubt wurden. Der DCB-Versuchskörper wird freihängend in eine gewöhnliche Zugprüfmaschine eingespannt bevor mit der weggesteuerten Belastung (2 mm / Minute) begonnen wird. Last, Weg und Rissfortschritt (bis 50 mm) werden kontinuierlich gemessen. Im Anschluss daran wird der Körper vollständig auseinander
Hermann Weiher
177
gerissen und die gerissene Oberfläche visuell untersucht. Daraufhin kann festgestellt werden, zwischen welchen Schichten oder innerhalb welcher Schicht die Körper versagen und somit ihre Schwachstelle haben.
3 Versuche im Modus II (Schermodus) Für den Schermodus wurde der End Loaded Split (ELS) Versuch gewählt (siehe Abb. 1). Für die Ermittlung der Energiefreisetzungsrate GIIC gibt es wie für den Schälmodus zahlreiche Methoden. Für die durchgeführten Untersuchungen wird auf die Balkentheorie mit dem Korrekturfaktor FII von Williams [3] zurückgegriffen. G IIC = FII ⋅ G II =
4 ⋅ (sin α − sin α 1 ) §α dΦ ¨ ¨ ³ sin α − sin Φ © α1
· ¸ ¸ ¹
2
⋅
9 ⋅ P ⋅ δ ⋅ a² 2 ⋅ b ⋅ ( 3 ⋅ a³ + L³)
(2)
mit L Länge des Körpers, Į Verdrehung des Körpers am Lasteinleitungspunkt und Į1 Verdrehung des Körpers an der Rissfront
Die Abmessungen der Versuchskörper wurden wie oben gewählt. Um ein Verhältnis von Risslänge zu Kragarmlänge von a/L 0,55 zu erreichen, für das nach [5] ein stabiles Risswachstum erwartet wird, werden die 20 Versuchskörper im Modus I auf einer Länge von 25mm vorgerissen. Des Weiteren würde die Konzentration der Matrix am Ende der PTFE-Folie zu hohe Werte für die Energiefreisetzungsrate an dieser Stelle zur Folge haben. Der DCB-Versuchskörper ist während des Versuchs vollständig eingespannt. Die Last wird weggesteuert mit einer Rolle bei einer Belastungsgeschwindigkeit von 1 mm / Minute aufgebracht. Analog zur Versuchsdurchführung im Modus I werden Last, Weg und Rissfortschritt (bis 30mm) kontinuierlich gemessen. In einer zweiten Versuchsserie im Modus II mit einer kleineren Probenanzahl wurden die Körper im Modus II vorgerissen. Diese Serie wurde in einem geringeren Umfang durchgeführt. Es sollte hierbei der Einfluss des Vorreißens bei multidirektionalen Laminaten untersucht werden. Das Vorreißen wurde zunächst im Modus I durchgeführt, da für Modus II im Bereich des Anrisses instabiles Risswachstum in Anlehnung an Erfahrungen mit uni-direktionalen Versuchskörpern erwartet wurde. Dies konnte letztlich nicht festgestellt werden.
178
Delaminationen in multi-direktionalen Faserverbundwerkstofflaminaten
4 Ergebnisse Die aus je fünf Einzelversuchen bestimmten Mittelwerte der Energiefreisetzungsrate GIC der vier untersuchten Materialien sind abhängig von der Risslänge in Abb. 2. dargestellt. GIC [J/m2] 3000
2500
2000 1500
1000
500 0 0
5
10
15
20
25
30
Kevlar/E-Glass/Ampreg 26/75
E-Glass/Ampreg 26
Kevlar/E-Glass/Ampreg 26
Kevlar/E-Glass/Ampreg 75
35
40
45
50
Crack length [mm]
Abb. 2. Energiefreisetzungsrate im Modus I GIC
Die Innenhaut der Sandwichkonstruktion (G26) erreicht den bei allen Materialien etwa gleich großen Maximalwert bereits nach kurzer Risslänge. Nach einem Plateau fällt die Linie ab, d.h. weniger Energie ist für den Rissfortschritt nötig. Die Außenhautmaterialien, die höher beansprucht werden, erreichen den Maximalwert aufgrund der duktilen Kevlarfasern später. Die Kurven steigen leicht an und erreichen schließlich ein Plateau. Die zur Reparatur verwendeten Außenhautmaterialien erreichen höhere Energiefreisetzungsraten. Die fast identischen Kurven für K26 und K26/75 sind auf den Rissfortschritt in der „K26-Hälfte“ des zuletzt genannten Materials zurückzuführen. GIIC [J/m2] 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 0
5
10
15
20
Kevlar/E-Glass/Ampreg 26/75
E-Glass/Ampreg 26*
Kevlar/E-Glass/Ampreg 26
Kevlar/E-Glass/Ampreg 75
25
30
Crack length [mm]
Abb. 3. Energiefreisetzungsrate im Modus II GIIC (Vorreißen im Modus I)
Hermann Weiher
179
Die Mittelwerte der Bruchfestigkeit im Modus II GIIC ist in Abb. 3. dargestellt. Alle Materialien zeigen einen ähnlichen Verlauf der Bruchenergie. K75 und K26/75 weichen mit kleinerer Anfangsenergie bzw. unterhalb der anderen Materialien liegendem Verlauf ab. Die Bruchfestigkeit im Modus II ist etwa um den Faktor 1,5 größer als im Modus I. Uni-direktionale Faserverbundwerkstoffe dagegen haben typischerweise Faktoren, die im Bereich 5 bis 10 liegen. Die Untersuchungen mit Vorreißen im Modus II ergeben die gleichen Maximalwerte für die Bruchfestigkeit, die jedoch sofort bei Messbeginn erreicht wurden (GIIC § const. § 3500 J/m²). Im Anschluss an die durchgeführten Messungen wurden die Versuchskörper auseinander gerissen. An den Oberflächen kann man den Rissverlauf gut verfolgen. In Abb. 4. sind zwei Versuchskörper dargestellt. Im linken Bild wurde die Faserrichtung der Bruchfläche schematisch nachgezeichnet.
Abb. 4. Oberflächen von im Modus I belasteten Versuchskörpern
Wie in den beiden dargestellten Versuchskörpern auch zu sehen ist, springen die Risse solange von Lage zu Lage, bis die „schwächste“ Lage bzw. Zwischenschicht erreicht wird (langer Bereich am Ende der Versuchskörper). In Tabelle 2 sind die schwächsten Schichten für alle Materialien im Modus I und II angeführt. Durch Untersuchungen an geschädigten Plattenelementen mit dem Elektronenmikroskop konnten identische Ergebnisse festgestellt werden. Tabelle 2. Art und Ort der Delamination
Bezeichnung
G 26
K 75
K 26 K 26/75
Modus I Versagen Zwischen zwei Lagen Zwischen zwei Lagen In einer Lage Zwischen zwei Lagen
Ort des Versagens 45°/W
45°/0°
45° 45°/0°
Modus II Versagen Zwischen zwei Lagen Zwischen zwei Lagen In einer Lage Zwischen zwei Lagen
Ort des Versagens 45°/W
45°/90°
45° 45°/90°
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Delaminationen in multi-direktionalen Faserverbundwerkstofflaminaten
5 Fazit Die zur Reparatur der Schiffshüllen verwendeten Materialien zeigen ein mindestens gleichwertiges bruchmechanisches Verhalten wie die Ausgangsmaterialien. Die Verwendung des Double-Cantilever-Beam Versuchskörpers war für die gegebene Aufgabenstellung ausreichend. Das Vorreißen im End-Loaded-Split Versuch sollte im Modus II erfolgen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieses Versuchsprogramms ist die derzeitig laufende Untersuchung des Rissfortschritts unter einer dynamischen Belastung im Schälmodus. Die Energiefreisetzungsrate im Modus II bei den untersuchten multidirektionalen Faserverbundwerkstoffen liegt nur etwa 50% über den Werten im Modus I. Bei uni-direktionalen FVW liegt dieser Wert deutlich höher. Zu einer genaueren Beurteilung des Einflusses des multi-direktionalen Schichtenaufbaus auf den Rissfortschritt sollte jedoch ein Versuchsaufbau mit einem plattenförmigen (2D) Versuchskörper bevorzugt werden, bei dem für alle Faserrichtungen eine ausreichende Verankerungslänge der Fasern gegeben ist.
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Einsatz von eingeschlitzten CFK-Lamellen an der Röslautalbrücke bei Schirnding Jürgen Weber, Bernd Endres
Das Straßenbauamt Bayreuth beauftragte bei der Verstärkung der Röslautalbrücke im Bereich der Straßenbauverwaltung in Deutschland erstmals die Anwendung eingeschlitzter CFK-Lamellen. Die Anwendung dieses modernen Verfahrens erforderte die Zustimmung im Einzelfall, die durch eine gutachterliche Stellungnahme gestützt wurde. Hierbei waren über die bestehende, allgemeine bauaufsichtliche Zulassung hinausgehende Fragestellungen zu beantworten. Die Beobachtung und Beurteilung der Wirkungsweise der CFKLamellen ist von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Anwendung. Die Installation eines Messprogramms soll den Nachweis der Eignung und Dauerhaftigkeit belegen.
1 Allgemeines - Bestand Die Röslautalbrücke wurde im Zuge des Neubaus der Ortsumgehung Schirnding in den Jahren 1992 bis 1995 im Taktschiebeverfahren als Spannbetonhohlkastenbrücke errichtet und durch eine Vorspannung mit nachträglichem Verbund längs beschränkt vorgespannt. Die Gesamtlänge des parallelgurtigen Überbaus beträgt 270 m, die sich in Einzelstützweiten von 56 – 68 – 78 – 68 m aufteilt.
1.1 Darstellung der unzureichenden Verkehrsverhältnisse Aufgrund der nahen Bundesgrenze zur Tschechischen Republik ergaben sich aus den abfertigungsbedingten Rückstauungen bis zur Aufnahme Tschechiens in die EU unzureichende Verkehrsverhältnisse, die sich weit über das Brückenbauwerk hinaus erstreckten. Obwohl Tschechien im Zuge der Osterweiterung seit 01. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union ist, werden trotzdem zukünftig Passkontrollen und auf deutscher Seite ein Binnenzollamt erforderlich. Wegen der prognostizierten Verkehrszunahme und der geschilderten Situation ist daher keine wesentliche Entspannung und damit keine Entlastung für das Brückenbauwerk zu erwarten.
182
Einsatz von eingeschlitzten CFK-Lamellen an der Röslautalbrücke
1.2 Planungen Um diese in Spitzenzeiten auftretende Verkehrssituation zu entschärfen, wird auf der gesamten Ortsumgehung Schirnding ein zusätzlicher Fahrstreifen zwischen Schirnding-West und der Bundesgrenze angebaut. Eine besondere Aufgabe stellt dabei die Verbreiterung der Röslautalbrücke dar, die hinsichtlich der Fahrbahnbreite zwischen den Borden und der Tragfähigkeit 1994 nach den damals geltenden Richtlinien und Normen hergestellt wurde. Wegen des erforderlichen 3. Fahrstreifens muss der Fahrbereich verbreitert werden. Eine Mehrbreite von 1,08 m wird durch den Abbruch der Kappen mit Schutzplanken und deren Neubau mit Stahlbeton-Gleitwänden erreicht. Wegen der außergewöhnlichen Belastung – im Extremfall fahren oder stehen auf allen 3 Fahrspuren Stoßstange an Stoßstange Lastzüge und Sattelfahrzeuge – reicht die Tragfähigkeit der Brückenklasse 60/30 nach DIN 1072 nicht mehr aus. Aus diesem Grund sind für die Über- und Unterbauten aufwendige Verstärkungsmaßnahmen erforderlich. In Längsrichtung erhöhen sich durch den Lastfall LKW-Stau und durch das neu aufgebrachte zusätzliche Eigengewicht die Schnittkräfte. Es wird eine zusätzliche externe Vorspannung mit umgelenkt geführten Spanngliedern benötigt. Zum Einbau der externen Vorspannung sind Umlenkstellen im Feld und über den Stützen erforderlich. An den Stützen werden die bestehenden Querträger ergänzt, in den Feldern werden neue Querträger eingebaut. Die Spannglieder werden in den neu herzustellenden Endquerträgern des Überbaus verankert. In Querrichtung sollen die bestehenden Kappen des Brückenüberbaus verkleinert werden, um die Anordnung einer dritten Fahrspur auf der Fahrbahnplatte zu ermöglichen. Durch die weiter zum Überbaurand verlegte LKW-Fahrspur entstehen erhöhte Kragarmmomente, die durch zusätzliche Biegezugbewehrung aufzunehmen sind.
Abb. 1. Querschnitt alt - neu
Jürgen Weber, Bernd Endres
183
2 Verstärkungskonzept – Querrichtung 2.1 Ausschreibungsentwurf Die ursprüngliche Planung sah als Verstärkung der Kragarme eine äußere Unterstützung mit einer Stahlkonstruktion vor. Zur Lasteinleitung in den Kragarm wurde dabei ein lastverteilender Träger in Form eines starken Winkels mit seitlichen Laschen angeordnet. Der Winkel wird an den Kragarm angedübelt und anschließend mit Verpressmörtel befestigt. Die Abstützstreben bestehen aus einem Rohr und einem lasteinleitenden Stahlzugband. Die Vertikalkraft wird über eine Riffelplatte und einer aus hochfestem Vergussmörtel bestehenden Mörtelschicht durch die Vorspannung der Schrauben verformungsarm in die Stege des Hohlkastens eingeleitet.
2.2 Beauftragtes Nebenangebot CFK-Lamellen Alternativ zum Ausschreibungsentwurf wurde angeboten, die Verstärkung der Kragarme durch unidirektionale CFK-Lamellen Carboplus 20x2 eingeklebt in Schlitze im Altbeton vorzunehmen. Dazu werden mit einer Säge senkrecht zur Oberfläche Schlitze in den Betonkörper geschnitten, deren Tiefe innerhalb der Betondeckung liegt, sodass die vorhandene Bewehrung nicht beschädigt wird. Diese Schlitze weisen eine Tiefe von 25 –30 mm und eine Breite von etwa 3 – 5 mm auf. Die CFK-Lamellen mit einer Höhe von 20 mm und einer Dicke von 2 mm werden mit einem Epoxydharzkleber in die Schlitze eingeklebt. Nach dem Einkleben der CFK-Lamellen und Aushärten des Epoxydharzklebemörtels werden auf die Fahrbahnplatte eine Dichtungsschicht sowie ein Gussasphaltbelag aufgebracht. Ein auf der Fahrbahnplatte vorhandener Knick, der derzeit am Rand der Fahrbahn in unmittelbarer Nähe zur bestehenden Kappe liegt, wird durch PCC-Mörtel ausgeglichen, um zukünftig eine ebene Fahrbahntafel zu erhalten. Die CFKLamellen müssen aufgrund der geometrischen Randbedingungen im Bereich des Knicks entweder im PCC-Mörtel verankert oder im Altbeton durch Übergreifung gestoßen werden.
184
Einsatz von eingeschlitzten CFK-Lamellen an der Röslautalbrücke
Abb. 2. Übergreifungsstoß im Bereich des Knickes der Fahrbahnplatte
Das beauftragte Nebenangebot besitzt neben der größeren Wirtschaftlichkeit auch den Vorteil, dass auf außenliegende Konstruktionselemente zur Stützung der Fahrbahnplatte vollständig verzichtet werden kann. Dadurch wird das äußere Erscheinungsbild des Überbaues durch die Verstärkung nicht gestört. Außerdem entfallen alle im Ausschreibungsentwurf erforderlichen Kernbohrungen und sonstigen Schwächungen der Stege. Die Gefahr der Beschädigung der internen Spannglieder mit nachträglichem Verbund ist dadurch nicht mehr gegeben.
Abb. 3. Schnitt durch CFK-Lamelle
Abb. 4. Einkleben der CFK-Lamellen
Jürgen Weber, Bernd Endres
185
3 Zustimmung im Einzelfall für Anwendung des CFK-Verfahrens Das Verfahren der in Schlitze geklebten CFK-Lamellen besitzt eine allgemein bauaufsichtliche Zulassung für den Bereich des Hochbaues. Im vorliegenden Anwendungsfall mit dynamischen Lasten wurde als Bedingung für die Ausführung des Nebenangebotes „CFK-Lamellen“ eine Verwendungsgenehmigung im Einzelfall durch die Oberste Baubehörde erforderlich, die sich auf eine gutachterliche Stellungnahme zur Eignung des Verfahrens stützen sollte. Mit dieser gutachterlichen Stellungnahme wurde Prof. Dr.-Ing. Zilch beauftragt. Es mussten folgende Detailfragen behandelt werden, die den Rahmen der bestehenden allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung verlassen haben:
3.1 Versagen unter nicht vorwiegend ruhenden Lasten Das Trag- bzw. Verbundverhalten eingeschlitzt verklebter CFK-Lamellen unter zyklischen Belastungen wurde sowohl in Verbundversuchen mit definierter Verbundlänge als auch in einem Bauteilversuch an einem verstärkten Biegebauteil untersucht. Es kann nach Ansicht des Gutachters davon ausgegangen werden, dass eine fortschreitende Verbundschädigung durch zyklische Beanspruchungen nicht eintreten wird, zumal im äußersten Fall lokaler Verbundschädigungen Umlagerungsmöglichkeiten der Zugkräfte zur einbetonierten Bewehrung gegeben sind [1].
3.2 Verhalten des Epoxydharzklebers bei Gussasphaltauftrag Die mechanischen Eigenschaften des Epoxydharzklebemörtels nach Auftrag der Gussasphaltschicht wurden auf Grundlage der Untersuchungen der Universität Leipzig [2] bzw. anhand von Untersuchungen, die begleitend zur gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr.-Ing. Zilch an der Technischen Universität München durchgeführt wurden, beurteilt. Auf Basis der Ergebnisse der o.g. Untersuchungen ist ersichtlich, dass die mechanischen Eigenschaften (Druckfestigkeit, Biegezugfestigkeit sowie Haftzugfestigkeit) nach einer einmaligen Temperierung des Klebstoffes auf bis zu 150°C bzw. 100°C entsprechend des Temperaturbereichs, der bei Gussasphaltauftrag in ungünstigen Fällen zu erwarten ist, bedingt durch die mit dem einmaligen Erhitzen einhergehende Nacherhärtung nicht nachteilig beeinflusst werden, sondern es im Gegenteil zu einer leichten Erhöhung der Festigkeiten bei Raumtemperatur kommt [1].
186
Einsatz von eingeschlitzten CFK-Lamellen an der Röslautalbrücke
3.3 Verhalten des Epoxydharzklebers bei erhöhten Betriebstemperaturen auf der Belagsoberfläche Die Abklärung des Tragverhaltens der mit Epoxydharzkleber in Schlitzen verklebten CFK-Lamellen bei erhöhten Betriebstemperaturen auf der Belagsoberfläche erfolgte an der Technischen Universität München sowohl durch rechnerische Modelle als auch durch experimentelle Untersuchungen. Ausgehend von den gemachten ungünstigen Rechenannahmen und der zehnmaligen Wiederholung der klimatischen Belastungen liegt die Abschätzung für die maximale Temperatur der Lamellen von 50°C also deutlich auf der sicheren Seite. Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen zum Kleber zeigen, dass bis in den Bereich des Glasübergangspunktes TG des Klebstoffes bei ca. 53°C noch eine signifikante Resttragfähigkeit des Klebemörtels zu erwarten ist [1] [3].
3.4 Übergreifung der CFK-Lamellen im Bereich des Knickes der Fahrbahnplatte Die CFK-Lamellen können aufgrund der ehemals an der Kante der umzugestaltenden Kappe angeordneten Rinne nicht über die gesamte Länge in einem Stück durchgezogen werden. Wegen der geometrischen Randbedingungen ist im Bereich des Fahrbahnplattenknicks ein Übergreifungsstoß anzuordnen, der im Hinblick auf die vollständige Übertragung der Kräfte im Verbund bzw. die Aufnahme der Umlenkkräfte im Knick gesonderte Betrachtung erfordert. Hier kommt Prof. Dr.-Ing. Zilch zur Ansicht, dass eine Anordnung des Stoßes im Altbeton einer Verankerung in der nachträglich aufgebrachten PCC-Schicht vorzuziehen ist [1].
4 Dauerhaftigkeit der Verstärkung mit CFKLamellen Da es sich bei der Verwendung der eingeschlitzten CFK-Lamellen in der Fahrbahnplatte um eine erstmalige Anwendung in dieser Form handelt, ist eine Beobachtung und Beurteilung der Wirkungsweise für zukünftige Anwendungen von entscheidender Bedeutung.
4.1 Überwachungskonzept Die vorgesehenen Messungen dienen vorrangig zur Beobachtung des Tragverhaltens der CFK-Lamellen in Querrichtung. Am Lehrstuhl für Massivbau
Jürgen Weber, Bernd Endres
187
an der TU München wurde zu diesem Zweck ein Überwachungskonzept entwickelt, das in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern sinnvolle Aussagen über die Mitwirkung der Verstärkung am Gesamttragverhalten ermöglicht. Die Überwachung setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: • Tachymetermessung • Temperaturmessung zur Ermittlung des Temperaturgefälles in der Fahrbahnplatte, kombiniert mit Dehnungsmessung an den CFK-Lamellen • Faseroptische Temperaturmessung im Bereich der CFK-Lamellen.
5 Fazit Die Verstärkung mittels eingeschlitzter CFK-Lamellen stellt sowohl eine bauwerksschonende wie eine auf den Baustellenbetrieb stark rücksichtnehmende Bauweise dar, die gerade wegen ihrer sehr guten Verbundeigenschaften für den Brückenbau als eine Alternative zu den herkömmlichen Verstärkungsmaßnahmen bezeichnet werden kann. Allerdings sind im Einzelfall die entsprechenden Randbedingungen aufzuzeigen und gegebenenfalls durch gutachterliche Stellungnahmen und Untersuchungen zu überprüfen. Der erstmalige Einsatz von CFK-Lamellen im Brückenbau konnte erfolgreich durchgeführt werden, weil durch die TU München in enger Zusammenarbeit mit der Bauverwaltung und der Bauindustrie die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen wurden. Die Entwicklung neuer Bauverfahren ist die Voraussetzung, die unserer Bauindustrie gegenüber Billiglohnländern den entsprechenden Know-HowVorsprung beschert, um unser hohes Lohnniveau zu halten und trotzdem Arbeitsplätze zu sichern. Ein inniger Austausch zwischen Universität, Bauverwaltung und Bauindustrie hilft so auch Arbeitsplätze zu erhalten.
6 Literatur [1] Zilch, K.: Gutachterliche Stellungnahme für eine Verwendung im Einzelfall zur Verstärkung der Kragarme des Hohlkastens der Röslautalbrücke mit eingeschlitzten CFKLamellen vom 30.. Juni 2003, AZ 23807 (unveröffentlicht) [2] König, G.; Bericht über den Einfluss von Temperatur auf Sika CarboDur CFK Lamellen beim Aufbringen von Gussasphalt [3] Borchert, K.; Zehetmaier G: Bericht über Versuche zum Temperaturverhalten von Epoxydharzklebers MC-DUR 1280 der MC-Bauchemie Müller GmbH & Co., bo2103832, Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität, 2003 (unveröffentlicht)
Epoxidharze im konstruktiven Einsatz Kurt Borchert
Die mechanischen Eigenschaften von Epoxidharzen selbst und zusammen mit anderen Werkstoffen bieten ihre Verwendung für das konstruktive Fügen von Bauteilen an. Hierfür werden sie auch seit vielen Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Wie alle Kunststoffe zeigen auch Epoxidharze ein ausgesprochen von der Belastungszeit und von den Umweltbedingungen abhängiges Festigkeits- und Verformungsverhalten. Dieses ist hinsichtlich der Anforderungen der bisher üblichen Verwendungen bekannt und in der Bemessung umgesetzt. Sich aktuell in der Entwicklung befindende Verfahren – z.B. vorgespannt verklebte Verstärkungsverfahren – stellen erweiterte Anforderungen an Epoxidharzverklebungen und ihre Beschreibung, deren Untersuchung und Bearbeitung am Lehrstuhl für Massivbau intensiv betrieben wird.
1 Konstruktives Kleben Das Fügen von Konstruktionselementen mittels Reaktionsharzen ist eine seit vielen Jahrzehnten erfolgreich angewandte Technik im Bauwesen. Neben dem Einsatz für konstruktiv nicht tragende oder untergeordnete Verbindungen werden Epoxidharze bevorzugt eingesetzt zur statischen Verklebung von Betonbauteilen, z. B. Spannbetonbrücken in Segmentbauweise, und die nachträgliche Bauteilverstärkung mittels geklebter Bewehrung in Form von Stahllaschen oder CFKLamellen. Da die Eigenfestigkeiten baupraktisch üblicher Epoxidharze deutlich über den Beanspruchbarkeiten der für das Versagen maßgebenden Fügeteilpartnern lagen, konnten bisher die Untersuchungen hinsichtlich der Epoxidharzklebstoffe reduziert werden auf die experimentelle Erforschung der Haftung zwischen Reaktionsharz und Beton. Die Auswirkungen langandauernder Feuchte, Temperatur, statischen und dynamischen mechanischen Beanspruchungen auf die verbleibende Haftfestigkeit zwischen Kleber und Beton konnten durch umfassende Studien [3] experimentell und theoretisch geklärt werden, z.B. [4]. Die verbreitete Verstärkungsmethode der Klebearmierung – Applikation von epoxidharzverklebten Stahllaschen oder CFK-Lamellen auf die Bauteiloberfläche - weist ein außerordentlich sprödes Verbundverhalten und eine durch die versagensmaßgebende oberfächennahe Betonschicht begrenzte Tragfähigkeit auf.
190
Epoxidharze im konstruktiven Einsatz
Infolgedessen werden die an der Verklebung beteiligten Epoxidharze sowohl dauerhaft als auch im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) nur durch geringe Schubspannungen beansprucht, d.h. nur sehr geringfügig ausgenutzt. Die Forschungsaktivitäten der Vergangenheit richteten sich auf die im Bruchzustand zu erzielende Tragfähigkeit des verstärkten Bauteils bzw. ihre theoretische Beschreibung und Erfassung in Bemessungsmodellen ([1]).
2 Materialeigenschaften Epoxidharze gehören zu den Polyadditionsklebstoffen (Kunststoffe) und weisen das diesen typische zeit- und umweltabhängige Materialverhalten auf. Diese Gruppe der Kunststoffe zeichnet sich durch eine weitgehend schwindfreie Erhärtung, im ausgehärteten Zustand durch eine hohe Kohäsionsfestigkeit (innere Festigkeit) und eine sehr gute Adhäsionsfähigkeit zu den Fügeteilen aus. Sie besitzen ein ausgeprägt viskoelastisches Materialverhalten. Bei Betrachtung der thermomechanischen Eigenschaften von Polymeren ist zwischen einem sog. Glaszustand (unterhalb des Glasübergangsbereichs mit mittiger Glasübergangstemperatur TG) und darüber zu unterscheiden, vgl. Abb. 1. Unterhalb des TG ist die Gültigkeit des Hook´schen Gesetztes für kurzzeitige Beanspruchungen nahezu gegeben. Sie verhalten sich weitgehend glasartig – spröde. Mit dem Erreichen eines Grenztemperaturbereiches (der Glasübergangstemperatur TG) ist der Beginn der Änderung der mechanischen und physikalischen Eigenschaften verbunden [5]. Chemisch erklärt sich dies mit dem Verlassen eines „eingefrorenen“ Zustands der Moleküle bei gleichzeitigem Einsetzen von thermisch induzierten Bewegungen innerhalb und zwischen den Molekülketten des ausgehärteten Epoxidharzes. Die Glasübergangstemperatur TG stellt für die in Verklebungen äußerst bedeutsame Formbeständigkeit des verwendeten Klebstoffes in vielen Fällen die maßgebende Temperaturstufe dar. Die Glasübergangstemperatur baupraktisch üblicher, kalthärtender Epoxidharze liegt im Bereich um ca. 55°C.
Elastizitätsmodul E Zugfestigkeit ft
E ft
Temperatur Glasübergangsbereich
Abb. 1. Schematische Darstellung der Abhängigkeit von Festigkeit und Elastitzitätsmodul von der Temperatur
Kurt Borchert
191
Unterhalb des Glasübergangsbereiches bzw. innerhalb des üblichen Einsatzbereiches besitzen Epoxidharze eine nur geringe Abhängigkeit ihrer Festigkeit von der Temperatur. Ein Ansatz zur Erfassung der Auswirkungen von Umwelteinwirkungen auf die Festigkeit von Epoxidharzen ist in [7] gegeben. Dieser ist u.a. abgeleitet aus einer Adaption der Ergebnisse von [3]. Er verknüpft die festigkeitsmindernden Langzeit- und Umwelteinflüsse (Feuchte, Temperatur, Dauerlast, dynamische Belastung) durch eine multiplikative Verknüpfung und reduziert die ansetzbare Epoxidharzfestigkeit unter realitätsnahen Bedingungen auf ca. 25% der Kurzzeitfestigkeit bei Normalklima.
Abb. 2. Experimentell ermittelte Schub-Druck Dauerstandfestigkeiten bei Normaltemperatur; EPI: Rütapox 0164 (aus [3])
Kleber ,langzeit Kleber ,langzeit
=
=
Kleber ,kurzzeit
Kleber ,kurzzeit
f Temp f Feuchte f Schwing f Dauer
0 ,7 0 ,8 0 ,9 0 ,5
Kleber ,kurzzeit
0 ,25
(1) (2)
Für die oberflächige Verklebung von Stahllaschen oder CFK-Lamellen übersteigt diese Restfestigkeit die Tragfähigkeit der bruchlastbestimmenden, oberflächenahen Betonschichten jedoch immer zuverlässig. Die Betriebsbedingungen üben nicht nur einen Einfluss auf die Festigkeit aus, sondern beeinflussen auch die auftretenden Verformungen. Epoxidharze weisen kunstofftypische, ausgeprägte Kriecheigenschaften auf. Die Größe und Geschwindigkeit der zeitabhängigen Verformungszunahme werden von vielen Faktoren beeinflusst. Hier sind vor allem neben der Zusammensetzung – Harz, Härter, Füllgrad – der Aushärtegrad, das Lastniveau und die Temperatur zu nennen. Es ist zu unterscheiden zwischen einem linear viskoelastischen und einem nichtlinear viskoelastischen Kriechbereich. Bei ca. 30% der Kurzzeitfestigkeit und Raumtem-
192
Epoxidharze im konstruktiven Einsatz
peratur sind die viskosen Anteile als untergeordnet anzusehen. Bei erhöhter Last oder Temperatur treten rasch die linear und nichtlinear viskoelastischen Eigenschaften in den Vordergrund. Das Gesamtkriechmaß beschleunigt und vergrößert sich mit anwachsender Temperatur und Belastung. Im Rahmen der bekannten Einsatzgebiete für Epoxidharze im Bauwesen konnten ihre Langzeitverformungseigenschaften in der Bemessung unberücksichtigt bleiben, da keine Auswirkungen ihrerseits auf den maßgeblichen Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) zu erwarten waren. Zukünftige Einsatzmöglichkeiten der Klebstoffe stellen hinzukommend Anforderungen an die Harze bzw. an das Gesamtsystem der Verklebung unter Betriebsbedingungen, die im Folgenden beispielhaft aufgezeigt werden sollen.
3 Erweiterte Einsatzgebiete 3.1 Temperatureinfluss Eine vom Lehrstuhl vom Lehrstuhl für Massivbau wissenschaftlich begleitete, über den Rahmen der existierenden Zulassungen für das Verfahren hinausgehende Anwendung von Epoxidharzen stellte die Verstärkung der Talbrücke Röslau in Querrichtung dar ([6],[8]). Das stark angestiegene Verkehraufkommen bedingte die Anordnung einer zusätzlichen Fahrspur auf dem bestehenden Brückenquerschnitt. Die notwendige Verstärkung in Querrichtung wurde mit in Schlitzen verklebten CFK-Lamellen ausgeführt. Die Verstärkung mit in Schlitzen verklebten CFK-Lamellen ist am Lehrstuhl für Massivbau in Zusammenarbeit mit der Bilfinger Berger AG entwickelt worden [2]. Für die Talbrücke Röslau waren u. a. die Auswirkungen zu erwartender sommerlicher Maximaltemperaturen zu untersuchen. Die Auswirkungen der Temperaturbelastungen konnten mittels einer Kombination aus Versuchen (reiner Klebstoff und Gesamtsystem) und rechnerischer Abschätzung beurteilt und für die Bemessung aufgearbeitet werden. Da die verklebten CFK-Lamellen dauerhaft, d.h. kriechwirksam nur sehr gering beansprucht werden, stellten sich die Kriechvorgänge im vorliegenden Fall nicht systemrelevant dar.
Kurt Borchert
193
140,0
120,0
Festigkeit [MPa]
100,0
80,0
60,0 mit Aufheizung auf 100°C (Einbau Gussasphalt)
40,0
ohne Aufheizung auf 100°C cc Glasübergangstemperatur cc .
20,0
0,0 0
10
20
30
40
50
60
70
Prüftemperatur [°C]
Abb. 3. Ergebnisse von Druckfestigkeitsuntersuchungen an Epoxidharzklebstoff
3.2 Vorgespannte Systeme Herkömmlichen Verfahren ist gemeinsam, dass der Verbund zwischen geklebter Bewehrung und Beton unter Betriebsbedingungen nur durch geringe Kräfte belastet wird. Dies ändert sich bei sich aktuell in der Entwicklung befindenden Verfahren zur Vorspannung geklebter Bewehrung. Hier sind planmäßig dauerhaft deutlich erhöhte Kräfte über Verbund zwischen Beton und vorgespannter CFKLamelle zu übertragen. Neben dem GZT können auch die Anforderungen aus dem Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG), wie z.B. Rissbreiten oder Verformungen, gezielt und effektiv beeinflusst werden [9]. Allen vorgespannten Systemen, die eine Anwendung als vollwertiges Vorspannsystem anstreben, ist ein Vorspanngrad von ca. 50 – 60 % der Lamellenzugfestigkeit gemeinsam. Damit betragen die planmäßig angesetzten Lamellenkräfte schon bei Vorspannung ein Vielfaches bei schlaffer Verklebung ständig vorhandenen Belastung. Diese Einsatzmöglichkeiten der Klebstoffe stellen hinzukommend Anforderungen an die Harze bzw. an das Gesamtsystem der Verklebung unter Betriebsbedingungen. In Folge sind nicht nur der Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) sondern auch der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) an sich und seine Auswirkungen auf den GZT zu beachten. Neben bisher bekannten Auswirkungen von Belastungsdauer und Betriebsbedingungen auf die Bruchlast, werden die Einflüsse auf das Verformungsverhalten der geklebten Bewehrung entscheidend.
194
Epoxidharze im konstruktiven Einsatz
6 Ausblick Epoxidharze besitzen zahlreiche Eigenschaften, die sie für konstruktive Verklebungen im Bauwesen prädestinieren. Hierbei sind der praktisch schwindfreie, schnelle Aushärtungsprozess, die hohe Kohäsions- und Adhäsionsfestigkeit in Verbindung mit den Fügepartnern zu nennen. Ihre kunstofftypischen, zeit- lastund temperaturabhängigen Materialeigenschaften sind hinsichtlich der Anforderungen herkömmlicher Einsatzgebiete bekannt und soweit erforderlich in die Bemessung integriert. Neue innovative Verfahren, wie z.B. vorgespannt vergeklebte Verstärkungsverfahren, stellen z. T. deutlich erweiterte Anforderungen an das Gesamtsystem aus Epoxidharz und Fügeteilpartnern. Diese können beipielsweise sich aus dem GZG ergeben. Zur sicheren Beurteilung dieser für die Wirksamkeit innovativer Verfahren notwendigen Fragestellungen liegen bisher keine allgemeingültigen Erkenntnisse bzw. keine Bemessungsmodelle vor. Unter der Leitung von Prof. Zilch werden aktuell am Lehrstuhl für Massivbau diese grundlegenden, bisher fehlenden Methoden zur Beurteilung der Auswirkungen der Betriebsbedingungen auf Epoxidharzverklebungen in innovativen Bauverfahren erarbeitet.
7 Literatur [1] Zilch, K.; Niedermeier, R.: Zugkraftdeckung bei klebearmierten Bauteilen. In: Betonund Stahlbetonbau 96 (2001), Heft 12, S. 759 – 770 [2] Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung: Verstärken von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen durch in Schlitze eingeklebte Carboplus Lamellen, Nr. Z-36.12-60, 01.2004 [3] Rehm, G.; Franke, L.: Kleben im Konstruktiven Betonbau. Berlin: Ernst & Sohn, 1982 (Schriftenreihe des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton, Heft 331) [4] Franke L.; Deckelmann G.: Tragverhalten der Grenzflächen von Fugen unter Dauerstandbelastung und Medieneinfluss, Bautechnik 67 , 1990 [5] Habenicht, G.: Kleben – Grundlagen Technologie Anwendungen. Berlin: SpringerVerlag, 1986 [6] Zilch, K.; Borchert, K.: Umbau der Röslautalbrücke - Verstärkung des Überbaues in Querrichtung – in Schlitze verklebte CFK-Lamellen, Beitrag zum VfSVI-Seminar „Ingenieurbau“, Garching, 10.02.2004, ohne Schriftfassung [7] Franke, L., Deckelmann, G.: Die Biegebemessung von Stahlbauteilen mit nachträglich aufgeklebter Bewehrung unter Gesichtspunkten einer ausreichenden Dauerhaftigkeit, Festschrift zum 60. Geburtstag Peter Schießl, TU München, 2003 [8] Borchert, K.: Moderne Verstärkungsverfahren für Spannbetonbrücken aufgezeigt am Beispiel der Talbrücke Röslau –Spezielle Untersuchungen zur Querverstärkung mit CFK-Lamellen. Massivbau 2004 „Forschung, Entwicklungen und Anwendungen“. Herausgeber: Konrad Zilch, TU München. Springer VDI Verlag, Düsseldorf 2004. [9] Zilch, K.: Vorgespannte CFK-Lamellen – Grundsätzliche Anmerkungen, Vortrag auch dem Münchner Massivbaukolloquium am 19.01.2004, ohne Schriftfassung
Überwachung von Verstärkungsmaßnahmen bestehender Brückenbauwerke Silke von Cranach
In diesem Beitrag werden zwei aktuelle Projekte der Überwachung von Verstärkungsmaßnahmen bestehender Brückenbauwerke, die am Lehrstuhl für Massivbau der TU München durchgeführt werden, dargestellt. Allgemein gliedern sich die Schwerpunkte des Brückenmonitoring am Lehrstuhl für Massivbau in zwei große Bereiche, der Beurteilung der Ermüdungsbruchgefährdung von Koppelankern sowie in die Beurteilung der Wirkungsweise von Verstärkungsmaßnahmen. Im Rahmen dieses Beitrags wird die Beurteilung der Ermüdungsbruchgefährdung von Koppelankern allerdings nicht mehr näher erläutert, da zu diesem Thema bereits zahlreiche Veröffentlichungen am Lehrstuhl für Massivbau gemacht wurden. Im Folgenden wird deshalb nur auf den zweiten großen Bereich des Brückenmonitoring, auf die Wirkungsweise von Verstärkungsmaßnahmen, die anhand von Messungen untersucht und im Anschluss ausgewertet und beurteilt wird, eingegangen. Zum einen werden dabei angebrachte Betonlaschen im Bereich der Koppelfugen an der Konrad-Adenauer-Brücke in Würzburg dargestellt. Als zweites Beispiel werden aktuell an der Röslautalbrücke in Schirnding durchgeführte Messungen an einer Verstärkungsmaßnahme erläutert.
1 Beurteilung von Verstärkungsmaßnahmen Im Folgenden werden zwei Brückenbauwerke dargestellt, die durch unterschiedliche Verfahren verstärkt wurden. Dabei handelt es sich zum einen um die KonradAdenauer-Brücke in Würzburg, deren Koppelfugen durch Anbringen von Betonlaschen im Hohlkasteninnenraum instand gesetzt wurden. Das zweite Brückenbauwerk ist die Röslautalbrücke in Schirnding, die aufgrund einer Erweiterung der Fahrbahn von 2 auf 3 Fahrstreifen in Querrichtung durch CFK-Lamellen, sowie in Längsrichtung durch externe Vorspannung verstärkt wurde.
196
Überwachung von Verstärkungsmaßnahmen bestehender Brückenbauwerke
1.1 Betonlaschen im Bereich der Koppelfugen (KonradAdenauer-Brücke, Würzburg) An dem Brückenbauwerk wurden im Jahr 2001 Dehnungsmessungen durchgeführt, mit denen die Wirkungsweise der Verstärkungsmaßnahme, die zur Reduzierung der Spannungsamplituden in den Spanngliedern und Spanngliedkopplungen der Koppelfugen führen sollte, untersucht wurde. Maßgebend für diese Untersuchung waren hierbei die Auswirkungen der Temperaturbelastung und einer gleichzeitigen Verkehrsbelastung in dem Bereich der Verstärkungen. Die Messungen wurden an den verstärkten Koppelfugenbereichen der Auf- und Abfahrtsrampen, die monolithisch an das Hauptbrückenbauwerk angeschlossen sind, durchgeführt. Der Querschnitt der Auf- und Abfahrtsrampen ist ein einzelliger Hohlkasten. Als Verstärkung, die sich aufgrund einer Nachrechnung der Brücke hinsichtlich einer Ermüdungsbruchgefährdung der Spannglieder als sinnvoll erwies, wurden 10 m lange Betonlaschen mit einem hohen Bewehrungsgrad an Betonstahl gewählt. Die Verbindung zwischen dem Bestand und der Verstärkung erfolgte über in den vorhandenen Betonquerschnitt gebohrte Dübel. Exemplarisch ist der Koppelfugenquerschnitt der Auffahrtsrampe mit den angeordneten Temperatur- und Dehnungsmesspunkten dargestellt. Für den Querschnitt der Abfahrtsrampe ergeben sich ähnliche Abmessungen.
Detail
Abb. 1. Anordnung der Temperaturmesspunkte (Auffahrtsrampe) mit Detail Verstärkung
Die Dehnungsmessungen wurden an einem im Verstärkungskörper liegenden Bewehrungsstab (2. Lage) durchgeführt.
Abb. 2. Anordnung der Dehnmessstreifen in den Betonlaschen (Auffahrtsrampe)
Silke von Cranach
197
In Abb. 3 sind exemplarisch die in einem der Verstärkungskörper der Auffahrtsrampe gemessenen Dehnungsamplituden infolge einer LKW-Überfahrt, sowie ein Vergleich der Momenten-Betonstahlspannungs-Beziehung mit einem gemessenen Dehnungsverlauf in Abhängigkeit des Temperaturunterschiedes dargestellt. Dehnungsamplituden LKW – Überfahrt (Betonstahl 2. Lage): Vergleich Momenten-Betonstahlspannungs-Beziehung im Übergangsbereich vom Zustand I in den Zustand II mit dem Dehnungsverlauf des DMS 4 in Abhängigkeit vom Temperaturunterschied
6,00
4,00
Amplitude DMS 8 (Rand)
Verlauf für 1,0 V -1
1107
1109
1111
1113
1115
1117
1119
1121
DMS 1 DMS 2 DMS 3
-2,00
DMS 5 DMS 6 DMS 7
-4,00
Verlauf für 0,9 V
-3
DMS 4
DMS 8
[MN/m²]
0,00 1105
1
Amplitude DMS 4 (KF)
Spannung
Dehnungen [um/m]
2,00
-6,00
-5
-7
-9
-11
-13
-8,00 -15 -3381
-10,00
-2881
-2381
-1881
-1381
-881
-381
Mg+v+s + MǻT=0
Sekunden [s]
Mg+v+s + MǻT=12 Moment M [kNm]
DMS 4 - Dehnungsverlauf in Abhängigkeit vom Temperaturunterschied 50,0
40,0
Dehnungen [um/m]
30,0
20,0
10,0
D4
0,0
-10,0
-20,0
0,00 -30,0
2,00
4,00
6,00
8,00
10,00
12,00
Temperaturunterschied [K]
Abb. 3. Dehnungsverlauf infolge Verkehr und Temperaturunterschied
Die Messergebnisse zeigten für alle 4 Verstärkungskörper an den beiden untersuchten Koppelfugen eine sichtbare Abhängigkeit der Dehnungen von den gemessenen Temperaturunterschieden ǻT sowie von der Verkehrsbelastung. Unter Temperatureinwirkung ergab sich die folgende Mitwirkung der Betonlaschen: Tabelle 1. Mitwirkung der Verstärkung infolge Temperatureinwirkung ǻısǻT,aus M-ı-Beziehung [MN/m²]
ǻısǻT,gemessen [MN/m²]
Mitwirkung der Verstärkung Ș
KF102, Steg 1
18,7
13,2
71%
KF102, Steg 2
14,8
8,5
58%
KF142, Steg 3
10,5
6,1
58%
KF142, Steg 4
9,7
7
72%
Die Verstärkungskörper wirken somit zu mindestens 58 % mit, wodurch auf eine hohe Beteiligung der Verstärkung an der Lastabtragung geschlossen werden kann. Die Mitwirkung der Verstärkung wurde auch für die Verkehrseinwirkung (dynamische LKW-Belastung) ermittelt. Aus dieser Untersuchung ergab sich folgende Gegenüberstellung der gemessenen mit den aus der MomentenSpannungsbeziehung für Betonstahl abgelesenen Schwingbreiten:
198
Überwachung von Verstärkungsmaßnahmen bestehender Brückenbauwerke
Tabelle 2. Mitwirkung der Verstärkung infolge LKW-Überfahrt ǻısLKW,aus M-ı-Beziehung [MN/m²]
ǻısLKW,gemessen [MN/m²]
KF102, Steg 1
2,53
2,52
KF102, Steg 2
2,49
2,52
KF142, Steg 3
2,25
2,14
KF142, Steg 4
2,26
2,14
Anhand der guten Übereinstimmung der Ergebnisse kann auf eine volle Mitwirkung der 4 Verstärkungskörper an der Lastabtragung unter LKW-Belastung geschlossen werden. Auffällig ist die Abhängigkeit der Mitwirkung der Verstärkungsmaßnahme von der Einwirkungsdauer der wirkenden Lasten. Unter der Kurzzeitbelastung aus Verkehr wirken die nachträglich aufgebrachten Betonlaschen voll mit, während die Mitwirkung der Verstärkung infolge der Langzeiteinwirkung Temperatur zwischen 58 % und 72 % liegt.
1.2 Monitoring der Verstärkungsmaßnahmen an der Röslautalbrücke in Schirnding Die oben erwähnte Erweiterung von 2 auf 3 Fahrstreifen der Röslautalbrücke in Schirnding erforderte eine Verstärkung der Brücke in Längs- und Querrichtung. Die seit Dezember letzten Jahres laufenden Messungen dienen vorrangig der Beobachtung des Tragverhaltens der in Querrichtung eingeschlitzten CFK-Lamellen, sowie ergänzend dazu der externen Vorspannung in Längsrichtung. Das Messkonzept wird vom Lehrstuhl für Massivbau in Zusammenarbeit mit den Lehrstühlen für Wasserbau und Geodäsie der TU München durchgeführt. Das gesamte Messprogramm, das über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren laufen soll, setzt sich folgendermaßen zusammen: Tabelle 3. Messprogramm
Langzeitmessung zur Bestimmung des Temperaturunterschiedes in der Fahrbahnplatte
Sommer
Frühjahr
3 Monate (z.B. Juni – August)
1 Monat
(Lehrstuhl für Massivbau)
Faseroptische Temperaturmessung
24 h Tagesganglinie 24 h Tagesganglinie
(Lehrstuhl für Wasserbau)
Tachymetermessung / Präzisionsnivellement
24 h Tagesganglinie 24 h Tagesganglinie
(Lehrstuhl für Geodäsie)
Anhand der Langzeitmessungen wird das Temperaturgefälle über die Fahrbahnplattenhöhe am Kragarm und damit der Einfluss der Temperatur auf die Kragarm-
Silke von Cranach
199
verformungen bestimmt. Von Bedeutung ist hierbei auch die dämmende Wirkung der Asphaltschicht sowie der Einfluss der Kappen auf die Temperaturentwicklung im Querschnitt im Bereich der CFK-Lamellen, die durch diese Messung mit erfasst werden sollen. Um den Einfluss aus Temperatur sowie aus der Verkehrseinwirkung auf die CFK-Lamellen zu erhalten, werden ergänzend zu den Langzeitmessungen Dehnungsmessungen an einer CFK-Lamelle im Kragarmanschnitt durchgeführt. Mit der Tachymetermessung kann der Durchhang des Kragarmes bestimmt werden, während mit dem Präzisionsnivellement der Durchhang des Überbaus über die gesamte Länge ermittelt wird. Eine flächige Aufnahme der vorhandenen Temperaturverteilung über die Kragarmlänge bzw. über eine Breite von 10 m in Brückenlängsrichtung wird durch die faseroptische Temperaturmessung in Höhe der eingebauten CFK-Lamellen ermöglicht. Mit Hilfe dieser Messung können Einflüsse aus Spurrillenbildung bzw. aus der Abschattung durch die Kappen auf die Wirkung der Verstärkung untersucht werden. Die Messstellen in Brückenlängsrichtung für die genannten Untersuchungen sind in der folgenden Skizze dargestellt.
Abb. 4. Anordnung der Messpunkte in Längsrichtung Die Anordnung der Messpunkte für die Langzeitmessungen der Temperatur und Dehnungen im Querschnitt sind im Folgenden dargestellt:
Abb. 5. Abbildung der Messpunkte für die Langzeitmessungen
In den folgenden Diagrammen ist die Temperaturentwicklung an den ersten beiden Messperioden (Dezember 03 und April 04) dargestellt.
200
Überwachung von Verstärkungsmaßnahmen bestehender Brückenbauwerke Messung 14.04.04 - 15.04.04
Messung 11.12.03-13.12.03 30
7,00E+01
4,00E-01
6,00E+01
3,50E-01
2,00E+01 1,00E-01 1,00E+01
T_2 °C 0,15
0,10
T_3 °C T_4 °C
T_5 °C T_6 °C
T_7 °C T_8 °C DMS
5,00E-02
0,05
5
0,00E+00
Dehnung [um/m]
1,50E-01
T_1 °C
20 T_1 °C T_2 °C T_3 °C 15 T_4 °C T_5 °C T_6 °C T_7 °C 10 T_8 °C DMS 10 mm Tem peratur [°C]
2,00E-01 3,00E+01
Dehnung [um/m]
2,50E-01
4,00E+01 Temperatur [°C]
0,20
3,00E-01
5,00E+01
0,00E+00
-1,00E+01
-2,00E+01 11.12.2003 00:00
0,25
25
-5,00E-02
11.12.2003 12:00
12.12.2003 00:00
12.12.2003 12:00
13.12.2003 00:00
-1,00E-01 13.12.2003 12:00
0 14.04.2004 04:48
14.04.2004 09:36
14.04.2004 14:24
14.04.2004 15.04.2004 19:12 00:00 Zeit
15.04.2004 04:48
15.04.2004 09:36
0,00 15.04.2004 14:24
Zeit
Abb. 6. Temperatur- und Dehnungsänderungen der ersten beiden Messepochen
Während der dargestellten ersten Messperiode wurde die Fahrbahnplatte an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in zwei Schichten asphaltiert, was auch deutlich an den Temperaturmessfühlern T7 und T8 zu erkennen ist, die am Asphaltquader angebracht sind (s. Abb.5). Bedeutend ist hierbei vor allem die dämmende Wirkung der 1. Asphaltschicht, nach Aufbringen der zweiten Schicht. Ebenso interessant sind die in den Diagrammen aufgezeigten Dehnungsänderungen, die hier eine deutliche Abhängigkeit von der Temperatur aufweisen.
2 Fazit Bei der Konrad-Adenauer-Brücke in Würzburg kann von einer guten Mitwirkung der Verstärkung im Bereich der Koppelfugen ausgegangen werden. Die Verstärkungsmaßnahme stellt somit eine sinnvolle Lösung zur Reduzierung der Spannungsamplituden in den Koppelfugenbereichen des Brückenbauwerks dar. Die Messungen an der Röslautalbrücke sind noch nicht abgeschlossen. Erste genauere Aussagen können nach Abschluss der momentan laufenden Sommermessung getroffen werden. Anhand der bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Messungen kann allerdings schon auf eine Mitwirkung der Verstärkungsmaßnahmen geschlossen werden. In welcher Größenordnung und ob damit die vollen Erwartungen erfüllt werden, wird sich erst mit im Laufe der Messungen feststellen lassen.
3 Literatur [1] Zilch, K.; Penka, E.; Cranach, S.: Konrad-Adenauer-Brücke, Würzburg – Wirkung der Verstärkungsmaßnahme im Bereich der Koppelfugen, Untersuchungsbericht, 2003
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk experimentelle und numerische Untersuchungen Lothar Stempniewski, Christian Wallner, Sascha Schnepf
Umfangreiche experimentelle Untersuchungen zur nachträglichen Erdbebenverstärkung von vorgeschädigten Mauerwerksstrukturen durch den Einsatz oberflächenapplizierter Faserverbundwerkstoffe wurden durchgeführt. Zunächst erfolgte eine Eignungsprüfung potentieller Werkstoffe für die Ertüchtigungsverfahren an Kleinversuchen mit verschiedensten FaserlaminatVarianten. Ausgewählte Werkstoffe wurden anschließend im Großversuch auf bereits vorgeschädigte Mauerwerksbauteile (tragende Wandscheiben, Ausfachungen von Stahlbetonrahmen) appliziert. Die seismische Belastung in Prüfkörperebene wurde mit Hilfe der pseudodynamischen Versuchsmethodik simuliert. Der Erfolg der einzelnen Maßnahmen ließ sich anhand der Ergebnisse an unverstärkten Referenzstrukturen quantifizieren. Insgesamt ergaben sich so sieben großmaßstäbliche Versuche, bei denen durch die angewandten Ertüchtigungsmaßnahmen nicht nur der Ausgangszustand der vorgeschädigten Versuchskörper wiederhergestellt, sondern darüber hinaus eine deutliche Verbesserung des Bauteilverhaltens unter seismischer Belastung erreicht werden konnte. So ließ sich beispielsweise die Traglast einer bereits vorgeschädigten Mauerwerkswandscheibe durch das Auflaminieren eines Kohlenstoffgewebes im Vergleich zur unverstärkten Wand auf das über 2.5-fache steigern. Basierend auf den experimentellen Untersuchungen wurde ein MakroElement entwickelt, mit dem das nichtlineare Verhalten der behandelten Strukturen abgebildet werden kann. Die Vorteile des Makro-Elements liegen in seiner Einfachheit und des damit verbundenen geringen Zeitaufwands zur Modellierung kompletter Bauwerke, die hinsichtlich einer flächendeckenden Schadensprognose in Verbindung mit der Kapazitäts-Spektrum-Methode eine wesentliche Rolle spielen. Es wurde hierbei die Methode der äquivalenten Strebe angewandt, bei dem das Mauerwerk durch zwei Druckdiagonalen ersetzt wird. Um das Tragverhalten von Mauerwerk infolge zyklischer Beanspruchung berechnen zu können, wurde diesbezüglich ein Hysteresemodell aufgestellt. Über mehrere Kontrollparameter können sowohl Steifigkeits- und Festigkeitsminderungen als auch Einschnürungseffekte dargestellt werden. Erste Berechnungen haben gezeigt, dass mit dem aktuellen Modell die Charakteristiken des nichtlinearen zyklischen Verhaltens von mauerwerksausgefachten Rahmen gut abgebildet werden können.
202
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
1 Einleitung Der Mauerwerksbau gehört zu den ältesten Bauweisen der Menschheit und ist aufgrund der einfachen und materialkostengünstigen Herstellung und den hervorragenden bauphysikalischen Eigenschaften nach wie vor weit verbreitet. Vor allem tragende Wandscheiben und nichttragende Rahmenausfachungen sind weltweit anzutreffende Baukonstruktionen, die in seismisch gefährdeten Regionen den durch Erdbeben hervorgerufenen Belastungen allerdings häufig nicht standhalten. Große Schäden bis hin zum Einsturz ganzer Bauwerke sind die Folge. Hieraus ergaben sich in den letzten Jahren weitreichende Untersuchungen zur Einschätzung der seismischen Schadensanfälligkeit solcher Strukturen. Alle diese Erkenntnisse führen zu der Notwendigkeit, effiziente Methoden zur nachträglichen Verstärkung (Ertüchtigung) von gefährdeter Mauerwerksbausubstanz zu entwickeln. Diese sollen es ermöglichen, Gebäude im Bestand erdbebensicherer zu machen und somit sowohl Personenschäden als auch materielle Verluste im Falle einer Erdbebenkatastrophe zu verringern. Dabei konzentriert man sich im vorliegenden Fall auf die nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk durch die Oberflächenapplikation von Faserverbundwerkstoffen.
2 Experimentelle Untersuchungen Faserverbundwerkstoffe (FVW) entstehen durch Einbettung einer Faserstruktur in eine Matrix. Die Faser ist dabei hauptsächlich verantwortlich für die Festigkeit und Steifigkeit des hergestellten Verbundwerkstoffes. Die Matrix besitzt zum einen eine formgebende und stabilisierende Aufgabe, zum anderen ist sie für die Kraftübertragung zwischen Grundmaterial und Fasern sowie zwischen den einzelnen Fasersträngen zuständig. Darüber hinaus soll sie die Faserstruktur vor chemischen oder mechanischen Einwirkungen schützen. Typische Fasermaterialien sind im Wesentlichen Chemiefasern aus synthetischen Polymeren (Polyester, Polyethylen, Aramid, Kohlenstoff) oder Produkte aus anorganischen Rohstoffen (Glas). Als Matrix für einen Einsatz im Bauwesen existieren zum einen die üblichen Kunstharzsysteme (meist Epoxidharz), die neben ihren hohen Festigkeiten und chemischen Beständigkeiten allerdings auch diverse Nachteile besitzen (hoher Preis, erhöhter erforderlicher Arbeitsschutz, Emission von Rauch und toxischen Dämpfen im Brandfall, dampfsperrend). Epoxidharz in Verbindung mit Fasererzeugnissen (faserverstärkter Kunststoff) stellt jedoch bislang den Standardfall im Bereich der Mauerwerksverstärkung durch FVW dar [4][13]. Alternativ besteht dagegen die Möglichkeit der Verwendung zementgebundener Matrices, die zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften i.d.R. kunststoffmodifiziert sind (Kunstharzzusatz). Dieses Material besitzt neben einem neutralen Brandverhalten sowie temperaturunabhängigen mechanischen Eigenschaften auch die bauphysika-
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203
lisch wichtige Dampfdiffusionsoffenheit. Diese Art der Matrix wurde bislang nur wenig untersucht [6] und stellt einen Hauptbestandteil der eigenen Untersuchungen dar. Der große Vorteil von FVW ist, dass durch deren Applikation dem System nur vernachlässigbar kleine Massen hinzugefügt werden, die zu keiner Mehrbelastung der schwingenden Struktur führen.
2.1 Kleinversuche Vorab wurden verschiedene Fasergewebe-Matrix-Kombinationen, die prinzipiell zur Ertüchtigung von Mauerwerk geeignet schienen, in zahlreichen Kleinversuchen untersucht, bewertet und im Hinblick auf eine spätere Anwendung in den Großversuchen selektiert. Das Prinzip der Kleinversuche bestand in der Untersuchung des Verhaltens oberflächenapplizierter Laminate über einem Riss im Grundmaterial (Mauerwerk), dessen Rissufer sich gegenseitig verschieben. Die Untersuchung des Verhaltens der FVW bei einer Rissüberbrückung ist von zentraler Bedeutung, da nur hier wesentliche Beanspruchungen der Laminate entstehen. Um die wesentlichen Belastungssituationen auf schubbeanspruchtem Mauerwerk abzudecken, wurden sowohl Zug- als auch Schubrisse untersucht, die durch die Fugen trocken aufeinander gesetzter Mauersteine simuliert wurden (Abb. 1).
Schubbeanspruchung (Mode II)
Zugbeanspruchung (Mode I)
Abb. 1. Prinzip der Kleinversuche
Als Gewebe kamen hierbei bidirektionale Kohlenstoff-, E-Glas-, Polyester- und Polyethylengewebe von unterschiedlichen Flächengewichten zum Einsatz. Im Hinblick auf den Arbeitsaufwand einer großmaßstäblichen Anwendung erfolgte die Applikation durchgehend einlagig. Als Kunstharzmatrix wurde das Epoxidharz „Sikadur 330“ der Fa. Sika verwendet [15], mit der auch der alternativ eingesetzte epoxidharzvergütete Zementmörtel („Sikagard-725 EpoCem“) entwickelt wurde [16].
204
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
2.1.1 Schub-Kleinversuche Zunächst wurden Schubversuche durchgeführt. Ausgehend von 14 GewebeMatrix-Kombinationen ergaben sich unter Berücksichtigung zweier verschiedener Faserorientierungen der bidirektionalen Gewebe bzgl. dem (simulierten) Rissverlauf (0°/90° bzw. 45°/135°) insgesamt 28 zu prüfende Versuchskörper. Tabelle 1 gibt die Ergebnisse der Schubversuche für die einzelnen Laminate wieder. Der erste Wert bezieht sich jeweils auf eine Faserorientierung bzgl. der Fuge von 0°/90°, der zweite auf eine diagonale Ausrichtung. Tabelle 1. Übersicht Schub-Kleinversuche PK
Fasermaterial
1/2 3/4 5/6 7/8 9/10 11/12 13/14 15/16 17/18 19/20 21/22 23/24 25/26 27/28
E-Glas E-Glas E-Glas E-Glas Kohlenstoff Kohlenstoff Kohlenstoff Polyester Polyethylen Kohlenstoff Kohlenstoff Kohlenstoff Polyester Polyethylen
Flächengewicht [g/m²] 163 (68 tex) 163 (136 tex) 290 395 93 160 285 265 130 93 160 285 265 130
Matrix
EH EH EH EH EH EH EH EH EH ZM ZM ZM ZM ZM
Maximalkraft [kN] 8.0/10.0 9.0/11.1 7.9/14.0 7.9/8.4 4.9/8.6 8.6/10.3 10.0/10.5 7.7/6.3 13.3/7.0 2.8/5.0 3.1/4.7 9.1/8.4 3.5/4.1 2.8/4.0
bei Verschiebung [mm] 1.0/1.5 2.0/2.0 1.5/3.5 1.0/3.0 1.0/1.0 1.5/2.5 2.0/2.0 1.5/1.5 1.5/2.0 2.0/1.5 2.0/1.5 3.0/2.5 1.0/2.0 5.0/4.0
Versagensform
R/AD R/AD AD/AD AD/AD R/R AD/AD AD/AD AD/AD AD/AD R/R R/AD AF/AD AF/AD AF/AD
EH = Epoxidharz, ZM = Zementmörtel R = Geweberiss, AD = Ablösung diagonal, AF = Ablösung von der Fuge ausgehend
Das Versagen der Epoxidharz-Varianten war einheitlich spröde. Entweder versagten die Prüfkörper (PK) durch einen frühzeitigen Riss des Gewebes (bei geringen Flächengewichten), oder es trat eine plötzliche Ablösung des Laminates entlang der Prüfkörperdiagonalen auf (bei größeren Flächengewichten), die auf einen Bruch im Mauerstein unterhalb der Steinhaut zurückzuführen ist. Auch bei Verwendung einer kunststoffmodifizierten Zementmatrix ist ein leichtes Gewebe nicht im Stande, Ablösungen zu erzwingen, sondern versagt durch einen Riss entlang der Fuge. Bei schwereren Geweben gab es im Hinblick auf das Versagensmuster klare Unterschiede der beiden Faserorientierungen (Abb. 2). Die 0°/90°-orientierten Laminate lösten sich von der Fuge ausgehend ab. Bei diagonal ausgerichteten Geweben trat die Ablösung entlang der Faser- bzw. Kraftrichtung auf der Diagonalen auf. Tendenziell lässt sich feststellen, dass die maximal aufnehmbaren Kräfte bei Zement-Prüfkörpern, deren Faserausrichtung 0°/90° betrug, kleiner als bei einer
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205
45°/135°-Orientierung waren, die zugehörigen Wege jedoch größer und die Schubsteifigkeit somit geringer (Abb. 3).
Abb. 2. Einfluss der Faserorientierung bei einem Kohlenstoffgewebe (links: 0°/90°, rechts: 45°/135°)
Grund hierfür ist die unmittelbare Beanspruchung einer schräg verlaufenden Faser in ihrer Achse. Bei senkrecht zur Fuge gerichteten Fasern führt die Belastung rechtwinklig zur Faserachse zu Ablösungen der Fasern von der Matrix, welche die aufnehmbaren Kräfte begrenzen, allerdings über größere Verschiebungen aufrecht halten. Dies führt zu einem pseudoduktilen Mechanismus des Laminates über dem simulierten Riss.
Schubkraft Gewebe [kN]
6 5 4 3 2
PK 19 (0°/90°)
1
PK 20 (45°/135°)
0 0.0
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
Horizontalverschiebung [mm]
Abb. 3. Einfluss der Faserorientierung
2.1.2 Zug-Kleinversuche Anhand der Erkenntnisse der Schubversuche wurden im nächsten Schritt von den ursprünglich 14 FVW-Varianten sieben für eine weitere Untersuchung im Zugversuch ausgewählt. Hierbei wurden wiederum die beiden bereits erwähnten Faserorientierungen bzgl. des Risses berücksichtigt. Abb. 4 zeigt die Versuchsergebnisse getrennt nach Art der verwendeten Matrix.
206
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
Abb. 4. Ergebnisse der Zugversuche
Alle Epoxidharz-Prüfkörper zeigten ein sprödes Versagen. Außer PK 5 (Geweberiss) löste sich immer das Laminat inkl. der äußeren Kalksandsteinschicht ab (Abb. 5 links). Da das Versagen im Wesentlichen von der Oberflächenzugfestigkeit des Kalksandsteines und nicht von den mechanischen Eigenschaften des Laminates abhängig ist, waren die Unterschiede in den maximal aufnehmbaren Kräften nur gering.
Abb. 5. Versagensmechanismen bei den Zugversuchen in Abhängigkeit der Matrix (links: Epoxidharz, rechts: Zementmörtel, epoxidvergütet)
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Bei fast allen Prüfkörpern mit Zementmatrix hingegen traten aufgrund der geringeren Verbundfestigkeiten Gewebeablösungen auf, die ausgehend von der Fuge allmählich weiter fortschritten. Bei diagonal zur Fuge ausgerichteten Laminaten schnürte sich das abgelöste Gewebe auf seiner freien Länge ein (Abb. 5 rechts).
2.2 Großversuche In den anschließenden Bauteil-Großversuchen sollte der Ertüchtigungserfolg von ausgewählten Laminaten an erdbebenbeanspruchten Tragwänden und Rahmenausfachungen aus Mauerwerk im Maßstab 1:1 geprüft werden. Die Aufbringung der seismischen Belastung in Prüfkörperebene erfolgte mit Hilfe der pseudodynamischen Versuchsmethodik [8][14]. Als Eingangsbeschleunigungszeitverlauf diente die gemessene Nord-Süd-Komponente des Vrancea-Erdbebens (Rumänien) aus dem Jahre 1990 (Abb. 6). Die Steigerung der Belastung erfolgte durch entsprechendes Hochskalieren des Akzelerogramms.
Abb. 6. Verwendeter Beschleunigungs-Zeit-Verlauf und zugehöriges Antwortspektrum (5 %-Dämpfung)
Die FVW-ertüchtigten Prüfkörper wurden vor Durchführung der Ertüchtigungsmaßnahmen pseudodynamisch mit dem real gemessenen Erdbebenbeschleunigungsverlauf (100 %-Skalierungsstufe) vorgeschädigt. Im Folgenden werden die Ergebnisse von insgesamt fünf Wand- und zwei Rahmenversuchen kurz vorgestellt. Jeweils ein Versuch diente dabei als Referenzprüfung an der unverstärkten Struktur, um den Erfolg der Ertüchtigungsmaßnahmen quantifizieren zu können. Für eine ausführliche Versuchsdokumentation sei auf [18] verwiesen. 2.2.1 Wand-Großversuche Als Mauerwerksbaustoffe wurden Kalksandvollsteine im Format 4DF (SFK 12) sowie ein niederfester Normalmauermörtel (Kalk-Zement, MV 2:1:9) verwendet. Die Mörteldruckfestigkeit nach 28 Tagen betrug im Mittel 2.5 N/mm², die Stoßfu-
208
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
gen wurden vermörtelt. Die Wände hatten Abmessungen von 2.5 x 2.5 m². Die statische Auflast betrug 0.55 N/mm². Abb. 7 illustriert den Versuchsaufbau.
Abb. 7. Versuchsaufbau für Wandprüfkörper
Der erste Wandversuchskörper wurde unverstärkt bis zum Versagen geprüft und diente somit als Referenzprüfkörper. Das Rissbild war ein für Schubwände typisches Fugenversagen entlang den Wanddiagonalen (max. Fugenöffnungen ca. 15 mm). Die weiteren Wandprüfkörper wurden nach Vorschädigung durch verschiedene FVW-Laminate ertüchtigt. Eine Zusammenstellung zeigt Tabelle 2. Tabelle 2. Auflistung der Wandprüfkörper Wandprüfkörper 1 2 3 4 5
Faserprodukt (bidirektional) Kohlenstoffgewebe Polyestergewebe Glasgewebe Kohlenstoffgitter
Flächengewicht [g/m²] 285 265 395 159
Matrix
Applikation
ZM ZM EH ZM
vollflächig, einlagig vollflächig, einlagig diagonal, einlagig vollflächig, zweilagig
EH = Epoxidharz, ZM = Zementmörtel
Die Applikation erfolgte jeweils beidseitig (auf Vorder- und Rückseite der Wand) und bei Verwendung der epoxidvergüteten Zementmörtel-Matrix vollflächig, während beim Einsatz von Epoxidharz das Laminat streifenförmig entlang den Wanddiagonalen aufgebracht wurde (Abb. 8 links). Alternativ zu den standardmäßig verwendeten, feinmaschigen Geweben wurde der letzte Wandprüfkörper (Wand 5) mit Hilfe eines grobmaschigen Gitters ertüchtigt (Abb. 8 rechts), welches jedoch zweilagig appliziert wurde, um im Hinblick auf das Faserflächengewicht mit dem entsprechenden Gewebelaminat (Wand 2) vergleichbar zu sein. Alle Faserflächenerzeugnisse (Gewebe, Gitter) waren bidirektional aufgebaut, d.h. besaßen in zwei senkrecht zueinander stehenden Richtungen identische Eigenschaften.
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Abb. 8. FVW-Applikation (links: Glasfasergewebe in Epoxidharz, rechts: zweilagiges Kohlenstoffgitter in Zementmörtel)
Abb. 9 zeigt exemplarisch die Hystereseschleifen der einzelnen Skalierungsstufen überlagert für Wand 1 und Wand 2. Anhand dieser überlagerten Verläufe wurde für jeden Wandversuch die Einhüllende ermittelt und in Abb. 10 aufgetragen.
Abb. 9. Überlagerung der Hysteresen aller Skalierungsstufen (links: Referenzwand 1, rechts: ertüchtigte Wand 2)
Zu erkennen ist, dass durch alle Ertüchtigungsvarianten die Anfangssteifigkeit der Referenzwand wiederhergestellt werden konnte. Darüber hinaus konnte die Traglast auf mehr als das 2.5-fache gesteigert werden. Zu beachten ist hierbei, dass die verstärkten Wände durch die Vorschädigung bereits ihre maximale Tragfähigkeit verloren hatten. Der Bruchmechanismus änderte sich durchgehend von einem spröden zu einem sich durch eine allmähliche Entfestigung ankündigenden Versagen.
210
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
Abb. 10. Zusammenstellung der Einhüllenden aller Wandversuche
2.2.2 Rahmen-Großversuche In einer zweiten Versuchseinrichtung wurde die Möglichkeit zur Ertüchtigung von ausgefachten Stahlbetonrahmen durch die nachträgliche Verstärkung des unter Horizontallasten mitwirkenden, eingefassten Mauerwerks geprüft. Der Versuchsaufbau entspricht prinzipiell dem der Wandversuche. Die Prüfkörper waren nun jedoch Stahlbetonrahmen der Betonfestigkeitsklasse C 20/25 mit Stützenquerschnitten von 30 x 30 cm². Die Mauerwerksflächen betrugen wiederum 2.5 x 2.5 m², die Wanddicke wurde jedoch auf 17.5 cm reduziert. Die Auflast pro Rahmenstütze betrug jeweils 400 kN. Das im Vergleich zum Rahmen wesentlich steifere, planmäßig nichttragende Mauerwerk erreichte aufgrund der fehlenden Auflast bereits bei geringen Kopfauslenkungen seine Schubtragfähigkeit. Das Kraftniveau blieb jedoch durch Ausbildung einer Druckstrebe im allseitig eingefassten Mauerwerk (Kraftübertragung durch Kontakt) auch bei zunehmenden Verschiebungen nahezu konstant. Die Ertüchtigung des vorgeschädigten Rahmenprüfkörpers 2 erfolgte analog zu Wand 2 mit einem Kohlenstoffgewebe in einer Zementmatrix. Jedoch wurde hier aus Gründen der Verarbeitbarkeit ein Gewebe mit einer offeneren Filamentstruktur verwendet. Das Flächengewicht betrug bei diesem Produkt 375 g/m². Während die Anfangssteifigkeit des ungeschädigten, unverstärkten Prüfkörpers durch die Ertüchtigungsmaßnahme wiederhergestellt werden konnte, ergab die in den Wandversuchen für deutliche Steigerungen der Traglast verantwortliche Laminatverstärkung des Mauerwerks hier allerdings nur eine geringe prozentuale Zunahme der Beanspruchbarkeit (Abb. 11 rechts). Gründe hierfür sind die höhere Tragfähigkeit des unverstärkten Ausgangssystems im Vergleich zur reinen Wandscheibe sowie die veränderten Randbedingungen des Mauerwerks (Kippbehinderung durch Rahmenzwang).
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211
Abb. 11. Schädigung Referenzrahmen nach Versuchsende (links) und Vergleich der Einhüllenden der pseudodynamisch ermittelten Hystereseschleifen (rechts)
3 Numerische Untersuchungen Parallel zu den Versuchen wurden numerische Untersuchungen durchgeführt. Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren, mit denen oben beschriebene Mauerwerksstrukturen analysiert werden können, nämlich die lokalen Modelle (MikroModelle) und die vereinfachten Makro-Elemente (Abb. 12). Bei der erstgenannten Methode wird das Tragsystem durch eine große Anzahl von Elementen abgebildet, wodurch die Darstellung lokaler Effekte im Detail ermöglicht wird [1]. Dieses Verfahren wird vorzugsweise für die Bemessung einzelner Wandscheiben angewandt und ist für die Analyse kompletter Gebäude, auf Grund des großen Rechen- und Zeitaufwandes, eher ungeeignet. Hierfür behilft man sich in der Regel der Makro-Elemente, die auf dem physikalischen Verständnis der globalen Struktur basieren. Das Mauerwerk wird dabei durch zwei nichtlineare Federn und der Rahmen durch Balkenelemente ersetzt. Der Vorteil der Makro-Elemente gegenüber den Mikro-Modellen liegt nicht nur in der deutlich kürzeren Rechenzeit, sondern auch in der Möglichkeit einer schnellen Anpassung der Modellierung an veränderte Gebäudestrukturen.
Abb. 12. Darstellung eines Mikro-Modells (links) und eines Makro-Elements (rechts) für einen mauerwerksausgefachten Stahlbetonrahmen
212
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
Entsprechend dieser positiven Eigenschaften und insbesondere hinsichtlich des eigentlichen Ziels, der Durchführung einer großflächigen Schadensprognose mit gerechtfertigtem Arbeits- und Zeitaufwand, wurde ein Makro-Element entwickelt, mit dem das nichtlineare Tragverhalten mauerwerksausgefachter Stahlbetonrahmen beschrieben werden kann [17]. Die hierfür entwickelten SpannungsDehnungs-Beziehungen für die Ausfachung liefern die Vorraussetzung, durch Weiterentwicklung des numerischen Modells auch tragende Mauerwerkswände darzustellen. Im Folgenden wird vertieft auf die Struktur mauerwerksausgefachter Rahmen eingegangen. 1960 führte Polyakov [12] eine der ersten analytischen Studien auf Basis der elastischen Theorie durch, wobei er die Meinung vertrat, dass der Einfluss der Mauerwerksausfachung unter Anregung lateraler Lasten äquivalent einer diagonalen Strebe sei. Dieses Modell war später Bestandteil vieler Forschungsarbeiten und hat sich heute als einfache und effektive Möglichkeit zur Beschreibung des Einflusses des Mauerwerks auf den ausgefachten Rahmen etabliert. Unzählige Vergleiche mit experimentellen Ergebnissen haben darüber hinaus gezeigt, dass mit dem äquivalenten Strebenmodell gute Ergebnisse zur Berechnung des globalen Verhaltens mauerwerksausgefachter Stahlbetonrahmen erzielt werden können [3].
3.1 Prinzip der äquivalenten diagonalen Strebe Um das zyklische Verhalten mauerwerksausgefachter Stahlbetonrahmen zu beschreiben, wird das bereits erwähnte Prinzip der äquivalenten Strebe angewandt. Die Ausfachung wird dabei durch zwei diagonale Streben dargestellt, die lediglich auf Druck reagieren. Die Länge der Streben wird durch die Schnittpunkte der Mittellinien der Balken und Stützen definiert. Der E-Modul und die Dicke der Streben entsprechen der des Mauerwerks. dm
h h m
w
lm l
Abb. 13. Schematische Darstellung des äquivalenten Strebenmodells mit zugehörigen Parametern
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213
Eine wesentliche Bedeutung für die Definition der Strebengeometrie kommt der Breite w zu (Abb. 13). Es wurden diesbezüglich umfangreiche Parameterstudien durchgeführt, bei denen neben dem Seitenverhältnis lm/hm auch der Einfluss veränderter Spaltbreiten z zwischen Rahmen und Mauerwerk, der Einfluss unterschiedlich großer Vertikallast q als auch veränderter Längsbewehrung 1 im Stahlbetonrahmen untersucht wurde. Die infolge der Parameterstudien ermittelten Druckstrebenbreiten sind dann mit mehreren aus der Literatur bekannten Verfahren verglichen worden [5][7][9][11]. Es konnte dabei festgestellt werden, dass mit dem Verfahren nach Mainstone [9] die eigenen Ergebnisse sehr gut abgebildet werden können und somit die Verwendung für das eigene Modell gerechtfertigt ist. In Abb. 14 ist die Druckstrebenbreite aus numerischen Berechnungen und aus der Literatur bekannten Verfahren über dem Seitenverhältnis lm/hm aufgetragen. Bei Betrachtung der numerisch ermittelten Breiten w fällt auf, dass zwischen dem Seitenverhältnis lm/hm = 0.5, d.h. bei einer hohen Wand, und lm/hm = 1.25 die Druckstrebenbreite um 100% von 300 mm auf 600 mm ansteigt und anschließend bis lm/hm = 2 annähernd konstant bleibt. Der deutliche Unterschied der Druckdiagonalenbreite zwischen der hohen und der flachen Wand ist auf den Neigungswinkel der Druckdiagonalen zurück zu führen. Je größer der Neigungswinkel, umso geringer ist der Anteil der horizontalen Belastung, welcher in die untere Ecke abgetragen werden kann. Es kommt somit zu einem früheren Versagen der Wand und demnach zu einer geringeren Druckstrebenbreite. Die Tatsache, dass ab einem Seitenverhältnis von 1.25 die Druckstrebenbreite in etwa konstant bleibt, ist darauf zurück zu führen, dass der Widerstand der Struktur gegen seitliche Belastung lokal begrenzt ist.
Druckstrebenbreite w [mm]
2000 eigene Untersuchungen Holmes Paulay/Priestley Mainstone Liauw/Kwan
1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0,5
0,75
1
1,25
1,5
1,75
2
Seitenverhältnis l m/hm
Abb. 14. Vergleich der Druckstrebenbreite w aus numerischen Berechnungen mit aus der Literatur vorhandenen Verfahren in Abhängigkeit des Seitenverhältnisses lm/hm
Barsotti [2] führte numerische Berechnungen an sehr breiten ausgefachten Rahmen durch und stellte dabei fest, dass bei einem Verhältnis großer Horizontallast
214
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
zu kleiner Vertikallast der Lastabtrag maßgeblich auf einen begrenzten Bereich in der Ausfachung konzentriert ist, der sich auf der Seite des horizontalen Lastangriffspunktes befindet. Der Teil der Struktur auf der gegenüberliegenden Seite bleibt inaktiv. Bezogen auf die eigene Geometrie tritt dieses Verhalten bei einem Seitenverhältnis von 1.25 ein, wodurch bei ansteigendem Seitenverhältnis die Breite der Druckstrebe nahezu konstant bleibt. Vergleiche mit den aus der Literatur bekannten Verfahren zeigen, dass die numerisch ermittelten Strebenbreiten durchweg zwischen denen nach Mainstone [9] und Liauw/Kwan [7] liegen. Beide Verfahren berücksichtigen bei der Berechnung der Druckstrebenbreite die relative Steifigkeit der Mauerwerksausfachung gegenüber der des Rahmens. Im Gegensatz zu Mainstone beziehen Liauw/Kwan zusätzlich die Neigung der Druckdiagonalen mit ein, wodurch aber keine bessere Übereinstimmung mit den numerischen Ergebnissen erzielt wird. Weitere Vergleiche wurden mit den Verfahren nach Holmes [5] und Paulay/Priestley [11] durchgeführt. Auf Grund der relativ einfachen Ausdrücke können diese Verfahren lediglich für vereinfachte Berechnungen verwendet werden und werden daher nicht weiter berücksichtigt.
3.2 Abbilden des zyklischen Spannungs-Dehnungs-Verhaltens von Mauerwerk Um das zyklische Tragverhalten von Mauerwerk zu beschreiben, wurde ein Hysteresemodell für die diagonalen Streben entwickelt (Abb. 15a). Wie zu erkennen ist, kann dieses Hysteresemodell aus wenigen Regeln in Abhängigkeit der Belastungszustände (Be-, Ent- und Wiederbelastung) zusammengefasst werden. a)
b)
fk
Em0 k
u
Abb. 15. Regeln zur Definition des zyklischen Verhaltens von Mauerwerk
Mit der ersten Regel wird das Spannungs-Dehnungs-Verhalten von Mauerwerk bei Druckbelastung definiert, welches sich annähernd mit der SpannungsDehnungs-Kurve infolge einer monotonen Belastung deckt (Abb. 15b). Definiert wird dieser Verlauf durch die maximale Druckfestigkeit des Mauerwerks fk, die dazugehörige Dehnung k, die Grenzdehnung u und den Anfangs E-Modul Em0.
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1
E2
2
E1 1
1
1
215
2
Es
1
1
2
Abb. 16. Kurve zur arithmetischen Beschreibung der Entlastungs- bzw. Wiederbelastungskurve
Durch die beiden Regeln 2 und 3 wird der Verlauf der Entlastungs- bzw. Wiederbelastungskurve definiert. Beide Regeln basieren auf dem gleichen allgemeinen Ausdruck (Gl.(1)), mit dem der Verlauf der Kurven durch zwei Punkte 1 und 2, die Steigung der Kurve E1 und E2 an diesen Punkten sowie den Sekantenmodul Es zwischen den Punkten definiert werden kann (Abb. 16). =
1
+(
2
1
)
1+ (
2
+
(2
(1 + )))
+2
E1 Es
=
(1 + )
(1)
2
mit 1
= 2
;
=
1
;
E2 Es
(2)
Durch Einfügen entsprechender Wertepaare ( , ) kann Gl.(1) auf den jeweiligen Belastungszustand (Entlastung bzw. Wiederbelastung) angewandt werden. b)
a)
(
,
ent,
(
)
,
)
ent
(
Een 1
1
(
1
( pl, = 0)
)
we,
,
end,
end
)
1
we
3
2
1
ent,
Eent
1
Eent,k
ent
Ech
Epl
( pl, = 0)
1
Em0 A
( k, k)
Abb. 17. Schematische Darstellung der Entlastungs- und Wiederbelastungskurve
216
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
Bei der Entlastungskurve (Abb. 17a) entspricht der Startpunkt ( ent, ent) dem Punkt 1 und der Zielpunkt ( pl, =0) dem Punkt 2. Im Vergleich zur Entlastungskurve liegt der einzige Unterschied bei der Wiederbelastungskurve darin, dass deren Verlauf aufgrund eines Wendepunktes doppelt gekrümmt ist. Dementsprechend bedarf es bei der Berechnung des Spannungs-Dehnungs-Pfades für die Wiederbelastung (Abb. 17b) dreier Punkte, des Startpunktes ( st, st), des Endpunktes ( end, end) und der Lage des Wendepunktes ( w, w). Die Ermittlung der plastischen Dehnung pl erfolgt auf Basis eines Verfahrens, das ursprünglich von Mander [10] entwickelt und später von Crisafulli [3] weiterentwickelt wurde. Bei beiden Verfahren wird die plastische Dehnung in Abhängigkeit eines künstlichen Punktes ( k, k) berechnet. Crisafulli führte zusätzlich einen empirischen Faktor ent ein, wodurch die Ermittlung der plastischen Dehnung pl auf Basis einer allgemeingültigeren Art und Weise vollzogen werden kann (Gl.(3)). pl
=
(
ent
ent
k
)
ent
ent
(3)
k
mit =
k
k
=
(4)
ent
=
ent
ent
(5)
Em
Entsprechend Gl.(6) und (7) kann das Wertepaar für den Wendepunkt berechnet werden, durch den der erste Teil der Wiederbelastungskurve definiert wird. we
=
we
we
=
b
+
(6)
end
we
(7)
E we
mit b
=
pl
+
we
§ ¨¨ ©
ent
ent
Eent
pl
· ¸¸ ¹
(8)
Die Faktoren we und we werden benötigt, um den Verlauf der SpannungsDehnungs-Linie den entsprechenden experimentellen Ergebnissen anzugleichen. Der Tangenten-Modul Eent kontrolliert die Neigung der Entlastungskurve und entspricht dem 1.5- bis 2.5-fachen des Anfangs-E-Moduls Em0.
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217
Für den zweiten Teil der Wiederbelastungskurve bedarf es des Endpunktes ( end, end), welcher auch schon in Gl.(6) verwendet wird. In den vergangenen Jahren sind diesbezüglich einige Verfahren entwickelt worden, mit denen dieser Punkt bestimmt werden kann [10][20]. In diesem Modell kommt eine Methode zur Anwendung, welche auf der Annahme basiert, dass die Dehnung end proportional zur Differenz zwischen den Dehnungen ent und pl ist (Gl.(9)). end
=
ent
+
end
( ent
pl
)
(9)
Entsprechend experimenteller Ergebnisse nimmt end Werte zwischen 0.28 und 0.75 an. Die zugehörige Spannung end kann entsprechend der Gl.(1) berechnet werden.
4 Fazit Bei den Wandversuchen führten alle Ertüchtigungsmaßnahmen nicht nur zu einer Wiederherstellung des ursprünglich ungeschädigten Zustandes, sondern darüber hinaus zu einer deutlichen Verbesserung des strukturellen Verhaltens der einzelnen Bauteile unter zyklischen Belastungen. Neben signifikanten Traglasterhöhungen verbesserte sich auch das Bruch- und Nachbruchverhalten. Des Weiteren war ein stabiles hysteretisches Verhalten der ertüchtigten Wandscheiben festzustellen. Bei den Versuchen an ausgefachten Stahlbetonrahmen zeigte sich ebenfalls eine Verbesserung des Prüfkörperverhaltens, jedoch war der Erfolg nicht so deutlich ausgeprägt wie bei den Versuchen an reinen Wandscheiben. Wie aus zahlreichen Literaturstellen zu entnehmen ist, liefert die Methode der äquivalenten Strebe eine einfache und effektive Möglichkeit, den Einfluss von Mauerwerkswänden mit Hilfe zweier Diagonalstreben global darzustellen. Zur Definition der Strebengeometrie wurden zahlreiche Parameterstudien durchgeführt, wodurch belegt werden konnte, dass die Anwendung des Verfahrens nach Mainstone zur Berechnung der Druckstrebenbreite gerechtfertigt ist. Erste numerische Berechnungen mit dem Makro-Element haben gezeigt, dass die Charakteristiken der Hysteresekurve, wie Steifigkeits- und Festigkeitsminderung sowie Einschnürungseffekte abgebildet werden können.
4.1 Danksagungen Diese Arbeit entstand im Rahmen des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereiches 461 „Starkbeben“. Für die Kooperation im Bereich der Faserverbundwerkstofflaminate sei an dieser Stelle der Fa. Sika (Schweiz) gedankt.
218
Erdbebenverstärkung von Mauerwerk
5 Literatur [1] Asteris, P.G.: Lateral Stiffness of Brick Masonry Infilled Plane Frames, Journal of Structural Engineering, ASCE, Vol. 129, No. 8, 2003, pp. 1071-1079 [2] Barsotti, R., Ligaro, S., Royer-Carfagni, G.: Crack Patterns in Masonry Infilled RC Frames under Horizontal Loading, Computer Methods in Structural Masonry, Vol. 4, E & FN Spon, 1998 [3] Crisafulli, F.J.: Seismic Behaviour of Reinforced Concrete Structures with Masonry Infills, Ph. D. Thesis, Department of Civil Engineering, University of Canterbury, Christchurch New Zealand, 1997 [4] ElGawady, M.; Lestuzzi, P.; Badoux, M.: Dynamic Tests on URM Walls Before and After Upgrading with Composites, ETH Lausanne, 2003 [5] Holmes, M.: Steel Frames with Brickwork and Concrete Infilling, Proceedings of the Institute of Civil Engineers, 1961, pp. 473-478 [6] Kolsch, H.: Eine Laminatbeschichtung aus Kohlenstoffgeweben und Zementmatrix zur Mauerwerksverstärkung, Bauen mit Textilien, Nr. 2, 1998, S. 13-18 [7] Liauw, T.C.; Kwan, K.H.: Nonlinear Behaviour of Non-Integral Infilled Frames, Computers & Structures, Vol. 95, No. 12, 1984, pp. 2543-2563 [8] Mahin, S.; Shing, P.: Pseudodynamic Method for Seismic Testing, Journal of Structural Engineering, ASCE, Vol. 111, No. 7, 1985, pp. 1482-1503 [9] Mainstone, R.J.: On the Stiffness and Strengths of Infilled Frames, Proceedings of the Institute of Civil Engineers, Supplement IV, 1971, pp. 57-90 [10] Mander, J.B.; Priestley, M.J.N.; Park, R.: Theoretical Stress-Strain Model for Confined Concrete, Journal of Structural Engineering, Vol. 114, No. 8, 1988, pp. 1804-1826 [11] Paulay, T.; Priestley, M.J.N.: Seismic Design of Reinforced Concrete and Masonry Buildings, John Wiley & Sons Inc., 1992, p. 744 [12] Polyakov, S.V.: On the Interaction between Masonry Filler Walls and Enclosing Frame when loaded in the Plane of the Wall, Earthquake Engineering Research Institute, San Francisco, 1960, pp. 36-42 [13] Schwegler, G.: Verstärken von Mauerwerk mit Faserverbundwerkstoffen in seismisch gefährdeten Zonen, EMPA Dübendorf, Bericht Nr. 229, 1994 [14] Shing, P.B.; Nakashima, M.; Bursi, O. S.: Application of Pseudodynamic Test Method to Structural Research, Earthquake Spectra, Vol. 12, No. 1, 1996, pp. 29-43 [15] Sika Technisches Merkblatt 1.99: Imprägnierharz Sikadur-330, Sika AG [16] Sika Technisches Merkblatt (provisorisch): Sikagard-725 EpoCem (VP), Sika AG [17] Stempniewski, L.; Schnepf, S.: Seismische Gefährdung und Empfindlichkeitsbestimmung bestehender Bauwerke bei Erdbeben, Forschungsbericht, Sonderforschungsbereich 461, Teilprojekt C9, 2004 [18] Stempniewski, L.; Wallner, C.: Methoden zur nachträglichen Ertüchtigung bestehender, vorgeschädigter Bauwerke, Forschungsbericht, Sonderforschungsbereich 461, Teilprojekt C2, 2004 [19] Thiele, K.: Pseudodynamische Versuche an Tragwerken mit großen Steifigkeitsänderungen und mehreren Freiheitsgraden, Dissertation, Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, 2000 [20] Yankelevsky, D.Z.; Reinhardt, H.W.: Model for Cyclic Compressive Behaviour of Concrete, Journal of Structural Engineering, Vol. 113, No. 2, 1986, pp. 228-240
Sub-Struktur-Technik bei experimentellen Untersuchungen komplexer Strukturen unter Erdbebenbeanspruchung Detleff Schermer
Rütteltischversuche erlauben eine maximale Realitätsnähe bei der Untersuchung von Bauwerken im Labor für den Lastfall Erdbeben. Aus technischen und wirtschaftlichen Gründen ist diese Methode jedoch nur für besondere Fälle sinnvoll und praktikabel. Für tragende Aussteifungsbauteile werden daher üblicherweise statisch-zyklische Belastungen als Ersatzbeanspruchung gewählt [1]. Als Mittelweg zwischen beiden wird bei der Pseudodynamik das Verhalten von Bauwerken im Zeitbereich experimentell untersucht. Die Schwingungsdifferentialgleichung der Struktur wird in diskreten Zeitschritten gelöst. Dadurch wird auch die Kopplung von Einwirkung, Systemreaktion und Widerstand wirklichkeitsnah erfasst. Jedoch stellt die Herstellung und Prüfung von komplexen, mehrgeschossigen Strukturen unter kombinierten N-M-Q-Einwirkungen auch versuchstechnisch eine Herausforderung dar. Aus diesem Gesichtpunkt bietet es sich an, allein den maßgebenden Teil direkt zu prüfen und den Rest des Bauwerkes, die sog. Sub-Struktur, der für das Gesamtverhalten zwar mit entscheidend ist, jedoch nur untergeordnete Bedeutung beim Versagensbild hat, lediglich numerisch zu erfassen.
1 Methode der Pseudodynamik 1.1 Prinzip Die Pseudodynamik basiert auf der numerischen Lösung der Schwingungsdifferentialgleichung der zu untersuchenden Struktur in diskreten Zeitschritten.
m a + c v + r (d ) = m a
g
(1)
Als Vorteil der Methode ist zu nennen, dass sie mit verhältnismäßig einfachen Mitteln, wie sie in den üblichen Prüflaboren vorhanden sind, durchzuführen ist.
220
Sub-Struktur-Technik bei experimentellen Untersuchungen
Die Gebäudemassen müssen nicht wie bei Rütteltischversuchen direkt bewegt werden, sondern deren Berücksichtigung erfolgt über die Massenträgheitskräfte lediglich numerisch. Nachteilig ist die Tatsache zu werten, dass durch die verlangsamte Versuchsdurchführung zeitabhängige Materialeigenschaften, wie Relaxation oder Erhöhung des E-Moduls unter dynamischer Belastung nicht oder nur schwer zu erfassen sind. Geschwindigkeitsabhängige Effekte können dagegen über einen Dämpfungsansatz abgedeckt werden, wobei sich der Ansatz einer viskosen Dämpfung als Vereinfachung als ausreichend erwiesen hat.
1.2 Numerik Die numerische Lösung der Gleichung erfordert es, aus dem Zeitschritt n auf die Zielgrößen des nächsten Zeitschrittes n+1 zu schließen, bei denen die Gleichgewichtsbedingung ( 1) zu erfüllen ist. Im Zeitschritt n+1 ist zu Beginn nur der Wert der Bodenbeschleunigung ag(n+1) bekannt. Erfolgt der Schluss auf die Größen im Zeitpunkt tn+1 lediglich aus denen des vorangegangenen Zeitschrittes tn, so handelt es sich um ein explizites Verfahren. Gehen bei der Bestimmung der Zielgrößen im Zeitpunkt tn+1 neben den Größen des Zeitschrittes n zusätzlich auch die des Zeitschrittes n+1 selbst mit ein, so handelt es sich um ein implizites Verfahren, das iterativ zu lösen ist. Ein universelles Verfahren zur numerischen Integration geht auf Newmark zurück. Darauf aufbauend wurde von Hilber / Hughes / Taylor [3] ein als Į-Methode bezeichnetes implizites Verfahren bei uneingeschränkter Stabilität entwickelt, das bei den eigenen Versuchen angewendet wurde.
2 Ersatzsytem Für eine einfachere Handhabung sind die Verformungsfreiheitsgrade der Struktur zu beschränken. Die Kondensierung der Freiheitsgrade führt bei den untersuchten Hochbauten mit Stahlbetongeschossdecken und Schubwänden auf die der horizontalen Beanspruchung zugehörigen Größen Verdrehung und Horizontalverschiebung auf Höhe der Geschossdecken. Vertikale Verschiebungsanteile werden vernachlässigt, wodurch eine Veränderung der Normalkraft in den Vertikalbauteilen auch entfällt. Im Grundriss ist die Beschränkung auf eine Rahmenebene mit den horizontal liegenden und auf Biegung beanspruchten Deckenplatten sowie die in der Ebene liegenden vertikalen Aussteifungsbauteile – d.h. Schubwände – sinnvoll. Sollen Torsionseinflüsse im Grundriss berücksichtigt werden, ist dieser Freiheitsgrad zusätzlich numerisch abzubilden.
Detleff Schermer
221
Die horizontalen Elemente können – sofern sie keine wesentlichen plastischen Verformungsanteile im Lastfall Erdbeben aufweisen – elastisch charakterisiert werden. Die Bestimmung der Drehfedersteifigkeit kann dabei entweder linear elastisch oder unter Berücksichtigung von Nichtlinearitäten, wie z.B. veränderter Auflagerbedingungen infolge Klaffens o.ä. erfolgen. Bei der Vereinfachung auf die beiden Knotenverformungsfreiheitsgrade Verdrehung und Verschiebung ergeben sich für die Bauteile zwischen 2 Knoten diese Relativerformungen als Randbedingungen. Die extremste Vereinfachung als StabFeder-System führt zu einer Kopplung mit einer Schub- und Biegefeder, welche mit einem starren Stab an die Nachbarknoten angeschlossen sind. Nachfolgend ist in Abbildung 1 das verformte System eines 3-Massenschwingers dargestellt. Hier wird die Verdrehung in den Massenpunkten über eine die Stahlbetongeschossdecken beschreibende Drehfeder erfasst.
Abb. 1. Ebenes Ersatzsystem und kinematische Beziehungen am verformten System
3 Sub-Struktur Der nicht direkt geprüfte Teil des Tragwerkes wird als Sub-Struktur bezeichnet. Im Zuge der Versuche wird dieser Teil nur numerisch unter zu Hilfenahme eines mechanisches Ersatzmodelles betrachtet. Für eine wirklichkeitsnahe Beschreibung des Verhaltens ist sein Last-Verformungsverhalten in Vorversuchen zu prüfen. Dabei sind die zu erwartenden Einwirkungen aufzubringen und über die gemessene Reaktion entsprechend zu vereinfachen. Da dieser Teil des Systems einer geringeren Beanspruchung ausgesetzt ist, kann in der Regel ein Schädigungseinfluss - beispielsweise über die Zyklenabhängigkeit - vernachlässigt werden.
222
Sub-Struktur-Technik bei experimentellen Untersuchungen
Neben den oben dargestellten einfachen mechanischen Modellen für die SubStruktur ist es auch möglich, diese im Zuge der Berechnung parallel mit Hilfe der FE-Methode und einem nichtlinearen Materialgesetz online zu berechnen. Dieses führt jedoch zu einer weiteren nicht unerheblichen Vergrößerung des numerischen Aufwandes.
3.1 Vorversuche Bei den Versuchen an unbewehrten Mauerwerksgebäuden an der TU München wurden die Wände in Vorversuchen unter statisch-zyklischer Beanspruchung getestet. Die Normalkraft wurde an die Lage der betreffenden Wand im Gesamtgebäude angepasst. Das Beanspruchungsniveau wurde so festgelegt, dass keinerlei Vorschädigung zu erwarten war. Die Messwerte wurden anschließend ausgewertet und es wurde versucht, eine möglichst genaue und zum anderen auch einfache Beschreibung der Kennlinien aus der Kombination von Schub- (ks) und Biegefeder (cs) zu finden. Die Schubverformung uSchub wurde dabei aus der gesamten Kopfverschiebung wKopf abzüglich des aus der Kopfverdrehung ij bzw. ijrel bestimmten Biegeverformungsanteils ermittelt.
Abb. 2. System der statisch-zyklischen Vorversuche und resultierende rechnerische Vereinfachung
3.2 Beispiel: Wand KS2 Nachfolgend ist die Kraft-Verformungs-Beziehung der Vorversuche an Wand KS2 bei einer Normalkraft von 180kN (Lage im 2. Geschoss) sowie verschiedenen Einspanngraden am Wandkopf – durch die 3 Äste beschrieben– zu finden.
Detleff Schermer
223
Abb. 3. Gemessenen Kraft-Verformungs-Beziehung aus den Vorversuchen an Wand KS2 (Normalkraft 180kN – verschiedene Einspanngrade am Wandkopf )
Bereits zu Beginn der Untersuchungen zeigte sich das ausgeprägte nichtlineare Verhalten der Wände – sowohl der Schub- als auch der Biegeverformungsanteile. Eine exakte Beschreibung dieser Flächen im Raum war allgemein nicht möglich. Es stellte sich daher die Frage nach einer einfachen und zugleich die Ergebnisse gut beschreibenden Näherung für die Federsteifigkeiten. Nachfolgend ist die Beschreibung der Sekantensteifigkeiten für die Wand KS2 bei einer Normalkraft von 180kN (Lage im 2. Geschoss) zu finden. Tabelle 1. Rechnerische Steifigkeitscharakteristik von Wand KS2 bei N=180kN
kS [kN/mm] 330: |uSchub| 0,1 mm 200: |uSchub| 0,4 mm Zwischenbereich: s. unten
cS [kNm/mrad] 400: |ijrel| 0,1 mrad 310: |ijrel| 0,2 mrad Zwischenbereich: s. unten
Nachfolgend ist die berechnete Kraft-Verformungs-Beziehung an Wand KS2 bei einer Normalkraft N = 180 kN und den analogen Einspanngraden dargestellt.
224
Sub-Struktur-Technik bei experimentellen Untersuchungen
Abb. 4. Rechnerische Kraft-Verformungs-Beziehung für Wand KS2 (Normalkraft 180kN – verschiedene Einspanngrade am Wandkopf )
Trotz der relativ groben Vereinfachung war die Übereinstimmung von Versuch und rechnerischen Werten gut.
4 Ausblick Die Pseudodynamik stellt eine leistungsfähige und gleichzeitig kostengünstige Möglichkeit zur Unersuchung von Bauwerken unter Erdbebenbeanspruchung dar. Durch den Einsatz der Sub-Struktur–Technik können auch sehr komplexe Strukturen mit geringem Zeit- und Kostenaufwand geprüft werden. Im Rahmen weiterer angelaufener Forschungsprojekte wird diese Methode für die Untersuchung des Verhaltens von mehrgeschossigen Mauerwerksgebäuden angewendet. Weitere Verfeinerungen, wie beispielsweise die Online-Berechnung von Teilen der Sub-Struktur mit Hilfe der FE-Methode werden weiterverfolgt.
4 Literatur [1] Zilch, K.: Bemessung von Bauwerken gegen Erdbebenbelastung – Ein Bericht zum Stand der Forschung und Praxis. Berlin: 1974. (Die Bautechnik, Heft 5) [2] Zilch, K., Schermer, D: Full scale pseudodynamic earthquake tests on a three-story URM building using sub-structure-technique. Proceedings of the 13th World Conference on Earthquake Engineering Vancouver, Canada. August 1-6, 2004. [3] Hilber, H. M.; Hughes, T. J. R.; Taylor, R. L.: Improved numerical dissipation for time integration algorithms in structural dynamics, In: Earthquake engineering and structural dynamics, 1977.
Überprüfung der Verbundtragfähigkeit bei klebearmierten Stahlbetonbauteilen Roland Niedermeier
Für die Überprüfung der Verbundtragfähigkeit bei klebearmierten Stahlbetonbauteilen wurden verschiedene Konzepte vorgestellt. In diesem Beitrag werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede dargestellt. Die Wirksamkeit der Konzepte wird beurteilt.
1 Verbundtragverhalten im querkraftbeanspruchten Bereich Oberflächig aufgeklebte Stahllaschen und CFK-Lamellen weisen ein sprödes Verbundverhalten auf, so dass dem Nachweis einer ausreichenden Verbundtragfähigkeit besondere Bedeutung zukommt. Bislang beschränkten sich die zu führenden Nachweise auf den Endverankerungsbereich der Klebearmierung. Nun wurden zwei Konzepte vorgestellt [1] [2], die eine Überprüfung der Verbundtragfähigkeit in allen querkraftbeanspruchten Bereichen eines Biegeträgers zulassen. Wegen der stark unterschiedlichen Nachweisformate wird gezeigt, dass die Bestimmungsgleichungen für die Verbundtragfähigkeit ineinander überführt werden können. Das Verbundverhalten oberflächig applizierter Klebearmierung kann durch einen bilinearen Verbundansatz nach Abb. 1 beschrieben werden, der den Zusammenhang zwischen der Relativverschiebung sL und der aufnehmbaren Verbund spannung L ausdrückt. Für eine geschlossene Lösung der Differenzialgleichung des verschieblichen Verbundes wird in [1] für die Formulierung der Ansätze zur Verbundtragfähigkeit ein energetisch gleichwertiger linearer Verbundansatz (vgl. Abb. 1) angenommen. Die allgemeine Lösung lautet: sL ( x ) =
mit:
A sinh(
=
x ) + B cosh( L1
x)
(1)
(2)
s L1 E L t L
EL, tL und AL stehen für den Elastizitätsmodul, die Dicke und die Querschnittsfläche der Klebearmierung.
226
Überprüfung der Verbundtragfähigkeit
3,0
Fall 2
Verbundansätze
FL,EKB,x=sr / Tmax,m
Fall 1 Fall 3
L
k F = 0,05 k F = 0,1
2,0
linearer Verbundansatz nach [1] linearer Verbundansatz nach [2] bilinearer Verbundansatz
L1
k F = 0,2 k F = 0,5
sL
sL0
1,0
k F = 1,0
L
- sL0
kF =
sL0 -
L1
L
L
L1
k F = 2,0
L1
L1
sL
- sL0
sL0 -
Fall 1
L1
sL
- sL0
sL0 -
Fall 2
L1
sL
Fall 3
0,0 0,0
1,0
2,0
s r / l t,max
Abb. 1. Verbundtragverhalten nach [1] bzw. Gleichung (8)
Für die Untersuchung des Verbundtragverhaltens am querkraftbeanspruchten Biegeträger wird ein so genanntes Zwischenrisselement der Länge sr, betrachtet, das zwischen zwei benachbarten Biegerissen liegt. Die allgemeine Lösung wird an die Randbedingungen des Zwischenrisselements angepasst. FL entspricht der auf die Klebearmierung im geringer beanspruchten Rissquerschnitt wirkenden Zugkraft. FL E L AL
sL ( x = 0 ) =
s L ( x = sr ) =
FL + FL E L AL
=
FL ( 1 + k F ) E L AL
(3)
(4)
Damit wird zunächst nicht berücksichtigt, dass die aufnehmbare Verbundbruchenergie GF nach Gleichung (5), die der Fläche unter den Verbundansätzen entspricht, begrenzt ist. GF
=
s L0
L1
(5)
2
Durch die zusätzliche Bedingung (6) wird dieser bruchmechanische Aspekt berücksichtigt. Die Kraft am höher beanspruchten Rissufer entspricht mit dieser Bedingung der Kraft bei Entkoppelungsbeginn FL,EKB,x=sr. s L ( x = sr ) =
s L0
(6)
Roland Niedermeier
FL ,EKB ,x = sr
FL ,EKB ,x = sr
=
E L AL s L ( x = s r )
b L sinh( ( k F + 1 ) cosh( L1
=
sr ) sr ) 1
227
(7)
(8)
Abb. 1 zeigt die Auswertung von Gleichung (8) für verschiedene Werte von kF. Dargestellt wird die auf die am Einzelriss maximal verankerbare Zugkraft Tmax,m bezogene Kraft bei Entkoppelungsbeginn FL,EKB, x=sr in Abhängigkeit von dem auf die am Einzelriss maximal aktivierbare Verbundlänge lt,max bezogenen Rissabstand (= Länge des Zwischenrisselements) sr. Bei geringen Biegerissabständen sr kann nur ein Teil des linearen Verbundansatzes nach [1] aktiviert werden (Fall 1), an beiden Rissufern des Zwischenrisselementes stellen sich gleichgerichtete Relativverschiebungen ein. Die Klebearmierung wird über das Zwischenrisselement gezogen. Der Zugkraftzuwachs ist der maximale für diesen Rissabstand, da wegen (6) die maximal mögliche Verbundenergie aktiviert wird. Bei einem bestimmten Biegerissabstand sr,max, der mit Gleichung (9) bestimmt werden kann, wird am Zwischenrisselement der gesamte Verbundansatz durchlaufen (Fall 2). Am geringer beanspruchten Rissufer tritt keine Relativverschiebung auf, am höher beanspruchten Rissufer setzt bei einer Relativverschiebung von sL0 gerade nach Voraussetzung Verbundentkoppelung ein. s r ,max
=
ar cosh( k F + 1 )
(9)
Bei größeren Biegerissabständen kommt es, da keine entkoppelten Bereiche zugelassen werden, zu einer Mitwirkung des Betons (Fall 3). Dadurch wird die Zugkraft zunächst abgebaut. Im weiteren Verlauf wird über das Zwischenrisselement hinweg die gesamte aufnehmbare Verbundbruchenergie dazu verwendet, die Zugkraft wieder zu steigern.
2 Maximale Verbundtragfähigkeit Der im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigte Fall 3 einer Mitwirkung des Betons ist für die Überprüfung der Verbundtragfähigkeit im Grenzzustand der Tragfähigkeit nicht relevant, da hierfür nur der maximal aufnehmbare Zugkraftzuwachs betrachtet werden muss. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Annahme, dass durch vorausgegangene Verbundbeanspruchungen im Bereich des geringer beanspruchten Rissufers keine irreversiblen Schädigungen auftraten und stets von einer uneingeschränkten lokalen Gültigkeit des Verbundansatzes ausgegangen werden kann. In [2] werden deshalb unter dieser Voraussetzung nur Verbundspannungs-
228
Überprüfung der Verbundtragfähigkeit
verteilungen betrachtet, die links der den Fall 2 beschreibenden Grenzkurve liegen. Analog diesem Vorgehen kann die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung für den linearen Ansatz durch folgende Randbedingungen an die Verhältnisse am Zwischenrisselement bei maximalem Zugkraftzuwachs angepasst werden. Für Biegerissabstände kürzer als sr,max gilt: sL ( x = 0 ) =
FL E L AL
(10)
s L0
(11)
s L ( x = sr ) =
Die Verbundlänge entspricht dem Biegerissabstand sr. Die maximal aufnehmbare Zugkraft am höher beanspruchten Rissufer wird wie folgt ermittelt: FL ,x =sr
(12)
= EL AL sL ( x = sr ) = = FL cosh( sL0
sr ) +
EL AL FL sinh( cosh( sr )
sr )
sinh(
sr )
Bei Biegerissabständen größer als sr,max ist der maximal erreichbare Zugkraftzuwachs nur abhängig von der Verbundbruchenergie und der am geringer beanspruchten Biegerissufer angreifenden Zugkraft FL. Innerhalb der intakten Verbundlänge sr,v wird der gesamte Verbundansatz durchlaufen. Außerhalb der intakten Verbundlänge sr,v liegen entkoppelte Bereiche vor, die im Grenzzustand der Tragfähigkeit zugelassen werden. Die Randbedingungen lauten: sL ( x = 0 ) =
(13)
FL E L AL
sL ( x = 0 ) = 0
(14)
s L ( x = s r ,v ) = s L0
(15)
Die maximal aufnehmbare Zugkraft am höher beanspruchten Rissufer kann mit Gleichung (16) ermittelt werden: FL,x=sr
= E L AL s L ( x = s r ) = FL cosh(
mit: s r ,v
=
§s ar sinh¨¨ L0 ©
E L AL · ¸¸ FL ¹
s r ,v )
(16)
(17)
Roland Niedermeier
229
Abb. 2 zeigt eine Gegenüberstellung der Auswertung von Gleichung (8) nach [1] und der am höher beanspruchten Rissufer maximal aufnehmbaren Zugkraft gemäß den Ansätzen (12) und (16) nach [2] für einen bestimmten Rissabstand. 4,0
4,0
= 1,0 1,0 kk FFF = = 2,0 2,0 kk FF = = 0,5 0,5 kkFFF = = 0,2 0,2 kk FF =
3,0
3,0 3,0 = 0,1 0,1 kkFFF =
= 0,05 0,05 kkFFF = k FF = 0,05 2,0
FL,x=s L,x=srr / Tmax,m max,m
FL,EKB,x=s Tmax,m L,EKB,x=srr / T max,m
kF =0
k FF = 0,1 k FF = 0,2
2,0 2,0
k FF = 0,5
1,0
1,0 1,0 k FF =
k FF = 2,0 k FF = 1,0
0,0
0,0
0,5
1,0
1,5
0,0 0,0 00
500 500
s r / l t,max
1000 1000
1500 1500
LL
Abb. 2. Gegenüberstellung der Ansätze zur Verbundtragfähigkeit
3 Überprüfung der Verbundtragfähigkeit Beide Nachweiskonzepte fordern einen Endverankerungsnachweis im Querschnitt des äußersten Biegerisses (E-Nachweis). Im übrigen querkraftbeanspruchten werden nach [1] nur punktuelle Nachweise an den Eintragungsstellen von Einzellasten mit Vorzeichenwechsel (F-Nachweis) und an Stellen mit Übergang von elastischer zu fließender Innenbewehrung (Y-Nachweis) gefordert. Das Konzept nach [2] hingegen fordert einen geschlossenen Nachweis. Dazu ist im gesamten querkraftbeanspruchten Bereich zwischen äußerstem Biegeriss und dem Ort der maximalen Biegebeanspruchung der aufnehmbare Zugspannungszuwachs aufn. L dem vorhandenen Zugspannungszuwachs gegenüberzustellen. Dies geschieht zweckmäßig in Abhängigkeit von der vorhandenen, am geringer beanspruchten Rissufer angreifenden Zugspannung L entsprechend der in Abb. 3 dargestellten Form. Der dort aufgetragene aufnehmbare Zugspannungszuwachs stellt eine Auswertung der Gleichungen (12) und (16) dar und unterscheidet sich vom rechten Diagramm in
230
Überprüfung der Verbundtragfähigkeit
Abb. 2 lediglich durch den Auftrag einer Spannung auf der Ordinate statt einer bezogenen Kraft. Die ebenfalls in Abb. 3 eingetragene vereinfachte Darstellung des vorhandenen Zugspannungszuwachses an einem Einfeldträger mit abgestufter Betonstahlbewehrung verdeutlicht, dass zumindest bei Feldmomentbeanspruchungen, die aus einer Gleichlast resultieren, ein punktuelles Nachweiskonzept nicht hinreichend ist und wegen der gegensinnigen Krümmung infolge der Momenten-QuerkraftInteraktion ein geschlossener Nachweis gefordert werden muss. Im dargestellten Fall kann der Y-Nachweis am Übergang von elastischer zu fließender Innenbewehrung gerade geführt werden. Im angrenzenden Bereich jedoch ist der vorhandene Spannungszuwachs größer als der aufnehmbare. Wegen der fließenden Innenbewehrung muss in diesem Bereich mit einem vorzeitigen spröden Bauteilversagen gerechnet werden. 250
q Y-Nachweis
200
M
aufn.
Q
150
Abstufung des Betonstahlquerschnitts
LL,,
LL
Fließen des Betonstahlquerschnitts
äußerster Biegeriss
100
aufn.
50
L
L
0 0
500
1000
1500
2000
2500
3000
L
Abb. 3. Wirksamkeit der Nachweiskonzepte zur Verbundtragfähigkeit
4 Literatur [1] Neubauer, U.: Verbundtragverhalten geklebter Lamellen aus KohlenstofffaserVerbundwerkstoff zur Verstärkung von Betonbauteilen; Dissertation, TU Braunschweig; 2000 [2] Niedermeier, R.: Zugkraftdeckung bei klebearmierten Bauteilen; Dissertation, Technische Universität München; 2001
Verstärken mit Klebearmierung – Einfluss des Verbundverhaltens auf Zuggurtkräfte Gerhard Zehetmaier
Die Grenztragfähigkeit eines mit aufgeklebten Stahllaschen oder CFKLamellen verstärkten Bauteils hängt wesentlich von der Fähigkeit der Klebearmierung ab, im querkraftbeanspruchten Bereich die im Bemessungsquerschnitt erforderliche Zugkraft aufzubauen. Die Aufteilung der Zuggurtkräfte, deren exakte Kenntnis für einen Zugkraftdeckungsnachweis vorausgesetzt werden muss, hängt – wie bei allen gemischt bewehrten Bauteilen – allerdings in starkem Maß vom durch das Verbundverhalten gesteuerten Zusammenwirken der Bewehrungsstränge ab. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden wesentliche Grundlagen des Zusammenwirkens erläutert und Lösungsmöglichkeiten für querkraftbeanspruchte Bereiche mit Klebearmierung verstärkter Biegeträger vorgestellt.
1 Auswirkungen unterschiedlichen Verbundverhaltens Die Bewehrungsstränge mit Klebearmierung verstärkter Bauteile weisen stark unterschiedliches Verbundverhalten auf. Während einbetonierter Betonstahl verbundduktil reagiert, sind bei oberflächig aufgeklebten Bewehrungselementen bereits bei geringen Relativverschiebungen lokale Verbundentkopplungen, korrespondierend mit einem insgesamt spröden Verbundverhalten zu beobachten. In deutlich stärkerem Maße als bei Spannbetonbauteilen, die per se ebenfalls Bewehrungsstränge mit unterschiedlichen, allerdings ähnlich duktilen Verbundeigenschaften aufweisen, beeinflussen die Verbundunterschiede bei klebearmierten Bauteilen neben der Zugkraftaufteilung im Gebrauchszustand insbesondere die durch Verbundversagen der Klebearmierung dominierte Grenztragfähigkeit. Gegenwärtig basiert die Bemessung mit aufgeklebten Bewehrungselementen verstärkter Bauteile auf der Hypothese nach Bernoulli und setzt eine Zugkraftaufteilung nach Dehnsteifigkeit und Hebelarm voraus (u.a. [1]). Konzepte für Zugkraftdeckungsnachweise, die in kommenden Generation bauaufsichtlicher Zulassungen implementiert werden, vernachlässigen derzeit ebenfalls Verträglichkeitsbedingungen [2][3].
232
Verstärken mit Klebearmierung – Einfluss des Verbundverhaltens
Die Anrechnung von Abweichungen zur unterstellten Zugkraftaufteilung in Kombination mit möglichen Zugkraftumlagerungen durch lokale Verbundentkopplungen kann im Fall der Endverankerung des Klebearmierungsstranges zu einer wirtschaftlicheren Auslegung führen. Dem gegenüber ist die Berücksichtigung von Zugkraftunterschieden angesichts des spröden Tragfähigkeitsverlustes durch Verbundversagen der aufgeklebten Stahllaschen bzw. CFK-Lamellen für einen zutreffenden Zugkraftdeckungsnachweis unabdingbar. Im Unterschied zur Kombination von Betonstahl und Spannstahl muss neben dem maximal beanspruchten Querschnitt – der näherungsweise durch die Betrachtung eines Zugstabes erfasst werden kann (vgl. [4][5]) – aufgrund des wenig duktilen Klebeverbundes insbesondere der Zugkraftaufbau im Klebearmierungsstrang in querkraftbeanspruchten Tragwerksbereichen untersucht werden.
2 Zusammenwirken bei verstärkten Zugstäben Die grundlegenden Prinzipien der Interaktion von Bewehrungssträngen in einem Bauteil können anhand eines zentrisch zugbeanspruchten verstärkten Stahlbetonprismas abgeleitet werden. Die Aufteilung der Zugkraft auf die einzelnen Stränge wird neben dem Verbundverhalten des Stranges durch das jeweils spezifische Verhältnis von verbundwirksamen Umfang zur Dehnsteifigkeit – ausgedrückt durch Formfaktoren cs nach (1) – und in starkem Maß durch das Rissbildungsstadium des Bauteils gesteuert. Rechnerisch kann die Aufteilung der Zugkraft durch eine Verknüpfung von mehr oder minder komplexen Verbundmodellen der Bewehrungsstränge über Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbedingungen erfasst werden. c s ,L =
1 ELt L
c s ,s =
4 Es d s
(1)
Abb. 1. Zentrisch zugbeanspruchtes verstärktes Stahlbetonprisma – Dehnungen der Bewehrungsstränge; Symmetrieebenen (Abgeschlossenes Erstrissbild – schematisch)
Gerhard Zehetmaier
233
Da bei Zugstäben per se Symmetrieebenen in und in der Mitte zwischen angrenzenden Rissquerschnitten vorauszusetzen sind (Abb. 1), folgt für das abgeschlossene Erstrissbild aus der Gültigkeit der Dehnungsebenheit im Mittel, d.h. sm = Lm, das einfachste Kompatibilitätskriterium der Relativverschiebungen am Riss nach (2). s sr = s Lr
(2)
Eine eingängige Darstellung der Abweichung von der gewöhnlich im Riss unterstellten Dehnungsebenheit ist durch den Bezug der realen Bewehrungsdehnungen in den Rissquerschnitten entweder auf die rechnerischen Dehnungen nach Zustand II (Bernoulli) - L - oder auf die realen Dehnungen des jeweils anderen Bewehrungsstranges - L - nach (3) möglich. Bei Spannbetonbauteilen ist historisch bedingt die letztgenannte Form der Darstellung – in DIN 1045-1:2001-07 mit 1 (= p/ s) bezeichnet – üblich. L
=
Lr II L
L
=
Lr
(3)
sr
Während L unmittelbar mit den Dehnsteifigkeitsverhältnissen der Bewehrungsstränge verknüpft ist, gibt L die unabhängig von EsAs und ELAL zu erwartenden Abweichungen von der ebenen Dehnungsverteilung wieder.
3 Interaktion der Bewehrungsstränge bei biegebeanspruchten Bauteilen Zur Erfassung verbundbedingter Zugkraftabweichungen – z.B. im Zuge von Ermüdungsnachweisen – wird bei Spannbetonbauteilen die Zugstabanalogie – d.h. die Abstraktion des Zuggurtes biegebeanspruchter Bauteile als zentrisch beanspruchter und bewehrter Betonstab mit effektiver Querschnittsfläche – bemüht und damit eine pragmatische Adaption der am Zugstab abgeleiteten Zusammenhänge erreicht [6][7]. Während für die höchstbeanspruchten Querschnitte von Spannbetonbauteilen diese Abbildung im Allgemeinen gerechtfertigt ist, kann bei klebearmierten Bauteilen z.B. der Einfluss der Bauteilkrümmung nicht mehr vernachlässigt, d.h. nicht mehr von identischen Hebelarmen der Bewehrungsstränge ausgegangen werden, zumal der Großteil baupraktischer Anwendung von Klebearmierung die Verstärkung von Deckenplatten üblicher Hochbauten betrifft. Auch entfallen bei Betrachtung des querkraftbeanspruchten Bereichs angesichts des notwendigen Zugkraftaufbaus die Symmetriebedingungen in und zwischen Rissen. In Konsequenz können einfache Kompatibilitätsbedingungen - etwa nach (2) - nicht mehr angegeben werden. Zur Abbildung querkraftbeanspruchter Bereiche bei klebearmierten Bauteilen wurde daher ein Rechenmodell entwickelt, mit dessen Hilfe Dehnungen und Rela-
234
Verstärken mit Klebearmierung – Einfluss des Verbundverhaltens
tivverschiebungen der Bewehrungsstränge auf Grundlage wirklichkeitsnaher Material- und Verbundmodelle iterativ ermittelt werden können. Zentrales Element ist dabei die Verknüpfung von Makroelementen – i.d.R. idealisierter Elemente zwischen zwei angrenzenden Rissen – über Gleichgewichts- und Systemkompatibilitätsbedingungen (Abb. 2).
Abb. 2. Abbildung des Zusammenwirkens einbetonierter und angeklebter Bewehrung bei Biege- und Querkraftbeanspruchung in einem Rechenmodell – Elementierung, Dehnungen und Verschiebungen der Bewehrungsstränge eines Makroelementes (schematisch)
Da die einzelnen Makroelemente voraussetzungsgemäß alle Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbedingungen auf Elementebene erfüllen, stehen für die Steuerung des Rechenprozesses bei Verzicht auf die Hypothese nach Bernoulli drei unabhängige, auf die Rissquerschnitte bezogene Bedingungen zur Verfügung: Gleichgewicht der inneren und äußeren Kräfte Kompatibilität der Dehnungen nach (4) Kompatibilität der Relativverschiebungen nach (5)
i ,2 r
(s
° =® °¯
i ,2 sr
½ ° ¾ ° sr ¿
i ,2
Lr
!
=
)
i +1,1 r !
° =® °¯
½ ° ¾ ° sr ¿
Lr
i +1,1
i +1,1 i ,2 i +1,1 + s sr k xi ,i +1 = s Lr + s Lr
(4) (5)
Dabei wird über kxi,i+1 der Einfluss des Abstandes von einer mittleren Dehnungsnulllinie – die Auswirkungen der Bauteilkrümmung - erfasst; Bedingung (5) ist als Verträglichkeitskriterium der rechnerischen Rissbreiten auf Höhe der Bewehrungsstränge zu interpretieren. Für den in Abb. 3 dargestellten Plattenstreifen sind experimentell bestimmte und rechnerisch unter Verwendung der vorgestellten Modellierung ermittelte Dehnungen der Klebearmierung in Feldmitte gegenübergestellt. Die Abweichungen der im Versuch gemessenen Dehnungen von der unterstellten Verteilung nach
Gerhard Zehetmaier
235
Bernoulli sind signifikant, können allerdings durch das Rechenmodell mit ausreichender Genauigkeit nachvollzogen werden. F in kN 25
20
15 L,exp
10
L,Bernoulli L,cal
5
s,Bernoulli s,cal
0
2
1
5
4
3
in ‰
Abb. 3. Experimentell ermittelte Dehnungen der Klebearmierung in Feldmitte im Vergleich mit Rechenwerten
Mit dem in der Form eines modularen Programmsystems entwickelten Rechenmodell ist die Ableitung grundlegender Prinzipien des Zusammenwirkens einbetonierter und angeklebter Bewehrung in querkraftbeanspruchten Bereichen möglich. Die Abbildung 4 zeigt exemplarisch anhand eines biegebeanspruchten Bauteils mit praxisüblichem Bewehrungs- und Verstärkungsgrad die Auswirkungen unterschiedlicher Betonstahldurchmesser bzw. Lamellendicken auf die Abweichungen der Rissdehnungen von der unterstellten Dehnungsebenheit für Lamellendehnungen bis etwa 3 ‰.
2
L
2
[-]
L
(1) ds = 16 mm (2) ds = 12 mm (3) ds = 8 mm (4) ds = 6 mm
(1) (2) (3) (4)
[-]
(1) tL = 1 mm (2) tL = 2 mm (3) tL = 4 mm (4) tL = 6 mm (5) tL = 8 mm (6) tL = 10 mm
(1)
1
1
(2)
(3)
(4)
0
1
tL = 1 mm, fcm = 30 MPa 2 II L
in ‰
(5)
(6)
ds = 8 mm, fcm = 30 MPa 3
0
1
2
L
II
in ‰
3
Abb. 4. Abweichung der Dehnungen der Klebearmierung von der unterstellten Dehnung nach der Bernoulli-Hypothese ( L = 1); Dehnungen in Feldmitte
236
Verstärken mit Klebearmierung – Einfluss des Verbundverhaltens
Der Berechnung wurden jeweils unveränderliche Bewehrungsgrade s bzw. L und einheitlich konstante Rissabstände scr vorausgesetzt. Da die Zugkraftaufteilung in Querschnitten mit fließender einbetonierter Bewehrung unabhängig vom Verbundverhalten festgelegt ist (vgl. Abb. 3), werden für den dargestellten Beanspruchungsbereich ideal elastische Bewehrungsstränge unterstellt.
4 Ausblick Mit Hilfe des Rechenmodells können in Anlehnung an die gängige Praxis im Spannbetonbau Verbundkoeffizienten abgeleitet werden, die eine einfache und zugleich wirklichkeitsnahe Spannungsermittlung bei klebearmierten Bauteilen erlauben. Daneben wurden bereits in [8] die Grundzüge eines verbundorientierten Zugkraftdeckungsnachweises für Endverankerungen von Klebearmierungssträngen vorgestellt, der mit Hilfe einer Anrechnung von Verbundunterschieden und insbesondere von Zugkraftumlagerungen durch lokale Klebeverbundentkopplung eine gegenüber der Anwendung der Bernoulli-Hypothese realistischere und wirtschaftlichere Bemessung der Endverankerung ermöglicht.
5 Literatur [1] Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Nr. Z-36.12-57 Verstärken von Stahlbetonund Spannbetonbauteilen durch schubfest aufgeklebte Kohlefaserlamellen Carboplus. vom 30. Mai 2003. [2] Niedermeier, R.: Zugkraftdeckung bei klebearmierten Biegeträgern. Technische Universität München, Diss., 2002 [3] Neubauer, U.: Verbundtragverhalten geklebter Lamellen aus KohlenstofffaserVerbundwerkstoffen zur Verstärkung von Betonbauteilen. TU Braunschweig, Diss., 2000 [4] Holzenkämpfer, P.: Ingenieurmodelle des Verbundes geklebter Bewehrung für Betonbauteile. TU Braunschweig, Diss., 1994 [5] Ulaga, T.: Betonbauteile mit Stab- und Lamellenbewehrung. ETH Zürich, Diss., 2003 [6] Trost, H.; Cordes, H.; Thormählen, U.; Hagen, H.: Teilweise Vorspannung, Verbundfestigkeit von Spanngliedern und ihre Bedeutung für Rissbildung und Rissbreitenbeschränkung. Berlin: Ernst & Sohn, 1980 (DAfStb-Heft 310) [7] Tue, N. V.: Zur Spannungsumlagerung im Spannbeton bei der Rissbildung unter statischer und wiederholter Belastung. Berlin: Beuth Verlag. 1993 (DAfStb Heft 435) [8] Zehetmaier, G.: Die Endverankerung von Klebearmierung: Interaktion von angeklebter und einbetonierter Bewehrung. In: Zilch, K. (Hrsg.): Massivbau 2003 – Forschung, Entwicklungen und Anwendungen. Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag, 2003
Neumodellierung des Schubtragverhaltens mit CFK-Lamellen verstärkter Stahlbetonbauteile Christoph Schmidhuber
Die Bemessung mit CFK-Lamellen verstärkter Stahlbetonbauteile erfolgt in Deutschland prinzipiell auf der Grundlage der Regelungen der DIN 1045 (7.88). Ergänzt werden diese Regelungen durch in Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen [5] angegebene Bestimmungen zur Ausführung der Verstärkungsmaßnahme. Im rechnerischen Bruchzustand sind nach DIN 1045 (7.88) die Dehnungen des Betonstahls bei der Biegebemessung auf 5 ‰ begrenzt. Im Gegensatz dazu sind in den Zulassungsbescheiden für das Verstärken von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen mit CFK-Lamellen Grenzdehnungen der CFK-Lamellen bis L = 8,5 ‰ zugelassen. In Verbindung mit vorhandenen Vordehnungen des Betonstahls bei der Verklebung ist in verstärkten Stahlbetonbauteilen mit größeren Betonstahldehnungen und damit größeren Rissbreiten zu rechnen als im konventionellen Stahlbetonbau nach DIN 1045 (7.88). Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen sollte untersucht werden inwieweit bei größeren Rissbreiten die positive Wirkung aus Rissverzahnung und Dübelwirkung der einbetonierten Bewehrung hinsichtlich der Querkrafttragfähigkeit verringert wird. Insbesondere in Trägerbereichen mit hohen Biege- und Querkraftbeanspruchungen (z.B. Stützbereich bei Durchlaufträgern) ist mit einem Rückgang der Querkrafttragfähigkeit zu rechnen.
1 Verbund- und Rissverhalten von CFK-Lamellen Im Rahmen der Untersuchungen [1] wurden unter Verwendung realistischer Verbundansätze zunächst theoretische Studien im Hinblick auf die zu erwartenden größeren Rissbreiten bei Klebearmierung mit CFK-Lamellen durchgeführt. Die geringe vom Klebeverbund bis zur vollständigen Entkoppelung aufnehmbare Energie führt bei klebearmierten Bauteilen zu einer zusätzlichen Vergrößerung der Rissbreite, da es infolge der aus der Verbundentkoppelung resultierenden Ablösung der CFK-Lamellen an den Rissufern nur über kurze Längen hinweg zu einer Mitwirkung des Betons (tension stiffening) kommt. Im Rahmen einer Parameter-
238
Neumodellierung des Schubtragverhaltens
studie konnte gezeigt werden, dass für Lamellendehnungen ab etwa 2,5 ‰ die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen vernachlässigbar gering ist. Damit kann für diesen Bereich der Lamellendehnungen die resultierende Rissbreite wr vereinfachend aus der Lamellendehnung im Rissquerschnitt L und dem Biegerissabstand ar mit Gleichung (1) bestimmt werden. wr =
L
ar
(1)
Die auftretenden Rissbreiten können damit bei Ausnutzung der zulässigen Lamellengrenzdehnungen für baupraktisch relevante Rissabstände im Grenzzustand der Tragfähigkeit mehrere Millimeter betragen.
2 Untersuchungen zur Querkrafttragfähigkeit Die Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen ohne innere Querkraftbewehrung unter besonderer Berücksichtigung großer Rissbreiten wurde im Rahmen der Untersuchungen auf der Grundlage des Zahnmodells hergeleitet. Mit diesem Modell kann die Wirkungsweise des Querkraftabtrags mit den Komponenten Rissverzahnung, Dübelwirkung und Druckzone sehr anschaulich beschrieben werden. Zudem lässt sich das Modell auf Bauteile mit innerer Querkraftbewehrung erweitern. Für den Traganteil der Rissverzahnung für Bauteile ohne und mit innerer Querkraftbewehrung wurden die bekannten Ansätze von Walraven [2] verwendet, wobei für den Bereich größerer Rissbreiten (w > 0,7 mm) durch eigene neue Versuchsauswertungen modifizierte Bestimmungsgleichungen abgeleitet wurden. Für die Dübelwirkung der einbetonierten Bewehrung wurde auf den wissenschaftlichen Arbeiten von Baumann [3] aufgebaut, der das Modell eines elastisch gebetteten Balkens verwendet hat.
2.1 Bauteile ohne innere Querkraftbewehrung An einem aus dem Bauteil herausgeschnittenen Zahnelement konnten mit Hilfe von Gleichgewichtsbetrachtungen für Stahlbetonbauteile ohne innere Querkraftbewehrung die Querkrafttraganteile aus der Rissverzahnung, der Dübelwirkung und aus der Beanspruchung der Druckzone ermittelt werden. Als maßgebende Größe für den Anteil der Rissverzahnung bei Bauteilen ohne innere Querkraftbewehrung wurde dabei die ohne Normalspannung senkrecht zum Riss ( n = 0) übertragbare Schubspannung r,max betrachtet. Der Verlauf der Rissverzahnungsspannung über die Risshöhe wurde mit einem bilinearen Ansatz beschrieben, der für den Bereich kleinerer Rissbreiten den von Walraven ermittelten Modellansätzen, für den Bereich größerer Rissbreiten den eigenen modifizierten Bestimmungsgleichungen entspricht. Für die Abschätzung des Anteils der Dübelwirkung
Christoph Schmidhuber
239
wird ein von Reineck [4] auf allgemeine Bewehrungsgrade erweiterter Ansatz verwendet. Bei Versuchsnachrechnungen konnte eine gute Übereinstimmung der rechnerischen und der im Versuch erreichten Bruchlasten erzielt werden. Als Ergebnis der Untersuchungen wurden auf der Grundlage umfangreicher Parameterstudien für die baupraktisch relevanten Parameterbereiche Bemessungsdiagramme ermittelt, die eine Bestimmung des Maximalwertes der unter Gebrauchslasten aufnehmbaren Schubspannungen 0,max ermöglichen. Berücksichtigung finden dabei die Würfeldruckfestigkeit des Betons W, der Rissabstand ar sowie der Längsbewehrungsgrad L des zu verstärkenden Bauteils. In Abbildung 1 ist beispielhaft eines dieser Bemessungsdiagramme für eine Würfeldruckfestigkeit von W = 25 N/mm2 dargestellt. Als wesentliches Ergebnis der Berechnungen bleibt dabei festzustellen, dass der in den Diagrammen angegebene und entsprechend den Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen klebearmierter Bauteile [5] zulässige Wert der maximalen Schubspannungen 011(b) für Bauteile ohne innere Querkraftbewehrung unter bestimmten Randbedingungen rechnerisch nicht erreicht werden kann. Die in den Zulassungsbescheiden angegeben Grenzwerte können damit auf der unsicheren Seite liegen.
Abb. 1. Zulässige Schubspannung
0,max
für Bauteile ohne innere Querkraftbewehrung
240
Neumodellierung des Schubtragverhaltens
2.2 Bauteile mit innerer Querkraftbewehrung Das Querkrafttragverhalten von Bauteilen mit innerer Querkraftbewehrung wurde mit dem Fachwerkmodell mit Rissreibung beschrieben. Als oberer Wert der Querkraftkrafttragfähigkeit wurde dabei der in den Zulassungsbescheiden festgelegte Grenzwert 02 unverändert übernommen. In den Untersuchungen wurde überprüft, ob der nach DIN 1045 (7.88) zulässige Ansatz der verminderten Schubdeckung in der dort festgelegten Höhe angewendet werden darf. Dabei wurde rechnerisch nachgewiesen, ob der bei der verminderten Schubdeckung der Tragkomponente Rissverzahnung zugeordnete Schubspannungsanteil durch die Verzahnung der Rissufer abgetragen werden kann. Im Rahmen theoretischer Untersuchungen wurde für jeden Wert 0 im Schubbereich 1 und 2 nach DIN 1045 (7.88) der nach Norm zulässige Wert der verminderten Schubdeckung mit dem rechnerisch möglichen verglichen. Das Ergebnis der Untersuchungen konnte wieder in Diagrammen (siehe Abbildung 2) aufbereitet werden, mit deren Hilfe in Abhängigkeit von der Würfeldruckfestigkeit des Betons W, dem Rissabstand ar und dem Grundwert der Schubspannung 0 der maßgebende Bemessungswert aus = (1- )
0
(2)
bestimmt werden kann. Der Beiwert bezeichnet dabei den über Rissverzahnung übertragbaren Querkraftanteil. Eine Betrachtung von Abbildung 2 zeigt, dass für große Rissabstände ar ein Ansatz der verminderten Schubdeckung im Sinne von DIN 1045 (7.88) auf der unsicheren Seite liegende Ergebnisse liefert.
Abb. 2. Beiwert zur Bestimmung des Bemessungswerts für Bauteile mit innerer Querkraftbewehrung
Christoph Schmidhuber
241
3 Fazit Die Fazit der Untersuchungen zum Querkrafttragverhalten mit CFK-Lamellen verstärkter Stahlbetonbauteile bleibt festzustellen, dass unter bestimmten Randbedingungen bei Anwendung der derzeit gültigen Bemessungsregeln Sicherheitsdefizite hinsichtlich der Querkrafttragfähigkeit bestehen. Mit Hilfe der im Rahmen der Untersuchungen erzielten Ergebnisse können bei Anwendung der erzeugten Bemessungsdiagramme diese Sicherheitsdefizite ausgeschlossen werden.
4 Literatur [1] Schmidhuber, Ch.: Neumodellierung des Schubtragverhaltens mit CFK-Lamellen verstärkter Stahlbetonbauteile; Dissertation; Technische Universität München; 2004 [2] Walraven, J.: Experiments on shear transfer in cracks in concrete – Part II: Analysis of results; Delft University of Technology; Report 5-79-10; 1979 [3] Baumann, T.; Rüsch, H.: Schubversuche mit indirekter Krafteinleitung – Versuche zum Studium der Verdübelungswirkung der Biegezugbewehrung eines Stahlbetonbalkens; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton Heft 217; Ernst & Sohn, Berlin; 1970 [4] Reineck, K.-H.: Ein mechanisches Modell für den Querkraftbereich von Stahlbetonbauteilen; Dissertation, Stuttgart; 1990 [5] Deutsches Institut für Bautechnik: Verstärken von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen durch schubfest aufgeklebte Kohlefaserlamellen B+B Carboplus; Zulassungsbescheid Z-36.12-57; Berlin; 2000
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen Manfred Curbach
Seit langem bietet der zementgebundene Beton den Bauingenieuren ein breites Feld von konstruktiven Gestaltungs- und Herstellungsmöglichkeiten. Seine geringe Zugtragfähigkeit wird beim Stahlbeton durch eine eingelegte Bewehrung kompensiert. Ersetzt man diese Betonstahlbewehrung durch die im Bereich von Faserverbundkunststoffen etablierten textilen Bewehrungen, entsteht der neue Verbundwerkstoff „Textilbewehrter Beton“. Es gibt noch viele offene Fragen zur Wirkungsweise und zum Verbundverhalten der textilen Bewehrungen. Naturgemäß fehlen für diesen jungen Verbundwerkstoff auch Erfahrungen zu Langzeiteigenschaften. Die genaue Kenntnis dieser Eigenschaften ermöglicht die Beurteilung und Auswahl der Anwendungen bezüglich der technischen Möglichkeiten, der Wirtschaftlichkeit und des Innovationspotenzials. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, daß aufgrund der korrosionsbeständigen textilen Bewehrung und der damit verbundenen geringen Betonüberdeckung die Realisierung sehr dünnwandiger Bauteile möglich ist. Filigrane Elemente aus Textilbeton stellen eine völlig neue Anwendung des Baustoffes Beton dar und erweitern die Planungsfreiheit von Architekt und Ingenieur. Ausgewählte Beispiele demonstrieren, daß dieser leistungsfähige Verbundwerkstoff trotz zahlreicher offener Fragen schon heute erfolgreich angewendet werden kann.
1 Was ist textilbewehrter Beton? Textilbewehrter Beton besteht aus einem Textil und Beton, wobei das Textil die Funktion der Bewehrung übernimmt. Die Textilien bestehen aus technischen Hochleistungsfasern wie alkaliresistentem Glas (AR-Glas), Carbon oder synthetischen Kunststoffen (Polypropylen, PVA, u. a.). Die Elementarfasern werden als Filamente bezeichnet und haben einen Durchmesser im Bereich von etwa 10 bis 30 µm. Mehrere hundert bis tausend dieser Filamente sind in einem Bündel, dem sogenannten Filamentgarn zusammengefaßt. Aus den Garnen entstehen dann technische Textilien, wie z. B. Gelege, Geflechte, Gewebe oder Gewirke. Die Textilien sind in der Regel flächige zweidimensionale Gebilde (Abb. 1). Fasern
244
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
aus AR-Glas stellen die bisher wirtschaftlichste Alternative zum Betonstahl dar. In aktuellen Forschungsarbeiten werden zunehmend auch Carbon-Fasern eingesetzt. Trotz des hohen Preises wird erwartet, daß die Carbon-Fasern aufgrund verschiedener Vorteile in vielen Anwendungen die Wirtschaftlichkeit noch verbessern.
Abb. 1. Zweidimensionale Bewehrung als Gelege
Handelsüblich sind Filamentgarne aus AR-Glas mit bis zu 2000 Filamenten und einer Querschnittsfläche von bis zu 1 mm², die aufgrund der geometrischen Anordnung der Filamente einen Umfang von erstaunlichen 15 mm aufweisen. Die Querschnittsfläche eines Betonstahls mit 10 mm Durchmesser entspricht somit dem Querschnitt von 100 dieser Filamentgarnen, wobei diese aber eine etwa 50mal größere Oberfläche haben. Das führt beim Textilbeton zu einer besseren Rißverteilung bzw. kleineren Rißbreiten und -abständen. Da weiterhin die für den textilbewehrten Beton eingesetzten Fasern im Gegensatz zur klassischen Betonstahlbewehrung keine Betondeckung zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes benötigen, ist die Herstellung extrem schlanker Bauteile möglich. Diese Vorteile wurden schon vor vielen Jahrzehnten erkannt und führten zur Entwicklung des Faserbetons. Seit der Kenntnis der karzinogenen Wirkung der Asbestfasern haben Fasern aus AR-Glas eine breite Anwendung gefunden. Die als Endlosfasern hergestellten Rovings werden in Kurzfasern mit bis zu 40 mm Länge zerteilt. Je nach Herstellungsverfahren liegen die Kurzfasern im fertigen Bauteil räumlich (3D) oder mindestens in einer Ebene (2D) quasi zufällig ausgerichtet vor. Das bekannte quasiduktile Verhalten des Kurzfaserbetons wird erreicht, indem die Länge der Fasern so bemessen wird, daß sie durch Auszug aus der Betonmatrix und nicht durch Erreichen ihrer Tragfähigkeit versagen. Das führt bei Kurzfaserbeton zu einer deutlichen Verbesserung des Verhaltens nach Überschreiten der Zugfestigkeit des Betons. Die Tragfähigkeit eines Bauteils kann aber mit Kurzfasern im Regelfall nicht nennenswert gesteigert werden. Für den textilbewehrten Beton werden endlose Hochleistungsfasern vor dem Einbau mit Hilfe der Textiltechnik zu flächigen Strukturen verarbeitet. So ist es möglich, die Ausrichtung der Fasern gezielt der Belastung im Bauteil anzupassen (Abb. 2). Durch die Ausrichtung und Anordnung der Fasern entsprechend der erwarteten Belastung lassen sich gegenüber dem Kurzfaserbeton deutlich höhere
Manfred Curbach
245
Tragfähigkeiten bei gleichem Fasergehalt oder bei gleichbleibender Tragfähigkeit deutliche Einsparungen bei den immer noch teuren Hochleistungsfasern erzielen. Es entsteht ein Verbundwerkstoff, der die Herstellung extrem dünner, bewehrter Betonbauteile erlaubt und gleichzeitig hohe Tragfähigkeiten erreicht.
Abb. 2. Textilbewehrter Beton und textile Bewehrung aus Glasfasern
Der als Matrix eingesetzte Beton ähnelt in seiner Zusammensetzung grundsätzlich üblichen Betonen. Auffälligster Unterschied ist der Größtkorndurchmesser von etwa 1 mm. Zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit können z. B. noch Mikrosilika und Flugasche enthalten sein. Bei Verwendung von AR-Glas wirken sich diese Bestandteile zudem positiv auf die Langzeiteigenschaften aus. Zu beachten ist, daß durch das kleine Größtkorn ein erhöhter Bindemittelbedarf entsteht, der zu entsprechend höheren Schwind- und Kriechverformungen führen kann.
2 Grundlagen und aktuelle Forschung Zur Untersuchung des Tragverhaltens des Verbundwerkstoffes werden umfangreiche experimentelle Untersuchungen an Dehnkörpern und Biegeversuchen durchgeführt [1], [2], [3]. Die Auswahl und Charakterisierung geeigneter Fasermaterialien sowie deren Weiterverarbeitung zu Textilien konzentrierte sich zunächst auf AR-Glas. Parallel dazu werden anderer Faserwerkstoffe (siehe oben) auf ihre Eignung untersucht und auf die speziellen Anforderungen der textilen Bewehrung sowie die geometrischen Besonderheiten von textilbewehrtem Beton abgestimmte Feinbetone entwickelt. Als Textilien werden zunächst überwiegend bidirektionale Gelege aus ARGlasfasern eingesetzt, die sich im Wesentlichen durch ҟ den Gitterabstand (Abstand der Garne untereinander), ҟ die Art und Feinheit (Querschnittfläche) der Garne in der Hauptbelastungsrichtung (Zugrichtung) und
246
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
der verwendeten Bindungstechnologie unterscheiden. Über die ersten beiden Punkte wird die Bewehrungsmenge gesteuert. Über den letzten Punkt werden sowohl die Garngeometrie als auch das Verbundverhalten zum Beton maßgebend beeinflußt. Die Kombination dieser beiden Faktoren ist von entscheidender Bedeutung für das Tragverhalten. Abb. 3 zeigt zwei ausgewählte Beispiele für textile Bewehrungen im gleichen Abbildungsmaßstab. ҟ
Abb. 3. Vergleich zweier biaxialer Textilien, die sich in der Garnsorte, Anzahl und Achsabstand der Garne und in der textilen Flächenbildungstechnologie unterscheiden
Neben den bisher genannten gibt es noch weitere wichtige Faktoren. Inzwischen hat sich gezeigt, daß die nachträgliche Beschichtung der Textilien sowohl die Handhabbarkeit als auch das Tragverhalten positiv beeinflussen können. Da die die Auswirkung einer schiefwinkligen Bewehrungsführung untersucht. Eine detaillierte Darstellung aktueller Forschung ist in [4] und [5] zu finden. Die Forschungsergebnisse zeigen, daß die Tragfähigkeit vor allem durch die Wechselwirkung zwischen innerem und äußerem Verbund der Filamente in den Garnbündeln bestimmt wird (Abb. 4). Der direkte Kontakt der Filamente mit der Betonmatrix liefert einerseits hohe Verbundfestigkeiten und ist andererseits verantwortlich für den schädigenden Einfluß der Alkalität bei Glasfilamenten. Es konnte gezeigt werden, daß im Wesentlichen die Filamente mit direktem Kontakt zur Matrix das Rissverhalten des Betons bestimmen. Faserbündel mit einem großen Durchmesser weisen in den bisherigen Untersuchungen schlechtere Trageigenschaften auf als solche mit einem vergleichsweise kleinen Bewehrungsdurchmesser, deren Verhältnis von Querschnittsfläche zu Umfang günstiger ist. Bei Garnen mit weniger Filamenten stehen daher anteilig mehr Filamente in direktem Kontakt mit der Feinbetonmatrix. Außerdem gelingt die Aktivierung der inneren Filamente besser. Das führt zu einer gleichmäßigeren Belastung der einzelnen Filamente und damit zu einer höheren Festigkeit. Durch nachträgliche Beschichtung können die Verbundverhältnisse jedoch in weiten Grenzen beeinflusst werden. Eine Beschichtung oder Laminierung der Textilien führt zu einer Verklebung der Filamente, was insbesondere die Verbundeigenschaften der inneren Filamente untereinander verbessert. Als Folge dieser Homogenisierung des Bewehrungsquerschnittes beteiligen sich mehr Filamen-
Manfred Curbach
247
te am direkten Lastabtrag, so daß die Tragfähigkeiten gegenüber Bauteilen mit unbeschichteten Textilien gesteigert werden kann.
Abb. 4. Innere und äußere Filamente in einem Multifilamentgarn
Bei der Rissbildung unterliegen gegenüber der Zurichtung geneigte Garne bzw. Rovings zusätzlichen Beanspruchungen quer zu Faser an den Rißufern. Bei duktilen Materialien – wie auch dem üblichen Bewehrungsstahl – hat eine solche Beanspruchung kaum spürbare Auswirkungen. Da eine solche Querbeanspruchung bei spröden Materialien wie AR-Glas und Carbon zur einer Verringerung der Tragfähigkeit führt, hängen die aufnehmbaren Zugkräfte der Bewehrung von der Orientierung zur Belastung ab. Die bisher vorliegenden Ergebnisse zeigen, daß die mechanischen Eigenschaften textilbewehrter Bauteile noch nicht hinreichend bekannt sind. Das Tragverhalten textilbewehrter Bauteile wird neben Art, Menge und Orientierung der textilen Bewehrung auch von der Feinbetonmatrix beeinflußt. Insbesondere das Verbundverhalten der Faserbündel (Rovings), aus denen die Bewehrungstextilien hergestellt werden, ist von entscheidender Bedeutung. Bekannte Modelle aus dem Stahlbetonbau lassen sich nicht ohne Anpassungen anwenden, da es sich bei den textilen Bewehrungssträngen nicht um homogene Querschnitte sondern um Faserbündel handelt, die ein grundlegend anderes Verbundverhalten als Betonstähle aufweisen. Erste Versuche [1], [2], [4], [5], [6] haben allerdings gezeigt, daß die Zugfestigkeit der eingelegten Textilien im Verbundwerkstoff „Textilbeton“ nicht direkt aus der Festigkeit der Elementarfasern abgeleitet werden kann. Ursachen hierfür ist vor allem sind neben Schädigungen des Fasermaterials infolge textiler Fertigungsprozesse vor allem neben den schon genannten Faktoren das komplexe Verbundverhalten der Faserbündel im Beton (Abb. 5). Die Dehnungen sind nicht in allen Filamenten gleichmäßig. Die Tragfähigkeit ist erreicht, wenn die hochbelasteten Filamente versagen. Wie sich die Belastung auf die einzelnen Filamente verteilt, hängt von den zahlreichen oben genannten Faktoren ab. Ziel der laufenden Untersuchungen ist die Charakterisierung dieser Faktoren, um die Zugtragfähigkeit weiter zu erhöhen.
248
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
Riss
Dehnung
Randfaser
Kernfaser Matrix Übertragungslänge Randfaser
x-Achse
Übertragungslänge Kernfaser
Abb. 5. Verlauf der Dehnungen der inneren und äußeren Filamente eines Multifilamentgarns im Verbundwerkstoff
Um die Grundlagen für innovative Anwendungen unter architektonisch und ingenieurmäßig kreativen Gesichtspunkten zur Verfügung zu stellen, sind werden weiterhin umfangreiche Untersuchungen im Hinblick auf ҟ die Auswahl und Herstellung der Ausgangsmaterialien, ҟ die mechanische Modellierung des Verbundwerkstoffes, ҟ die Dauerhaftigkeit sowie ҟ Technologie und Anwendung angestrengt. Die entsprechenden Forschungsarbeiten werden seit Juli 1999 maßgeblich durch zwei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereiche (SFB) gestützt. Der SFB 528 „Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung“ an der TU Dresden und der SFB 532 „Textilbewehrter Beton – Grundlagen für die Entwicklung einer neuartigen Technologie“ an der RWTH Aachen tragen durch interdisziplinärer Zusammenarbeit der Bereiche Stofftechnik, Mechanische Modellierung, Konstruktiver Ingenieurbau und Produktionstechnik zur Schaffung der Grundlagen für diese innovative Werkstoffkombination bei.
4 Verstärkung von Stahlbetonbauteilen Während der Nutzungsdauer eines Bauwerkes können veränderte Beanspruchungen z. B. durch gestiegene Ausbau- und Verkehrslasten eine Verstärkung der Bauteilen erfordern, um eine ausreichende Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit zu gewährleisten. Eine Möglichkeit der nachträglichen Verstärkung ist das Aufbringen einer textilbewehrten Feinbetonschicht. Dabei sind die AR-Glasfasern in den verwendeten textilen Gelegen in Richtung der Beanspruchung orientiert, um die Tragfähigkeit der Fasern besonders effektiv ausnutzen zu können. Entsprechend der Wirkungsweise der Verstärkung werden folgende Arten unterschieden: ҟ Biegeverstärkung
Manfred Curbach
249
Querkraftverstärkung Verstärkung für Torsion ҟ Verstärkung für Normalkraft Zu den beiden ersten Varianten wurden bisher umfangreiche experimentelle Untersuchungen an Platten und Balken durchgeführt [5], die im zusammengefaßt werden. Ziel der Untersuchungen ist die Entwicklung eines ingenieurmäßigen Bemessungsmodells zur Dimensionierung der Verstärkung unter Berücksichtigung der gesteigerten Anforderungen an das Bauteil. ҟ ҟ
3.1 Erhöhung der Biegetragfähigkeit Zur Untersuchung der textilen Biegeverstärkung wurden in einzelnen Versuchsserien der Stahlbewehrungsgrad, die Anzahl der Textillagen und die Art der Verankerung variiert. Dabei muß die Biegeverstärkung folgenden Kriterien genügen: ҟ Sie muß das Biegemoment infolge der gesteigerten Beanspruchung aufnehmen können. ҟ Das Kriterium der Mindestbewehrung muß von der textilen Verstärkung gemeinsam mit der vorhandenen Stahlbewehrung erfüllt werden. ҟ Die Verstärkungsschicht ist zur Übertragung der Zugkräfte auf den Altbeton ausreichend zu verankern. Die Kraft-Verformungs-Kurven in Abb. 6 zeigen neben dem typischen Verhalten von Stahlbeton mit den Zuständen I (ungerissen), II (Rißbildung) und III (Fließen des Bewehrungsstahls) deutlich die Traglaststeigerung infolge der textilen Verstärkungsschicht im Vergleich zur unverstärkten Referenzplatte. P/2
P/2
P/2
s unverstärkt
P/2
s verstärkt
80
Kraft P [kN]
60
verstärkt mit 8 Lagen
40
59 kN 46 kN
verstärkt mit 4 Lagen
20 kN 20
unverstärkt 0 0
5
10
15
20
Weg s [mm]
Abb. 6. Kraft-Verformungs-Kurven unverstärkter und verstärkter Platten
Mindestens ebenso deutlich ist der Einfluß der Verstärkung auf die Durchbiegung der Bauteile. Im Vergleich zur unverstärkten Referenzplatte mit einer Durchbie-
250
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
gung von 3,2 mm auf Gebrauchslastniveau sinkt die Verformung bei 4 Verstärkungslagen auf 0,9 mm und bei 8 Verstärkungslagen sogar auf 0,6 mm. Ursache dafür ist das gegenüber der unverstärkten Stahlbetonplatte veränderte Rißbild (Abb. 7). Sowohl die Rißabstände als auch die Rißbreiten sind bei den verstärkten Platten nachweislich kleiner. Damit ist auch die Krümmung in den Rissen kleiner, was wiederum zu einer geringeren Durchbiegung führt. Für ein duktiles Verhalten der Bauteile, d. h. für die Ankündigung eines drohenden Versagens durch große Verformungen oder entstehende Risse, wird nach CEB [7] bzw. Eurocode 2 ein Mindestrotationsvermögen der Querschnitte im Bruchzustand gefordert. Die Einhaltung der Mindestrotation hat unmittelbaren Einfluß auf die Teilsicherheitsbeiwerte des Sicherheitskonzeptes. Sprödes und plötzliches Versagen erfordert höhere Teilsicherheitsfaktoren und damit eine geringere Ausnutzung der Materialtragfähigkeit als angekündigtes Versagen. Die textilverstärkten Platten sind trotz der geringen Verformungen auf Gebrauchslastniveau nach CEB bzw. Eurocode 2 ausreichend rotationsfähig (Abb. 8). 10 cm
Abb. 7. Rissbild an der Unterseite einer verstärkten Platte 0,16 Stahlbetonplatten unverstärkt
Gesamtrotation [rad]
0,14
Stahlbetonplatten mit textiler Verstärkung
0,12 0,10 0,08 0,06
1
CEB (alt)
2
EC 2 und CEB (neu)
0,04 1
0,02 0,00 0,0
2
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
bezogene Druckzonenhöhe
Abb. 8. Plastische Rotation der Platten abhängig von der bezogenen Druckzonenhöhe
Manfred Curbach
251
3.2 Querkraftverstärkung Die Schubverstärkung der Balken erfolgt mit einem Textilgelege, dessen Glasfasern mit einer Neigung von 45° an die Beanspruchung angepaßt sind. Aufgebracht wird die Verstärkung ausschließlich im Bereich zwischen Lasteinleitung und Auflager, indem die ursprünglich nicht schubbewehrten Balken über den gesamten Umfang mit Gelege umwickelt werden. Auf der Balkenoberseite wurden die Enden des Geleges überlappt, um die gesteigerte Tragfähigkeit zunächst unbeeinflußt von der Verankerung analysieren zu können. Die experimentell erreichten Bruchlasten überstiegen die rechnerischen Erwartungen. Bereits mit der geringen Anzahl von vier Textillagen, die lediglich als Mindestbewehrung konzipiert waren, wurde die Traglast um über 100 % gesteigert (Abb. 9). Eine weitere Steigerung der Lagenanzahl führte zum Erreichen der Biegtragfähigkeit. P/2
P/2
P/2
s unverstärkt
P/2
s verstärkt
300
272 kN (Versagen der Druckzone)
Kraft P [kN]
verstärkt 200
130 kN (Querkraftversagen)
100
unverstärkt 0 0
10
20
30
40
50
60
Weg s [mm]
Abb. 9. Kraft-Verformungskurven unverstärkter und schubverstärkter Balken
3.3 Erhöhung der Torsionstragfähigkeit Masten aus Beton werden seit nunmehr einem Jahrhundert für die oberirdische Leitungsführung verwendet. Seit der Herstellung mit dem Schleuderverfahren haben Masten aus Stahl- und Spannbeton eine weite Verbreitung gefunden. Statistische Erfassungen von Schäden an Betonmasten ergaben, daß 20 % der Masten schadhaft sind und 5 % bzw. 7 % der Masten schwere und schwerste Schäden aufweisen. Aus wirtschaftlicher Sicht schien es interessant zu prüfen, ob die Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit dieser schätzungsweise mehr als 100 000 Masten mit einer Verstärkung aus textilbewehrtem Beton wieder hergestellt werden kann [8].
252
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
Belastungsversuche an Masten mit einer Verstärkung aus textilbewehrten Beton ergaben eine maximale Erhöhung der Biegetragfähigkeit von ca. 30 % und eine Verbesserung der Torsionstragfähigkeit um bis zu 70 %. Erreicht wurde dies durch den Einsatz maßgeschneiderter Textilien. In diesem Fall waren die Textilien so konstruiert, daß die Bewehrungsfäden in Richtung der Hauptzugspannungen verlaufen und die Torsionsbelastung optimal aufnehmen konnten (siehe Abb. 10). Abb. 11 zeigt einen so verstärkten Mast unter Torsionsbeanspruchung bei Erreichen des Grenzzustandes der Tragfähigkeit. Wirtschaftliche Untersuchungen zeigen, daß eine Mindestlosgröße von 10 000 m² für die Herstellung der textilen Bewehrung empfohlen wird. Ursächlich sind die hohen Umrüstkosten der Maschinen zur Herstellung der Bewehrungsstruktur.
Abb. 10. Applikation der textilen Bewehrung im Nass-in-Nass-Verfahren
Abb. 11. Torsionsversuche an einem verstärkten Mast
Manfred Curbach
253
4 Ausblick Die bisher vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, daß textilbewehrter Beton eine sinnvolle Alternative zu herkömmlichen Werkstoffen darstellt. Dabei steht nicht im Vordergrund, Stahl- oder Spannbetonkonstruktionen zu ersetzen, sondern der Betonbauweise besonders bei sehr dünnwandigen und schlanken Bauteilen neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Diese Anwendungen können sowohl im klassischen Baubereich als auch im Gebiet von Verbrauchs- und Konsumgütern angesiedelt sein. Dabei gilt es, die günstigen Eigenschaften von Textilien und Beton auszunutzen, um dauerhafte und bei Herstellung, Montage und Unterhaltung wirtschaftliche Bauteile zu realisieren. Die Herausforderung für eine Anwendung liegen gleichzeitig in drei Punkten. Es wird in ein ҟ neues Produkt mit ҟ einem neuen Baustoff und wahrscheinlich oft auch ҟ in einen neuen Markt investiert, denn so schlanke Betonbauteile waren bisher ja mit dieser Tragfähigkeit nicht möglich. Die Arbeiten in den beiden Sonderforschungsbereichen 528 und 532 konzentrieren sich auf die Grundlagen zum Verbund- und Tragverhalten, die Optimierung der textilen Bewehrungen zur Verbesserung der Handhabbarkeit und Ausnutzung der Hochleistungsfasern. Ziel ist die Entwicklung von Technologien für die werkmäßige Herstellung von textilbewehrten Fertigteilen sowie die Anwendung in situ für Verstärkungen an Stahlbetonbauteilen. Darüber hinaus werden Bemessungsmodelle und Sicherheitskonzept entwickelt, die dem Planer und Architekten bei der Anwendung der textilen Bewehrungen unterstützen sollen. Der Aachener SFB bearbeitet schwerpunktmäßig die Thematik neuer Bauteile, während in Dresden der Schwerpunkt auf der Verstärkung von Bauteilen bzw. Bauwerken liegt. Bei der Grundlagenforschung zu den Ausgangsmaterialien, ihrer Weiterentwicklung und dem Verbundverhalten ergänzen sich die beiden Sonderforschungsbereiche. Höhepunkt der bisherigen Zusammenarbeit waren zwei gemeinsame Konferenz beider SFB’s im Februar 2001 und im Oktober 2003, auf der der aktuelle Stand der Forschungsarbeiten der interessierten Fachöffentlichkeit vorgestellt wurde.
5 Danksagung Der Autor bedankt sich für die finanzielle Unterstützung durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Sonderforschungsbereiche 528 „Textile Bewehrungen zu bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung“ und 532 "Textilbewehrter Beton – Grundlagen für die Entwicklung einer neuartigen Tech-
254
Textilbewehrter Beton zur Verstärkung von Stahlbetonbauteilen
nologie". Der Dank geht weiterhin an das Institut für Baustoffe und das Institut für Textil- und Bekleidungstechnik der TU Dresden.
6 Literatur [1] Curbach, M., Hegger, J. et al.: Sachstandbericht zum Einsatz von Textilien im Massivbau. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), Heft 488, Beuth Verlag, Berlin 1998, Kap. 7.5, S. 81–90 [2] Molter, M.: Bruchtragverhalten textilbewehrter Biegekörper, In: Hegger, J. (Hrsg.): Textilbeton, Tagungsband zum 1. Fachkolloquium der Sonderforschungsbereiche 528 und 532, Aachen 2001, S. 205–219 [3] Curbach, M.; Jesse, F.: Dehnkörper aus textilbewehrtem Beton – Phänomene, Deutung, Schlussfolgerungen. In: Hegger, J. (Hrsg.): Textilbeton, Tagungsband zum 1. Fachkolloquium der Sonderforschungsbereiche 528 und 532, Aachen 2001, S. 125-136 [4] Hegger, J., et al.: Sonderforschungsbereich SFB 532: Textilbewehrter Beton – Grundlagen für die Entwicklung einer neuartigen Technologie. Arbeits- und Ergebnisbericht 2. Hj.1999/2000/2001/1. Hj. 2002. Aachen 2002 [5] Curbach, M. (Hrsg.): SFB528, Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung (Arbeits- u. Ergebnisbericht für die Periode II/1999-I/2000). Dresden: Institut für Tragwerke und Baustoffe der Technischen Universität Dresden, 2002 [6] Curbach, M. (Edt.): Textile Reinforced Structures. Proceedings of the 2nd Colloqium on Textile Reinforforced Structures (CTRS2), Dresden, Germany, 29.9.2003– 1.10.2003. Dresden : Sonderforschungsbereich 528, Technische Universität Dresden, 2003 [7] CEB: Structures hyperstatiques, CEB-Bulletin NO. 105, Paris 1976 [8] Franzke, G.; Hempel, R.; Engler, Th.; Schierz, M.; Brückner, A.; Proske, D.; Ortlepp, S.: Betonmastsanierung mit mehraxialen Gelegen aus alkaliresistentem Glas. In: Bautechnik 79 (2002), Nr. 6, S. 368–374
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben Johann Kollegger, Clemens Preisinger
Den Baustoff Beton zeichnet neben seiner Dauerhaftigkeit und seiner Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse vor allem seine freie Formbarkeit aus. Bei der Formgebung und der Bemessung ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Zugfestigkeit des Betons nur einen Bruchteil der Druckfestigkeit beträgt. Die geringe Betonzugfestigkeit bedingt bei zugbeanspruchten Bauteilen das Einlegen von Bewehrung, die nach der Rissbildung im Beton die Zugkräfte zu übernehmen hat. Eine weitere Möglichkeit materialgerechten Bauens mit Beton ist neben dem Bewehren und Vorspannen der Bauwerke das Herstellen von Konstruktionen, in denen fast ausschließlich Druckspannungen auftreten. Die konsequente Ausnutzung der freien Formbarkeit des Betons unter Berücksichtigung seines geringen Zugkraftvermögens wird in Schalentragwerken verwirklicht. Die Schale erfüllt da gleichermaßen eine tragende und eine raumabschließende Funktion.
1 Einleitung Der moderne Schalenbau begann mit der Erfindung der Zeiss–DywidagSchalenbauweise im Jahre 1923 durch Bauersfeld und Dischinger (Patent DRP.415 395 [1, 2]). Bei diesem Herstellungsverfahren wurde ein Netzwerk aus Stahlstäben errichtet, auf dem die Bewehrung und die verlorene Schalung aus Drahtgewebe befestigt wurden. Anschließend wurde eine dünne Spritzbetonschicht aufgebracht. Ein Lehrgerüst war bei diesem Herstellungsverfahren nicht erforderlich, da die Last des Frischbetons von dem steifen Raumfachwerk abgetragen wurde. Die vorhandenen Berechnungsmethoden erzwangen früher eine Beschränkung der ausgeführten Schalen überwiegend auf geometrische Formen. Beispielhaft seien hier Kugelabschnitte, Zylinder und hyperbolische Paraboloide genannt. Eine Ausnahme zu den geometrischen Formen bilden die Bauwerke Heinz Islers [3, 4], der die Geometrie seiner Schalen auf experimentelle Weise bestimmt. Islers freigeformte Stahlbetonschalen werden konventionell auf Holzschalungen hergestellt.
256
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
Obwohl heute Stahlbetonschalen beliebiger Geometrie mit physikalisch und geometrisch nichtlinearen Finite Elemente Programmen berechnet werden können, werden nur wenige Schalen als Dachtragwerk gebaut. Ein maßgebender Grund ist der große Arbeitsaufwand, der bei der konventionellen Herstellungsmethode entsteht, wenn eine räumlich gekrümmte Fläche einzuschalen ist. Um das günstige Tragverhalten von Stahlbetonschalen ausnutzen zu können, ohne auf den Bau einer räumlich gekrümmten Schlung angewiesen zu sein, wurde ein neues Herstellungsverfahren entwickelt [5]. Da bei dem Verfahren gänzlich auf den Bau einer Schalung verzichtet wird, ist zu erwarten, dass sich damit hergestellte Schalen im Wettbewerb gegen andere Dachtragwerke durchsetzen können. Die problemlose Anwendung des Verfahrens bei der in diesem Aufsatz beschriebenen Modellschalen lässt auf eine erfolgreiche Umsetzung des Verfahrens in die Baupraxis hoffen.
2 Tragverhalten von zweifach gekrümmten Schalen Die Effektivität der Lastabtragung in doppelt gekrümmten Schalen beruht darauf, dass beliebige Einwirkungen hauptsächlich ohne Biegemomente abgetragen werden können. Solche Flächentragwerke (z.B. Kuppeln, Hyperboloide oder frei geformte Schalen) scheinen zunächst analog wie Stützlinienbögen zu funktionieren.
Abb. 1. Prinzip der Abtragung verteilter Lasten in einfach, doppelt positiv und doppelt negativ gekrümmten Schalen über Druck- und Zugbögen
Dieser Eindruck ist allerdings falsch: Weicht die Form eines Bogens von der Stützlinie, die durch die abzutragenden Einwirkungen bestimmt wird, ab, so erhält man Biegemomente. Die Momentenfreiheit von Stützlinienbögen lässt sich daher nur für einen einzigen, zugehörigen Lastfall erzielen. Bei doppelt gekrümmten, dünnen Schalen liegt die Sache anders: Für verteilte Lasten, die keine abrupten, örtlichen Schwankungen aufweisen, lässt sich immer ein momentenfreier Spannungszustand angeben, der die Gleichgewichtsbedingungen erfüllt. Linien- und Punktlasten erzeugen hingegen Biegemomente, die allerdings bei positiv gekrümmten Schalen mit wachsender Entfernung vom Lastangriffspunkt rasch ab-
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
257
klingen. Abbildung 1 zeigt in einer Prinzipskizze, wie eine äußere Einwirkung von einfach gekrümmten, doppelt positiv und negativ gekrümmten Schalen abgetragen werden kann. Aufgrund der innerlich statischen Unbestimmtheit von Schalen steht eine Vielzahl von unterschiedlich orientierten Bögen zur Lastableitung zur Verfügung. Gemäß dem Prinzip vom Minimum der inneren Energie beteiligen sich die steiferen Bögen zu einem größeren Teil an der Lastableitung.
2 Beschreibung des Verfahrens Ziel des Verfahrens [5] ist es, aus einer ebenen Fläche eine nicht abwickelbare Form zu erzeugen. Dazu sind Verzerrungen in der Mittelfläche notwendig, denen sich ein isotropes Material wie sich anhand eines Blatt Papiers leicht ausprobieren lässt durch unregelmäßiges Ausbeulen entzieht. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, besteht darin, die doppelt gekrümmte Form durch abschnittsweise einfach gekrümmte – und damit abwickelbare - Bereiche anzunähern. Die Aufgabe, für eine beliebig geformte Schale die entsprechende ebene Ausgangsform zu finden ist zwar nicht trivial, lässt sich aber unter Einsatz gängiger Graphiksoftware lösen. Für die in Abbildung 2, rechts, dargestellt Schale, zeigt der links angeordnete Grundriss die zugehörige, ebene Ausgangsform: Fügt man die weißen Streifen entlang ihrer Ränder zusammen, ergibt
Abb. 2. Zweifach gekrümmte Schale und ihre verebnete Grundform
sich die gewünschte Schale. Die schwarzen Keile in Abbildung 2 repräsentieren jenes Material, das im Endzustand überschüssig wäre, und daher von Anfang an weggelassen werden kann. Auf diese Weise erhält man eine Form, die bis zum Erreichen des Zielzustandes eine Ansammlung von Bögen darstellt. Erst wenn die Fugen geschlossen, und die Fugenränder kraftschlüssig miteinander verbunden sind, ergibt sich die angestrebte Schalentragwirkung. Wie aber in der Einleitung erwähnt, weisen Bögen ein ungünstigeres Tragverhalten auf als eine aus diesen Bögen zusammengesetzte Schale. Um die Struktur während des Formgebungsprozesses dennoch zu versteifen werden deshalb die Fugen, die sich aus der Vereb-
258
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
nung der räumlich gekrümmten Schale ergeben, mit einem Material gefüllt, das folgende Eigenschaften aufweist: Im Vergleich zum Hauptmaterial kleine Steifigkeit: Das Material in den Fugen soll nicht senkrecht zur Schalenmittelfläche ausknicken und beim Formgebungsprozess keinen zu großen Widerstand leisten. Ausreichende plastische Verformbarkeit: Das Material soll sich stauchen lassen ohne aus den Fugen herauszubrechen. Am Ende der Formgebung lassen sich so dichte Fugen erzielen. Auf diese Weise erhält man – Haupt- und Fugenmaterial zusammengenommen – bei Betrachtung eines hinreichend großen Teilbereiches ein orthotropes Material.
Abb. 3. a) Schnitt I-I durch die Scheibe, b) Schnitt I-I durch die Schale, c) Draufsicht auf die Scheibe und Schale
Ein solcher orthotroper Baustoff weist in einer Richtung hohe Steifigkeit auf, lässt sich senkrecht dazu allerdings leicht verformen. Je nachdem wie man die Steifigkeitsverhältnisse zwischen den beiden Materialhauptrichtungen einstellt, ergeben sich Lastabtragungsverhalten, die zwischen denen von Bogen und Schale liegen. Um die anfangs ebene Scheibe in die gewünschte Endform zu zwingen, werden Litzen aus Spannstahl verwendet. Senkrecht zu den Fugenrändern angeordnet, lässt sich mit deren Hilfe – wie im Weiteren noch gezeigt wird – der Formgebungsprozess bewerkstelligen.
3 Herstellung einer Modellschale aus Stahlbeton 3.1 Geometrische Abmessungen Als Nachweis der praktischen Umsetzbarkeit des neuen Herstellungsverfahrens wurde an der TU-Wien im Rahmen einer Diplomarbeit [6] eine Modellschale unter Verwendung der oben beschriebenen Idee gebaut. Die einfachste doppelt ge-
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
259
krümmte Fläche stellt ein Kugelabschnitt dar. In der Abbildung 3 sind die geometrischen Verhältnisse für die auf einer ebenen Arbeitsfläche hergestellten Scheibe (Durchmesser b, Dicke t) und die schließlich durch Verkleinerung des Umfanges der Scheibe hergestellte Schale (Bogenlänge b, Sehnenlänge s, Stich f, Krümmungsradius R, Öffnungswinkel 2 , Dicke t) dargestellt. In dieser Prinzipskizze wird die Stauchung der Schale in Meridianrichtung während des Formgebungsprozesses infolge Eigengewicht vernachlässigt, so dass die Bogenlänge b der Schale dem Ausgangsdurchmesser b der Scheibe entspricht. Folgende geometrische Beziehungen können mit den in Abbildung 3 angegebenen Bezeichnungen angegeben werden: f = R ( 1 cos
)
(1)
s = 2 R sin
(2)
2 b = 360 2 R
(3)
Gleichung (3) kann umgeformt werden in =
90 b R
(4)
Der Umfang der Scheibe in Abbildung 3 beträgt U Scheibe = b
(5)
Und der Umfang in der Aufstandsfuge der Schale ist gleich U Schale = s
(6)
Damit ergibt sich die Verkürzung des Umfangs während des Formgebungsprozesses zur Erreichung des gewünschten Stiches f zu U = U Scheibe U Schale = ( b s )
(7)
Die geometrischen Verhältnisse beim Umformen der Scheibe in einen Kugelabschnitt gemäß Abbildung 3 sind für einige ausgewählte Krümmungsradien R und zugehörige halbe Öffnungswinkel in Tabelle 1 zusammengestellt. Für einen Krümmungsradius von 500m entspricht die Sehnenlänge s, auf eine Kommastelle gerundet, der Bogenlänge von 5200.0mm. Die Umfangsverkürzung beträgt 0.1mm, der zugehörige Stich ist gleich 6.8mm. Das rasche Ansteigen des Schalenstichs bei kleiner Umfangsverkürzung lässt sich aus der Tabelle 1 (für größere Krümmungsradien) ablesen und ist in der Abbildung 4 graphisch dargestellt. Zur besseren Darstellung wurde in Abbildung 4 der halbe Öffnungswinkel aufgetragen, der mit dem Krümmungsradius R gemäß Gl. (4) verknüpft ist. Der Schalenstich steigt näherungsweise linear mit dem Öffnungswinkel an, während die Umfangsverkürzung für kleine Öffnungswinkel sehr kleine Werte aufweist, dafür für
260
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
größere Öffnungswinkel rascher ansteigt als der Schalenstich. Bei Erreichen des vorab festgelegten Schalenstichs von 0.87m beträgt die Umfangsverkürzung bereits 1.28m.
Abb. 4. Umfangsverkleinerung ¨U und Schalenstich f als Funktion des halben Öffnungswinkels .
Tabelle 1. R [mm] 3745 10000 22500 50000 100000 500000
Abhängigkeit der Sehnenlänge s, der Umfangsverkürzung ¨U und des Schalenstiches f vom Krümmungsradius R der Kugel [°] 39.78 14.90 6.62 2.98 1.49 0.30
s [mm] 4792.9 5141.6 5188.4 5197.7 5199.4 5200.0
b – s [mm] 407.8 58.4 11.6 2.3 0.6 0.0
¨U [mm] 1280.8 183.4 36.4 7.4 1.8 0.1
f [mm] 866.9 336.1 150.0 67.6 33.8 6.8
Das Verkrümmen der Meridianebene der Schale geht einher mit einer Dehnung 0 der Schalenoberfläche und einer Stauchung u der unteren Schalenfläche, die mit dem Krümmungsradius R durch
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
=
1 = R
o
+
u
261
(8)
t
verbunden sind. Bei Erreichen der endgültigen Lage beträgt die Krümmung 0.267 [1/m] und die Summe der Verzerrungen o + | u| ist gleich 0.534 [%] für eine Schalendicke t von 20mm.
3.2 Herstellung der Stahlbetonscheibe Als Bauplatz diente die Klimakammer im Labor der Institute für Stahlbau und Stahlbeton- und Massivbau an der TU-Wien. Um eine möglichst ebene Fläche für das Schalen der Scheibe zu schaffen, musste erst mit Holzstaffeln und Schalbrettern eine entsprechende Unterlage hergestellt werden. Im Falle einer Schale mit größeren Abmessungen würde eine vorab hergestellte befestigte Fläche als Untergrund dienen. Die Betonscheibe wies einen Durchmesser von 5.2m (vgl. Tabelle 1) und eine planmäßige Dicke von 2cm auf. Die Gesamtmasse der Schale betrug daher ungefähr 1000kg. Zum Bau der Schale wurde Lieferbeton der Güte B30 mit 8mm Größtkorn verwendet.
Abb. 5. Grundriss der Stahlbetonscheibe mit 32 Segmenten, Bewehrungsführung und Detail eines einzelnen Betonsegmentes
262
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
Zum Umformen der Scheibe in einen Kugelabschnitt mit einem Stich von 0.87m war gemäß Tabelle 1 eine Umfangsverkürzung von 1.28m erforderlich. Dies entspricht einer Stauchung des Schalenrandes in Ringrichtung um 7.8%. Diese Stauchung der Scheibe in Ringrichtung wurde durch 32 radial angeordnete Zwickel aus Polystyrol-Extruderschaumstoff (XPS) aufgenommen (Abbildung 5). Auf jeden der 32 XPS-Zwickel entfielen am äußeren Rand 4.0 cm an Breitenverminderung. Bei einer maximalen Stauchung von 70% gelangte man zu einer größten erforderlichen Breite von 5.7cm für die Zwickel. Die Festsetzung der maximalen Stauchung im XPS von 70% erfolgt mit der Absicht, Spannungsspitzen in den Fugen infolge von Bauungenauigkeiten zu vermeiden. Die radial angeordneten XPS-Streifen reichten nicht bis zur Scheibenmitte, sondern wiesen nur eine Länge von je 1.80m auf, da eine Streifendicke von unter 1.0 mm Probleme – sowohl beim Zuschneiden der XPS-Zwickel als auch bei der Gewährleistung ihrer richtigen Lage im Zuge des Betonierens – mit sich gebracht hätte. Als Konsequenz daraus ergab sich für die spätere Schale eine am Scheitel abgeflachte Form. Für die Bewehrung der Platte/Schale fanden Stäbe und Matten aus Baustahl BSt550 mit Durchmesser 5mm Verwendung. Diese wurden zurechtgeschnitten und mittig in der 2cm dicken Schale angeordnet, wobei die Querstäbe die untere
Abb. 6. Stahlbetonscheibe mit an der Verankerungsstelle angesetzten Spannpressen
Lage bildeten. Das Zurechtschneiden erfolgte so, dass sich eine radiale und tangentiale Anordnung der Bewehrungsstäbe ergab. In tangentialer Richtung war
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
263
keine durchgehende Bewehrung möglich, auf Grund der Unterbrechung der Kontinuität des Betons durch die XPS-Segmente. In Plattenmitte wurde eine entsprechend zugeschnittene Baustahlmatte verlegt, in die die Radialbewehrung der Betonsegmente mittels Übergreifungsstoß eingebunden wurde. Pro Betonsegment wurden drei Stäbe in radialer Richtung angeordnet. Der Abstand der Querstäbe betrug 10cm. Zur späteren Verkürzung des Schalenumfanges wurde entlang des Randes ein Spannglied in Form einer PE-ummantelten, gefetteten Litze (VSL Monolitze ST 1570/1770) eingelegt. Die Tatsache, dass das Spannglied einen Hüllrohraußendurchmesser von 2cm aufwies und außerdem exzentrisch angeordnet sein sollte, machte eine Randverstärkung auf 4cm entlang des Umfangs notwendig. Der Spanngliedschwerpunkt lag 12mm tiefer als die Mittelfläche der Scheibe im Regelbereich. Die exzentrische Lage des Spannglieds sorgte für ein gleichmäßiges Krempelmoment am Umfang, und bestimmte die Richtung, in die sich die Schale beim Hochdrücken bewegte. Obwohl für die gefettete Litze ein niedriger Reibbeiwert von = 0.06 angesetzt werden konnte, ergaben sich infolge des Gesamtumlenkwinkels von 360° beträchtliche Verluste infolge Reibung. Die Spanngliedreibung erzeugte Tangentialkräfte am Außenrand der Betonsegmente, und verursachte so Biegemomente am Anschluss der Segmente an den Schalenmittenteil. Ein weiterer Nutzen der XPSEinlagen bestand darin, dass diese einen Teil dieser Tangentialkräfte aufnahmen und so die Betonsegmente entlasteten. Abbildung 6 zeigt die fertig gestellte Scheibe nach dem Aushärten des Betons mit den für den Hebevorgang angesetzten Spannpressen. Der kritischste Zustand beim Hochdrücken der Schale tritt am Anfang auf, wenn der Stich der Schale und somit auch der Hebelarm der Umlenkkräfte des Spannglieds in Bezug auf die Schalenmittelfläche am geringsten ist. Im Zuge begleitender FE-Berechnungen zeigte sich, dass, falls die Stahlbetonschale am Untergrund haftet, die in die Schale durch das Spannglied über die radiale Bewehrung einleitbaren Randmomente für ein Anheben des Mittenteils nicht ausreichen. Eine in der Schalenmitte aufgebrachte Zugkraft von 3.8kN unterstützte daher am Beginn die Wirkung des Randmoments infolge Vorspannung. Die Einleitung jener Kraft von 3.8kN erfolgte mit 12, im Mittenteil der Schale versetzten Dübeln samt darin verankerter Stahlhaken über eine Aufhängevorrichtung. Vor Beginn der Spannarbeiten stellte sich so infolge der Zugkraft in Schalenmitte eine Auslenkung von 3.8mm ein. Um die Reibungskräfte, die die Betonsegmente in Scheibenebene auf Biegung beanspruchen, so klein wie möglich zu halten, wurde abwechselnd in Schritten von je 10kN von zwei Seiten aus vorgespannt. Bis zu einer Vorspannkraft von 68 kN steigerte sich die vertikale Auslenkung von anfänglich 3.8mm auf 10.3mm bevor die Scheibe plötzlich in eine benachbarte Gleichgewichtslage mit einem Stich von 150mm ausbeulte. Die kurz vor dem Ausbeulen vorhandene Betonspannung an der Einmündung der Betonsegmente in den ungestörten Mittenbereich ergibt sich aus der Vorspannkraft von 68kN, bei Annahme eines hydrostatischen Spannungszustands und einer Scheibendicke von 2cm zu
264
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
r
=
=
p Z 68000 = = = 1.3 N mm² t r t 2600 20
(9)
die für Beton B30 anzusetzende mittlere Betondruckfestigkeit von 37.5N/mm² wurde also bei weitem nicht erreicht. Einem Stich von 150mm entspricht nach Tabelle 1 eine Umfangsverkürzung von 36.4mm, die mit dem rechnerischen Spannweg s
=
Z U 68000 16336 = = 38.0 mm Ap EP 150 195000
(10)
gut übereinstimmt. Tatsächlich sind die Verhältnisse beim Ausbeulen der Schale in eine stabile, benachbarte Gleichgewichtslage komplizierter, weil eine residuale Kraft im Spannglied verbleibt und während des Beulvorganges in Abhängigkeit von der Leistung der eingesetzten Pumpe der Spannweg vergrößert wird. Gleichzeitig mit dem Beulen der Scheibe fiel die Kraft im Spannglied auf 30kN ab, die in Schalenmitte eingeleitete Zugkraft aufgrund der Nachgiebigkeit der Aufhängevorrichtung auf 0.45kN. Die Hebevorrichtung in Schalenmitte wurde nicht sofort entfernt, sondern eine Kraft von 0.3kN - aufwärts gerichtet - beibehalten. Dies nur um zu verhindern, dass die Hebevorrichtung die Schale berührt. Bei einer Auslenkung von 30cm wurde die Vorrichtung vollständig von der Schale getrennt. Die Vorspannkraft pendelte im weiteren Versuchsablauf zwischen 25 und 30kN bis bei einem Stich der Schale von 89.5cm und nach einem Gesamtdehnweg der Spannpressen von 132.4cm das Zugglied verkeilt wurde. In Abbildung 7 sieht man die Schale im Endzustand. Nach Abschluss der Vorspannarbeiten zeigten Messungen, durchgeführt an den XPS-Zwickeln, dass diese nicht völlig gleichmäßig auf die berechnete Breite von 1.7cm gestaucht wurden. Im Bereich der Zonen größerer Spanngliedreibung in einigem Abstand links und rechts der Spannstelle traten die kleinsten Zwickelbreiten auf (1.1cm – 1.4cm). In unmittelbarer Nähe der Spannstelle, wo aufgrund des Krafteinleitungsbereichs die Spanngliedkrümmung geringer als in den übrigen Bereichen ausfällt, und in den gegenüber der Spannstelle befindlichen XPS-Keilen treten die größten Zwickelbreiten auf (2.0cm – 2.4cm).
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
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Abb. 7. Schale im ausgebeulten Zustand
4 Belastungsversuch Mit dem Ziel, das Verhalten der Schale bis zum Versagen zu ermitteln, wurde ein Traglastversuch durchgeführt. Auf einem etwa 2m² großen Bereich am Schalenscheitel wurden händisch 30kg schwere Säcke schrittweise aufgelegt. Abbildung 8 zeigt die Schuttsäcke, die dazu dienten, die aufgebrachten Lasten an ihrem Platz zu halten. Im Bildvordergrund sieht man induktive Wegaufnehmer, die die Verformungen der Schale aufzeichneten.
266
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
Abb. 8. Belastungsversuch an der Stahlbetonschale
Bis zu einem Lastniveau von 1500kg zeigten sich nur geringfügige Deformationen: Die Schalenmitte bewegte sich nach unten, und das untere Drittel der Betonsegmente nach außen, sodass sich dort die XPS Fugen öffneten. Die Schalenfußpunkte veränderten ihre Lage nicht. Wie Abbildung 9 zeigt, stiegen ab 1500kg die Deformationen überproportional zur Belastung an. Bei einer Belastung von 2480kg versagten die Betonsegmente etwa im unteren Drittelpunkt auf Biegung und die Struktur sank in einer etwa 30 Sekunden dauernden Zeitspanne allmählich in sich zusammen. Da das Spannglied den Traglastversuch unbeschadet überstand und den Betonsegmenten noch Halt verlieh, ergab sich eine kraterförmige Versagensform (siehe Abbildung 10).
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
Abb. 9. Messergebnisse der induktiven Wegaufnehmer [mm] als Funktion der aufgebrachten Gesamtbelastung [kg]
Abb. 10. Stahlbetonschale nach dem Traglastversuch
267
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Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
5 Herstellung einer Modellschale aus Eis Nach der erfolgreichen Erprobung des neuen Herstellungsverfahrens an einer Stahlbetonschale wurde im Rahmen der Diplomarbeit von Kaulfus [7] das Verfahren auf bewehrte Eisschalen übertragen. Beton und Eis sind gießfähige Baustoffe mit Druckfestigkeiten, die größer sind als die jeweiligen Zugfestigkeiten. Deshalb ist bei der Anwendung des vorgestellten Verfahrens für beide Werkstoffe das Einlegen einer Bewehrung zur Aufnahme der in den Rissen freiwerdenden Zugkräfte während des Formgebungsprozesses erforderlich. Bei der Eisschale bestand die Bewehrung aus einem Glasfasergewebe mit einer Maschenweite von 5mm. Die einaxiale Druckfestigkeit von Eis ist mit 1.0 bis 2.0N/mm² wesentlich geringer als die Druckfestigkeit von Beton. Deswegen wurde bei der Eisschale auch ein weicheres Material für die Keileinlagen verwendet. Die bewehrte Eisschale entsprach in ihrer geometrischen Abmessungen der vorher beschriebenen Stahlbetonschale. Auch das Herstellen der bewehrten Eisschale (Abbildung 11 und 12) funktionierte gleich wie bei der Stahlbetonschale. An einigen kritischen Punkten (Verankerungsblock für die Spannglieder, Einbettung der Spannglieder im Eis) mussten allerdings konstruktive Änderungen vorgenommen werden, um der geringen aufnehmbaren Druckspannung von Eis Rechnung zu tragen.
Abb. 11. Schale aus Eis (Foto: Pez Hejduk)
Johann Kollegger, Clemens Preisinger
269
Abb. 12. Blick ins Innere der Eisschale (Foto: Pez Hejduk)
6 Schlussbemerkung Das hohe Tragvermögen, der geringe Materialverbrauch und der unbegrenzte Formenreichtum, der insbesondere die ästhetische Gestaltung anspruchsvoller Bauwerke ermöglicht, sprechen für den Bau von Schalentragwerken. Das in diesem Aufsatz beschriebene Bauverfahren zur Herstellung von zweifach räumlich gekrümmten Schalen setzt einen gießfähigen, nach Verarbeitung erhärtenden Baustoff voraus. Mit Laborversuchen an Schalen aus Beton und Eis konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, zweifach gekrümmte Schalen aus einer ebenen Form herzustellen. In der Praxis konnen mit der hier vorgestellten Technologie Betonschalen bis 80m Durchmesser und Eisschalen mit ca. 30m Durchmesser erzeugt werden.
270
Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen aus Scheiben
7 Literatur [1] Dischinger, F.: Fortschritte im Bau von Massivkuppeln; Bauingenieur Heft 10; 362366; 1925 [2] Dischinger, F.; Finsterwalder, U.: Die weitere Entwicklung der Schalenbauweise „Zeiss-Dywidag“; Beton und Eisen 16, Heft 7/8, 10-12, 14-16; 1932 [3] Isler, H.: New shapes for shells. International Colloquium an Construction Processes of Shell Structures; Madrid; 1959 [4] Ramm, E.; Schunck, E.: Heinz Isler-Schalen, Katalog zur Ausstellung; Karl Krämer; Stuttgart; 1986 [5] Kollegger, J.; Preisinger, C.: Verfahren zur Herstellung von zweifach gekrümmten Schalen; Patentanmeldung; Österreichisches Patentamt; 2004 [6] Harrer, J.: Herstellung einer zweifach räumlich gekrümmten Stahlbetonschale ohne Verwendung von Lehrgerüst und Schalung; Diplomarbeit; TU-Wien; 2004 [7] Kaulfus, M.: Verfahren zur Herstellung von zweifach räumlich gekrümmten Schalen aus Eis; Diplomarbeit; TU-Wien; 2004
Modellierung von Stahlbeton-Tragwerken im Tunnelbau Manfred W. Keuser
Die Berechnung von Tunnelbauwerken in geschlossener Bauweise ist charakterisiert durch die Wechselwirkung zwischen der Konstruktion und dem umgebenden Gebirge. Dem wird bei der Modellierung von StahlbetonTragwerken im Tunnelbau durch eine gesamtheitliche Abbildung im numerischen Rechenmodell oder durch die Berücksichtigung der Gebirgstragwirkung in den Randbedingungen des statischen Modells für die StahlbetonKonstruktion Rechnung getragen. In diesem Beitrag werden die dabei zu berücksichtigenden Aspekte vorgestellt.
1 Einleitung Tragwerke von Tunneln in geschlossener Bauweise sind anspruchsvolle Konstruktionen, bei deren Planung zur Erzielung optimaler Lösungen sowohl die Belange der Standsicherheit, der Gebrauchstauglichkeit und der Wirtschaftlichkeit detaillierte statische Berechnungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Randbedingungen bei der Modellbildung erfordern. Tunnel weisen als Linienbauwerke in weiten Bereichen gleiche Querschnitte auf, die vom Lichtraumprofil des Verkehrsweges und von den Eigenschaften des umgebenden Gebirges bestimmt werden, vgl. Abb. 1.
Abb. 1. Querschnitte von Tunneln in geschlossener Bauweise
Während die Bereiche mit konstanten Querschnitten einfache geometrische Formen aufweisen, die üblicherweise aus zusammengesetzten Kreissegmenten bestehen, handelt es sich bei Sonderbereichen, wie den Portalen und den Verschneidungen- oder Aufweitungen, um Schalen- oder Faltwerkskonstruktionen mit
272
Modellierung von Stahlbeton-Tragwerken im Tunnelbau
komplizierter Geometrie. Die wirklichkeitsnahe Berechnung erfordert eine Modellbildung, welche die kombinierte Biege- und Membranbeanspruchung beschreibt. Bei der Berechnung von Regel- wie von Sonderbereichen sind Festlegungen zu treffen für: mechanisches Modell geometrisches Modell Materialmodell Lastmodell Bei der Modellbildung werden Annahmen getroffen und Näherungen eingeführt, welche die Ergebnisse der Berechnungen in hohem Maße beeinflussen. Daher sind deren Kenntnis und die Beachtung ihrer Auswirkungen entscheidend für die Aussagefähigkeit einer statischen Berechnung. Bei der Wahl eines geeigneten Materialmodells ist zu beachten, dass mit den zur Verfügung stehenden Materialgesetzen das Gebirge in der Regel nur näherungsweise beschrieben werden kann und dass die Eingangsparameter für die Berechnung großen Streuungen unterliegen. Da das Prinzip der zweischaligen Spritzbetonbauweise auf der Aktivierung der Umlagerung der Gebirgsspannungen und der Ausbildung neuer Tragmechanismen in der Umgebung der aufzufahrenden Tunnelröhre basiert [1], hat auch das Bauverfahren (z.B. Sprengen, Fräsen, Baggern) Einfluss auf das Tragverhalten. Der Einfluss des Bauverfahrens wirkt sich anders als z.B. beim Brückenbau nicht nur auf die statischen Systeme, sondern auch auf das Materialverhalten des Gebirges aus. Die Komplexität der Zusammenwirkungen von Bauwerk und umgebendem Gebirge erfordert zumindest bei der Außenschale baubegleitende Messungen zur Verifizierung der Ergebnisse der numerischen Berechnungen und zur Überwachung des Verformungsverhaltens. Nur so kann das erforderliche Sicherheitsniveau gewährleistet werden. Dabei ist zu beachten, dass in der Regel zumeist Verformungen gemessen werden, die nur bedingt einen Rückschluss auf lokale Spannungen und Schnittgrößen zulassen.
2 Außenschale Bei der Berechnung der Außenschale ist die Gebirgstragwirkung von höchster Bedeutung. Die Berechnung der Beanspruchungen und Verformungen der Außenschale aus Spritzbeton erfolgt heute in der Regel mit Hilfe numerischer Rechenverfahren. Während bei Gebirge mit guter Standfestigkeit und hoher Steifigkeit Stabzugberechnungen mit eindimensionalen Elementen zum Einsatz kommen können, bei denen die Spritzbetonschale durch eindimensionale Elemente und das Gebirge durch eine druckfeste Bettung abgebildet wird, erfordern ungünstige Gebirgsverhältnisse eine detailliertere Abbildung im mechanischen Modell [1].
Manfred W. Keuser
273
Abb. 2. FEM-Modell zur Berechnung der Spritzbetonschale, Beispiel: Tunnel Schwarzer Berg
Als geeignet hat sich dabei die Finite-Element-Methode erwiesen, wobei in der Regel die Berechnungen an ebenen Systemen erfolgen und das Gebirge dabei durch Scheibenelemente abgebildet wird. Ein abschnittsweiser Ausbruch unter Berücksichtigung der Sicherungsmaßnahmen und der Spannungsumlagerungen kann durch eine schrittweise Berechnung erfasst werden. Bei der Kopplung mit den Balkenelementen zur Modellierung der Spritzbetonschale ist auf die Kompatibilität der Elementansätze zu achten. Mit diesem mechanischen Modell können Einflüsse aus der Tunnellängsrichtung, die insbesondere in der Nähe der Ortsbrust durch deren stützende Wirkung auftreten, nur näherungsweise erfasst werden. In [2] werden mehrere Verfahren dargestellt, wobei sich insbesondere die Berücksichtigung der Stützwirkungen der Ortsbrust durch den Ansatz einer Reststeifigkeit im Bereich des Ausbruchsquerschnitts bewährt hat. Gebirgsspannungen und Normalkraft der Spritzbetonschale im Firstbereich 1800
Spannungen [kN/m²]
1400
1000
1200 800
1000
600
800 600
400
400 200
200
0
0 0
0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
1
Normalkraft im Firstbereich [kN/m]
1600
1200
Ort der errechneten Gebirgsspannungen
Ort der errechneten Normalkräfte
Vertikale Gebirgsspannungen Horizontale Gebirgsspannungen Normalkraft im First in der Spritzbetonschale
Auflockerungsfaktor
Abb. 3. Einfluss der Spannungsumlagerung im Gebirge auf die Normalkraft in der Außenschale und die Gebirgsspannungen in Firstnähe, Tunnel Schwarzer Berg [3]
Zur quantitativen Festlegung der Stützwirkung sind Parameterstudien geeignet, deren Ergebnisse durch Messungen der Verformungen verifiziert werden können. Räumliche Berechnungen erfolgen wegen des hohen numerischen Aufwandes nur in Ausnahmefällen.
274
Modellierung von Stahlbeton-Tragwerken im Tunnelbau
Beim Materialmodell für die Spritzbetonschale wird in der Regel linearelastisches Verhalten angenommen, wobei nichtlineare Effekte wie die Rissbildung näherungsweise durch Reduzierung der Steifigkeit berücksichtigt werden können. Beim Gebirge wird zumeist elastisches oder elastisch-plastisches Materialverhalten angesetzt. Spezielle Materialmodelle zur Beschreibung z.B. von Gipskeuper-Formationen [4] erlauben die Erfassung hochgradig nichtlinearen Gebirgsverhaltens. Klüfte oder lokale Störungen können indirekt im Materialmodell oder direkt durch entsprechende Wahl des Elementnetzes und des mechanischen Modells berücksichtigt werden. Bei annähernd homogenen Gebirgsverhältnissen und ausreichender Überdeckung kann von einem symmetrischen Lastbild ausgegangen werden. Die Symmetrie im Lastmodell ist jedoch nicht in allen Fällen gegeben. Ein Beispiel für unsymmetrische Lastansätze sind oberflächennahe Lehentunnel, bei denen die unterschiedliche Auflast und der Hangdruck zu berücksichtigen sind. Bei näherungsweiser Berechnung mittels gebetteter Stabzüge erfolgt die Berücksichtigung der Gebirgstragwirkung durch Federn. Da die Eingangsparameter große Streuungen aufweisen können, sollten in den Berechnungen insbesondere die Gebirgssteifigkeit, der Seitendruckbeiwert und die Dicke der Spritzbetonschale variiert werden, um deren Einflüsse auf die Berechnungsergebnisse erfassen zu können. Der sich einstellende Gebirgstragring kann unter Berücksichtigung der Verbundwirkung zwischen Gebirge und Spritzbeton durch einen zweiten Stabzug abgebildet werden, der starr mit dem Stabzug gekoppelt ist, welcher die Spritzbetonschale abbildet. Da die Dicke des Gebirgsringes maßgebend die Ergebnisse beeinflusst, ist auch hier eine Parametervariation erforderlich, da dieser Wert nicht berechnet wird sondern als Annahme in die Berechnung eingeht.
3 Innenschale Die Berechnung der Innenschale hat als Hauptziel die technisch-wirtschaftliche Optimierung der Konstruktion der Innenschale. Die Modellierung der Gebirgstragwirkung basiert auf den Ergebnissen der Berechnungen für die Außenschale. Bei der üblichen Modellierung der Innenschale durch druckfest gebettete Stabzüge auf der Makroebene [5] ist darauf zu achten, dass alle wesentlichen Einflüsse aus dem umgebenden Gebirge im Materialmodell der Bettung und im Lastmodell angemessen berücksichtigt werden. Die betrifft insbesondere die Steifigkeit der Bettung, den Ausschluss von Zugspannungen und die Begrenzung von Tangentialspannungen zwischen Außen- und Innenschale.
Manfred W. Keuser
275
Abb. 4. Einfluss der Steifigkeitsreduzierung infolge der Rissbildung auf die Schnittgrößen der Innenschale [6]
Durch eine steifigkeitsorientierte Schnittgrößenberechnung können bei bewehrten Innenschalen wirtschaftliche Lösungen gefunden werden, ohne Einbußen bei der Sicherheit in Kauf zu nehmen [6]. Durch den Ausschluss von Zugbettungen liegt auch dann ein nichtlineares Problem vor, wenn ansonsten näherungsweise linearelastisches Materialverhalten angenommen wird. Dies bedeutet, dass das Superpositionsprinzip nicht gilt. Hierauf wird z.B. in [7] im Zusammenhang mit der Anwendung der neuen Normengeneration [8] hingewiesen.
4 Sonderbereiche Die Berechnung der Sonderbereiche ist charakterisiert durch deren in der Regel komplizierte Geometrie. Sonderbereiche wie Portale oder Verschneidungen und Aufweitungen von Tunnelröhren werden heute in der Regel mit Schalen- oder Faltwerkselementen modelliert, um die kombinierte Membran-BiegeBeanspruchung erfassen zu können. Steife Bauteile wie der Portalkragen erfordern besondere Aufmerksamkeit bei der Modellbildung. So ist in vielen Fällen die Modellierung des Portalkragens mittels Balkenelementen sinnvoller als die Verwendung der Schalenelemente, mit denen das übrige Portal abgebildet wird, da die Anzahl der Schalenelemente im Kragenbereich über die Höhe gesehen in der Regel zu gering ist, um mechanisch sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Die komplizierten Geometrien können bei der Elementeinteilung automatische Netzgeneratoren überfordern, so dass sehr ungünstige Elementabmessungen entstehen und lokale Spannungsspitzen oder -sprünge auftreten.
276
Modellierung von Stahlbeton-Tragwerken im Tunnelbau Portalkragen als Stabzug
Tunnel Hornberg
Tunnel Beuren
Abb. 5. FE-Modelle von Tunnelportalen
5 Schlussbemerkung Die Modellierung von Stahlbetontragwerken im Tunnelbau verlangt wegen der Komplexität der Zusammenwirkung von Bauwerk und Gebirge ein hohes Maß an theoretischem Wissen und Erfahrung aus Berechnung, Konstruktion und Bauverfahren. Die heute verfügbaren numerischen Rechenverfahren erlauben eine wirklichkeitsnahe Berechnung, können jedoch bei unqualifizierter Anwendung auch eine tatsächlich nicht vorhandene Genauigkeit vortäuschen. Bei der Berechnung nach den DIN Fachberichten [8] ist die gleichzeitige Berücksichtigung des Gebirges als Einwirkung und Widerstand noch nicht zufrieden stellend gelöst.
6 Literatur [1] Maidl, B.: Handbuch des Tunnel- und Stollenbaus; Band 1, 1994, Glückauf Verlag, Essen [2] Schikora, K. und Fink, T.: Berechnungsmethoden moderner bergmännischer Bauweisen beim U-Bahn-Bau; Bauingenieur, 57 (1982), S. 193 – 198 [3] RIB Bausoftware GmbH: Anwender-Handbuch Tunnel; Stuttgart 2000 [4] Wittke, W.; Wittke, M.; Wahlen, R.: Zum Quellgesetz für den anhydritführenden, unausgelaugten Gipskeuper; Geotechnik, 2004/2 [5] Keuser, M. und Purainer, R: Zur wirklichkeitsnahen Berechnung von Tragwerken aus Stahlbeton; Bauingenieur 78, S. 255-265, Mai 2004 [6] Noakowski, P. und Keuser, M.: Stahlbetontunnel – wirtschaftliche Berechnung und Berücksichtigung des Momentenabfalls infolge Rissbildung; Bau – Informatik 3/1992 [7] Mattle, B.; Maier, K.; Steiner, M.: Anwendung der neuen Stahlbetonnormen für die Bemessung von Tunnelinnenschalen; Beton- und Stahlbetonbau 99, 2004, Heft 2, S. 81 – 88 [8] DIN – Fachbericht 101, Einwirkungen auf Brücken; Beuth Verlag, März 2003
Numerische Berechnung des SpannungsVerzerrungs-Zustandes bei zweiachsiger Druck-Zug-Beanspruchung Angelika Schießl
In früheren Veröffentlichungen wurden Versuche an zweiachsig beanspruchten Scheibenelementen aus Normalbeton, selbstverdichtendem Beton und Hochleistungsbeton [1] sowie die Herleitung von Materialgesetzen und einem mechanischen Modell beschrieben [2]. Um die Versuche nachrechnen und in einem nächsten Schritt eine Parameterstudie durchführen zu können, wurde ein eigenes Programmsystem entwickelt. Dieses Programmsystem wird im Folgenden vorgestellt.
1 Allgemeines Da sich bestehende Programme zur Erfassung des vorliegenden Problems als ungeeignet erwiesen, wurde zur Nachrechnung der in [1] beschriebenen Versuche ein eigenes Programmsystem entwickelt. Das Programmsystem für zweiachsig beanspruchte Scheibenelemente baut auf dem in [2] beschriebenem baumechanischen Modell auf, welches das Gleichgewicht der Kräfte, die Verträglichkeit der Verzerrungen und die Kopplung über entsprechende Materialgesetze beinhaltet.
2 Programmtechnische Umsetzung Ganz allgemein lässt sich der Zusammenhang zwischen den von außen einwirkenden Spannungen Sa einerseits und den Verzerrungen e und der Steifigkeitsmatrix K eines Materials andererseits bei linearen Berechnungen durch die folgende Gleichung darstellen: K ( e ) e Sa = 0
(1)
278
Numerische Berechnung des Spannungs-Verzerrungs-Zustandes
Liegt nichtlineares Materialverhalten vor, so ist die Steifigkeit des Materials abhängig vom jeweils betrachteten Verzerrungszustand und eine analytische Lösung der nichtlinearen Funktion ist meist nicht möglich. Aus diesem Grund werden bei nichtlinearem Materialverhalten in der Regel numerische Verfahren eingesetzt, mit denen iterativ ein Gleichgewichtszustand ermittelt wird. In [3] werden verschiedene Iterationsverfahren vorgestellt. Im Rahmen von [4] kommt das modifizierte Newton-Raphson Verfahren mit konstant angenommener Steifigkeit zur Anwendung. Bei diesem Verfahren wird zunächst die Steifigkeit K für das unverformte System ermittelt. Mit dieser Steifigkeit wird für den geschätzten Spannungszustand ej die zugehörige Spannung Sij ermittelt. Die Spannung Sij wird mit der von außen aufgebrachten Spannung Sa verglichen. Ist die Differenz Fj größer als ein bestimmter Toleranzwert, so wird mit der Steifigkeit K die zur Spannungsdifferenz Fj gehörende Verzerrung ej berechnet und zur Verzerrung ej addiert. Es ergibt sich die Verzerrung ej+1. Im nächsten Iterationsschritt wird die Prozedur für die Verzerrung ej+1 wiederholt. Im speziellen Fall gerissener Scheibenelemente lässt sich der von außen einwirkende Spannungsvektor Sa durch die folgende erweiterte Gleichgewichtsbedingung darstellen: ª xº ª « » « « y» « S a = « xy » = « « » « «0 » « «¬ 0 »¼ «¬
cx
+
x cy cxy
cn
cAIn
cnt
cAInt
º » » » = Si » cDOWn » » cDOWnt ¼ smx
(2)
Die kinematischen Beziehungen von gerissenen Scheibenelementen sind in [4] angegeben. Für den Zusammenhang zwischen x, y und xy sowie cx, cy, cxy, w und v ergibt sich das folgende Gleichungssystem:
ª « « « ¬
ª «1 0 0 « º x » « y » = «0 1 0 » « xy ¼ « «0 0 1 ¬
sin 2 srm cos 2 srm 2 sin cos srm
sin
cos
srm sin cos srm 2 cos sin 2 srm
º » » » » » » » ¼
ª cx º « » « cy » « cxy » « » « w » «¬ v »¼
(3)
Bei der programmtechnischen Umsetzung des modifizierten Newton-Raphson Verfahrens wird der den Verzerrungszustand beschreibende Vektor e, der zum Vektor der einwirkenden Spannung Sa gehört, durch ein inkrementelles Iterationsverfahren angenähert:
Angelika Schießl
ª xº ª « » « « y» « « xy » = « « » « «0 » « «¬ 0 »¼ «¬
ª « « « « « « +« « « « « « « ¬
cx
+
cx
+
x cy
cAIn
cnt
cAInt
sx
cx
cx
cy
cxy
cy
cy
cy
cx
cy
cxy
cxy
cxy
cxy
cx
cy
cxy
cn
cn
cn
cx
smx
j
smx
cxy cn
º » » » » cDOWn » » cDOWnt ¼
cx
cx
cy
cxy
cnt
cnt
cnt
cx
279
cy
(4)
smx
sx
sx
w 0 0
cAIn
cDOWn
cAIn
cDOWnt
cAInt
w cAInt
w
cxy
ª « « « « « «¬
º » v » » 0 » » » 0 » » cDOWn » » v » cDOWnt » » v ¼ smx
º » cy » cxy » » w » v »¼ cx
Oder kurz: S a = Si j + K
e j = Si j +
S e
ej
Dabei ist Sij der Spannungszustand am Beginn des jeweiligen Iterationsschrittes für einen geschätzten Verzerrungszustand ej und ej die Änderung des Verzerrungszustandes im Iterationsschritt j. Die Steifigkeitsmatrix K wird über die Ableitungen der Spannungen in Gleichung (2) nach den Verzerrungen cx, cy, cxy und den Rissuferverschiebungen w und v gebildet. K bleibt für alle Iterationsschritte j konstant und entspricht der Tangentensteifigkeit im Ursprung. Im Folgenden werden die einzelnen Anteile der Steifigkeitsmatrix K getrennt erläutert. Die Matrix Cxy entspricht der Ableitung des Stoffgesetzes für den Beton zwischen den Rissen:
280
Numerische Berechnung des Spannungs-Verzerrungs-Zustandes
C xy
ª « « « =« « « « ¬«
cx
cx
cx
cy
cy
cy
cx
cy
cxy
cxy
cx
cy
º » cxy » cy » » cxy » cxy » » » cxy ¼ cx
(5)
Die mittlere Stahldehnung in x-Richtung entspricht x = cx + wx + vx . Den Verzerrungsanteilen entsprechend wird das Modell für Bewehrung und Verbund nach cx, w und v abgeleitet. In der Steifigkeitsmatrix K ergeben sich damit die folgensmx smx . , v w cx Zwischen dem Spannungsvektor nt im n-t-Koordinatensystem und dem Spannungsvektor xy im x-y-Koordinatensystem gilt der folgende Zusammenhang: smx
den Anteile:
nt
=T
,
(6)
xy
Durch Umformung ergibt sich: nt
=T
Cnt
(7)
xy
xy
= T C xy
(8)
xy
Cnt = T C xy
(9)
Die Matrix Cnt ist folglich die in Richtung der Risse gedrehte Ableitung des Stoffgesetzes für Beton zwischen den Rissen und kann nach dem folgenden Gleichungssystem bestimmt werden: ª « « « Cnt = « « « « ¬
ct
ct
cx
cy
cn
cn
cx
cy
cnt
cnt
cx
cy
º » cxy » cn » » cxy » cnt » » cxy ¼ ct
Die Anteile der Steifigkeitsmatrix K
(10)
cAIn
cDOWn
w
,
cAIn
cDOWn
v
,
cAIn t cDOWnt cDOWnt sind die Ableitungen der Materialund v w gesetze für Rissverzahnung und Dübelwirkung nach w und v. cAIn t
Angelika Schießl
281
Da es sich bei den Materialgesetzen für Beton, Stahl, Rissverzahnung, Dübelwirkung und Verbund teilweise um aufwendige Funktionen handelt, werden deren Ableitungen numerisch gebildet. Exemplarisch ist in nachfolgender Gleichung der Differenzenquotient für die Betonspannung cx nach der Betondehnung cx angegeben: cx ( cx
cx
+ ,
cy , cxy
)
cx ( cx , cy , cxy
)
(11)
cx
Bei den Verzerrungen cx, cy, cxy entspricht = 1,0 10-6 = 0,001 o/oo und bei den Rissuferverschiebungen w und v entspricht = 1,0 10-6 m. Das Programm benötigt als Eingabewerte die Scheibengeometrie incl. Bewehrungsanordnung, die zu den Spannungs-Dehnungs-Beziehungen für Beton, Stahl, Rissverzahnung, Dübelwirkung und Verbund erforderlichen Kennwerte für die gewählten Materialien (z.B. fcm, fsy, etc.) und die äußeren Beanspruchungen. Jeder Iterationsschritt j startet mit dem Verzerrungsvektor ej: ª cx j º « j » « cy » e j = « cxy j » « j » « w » « j » ¬ v ¼
(12)
Für diesen Verzerrungszustand werden mit den Materialgesetzen für Beton, Stahl, Rissverzahnung, Dübelwirkung und Verbund die Spannungen Sij ermittelt: ª « « Si j = « « « « ¬
cx
j
+
x cy
cn cnt
j j
cxy j cAIn j cAInt
j j
j
º » » » » j cDOWn » j» cDOWnt ¼
smx
(13)
Dabei werden zur Berechnung der Betonspannungen cxj, cyj, cxyj, cnj und cntj die Verzerrungen cxj, cyj und cxyj benötigt und für die iterative Berechnung der mittleren Stahlspannung smxj die mittlere Stahldehnung, die der mittleren Scheibendehnung in x-Richtung entspricht und nach der Gleichung x = cx + wx + vx berechnet werden kann. Die Spannungen aus Rissverzahnung j j j j cAIn und cAInt und aus Dübelwirkung cDOWn und cDOWnt werden in Abhängigj j keit von w und v ermittelt. Im nächsten Schritt wird der Fehlervektor Fj errechnet: F j = Sa
Si j
(14)
282
Numerische Berechnung des Spannungs-Verzerrungs-Zustandes
Über den Fehlervektor Fj wird die Konvergenz über den relativen Fehler prüft: =
Fj
über-
(15)
Sa
Ist der berechnete Fehler kleiner als ein festgelegter Toleranzwert TOL (hier TOL = 1 10-6), wird die Berechnung abgebrochen und es folgt die Ausgabe der Scheibenverzerrungen und der Spannungen Sij. Ist jedoch der Fehler größer als der Toleranzwert TOL, wird das Verzerrungsinkrement berechnet, welches sich aus dem Produkt der invertierten Steifigkeitsmatrix K und dem Fehlervektor Fj ergibt: ej = K
1
Fj
(16)
Mit dem berechneten Verzerrungsinkrement kann der Verzerrungszustand ej+1 verbessert werden: e j +1 = e j + e j
(17)
An dieser Stelle ist der Iterationsschritt beendet und der beschriebene Algorithmus wird für den nach Gleichung (17) berechneten Verzerrungszustand wiederholt. Die Iteration konvergiert, wenn < TOL.
3 Literatur [1] Zilch, K.; Schießl, A.; Rogge, A.: Grundlagenforschung zum Materialverhalten von Hochleistungsbeton. In: Beton und 1etonbau 97. Heft 6, Seiten 271-274. Ernst & Sohn, 2002. [2] Schießl, A.: The influence of concrete type (NSC, SCC, HSC) and crack inclination on the effective compressive strength of pre-cracked concrete panels. In: 4th International Ph. D. Symposium in Civil Engineering. Springer VDI Verlag, Munich 2002. [3] Mehlhorn, G. (Hrsg.): Der Ingenieurbau – Rechnerorientierte Baumechanik. Ernst & Sohn, 1995. [4] Schießl, A.: Die Druckfestigkeit zweiachsig beanspruchter Scheibenelemente unter Berücksichtigung des Betontyps. Lehrstuhl für Massivbau. Technische Universität München. Dissertation. Eingereicht.
Beurteilung des Tragverhaltens von Kellermauerwerk mit Hilfe num. Berechnungsmethoden Stefanie Grabowski
Der aktuelle Nachweis der Biegetragfähigkeit von Kellermauerwerk erfordert vertikale Mindestauflasten. Infolge veränderter Grundrissgestaltung bei Neubauten ergeben sich weite Bereiche mit lediglich geringen vertikalen Auflasten aus den oberen Geschossen. Infolge dieser zu geringen vertikalen Auflasten am Wandkopf werden entsprechende Wanddicken im Bereich des Kellers notwendig. Mit Hilfe numerischen Untersuchungen sollte das Biegetragverhalten für durch horizontale Dauerlast beanspruchtes Kellermauerwerk wirklichkeitsnah beschrieben und die Bemessungsansätze der derzeit geltenden Norm ohne Sicherheitseinbußen überprüft werden.
1 Beschreibung der Materialeigenschaften von Mauerwerk Der Verbundbaustoff Mauerwerk, der sich aus den Einzelkomponenten Stein und Mörtel zusammensetzt, besitzt ein äußerst komplexes Trag- und Verformungsverhalten. Das anisotrope Verhalten von Mauerwerk wird durch richtungsabhängige Eigenschaftswerte des Steins und durch die Art und Ausführung von Mauerwerk an sich hervorgerufen. Um dieses Tragverhalten von Mauerwerk realistisch simulieren zu können, sind sämtliche Einzeleffekte – wie das Materialverhalten der Einzelbaustoffe und lokale Effekte des Rissverhaltens – ausreichend genau zu berücksichtigen. Der Beginn der Rissbildung wird durch die Reduzierung der Anfangssteifigkeit eingeleitet. Das Rissverhalten ist stark von der Art und Richtung der Beanspruchung abhängig. Als Spannungs-Dehnungslinie für Mauerwerk unter einachsigem Druck senkrecht zu den Lagerfugen wird in Anlehnung an den aktuellen Stand der Normung nach Graubner/Jäger [3] eine quadratische Parabel angesetzt. Die Entfestigung wird durch einen linearen Ast beschrieben. Für das Verformungsverhalten unter einachsiger Druckbeanspruchung parallel zu den Lagerfugen wird vereinfacht ein lineares Ver- und Entfestigungsverhalten angesetzt. Entsprechende SpannungsDehnungs-Beziehungen sind unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenschafts-
284
Beurteilung des Tragverhaltens von Kellermauerwerk
werte auch dem Stein zu Grunde gelegt. Im Gegensatz zum Stein besitzt der Mörtel ausgeprägte isotrope Eigenschaftswerte. Somit wird für diesen Baustoff ein von der Beanspruchungsrichtung unabhängiges nichtlineares Verformungsverhalten unter Druck verwendet.
2 k b= fb 1 + (k 2 ) mit
b1
bu
Abb. 1. Spannungs-Dehnungs-Beziehung für Mauerwerk unter einachsigem Druck
Unter einachsiger Zugbeanspruchung ist bei Mauerwerk ein sprödes Versagen zu beobachten. Mauersteine und Mörtel weisen bis kurz vor Erreichen der Zugfestigkeit ein annähernd linear-elastisches Verformungsverhalten auf. Dieses Tragverhalten wurde für den Gesamtbaustoff Mauerwerk in Ansatz gebracht. Nach Überschreiten der Zugfestigkeit entstehen Mikrorisse in den Lagerfugen senkrecht zur Beanspruchungsrichtung, welche mit steigender Verformung zu einer raschen Abnahme der Zugfestigkeit führen. Der Nachbruchbereich wird entsprechend der Untersuchungen von Lourenco [5] und van der Pluijm [7] mit Hilfe einer Exponentialfunktion abgebildet. y
ft
=e
§ ¨ ft ¨ I w pl ¨G © f
· ¸ ¸ ¸ ¹
y
Abb. 2. Spannungs-Dehnungs-Beziehung für Mauerwerk unter einachsigem Zug
Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Versagensformen verhält sich Mauerwerk unter Schubbeanspruchung eher duktil. Das Schubtragverhalten wurde mit Hilfe eines modifizierten Mohr-Coulombschen Spannungskriteriums mit beschränkter Zugfestigkeit beschrieben. Das Entfestigungsverhalten nach Überschreiten der Schubtragfähigkeit kann mit einer von van der Pluijm [7] vorgeschlagenen Exponentialfunktion abgebildet werden.
Stefanie Grabowski
c0
tan
tan
c r = c0 e
§ ¨ c0 ¨ II w pl ¨G © f
285
· ¸ ¸ ¸ ¹
Abb. 3. Entfestigung bei Fugenversagen infolge Schubbeanspruchung
Unter zweiachsiger Beanspruchung wurden vereinfacht die in Abb. 4 dargestellten Bruchbedingungen in Ansatz gebracht.
Abb. 4. Bruchbedingung für Mauerwerk
2 Numerische Implementation des elastoplastischen Materialmodells Aufgrund des außerordentlich hohen Diskretisierungs- und Auswertungsaufwandes bei der Umsetzung eines Mikro-Modells wurde das Materialverhalten von Mauerwerk in Form eines Makro-Modells abgebildet. Zur Berücksichtigung der Materialeigenschaften von Steinen und Mörtel wurde eine Subroutine auf der Ebene der Integrationspunkte der finiten Elemente programmiert. Für die Plattenbeanspruchung wird ein geschichtetes Schalen-Element mit bilinearem Interpolationsansatz aus reinen Mauerwerkslamellen verwendet. Vorraussetzung für diese Anwendung sind schichtenweise konstante Werkstoffeigenschaften. Die Risse werden somit verschmiert über ein Element abgebildet. Die globalen Spannungen werden wie bereits in [4] dargestellt in lokale Spannungen am Einzelstein bzw. in der Lagerfuge umgerechnet. Dabei wurde lediglich eine Mitwirkung der Stossfugen auf Druck berücksichtigt. Zur Überprüfung des Versagens der Lagerfugen können diese lokalen Spannungen direkt den Bruchkri-
286
Beurteilung des Tragverhaltens von Kellermauerwerk
terien für Mörtel gegenübergestellt werden. Für ein Steinversagen hingegen müssen zunächst aus den lokalen Steinbeanspruchungen innere Spannungszustände im Stein ermittelt werden. Diese inneren Spannungen können entsprechend mit den Bruchkriterien des Steines verglichen werden.
3 Verifikation des Makro-Modells Das umgesetzte Makro-Modell wurde auf der Basis von Versuchen aus der Literatur verifiziert. Dazu wurden Versuche von Anstötz [1] und Schöner [6] aufbereitet und abgebildet. In Abb. 5 ist das Verformungsverhalten zweiachsig gehaltener Wände und in Abb. 6 einer vierseitig gehaltenen Wand im Versuchsstand (schwarz) und die dazugehörige numerische Abbildung (farbig) dargestellt.
Horizontallast in z [kNm²]]
40,0
30,0
20,0
10,0
Wand 3 Wand 4 Numerik Wand 3 Numerik Wand 4
0,0 0,0
2,5
5,0
7,5
10,0
Durchbiegung in z [mm]
Abb. 5. Ergebnisse der Nachrechnung 2-seitig gehaltene Wände
In oben angeführtem Diagramm (am Bsp. Von Wand 3) konnte ein erster Riss bei einer Laststufe von 16,0 kN/m² beobachtete werden. Mit zunehmender Laststeigerung waren bereits bei einer horizontalen Beanspruchung von 80,0 kN/m² drei geöffnete Lagerfugen zu sehen. Im Zuge der numerischen Untersuchungen konnte der Zeitpunkt der Erstrissbildung sehr genau nachgestellt werden. Ein erstes Versagen trat bei einem horizontalen Druck von 15,0 kN/m² auf. Nach Entfestigung konnte in der Berechnung infolge der großen Verformungen kein weiteres Gleichgewicht gefunden werden und es folgt ein Totalversagen der Wand. Die Versuchsmessungen hingegen erreichen nach einer gewissen Verformung einen zweiten Gleichgewichtszustand, und können in diesem Zustand ihre Traglast um ein Vierfaches steigern.
Stefanie Grabowski
287
Horizontallast in z [kN/m²]]
160 140 120 100
Versuch - f1
80
Versuch - f2
60
Versuch - f3
40
Numerik - f1
20
Numerik - f2
Numerik - f3
0 0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
Durchbiegung in z [mm]
Abb. 6. Ergebnisse der Nachrechnung einer 4-seitig gehaltenen Wand
Im Falle der oben dargestellten vierseitig gehaltenen Wand trat während der Versuchsdurchführung ein erster Riss in den Lagerfugen über die gesamte Wandlänge bei einer Plattenbeanspruchung von 80,0 kN/m² auf. Ein qualitativ entsprechender Riss stellte sich in der Berechnung bereits bei einer Flächenlast von 45,0 kN/m² ein. Wie bereits für zweiachsig gehaltene Wände beschrieben, kam es infolge der Erstrissbildung auch bei diesen Versuchsnachrechnungen zu einem Totalversagen. Eine weitere Laststeigerung mit entsprechend abgeminderten Steifigkeiten – wie sie im Versuch zu beobachten war - ist nicht möglich. Mögliche Ursachen sind unter Umständen in den nicht näher beschriebenen Lagerbedingungen der Wände des Versuchsstandes zu sehen. Der Versuchsdokumentation ist keine eindeutige Aussage hinsichtlich einer Teileinspannung zu Beginn oder während des Versuchsablaufes zu entnehmen. Nach Eintreten des ersten Risses traten derart große Verformungen auf, die unter Umständen zu einem Abstützen des Versuchskörpers gegen die Auflager des Versuchstandes führten. Die damit erreichte Teileinspannung hätte somit zu einem neuen Gleichgewichtszustand geführt. Infolge der großen Verformung und der fortgeschrittenen Rissbildung des Versuchskörpers sind jedoch auch weitere Effekte wie ein Abstützen und Verkeilen einzelner Steine untereinander denkbar. Das Numerische Modell berücksichtigt eine rein gelenkige Lagerung an Wandkopf und –fuß. Die Anfangsteifigkeit kann mit diesem Modell gut abgebildet werden. Zur vollständigen Abbildung des Versuchsablaufes durch das numerische Modell ist eine Anpassung der Auflagerbedingung über die Berechnungsdauer vorzunehmen.
288
Beurteilung des Tragverhaltens von Kellermauerwerk
4 Untersuchungen des Bemessungsansatzes in DIN 1053-1 (11/96) Das in DIN 1053-1 verankerte Bemessungskonzept für Kellermauerwerk basiert auf der Annahme eines vertikal gespannten Gewölbes. Das obere Auflager bildet die Geschossdecke, das untere das Fundament. An den Auflagern entsprechen die Wandexzentrizitäten e = d/3. Im Bereich des maximalen Momentes aus Erddruck, wird eine gegengerichtete Exzentrizität von em = –d/3 vorausgesetzt. Somit steht zur Aufnahme des Biegemomentes ein Gewölbestich von f = 2/3 d zur Verfügung. Aus der Bedingung, dass die Auflast den vertikal gerichteten Gewölbeschub überdrücken muss, folgt ein unterer Grenzwert für die erforderliche Längskraft. Unbewehrte Kellerwände müssen durch Querwände oder statisch nachgewiesene Bauteile im Abstand b ausgesteift werden. In DIN 1053-1 sind untere Grenzwerte für die Wandlängskraft tabellarisch in Abhängigkeit der Wanddicke und der Anschütthöhe angegeben. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurden die normativen Angaben überprüft. Dazu wurde ein entsprechender Wandabschnitt mit den jeweiligen Randbedingungen modelliert und numerisch abgebildet. Bei diesem Modell wurden Annahmen auf der sicheren Seite getroffen. Dazu gehören entsprechende Bodenkennwerte und geringe Eigenlasten. Die Ergebnisse aus den numerischen Berechnungen werden vergleichend in unten stehender Tabelle den Bemessungswerten aus DIN 1053-1 gegenübergestellt. Die Mindestauflasten sind in Abhängigkeit der Wanddicke und der Anschütthöhe gemäß DIN 1053-1 dargestellt. Tabelle 1. Mindestauflasten für Kellerwände in [kN/m] d [mm] 240 300 365 490
6 3 0 0
1,0 m 3 0 0 0
20 15 10 5
1,5 m 6 5 3 0
45 30 25 15
2,0 m 30 20 10 5
75 50 40 30
2,5m 65 35 15 10
Die in dieser Tabelle grau hinterlegten Werte sind der DIN 1053-1 [2] entnommen. In den jeweils nebenstehenden Feldern sind die Ergebnisse aus den numerischen Untersuchungen unter Berücksichtigung eines globalen Sicherheitsfaktors angeführt.
Stefanie Grabowski
289
5 Fazit Anhand der in Tab. 1 dargestellten Ergebnisse ist zu erkennen, dass die derzeit geltende deutsche Mauerwerksnorm die Tragfähigkeit von Kellerwänden unterschätzt. Das derzeit geltende Bemessungskonzept basiert auf einem globalen Sicherheitskonzept- Dieses sollte in weiteren Untersuchungen hinsichtlich der Anforderungen des Teilsicherheitskonzeptes überprüft werden. Für das numerische Modell gilt, dass in weiteren Untersuchungen die Auflagerbedingungen modifiziert werden, um das tatsächliche Tragverhalten nach Erstrissbildung besser abzubilden. Dazu ist nach einer definierten Verformung mit Teileinspannungen an den Auflagern zu rechnen.
6 Literatur [1] Anstötz, W.: Zur Ermittlung der Biegetragfähigkeit von Kalksand-Plansteinmauerwerk. Mitteilungen aus dem Institut für Baustoffkunde und Materialprüfung, Universität Hannover. Heft 61. 1990 [2] DIN 1053-1 (1996-11): Mauerwerk. Teil 1: Berechnung und Ausführung. November 1996 [3] Entwurf DIN 1053-1: Mauerwerk. Teil 1:Berechnung und Ausführung. Tischvorlage zur Normensitzung am 23.02.04 [4] Grabowski, S.: Versagensmodi von kombiniert beanspruchtem Mauerwerk. Tagungsband zum 8. Münchener Massivbau-Seminar 2004, 29./30. April 2004. Springer VDIVerlag, Düsseldorf, 2004 [5] Lourenço, P.B.: Computational strategies for masonry structures. Diss. Delft University Press, 1996 [6] Schöner, W.: Zur Biegetragfähigkeit von Mauerwerk unter Berücksichtigung axialer Auflasten. Mitteilungen aus dem Institut für Baustoffkunde und Materialprüfung, Universität Hannover. Heft 41. 1978 [7] van der Pluijm, R.: Out-of-Plane Bending of Masonry Behaviour and Strength. Diss. Eindhoven. 1999
Untersuchungen zum Verhalten teilweise vorgespannter Bauteile mit sofortigem Verbund im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Achim Birk
Anhand von numerischen Untersuchungen wird das Langzeitverhalten von teilweise vorgespannten Bauteilen mit sofortigem Verbund im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter Verwendung realitätsnaher Materialmodelle detailliert dargestellt. Dazu werden in Form einer Parameterstudie die Einflüsse der zeitabhängigen Materialeigenschaften auf Spannungsumlagerungen in der meistbeanspruchten Betonrandfaser sowie im Beton- und Spannstahl vorwiegend auf Biegung beanspruchter Querschnitte untersucht.
1 Einleitung Teilweise vorgespannte Bauteile wurden in der Vergangenheit nur selten eingesetzt. Der Grund hierfür war das Bestehen der zugehörigen DIN 4227 – Teil 2 [2] lediglich als Vornorm, somit also nicht eingeführt und der zusätzliche Ausschluss der teilweisen Vorspannung mit sofortigem Verbund, wofür die Zustimmung im Einzelfall erforderlich war. Mit der Einführung der DIN 1045-1 [3] ist eine normative Regelung teilweise vorgespannter Bauteile, auch mit sofortigem Verbund vorhanden. Daher ergibt sich für die Zukunft ein breites Anwendungsspektrum der teilweisen Vorspannung, wodurch zu erwarten ist, dass teilweise vorgespannte Bauteile aus wirtschaftlichen Gründen in Zukunft wesentlich häufiger eingesetzt werden. Mit einer teilweisen Vorspannung soll das Trag- und Verformungsverhalten von Bauteilen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit gegenüber dem reiner Stahlbetonbauteile nachhaltig verbessert werden. Dazu sind genaue Kenntnisse des Langzeitverhaltens solcher Bauteile auf Gebrauchslastniveau erforderlich. Mit den gewonnenen Erkenntnissen aus dieser Studie können in Abhängigkeit eines im Bemessungsfall gegebenen, einwirkenden Momentes die Auswirkungen verschiedener Verhältnisse der Spannstahl- zur Betonstahlquerschnittsfläche auf das zeitabhängige Querschnittstragverhalten im Vorfeld abgeschätzt werden.
292
Untersuchungen zum Verhalten teilweise vorgespannter Bauteile
2 Finite-Elemente Modellierung Für die numerische Simulation wird das Programmsystem MSC.Marc 2001 [4] zusammen mit dem Pre- und Postprozessor MSC-Marc Mentat 2001 [5] verwendet. Die unterschiedlichen Materialmodelle werden über user-Subroutinen, die in Fortran programmiert sind, implementiert. Die Berechnungen werden unter Verwendung eines geschichteten Balkenelementes durchgeführt. Hierbei wird der Querschnitt über die Höhe in dünne Lamellen unterteilt, denen jeweils die Materialeigenschaften des Betons, Betonstahls und Spannstahls zugewiesen werden, und die als zentrisch beanspruchte Einzelquerschnitte behandelt werden. Die inneren Schnittgrößen ergeben sich aus der Integration der Lamellenspannungen über die Querschnittshöhe.
3 Einflussgrößen für die Parameterstudie Um die auftretenden Spannungsumlagerungen in teilweise vorgespannten Stahlbetonquerschnitten möglichst genau beurteilen zu können, ist es notwendig, ein möglichst breites Feld von Faktoren, die das Querschnittstragverhalten wesentlich beeinflussen, in die Parameterstudie zu integrieren. Auf die Ergebnisse aus [6] und [7] aufbauend werden die folgenden Einflussgrößen untersucht: Betoneigenschaften gekoppelt mit der Betongüte (C 20/25; C 50/60) Querschnittsgeometrie in Verbindung mit der Form der Betondruckzone (Rechteckquerschnitt – Plattenbalken). Die betrachteten Querschnittsformen sind in Abb. 1. dargestellt. Geometrisches Verhältnis Ȝ des Spannstahlquerschnitts zum gesamten Stahlquerschnitt = A p / A p + As (Ȝ = 0; Ȝ = 0,33; Ȝ = 0,67)
(
Spannungsniveau anspruchten m ,R
m ,R
)
=
Randfaser
c ,max
des
/ f cm zum Zeitpunkt t = 0 in der maximal be-
Querschnitts
(
m ,R
= 0 ,35 ;
m ,R
= 0 ,45 ;
= 0 ,55 )
Größe der bezogenen Druckzone ȟ = x/d zum Zeitpunkt t = 0 (ȟ(t=0) = 0,25; ȟ(t=0) = 0,45)
Achim Birk
293
Abb. 1. Verwendete Querschnittstypen mit unterschiedlicher Form der Druckzone
4 Ergebnisse der Untersuchungen Die numerische Simulation zeigt folgende Einflüsse eines variierenden Spannstahlverhältnisses Ȝ auf die zeitabhängigen Spannungsumlagerungen in einem teilweise vorgespannten Stahlbetonquerschnitt mit sofortigem Verbund:
4.1 Entwicklung der zeitabhängigen Betonspannungen in der maximal beanspruchten Randfaser des Querschnitts Die Betondruckspannungen am meist beanspruchten Querschnittsrand nehmen infolge des Betonkriechens bei nicht vorgespannten Bauteilen deutlich ab. Die Größe der Reduzierungen wird von der Größe der Druckzone ( t ) = x( t ) / d und von der Form der Druckzone (rechteckig, schwach profiliert bzw. stark profiliert) beeinflusst. Je größer die Druckzonenhöhe und je profilierter die Druckzone ist, desto geringer sind die Spannungsreduzierungen im Beton. Die Wirkung einer zusätzlich aufgebrachten Vorspannung vermindert diese Effekte. Die teilweise Vorspannung verringert den Abbau der Betonrandspannung mit steigendem Vorspanngrad. Abb. 2. zeigt exemplarisch die Entwicklung der Betonrandspannungen für alle untersuchten Druckzonenformen für ȟ(t = 0) = 0.45 und Įm,R = 0.55 für einen Beton der Güte C 50/60. Bei großen Druckzonenhöhen ȟ zum Zeitpunkt t = 0 kann die Vorspannung sogar zu einem Anstieg der Betonrandspannungen führen. Befindet sich der teilweise vorgespannte Querschnitt zum
294
Untersuchungen zum Verhalten teilweise vorgespannter Bauteile
Zeitpunkt t = 0 im Zustand I und geht zu einem Zeitpunkt t > 0 in den gerissenen Zustand über, ist dies aufgrund der Einschnürung der Betondruckzone mit einem deutlichen Anstieg der Betonrandspannung verbunden.
Abb. 2. Entwicklung der Betonspannungen in der maximal beanspruchten Randfaser des Querschnitts (C 50/60, ȟ(t = 0) = 0.45, Įm,R = 0.55)
4.2 Entwicklung der zeitabhängigen Betonstahlspannungen Ohne eine Vorspannung nimmt die Größe der Druckzone für t > 0 zu und infolgedessen der innere Hebelarm ab. Dies hat zur Folge, dass die Stahlspannung der Zugbewehrung für konstante Momentenbeanspruchung ansteigt. Die Spannungszunahme der untersuchten Querschnitte liegt in diesen Fällen bei ca. 5 – 15 %. Im Falle teilweise vorgespannter Systeme vervielfacht sich die Zunahme der Betonstahlspannungen auf das bis zu 20-fache aufgrund der Spannstahlrelaxation in Verbindung mit der geringeren Festigkeit des Betonstahls. In Abb. 3. ist beispielhaft die Entwicklung der Betonstahlspannungen für Ȝ = 0.67, ȟ(t = 0) = 0.45 und Įm,R = 0.55 für Beton der Güte C 20/25 und alle untersuchten Druckzonenformen dargestellt. Im Falle hoher Anteile an Spannstahlbewehrung Ȝ kann der Betonstahl bei den gewählten Parameterkombinationen auch im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit die Fließspannung erreichen.
Achim Birk
295
Abb. 3. Entwicklung der Betonstahlspannungen (C 20/25, ȟ(t = 0) = 0.45, Įm,R = 0.55)
4.3 Entwicklung der zeitabhängigen Spannstahlspannungen Aufgrund der zeitabhängigen Materialeigenschaften reduzieren sich die Spannstahlspannungen p für t = . Die Verluste sind meist jedoch geringer als die im Rahmen der Ermittlung der Eingangswerte angenommenen 15 %. Hierdurch fällt die Spannstahlspannung in den Parameterstudien häufig nicht unter den normativ geregelten Wert [3] von 0 ,65 f pk . Abweichend hiervon steigen die Spannstahlspannungen an, sobald der Betonstahl ins Fließen gerät.
4.4 Entwicklung der effektiven Biegesteifigkeiten Für Querschnitte teilweise vorgespannter Bauteile, die sich zum Zeitpunkt t = 0 im ungerissenen Zustand befinden, fällt mit einem eventuellen Aufreißen des Querschnitts für t > 0 die effektive Biegesteifigkeit auf das Niveau eines von Anfang an gerissenen nicht vorgespannten Querschnitts ab (siehe Abb. 4.). In keiner Parameterkombination dieser Studie wurde ein Aufreißen des Querschnitts über die Zeit vermieden. Infolgedessen kann mit den gemachten Ansätzen zur Bestimmung der Spannstahlmengen kein nennenswerter Vorteil durch die teilweise Vorspannung hinsichtlich der Entwicklung der effektiven Biegesteifigkeiten EIeff aufgezeigt werden.
296
Untersuchungen zum Verhalten teilweise vorgespannter Bauteile
Abb. 4. Entwicklung der effektiven Biegesteifigkeit EIeff (Rechteckquerschnitt, C 20/25, ȟ(t = 0) = 0.25, Įm,R = 0.35)
5Literatur [1] Zilch, K.; Birk, A.; Borchert, K.; Penka, E.: Untersuchungen zum Verhalten teilweise vorgespannter Bauteile mit sofortigem Verbund im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit / Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München. 2003. - Forschungsbericht. DAfStb [2] DIN 4227 – 2: Spannbeton. Teil 2: Bauteile mit teilweiser Vorspannung, Mai 1984 [3] DIN 1045 – 1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Teil 1: Bemessung und Konstruktion, Juli 2001 [4] MSC.Software Corporation: MSC.Marc 2001. 2001 [5] MSC.Software Corporation: MSC.Marc Mentat 2001. 2001 [6] Zilch, K.; Fritsche, T.: Einfluss des Kriechens auf Beton- und Stahlspannungsumlagerungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit für vorwiegend auf Biegung beanspruchte Stahlbetonbauteile / Lehrstuhl für Massivbau, Technische Universität München. 1999. – Forschungsbericht. DIBt [7] Fritsche, T.: Schnittgrößenumlagerungen nachträglich ergänzter Betonbauteile im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit unter Berücksichtigung der Rissbildung, Technische Universität München, Dissertation, 2001
Berechnung und Begrenzung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten Uli Donaubauer
Nachfolgend werden die Grenzwerte der zulässigen Verformung von Stahlbetonbauteilen beschrieben und Hinweise zur expliziten Berechnung der Verformung von ein- und zweiachsig gespannten Stahlbetonplatten gegeben. Zusätzlich wird ein alternatives Biegeschlankheitskriterium beschrieben, um die Verformungen von ein- und zweiachsig gespannten Stahlbetonplatten ohne direkte Berechnung auf die zulässigen Werte zu begrenzen.
1 Grenzwerte zulässiger Verformungen Im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit wird die Verformung von Stahlbetonbauteilen begrenzt. Diese Begrenzung ist aus folgenden Gründen erforderlich [1,3]: Erscheinungsbild: Optisch feststellbare Verformungen sind störend und können das Vertrauen des Nutzers in das Bauwerk beeinträchtigen. Vermeidung von Schäden in angrenzenden, tragenden oder nichttragenden Bauteilen. Vermeidung von übermäßigen Schwingungen. Erhalt der eigentlichen Gebrauchstauglichkeit, d. h. Funktionalität des Bauteils. Bei Stahlbetonplatten des üblichen Hochbaus ist die Begrenzung der Verformung für die Bauteilabmessungen eine entscheidende Forderung. Dadurch erhält die Festlegung von Grenzwerten der zulässigen Verformungen eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung. Auf Grund der Vielzahl der Forderungen und deren Abhängigkeit von den jeweiligen Nutzungsbedingungen können keine eindeutigen und einheitlichen Grenzwerte der zulässigen Verformungen angegeben werden. Ebenso sind auch keine zugehörigen Einwirkungskombinationen festlegbar, die für die Berechnung angesetzt werden müssen. In der Literatur finden sich unterschiedliche Grenzwerte der zulässigen Verformung von l/100 bis l/1000. Als Richtwert der zulässigen Verformung werden neuerdings meist die Grenzwerte entsprechend den Forderungen nach
298
Berechnung und Begrenzung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten
ISO 4356 [3] angesetzt. Die zulässige Verformung zur Begrenzung des Bauteildurchhanges wird dabei mit l/250, die Durchbiegung bei Einbau verformungsempfindlicher Einbauteile und Trennwände mit l/500 angesetzt. In DIN 1045-1 wurde für Balken und Platten der empfohlene Grenzwert für den Durchhang aus ISO 4356 [3] übernommen. Dieser Grenzwert deckt sich in etwa mit den Beobachtungen von Mayer / Rüsch [4], die bisher als einzige durch die Auswertung von Schadensfällen erste systematische Untersuchungen der Durchbiegung von Stahlbetontraggliedern durchgeführt haben.
Abb. 1. Bestimmung der Grenzschlankheiten von Stahlbetonbauteilen zu Vermeidung von Trennwandschäden nach Mayer/Rüsch [4]
2 Berechnung der Durchbiegung 2.1 Tragverhalten von Stahlbetonbauteilen Mit den heute verfügbaren elektronischen Hilfsmitteln ist eine numerische Berechnung der Durchbiegung von Stahlbetonbauteilen unter Berücksichtigung der Rissbildung mit vertretbarem Aufwand möglich. Die Berechnung setzt jedoch die Kenntnis der Materialeigenschaften und der vorhandenen Bewehrung voraus, eine Festlegung der Bauteilabmessungen über ein Verformungskriterium ist also nur in
Uli Donaubauer
299
einem iterativen Prozess möglich. Zusätzlich kann durch die Streuung der Materialparameter, insbesondere der Betonzugfestigkeit keine exakte Berechnung, sondern nur eine näherungsweise Abschätzung des Verformungsverhaltens von Stahlbetonbauteilen erfolgen. Die erreichbare Wirklichkeitsnähe der Berechnung ist darüber hinaus noch vom verwendeten Programm abhängig. Aus den angeführten Gründen wird der Nachweis der Durchbiegungsbegrenzung durch eine explizite numerische Berechnung eher die Ausnahme bleiben. Das Last-Verformungs-Verhalten von Stahlbetonbauteilen ist charakterisiert durch den ungerissenen Zustand, den Beginn der Rissbildung mit deutlichem Zuwachs der Verformung, weiter fortschreitender Rissbildung und schließlich die Bildung von Fließgelenken bei Annäherung an die Traglast [6]. Insbesondere bei Stahlbetonplatten des üblichen Hochbaus liegen die Lasten im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit häufig im Bereich der Risslast. Daraus ergibt sich der große Einfluss der Betonzugfestigkeit und des Verhaltens beim Übergang vom ungerissenen in den gerissenen Zustand auf die Verformung. Die Betonzugfestigkeit wird durch Eigenspannungen wesentlich beeinflusst, die von den Erhärtungsbedingungen auf der Baustelle abhängig sind, und ist damit nur schwer vorhersagbar. Zusätzlich fällt die Betonzugfestigkeit unter Dauerlast ab, so dass es unter konstanter Last zu einem Fortschreiten der Rissbildung kommt. Die Zugfestigkeit unterliegt normalerweise auch keinem Konformitätsnachweis. In der Regel wird die Betonzugfestigkeit ebenso wie der Elastizitätsmodul aus der Druckfestigkeit abgeleitet. Dieses Vorgehen liefert verfahrensbedingt nur eine grobe Abschätzung.
2.2 Vereinfachte Berechnung der Durchbiegung Nachfolgend wird ein vereinfachtes Verfahren zur Berechnung der Durchbiegung von einachsig gespannten Stahlbetonplatten beschrieben. Für dieses Verfahren ist es erforderlich das Bauteil entlang der Systemachse in ungerissene und gerissene Abschnitte zu unterteilen. Die Berechnung kann unter Ansatz effektiver Biegesteifigkeiten mit einem Stabwerkprogramm durchgeführt werden. Damit kann auch die infolge Rissbildung sich ergebende Umlagerung der Schnittgrößen bei statisch unbestimmten Tragwerken erfasst werden. Die Berechnung der effektiven Biegesteifigkeit muss für den untersuchten Zeitpunkt t mit dem effektiven Elastizitätsmodul des Beton durchgeführt werden. Dieser ergibt sich zu: E c ,eff (t ) = E cm (1 +
(t , t o ))
(1)
Der Kriechbeiwert kann nach DIN 1045-1 ermittelt werden. Die Berechnung der effektiven Biegesteifigkeit EIeff (t) kann getrennt für Zustand I und Zustand II unter reiner Momentenbeanspruchung zum Beispiel nach Zilch/Rogge [5] erfolgen. Dabei ist die effektive Biegesteifigkeit im Zustand II nur direkt im Riss zutref-
300
Berechnung und Begrenzung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten
fend. Für eine Verformungsberechnung muss jedoch das mittlere Tragverhalten unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen verwendet werden, d.h. es muss die mittlere Biegesteifigkeit angesetzt werden. Bei Verformungsberechnungen unter reiner Momentenbeanspruchung kann diese aus dem Ansatz der mittleren Krümmungen berechnet werden: m, II
(t ) =
II
(t ) + (1
)
I
(t )
(2)
Dabei ist ein Verhältnisbeiwert zur Interpolation zwischen Zustand I und Zustand II zur Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons auf Zug zwischen den Rissen. Dieser Verhältnisbeiwert ist belastungsabhängig und kann nach [2] berechnet werden. Die Krümmung eines Bauteils ist für reine Momentenbeanspruchung direkt proportional zum Kehrwert der effektiven Biegesteifigkeit. Damit gilt: 1
EI m , II (t )
=
1
EI II (t )
+ (1
)
1
EI I (t )
(3)
Bei zweiachsig gespannten Stahlbetonplatten ist die Berücksichtigung der Drillsteifigkeit erforderlich. Ein Ansatz zur Berücksichtigung der Drillsteifigkeit auf die Verformung wird von Donaubauer [2] vorgeschlagen. Um die Sensibilität des Systems hinsichtlich Verformungen abschätzen zu können, ist es empfehlenswert, die Berechnungen für unterschiedliche Rissmomente durchzuführen, da diese sehr stark von der Betonzugfestigkeit abhängen und diese wiederum eine stark streuende Größe ist.
3 Begrenzung der Durchbiegung ohne direkte Berechnung Die Einhaltung zulässiger Verformungen bei Stahlbetonplatten wird wie bereits oben beschrieben meist nicht durch eine explizite Berechnung sondern vereinfacht mit Hilfe von Biegeschlankheitskriterien nachgewiesen. Nachfolgend wird das in [2] vorgeschlagene Biegeschlankheitskriterium beschrieben. Da die Durchbiegung von Stahlbetonplatten von vielen unterschiedlichen, mehr oder weniger stark streuenden Einflussparametern abhängig ist, werden bei diesem Biegeschlankheitskriterium zur Begrenzung der Durchbiegung einige Annahmen und Vereinfachungen vorgenommen. Dadurch ergibt sich ein einfaches und leicht handhabbares Kriterium:
Uli Donaubauer
Grenzwert der zulässigen Verformung: l / 250 Belastungsbeginn nach 28 Tagen Innenbauteil mit RH = 50% Belastung vorwiegend ruhend mit qk = 1,5 bis 2,75 kN/m² Quasi-ständiger Lastanteil der veränderlichen Einwirkung: Ansatz der Langzeitzugfestigkeit mit fct = 0,7 fctm Keine Berücksichtigung einer Vorschädigung
2
301
= 0,3
Mit Hilfe dieser Annahmen wird in [2] die zulässige Biegeschlankheit von einund zweiachsig gespannten Stahlbetonplatten wie folgt berechnet werden: l d=
o
(l 0 l i )1 2 ( f ck
f ck 0 )2 3
(4)
Hierbei sind: 0 = 25 l0 = 5,0m fcko = 25 MPa li = i · leff i
leff li =
za
· leff
za
Grundwert der Biegeschlankheit Bezugswert der Spannweite Bezugswert der Betongüte bei einachsig gespannten Stahlbetonplatten Beiwert zur Berücksichtigung der Durchlaufwirkung nach Tabelle 1 wirksame Stützweite bei einachsig gespannten Stahlbetonplatten Beiwert zur Berücksichtigung der Durchlaufwirkung nach Abbildung 2
Die in Tabelle 1 angegebenen Beiwerte zur Berücksichtigung der Durchlaufwirkung bei einachsig gespannten Stahlbetonplatten sind aus den Ansätzen nach Eurocode 2 abgeleitet und liegen auf der sicheren Seite. Bei einer expliziten Berechnung der Durchbiegung können sich im Einzelfall größere zulässige Biegeschlankheiten ergeben. Tabelle 1.
Beiwert i zur Berücksichtigung der Durchlaufwirkung bei einachsig gespannten Stahlbetonplatten
Statisches System frei drehbar gelagerter Einfeldträger Endfeld eines Durchlaufträgers Innenfeld eines Durchlaufträgers Kragträger
i
1,00 0,80 0,70 2,50
Die in Abbildung 2 dargestellten Beiwerte zur Berücksichtigung der zweiachsigen Lastabtragung sind in [2] mit Hilfe einer Regressionsanalyse berechnet worden.
302
Berechnung und Begrenzung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten
Abb. 2. Korrekturfaktor
za
zur Berücksichtigung einer zweiachsigen Lastabtragung
Der Einfluss der Betonzugfestigkeit wird mit der vorgeschlagenen Biegeschlankheit nach Gleichung 4 nur indirekt über die Betongüte erfasst. Bei einer Gegenüberstellung dieses Biegeschlankheitskriteriums mit den normativen Regelungen nach Eurocode 2 und DIN 1045-1 in Abhängigkeit von der vorhandenen Betongüte, so liegt im baupraktischen Bereich die Biegeschlankheit zwischen der restriktiven Regelung nach Eurocode 2 auf der einen Seite und der relativ großzügigen Regelung nach DIN 1045-1 auf der anderen Seite. Der wesentliche Einfluss der Betonzugfestigkeit auf die Durchbiegung von Stahlbetonplatten kann damit erfasst werden.
Abb. 3. Erforderliche statische Nutzhöhe einachsig gespannter Einfeldplatten unterschiedlicher Betongüte nach verschiedenen Schlankheitskriterien
Uli Donaubauer
303
4 Literatur [1] Beeby, A.W.: Deformation. In: Structural Concrete – Textbook an Behaviour, Design and Performance, Vol. 2 Lausanne: Fédération Internationale de Béton, 1999. [2] Donaubauer, U.: Rechnerische Untersuchung der Durchbiegung von Stahlbetonplatten unter Ansatz wirklichkeitsnaher Steifigkeiten und Lagerungsbedingungen unter Berücksichtigung zeitabhängiger Verformungen. Diss. TU München, 2002. [3] ISO 4356: Bases for the design of structures – deformations at the serviceability limite state. (11/1997) [4] Mayer, H.; Rüsch, H.: Bauschäden als Folge der Durchbiegung von StahlbetonBauteilen. Berlin: Ernst & Sohn, 1967. (DAfStb Heft 193) [5] Zilch, K.; Rogge, A.: Grundlagen der Bemessung von Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen nach DIN 1045-1. In: Betonkalender 2002. Berlin: Ernst & Sohn, 2002. [6] Zilch, K.; Schneider, R: Massivbau. In: Zilch, K. (Hrsg.) Handbuch für Bauingenieure. Berlin: Springer, 2002
Ausgewählte Ansätze zur Verformungsvorhersage im Betonbau Wolfgang Krüger, Olaf Mertzsch
Die Verformungsvorhersage im Betonbau erfolgt i. Allg. auf der Grundlage linearer Materialgesetze. Vergleichende Untersuchungen zeigen jedoch, dass vor allem bei frühen Betrachtungs- und Belastungszeitpunkten nichtlineare Berechnungsannahmen zu Berechnungsergebnissen führen, die am besten mit Versuchsergebnissen übereinstimmen. Nachfolgend werden Berechnungsergebnisse gegenübergestellt, die unter Ansatz linearer und nichtlinearer Spannungs-Dehnungs-Beziehungen und Kriechfunktionen bestimmt wurden.
1 Berechnungsannahmen Beton 1.1 Allgemeines Die im Folgenden für den Beton verwendeten Funktionen zur Beschreibung des Festigkeits- und Verformungsprozesses sind phänomenologische Beziehungen, die aus Gründen der praktischen Anwendbarkeit durch möglichst einfache mathematische Ausdrücke dargestellt werden. Unter den Betonverformungen versteht man i. Allg. alle Abweichungen von der Grundform eines Betonelementes. Diese Formänderungen sind stets mit dem Aufbau eines inneren Spannungszustandes verbunden, der sowohl durch äußere Einwirkungen (Belastung, Temperatur, Austrocknen oder Durchfeuchten), als auch durch innere Erscheinungen (Hydratation, Sedimentation, Kristallisation) hervorgerufen werden kann.
1.2 Spannungs-Dehnungs-Ansätze Verformungsberechnungen werden i. Allg. auf der Grundlage eines linearen Spannungs-Dehnungs-Ansatzes durchgeführt. Abweichend hiervon wird im Rahmen der vergleichenden Untersuchungen auch ein nichtlinearer Ansatz nach Abb. 1 verwendet.
306
Ausgewählte Ansätze zur Verformungsvorhersage im Betonbau 1,00
|
c/f cm
|
0,80 0,60 c
0,40
=
c Ec
§ c Ec · ¨1 + ¸ ¨ 4 f cm ¸¹ ©
Beiwert nach [7]
0,20 0,00 0,0000
-0,0010
-0,0020
-0,0030
-0,0040
c
Abb. 1. Nichtlinearer Spannungs-Dehnungs-Ansatz nach [7]
1.3 Verformungsgleichung des Betons Die nachfolgenden Betrachtungen beschränken sich auf den Einfluss des Kriechens (spannungsabhängig) und des Schwindens (spannungsunabhängig) auf die Formänderungen des Betons. Die zeit- und lastabhängigen Verformungen des Betons zu einem beliebigen Zeitpunkt t k können durch die allgemeine Verformungsgleichung des Betons beschrieben werden [2], [3] und [4]: k c ,k 0
=
c ,0
J k0 + ³ 0
mit Index "0" Index "k" Index " "
d
c,
d
Jk d +
(1)
cn ,kn
Zeitpunkt der Lasteintragung t0 ; betrachteter Zeitpunkt t k ( t0 tk ) beliebiger Zeitpunkt
c ,k 0
Gesamtverformung des Betons im Zeitintervall t k
cn ,kn
Spannungsunabhängige Verformung des Betons im Zeitintervall t k
c,
Betonspannung zum Zeitpunkt
J k0 Jk
Einheitsverformung im Zeitraum t k Einheitsverformung im Zeitraum t k
t0 tn
t0
Eine geschlossene Lösung des in Gl. (1) enthaltenen Integrals ist nur bei Kenntnis der Spannungsfunktion möglich. Da diese in der Regel nicht bekannt ist, muss auf eine numerische Lösung der Integralgleichung ausgewichen werden [4], [7].
Wolfgang Krüger, Olaf Mertzsch
307
Alternativ zu Gl. (1) kann die zeitabhängige Betonverformung auch auf der Grundlage der vereinfachten allgemeinen Verformungsgleichung des Betons bestimmt werden: c ,k 0
=
(1
c ,0
Ec ,28
)
k0
d
c,
k0
+
c ,k
Ec ,28
(
0
+
k0
k0
)+
(2)
cn ,kn
mit k
0
=
Ec ,0
und
E c ,28
=
k0
³
0
(
d c ,k
c ,0
k
d
k
)
¦ bzw.
k0
k0
j =0
(
c ,k
c, j c ,0
kj
)
(3) k0
Für Betonquerschnitte sind Angaben zum Alterungsbeiwert k 0 z. B. in [6] und [7] enthalten. Für baupraktische Belange wird in [2], ausgehend von den Darlegungen nach [6], ein konstanter Wert k 0 = 0 ,8 vorgeschlagen. Vereinfachend ist eine Berechnung auf der Grundlage des effektiven Elastizitätsmoduls nach Gl. (4) möglich. Hierbei wird die Betonverformung nur auf die Spannung zum Betrachtungszeitpunkt bezogen. c ,k 0
=
c ,k
Ec ,eff
+
cn ,kn
=
c ,k
Ecm
(
0
+
k0
)+
(4) cn ,kn
Zur Berechnung nichtlinearer Kriechprozesse kann die nichtlineare Kriechzahl nach Gl. (5) bestimmt werden. Zur Ermittlung des in Gl. (5) enthaltenen Nichtlinearitätsindexes ist eine Reihe von Ansätzen bekannt (s. [7]). n
( t, ) =
=t
³ n(k =
( ), t , , d ef , f cm
)
( , )d
(5)
Bei den nachfolgenden Vergleichsberechnungen wird für den Nichtlinearitätsindex von Gl. (6) ausgegangen. · § ¸ ¨ 1,20 3 3,5 ¸ ¨1 0 ,8 +0 ,07 (t ) 3 n k ( ),t , , d ef , f cm = 1 + k ( )¨ + 0 , 08 + 0 , 004 f e ( ) (6) cm 350 ¸ 8+ ¸ ¨ ¨ d ef ¸¹ © In Gl. (6) bedeuten: t) t , und Zeitpunkte in Tagen ( (t ) k (t 0 ) = c 0 Spannungsniveau zum Zeitpunkt f cm
(
)
308
Ausgewählte Ansätze zur Verformungsvorhersage im Betonbau
2 Vergleichsberechnungen Im Rahmen der Untersuchungen in [5] wurde an vier Spannbetonbalken mit sofortigem Verbund, die durch Eigenlast und Vorspannung beansprucht waren, der Verformungszuwachs in den Viertelpunkten gemessen. Abb. 2 zeigt den Versuchsquerschnitt und die Ansicht eines Versuchselementes. Die Versuchskörper wurden so vorgespannt, dass sie während des gesamten Versuchszeitraumes (152 Tage) im Zustand I verblieben. Durch die Ausnutzung von ca. 64 % der charakteristischen Betondruckfestigkeit lag bei Eintragung der Vorspannkraft (Belastungszeitpunkt t0 = 1 Tag) der nichtlineare Kriechbereich vor. Beton B 45 Betonstahl BSt 500 M Spannstahl St 1570 /1770 (0 ) pp ,1
= 1030 N mm 2
(0 ) pp ,2
= 800 N mm 2
L=
Verformung in cm
Abb. 2. Versuchsquerschnitt sowie Ansicht und Messstellen eines Versuchselementes -4,0 -3,5 -3,0 Mittelwerte der Messwerte bei L/2 effektiver Elastizitätsmodul vereinfachte Verformungsgleichung
-2,5
allgemeine Verformungsgleichung
-2,0
nichtlineares Kriechen lineares Kriechen
-1,5 0
40
80
120
160 Zeit in Tagen
Abb. 3. Vergleich der mit unterschiedlichen Verformungsgleichungen und unterschiedlichen Kriechansätzen bestimmten Berechnungsergebnisse (linearer Spannungs-Dehnungs-Ansatz) mit den Messwerten der Verformungen
Wolfgang Krüger, Olaf Mertzsch
309
Verformung in cm
Abb. 3 zeigt einen Vergleich der Versuchsergebnisse mit den Vorhersagewerten auf der Grundlage unterschiedlicher Berechnungsansätze (Kriech- u. Schwindansätze nach [1] mit RH = 80 %). Die Berechnungsergebnisse auf der Grundlage eines linearen - -Ansatzes weisen für frühe Betrachtungszeitpunkte keine gute Übereinstimmung mit den Messergebnissen auf. -4,0 -3,5 -3,0 Mittelwerte der Messwerte bei L/2
-2,5
linearer Spannungs-Dehnungs-Ansatz nichtlinearer Spannungs-Dehnungs-Ansatz
-2,0 -1,5 0
40
80
120
160 Zeit in Tagen
Abb. 4. Vergleich der mit unterschiedlichen Spannungs-Dehnungs-Ansätzen bestimmten Berechnungsergebnisse (nichtlinearer Kriechansatz) mit den Messwerten der Verformungen
Verformung in cm
In Abb. 4 ist erkennbar, dass mit einem nichtlinearen - -Ansatz und einem nichtlinearen Kriechansatz die beste Vorhersagegenauigkeit erreicht wird. -4,0 -3,5 -3,0 Mittelwerte der Messwerte bei L/2
-2,5
Ansatz DAfStb-H.525
Ansatz EC 2 T. 1-1 - Anhang 1
-2,0 -1,5 0
40
80
120
160 Zeit in Tagen
Abb. 5. Vergleich der mit unterschiedlichen Kriech- und Schwindgleichungen bestimmten Berechnungsergebnisse (nichtlinearer Kriechansatz) mit den Messwerten der Verformungen
310
Ausgewählte Ansätze zur Verformungsvorhersage im Betonbau
In Abb. 5 wird eine Darstellung der Berechnungsergebnisse auf der Grundlage unterschiedlicher Kriech- und Schwindansätze ([1] und [2]) vorgenommen. Hiernach führen die Ansätze nach [2] zu geringeren Vorhersagewerten. Die Vorhersagewerte nach [1] und [2] mit einem nichtlinearen - -Ansatzes und einem nichtlinearen Kriechansatzes grenzen die Versuchswerte ein.
3 Fazit Ein Vergleich der Berechnungsergebnisse zeigt, dass mit nichtlinearen Spannungs-Dehnungs-Ansätzen eine bessere Verformungsvorhersage erzielt werden kann als mit linearen Ansätzen. Besonders für frühe Betrachtungszeiträume kann mittels nichtlinearer Kriechansätze eine wesentliche Verbesserung der Verformungsvorhersage erreicht werden. Abschließend bleibt festzustellen, dass der Grad der Übereinstimmung der Vorhersagewerte mit den Messdaten auch bei kompliziertesten Berechnungsansätzen immer nur so gut sein kann, wie es gelingt, die Umweltbedingungen (z. B. Luftfeuchtigkeit und Temperatur) und die Spannungs-Dehnungs-Beziehungen durch möglichst wirklichkeitsnahe Eingabedaten und Funktionen zu erfassen.
4 Literatur [1] DIN V ENV 1992-1-1: Planung v. Stahlbeton- u. Spannbetonbauteilen. Teil 1-1: Grundlagen und Anwendungsregeln f. den Hochbau, Anhang 1; Ausgabe 06.1992 [2] Erläuterungen zur DIN 1045-1; DAfStb-Heft 525, Beuth Verlag, Berlin 2003 [3] Arutjunjan, N. Ch.: Nekotorye voprosy teorii polzuþesti (Einige Fragen der Kriechtheorie). Moskau, Leningrad, 1952. [4] Krüger, W.: Anwendung der Theorie des elastisch-kriechenden Körpers im linearen und nichtlinearen Bereich bei der Bestimmung der zeitabhängigen Spannungen und Verformungen einachsig beanspruchter Stahlbeton- und Spannbetonquerschnitte; Diss. B, Wismar 1983 [5] Krüger, W.; A. Merhi: Kriechen von hochfestem jungen Beton; Abschlußbericht zum Forschungsvorhaben 346.2 des DAfStb, Universität Rostock 1994 [6] Trost, H.: Dischingers grundlegende Arbeiten und neuere Erkenntnisse über die Auswirkungen des zeitabhängigen Werkstoffverhaltens in vorgespannten und nicht-vorgespannten Stahlbetonkonstruktionen. in Spannweite der Gedanken. Springer-Verlag, Berlin, 1987. [7] Mertzsch, O.: Zum Einfluss zeitvarianter Materialgesetze auf die Verformungsvorhersage von biegebeanspruchten Betonbauteilen; Habilitationsschrift, Rostocker Berichte aus dem Fachbereich Bauingenieurwesen, Heft 10, Rostock 2003
Berechnung von Verbundquerschnitten mit Hilfe der mathematischen Optimierung Erich Raue
Alternativ zu den traditionellen Berechnungsverfahren für biege- und normalkraftbeanspruchte Verbundquerschnitte, Stahlbetonquerschnitte eingeschlossen, wird ein Berechnungsmodell auf der Grundlage des Prinzips vom Minimum des Gesamtpotentials vorgestellt. Das Problem wird auf eine Extremalaufgabe zurückgeführt, die sich mit Hilfe der mathematischen Optimierung lösen lässt. Dieser methodische Ansatz, insbesondere als kinematische Problemformulierung, hat den Vorteil, dass unabhängig von Art und Grad der Diskretisierung der Querschnitte nur drei Problemunbekannte auftreten. Nichtlineares Materialverhalten einschließlich Rissbildung sich ohne Modifikation der Berechnungsstrategie berücksichtigen. Zur Formulierung der Berechnungsabläufe und zu deren Realisierung kann Standardsoftware, wie z. B. EXCEL, verwendet werden, wobei nur ein Grundverständnis für die mechanischen Sachverhalte und die dazugehörige methodische Problemstrukturierung erforderlich ist.
1 Problemstellung Die nachfolgenden Betrachtungen beziehen sich auf Verbundquerschnitte, Querschnitte aus Stahlbeton eingeschlossen, die durch Biegemomente und Normalkräfte beansprucht sind und für die angenommen werden kann, dass sie bei Verformung eben bleiben und dass die einzelnen Querschnittsanteile unverschieblich miteinander verbunden sind. Die Berechnungsmodelle für Verbundquerschnitte beruhen traditionell auf der Betrachtung des Gleichgewichts der Spannungen und Kräfte, der Kompatibilität der Verformungen und der Spannungs-Dehnungsbeziehungen der einzelnen Querschnittsanteile. Alternativ kann das Berechnungsmodell auf Extremalprinzipien aufgebaut werden, wobei eine der drei vorgenannten Modellkomponenten durch eine Extremalbedingung ersetzt wird. Bei Verwendung des Prinzips vom Minimum der komplementären Formänderungsenergie ergibt sich eine statische Formulierung des Problems. Auf diesem Ansatz beruht die in [1] beschriebene Methode zur Ermitt-
312
Berechnung von Verbundquerschnitten
lung der Spannungen in Stahlbeton- und Spannbetonquerschnitten, bei der sowohl die durch Kriechen und Schwinden des Betons als auch die durch Rissbildung bedingten Umlagerungen berücksichtigt werden können. Anwendungen der quadratischen Optimierung nach diesem methodischen Ansatz werden in [2] demonstriert. Wie in [3] gezeigt, bietet eine kinematische Formulierung des Extremalproblems gegenüber der statischen Formulierung eine Reihe von Vorteilen, insbesondere hinsichtlich der Anzahl der Problemunbekannten. Eine kinematische Formulierung der Extremalaufgabe zur Bestimmung der Formänderungen ergibt sich nach dem Prinzip vom Minimum des Gesamtpotentials. Danach gilt: Von allen kinematisch zulässigen Formänderungen eines Systems treten diejenigen ein, für die das Gesamtpotential des Systems ein Minimum wird =
i
+
a
= Minimum .
(1)
Hierbei sind i die Formänderungsenergie und a die potentielle Energie der äußeren Kräfte. Die Formänderungen des Systems sind kinematisch zulässig, wenn sie die Kompatibilitätsbedingungen erfüllen und vorgegebene Restriktionen für die Formänderungen nicht verletzen.
2 Kompatibilitätsbedingungen und Restriktionen für die Formänderungen Zum Verformungsverhalten des Verbundquerschnitts wird angenommen, dass der Verbund zwischen den Querschnittsanteilen i (i = 1,...,n) unverschieblich ist und dass die Querschnitte auch im verformten Zustand eben bleiben. Unter diesen Voraussetzungen ist die Dehnung (y,z) in einem beliebigen Punkt des Querschnitts mit den Koordinaten y und z eindeutig durch drei Formänderungsgrößen bestimmt, z.B. durch die Dehnungen in drei ausgewählten Punkten der (y,z)-Ebene oder durch die Dehnung 0 im Schwerpunkt sowie die beiden Krümmungen y und z, bezogen auf die y- und z-Achse ( y,z ) =
0
+
yy
+
zz
.
(2)
Die Dehnungen (y,z) der einzelnen Querschnittsanteile i entsprechen den Dehnungen (y,z), sofern sie im gleichen Deformationsprozess entstehen. Verformungen einzelner Querschnittsanteile, z.B. infolge Vorspannung, Vorbelastung, Temperatur oder infolge Schwindens und Kriechens des Betons sowie bleibende Verformungen infolge Plastizierung sind als Vorverformungen (0)(y,z) zu berücksichtigen. Vielfach werden den Formänderungen des Querschnitts oder einzelner Querschnittsanteile Restriktionen auferlegt, zum Beispiel gefordert, dass die Dehnun-
Erich Raue
313
gen oder von ihnen abgeleitete Größen gr( ) (r = 1,...,s) vorgegebene Grenzwerte gr* nicht überschreiten gr (
i
g *r
)
( r = 1,..., s ) .
(3)
Diese Restriktionen in Form von Ungleichungen lassen sich unmittelbar in die zugeordnete Optimierungsaufgabe integrieren.
3 Materialgesetz und Formänderungsenergie Das Materialverhalten des einzelnen Querschnittsanteils i ist durch den funktionellen Zusammenhang zwischen der Spannung i und der Dehnung i beschrieben = Fi (
i
).
i
(4)
Die spezifische Formänderungsenergie wi des Querschnittsanteils i ist bestimmt durch i
wi = wi (
i
)=
i
³
i d
=
i
³F ( i
0
i
)d
i
.
(5)
0
Sie kann geometrisch als die Fläche unter der Arbeitslinie interpretiert werden. Für linear-elastisches Material ist i
= Ei
(6)
i
und Wi = 0 ,5 Ei
2 i
.
(7)
Materialspezifisch werden die Funktionen Fi( ) nach Gl.(4) und wi( ) nach Gl.(5) in der Regel abschnittsweise durch analytische Ausdrücke beschrieben. Für linearelastisch-ideal-plastisches Material ergibt sich für die Spannungsdehnungsbeziehung
i
Ri °° = ® Ei i ° + °¯ Ri
für für für
i + i i
die spezifische Formänderungsenergie
< > >
i i + i
= Ri / Ei >
i
=
Ri+
(8) / Ei
314
Berechnung von Verbundquerschnitten
0 ,5 Ei ( i )2 + ( Ri )( ° 2 ° wi = ®0 ,5 Ei i ° + 2 + °0 ,5 Ei ( i ) + Ri ( i ¯
i
)
i
+ i
)
i
=
.
(9)
/ Ei
Hierbei sind Ri+ bzw. Ri die Fließgrenzen bei Zug bzw. Druck und i+ bzw. i die zugehörige Dehnung bzw. Stauchung. Wenn bei allgemein nichtlinearem Materialverhalten die SpannungsDehnungsbeziehung durch eine Potenzfunktion
i
ª « =« « ¬
§ ¨ a ¨ ¨ =1 ©
¦
definiert werden kann, wobei gration für wi ª « wi = « « ¬
n
¦
· ¸ ¸ ¸ i1 ¹
n
i1
a
=1
i
º » » Ri » ¼
(10)
eine Bezugsdehnung ist, erhält man durch Inte-
§ ¨ ¨ + 1 ¨©
· i ¸ ¸ ¸ i1 ¹
( +1 ) º
» » » ¼
i 1 Ri
.
(11)
Die Integration der spezifischen Formänderungsenergie wi( i) über den Bereich Bi des Querschnittsanteils i mit der Fläche Ai liefert die Formänderungsenergie Q i,i für den Querschnittsanteil i (i)
Q i ,i
=
³³ ³ Bi
( i ) d ( i ) dzdy
0
=
³³ w [ i
i
(
0
,
y, z
]
, y , z ) dydz = wim Ai .
(12)
Bi
Hierbei ist wim = wim( 0, y, z) der Mittelwert der Funktion wi im Integrationsgebiet Bi, der entsprechend Gl. (2) von den Parametern 0, y und z der Dehnungsebene abhängig ist. Für den Fall, dass die Dehnungen i über den Querschnittsanteil konstant sind oder als solches angenommen werden können, geht die Beziehung (12) über in Q i ,i
= wi Ai .
(13)
Die Formänderungsenergie iQ für den gesamten Verbundquerschnitt ist die Summe von i,iQ über alle n Querschnittsanteile n
Q i ( 0
,
y,
z
)=
¦ i =1
Q i ,i
(
0,
y, z
).
(14)
Erich Raue
315
Nach Gl. (14) ist die Formänderungsenergie des Querschnitts nur von den drei Parametern 0, y und z abhängig. Insofern die Integrationen nach Gl. (12) numerisch durchgeführt werden, haben Art und Grad der Diskretisierung auf die Anzahl der Problemvariablen keinen Einfluss. Hieraus resultiert ein beachtlicher Vorteil gegenüber einer statischen Formulierung des vorliegenden Problems.
4 Potentielle Energie der äußeren Kräfte Bei Beanspruchung des Querschnitts durch eine Normalkraft N und zwei Biegemomente My und Mz ist die potentielle Energie der angreifenden Schnittgrößen Q a
=
Q a ( 0
,
y, z
)= (N
+My
0
y
+ Mz
z
).
Sie ist wie die Formänderungsenergie von den Deformationsgrößen abhängig.
(15) 0,
y
und
z
5 Optimierungsaufgabe Auf der Grundlage des Prinzips vom Minimum des Gesamtpotentials erhält man unter Nutzung der Gl.n (14)(15) folgende im Allgemeinen nichtlineare Optimierungsaufgabe: Zielfunktion (ZF) Q
(
0
,
y, z
)=
Q i ( 0
,
y, z
)+
,
y, z
)
Q i ( 0
,
y, z
) = Minimum
(16)
Nebenbedingungen (NB)
gr (
0
g *r
(17) .
Zur Lösung dieser Aufgabe stehen leistungsfähige Programme zur Verfügung. Im vorliegenden Fall bietet bereits Standardsoftware, wie EXCEL, MATLAB usw., die Möglichkeit, nicht nur lineare und quadratische, sondern auch nichtlineare Optimierungsaufgaben zu lösen. Mit der Formulierung mechanischer Probleme als Optimierungsaufgabe werden prinzipiell neue Möglichkeiten für die Tragwerksanalyse erschlossen. Insbesondere kann sich der Tragwerksplaner mit geringem Zeitaufwand nach der vorgestellten Berechnungsstrategie ein wirkungsvolles Instrumentarium aufbereiten, das er
316
Berechnung von Verbundquerschnitten
besonders dann effektiv einsetzen kann, wenn kommerzielle Rechenprogramme spezielle Probleme nicht abdecken oder wenn deren Einsatz bzw. Anschaffung im konkreten Fall verhältnismäßig aufwendig ist.
6 Anwendung auf Stahlbetonquerschnitte Mit der oben genannten Methode und den Ansätzen (6) bis (11) lassen sich verschiedenartige Spannungs- und Formänderungsberechnungen an Stahlbeton- und Spannbetonquerschnitten durchführen. Da die Bewehrung diskret in einzelnen Bewehrungsstäben k mit den Querschnittsflächen As,k angeordnet ist und die Dehnungen s,k, stabweise konstant sind, wird die Formänderungsenergie sQ der Bewehrung nach Gl. (13) bestimmt. Im Allgemeinen kann für Betonstahl näherungsweise ein linear-elastisch-idealplastisches Materialmodell entsprechend den Gl.n (8)(9) angenommen werden. Mit den Bezeichnungen nach DIN1045-1 sind in diesen Gleichungen als Index i = s und Rs+ = Rs = f y ,
+ s
=
s
= f y / Es
(18)
zu setzen. Für den Beton werden je nach Beanspruchungssituation und Rissbildung unterschiedliche Annahmen zum Materialverhalten getroffen. Solange der Beton als ungerissen (Zustand I) und als linear-elastisch betrachtet werden kann, gelten die Gl.n (6)(7) mit i = c. Für Beton mit gerissener Zugzone und linear-elastischem Verhalten in der Druckzone werden die Gl.n (8)(9) modifiziert, indem der Parameter Rc+ = 0 gesetzt wird: c
° E =® c °¯0
c
0
°0 ,5 E c wi = ® °¯0
2 c
für
c
0
für
c
>0
.
(19)
Für nichtlineare Berechnungen kann nach DIN1045-1 die Beziehung
c
§ k ¨ =¨ ¨1+(k ©
· ¸ ¸( f c ) 2 ) ¸¹ 2
mit
=
c
c
0
(20)
c1
verwendet werden, die sehr gut durch eine Potenzfunktion nach Gl. (10) mit den Koeffizienten
Erich Raue
a
°k =® ( °¯( 1 )
für = 1 1)
2
( k 1) ( k
(
2)
2)
für
2.
317
(21)
approximiert werden kann. Analog lässt sich die Formänderungsenergie des Betons im Grenzzustand der Tragfähigkeit mit Hilfe des Ansatzes nach DIN1045-1 bestimmen.
7 Schlussfolgerung Die vorgestellte Konzeption zur Spannungs- und Dehnungsberechnung an Verbundquerschnitten basiert auf einer einheitlichen methodischen Basis mit der nichtlinearen Optimierung als Kern. Diese Konzeption kann direkt auf die Berechnung der Verschiebungen von Verbundtragelemente übertragen werden, z.B. auf die Durchbiegungsberechnung von Stahlbetonelementen unter Berücksichtigung von Vorverformungen und Rissen [3].
8 Literatur [1] Raue, E.; Ackermann, G.; Ebel, L.; Setzpfandt, G.: Spannungsumlagerungen in Verbundquerschnitten aus Fertigteilen und Ortbeton statisch bestimmter Träger infolge Kriechen und Schwinden unter Berücksichtigung der Rissbildung. Deutscher Ausschuß für Stahlbeton. Verlag W. Ernst & Sohn, H. 431, Berlin, 1992 [2] Raue, E.; Marx, S.: Analyse von Stahlbetonquerschnitten mit Methoden der mathematischen Optimierung, 37. Forschungskolloquium des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, DAfStb, Bauhaus-Universität Weimar, 1999 [3] Raue; E.: Alternative mathematical modelling in the analysis of reinforced concrete structures, 8th International Conference „Modern building materials, structures and techniques“, Faculty of Civil Engineering, Vilnius Technical University, 2004
Rissschäden an Außenwänden aus Mauerwerk infolge Deckenverformung Nadine Krauns
Der Auflagerung von Dachdecken auf Mauerwerk wird seit Jahrzehnten große Aufmerksamkeit gewidmet. Grund dafür sind Bauschäden, die in der Vergangenheit häufig Anlass zur Reklamation gaben. Diese Rissschäden hängen vor allem damit zusammen, dass die unterschiedlichen Verformungskennwerte der Baustoffe bei der Planung unterschätzt werden. In diesem Beitrag wird näher auf die Ursache der Rissbildung und die konstruktive Ausbildung des Deckenauflagers eingegangen. Ziel des noch laufenden Forschungsvorhabens ist es, die maßgebenden Einflussfaktoren für die Rissentstehung zu bestimmen und anhand von numerischen Untersuchungen die Wirksamkeit konstruktiver Maßnahmen zur Rissvermeidung darzulegen. Des Weiteren sollen aufbauend auf bekannten Konstruktionsdetails neue Lösungen entwickelt und deren Wirksamkeit und Praxistauglichkeit beurteilt werden.
1 Allgemeines Die Notwendigkeit für Untersuchungen bezüglich des Zusammenwirkens von Außenmauerwerkswänden und Stahlbetondecken ergibt sich aus den in der Praxis häufig auftretenden Schadensbildern. Trotz Einhaltung der konstruktiven Vorgaben der Normen DIN 1053-1 [1] und DIN 1045 [2] bzw. DIN 1045-1 [3] kommt es unter bestimmten Bedingungen zu horizontal verlaufenden Rissen, die sich i. Allg. nicht auf die Standsicherheit auswirken, jedoch die Gebrauchstauglichkeit und Ästhetik erheblich beeinträchtigen. Diese Risse treten vermehrt in den Eckbereichen unter der obersten Geschoßdecke auf, da die entstehenden Zugspannungen wegen der geringen Auflast nur in sehr geringem Maße überdrückt werden.
320
Rissschäden an Außenwänden aus Mauerwerk infolge Deckenverformung
2 Ursachen der Rissbildung Schadenverursachend sind die für die Wandkonstruktion unverträglich großen Deckenverformungen. Bei den Anforderungen an die Baustoffe wird teilweise übersehen, dass auch die Verformungseigenschaften bei der Planung mit einzubeziehen sind. In der Praxis erfolgt der Nachweis der Deckendurchbiegung üblicherweise nicht durch eine explizite Berechnung, sondern vereinfacht durch Einhaltung der Biegeschlankheit. Dabei werden jedoch die unterschiedlichen Randbedingungen, wie z.B. Stein-Mörtel-Kombination der Wand, Wand- und Deckenstärke, die Höhe und der Beginn der Belastung sowie die konstruktive Ausbildung des Wand-Decken-Knotens nicht berücksichtigt. Massivdecken, insbesondere Stahlbetondecken, sind Form- und Längenänderungen unterworfen, die aus elastischer Verformung, Kriechverformung, thermischer Längenänderung und Längenänderung durch Schwinden resultieren. Die langsam und langzeitig ablaufenden Form- und Längenänderungen der Decke werden als Zwängungsspannung über das Auflager Decke/Wand in das Mauerwerk eingetragen. Die Durchbiegung der Decke unter Last sowie durch Kriechen und infolge Temperaturdifferenz führt zu einer Verdrehung und Aufschlüsselung am Auflager und somit zu ungleichen und exzentrischen Lasten im Mauerwerk, während durch das Schwinden eine Längenänderung der Decke (Deckenverkürzung) bewirkt wird.
Abb. 1. Deckenverformungen [4]
Die in der Wand als Folge der Zwängungen erzeugten Biegezugspannungen können zum Versagen des Haftverbundes Mauerstein/Mauermörtel und damit zu ei-
Nadine Krauns
321
nem horizontalen Riss im Mauerwerk führen, der dem Verlauf der Lagerfugen folgt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Zugspannungskomponenten in der Wand nicht durch entsprechend große Auflasten überdrückt werden (z. B. im Bereich der Dachdecke).
Abb. 2. Rissbildung infolge Deckenverdrehung [5]
3 Anforderung an das Deckenauflager Zur konstruktiven Ausbildung des Wand-Decken-Knotens enthalten weder die DIN 1053-1 [1] noch der Kommentar zur DIN 1053-1 eine Festlegung. In DIN 1053-1 wird zwar ausdrücklich auf Zwängungsspannungen hingewiesen, die aus der starren Verbindung von Baustoffen unterschiedlichen Verformungsverhaltens resultieren, und es wird gefordert, durch konstruktive Maßnahmen (z. B. zwängungsfreie Anschlüsse) sicherzustellen, dass die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der baulichen Anlage nicht unzulässig beeinträchtigt werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie die Festlegung „Anschluss durch Haftung und Reibung“ der DIN 1053-1 unter diesen Bedingungen konkret einzuhalten ist. Das Deckenauflager muss die Ableitung der Deckenlasten in die tragende Wand, die Aufnahme von horizontalen Kräften aus Wind und Erdbeben sowie die Aufnahme von Längenänderungen (Schwinden) und Deckendurchbiegungen schadensfrei bewältigen. Aus statischer Sicht ergeben sich somit zwei Anforderungen an die Ausführung des Wand-Decken-Knotens [6]: (1) Zur Aufnahme der an der Wand angreifenden Horizontallasten muss es sich wie ein starres Lager verhalten. (2) Zur Verhinderung bzw. Reduzierung der Belastung der Wand durch Formund Längenänderungen der Decke müsste es sich wie ein horizontal bewegliches Lager verhalten.
322
Rissschäden an Außenwänden aus Mauerwerk infolge Deckenverformung
4 Konstruktive Ausbildung des Wand-DeckenKnotens Erfahrungen an bestehenden Bauwerken haben gezeigt, dass bei ungünstig ausgebildeten Auflagerkonstruktionen die Formänderungen der Decke in die Außenwand übertragen werden – die Risssicherheit im Außenwandbereich von Deckenauflagern ist somit in vielen Fällen nicht gegeben. Bei den konstruktiven Maßnahmen zur Vermeidung von Rissen müssen folgende Probleme berücksichtigt und beseitigt werden: Da die durch die Längenänderung der Decke ausgelösten Kräfte vom Mauerwerk nicht schadlos aufzunehmen sind, sollte sich die Decke verformen können, ohne dass am Auflager rissauslösende Kräfte in das Mauerwerk eingeleitet werden. Dies kann durch einen Mörtelabgleich und durch die Anordnung einer Trennschicht (z. B. Bitumendachbahn) im Auflagerbereich oberhalb und unterhalb der Geschossdecke erfolgen. Der Mörtelabgleich verhindert, dass der Beton in die Hohlräume der Mauersteine läuft, während die Trennschicht dafür sorgt, dass sich die Decke bei Verkürzung zwischen den Trennlagen herausziehen kann. Untersuchungen von Schubert [7] ergaben, dass die Trennschicht bis etwa 1,50 m beidseits von der Gebäudeecke gehen sollte. Um zu verhindern, dass der Wandputz durch die Bewegung der Decke aufbricht, sollte im Zwickel Wandputz/Deckenputz ein Kellenschnitt erfolgen [4]. Ein leichtes Überreiben des Kellenschnittes macht ihn weniger deutlich erkennbar, behindert seine Wirkungsweise aber nicht. Infolge der Deckendurchbiegung entsteht durch außermittigen Lasteintrag eine Druckbelastung auf die Innenkante des Mauerwerks. Diese Kantenpressung an der Innenseite des Deckenauflagers kann durch den Einbau eines Streifens aus Schaumstoff oder gleichwertigen Materialien über der Wandinnenkante verringert werden [4]. Die Lasteinleitung wird dadurch zentriert und der Drehpunkt weiter zur Wandmitte verschoben. Darüber hinaus kann die Wand über dem Deckenauflager angehoben werden, da bei Deckendurchbiegung deren Oberkante die darüber stehende Wand aushebelt. Gegen diese Endwinkelverdrehung hilft der Einbau einer oben liegende Trennlage (Bitumenpappe) und eines wenige Zentimeter breiten elastischen Streifens in der Mörtelfuge oberhalb der Deckenaußenkante. Ein Offenlassen eines adäquaten Streifens der Lagerfuge oberhalb der Deckenaußenkante ist ebenfalls möglich. Die experimentellen Untersuchungen von Avak und Sterneck [6] zeigten, dass bei Anordnung einer Bitumendachbahn R 500 – DIN 52128 horizontale Lasten aus Wind und Erdbeben (kurzzeitige Einwirkung) in die Deckenscheibe eingetragen werden, ohne dass es zu einer unzulässigen Verschiebung im Bereich des Auflagers Decke/Wand kommt. Demgegenüber führt die durch die Schwindverkürzung der Stahlbetonmassivdecke verursachte, langzeitig anliegende Schubspannung im Bereich der Trennschicht zu einem kalten Fliessen der Bitumendachbahn R 500. Die Biegezugspannung in der Wand senkrecht zur Lagerfuge,
Nadine Krauns
323
die aus der Schwindverkürzung der Stahlbetonmassivdecke resultiert, wird dadurch in ihrer Größe wesentlich abgemindert. Zur Verminderung des aus der Deckendurchbiegung in das Deckenauflager eingetragenen Momentes ist, laut Avak und Sterneck [6], eine streifenförmige Vermörtelung der ersten Lagerfuge oberhalb der Rohdecke empfehlenswert. Eine solche streifenförmige Vermörtelung ist nach DIN 1053-1 [1], Abschnitt 9.2 zwar nicht zulässig, erscheint aber in den Fällen, in denen die zulässigen Druckspannungen des Mauerwerks nicht in vollem Umfang ausgenutzt werden (z.B. Dachdecke mit Kniestock), tolerierbar. Soweit erforderlich, ist der Einfluss auf die zulässigen Druckspannungen abzuschätzen. Eine weitere Gefahr ist die Verformung von Decken in Eckbereichen, das „Aufschüsseln“. Es resultiert aus der Deckendurchbiegung und der Verdrillung der Ecken bei gleichzeitig fehlender Auflast. Eine Reduzierung dieser Verformung kann erreicht werden durch: ¾ das Aufbringen ausreichender Auflast. Eine Versteifung des Eckbereichs erfolgt beispielsweise durch entsprechende Randbalken (Attika). Diese Maßnahme ist jedoch wegen Schwinden und Temperaturdehnung des Randbalkens i. Allg. nur wenig wirksam. Die aus dem Schwinden der Attika entstehende Zugkräfte können die Rissbildung sogar noch verstärken [7, 8]. die vertikale Verankerung der Decke durch Stahlbeton-Zugglieder in den Wandecken. Die Verankerung der Decke im Gebäudeeckbereich mit der unteren Decke bzw. dem unteren Mauerwerk erfolgt durch Stahlbetonzugstützen [9]. Diese übertragen die Zugkräfte in die Decke darunter, wo ausreichende Lasten zur schadensfreien Aufnahme vorhanden sind. Die Stahlbeton-Zugglieder bilden eine wirksame Verdübelung an den kritischen Rändern der Lagerfugen, wodurch deren Rissgefährdung stark verringert wird. ¾ den Verzicht auf Drillbewehrung und oberer Einspannbewehrung am Deckenrand [10, 11]. ¾ die Schaffung von Sollbruchstellen an der Deckenoberseite [8]. Eine solche Sollbruchstelle in der Ecke entsteht, indem in die Betondecke diagonal über die Ecke eine Holzlatte eingelegt wird.
5 Ziele Im Rahmen dieses vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung unterstützten Forschungsprojektes werden folgende Schwerpunkte untersucht: Neben der Bestimmung der maßgebenden Einflussfaktoren für die Rissentstehung, sollen neue Lösungen bezüglich der Ausbildung des Wand-Decken-Knotens (aufbauend auf bekannten Konstruktionsdetails) und konstruktiver Regeln zur Erhö-
324
Rissschäden an Außenwänden aus Mauerwerk infolge Deckenverformung
hung der Risssicherheit von Außenwänden entwickelt werden. Anschließend erfolgt die Modellierung des nichtlinearen Materialverhaltens von Mauerwerk und Stahlbeton einschließlich der Interaktion Stahlbetondecke/Wand. Für Beton werden dabei weitere wesentliche Einflüsse wie Drillsteifigkeit, Tragverhalten des Betons auf Zug (Zustand I und Mitwirkung zwischen den Rissen) und Lastgeschichte berücksichtigt. Im Rahmen der numerischen Untersuchungen erfolgen Parameterstudien, in denen die praxisrelevanten Kombinationen ausgewertet und die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit dieser konstruktiven Maßnahmen beurteilt werden. Für den Einsatz in der Praxis werden die Ergebnisse in Form von gewerkeübergreifenden Empfehlungen bezüglich der konstruktiven Ausbildung des WandDecken-Knotens und sonstiger konstruktiver Maßnahmen in Abhängigkeit von den verschiedenen Randbedingungen dargestellt.
6 Literatur [1] DIN 1053-1: Mauerwerk – Teil 1: Berechnung und Ausführung; 11.1996 [2] DIN 1045: Beton und Stahlbeton - Bemessung und Ausführung; 07.1988 [3] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion; 07.2001 [4] Deckenauflager von Massivdecken auf Ziegelmauerwerk; Ziegel Bauberatung [5] Pfefferkorn, W.: Deckenlagerung auf Außenwandmauerwerk; Rissbildung im Bereich der Stahlbetondecke. Bauschäden-Sammlung Band 6, 2. Auflage, IRB Verlag, Stuttgart 1993 [6] Avak, R.; Sterneck, D.: Untersuchungen zur Ausbildung des Auflagers von Massivdecken auf Mauerwerkswänden; Bautechnik 73 (1996); Heft 11; Ernst & Sohn; Berlin; 1996 [7] Schubert, P.: Vermeiden von schädlichen Rissen in Mauerwerkbauteilen; MauerwerkKalender 1996; Ernst & Sohn; Berlin; 1996 [8] Oberste Geschoßdecke an Gebäudeecken; Brennpunkt Thermopor; Jahrgang 1996; Ulm [9] Pfefferkorn, W.: Wandscheiben aus Ziegelmauerwerk; Rissbildung durch schwindenden Stahlbetongurt; Bauschäden-Sammlung; Band 7; Forum-Verlag; Stuttgart; 1988 [10] Leonhardt, F.; Mönnig, E.: Grundlagen zum Bewehren im Stahlbetonbau; Betonkalender 1979; Ernst & Sohn, Berlin; 1979 [11] Leonhardt, F.; Mönnig, E.: Vorlesungen über Massivbau - Grundlagen zum Bewehren im Stahlbetonbau (dritter Teil); Springer Verlag; 1977
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk Anton Ruile
Die Interaktion von Boden und Mauerwerk beschreibt das Verhalten von lotrecht beanspruchten, auf Streifenfundamenten gegründeten Mauerwerksscheiben bei ungleichmäßigen Setzungen im Hinblick auf die Verformungen und die Rissbildung im Mauerwerk. Untersucht wurden die Einflüsse aus der Mauerwerksfestigkeit, aus der Wandgeometrie, aus den Decken- und Fundamentsteifigkeiten sowie aus den Bodenverhältnissen. Weiterhin wurden das nichtlineare Materialverhalten der Baustoffe Beton und Mauerwerk sowie die nichtlinearen Last-Verformungs-Beziehungen verschiedener Böden berücksichtigt. Hierdurch konnten für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit wirklichkeitsnahe Grenzen der zulässigen Verformungen von Wandscheiben bei ungleichmäßigen Setzungen festgelegt werden.
1 Vorbemerkungen Bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk besteht für den Tragwerksplaner immer der Wunsch, das Gesamtsystem - bestehend aus Wandscheibe, Decke, Gründung und Baugrund - mit seinen komplexen Zusammenhängen für die Berechnung möglichst wirklichkeitsnah abzubilden. Für die Verformung und die Rissbildung von Mauerwerksscheiben bei der Boden-Mauerwerk-Interaktion sind in der einschlägigen Literatur Grenzwerte angegeben, die aus Messungen resultieren bzw. aus der Elastizitätstheorie abgeleitet wurden und ohne Angaben zur Interaktion der Komponenten Boden und Mauerwerk sind. Hier wurde die Absicht verfolgt, bei der Berechnung das jeweilige nichtlineare Materialverhalten der Stoffmodelle für die Wandscheiben, die Fundamente, die Decken und den Baugrund zu erfassen und somit die in der Literatur angegebenen Grenzwerte zu verifizieren und zu präzisieren. Hierzu wurden im ersten Schritt für sieben nichtbindige und sechs bindige Böden mit jeweils vier verschiedenen Bruchkriterien die Grenzwerteinhüllenden für die nichtlinearen Last-Verformungs-Beziehungen ermittelt. Der zweite Schritt umfasst die Berechnung der Wandscheiben unter Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhal-
326
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk
tens von Mauerwerk und Beton sowie der nichtlinearen Last-VerformungsBeziehungen der verschiedenen Böden. Daraus konnten detaillierte Erkenntnisse über die Einflüsse der Geometrie der Wandscheiben und der Fundamente, der Bodensteifigkeit und deren Verteilung, der Mauerwerksarten sowie der Bewehrung in den Fundamenten für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit gewonnen werden. Um Schäden im Mauerwerk zu vermeiden, muss auf die Begrenzung der Setzungen und insbesondere der Setzungsunterschiede geachtet werden. Mit Setzungsunterschieden sind in Abhängigkeit von der Elastizität der Gründung die Durchbiegungen des Gründungsbauwerks und somit die Verformungen des Überbaus verbunden. Durch diese Verformungen werden Biegebeanspruchungen und Spannungsumlagerungen im Überbau hervorgerufen. Die Auswirkungen von Setzungen auf Mauerwerksscheiben hängen vom absoluten Setzungsunterschied s dreier aufeinander folgender Punkte der Gründung ab. Hierfür wird der Winkel verwendete, den die Strecke von zwei benachbarten Punkten mit der Sehne der Setzungsmulde bildet einschließt. Als Grenzen der Rissfreiheit von lotrecht belasteten Mauerwerksscheiben sind in der Literatur für Sattellagerungen l/300 > crit l/1000 und für Muldenlagerungen l/600 > crit l/1000 – mit l = der Sehnenlänge - angegeben. Alle diese Schadensgrenzen wurden aus Messungen an Bauwerken und aus der Elastizitätstheorie hergeleitet. Zur Interaktion von einzelnen Komponenten wie Gründungssteifigkeit, Mauerwerksart und versteifende Wirkung von Decken wurden keine Angaben gemacht. Für die Untersuchungen an Wandscheiben aus Mauerwerk müssen zur eindeutigen Bestimmung der „kritischen Winkel“ crit für die jeweilige Lagerungsart die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit definiert werden. Der Grenzzustand der Tragfähigkeit ist eindeutig durch die zulässigen Bruchspannungen fck bzw. Bruchdehnungen uk jeder Mauerwerksart festgelegt. Anders für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit: dieser Grenzzustand ist für Mauerwerk nicht eindeutig definiert. Die maßgebenden Einflussfaktoren sind für diesen Grenzzustand die Ästhetik und die Dauerhaftigkeit. Für Mauerwerkbauteile ist die Angabe einer akzeptablen maximalen Rissbreite wmax aus ästhetischen Gesichtspunkten nur schwer möglich. Für die durchgeführten Untersuchungen wurde eine maximale Rissbreite wmax 0,4 mm festgelegt.
2 Untersuchte Böden Ausgangspunkt der Untersuchungen waren die Stoffgesetze. Zur Erfassung des dreidimensionalen Spannungszustandes im Boden und zur Behandlung des nichtlinearen Materialverhaltens des Baugrunds wurden vier verschiedene elastischplastische Stoffmodelle gewählt, die je nach Wahl der Materialkonstanten auch unterschiedliche Materialeigenschaften wiedergeben. Die vier behandelten Fließkriterien waren die von MOHR-COULOMB, von MISES-DRUCKER-PRAGER,
Anton Ruile
327
von GUDEHUS und von LADE. Für die Verformungsermittlung wurde der Boden bei der FEM-Berechnung als mit einer unendlich langen Streifenlast belasteter Halbraum diskretisiert. Um ein möglichst breites Spektrum von Last-Verformungs-Kurven zu erhalten, wurden sieben nichtbindige und sechs bindige Böden untersucht. Bei den nichtbindigen Böden handelte es sich um Sande in allen Lagerungsarten, Kies und Naturschotter. Die untersuchten bindigen Böden waren Geschiebemergel, Lehm, Ton und Schluff. Der Vergleich der Last-Verformungs-Kurven aus der nichtlinearen Berechnung für nichtbindige Böden zeigt, dass mit zunehmendem Steifemodul Es die, durch die Wahl des Fließkriteriums bedingten Abweichungen der Last-VerformungsKurven voneinander immer geringer werden. Weiterhin wird für die nichtbindigen Böden deutlich, dass die Wahl des inneren Reibungswinkels und des Dilatanzwinkels unabhängig vom Fließkriterium einen großen Einfluss auf die Verläufe der Last-Verformungs-Kurven hat. Für jede Bodenart wurden mit den minimalen und maximalen Verformungen die Einhüllenden der Last-VerformungsKurven gebildet. Bei den bindigen Böden wurde bei der Berechnung mit allen Fließkriterien außer Reibungs- und Dilatanzwinkel die minimale und maximale Kohäsion c der jeweiligen Böden berücksichtigt. Es zeigte sich, dass mit abnehmender innerer Reibung das Verhältnis von c/ einen entscheidenden Einfluss auf die Abweichungen der Last-Verformungs-Kurven aus den einzelnen Fließkriterien für den gleichen Boden hat. Die nichtlineare Ermittlung der Last-VerformungsKurven zeigt deutlich die Notwendigkeit, den unteren und den oberen Grenzwert der Kohäsion zu berücksichtigen. Auch bei den bindigen Böden wurden für jede Bodenart mit den minimalen und maximalen Verformungen die Einhüllenden der Last-Verformungs-Kurven gebildet. Die Setzungsmulden der einzelnen Böden wurden mit Setzungsmulden verschiedener Bodenmodelle aus der Literatur verglichen. Bei diesen zeigten sich zum Teil deutliche Abweichungen gegenüber den Setzungsmulden aus den FEMBerechnungen. Dies lag zum einen an der Vernachlässigung der vorhandenen Horizontalspannungen bei einigen Bodenmodellen und zum anderen an der Berücksichtigung der Plastifizierung des Baugrunds unter dem Lasteinleitungsbereich bei der nichtlinearen Berechnung.
3 Verwendete Stoffgesetze und Versagenskriterien für Mauerwerk und Stahlbeton Für Mauerwerk und für Beton lassen sich Spannungs-Dehnungs-Beziehungen des zweiachsigen Spannungszustandes direkt durch „äquivalente einachsige“ Spannungs-Dehnungs-Beziehungen darstellen. In den Berechnungen wurde deshalb für das Mauerwerk im Druck-Druck-Bereich folgende von Naraine/Sinha [4] vorgeschlagene Spannungs-Dehnungs-Beziehung verwendet:
328
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk
=
(
fc )
e
1
c
( 1)
c
Diese Spannungs-Dehnungs-Beziehung zeigt im Bereich bis zum Erreichen der Mauerwerksdruckfestigkeit fc eine gute Übereinstimmung mit Versuchsergebnissen und ist zudem von der Lagerfugenorientierung unabhängig. Für das Versagen im Zug-Zug-Bereich wurden konstante Zugfestigkeiten für die jeweilige Mauerwerksart verwendet. Hingegen beim Versagen im Druck-ZugBereich findet der Bruch als reines Fugenversagen oder als kombiniertes ZiegelFugen-Versagen statt. Da das Fugenversagen immer bei kleinen Druckspannungen senkrecht zu den Lagerfugen auftritt, lag auch hier die Annahme zugrunde, dass Fugenversagen nur bei D 0 ,4 f c auftritt. Bei den Berechnungen wurde ein modifiziertes Versagenskriterium nach Page [5] für den Druck-Druck-Bereich verwendet. Genauer beschrieben wurden das Versagenskriterium und die zugehörige Modifizierung in Ruile [6] Überschreitet eine der Hauptzugspannungen die Zugfestigkeit des Mauerwerks, so bildet sich ein Riss senkrecht zu dieser Hauptzugspannung aus. Da bei den untersuchten Wandscheiben das Mauerwerk immer als Ein-Phasen-Modell abgebildet wurde, führt dies zu der Annahme, dass ein Riss durch viele und feine Risse dargestellt wird (smeared crack approach). Ein Kriterium für die Öffnung eines Risses ist die Rissbreite, die als Rissdehnung auf eine definierte Länge bezogen werden kann. Die mittlere Rissbreite wm lässt sich somit nach der folgenden Gleichung aus der Länge des Finiten Elementes lE und der Rissdehnung crack bestimmen. ( 2) wm = crack l E Für das Mauerwerk wurde in den örtlich begrenzten Versagenszonen unmittelbar nach der Rissbildung „strain softening“ (Dehnungsaufweichung) berücksichtigt. Hierbei werden die vorhandenen Zugspannungen langsam abgebaut. Der Softeningmodulus wurde bei den untersuchten Wandscheiben mit Es = 500 MN/m2 angenommen. Die mit Stabstahl bewehrten Fundamente werden in den nachfolgenden Betrachtungen nicht explizit untersucht. Bei den Berechnungen mit FEM wurden die nachfolgend angeführten Festigkeitswerte von Beton C25/30 (nach EC2) verwendet. Die zweiaxiale Beanspruchung wurde durch die äquivalente einachsige Spannungs-Dehnungs-Linie von Saenz [7] dargestellt. Bei allen nichtlinearen Berechnungen wurde das nichtlineare Tragverhalten von Beton berücksichtigt. Zur Berücksichtigung der Einflüsse aus dem „Tension-Stiffening-Effekt“ auf die Verformungen der in dieser Arbeit betrachteten Streifenfundamente werden die Formulierungen des Model Code 90 [2] verwendet. Um die Mitwirkung von Beton auf Zug in das Finite Element Programmpaket MARC implementieren zu können, wurde mit einem „verschmierten Rissbild“ (Smeared Cracks) gearbeitet und die Variante der modifizierten Spannungs-Dehnungs-Linie des Betonstahls gewählt. Die gesamte im Beton der „Tension-Stiffening-Wirkungszone“ aktivierte Zugkraft aus dem „Tension-Stiffening“ wurde in der Arbeitslinie des Betonstahls berück-
Anton Ruile
329
sichtigt, deshalb wurde das Betonmaterialgesetz so modelliert, dass im Zug-ZugBereich vom Beton keine Spannungen aufgenommen werden. Auch für die Arbeitslinien des Betonstahls wurden isotrope Materialgesetze verwendet.
4 Beschreibung der untersuchten Wände Für alle Parameterstudien zur Boden-Mauerwerks-Interaktion wurden geschlossene Wandscheiben verwendet, die in zwei Typen eingeteilt werden können. Dies sind Wandscheibentypen ohne Decken (Typ 1) und Wandscheibentypen mit Decken oder Kopfbalken aus Stahlbeton (Typ 2). Ein dritter Scheibentyp - Wandscheibe mit Tür- und Fensteröffnungen - diente für Abschlussbetrachtungen und zum Vergleich mit den beiden geschlossenen Wandscheiben mit gleichen Abmessungen. Alle Wandscheiben wurden auf Böden mit wechselnden Steifigkeitsverhältnissen gelagert. Die Abbildung des Baugrundes in der Finite Elemente Berechnung erfolgte durch die Anwendung der Last-Verformungs-Kurven für die einzelnen Bodenarten. Die entsprechenden Kombinationen der Last-VerformungsKurven simulierten die Mulden- oder Sattellagerung der Wände.
4.1 Die Geometrie der untersuchten Wände Neben der Einteilung in die oben beschriebenen Wandscheibentypen erfolgten auch Geometrievariationen mit den nachfolgenden Maßen: Tabelle 1. Geometrievariationen Wandlänge Lw (m)
5,0
10,0
15,0
Wandhöhe hw (m)
3,0
6,0
9,0
Fundamenthöhe hF (m)
0,40
0,60
0,80
1,00
1 : 0,25
1 : 0,66
1 : 1,5
1 : 2,5
Lagerungsverhältnis LF2/LF1
20,0
1 : 4,0
Durch die Variation der Geometrie der verschiedenen Mauerwerksarten und die verschiedenen gebräuchlichen Wanddicken d ist diese große Anzahl von Wandscheiben nicht mehr zu untersuchen. Aus diesem Grund wurden zur Untersuchung eines Parameters nur wenige andere variiert.
330
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk
Abb. 1. Darstellung der untersuchten Wandscheiben (Typ 2)
4.2 Das verwendete Mauerwerk Tabelle 2. Untersuchte Mauerwerksarten und Kennwerte Mauerwerksart
Druckfestigkeit
E-Modul
MN/m2
MN/m2
HLz 1,4/12/IIa
4,6
5800
KSL 1,4/12/IIa
5,7
4200
MZ 1,8/28/III
16,2
15000
KS 1,8/28/III
12,9
8700
Für die Betrachtung der Boden-Mauerwerk-Interaktion wurden vier repräsentative Stein-Mörtel-Kombinationen gewählt, die zum einen ein möglichst großes Spektrum an Last-Verformungs-Beziehungen für Mauerwerk abdecken und zum anderen die am meisten verwendeten Mauerwerksarten wiedergeben. Die Ermittlung der Druckfestigkeiten für die einzelnen Mauerwerksarten erfolgte gemäß Eurocode EC6 [3]. Die Eigenschaftswerte für das Mauerwerk, die Mauersteine und den Mauermörtel wurden aus Schubert [8] entnommen. Die untersuchten Mauerwerksarten sind mit ihrer Mauerwerksdruckfestigkeit nach EC6 [3] in Tabelle 2 zusammengestellt.
Anton Ruile
331
4.3 Diskretisierung der Wandscheiben für die Berechnung mit der FEM Das Mauerwerk der Wandscheiben, die Fundamente und die Decken wurden mit vierknotigen Scheibenelementen diskretisiert. Die Darstellung der Bewehrung erfolgte mittels der zweiknotigen Stabelemente. Die Größe der Finiten Elemente für das Mauerwerk wurde der üblichen Steingröße - Elementmaß B/H = 50/30 cm – angepasst. Die unterschiedlichen Elementgrößen für die Fundamente und Decken resultierten aus der Geometrie und der Lage der Bewehrung (Abb. 2) sowie aus dem mitwirkenden Bereich bei der Berücksichtigung des Tension-StiffeningEffekts.
Abb. 2. Diskretisierung der Wandscheibe für die Berechnung mit FEM
Da die Wandscheiben symmetrisch belastet und die Steifigkeiten des Baugrunds immer symmetrisch verteilt sind, wurde bei der Diskretisierung nur die halbe Wandscheibe mit einer horizontalen Lagerung in der Symmetrieachse abgebildet. Die nichtlinearen Berechnungen der einzelnen Systeme erfolgten unter Verwendung des NEWTON-RAPHSON oder des modifizierten NEWTON-RAPHSON Lösungsschemas.
332
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk
5 Ergebnisse – Vergleich und Wertung Zum Vergleich der Ergebnisse aus den Parameterstudien mit den Angaben aus der Literatur ist es erforderlich, gleiche Ausgangspositionen für Parameterstudie und Literaturangabe festzulegen. Dies ist aber nur bedingt möglich, da bei den von Burland/Wroth [1] und Sommer [9] angegebenen Grenzwerten zur Verformungsbegrenzung Angaben zur zugehörigen auf das Tragwerk aufgebrachten Last fehlen. Bei den hier betrachteten Mauerwerksscheiben auf Streifenfundamenten ist es erforderlich, bei der Empfehlung von Grenzwerten die sich für die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und der Tragfähigkeit ergebenden Beanspruchungsniveaus mit zu berücksichtigen. Denn bereits bei geringen, unschädlichen Setzungen ergeben sich deutliche Spannungsumlagerungen in der Wandscheibe. Die Parameterstudie der Wandabmessungen zeigt deutlich, dass Decken oder Stahlbetonbalken in Höhe der Geschossdecke wichtige Bauteile zur Lastabtragung darstellen und ihr Einfluss größer ist als die Bauhöhe der Wandscheibe. Die Steifigkeit des Fundaments hat hierbei nur geringen Einfluss. Ohne Decken hingegen waren die aufnehmbaren Lasten deutlich abhängig von der Gründungssteifigkeit. Für die Wandscheiben mit Decken kann wegen der linear-elastischen Berechnung und bei den in Ruile [6] beschriebenen Randbedingungen der „kritische“ Winkel 570 für die Muldenlagerung angegeben werden. Für Wandscheiben ohmit 1/ ne Decken ergibt sich bei der Muldenlagerung 700 1/ 1250. Dies aber bei wesentlich geringeren aufgebrachten Lasten. Für die Sattellagerung ergeben sich 530 und bei Wandbei Wandscheiben mit Decken die Grenzwerte 460 1/ scheiben ohne Decken 910 1/ 1010. Hier sei jedoch darauf hingewiesen, dass bei beiden Lagerungsarten der kleinere Verformungswert der geringeren Last zugeordnet werden muss. Bei der Berücksichtigung des nichtlinearen Materialverhaltens, kann für Bodensteifigkeit und deren Verteilung zusammengefasst werden, dass unter den beschriebenen Randbedingungen bei der Kombination Naturschotter mit mitteldichtem eckigem Sand für die Muldenlagerung der Nachweis im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit immer erfüllt ist. Eine Angabe von Grenzwerten für diese Bodenkombination ist nicht erforderlich. Für die restlichen Bodenkombinationen ergaben sich bei der Muldenlagerung für eine Rissweite wk = 0,4 mm die folgenden Grenzwerte: 22,47 F1/Fn 133,74
0,23 Qmax
QSLS
0,53 Qmax
1390
1/
1880
Bei der Sattellagerung wird für alle Bodenkombinationen der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit maßgebend. Die maximalen aufnehmbaren Lasten und Verformungen ergeben sich für die beschriebenen Randbedingungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Bodenkombination wie folgt:
Anton Ruile
4,78 F1/Fn 133,74
0,37 Qmax
QSLS
0,87 Qmax
2890
1/
333
3290
Der Vergleich der Mauerwerksarten zeigte für die Wandscheiben mit den beschriebenen Randbedingungen bei der Muldenlagerung, dass mit den Mauerwerksarten HLz 1,4/12/IIa und KSL 1,4/12/IIa der Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit mit der aufgebrachten Last nicht erreicht wurde. Erreicht wurde nur eine maximale rechnerische Rissweite von wk = 0,33 mm. Für KS 1,8/28/III und Mz 1,8/28/III ergaben sich bei der Muldenlagerung und einem F1/Fn = 22,47 für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit folgende Grenzwerte: KS 1,8/28/III
0,28 Qmax
QSLS
0,53 Qmax
1330
1/
1670
Mz 1,8/28/III
0,27 Qmax
QSLS
0,51 Qmax
1240
1/
1530
Die bei der Sattellagerung wurden unter den gleichen Randbedingungen ermittelten Grenzkriterien können bei Ruile [6] nachgelesen werden. Der Einfluss aus der Längsbewehrung der Fundamente wurde nur für die Bodenkombination Naturschotter und Schluff und für den Mauerwerkstyp KS 1,8/28/III ermittelt. Bei der Muldenlagerung ergaben sich in Abhängigkeit von der vorhandenen Bewehrung für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit folgende aufnehmbare Lasten 0,2 Qmax QSLS 0,58 Qmax und die dazugehörigen Verformungen von 1540. 750 1/ Bei der Sattellagerung sind nur geringe Einflüsse aus der Fundamentbewehrung auf die aufnehmbare Last im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zu erkennen. Als abschließender Vergleich sollen die Grenzwerte der aufnehmbaren Lasten und der Verformungen im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit gegenübergestellt werden. Für die vergleichenden Untersuchungen wurde nur Mauerwerkstyp KS 1,8/28/III mit den in Ruile [6] beschriebenen Randbedingungen verwendet. Für die Muldenlagerung ergibt der Vergleich der Grenzwerte: ohne Öffnungen: mit Öffnungen:
0,28 Qmax 0,05 Qmax
QSLS QSLS
0,53 Qmax 0,12 Qmax
810 2120
1/ 1/
1100 3450
Für die Sattellagerung bei Wandscheiben mit und ohne Öffnungen können die folgenden Grenzwerte miteinander verglichen werden: ohne Öffnungen mit Öffnungen
0,4 Qmax 0,17 Qmax
QSLS QSLS
0,5 Qmax 0,25 Qmax
1870 1990
1/ 1/
2160 3450
334
Mauerwerksscheiben bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk
6 Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die in der Literatur angegebenen Verformungsbegrenzungen Spannungsumlagerungen, die durch die Verformung induziert werden, nicht berücksichtigen. Bei der Interaktion von Boden und Mauerwerk dürfen die vorhandenen Verformungen und die sie verursachenden Beanspruchungen nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Bei den Muldenlagerungen zeigt sich bei gleicher Wandgeometrie und Mauerwerksart, dass mit steiferem Fundament bei Bodenkombinationen mit geringen Differenzen in den Last-Verformungs-Kurven die aufnehmbare Last im Grenzzustand der Bebrauchstauglichkeit sehr hoch und die zugehörige Setzungsdifferenz sehr klein ist, während bei großen Differenzen der Last-Verformungs-Kurven eine kleine aufnehmbare Last bei einer großen Setzungsdifferenz vorhanden war. D.h. bereits kleine Verformungen können Spannungsumlagerungen verursachen, die zur Rissbildung im Mauerwerk führen. Beim Vergleich der ermittelten Grenzwerte für die zulässige Last und Verformung mit den Werten aus der Literatur ist es deshalb sinnvoll, dies immer auf einen Parameter bezogen zu sehen. Für die betrachteten, vertikal belasteten, geschlossenen Wandscheiben zeigte sich deutlich, dass nur die von Burland/Wroth [1] und Sommer [9] angegebenen zulässigen Verformungen hinreichend genau sind.
7 Literatur [1] Burland, J.B.; Wroth, C.P.: Settlement of buildings and associated damage, State-ofthe Art Review, Procceedings of the Conference of the Settlement of Strucures, Cambridge, Pentech. Press, London, 1974, pp 611 – 654 [2] CEB-FIP Model Code 1990, Final Draft, Bulletin d’information No. 203, Lausanne, CEB, 1991 [3] Eurocode 6 [4] Naraine, S.; Sinha, S.: Behaviour of brick masonry under cyclic compressive loading, ASCE Journal of the Structural Engineering, Vol. 115, No. 6, June 1989 [5] Page, A.W.: The Biaxial Compressive Strength of Brick Masonry, Proceedings, Institution of Civil Engineers, Part 2, Vol. 71, 1981, pp 893-906 [6] Ruile, A.-V.: Zur Interaktion von Boden und Mauerwerk, Berichte aus dem Konstruktiven Ingenieurbau, Technische Universität München, 2/2000 [7] Saenz, L.P.: Equation for the Stress-Strain of Concrete, ACI, Vol.61, 1964, pp 12271239 [8] Schubert, P.: Eigenschaftswerte von Mauerwerk, Mauersteinen und Mauermörtel, Mauerwerk-Kalender 1993, 18. Jahrgang, Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 1993, S. 141 – 151 [9] Sommer, H.: Messungen, Berechnungen und Konstruktives bei der Gründung Frankfurter Hochhäuser, Der Bauingenieur 53, Springer-Verlag, Berlin, 1978, S. 205 - 211
Anmerkungen zum Teilsicherheitskonzept bei schwingungsanfälligen Bauwerken Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
Die Umstellung auf das semi-probabilistische Sicherheitsformat unter Verwendung von differenzierten Teilsicherheitsbeiwerten auf der Einwirkungsund der Widerstandsseite ist eine der wesentlichen Neuerungen der neuen Normengeneration im konstruktiven Ingenieurbau. Ein wesentlicher Vorteil dieses Sicherheitskonzeptes ist es, dass Unsicherheiten zielgenau an den Stellen ihres Auftretens begegnet werden kann und damit eine weitgehende Vergleichmäßigung der Tragwerkszuverlässigkeit erreicht wird. Für eine praxistaugliche Anwendung des Teilsicherheitskonzeptes werden für das zugehörige Bemessungsformat allerdings eine Reihe vereinfachender Annahmen getroffen. Bei der Bemessung schwingungsanfälliger Tragwerke unter Windeinwirkungen sind einige dieser Voraussetzungen nicht erfüllt. Der vorliegende Beitrag stellt die diesbezüglichen Widersprüche vor und soll dazu anregen mögliche Konsequenzen zu diskutieren.
1 Grundlagen des Teilsicherheitskonzeptes Nach den Grundlagen der Zuverlässigkeitstheorie wird die Sicherheit bzw. die Zuverlässigkeit eines Tragwerkes oder seiner Bestandteile mit Hilfe der Versagenswahrscheinlichkeit pf ausgedrückt. Die Versagenswahrscheinlichkeit beschreibt dabei nicht nur den Verlust der Tragfähigkeit, sondern kann sich auch auf den Verlust der Gebrauchtauglichkeit beziehen. Die folgende Gleichung stellt dabei die mathematische Formulierung des Zuverlässigkeitsproblems dar: (1) Z=g(R,E)=R-E In dieser Formulierung bezeichnet die Zufallsvariable E die Beanspruchung (Einwirkung) und R die Beanspruchbarkeit bzw. den Widerstand (Resistance) und Z den Sicherheitsabstand zwischen den beiden Variablen. Der Vergleich der beiden Variablen findet im Regelfall auf der Ebene von Schnittgrößen, d.h. auf Querschnittsebene, statt. Ist für eine bestimmte Realisierung von ri (Widerstand) und ei (Beanspruchung) Z größer Null, befindet sich das Tragwerk in einem sicheren Zustand, anderenfalls liegt Versagen vor. Verschwindet der Sicherheitsabstand zwischen Einwirkung und Widerstand, so befindet sich das Bauwerk im Grenzzustand
336
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
seiner Tragfähigkeit. Die entsprechende Versagenswahrscheinlichkeit pf ergibt sich aus dem Volumen der gemeinsamen Verteilungsdichte fRE(r,e) im negativen Bereich des R-E Raumes. Der Sachverhalt ist in Abb.1 dargestellt.
Abb. 1. Darstellung der gemeinsamen Verteilungsdichte fRE, der Randverteilungsdichten fR und fE, der Grenzzustandsfunktion sowie des Versagensbereichs [1]
Die mathematische Lösung des Problems erhält man aus der Lösung des Faltungsintegrals: p f = P( R =
+
E < 0 ) = FZ ( z = 0 )
E
³ ³ f RS ( r , e )
dr de=
+
³ f E ( s ) FR ( e )
de
(2)
Die praktische Auswertung dieses Integrals ist mit Schwierigkeiten verbunden, da zum einen die verwendeten Verteilungsfunktionen häufig nicht geschlossen lösbar sind und zum anderen die Berechnung von gemeinsamen Verteilungsdichten ein mathematisch komplexes Problem darstellt. Dies gilt vor allem, wenn eine Korrelation zwischen Widerstand und Beanspruchung besteht. Außerdem ist eine realistische Bestimmung der Verteilungsfunktionen insbesondere im Bereich kleiner Auftretenswahrscheinlichkeiten der beteiligten Parameter problematisch. Aufgrund der geringen zugelassenen Versagenswahrscheinlichkeiten im Bauwesen ist jedoch eine wirklichkeitsnahe Modellierung gerade dieser Bereiche von großer Bedeutung. Deshalb kann die dargestellte Versagenswahrscheinlichkeit pf nur einen operativen Rechenwert darstellen. Für den konstruktiven Ingenieurbau wird ein vereinfachtes R-E Modell verwendet, welches den sog. „Sicherheitsindex “ zur Sicherstellungen hinreichender Zuverlässigkeit der bemessenen Tragwerke benutzt. In der Sicherheitstheorie 1. Ordnung werden vereinfacht normalverteilte, unkorrelierte Zufallsvariablen und eine lineare Grenzzustandfunktion angenommen. Zur Berücksichtigung anderer Verteilungen werden die Zufallsvariablen in standardisiert normalverteilte Variablen transformiert, was allerdings zur Folge hat, dass die Grenzzustandfunktion
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
337
i.d.R. eine nichtlineare Form annimmt. Als Näherung wird in der Sicherheitstheorie 1. Ordnung (FORM) die Versagensfunktion im Bemessungspunkt linerarisiert, was für die praktische Anwendung i.d.R. ausreichend genaue Ergebnisse liefert [2]. Abb. 2. zeigt die gewählte Vorgehensweise.
Abb. 2. Bestimmung des Bemessungspunktes nach FORM
Die Gleichungen (3)-(5) gelten exakt für den Sonderfall normalverteilter, unkorrelierter Zufallsvariablen und gleichzeitig linearer Grenzzustandfunktion. Die Zufallsvariablen werden in den Standardnormalraum transformiert: ~ R R=
R
~ E E=
und
R
E
(3)
E
Durch Einsetzen von Gl. (3) in die Versagensbedingung R – E = 0 und Umformen in die Hessesche Normalform erhält man: R 2 R
+
2 E
~ R+
E 2 R
+
2 E
~ E
R 2 R
+
E 2 E
=0
(4)
Hieraus erhält man den kürzesten Abstand der Grenzzustandsgeraden zum Ursprung des Standardnormalraums, den sogenannten Sicherheitsindex , welcher ein Maß für die Versagenswahrscheinlichkeit darstellt: =
R 2 R
E
+
2 E
=
Z
=
1
( pf )=
1
(1 p f )
(5)
Z
Hierin bezeichnet die Standardnormalverteilung. Die Festlegung des Sicherheitsindex gemäß DIN 1055-100 [3] und die zugehörige Versagenswahrscheinlichkeit kann Tabelle 1 entnommen werden.
338
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
Tabelle 1.
Zielwert des Zuverlässigkeitsindex sowie die zugehörige Versagenswahrscheinlichkeit pf bei standardnormalverteilten Zufallsvariablen
Grenzzustand
Tragfähigkeit Ermüdung Gebrauchstauglichkeit (nicht umkehrbar)
Zielwert des Zuverlässigkeitsindex 1 Jahr 50 Jahre pf pf 3,8 ~10-4 ~10-6 1,5 bis 3,8 ~7·10-2- 10-4
4,7
~10-3
3,0
~7·10-2
1,5
Mit Hilfe eines gewählten Zuverlässigkeitsindex kann der Bemessungspunkt, welcher für die Bemessung von Tragwerken von besonderem Interesse ist, bestimmt werden. Die Vorfaktoren in Gl. (4) entsprechen dabei dem Richtungskosinus der Normalen auf die Grenzzustandsgerade nach Abb. 2 und werden als Sensitivitätsoder Wichtungsfaktoren bezeichnet. Sie geben Aufschluss darüber, in welchem Maße eine bestimmte Basisvariable zur Versagenswahrscheinlichkeit beiträgt: R
=
R 2 R
+
und
2 E
E
E
=
2 R
+
2 E
(6)
Außerdem gilt grundsätzlich: R²
+
E²
(7)
=1
Der Lotfußpunkt auf der Grenzzustandsgeraden wird als Bemessungspunkt bezeichnet. Er ist derjenige Versagenspunkt mit der größten Wahrscheinlichkeitsdichte. Seine Koordinaten im Originalraum der Basisvariablen erhält man gemäß Abb. 2 durch Rücktransformation:
Rd = Ed =
R E
R
+
E
R
= Rk /
R
E
= Ek
E
(8)
Mit Hilfe der Wichtungsfaktoren R und E ist es bei bekannten Größen und möglich Teilsicherheitsfaktoren R und E zu bestimmen und zu kalibrieren und damit den normativ festgelegten Sicherheitsindex einzuhalten ohne eine Zuverlässigkeitsuntersuchung für jedes zu bemessende Bauteil explizit durchzuführen. R
= Rk /(
E
=(
E
+
R
R E
R E
)
) / Ek
(9)
Die Bestimmung der Wichtungsfaktoren kann allerdings bei komplexeren Systemen sehr aufwändig sein und wird je nach System und Art der Beanspruchung unterschiedliche Ergebnisse liefern. Dabei haben die Wichtungsfaktoren ähnlich wie der angenommene Verteilungstyp signifikanten Einfluss auf die Größe der Teilsicherheitsbeiwerte [4]. Wegen der Schwierigkeit der Bestimmung der Wichtungsfaktoren wurden diese in DIN 1055-100 für bestimmte Randbedingungen einheitlich zu R = 0,8 und E = 0,7 festgelegt, und daraus die entsprechenden
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
339
Teilsicherheitsbeiwerte abgeleitet. Dies stellt u.U. eine starke Vereinfachung dar (z.B. ist Gl. 7 ist nicht erfüllt), die allerdings i.d.R. auf der sicheren Seite liegt. Die dargestellte Vorgehensweise erlaubt prinzipiell eine genauere Erfassung der Streuungen einzelner Kenngrößen an der Stelle ihres Auftretens, wodurch ein gleichmäßigeres Zuverlässigkeitsniveau erreicht wird. Die zugehörigen Teilsicherheitsbeiwerte lassen sich mit Hilfe vorab definierter Versagenswahrscheinlichkeiten ermitteln, wenn geeignete Annahmen für die Häufigkeitsverteilung der in die Bemessung eingehenden streuenden Merkmale getroffen werden. Es sollte allerdings betont werden, dass die festgelegten Teilsicherheitsbeiwerte fast ausschließlich durch Kalibrierung an seit langem bestehenden Normen und nur bedingt auf Grundlage statistischer Untersuchungen ermittelt wurden.
2 Grundlagen der Berechnung schwingungsanfälliger Tragstrukturen unter Belastung von böigem Wind Die natürliche Windströmung stellt vor allem für die Bemessung filigraner und somit schwingungsanfälliger Bauwerke oftmals die maßgebende Einwirkung dar. Daraus entwickelte sich die Notwendigkeit einer wirklichkeitsnahen Modellierung der Bauwerksbelastung infolge von böigem Wind. Ab 1960 eröffnete das von Davenport entwickelte Spektralverfahren als Grundlage für eine „frequency domain analysis“ neue Perspektiven [5]. Darin wird die natürliche Windströmung als ein stochastischer Prozess definiert, welcher die Realität zutreffender beschreibt als die bis dahin verbreitete deterministische Betrachtung des Problems. Grundprinzip einer derartigen Spektralanalyse ist die Ermittlung der maximalen Bauwerksreaktion ˆx infolge von böigem Wind als Überlagerung eines zeitlichen Mittelwerts x mit der um den Spitzenfaktor g erhöhten Standardabweichung x. Das Ergebnis des Verfahrens ist ein Böenreaktionsfaktor G, der die dynamische Vergrößerung der windinduzierten Bauwerksreaktion gegenüber der mittleren (statischen) Reaktion beschreibt: (10) ˆx = x + g x ˆx G = = 1+ g x (11) x x
Mit Hilfe dieses Böenreaktionsfaktors G ist man in der Lage, eine äquivalente statische Ersatzlast (z.B. einen Staudrucks q) zu definieren, welche der Berechnung der bemessungsrelevanten Schnittgrößen zugrunde gelegt werden kann: q* = G q
(12)
340
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
In Abb. 3 ist der prinzipielle Ablauf zur Ermittlung des Böenreaktionsfaktors dargestellt. Anschließend werden die einzelnen Schritte beschrieben.
Abb. 3. Ablaufschema der Spektralanalyse nach A.G. DAVENPORT
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
341
2.1 Spektrum der Windgeschwindigkeitsschwankungen Die turbulenten Eigenschaften der natürlichen Windströmung können durch ein Spektrum der Windgeschwindigkeitsschwankungen - das sog. Böenspektrum erfasst werden, welches eine Auftragung der in den Luftteilchen enthaltenen Bewegungsenergie über die Frequenz der Windgeschwindigkeitsschwankungen darstellt. Der am häufigsten verwendete Ansatz lautet [5]: 2 SV ( n ) = 4 K v10
n: SV ( n ) : K: v10 : L: Tabelle 2.
1 f2 n 1+ f 2
(
mit f =
)
4/3
n L v10
(13)
Frequenz [Hz] Spektrale Dichte der Geschwindigkeitsschwankungen Rauhigkeitskoeffizient nach Tabelle 2 [-] mittlere Geschwindigkeit [m/s] in einer Höhe von z = 10 m Turbulenzlänge (L = 1200m)
Rauhigkeitsparameter nach A.G. DAVENPORT Oberflächengestalt
Rauhigkeitskoeffizient K
Offenes Gelände mir sehr wenigen Störungen
0,005
Gleichmäßig bebautes Gelände mit einer Gebäudehöhe von 5 – 10 m
0,009
Gelände mit hoher und unregelmäßiger Bebauung
0,015
Innenstädte mit dichter Hochhausbebauung
0,05
2.2 Windlastspektrum Um aus dem Böenspektrum zu einer Darstellung der fluktuierenden Windeinwirkung zu gelangen, welche die räumlichen Abmessungen der Windböen mit denen des Bauwerks ins Verhältnis setzt, benötigt man die aerodynamische Übertragungsfunktion a: a
R: vh : a:
=2
R vh
a
=2
R vh
ª C 3 «1 + z 3 ¬
4 h n º ª Cy b n º » » «1 + vh ¼ ¬ 2 vh ¼
mittlere Windlast [kN] mittlere Windgeschwindigkeit am Gebäudekopf [m/s] aerodynamische Vergrößerungsfunktion [-]
(14)
342
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
b: h: Cy, Cz:
angeströmte Bauwerksbreite [m] Bauwerkshöhe [m] Abklingkoeffizienten der Kohärenzfunktion (Cy = 20, Cz = 8)
Durch Multiplikation des Böenspektrums Sv(n) mit dem Quadrat der aerodynamischen Übertragungsfunktion a entsteht das Windlastspektrum SR(n) des Bauwerks: 2
SR( n ) =
a
Sv ( n ) = 4
R2
2
Sv ( n )
a
vh2
(15)
vh :
mittlere Windgeschwindigkeit am Gebäudekopf [m/s]
R:
mittlere Windlast [kN] aerodynamische Übertragungsfunktion [-]
a:
a
:
aerodynamische Vergrößerungsfunktion [-]
2.3 Antwortspektrum Die Berücksichtigung der dynamischen Eigenschaften des Systems – unter Annahme einer erzwungenen, schwach gedämpften Schwingung des Einmassenschwingers – erfolgt über die mechanische Übertragungsfunktion m: m
=
1 k
m
=
1 k
1 § ¨1 ¨ ©
2
2 § n · ·¸ § ¨¨ ¸¸ + ¸ ¨ © f1 ¹ ¹ ©
· ¸ ¹
2
§ n · ¨¨ ¸¸ © f1 ¹
2
(16)
mechanische Vergrößerungsfunktion [-] Systemsteifigkeit [kN/m] Erregerfrequenz [Hz] Eigenfrequenz des Tragwerks [Hz] logarithmisches Dämpfungsdekrement [-]
m:
k: n: f 1: :
Multipliziert man das Windlastspektrum SR(n) mit dem Quadrat der mechanischen Übertragungsfunktion m, so ergibt sich das Antwortspektrum Sx(n): Sx( n ) = a: m: Sv ( n ) :
2 m
SR( n ) =
2 m
2 a
Sv ( n )
Aerodynamische Übertragungsfunktion Mechanische Übertragungsfunktion Spektrale Dichte der Geschwindigkeitsschwankungen
(17)
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SR( n ) :
343
Spektrale Dichte der Windlastschwankungen
Mit Hilfe des Antwortspektrums kann schließlich eine Aussage über den Variationskoeffizienten der stochastischen Funktion x(t), welcher die Turbulenzintensität der Bauwerksverformung widerspiegelt, getroffen werden. Dieser bezeichnet das Verhältnis der Standardabweichung x zum Mittelwert x und beschreibt somit die Schwankungsanteile der Tragwerksantwort:
x
x
=
³ Sx( n )
dn
0
= 4
x
³
2
2
m
a
0
Sv ( n ) dn vh2
(18)
Des weiteren kann nun die Frequenz bestimmt werden, mit der innerhalb des stochastischen Prozesses x(t) durchschnittlich der Mittelwert x überschritten wird:
=
'x
=
x
³n
2
S x ( n ) dn
0
(19)
³ Sx( n )
dn
0
Diese Frequenz wird zur Ermittlung des Spitzenfaktors g benötigt, welcher den Abstand des Maximalwerts ˆx vom Mittelwert x definiert: g = 2 ln ( T:
T)+
0 ,5772 2 ln (
T)
(20)
Mittelungsintervall der mittleren Windgeschwindigkeit (i.d.R. 600 sek. bzw. 3600 sek.)
Es liegen somit alle notwendigen Werte zur Bestimmung des Böenreaktionsfaktors G vor, welcher sich schließlich ermittelt zu: ª G = «1 + g ¬
xº x »¼
(21)
Die dargestellte Vorgehensweise spiegelt den derzeitigen Stand der Technik wider und bildet die Grundlage der aktuellen internationalen Windlastnormung. Dabei liegt allen Vorschriften die Ermittlung eines Böenreaktionsfaktors auf Basis von Bauwerksauslenkungen zugrunde, welcher jedoch näherungsweise auch für die Ermittlung des Basismoments sowie der Basisquerkraft verwendet werden kann: ˆx = x + g x = x ª«1 + g x º» = x G (22) x ¼ ¬ ˆ =M G M
(23)
344
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
(24) Vˆ = V G Die erläuterte spektrale Analyse nach DAVENPORT zur Ermittlung einer dynamischen Bauwerksreaktion wird dabei in der internationalen Windlastnormung häufig durch vereinfachte Beziehungen approximiert, die für jede Kombination von Wind- bzw. Strukturparametern auf der sicheren Seite liegen. Der Vorteil dieser Näherung liegt in der deutlich komfortableren Anwendung, die ohne Auswertung integraler Gleichungen eine Ermittlung des Böenreaktionsfaktors ermöglicht. Im wesentlichen wird dabei der Variationskoeffizient der Bauwerksantwort x/ x durch eine Aufspaltung der Gesamtreaktion in eine Böengrunderregung und eine Resonanzerregung beschrieben (z.B. E DIN 1055-4 [6]): x
= 4
x
³
0
2 m
2 a
Sv ( n ) dn vh2
( )
2 I v zeff
Q02 + Rx2
(25)
zeff:
effektive Höhe des Bauwerks [m]
Iv(zeff):
Turbulenzintensität der Geschwindigkeitsschwankungen
2 0
Böengrundreaktion
2 x
Resonanzreaktion
Q : R :
Die Böengrundreaktion Q02 repräsentiert hierin den Energieanteil der Frequenzbereiche des Antwortspektrums, die keine mechanische Vergrößerung infolge Resonanz erfahren, wohingegen die Resonanzreaktion R 2x als Flächeninhalt der Resonanzspitze aufgefasst werden kann (Abb. 4).
Abb. 4. Spektrum der Bauwerksreaktion [7]
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
345
3 Spektralanalyse und Teilsicherheitskonzept Ein Widerspruch ? Die grundlegende Annahme der Unabhängigkeit der Basisvariablen auf der Einwirkungs- und auf der Widerstandsseite bei der Ermittlung von Teilsicherheitsfaktoren widerspricht in den Grundsätzen dem Prinzip der „Spektralanalyse nach DAVENPORT“, da die ermittelte statische Ersatzlast über den Böenreaktionsfaktors zwingend mit der Bauwerksreaktion verknüpft ist. Es besteht eine direkte Interaktion zwischen der aufgebrachten (Wind-)Last und der Tragwerksreaktion, welche sich wechselseitig beeinflussen und in der Ermittlung eines Böenreaktionsfaktors münden. Somit ist der einwirkungsseitige Teilsicherheitsbeiwert E prinzipiell für die Beaufschlagung der nach dem Spektralverfahren ermittelten statischen Ersatzlast nicht anwendbar. Wie bereits erläutert, äußert sich die Wechselwirkung zwischen turbulenter Windbelastung und Bauwerksreaktion am deutlichsten in der Definition der Turbulenzintensität der Bauwerksantwort, welche sich in die Anteile Böengrund- und Resonanzerregung unterteilen lässt (Gl. 25). Bei Annahme eines nicht-schwingungsanfälligen Tragwerks nimmt die Resonanzreaktion vernachlässigbar kleine Werte an, der Böenreaktionsfaktor G ergibt sich dabei überwiegend aus der Turbulenz der instationären, natürlichen Windströmung (Böenspektrum). Die Böengrunderregung bestimmt somit die quasistatische Bauwerksreaktion, eine Interaktion zwischen einwirkender Windlast und Tragwerk findet nicht bzw. nur in sehr geringem Maße statt. Die Annahme der Unabhängigkeit zwischen Einwirkung und Widerstand ist somit für den Fall eines starren Bauwerks gerechtfertigt, die zugehörigen Teilsicherheitsfaktoren können somit ohne weitere Einschränkung verwendet werden. Liegt die Eigenfrequenz des Bauwerks in einem Bereich des Böenspektrums, in dem die turbulenten Windgeschwindigkeitsschwankungen das Tragwerk zu Schwingungen bis hin zur Resonanz erregen, so kann die Resonanzreaktion ein Vielfaches der Böengrundreaktion betragen. In diesem Fall spielt die Wechselwirkung zwischen Bauwerk und turbulenter Windeinwirkung eine entscheidende Rolle bei der Ermittlung des Böenreaktionsfaktors. Die Berücksichtigung tragwerksspezifischer Kenngrößen wird dabei in der Definition der mechanischen Vergrößerungsfunktion m besonders deutlich: m
1
=
§ ¨1 ¨ © n: f 1: :
§n· ¨¨ ¸¸ © f1 ¹
2
2
· § ¸ +¨ ¸ © ¹
· ¸ ¹
2
§n· ¨¨ ¸¸ © f1 ¹
2
Erregerfrequenz [Hz] Eigenfrequenz des Tragwerks [Hz] logarithmisches Dämpfungsdekrement [-]
(26)
346
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
Die Grundeigenfrequenz f1 sowie die Dämpfung repräsentieren an dieser Stelle die strukturdynamischen Eigenschaften des Bauwerks und bestimmen somit in Verbindung mit dem Windlastspektrum SR(n) maßgeblich die Größe des Böenreaktionsfaktors G. Unter Annahme eines Kragträgers mit einer ersten Eigenform affin der Biegelinie bei konstant über die Höhe verteilter Masse lässt sich die Grundeigenfrequenz f1 wie folgt bestimmen:
f1 =
1,75 H2
H: EI: :
EI
[Hz]
(27)
Bauwerkshöhe [m] Steifigkeit in der betrachteten Richtung [kNm²] über die Höhe konstante Massenbelegung [t/m]
Die Steifigkeit geht somit unmittelbar in die Berechnung der dynamischen Amplifikation ein. Darüber hinaus sind sowohl Eigenfrequenz als auch Dämpfung der schwingenden Tragstruktur abhängig von der Größe der Amplitude. Mit zunehmender mittlerer Windlast, gleichbedeutend mit einer Vergrößerung der Bauwerksauslenkung, lassen sich abnehmende Werte der Grundeigenfrequenz feststellen:
Abb. 5. Abhängigkeit der 1. Eigenfrequenz von der maximalen, mittleren Windgeschwindigkeit v in 275m Höhe am Beispiel des Dresdner Bank Hochhauses in Frankfurt/Main [8]
Diese Tendenz kann in erster Linie mit einem Rückgang der Steifigkeit der aussteifenden Bauteile infolge Rissbildung sowie der Zunahme nicht berücksichtigter nichtlinearer Effekte in der Definition der Materialgesetze begründet werden. (28) f 1 ~ EI
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
347
Das Ergebnis der leicht abnehmenden Eigenfrequenzen bei zunehmender Amplitude der Auslenkungen wird durch Schwingungsuntersuchungen eines 244 m hohen Hochhauses in Boston bestätigt [9]. Im Gegensatz dazu lässt sich eine Zunahme der Dämpfung bei größeren Schwingungsamplituden verzeichnen. Die Erklärung ist dabei in einer stärkeren Materialdämpfung beim Durchlaufen der Hystereseschleifen, also dem teilweisen Übergang hoch beanspruchter Bauteilbereiche vom elastischen in den elastoplastischen Bereich, zu suchen [10]. Daneben ist bei größeren Schwingungsamplituden im Zuge der fortschreitenden Rissbildung eine verstärkte Energiedissipation infolge Reibung zu erwarten. Zudem gewinnt die aktivierte, dämpfende Wirkung nichttragender Bauteile (z.B. Trennwände, Doppelböden, vorgehängte Fassaden) zunehmend an Bedeutung. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die dem Teilsicherheitsformat zugrunde liegende Annahme der Unabhängigkeit zwischen Einwirkung und Widerstand für extrem schwingungsanfällige Bauwerke nicht zutrifft. Es sollten weiterführende Überlegungen hinsichtlich einer Anpassung der Teilsicherheitsbeiwerte für windbeanspruchte schlanke Tragwerke angestellt werden. Neben den aufgezeigten Abhängigkeiten von Einwirkung und Widerstand ist jedoch noch ein weiterer Widerspruch zwischen den Konzepten der Spektralanalyse und der Ermittlung von Teilsicherheitsfaktoren offenkundig: Die Berechnung des Böenreaktionsfaktors G beinhaltet bereits die Ermittlung eines definierten Maximalwerts der Bauwerksreaktion xˆ in der Form ˆx = x + g
(29)
x
Damit berücksichtigt diese von Davenport vorgeschlagene Vorgehensweise bereits eine Extremwertuntersuchung, d.h. die nachfolgende Beaufschlagung der statischen Ersatzlast mit einem Teilsicherheitsfaktor q führt zu einer zusätzlichen Erhöhung der in Ansatz zu bringenden Last und erhöht somit das Sicherheitsniveau erheblich. Außerdem definiert die Extremwertanalyse des Spektralverfahrens zudem eine deutlich kleinere Überschreitenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu den im aktuellen Sicherheitskonzept nach DIN 1055-100 verankerten 98%Fraktilwerten als charakteristischen Werten für die Einwirkungen. Eine übliche Vorgabe des Spitzenfaktors g = 3,5 (wie z.B. im Hochhausergänzungserlass [11]) führt unter Verwendung einer Gaußschen Normalverteilung zu folgender Überschreitenswahrscheinlichkeit [4] P( X > x + 3,5
x
) = 2 ,3 10
4
= 0 ,023 %
(30)
Somit wird gemäß dem Spektralverfahren nach Davenport die maximal zu akzeptierende Bauwerksreaktion als 99,977%-Fraktilwert festgeschrieben. Die dargestellten Widersprüche lassen die Feststellung zu, dass die derzeitige Definition der einwirkungsseitigen Teilsicherheitsfaktoren für den Lastfall Wind allenfalls nur für starre Tragwerke zutreffend sind. Eine Übertragung dieser Werte auf schwingungsanfällige Bauwerke kann lediglich als deutlich auf der sicheren Seite liegende Vereinfachung angesehen werden.
348
Anmerkungen zum Tilsicherheitskonzept
4 Fazit Nach Festlegung von Mindestanforderungen an die Zuverlässigkeit baulicher Anlagen kann deren Bemessung derzeit im Hinblick auf ein wirtschaftliches Gesamtergebnis nur mit Hilfe deterministischer Methoden vorgenommen werden. Die prinzipiell ebenfalls mögliche probabilistische Untersuchung eines Bauwerkes ist insbesondere für eine Belastung infolge Wind mit einem nicht zu vertretendem Aufwand verbunden, der schon allein in der Tatsache begründet liegt, dass der erforderliche Umfang an Eingangsparametern derzeit nicht zu Verfügung steht. Eine sinnvolle Alternative zur dargestellten Vorgehensweise besteht damit nicht. Allerdings erscheint zumindest die Größe einzelner Parameter des semiprobabilistischen Sicherheitskonzeptes (Wichtungsfaktoren und damit der Teilsicherheitsbeiwert Q für die Windlast) für die Bemessung von schwingungsanfälligen Bauwerken in böigem Wind diskussionswürdig. Auch für starre Bauwerke ist die Größe des Teilsicherheitsbeiwertes nicht unbedingt nachvollziehbar. Die 50-Jahres-Windgeschwindigkeit (98 %-Fraktile) wird gemäß DIN 1055-100 als charakteristischer Wert betrachtet. Der zugehörige Staudruck wird mit dem Teilsicherheitsbeiwert auf das Bemessungsniveau angehoben. Die Bemessung der Tragwerke erfolgt also theoretisch für eine Windgeschwindigkeit, die statistisch nur etwa alle 1.100 Jahre [12] auftritt. Allerdings sei ergänzend erwähnt, dass der Teilsicherheitsbeiwert der veränderlichen Einwirkung Wind neben den Fehlern bei der Ableitung der Referenzwindgeschwindigkeit auch andere Unsicherheiten bei der Windlastannahme abdecken soll. Dies betrifft z.B. ein unzutreffend gewähltes Windprofil sowie Abweichungen bei der Annahme der dynamischen Windeigenschaften oder bei den aerodynamischen Formbeiwerten. Der vermeintlich große Vorteil des semi-probabilistischen Sicherheitskonzeptes, Unsicherheiten an den Stellen ihres Auftretens zu begegnen, erscheint zumindest bei windbeanspruchten Bauwerken fragwürdig. Damit kann auch das in der neuen Normengeneration angestrebte gleichmäßige Sicherheitsniveau nur unzureichend erreicht werden. Eine Sensitivitätsanalyse der einzelnen Komponenten der Windlastkette könnte im Rahmen weiterer Untersuchungen zu Modifikationen des Teilsicherheitsbeiwertes für Windeinwirkungen führen.
Carl-Alexander Graubner, Guido Hausmann, Markus Spengler
349
5 Literatur [1] Six, M.: Sicherheitskonzept für nichtlineare Traglastverfahren im Betonbau. Dissertation TU Darmstadt, 2001 [2] Spaethe, G.: Die Sicherheit tragender Baukonstruktionen. Springer Verlag, Wien New York; 1992 [3] DIN 1055-100: 2001-03: Einwirkungen auf Tragwerke. Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 2001 [4] Schuëller, G. I.: Einführung in die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Tragwerken. Ernst & Sohn, Berlin München; 1981 [5] Davenport, A.G. (1961): The application of statistical concepts to the wind loading of structures. The Institution of civil engineers 1961. London: 449-472. [6] E DIN 1055-4 (2002): Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 4: Windlasten. Berlin: Beuth Verlag, August 2002. [7] Bachmann, A.: Ein wirklichkeitsnaher Ansatz der böenerregten Windlasten auf Hochhäuser in Frankfurt am Main. Dissertation TU Darmstadt, 2003. [8] Graubner, C.-A., Hausmann, G., Bachmann, A.: Messungen windinduzierter Beschleunigungen an Hochhäusern in Frankfurt am Main. WtG-Berichte Nr. 8, Windtechnologischen Gesellschaft, 2003, S.61-74. [9] Kijewski, T. & Kareem, A. (1999): Analysis of full-scale data from a tall building in Boston: damping estimates. Proceedings of the 10th International Conference on Wind Engineering, Kopenhagen 1999. Rotterdam: Balkema. [10] Eibl, J., Henseleit, O. & Schlüter, F.-H.: Baudynamik. Betonkalender 1988/II, Ernst & Sohn, Berlin, 1988. S. 665-774. [11] Hochhaus-Ergänzungserlass Hessen: Ergänzung zu DIN 1055 Teil 4, Ausgabe August 1986, betr. Windlastannahmen bei hohen Hochhäusern im Raum Frankfurt am Main. Staatsanzeiger für das Land Hessen. Wiesbaden, 1987. [12] Bachmann, A., Hausmann, G., Graubner, C.-A.: Extreme Windereignisse und deren Auswirkungen auf die Beanspruchung von Bauwerken. Bauingenieur, 78 (2003), Heft 7/8: S. 337-348.
Neuere Überlegungen zur Risikoreduktion bei baulichen Anlagen Rüdiger Rackwitz
In den letzten Jahren sind sehr interessante Ansätze entwickelt worden, die Frage der erforderlichen Sicherheit von baulichen Anlagen mit sozioökonomischen Betrachtungen zu beantworten. Sie wurden vom Verfasser eingehend untersucht und z.T. weiterentwickelt. Über den erreichten Stand wird berichtet. Danach hängt die erforderliche Sicherheit als Versagensrate von dem relativen Aufwand ab, eine bestimmte Risikoreduktion als Mortalitätsverminderung zu erzielen. In den entsprechenden Zusammenhang geht eine Konstante, die so genannte „Bereitschaft zu zahlen“, ein, die vom für Risikoreduktion zur Verfügung stehenden Anteil des Bruttoinlandsproduktes, der Lebensarbeitzeit, der Lebenserwartung und gewissen Diskontierungsparametern abhängt. Damit kann z.B. die Frage beantwortet werden, ob gewisse Regelungen, etwa im Bereich der Tragwerkssicherheit oder im Brandschutz, einen angemessenen Aufwand erfordern.
1 Volkswirtschaftliche Betrachtungen In der Volkswirtschaftslehre ist das folgende, etwas vereinfachte Modell für optimales, rationales, wirtschaftliches Verhalten unbestritten. (1) t 1 au ½ ª º W ( a ) = max c (t ) ® ³ u [c(t )] exp «¬ ¯ l(a ) a
(³
a
)
( )d + (t a ) l(t )dt ¾ »¼ ¿
unter Bedingung (2) k&(t ) = rk (t ) + i (t ) c(t ); k (0) = k ( au ) = 0 Hierin ist W(a) der maximierte erwartete Nutzen aus dem Konsum c(t)>0 für die verbleibende Lebensdauer unter der Bedingung, dass das Individuum bis zum Alter a überlebte, au eine obere Begrenzung (z.B. in Sterbetafeln) der Lebenserwartung, u[c(t)] die Nutzenfunktion für den Konsum c(t), ( ) die so genannte (zeitabhängige) Zeitpräferenzrate, das pro Kopf berechnete reale langfristige Wirtschaftswachstum der betrachteten Volkswirtschaft und l (t ) die aus Sterbetafeln berechenbare Überlebenswahrscheinlichkeit. Darüber hinaus ist k(t) das Ver-
352
Neuere Überlegungen zur Risikoreduktion bei baulichen Anlagen
mögen, r>0 eine (reale) Marktzinsrate und i(t)>0 das Einkommen. Um die optimale Konsumfunktion c*(t) zu bestimmen, ist dynamische Optimierung oder Variationsrechnung erforderlich. Shepard/Zeckhauser [14] haben jedoch gezeigt, dass unter Bedingungen eines perfekten Marktes (man kann in Zeiten kleinen Einkommens Kredit aufnehmen, ihn dann später zurückzahlen und seine Altersversorgung durch eine faire Versicherung decken) ein über die Zeit konstanter Konsum c* die optimale Lösung ist. Dann kann die Nutzenfunktion u[c(t)] vor das Integral gezogen werden und man erhält (3) E [U (a ) ] = u (c* )ed (a, , ) worin ed(a, , ) als diskontierte, im Alter a verbleibende Lebenserwartung bezeichnet wird. Es ist wichtig zu beachten, dass hier nur formal die Lebenserwartung und nicht der zukünftige Konsum diskontiert wird. Bei volkswirtschaftlicher Betrachtung liegt es nahe das durchschnittliche Einkommen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP) zu orientieren. Das Bruttoinlandsprodukt pro Jahr ist die Summe aller wirtschaftlichen Leistungen, d.h. im Wesentlichen aus Warenproduktion, Dienstleistungen und Kapital. Es wird zu rund 60% für den privaten Verbrauch, zu 20% vom Staat für Verwaltung, Ausbildung, Rechtsprechung, innere und äußere Sicherheit, usw. und zu 20% für Investitionen verbraucht. Die Anteile für den Staat und für Investitionen (Abschreibungen) liegen fest. Daher kann nur ungefähr der Anteil für den privaten Verbrauch für Risikoreduktion aufgewendet werden. Unter perfekten Marktbedingungen ist das Einkommen i(t)=c*, so dass g=c* 0.6 BIP. Jede Gesellschaft sollte den genauen Anteil des BIP, der für Risikoreduktion prinzipiell zur Verfügung steht, sorgfältig festlegen. Letztlich ist es eine Frage, wie viel der Bürger von den anderen Leistungen der Gesellschaft, aber auch von seinem Privatverbrauch, für Risikoreduktion aufzugeben bereit ist. Wir wollen die Betrachtung zu einem bestimmten Zeitpunkt t=0 für die gesamte Bevölkerung anstellen. Daher mitteln wir noch über die Altersverteilung h(a, n), so dass au (4) L = E ª¬U º¼ = ³ E [U (a ) ]h(a, n)da 0 au
= u ª¬ c* º¼ ³ ed (a, , )h(a, n)da = u ª¬ c* º¼ E [ , , n ] 0
worin
h( a, n) =
exp [ an ] l(a)
³
au
0
(5)
exp [ an ] l(a )da
die Dichte der ebenfalls aus Sterbetafeln ermittelbaren Altersverteilung und n das (stabile) Bevölkerungswachstum der betrachteten Volkswirtschaft ist. Die Funktion u[c*] ist noch unbekannt. Zu ihrer Bestimmung bedienen wir uns einer Idee in Nathwani et al. [7], die annahmen, dass die Lebensqualität vereinfacht durch das Produkt einer Funktion des Konsums, nämlich f(c*)=u[c*], und einer anderen Funktion h(t) der Zeit t, die man der Freizeit und der Lebensverwirklichung widmet, erfasst werden kann. Diese Zeit ist gleich der Lebenserwartung minus dem Anteil w, der für bezahlte Arbeit zum Erwerb des Einkommens aufzu-
Rüdiger Rackwitz
353
bringen ist, d.h. t=(1-w)e(0) (e(0) = Lebenserwartung bei Geburt). w ist ungefähr 1/8 e(0) (bei im Mittel 1500 Jahresarbeitsstunden, 40 Jahren Lebensarbeitszeit und 80 Jahren Lebenserwartung für die erwerbstätige Bevölkerung). In [7] wird dann auf elegante Weise abgeleitet, dass der Lebensqualitätsindex die Form L(a) = g r e(a ) s haben muss. Für die Bestimmung der unbekannten Exponenten r und s gehen sie davon aus, dass in guter Näherung g=pw mit p der Produktivität gesetzt werden kann und dass das durchschnittliche Individuum bei gegebener Produktivität Arbeitszeit, Einkommen und Freizeit in Hinblick auf maximalen Nutzen optimiert. Das führt auf (6) Lw (a ) = g w e(a)1 w
woraus nach Ziehen der (1-w)-ten Wurzel Lq (a ) = g q e(a) *
(7)
q
mit q=w/(1-w) wird. Also ist u(c )=g . Alle vorstehenden Erörterungen bleiben gültig und der mittlere gesellschaftliche Nutzen, oder anders benannt, der mittlere gesellschaftliche Lebensqualitätsindex, ist. (8) SLQI = L = g q E [ , , n ]
Es ist hervorzuheben, dass alle Annahmen, die in [7] und [9] getroffen wurden, empirisch befriedigend gut verifiziert werden können [11]. Es sei verlangt, dass die Lebensqualität, ausgedrückt durch den Lebensqualitätsindex, bei Risikoreduktion, die Kosten verursacht und für die wir alle in Form von Abgaben, Steuern, Auflagen, etc. aufkommen müssen und die daher den Konsum einschränken, gleich bleibt. Bei kleinen günstigen Änderungen der Lebenserwartung dürfen daher auch nur kleine Aufwendungen anfallen. Es gilt also (9) Lq (a) Lq (a ) dLq (a ) = de(a ) + dg = 0 e( a ) g und daher „die Bereitschaft zu zahlen“ bei Konstanthaltung der Lebensqualität (10) g de(a ) dg = q e( a ) Für die weitere Anwendung ist es noch zweckmäßig auf den gesellschaftlichen Lebensqualitätsindex in Gl. (8) überzugehen. (11) g dE [ , , n ] dg = q E [ , , n] Ferner sei eine kleine relative Änderung der Lebenserwartung durch eine kleine Änderung in der (rohen) Mortalität ausgedrückt. Bekanntlich ist t l(t ) = exp ª ³ ( )d º mit ( ) der altersabhängigen Mortalität. Diese Mortalität ¬« 0 ¼» sei durch eine risikoreduzierende Maßnahme um verändert, d.h. ( ) ( )+ . Eine für jedes Alter konstante Mortalitätsänderung erfasst jede Altersgruppe anteilsmäßig in gleicher Weise und ist daher intragenerationell gerecht. McLaurinEntwicklung ergibt dann
354
Neuere Überlegungen zur Risikoreduktion bei baulichen Anlagen
d E [ , , n, ] = d , , n] E [ , , n]
dE [ , , n ] E[
(12) =0
C E ( , , n)
und somit mit =dm (13) g dg = C ( , , n)dm = G E ( g , q, , , n)dm q E dg ist in volkswirtschaftlichem Sinne bezahlbar und im Sinne des Grundgesetzes, welches in Artikel 2 das Recht auf Leben ausdrücklich fordert, notwendig. Es erfüllt aber auch das im gleichen Artikel verbriefte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, zumindest was die wirtschaftlichen Belange angeht. Mehr als dg sollte nicht aufgewendet werden. Man sollte stattdessen in andere effizientere lebensverlängernde Maßnahmen investieren. Die Konstante C E ( , , n) hängt auf
komplexe Weise von wirtschaftlichen und demographischen Faktoren ab. Bei ihrer Berechnung sollte man von prädikativen Kohortensterbetafeln ausgehen um zumindest die voraussehbaren Änderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung (nämlich in den nächsten au=90 bis 110 Jahren) zu berücksichtigen [3]. Der Zeitraum von rund 100 Jahren ist auch der Zeithorizont für den unsere Betrachtungen gelten. Man könnte auch die voraussehbaren Änderungen der Lebensarbeitszeit berücksichtigen. Das erscheint aber schwierig, da hier Voraussagen mit erheblichen Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung verbunden sind. Weiter unten ist dies durch Extrapolation der historischen Daten aber getan [6] .
2 Zur Frage der Diskontierung Der Zeithorizont von rund 100 Jahren erfordert noch zusätzliche Untersuchungen zum anzusetzenden Zinssatz, von dem man verlangen muss, dass Investitionen in Risikoreduktion auch nachhaltig, d.h. intergenerationell gerecht sind. Man ist geneigt, diesen klein, d.h. nur wenig größer als den „natürlichen“ Zinssatz, nämlich die (langfristige) Wachstumsrate der Volkswirtschaft anzusetzen. In der Tat sehen in Deutschland offizielle Richtlinien einen vorsichtigen (konstanten) Zinssatz von 3% für Vergleichsberechnungen bei öffentlichen Investitionen vor – im Gegensatz zu anderen Ländern, die z.T. Zinssätze über dem marktüblichen Satz vorsehen. Letzteres widerspricht jedoch den Geboten der Nachhaltigkeit. Insgesamt gehört die angemessene Festsetzung eines realistischen realen Zinssatzes zu den schwierigsten Aufgaben in einer Volkswirtschaft. Hier kann die Argumentationsweise auch nur angedeutet werden. In der Theorie des Wirtschaftswachstums [1, 13, 15] spaltet man den realen Zinssatz wie folgt auf = + (14) Darin ist der reale Marktzinssatz, wie erwähnt die Zeitpräferenzrate (des Konsums), =1-q die Elastizität des marginalen Konsums ( 0.8) und die reale
Rüdiger Rackwitz
355
Wachstumsrate der Volkswirtschaft. Der Name „Zeitpräferenzrate“ drückt ihre subjektive Natur aus. Tatsächlich neigt das Individuum lieber heute als morgen zu konsumieren. Diese Rate wird mit menschlicher Ungeduld, Egoismus und Kurzsichtigkeit verbunden. Sie ist auch Ausdruck der Unsicherheit über die eigene Zukunft. Ihre Existenz wurde in vielen Studien der Verhaltensforschung und Wirtschaftslehre zweifelsfrei belegt. und ist intragenerationell eine Tatsache des Wirtschaftslebens. Andererseits wurde die Zeitpräferenzrate von vielen Wirtschaftswissenschaftlern bei mehrere Generationen betreffenden Vorhaben als ethisch nicht akzeptabel bezeichnet. Sie verletzt den Grundsatz intergenerationeller Gleichheit. Daher wurde in volkswirtschaftlichen Überlegungen zur Nachhaltigkeit auch vorgeschlagen auf die Zeitpräferenzrate ganz zu verzichten und nur noch mit der Wachstumsrate zu verzinsen (z.B. [10]. Eine Art Kompromiss haben Bayer/Cansier [2] mit einem Modell der „sich überlappenden Generationen“ vorgeschlagen, welches hier angewandt werden soll. Die Grundidee ist zu jedem Zeitpunkt, auch in ferner Zukunft, für alle lebenden Generationen mit der vollen Rate zu diskontieren, für alle noch nicht geborenen Generationen jedoch vom Zeitpunkt ihrer Geburt herunter auf die Gegenwart nur noch mit der Wachstumsrate. Damit ist sowohl intra- wie auch intergenerationelle Gerechtigkeit gewahrt. Es kann ein zeitabhängiger äquivalenter Zinssatz abgeleitet werden, der näherungsweise durch die Formel [12] (15) äqui (t ) = 0 exp [ 0.013t ] + erfasst werden kann. Für 0 erscheinen Werte von 0.02 bis 0.04 nicht unrealistisch. Die Diskussion über den richtigen öffentlichen Zinssatz ist noch nicht abgeschlossen. Hierzu müssten auch alle Unsicherheiten über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung mitberücksichtigt werden. Aber wie? Ein interessantes mathematisches Resultat in [16] besagt jedoch, dass bei Unsicherheiten über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung grundsätzlich der kleinstmögliche Zinssatz genommen werden sollte. Tabelle 1.
1
Land CAN USA D F S CH UK JAP
Sozialindikatoren für ausgewählte Länder
BIP1, g2 27330,16040 34260,22030 25010,14460 24470,14660 23770,12620 29000,17700 23500,15140 26460,15960
3
2.0 1.8 1.9 1.9 1.9 1.9 1.3 2.7
n4 0.99 0.90 0.27 0.37 0.02 0.27 0.23 0.17
e5,e6 78,84 77,86 78,87 78,85 79,82 79,85 78,87 89,92
w7 0.13 0.15 0.12 0.12 0.12 0.12 0.13 0.13
C ,C E8 43,50 44,52 44,55 43,53 42,52 43,53 40,51 46,56
G ,G E9 4.6,5.4 5.6,6.7 4.9,6.0 4.7,5.7 3.8,4.8 5.8,7.1 4.1,5.2 4.8,5.8
in kaufkraftbereinigten US$ [17], 2privater Konsum [5], 3 mittlere Wachstumsrate für 18701992 [6], 4Bevölkerungswachstumsrate [4], 5Lebenserwartung in Jahren (2000), 6Lebenserwartung in Jahren für Geburtsjahrgang 2000, 7nach [8] einschließlich 1 Stunde im Berufsverkehr und 45 Jahre Lebensarbeitszeit, 8demographische Konstanten, C ohne jede Diskontierung und Altersmittelung, C E mit Diskontierung ( 0=0.03) und Altersmittelung, 9Bereitschaft zu zahlen unter Berücksichtigung von q(t)=q(0)exp(-0.006t) aufgrund der Daten in [6] in 106 US$
356
Neuere Überlegungen zur Risikoreduktion bei baulichen Anlagen
Das führt für einige ausgewählte Länder, für die alle Daten beschafft werden konnten, schließlich zu den in nachstehender Tabelle angegebenen Konstanten. Man beobachtet für die betrachteten Länder beachtliche Konsistenz, vor allem in den demographischen Konstanten. Natürlich muss man Abweichungen von 10% aufgrund der z.T. unterschiedlich erhobenen Daten in Rechnung stellen. Bemerkenswert ist, dass sich C und C E nur wenig unterscheiden, da sich Diskontierung und Altersmittelung z.T. gegenseitig aufheben. Das gilt jedoch nur für die angeführten in Lebensstandard und Produktivität vergleichbaren Länder.
3 Anwendung auf bauliche Anlagen Für die praktische Anwendung muss man nun noch die Mortalitätsänderung mit der Änderung der Versagenswahrscheinlichkeit oder besser der Versagensrate in Beziehung setzen, und zwar für jede bauliche Anlage. Man hat also beispielsweise (16) dm = kN PE dr ( p) Darin ist k die Wahrscheinlichkeit bei dem Auftritt des Ereignisses zu Tode zu kommen, NPE ist die Anzahl der potentiell betroffenen Personen und r(p) ist die von einer Parametermenge p abhängige Versagensrate. p umfasse alle getroffenen oder zu treffenden sicherheitsrelevanten Maßnahmen. Für jede Anwendung ist die Wahrscheinlichkeit k und der Parameter NPE durch sorgfältige Schadensfolgenanalysen abzuschätzen. Die Literatur enthält hierzu viele Daten und gute methodische Ansätze. Es sei beispielsweise die Auftrittsrate eines seltenen Ereignisses (Erdbeben, Explosion, Brand, etc.) und Pf(p) die zugehörige Versagenswahrscheinlichkeit. Dann ist r(p)= Pf(p) . Anwendung von Gl. (13) ergibt mit (17) dCY ( p) = dg = G E ( g , q, , , n)dr ( p)
die jährlichen Kosten für Risikoreduktion. Die Altersmittelung in der Konstanten G E ( g , q, , , n) ist richtig, wenn man unterstellt, dass bei einem Ereignis, sei es
Bauwerksversagen durch extreme Beanspruchungen aus der technischen oder natürlichen Umwelt oder Brand, ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung betroffen wird. Man kann zeigen, dass die gleiche Formel näherungsweise auch für einzelne Projekte, die finanziert werden müssen, gilt. Aus Gl. (17) geht auch hervor, dass die Kosteneffizienz einer die Versagensrate mindernden Maßnahme eine herausragende Rolle spielt. Sie bestimmt letztlich „was sicher genug ist“.
4Literatur [1] Barro, R.J., Sala-i-Martin, X., Economic Growth, McGraw-Hill, New York, 1995
Rüdiger Rackwitz
357
[2] Bayer, S., Cansier, D., Intergenerational Discounting: A New Approach, Journal of International Planning Literature, 14, 3, pp. 301-325, 1999 [3] Berkeley Mortality Database, http://www.mortality.org [4] CIA-factbook 2001, http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/ [5] Human Development Report 2001, United Nations, http://www.undp.org/hdr2001 [6] Maddison, A., Monitoring the World Economy 1820-1992, OECD, Paris, 1995 [7] Nathwani, J.S., Lind, N.C., Pandey, M.D., Affordable Safety by Choice: The Life Quality Method, Institute for Risk Research, University of Waterloo, Waterloo, Canada, 1997 [8] OECD, Employment Outlook and Analysis, Paris, 2001 [9] Pandey, M.D., Nathwani, J.S., Life Quality Index for the Estimation of Societal Willingness-to-Pay, Structural Safety, 26, 2, pp. 181-200, 2004 [10] Rabl, A., Discounting of Long Term Cost: What Would Future Generations Prefer Us to Do?, Ecological Economics, 17, pp. 137-145, 1996 [11] Rackwitz, R., The Philosophy Behind the Life Quality Index and Empirical Verification, Memorandum, JCSS, 2004 [12] Rackwitz, R., Lentz, A., Faber, M, Sustainable Civil Engineering Infrastructures by Optimization, zur Veröffentlichung eingereicht, Structural Safety, 2004 [13] Ramsey, F.P., A Mathematical Theory of Saving, Economic Journal, 38, 152, pp. 543559, 1928 [14] Shepard, D.S., Zeckhauser, R.J., Survival versus Consumption, Management Science, 30, 4, pp. 423-439, 1984 [15] Solow, R.M., Growth Theory, Clarendon Press, Oxford, 1970 [16] Weitzman, M.L., Why the Far-Distant Future Should Be Discounted at Its Lowest Possible Rate, Journal of Environmental Economics and Management, 36, pp. 201-208, 1998 [17] World Development Indicators database, www.worldbank.org/data/
Kosten-Nutzen-Optimierung von Bestandteilen der Infrastruktur für Instandhaltungsstrategien Hermann Streicher
Ein neuer Ansatz zur Verbindung einer Optimierung von Bemessungsparametern in einer Kosten-Nutzenfunktion unter Zuverlässigkeitsbedingungen mit verschiedenen Instandhaltungsstrategien wird vorgestellt. Dies ist in einer speziellen Methode jeweils in einem Optimierungsschritt möglich. In der Anwendung auf Bestandteile der Infrastruktur, welche der Alterung und Veraltung unterliegen, versagen, inspiziert, repariert, ausgetauscht oder erneuert werden müssen, können mit Hilfe der Erneuerungstheorie verschiedene Zielfunktionen zur wirklichkeitsnahen Abbildung der Instandhaltungsstrategien entwickelt werden. Dies führt zu einem wirtschaftlich optimalen Entwurf unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheit. Ein Beispiel veranschaulicht die Vorgehensweise.
1 Hintergrund In der Planungsphase einer technischen oder baulichen Anlage sind bestimmte Zielvorgaben zu berücksichtigen. Von entscheidender Bedeutung ist, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Struktur zum Schutz der natürlichen Umgebung und des menschlichen Lebens zu gewährleisten. Diesem gegenüber steht die Forderung nach einem wirtschaftlich sinnvollen Entwurf bei minimalen Kosten und einem aus der Struktur zu gewinnenden maximalen Nutzen. Hierbei sind nicht nur die Aufwendungen für die Errichtung in Betracht zu ziehen, sondern auch Unterhaltungs-, Abbruch- und Wiederaufbaukosten nach einem plötzlichen Versagen oder der Stillegung durch ein Veralten der Struktur. Zudem ist der Nutzen in Verbindung mit einem möglichen Nutzenausfall in Reparaturphasen zu ermitteln. Auch ein auftretender Gebrauchstauglichkeitsverlust kann den Betrieb der Anlage verhindern und Kosten verursachen. Eine Verbindung der beiden konkurrierenden Zielvorgaben einer wirtschaftlichen Optimierung des Entwurfs bei einer gleichzeitigen Erfüllung der geforderten Sicherheit und Zuverlässigkeit ist in der zuverlässigkeitsorientierten Kosten-NutzenOptimierung möglich. Dabei ist es notwendig, die Zielfunktionen aus Unterhal-
360
Kosten-Nutzen-Optimierung von Bestandteilen der Infrastruktur
tungsmodellen zu entwickeln, die an wirklichen Verhältnisse angelehnt sind und die genannten Kosten- und Nutzenanteile enthalten. Nur in diesem Fall kann die Forderung nach einer ökologisch optimalen Struktur erfüllt werden, da etwa ein erhöhter Materialeinsatz infolge von auf der sicheren Seite liegenden und vereinfachten Erneuerungsmodellen vermieden wird. Aus den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ist zudem eine Verzinsung durch Veränderungen der Geldwerte aber auch durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie individuellem Konsumverhalten einzuführen [4].
2 Zielfunktionen der Kosten-Nutzenoptimierung 2.1 Allgemeiner Aufbau Der allgemeine Aufbau der Zielfunktion Z(p), die in Bezug auf verschiedene Bemessungsparameter p wie etwa Kosten, Gewicht oder Volumen zu maximieren ist, kann geschrieben werden als: Z (p) = B(p) C (p) D(p) (1) wobei B(p) den Nutzen darstellt, der aus der Struktur gewonnen werden kann, C(p) die (Wieder)-Aufbaukosten sind und D(p) die erwarteten Schadenskosten. Alle Geldwerte der Struktur, die möglicherweise nach einer gewissen Zeit versagt, sind Erwartungswerte und müssen auf den Entscheidungszeitpunkt t=0 abgezinst werden. Es wird deshalb eine kontinuierliche Verzinsungsfunktion (t)=exp(- t) mit einer für baupraktische Zwecke ausreichenden Genauigkeit und der Zinsrate gewählt. Der Nutzen wird als zeitunabhängig und konstant mit b(t)=b angenomist der erwartete Nutzen festgemen. Für eine anzusetzende Nutzungsdauer ts legt als B(p) = ³ b exp( 0
t )dt = b
.
Es lassen sich nun verschiedene Erneuerungsmodelle definieren. Zeitunabhängiges Versagen sowie Strukturen, die nach dem Versagen aufgegeben werden, finden sich in [3]. Im folgenden werden Zielfunktionen für systematisch erneuerte Tragwerke vorgestellt (siehe [5], [6]). Dabei wird angenommen, daß die Wiederaufbauzeiten vernachlässigbar klein sind und derselbe Entwurf mit unveränderter Dichte f(t,p) zwischen den Versagenszeiten Verwendung findet. Nach der Erneuerungstheorie findet man für systematisch wiederaufgebaute Strukturen [3] b f ( , p) Z (p) = C (p) (C (p) + H ) (2) 1 f ( , p)
mit der Laplacetransformierten f ( , p) = ³ e 0
t
f (t , p)dt von f(t,p). Der grundle-
gende Aufbau des Schadensterms D(p) findet sich jeweils auch in den folgenden verfeinerten Strategien.
Hermann Streicher
361
2.2 Altersbedingte Erneuerung Eine Erweiterung des einfachen Modells erfolgt, indem man sich einen Zeitpunkt a vorgibt, an dem nach der Betriebsdauer [0;a] ein Austausch der technischen Anlage oder eine Erneuerung der Struktur erfolgen soll, falls nicht zuvor ein Versagensfall aufgetreten ist. Es soll nurmehr der Schadensterm aus Gl. (2) betrachtet werden. Der Nutzen und die Aufbaukosten sind jeweils identisch. Die Struktur versagt nun entweder vor a mit Aufbau- und Schadenskosten (C(p) + H), a was sich in der unvollständigen Laplacetransformierten f ** ( , p ) = ³ 0e t f (t , p)dt ausdrückt oder wird mit den Aufbaukosten C(p) zum geplanten Zeitpunkt a erneuert, falls zuvor kein Versagen mit der Wahrscheinlichkeit (1-F(t,p)) aufgetreten ist. Der Schadensterm lautet demnach [2]: ( C (p) + H ) f ** ( , p) + C (p)e a (1 F (a, p)) (3) D(p) = 1 ( f ** ( , p) + e a (1 F (a, p)) ) Der Zeitpunkt a ist nunmehr ein weiterer Parameter in der Optimierungsaufgabe.
2.2 Inspektion und Reparatur von alternden Komponenten In der Literatur werden Unterhaltungskosten häufig als kontinuierlich mit der Zeit ansteigend angenommen. Im Bauwesen ist jedoch für alternde Strukturen wirklichkeitsnäher, sie aus Inspektions- und möglichen Reparaturkosten zusammenzusetzen. Reparaturen sollen dabei zu den Inspektionszeitpunkten a,2a,3a,... nur mit der Wahrscheinlichkeit PR(na), n=1,2,... möglich sein. Falls kein Schaden vorhanden, er noch zu gering, nicht die Sicherheit gefährdend oder nicht entdeckt wird, verwendet man die Struktur bis zur nächsten Inspektion. Voraussetzung ist hierfür, daß nicht zuvor ein plötzliches Versagensereignis oder ein Austausch infolge Alterung stattgefunden hat. Nach einem Schaden beginnt das Inspektionsintervall wieder vorzeitig mit dem Wert t=0. Durchgeführte Reparaturen sollen die Struktur in ihren ursprünglichen (stochastischen) Zustand zurückversetzen. Inspektionen und Reparaturen sollen zudem eine vernachlässigbar kurze Zeitspanne benötigen. Auch im Fall des Überlebens bis zur n-ten Inspektion erfolgt die Reparatur nur mit der Wahrscheinlichkeit PR(na). Für den Schadensterm erhält man somit [6] ( C (p) + H ) f ** ( , p) + ( I 0 + I1 PR (a))e a (1 F (a, p)) + T .h.O. (4) D(p) = 1 ( f ** ( , p) + PR (a )e a (1 F ( a, p)) + T .h.O.)
mit den Inspektionskosten I0 und den Reparaturkosten I1. Die Terme höherer Ordnung (T.h.O.), falls zum Zeitpunkt a keine Reparatur erfolgt ist, finden sich in [6].
362
Kosten-Nutzen-Optimierung von Bestandteilen der Infrastruktur
2.3 Blockweise Erneuerung In einigen Fällen wird eine Komponente nach jedem Versagen erneuert, zu einem bestimmten Zeitpunkt a jedoch unabhängig von vorangegangenen Schadensfällen. Diese Strategie wird blockweise Erneuerung genannt. Sie findet sich etwa im Elektronikbereich im Austausch einer größeren Zahl von Bauteilen zu festen Wartungsintervallen, wie man sie beispielsweise für Flugzeuge ansetzt. Einzelne Reparaturen können bereits zuvor erfolgt sein, es müssen jedoch keine Aufzeichnungen darüber angelegt werden, worin der Vorteil dieses Modells liegt. In [1] wird gezeigt, daß sich unter der Annahme einer ansteigenden Risikofunktion trotz einer stochastisch größeren Zahl an Erneuerungen die erwartete Anzahl von Versagensfällen gegenüber der altersbedingten Erneuerung verringert. Der Schadensterm lautet [5]: f ( ,p ) a C (p)e a + (C (p) + H )h ( , p) C (p)e + (C (p) + H ) 1 f ( ,p ) D(p) = (5) 1 e a 1 e a wobei eine sichere Erneuerung mit Kosten C(p) zum Zeitpunkt a auftritt, während zuvor 1,2,3,... Versagensfälle mit Kosten (C(p)+H)) ausgedrückt durch die unvolla ständige Laplacetransformierte der Erneuerungsdichte h ( , p) = ³ 0e t h(t , p)dt f 1 f
( ,p ) ( ,p )
möglich sind. Es handelt sich aufgrund der Unvollständigkeit der
Laplacetransformation bis a um eine obere Schranke [5]. Eine große Zahl weiterer Zielfunktionen etwa für extreme Belastungen, zeitlich veränderliche Nutzenfunktionen, endliche Wiederaufbauzeiten, einen Verlust der Gebrauchstauglichkeit sowie Seriensysteme mit möglicherweise abhängigen Komponenten findet sich in [3], [5] und [6].
3 Zuverlässigkeitsorientierte Optimierung Der Vektor p an Bemessungsparametern ist sowohl in der Zielfunktion Z(p) als auch in der Grenzzustandsfunktio7n g(u,p) enthalten. Es findet die Zuverlässigkeitstheorie erster bzw. zweiter Ordnung (FORM, SORM) Anwendung. Dabei wird angenommen, daß die unsicheren Größen eines Tragwerks in einem ndimensionalen Vektor X = (X1,...,Xn)T zusammengefaßt werden. Die Basisvariablen x sind dabei die zugehörigen Realisationen von X. Sie werden in den Raum standardnormalverteilter Zufallsvariablen u transformiert. Der sogenannte ß-Punkt ist die Lösung der Optimierungsaufgabe min{ u : g(u,p) 0}. Die zuverlässigkeitsorientierte Optimierung der vorgestellten Zielfunktionen Z(p), ist nach dem Hinzufügen der sogenannten Kuhn-Tucker Optimalitätsbedingungen als Nebenbedingungen in einem Optimierungsschritt möglich. Die Optimierungsaufgabe stellt sich somit dar als:
Hermann Streicher
363
maximiere Z (p) unter den Bedingungen g (u, p) = 0
ui
u
g (u, p) +
u
g (u, p)i u = 0; i = 1,..., n 1
Die Zahl der Gradientenbedingungen ist hierbei verringert, um eine Überbestimmtheit des Gleichungssystems zu vermeiden. Weitere mögliche Nebenbedingungen sind etwa ein Akzeptanzkriterium zur Festlegung der notwendigen und bezahlbaren Sicherheit auf der Grundlage eines zusammengesetzten Sozialindikators [4] oder Bedingungen an die Bemessungsparameter. Einzelheiten der numerischen Vorgehensweise, des Optimierungsalgorithmus sowie die Erweiterungen zur Optimierung von Seriensystemen mit mehreren Versagensarten sind in [5] und [6] dargestellt.
4 Beispiel: Chloridkorrosion in Meerwasser Die zuverlässigkeitsorientierte Optimierung wird für eine bewehrte Betonstruktur, die durch Chloridkorrosion in der Spritzwasserzone warmer Meeresgewässer geschädigt wird, durchgeführt. Dabei sind regelmäßige Inspektionen mit möglichen Reparaturen vorgesehen. Nach einem Versagen wird die Struktur erneuert. Ein vereinfachtes Versagenskriterium kann geschrieben werden als [5]: ª § c ·º Ccr Cs «1 erf ¨ (6) ¸» 0 © 2 Dt ¹ ¼ ¬ wobei Ccr die kritische Chloridkonzentration (rechteckverteilt mit Parameter 0.125; 0.175), Cs die Chloridkonzentration an der Oberfläche (Rechteck: 0.2; 0.4), c die Betondeckung (Lognormal: mc; 1) und D den Diffusionsparameter (Rechteck: 0.1; 0.315) darstellt. Die Rechteckverteilungen spiegeln dabei die großen Unsicherheiten in der Ermittlung der Parameterwerte der Variablen wieder. Die Einheiten sind so gewählt, daß die Zeit t in Jahren einzusetzen ist. Inspektionen werden in regelmäßigen Zeitabständen a durchgeführt. Eine vollständige Reparatur nach einer Inspektion erfolgt mit der Wahrscheinlichkeit PR(a)=1-exp(-0.01a2). Die Bemessungsvariablen sind der Mittelwert der Betondeckung mc und die Länge des Inspektionsintervalls a. Die Zielfunktion Z(a, mc) entspricht Gl. (4). Die Errichtungskosten sind C(mc)=C0+C1mc2, die Inspektionskosten I0=0.1C0, die Reparaturkosten I1=0.5C0 mit C0=106, C1=104, H=10C0, b=0.15C0 und =0.03. Der optimale Lösungspunkt ist a*=66 Jahre und mc*=6.5 cm mit Z(a*, mc*)/C0=3.4. Dies bedeutet, daß vorsorgliche Reparaturmaßnahmen alle 66 Jahre durchzuführen sind, wodurch man bis zu 30% der Kosten gegenüber einem Austausch nach einem Versagen zu einem späteren Zeitpunkt als a* einspart. Die Schadenskosten sind in Abhängigkeit von der Intervallänge a für den optimalen Wert mc* in Abbildung 1 wiedergegeben. Dabei wird unterschieden zwischen den Kosten für eine vorsorgliche Reparatur, welche auch die Inspektionskosten enthalten, und den
364
Kosten-Nutzen-Optimierung von Bestandteilen der Infrastruktur
Kosten für einen Austausch nach dem Versagen. Der Nutzenterm und die einmaligen Errichtungskosten sind in diesem Beispiel unabhängig von a und nicht enthalten. 0 .5
cost/C0 Kosten/C 0
0 .4
0 .3
Gesamte Versagenskosten T o ta l d a m ag e c o st 0 .2
C o r refür ctive C o st Kosten Reparatur nach Versagen 0 .1
0
P rev e nfür t iv evorsorgliche C o st Kosten Reparatur 40
60
80
1 00
1 20 14 0 In s p ect io n i n terv a l a
160
180
2 00
Inspektionsintervall a
Abb. 1. Gesamte Schadenskosten sowie Kosten für regelmäßige Inspektionen und mögliche Reparaturen oder Erneuerungen nach einem Versagen.
Eine Änderung der Parameterwerte in I0=0.2C0, I1=0.8C0, H=7.5 C0, und =0.035 bei ansonsten unveränderten Werten führt in diesem Beispiel dazu, daß kein optimales Inspektionsintervall a mehr existiert. Die Zielfunktion hat für a (mc*=6.25) ihren größten Wert. Es ist also wirtschaftlicher nicht zu inspizieren und zu reparieren, sondern bis zum Eintritt des Versagensereignisses abzuwarten [5]. Für die Annahme eines mit der Zeit veränderlichen Nutzens b(t)=bexp[-0.01t] durch eine fortschreitende Schädigung der Struktur in Verbindung mit einem Verlust ihrer Funktion findet sich für die veränderten Parameterwerte ein optimales Inspektionsintervall mit a*=42 (mc*=5.8, Z(a*,mc*)/C0=2.0) und für die ursprünglichen Werte a*=29 (mc*=5.5, Z(a*,mc*)/C0=2.7, b(29) 0.75b(0)), was in guter Übereinstimmung mit den praktischen Erfahrungen mit derartigen Strukturen ist.
5 Literatur [1] Barlow, R. E.; Proschan, F.; Mathematical Theory of Reliability, Wiley, New York, London, Sydney; 1965 [2] Fox, B.; Age Replacement with Discounting, Operations Research, 14, S. 533-537; 1966 [3] Rackwitz, R.; Optimization - The Basis of Code Making and Reliability Verification; Structural Safety, 22, 1, S. 27-60; 2000 [4] Rackwitz, R.; Neuere Überlegungen zur Risikoreduktion bei baulichen Anlagen, Beitrag in dieser Festschrift. [5] Streicher, H.; Rackwitz, R.; Objective functions for reliability-oriented structural optimization, zur Veröffentlichung in Proc. Workshop on Reliability-Based Design and Optimisation: RBO'03, 15.-18. Sept. 2003, Warsaw; 2003 [6] Streicher, H.; Rackwitz, R.; Time-variant reliability-oriented structural optimization and a renewal model for life-cycle costing, Probabilistic Engineering Mechanics, Vol. 19, 1-2, p. 171-183; 2004
Steigerung der Querkrafttragfähigkeit von Stahlverbundträgern im Bereich von großen Stegöffnungen durch Querkraftbewehrung Jürgen Schnell, Christian Kohlmeyer
Bei Stahlverbundträgern übernimmt im Bereich von Stegöffnungen der Betongurt einen großen Anteil der Querkraft. Ziel eines laufenden, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsvorhabens, das an der Technischen Universität in Kaiserslautern von Prof. Ramm durchgeführt wird, ist es, für den Stahlbetongurt von Verbundträgern im Bereich großer Stegöffnungen ein umfassendes Modell zur Beschreibung der Querkraftübertragung zu entwickeln. In diesem Modell soll auch die Einleitung der Querkraft in den Betongurt durch die Kopfbolzendübel und die daraus resultierenden Beanspruchungen der Kopfbolzendübel selbst und des Betongurtes sowie das Zusammenwirken von Betongurt und Trägerflansch im Öffnungsbereich berücksichtigt werden. Des Weiteren werden die unterschiedlichen Versagensarten und Möglichkeiten zur Steigerung der Querkrafttragfähigkeit untersucht. Im experimentellen Teil des Vorhabens wurden 21 großmaßstäbliche Versuche durchgeführt, wobei bei drei der Versuche HALFEN-Doppelkopf-Dübelleisten in den Betongurt eingebaut wurden, welche das Tragverhalten und die Traglast günstig beeinflusst haben. Hieraus ergeben sich Ansätze für weitergehende Betrachtungen.
1 Einführung Im ungestörten Bereich des Verbundträgers werden in Abhängigkeit von den einzelnen Abmessungen und Ausführungsformen etwa 90 % der Querkraft vom Steg des Stahlträgers aufgenommen. Bei einer Bemessung nach EC 4 ist sogar davon auszugehen, dass die gesamte Querkraft rechnerisch vom Steg aufgenommen wird. Wird der Steg des Stahlträgers durch eine größere Öffnung geschwächt, kann er die Querkraft im gleichen Umfang nicht mehr aufnehmen. Dies hat zum einen zur Folge, dass sich die im ungestörten Bereich im Steg vorhandene Querkraft Vs vor der Öffnung je nach Öffnungsgeometrie dort zu einem großen Teil in
366
Steigerung der Querkraftfähigkeit von Stahlverbundträgern
den Betongurt umlagert und zum anderen diese Querkraft durch den Betongurt über die Öffnung hinweg transportiert werden muss, um letztlich hinter der Öffnung über Druckkontakt wieder in den Steg zurückgeleitet zu werden (Abb. 1). Vor der Öffnung entstehen in den Kopfbolzendübeln (KBD) neben den Schubbeanspruchungen, die sich einerseits aus dem globalen Tragverhalten des Verbundträgers und andererseits auch aus den lokalen Beanspruchungen im Öffnungsbereich ergeben, auch erhebliche Zugbeanspruchungen, die daraus resultieren, dass die Querkraft aus dem Stahlträgersteg in den Betongurt hochgehängt werden muss. Diese Zugkräfte müssen von den Kopfbolzendübeln vor der Öffnung in den Betongurt eingeleitet werden (Abb. 1). Zurückleiten der Einleiten der Querkraft in den Querkraft in den Weiterleiten Stahlträger Betongurt der Querkraft
Zugkräfte in den KBD
Vc Ml V
Vc
Vs
Vs
hinter der Öffnung
Mr V
vor der Öffnung
Abb. 1. Kraftfluss im Öffnungsbereich
Bei der Mehrzahl der Versuche wurde beobachtet, dass dabei die Dübel samt einem Ausbruchkegel aus dem umgebenden Betongurt ausreißen und der Träger auf diese Art versagt. Des Weiteren wurde Schubversagen des Betongurts über der Öffnung beobachtet, was voraussetzt, dass die dazu erforderliche Querkraft vor der Öffnung in den Betongurt eingeleitet werden konnte. Als dritte Versagensart trat hinter der Öffnung beim Zurückleiten der Querkraft aus dem Betongurt in den Stahlträgersteg Durchstanzen des Betongurts ein. Um den beschriebenen Versagensmechanismen zu begegnen, wurden bei drei Versuchen im Öffnungsbereich HALFEN-Doppelkopf-Dübelleisten in den Betongurt eingebaut.
2 Versuchskörper Um bei allen Versuchen den Anteil der vom Betongurt übertragenen Querkraft zu maximieren und in engen Grenzen festzulegen, wurden die Reststege als weitere Übertragungswege soweit wie möglich ausgeschaltet. Dazu wurde die Öffnung
Jürgen Schnell, Christian Kohlmeyer
367
jeweils oben und unten bis zu den Flanschen ausgedehnt, so dass keine Reststege verblieben. Die Versuchsträger wurden so entworfen, dass mit einem Versuchskörper jeweils 2 oder 3 Versuche durchgeführt werden konnten. Die Träger wurden ursprünglich so hergestellt, dass sie je nach Versuchs- und Belastungsabfolge ein oder zwei Öffnungen enthielten. Für den zweiten oder dritten Versuch mussten dann die ursprünglichen Öffnungen mit Blechen zugeschweißt und die nunmehr zu untersuchenden Öffnungen aus dem Steg herausgebrannt werden. In Abb. 2 ist beispielhaft der Träger, an dem die Versuche mit Dübelleisten im Bereich eines positiven und negativen Globalmoments (T3PSB bzw. T3NSB) durchgeführt wurden, dargestellt. Ansicht
A
12
15
T3PPB
15
T3PSB
12
12
15
T3NSB
400
15 15
560
160
Detail A
30
A 1100
1100
1100
1100
1100
1100
100
100
800
800
600
800
800
600
800
800
600
6800 10 106
44 12 – 15 – o 44 12 – 15 – u (88+8=96)
11 20 – 10 – o 11 20 – 10 – u (22)
2
1100
1
3
10
270
11 16 – 10 – o 11 16 – 10 – u (22)
490
Draufsicht
Alle Dübelleisten: HALFEN-Doppelkopf-Dübelleiste, gerippte Dübel, BSt 500S, Dübeldurchmesser 14 mm, 10 Dübel je Leiste, 800 125 mm Dübelhöhe, 110 mm Dübelabstand
15
35
15
6800
3
106
10
4 12 – 15 – o 4 12 – 15 – u (8)
10
Detail A
Schnitt A-A 1100
3
44
12 – 15 – o
44 12 – 15 – u (88+8=96)
160
17,5 10
HALFEN-Doppelkopf-Dübelleiste, gerippte Dübel, BSt 500S, Dübeldurchmesser 14 mm, 10 Dübel je Leiste, 125 mm Dübelhöhe, 110 mm Dübelabstand
30
106
10
150
125 17,5
15
15
400
11 16 – 10 – o 11 16 – 10 – u (22)
355
270
2
10
105 45 45 105
Abb. 2. Schal- und Bewehrungspläne des Trägers T3
Im Bereich der Öffnung wurde beidseits des Stahlbetongurtes je eine Dübelleiste eingelegt. In Längsrichtung begannen die Dübel der beiden Dübelleisten zwischen dem dritten und vierten KBD vor der Öffnung und endeten beim ersten KBD hinter der Öffnung (Abb. 2). Die Dübelleisten sollten somit einerseits vor der Öff-
368
Steigerung der Querkraftfähigkeit von Stahlverbundträgern
nung das frühzeitige Ausreißen der Dübel mit einem Ausbruchkegel aus dem Betongurt verhindern. Über der Öffnung selbst sollten sie andererseits zusammen mit den auf dem Flansch aufgeschweißten Dübeln als Querkraftbewehrung (Versuchsbezeichnung SB) dienen. Beim dritten Versuch mit Dübelleiste T6PSB bestand der Unterschied zum Versuch T3PSB darin, dass einerseits der Betongurt jetzt mit 230 cm etwas mehr als doppelt so breit war und dadurch die für die Traglast des Versuchs T3PSB maßgebende Querkrafttragfähigkeit des Betongurts verbessert werden sollte und andererseits die Dübelleisten hier über den hinteren Rand der Öffnung hinaus reichten, an dem die Querkraft vom Betongurt wieder in den Stahlträger eingeleitet wird, um so, falls nötig, auch noch als Durchstanzbewehrung zu fungieren. Die Versuche T3PSB und T3NSB entsprachen bis auf die Dübelleisten und der Betondruckfestigkeit den Versuchen T1P und T1N (siehe unten). Der Versuch T6PSB entsprach T6P230. In Abb. 3 ist die Belastungsanordnung für die beiden Versuche T3PSB und T3NSB dargestellt. Für die anderen vier Versuche war sie analog. P
T3PSB
P T3NSB
1100
1100
1100
1100
2200
2200
1100
1100
2200
2200
4400
Abb. 3. Belastungsanordnung für die Versuche T3PSB und T3NSB
3 Versuchsergebnisse Aus Tabelle 1, in der die Traglasten, die Betondruckfestigkeiten und Versagensarten sowie wesentliche Kennwerte der 6 Versuche zusammengestellt sind, wird ersichtlich, dass sich bei den Versuchen T3PSB, T3NSB und T6PSB durch die Dübelleisten die Traglast im Vergleich zu den Versuchen T1P, T1N und T6P230 um 50%, 33% bzw. 24% steigern ließ. Bei den Versuchen mit Dübelleiste im Bereich eines positiven Globalmoments T3PSB und T6PSB lag dies daran, dass das Traglast begrenzende Ausreißen der KBD verhindert werden konnte. Bei dem Versuch T3PSB trat das Versagen durch einen einseitigen schrägen Schubriss ein und bei Versuch T6PSB infolge Durchstanzen des Stahlbetongurts hinter der Öffnung. Beim Versuch T3NSB rissen die
Jürgen Schnell, Christian Kohlmeyer
369
KBD wie beim vergleichbaren Versuch ohne Dübelleiste T1N auch aus dem Betongurt aus. Allerdings erst bei einer um ein Drittel höheren Querkraft.
675 605 1010 805 908 1130
338 303 505 403 454 565
Versagensart
Querkraft V bei Erreichen der Traglast
[kN]
60 60 60 60 60 60
Traglast
110 110 110 110 110 110
[kN]
Öffnungslänge lo
[cm]
34,3 36,5 44,3 48,4 45,4 50,3
M/V-Verhältnis
110 110 110 110 230 230
16 16 16 16 16 16
[cm]
[N/mm2] Betondruckfestigkeit fcm,cube
nein ja
Betongurtbreite b
Momentenvorzeichen
Dübelleiste
ja
+ + + +
[cm]
T6
nein
Betongurthöhe h
T3
T1P T1N T3PSB T3NSB T6P230 T6PSB
[cm]
T1
Versuch
Träger
Tabelle 1. Zusammenstellung der wesentlichen Kennwerte und der Versuchsergebnisse
1)
Ausreißen der KBD; kurz nach überschreiten der Traglast stellen sich Schubrisse ein
2)
Ausreißen der KBD
3)
Schubversagen, einseitig
4)
Ausreißen der KBD
5)
Ausreißen der KBD
6)
Durchstanzen
1)
2)
3)
4)
5)
6)
Um die Normalkräfte in den Dübeln der Dübelleiste zu bestimmen, wurden jeweils an den Dübeln einer Dübelleiste die Dehnungen an der Innen- und Außenseite gemessen. Aus dem Mittelwert der Dehnungen wurde dann die Normalkraft der Dübel berechnet. Da aus Symmetriegründen davon ausgegangen werden kann, dass beide Dübelleisten die gleiche Beanspruchung erfahren, wurde die für jeweils einen Dübel ermittelte Normalkraft verdoppelt. Somit ergeben sich die Normalkräfte NL2 bis NL8 der Dübelpaare der Dübelleisten, deren Verläufe für den Versuch T3PSB in Abb. 4 beispielhaft dargestellt sind.
370
Steigerung der Querkraftfähigkeit von Stahlverbundträgern
90
NL8 NL7 NL6 NL5 NL4 NL3 NL2
Normalkraft Dübelpaar [kN]
80 70
V
60
V
50 40 30 20 10 0 0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
Querkraft V [kN]
Abb. 4. Normalkräfte in den Dübelpaaren der Dübelleisten bei Versuch T3PSB
Aus dem Diagramm lässt sich herauslesen, dass die Dübel der Dübelleisten im Sinne einer Querkraftbewehrung erst ab einer bestimmten Last anspringen, unter der sich im Inneren der Stahlbetonplatte Risse bilden und dadurch der Schubzustand 2 erreicht wird. Die Kraft in den beiden letzten Dübelpaaren 7 und 8 steigt dabei schon etwas früher an als in den anderen, was daran liegt, dass die Stahlbetonplatte dort infolge des lokalen negativen Biegemoments frühzeitig reißt. Beim Grundversuch T1P kündigte sich bei einer Querkraft von etwa 300 kN das Versagen durch das Ausreißen der KBD mit einem Ausbruchkegel an. Beim Versuch T3PSB steigt bei dieser Querkraft die Normalkraft NL2 stark an, was bedeutet, dass die Dübel der Dübelleisten dort die entstehenden Risse des Ausbruchkegels kreuzen und ihn somit mit der Stahlbetonplatte vernähen. Die Dübel der Dübelleisten unmittelbar vor der Öffnung durchschneiden diesen Kegel nicht und springen somit bei dieser Laststufe noch nicht an. Das oben beschriebene Geschehen lässt sich sinngemäß auch bei den anderen beiden Versuchen mit Dübelleisten beobachten. Somit lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Dübelleisten einerseits im Bereich vor der Öffnung das Ausreißen der KBD aus der Stahlbetonplatte behindern und andererseits über der Öffnung als eine Art Querkraftbewehrung wirken. Außerdem können sie hinter der Öffnung beim Ausleiten der Querkraft vom Betongurt in den Stahlträgerflansch als Durchstanzbewehrung fungieren. Folgerichtig ließ sich bei den Versuchen T3PSB, T3NSB und T6PSB durch die Dübelleisten die Traglast im Vergleich zu den Versuchen T1P, T1N und T6P230 um 50%, 33% bzw. 24% steigern. Um verallgemeinernde Aussagen treffen zu können, werden an der TU Kaiserslautern weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Zweiachsige Hohlkörperdecken: Was ergibt sich für die Querkrafttragfähigkeit? Martina Schnellenbach-Held, Markus Aldejohann
Bislang wurde bereits das Biegetragverhalten sowie das lokale und das globale Durchstanztragverhalten zweiachsig abtragender Hohlkörperdecken eingehend untersucht [1], [2]. Insbesondere für die Querkrafttragfähigkeit ergeben sich jedoch Abweichungen zur Bemessung nach DIN 1045-1. Diese unterschätzt die aufnehmbaren zulässigen Querkräfte deutlich. Durch Versuche an insgesamt acht Platten wurde die Querkrafttragfähigkeit an dem System BubbleDeck untersucht. In dem vorliegenden Beitrag werden die Versuchsergebnisse sowie deren Auswertung wiedergegeben.
1 Einleitung Die Hohlkörperdecke BubbleDeck ermöglicht einen zweiachsigen Lastabtrag mit einem für beide Tragrichtungen gleichartigen Tragverhalten, indem rotationssymmetrische Kugeln als Verdrängungskörper verwendet werden.
(a)
(b)
(c)
Abb. 1. Unterschiedliche Lieferformen, BubbleDeck
In 375 sind die unterschiedlichen Verwendungsformen zweiachsiger Hohlkörperdecken angegeben. Sie werden als vorgefertigte Bewehrungsmodule einschließlich der Hohlkörper (a), als Halbfertigteil-Elemente (b) oder als vollständig vorgefertigte Deckenelemente angeboten (c).
372
Zweiachsige Hohlkörperdecken
1.1 Motivation Bislang wurde von der Verfasserin bereits eine Vielzahl an Untersuchungen u.a. zur Biegetragfähigkeit sowie der lokalen und globalen Durchstanztragfähigkeit zweiachsiger Hohlkörperdecken durchgeführt ([1], [2]). Insbesondere die Querkrafttragfähigkeit dieses Deckensystems wird jedoch durch die üblichen Regelwerke nicht realitätsnah beschrieben. Bei der Bemessung mit den gängigen Regelwerken (DIN 1045-1, EC 2 etc.) muss zur Berechnung der Querkrafttragfähigkeit die kleinste Querschnittsbreite bw innerhalb der Zugzone des Querschnitts verwendet werden. Die kleinste Querschnittsbreite ermittelt sich im Fall der BubbleDeck punktuell zwischen zwei Kugeln auf Höhe der Mittelachse. Im ungünstigsten Fall ergibt sich hierdurch eine Querkrafttragfähigkeit von etwa 10 % der Querkrafttragfähigkeit einer massiven Platte mit sonst gleichen Randbedingungen. Durch die Anwendung dieser Bemessungsregel wird die Tragfähigkeit zweiachsiger Hohlkörperdecken jedoch deutlich unterschätzt, da die kleinste Querschnittsbreite bw jeweils immer nur in einem Punkt unmittelbar zwischen zwei Kugeln existiert. Der für die Querkrafttragfähigkeit zur Verfügung stehende Querschnitt wächst jedoch in benachbarten Bereichen sehr schnell an, so dass für aufzunehmende Hauptzugspannungen eine deutlich größere Fläche zur Verfügung steht als nach dieser Bemessungsregel anzunehmen ist. Auf Basis erster geometrischer und mechanischer Überlegungen konnte bereits anhand einer sehr konservativen Rechnung gezeigt werden, dass die Querkrafttragfähigkeit der untersuchten BubbleDeck immer größer ist als 35% der Tragfähigkeit einer massiven Decke ist. Darüber hinaus wurde anhand von nichtlinearen Finite-Elemente-Berechnungen eine deutlich höhere Querkrafttragfähigkeit ermittelt. Bauteilversuche sollten die theoretisch ermittelte Querkrafttragfähigkeit absichern.
2 Versuchsaufbau und Versuchsprogramm Es wurden zwei Versuchsserien (kleinster Kugeldurchmesser, d=18 cm und größter Kugeldurchmesser, d=36 cm) untersucht. In jeder Versuchsserie wurden jeweils vier Platten mit gleicher Geometrie und Bewehrung unter ungünstigster Wahl des Längsbewehrungsgrades und des a/dVerhältnisses untersucht. Tabelle 1 zeigt die Geometrie und die verwendeten Betonfestigkeiten der Versuchskörper.
Martina Schnellenbach-Held, Markus Aldejohann
373
Tabelle 1. Versuchsprogramm
Serie II2 Series
Serie SeriesI 1
Specimen Versuch
HxWxL
DBD
bw
l [%]
d [mm]
fcm ck [N/mm²]
MD450-V1
450 x 1650 x 4800
-
-
1,70
395
30,77
BD450-V1
450 x 1650 x 4800
40 mm
36 cm
1,70
395
33,75
BD450-V2
450 x 1650 x 4800
40 mm
36 cm
1,70
395
33,00
BD450-V3
450 x 1650 x 4800
40 mm
36 cm
1,70
395
34,68
MD250-V1
250 x 820 x 2600
-
-
1,85
209
36,44
BD250-V1
250 x 820 x 2600
20 mm
18 cm
1,85
209
37,45
BD250-V2
250 x 820 x 2600
20 mm
18 cm
1,85
209
35,31
BD250-V3
250 x 820 x 2600
20 mm
18 cm
1,85
209
33,12
H
DBD
Abb. 2. Geometrie, Bezeichnungen
bw
L
Abb. 3. Versuchsaufbau
Jeweils der erste Versuchskörper einer Serie wurde als massive Platte (ohne Hohlkörper) ausgebildet. Die Versuchergebnisse der massiven Platte (Referenz) konnten anschließend als direkter Vergleich für die Hohlkörperdecken herangezogen werden. Tabellen 2 (Serie I) und 3 (Serie II) zeigen die Ausführung der Versuche. Tabelle 2.. Ausführung der Versuche
Serie I
Bezeichnung MD450-V1
BD450-V1
BD450-V2
BD450-V3
Erläuterung Massivdecke ohne Hohlkörper BubbleDeck, mit Hohlkörpern, hergestellt in einem Arbeitsgang, h = 450 mm BubbleDeck, mit Hohlkörpern, hergestellt in zwei Arbeitsgängen, 1.: Herstellen des Halbfertigteils, 2.: Fertigstellung der Platte nach Abbinden des Halbfertigteils, h = 450 mm wie BD450-V2
374
Zweiachsige Hohlkörperdecken
Tabelle 3. Ausführung der Versuche, Serie II
Serie II
Bezeichnung MD250-V1
BD250-V1
BD250-V2
BD250-V3
Erläuterung Massivdecke ohne Hohlkörper BubbleDeck, mit Hohlkörpern, hergestellt in einem Arbeitsgang, h = 250 mm BubbleDeck, mit Hohlkörpern, hergestellt in zwei Arbeitsgängen, 1.: Herstellen des Halbfertigteils, 2.: Fertigstellung der Platte nach Abbinden des Halbfertigteils, h = 250 mm wie BD250-V2
Die Versuchskörper wurden ohne Querkraftbewehrung hergestellt. Die Versuche wurden an einem Vier-Punkt-Biege-System durchgeführt (s. Abb. 3).
3 Versuchsergebnisse und Auswertung Nachfolgend werden die wesentlichen Ergebnisse in Bezug auf die Querkrafttragfähigkeit zweiachsiger Hohlkörperdecken am Beispiel der BubbleDeck erläutert. Da bei den Versuchen für beide Serien sehr ähnliche Ergebnisse im Hinblick auf die Rissbildung und das Querkrafttragverhalten erzielt wurden, gelten die Aussagen grundsätzlich für die Versuche beider Serien. In Abb. 4 ist das Rissbild der Massivdecke MD 450-V1 dargestellt. Abb. 5 zeigt das Rissbild einer BubbleDeck mit Halbfertigteil. Bei allen Versuchen (Massivdecken sowie BubbleDeck) bildeten sich beim Aufbringen der Belastung nach Überschreiten der Biegezugfestigkeit zunächst Biegerisse aus. Das abgeschlossene Rissbild wurde bei einem mittleren Rissabstand von 15-20 cm bei Serie I und von 10 cm bei Serie II erreicht. Die Risse waren in diesem Zustand etwa bis zur Plattenmitte fortgeschritten. Bei weiterer Laststeigerung pflanzten sich die Biegerisse leicht geneigt in Richtung der Lasteinleitung fort. Bei weiterer Laststeigerung bildete sich plötzlich ein bogenförmiger Schubriss in einem der beiden Schubfelder unmittelbar zwischen Lasteinleitung und Auflager aus. Die Versuchskörper wurden anschließend entlastet und wieder belastet, bis entweder in dem zweiten Schubfeld ebenfalls ein Schubriss auftrat oder die Bruchlast durch ein Scherversagen in der Betondruckzone erreicht wurde. Auf Höhe der Längsbewehrung entstand aufgrund der Dübelwirkung der Längsbewehrung kurz vor Erreichen der Versagenslast ein horizontaler Längsriss. Mit Ausnahme des Versuches MD 450-V1 wurde bei allen Versuchen eine Bruchlast erreicht, die über der Schubrisslast lag. Die Versagenslast aller BubbleDeck Versuche lag mit 55 % bis 64 % (vgl. Tabelle 5 und Tabelle 6) deutlich über den nach DIN 1045-1 zu erwartenden Bruchlasten von etwa 10 % der Bruchlast der Massivdecke, obwohl bei den Ver-
Martina Schnellenbach-Held, Markus Aldejohann
375
suchen sämtliche im Hinblick auf die Querkrafttragfähigkeit maßgebenden Parameter ungünstigst eingestellt wurden. Abb. 4. Schubriss, MD 450-V1
Abb. 5. Schubriss, BD 450-V3
Horizontalriss auf Höhe der Längsbewehrung
Der Versagensschubriss bei den Decken mit Halbfertigteil bildete sich nahezu unabhängig von der Betonierfuge aus (vgl. Abb. 5). Eine verminderte Versagenslast infolge der Vorfertigung wurde nicht festgestellt (vgl. Tabelle 5 und Tabelle 6). Die im Vergleich mit der Massivdecke erzielte Versagenslast lässt sich anhand nachfolgender Zeichnung verdeutlichen. 45
Obere Längsbewehrung
Schnitt A-A
A 2
h d DBD
Untere
Längsbeweh-
2 *d
DBD
Effektiv wirksame Querschnittsfläche
A
Abb. 6. Schnitt A-A (li.), effektive Querschnittsfläche (re.)
In Abb. 6 (links) ist ein Schnitt unter einem Winkel von 45° durch eine Kugelreihe entsprechend der Hauptspannungsrichtung (Zustand I) und näherungsweise vorhandenen Rissrichtung des Versagensschubrisses auf Höhe der Schwereachse dargestellt. In Abb. 6 (rechts) ist die in diesem Schnitt vorhandene Querschnittsfläche angegeben. Die Bildung des Schubrisses hängt in erster Linie von dem Überschreiten der Betonzugfestigkeit in Hauptzugspannungsrichtung (näherungsweise 45° auf Höhe der Schwereachse) ab. Entsprechend kann das Verhältnis der Versagenslasten näherungsweise durch den Vergleich des Verhältnisses der zur Verfügung stehenden effektiven Querschnittsfläche beschrieben werden. Es ergeben sich die in der Tabelle 4 angegebenen Flächenverhältnisse. Durch eine derartige Betrachtung rein geometrischer Verhältniswerte kann der Vergleich zwischen der Querkrafttragfähigkeit der BubbleDeck und der Querkrafttragfähigkeit einer Massivdecke zunächst näherungsweise gezogen werden.
376
Zweiachsige Hohlkörperdecken
Tabelle 4. Verhältnis der effektiven Querschnittsflächen Serie I Serie II
ABD [m²] 0,515 0,141
AMD [m²] 0,922 0,242
ABD/AMD 56 % 58 %
Diese Betrachtung lässt jedoch die Ausbildung eines dreidimensionalen Tragverhaltens im Bereich der Kugeln außer Acht. Insbesondere für die Druckstreben und die senkrecht dazu verlaufenden Zugstreben bildet sich ein dreidimensionales Fachwerk um die Hohlkörper herum aus. Zur Untersuchung dieser zusätzlichen Tragwirkungen sowie weiterer Einflüsse wie beispielsweise den des Maßstabseffekts werden derzeit nichtlineare dreidimensionale FiniteElemente-Berechnungen am Institut für Massivbau der Universität DuisburgEssen durchgeführt. Tabelle 5. Versuchsergebnisse Serie I, Zusammenfassung
1 2 3 4 5 6
Durchbiegung wmax [mm] VAufbau [kN] Risslast Vcr [kN] Risslast in % von MD Versagenslast Vu [kN] Versagenslast in % von MD
MD 450-V1
BD 450-V1
BD 450-V2
BD 450-V3
16,84 16,86 654 100% 654 100%
13,68 16,86 340 52% 367 56%
13,92 16,86 328 50% 359 55%
13,9 16,86 316 48% 416 64%
Tabelle 6. Versuchsergebnisse Serie II, Zusammenfassung
1 2 3 4 5 6
Durchbiegung wmax [mm] VAufbau [kN] Risslast Vcr [kN] Risslast in % von MD Versagenslast Vu [kN] Versagenslast in % von MD
MD 250-V1
BD 250-V1
BD 250-V2
BD 250-V3
15,64 6,47 263 100% 350 100%
11,68 6,47 157 60% 210 60%
10,4 6,47 154 60% 192 55%
10,68 6,47 150 57% 198 57%
4 Literatur [1] Schnellenbach-Held, M., Pfeffer, K.: Tragverhalten zweiachsiger Hohlkörperdecken. Beton- und Stahlbetonbau 96 (2001), H. 9, S. 573-578. [2] Pfeffer, K.: Untersuchungen zum Biege- und Durchstanztragverhalten von zweiachsigen Hohlkörperdecken, Dissertation, TU Darmstadt, Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 4, Nr. 178, 2002. [3] Aldejohann, M., Schnellenbach-Held, M.: Investigations on the Shear Capacity of Biaxial Hollow Slabs – Test Setup and Test Program – Darmstadt Concrete V. 17,
2002.
Querkraftbemessung in DIN 1045-1, BS 8110 und ACI 318 Florian Spitra
Im Folgenden werden die Bemessungsrichtlinien des BS 8110 (England), der DIN 1045-1 (Deutschland) und des ACI 316 (USA) hinsichtlich der Bemessung von querkraftbeanspruchten Bauteilen ohne Querkraftbewehrung verglichen.
1 BS 8110 Die Bemessungsquerkraft berechnet sich im British Standard [1] wie folgt: 1
VBS 8110
Ȗm = 1,25 fcu
1
1
A · 3 400 · 4 § f cu · 3 0,79 § ¨¨100 s ¸¸ §¨ = ¸ ¨ ¸ bvd b v d ¹ © d ¹ © 25 ¹ m ©
(1)
Teilsicherheitsbeiwert Schubbelastung) Betondruckfestigkeit (150 mm Würfeln) [N/mm²]
Dabei ist die durchschnittliche Schubspannung über den gesamten Querschnitt v = VBS8110 /(bvd) auf 0,8·¥fcu maximal jedoch 5 N/mm² begrenzt. Außerdem darf für die Betondruckfestigkeit fcu kein größerer Wert als 40 N/mm² eingesetzt werden. Der Faktor zur Berücksichtigung der Maßstabsabhängigkeit der Bauteilhöhe (400/d)1/4 hat nur eine Gültigkeit bis zu einer statischen Nutzhöhe von 400 mm. Somit ist der Maßstabsfaktor (400/d)1/4 für statische Nutzhöhen größer 400 mm gleich 1,0.
2 DIN 1045-1 In der deutschen Norm DIN 1045-1 [2] wird die Bemessungsquerkrafttragfähigkeit durch folgende Gleichung berechnet: VDIN1045 1 = 0,10
DIN 1045 1
(100
1
l
f ck ) 3 b w d
(2)
378
Querkraftbemessung in DIN 1045-1, BS 8110 und ACI 318
Der Ansatz der deutschen Norm basiert auf der Bemessungsgleichung des Model Code 90 [3]. Der Koeffizient 0,10 wurde anhand einer statistischen Auswertung einer Versuchsdatenbank ermittelt [4]. Vergleicht man den Koeffizienten der Bemessungsgleichung des BS 8110 mit dem Koeffizienten der DIN 1045-1, so ist dieser um einiges größer. Nach einigen Umformungen und Vereinfachungen kann gezeigt werden, dass ein näherungsweise linearer Zusammenhang zwischen den beiden Bemessungsgleichungen des BS 8110 und der DIN 1045-1 besteht [5]. Die beiden Bemessungsgleichungen unterscheiden sich prinzipiell nur durch die Vorfaktoren und dem Ansatz zur Beschreibung des Maßstabseffektes. Außerdem basiert beim BS 8110 die Betondruckfestigkeit auf ermittelten Festigkeiten an Würfeln und bei der DIN 1045-1 an zylindrischen Versuchskörpern. Daraus folgt folgender Zusammenhang zwischen dem BS 8110 und der DIN 1045-1: VBS8110 = 1,31 VDIN1045 1 (3) Damit ergeben Bemessungen nach dem BS 8110 im Vergleich zur DIN 1045-1 31% höhere Querkrafttragfähigkeiten. Bei Verwendung des Bemessungsniveaus der DIN 1045-1 unterschätzt die Bemessungsquerkraft die Querkrafttragfähigkeit des Versuchskörpers für alle hier untersuchten Versuche. Im Gegensatz dazu entspricht das Bemessungsniveau des BS 8110 nur ungefähr der 5%-Fraktile aller Versuchsergebnisse. Somit wird bei ca. 5% der Versuche die Querkrafttragfähigkeit des Versuchskörpers überschätzt (siehe Abb. 1). 0,35
Versuchsergebnisse
5%-Fraktile 0,30
DIN 1045-1
BS 8110
Mittelwert
0,20
0,15
Vtest/(
DIN
(100 lfck)1/3bd)
0,25
0,10
0,05
0,00 0
10
20
30
40
50
60
70
Versuchsnummer
Abb. 1. Vergleich von Versuchsergebnissen und Bemessungswerten [4]
Florian Spitra
379
3 ACI 318 Die Bemessungsgleichung des ACI 318 [6] wurde 1962 vom ACI-ASCE Committee 326 ausgearbeitet und ist seither unverändert im Gebrauch. Die Versuchsergebnisse auf die die Bemessungsgleichung aufbaut, waren bei der Betondruckfestigkeit auf 40 N/mm² begrenzt, die Bauteilhöhe lag zwischen 300 und 500 mm und der maximale Längsbewehrungsgrad betrug 2,22 %. Neuere Versuchsergebnisse haben gezeigt, dass die Querkrafttragfähigkeit ab einer Betondruckfestigkeit f’c größer 55 N/mm² weniger stark zu nimmt als dies der Term ¥f’c in der Bemessungsgleichung vorgibt. Aus diesem Grund wird im ACI 318 die anrechenbare Betondruckfestigkeit auf 69 N/mm² begrenzt [7]. § V d· VACI 318 = ¨¨ 0,16 f ' c + 17 w u ¸¸b w d 0,29 f ' c b w d (4) M u © ¹ = 0,85 f 'c
Teilsicherheitsbeiwert Betondruckfestigkeit (Zylindrische) [N/mm²] Längsbewehrungsgrad
w
Vu d Querkraft-Momenten-Verhältnis Mu Der ACI 318 berücksichtigt als einzige der hier näher betrachteten Bemessungsvorschriften den Einfluss des Querkraft-Momenten-Verhältnisses auf die Querkrafttragfähigkeit. Könnte man die Parameter Querkraft Vu und Moment Mu aus der Bemessungsgleichung des ACI 318 eliminieren, so wäre ein Vergleich der Bemessungsgleichung unabhängig vom statischen System möglich. Für einen in der Praxis häufig vorkommenden Zweifeldträger ist das Verhältnis zwischen Querkraft Vu und Moment Mu über die Spannweite lu gekoppelt: Vu/Mu = 5/lu. Ein bauübliches Verhältnis zwischen Bauteilhöhe und Spannweite für Platten beträgt 1/25 (Die Minimale Plattendicke in Abhängigkeit der Spannweite für den ACI 318 beträgt lu/28). Somit kann für das Querkraft-Momenten-Verhältnis ein vom statischen System abhängiger Wert von 1/5 angesetzt werden. Die Querkrafttragfähigkeit wird nach der Eliminierung der Parameter Querkraft Vu und Moment Mu mit nachfolgender Gleichung näherungsweise bestimmt: V ACI
318
=
(0 ,16
f 'c + 3,4
w
)b
w
d
0 , 29
f 'c b w d
(5)
4 Sicherheitsbeiwerte Alle drei untersuchten Bemessungsvorschriften verwenden Teilsicherheitsbeiwerte für die einwirkenden Lasten. Damit die Tragfähigkeiten mit charakteristischen Werten der Einwirkung verglichen werden können, wird ein gemeinsamer Sicher-
380
Querkraftbemessung in DIN 1045-1, BS 8110 und ACI 318
heitsbeiwert ȖF aus der permanent wirkenden Last Gk und der veränderlichen Last Qk gebildet. Dabei wird angenommen, dass die permanente Last Gk zweimal so groß ist wie die veränderliche Last Qk. Tabelle 1. Teilsicherheitsbeiwerte
Eigengewicht ȖG 1,35 1,40 1,40
DIN 1045-1 BS 8110 ACI 318
Verkehrslast ȖQ 1,50 1,60 1,70
Ersatzlast ȖF 1,40 1,47 1,50
4 Bemessungsbeispiele Abb. 2 stellt für einen Zweifeldträger die notwendige Biegebewehrung und das Verhältnis aus Bemessungswiderstand und einwirkender Bemessungsquerkraft Vdesign / Vu in Abhängigkeit der Verkehrslast dar. Im Vergleich zu dem BS 8110 und der DIN 1045-1 erfordert der ACI 318 die größte Menge an Biegebewehrung. Dies liegt zu einem an der im Verhältnis zum BS 8110 und der DIN 1045-1 geringeren Bemessungsstahlspannung und dem höheren Teilsicherheitsbeiwert ȖF. 0,8%
4,0
C 30/37 d = 250 mm Zweifeldträgersystem Spannweite l0 = 7,0 m
3,5
0,6%
3,0
0,5%
2,5
0,4%
2,0
0,3%
Vdesign/Vu
Längsbewehrungsgrad © l [%]
0,7%
1,5
BS 8110
DIN 1045-1 0,2%
1,0
ACI 318 VBS/Vu V- BS VDIN/Vu V- DIN VV/Vu ACIACI
0,1%
0,5
0,0%
0,0 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Verkehrslast qk [kN/m]
Abb. 2. Abhängigkeit des Längsbewehrungsgrades und Vdesign / Vu von der Verkehrslast
Betrachtet man Abb. 2 so lässt sich feststellen, dass beim BS 8110 und der DIN 1045-1 bei zunehmenden Längsbewehrungsgrad der Bemessungswiderstand sich derart vergrößert, dass die in Abhängigkeit der Verkehrslast einwirkende Querkraft mehr als kompensiert wird. Beim ACI 318 ist dies zwar auch der Fall, jedoch hat der Längsbewehrungsgrad einen sehr geringen Einfluss auf die Bemessungsquerkraft. Der Bemessungswiderstand errechnet sich hauptsächlich aus dem Term
Florian Spitra
381
(0,16·¥f’c) in Gleichung (5). Für die in Abb. 2 auftretenden Längsbewehrungsgrade liegt der Bemessungstraganteil der Betondruckzone über 90%. Somit kann für den ACI 318 der Bemessungswiderstand der Querkraft über den einwirkenden Parameterbereich als konstant angesehen werden (VACI = const.). In Abb. 2 zeigt sich dies durch einen näherungsweise hyperbolischen Verlauf des Quotienten VACI / Vu mit Vu ~ q. Abschließend lässt sich festhalten, dass alle drei Bemessungsnormen keine Querkraftbewehrung für den untersuchten Parameterbereich des Zweifeldträgers erfordern [5].
5 Vergleich der Bemessungsvorschriften mit Versuchsergebnissen In Abb. 3 ist das Verhältnis aus Vtest / Vdesign zum Vergleich von Versuchsergebnissen mit den Bemessungsergebnissen des BS 8110, des ACI 318 und der DIN 1045-1 in Abhängigkeit der Bauteilhöhe aufgezeichnet. Die Versuchsergebnisse sind aus der Querkraftdatenbank [4] entnommen worden, welche auch zur Verifizierung der Bemessungsgleichung der DIN 1045-1 ursprünglich verwendet wurde. Der Parameterbereich der Versuchskörper beschränkt sich auf eine Betondruckfestigkeit von bis 47 N/mm², einem Längsbewehrungsgrad von 0,2 %bis zu 2,2 % und einer maximalen Bauteilhöhe von 1200 mm. Deutlich ist zu erkennen, dass die Versuchskörper mit einer Bauteilhöhe von kleiner als 200 mm eine wesentlich höhere Querkrafttragfähigkeit besitzen als dies die Bemessungsvorschriften ermitteln. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass sich die drei Bemessungsgleichungen an einem unterschiedlichen Bemessungsniveau orientieren. Wie Abb. 1 zeigt, orientiert sich das Bemessungsniveau des BS 8110 ungefähr an der 5%-Fraktile der Versuchsergebnisse. Die sehr restriktive DIN 1045-1 verlangt zusätzlich noch einen Abstand von der 5%-Fraktile, welcher nach den Vorschriften der DIN 1055-100 berechnet werden muss. Somit liefert die Bemessungsgleichung der DIN 1045-1 Ergebnisse mit den größten Sicherheiten. Außerdem wird das Abnehmen der Querkrafttragfähigkeit mit zunehmender Bauteilhöhe nicht ausreichend von den Ansätzen in den Bemessungsgleichungen des BS 8110 und der DIN 1045-1 wiedergegeben. Damit aber auch bei großen Bauteilhöhen eine ausreichende Querkrafttragfähigkeit gegeben ist, muss dies durch die Wahl des Vorfaktors wieder ausgeglichen werden. Welches wiederum zu einer unnötig hohen Sicherheit im Bereich von kleinen Bauteilen führt. Trotz dieser Erkenntnisse ermittelt sich die Bemessungsquerkraftragfähigkeit des ACI 318 unabhängig von der Bauteilhöhe, obwohl die Bemessungsquerkraft des ACI 318 die Tragfähigkeit einiger Versuchskörper unterschätzt (siehe Abb. 3). Auf diesen Mangel haben schon verschiedene Wissenschaftler aufmerksam gemacht. MacGregor and Gergely [8] haben zur Verbesserung des Sicherheitsniveaus bei der Querkraftbemessungen bauteilhöhenabhängige Bemessungsansätze entwickelt und auch Yang
382
Querkraftbemessung in DIN 1045-1, BS 8110 und ACI 318
et al. [9] fordern für große Bauteilhöhen deren Berücksichtigung bei der Querkraftbemessung. Bisher wurden aber noch keine Vorschläge in den ACI 318 Code übernommen. 3,5
DIN 1045-1 BS 8110 ACI 318
3,0
Vtest/Vdesign
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0 0
200
400
600
800
1000
1200
1400
stat. Nutzhöhe [mm]
Abb. 3. Zusammenhang zwischen stat. Nutzhöhe und Vtest/Vdesign
6 Literatur [1] BS 8110: Structural use of concrete, Part 1: Code of practice for design and construction; British Standards Institutions; London, 1997 [2] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Teil 1: Bemessung und Konstruktion; Juli 2001 [3] Comité Euro-International du Béton: CEB – FIP Model Code 1990 – Final Draft; Lausanne; 1991 [4] Hegger, J.; König, G.; Zilch, K.; Reineck, K.-H. et al.: Abschlussbericht und Datenbank des Gemeinschaftsforschungsvorhabens DIBt IV 1-5-876/98; RWTH Aachen, Universität Leipzig, TU München, Universität Stuttgart; 1999 [5] Spitra, F.: Einfluss der Betonzugfestigkeit auf die Nachweise im Stahlbetonbau; TU München; 2004 (in Vorbereitung) [6] ACI 318: Building code requirements for structural concrete and commentary; American Concrete Institute; Detroit; 1995 [7] Duthinth, D.; Carino, N. J.; Shear design of high-strength concrete beams: A review to the state-of-the-art; Building and Fire Research Laboratory - National Institute of Standards and Technology; Gaithersburg (USA); 1996 [8] MacGregor, J.G.; Gergely, P.: Suggested Revisions to ACI Building Code Clauses Dealing with Shear in Beams; ACI Journal 74; S. 493-500; 1977 [9] Yang, K.-H.; Chung, H.-S.; Lee, E.-T.; Eun, H.-C.: Shear characteristics of highstrength concrete deep beams without shear reinforcement; Engineering Structures 25; S. 1343-1352; 2003
Zum Schubtragverhalten von Stahlbeton Josef Hegger, Wolfgang Roeser, Rüdiger Beutel, Naceur Kerkeni, Norbert Will
Im vorliegenden Beitrag werden Unterschiede zwischen empirischen Querkraftformeln und Stabwerkmodellen herausgearbeitet um einen Ansatz zu einer übergreifenden Schubtheorie vorzustellen, der auf einer SchubVerzerrungs-Beziehung der Kontinuumsmechanik basiert.
1 Klassische Querkraftformeln In der Literatur werden zahlreiche Modelle zur Bestimmung der Querkraftragfähigkeit von Stahlbeton beschrieben, wobei folgende Parameter als maßgebend angenommen werden: -
Betondruck- bzw. -zugfestigkeit (fck bzw. fct) Querkraftanteil der Biegedruckzone in Abhängigkeit des Längsbewehrungsrades ( l) Dübelwirkung und Dehnsteifigkeit der Längsbewehrung ( l) Querkraftanteil und Verankerungsverhalten der Schubbewehrung ( s Asw fy) Schubschlankheit (x/d) Maßstabseffekt ( ) Längskraft ( cd)
Je nach Anwendungsfall werden unterschiedliche Modelle hergeleitet, die durch empirische Untersuchungen abgesichert werden und die Tragfähigkeit ausreichend genau beschreiben. In Tabelle 1 sind entsprechende Modelle aus DIN 1045-1 [1] und Heft 525 des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton [2] für die unterschiedlichen Anwendungsfälle wie Querkraft [3,4], Durchstanzen [5], Konsolen und Rahmenknoten [6] gegenübergestellt. Bei Querschnitten ohne Schubbewehrung geht die Betondruckfestigkeit stets unterproportional (z.B. fc1/3) ein. In die obere Grenze der Schubtragfähigkeit hingegen geht die Betondruckfestigkeit entweder linear (z.B. bei Konsolen oder Biegeträgern) oder auch unterproportional ein (z.B. fc1/3 beim Durchstanzen). Weiterhin ist in Tabelle 1 der Einfluß der Schubschlankheit x/d (bzw. hbeam/hcol bei Rahmenknoten) auf die Querkrafttragfähigkeit zu erkennen.
384
Zum Schubtragverhalten von Stahlbeton
Josef Hegger, Wolfgang Roeser, Rüdiger Beutel, Naceur Kerkeni, Norbert Will
385
2 Stabwerkmodelle Eine verallgemeinerte Theorie zur Beschreibung der Querkrafttragfähigkeit von Stahlbetonbalken wurde von Mörsch [7] mit den Fachwerkmodellen eingeführt, die aus diskreten Zug- und Druckstreben bestehen und somit das Tragverhalten von gerissenem Beton anschaulich beschreiben. Die Stabwerkmodelle wurden von Schlaich/Schäfer [8] weiter verallgemeinert. Die Tragfähigkeit der Druckstreben wird dabei jeweils in den Knoten nachgewiesen, da hier die größten Betondruckspannungen auftreten. Nur bei profilierten Querschnitten ist ein eigentliches Druckstrebenversagen zu erwarten. Gemäß der Stabwerkanalogie wird das Betonversagen stets durch einen linearen Ansatz der Betondruckfestigkeit beschrieben, die durch ggf. vorhandene Querdruck- und Querzugspannungen beeinflußt wird. In Tabelle 1 sind typische Fachwerkmodelle für Querkraft, Durchstanzen, Konsolen und Rahmenknoten empirischen Querkraftformeln gegenübergestellt. Zur Sicherstellung der Verträglichkeit von Stabwerkmodellen muss eine ausreichende Rotationsfähigkeit der Knotenbereiche gegeben sein. Schlaich/Schäfer [8] empfehlen daher die Stabwerkmodelle am Kraftfluß der Elastizitätstheorie zu orientieren. Kanallopulus [9] führt als Verträglichkeitsgrenze einen maximal zulässigen Rotationswinkel max für die Druckstreben ein. Walraven/Lehwalter [10] untersuchen Stabwerkmodelle mit biegesteifen Knoten um den Einfluß von Nebenspannungen zu erfassen. Zilch/Rogge [11] empfehlen die Eignung eines Stabwerkmodells mit dem Minimum der Formänderungsenergie zu überprüfen. Windisch [12] empfiehlt die Methode der charakteristischen Bruchquerschnitte. Allerdings gehen in die Stabwerkmodelle eine Reihe von für die Schubtragfähigkeit maßgebenden Einflußgrößen nicht ein, wie z.B. die Betonzugfestigkeit, die Betonbruchenergie und der damit gekoppelte Maßstabseffekt oder der Bewehrungsschlupf.
3 Ansatz einer übergreifenden Schubtheorie Schubrisse entstehen, sobald die Hauptzugspannungen im Knoten die Betonzugfestigkeit überschreiten. Je nach Anwendungsfall und Schubbewehrungsgrad sind einzelne oder parallel zueinander verlaufende Schubrisse zu beobachten, die entweder parabelförmig oder gerade zwischen der Lasteinleitungszone und dem Auflager verlaufen. Mit zunehmender Belastung entwickeln sich die Schubrisse bis in die Biegdruckzone fort. Mit Ausnahme des klassischen Druckstrebenversagens bei profilierten Balken, lokalisiert sich die Bruchprozesszone an der Rißspitze. Das weitere Wachstum des maßgebenden Risses in den Druckknoten leitet dann im Grenzzustand der Tragfähigkeit den Bruch ein. Das vorliegende Modell beruht auf einer verschmierten Schub-VerzerrungsBeziehung und wurde zunächst von Roeser für Rahmenknoten [6] hergeleitet. Am
386
Zum Schubtragverhalten von Stahlbeton
Beispiel eines auflagernah belasteten Balkens (Bild 1) wird hier eine verallgemeinerte Schreibweise erläutert.
x · · cos = · x / cos
V
d
x Abb.1.
Schubrisse in einer physikalisch nichtlinearen Finite Elemente Berechnung mit LIMFES [13] und geometrischer Zusammenhang zwischen Schubverzerrung und Diagonalenrotation
3.1 Kinematische Beziehung Die Versagenszonen lokalisieren sich im Schubfeldes näherungsweise auf der geometrischen Diagonalen unter dem Winkel . Infolge der Schubverzerrungen im Schubfeld kommt es zu einer Rotation der Schubfelddiagonale, wobei mit zunehmender Rotation die Verträglichkeit in der Umgebung der Bruchprozesszone verletzt und das Versagen lokal eingeleitet wird. Der Winkel der geometrischen Knotendiagonalen bestimmt sich gemäß Gleichung (1).
Josef Hegger, Wolfgang Roeser, Rüdiger Beutel, Naceur Kerkeni, Norbert Will
= arctan (d/x)
387
(1)
Ein Zusammenhang zwischen Schubverzerrung des Knotens und der Rotation ergibt sich aus der Geometrie nach Abbildung 1 zu nach Gleichung (2). (2) cos = cos2 x cos Bei Überschreitung der betonspezifischen maximalen Rotation max kommt es nach Kanellopulos [9] zu einem lokalen Versagen des Betons, so daß sich die maximale Knotenverzerrung max nach Gleichung (3) ergibt. =
max =
max /
x
cos2 =
Der maximale Rotationswinkel nutzung der Betondruckstrebe ab.ҏ
max /
max
cos2 [arctan (d/x)]
(3)
hängt von der Betonfestigkeit und der Aus-
3.2 Konstitutive Schub-Verzerrungs-Beziehung In der Kontinuummechanik wird der Zusammenhang zwischen einer Schubspannung und einer Schubverzerrung über den Schubmodul G beschrieben. = GI
Mit:
GI
= Ec / (2 (1+ )) = 0,42 Ec
Ec
= 9.500 fcm 1/3
(4)
In Stahl- und Spannbetonstrukturen wird bei einsetzender Schubrissbildung die Schubsteifigkeit G erheblich reduziert. Da die Schubverzerrungen des ungerissenen Betons vernachlässigbar gering sind gegenüber den Verzerrungen des gerissenen Betons, wird im vorliegenden Ingenieurmodell der ungerissene Beton als schubstarr betrachtet und nur die Verzerrungszuwächse im Zustand II berücksichtigt. Die von dem ungerissenen Beton aufnehmbare Schubspannung wird näherungsweise der Betonzugfestigkeit fct gleichgesetzt, wobei hier zunächst der Einfluß von Längsdruckspannungen cd vernachlässigt wird. Der konstitutive Zusammenhang zwischen und ergibt sich nach Gleichung (5) in guter Übereinstimmung zu scheibenbewehrten Schub-Versuchen von Vecchio/Collins [14].
388
Zum Schubtragverhalten von Stahlbeton
(5)
= fct + GII
Der günstige Einfluß der Betonzugfestigkeit fct auf die Schubsteifigkeit kann nach DIN 1045-1, Abschnitt 10.3.3 allerdings nur dann angesetzt werden, wenn die Betonzugspannungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit im gesamten Schubbereich kleiner als fctk;0,05/1,8 sind. In der Regel sind im auflagernahen Bereich Risse aus der Biegebeanspruchung bereits vor der Schubrissbildung zu erwarten, so dass im Weiteren der günstige Einfluß der Zugfestigkeit vernachlässigt wird und der multiplikative Ansatz nach Gleichung (6) vereinfacht werden kann. (6)
= GII
Leonhardt [15] berichtet, dass die Schubsteifigkeit im gerissenen Zustand unmittelbar vom Querkraftbewehrungsgrad abhängt. Für das hier vorgestellte Modell wird vereinfachend eine lineare Abhängigkeit des Schubmoduls vom Schubbewehrungsgrad w angenommen. Weiterhin wird die Schubsteifigkeit im Zustand II von der Druckzonenhöhe, dem Längsbewehrungsrad und den Bauteilabmessungen beeinflußt. Die Werte für den shear retention factor können aus Versuchen abgeleitet werden. GII = Mit: ß w
(7)
GI
= +ß· w = Faktor in Abhängigkeit von Bauteilgeometrie und abmessungen sowie des Längsbewehrungsgrades = Einflußfaktor für den Wirkungsgrad der Schubbewehrung = Schubbewehrungsgrad im maßgebenden Schubbereich
In [6] wird die gute Übereinstimmung des vorgeschlagenen Modells mit gemessenen Schubverzerrungs-Beziehungen aus Versuchen an Rahmenknoten anschaulich belegt.
3.3 Grenzzustand der Tragfähigkeit Die maximal aufnehmbare Schubspannung R wird bei einer maximalen Knotenrotation max erreicht, wobei die obere Schubspannungsgrenze von 0,5 fcd nicht überschritten werden kann. R=G
II
max
0,5
fc
(8)
Josef Hegger, Wolfgang Roeser, Rüdiger Beutel, Naceur Kerkeni, Norbert Will
mit:
max
1 2
389
= max / cos2 [arctan (x/d)] = 1 · 2 = Anpassungsfaktor für die obere Schubspannungsgrenze = Faktor in Abhängigkeit der Betonfestigkeitsklasse = Faktor in Abhängigkeit von Querzug-/-druckspannungen
Bei Anwendung von Gleichung (8) können die Unterschiede der Querkraftmodelle nach Tabelle 1 anschaulich erklärt werden. Bei Querschnitten ohne oder mit geringer Querkraftbewehrung wird die Schubverzerrung für das Überschreiten der zulässigen Diagonalenrotation max maßgebend. Durch den Schubmodul GII geht die Betonfestigkeit fcm1/3 unterproportional in die Schubtragfähigkeit R ein. Die maximale Schubverzerrung max ist über die Schubschlankheit x/d mit der Diagonalenrotation gekoppelt. Abbildung 2 zeigt eine prinzipielle Übereinstimmung des geometrischen Ansatzes max = max / cos2 [arctan (d/x)] mit dem empirischen Ansatz ß = x/ (2,5 d) nach DIN 1045-1, Gleichung (68). Abbildung 3 zeigt den günstigen Einfluß von unterschiedlichen Querkraftbewehrungstypen auf die Gesamtrotation von Durchstanzversuchen im Bereich von Innenstützen. Mit zunehmendem mechanischen Längsbewehrungsgrad wird die Schubrotation geringer und es können höhere Bruchschubspannungen erreicht werden. Der obere Grenzwert der Schubtragfähigkeit 0,5 fc kann hingegen nur bei entsprechend schubsteifen Querschnitten und einer ausreichend dimensionierten und wirksam verankerten Querkraftbewehrung erreicht werden. Nur für solche Querschnitte ergibt sich eine lineare Abhängigkeit der Querkraftragfähigkeit von der Betondruckfestigkeit fc. 3
2 1,5
1/ cos2 [arctan (d/x)]
R
/
R
[x/d = 5]
2,5
1
2,5 d/x
0,5 0 0
1
2
3
4
5
x/d [-]
Abb.2. Abhängigkeit der Schubtragfähigkeit von der Schubschlankheit x/d;
gesamt Rotation
V
=
.d/u0.10-3[-]
390
Zum Schubtragverhalten von Stahlbeton 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0
Legende: I-Trägerscheiben (4-Versuche) Doppelkopfanker (17 Versuche) Dübelleisten (10 Versuche) Schubzulagen (9 Versuche) Bügel (25 Versuche)
ohne Durchstanzbewehrung (62 Versuche) eigene Versuche (4 Versuche, Typ Ib)
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
mechanischer Bewehrungsgrad
0,5
[-]
0,6
lineare Regressionslinien: Doppelkopfanker und Dübelleisten Schubzulagen und eigene Versuche Bügel ohne Durchstanzbewehrung
Abb.3.
Gesamtrotation der Durchstanzbereiches in Abhängigkeit des mech. Längsbewehrungsgrades für unterschiedliche Durchstanzbewehrungsformen im Bereich von Innenstützen
4 Fazit Die Querkrafttragfähigkeit von Stahl- und Spannbeton wird in den klassischen Schubtheorien durch eine Vielzahl von Parametern beschrieben, die halbempirisch ermittelt wurden. Im Gegensatz dazu gehen Stabwerkmodelle von einem deterministischen Konzept aus, in dem der Beton die Druckbeanspruchungen aufnimmt und der Bewehrung die Zugbeanspruchungen zugewiesen wird. Im vorliegenden Beitrag wird ein Ingenieurmodell vorgestellt, das auf einem Scheibenmodell beruht und bei dem die maximale Knotenrotation als ein weiteres Bruchkriterium eingeht. Mit dem Modell kann erklärt werden, das nur für ausreichend schubsteife Querschnitte eine lineare Abhängigkeit der Querkrafttragfähigkeit von der Betondruckfestigkeit vorausgesetzt werden kann. Für Querschnitte mit geringem Querkraftbewehrungsgrad, nur teilweise effektiv verankerter Querkraftbewehrung oder mäßiger bis großer Schubschlankheit ergibt sich hingegen eine unterproportionale Abhängigkeit von der Betondruckfestigkeit, da das Verträglichkeitskriterium für das Versagen maßgebend wird. Die Verträglichkeitsbedingungen sind für die unterschiedlichen Anwendungsfälle im einzelnen zu bestimmen, da z.B. im Fall des Durchstanzens gegenüber dem Balkenquerkraftversagen ein mehraxialer Beton-Druckspannungszustand zu beachten ist. Eine Darstellung der jeweiligen Verträglichkeitsgrenzen geht jedoch über den Umfang der vorliegenden Festschrift weit hinaus, sodass hier nur das Grundprinzip dargestellt wird.
Josef Hegger, Wolfgang Roeser, Rüdiger Beutel, Naceur Kerkeni, Norbert Will
391
5 Literatur [1] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 1: Bemessung und Konstruktion; 2001 [2] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Erläuterungen zu DIN 1045-1; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 525, Beuth Verlag, Berlin, 2003 [3] Görtz, S.: Zum Schubris sverhalten von profilierten Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen aus Normal- und Hochleistungsbeton; Dissertation, RWTH Aachen, 2004 [4] Zink, M.: Zum Biegeschubversagen schlanker Bauteile aus Hochleistungsbetonmit und ohne Vorspannung; Dissertation, Universität Leipzig, 1998 [5] Beutel, R..: Durchstanzen schubbewehrter Flachdecken im Bereich von Innenstützen; Dissertation, RWTH Aachen, 2002 [6] Roeser, W.: Zur Bemessung von Rahmenknoten aus Stahlbeton; Dissertation, RWTH Aachen, 2001 [7] Mörsch, E.: Die Schubsicherung der Eisenbetonbalken; Beton und Eisen, Heft 2/1927, S. 27 - 35 [8] Schlaich, J.; Schäfer, K.: Konstruieren im Stahlbetonbau; Beton Kalender 2001 Teil II; Ernst und Sohn, 2001 [9] Kanellopoulos, A.: Zum unelastischen Verhalten und Bruch von Stahlbeton; Bericht Nr. 153, ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion, 1986 [10] Walraven, J.; Lehwalter, N.: Die Tragfähigkeit von Betondruckstreben in Fachwerkmodellen am Beispiel von gedrungenen Balken; Beton- und Stahlbetonbau, Heft 4/1989, S. 81-87 [11] Zilch, K.; Rogge, A.: Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen im Brücken- und Hochbau; Beton Kalender 2004 Teil II, Ernst und Sohn, 2004 [12] Windisch, A.: Das Modell der charakteristischen Bruchquerschnitte - Ein Beitrag zur Bemessung der Sonderbereiche von Stahlbetontragwerken; Beton- und Stahlbetonbau, Heft 9/1988 S. 251-255 und Heft 10, Seiten 271-274 [13] Kerkeni, N.: Zur Anwendung der FE-Methode bei spritzbetonverstärkten Stützen; Disseration RWTH Aachen, 2000 [14] Vecchio, F.; Collins, M.P.: The Response of reinforced concrete to in-plane shear and normal stresses; University of Toronto, Publication No. 82-03, 1982 [15] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau Vierter Teil: Nachweis der Gebrauchsfähigkeit; zweite Auflage, Springer Verlag, 1978
Zur Einleitung konzentrierter Kräfte in den Betongurt durch Verbundmittel Andreas Jähring
Bei Stahl-Betonverbundträgern werden die Schubkräfte zwischen Stahlquerschnitt und Betongurt diskret durch Verbundmittel übertragen. Dabei resultieren aus den kompakten Druckflächen der Verbundmittel örtlich konzentrierte Betondruckspannungen in Gurtlängsrichtung und in bestimmten Schnitten Querzug- und Querdruckspannungen, die zu Rissbildung bzw. zu einer Erhöhung der maximal eintragbaren Last führen. Im vorliegenden Beitrag werden für das einfache Modell eines Betonprismas mit rechteckförmiger Teilflächenbelastung Lösungen für die Spaltlast und die mögliche Festigkeitserhöhung infolge mehrachsiger Betonbeanspruchung gegeben. Anschließend werden erste Rechenergebnisse an einem Finite-ElementeModell angegeben.
1 Einleitung Es existiert eine Vielzahl verschiedener Verbundmittel, die sich in Form, Größe und Befestigungsart unterscheiden, überwiegend aber dübelartige Stahlelemente darstellen, die am Stahlquerschnitt befestigt sind und in den Beton einbinden. Heute werden als Verbundmittel überwiegend Kopfbolzendübel eingesetzt, die sich durch eine hohe statischen Leistungsfähigkeit, ein gutmütiges LastVerformungs-Verhalten und eine zielsichere und kontrollierbare Herstellbarkeit auszeichnen. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens [2] wurden zahlreiche Versuche an Push-Out-Körpern mit Kopfbolzendübeln und Betonfestigkeitsklassen bis C105 durchgeführt. Im Folgenden werden stark vereinfachte Überlegungen zum Tragverhalten der Verbundmittel angegeben. Der Betongurt wird dabei als homogener, isotropher Körper betrachtet. Durch die Dübel werden konzentrierte Druckkräfte am Rand der Schnittfläche des Betongurts eingeleitet. In Richtung des Betongurtes breiten sich die Druckkräfte über die mitwirkende Gurtbreite aus. Durch die Behinderung des Ausziehens des Dübels kommt es zu einem Anpressen des Stahlgurtes an den Betongurt im unmittelbaren Dübelbereich. Die Druckspannungen senkrecht zur Kontaktfläche zwischen Betongurt und Stahlgurt müssen aus
394
Zur Einleitung konzentrierter Kräfte in den Betongurt durch Verbundmittel
Gleichgewichtsgründen eine Ausbreitung der durch die Dübel eingeleiteten Druckkräfte in Dickenrichtung des Betongurtes hervorrufen. Damit ergibt sich im Bereich unmittelbar vor dem Dübel ein dreiachsiger Spannungszustand, der zu einer Erhöhung der Betonfestigkeit führt. Aus der Ausbreitung der Druckkräfte im Betongurt resultieren Spaltzugspannungen, die bei Überschreiten der Betonzugfestigkeit zu einem Spalten des Betongurts führen. Ist senkrecht zur Rissebene eine Bewehrung vorhanden, können die Spaltzugspannungen aufgenommen werden und die eingeleitete Kraft über die Spaltlast hinweg gesteigert werden.
2 Spaltzugkräfte im Betonprisma mit Teilflächenlast 2.1 Prisma mit mittiger Streifenlast Leonhardt [3] gibt die Verteilung und die Größe der Querzugspannungen y sowie die Größe der Resultierenden der Querzugspannungen Z für Prismen, die mit einer Streifenlast der Breite ay belastet sind, an. Die Kraft Z wurde durch Integration der Querzugspannungen über die Höhe lt = 1,0 d – x( y = 0) ermittelt. Nimmt man an, dass das Versagen durch Spalten bei Erreichen der Betonzugfestigkeit eingeleitet wird, lässt sich aus den Angaben in [3] die Spaltlast Psp als kleinste Traglast eines unbewehrten Prismas ermitteln (hier bezogen auf die Betonzugfestigkeit fct und den Prismenquerschnitt b d): Psp f ct b d
§ 2 ,3¨¨ 1 ¨ ©
§ ay ¨ ¨ d ©
· ¸ ¸ ¹
1,1 ·
2
(1)
¸ . ¸¸ ¹
Oehlers und Johnson [4] ermittelten auf der Basis einer Versuchsdatenbank die Beziehung: Psp
ay · § ¸ = 0 ,6 ¨¨ 1 f ct b d d ¸¹ ©
(2)
2
.
Die Gln. (1) und (2) zeigen tendenziell eine gute Übereinstimmung im baupraktisch interessanten Bereich 0,10 a/d 0,5. Gl. (1) gilt für eine Prismenhöhe h 2d und eine endlich steife Lastplatte.
Andreas Jähring
395
2.2 Prisma mit zentrischer Teilflächenlast Die Lösung für die zentrische Teilflächenlast kann aus der Lösung für die Streifenlast entwickelt werden. Unterhalb eines Verhältnisses ay /d = 0,25 liefert der additive Ansatz Gl. (3) gute Ergebnisse [1]. Dabei werden zwei kreuzweise, innerhalb des ursprünglichen Prismas angeordnete Prismen az d und ay b betrachtet, die jeweils durch eine Last mit der Fläche ay az belastet sind (Abb. 1 links). ay · § ¸ Psp = 0 ,6 a z d f ct ¨¨ 1 d ¸¹ ©
2
az · § + 0 ,6 a y b f ct ¨ 1 ¸ b ¹ ©
2
(3)
Teilt man den Ausdruck Gl. (3) durch den ersten Term, ergibt sich ein Ansatz für die anteilsmäßige Erhöhung des Spaltwiderstands durch die Lastausbreitung in zwei Richtungen gegenüber der Lastausbreitung in nur einer Richtung, wobei die Gleichung für den Bereich 3az b 4,5az gilt [1]: Psp ,yz Psp ,y
ª§ a y = 1 + «¨¨ «¨ d ¬©
2 a y · ·¸ § ¨1 ¸ ¨ d ¸¹ ¸¸ © ¹
2 ·º §a § ¨ z ¨ 1 a z ·¸ ¸» . ¨ d © b ¹ ¸» © ¹¼
(4)
2.3 Prisma mit am Rand angeordneter Teilflächenlast Übergang zum Gurt eines Verbundträgers Betrachtet man den Gurt eines Verbundträgerabschnitts als halbes Prisma, so ergibt sich aus vorstehender Betrachtung der doppelte Spaltwiderstand als für den Betongurt mit b/2 d (Abb. 1 rechts). Dies gilt allerdings nur für eine zwischen den zwei (gedachten) Hälften wirkende vollständige Stützung. Tatsächlich ist die Stützung wesentlich von der Steifigkeit der Verbundmittel senkrecht zum Stahlgurt abhängig.
Abb. 1. Abmessungen am Prisma und am Betongurt eines Verbundträgers
396
Zur Einleitung konzentrierter Kräfte in den Betongurt durch Verbundmittel
3 Festigkeitserhöhung durch Teilflächenpressung Kupfer leitet in dieser Festschrift [5] eine allgemein gültige Lösung für die mittlere dreiachsige Druckfestigkeit unterhalb der Lastplatte von Betonkörpern mit Teilflächenbelastung her und zeigt, dass die Regelung der aktuellen DIN 1045-1 für steife Lastplatten auf der sicheren Seite liegt. Nach DIN 1045-1 ergibt sich bei rechteckiger Lastplatte (ay az) folgender Zusammenhang für die Erhöhung der mittleren dreiachsigen Festigkeit gegenüber der einachsigen Festigkeit: 3m
mit
=
f c3m = f c1
½° ° d b ß = min ® ; ;3,0 ¾; h °¿ °¯ a y a z
(5)
Ac1 = Ac0
(
{
}
1) max a y ; a z .
(6)
Die maximale zweiachsige Festigkeit des Betons ergibt sich bei einem Spannungsverhältnis 2/ 1 -0,5/-1,0 zu fc2 1,27 fc1. Bei Spannungen 2 0,5 1 ( 1 < 0) fällt die zweiachsige Festigkeit wieder ab und erreicht etwa fc2 = 1,16 fc1 bei 2/ 1 = -1,0/-1,0 [6]. Geht man für den Fall mit einer Lastausbreitung nur in y-Richtung analog Kupfer [5] vor und setzt näherungsweise fc2 = fc1 + 0,425 y für -0,5/-1,0, kann man zeigen, dass folgender Zusammenhang auf der siche2/ 1 ren Seite liegt: 2m
= f c 2 m f c1 = 0 ,74
1,16 .
(7)
4 Numerische Berechnungen 4.1 Modellierung Rogge [7] führte Versuche an Betonzylindern in so genannten Triaxialzellen durch und leitete aus den gewonnenen Ergebnissen ein elasto-plastisches Materialgesetz für Beton unter beliebiger mehrachsiger Beanspruchung ab.
Andreas Jähring
-5
3
Rogge C30
f cm -4
Lade C30 (m=1,20, k=413109)
1
Rogge C70
f cm
Lade C70 (m=1,40, k=5564204)
-3
-2 1
2 f cm
-1
2
2 f cm
0 0
-1
-2
-3
= =
-4
2
2 f cm 3
2 f cm
397
Fließkriterium Lade: · § I ·m § I 13 ¨ 27 ¸ ¨ 1 ¸ k =0 ¸ © 0 ,103 ¹ ¨ I3 ¹ © mit I 1 = ( 1 f ct ) + ( 2 f ct ) +(
I3 = (
(
3 1 3
f ct )
f ct )
f ct )
(
2
f ct )
-5
Abb. 2. Anpassung der Meridiane der Fließfläche nach Lade im Bereich kleiner hydrostatischer Druckspannungen (links) und Fließkriterium nach Lade (rechts)
Bei den Berechnungen zum vorliegenden Beitrag wurde ein Materialgesetz mit einem Fließkriterium nach Lade (Abb. 2 rechts) verwendet. Die sich ergebene Fläche ist geometrisch ähnlich der von Rogge abgeleiteten Fläche. Die Schnittkurve mit der 1/ 2-Ebene ist allerdings in Richtung der maximalen zweiachsigen Festigkeit deutlicher ausgeprägt, so dass sich hier größere zweiachsige Festigkeiten ergeben. Mit den Parametern k und m wurde eine Anpassung an die Fließbedingung nach Rogge durchgeführt (Abb. 2 links). Die Berechnungen erfolgten unter Ansatz einer assoziierten Fließregel und ohne Verfestigungsregel, d. h. idealelastisch-ideal-plastisch. Zum Vergleich mit eigenen Versuchsergebnissen, die zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch nicht vorlagen, wurde ein prismenförmiger unbewehrter Betonkörper mit b x d x h = 15 x 16 x 30 cm in C30 und C70 modelliert. Die Lasteinleitung erfolgt über ein Stahlprofil 20 x 20 x l, wobei bei der Streifenlast l = 150 mm und bei der exzentrischen Teilflächenlast l = 40 mm war. Die Länge für die Teilflächenlast ergab sich näherungsweise aus der äquivalenten Höhe für einen KBD 22 nach [1] mit heq = 1,8 d sh .
4.2 Ergebnisse 4.2.1 Prisma C30 mit Streifenlast Die Traglast P = 270 kN wurde erreicht durch Überschreiten der Zugfestigkeit fctm = 2,9 MPa durch die Querzugspannungen y in Höhe x = 0,4h unterhalb der Lasteinleitung. Nach Gl. (1) ergibt sich Psp = 198 kN, nach Gl. (2) Psp = 171 kN. Die deutliche Überschreitung durch die berechnete Spaltkraft ergibt sich durch den in den Gln. (1) und (2) vernachlässigten Einfluss der Querdehnungsbehinde-
398
Zur Einleitung konzentrierter Kräfte in den Betongurt durch Verbundmittel
rung am unteren Rand des mit h/d 2,0 gerade am Rand des Gültigkeitsbereichs der Gleichungen liegenden Prismas. Mit einem verbesserten Ansatz nach [4] unter Berücksichtigung der Schlankheit h/d ergibt sich Psp 4,4/ 171 = 240 kN. 4.2.2 Prisma C30 mit exzentrisch am Rand angeordneter Teilflächenlast Die Traglast P = 98 kN wurde erreicht durch Überschreiten der Zugfestigkeit fctm = 2,9 MPa durch die Randzugspannungen z in der Achse y = 0 neben der Lasteintragung und anschließendem Druckversagen unterhalb der Last. Es handelt sich hier um keinen charakteristischen Fall für den Verbundträger, da bei diesem die Zugspannungen quer zur Gurtebene durch das Verbundmittel selber und durch die Mitwirkung des an die hier vorhandene Oberfläche anschließenden Betons auf Zug aufgenommen werden können. 4.2.3 Prisma C30 mit exzentrisch am Rand angeordneter Teilflächenlast und elastischer Festhaltung in z-Richtung Hier wurde, um das Anlegen des Betongurts zu simulieren, im Bereich 0 x 6 cm eine Festhaltung in z-Richtung eingebaut (Abb. 3). Dieser Bereich wurde als Kontaktbereich unter Annahme einer Ausstrahlung der Ankerkräfte vom Dübelkopf unter 1:2 bestimmt. Die Knoten in der Ebene x = 30 cm wurden auf eine Feder mit der Steifigkeit cw = 6,3 105 kN/m (repräsentiert ein KBD 22) gekoppelt. Die Verteilung der Spannungen nähert sich in diesem System der erwarteten Verteilung bei vollständiger Stützung in der Ebene z = -b/2 (Verbundfuge) an. Die Traglast konnte bis auf P = 192 kN gesteigert werden und wurde erreicht durch Überschreiten der Zugfestigkeit fctm = 2,9 MPa durch die Querzugspannungen y in Höhe x = 0,5h unterhalb der Lasteinleitung. -23.6 -12.0
-24.2
0.05
-0.0948
0 .0 -2
00 2.
0.148
0.15
0.152
0.10
0.349
0.0018
0.0027 0.0383 -0.0286 0.0138 -0.0231
0.25
0.20
2.80 2.79
-0.0720 -0.0777 0.00
X Y Z
Systemausschnitt Struktur Spannung in global Y aus der Elementmitte
0.05
0.15
0.10
m
M 1 : 1.19
, nichtlinearer Lastfall 7 BLOCKLAST fact
24.00, von -24.2 bis
2.80 Stufen 2.00 MPa
Abb. 3. System für die Berechnung mit elastischer Festhaltung in z-Richtung (links) und Verlauf der Spannungen y in der Ebene z = -b/2 + az/2
Andreas Jähring
399
5 Literatur [1] Oehlers, D.J.; Bradford, M.A.: Composite Steel and Concrete Structural Members – Fundamental Behaviour. Elsevier Science Ltd., Oxford, 1995 [2] Zilch, K.; Jähring, A.: Verbundmittel in hochfestem Beton. Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben DFG ZI 134/14-1. München, 2004 [3] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau. Zweiter Teil: Sonderfälle der Bemessung im Stahlbetonbau. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 1975 [4] Oehlers, D.J.; Johnson, R.P.: The splitting strength of concrete prisms subjected to surface strip or patch load. Mag. of Concrete Research Vol. 33, No. 116, Sept. 1981 [5] Kupfer, H.: Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung. In: Massivbau in ganzer Breite - Festschrift zum 60. Geburtstag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. K. Zilch. Springer, Berlin, 2004 [6] Kupfer, H.B.: Das Verhalten des Betons unter mehrachsiger Kurzzeitbelastung unter besonderer Berücksichtigung der zweiachsigen Beanspruchung. DAfStb-Heft 229. Ernst & Sohn, Berlin, 1973 [7] Rogge, A.: Materialverhalten von Beton unter mehrachsiger Beanspruchung. Diss., TU München 2002
Danksagung: Herrn Prof. Kupfer für die freundliche Überlassung eines Vorabzuges zum Beitrag [5].
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung Herbert Kupfer
Vorbemerkung Es ist nun schon elf Jahre her, dass Herr Univ.-Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch den Lehrstuhl für Massivbau der TUM übernommen hat, nachdem er für diese Aufgabe eine Bilderbuchlaufbahn absolviert hatte. Sie wird in diesem Buch an anderer Stelle geschildert. Ich, sein Vorgänger, ließ mich zum WS 93/94 aus gesundheitlichen Gründen mit 66 ½ Jahren emeritieren. Ursprünglich hatte ich beabsichtigt, bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres Dienst zu tun, was damals möglich war. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum man diese Möglichkeit später ausgeschlossen hat, zumal dieser Ausschluss den Steuerzahler viel Geld kostet. In den vergangenen 11 Jahren gab mir Herr Zilch des Öfteren Gelegenheit, mich an den Arbeiten des Lehrstuhls zu beteiligen z.B. durch Betreuung von Diplomanden und Doktoranden sowie durch Vorträge und Aufsätze im „Bauingenieur“, einer führenden Fachzeitschrift, für die Herr Zilch als Sprecher der Herausgeber verantwortlich zeichnet. Ich danke Herrn Zilch ausdrücklich für diese Einbeziehung, die ich sehr genieße. Der folgende kleine aber m.E. nicht uninteressante wissenschaftliche Beitrag ist ihm als kleines Zeichen meines Dankes persönlich gewidmet. Zusammenfassung Die neue DIN 1045 – 1, 10.7 [1] beschreibt mit der auf Versuchsergebnissen beruhenden Gleichung 116 die aufnehmbare Teilflächenlast. In der vorliegenden Arbeit wird eine analytische Lösung des Problems vorgestellt. Sie beruht auf der Erhöhung der Druckfestigkeit des Betons durch rotationssymmetrische Querdruckspannungen nach der Bruchhypothese von MohrCoulomb (Abb. 1). Diese Hypothese liefert nicht nur für rollige Böden, sondern auch für Beton gut zutreffende Ergebnisse, obwohl die Brüche im vorliegenden Falle kaum durch Abgleiten zustande kommen, wie es die Hypothese unterstellt, sondern eher durch Aufspalten oder, im Falle extrem kleiner Teilflächen, durch sog. Ausbruch [8]. Diese Fälle mit a/b < 1/18 werden aber hier nicht behandelt (Radien a, b nach Abb. 2). Der Winkel ij der inneren Reibung nimmt mit höheren Spannungen ab, was in dieser Arbeit vernachlässigt wird [6].
402
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung
Eine konstante vom Achsabstand r unabhängige Querdruckspannung entsteht in der Nähe der teilbelasteten Stirnfläche des Betonkörpers durch die im unbelasteten Randbereich wirksamen Ringzugspannungen des Betons. Durch die Umlenkkräfte der längsgerichteten Drucktrajektorien nehmen die Querdruckspannungen und damit die Druckfestigkeiten in radialer Richtung zur Lastachse hin nach einer Gauß’schen Glockenkurve zu (Abb. 3). Bei konstanten Lastpressungen und „schlaffer Lastfläche“ beeinflusst dieser achsnahe Anstieg der Druckfestigkeit die Traglast zwar nicht, aber bei „starrer Lastfläche“ bzw. bei Lastpressungen, die entsprechend der Glockenkurve der Festigkeit verteilt sind, erhöht dieser Anstieg die Traglast. Ein Vergleich der unter Berücksichtigung des Querdrucks errechneten aufnehmbaren Teilflächenlasten mit den entsprechenden Werten der DIN 1045-1 zeigt, dass die Normenwerte auf der sicheren Seite liegen, wenn man die Querdruckspannungen ıra infolge der Ringzugspannungen ıij = fctk; 0,05 im Bereich a r b und x x1 berücksichtigt (Abb. 4). Bei Vernachlässigung dieser Ringzugspannungen stimmen die theoretischen Ergebnisse sehr gut mit den Normenwerten überein.
1 Bruchhypothese für die Druckfestigkeit f3 des Betons bei rotationssymmetrischen Querdruck spannungen ır Bei der Mohr-Coulomb’schen Bruchhypothese kann vereinfachend der Winkel ij der inneren Reibung konstant angenommen werden. Dann ergibt sich die dreiachsige Druckfestigkeit f3 bei rotationssymmetrischen Querdruckspannungen ır nach Abb. 1 wie folgt: f3 = f1 + k k = (1 + sin
) / (1
sin
(1)
r
) = cot 2 (45
/ 2 ) = cot 2
(1a)
Diese Beziehung entspricht - nebenbei bemerkt - der Beziehung für den passiven Erddruck einer lotrechten Wand ohne Wandreibung, wenn man unter ır die lotrechte Pressung und unter 0,5 f1 tan = 0 die Kohäsion versteht. Die Beziehung ergibt sich z.B. aus der für das Dreieck M1 M3 C aus Abb. 1 ablesbaren Gleichung:
(M 3 d.h.:
[0 ,5( f 3 +
M 1 ) sin r
)
= R3
0 ,5 f 1 ] sin
R1
= 0 ,5( f 3
r
)
0 ,5 f 1
Herbert Kupfer
403
Abb. 1. Mohr-Coulomb’sche Bruchhypothese für die einachsige Druckfestigkeit f1 und die dreiachsige Druckfestigkeit f3 bei rotationssymmetrischer Querdruckspannung ır (hier ist der Winkel der inneren Reibung)
Durch Auflösen erhält man Gl (1) mit (1a). Die Herleitung ist auch direkt mit cot Į möglich, denn nach Abb. 1 ist = R3 /
cot cot 2
=
3
/
r
r
=
3
= ( + f3 ) / ( +
/ R 3 = R1 / r
)=
/
0
1+
r
1
0
=
1
/ R1
= ( + f1 ) /
= 1 + f1 /
somit ergibt sich wieder Gl (1): f3 = ( +
r
)(cot 2
)
=
(cot
2
)
cot 2
= f1 +
r
cot 2
wie Versuche zeigten, erhält man mit k = 4 ,0
(1b)
d. h. mit ij = 36,87°; sni ij = 0,6; tan ij = 0,75 gut zutreffende Ergebnisse[2], [5].
404
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung
2 Zugringwirkung der Umgebung der Lastfläche A0 = a² ʌ 2.1 Querdruckspannungen ıra nahe der teilbelasteten Stirnfläche im Rundschnitt r = a Betrachtet wird ein kreiszylindrischer massiver Betonkörper (Abb. 2) mit dem Radius b und einer Länge l 2 b, der auf einer Teilstirnfläche A0 = a² ʌ durch Längsdruckspannungen ıx0 zentrisch belastet wird. Am gegenüberliegenden Zylinderende x = l sind die Druckspannungen ıx1 = ıx0 A0 / A1 = ıx0 a² / b² = ıx0 / ȕ² (wobei ȕ = b/a) gleichmäßig über die Zylinderquerschnittsfläche A1 = b² ʌ verteilt.
Abb. 2. Auf einer Teilfläche belasteter massiver Kreiszylinder mit Ringzugspannungen ıij = ft im Bereich a r b und homogene Druckspannungen ır = ıij im Bereich r a (hier ist eine der beiden Polarkoordinaten)
Nahe der Belastungsfläche A0 verursacht die lastbedingte Querdehnung im unbelasteten Ringbereich a r b Ringzugspannungen ıij und radiale Druckspannungen ırr. Im Rundschnitt r = a treten also radiale Druckspannungen ıra auf, die im Bereich r a zu einem homogenen Druckspannungsfeld ırr = ıij = ıra führen. Für den Ringbereich a r b kann man im Bruchzustand wegen fortschreitender Mikrorissbildung infolge der Ringzugspannungen bzw. wegen des Entfestigungsastes der Spannungsdehnungslinie des Betons auf Zug bei nicht allzu großem Unterschied der Dehnungen der inneren und äußeren Ringfasern im interessierenden Bereich a b/3 (das heißt ȕ 3) in guter Nährung plastisches Zugverhalten annehmen. Die Ringzugspannungen ıij = ft (ft = Betonzugfestigkeit) sind daher im Bruchzustand über die Ringbreite b – a konstant verteilt. Dementsprechend nehmen die radialen Druckspannungen ırr von innen nach außen linear ab (Abb. 2). Die Ringzugkraft ft (b – a) steht nach der Kesselformel mit der Innendruckkraft ıra a im Gleichgewicht:
Herbert Kupfer
ra
= f t (b a ) / a = f t (
1)
405
(2a)
Als Zugfestigkeit ft wird in vorliegendem Fall die 5%-Fraktile der charakteristischen Betonzugfestigkeit entsprechend DIN 1045-1 Tabelle 9 Zeile 5 eingesetzt: f t = f ctk ;0 ,05
(2b)
Die einachsige Druckfestigkeit f1 entspricht der charakteristischen Zylinderdruckfestigkeit fck. Im folgenden wird ft / f1 = 0,075 und 0,05 angesetzt, was für die Festigkeitsklassen C 20/25 und C 40/50 zutrifft.
2.2 Druckfestigkeit f3 infolge der Querdruckspannung
ra
Infolge der Querdruckspannung ıra erhöht sich die Druckfestigkeit nach den Gln. (1) und (1b) auf f 3a = f 1 + 4
ra
= f1 + 4 ft (
1)
(3)
1) f t / f 1
(3a)
oder dimensionslos a
= f 3a / f1 = 1 + 4(
Für ft / f1 = 0,075 und ȕ = 3 ergibt sich ța, ȕ = 3 = 1 + 4 · 2 · 0,075 = 1,6. Dieser Wert ist wesentlich kleiner als der entsprechende Wert nach DIN 1045-1, 10.7: DIN , = 3
= FRdu / ( Ac0 f cd ) =
Ac1 / Ac0 =
=3
3
(4)
Dieser Normenwert gilt daher nicht für „schlaffe Lastflächen“ (siehe folgender Abschnitt).
3 Berücksichtigung der Umlenkkräfte der Trajektorien im Bereich x x1 3.1 Querdruckspannungen ırr Der beschriebenen Zugringwirkung (mit der radialen Umlenkpressung ıra des Zugrings) überlagert sich die Wirkung der Umlenkkräfte der in Abb. 3 dargestellten Hauptspannungstrajektorien, so dass insgesamt radiale Druckspannungen ırr entstehen, die vom Lastrand r = a zur Achse r = 0 hin von ıra auf ır0 zunehmen.
406
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung
Abb. 3. Glockenförmiger Verlauf der rotationssymmetrischen Querdruckspannungen ırr und der Festigkeit f3r über ȡ = r/a bei Teilflächenbelastung auf A0 = a² ʌ und mittlere Festigkeit f3m bezogen auf die einachsige Druckfestigkeit f1 für ȕ = b/a = 3
Vereinfachend wird angenommen, dass die Krümmungen der Trajektorien linear mit r < a von Null bis zum Wert y a0 zunehmen. Also gilt an der Stelle x = 0: d 2 y r 0 / dx 2 = y r 0 = y a0 r / a
(5)
Für die Ringdruckspannungen ırr gilt für x ĺ 0 die differenzielle Beziehung d
rr
/ dr =
f 3r y r 0 =
f 3 r y a0 r / a
(5a)
Die eingeleiteten Lastspannungen ıxr entsprechen der Festigkeit f3r.
3.2 Ermittlung der Festigkeiten f3r Durch Differenzieren von Gl. 1 (mit k = 4,0 nach Gl. 1b) und Einsetzung von Gleichung (5a) ergibt sich df 3 r / dr = 4 d
rr
/ dr = 4 f 3 r y a0 r / a
Herbert Kupfer
407
oder in integrierbarer Form df 3r / f 3r = - (4 y a0 r/a) dr
(5b)
ln f 3r = - 2 y a0 r²/a + A
(5c)
2 y a0 a = c ; r/a =
(5d)
Die Integration liefert
setzt man
so ergibt sich (mit e A = C ) (5e)
-c ²
f 3r = C e
Die Integrationskonstante C ergibt sich aus der Randbedingung f3a = ța f1 für r = a bzw. ȡ = 1 (ța siehe Gl. (3a)), sodass: f 3r / f 1 =
r
=
a
ec e
-c ²
(6)
Die Festigkeit f3r ist also nach einer Gauß’schen Glockenkurve über r bzw. teilt (Abb. 3) Die Bestimmung des Exponenten c wird in Abschnitt 3.4 gezeigt.
ver-
3.3 Ermittlung der mittleren Festigkeit f3m über die Fläche A0 =a² ʌ a
f 3m = (1/a²
1
)³ f 3r 2r 0
0
1
f 3m /f 1 =
m
=2
a
1
dr = 2 ³ f 3r
e c ³ e -c
²
d = 2³ f 1
a
e c e -c
²
d
0
d =2
a
e c (-1/2c) e -c
0
=2
a
²
1 0
=
e c (1/2c) (1 - e c ) f 3m /f 1 =
m
=
a (e
c
- 1)/c
țm bedeutet also die auf f1 bezogene mittlere Festigkeit f3m.
(7)
408
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung
3.4 Bestimmung des Exponenten c Für die Bestimmung des Exponenten c ist folgender plastizitätstheoretische Ansatz für den Trajektorienverlauf im Bereich xx1 geeignet (vgl. Abb. 2):
[
y a = y a1 1,2 (x / x 1 )2
daraus
( x / x 1 )4
[
/6
]
(8a)
dy a /dx = y a = (2,4 y a1 / x1 ) x/x1 - (x/x1 )3 /3
(
d 2 y a /dx 2 = y a = 2,4 y a1 / x 1 2
) [1 - (x/x
1
]
)² ]
(8b) (8c)
Der Ansatz erfüllt die Bedingungen ya0 = 0; y’a0 = 0; yƎa1 = 0. Der parabolische Verlauf von ya" (und damit der Umlenkkräfte der Trajektorien) stellt sicher, dass die aufnehmbare Last zwischen x = 0 und x = x1 an keiner Stelle unter den Wert f3m a2 = f1 (a + ya1)2 absinkt. Wie Vergleichsrechnungen zeigten, liegt der Ansatz nach Gl. (8a) etwas auf der sicheren Seite. Der Ansatz liefert: y a1 = 1,6 y a1 / x 1 ;
x1a / x1 = 0 ,375
y a0 = 2 ,4 y a1 / x 1 2 = 2 ,4 /
(8d)
( a) 2
(8e)
wobei = y a1 / a ;
= x1 / a
(8f)
Mit Gl. (5d) folgt c = 2 y a0 a = 4 ,8 /
2
(8g)
= 4 ,8 / c
(8h)
Ferner wird angenommen, dass die die ya -Kurven an der Stelle x = x1 (Wendepunkt der Trajektorien) tangierende Kegelfläche die Mantelfläche des Zylinders an der Stelle x = b schneidet. Diese Annahme sorgt für die Beschränkung der sog. „Störungslänge“ auf l s = 2 b. Als Störung wird dabei angesehen, dass die Last nur auf der Teilfläche a² ʌ eingetragen wird, statt auf der ganzen Querschnittsfläche b² ʌ: y a1 = (b a ) / (b x1a ) = (
1) / (
0 ,375
)
(9a)
Die Gleichsetzung mit Gl. (8d) liefert = y a1 / a = (
1) / (1,6
/
0 ,6 )
(9b)
Herbert Kupfer
409
Schließlich muss an der Stelle x = x1 die gesamte Last ohne Querdruck aufgenommen werden: a2
f 3 m = (a + y a1 )2
f 3m / f 1 =
=
m
= (1 +
m
1
f1
)2
(10a) (10b)
(10c)
Nun kann c auf folgendem Weg bestimmt werden: ța nach Gl. (3a) für bestimmtes ȕ = b/a und ft / f1 țm nach Gl. (7) für geschätztes c Ș nach Gl. (10c) ȟ nach Gl. (8h) Ș nach Gl. (9b)
Der Exponent c ist richtig, wenn die Werte Ș nach den Gln. (9b) und (10c) übereinstimmen. Das Verfahren konvergiert rasch. Abb. 4 zeigt das Rechenergebnis und den Vergleich mit DIN 1045-1, 10.7, Gl. 116, die hier durch die Gl. (4) beschrieben ist. Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung, wenn man die Ringzugspannungen vernachlässigt (ft / f1 = 0).
Abb. 4. Vergleich der bezogenen mittleren Festigkeiten țm = f3m / f1 bei Teilflächenbelastung mit den Normenwerten DIN = A1 / A0 = b / a =
410
Theorie der Druckfestigkeit des Betons bei Teilflächenbelastung
Bei Berücksichtigung der Ringzugspannungen liegt die Norm für Teilflächenbelastungen auf der sicheren Seite. Dabei wird eine starre Belastungsfläche unterstellt, die imstande ist, die Pressungen entsprechend dem Festigkeitsverlauf f3r nach Abb. 3 zu verteilen.
4 Bemerkungen zur Aufnahme der Spaltzug spannungen im Bereich x1 x 2b Nach DIN 1045-1, 10.7 (4) sind die im Lasteinleitungsbereich entstehenden Querzugkräfte durch Bewehrung aufzunehmen. 13.9 der DIN enthält zu dieser Bewehrung noch einige Hinweise. Versuche zeigten, dass unbewehrte teilflächenbelastete Betonkörper bei < 10 ohne Vorankündigung schlagartig durch Aufspalten versagen, während sich der Bruch querbewehrter Körper durch Rissbildung ankündigt [3]. Die Spaltzugspannungen in zylindrischen zentrisch teilflächenbelasteten Betonkörpern werden in [4] nach der Elastizitätstheorie mittels der Methode der dynamischen Relaxation unter Benützung eines Rechenprogramms ermittelt. Die maximale Spaltzugspannung ist danach für ȕ = 3: sp
= 0 ,042
x0
Setzt man normengemäß ıx0 = 3 f1 so ergibt sich ısp = 0,042 · 3 f1 = 0,126 f1 ft, d.h. die Spaltzugspannung überschreitet die Betonzugfestigkeit. Die Forderung der Norm die Querzugkräfte durch Bewehrung aufzunehmen ist daher berechtigt, selbst wenn keine Eigenzugspannungen infolge Schwinden und Temperaturänderung auftreten. Weitere Angaben zu den hier behandelten Fragen enthalten [7], [9], [10] und [11]. Eine übersichtliche Darstellung der bei räumlichen Stabwerkmodellen zu beachtenden Regeln unter Berücksichtigung der Teilflächenbelastung und der Querzugkräfte enthält [12].
5 Literatur [1] DIN 1045-1, Juli 2001, Tragwerke aus Beton Stahlbeton und Spannbeton Teil 1: Bemessung und Konstruktion [2] Richart, Brandtzaek, Brown: The failure of plain spirally reinforced concrete in compression. University of Illinois, Bulletin 190, April 1929 [3] Spieth, H.-P.: Das Verhalten von Beton unter hoher örtlicher Pressung. Auszug aus einer Dissertation an der TH Stuttgart 1959. Beton- und Stahlbetonbau 11 (1961).
Herbert Kupfer
411
[4] Hiltscher, R.; Florin, G.: Spaltzugspannungen in kreiszylindrischen Säulen, die durch eine kreisförmige Flächenlast zentrisch-axial belastet sind. Die Bautechnik 3 (1972). [5] Müller, K. F.: Beitrag zur Berechung der Tragfähigkeit wendelbewehrter Stahlbetonsäulen. Eine kritische Literatursichtung, Darstellung des gegenwärtigen Wissenstandes und bisher veröffentlichte Versuche aus neuer Sicht. Dissertation TUM 1975 [6] Aschl, H.; Kupfer, H.; Grasser, E.: Versuche zum dreiachsigen Verhalten von Beton in Kupfer, H.: Aus unseren Forschungsarbeiten Band IV, Lst. für Massivbau der TUM 1978 [7] Scholz, U.: Verhalten von Beton unter mehrachsiger Beanspruchung bei Kurzzeitbelastung. Dissertation TUM 1989. [8] Liberum K.-H.; Reinhardt H.-W.; Weigler, H.: Das Tragverhalten von Beton bei extremer Teilflächenbelastung. Beton- und Stahlbetonbau 84 (1989). [9] Guo Zh.; Zhou J.; Nechvatal D. : Auswertung von Versuchen zur mehrachsigen Betonfestigkeit, die an der TU München durchgeführt wurden: Heft 447 des DAfStb, Beuth Verlag Berlin Köln 1995 [10] Sundermann, W.; Schäfer, K.: Tragfähigkeit von Druckstreben und Knoten in DBereichen. Heft 478 des DAfStb Beuth Verlag Berlin Wien Zürich 1997 [11] Reinhardt H.-W.; Koch, R.: Hochfester Beton unter Teilflächenbelastung. Beton- und Stahlbetonbau 93 (1998). [12] Nguyen, D. Th.: Räumliche Stabwerkmodelle zur Bemessung von Betontragwerken. Verlag Grauer, Beuren, Stuttgart 2002
Materialmodell für extrem dynamisch beanspruchten Beton und Stahlbeton Feng Lin, Friedhelm Stangenberg, Peter Mark
Unter hohen Beanspruchungsgeschwindigkeiten unterscheidet sich das Betonverhalten erheblich von dem unter quasistatischer Beanspruchung. Ausgehend vom Standpunkt der Schädigungstheorie resultiert der dynamische Effekt des Betons aus statischer Schädigungsevolution und dynamischer Schädigungsverzögerung. In diesem Beitrag werden ein entwickeltes Schädigungsmodell sowie ein vereinfachtes dynamisches Modell für Beton und Stahlbeton unter Berücksichtigung des Erinnerungsvermögens (memory effect) präsentiert. Die Gültigkeit beider Modelle wird mittels Berechnungsbeispielen an Versuchen verifiziert.
1 Einführung Es ist experimentell bekannt, dass sich die Betoneigenschaften unter hohen Beanspruchungsgeschwindigkeiten erheblich von denen unter quasistatischer Beanspruchung unterscheiden [3]. Dieses Phänomen, der Dehnrateneffekt des Betons, ist nach [2][8] gemäß Schädigungstheorie auf die dynamische Schädigungsverzögerung zurückzuführen. Es wurde schon experimentell bestätigt, dass die Entstehung und Ausdehnung von Rissen bzw. Schädigungen in Beton unter hohen Beanspruchungsgeschwindigkeiten verzögert sind, was makroskopisch Erhöhungen von Festigkeit und Steifigkeit zur Folge hat.
2 Erweitertes Schädigungsmodell für Beton und Stahlbeton Das Betonmodell unter Druckbeanspruchung in [4] wird hier zur Beschreibung statischer Schädigungsevolutionen des Betons zu Grunde gelegt. Nur im
414
Materialmodell für extrem dynamisch beanspruchten Beton und Stahlbeton
Vorbruchbereich wird es nach [7] leicht modifiziert, um mit der Annahme der Schädigungstheorie im Einklang zu stehen (Abb.1a). 4A1-13 in [9] c,
c (
0 mit lim ( °¯ a F Für den Ansatz = (F/ )e ergibt sich unter einer konstanten Dehngeschwindigkeit im Kurzzeitversuch (die visko-elastische Relaxation sei vernachlässigbar)
Ralf Schneider
a
b
c
a
>
423
max
Wendepunkt
max
a1
a
max
a1
t
a
Abb. 3. Visko-plastisches Modell: a Rheologisches Modell b Verfestigung des Reibelementes c Entwicklung der plastischen Dehnung ( = const.)
(
)
e 1 &a ) = Ec §¨ & 1 ·¸ . a © ¹ Bei Erreichung der zur Dehngeschwindigkeit & ist & = 0 , max und damit
& = Ec ( &
a
=
(
f& max
)
e
1 /& .
(13) gehörenden Festigkeit
= f& (14)
Damit folgt – für einen gegebenen Exponenten e – die plastische Relaxationszeit a in Abhängigkeit vom Verhältnis der mit konstanter Dehngeschwindigkeit & ermittelten Kurzzeitfestigkeit f & zur Dauerstandfestigkeit max . Zu Einzelheiten der Parameterbestimmung siehe [1]. Um das sehr unterschiedlichen Verhaltens von Beton unter Zug- und Druckbeanspruchung zu beschreiben, wird das Modell im Rahmen der Mehrflächenplastizität aus unabhängigen Fließflächen für Zug- und Druckbeanspruchung mit jeweils eigenen Fließ- und Verfestigungsregeln zusammengesetzt. Die gesamten inelastischen Dehnungsanteile werden nach der Koiterschen Fließregel addiert. Im Druckbereich wird das Willam-Warnke-Kriterium als Fließbedingung verwendet. Die üblicherweise unterstellte Identität von Fließ- und Potentialfunktion ( F = G , assoziierte Fließregel) besitzt zwar einige Vorteile (u.a. symmetrische Steifigkeitsmatrizen, die positiv definit sind, solange das Material verfestigt). Sie führt bei der allgemein üblichen Parameterbestimmung aus der mehrachsigen Festigkeit in aller Regel jedoch zu einer deutlichen Überschätzung der plastischen Querdehnung (d.h. der Volumenänderung). Im hier vorgestellten Modell wird daher eine unabhängige Potentialfunktion in Form eines einfachen Drucker-PragerAnsatzes gewählt, bei dem der Dilatationsparameter in Abhängigkeit von der inelastischen Vergleichsdehnung acv zwischen den Grenzwerten 0 im ungeschädigten Zustand und 1 bei Erreichen der Festigkeit interpoliert wird. Die Änderung der Fließfläche beim Durchlaufen eines Belastungsprozesses wird hier vereinfacht nur durch eine isotrope Ver- bzw. Entfestigung über den Parameter c beschrieben. Die Umrechnung des plastischen Dehnungsinkrementes in ein äquivalentes einachsiges Vergleichsdehnungsinkrement erfolgt üblicherweise
424
Ein Materialmodell für Beton unter hohen Dauerlasten
unter der Annahme gleicher Energiedissipation. Diese Grundform der Arbeitsverfestigung führt unter mehrachsiger Druckbeanspruchung jedoch zu unrealistischen Ergebnissen: Da sich die in den Hauptspannungsrichtungen geleistete Arbeit summiert, wird die maximale Spannung bei kleineren plastischen Dehnungen erreicht als bei einachsiger Beanspruchung. Tatsächlich zeigen Versuche jedoch eine deutlich erhöhte Duktilität (d.h. größere plastische Dehnungen bei Erreichen der Festigkeit) unter zwei- oder dreiachsiger Druckbeanspruchung. Um diesen Mangel zu beheben, wird in der Verfestigungsbeziehung ein Wichtungsfaktor eingeführt, der die Entwicklung der Vergleichsdehnung unter mehrachsiger Druckbeanspruchung in Abhängigkeit vom Spannungszustand bremst. Das nichtlineare Verhalten unter überwiegender Zugbeanspruchung kann in guter Näherung durch eine Fließfunktion in Form eines Rankineschen Hauptspannungskriteriums und eine assoziierte Fließregel beschrieben werden. Da eine mechanisch sinnvolle, kinematische Entfestigung zu Schwierigkeiten bei der Definition der Überspannungsfunktion führt, wird aus numerischen Gründen ebenfalls eine isotrope Entfestigung verwendet.
1.3 Anwendung des Modells Ausgedehnte Parameterstudien in [1] zeigen, dass das Modell nahezu im gesamten Spektrum von ein- und mehrachsiger Lang- und Kurzzeitbeanspruchung eine realistische und mechanisch konsistente Wiedergabe des Materialverhaltens erlaubt. In [1] wurde das Modell ferner erfolgreich zur Berechnung von komplexen Plattentragwerken angewandt.
2 Literatur [1] Schneider, R.: Modellierung des Tragverhaltens flächenhafter Stahlbetontragwerke unter Dauerlast. Dissertation, Lehrstuhl für Massivbau, TU München. (eingereicht 2002) [2] Hilsdorf, H.K.; Müller, H.S.: Stoffgesetzte für das Kriechen und Schwinden von Beton von Dischinger bis heute. In: Spannweite der Gedanken – zur 100. Wiederkehr des Geburtstages von Franz Dischinger. Springer, Berlin, 1987. [3] Bazant, Z.P.: Input of Creep and Shrinkage Characteristics for a Structural Analysis Program. In: Materials and Structures 15 (1982) S. 283-290 [4] Lacidogna, G.; Napoli, P.: Analytical Modelling of Relaxation in Concrete in Accordance with the CEB MC 90 Creep Formulation. In: Creep and Shrinkage of Concrete – Proceedings of the Fifth Int. Rilem Symposium, Barcelona, Spain, Sept. 6-9, 1993. E&F Spon, London, 1993. [5] Simo, J.C.; Hughes, T.J.R.: Computational Inelasticity. Springer, New York, 1998.
Bauingenieursoftware für den mobilen Einsatz Ralf Avak, Frank Wille
Der wachsende Anspruch an Mobilität in den verschiedensten Bereichen des Bauingenieurwesens macht die Nutzung flexibler Endgeräte in Verbindung mit dem Internet unumgänglich. So können z.B. webbasierte Softwarelösungen für den konstruktiven Ingenieurbau interaktive statische Berechnungen bereitstellen. Hierbei variiert der Grad der mobilen Nutzung der Software je nach Anspruch von der Nutzung auf dem Notebook auf der Grundlage eines Internetbrowsers bis hin zum Anwenden auf mobilen Endgeräten, wie z.B. einem PDA (Personal Digital Assistant) oder Mobiltelefon. Der Zugriff auf die Software ist standortunabhängig. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele, die in Ihrer Ausführung und Komplexität unterschiedlichen Ansprüchen genügen. Im folgenden Beitrag werden webbasierte Berechnungstools zur Bemessung von Stahlbetonkonstruktionen nach DIN 1045-1 exemplarisch vorgestellt. Darüber hinaus werden die Möglichkeiten gezeigt, Bauingenieur software auf mobilen Endgeräten umzusetzen.
1 Webbasierte Bemessungsprogramme Im Rahmen der Einführung der DIN 1045-1 [1] wurde am Lehrstuhl für Massivbau der BTU Cottbus eine Online-Berechnungssoftware für die Bemessung von Stahlbetonkonstruktionen entwickelt. Die Applikation stellt Studenten des Faches Massivbau Bemessungstools zur Verfügung, welche übungs- und studienarbeitsbegleitend eingesetzt werden können. Die Förderung des Projekts durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) konnte die Weiterentwicklung und Integration in das bestehende Lehrangebot gewährleisten. Darüber hinaus bietet die Software dem Bauingenieur in der Tragwerksplanung bei der Einführung der DIN 1045-1 [1] eine Ergänzung von Einzelbemessungsnachweisen zu bestehenden Softwarepaketen. Die Online-Bereitstellung und Nutzung der Software erfolgt über das World Wide Web (http://www.bitools.de). Der Zugriff auf die Bemessungstools wird über einen Internetbrowser realisiert. Die einzelnen Bemessungsnachweise werden dabei in separierte Programmteile aufgesplittet.
426
Bauingenieursoftware für den mobilen Einsatz
Auf der programmtechnischen Seite wird eine kombinierte Lösung herangezogen. Die entsprechenden Eingabemasken werden durch HTML und JavaScript realisiert. Die Berechnung der Nachweise und Ausgabe der Ergebnisse erfolgt durch implementierte Java-Applets. Die entsprechenden Dateien werden auf einem Server (Web- bzw. Intranetserver) abgelegt und stehen damit unmittelbar zur Verfügung. Die Berechnungsapplikationen können unabhängig vom verwendeten Betriebssystem genutzt werden. Hierfür ist ein geeigneter Web-Browser vorauszusetzen. Geeignet bedeutet in diesem Fall, dass eine Java- und JavaScript-Unterstützung gewährleistet ist. Darüber hinaus kann die Software aufgrund des Open-Source Charakters von HTML und JavaScript individuell erweitert oder angepasst werden.
InternetBrowser
Hintergrundinformationen zu den Berechnungsalgorithmen
Aktivierung der Berechnungen
Ausgabe der Berechnungsergebnisse
Abb. 1. Applikation im Browserfenster
Neben der vorgestellten Web-Applikation gibt es im Internet weitere zahlreiche Hilfsmittel für Bemessungsaufgaben des konstruktiven Ingenieurbaus. So werden z.B. bei [9] Online-Programme zur Bemessung von Konstruktionen aus Stahlbeton, Stahl und Holz angeboten.
Ralf Avak, Frank Wille
427
2 Applikationen für mobile Endgeräte Erweitert man die Ansprüche an die Mobilität und Flexibilität, so wird der Einsatz von mobilen Endgeräten erforderlich. In vielen Arbeitsbereichen sind Geräte, wie z.B. Mobiltelefone oder Smartphones unerlässlich für kommunikative und organisatorische Aufgaben. Sind die Telefonie-, Kalender- und Terminfunktionen der Mobilgeräte weitestgehend bekannt, so wird die mögliche Programmierbarkeit für die tägliche Arbeit selten genutzt. Betrachtet man den Bereich des Bauingenieurwesens, so bieten sich, über den organisatorischen Bereich hinaus, weitere Nutzungsmöglichkeiten an. Das mobile Einsatzgebiet des Bauingenieurs, z.B. als Bauleiter oder Tragwerksplaner während der Bewehrungsabnahme erfordert angepasste Softwarelösungen, die in das ohnehin vorhandene Mobilgerät integriert werden können. Kurzfristige Antworten auf Problemstellungen werden ohne zusätzliche Medien wie Bautabellenbücher oder Normenschriften möglich. Verschiedene Softwarelösungen sind bereits für PDAs erhältlich. Kleinere statische Berechnungen, sogar mittels FEM (z.B. STATICUS [7], CS-PALM [8]) können realisiert werden (Bild 2).
Abb. 2. CS-Palm/FE [8] und B.I.Tools mobile [5]
Für den Einsatz auf Mobiltelefonen sind ebenfalls Applikationen aus dem Bauingenieurwesen umgesetzt worden. Die Software „B.I.Tools mobile“ [5] beinhaltet derzeit Berechnungen und Datenbankanwendungen aus dem Bereich des Betonbaus. So ist es möglich, bestimmte Bemessungsnachweise für Stahlbetonkonstruktionen gemäß DIN 1045-1 [1], wie z.B. den Nachweis der Verankerungslänge von Betonstahlbewehrung durchzuführen. Die entwickelten Programme sind an die eingeschränkten Möglichkeiten hinsichtlich des Displays, Speicher oder der Eingabe angepasst. Es ist daher auch
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Bauingenieursoftware für den mobilen Einsatz
nicht der Anspruch zu erheben, die branchenübliche Bausoftware zu ersetzen. Sie sollen vielmehr „kleine Helfer“ im täglichen mobilen Arbeitsgeschäft sein. Über die Java-Unterstützung der für den Einsatz vorgesehenen Mobiltelefone erfolgt die Implementierung der Software. Die einzelnen Bemessungsnachweise sind hierbei als separate Module eingearbeitet. Das Beziehen und somit Laden des Programms erfolgt direkt oder indirekt über das Internet. Hierbei bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Bezug über Mobilfunknetz: Die Software kann direkt über das Internet mittels WAP (Wireless Application Protocol) geladen werden (Bild 3). Es ist prinzipiell gegeben, dass sowohl die Nutzung, als auch die Bezugsmöglichkeit standortunabhängig sind. Mobiltelefon
Mobilfunknetz Webserver (B.I.Tools mobile)
Internet
Download via WAP
Abb. 3. Bezug über Mobilfunknetz
Bezug über stationäre Workstation: Das Laden des Java-Programms erfolgt über eine Direktverbindung zwischen einer Workstation (PC) und dem Mobiltelefon. Hierbei können die verschiedenen unterstützten Schnittstellen, wie z.B. Bluetooth oder Infrarot genutzt werden. Diese Lösung bedingt das Vorhandensein der Programmdateien auf dem lokalen Computer. Die erforderlichen Dateien können über die entsprechende Internetseite [5] bezogen werden. Die Entwicklung der einzelnen Programmmodule erfolgte in der Programmiersprache Java innerhalb der Java 2 Micro Edition (J2ME). Hierbei ist die J2ME eine von Sun definierte Java-Plattform [4], welche speziell für mobile Endgeräte angepasst ist. Die zur Verfügung stehenden beschränkten Ressourcen der Mobiltelefone ergeben bestimmte Einschränkungen innerhalb der Programmierung. Im Hinblick auf die Bereitstellung von Bemessungsnachweisen des Stahlbetonbaus stellt die fehlende Unterstützung von Gleitkommazahlen die tiefgreifenste Restriktion dar. Um dennoch Berechnungen durchzuführen, bieten sich Möglichkeiten unter Zuhilfenahme von Operationen mit Ganzen Zahlen an. Für die vorliegende Programmentwicklung wurde die Bibliothek MathFP [2] benutzt. Bezüglich der vorliegenden Berechnungsproblematik beinhaltet die Bibliothek alle erforderlichen mathematischen Operationen.
Ralf Avak, Frank Wille
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Das eigentliche Programm wird als sogenannte MIDlet-Suite bestehend aus einer Beschreibungsdatei (*.jad) und einer Archivdatei (*.jar) für die Installation auf dem Mobiltelefon bereitgestellt.
Abb. 4. Beispieldarstellungen auf einem Mobiltelefon
Ein Anwendungsbeispiel soll die Funktionalität verdeutlichen: In einem Durchlaufträger aus Beton C30/37 soll die Verankerungslänge der oben liegenden Bewehrung 25 mm über dem Mittelauflager bestimmt werden. Es wird angenommen, dass die Bewehrung nach der Zugkraftdeckungslinie angeordnet ist, so dass der erforderliche Bewehrungsquerschnitt dem Vorhandenen (As,erf = As,vorh) entspricht. Zunächst ist die Betonfestigkeitsklasse des Verankerungsbereichs entsprechend auszuwählen (Bild 4, rechts). In der folgenden Eingabemaske werden weiterführende Angaben zur vorliegenden Bauteilsituation notwendig: Die im Beispiel angegebene obere Lage der Bewehrung entspricht gemäß DIN 1045-1 [1] „mäßigen Verbundbedingungen“ (Bild 5, links). Mit den Pfeiltasten sind die Eingabefelder entsprechend anzuwählen. Über den Menupunkt „Hinweise“ sind nähere normenspezifische Angaben zur Einstufung der Verbundbedingung (Bild 5, Mitte) erreichbar.
Abb. 5. Beispielberechnung
430
Bauingenieursoftware für den mobilen Einsatz
Die zu verankernde Bewehrung wird im vorliegenden Fall üblicherweise mit geraden Stabenden ausgebildet. Die Wirksamkeit der Verankerung ist gemäß Norm mit dem Wert 1.0 anzusetzen. Das Programm gibt auch Hinweise zur Verankerung anderer Verankerungsarten (Bild 4, Mitte). Nachdem der Durchmesser der zu verankernden Bewehrung (25 mm) eingegeben wurde, sind der vorhandene und erforderliche Bewehrungsquerschnitt festzulegen. Für das gewählte Beispiel sind beide Werte identisch (Zugkraftdeckungslinie). Der zu verankernde Stab befindet sich in der Zugzone des Bauteils. Dieses ist entsprechend in der Eingabe zu berücksichtigen. Abschließend kann ein im Verankerungsbereich wirkender Querzug berücksichtigt werden. Für die Beispielberechnung entfällt die entsprechende Markierung in der Maske. Nachdem die Eingaben vollständig sind, werden über die Taste „Berechne“ die Verankerungslänge und weitere Zwischenergebnisse bestimmt. Die interessierende Größe der Verankerungslänge beträgt für das gewählte Beispiel: 129 cm (vgl. Bild 5, rechts).
3 Literatur [1] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Teil 1: Bemessung und Konstruktion. 07/2001, Beuth Verlag GmbH, 2001. [2] Hommes, O.: MathFP - Fixed Point Integer Math. http://www.jscience.net/ [3] Kroll; Haustein: J2ME – Developer’s Guide, Java Anwendungen für mobile Geräte. München, Markt+Technik Verlag, 2003. [4] Sun: Java Technology - Java 2 Platform, Micro Edition (J2ME) http://java.sun.com/j2me/ [5] Wille, F.: B.I.Tools mobile – Bauingenieursoftware für Mobiltelefone. http://www.bitools-mobile.de [6] Wille, F.: Webbasierte Bemessungstools für Stahlbetonkonstruktionen nach DIN 1045-1. Multimedia Workshop BTU Cottbus, Cottbus, 2003. http://www.bitools.de [7] CS-PALM: Statiksoftware für den mobilen Einsatz. CSI GmbH, Dortmund. http://www.csi-gmbh.de [8] STATICUS: Der Statikrechner. Software für Palm OS. CreativeByte GmbH, Herford. http://www.staticus.de [9] statikweb.de: Bautechnik, Statik. Online-Bemessung für Holz, Beton und Stahl. Zeiler Tragwerksplanung, Reichertsheim. http://www.statikweb.de
Hochfester Beton: von akademischer Spielerei zu harter Realität Joost Walraven
In diesem Aufsatz wird die schnelle Entwicklung des hochfesten Betons anhand mehrerer Beispiele aufgezeichnet. Der erste Schritt von B65 auf B115 ist jetzt endgültig abgeschlossen: fast alle modernen Vorschriften lassen zur Zeit das Bemessen mit diesem mittlerweile schon fast konventionellen, hochfestem Beton zu. Die Entwicklung hörte damit jedoch nicht auf. Die erreichbare Druckfestigkeit stieg weiter an und durch die Zugabe von Stahlfasern wurde gleichzeitig ein zähes Verhalten erzeugt. Es gibt mittlerweile eine große Variation an Hochleistungs-Faserbetonen mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften. Es wird gezeigt, wie diese modernen Betone erfolgreich eingesetzt werden können.
1 Hochfester Beton: von B65 zu B115 Anfang der neunziger Jahre war die Entwicklung des “hochfesten Betons” ein revolutionärer Schritt vorwärts. “Hochfester Beton” wird hier absichtlich mit Anführungsstrichen geschrieben, weil sich mittlerweile herausgestellt hat, dass die Festigkeit des Betons eine inflationäre Größe ist. Damals war jedoch der Sprung nach B115 ein Staunen erregender Meilenstein. Dass sich damals die Gelegenheit bot, die Festigkeit sprunghaft zu steigern, lag an unterschiedlichen Teilentwicklungen. Es gab erstens die Entdeckung des Silikastaubs. Dieses Restprodukt der Siliziumherstellung funktioniert teilweise als Füller und teilweise als Binder in dem Beton. Die Silikastaubpartikel sind eine Größenordnung kleiner als die Zementpartikel. Die Kombination Zement-Silikastaub führt zu einer sehr grossen Gefügedichte. Um eine hohe Festigkeit zu erzielen, muss mit einem niedrigen Wasser-Zementwert gearbeitet werden. Dies ist nur möglich durch die neue Entwicklung von Hochleistungsverflüssigern. Anfang der neunziger Jahre wurde vor allem mit Lignosulphonat und Naphtalensulphonat gearbeitet. Zur Zeit gibt es die sehr leistungsfähigen PCE’s (Poly Carboxilic Ethers).
432
Hochfester Beton: von akademischer Spielerei zu harter Realität
In Deutschland wurden im Zeitraum 1998 – 2001 unterschiedliche Pilotprojekte durchgeführt. Sehr aufschlussreich waren die Brückenprojekte Buchloe, eine vorgespannte Vollplattenbrücke (1998), Griesbach, eine vorgefertigte vorgespannte Brücke (2000) und Freihamer Allee (eine vorgespannte Plattenbrücke). An diesen Pilotprojekten war Prof. Zilch der TU München maßgeblich beteiligt [1]. In den Niederlanden wurde etwas früher die Stichtse Brücke gebaut (1997). In dem Münchner Massivbau Seminar 1997 wurde hierüber ausführlich berichtet [2]. Wie bei den deutschen Projekten war die rechnerische Betondruckfestigkeit B85. Dieser Wert war beim Entwurf konservativ angesetzt, weil man damals noch nicht sicher war höhere Werte tatsächlich erreichen zu können. Bei der Stichtsen Brücke war die in Wirklichkeit realisierte Festigkeitsklasse B95. Nach zwei Jahren wurde an Bohrkernen eine Druckfestigkeit van 145 MPa gemessen. Sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden stellte sich heraus, dass die Anwendung eines hochfesten Betons wirtschaftlich sein kann, obwohl der Preis pro m3 fast doppelt so hoch ist wie der eines traditionellen Betons B45. Bei der Stichtse Brücke war der Preis der ganzen Konstruktion etwa gleich der einer Konstruktion aus B45. Die Gründe hierfür lagen in der Einsparung von Beton (30%), der Einsparung von Spannstahl (30%), den leichteren Fundamenten und dem schnelleren Bau (3 Monate früher fertig, weil die Länge der Ausbauelemente - wegen des geringen Gewichtes - von 3,50m auf 5,00m erhöht werden konnte). In dem Preisvergleich wurden die Vorteile der erhöhten Dauerhaftigkeit sogar noch nicht berücksichtigt. Wenn diese Vorteile noch mitberücksichtigt würden, so würde die Brücke aus HFB langfristig die wirtschaftlichste Lösung. Die Erfahrungen mit hochfestem Beton wurden zwischen den Deutschen und Niederländischen Wissenschaftler ausgetauscht. Abb. 1 zeigt eine Gruppe Deutscher Professoren bei einem Besuch an der Stichtse Brücke im Bau.
Abb. 1 (links). Abb. 2 (rechts).
Deutsche Professoren besuchen die Baustelle der ersten niederländischen Spannbetonbrücke in hochfestem Beton (Stichtse Brücke) Vorgefertigter Spannbetonträger in hochfestem Beton für die belgische Hochgeschwindigkeitslinie
Abb. 2 zeigt den Transport eines vorgefertigten Spannbetonträgers in Beton B95 in Belgien für eine Brücke in der Nähe von Brüssel für die belgische Hochgeschwindigkeitslinie. Der Träger hat eine Länge von 43m und ein Gewicht von 212 Tonnen. In dem Träger ist ein vorgebogenes Stahlprofil aufgenommen, um die
Joost Walraven
433
Tragfähigkeit weiter zu steigern. Der Träger ist mit einer Kombination von Spannstahl mit sofortigem Verbund und mit nachträglichem Verbund vorgespannt, siehe auch [3] In flachen Ländern wie Holland und Belgien werden sehr viele Brücken über Hauptverkehrsstraßen gebraucht. Hochfester Beton ist hier aus besonderen Gründen vorteilhaft. Je kleiner die Höhe eines Brückenquerschnitts ist, desto größer ist die Einsparung, weil die flach geneigten Anfahrtrampen hierdurch erheblich eingekürzt werden und somit der Grundversatz reduziert wird. Trotz der offensichtlichen Vorteile des hochfesten Betons ist die Anwendung bisher noch beschränkt. Dies wird dadurch verursacht, dass es einen erheblichen Preisunterschied zwischen B65 und B85 gibt. Ein Beton B85 erfordert Silikastaub und seine Herstellung und die Qualitätsüberwachung erfordert viel mehr Sorgfalt als die eines Betons B65. Außerdem ist auch ein B65 sehr dauerhaft, so dass die Garantie niedriger Wartungskosten bereits gegeben ist. Der Umschlagpunkt für die wirtschaftliche Anwendung liegt zur Zeit bei B65. In den Niederlanden werden zur Zeit fast alle Brücken, sowohl die kurzen als auch die langen aus Beton B65 hergestellt.
2 Hochleistungs-Faserbeton: hochfest und hochzäh 2.1 Hochleistungs-Faserbeton im Tunnelbau: ein erster Pilotversuch Nachdem der hochfeste Beton bis B115 ausführlich untersucht wurde, bot sich eine nächste Herausforderung an: der hochfeste Faserbeton, der eine hohe Festigkeit mit einer hohen Zähigkeit kombiniert. An der TU Delft entwickelte Kooiman [4] hochfeste Faserbetonmischungen. Die mittlere Würfelfestigkeit dieser Mischungen war 90 MPa. Die Grenze der Verarbeitbarkeit war (damals) bei 80 kg/m3 Fasern erreicht. Herkömmliche Fasern haben in einem Beton mit einer derartigen Festigkeit nur einen beschränkten Effekt. Der Verbund zwischen den Fasern und dem Beton ist so gut, daß die Fasern reißen statt schlupfen. Es wurden deshalb Fasern mit einem erhöhten Kohlenstoffgehalt verwendet, die eine Zugfestigkeit von 2000 MPa aufweisen. Auch bei hohen Betonfestigkeiten bis B115, schlupfen diese Fasern, trotz der hohen Verbundfestigkeit des Faserbetons. Ein erster Schritt in Richtung Hochleistungs-Faserbeton in den Niederlanden kam anschließend in einem Pilotprojekt. Es handelte sich hier um den Heinenoordtunnel, den ersten gebohrten Tunnel in den Niederlanden. Der Tunnel wurde als Segmenttunnel gebaut. Hinter der Bohrmaschine wurden Ringe die aus 7 Segmenten mit einer Breite von 2m und einem keilförmigen Schlusselement bestanden, angeordnet. In dem ursprünglichen Entwurf in Stahlbeton waren die Segmen-
434
Hochfester Beton: von akademischer Spielerei zu harter Realität
te mit 100 kg/m3 Bewehrungsstahl versehen. Rijkwaterstaat, das niederländische Ministerium für Infrastruktur, stimmte zu, 20 m des Tunnels im Rahmen eines Großversuchs, in hochfestem Faserbeton zu bauen. Faserbeton bietet eine Menge Vorteile. Das „Bewehren“ ist viel einfacher: statt des Anfertigens eines gekrümmten Bewehrungskorbs braucht man nur Stahlfasern zuzugeben. Ein anderes wichtiges Argument für die Verwendung von Stahlfasern ist, dass in der Montagephase, beim Vorrücken der Bohrmaschine, beachtliche Normaldruckkräfte auftreten, deren Angriffspunkt und Größe nur schwer vorhersagbar sind. Dies hat damit zu tun, dass die Tübbingelemente ohne weiche Zwischenschicht gegeneinander angeordnet werden. Deshalb spielen kleine Maßabweichungen, die unvermeidlich sind, eine große Rolle in Bezug auf den genauen Kraftfluss. Spalteffekte können somit in Prinzip überall auftreten. Genau deswegen müsste eine Bewehrung mit Stahlfasern sich günstig auswirken. Fasern sind überall vorhanden und in jeder Richtung orientiert. Sogar der Außenbereich (die übliche Betondeckung) ist bewehrt, was sich vor allem in Bezug auf das Abspalten von Beton erwartungsgemäß günstig auswirken sollte.
Abb. 3. Abspalten des Betons durch den Effekt einer großen Einzellast beim Bau eines Segmenttunnels.
Es wurden insgesamt 128 Tübingelemente aus Faserbeton, ohne Gebrauch von Betonstahl angefertigt. Die Betonfestigkeit nach 28 Tage war 65-75 N/mm2. Weil Fasern mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt angewendet wurden, war abgesichert, dass die Zunahme der Betonfestigkeit mit der Zeit nicht zu sprödem Verhalten führen würde. Insgesamt wurde eine Menge von 60 kg/m3 Stahlfasern (Länge 60mm mit Endhaken) dem Beton zugegeben. Es wurde festgestellt, dass die maximale Rissbreite im Bauzustand, mit 0.3mm, kleiner war als bei den Elementen aus Stahlbeton der Fall war (wmax = 0.8 mm). Hinterher, im Betriebszustand, wurden die Risse, durch die Kombination von Erddruck, Wasserdruck und dem durch das Auspressen des Hohlraums zwischen Tunnelaußenschale und Erde ausgelösten Druck, geschlossen. In dem mit Faserbetonelementen gebauten Tunnelabschnitt wurde kaum Abspalten des Betons wahrgenommen.
Joost Walraven
435
2.2 Entwicklung von selbstverdichtendem Faserbeton Seit 1999 wurde an der TU Delft Forschung in bezug auf selbstverdichtender Faserbeton durchgeführt. Es war das Ziel dieses Forschungsprojektes, die Eigenschaften selbstverdichtender Faserbetone (Frischbeton sowie Festbeton) zu optimieren. Selbstverdichtender Beton muss in der Lage sein, eine bestimmte Menge an Stahlfasern zu transportieren ohne seine selbstverdichtenden Eigenschaften zu verlieren. Zugabe von Fasern vermindert in Prinzip die Fließfähigkeit einer Betonmischung. Wenn man selbstverdichtenden Beton verwenden möchte, so sollte sichergestellt werden, dass keine Faserblockierung auftreten wird. Es ist somit wichtig, den maximal möglichen Fasergehalt und die maximale Faserlänge zu kennen. Für die Entwicklung von selbstverdichtendem Faserbeton sollte auf die richtige Zusammensetzung der Betonmischung in Abstimmung mit den Fasern geachtet werden. Man sollte sich davon bewusst sein, dass Fasern das Korngerippe zerstören könnten, Abb 4.
Abb. 4. Interaktion zwischen Fasern und Korngerippe.
Grünewald [5] zeigte, dass die Packungsdichte der Zuschlagkörner durch das Verhältnis der Anteile Sand und Kies beeinflusst wird. Er mischte bestimmte Fasermengen mit spezifizierten Mengen an Zuschlag, wobei er das Verhältnis Sand zu Kies variierte. Abb. 5 zeigt die Ergebnisse für unterschiedliche Fasertypen bei einem Stahlfasergehalt von 1,5 Vol.%. Das Diagramm zeigt, dass für die Referenzmischung (ohne Fasern) die größte Packungsdichte erreicht wird, wenn das Volumen des Sandes 40% des Zuschlagsvolumens ist. Wenn jedoch Fasern zugegeben werden, so verschiebt sich das Maximum nach rechts. Dies bedeutet, dass man, um eine optimale Packungsdichte zu erreichen, Kies durch Sand ersetzen sollte.
436
Hochfester Beton: von akademischer Spielerei zu harter Realität
Packing density
0.85 0.80
No fibres
0.75
Dramix 45/30
0.70
Eurosteel 50/50
0.65
Dramix 65/40
0.60
Dramix 80/60
0.55 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Content sand ( 2 mm, bezogen auf die gesamte Gesteinskörnung in Vol.-%.
2.6 Spannungs-Dehnungs-Linie für die Querschnittsbemessung und Betonkennwerte Die Biegebemessung darf, wie beim Normalbeton, mit den aus der DIN 1045-1 bekannten Vereinfachungen erfolgen. Für Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung ist bei der Verwendung des Parabel-Rechteck-Diagramms und des bilinearen Diagramms, = 0,80, bei Verwendung des Spannungsblock, = 0,70 zu setzen. Für einige Betonkennwerte, wie den Elastizitätsmodul oder die Zugfestigkeit wurden in umfangreichen Untersuchungen [7] neue Gleichungen bestimmt. Die für die neue Richtlinie vorgeschlagenen Gleichungen können der Tabelle 2 entnommen werden.
2.7 Nachweise in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und in den Grenzzuständen der Gebrauchstauglichkeit Wie beim Einsatz von Leichtbeton auch, sind in vielen Bemessungsgleichungen für den Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung -Faktoren zu berücksichtigen. Auch diese können der Tabelle 2 entnommen werden. Für die Teilflächenpressung wurde darüber hinaus eine Modifikation nach Gleichung (2) vorgeschlagen. FRdu = Ac0 f rdc ( Ac1 / Ac0 )
/ 4800
/ 800 Ac0 f rdc
(2)
Für die Begrenzung der Rissbreite ohne direkte Berechnung wurden die Tabellen 20 und 21 der DIN 1045-1 ebenfalls angepasst [2]. Für die Berechnung der Rissbreite wurde folgende Formel vorgeschlagen: sr , max = d s / 2,4 eff
s
d s / 2,4 f ct , eff
(3)
Frank Roos, Michael Cyllok
467
Um die Verformungen zu begrenzen, sollte bei der Durchbiegungsberechnung, wie für den Leichtbeton auch, ein Abminderungsfaktor berücksichtigt werden. Für Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung sind die Grenzwerte für Normalbeton mit dem Faktor rE0,15 (mit rE nach Tabelle 2) abzumindern. Tabelle 2.
Zeile
1 2 3
Spalte Kenngröße frck frck,cube frcm
4
frctm
5
frctk;0,05
0,6 f rctm
= ( / 2400) 3 5%-Quantil
6
frctk;0,95
1,4 f rctm
95%-Quantil
7 8 9 10 11 12
a
Festigkeits- und Formänderungskennwerte von Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung RC
Ercmb
rc1
rc1u
n rc2
rc2u
1 2 3 4 Festigkeitsklassen
5
12a 15 20
30 37 38
r1
rE
16 20 24
20 25 28
25 30 33
2/3 0,3 f rcm
r1
E cm c
Werte sind in Versuchen gesondert zu ermittelnd. 2,0 2,0 e 3,5 e c 3,5 r1 c2u
13
rc3
1,35 e 1,8
14
rc3u
3,5 e 3,5
r1
c3u
6 analytische Beziehung; Erläuterung N/mm² N/mm² f rcm = f rck + 0,8 ; N/mm²
c
Typ 1
rE
= 0,96 ( / 2400) 2
Typ 2
rE
= 0,90 ( / 2400) 2
Typ 3 rE = 0,81 ( / 2400) 2 nur für Bild 22 (DIN 1045-1)
in ‰; nur für Bild 23 (s.o.) Typ 1 und 2 Typ 3 in ‰; nur für Bild 23 (s.o.) Typ 1 und 2 Typ 3 in ‰; nur für Bild 24 (s.o.) Typ 1 und 2 Typ 3 in ‰; nur für Bild 24 (s.o.)
Festigkeitsklasse RC 12/13 nur für vorwiegend ruhende Lasten Werte stellen mittleren Elastizitätsmodul als Sekante bei | c| 0,4 . frcm dar cE , cm c2u, c3u nach Tabelle 9 aus DIN 1045-1 [3] d Nichtlineare Verfahren nur bei homogenen Quellen e mit nach 9.1.6 b
0,8 ; N/mm²
468
Einführung eines ökologischen Baustoffs: Recyclingbeton
2.8 Allgemeine Bewehrungsregeln und Konstruktionsregeln Bei Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung sind die Bemessungswerte der Verbundspannung fbd der Tabelle 25 (DIN 1045-1) mit dem Faktor r1 nach Tabelle 2 zu multiplizieren. Bei Stabdurchmessern ds > 32 mm ist fbd mit dem Faktor r1 (132 - ds) / 100 ( r1 nach Tabelle 2) zu multiplizieren (mit ds in mm). Bei Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung muss die Verwendung solcher Stäbe auf Grund von Erfahrungen oder Versuchsergebnissen gerechtfertigt sein. Für die Ermittlung der Mindestbewehrung ist bei Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung der Mittelwert der Zugfestigkeit des Betons frctm nach Tabelle 2 zu verwenden.
3 Fazit In dieser Arbeit wurde ein Richtlinienvorschlag vorgestellt, der es ermöglicht, Betone mit höheren Anteilen an rezykliertem Material als bisher möglich zu verwenden. Grundlage ist eine Bemessung, die den besonderen Materialeigenschaften des Baustoffs Rechnung trägt und sich an der Bemessung für Leichtbeton orientiert. Die wesentlichsten Anpassungen (Baustoffkennwerte, Nachweise in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit) wurden kurz dargestellt.
4 Literatur [1] Cyllok, M.: Grundlagen und Bemessungshilfen für die Rissbreitenbeschränkung im Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung Exkurs: Umweltökonomische Betrachtung. Dissertation (in Vorbereitung), Technische Universität München, 2004 [2] Zilch, K.; Roos, F.; Cyllok, M.: Entwicklung eines Bemessungsansatzes für Beton mit rezykliertem Zuschlag. Technische Universität München, 2003 [3] DIN 1045-1, Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1: Bemessung und Konstruktion. Juli 2001 [4] DIN 4226-100, Gesteinskörnungen für Beton und Mörtel – Teil 100: Rezyklierte Gesteinskörnungen. Februar 2002 [5] Offermann, H.: Recycling von Bauschutt. In: Mitteilungen a. d. Fachgebiet Baubetrieb und Bauwirtschaft. H. 7. Hrsg.: Prof. Kuhne. Uni Essen, 1988 [6] Siebel, E.; Kerkhoff, B.; Haase, R.; Aue, W.: Aspekte der Dauerhaftigkeit bei Beton mit rezykliertem Zuschlag. Tagungsband des DAfStb Forschungskolloquiums Beton mit rezykliertem Zuschlag. Hrsg.: DAfStb. Berlin, 1999 [7] Roos, F.: Ein Beitrag zur Bemessung von Beton mit Zuschlag aus rezyklierter Gesteinskörnung nach DIN 1045-1. Dissertation, TU München, 2002
Flachdecken aus Leichtbeton Julia König, Markus Held
Flachdecken zeichnen sich durch zahlreiche Vorteile sowohl in bautechnischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht aus. Darüber hinaus bedeutet der Einsatz von konstruktivem Leichtbeton bei Flachdecken ein zusätzliches Optimierungspotenzial. Konstruktiver Leichtbeton verhält sich allerdings unter bestimmten Beanspruchungen aufgrund seiner Gefügezusammensetzung anders als Normalbeton, so dass vor dem Einsatz von Leichtbeton für Flachdecken verschiedene Fragestellungen zu klären sind. Im wesentlichen sind hier die Bereiche Verformungsempfindlichkeit, Verhalten unter Brandbeanspruchung und Durchstanztragfähigkeit zu nennen.
1 Einleitung Beim Neubau von Hochbauten kommen heutzutage überwiegend Flachdecken zum Einsatz, weil diese Bauweise die Vorteile eines schnellen Baufortschrittes bei geringem Schalungsaufwand mit einem Optimum an Flexibilität im Hinblick auf Haustechnik und Raumnutzung über die gesamte Nutzungsdauer eines Bauwerks verbindet. Aufgrund der Verformungsempfindlichkeit von Flachdecken und der Durchstanzproblematik weisen Flachdecken meist relativ große Deckenstärken von 25 bis 35 cm auf. Der Anteil der Decken an der Gesamt-Betoncubatur eines Hochbaus liegt dabei etwa zwischen 50 und 60 %. Entsprechend groß ist der Anteil der Decken am Gesamt-Eigengewicht der Konstruktion. Konstruktions-Leichtbeton zeichnet sich durch eine gegenüber dem Normalbeton um bis zu 54 % geringere Rohdichte bei vergleichbarer Festigkeit aus. Eine Ausführung von Flachdecken in Leichtbeton verringert das Gesamt-Eigengewicht der Konstruktion um bis zu 30 %. Den entstehen Einsparungen bei den unterstützenden Bauteilen steht allerdings der zur Zeit sehr hohe Materialpreis des Leichtbetons gegenüber. Dennoch kann eine Ausführung von Leichtbeton-Flachdecken sinnvoll sein. Typische Anwendungsfälle für Leichtbeton-Flachdecken ergeben sich bei weniger tragfähigem Baugrund, sowie beim Bauen im Bestand oder bei Aufstockungen. Auch die Um-
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setzung besonderer architektonischer Konzepte kann den Einsatz von Leichtbeton erfordern. Der Unterschied zwischen Normalbeton und Leichtbeton liegt in den Zuschlägen. Bei konstruktivem Leichtbeton werden im europäischen Raum meist künstlich hergestellte Zuschläge aus Blähton eingesetzt (Abb. 1). Diese Zuschläge sind durch ihre Porosität einerseits leichter als Normalbeton-Zuschläge, andererseits sind sie aber auch weicher und weniger fest. Auch das Zusammenspiel zwischen Zuschlag und Zementmatrix unterscheidet sich von dem des Normalbetons mit Druckfestigkeiten fck 50 N/mm², was zu einem veränderten Bruchverhalten führt [1]. Darüber hinaus besitzen Leichtbetonzuschläge eine sehr hohe Wassersaugfähigkeit. Insgesamt weist der Leichtbeton daher im Vergleich zum Normalbeton (fck 50 N/mm²) neben der niedrigeren Rohdichte einen deutlich geringeren E-Modul, eine geringere Zugfestigkeit, eine geringere Duktilität und ein spröderes Bruchverhalten auf. Hierdurch ergeben sich beim Einsatz von Leichtbeton für Flachdecken verschiedene Problemstellungen, die im folgenden auf der Grundlage neuer Erkenntnisse diskutiert werden.
Abb. 1. Leichtbeton-Zuschlag (Liapor)
2 Durchbiegung von Flachdecken aus Leicht beton Gerade im Zusammenhang mit den verformungsempfindlichen Flachdecken ist die Größe der Durchbiegungen von besonderem Interesse. Je nach Rohdichte ist der Leichtbeton-E-Modul um 25 % bis 85 % geringer als beim Normalbeton. Daher stellt sich die Frage, in wie weit dies die Verformungen im Hinblick auf eine gesamtheitliche Betrachtung aller Mechanismen signifikant beeinflusst. Sowohl experimentelle [2] als auch eigene numerische Untersuchungen haben gezeigt, dass das Zusammenspiel verschiedener Einflüsse dazu führt, dass die Durchbie-
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gungen von Normal- und Leichtbetonflachdecken in vergleichbarer Größenordnung liegen. Zunächst ist das geringere Eigengewicht des Leichtbetons zu nennen, das sich natürlich günstig auf die Durchbiegung auswirkt. Unter Berücksichtigung aller Lasten kann je nach gewählter Leichtbeton-Rohdichte im üblichen Hochbau unter der quasi-ständigen Einwirkungssituation von einer Lastreduzierung von 10 % bis 35 % bezogen auf die Gesamtlast ausgegangen werden. Um den Einfluss des Beton-E-Moduls zu erfassen, muss der Zustand der Rissbildung berücksichtigt werden. Erreicht die Flachdecke unter Gebrauchslasten nur in den Stützbereichen den Zustand II und verbleibt in den Feldbereichen im Zustand I, führt die geringe Leichtbetonsteifigkeit zwar zu deutlich größeren Verformungen als sie beim Normalbeton auftreten, insgesamt erreichen die Durchbiegungen allerdings erfahrungsgemäß keine als kritisch anzusehenden Werte. Bei schlankeren Flachdecken kann unter Gebrauchslasten auch in den Feldern der Zustand II erreicht werden. Dementsprechend muss bei der Verformungsberechnung die mit der Rissbildung in der Zugzone einhergehende Steifigkeitsveränderung berücksichtigt werden: Infolge der Rissbildung wird die Tragfähigkeit der Bewehrung aktiviert. Die Steifigkeit des Bewehrungsstahls stärkt den an sich durch die Rissbildung geschwächten Betonquerschnitt. Dieser Steifigkeitsgewinn ist bei Leichtbeton ausgeprägter als bei Normalbeton, weil hier das Verhältnis e = Esteel/Econcrete sehr viel größer ist. Die Materialgröße Beton-E-Modul verliert also bei gerissenen Querschnitten im Vergleich zu den ungerissenen an Einfluss. Die Steifigkeit gerissener Querschnitte aus Leichtbeton nähert sich bei gleicher Bewehrung der von Normalbetonquerschnitten an. Auch Verformungsanteile aus zeitabhängigen Einflüssen wirken sich bei Normal- und Leichtbeton unterschiedlich aus: Der durch das Schwinden bedingte Verformungsanteil ist bei Leichtbeton trotz der positiven Effekte der inneren Nachbehandlung größer als bei Normalbeton, weil der Schwindvorgang durch die weichen Leichtbetonzuschläge weniger behindert wird. In Bezug auf das Kriechen weisen Normal- und Leichtbeton zwar unterschiedliche Kriechmechanismen auf, allerdings führen diese zu einem insgesamt ähnlichen Gesamtkriechverhalten [1]. Aufgrund von Ergebnissen eigener numerischer Verformungsberechnungen in Anlehnung an [3] kann festgehalten werden: Durch die geringere Eigenlast des Leichtbetons und durch den Einflussverlust des Beton-E-Moduls im Zustand II führt der Einsatz geringerer Rohdichten nicht zwingend zu Vergrößerungen der Durchbiegungen. Abb. 2 zeigt die Durchbiegungen einachsig gespannter Einfeldplatten unter Einsatz verschiedener Rohdichten. Mit Ausnahme der kleinsten Rohdichteklasse (900 kg/m³) erweist sich die Durchbiegung beim Leichtbeton als unabhängig von der Rohdichte. Auch unter Berücksichtigung von Schwindverformungen sind die Durchbiegungen der Leichtbetone unabhängig von der Wahl der Rohdichte. Insgesamt liegen die Werte hier aber um etwa 5,6 % über denen des Normalbetons.
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Flachdecken aus Leichtbeton
Abb. 2. Durchbiegung einachsig gespannter Einfeldplatten verschiedener Rohdichten
3 Verhalten unter Brandbeanspruchung Beton zeigt unter Brandeinwirkung verschiedene Versagensmechanismen. In Zusammenhang mit dem Einsatz von Leichtbeton ist hier das Versagen durch explosionsartige Abplatzungen von besonderem Interesse, weil sich hierbei der Leichtbeton im Gegensatz zu den anderen Versagensarten ungünstiger verhält als der Normalbeton (fck 50 N/mm²). Abplatzungen von Betonschichten führen dazu, dass die Bewehrung freigelegt wird. Die dadurch bedingte direkte Beflammung der Stahleinlagen führt zum vorzeitigen Versagen des Stahls. Auslösend für die explosionsartigen Abplatzungen ist das im Beton vorhandene Kapillarwasser, welches durch die Erhitzung zu Wasserdampf wird und ausströmt. Durch die damit einhergehende Volumenvergrößerung werden an den Poreninnenwänden Reibungskräfte erzeugt, die bei Überschreitung der Betonzugfestigkeit zu Abplatzungen führen. Die vorhandene Betonfeuchtigkeit ist also ursächlich für die Abplatzungen und somit der maßgebende Parameter zur Beurteilung der Neigung eines Betons zu explosionsartigen Abplatzungen. Da die Zuschläge des Leichtbetons eine zellenartige Struktur mit einer äußerst porösen Oberfläche aufweisen, zeichnen sie sich durch eine besonders hohe Wassersaugfähigkeit aus (Abb. 1). Leichtbeton nimmt sowohl bereits während seiner Herstellung als auch im eingebauten Zustand deutlich mehr Wasser auf als entsprechende Bauteile aus Normalbeton. Hinzu kommt die sehr dichte Kontaktzone zwischen Korn und Matrix, die ein Austrocknen der Zuschläge deutlich verzögert. Während Normalbeton bei Innenbauteilen mit annähernd konstanten Umgebungs-
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bedingungen nur einige Wochen benötigt, um eine Ausgleichsfeuchte zu erreichen, dauert dies bei Leichtbeton Jahre. Gesicherte Kenntnisse über den Feuchtigkeitshaushalt von Leichtbeton gibt es nicht. In ungünstigen Fällen kann bei Innenbauteilen trotz jahrelanger Austrocknungszeit eine Feuchte f > 15 M.-% vorkommen; ebenso kann Leichtbeton aber auch Ausgleichsfeuchten wie Normalbeton von 4 M.-% erreichen. Es kann davon ausgegangen werden, dass es ab einer Betonfeuchte f > 2 M.-% zu ersten, meist unschädlichen Abplatzungen kommt, ab f > 4 M.-% können diese jedoch zerstörerisch sein [4]. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass bei Leichtbeton aufgrund der oben genannten Zusammenhänge die Gefahr explosionsartiger Abplatzungen als größer eingestuft werden muss. Als Lösung für diese Problematik hat sich bei Leichtbeton die Zugabe von Polypropylen-Fasern bewährt [5, 6]. Polypropylen-Fasern schmelzen im Brandfall und hinterlassen Kanäle im Betongefüge, durch die der Wasserdampf schadfrei entweichen kann.
4 Durchstanztragfähigkeit Die Durchstanztragfähigkeit von Flachdecken ist ein wesentlicher Konstruktionsund Planungsparameter. Einerseits muss aufgrund des Risikos eines schlagartigen Versagens ohne Vorankündigung eine entsprechend hohe Sicherheit gegeben sein. Andererseits bestimmen die Anforderungen an die Durchstanztragfähigkeit bei Flachdecken neben den Einflüssen auf die Biegelängsbewehrung und die eventuell erforderliche Durchstanzbewehrung vor allem die erforderliche Deckenstärke. Eine realitätsnahe Abbildung des Durchstanzen bei numerischen Berechnungen ist daher von besonderem wirtschaftlichem Vorteil. Das Durchstanztragverhalten hängt im wesentlichen von der Zugfestigkeit, der Bruchstauchung, der Rotationsfähigkeit und der Duktilität des Betons ab. Diese Materialparameter fallen bei Leichtbeton ungünstiger aus als bei Normalbeton (fck 50 N/mm²), weswegen davon ausgegangen werden muss, dass Leichtbetonflachdecken eine geringere Durchstanztragfähigkeit besitzen. Experimentelle Untersuchungen belegen dies [7, 8]. Allerdings erreicht die Durchstanztraglast des Leichtbetons nach Versuchen [7] 94 % der des Normalbetons, wobei die Leichtbeton-Zugfestigkeit nur 80 % und die Bruchstauchung nur 50 % der Werte des Normalbetons betragen. Die Traglast nimmt demnach nicht linear mit den Werten der Materialeigenschaften ab. Ziel zukünftiger Untersuchungen ist es, die verschiedenen Materialparameter in ihren Einflüssen genauer zu erfassen, um die Durchstanztraglast im Hinblick auf eine wirtschaftliche Ausführung von Leichtbetonflachdecken wirklichkeitsnah und dabei ausreichend zuverlässig unter Verwendung numerischer Methoden voraussagen zu können.
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Flachdecken aus Leichtbeton
5 Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag behandelt wesentliche Problemstellungen von Flachdecken aus konstruktivem Leichtbeton unter Beachtung neuer Erkenntnisse. Zusammenfassend kann festgehalten werden: - Die Verformungsempfindlichkeit von Flachdecken aus Leichtbeton ist nicht höher einzuschätzen als die von Flachdecken aus Normalbeton. - Eine ausreichender Brandwiderstand kann durch den Einsatz von Polypropylen-Fasern sichergestellt werden. - Im Hinblick auf die Durchstanztragfähigkeit muss das Ziel weiterführender Untersuchungen sein, mittels einer wirklichkeitsnahen Abbildung des Durchstanztragverhaltens zu sowohl ausreichend sicheren als auch wirtschaftlichen Lösungen zu kommen. In Anbetracht dessen, dass Sanierungen und das Bauen im Bestand immer größere Anteile an der gesamten Bautätigkeit erlangen, sind Flachdecken aus Leichtbeton eine zukunftsträchtige Bauweise. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Lösungsmöglichkeiten für die leichtbetonspezifischen Problemstellungen zu erarbeiten und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse in die Regelwerke einfließen zu lassen.
6 Literatur [1] Faust, T. 2003. Leichtbeton im Konstruktiven Ingenieurbau. Berlin: Ernst & Sohn [2] Blakey, F. A. 1968. Lightweight-aggregate concrete in flat-plate floor structures. Proceedings of the First International Congress on Lightweight Concrete. London [3] Kordina, K. et al. 1992. Bemessungshilfsmittel zu Eurocode 2 Teil 1, Planung von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken. DAfStb Heft 425, Berlin: Ernst & Sohn [4] Meyer-Ottens, C. 1975. Zur Frage der Abplatzungen an Bauteilen aus Beton bei Brandbeanspruchungen. DAfStb Heft 248. Berlin: Ernst & Sohn [5] Kepp, B., Botros, F. R.: Schwimmende Ölförderplattformen - Ozeanbauwerke einer neuen Generation. Ernst & Sohn Beton- und Stahlbetonbau 90, Heft 11, 1995, S. 277 282 [6] Brux, G.: Beton mit erhöhter Brandbeständigkeit. Beton- und Stahlbetonbau, Heft 2, S. 74 - 81, 2001 [7] Ladner, M. & Rödner, H. 1978. Zum Durchstanzen von Stützen bei Flachdecken aus Leichtbeton. Schweizerische Bauzeitung. 96 (24): 479-486 [8] Kordina, K. & Nölting, D. 1986. Tragfähigkeit durchstanzgefährdeter Stahlbetonplatten. DAfStb Heft 371. Berlin: Ernst & Sohn
Die Rolle der Oberflächenrauheit in der Altbetonsanierung Ralf Reinecke
Im Bereich der Altbetonsanierung stellt der nachträgliche Verbund zwischen Alt- und Neubeton eine maßgebende Bemessungsgröße dar. Die Oberflächenrauheit ist hierbei eine wichtige Einflussgröße für das Trag- und Verformungsverhalten aufgrund von Haftverbund und Rissverzahnung zwischen zwei Betonen. Obwohl sich der Bemessungswert der Tragfähigkeit im Bereich von Betonschubfugen aufgrund unterschiedlicher Rauheit verdoppeln kann, existiert keine einheitliche, treffende Methode zur Quantifizierung des subjektiven Begriffs „rau“. Eine Differenzierung und Definition des wesentlichen Charakters der Rauheit kann mit Hilfe verschiedener Parameter wie beispielsweise der Rautiefe erfolgen. Diese Parameter werden im Vergleich mit exakten 3-D Lasermessungen auf ihre Genauigkeit überprüft und auf eine praktische Anwendung hin bewertet.
1 Einführung und Problemstellung Bei der Querschnittsverstärkung bestehender Betontragwerke kommt es zu einem Aufeinandertreffen von Betonen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Güte. Es entsteht eine Grenz- bzw. Kontaktfläche zwischen zwei unterschiedlichen Komponenten, die aufgrund ihrer Trag- und Verformungswirkung bei Querkrafteinwirkung im Allgemeinen als „Schubfuge“ bezeichnet wird. Die Tragfähigkeit solch unterschiedlich ausgeführter Betonschubfugen ist in vielen Fällen maßgeblich für das Gesamttragverhalten der geplanten Betonsanierung. Zahlreiche Forschungsarbeiten zum Thema der Schubfuge kamen zu dem Ergebnis, dass mit einer Verstärkung der Rauheit der Fugenoberfläche bis zu einer gewissen Grenze auch eine Erhöhung der Tragfähigkeit einhergeht. Für eine praktische Anwendung wurden allerdings die Rauheiten oft nur unbefriedigend oder nur anhand einer einzigen, nicht immer eindeutigen Kenngröße oder Messverfahrens dokumentiert. Mit der Einführung getrennter Bemessungsgleichungen für unbewehrte (1) sowie bewehrte (2) Schubfugen in der neuen DIN 1045-1 [9] Rd , ct
[
= 0,042
1
ct
f ck1 / 3
Nd
]b
(1)
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Die Rolle der Oberflächenrauheit in der Altbetonsanierung
v Rd ,ct = a s ⋅ f
yd
⋅ (cot θ + cot α ) ⋅ sin α − µ ⋅ σ Nd ⋅ b
(2)
wird nun dem, maßgeblich von der Fugenrauheit abhängigen, reinen Betontraganteil vRd,ct in einer Schubfuge erstmals Rechnung getragen. Die Fugenbeschaffenheit wird durch die Beiwerte ßct und µ erfasst, wobei eine Unterscheidung zwischen sehr glatter, glatter, rauer und verzahnter Fugenoberfläche stattfindet. Definiert wurden diese Rauheiten anhand einer Herstellungsbeschreibung, die zuvor in experimentellen Versuchen [1] verifiziert werden konnte. Mit der Einführung von hochfesten Betonen in die Norm und den unterschiedlichen Festigkeitsund Formänderungskennwerten der zur Verfügung stehenden Baustoffe (z.B. Polymerverstärkte Betone) ist eine solche Definition zur rechnerischen Erfassung nicht mehr möglich. Die resultierende Rauheit ist sowohl von den Parametern der Aufrauungsmethode, wie auch von dem Zeitpunkt der Durchführung, der Konsistenz und der Güte des verwendeten Betons abhängig.
2 Die Oberflächenrauheit 2.1 Charakteristika der Rauheit von Betonoberflächen Spricht man von verschiedenen Rauheiten, so ist klar, dass damit sowohl mit derselben Aufrauungsmethode unterschiedlich intensiv bearbeitete, wie auch mit verschiedenen Methoden aufgeraute und bereits augenscheinlich unterschiedlich charakteristische Oberflächen gemeint sein können. Makrorauheit b)
Lokale Rauheit
Mikrorauheit
Ausschnitt b)
Abb. 1. Real auftretende lokale Rauheit und darauf bezogene Unterscheidung in Makrobzw. Mikrorauheit
Um qualitativen Größenordnungen der Rauheit von Betonoberflächen zu differenzieren kann in Anlehnung an [3] zwischen „globaler“ und „lokaler“ Rauheit unterteilt werden. Dabei wird stets von einem Schnitt normal zur Gesamtoberfläche ausgegangen und die großwelligen Profilschwankungen als „globale“ Rauheit bezeichnet, die immer von der „lokalen“ Rauheit, d.h. von kurzen, profilierten Strukturen überlagert wird. Unberücksichtigt werden Gestaltabweichungen mit Ampli-
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tuden kleiner 10 m, da diese in einem Größenordnungsbereich liegen, in dem die Rauheit zwar noch eine deutliche Auswirkung auf Bindungskräfte besitzt, diese aber vom nachträglich ergänzten Beton nicht mehr aktivieren kann. Infolge von Oberflächenspannung und Kristallgröße von Hydratationsprodukten werden nach Ansicht von Sasse [6] kleinere Unebenheiten im Bereich weniger Mikrometer überspannt und sind somit and der Tragwirkung nicht beteiligt. Mikroskopische Verzahnungen durch kristalline Strukturbildungsprozesse während der Hydratation versagen bereits bei geringen Verschiebungen der Fugenufer. Demzufolge sind sie dem Tragmechanismus der Adhäsion (=Haftverbund) zuzurechnen. Betrachtet man mittels unterschiedlicher Methoden aufgeraute Betonoberflächen, so sind neben den verschiedenen Größenordnungen der Oberflächenstrukturen innerhalb einer Fläche auch die nach Aufrauungsverfahren typischen geometrischen Formen der Rauheitsstrukturen auffallend. Die Flankenneigung der gegeneinander abscherenden Oberflächen beeinflusst direkt die durch Rissverzahnung übertragbaren Kräfte und hat somit eine große Auswirkung auf das Tragverhalten einer Betonschubfuge. Bedingt durch die Geometrie der Oberflächenrauheit kommt es bei jeder horizontalen Relativverschiebung v der beiden Fugenufer auch zu einer Klaffung der Fuge w. Dies aktiviert, selbst bei der unter Gebrauchstauglichkeitsaspekten nur sehr geringfügigen zulässigen Fugenöffnung w, Zugkräften Z in der die Fuge kreuzenden Verbundbewehrung, was wiederum eine Erhöhung des Reibungswiderstandes und damit der Tragfähigkeit der Verbundfuge zur Folge hat.
2.2 Parameter und Verfahren zur Bewertung der Fugenrauheit Um die für das Tragverhalten maßgebliche Oberflächenrauheiten rechnerisch berücksichtigen zu können, ist eine Quantifizierung der unterschiedlichen Fugenrauheiten durch geeignete Kennwerte erforderlich. Eine Unterscheidung nach angewandtem Aufrauungsverfahren ist meist unzureichend, da die resultierende Rauheit von weiteren Parametern wie der Bearbeitungsintensität und den Materialkennwerten des Betons abhängt. Angestrebt werden Parameter die nachträglich an den zu beschreibenden Betonoberflächen gemessen werden können.
2.2.1 Maximale Profilkuppenhöhe Rp Eine wesentliche Kenngröße eines Pofils ist die maximale Profilkuppehöhe Rp. Zu deren Ermittlung werden die von einer unterhalb des Rauheitsprofils liegenden, horizontalen Bezugsebene aus gemessenen Profilordinaten auf die obere Berührlinie bezogen. Aus diesen Profildaten erhält man die arithmetische Mittellinie. Die maximale Profikuppenhöhe Rp ergibt sich nach Gleichung (3) als Abstand dieser Mittellinie von der oberen Berührlinie, was auch einen Vergleich dieses rechnerisch exakten Rauheitskennwertes mit den Messergebnissen des Sandflächenver-
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Die Rolle der Oberflächenrauheit in der Altbetonsanierung
fahrens nach Kaufmann [2] zulässt. Bei diesem Messverfahren, kann eine Rautiefe Rt ermittelt werden, die zumindest theoretisch Rp entspricht. l
Rp =
1 y ( x ) dx l ³0
(3)
2.2.3 Amplitudendichte und Materialanteilkurve Beschränkt man sich bei der Quantifizierung von Rauheiten auf eine Ermittlung der max. Profilkuppenhöhe Rp, so können sich gleiche Werte ergeben obwohl zwei Oberflächen bereits augenscheinlich einen unterschiedlichen Rauheitscharakter aufweisen. Eine Unterscheidung solcher verschiedener Strukturen, zumindest innerhalb gewisser Grenzen, bietet die Auswertung der Profilordinaten anhand von Amplitudendichte- und Materialanteilkurven [8] (auch Abbott-Firestone Diagramm genannt).
Abb. 2. Oberflächengeometrien mit identischen Werten für Rp, aber deutlich verschiedenen Amplitudendichte- und Materialanteilkurven
Ausgehend von der arithmetischen Mittellinie wird dabei die Amplitudendichtekurve als Histogramm der relativen Häufigkeiten der Amplitudenwerte und die Materialanteilkurve als Treppenfunktion dieser kumulierten relativen Häufigkeiten erhalten. Um diese Kurven nun ihrerseits quantifizieren und bewerten zu können, bietet sich für den Verlauf der Amplitudendichtekurve das stochastische Maß der Kurtosis Rku an, welche die Größe und Art der Verteilung an den Rändern nach Gleichung (4) und (5) beschreibt: l
Rq =
1 2 y ( x) dx l ³0
Rku =
1 N Rq4
N
¦z i =1
4 i
(4)
(5)
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2.3 Erfassung der Oberflächenrauheit Die Messung der Oberflächenbeschaffenheiten kann durch zahlreiche, sich in Genauigkeit und Messgröße stark unterscheidende Verfahren erfolgen. Da die Messmethoden auch sehr große Unterschiede in der Durchführbarkeit und Komplexität aufweisen, sollte ein geeignetes Verfahren in Abhängigkeit der geforderten Anwendung gewählt werden. Eine direkte Vergleichbarkeit von Ergebnissen verschiedener Verfahren ist oft aufgrund unterschiedlicher gemessener Charakteristika nicht möglich. Zwei sehr einfach durchführbare und damit für die Baustellenpraxis besonders gut geeignete Verfahren sind die Fotografischen Dokumentation und das Sandflächenverfahren nach Kaufmann [2]. Das Tastschnittverfahren und die Lasermessung sind dagegen Methoden, die im Allgemeinen zu wissenschaftlichen Zwecken Anwendung finden. 2.3.1 Fotografische Dokumentation Dieses Verfahren basiert im Wesentlichen auf einer Fotografie der jeweiligen Oberfläche, wobei diese jedoch unter Einhaltung bestimmter Winkel und Entfernungen fotografiert und beleuchtet wird. Unter Beibehaltung dieser Größen, sowie einiger weiterer Einflussgrößen, wie der Beleuchtungsstärke und der Empfindlichkeit des Filmmaterials, ist damit ein qualitativer Vergleich verschiedener Rauheiten möglich. Die damit in [4] gemachten, durchweg positiven Erfahrungen bestätigten sich auch bei der in [5] durchgeführten fotografischen Dokumentation. = arctan(K/O)
!
10
Lichtquelle
K O
Fotoapparat
Abb. 3. Anordnung der Beleuchtung bei der fotografischen Dokumentation (links); Beispiele der Darstellung unterschiedlicher Rauheiten (rechts)
480
Die Rolle der Oberflächenrauheit in der Altbetonsanierung
2.3.2 Sandflächenverfahren nach Kaufmann [2] Bei diesem Verfahren wird eine definierte Menge Normsand auf die Oberfläche aufgebracht und manuell mit einem definiertem Holzstempel kreisförmig verteilt und so in die Oberflächenstruktur eingebracht, dass die Vertiefungen der rauen Oberfläche mit dem Sand gerade abgeglichen sind. Mit Hilfe des verwendeten Sandvolumens V und der Größe (mittlerer Durchmesser d) der entstandenen, meist eher elliptischen Sandfläche lässt sich die Rautiefe Rt berechnen. Rt =
4 V d2
(6)
Dies stellt zwar eine einfache Methode zur Bestimmung eines einzelnen Parameters zur Beschreibung einer Oberflächenrauheit dar, jedoch ist bei einer Anwendung zusätzlich zu der erwartungsgemäß breiten Streuung in Abhängigkeit von der Rauheit an der Messstelle mit einer Streuung infolge der manuell durchgeführten Messung zu rechnen. Untersuchungen [5] zeigten, dass die Standardabweichung bei zehn Messungen an identischer Messstelle bei Durchführung von ein und derselben Person 3 bis 5% betrug. Der Wert steigt bei unterschiedlichen Anwendern lediglich auf 10% an. Bei einer Betrachtung verschiedener erzeugter Rauheiten konnte zudem festgestellt werden, dass bei systematisch hergestellten Oberflächenrauheiten die Streuung der mit Hilfe des Sandflächenverfahrens ermittelten Rautiefen Rt mit kleiner werdenden mittleren Rautiefen geringer werden. Bei der Wahl der Anzahl an Einzelmessungen zur Mittelwertbildung sollten diese Faktoren berücksichtigt werden. 2.3.3 Mechanische Tastschnittmessung Die Ermittlung von 2-dimensionalen Rauheitsprofilen mit Hilfe von so genannten Tastschnittgeräten durchgeführt werden. Durch das Überqueren der Oberfläche von vertikalen Wegaufnehmern erfolgte eine Aufzeichnung von Profilordinaten, die als Stützstellen zur Bestimmung eines Rauheitsprofils dienen. Das Verfahren ist aufgrund seines mechanischen Charakters größtenteils auf Messschrittweiten größer 0,1 mm beschränkt. 2 1,5 1
z [mm]
0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
550
600
650
700
x [mm]
Abb. 4. Tastschnittgerät zur Erfassung der Oberflächenrauheit (links); beispielhaftes Messergebnis rüttelrauer Oberfläche (rechts)
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2.3.4 Optische Lasermessung Die optische Messung, wie z.B. mit einem Doppeltriangulationslaser, stellt eine sehr genaue Erfassung der Oberfläche dar. Sie ermöglicht zudem die Beschreibung in 3-dimensionalen Profilkörpern. Beschränkt wird die Messung jedoch durch die maximale Größe und Profiltiefe der Probe. Die hohe Datenmenge der einzelnen Messungen erfordert eine entsprechend optimierte Datenverarbeitung um vergleichbare Kennwerte zu ermitteln. Bislang existieren keine mobilen Messgeräte mit entsprechender Software, wodurch eine praxisorientierte Nutzung eingeschränkt ist.
Abb. 5. Doppeltriangulationslaser zur Erfassung der Oberflächenrauheit (links); beispielhaftes Messergebnis rüttelrauer Oberfläche (rechts)
2.4 Beurteilung der Methodik und der Parameter Eine Beurteilung des Sandflächenverfahrens kann durch einen Vergleich mit den Werten der 3-dimensinalen Laser- und der 2-dimensionalen Tastschnittmessung erfolgen. Da bei der flächigen Lasermessung die exakte Oberfläche erfasst wurde, an der drei Einzelmessungen mit dem Sandflächenverfahren durchgeführt wurden, beschreiben hier die beiden Parameter Rt und Rp dieselbe Rauheit.
[mm]
3,0 Verhältnis /
2,5
S
Laser-/Tastschnittmessung
5
2,0
1,5 Verhältnis 5S/ 5W nach Schäfer
1,0
0,5
3-D Lasermessung
2-D Tastschnittmessung 0,0 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
Sandflächenverfahren 5W [mm]
Abb. 6. Verhältnis zwischen Sandflächenverfahren und 2-D, bzw. 3-D Messung
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Die Rolle der Oberflächenrauheit in der Altbetonsanierung
Während Schäfer [7] einen Umrechnungsfaktor von 0,7 vorschlägt, konnte anhand von [5] diese Beziehung nicht bestätigt werden. Im Bereich von Rautiefen bis zu 1 mm lässt sich trotz der Streuungen des Sandflächenverfahrens relativ genau die tatsächlich vorhandene Rautiefe beschreiben. Bei größeren Rautiefen wirkt sich die größere Streuung des Messverfahrens deutlicher aus und erlaubt somit keine eindeutige Aussage über einen Umrechnungsfaktor. Bei der Betrachtung der einzelnen Parameter wird deutlich, dass eine Differenzierung anhand eines einzigen Kennwertes nicht eindeutig möglich ist. Aufgrund der einfachen Nachvollziehbarkeit stellt die Rautiefe zwar eine praxisnahe Definition dar, jedoch liefert diese keine Aussage über die das Trag- und Verformungsverhalten beeinflussende Oberflächengeometrie. Vergleicht man die Materialanteilkurven geometrisch verschiedener Rauheiten, so zeigen sich bei identischer Rautiefe deutliche Unterscheidungsmöglichkeiten. Da zu deren Bestimmung jedoch zumindest ein gemessener Profilschnitt vorliegen muss ist eine praktische Anwendung durch den erhöhten messtechnischen Aufwand beschränkt.
3 Ausblick Das praxisnahe Sandflächenverfahren kann unter Berücksichtigung der damit verbundenen Streuungen zur Anwendung kommen und stellt vor allem in Kombination mit einer fotografischen Dokumentation eine bis heute brauchbare und wirtschaftliche Alternative dar. Infolge der neuen normativen Berücksichtigung des Haftverbundes und der reinen Rissverzahnung wird die Entwicklung zur genaueren Erfassung der maßgebenden Parameter wie der Oberflächenrauheit führen. Die Fortschritte digitaler Bildanalyse eröffnen hierbei Möglichkeiten der Messung von Oberflächenrauheiten mit Hilfe einfacher fotografischer Dokumentationen, so dass eine Auswertung nach den beschriebenen Parametern mittels einer digitalen Fotografie durchaus möglich und richtungweisend erscheint.
4 Literatur [1] Daschner, F. und Kupfer, H.: Literaturstudie zur Schubsicherung bei nachträglich ergänzten Querschnitten; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 372, 1986 [2] Kaufmann, N.: Das Sandflächenverfahren; Straßenbautechnik 24, Nr.3, 1971 [3] Laible, J.P.: An experimental investigation of interface shear transfer and applications in the dynamic analysis of nuclear containment vessels; Cornell University, USA, 1973 [4] Mainz, J. und Zilch, K.: Schubtragfähigkeit von Betonergänzungen an nachträglich aufgerauten Betonoberflächen bei Sanierungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 528, 2002
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[5] Reinecke, R.: Haftverbund und Rissverzahnung in unbewehrten Betonschubfugen; Dissertation, Technische Universität München; eingereicht 2002 [6] Sasse, H.R.: Die Adhäsion zwischen Estrich und Beton; TB Industriefußböden; 1987 [7] Schäfer, H.G., Brock, K. und Drell, R.: Oberflächenrauheit und Haftverbund; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Heft 456, 1996 [8] Walraven, J.C.: Aggregate Interlock: a theoretical and experimental analysis; Dissertation, TU Delft, October 1980 [9] DIN 1045-1:Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 1: Bemessung und Konstruktion, Ausgabe Juli 2001
Beton – ein Baustoff der (sich) verbindet Andreas Müller
Der Baustoff Beton spielt heute im Leben vieler Menschen eine „tragende“ Rolle. Diese Tatsache ist unter anderem zahlreichen Forschern zu verdanken, die mit ihren Arbeiten die Grundvoraussetzung für ein wirtschaftliches und sicheres Bauen mit Beton geschaffen haben. Verschiedene Fragestellungen offenbaren jedoch, dass das Potenzial des Baustoffes Beton noch längst nicht voll ausgeschöpft wird bzw. noch nicht umfassend erforscht ist. Als Beispiel sei hier die Verbindung zwischen Altund Neubeton genannt. Die Frage, ob und wie gut sich Betone unterschiedlichen Alters verbinden, ist so alt wie der Betonbau selbst und „verbindet“ weltweit mehrere Forschergenerationen. Bekannt ist, dass ein guter Beton-Beton-Verbund die Übertragung von Schubkräften in unbewehrten Fugen sicherstellen kann. Wie sich diese Verbindung jedoch bei wechselnder Beanspruchung verhält, wurde bisher nicht umfassend geklärt. Um diese Wissenslücke zu schließen, wurden am Lehrstuhl für Massivbau der TU München experimentelle Untersuchungen zum Ermüdungstragverhalten an Kleinkörpern durchgeführt. Das Versuchsprogramm und einige wichtige Ergebnisse werden in diesem Beitrag zusammengefasst.
1 Grundlagen In zahlreichen Forschungsarbeiten konnte nachgewiesen werden, dass allein durch den Haftverbund zwischen Alt- und Neubeton signifikante Zug- und Schubspannungen übertragen werden können. Die Ergebnisse dieser Arbeiten fanden mittlerweile Einzug in verschiedene Bemessungsnormen. Nach DIN 1045-1 (07.2001) [1] dürfen beispielsweise Betonfugen ohne kreuzende Verbundbewehrung ausgeführt werden, selbst wenn Schubkräfte übertragen werden müssen. Voraussetzung ist, dass die einwirkenden Schubkräfte vEd nicht größer als die aufnehmbaren Schubkräfte vRdj,ct sind. Unter der Annahme, dass senkrecht zur Fuge keine Druckkräfte wirken, muss gelten: v Edj
v Rdj , ct = 0,042
ct
f ck 1 / 3 b
(1)
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Beton – ein Baustoff der (sich) verbindet
Ohne eine äußere Druckkraft senkrecht zur Fuge hängt die aufnehmbare Schubkraft rechnerisch nur von der Beschaffenheit der Altbetonoberfläche und der Betonfestigkeit ab. Die Oberflächenrauheit wird durch den Beiwert ct berücksichtigt, der im DAfStb Heft 525 [2] näher spezifiziert wird. Für fck ist der kleinere Wert der charakteristischen Zylinderdruckfestigkeit des Neu- oder Altbetons einzusetzen. Die Übertragung der Schubkräfte zwischen Alt- und Neubeton basiert auf Haftwirkungen unterschiedlichen Ursprungs: Von mechanischen Haftwirkungen oder mechanischer Adhäsion spricht man, wenn Verzahnungseffekte für den Verbund verantwortlich sind. Die Verzahnung erfolgt im mikroskopischen oder submikroskopischen Bereich, wenn Teile des noch flüssigen Neubetons durch kapillare Kräfte in Grenzzonen des Altbetons eindringen und sich dort nach der Aushärtung in der kristallinen Struktur verankern (vgl. Abb. 1).
Abb. 1. Oberflächenrauheit und mikromechanische Verzahnung aus [3].
Von spezifischen Haftwirkungen oder spezifischer Adhäsion spricht man, wenn die Verbundwirkung auf physikalische oder chemische Bindungen zurückzuführen ist. In der Literatur wird die spezifische Adhäsion häufig noch weiter untergliedert, um den differierenden Charakter der Haftwirkungen zu verdeutlichen (vgl. z.B. Bischof [4]). Die klare Unterscheidung der Haftwirkungen ist jedoch schwierig. Fest steht, dass keines der „Modelle“ allein zur vollständigen Erklärung des Haftverbundes imstande ist. Welchen Einfluss eine wechselnde Beanspruchung auf den Haftverbund bei unbewehrten Schubfugen hat, kann derzeit nur durch experimentelle Untersuchungen herausgefunden werden. Üblich zur Evaluierung des Dauerschwingverhaltens sind so genannte Wöhlerversuche, bei denen die Probekörper gestaffelten Schwingungsbeanspruchungen unterworfen werden. Um Aussagen zum Ermüdungstragverhalten treffen zu können, ist eine gewisse Anzahl an gleichwertigen Probekörpern erforderlich. Bei der Analyse der Versuchsergebnisse ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Herstellung gleichwertiger Probekörper schwer zu realisieren ist (vgl. Herstellung der Probekörper im nächsten Abschnitt). Aussagen zur Dauerschwingfestigkeit sind bei Bauteilen aus Beton ohnehin schwierig, da Beton im Gegensatz zu Metallen keine „echte“ Dauerschwingfestigkeit aufweist bzw. bisher noch keine Dauerschwingfestigkeit nachgewiesen werden konnte (vgl. König [5]). Aus zeitlichen Gründen wurde die maximale Lastspielzahl, in Anlehnung an frühere Versuche, auf max. 2 Mio. festgelegt. Die zugehörige Belastungsfrequenz betrug 3 Hz.
Andreas Müller
487
2 Versuchsprogramm Zur experimentellen Untersuchung des Haftverbundes unter wechselnder Beanspruchung war ein Aufbau erforderlich, bei dem möglichst keine Druckspannungen senkrecht zur Schubfuge erzeugt werden. Der gewählte Versuchsaufbau und die Abmessungen eines Probekörpers können Abb. 2 entnommen werden. Die Breite der Probekörper betrug 15 cm. Die beiden äußeren Hälften eines Probekörpers (10 x 15 x 50 cm) wurden jeweils mit derselben Mischung ausgeführt und ca. 28 d später durch Betonieren des mittleren Prüfkörperteils verbunden. Die hierbei entstandenen Fugen (wirksame Fläche je Seite Aj = 750 cm²) zwischen Alt- und Neubeton wurden im Anschluss in einer servo-hydraulischen Presse unter symmetrischer Belastung abgeschert, bzw. wiederholt belastet.
Abb. 2. Versuchsaufbau und Abmessungen eines Probekörpers.
Da neben dem Ermüdungstragverhalten auch der Einfluss der Betonfestigkeit und der Rauheit der Altbetonoberfläche untersucht werden sollte, war die Unterscheidung zwischen verschiedenen Prüfserien erforderlich. Aus der Variation von zwei verschiedenen Betonfestigkeiten und zwei verschiedenen Rauheiten ergaben sich 8 Serien. Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, bestand jede Serie aus 4 Probekörpern, wobei jeweils ein Probekörper zur Bestimmung der Referenzbruchschubkraft vorgesehen war. Als Obergrenze für die Ermüdungsversuche wurden jeweils ca. 60 % der Bruchbelastung angesetzt, als Untergrenze ca. 20 % (Schwellversuche). Probekörper, die nicht vor dem Erreichen einer festgelegten Grenzlastspielzahl versagten, wurden nach dem Ermüdungsversuch statisch bis zum Bruch belastet. Die maximale Anzahl an Lastwechseln betrug nur bei den Serien HHH-W und HHH-R weniger als 2 Mio. Die Belastungsfrequenz lag in diesen Fällen jedoch bei 1,5 statt 3 Hz.
488
Beton – ein Baustoff der (sich) verbindet
Tabelle 1. Übersicht Versuchsprogramm.
Serienbez.
HHH-W HHH-R NHN-W NHN-R HNH-W HNH-R NNN-W NNN-R 1) 2)
Rt Rt
Versuchsparameter Alt-Beton Neu-Beton Oberfläche C70/85 C70/85 wenig rau 1) C70/85 C70/85 rau 2) C30/37 C70/85 wenig rau 1) C30/37 C70/85 rau 2) C70/85 C30/37 wenig rau 1) C70/85 C30/37 rau 2) C30/37 C30/37 wenig rau 1) C30/37 C30/37 rau 2)
Anzahl der Versuchskörper Quasi-statisch Ermüdung 1 3 1 3 1 3 1 3 1 3 1 3 1 3 1 3
0,8 mm (Rt = mittlere Rautiefe nach Kaufmann [6]) 1,5 mm
Die Oberflächenrauheiten wurden vor dem Betonieren des Mittelteils durch Sandstrahlen erzeugt. Zur Quantifizierung der Oberflächenrauheiten kamen verschiedene Verfahren zum Einsatz (vgl. Zilch, Müller [7]). Die genausten Messungen konnten mit Lasermessgeräten erzielt werden. Durch einen kleinen Messpunktabstand (bis zu 5 m) konnten Unterschiede in der Mikrostruktur zwischen Hochfestem Beton (C70/85; HFB) und Normalbeton (C30/37; NFB) festgestellt werden. Bei annähernd gleicher Makrorauheit zeigte sich bei den Oberflächen aus Normalbeton stets eine größere Mikrorauheit (Ursache: mehr Kapillarporen). Ganz wesentlich für die Beurteilung des Ermüdungstragverhaltens waren die Verschiebungsmessungen im Bereich der Fugen. Im Laufe der zyklischen Belastung auftretende Schädigungen konnten mit insgesamt 16 Wegmessgeräten erfasst werden. Die Anordnung der horizontalen und vertikalen Wegaufnehmer geht aus Abb. 3 hervor.
Abb. 3. Schematische Anordnung der Wegmessgeräte.
Andreas Müller
489
3 Versuchsergebnisse Bei drei Körpern kam es schon vor dem Start des eigentlichen Ermüdungsversuches zu einem Bruch. Ursache hierfür war eine klar erkennbare Vorschädigung (Risse), die möglicherweise auf ungleiches Schwinden zurückgeführt werden kann. Bei drei von 24 Dauerschwingversuchen kam es zu einem vorzeitigen Versagen infolge Ermüdung. Hier konnten bereits bei der Erstbelastung deutlich größere Verschiebungen festgestellt werden als bei dem jeweiligen Referenzbruchkörper oder den anderen Probekörpern der jeweiligen Serie. Ganz offensichtlich lag die Oberspannung des Dauerschwingversuches nahe an der Kurzzeitfestigkeit des Probekörpers. Da das genaue Verhältnis zwischen Oberspannung und Kurzzeitfestigkeit nicht bekannt ist, kann in diesen Fällen keine stichhaltige Aussage zum Ermüdungstragverhalten getroffen werden. Von besonderem Interesse waren deshalb alle Versuche bei denen während der zyklischen Belastung keine oder nur geringe Veränderungen der Verschiebungsamplituden auftraten. Der Vergleich zwischen dem Belastungsniveau des Dauerschwingversuches und der anschließend bestimmten Bruchlast macht deutlich, dass ein Ermüdungsversagen unwahrscheinlich ist, wenn folgende Grenzbedingungen eingehalten werden: Oberspannung / Bruchspannung =
sup, dyn
Mittelspannung / Bruchspannung =
m , dyn
(Untersuchte Lastspielzahl
/
/
Bruch Bruch
50 % 35 %
2 Mio.)
Diese Verhältniswerte machen deutlich, dass bei unbewehrten Schubfugen die Ermüdungsgefahr nicht größer als bei anderen Betonbauteilen ist. Ein Vergleich zwischen den Bruchspannungen aller Probekörper mit Bemessungswerten nach DIN 1045-1 offenbart keine Defizite in Punkto Sicherheit. Die kleinste Sicherheit ergab sich für einen der drei vorgeschädigten Probekörper mit 1,7 (vgl. Abb. 4). Bruchspannung
18,0
Bemessungsspannung
16,0 14,0 12,0 10,0 8,0
Neubeton: HFB Neubeton: NFB
6,0 4,0 2,0 0,0
1,7 Abb. 4. Vergleich zwischen der Bruchschubspannung und dem Bemessungswert der aufnehmbaren Schubspannung nach DIN 1045-1 für alle 32 Probekörper.
490
Beton – ein Baustoff der (sich) verbindet
4 Zusammenfassung und Ausblick Von den Probekörpern, die zur Untersuchung des Ermüdungstragverhaltens unbewehrter Betonschubfugen getestet wurden, hielten die meisten einer zyklischen Beanspruchung bis zum Erreichen der vorab definierten Grenzlastspielzahl stand. Die Auswertung der umfangreichen Verschiebungsmessungen und der Spannungen (z.B. Oberspannung/Bruchspannung) zeigt, dass die Haftverbindung zwischen Alt- und Neubeton keiner stärkeren Ermüdungsgefahr unterliegt als äquivalent beanspruchte monolithische Bauteile. Probekörper, die durch hochfesten Beton ergänzt wurden, wiesen gegenüber den Bemessungswerten besonders hohe Tragfähigkeiten auf. Ganz offensichtlich kann durch die Zugabe von Fließmitteln und Feinkornbestandteilen (Mikrosilika) die wirksame Kontaktfläche und damit der Haftverbund vergrößert werden. Weiterführende Untersuchungen könnten in Zukunft weniger restriktive Bemessungsregelungen möglich machen. Vor einer Änderung bestehender Regelungen sollte jedoch u. a. geklärt werden, inwieweit Schwindeinflüsse das Tragverhalten von Beton-Beton-Verbindungen beeinträchtigen. Die vorgestellten Forschungsergebnisse machen auf jeden Fall folgendes klar: Die Frage, ob und wie gut sich Alt- und Neubeton verbinden, wird zumindest in naher Zukunft noch verschiedene Forscher beschäftigen. Umfassende Erkenntnisse über die maßgebenden Einflussgrößen könnten zu einer Kostenreduzierung bei Neubauten und Sanierungsmaßnahmen führen.
5 Literatur [1] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Teil 1: Bemessung und Konstruktion (07/2001) [2] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: Erläuterungen zu DIN 1045-1. (Heft 525). Berlin: Beuth, 2003 [3] Sasse, H. R.: Die Adhäsion zwischen Estrich und Beton. In: Industriefussböden. Osterfilden, 1987, S. 47-56 [4] Bischof, C.; Possart, W.: Adhäsion. Theoretische und experimentelle Grundlagen. Berlin: Akademie-Verlag, 1983 [5] König, G.; Danielewicz, I.: Ermüdungsfestigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen mit Erläuterungen zu den Nachweisen gemäß CEB-FIB Model Code 1990. Berlin: Beuth Verlag, 1994 (DAfStb Heft 439) [6] Kaufmann, N.: Das Sandflächenverfahren. In: Straßenbautechnik 24 (1971), Nr. 3 [7] Zilch, K.; Müller, A.: Experimentelle Untersuchung zum Ermüdungstragverhalten von unbewehrten Schubfugen an nachträglich ergänzten Betonbauteilen. Abschlussbericht zum DAfStb-Forschungsvorhaben V 422. Lehrstuhl für Massivbau, TU München, 2004
Optimierung des Verbundes Utz Mayer, Rolf Eligehausen
An den Verbund zwischen Beton und Betonstahl werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Dadurch soll folgendes gewährleistet werden: kleine Rißbreiten und Durchbiegungen im Gebrauchszustand, ein möglichst duktiles Verhalten der Bauteile im Bruchzustand und damit ein großes Rotationsvermögen von plastischen Gelenken und möglichst kurze Verankerungs- und Stoßlängen. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zum Einfluß der bezogenen Rippenfläche von Bewehrungsstäben auf das Trag- und Verformungsverhalten von Stahlbetonbauteilen im Hinblick auf diese Anforderungen aufgezeigt und bewertet.
1 Einführung Der Verbund zwischen Bewehrung und Beton soll den nachfolgenden Anforderungen genügen: a) im Gebrauchszustand sollen die Rißbreiten sowie die Durchbiegungen geringer sein als zulässige Werte. b) im Traglastzustand soll im Bereich plastischer Stahldehnungen das Verhältnis zwischen mittlerer Stahldehnung und Stahldehnung im Riß ausreichend hoch sein, um durch ein großes Rotationsvermögen der plastischen Gelenke ein duktiles Verhalten von Stahlbetonbauteilen zu gewährleisten. c) für Verankerungen und Übergreifungsstöße sollen kurze Verankerungs- bzw. Stoßlängen möglich sein. Die gegenwärtig in Deutschland verwendeten Betonstähle mit üblicher Rippengeometrie ([1]) berücksichtigen hauptsächlich die Anforderungen im Gebrauchszustand. Durch die gute Verbundwirkung wird ferner eine hohe Tragfähigkeit von Verankerungen und Übergreifungsstößen erzielt. Diese Oberflächengeometrie führt jedoch insbesondere bei kaltverformten Betonstählen zu einer großen Mitwirkung des Betons im nichtelastischen Stahldehnungsbereich. Dadurch wird das für die Schnittkraft- (Momenten-) umlagerung notwendige Rotationsvermögen in plastischen Gelenken deutlich reduziert, so daß nichtlineare Verfahren zur Schnittkraftermittlung bei Einsatz dieses Betonstahls nicht bzw. nur in beschränktem Umfang zulässig sind. Während in den USA Tendenzen zu erkennen sind, die eine Erhöhung der bezogenen Rippenfläche fR vorsehen, gibt es demgegenüber in Europa Bestrebungen die bezogene Rippenfläche zu reduzieren. Daher wird im folgenden untersucht, ob
492
Optimierung des Verbundes
die derzeitige Rippengeometrie ([1]) sinnvoll ist oder ob sie im Hinblick auf die oben genannten Anforderungen verbessert werden kann. In [2] wurde das Verbundmodell aus [3] u. a. um den Einfluß der bezogenen Rippenfläche erweitert. Das erweiterte Verbundmodell wird im Programms BATS (Bond And Tension Stiffening) verwendet, um die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen im gesamten Stahldehnungsbereich zu bestimmen. Zur nichtlinearen Systemanalyse wurde die modifizierte Spannungs-Dehnungsbeziehung des Betonstahls ( s- sm-Linie aus BATS) in das nichtlineare FE-Stabwerk-Programm NELIN ([4]) implementiert. Nach der Verifizierung des Modells auf Bauteilebene wurden in [2] Parameterstudien an geraden Stabverankerungen sowie an Stahlbetonbalken und –platten im Gebrauchs- und Bruchzustand durchgeführt.
2 Literaturüberblick Auf der Basis von Ausziehversuchen mit kurzer Verbundlänge wurde in [5] gezeigt, daß die bezogene Rippenfläche fR der maßgebende Parameter zur Charakterisierung des Verbundverhaltens von gerippten Bewehrungsstäben ist. Die Literaturauswertung ([2]) zeigt, daß man den im Gebrauchszustand gewünschten „starren“ Verbund (hohe Anfangs-Verbundsteifigkeit) und damit geringe Rißabstände und Rißbreiten maßgeblich durch eine Vergrößerung der bezogenen Rippenfläche fR erhält. In [6] bzw. [7] wurde an zentrisch auf Zug belasteten Stahlbetonkörpern der Einfluß von nichtelastischen Stahldehnungen auf das Verbundverhalten gezeigt. Danach reduziert sich das mittlere Dehnvermögen der Stahlbetonkörper bei Höchstlast gegenüber demjenigen des nackten Stahls auf etwa die Hälfte ( M/ s,max 0,5) bei hochduktilem Stahl und auf ca. ein Fünftel ( M/ s,max 0,2) bei niederduktilem Stahl. Der Einfluß der bezogenen Rippenfläche auf das Rotationsvermögen plastischer Gelenke wurde experimentell an einachsig gespannten Stahlbetonplatten untersucht ([8]). Die Ergebnisse zeigen, daß unter sonst nahezu gleichen Bedingungen Platten, bewehrt mit Matten aus glatten Stäben, im Vergleich zu Matten aus gerippten Stäben eine deutliche Vergrößerung der plastischen Rotation aufweisen. Das Versagen von Verankerungen und Übergreifungsstößen tritt in der Regel durch Spalten bzw. Absprengen des umgebenden Betons auf. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Versuche und theoretischen Überlegungen aus der Literatur (vgl. [9]), daß i. A. der Einfluß der bezogenen Rippenfläche auf die Spaltwirkung von Rippenstäben für Werte 0,05 fR 0,10 gering ist, wenn keine Querbewehrung vorhanden ist.
Utz Mayer, Rolf Eligehausen
493
3 Verbundmodellierung und Rechenmodell Das im Programm BATS verwendete Verbundmodell nach [3] wird nachfolgend kurz beschrieben. Eine eingehende Beschreibung sowie die Verifizierung des Modells kann [2] entnommen werden.
3.1 Umschnürungsmodell für Beton und Verbundmodell Zur Beschreibung des Spaltwiderstandes der Betondeckung infolge einer Verbundbeanspruchung wurde das Modell eines dickwandigen Zylinders verwendet. Hierbei stehen die Radialkomponenten der Verbundwirkung mit den Ringzugspannungen im Zylinder im Gleichgewicht. Die Reaktion des dickwandigen Betonzylinders wird unter Berücksichtigung der nichtlinearen Bruchmechanik in die folgenden drei Zustände eingeteilt: ungerissener, teilweise gerissener und vollkommen gerissener Zustand. Die Modellierung des Verbundverhaltens nach [3] kann ebenfalls in 3 Stufen eingeteilt werden: I) Es wird eine Grenzschicht angenommen, über welche die Verschiebungen und Kräfte verschmiert werden. II) Der gerippte Betonstahl wird als konischer Stab idealisiert. Dadurch wird die Relativverschiebung zwischen Stahl und Beton an die radiale Verschiebung gekoppelt. III) Es wird angenommen, daß die Verbundkraftübertragung auf Reibung basiert und somit eine direkte Proportionalität zwischen Verbundspannung und Radialdruckspannung besteht. Der Zusammenhang zwischen radialer Verschiebung und Radialdruckspannung wird über das Umschnürungsmodell definiert. Zur Berücksichtigung des Einflusses der bezogenen Rippenfläche fR auf das Verbundverhalten wurde auf die Verbundspannungs-Schlupf-Kurven in [10] zurückgegriffen. Im allgemeinen wurde dabei eine gute Übereinstimmung zwischen Versuchen und Modellergebnissen erzielt.
3.2 Berechnungsablauf in NELIN und Verifizierung Im Rahmen nichtlinearer Berechnungen von Stahlbetonbiegebauteilen wird in der Regel der Zusammenhang zwischen dem wirkenden Biegemoment und der resultierenden mittleren Querschnittskrümmung hergeleitet. Im vorliegenden Fall wird ähnlich vorgegangen, wobei keine direkte Beziehung zwischen Biegemoment und Querschnittskrümmung verwendet wird, sondern die aus der Analyse des Stahlbetonzuggurtes (BATS) resultierende - sm-Beziehung wird im FEProgramm NELIN ([4]) als polygonales Stoffgesetz für den Betonstahl implementiert. Anhand der zahlreichen in [2] durchgeführten Versuchsnachrechnungen kann festgestellt werden, daß das Programm NELIN bei Ansatz einer modifizierten
494
Optimierung des Verbundes
Stahlkennlinie ein brauchbares Werkzeug zur Untersuchung verschiedener Einflüsse auf das Verhalten von Stahlbetonbauteilen im Gebrauchs- und Traglastzustand darstellt.
4 Parameterstudien Der berechnete Einfluß von fR auf die Rißbreiten in einfeldrigen Stahlbetonplatten im Gebrauchszustand sowie auf die plastische Rotation wird nachfolgend gezeigt. Eine umfangreiche Ergebnisdarstellung erfolgt in [2]. In Abb. 1 ist die bezogene Rißbreite unter Gebrauchslast wrm(fR) / wrm(fR,min) für mechanische Bewehrungsgrade = 0,057, 0,113 und 0,227 in Abhängigkeit von der bezogenen Rippenfläche für Kurz- und Langzeitbeanspruchung dargestellt.
Abb. 1. Bezogene Rißbreite unter Gebrauchslast als Funktion der bezogenen Rippenfläche für verschiedene mechanische Bewehrungsgrade unter Kurz- und Langzeitbeanspruchung
Hieraus wird deutlich, daß die Rißbreiten mit zunehmender bezogener Rippenfläche sowohl unter Kurzzeitbelastung als auch unter Dauerlast signifikant abnehmen. Abb. 2 zeigt den berechneten Einfluß der bezogenen Rippenfläche auf die plastische Rotation von einfeldrigen Stahlbetonplatten. Dabei werden die Verbundspannungs-Schlupf-Beziehungen in Abhängigkeit von der bezogenen Rippenfläche fR modifiziert und der Einfluß der -s-Kurven auf die mittleren Rißabstände berücksichtigt. Es ist festzustellen, daß mit steigendem fR die plastische Rotation moderat zunimmt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß sich der mittlere Rißabstand mit zunehmender bezogener Rippenfläche verringert, wodurch die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen geringer wird.
UtzMayer, Mayer,Rolf RolfEligehausen Eligehausen Utz
50
pl
[mrad]
= 0,057
Verbundbereich I
40
C 30/37 ds = 10 mm d = 200 mm l/d = 6
Tiefrippung
1,60
Stahl B
pl(fR)
/
pl(fR, min)
495 495
[-]
Verbundbereich I
Stahl A
Stahl S2
1,40
30
1,20
20
1,00
Tiefrippung
fR = 0,10; c verringert
= 0,057 fR = 0,10;c verringert
10
0 0,03
0,04
0,05
0,06 0,07 0,08 0,09 Bezogene Rippenfläche fR [-]
0,10
0,11
C 30/37 ds = 10 mm d = 200 mm l/d = 6
0,80
0,60 0,03
0,04
0,05
0,06 0,07 0,08 0,09 Bezogene Rippenfläche fR [-]
Stahl B
Stahl A
Stahl S2
0,10
0,11
Abb. 2. Absolute und bezogene plastische Rotation als Funktion der bezogenen Rippenfläche für einen mechanischen Bewehrungsgrad = 0,057; Verbundbereich I
5 Folgerungen Im Gebrauchszustand treten nur relativ kleine Verschiebungen zwischen Stahl und Beton auf. Daher werden die Rißbreiten und Durchbiegungen hauptsächlich durch den ansteigenden Ast der Verbundspannungs-Schlupfkurven bestimmt. Zur Erzielung eines möglichst „starren“ Verbundes ist also eine hohe bezogene Rippenfläche fR anzustreben. Eine Erhöhung der bezogenen Rippenfläche gegenüber den in [1] festgelegten Werten ist im Hinblick auf die Anforderungen im Gebrauchszustand nicht erforderlich. Sie ergibt jedoch deutlich geringere Rißbreiten. Bei den im plastischen Gelenk auftretenden großen Relativverschiebungen hängt die plastische Rotationsfähigkeit hauptsächlich vom abfallenden Ast der -sKurven im rißnahen Bereich ab. Wird dieser flacher, sinkt die plastische Rotation ab, wird er steiler, steigt die plastische Rotation an. Eine Erhöhung der bezogenen Rippenfläche fR gegenüber den in [1] festgelegten Werten führt im Traglastzustand bei Bauteilen, deren Rißbildung nicht durch eine starke Querbewehrung vorgegeben wird, bei Verwendung von Stabstählen unabhängig von der Duktilität zu einer moderaten Vergrößerung der plastischen Rotation. Bei einer Verminderung von fR für Stabstähle ist eine geringe Abnahme der plastischen Verdrehfähigkeit zu erwarten. Wird jedoch durch die Reduzierung der bezogenen Rippenfläche der Kaltumformgrad deutlich verringert, steigt die Duktilität des Betonstahles und damit die Rotationsfähigkeit plastischer Gelenke an. Da der Verbund und damit die Rißbildung bei geschweißten Betonstahlmatten auch durch die angeschweißten Querstäbe beeinflußt werden, ist in diesem Fall eine Verminderung der bezogenen Rippenfläche positiv zu beurteilen Die Ergebnisse der in der Literatur beschriebenen Untersuchungen für Verankerungen und Übergreifungsstöße von Rippenstäben zeigen, daß die Spaltkraft bei konstanter Zugkraft nicht wesentlich durch die bezogene Rippenfläche beeinflußt
496
Optimierung des Verbundes
wird, wenn diese zwischen fR 0,05 und fR 0,10 variiert wird und der lichte Rippenabstand so groß ist, daß keilförmiges Abscheren der Betonkonsolen auftritt. Im Hinblick auf eine geringe Spaltwirkung ist es günstig den lichten Rippenabstand so zu verringern, daß die Betonkonsolen auf ganzer Länge abscheren.
6 Literatur [1] DIN 488 (1984), Betonstahl Teil 1-7, Beuth Verlag, Berlin, 1984 [2] Mayer, U. (2002), Zum Einfluß der Oberflächengestalt von Rippenstählen auf das Trag- und Verformungsverhalten von Stahlbetonbauteilen, Dissertation, Universität Stuttgart, Institut für Werkstoffe im Bauwesen, IWB-Mitteilungen 2002/1 [3] Den Uijl, J. A.; Bigaj, A. J. (1996), A bond model for ribbed bars based on concrete confinement. HERON, Volume 41, No. 3 , pp 201 – 226, 1996 [4] Ožbolt, J. (1982), Numerika analiza armirano betonskih konstrucija s materijalnim i geometrijskom nelinearnosti, plastifikacijom, puzanjem i skupljanjem betona. Dissertation, Universität Zagreb, 1982 [5] Rehm, G. (1961), Über die Grundlagen des Verbundes zwischen Stahl und Beton. Schriftenreihe des DAfStb Heft 138, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1961 [6] Alvarez, M.; Marti, P. (1996), Versuche zum Verbundverhalten von Bewehrungsstahl bei plastischen Verformungen. IBK Bericht Nr. 222, Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, Birkhäuser Verlag, Basel, 1996 [7] Eligehausen, R.; Lettow, S.; Mayer, U. (2003), Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen nach Erreichen der Fließgrenze der Bewehrung in Stahlbetontragwerken, DFG Forschungsbericht [8] Bühler, A.; Eibl, J. (1991), Untersuchung des Einflusses verschiedener Stahlparameter auf die mögliche plastische Rotation bei Stahlbetonplatten. Versuchsbericht, Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Karlsruhe, 1991 [9] Eligehausen, R. (1979), Übergreifungsstöße zugbeanspruchter Rippenstäbe mit geraden Stabenden. Schriftenreihe des DAfStb, Heft 301, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1979 [10] Martin, H.; Noakowski, P. (1981), Verbundverhalten von Betonstählen - Untersuchungen auf der Grundlage von Ausziehversuchen. Schriftenreihe des DAfStb Heft 319, Beuth Verlag , Berlin, 1981
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen: Dimensionierung mittels FEM Uwe Hartz, Moritz Michel
1 Problemstellung Spannverfahren gehören seit ihrem Einzug in den Betonbau zu den klassischen Zulassungsgebieten. Da dies für alle europäischen Länder gleichermaßen gilt, wurde im Zuge der europäischen Harmonisierung im Bauwesen durch EOTA eine Leitlinie [1] für die Erstellung europäischer Zulassungen erarbeitet, die unter anderem detailliert festlegt, welche Prüfungen in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis für die Erteilung von Zulassungen für Spannverfahren durchzuführen sind. Diese umfassen mindestens fünf statische und vier dynamische Prüfungen der Verankerungen sowie vier Tests zur Lastübertragung zwischen der Verankerung und dem lastabtragenden Beton [2]. Dabei sind für Spanngliedreihen mit mehr als fünf Spanngliedgrößen mindestens drei unterschiedliche Größen zu prüfen und für die dazwischen liegenden durch rechnerische Interpolation nachzuweisen, daß “die Spannungen in den Verankerungs- bzw. Kopplungskomponenten einschließlich des Betons nicht größer sind als bei den durch Prüfung nachgewiesenen Verankerungen“. Heute in Deutschland zugelassene Spannverfahren umfassen Spanngliedgrößen bis zu 31 Litzen, so daß die weitaus größere Anzahl der Verankerungen durch Interpolation zu bestimmen ist. Dabei gehen die Meinungen, wie eine solche Interpolation sinnvoll durchzuführen ist, weit auseinander. Dieser Beitrag widmet sich ausschließlich der Dimensionierung von Lochscheiben (“anchor head“ nach ETAG 013), denen neben den Keilen die entscheidende Bedeutung für die Tragfähigkeit der Verankerung zukommt, wobei Aussagen zur Sicherheit der Keile jedoch aufgrund ihrer Vielzahl und der ihnen eindeutig zugewiesenen Vorspannkraft wesentlich besser abgesichert sind. Die Abmessungen der Lochscheiben werden letztlich allein durch die Ergebnisse der oben genannten fünf Versuche zur Lastübertragung zwischen Spannstahl und Ankerkörper bestimmt.
498
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen
2 Forderungen nach ETAG 013 Durch eine Vielzahl von Versuchen belegt und damit unstrittig ist die Tatsache, daß die Lochscheiben im Test nach ETAG 013, Abschnitt B.1.1 in der Regel über weite Bereiche ins Fließen kommen, wobei der Grad der Plastifizierung natürlich vom Grad der “Materialoptimierung“ und damit vom Werkstoff und von den Abmessungen der Lochscheibe abhängt. Dazu ist als Akzeptanzkriterium im Versuch nachzuweisen, daß bei einer Last von 80% des charakteristischen Werts der Zugfestigkeit des Spannstahls (dies entspricht der zulässigen Pressenkraft beim Vorspannen) und einer Standzeit von einer Stunde während der ersten dreißig Minuten sich die am Spannstahl und Keil gemessenen Verformungen stabilisieren, d.h. in den zweiten dreißig Minuten nicht mehr zunehmen. Dies kann nur gelingen, wenn große Bereiche der Lochscheibe nicht ins Fließen kommen und somit genug Tragwiderstand aktiviert werden kann. Bei der anschließenden Laststeigerung müssen mindestens 95% des charakteristischen Werts der Spannstahlzugfestigkeit erreicht werden und schließlich ein Versagen durch Spannstahlbruch auftreten. Eine durch Plastifizierung nicht mehr tragfähige Lochscheibe würde diese Laststufe nicht zulassen.
3 Interpolation von Zwischengrößen
3.1 Ausgangslage Die von den Herstellern angebotenen Regelgrößen für die Verankerungen resultieren meist aus dem Lochbild der Lochscheiben. Für das heute vorherrschende Lochbild auf der Basis des gleichseitigen Dreiecks ergibt sich eine bestimmte Anzahl möglicher rotationssymmetrischer Lochbilder, wodurch z.B. der Bereich von drei bis 31 Litzen abgedeckt werden kann. Bei der endgültigen Festlegung der im Spannverfahren zu regelnden Größen spielt dann der Aspekt der für den Brückenbau benötigten Vorspannkräfte die entscheidende Rolle. Zwischengrößen lassen sich einfach durch Weglassen von Spannstählen bilden, wobei der Nachteil der überdimensionierten Verankerung in Kauf zu nehmen ist. Die rechnerische Interpolation kann nur dann sinnvoll durchgeführt werden, wenn zunächst das Beanspruchungsniveau der getesteten Verankerungen rechnerisch bestimmt wird. Hier kann nicht die Frage vertieft werden, welche Verfahren dafür geeignet und sinnvoll sind, ob eine einfache “Handrechnung“, vielleicht sogar nur ein geometrischer Vergleich bereits ausreichen. Die Erfahrungen bei der Zulassung von Spannverfahren zeigen jedoch eindeutig, daß derartige “manuelle“ Verfahren zumindest in
Uwe Hartz, Moritz Michel
499
den Fällen, in denen die Lochscheiben keine größeren Tragreserven haben - und das ist der Normalfall -, nicht die erforderliche Aussagesicherheit haben. So vernachlässigt z.B. ein vereinfachter Schubspannungsnachweis bei Lochscheiben vollständig die Spannungsumlagerungen, die sich bei Erreichen der Streckgrenze des Stahls einstellen und die bei jeder Scheibengröße unterschiedlich sind . Dies gilt auch für eine linear-elastische FE-Rechnung, die für einen groben Vergleich der auftretenden Spannungen durchgeführt wird. Demgegenüber ist es mit den heutigen rechentechnischen Voraussetzungen ohne großen Aufwand möglich, mit nichtlinearen FE-Verfahren ein weitgehend realistisches Bild über das Tragverhalten von Lochscheiben zu gewinnen.
3.2 Krafteinleitung und -übertragung Die Kraftübertragung vom Spannstahl über die Keile in die Lochscheibe entzieht sich weitgehend einer mathematischen Modellierung, da die Geometrie ausgesprochen kompliziert und der Kraftfluß und damit die Belastung der Lochscheibe durch Keilverformung und -schlupf bestimmt werden, d.h. mit steigender Last sich Ort und Verteilung der Lasteinleitung ändern. Zumindest für die höheren Laststufen spätestens ab der 0,5fachen Prüflast läßt sich anhand von Prüfergebnissen aber ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen Belastung und Keileinzug (ohne Verformungsanteil der Lochscheibe) nachweisen, so daß es für die rechentechnische Abbildung ausreichend genau ist, vom Keil einschließlich Litze als einem homogenen Körper auszugehen mit einer konstanten Reibung zwischen Keil und Lochscheibe. Da sich der Keilbiß an der Litze über die Keilhöhe gleichmäßig verteilt, kann die Litzenkraft als Flächenlast auf der Keiloberseite wirkend angenommen werden. Neben den Geometrie- und Werkstoffdaten sind somit allein die Reibbeiwerte (zwischen Keil und Scheibe sowie zwischen Scheibe und Ankerplatte) als maßgebende Parameter zu bestimmen [3]. Dies muß anhand der fünf Mindestversuche einer Spanngliedreihe geschehen, wobei bereits vorliegende Erfahrungen weitgehend genutzt werden können.
3.3 Rechentechnische Umsetzung Für die Modellierung der Lochscheibe werden 20-Knoten-Volumenelemente genutzt und zwischen Lochscheibe und Keil entsprechende Kontaktelemente angeordnet. Abb. 1 zeigt anhand der Lochscheibe für das siebenlitzige Spannglied das sich unter Ausnutzung der Symmetrie ergebenden Scheibensegment mit Darstellung der Volumenelemente. Die Schnittflächen des Segments sind senkrecht zur Fläche unverschieblich, in den beiden anderen Achsrichtungen verschieblich gelagert, wie in Abb. 2 schematisch gezeigt.
500
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen
Lochscheibe Keile
Ankerplatte Abb. 1. FE-Modellierung der Loschscheibe für sieben Litzen
a) Seitenansicht
b) Draufsicht
Abb. 2. Lagerungsbedingungen Aufgrund selbst durchgeführter Vergleichsrechnungen und bereits vorliegender Ergebnisse [3], [4] ist es ausreichend, für die Ankerplatte ein linear-elastisches Verhalten anzunehmen, zumal in der Kontaktfläche zwischen Lochscheibe und Ankerplatte ausschließlich Druckspannungen auftreten und in vielen Fällen in den Versuchen die Lochscheibe statt auf die Ankerplatte direkt auf die erheblich steifere Prüfmaschine aufgelegt wird. Der Einfluß der Reibung zwischen Lochscheibe
Uwe Hartz, Moritz Michel
501
und Ankerplatte ist vernachlässigbar [3]. Damit entfällt auch die Notwendigkeit der Anordnung spezieller Kontaktelemente zwischen Lochscheibe und ihrer Auflagerung. Die für die Lochscheiben verwendeten Vergütungsstähle nach DIN EN 10038 weisen keine ausgeprägte Fließgrenze auf, so daß ihre Arbeitslinie aus den Zugprüfungen und den Testergebnissen abgeleitet werden muß. Im vorliegenden Fall ergab sich so eine genügend genaue trilineare - -Linie mit einer Anfangssteigung bis zur Streckgrenze von E = 210000 N/mm2, einem zweiten Ast bis Erreichen der Zugfestigkeit bei einer Dehnung von 5,5% und einem anschließenden horizontalen Ast. Die Fließgrenze der Keile liegt aufgrund ihrer Oberflächenhärte zwischen 30 und 50% höher als die der Lochscheiben, so daß diese keine Plastifizierungen zeigen. Dies wurde durch die Nachrechnungen durchweg bestätigt.
4 Ergebnisse
4.1 Veranlassung Im Rahmen des Zulassungsverfahrens eines Spannverfahrens für Vorspannung mit nachträglichem Verbund von vier bis 31 Litzen aus St 1660/1860 wurden für die Spanngliedgrößen mit vier, zwölf und 31 Litzen Versuche zur Lastübertragung Spannstahl/Ankerkörper durchgeführt. Für die übrigen Spanngliedgrößen ergab sich damit die Notwendigkeit einer Interpolation. Da das Zulassungsverfahren in der Endphase unter hohem Zeitdruck stand, entschlossen wir uns, diese Aufgabe selbst zu übernehmen und dazu das uns zur Verfügung stehende Programmpaket ANSYS [5] zu nutzen.
4.2 Einfluß der Streckgrenze Zur Klärung der Frage, wie groß der Einfluß einer unterschiedlichen Streckgrenze auf die plastischen Verformungen der Lochscheibe ist, wurden mehrere Vergleichsrechnungen durchgeführt. Typische Ergebnisse zeigen die Abb. 3 und Abb. 4 für Streckgrenzen von 300 bzw. 380 N/mm2 und die Laststufen 0,5 bzw. 0,8 fpk. Die Plastifizierung beginnt immer am oberen Rand zwischen zwei äußeren Bohrungen und wandert entlang der Keilfläche nach unten. Parallel dazu entsteht ein plastischer Bereich an der äußeren Bohrung der Lochscheibe mit fast gleichmäßig verteilter Spannung bzw. Dehnung am Zugring, da dieser noch erheblichen Widerstand bietet. In der Laststufe 0,8 ist der obere Teil der Lochscheibe durchweg
502
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen
von innen nach außen plastifiziert, jedoch stabilisiert bei einer Streckgrenze von 380 N/mm2 noch ein wesentlich größerer Teil des Zugrings die Lochscheibe. Die maximalen plastischen Dehnungen betragen in diesem Fall nur 60% gegenüber denen bei einer Streckgrenze von 300 N/mm2. Dies zeigt deutlich auch Abb. 5 anhand der Zunahme des Durchmessers in drei unterschiedlichen Höhen der Lochscheibe, wobei hervorzuheben ist, daß deren Durchmesserzunahme am Fuß der konischen Bohrung, also in etwa einem Viertel der Lochscheibenhöhe, noch ca. 60% der Aufweitung der Oberseite beträgt.
a) Laststufe 0,5
max
= 0,0083
b) Laststufe 0,8
max
= 0,0629
Abb. 3. Plastische „von-Mieses“-Dehnungen bei einer Streckgrenze von 300 N/mm2
a) Laststufe 0,5
max
= 0,0036
b) Laststufe 0,
max
= 0,03728
Abb. 4. Plastische „von-Mieses“-Dehnungen bei einer Streckgrenze von 380 N/mm2
Uwe Hartz, Moritz Michel
503
0,5
top 0,45
Re = 300 N/mm²
0,4
Re = 380 N/mm²
0,35
middle
d [mm]
0,3
top
0,25 0,2
middle 0,15
bottom 0,1
bottom
0,05 0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
load le ve l [-]
Abb. 5. Durchmesserzunahme der Lochscheibe infolge plastischer Verformungen top: Scheibenoberseite, middle: am Fuß der konischen Bohrung, bottom:Scheibenunterseite
Neben der Lochscheibenaufweitung kommt auch ihrer Durchbiegung entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Sicherheit der Verankerung zu. Deshalb wird nach ETAG 013, B.1.1.3 mit der Messung der Längsbewegung von Keil und Litze indirekt auch die Durchbiegung der Lochscheibe mit erfaßt. Die Beurteilung der Rechenergebnisse muß deshalb auch diese Größe angemessen einbeziehen. In diesem Beitrag kann aufgrund der Beschränkung des Umfangs dieser Frage nicht nachgegangen werden, es zeigt sich jedoch in der Tendenz das gleiche Bild wie bei der Scheibenaufweitung. Die Einhaltung des Akzeptanzkriteriums nach ETAG 013, 6.1.1-I, daß bei der Laststufe 0,8 innerhalb einer Standzeit von 30 Minuten sich die Verformungen stabilisieren müssen und danach keine Verformungen mehr auftreten dürfen, hängt fast ausschließlich davon ab, wie groß der noch nicht plastifizierte Bereich des Zugrings der Lochscheibe ist, was entscheidend durch die Streckgrenze des verwendeten Stahls bestimmt wird. Für diese wird in EN 10083 [6], [7] lediglich ein Mindestwert vorgegeben, je nach Werkstoffnummer ist für die Zugfestigkeit ein Mindestwert (normalgeglüht) oder eine Toleranzbreite (vergütet) einzuhalten. In der Regel liegen die Istwerte der Streckgrenze weit oberhalb der einzuhaltenden Mindestwerte. Die Vergleichsrechnungen belegen, welch große Bedeutung der Kenntnis des möglichst genauen Werts zukommt, um die rechnerischen Interpolationen mit der erforderlichen Aussagesicherheit durchführen zu können.
504
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen
4.3 Einfluß der Keilverhaltens Es erscheint aussichtslos, mit angemessenem Aufwand das zeit- und lastabhängige Kraft- und Verformungsverhalten zwischen Spannstahl, Keil und Lochscheibe mathematisch zu modellieren, da eine vollflächige Kraftübertragung vom Keil auf die Wandungen der Konusbohrung erst allmählich mit zunehmendem Keilbiß und einsetzender Plastifizierung der Lochscheibe aufgebaut wird und sich dabei mit dem Keilschlupf überlagert. Wie groß die Auswirkungen unterschiedlicher Reibbeiwerte auf die Verformungen der Lochscheibe sein können, zeigt Abb. 6 für die Verankerung mit sieben Litzen. Während sich für die dargestellte Lochscheibenaufweitung für die oberen Laststufen aufgrund der bereits stark fortgeschrittenen Plastifizierung der Lochscheibe ein stark gekrümmter Verlauf zeigt, verläuft die Durchbiegungszunahme nahezu linear. Die Nachrechnungen durchgeführter Versuche zeigen, daß mit einem konstanten Reibbeiwert zwischen Keil und Lochscheibenkonus die Verformungen der Lochscheibe gut nachgebildet werden können. Dies wird beispielhaft in Abb. 7 für unterschiedliche Reibbeiwerte anhand der Lochscheibenaufweitung und mittendurchbiegung dargestellt. Über ähnliche Ergebnisse wird in [4] berichtet. Die eigenen Nachrechnungen zeigten darüberhinaus auch, daß für alle Verankerungsgrößen sich nahezu derselbe Reibbeiwert ergibt. Damit spiegeln die Rechenergebnisse die identische Geometrie von Keil und Konusbohrung bei allen Spanngliedgrößen einer Reihe gut wider. Auf diese Weise konnte in Übereinstimmung mit den Versuchsergebnissen ein Rechenwert für die Reibung von 0,05 zur Interpolation der Zwischengrößen für dieses Spannverfahren gefunden werden. 0,6
0,6
0,5
0,4
Verformung [mm]
Verformung [mm]
0,5
LS 0,8 0,3
LS 0,7
0,2
LS 0,6 LS 0,5
0,1
0
0,02
0,3
LS 0,7 0,2
LS 0,6 0,1
LS 0,5 LS 0,4
LS 0,4
0
LS 0,8
0,4
0
0,04
Reibbeiwert
0,06
[-]
a) Lochscheibenaufweitung
0,08
0,1
0
0,01
0,02
0,03
0,04
0,05
Reibbeiwert
0,06
0,07
0,08
0,09
[-]
b) Lochscheibendurchbiegung
Abb. 6. Einfluß unterschiedlicher Reibbeiwerte auf die Lochscheibenverformungen in den einzelnen Laststufen
Uwe Hartz, Moritz Michel
0,4
0,9
= 0,05
= 0,05
0,8
0,35
0,7
0,3
Verformung [mm]
Verformung [mm]
505
0,25 0,2 0,15 0,1
0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1
0,05
0
0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
-0,1
0
0,2
a) Lochscheibenaufweitung
0,4
0,6
0,8
1
Lastfaktor [-]
Lastfaktor [-]
b) Lochscheibenmittendurchbiegung
Abb. 7. Gegenüberstellung gemessener und gerechneter Werte
4.4 Nachrechnungen Im Rahmen dieses Beitrags kann nur auf die wesentlichen Aspekte eingegangen werden, die bei der Nachrechnung von Versuchsergebnissen zu berücksichtigen sind. Die größte Bedeutung hat dabei die genaue Kenntnis der StahlWerkstoffkennwerte, also Fließgrenze und Zugfestigkeit einschließlich der zugehörigen Dehnungen. Wenn diese Daten nicht zweifelsfrei aus den Abnahmeprüfzeugnissen ersichtlich sind, ist es unumgänglich, an aus der selben Charge stammenden Prüfkörpern die Arbeitslinie des Stahls zu ermitteln. Die mit der Durchführung der Versuche beauftragte Prüfanstalt muß dies vor Beginn der Versuche in Absprache mit der Zulassungsstelle klären. In jedem Fall ist zur Bestätigung der Angaben im Abnahmeprüfzeugnis eine Härtebestimmung durchzuführen. Die durch Versuche nachgewiesenen Verankerungsgrößen können dann mit nichtlinearen Verfahren leicht nachgerechnet werden, indem der Reibbeiwert solange variiert wird, bis das Ergebnis “paßt“. Voraussetzung für diese Kalibrierung ist natürlich, daß die Verformungen der Lochscheibe (Durchmesserzunahme oben und unten sowie Durchbiegung) im Versuch für die einzelnen Laststufen gemessen werden. Das DIBt bietet auf dieser Grundlage im Rahmen des Zulassungsverfahrens die rechnerische Interpolation der Zwischengrößen als Dienstleistung für den Antragsteller an, der somit von der Verpflichtung entbunden wird, selbst diese Interpolation vorzulegen.
5 Schlußfolgerungen Für den nach ETAG 013 geforderten rechnerischen Nachweis der Gleichwertigkeit der Zwischengrößen von Spanngliedverankerungen, die nicht durch Versuche nachgewiesen wurden, werden gegenwärtig unterschiedliche Verfahren genutzt.
506
Lochscheiben für die Verankerung von Spannstählen
Mit Rechenprogrammen auf der Basis nichtlinearer Modelle lassen sich diese Interpolationen sicher und schnell durchführen, wobei evt. notwendige Änderungen in Geometrie oder Material leicht berücksichtigt werden können.
6 Literatur [1] ETAG no. 013: Guideline for European Technical Approval of post-tensioning kits for prestressing of structures. Brüssel, Juni 2002 [2] Hartz, U.: Zulassung von Spannverfahren – national oder europäisch? Die gegenwärtige Situation im Überblick. DIBt-Mitteilungen (33) 2002, Heft 5 [3] Bastien, J., Marceau, D., Fafard, M., Chabert, A. : Experimental and numerical study of multi-strands wedge anchor heads. FIP-Symposium on Post-tensioned Concrete Structures. Concrete Society Publication CS 112/113, Slough 1996 [4] Mehlhorn, G., Kleinhenz, A.: Nachrechnung von statischen Belastungsversuchen zum Nachweis von Ankerköpfen .... zur Kalibrierung der für die Verbindung KeilAnkerkopf anzusetzenden Reibungsbeiwerte (nicht veröffentlicht) [5] ANSYS-Handbook, Version 7.1 [6] DIN EN 10083-1:1996-10 Vergütungsstähle – Technische Lieferbedingungen für Edelstähle [7 ]DIN EN 10083-2:1996-10 Vergütungsstähle – Technische Lieferbedingungen für unlegierte Qualitätsstähle
Spannverfahren im 21. Jahrhundert gewandelte Anforderungen an ein dauerhaftes Produkt Christian Gläser
Seit ca. 70 Jahren wird der Spannbetonbau in Deutschland insbesondere zum Erreichen großer Spannweiten eingesetzt. Neben der Weiterentwicklung der Spannstähle müssen aber auch die verwendeten Verfahren zum Einleiten der Spannkräfte ständig überarbeitet und an die aktuellen technischen und normativen Anforderungen angepasst werden. Im Zuge einer europäischen Harmonisierung werden die Spannverfahren künftig europäisch zugelassen sein, was dem Bauherrn einen einheitlichen Qualitätsstandard unter europäischen Wettbewerbsbedingungen bietet und dem Spannverfahrensanbieter einen europaweiten Aktionsradius eröffnet.
1 Spannbetonbau – historischer Rückblick Bereits 2700 v. Chr. haben die Ägypter ihre Schiffe in Längsrichtung vorgespannt. Die Entwicklung des Spannbetons basierte auf Versuchsergebnissen, die zeigten, dass die Tragwirkung schon allein durch die mögliche Rissbildung bei höherer Beanspruchung noch immer begrenzt war. Der Amerikaner Jackson (1886) und der deutsche Ingenieur Doehring (1888) entwickeln in eigenen Versuchen Verfahren zur Vorspannung von Eisenbewehrungen in Bauteilen aus Beton zur Vermeidung von Rissen in Eisenbetonkonstruktionen [1]. Wesentliche Verbesserungen der Verfahren scheitern zunächst an der bisher noch nicht allgemein bekannten Tatsache des Kriechens und Schwindens von Beton. Der französische Ingenieur Eugène Freyssinet untersucht das Phänomen des Kriechens bei Beton und leitet daraus 1911 ein eigenes Verfahren zur Herstellung von Spannbeton ab. Er erkennt, dass das Kriechen des Betons umso geringer ausfällt, je druckfester und dichter der Beton ist. Je kleiner das Kriechen ist, umso kleiner ist auch der durch das Kriechen bewirkte Spannungsverlust. Für Vorspannung muss Stahl verwendet werden, der erheblich höhere Festigkeiten aufweist als Betonstahl. In Deutschland führte 1935 die Firma Wayss & Freytag die Bezeichnung „Spannbeton“ ein. Die Spannbetonbauteile zeichnen sich dadurch aus, dass der Beton durch Einleiten be-
508
Spannverfahren im 21. Jahrhundert
sonderer Kräfte derart vorgespannt ist, dass er unter der Gebrauchslast nicht - oder nur begrenzt - auf Zug beansprucht wird. Während im Fertigteilbau die Vorspannung mit sofortigem Verbund stark dominiert, hat sich bei auf der Baustelle gefertigten Bauteilen die Vorspannung mit nachträglichem Verbund durchgesetzt. In den letzten Jahren ist bedingt durch nationale Normungen und bekannte Probleme die Entwicklung verschiedener Vorspannkonzepte vorangetrieben worden. Als traditionelles Konzept wird die Vorspannung mit internen, im nachträglichen Verbund liegenden Spanngliedern betrachtet. Aber auch die Vorspannung mit externen Spanngliedern stellt ein seit langem bekanntes Vorspannkonzept dar. Bereits 1936 baute Dischinger die erste vorgespannte Brücke mit externen Spanngliedern [2] in Aue (Sachsen). Gerade in den letzten Jahren kommen vermehrt Bauwerke mit internen Spanngliedern ohne Verbund zur Ausführung. Dabei handelt es sich neben Flachdeckenvorspannung und Behältervorspannung auch um Brückenbauwerke mit Vollplatten- oder Plattenbalkenquerschnitt.
2 Nachweisverfahren für alle Spannverfahren 2.1 Zulassungen Unabhängig von dem gewählten Vorspannkonzept müssen alle in Deutschland verwendeten Spannglieder über eine Zulassung verfügen. In den Zulassungen sind neben den zulässigen Spannkräften, Reibungsbeiwerten, Schlupfwerten usw. auch umfangreiche Details zur Lasteinleitung in den Beton, zum Einbau der Spannglieder, zum Vorspannvorgang und zur Herstellung des Korrosionsschutzes enthalten. Im Moment werden diese Zulassungen national durch das Deutsche Institut für Bautechnik erteilt. Mit Einführung einer Richtlinie der EOTA (European Organisation for Technical Approvals) ist es seit 2002 möglich, europäische technische Zulassungen (ETA) für Spannverfahren zu erwerben. Ab März 2005 dürfen keine nationalen bauaufsichtlichen Zulassungen mehr erteilt werden (Ende der Koexistenzperiode: Februar 2005). Bestehende Zulassungen gelten bis zum Ende ihrer Gültigkeit weiter. Dabei dürfen jedoch nur die darin angegebenen Spannstahlzulassungen (bei Vorspannung mit nachträglichem Verbund meistens 0,55 Z, Z ist dabei die Nennzugfestigkeit des Spannstahls) angesetzt werden. Um wirtschaftliche Konstruktionen, gerade in der Phase immens gestiegener Stahlpreise, ausführen zu können, werden alle Spannverfahrensanbieter bemüht sein, im Zuge einer europäisch technischen Zulassung das nach DIN 1045-1 [3] bzw. DIN Fachbericht 102 „Betonbrücken“ [4] zulässige Spannungsniveau von bis zu 0,9 fp0,1k (fp0,1k ist die Spannstahlspannung an der 0,1 % - Dehngrenze) ansetzen zu dürfen.
Christian Gläser
509
2.2 Steigende Anforderungen an Spannverfahren Neben der bereits erwähnten Erhöhung des zulässigen Vorspannniveaus steigen die Anforderungen an alle Spannverfahren durch die in Kürze zulässigen höherfesten Spannstähle. Im derzeitigen Entwurf von prEN 10138-3 [5] sind 7-drähtige Spannstahllitzen mit einer Nennbruchlast von bis zu 307 kN (Nennzugfestigkeit fpk=1860 N/mm2, Nennquerschnittsfläche Ap=150 N/mm2) enthalten. Das bedeutet eine Erhöhung der Nennbruchlast um fast 16% gegenüber der seit vielen Jahren üblichen Spannstahllitze mit einer Nennbruchlast von 265,5 kN (Nennzugfestigkeit fpk=1770 N/mm2, Nennquerschnittsfläche Ap=150 N/mm2). Aber auch die Litzen mit einer Nennzugfestigkeit fpk=1770 N/mm2 werden immer weiter ausgenutzt, da in einigen Spannstahlzulassungen die rechnerische Streckgrenze von fp0,1k = 1570 N/mm2 auf fp0,1k = 1500 N/mm2 hochgesetzt wurde. Der vermehrte Einsatz von externen und intern verbundlosen Spanngliedern lässt die höhere Bedeutung des Korrosionsschutzes erkennen, der jetzt im Werk zuverlässig und gleichbleibend hergestellt werden muss.
2.3 Nachweise zur Erlangung einer europäischen technischen Zulassung Die Anwendung und die Erfüllung der Bestimmungen der ETAG 013 [6] (Untersuchungen, Prüfungen und Bewertungen) führen nur durch eine Bewertung, einen Zulassungsprozess und eine Entscheidung, gefolgt von der entsprechenden Bescheinigung der Konformität, zu einer ETA und zu einer Annahme der Brauchbarkeit eines Spannverfahrens zur Vorspannung von Tragwerken für den festgelegten Verwendungszweck. Um den durch den höheren Ausnutzungsgrad erzeugten hohen Qualitätsanspruch der Spannverfahren europäisch einheitlich sicherzustellen, wurde die ETAG 013 entwickelt. Darin erfolgt die Beurteilung der Brauchbarkeit von Spannverfahren anhand vorgeschriebener Anforderungen für alle Vorspannkonzepte, die durch Anforderungen für optionale Verwendungskategorien und für innovative Vorspannverfahren ergänzt werden. Die erforderlichen Nachweise für Widerstand gegen statische und dynamische Beanspruchung, Lastübertragung auf das Bauwerk, Ermittlung des Reibungsverhaltens, Ausführbarkeit, Dauerhaftigkeit, ggf. Austauschbarkeit etc. werden beschrieben. Während in anderen Bereichen schon seit langem europäische technische Zulassungen erteilt wurden, wurde im April 2004 durch das Österreichische Institut für Bautechnik erstmals für ein Spannverfahren eine europäische technische Zulassung erteilt [7].
510
Spannverfahren im 21. Jahrhundert
3 Erhöhung der Einbauqualität bei Spanngliedern im nachträglichem Verbund Viele Probleme, die derzeit mit alten Spannbetonbauwerken bekannt sind, sind z.T. auf die Verwendung ungeeigneter Spannstähle zurückzuführen. Oftmals ist aber auch eine mangelhafte Ausführung des Korrosionsschutzes, nämlich des Einpressens des Zementmörtels, für den Ausfall von Spanngliedern und in einigen Fällen auch für die nicht mehr zu erbringende Tragsicherheit ausschlaggebend. Dabei wurden die Verpressarbeiten oftmals nicht korrekt ausgeführt. Um bei neu ausgeführten Bauwerken mit Spanngliedern im nachträglichen Verbund einen einheitlichen Gütestandard zu erreichen, wurde eine Richtlinie zur Überwachung des Herstellens und Einpressens von Zementmörtel in Spannkanäle [8] geschaffen. Diese Richtlinie regelt im Wesentlichen eine Fremdüberwachung der Einpressvorgänge und garantiert entsprechende Zuständigkeiten auf der bauausführenden Seite. Spezielle Einpressmörtel, die zulassungsgeregelt sind, sind für besondere Situationen mittlerweile entwickelt und werden angeboten. Eine hohe Qualität des Korrosionsschutzes bei externen Spanngliedern wird durch die werkseitige Aufbringung gewährleistet. Dabei werden derzeitig in Europa üblicherweise zwei Schutzschichten des Spannstahls (z.B. zwei PEUmmantelungen oder PE und Korrosionsschutzmittel) gefordert. Begründet durch die vorhandene Auswechselmöglichkeit werden aus Kostengründen und zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit des Spannbetonbaus im südostasiatischen Raum aber auch Spannglieder, bei denen die einzelnen Zugelemente in einer PEVerrohrung mit Zementmörtel verpresst werden, eingesetzt.
4 Externe Spannglieder Für externe Spannglieder müssen zusätzliche Nachweise für den Korrosionsschutz erbracht werden. Wesentlicher Bestandteil des Korrosionsschutzsystems ist die mindestens einfache PE-Ummantelung der Litzen. Die Beanspruchbarkeit von PE-Materialien wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. zul
=
f PE,k (
1
2
3
4
PE
)
zul : zulässige Spannung, fPE,k: Kurzzeitfestigkeit Ai: Abminderungsfaktoren für Kriechen, Alterung, Temperatur, Fertigung PE: Sicherheitsbeiwert
(1)
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511
Bei höheren Temperaturen nehmen die Festigkeitswerte ab und die Formänderungsfähigkeit zu. Die Werkstoffe werden weniger schlag- und kerbempfindlich. Die Temperaturabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften wird im Zugversuch, Kerbschlagversuch sowie im Zeitstandversuch beschrieben. Da keine allgemein verbindlichen Aussagen zum Langzeitverhalten bestehen, wird die Thematik zur Zeit für die verschiedensten Anwendungen untersucht. Beim Vorspannen von externen umgelenkten Spanngliedern wird die äußerste PE-Umhüllung der Spannglieder über einen Umlenksattel gezogen bzw. gleitet der Spannstahl innerhalb des Hüllrohrs. Durch die Umlenkpressungen schneidet sich der Spannstahl in das PE-Material ein und führt zu einer Reduzierung der Wandstärken.
4.1 Funktionstüchtigkeit des Korrosionsschutzes Nach ETAG 013 muss ein Versuch durchgeführt werden, bei dem eine Spann14° nachgebildet wird. Die maximale Vorspannkraft gliedumlenkung von muss für die Prüfung bei 70 % der Nennbruchlast des Spannglieds liegen (Prüfung der Kurzzeitfestigkeit). Nach Erreichen der Höchstlast ist das Spannglied unter dieser Last über den Sattel über eine Länge von mindestens 800 mm zu bewegen. Nach Erreichen der Gesamtverschiebung ist die Belastung über 21 Tage zu halten (Untersuchung des Kriecheinflusses). Dabei hat sich gezeigt, dass die in der Versuchsrichtlinie geforderte Standzeit von 21 Tagen eine realistische Forderung darstellt, da innerhalb dieses Zeitraums ein Großteil der Eindrückung ins PE-Material abgeschlossen ist. Anschließend wird das Spannglied entspannt und nahe des Umlenksattels auf einer Länge zerlegt, die mindestens der aufgebrachten Spanngliedverschiebung entspricht. Der Versuch gilt als Nachweis für die Eignung des Korrosionsschutzes, wenn - die Ummantelung des Zugelements nicht durchschnitten oder aufgerissen ist - aus dem Hüllrohr darf kein Korrosionsschutzmittel austreten - das mit den Zugelementen in Berührung stehende Spanngliedhüllrohr nicht von Zugelementen durchschnitten ist - die nach der Prüfung gemessenen Mindestrestwanddicken des Hüllrohrs bzw. die Mindestrestummantelungsdicken nicht weniger als 50 % der ursprünglichen Dicke betragen, auf keinen Fall jedoch kleiner als 0,8 mm sind
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Spannverfahren im 21. Jahrhundert
1. Lage oben Im Rahmen eines an der TU München laufenden For1 . L a g e u n te n schungsvorhabens wird derzeit 2. Lage oben in Umlenkversuchen an Bandspanngliedern untersucht, wel2 . L a g e u n te n 0 ,1 -0 , 2 0 -0 ,1 chen Einfluss eine zusätzliche 0 ,3 -0 , 4 0 ,2 -0 ,3 3. Lage oben Umlenkung senkrecht zur be0 ,5 -0 , 6 0 ,4 -0 ,5 reits untersuchten hat (Abb. 0 ,7 -0 , 8 0 ,6 -0 ,7 3 . L a g e u n te n 1). Es soll überprüft werden, U n te rs te L a g e o b en ob eine „Addition“ der Krümmungen zulässig ist oder ob U n te rs te L a g e u n te n 1 2 3 4 hierbei die Funktionstüchtigkeit für beide Richtungen Abb. 1. Abnahme der Restwandstärke bei zweiaxialer Umlenkung kombiniert nachgewiesen werden muss. Die nach dem Versuch durchgeführten Wandstärkenmessungen des Korrosionsschutzes sollen zeigen, inwieweit die Restwandstärken durch die zusätzliche Horizontalablenkung verändert werden. In den derzeitigen Regelwerken ist die Verwendung externen Spannglieder nur außerhalb des Betonquerschnitts, aber innerhalb der Umhüllenden des Betontragwerks möglich. Werden externe Spannglieder für Verstärkungsmaßnahmen z.B. bei Plattenbalkenquerschnitten erforderlich, sind besondere Betrachtungen zur Beständigkeit gegen UV-Strahlung und zum Brandschutz (insbesondere wenn Verkehrswege unter der Brücke verlaufen) nötig.
4.2 Erforderliche Einbaugenauigkeit Bei planmäßig umgelenkten Spanngliedern werden an den Umlenkstellen spezielle Sattelkonstruktionen bzw. Einlageelemente vorgesehen. Diese müssen so konstruiert sein, dass sie einen über die normale Umlenkung hinausgehenden Fehlwinkel aufnehmen können. Dennoch kommt es bei gerade bei Brücken, die im Taktschiebeverfahren erstellt werden, aufgrund des schwierigen Einmessens der Querträger mit den Umlenkelementen, zu Ausführungsungenauigkeiten, die sich oftmals erst beim Einbau der Spannglieder zeigen. Bei sehr langen Spanngliedern sollte insbesondere auch bei geradliniger Spannglieddurchführungen ein Reservewinkel des Durchführungselements vorgesehen werden, da schon aus dem Durchhang der Spannglieder infolge Eigengewicht minimale Geometrieabweichungen vom geradlinigen Verlauf entstehen.
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513
5 Intern verbundlose Spannglieder Für interne Spannglieder sieht die ETAG 013 eine Zusammenbau-/Montage/Spannprüfung vor, bei der das Nachspannen und ein Spanngliedaustausch simuliert wird. Grundsätzlich bleibt dabei zu überdenken, ob wie bei den externen Spanngliedern zum Nachweis der Dauerhaftigkeit des Korrosionsschutzes ein Dehnweg von 800 mm relevant ist, da das Hauptanwendungsgebiet von intern verbundlosen Spanngliedern im Brückenbau bei Brücken mit Plattenbalkenquerschnitt liegen wird und dabei wohl Spanngliedlängen von über 100 m, die zu einem Dehnweg von 800 mm führen, selten auftreten werden. Auch im Behälterbau und bei Flachdeckenvorspannung sind derartige Spanngliedlängen unüblich. Unabhängig von Zulassungsrichtlinien sollte bei Sonderanwendungen jedoch überlegt werden, inwieweit alle auftretenden Anforderungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgedeckt sind. So wurden beispielweise bei dem Klärwerk „Gut Großlappen“ intern verbundlose Spannglieder eingesetzt [9]. In einem Versuch, der ähnlich dem Prüfverfahren für externe Spannglieder ablief, bei dem jedoch zusätzlich noch Temperatureinflüsse bis 45° C untersucht wurden, kam es ebenfalls innerhalb von 21 Tagen zu einem Abklingen der PE-Eindrückung. Es war aber deutlich erkennbar, dass bei jedem Erwärmen des Spannglieds eine weitere PE-Eindrückung statt fand und im Vergleich zum Versuch bei Normaltemperatur (20°C 5°C) eine kleinere Restwandstärke nach dem Versuch verblieb. Inwieweit dieser Temperatureinfluss auch bei Spannverfahren mit nachträglichem Verbund, die ein Kunststoffhüllrohr verwenden, von Bedeutung sein kann, sofern zum Zeitpunkt des Vorspannens noch erhöhte Temperaturen aus Hydratation vorhanden sind, werden weitere Untersuchungen zeigen.
6 Fazit Auch nach Vorliegen von europäisch technischen Zulassungen erfordert die Planung von Spannbetonbauteilen hohe Sorgfalt des Tragwerkplaners. Gerade bei schwierigen Spanngliedführungen muss auf korrekte Lage der Spannglieder geachtet werden, für die u.U. auch dreidimensionale Überlegungen erforderlich werden. Gerade bei verbundlosen Spanngliedern sollte für außergewöhnliche Anwendungen, um Schädigungen des Korrosionsschutzes zu vermeiden, der Spannablauf genau beschrieben werden (z.B. gleichzeitiges Vorspannen mit zwei Spannpressen. Jede Zulassung für ein Spannverfahren gilt innerhalb bestimmter Anwendungsgrenzen, die genau beleuchtet werden müssen. In Zusammenhang damit wurde für selbstverdichtendem Beton, der nicht DIN 1045-2 [10] entspricht, ein anderes Rissverhalten im Lasteinleitungsbereich festgestellt [11], das in Extremfällen sogar zu einem Dauerhaftigkeitsproblem führen kann.
514
Spannverfahren im 21. Jahrhundert
7 Literatur [1] Zilch, K., Gläser, C.: Massivbau: Rückblick – Perspektiven. Tagungsband zum Münchner Massivbau-Seminar 2002 „Forschung, Entwicklungen und Anwendungen“, München, 2002 [2] Zilch, K., Hennecke, M.: Externe Vorspannung. Ausführungsbeispiele aus Deutschland. Österreichische Vereinigung für Beton- und Bautechnik – Schriftenreihe Heft 45/2000 [3] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Teil 1: Bemessung und Konstruktion. Ausgabe Juli 2001 [4] DIN Fachbericht 102: Betonbrücken. Beuth-Verlag, Berlin, 2001 [5] prEN 10138-3: Spannstähle – Teil 3: Litze. Ausgabe März 2003 [6] EOTA: ETAG 013: Guideline for European technical approval of post-tensioning kits for prestressing of structures. Ausgabe Juni 2002 [7] Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB): European Technical Approval ETA03/0036 „SUSPA/DSI – Monolitzenspannverfahren ohne Verbund mit 1 bis 5 Monolitzen“, Wien. April 2004 [8] Deutsches Institut für Bautechnik: Richtlinie zur Überwachung des Herstellens und Einpressens von Zementmörtel in Spannkanäle. In DIBt Mitteilung Nr. 3. vom 17. Juni 2002, S. 81 [9] Jäger, P.: Erfahrung mit der Anwendung der DIN 1045-1 am Beispiel Klärwerk Gut Großlappen, SEW München – Teil 1: Das Vorspannkonzept der Ausführungsplanung. Tagungsband zum Münchner Massivbau-Seminar 2004 „Forschung, Entwicklungen und Anwendungen“, München, 2004 [10] DIN 1045-2: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton. Teil 2: „Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellen und Konformität; Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1“. Ausgabe Juli 2001 [11] Zilch, K.; Gläser, Ch.: Vergleichende Untersuchungen der Lastübertragung zwischen Normalbeton und selbstverdichtendem Beton mit Flugasche im Verankerungsbereich von Spanngliedern mit Plattenverankerungen. Forschungsbericht des Lehrstuhls für Massivbau der TU München. München, 2004.
Qualität am Bau – Fertigteile, vorgespannt aus SVB und SFB Horst Falkner, Jens Peter Grunert
In Zusammenarbeit mit dem iBMB der TU-Braunschweig hat die Firma Max Bögl einen vorgespannten, stahlfaserverstärkten Fertigteilbalken aus SVB entwickelt, der keine konventionelle schlaffe Bewehrung enthält. Diese Balken weisen, wie für SVB typisch, hervorragende Sichtbetoneigenschaften auf. Bei der Herstellung der Balken entfällt das lautstarke Verdichten, was zu einer Steigerung der Motivation der Arbeiter im Fertigteilwerk führt. Auch der „fehleranfällige“ und zeitintensive Einbau der schlaffen Bewehrung entfällt. Die hergestellten Balken sind qualitativ hochwertige Bauteile, deren Tragfähigkeit über Großversuche bewiesen werden konnte.
1 Allgemeines Zusammen mit dem Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz der TUBraunschweig (iBMB) hat die Firma Max Bögl einen vorgespannten, stahlfaserverstärkten Binder aus selbstverdichtenden Beton (SVB) ohne konventionelle Bewehrung entwickelt. Mit diesem „Bauverfahren“ lassen sich die Vorteile der Bauweisen „Vorspannung“, „Stahlfasern“ und „SVB“ so kombinieren, dass auf die übliche Bewehrung aus Schlaffstahl vollständig verzichtet werden kann. Mit diesem Bauverfahren lassen sich mit geringerem Zeitaufwand qualitativ hochwertige Bauteile im Fertigteilwerk herstellen.
1.1 SVB SVB ist ein Material, dass in Deutschland bisher erst bei einigen ausgewählten Bauvorhaben zum Einsatz kam. Der Durchbruch ist dieser Bauweise bisher noch nicht gelungen, da SVB normativ derzeit noch nicht geregelt ist und daher Zustimmungen im Einzelfall oder Bauproduktzulassungen erforderlich sind. Trotz dieser Einschränkungen wurden bisher genügend Versuche und Bauvorhaben mit SVB durchgeführt, die zeigen, dass sich SVB hinsichtlich E-Modul, Kriech- und
516
Qualität am Bau – Fertigteile, vorgespannt aus SVB und SFB
Schwindverhalten nicht von Normalbeton nach DIN 1045-1 [1] unterscheidet. Das Verbundverhalten ist sogar deutlich besser [2]. SVB zeichnet sich durch seine Frischbetoneigenschaften aus. Er besitzt ein besonders günstiges Fließverhalten sowie die Fähigkeit zur Selbstentlüftung. Er nivelliert sich allein unter Einfluss der Schwerkraft ein und umhüllt die Bewehrung vollständig. Der Einsatz von SVB bringt weitere Vorteile mit sich. So werden der Geräuschpegel und die Vibrationen, die beim Rütteln des Betons entstehen, weitgehend vermindert, was zu einer verbesserten Motivation der Arbeiter im Fertigteilwerk führt. Darüber hinaus kann bei SVB auf eine Nachbearbeitung verzichtet werden, da Kiesnester und Luftblasen nur in verschwind geringer Anzahl vorkommen [7]. Bauteile aus SVB zeichnen sich deshalb durch Sichtbetonflächen höchster Qualität aus.
1.2 Stahlfaserbeton Stahlfaserbeton stellt ebenso wie der SVB eine normativ nicht geregelte Bauweise dar. Stahlfaserbeton wurde bislang im Wesentlichen für nicht tragende Bauteile, wie z.B. Bodenplatten, eingesetzt. Mit Stahlfasern lässt sich insbesondere die Duktilität des ansonsten spröden Betons steigern, aber auch das Gebrauchs- und Tragverhalten wird bei stahlfaserverstärkten Bauteilen zum Teil deutlich verbessert [5]. Für tragende Bauteile haben Untersuchungen gezeigt, dass mit Stahlfasern die Biegetragfähigkeit von stabförmigen Bauteilen nur geringfügig erhöht werden kann. Rosenbusch [3] hat mit seinen Versuchen jedoch herausgefunden, dass die Querkrafttragfähigkeit durch Stahlfasern deutlich gesteigert werden kann. So kann bei stahlfaserverstärkten Bauteilen i.d.R. auf die Mindestschubbewehrung verzichtet werden. Untersuchungen an der Universität Delft [4] haben gezeigt, dass ein SVB seine positiven Eigenschaften nicht verliert, auch wenn ihm große Mengen (bis zu 140 kg/m³) an Stahlfasern zugegeben werden.
2 Entwicklung der Bauweise In der Entwicklungsphase der Bauweise „vorgespannte, stahlfaserverstärkte Bauteile aus SVB“ wurden Untersuchungen an Biegebalken (15/15/70 cm) durchgeführt, mit denen der Einfluss der Schlankheit und Festigkeit von Stahlfasern auf die Nachrissbiegezugfestigkeit bestimmt wurde. Weiterhin wurde untersucht, inwieweit die Stahlfasern das Fließverhalten des SVB der Firma Max Bögl beeinflussen. Nach Abschluss dieser Vorversuche lagen ausreichend Erkenntnisse vor, so dass vier Binder für Großversuche betoniert werden konnten, die so dimensioniert
Horst Falkner, Jens Peter Grunert
517
waren, dass die Stahlfasern eine Schubbewehrung ersetzen konnten. Die Abbildung 1 zeigt einen dieser Binder. Ansicht:
Querschnitt:
Abb. 1. Ansicht, Querschnitt und Spanngliedanordnung der Versuchbinder
In den hergestellten Bindern wurden, wie im allgemeinen Hochbau üblich, für Installationsleitungen einige Aussparungen vorgesehen (siehe Abbildung 1). Diese Aussparungen wurden teilweise erst nach der Betonage gebohrt. Dies ist ein weiterer Vorteil dieser Bauweise, dass Aussparungen auch nachträglich gebohrt werden können, ohne dass auf eine eingelegte Bügelbewehrung geachtet werden muss [5].
3 Herstellung Die Herstellung der Versuchsbinder erfolgte im Fertigteilwerk der Firma Max Bögl. Die Betonage verlief problemlos. Der SVB zeigte hervorragende Fließeigenschaften. Eine Siebwirkung der Spannbewehrung auf die Stahlfasern wurde nicht festgestellt [6]. Durch den Einsatz von SVB und die nicht mehr benötigte schlaffe Bewehrung konnte die Herstellung der Binder deutlich schneller erfolgen. Die Abbildung 2 zeigt einen der Binder nach dem Ausschalen. Die Aussparungen sind noch nicht gebohrt. Die Sichtbetonflächen weisen eine herausragende, gleichmäßige Qualität auf.
518
Qualität am Bau – Fertigteile, vorgespannt aus SVB und SFB
Abb. 2. Binder nach dem Ausschalen
4 Versuche Zur Untersuchung des Trag- und Gebrauchsverhaltens von vorgespannten, stahlfaserverstärkten Bauteilen aus SVB wurden mehre Großversuche durchgeführt. An zwei der vier hergestellten Binder wurde die Tragfähigkeit bestimmt. An den anderen beiden wird derzeit das Dauerstandverhalten untersucht.
4.1 Traglastversuche Bei den Bindern wurden die Stahlfasern hauptsächlich dazu eingesetzt, die Schubbewehrung zu ersetzen. Die Traglastversuche, die auf dem Werksgelände der Firma Max Bögl durchgeführt wurden, wurden daher so konzipiert, dass ein Schubbruch zu erwarten war. Die Abbildung 3 zeigt den Versuchsstand.
Abb. 3. Versuchsstand für die Traglastversuche
Horst Falkner, Jens Peter Grunert
519
Die Beanspruchung wurde während des Versuchs schrittweise durch hydraulische Pressen aufgebracht. Im Gebrauchslastbereich (siehe Abb. 4) liegt noch ein linearelastisches Tragverhalten vor. Auch nach dem Auftreten erster Biegerisse in Feldmitte bei 1,3-fachen Gebrauchslast und erster Schubrisse im Bereich der Aussparungen an den Trägerenden ab der 1,55-fachen Gebrauchslast kann das Tragverhalten noch als linear-elastisch angesehen werden. Erst ab ca. 1,65-facher Gebrauchslast ändert sich dieses Tragverhalten, da sich die Steifigkeit der Binder infolge vermehrter Rissbildung reduziert. Ab der 2,2-fachen Gebrauchslast öffneten sich die Schubrisse stark. Die Rissufer waren jedoch noch durch die Stahlfasern miteinander „vernäht“. Dieser Effekt blieb bis zum Erreichen der Traglast erhalten [6]. Die Traglast wurde bei der 3,3-fachen Gebrauchslast erreicht, nachdem sich zuvor ein ausgeprägtes Traglastplateau ausbildete und so das Versagen des Binders ankündigte. Das Versagen dieser Binder war demzufolge äußerst duktil. 700
3,3-fache Gebrauchslast => Traglast 600
500
2,2-fache Gebrauchslast => verstärkte Rissbildung
Last [kN]
400
1,55-fache Gebrauchslast => erste Schubrisse 300
1,3-fache Gebrauchslast => erste Biegerisse
200
Gebrauchslastbereich 100
0 0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
Verformung [mm]
Abb. 4. Last-Verformungsdiagramm in Trägermitte
4.2 Dauerstandsversuche Bauteile erfahren eine Veränderung in ihrem Tragverhalten, wenn sie einer länger andauernden Beanspruchung unterliegen. So vergrößern sich meistens die Rissbreiten und –längen, sowie die Durchbiegungen mit der Zeit. Diese Effekte werden seit ca. einem Jahr an den verbleibenden zwei Bindern in Dauerstandsversuchen untersucht. Die beiden Binder werden mit ca. der 1,4-fachen Gebrauchslast beansprucht. Jeweils eine Hälfte der Binder ist in Längsrichtung überdacht, die andere ist der Bewitterung frei ausgesetzt.
520
Qualität am Bau – Fertigteile, vorgespannt aus SVB und SFB
Nach ca. einem Jahr Versuchsdauer zeigt sich, dass die Binder weder im überdachten, noch im bewitterten Bereich Korrosionserscheinung durch an der Oberfläche liegende Fasern aufweisen. Auch die vorhandenen Biegerisse haben sich in diesem Zeitraum nahezu nicht verändert.
5 Fazit Mit dem vorliegenden Beitrag sollte aufgezeigt werden, dass durch die Kombination von Vorspannung , Stahlfasern und SVB Binder hergestellt werden konnten, bei denen auf die konventionelle schlaffe Bewehrung vollständig verzichtet werden konnte. Die Bauteile sind qualitativ hochwertig und ihre Herstellung ist schneller und preiswerter. Der Einsatz von SVB im Fertigteilwerk weist weiterhin den Vorteil auf, dass sich die Arbeitsqualität durch die stark reduzierte Lärmbelästigung durch das Entfallen des mechanischen Verdichtens des Beton deutlich verbessert hat.
6 Literatur [1] DIN 1045-1 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton; Beuth Verlag; Berlin; 2001 [2] Hegger, J.; Kommer, B.: Versuchsbericht Nr.: 89/2003; unveröffentlicht; Aachen; 2003 [3] Rosenbusch J.: Zur Querkrafttragfähigkeit von Balken aus stahlfaserverstärktem Stahlbeton; Dissertation an der TU-Braunschweig; 2003 [4] Walraven, J. C.; Grünewald, S.: Normung, Forschung und Anwendung des Stahlfaserbetons in den Niederlanden. Braunschweiger Bauseminar 2002; Schriftenreihe des iBMB der TU Braunschweig; 2002 [5] Falkner, H.; Grunert, J. P.; Teutsch, M.: Vorgespannte, stahlfaserverstärkte Binder aus SVB ohne Betonstahlbewehrung - Kurzberichte aus der Forschung; http://www.ibmb.tu-braunschweig.de/ibmb-research/reports/report-016.pdf; Braunschweig; 2004 [6] Grunert, J. P.; Strobach, C.-P.; Teutsch, M.: Vorgespannte stahlfaserverstärkte Binder ohne Betonstahlbewehrung aus SVB; Bauverlag; Gütersloh; 2004 [7] Teutsch, M.: Selbstverdichtender und ultrahochfester Beton – Baustoffe und Konstruktionen der Zukunft? Braunschweiger Bauseminar 2003; Schriftenreihe des iBMB der TU Braunschweig; 2003
Plastische Gelenke Viktor Sigrist
Zum Rotationsvermögen plastischer Gelenke wurden in den vergangenen 40 Jahren zahlreiche experimentelle und theoretische Untersuchungen durchgeführt. Damit liegen wertvolle Ergebnisse vor, die sich aber nach wie vor nicht verallgemeinern lassen. Im vorliegenden Beitrag wird ein Näherungsverfahren zur Überprüfung des Rotationsvermögens beschrieben. Hintergrund des Verfahrens sind Modellrechnungen [1], die auf der Analyse des Spannungszustands der plastischen Gelenkbereiche mit Hilfe diskontinuierlicher Spannungsfelder [2] und der Berechnung der Verformungen auf der Grundlage des Zuggurtmodells [3] basieren. Mit dem Näherungsverfahren werden die wichtigsten Einflüsse qualitativ und quantitativ erfasst; der mit einer konkreten Bemessungsaufgabe befasste Ingenieur wird so in die Lage versetzt, eine Beurteilung der kritischen Tragwerksbereiche vornehmen und konstruktive und konzeptionelle Maßnahmen ergreifen zu können.
1 Einleitung Unabhängig von dem für die Ermittlung der Schnittgrößen verwendeten Verfahren (Elastizitätstheorie, Plastizitätstheorie, nichtlineare Verfahren) müssen stark beanspruchte Tragwerksbereiche über ein ausreichendes Verformungsvermögen verfügen. Diese Feststellung ist gleichbedeutend mit der Forderung nach robusten und dauerhaften Bauwerken. Das Verformungsvermögen beinhaltet die gesamten bis zum Versagen auftretenden Verformungen, im Speziellen bezieht es sich aber auf diejenigen Verformungsanteile, die infolge Plastifizierung, insbesondere des Stahls, entstehen. In diesem engeren Sinn beschreibt das Verformungsvermögen die Duktilität. Begrenzungen des Verformungsvermögens ergeben sich aufgrund der beschränkten Verformbarkeit der Baustoffe und als Folge von konstruktiven Mängeln (z.B. ungenügende Verankerung der Bewehrung). Bei Stahlbetonträgern treten Plastifizierungen in erster Linie in der Biegebewehrung (bzw. in den Zuggurten) auf. Die betroffenen Tragwerksbereiche werden als plastische Gelenke bezeichnet und deren Verformungen zu plastischen Rotationen (Gelenkverdrehungen) zusammengefasst. Diese Betrachtungsweise entspricht der für Stabtragwerke üblichen Idealisierung.
522
Plastische Gelenke
Ma
May
Mau Rotationsvermögen
Rotationsbedarf
pl
F
Ma > May
pl,req
Mb
Mb
Mby
Abb. 1. Vergleich von Rotationsvermögen und Rotationsbedarf.
Die Berechnung von Rotationsvermögen und Rotationsbedarf ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Dennoch ist es zweckmäßig, mögliche Gelenkbereiche rechnerisch zu überprüfen. Auf diese Weise lassen sich kritische Tragwerksbereiche erkennen. Der Nachweis lautet pl ,req
pl
(1)
Dabei bezeichnet pl,req den Rotationsbedarf und pl das Rotationsvermögen. Gleichung (1) ist in Abb. 1 für das Beispiel eines beidseitig eingespannten Trägers illustriert. Nach dem Erreichen des Fliessmoments May bei den Einspannstellen beginnt die Phase der Umlagerung der Schnittgrößen, d.h. es stellen sich Momentenverteilungen ein, die von den auf der Grundlage der Elastizitätstheorie ermittelten abweichen. Das Maß für die Schnittgrößenumlagerung wird näherungsweise über das Verhältnis von May zur fiktiven elastischen Biegebeanspruchung Ma,el ausgedrückt: M ay Fy Ma =1 1 =1 (2) M a,el M a ,el F Die Momentenzunahme in den Gelenken ist gering; sie resultiert aus der Verfestigung des Bewehrungsstahls und dem Anwachsen des Hebelarms der inneren Kräfte. Sobald sich in Feldmitte ein Gelenk mit Mby ausbildet ist, die rechnerische Traglast des Systems erreicht. Der Rotationsbedarf ist dadurch festgelegt.
2 Rechenmodell Ein mögliches Modell zur rechnerischen Überprüfung des Rotationsvermögens ist in [1] ausführlich beschrieben. Es basiert auf der Analyse des Spannungszustands der plastischen Gelenkbereiche mit Hilfe diskontinuierlicher Spannungsfelder [2].
Viktor Sigrist
523
Da die Tragwerksverformungen, insbesondere die plastischen Verformungsanteile, hauptsächlich auf die Verlängerung der Längsbewehrung zurückzuführen sind, wird zu deren Berechnung das sogenannte Zuggurtmodell verwendet, siehe [3] und [4]. sm
/
smax
[-]
1 0,8
ds /srm = 20/100
0,6
srm
0,4
20/200 10/150
0,2
10/300
0
0
2
4
6
smax
[%]
Abb. 2. Mittlere und maximale Dehnungen für Betonstahl der Duktilitätsklasse B.
Mit dem Zuggurtmodell wird das Verformungsverhalten von mit Beton umhüllten Bewehrungsstäben rechnerisch erfasst. Dabei werden eine starr-ideal plastische Verbundschubspannungs-Schlupf-Beziehung und linear verfestigendes Verhalten des Stahls vorausgesetzt [1]. Die Ergebnisse entsprechender Berechnungen sind in Abb. 2 aufgetragen. Die im Diagramm gezeigten Kurven beziehen sich auf unterschiedliche Durchmesser der Bewehrungsstäbe ds und mittlere Rissabstände srm, auf Stahl der Duktilitätsklasse B gemäß Eurocode 2 [5] mit einem Verhältnis von Zugfestigkeit zu Fliessgrenze ft /fy von 1,08 und einer Bruchdehnung su von 5% sowie auf einen Beton mit einer Zylinderdruckfestigkeit fc von 33 MPa. Die verwendeten Parameter umfassen in etwa den für die praktische Anwendung relevanten Bereich. Es zeigt sich, dass für Stäbe mit kleinen Durchmessern und große Rissabstände die zugversteifende Wirkung des Betons insbesondere im plastischen Bereich ausgeprägt ist; die mittleren Dehnungen des Zuggurts beim Bruch betragen knapp 15% der maximalen Stahldehnungen in den Rissen. Ein deutlich günstigeres Verhalten kann mit großen Stabdurchmessern erzielt werden. Die Rissabstände sind meist durch die Stababstände der Querbewehrung vorgegeben. Das in Abb. 2 dargestellte Verhalten kann auf Zuggurte von Trägern übertragen werden [1]. Es lassen sich Rissbreiten und Risswinkel und, durch Aufsummieren der plastischen Risswinkel, das Rotationsvermögen bestimmen; elastische Verformungsanteile innerhalb der Gelenkbereiche werden subtrahiert. Entsprechende Rechenergebnisse sind in Abb. 3 dargestellt. Zu beachten ist, dass die Steifigkeit des Systems bzw. die Schlankheit und die in den Feldbereichen eingelegte Bewehrungsmenge das Rotationsvermögen beeinflussen. Für die in Abb. 3 gezeigten Berechnungen wurde eine Schlankheit l/d von 20 und die Feldbewehrung so gewählt, dass das Rotationsvermögen jeweils dem Rotationsbedarf des Systems entspricht.
524
Plastische Gelenke
pl
[mrad]
60
d
Stahl C
45 Versagen der Biegedruckzone
q g
30
l
Stahl B
plastisches Gelenk (
15
0
l
Versagen der Bewehrung
0
0,1
a
)
Stahl A
0,2
0,3
0,4
a
[-]
Abb. 3. Berechnetes Rotationsvermögen für einen Zweifeldträger mit einer Schlankheit l/d von 20, Bewehrungsstäben mit ds = 20 mm und einem mittleren Rissabstand srm = 150 mm.
Die Rechenergebnisse sind in Funktion des mechanischen Bewehrungsgrads im Gelenkbereich a = (As fy)/(bd fc) dargestellt, und die Dicke der unteren Kastenplatte wurde so gewählt, dass sie mit der Höhe der Biegedruckzone übereinstimmt. Die Kurven beziehen sich auf Betonstahl der Duktilitätsklassen A, B und C mit den Kennwerten ft /fy = 1,05, 1,08 und 1,20 und su = 2,5%, 5% und 10%, auf Bewehrungsstäbe mit einem Durchmesser ds = 20 mm und einen angenommenen mittleren Rissabstand srm = 150 mm. Die Berechnungen liefern Ergebnisse sowohl für das Versagen der Bewehrung als auch für das Versagen der Biegedruckzone. Die den Rotationen entsprechenden Momentenumlagerungen betragen für Stahl der Duktilitätsklasse B und Bewehrungsgrade a < 0,3 mindestens 20%; bei kleineren Bewehrungsgraden liegen sie sogar bei etwa 40%. Es kann deshalb gefolgert werden, dass unter den genannten Voraussetzungen Umlagerungen bis zu 20% ohne speziellen Nachweis zugelassen werden können. Aufgrund der üblicherweise vorliegenden Beanspruchungsverhältnisse (Eigenlast, Nutzlast) und im Hinblick auf ein befriedigendes Verhalten unter Gebrauchslasten sollten höhere Werte auch nur in Ausnahmefällen vorgesehen werden.
3 Praktische Anwendung Für die praktische Anwendung sind aufwändige Verfahren wenig geeignet. Es ist vielmehr angezeigt, Rotationsvermögen und Rotationsbedarf mittels einfacher Abschätzungen zu bestimmen. Ein solches Näherungsverfahren ist in [1] und [6] beschrieben; ähnliche Überlegungen liegen den heutigen Bemessungsnormen zugrunde, siehe z.B. [5]. Das Rotationsvermögen kann näherungsweise mit Hilfe der Gleichungen
Viktor Sigrist
pl ,s
und:
pl ,c
=
=
l pl
(
d
l pl § ¨ d ©
smu
smy
(1
)
cu
smy
1
)
525
(3)
· ¸ ¹
(4)
berechnet werden, wobei die auf die statische Höhe d bezogene Höhe der Biegedruckzone x/d bezeichnet. Gleichung (3) beschreibt das Versagen der Bewehrung und Gleichung (4) das Versagen der Biegedruckzone; der jeweils kleinere Wert ist maßgebend. Entsprechende Ergebnisse sind in Abb. 4 aufgetragen. Die Näherungsgleichungen besagen, dass das Rotationsvermögen aus der Multiplikation der Differenz der Krümmungen im Versagenszustand und bei Fliessbeginn mit der (fiktiven) Länge des plastischen Gelenks lpl bestimmt werden kann. Die mittleren Dehnungen smy und smu können berechnet (siehe Abb. 2), und die Bruchstauchung des Betons kann beispielsweise zu cu = 0,35 % angenommen werden. Die Betonbruchstauchung ist keineswegs eine feste Größe; sie ist vielmehr abhängig von der Betonqualität, der Größe des Bauteils und insbesondere von der Art der konstruktiven Durchbildung (z.B. Verbügelung der Biegedruckzone). Die Möglichkeit der Beeinflussung dieser Art des Versagens ist in Abb. 4 ebenfalls angedeutet. Erhebliche Unterschiede ergeben sich auch für die im Beispiel angenommenen Werte ds und srm, wobei wiederum zu beachten ist, dass der Rissabstand in der Regel durch die Lage der Querbewehrungsstäbe bestimmt wird. pl
[mrad]
40
Spannungen ds /srm = 20/100
30
konstruktive Maßnahmen
Dehnungen sm
smax
smy
> fy
d-x 20
20/200
10/150
10
0
x
EC2
fc
c
10/300
0
0,25
0,5 x/d [-]
Abb. 4. Näherungsweise Berechnung des Rotationsvermögens für Betonstahl der Duktilitätsklasse B und verschiedene Stabdurchmesser und Rissabstände.
In den Berechnungen wurde von einer Gelenklänge lpl = d ausgegangen, was für eine Schlankheit l/d von etwa 20 eine vernünftige Annahme ist. Für andere Werte l/d kann das Rotationsvermögen näherungsweise durch Multiplikation mit [(l/d)/20)]1/2 vergrößert bzw. verkleinert werden. Anzumerken ist, dass sich der Rotationsbedarf für andere Schlankheiten ebenfalls ändert, so dass die Zunahme bzw. Abnahme des Rotationsvermögens in etwa kompensiert wird.
526
Plastische Gelenke
Zu Vergleichszwecken sind in Abb. 4 auch die in Eurocode 2 [5] angegebenen Werte eingetragen, wobei sie auf eine Schubschlankheit = M/(V d) von 5 umgerechnet wurden [7]. Man erkennt, dass damit mittlere Verhältnisse erfasst werden, eine differenzierte Beurteilung jedoch nicht möglich ist.
4 Zusammenfassung und Ausblick Die hier gezeigten Untersuchungen veranschaulichen die Komplexität des Nachweises des Rotationsvermögens. Auf aufwändige Berechnungen kann jedoch verzichtet werden, wenn Stahl "hoher" Duktilität, nur kleine bis mittlere Bewehrungsgrade und moderate Schnittgrößenumlagerungen gewählt werden. Ein in jeder Hinsicht befriedigendes Tragwerksverhalten muss durch konstruktive und konzeptionelle Maßnahmen sichergestellt werden (z.B. Wahl der Baustoffe und der Querschnittsabmessungen, Verbügelung der Biegedruckzone, Verankerung der Längsbewehrung). In der Forschung sind einige weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Verformungsvermögen anzugehen. So ist das Verhalten der Biegedruckzone, insbesondere bei Verwendung hochfesten Betons und bei großen Trägerhöhen, weiter zu untersuchen; auch das Verhalten vorgespannter Tragwerke ist noch nicht befriedigend geklärt.
5 Literatur [1] Sigrist, V. Zum Verformungsvermögen von Stahlbetonträgern. Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, Bericht Nr. 210, Birkhäuser Verlag, Juli 1995. [2] Sigrist, V., Alvarez, M., Kaufmann, W. Shear and Flexure in Structural Concrete Beams. Ultimate Limit State Models - State of the Art Report, Comité eurointernational du béton, Bulletin d’information No. 223, June 1995. [3] Marti, P., Alvarez, M., Kaufmann, W., Sigrist, V. Tension Chord Model for Structural Concrete. Structural Engineering International, Vol. 8, No. 4, November 1998. [4] Alvarez, M. Einfluss des Verbundverhaltens auf das Verformungsvermögen von Stahlbeton. Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich, Bericht Nr. 236, Birkhäuser Verlag, Juli 1998. [5] Eurocode 2: Design of Concrete Structures, Part 1-1: General Rules and Rules for Buildings (prEN 1992-1-1). Comité Européen de Normalisation, Brussels, Dec. 2003. [6] Sigrist, V., "Ductility of Concrete Structures". fib - Symposium 1999, Prague, October 12-15, 1999, Proceedings, October 1999. [7] Zilch, K., Cyllok, M. Ermittlung der Rotationsfähigkeit von Stahlbeton- und Spannbetonbauteilen in DIN 1045-1 und EN 1992-1-1. Fraunhofer-Informationszentrum für Raum und Bau, Fraunhofer IRB Verlag, 2004.
Dauerhaftes und nachhaltiges Bauen Peter Schießl, Christoph Gehlen, Gesa Kapteina
In der Vergangenheit aufgetretene Dauerhaftigkeitsprobleme von Stahlbetonkonstruktionen (z. B. im Hinblick auf verschiedenartig induzierte Bewehrungskorrosion) haben die Notwendigkeit erkennen lassen, dass der Widerstand gegenüber dauerhaftigkeitsbeeinträchtigenden Einwirkungen optimiert werden muss. Initiiert von Prof. Rüsch wurden an der TU München bereits Ende der fünfziger Jahre umfangreiche Versuchsreihen zum Studium der Dauerhaftigkeit von Betonkonstruktionen insbesondere in Hinblick auf den Korrosionsschutz der Bewehrung begonnen. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihen haben zur Modellierung des Carbonatisierungsfortschritts sowie der Korrosionsvorgänge im Bereich von Rissen geführt. Auf europäischer Ebene hat sich das Comité Euro-International du Béton (CEB) Ende der siebziger Jahre mit der Bildung der Task Group Durability dem Thema Dauerhaftigkeit von Betonkonstruktionen gewidmet. Im Bulletin d’Information N° 148 mit dem Titel „Durability of Concrete Structures, State-of-the-Art Report“ [1] wurde 1982 ein umfassender Sachstandsbericht vorgestellt, der den Stand der Erkenntnisse zu allen Dauerhaftigkeitsaspekten zusammenfassend darstellt. In der zweiten Arbeitsperiode innerhalb des CEB wurde 1989 ein Bemessungsleitfaden zur Dauerhaftigkeit erarbeitet - CEB Bulletin d’Information N° 182 „Design Guide for Durable Concrete Structures“ [2] in dem in kurzer, zusammenfassender Form die Zerstörungsmechanismen dargestellt sowie Bemessungs- und Ausführungsempfehlungen zur Vermeidung von Schäden gegeben werden. Ein erster Ansatz für eine Dauerhaftigkeitsbemessung auf probabilistischer Basis, vergleichbar mit den Grundlagen für die Lastbemessung, wurde ebenfalls im CEB erarbeitet. Die Task Group 5.1 der CEB Commission 5 Durability hat das Ergebnis 1997 im CEB Bulletin d’Information N° 238 zusammengestellt und veröffentlicht, [3]. Diese hier begonnenen Aktivitäten wurden durch die nachfolgend, europäisch geförderten Forschungsvorhaben DURACRETE (durable concrete), [4], und DARTS (durable and reliable tunnel structures), [5], weiter intensiviert. Nachfolgend wird über die aktuellsten Entwicklungen zusammenfassend berichtet.
528
Dauerhaftes und nachhaltiges Bauen
1 DuraCrete
70
8
c 95 %
60
7
pf
50
6
c 50 % 5
40
xc, 95 %
c5%
4
30 3
20
xc, 50 %
Versagenswahrscheinlickeit pf [%]
Carbonatisierungstiefe x c [mm] Betondeckung c [mm]
In dem Forschungsprojekt DuraCrete wurde ein Nachweiskonzept zur Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken erarbeitet. Die Bemessung, die sich auf ein wahrscheinlichkeitstheoretisches Sicherheitskonzept abstützt, impliziert, dass eine Gegenüberstellung von Widerstand R und Einwirkung S unter Einbezug von Schadensfortschrittmodellen nicht allein auf Mittelwertbasis, sondern unter Berücksichtigung der Variabilität der einzelnen Einflussvariablen durchzuführen ist. Zur Vorbereitung entsprechender Dauerhaftigkeitsbemessungen werden die Variablen, die auf die oben genannten Mechanismen einen entscheidenden Einfluss ausüben, auf der Grundlage physikalischer und chemischer Gesetzmäßigkeiten in Abhängigkeit zur Auslagerungszeit in funktionalen Zusammenhang gebracht. Die Modellbildung wird unter der Randbedingung durchgeführt, ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen Modellkomplexität und Vorhersagegenauigkeit zu erreichen. Zur Beschreibung der dauerhaftigkeitsrelevanten Wechselwirkung Bauteil/Umgebungsbedingung, beispielweise des zeitabhängigen Carbonatisierungsfortschritts oder des zeitabhängigen Fortschreitens der Chlorideindringfront, werden unter anderem prüfbare Material- und quantifizierbare Umweltparameter berücksichtigt, die einmal den Materialwiderstand R und im anderen Falle die Umwelteinwirkung S repräsentieren. Zur statistischen Beschreibung dieser Variablen (Eingangsdaten) gehört neben der Angabe zum Verteilungstyp die Angabe des Mittelwertes, der Standardabweichung und in Einzelfällen auch eine Angabe zur Schiefe der Verteilung. Das Ergebnis einer solchen Berechnung sieht wie folgt aus, vgl. hierzu Abb. 1.
2
10
1
xc, 5 % 0
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Nutzungsdauer [a]
Abb. 1. Berechnete grenzzustandsbezogene Versagenswahrscheinlichkeit über die Lebensdauer für den Grenzzustand: Depassivierung infolge Carbonatisierung
Die Versagenswahrscheinlichkeit bzw. Zuverlässigkeit eines Bauteils gegenüber Depassivierung der Betonstahlbewehrung kann durch Gegenüberstellung von Be-
Peter Schießl, Christoph Gehlen, Gesa Kapteina
529
tondeckung und korrosionsinduzierend wirkender Eindringfront (z. B. Carbonatisierungstiefe) berechnet und mit den normativen Anforderungen verglichen werden, vgl. hierzu [6]. Bei ersten Pilotprojekten wurde der hier entwickelte Ansatz erfolgreich angewandt, [7].
2 DARTS In dem Forschungsprojekt DARTS wurde das zunächst einseitig auf Dauerhaftigkeit abzielende Nachweiskonzept aus dem Forschungsvorhaben DuraCrete verfeinert und durch gleichartig formulierte Nachweise aus den Ingenieurfeldern Umweltschutz und Brandschutz für Tunnelbauwerke ergänzt. Mit einem auf Dauerhaftigkeit abzielenden Nachweis können Betondeckung und Betonqualität optimiert werden, um ungewollte Bauteilzustände wie korrosionsinduzierte Rissbildung im Beton oder Betonabplatzungen in definierten Grenzen zu halten oder den Querschnittsverlust am Betonstahl mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Mit der Festlegung entsprechender Kennwerte wie Betondeckung und Betonqualität (Zementart, Zementgehalt) werden aber Entscheidungen getroffen, die weitergehende Konsequenzen für andere Bemessungskriterien haben. So hat z. B. die Festlegung der Betonqualität und der Betondeckung auch eine direkte Auswirkung auf die Mindestbewehrung, die in Abhängigkeit der geforderten Rissweite zu bestimmen ist, und den baulichen Brandschutz. In dem Forschungsprojekt DARTS wurden am Beispiel von Tunnelbauwerken diese Abhängigkeiten quantifiziert. Im Folgenden wird dargestellt, wie für einen Tunnel, welcher im Grundwasser steht, der Konstruktionswerkstoff Stahlbeton in Hinblick auf verschiedene Einwirkungen (Dauerhaftigkeit, Leckage und Brandschutz) übergeordnet optimiert werden kann. Eine obere Grenze bei dieser Optimierung in Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit stellt die Tragsicherheit des Bauwerks da, welche mit einer festgelegten Zuverlässigkeit über die anvisierte Nutzungsdauer gemäß den normativen Anforderungen zu gewährleisten ist. Soll nun über die Nutzungsdauer des Bauwerks eine in Hinblick auf die Dauerhaftigkeit wirtschaftliche Materialwahl getroffen werden, muss vorher die Funktionalität des zu erstellenden Bauteils festgelegt werden. Hierfür muss der Planer in Absprache mit dem Investor/Betreiber u. a. vorgeben, welches Ausmaß z. B. von Betonabplatzungen infolge Bewehrungskorrosion unter Berücksichtigung der vorhandenen Randbedingungen akzeptiert werden kann. Wird dieser akzeptierte Schadensumfang überschritten, muss spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Instandsetzungsmaßnahme durchgeführt werden, um den Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit wieder zu genügen. Die in DuraCrete entwickelten Modelle zur Beschreibung der Initiierungsphase ermöglichen hierbei den Schadensverlauf infolge Betonabplatzung nährungsweise zu beschreiben. In weiteren Forschungs-
530
Dauerhaftes und nachhaltiges Bauen
vorhaben [8] wird zur Zeit die Modellierung der sogenannten Zerstörungsphase vertieft, wodurch eine genauere Prognose in Zukunft ermöglicht wird. Bei der Betrachtung von Dauerhaftigkeitsaspekten sind insbesondere die bei Autotunneln stark beanspruchten Tunnelwände von Interesse. Je nach Randbedingungen kann die wirtschaftlichste Lösung den Einsatz eines sehr widerstandsfähigen Materials (hohe Betondeckung, hoher Diffusionswiderstand, ...) erfordern, was im Allgemeinen mit entsprechend hohen Investitionskosten verbunden ist. Ist eine Instandsetzung vergleichsweise kostengünstig möglich, kann die Wahl eines weniger widerstandsfähigen und damit im Allgemeinen kostengünstigeren Materials mit entsprechenden Instandsetzungsarbeiten die wirtschaftlichere Lösung über die anvisierte Nutzungsdauer darstellen. Im folgenden Bild ist ein prognostiziertes Schadensausmaß infolge Betonabplatzungen im Wandbereich dargestellt. Für das gewählte Beispiel zeigt sich, dass mindestens eine Instandsetzungsmaßnahme notwenig ist, um den akzeptierten Schadensumfang über die Nutzungsdauer nicht zu überschreiten, vgl. Abb. 2. prognostizierte Fläche mit Betonabplatzungen [%]
14
ohne Betoninstandsetzungen
mit einer Betoninstandsetzung
akzeptierter Schadensumfang
f1 (c, D, as, ...)
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Nutzungsdauer [a]
Abb. 2. Prognostizierter Schadensumfang an einer Tunnelwand aus Stahlbeton über die anvisierte Nutzungsdauer; f1 ist u.a. abhängig von der Betondeckung c, dem Diffusionskoeffizienten D und dem Bewehrungsgehalt as
Ein vergleichbares Vorgehen ist auch für eine optimale Materialwahl in Hinblick auf Leckagen durch Risse im Beton anwendbar. Eine zuverlässig dichte Konstruktion (bei Stahlbeton bedeutet dies im Allgemeinen einen hohen Bewehrungsgehalt zur Rissbreitenbegrenzung) ist automatisch mit hohen Investitionskosten verbunden. Ist es möglich, das durch die Risse eindringende Grundwasser langfristig kostengünstig abzupumpen, dann kann eine über die anvisierte Nutzungsdauer wirtschaftliche Lösung auch mit einer geringeren Mindestbewehrung erreicht werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass neben den Investitionskosten für ein Pumpsystem auch Kosten für dessen Instandhaltung über die anvisierte Nutzungsdauer an-
Peter Schießl, Christoph Gehlen, Gesa Kapteina
531
prognostizierte Leckagerate [l/h]
fallen. Auch in diesem Fall sollte der Planer in Absprache mit dem Investor/Betreiber unter Berücksichtigung der Funktionalität des zu erstellenden Bauteils eine gerade noch zu akzeptierende Leckagerate festlegen. Wird diese überschritten, müssen Rissverpressungen durchgeführt werden. Unter Zugrundelegung des Rissumfangs, der stochastitschen Verteilung der Rissbreite und den maßgeblichen Expositionsbedingungen (Druckgradient, ...) kann die Leckagerate über die anvisierte Nutzungsdauer prognostiziert werden, Abb. 3. 120
100
80
akzeptierte Leckagerate
60
40
f2 (w, ...) mit Rissweite w (as, c, fct, ...)
20
0
0
10 RV
20
30
40
50
60
70
80
Nutzungsdauer [a]
Abb. 3. Prognostizierte Leckagerate über die anvisierte Nutzungsdauer f2 mit einer Rissverpressungsmaßnahme RV, f2 ist u.a. abhängig von der Rissweite w, welche u.a. vom Bewehrungsgehalt as, der Betondeckung c und der Betonzugfestigkeit fct beeinflusst wird
Bei dem in Abb. 3 beispielhaft dargestellten Verlauf der Leckagerate wurde berücksichtigt, dass die auf der Grundlage der errechneten Rissbildung und der stochastischen Verteilung der Rissbreiten w prognostizierte Leckagerate zunächst überschritten wird. Infolgedessen muss eine Rissverpressungsmaßnahme durchgeführt werden, wobei Risse mit Rissbreiten über festgelegten Grenzwerten (z. B. 0,2 mm) verpresst wurden. Der weitere Verlauf der Leckagerate ist insbesondere von der Wahrscheinlichkeit der Rissdetektion und von der Erfolgsquote der Verpressarbeiten abhängig. Risse mit geringerer Rissweite können sich über die Nutzungsdauer infolge von Selbstheilungsprozessen abdichten, was zu einer weiteren Reduzierung der Leckagerate führt. Konsequenzen und die damit verbundenen Kosten variieren in Abhängigkeit der gewählten Materialvariablen nicht nur für den Aspekt der Dauerhaftigkeit und der Leckage, sondern auch infolge eines möglichen Brandfalls. Eine Aufgabe der Betondeckung ist es, die Bewehrung vor übermäßiger Erwärmung zu schützen. Um diese Schutzfunktion über eine bestimmte Branddauer zu erfüllen, darf die Betondeckung nicht großflächig abplatzen. Die Neigung zu Betonabplatzungen infolge einer Brandeinwirkung wird unter anderem von der Gefügestruktur des Betons beeinflusst. Daher können sich die Konsequenzen und die damit verbundenen
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Dauerhaftes und nachhaltiges Bauen
Kosten infolge eines Brandfalls auf Grund der gewählten Materialeigenschaften unterscheiden. Neben den Investitionskosten für den gewählten Konstruktionswerkstoff einer Variante sind weitere Kostenkategorien im Rahmen einer wirtschaftlichen Optimierung zu berücksichtigen, vgl. Gleichung (1). (1)
K = K Investitio n + K Unterhalt
mit: K Unterhalt = K Dauerhafti gkeit + K Leckage + K Brand Um die Kosten über die anvisierte Nutzungsdauer zusammenfassen zu können, müssen diese vorher unter Berücksichtung der Nachhaltigkeitsgrundsätze diskontiert werden. Im dargestellten Fall ist der Bezugszeitpunkt das Baujahr des Tunnels. Bei der Dauerhaftigkeitsbetrachtung sind hierbei die Instandsetzungskosten KI zu berücksichtigen, welche gemäß Gleichung (2) zu diskontieren sind. Die Anzahl n der Instandsetzungen und die Zeitpunkte hängen hierbei maßgeblich vom prognostizierten Schadensverlauf ab. Das Sternchen im Index der zu berücksichtigenden Kosten symbolisiert, dass diese zu diskontierten sind. Das bedeutet, dass dieser Kostenbestandteil auch durch den Zinssatz und den Investitionszeitpunkt beeinflusst wird. K Dauerhafti gkeit =
n( f 1 )
¦
j =0
K *I ,n ( f 1 , ...)
(2)
Kosten, welche infolge einer planmäßigen Leckage entstehen, sind zum einen Investitionskosten KPI für das benötigte Pumpsystem und Wartungskosten KPW,i*, die aufgewendet werden müssen, um die Funktionalität des Systems zu erhalten, vgl. Gleichung (3). Der Index i steht hierbei für die Anzahl der notwendigen Wartungsinspektionen. Des Weiteren fallen Kosten für Rissverpressungen KRV* und kontinuierlich über die anvisierte Nutzungsdauer T Pumpkosten kP* an, welche von den prognostizierten Leckageraten abhängen. K Leckage = K PI +
i
T
j =0
0
¦ K *PW ,i + 365 24
* ³ k P ( f 2 , ...) dt +
n( f 2 )
¦
j =0
K *RV ,n ( f 2 , ...)
(3)
Die mit den Konsequenzen verbundenen Kosten kB, welche in Folge eines Fahrzeugbrands im Tunnel entstehen sind mit den prognostizierten jährlichen Häufigkeiten eines derartigen Vorfalls zu multiplizieren und über die Nutzungsdauer unter Berücksichtigung der diskontierten Kosten kB* zu integrieren, Gleichung (4). T
K Brand =
³
0
k *B p( Konsequenz ,
Fahrzeugbrand ) ( t
) dt
(4)
Peter Schießl, Christoph Gehlen, Gesa Kapteina
533
Zur genaueren Abschätzung ist es sinnvoll, die Konsequenzen infolge eines Brandfalls zu klassifizieren (z. B. schwerer Schaden, mittlerer Schaden, leichter Schaden) und diese dann entsprechend monetär zu bewerten und aufzuaddieren. Die Minimierung der sich aus diesen Kostenkategorien zusammensetzenden Gesamtkosten ist somit das Ziel der Optimierungsaufgabe. Die Mehrdimensionalität dieser Optimierungsaufgabe erfordert ein iteratives Vorgehen. Dabei ist zu beachten, dass die Materialvariablen nicht unabhängig voneinander sind. So beeinflusst die Wahl einer Betonrezeptur durch dessen Festigkeitscharakteristik (fct) die notwendige Mindestbewehrung (as) bzw. bei konstantem Bewehrungsgehalt die Rissbreite. Des Weiteren hat die Wahl einer Betonrezeptur einen maßgeblichen Einfluss auf den Widerstand des Betons gegenüber Umwelteinwirkungen und auch einen Einfluss auf das Verhalten bei einer Brandbeaufschlagung. Da die Materialwahl einen großen Einfluss auf die Kosten über die Nutzungsdauer eines Bauwerks hat, ist eine wirtschaftliche Optimierung unter Einbezug der wesentlichen Kostenquellen mit Hinblick auf die Nachhaltigkeit von großem Interesse.
3 Literatur [1] Comité Euro-International du Béton (CEB): Durability of Concrete Structures, Stateof-the-Art, 1982. Paris: Comité Euro-International du Béton (CEB). In : Bulletin d’Information (1982), N° 148. [2] Comité Euro-International du Béton (CEB): Durable Concrete Structures, CEB Design Guide, Second Edition, 1989. Lausanne: Comité Euro-International du Béton. In: Bulletin d’Information (1989), N° 182. [3] Comité Euro-International du Béton (CEB ): New Approach to Durability Design: An Example for Carbonation Induced Corrosion. Lausanne: Comité Euro-International du Béton. In: Bulletin d'Information (1997), N° 238. [4] The European Union – Brite EuRam III: DuraCrete, Final Technical Report. DuraCrete: Probabilistic Performance based Durability Design of Concrete Structures, Contract BRPR-CT95-0132, Project BE95-1347, Document BE95-1347/R17, May 2000. [5] The European Union: Comprehensive Decision Tool. DARTS-Durable and Reliable Tunnel Structures, European Commission, Growths 2000, Contract G1RD-CT-200000467, Project GrD1-25633, 2004. [6] ISO 2394: 1998 (E): General principles on reliability for structures. Second edition, 1998. [7] Gehlen, C.; Schießl, P.: Probability-Based Durability Design for the Western Scheldt Tunnel. In: Structural Concrete Journal of the fib P1 (1999), N°. 2, pp. 1-7. [8] Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Modellierung des Schadensfortschritts bei Korrosion von Stahl in Beton und Bemessung von Stahlbetonbauteilen auf Dauerhaftigkeit, Forschungsvorhaben in Bearbeitung seit: 2004.