Klimatologie: Klimaforschung im 21. Jahrhundert - Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaften [1 ed.] 3827418275, 978-3-8274-1827-2 [PDF]

Die Klimatologie ist in den letzten Jahren zu einer globalen „Systemwissenschaft“ des Klimasystems bzw. des Erdsystems a

155 27 8MB

German Pages 363 Year 2009

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Cover......Page 1
Klimatologie - Klimaforschung im 21. Jahrhundert — Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaften......Page 2
Danksagung......Page 6
Vorwort......Page 7
Inhalt......Page 10
Teil I Klimatologie als Wissenschaft......Page 13
1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt......Page 15
2 Basiswissen und Grundgesetze der Klimatologie......Page 82
Teil II Klimawandel und Global Change......Page 162
3 Zentrale Aussagen zum Klimawandel......Page 164
4 Kennwerte des Klimawandels und des globalen Wandels......Page 166
5 Schlüsselthemen des Klimawandels......Page 196
6 Fallstudie Kryosphäre......Page 215
7 Fallstudie Klima und Gesundheit......Page 231
8 Was können wir aus dem vierten IPCC-Bericht lernen?......Page 246
Teil III Wechselwirkungen: Klima — Mensch, Gesellschaft und Politik......Page 256
9 Klima und Mensch......Page 258
10 Klima und Gesellschaft......Page 268
11 Klima und Politik......Page 285
12 Klimawandel: eine andauernde Kontroverse und Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaft......Page 311
Farbtafeln......Page 316
Literatur......Page 326
Glossar......Page 332
Akronyme......Page 342
Index......Page 348
Papiere empfehlen

Klimatologie: Klimaforschung im 21. Jahrhundert - Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaften [1 ed.]
 3827418275, 978-3-8274-1827-2 [PDF]

  • 0 0 0
  • Gefällt Ihnen dieses papier und der download? Sie können Ihre eigene PDF-Datei in wenigen Minuten kostenlos online veröffentlichen! Anmelden
Datei wird geladen, bitte warten...
Zitiervorschau

Klimatologie

Martin Kappas

Klimatologie Klimaforschung im 21. Jahrhundert – Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaften

Autor Prof. Dr. Martin Kappas Geographisches Institut Universität Göttingen Goldschmidstr. 5 37077 Göttingen E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis für den Benutzer Der Verlag, der Herausgeber und die Autoren haben alle Sorgfalt walten lassen, um vollständige und akkurate Informationen in diesem Buch zu publizieren. Der Verlag übernimmt weder Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für die Nutzung dieser Informationen, für deren Wirtschaftlichkeit oder fehlerfreie Funktion für einen bestimmten Zweck. Der Verlag übernimmt keine Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren, Programme usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag hat sich bemüht, sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte dem Verlag gegenüber dennoch der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar gezahlt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de

© Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2009 Spektrum Akademischer Verlag ist ein Imprint von Springer 09 10 11 12 13

5 4 3 2 1

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Planung und Lektorat: Frank Wigger, Martina Mechler Redaktion: Dr. Petra Seeker Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelfotografie: © picture-alliance/Picture Press/NASA/VRS Zeichnungen: Dr. Martin Lay, Breisach a. Rh.

ISBN 978-3-8274-1827-2

Humanity, long affected by earth’s changing climate, now plays an increasing role in shaping it.

Für

Lea und Sabine

Danksagung

Hiermit möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, die mich während der Entstehungsphase des Buches unterstützt haben – sei es für die vielen menschlichen und fachlichen Anregungen und Gespräche oder für die Nutzungserlaubnis der einen oder anderen Abbildung. Insbesondere möchte ich mich bei Michael H. Glantz für die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes an der University of Colorado (Boulder) während meines erneuten Forschungssemesters im Frühjahr/Sommer 2009 bedanken; dies verschaffte mir neben anregenden Fachgesprächen die nötige Ruhe, mein Buch fertigzustellen. Für die gesamte Erstellungsphase habe ich mich beim Team von Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg zu bedanken, das mich jederzeit kompetent und stets ansprechbereit begleitet hat. Hier sind insbesondere Herr Frank Wigger

als Planer und Frau Martina Mechler als Lektorin zu nennen. Die Zusammenarbeit mit ihnen war nicht nur lehrreich, hochgradig zielführend und kompetent, was die Bucherstellung anging, sondern hat auch jederzeit Spaß gemacht. Weiterhin möchte ich mich bei Frau Dr. Seeker für die Durchsicht des Manuskripts sowie bei Herrn Dr. Ley für die hervorragende Umsetzung meiner Grafik- und Abbildungsvorgaben bedanken. Zum Schluss möchte ich mich bei meiner Frau Sabine und meiner Tochter Lea bedanken, die, wie so oft, auf viel gemeinsame Zeit verzichtet haben, um mich stets durch Schaffung einer angenehmen „Atmosphäre“ in meiner Arbeit zu unterstützen.

Boulder, Colorado, Mai 2009 Martin Kappas

Vorwort: Warum ein neues Lehrbuch zur Klimatologie?

Die Klimatologie als systematische und quantitative Wissenschaft ist eine vergleichsweise junge Disziplin. Erst im vergangenen Jahrhundert wurde die herkömmliche, beschreibende Naturwissenschaft vom Klima durch eine physikalische Klimatologie abgelöst. Energetische Umwandlungsprozesse konnten mehr und mehr physikalisch abgebildet werden und sind somit quantifizierbar geworden. Dies spiegelt sich auch in der Entwicklung der Klimamodelle von einfachen Energiebilanzmodellen bis zu dreidimensionalen gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modellen wider. In den letzten Jahrzehnten ist die Klimatologie zu einer globalen „Systemwissenschaft“ des Klimasystems beziehungsweise des Erdsystems als Ganzes geworden. Die Klimaforschung hat sich zu einer modernen „Mega-Science“ entwickelt, die disziplinübergreifend und extrem problemgesteuert interdisziplinäre Fragestellungen angeht und in viele Forschungs- und Lebensbereiche des Menschen eingreift. Kernproblem beziehungsweise Kernfrage ist, in welcher Weise und in welchem Ausmaß der Mensch Verursacher und gleichzeitig Betroffener eines globalen Klimawandels ist. So rückt das Wissenschaftsgebäude der Klimatologie sehr nahe an gesellschaftliche Fragestellungen heran, ob es um die ökonomischen Folgen eines Klimawandels oder um die Sensibilität von Natur und Gesellschaft gegenüber Klimaänderungen geht. Die Klimaforschung und das Phänomen des Klimawandels sind im Alltag von Gesellschaft und Politik angelangt. Um diese gesellschaftliche und politische Relevanz zu vermitteln, ist eine Neukonzeption von Klimalehrbüchern erforderlich. Denn die reine Weitergabe von wissenschaftlichem Basiswissen und meteorologischen Gesetzen genügt nicht, um sich den Herausforderungen und gesellschaftlichen Rückkopplungen des Klimawandels zu stellen. Wir müssen über den Tellerrand der Einzel-

disziplinen blicken und zu einer in hohem Maße interdisziplinären Betrachtung unseres Erdsystems gelangen. Es ist heute unverzichtbar, wissenschaftliche Expertise in gesellschaftliche Verhaltens- und Handlungsweisen einfließen zu lassen und für politische Entscheidungsträger verfügbar zu machen. Dazu muss die Wissenschaft aber auch zugänglicher werden und sich bemühen, komplexe Inhalte der Gesellschaft allgemein verständlich aufzubereiten. Das vorliegende Lehrbuch soll ein Beitrag dazu sein. Im neusprachlichen Gebrauch wird in diesem Zusammenhang immer häufiger der Ausdruck „Capacity Building“ oder „Capacity Development“ verwendet. Die Vereinten Nationen (UN) definieren in ihrem Entwicklungsprogramm (Development Programme, UNDP) dieses Konzept wie folgt: „Capacity is the ability of individuals, organizations, and societies to perform functions, solve problems, and set and achieve goals. Capacity development entails the sustainable creation, utilization, and retention of that capacity in order to reduce poverty, enhance self-reliance, and improve people’s lives.“ „Capacity Building“ zeigt also Möglichkeiten für Individuen, Organisationen und Gesellschaften auf, bestimmte Funktionen und Handlungsoptionen wahrzunehmen, um Probleme zu lösen und Ziele zu setzen beziehungsweise zu erreichen. „Capacity Development“ entwickelt die weitere nachhaltige Nutzung der bereits erworbenen „Capacity“, um z. B. Armut zu reduzieren, die Eigenständigkeit des Einzelnen und der Gesellschaft zu stärken und das Leben der Menschen insgesamt zu verbessern. Ich verstehe mein Buch auch als Teil des „Capacity Building“ für die Klimaforschung. Die Motivation für dieses Werk entstand während eines Forschungssemesters im Sommer 2005

VIII

an der University of Colorado in Boulder (USA). Die interdisziplinären Zentren und Recherchemöglichkeiten am National Center for Atmospheric Research (NCAR) sowie der Austausch mit den verschiedenen „Klimaspezialisten“ dort (hier insbesondere die Zusammenarbeit mit Michael (Mickey) H. Glantz und die Beschäftigung mit seinem wissenschaftlichen Ansatz „Climate Affairs“ – sein gleichnamiges Buch erschien 2003) festigten in mir den Wunsch, ein Klimatologielehrbuch zu schreiben, in dem unsere Abhängigkeit vom Klima und die daraus resultierenden möglichen gesellschaftlichen Probleme des 21. Jahrhunderts im Mittelpunkt stehen. Konzeption des Lehrbuchs Konzeptionell gliedert sich das Buch in drei große Teile: I: Klimatologie als Wissenschaft II: Klimawandel und Global Change III: Wechselwirkungen: Klima – Mensch, Gesellschaft und Politik Diese drei Teile greifen insofern ineinander, als der Leser ausgehend von der Entwicklung des Wissenschaftsgebäudes der Klimatologie und von fundierter, wissenschaftlich gesicherter Basisinformation den Klimawandel beziehungsweise globalen Wandel selbständig nachvollziehen und weitere Aussagen dazu bewerten und kritisch reflektieren kann. Internationale und nationale Forschungsprogramme werden ebenso vorgestellt wie die zukünftige strategische Ausrichtung der Klimaforschung. Die beiden Kapitel des ersten Teiles schließen jeweils mit einer Zusammenfassung ( „Wichtig zu wissen“), die das zuvor ausführlich präsentierte Wissen in kompakter Form aufgreift und für den Leser überprüfbar macht. Ein weiteres Ziel dieses Lehrbuches besteht darin, die vorherrschende Fragmentierung des Wissenschaftsgebiets der Klimatologie zu durchbrechen, um dem Studierenden einen möglichst umfassenden und dennoch komprimierten Überblick über die aktuelle Forschungslandschaft zu vermitteln. Der Leser soll zudem angeregt werden, sich in weiterführenden Quellen (vor allem im Internet)* über die Entwicklung der Klimaforschung und ihre Strukturen zu informieren. Bereits Kapitel 1 gewährt dementsprechend einen ausführli-

Vorwort: Warum ein neues Lehrbuch zur Klimatologie?

chen Einblick in den Aufbau internationaler und nationaler Forschungskooperationen im Bereich der Klimatologie. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den vorhandenen Beobachtungssystemen; insbesondere die für Datenbeschaffung und Modellierung unseres Klimas wichtigen, zur Erd- und Atmosphärenbeobachtung eingesetzten Satellitensysteme werden hier ausführlich dargestellt. Im zweiten Buchteil „Klimawandel und Global Change“ werden in den Kapiteln 6 und 7 mehrere Fallbeispiele erläutert, die die Verzahnung des globalen Wandels mit dem Klimasystem sowie die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf andere Systeme verdeutlichen. Hier stehen die Komplexität des Wirkungsgefüges und die gegenseitige Abhängigkeit von Rückkopplungen im Vordergrund; sie werden helfen, das Systemverständnis zu schärfen. Die Frage, was wir aus den Aussagen des 4. IPCC-Berichts lernen können (Kapitel 8), beschließt den zweiten Teil. Im Mittelpunkt des dritten Buchteils stehen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft und die daraus erwachsenden notwendigen Anpassungsmaßnahmen (im gesellschaftlichen und politischen Rahmen). Die Darstellungen zu Klima und Mensch (Kapitel 9), Klima und Gesellschaft (Kapitel 10) sowie Klima und Politik (Kapitel 11) sollen den Stellenwert der Klimatologie für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft verdeutlichen; insbesondere die Bedeutung der Forschung für die politische Entscheidungsfindung ist hier hervorzuheben. Die Vernetzung „harter“ naturwissenschaftlicher Erkenntnisse mit „weichen“ gesellschaftswissenschaftlichen beziehungsweise sozioökonomischen Fragestellungen ist mein persönliches Anliegen.

*Um die Lesbarkeit des Buchtextes nicht durch eine Vielzahl von eingefügten Internet-Links (mit ihren oft langen URLs) zu erschweren, sind alle Hinweise auf relevante Websites unter www.spektrum-verlag.de/978-3-38274-1827-2 kapitelweise zusammengefasst und können von dort mit einem Mausklick angesteuert werden. An den entsprechenden „Anker-Stellen“ im Buch steht ein kleines Maussymbol im Text. Weitere Orientierungshilfen für den Leser sind ein Glossar wichtiger Fachbegriffe (S. 325) sowie eine Liste der zahlreichen in diesem Bereich geläufigen und im Buch verwendeten Akronyme (S. 335). Ein Literaturverzeichnis weist Quellen und weiterführende Veröffentlichungen aus (S. 319), ein ausführlicher Index erschließt den Inhalt des Werkes (S. 341). Die Farbtafeln sind zur leichteren Auffindbarkeit mit einem blauen Balken am Buchrand gekennzeichnet (S. 309).

Vorwort: Warum ein neues Lehrbuch zur Klimatologie?

IX

Genau hierin liegt wohl auch der wesentliche Unterschied des vorliegenden Werkes zu bereits bestehenden, hervorragend verfassten Lehrbüchern zur Klimatologie. Ich hoffe, dass dieses Lehrbuch dazu beiträgt, in den Köpfen der Menschen ein neues aufgeklärtes Klimabewusstsein zu entwickeln, und dass es sie dazu ermutigt, sich mit dem Phänomen Klima insgesamt, ihrem eigenen Verhalten und Handeln sowie dem gesetzten politischen und gesellschaftlichen Rahmen auseinanderzusetzen.

Boulder, Colorado, Mai 2009 Martin Kappas

Inhalt Teil I Klimatologie als Wissenschaft 1

Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt . . . . . . . . .3

1.1 1.1.1

Das Weltklimaprogramm . . . . . . . . . . . . . . 6 Das Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Erdsystemforschung – die Gründung des ESSP (Earth System Science Partnership) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Klimaerfassung – Messnetze und Beobachtungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Fernerkundung – Was ist das? . . . . . . . . 22 Satellitensysteme für die Klima- und Global-Change-Forschung . . . . . . . . . . . . 26

1.1.2

1.2 1.3

1.3.1 1.3.2

2

Basiswissen und Grundgesetze der Klimatologie . . . . . . . .71

2.1

Zusammensetzung und Aufbau der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Die Sonnenstrahlung – Energiequelle allen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Parameter des solaren Klimas: Erdrevolution, Beleuchtungsklima und Jahreszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Der Einfluss der Atmosphäre auf die Sonnenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Die Globalstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Wärmehaushalt der Atmosphäre: fühlbarer und latenter Wärmestrom . . . 82 Der natürliche Treibhauseffekt und seine strahlungsaktiven Gase . . . . . . . . . . 84 Klimafaktoren und Klimaelemente bestimmen unser Klimasystem . . . . . . . . 86 Die Ausdehnung der Luft bei Erwärmung – der Luftdruck . . . . . . . . . . 90 Temperaturverteilung in der Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

2.2 2.3

2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.8.1 2.8.2

2.8.3 2.8.4 2.9 2.9.1 2.9.2

2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.3 2.10.4 2.11 2.11.1 2.11.2 2.11.3 2.11.4 2.11.5 2.11.6 2.12 2.12.1 2.12.2

Niederschlag und Wasserkreislauf . . . . . 98 Verdunstung und Niederschlag . . . . . . . . 98 Dynamik der Atmosphäre . . . . . . . . . . . 104 Wirksame Kräfte in der Atmosphäre . . . 104 Zyklone und Antizyklone als Beispiel der atmosphärischen Dynamik in der Westwinddrift . . . . . . . 108 Die allgemeine atmosphärische Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Die außertropische WestwindZirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Die tropische Passat- und Monsunzirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Die äquatoriale Zonal- oder Walker-Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Die Ostwindzirkulation über den Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Telekonnektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 ENSO (El Niño – Southern Oscillation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Madden-Julian-Oszillation (MJO) . . . . 136 Nordatlantik-Oszillation (NAO) . . . . . . 137 Die Arktische Oszillation (AO) . . . . . . . 139 West Pacific Pattern (WP) . . . . . . . . . . . 140 Quasi-Biennial-Oszillation (QBO) . . . . 141 Klimate der Erde – Klimaklassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . 142 Genetisch-dynamische Klimaklassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . 142 Effektive Klimaklassifikationen . . . . . . . 143

Teil II Klimawandel und Global Change 3

Zentrale Aussagen zum Klimawandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

4

Kennwerte des Klimawandels und des globalen Wandels . . . . 155

4.1

Veränderungen der atmosphärischen Kohlendioxid-, Methan- und Stickoxidkonzentrationen . . . . . . . . . . . . . . . . 159

XI

Inhalt

4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2

Kohlendioxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Methan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Stickoxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Veränderungen der atmosphärischen Halogenkohlenwasserstoffe, des troposphärischen und stratosphärischen Ozons sowie der Aerosole . . . . . . . . . . . . 173 Fluorkohlenwasserstoffe (HFC), vollhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6) . . 173 Troposphärisches Ozon . . . . . . . . . . . . . 175 Stratosphärisches Ozon . . . . . . . . . . . . . 175 Aerosole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Sozioökonomische Entwicklung der Welt (SRES-Szenarien) . . . . . . . . . . 181

7.1.2

5

Schlüsselthemen des Klimawandels . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

8.2

5.1

Veränderungen des globalen Wasserhaushalts, der Wolkenbildung und Niederschlagsverteilung auf der Erde – der aktuelle Wissensstand . . . . . . . . . . 185 Klimawandel und Wasser . . . . . . . . . . . . 187 Klimawandel und Landwirtschaft . . . . 190 Klimawandel und Desertifikation . . . . . 196 Klimawandel, Wetteranomalien und Singularitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

8.2.1

4.2.1

4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3

5.2 5.3 5.4 5.5

7.2 7.2.1

7.2.2

8

Was können wir aus dem vierten IPCC-Bericht lernen? . . . 237

8.1

Wissenschaftliches Verständnis des Klimawandels im Hinblick auf Anpassungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 238 Offene wissenschaftliche Fragen – welcher Handlungsbedarf besteht? . . . . 239 Handlungsbedarf: Dynamik der Eisschilde der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Handlungsbedarf: Veränderungen im Wasserhaushalt der Erde . . . . . . . . . 240 Handlungsbedarf: Atlantische Meridionalzirkulation im Ozean (AMOC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Handlungsbedarf: Methanfreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Handlungsbedarf: Landoberflächenprozesse, Kohlenstoffzyklus und biogeochemische FeedbackMechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Handlungsbedarf: Aerosol-WolkenInteraktion und Radiative Forcing . . . . 244 Handlungsbedarf: Regionalisierung der Modellprojektionen – Downscaling . . . 245 Handlungsbedarf: Entwicklung von Schnittstellen zwischen Politik und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

8.2.2 8.2.3

8.2.4 8.2.5

6

Fallstudie Kryosphäre . . . . . . . . . 205

6.1 6.2

Variabilität des arktischen Klimas . . . . 205 Die Nordatlantische und die Arktische Oszillation . . . . . . . . . . . . . . . 206 Arktische Stratosphäre . . . . . . . . . . . . . 207 Arktische Troposphäre . . . . . . . . . . . . . . 208 Strahlungsverhältnisse in der Arktis . . . 208 Wolken und Niederschlag in der Arktis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Aerosole in der Arktis und ihre Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Klimawirkung der Aerosole . . . . . . . . . . 211 Arktischer Dunst (Arctic Haze) . . . . . . 211 Ozon in der Arktis . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Der Arktische Ozean . . . . . . . . . . . . . . . 214 Eis in der Arktis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12

7

Fallstudie Klima und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

7.1

Fallbeispiel: Klimawandel und Hautkrebsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . 225 Einflussfaktoren auf die auf der Erde auftreffende UV-Strahlung . . . . . . . . . . 228

7.1.1

Messwerterfassung und UVIVorhersage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Fallbeispiel: Klimawandel und die afrikanische Malaria . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Auswirkungen von Temperaturveränderungen auf die Malariaübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Auswirkungen von Niederschlagsveränderungen auf die Malariaübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

8.2.6 8.2.7 8.2.8

Teil III Wechselwirkungen: Klima – Mensch, Gesellschaft und Politik 9

Klima und Mensch . . . . . . . . . . . . 249

9.1

Klimaentwicklung und Evolution des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Gattung Homo – Werkzeuge, Mobilität und Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

9.1.1

XII

10

Klima und Gesellschaft . . . . . . . . 259

10.1 10.2

Klima und Gesellschaft im Holozän . . . 259 Klima und Gesellschaft seit der industriellen Revolution . . . . . . . . . . . . . 264 Umweltauswirkungen der Zivilisationsdynamik – der wirtschaftende Mensch . . . . . . . . . . . . . . 269

10.3

11

Inhalt

11.5

Global Governance – das Konzept des Handelns im politischen Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 11.5.1 Herausforderungen für Natur- und Sozialwissenschaften auf globaler und lokaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 11.5.2 Innovationsorientierte Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Klima und Politik . . . . . . . . . . . . . . 277

11.1 Internationale Klimapolitik . . . . . . . . . . 280 11.1.1 Der UNFCCC-Prozess . . . . . . . . . . . . . . 281 11.1.2 Quantifizierung klimawirksamer anthropogener Tätigkeiten für politische Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . 283 11.1.3 Der Emissionshandel im Rahmen des Kyoto-Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . 285 11.1.4 Die flexiblen Instrumente des KyotoProtokolls: Joint Implementation und Clean Development Mechanism . . . . . . 287 11.2 Klimapolitik auf EU-Ebene . . . . . . . . . . 289 11.3 Nationale Klimapolitik – Das Beispiel Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 11.4 Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) . . . . . . . . . . 293

12

Klimawandel: eine andauernde Kontroverse und Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaft . . . . . . . . . . . . 303

Farbtafeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Akronyme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

Teil I Klimatologie als Wissenschaft 1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt 2 Basiswissen und Grundgesetze der Klimatologie

Die Klimatologie oder Klimaforschung ist keine scharf abgegrenzte, geschlossene Wissenschaft, sondern beschäftigt sich als ein Teilgebiet der Meteorologie und der Geographie mit den physikalischen Erscheinungen der Lufthülle der Erde und ihrer Interaktion mit den Gegebenheiten der Erdoberfläche in Raum und Zeit. Während in der Meteorologie stärker die Physik der Atmosphäre betrachtet wird, untersucht die Klimageographie die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den Prozessen in der Atmosphäre und den Gegebenheiten auf der Erdoberfläche. Hierbei steht die Typisierung und Gliederung von klimatischen Raumeinheiten im Vordergrund. Die Klimatologie gliedert sich in vier Teildisziplinen:

• Die Allgemeine Klimatologie bzw. Theoretische Klimatologie untersucht die Physik der Atmosphäre. Im Mittelpunkt stehen dabei die Zusammensetzung und der Aufbau der At-

mosphäre, die Solarkonstante, der Strahlungshaushalt, der Wärmehaushalt, die Lufttemperatur, der Wasserhaushalt, der Niederschlag, der Luftdruck und der Wind, die planetarische Zirkulation sowie die Entwicklung von Klimamodellen. • Die Regionale Klimatologie beschäftigt sich mit Witterung und Klima in ausgewiesenen Klimazonen, wie den Tropen, Subtropen, der außertropischen Westwindzone oder den Polargebieten. • Die Spezielle Klimatologie untersucht Klimaänderungen und erforscht die Klimageschichte. Sie beschäftigt sich mit Klimafolgenforschung, etwa dem Treibhauseffekt und der globalen Erwärmung, sowie mit der Verwundbarkeit (Vulnerabilität) der vom Klimawandel betroffenen Systeme. • Die Angewandte Klimatologie beschäftigt sich mit Lösungen für das Problem des Klimawandels, insbesondere mit dem Klimaschutz und der Anpassung an den Wandel.

2

Außerdem haben sich innerhalb der Klimatologie viele Spezialgebiete und Unterdisziplinen entwickelt, die man im weiteren Sinne der Speziellen Klimatologie zuordnen kann:

• Die Klimageographie untersucht die Wechselwirkung des Klimasystems mit anderen Systemen (z. B. Ökosystemen). Hierzu gehören auch die Stadt- und die Geländeklimatologie. • Die Bioklimatologie beschäftigt sich mit den Einflüssen des Klimas auf die Lebewesen, insbesondere auf den Menschen. • Die Paläoklimatologie untersucht die Klimageschichte und geht dem Klima vergangener Zeiten bis zu den frühen Formen der Erdatmosphäre nach. Sie nimmt heute eine zentrale Stellung in der Klimatologie ein. • Die Strahlungsklimatologie untersucht die Wirkungen der Strahlung auf Klima und Le-

Teil I Klimatologie als Wissenschaft

bewesen (z. B. UV-Strahlung und Hautschädigung). • Die Energiemeteorologie ist ein junger Wissenschaftszweig an der Schnittstelle zwischen Erneuerbaren Energien und Atmosphärenphysik. Ziel ist die Entwicklung von Methoden und die Gewinnung von Daten zur Charakterisierung der fluktuierenden Energieerzeugung aus Solar-, Wind- und Bioenergie. Die Aufzählung der Teildisziplinen und Spezialgebiete zeigt die enorme Vernetzung der Klimatologie mit anderen Wissenschaftsbereichen. Insgesamt untersucht und erforscht die Klimatologie als Wissenschaft die Gesetzmäßigkeiten des Klimas, dessen Eigenschaften, Entwicklung und Erscheinungsbild. Sie agiert dabei in einem interdisziplinären und internationalen Forschungsfeld.

1

Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Die Klimatologie ist die Lehre vom Klima und dessen charakteristischer räumlicher und zeitlicher Veränderung. Nach heutigem Verständnis ist die Klimatologie untrennbar mit der gleichzeitigen ökologischen Betrachtung unserer Erde und der menschlichen Einflüsse auf dieses System verknüpft, so dass sie immer stärker von einer übergreifenden Sichtweise des Systems Atmosphäre – Erde – Mensch (Erdsystem-Denken) bestimmt wird. Seit der Mensch existiert, greift er in vielfältiger Weise in das Erdsystem ein und verändert somit die Wirkungszusammenhänge zwischen Atmosphäre und Erde. Problematisch sind diese menschlichen Eingriffe nicht zuletzt deshalb, weil sie Auswirkungen auf das Erdsystem haben können, die nicht vollständig vorhersehbar sind. Denn die Zusammenhänge in diesem hoch komplexen System Atmosphäre – Erde – Mensch sind immer noch zu wenig verstanden. Vergleichbar ist dies mit dem Problem der Wechselwirkungen eines Medikaments im Körper eines Menschen. Es gibt hinreichend Beobachtungen zu den Auswirkungen des Medikaments im Allgemeinen, jedoch besteht immer eine gewisse Unsicherheit über die Kausalzusammenhänge der Wirkung für jedes Individuum. Unter Klima versteht man, vereinfacht ausgedrückt, die mittlere Statistik des Wettergeschehens für eine bestimmte Zeitperiode (z. B. für eine Klimanormalperiode: 1961–1990) und ein bestimmtes Gebiet. Die statistischen Eigenschaften des Klimas sind dabei abhängig vom gewählten räumlichen und zeitlichen Maßstab.

Klimanormalperiode (Abk. CLINO), 30-jährige Bezugsintervalle wie 1901–1930, 1931–1960 und 1961–1990, auf die zur besseren Vergleichbarkeit die Statistiken der Klimadaten einzelner Beobachtungsstationen bzw. Länder bezogen werden (auf Empfehlung der Weltorganisation für Meteorologie, Vorläufer der Internationalen Organisation für Meteorologie).

Seit 1935 wird für die Klimabeschreibung von der Internationalen Organisation für Meteorologie (WMO) ein Zeitraum von 30 Jahren zur statistischen Berechnung des Klimas festgelegt. Nach zeitreihenanalytischen Aspekten ist dieser Zeitraum notwendig, um signifikante Charakteristika des makroskaligen Klimas abzuleiten. Die Klimatologie als Wissenschaft hat somit die Aufgabe, ein theoretisches Gebäude zu entwickeln, welches die im Klimasystem ablaufenden Prozesse beschreibt. Das Klimasystem besteht aus der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre, der Erdoberfläche mit der zugehörigen Biosphäre sowie dem Menschen als Akteur (▶ Abschnitt 2.8). Die in diesem komplexen System ablaufenden Prozesse sind derart kompliziert, dass es unmöglich ist, eine wissenschaftliche Theorie im klassischen Sinne zu entwickeln beziehungsweise aufrechtzuerhalten. Die Ableitung geeigneter Parametrisierungen der Prozesse und zugehöriger Modelle zum Klima der Erde geht weit über die Möglichkeiten einer Nation und einer wissenschaftlichen Disziplin hinaus. Insbe-

4

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

103 bis 104 km), auch Zonenklima, Globales Klima oder Großraumklima genannt, • Mesoklima (räumlicher Maßstab: von etwa > 1 km bis ca. 102 km), auch Landschaftsklima oder Regionalklima genannt, • Mikroklima (räumlicher Maßstab: von der Bodenoberfläche bis ca. 1 km), auch Grenzflächenklima, Topoklima, Standortklima oder Lokalklima genannt.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaänderungen, kurz „UN-Weltklimarat“, von den Vereinten Nationen unter Federführung der Weltorganisation für Meteorologie und UNEP (United Nations Environment Program) 1988 begründetes Gremium mit der Aufgabe, den Sachstand zur Klimaproblematik, insbesondere der anthropogenen Klimabeeinflussung, wissenschaftlich zu erfassen, zusammenfassend zu berichten und Maßnahmenempfehlungen auszuarbeiten. Zu diesem Zweck erstellt das Gremium (bestehend aus etwa 2 500 Forschern und Vertretern von mehr als 100 Regierungen) in drei Arbeitsgruppen (Wissenschaft, Auswirkungen von Klimaänderungen, politische Konsequenzen) Statusberichte und Empfehlungen zum Problemkreis der anthropogenen globalen Klimaänderungen. Der 2007 erschienene 4. IPCCStatusbericht („Klimareport“) zeigt die Verantwortung des Menschen für die globale Erwärmung so deutlich auf wie nie zuvor. Der UN-Weltklimarat und der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore erhielten 2007 den Friedensnobelpreis für ihren Kampf gegen den Klimawandel.

sondere vor dem Hintergrund des Klimawandels besteht der Zwang zu internationaler und interdisziplinärer Ausrichtung der Klimaforschung, die sich im Weltklimaforschungsprogramm (WCRP, ▶ Abschnitt 1.2) manifestiert. Die Forschungsausrichtung der Klimatologie entspricht immer mehr der einer „Mega-Science“. Die überwiegende Mehrzahl der Wissenschaftler geht heute davon aus, dass sich das weltweite Klima verändert und ein erheblicher Teil dieser Klimaänderung auf menschliche Aktivitäten und Einflüsse zurückgeht. Der wissenschaftliche Beirat für Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), kurz Weltklimarat, hat dies in seinem letzten Report im Jahr 2007 verdeutlicht. Nach Schätzungen des internationalen Expertengremiums wird die globale Durchschnittstemperatur im 21. Jahrhundert schneller ansteigen als während der zurückliegenden einhundert Jahre, in denen die globale Temperaturzunahme etwa 0,7 °C betrug. Gleichwohl sind alle bisherigen Prognosen und Vorhersagen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Das weltweite Klima hängt von einem vielfältigen Geflecht von Einflussfaktoren ab. Atmosphäre, Ozean, Erdoberfläche und Ve-

getation weisen hoch komplexe wechselseitige Einflüsse und Abhängigkeiten in ihren Energie- und Stoffkreisläufen auf. Hinzu kommen die zahlreichen anthropogenen Einflussfaktoren, darunter vor allem die Bevölkerungsentwicklung und das weltweite Wirtschaftswachstum, welche unmittelbar Einfluss auf die Energienachfrage und Energieversorgung sowie die Landnutzung haben. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die Intensivierung der Landwirtschaft, die Entwaldung oder die Landschaftsfragmentierung zu nennen. Generell hängen diese Entwicklungen mit dem Phänomen der Globalisierung zusammen. Doch niemand kann genau voraussagen, wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen sowie die weltweite Ressourcennutzung in Zukunft entwickeln werden. Auch die technologische Entwicklung sowie der Technologietransfer beispielsweise von den Industrieländern in die Entwicklungsländer tragen zur Unsicherheit in der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung bei. Des Weiteren ist unsicher, wie sich die globale Klimaentwicklung auf bestimmte Regionen der Erde auswirken wird. Komplexe Modelle versuchen Ursachen und Wirkungen mithilfe mathe-

Skalenbereiche in der Klimatologie Die Maßstababhängigkeit des Klimas ist seit langem unbestritten, dennoch gibt es keinen international durchgängig eingehaltenen Standard für die Skalenbereiche. Grundsätzlich setzt sich das Klima eines Ortes aus einem Makro-, Meso- und Mikroanteil zusammen. Folgende Größeneinteilungen und Begriffe werden für Makro-, Meso- und Mikroklima verwendet:

• Makroklima (räumlicher Maßstab: von etwa

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

matischer Modelle nachzubilden. Aber selbst die aktuellsten Klimamodelle müssen von bestimmten Annahmen ausgehen und unterliegen deshalb auch gewissen Unsicherheiten. Doch gerade in der Entwicklung der Klimamodelle konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. So ist etwa bezüglich der räumlichen Auflösung eine stetige Verbesserung der Modelle von Sachstandsbericht (Assessment Report) zu Sachstandsbericht zu beobachten. Der erste Assessment Report (First AR, FAR) des IPCC (1990) benutzte das T21-Modell mit einer weltweiten Maschenweite von etwa 500 km (FAR). Der zweite Report (SAR, 1996) setzte auf dem T42-Modell auf und halbierte die Maschenweite auf 250 km. Im dritten Report (TAR, 2001) gab es eine erneute Optimierung der räumlichen Auflösung auf 180 km (T63-Modell), welche im aktuellen, vierten Report nochmals auf 110 km (AR4, 2007) verbessert werden konnte. Neben der horizontalen Auflösung wurde auch die vertikale Struktur der Modelle stetig weiterentwickelt. Von anfänglich zehn vertikalen Schichten (layer) liegen heute über 30 Informationsniveaus für Atmosphäre und Ozean vor. Trotz dieser enormen Fortschritte in der Klimamodellierung ergibt sich für die Staaten der Erde eine enorme Unsicherheit im regionalen bis lokalen Maßstab. Daraus resultiert ein generelles Problem für politische Entscheidungsträger im 21. Jahrhundert: Sie treffen Entscheidungen bei unsicherer Entscheidungsgrundlage und unter starkem Zeitdruck. Die zukünftige Klimaforschung muss daher die bestehenden Unsicherheiten verringern, um der Politik bessere Entscheidungsgrundlagen liefern zu können. Hier ist die Klimatologie als international ausgerichtete und disziplinübergreifende Wissenschaft gefordert. Allerdings erfordert dies auch geeignete Strukturen für eine internationalisierte Forschungslandschaft sowie politische Entscheidungsinstrumente (global governance). Michael H. Glantz vom National Center for Atmospheric Research (NCAR, Boulder, Colorado) prägte in diesem Zusammenhang den Begriff „Climate Affairs“. In seinem gleichnamigen Buch (2003, S. 13) beschreibt er die Bedeutung der „Denkweise Climate Affairs“ wie folgt: „Der Begriff ‚Climate Affairs‘ umfasst die Klimaforschung sowie mögliche zukünftige Einflüsse auf Politik, Gesetzgebung, Wirtschaftssys-

5

teme und ethische Fragestellungen der Gesellschaftsentwicklung.“ Diese Denkweise verweist abermals auf die umfassende Ausrichtung der Klimaforschung und begreift das zukünftige Klima der Erde als neuartige Herausforderung für Natur- und Sozialwissenschaften. Die enge Verzahnung der Ergebnisse der quantitativen Naturwissenschaften mit den Ansprüchen von Gesellschaft und Politik im Wissens- und Entscheidungsprozess ist zwingend notwendig und der Aufbau geeigneter Strukturen angemahnt. Umso erwähnenswerter ist ein Papier des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zum Thema Globale Umweltveränderungen (WBGU), der im Juli 2007, kurz nach Erscheinen des vierten IPCC-Reports die Initiative „DENKEN“ formuliert hat (WBGU 327). Das Akronym DENKEN steht für „Deutsches Exzellenz Netzwerk Klima, Energie, Nachhaltigkeit“. Die Kernfrage dieses Netzwerks lautet: „Wie organisiert man Forschung zum Klimawandel unter hohem Handlungsdruck?“ Zentrale Aussage des WBGU-Papiers ist also die strategische Notwendigkeit der Bildung einer neuen interdisziplinären Wissenschaftsstruktur, eines Netzwerkes, sowie die Entwicklung einer Klimaschutzstrategie, die auf dem aktuellsten Stand der Technik aufbaut und alle maßgeblichen Akteure (Bürger, Mittelstand, Industrie, Wissenschaftler, Politikverantwortliche usw.) einbindet. Die Tendenz zur Netzwerkbildung ist auf allen Ebenen der Klimaforschung, national und international, zu finden (z. B. problemspezifische Netzwerke im Bereich Klimawandel und Desertifikation oder im Bereich Klimawandel und Gesundheit – Hautkrebs: DesertNet, EuroDesertNet oder CLIMAderm). Dies bedeutet aber auch, dass der wissenschaftlich Interessierte, Wissenschaftler beziehungsweise politische Entscheidungsträger über die bestehenden Forschungsstrukturen und Netzwerke sowie deren Strategien Kenntnis haben müssen, um deren Kompetenz und Ergebnisse nutzen zu können. In der Forschungslandschaft ist jedoch eine starke Fragmentierung zu beobachten, die einen Überblick zunehmend erschwert. Eine Übersicht nationaler und internationaler Klimaforschungsprogramme in ▶ Abschnitt 1.2 soll diesem Trend entgegenwirken und kann dem wissenschaftlich interessierten Leser als „roter Faden“ dienen.

6

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

DENKEN (Auszug aus dem WBGU-Papier 327, Juli 2007) Der WBGU sieht in seinem Papier die folgenden strategischen Aufgaben der Forschung zum Klimawandel als prioritär an: 1. die Klärung wichtiger offener Punkte im Verständnis des Klimasystems, die insbesondere die Prognosefähigkeit evaluieren und verbessern; 2. die Erarbeitung von Anpassungsstrategien für Deutschland, Europa und die globale Staatengemeinschaft (insbesondere die Entwicklungs- und Schwellenländer); 3. die Entwicklung von Roadmaps für technologische und systemische Innovationen zur Vermeidung gefährlichen Klimawandels sowie die Forschung zur Diffusion von Innovationen; 4. die Identifizierung und Bewertung politischer und ökonomischer Innovationen für einen zu-

1.1 Das Weltklimaprogramm Im Folgenden werden auch die englischen Abkürzungen und Bezeichnungen verwendet, um den Einstieg in die internationale Klimaforschung zu erleichtern. International sind Akronyme wie WCP, IPCC, UNEP verbindlich und werden auch in der wissenschaftlichen Literatur verwendet (eine Liste der wichtigsten Akronyme findet sich im Anhang). Das aktuelle Weltklimaprogramm (World Climate Programme, WCP) baut auf den Ergebnissen der Vorgängerprogramme auf und empfiehlt wichtige Forschungsthemen für die unmittelbare Zukunft (in der Regel für einen Zeitraum von 10 Jahren). Seine Geschichte beginnt Mitte der 1970er-Jahre. Ereignisse wie die Dürren in der afrikanischen Sahel-Zone warfen erstmals die Frage nach einem international abgestimmten Programm zur Erforschung des Klimas und seiner Veränderungen auf. Im Mai 1974 wurde deshalb auf der 26. Tagung des Exekutivrates der meteorologischen Weltorganisation beschlossen, ein international abgestimmtes Programm zur Klimaforschung in den nächsten Jahren aufzulegen.

kunftsfähigen Umgang mit dem Klimawandel und die internationale Regimebildung (Post2012-Regime); 5. die Forschung zum Beitrag der Zivilgesellschaft zu Klima- und Ressourcenschutz. Die Präzisierung der Forschungsfragen sollte bedarfsorientiert von Wissenschaft, gesellschaftlichen und politischen Stakeholdern sowie vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) vorgenommen werden. Die Bundesregierung kann diese Ziele nach Einschätzung des WBGU am besten mithilfe einer Doppelstrategie erreichen: 1. durch Gründung eines interdisziplinären Exzellenz-Netzwerks der Wissenschaft, 2. durch eine „Hightech-Strategie zum Klimaschutz“ gemeinsam mit der Industrie.

Die Weltorganisation für Meteorologie (franz. Organisation Météorologique Mondiale, OMM; engl. World Meteorological Organization, WMO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Meteorologie, Hydrologie und Geophysik. Die staatenübergreifende Einrichtung mit Hauptsitz in Genf hat (2007) 188 Mitgliedsländer. Die WMO ging 1950 aus der bereits 1873 gegründeten International Meteorological Organization (IMO) hervor. Die WMO versteht sich als Stimme der UN bezüglich des Zustands und Verhaltens der Erdatmosphäre, ihrer Wechselwirkung mit den Ozeanen, des daraus entstehenden Klimas und Verteilung von Wasserressourcen. Die Arbeit der WMO ist in zehn wissenschaftliche und technische Programme gegliedert, die jeweils aus Unterprogrammen bestehen. Wichtigstes Programm ist das World Weather Watch Programme (WWWP), das weltweit auf über 10 000 Klimastationen zurückgreift und Standards für die Messung, den Austausch und die Verarbeitung meteorologischer Daten entwickelt. Im Jahr 1979 veranstaltete die WMO in Genf die erste Weltklimakonferenz (World Climate Conference, WCC) mit dem Ergebnis, ein Rahmenprogramm mit Empfehlungen zur weltweiten Klimaforschung, ein Weltklimaprogramm (WCP),

7

1.1 Das Weltklimaprogramm

zu konzipieren. Dieses Programm wurde dann unter Mitwirkung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) und des Internationalen Rats der Wissenschaftlichen Unionen (International Council of Scientific Unions, ICSU) ins Leben gerufen. Das Weltklimaprogramm (WCP) lässt sich seit 1980 in vier Komponenten gliedern und wurde inhaltlich immer wieder den wissenschaftlichen Herausforderungen angepasst. So wurden die ersten drei Programme auf dem 11. Kongress der WMO (1991) der gestiegenen Bedeutung des Klimamonitoring und der Aktivitäten der Klimadienste angepasst. Die aktuellen Programme sind: 1. Weltklimadaten- und Überwachungsprogramm (World Climate Data and Monitoring Programme, WCDMP) 2. Weltklimaanwendungs- und Serviceprogramm (World Climate Applications and Service Programme, WCASP)

3. Weltklimaeinflussabschätzungs- und Reaktionsstrategieprogramm (World Climate Impact and Response Strategies Programme, WCIRP) 4. Weltklimaforschungsprogramm (World Climate Research Programme, WCRP) Die gesamte WCP-Struktur ist mit weiteren Programmen in die UN-Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) eingebunden, unterstützt die „Climate Agenda“ und somit insbesondere die Arbeit des Weltklimarats (IPCC). Darüber hinaus ist das WCP mit dem Beobachtungssystem zur systematischen Erfassung klimarelevanter Phänomene der Atmosphäre, des Ozeans und der Landoberfläche (Global Climate Observing System, GCOS) vernetzt. Eine Zusammenstellung der „Meilensteine“ der internationalen Klimaforschung seit Gründung der Internationalen Meteorologischen Organisation 1873 findet sich in Tabelle 1.1. Ein

Tabelle 1.1 Meilensteine der internationalen Klimaforschung (Quelle: www.wmo.ch) Jahr

Ereignis

2008

• UN-Klimakonferenz in Poznan (Polen). Vorbereitung der COP 15 – Tagung in Kopenhagen zur Festlegung der post-Kyoto-Phase nach 2012

• IPCC wird zusammen mit dem ehemaligen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten Al Gore der Friedensnobelpreis verliehen

• Vierter Sachstandsbericht des IPCC (AR-4) • UN-Klimakonferenz in Bali (Indonesien) zur Bildung einer Roadmap für Verhandlungen nach der 2007

ersten Kyoto-Phase (post-Kyoto 2012)

• 20. Jahrestag des Montreal-Protokolls, der 1987 in Montreal unterzeichneten internationalen Vereinbarung zur Regelung von Produktion und Verbrauch der Substanzen, die zum Abbau der Ozonschicht führen können • Start des Internationalen Polarjahres 2007/08, unterstützt von ICS und WMO • Internationale Konferenz zur Sicherheit und für nachhaltiges Leben in Madrid (Spanien)

2006

2005

• WMO startet Treibhausgasbulletin • WMO startet das arktische Ozonbulletin • Größte Ausdehnung des antarktischen Ozonlochs seit Beobachtungsbeginn (Ende der 1970er-Jahre) • Erste Weltkonferenz zur Katastrophenabwehr (Kobe, Japan) • Internationales Meeting zur Einrichtung eines Programms zur nachhaltigen Entwicklung kleiner Inselstaaten (Mauritius)

• Sekretariat der internationalen Gruppe zur Erdbeobachtung (EO) öffnet im Sekretariat der WMO 2003

• Feier zum 150. Jahrestag der Meteorologischen Konferenz von Brüssel (1853) • Zweite Technische Konferenz zur Partizipation von Frauen in der Meteorologie and Hydrologie (Genf) • Start des Programms zur Vermeidung von Naturkatastrophen und des WMO-Weltraumprogramms sowie eines Programms für gering entwickelte Länder (Less Developed Countries, LDCs)

2002

• Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (Südafrika)

2001

• Dritter Sachstandsbericht (AR-3) des IPCC

8

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Tabelle 1.1

Fortsetzung

Jahr

Ereignis

2000

• WMO feiert 50-jähriges Bestehen

1999

• Einweihung des neuen WMO-Hauptsitzes in Genf

1997

• Weltklimakonferenz in Kyoto stellt Ziele und Zeitplan zur Reduktion von Treibhausgasen auf • Internationales Meeting zur Partizipation von Frauen in der Meteorologie und Hydrologie in Bangkok (Thailand)

1995

• Einrichtung eines Klimainformations- und Vorhersageservices (CLIPS) • Zweiter Sachstandsbericht (AR-2) des IPCC • Grundsteinlegung für neuen WMO-Hauptsitz in Genf

1993

• Start des globalen Beobachtungssystems zum Weltwasserhaushalt (WHYCOS)

1992

• UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (Erdgipfel) in Rio de Janeiro (Brasilien) • Einrichtung des globalen Klimabeobachtungssystems (GCOS) • Internationale Konferenz für Wasser und Umwelt in Dublin (Irland)

1991

• Erstes Treffen des Komitees für zwischenstaatliche Verhandlungen im Rahmen der UN-Klima-

1990

• Zweite Weltklimakonferenz in Genf initiiert die Einrichtung eines Globalen Klimabeobachtungssystems • Start der Internationalen Dekade zur Reduktion von Naturkatastrophen • Erster Sachstandsbericht des IPCC (FAR)

1989

• Globale Atmosphärenbeobachtung zum Monitoring atmosphärischer Inhaltsstoffe • WMO und UNEP initiieren Verhandlungen zur Einrichtung einer Klimarahmenkonvention

1988

• WMO/UNEP richten das zwischenstaatliche Gremium zum Klimawandel (IPCC) ein

1987

• Montreal-Protokoll für Substanzen, die die Ozonschicht zerstören

1985

• Konvention zum Schutz der Ozonschicht (Wien)

1983

• WMO etabliert langfristigen Planungsprozess zur Klimabeobachtung

1979

• Erste Weltklimakonferenz, auf der die Einrichtung eines Weltklimaprogramms beschlossen wurde

rahmenkonvention (UNFCCC)

(United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC)

1978/ • Start des Globalen Wetter- und Monsunexperiments im Rahmen des Globalen Atmosphären1979 forschungsprogramm 1977

• Einrichtung des Integrierten Globalen Ozeanbeobachtungssystems (IGOSS) zusammen mit der

1976

• WMO erstellt ersten Bericht zum Status der globalen Ozonschicht

1972

• Start des Operationellen Hydrologieprogramms der WMO

1971

• Tropisches Zyklonenprojekt wird etabliert und später zum tropischen Zyklonenprogramm ausgebaut

1963

• Einrichtung des Weltwetterbeobachtungssystems

1957

• Ausruf des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 • Einrichtung des Globalen Ozonbeobachtungssystems

1951

• WMO wird eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen

1950

• WMO-Konvention tritt am 23. März in Kraft

1947

• Direktoratsbeschluss zur WMO-Konvention

1932

• Ausruf des zweiten Internationalen Polarjahres 1932/33

1882

• Ausruf des ersten Internationalen Polarjahres 1882/83

1873

• Gründung der Internationalen Meteorologischen Organisation (IMO), der WMO-Vorgängerorganisation,

1853

• Erste Internationale Meteorologische Konferenz in Brüssel

Internationalen Ozeanischen Kommission (IOC) und der UNESCO

in Wien

9

1.1 Das Weltklimaprogramm

besonderer Höhepunkt dieser Chronik ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an den UNWeltklimarat und den ehemaligen Vizepräsidenten der USA Al Gore im Jahr 2007. Seitdem verfügt das IPCC als das bestimmende zwischenstaatliche Gremium für die Beratung der Länder in Klimafragen über noch mehr Autorität. Die IPCC-Sachstandsberichte liefern dabei die Grundlage für die politische Bewertung der aufgezeigten Klimaentwicklung. Im Folgenden wird von den vier Hauptprogrammen des Weltklimaprogramms (WCP) das aktuelle Weltklimaforschungsprogramm (WCRP, Strategic Framework 2005–2015, WCRP-123, WMO/ TD-No. 1291) vorgestellt, dass gemeinsam von der WMO und dem Internationalen Rat der Wissenschaftlichen Unionen (ICSU) initiiert wurde.

1.1.1 Das Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) Strategisch ist das aktuelle Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) auf die „koordinierte Beobachtung und Vorhersage des Erdsystems“ (Coordinated Observation and Prediction of the Earth System, COPES) ausgerichtet. Die COPESInitiative hat das zentrale Ziel, die Analyse und Vorhersage der Veränderlichkeit des Erdsystems und dessen inhärenter Variabilität für die praktische Anwendung und das Wohl der Gesellschaft zu fördern. Auch dieses Rahmenprogramm weist auf die disziplinübergreifende Orientierung der Klimaforschung hin und stellt die Wechselwirkungen im Erdsystem und die Rolle des Menschen in diesem System in den Mittelpunkt. Während des nunmehr fast 30-jährigen Bestehens des Weltklimaforschungsprogramms können zwei zentrale Forschungsfragen des Programms hervorgehoben werden:

• die Bestimmung/Bewertung der Vorhersagbarkeit des Erdklimas

• die Bestimmung/Bewertung der anthropogenen Einflüsse auf das Erdklima Bezüglich dieser Forschungsansätze haben sich im Rahmen des WCRP vier Kernprojekte (core projects) und drei Arbeitsgruppen (working groups) gebildet, die folgende Schwerpunkte des WCRP bearbeiten:

• Untersuchung der vier Hauptkomponenten



• •



des physikalischen Klimasystems: Atmosphäre, Ozean, Kryosphäre (Eisgebiete) und Landoberfläche Überprüfung unseres Wissens und Verständnisses zu regionalen und globalen Klimaänderungen sowie der dafür verantwortlichen Mechanismen Bewertung signifikanter Trends im regionalen und globalen Klima Entwicklung und Überprüfung numerischer Modelle zur Simulation und Bewertung des zukünftigen Klimasystems; die Modelle sollen eine weite Spannbreite räumlicher und zeitlicher Skalenbereiche abdecken und für operationelle Vorhersagen geeignet sein Untersuchung der Sensitivität des Klimasystems gegenüber natürlich und anthropogen induzierten Zwängen und Bewertung der möglichen Klimaänderungen als Resultat dieser spezifischen Störungen

Das CLIVAR-Projekt Das WCRP-CLIVAR-Projekt beschäftigt sich mit der natürlichen Variabilität des Klimasystems und den Klimaänderungen infolge anthropogener Einflüsse. Mit besonderem Fokus untersucht das Programm die Rolle der Ozeane im Klimasystem sowie die Monsune der Erde. Das CLIVAR-Projekt ist Nachfolger des TOGA- (Tropical Ocean and Global Atmosphere, 1985–1994) und des WOCE-Projekts (World Ocean Circulation Experiment, 1982–2002). Zu den neueren CLIVAR-Arbeiten zählen die Erstellung eines digitalen Atlaswerkes zur Klimatologie Afrikas, der Aufbau eines Indian Ocean Panels zur zukünftigen Untersuchung des Indischen Ozeans und die Durchführung einer Feldkampagne zum südamerikanischen Low-Level Jet Experiment (SALLJEX, South American Low-Level Jet Experiment). SALLJEX war zudem ein Hauptbeitrag zum Projekt über die Variabilität des amerikanischen Monsunsystems (VAMOS). Weitere CLIVAR-Studien beschäftigen sich mit der Variabilität der thermohalinen Zirkulation im Atlantik sowie mit Upwelling-Prozessen im Pazifik und der Dynamik der Innertropischen Konvergenzzone und ihrer Auswirkung auf das regionale Klima. Erwähnenswert ist ferner die CLIVAR-

10

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Das aktuelle Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) im Überblick Kernprojekte (core projects):

• Arbeitsgruppe für gekoppelte Modellierung

• Klimavariabilität und Vorhersagbarkeit (Cli-

(Working Group on Coupled Modelling (WGCM, auch in CLIVAR eingebunden) • Arbeitsgruppe für Oberflächen-Austauschprozesse (Working Group on Surface Fluxes (WGSF)

mate Variability and Predictability, CLIVAR) • Globaler Energie- und Wasserhaushalt (Global Energy and Water Cycle Experiment, GEWEX) • Stratosphärische Prozesse und ihre Bedeutung für das Klima (Stratospheric Processes And their Role in Climate, SPARC) • Klima und Kryosphäre (Climate and Cryosphere, CliC) Arbeitsgruppen (working groups):

• Arbeitsgruppe für Numerische Versuche (Working Group on Numerical Experimentation (WGNE, verbunden mit der WMO Commission for Atmospheric Sciences)

Arbeitsgruppe zur saisonalen und interannuellen Vorhersage (WGSIP, Working Group on Seasonal to Interannual Prediction), die eine führende Rolle in der COPES-Strategie spielt. Umfangreiche Informationen zu CLIVAR finden sich auf der Internetseite des internationalen CLIVAR-Projekt-Büros .

Das GEWEX-Projekt Das WCRP-GEWEX-Projekt fokussiert auf atmosphärische, hydrologische und thermodynamische Prozesse, um den globalen Wasserhaushalt und zugehörige Energiebilanzen zu bestimmen. Zentrale Frage ist, wie sich der Wasser- und Energiehaushalt an globale Veränderungen und insbesondere im Hinblick auf den Anstieg von Treibhausgasen verändern beziehungsweise anpassen wird. Die gesellschaftlich relevante Frage, ob auch in Zukunft unter sich ändernden Klimabedingungen genügend Wasser für den Menschen zur Verfügung steht, ist Untersuchungsschwerpunkt von GEWEX. Das GEWEX-Projekt hat bereits entscheidende Ergebnisse zur Bewertung der Austauschprozesse des Land-Atmosphäre-Systems geliefert. Weiterhin stellt es aus über 20 Jahre laufenden Satellitenuntersuchun-

Darüber hinaus ist das WCRP als Teil des Weltklimaprogramms (WCP) in das Beobachtungssystem GCOS (Global Climate Observing System) zur systematischen Erfassung klimarelevanter Phänomene der Atmosphäre, des Ozeans und der Landoberfläche eingebunden und co-finanziert das IGBP-Programm SOLAS (Surface Ocean-Lower Atmosphere Study). SOLAS untersucht die Wechselbeziehungen zwischen Ozeanoberfläche und Atmosphäre. Schließlich ist das WCRP Mitglied im Earth System Science Partnership (ESSP).

gen wichtige Datenprodukte für die Bewertung von Wasserhaushaltsgrößen zur Verfügung. Eine neuere Komponente des GEWEX-Programms ist der Aufbau eines verbesserten Datensatzes aus in situ-, Satelliten- und modellierten Daten für die Zeitspanne von 2002 bis 2004, um eine bessere Datenbasis für die Modellierung des Wasserhaushalts abzuleiten. Diese Arbeit wird durchgeführt von CEOP (Coordinated Enhanced Observing Period ). Erste Datensätze sind bereits beim CEOP-Datenzentrum an der Universität Tokio archiviert und können z. B. für die Überprüfung der numerischen Wettervorhersage genutzt werden. Ein anderes wichtiges Projekt unter der Schirmherrschaft von GEWEX und CLIVAR ist das multidisziplinäre Analyseprojekt des afrikanischen Monsuns (African Monsoon Multidisciplinary Analysis, AMMA). Weitere Informationen zu GEWEX finden sich auf der Internetseite des internationalen GEWEXProjektbüros .

Das SPARC-Projekt Das WCRP-SPARC-Projekt hat die Aufgabe den Einfluss der Stratosphäre auf das Klima und die gekoppelten chemischen und dynamischen Pro-

11

1.1 Das Weltklimaprogramm

Strahlungsschwankung der Sonne UV-Strahlung

Zirkulationsveränderungen Strahlungsbilanz Tropo pa

use

H 2O

O3 Erwärmung

SO2-Freisetzung führt zu stratosphärischen Aerosolen

UV-Oberflächenstrahlung

zesse sowie die Strahlungsbedingungen in der Stratosphäre zu untersuchen. Insbesondere die stratosphärische Zirkulation (z. B. QBO, ▶ Abschnitt 2.11.6) und die Zusammensetzung der stratosphärischen Luftmassen hinsichtlich Ozonabbau und dadurch bedingter UV-Strahlungszunahme in der Troposphäre werden untersucht. Die mögliche Veränderung der UV-Strahlung durch den Klimawandel und deren Auswirkung auf den Menschen sind Inhalt weiterer Forschungsinitiativen (CLIMAderm, Kappas et al. 2008). Gerade die langfristigen Untersuchungen zu Temperatur, Wasserdampfgehalt und Ozongehalt der Stratosphäre haben die enge Verzahnung der Variablen untereinander (Feedback-Loops) verdeutlicht und dem SPARC-Projekt internationales Ansehen verliehen. SPARC hat unterschiedliche wissenschaftliche Initiativen gestartet, um Veränderungen in der Stratosphäre und ihre Wirkung auf das Klimasystem zu bewerten. Wichtige Forschungsfragen sind dabei die chemischen Interaktionen in der Stratosphäre sowie die Kopplung von Stratosphäre und Troposphäre. In diesem Zusammenhang sind die langjährigen Untersuchungen zur Bewertung und Modellierung des Ozonlochs in der polaren Stratosphäre sowie zum bis jetzt unerklärlichen positiven Trend der Wasserdampfzunahme in der unteren Stratosphäre zu nennen.

1.1 Einflüsse der Stratosphäre auf das Klima – Kernaufgaben von SPARC. Stratosphärische Prozesse spielen eine bedeutende Rolle für das Erdklima. Die Absorption solarer Strahlung in der Stratosphäre durch Ozon (dunkler Pfeil) modifiziert das solare Forcing auf das Erdklima entscheidend. Die Konzentration einiger stratosphärischer Gase (Ozon, Kohlendioxid, Wasserdampf) verändert die Strahlungsbilanz. Zusätzlich besteht eine wichtige Interaktion zwischen stratosphärischer und troposphärischer Dynamik. Vulkanausbrüche erhöhen den stratosphärischen Aerosoleintrag und können zur Veränderung der Strahlungsbilanz und Zirkulationsveränderungen in der Stratosphäre führen, die wiederum auf die Zirkulation in der Troposphäre rückwirken.

Neuere SPARC-Initiativen berücksichtigen die Untersuchung stratosphärischer Aerosole und die Bildung sogenannter stratosphärischer Wolken (Polar Stratospheric Clouds, PSCs). Abbildung 1.1 zeigt die unterschiedlichen Einflüsse der Stratosphäre auf das Klima und damit die Kernaufgaben des SPARC-Projekts. Der weitere Forschungsbedarf im Rahmen von SPARC liegt in der Klärung der Frage, welche Bedeutung die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre in Zukunft auf das Klima haben wird. Die Entwicklung von globalen Klimamodellen, die ein „atmosphärisches Chemiemodul“ beinhalten, wird von SPARC dringend gefordert. Weitere Informationen finden sich auf der Internetseite des internationalen SPARC-Projektbüros .

Das CliC-Projekt Das WCRP-CliC-Projekt ist das Nachfolgeprojekt von ACSYS (Arctic Climate System Study), einer Studie, welche von 1994 bis 2003 die Rolle der Arktis für das globale Klimasystem untersucht hatte. Die Projektergebnisse sind umfassend dokumentiert („The ACSYS decade and beyond“, WCRP-117-CD und WCRP-118-CD,

12

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

WMO/TD No. 1231/1232, 2004). Auch das CliC-Programm untersucht die Interaktion der Kryosphäre mit dem globalen Klimasystem. Die Kryosphäre umfasst den Bereich der Erdoberfläche, der von Eis bedeckt ist. Dazu gehören das Meereis, das Inlandeis, das Schelfeis, die Gebirgsgletscher und die mit Schnee bedeckten Flächen. Diese Gebiete stellen empfindliche Indikatoren für mögliche natürliche oder anthropogen bedingte Klimaänderungen da. Signifikante Veränderungen der Kryosphäre in jüngerer Vergangenheit sind der Rückgang des Meereises im arktischen Ozean mit der geringsten Meereisausdehnung im Monat September der Jahre 2002 und 2003, das Rückschmelzen des grönländisches Eispanzers seit Untersuchungsbeginn 1980, der Abbruch des Larsen-B-Eisschelfes in der westantarktischen Halbinsel im Jahr 2002 sowie das Rückschmelzen der überwiegenden Zahl von Gebirgsgletschern auf den Kontinenten. CliC fokussiert die Untersuchungen auch auf die Rolle der Permafrostböden und die damit verbundene mögliche Freisetzung von Treibhausgasen (vor allem Methan, CH4). Im Internationalen Polarjahr (IPY) 2007/2008 übernahm CliC eine führende Forschungsrolle. Weitere globale Fragestellungen des CliC-Projekts sind die thermohaline Zirkulation unter weiterer Einfütterung von Süßwasser im Nordatlantik, Änderungen der Zirkulation im südlichen Ozean sowie Eis-Albedo-Rückkopplungen. Eis-Albedo-Rückkopplung, bedeutsame positive Rückkopplung, bei der sich durch eine Abkühlung der Atmosphäre die Schnee- und Eisbedeckung auf der Erdoberfläche ausdehnt. Durch die erhöhte Albedo wird die Abkühlung weiter verstärkt. Gilt als einer der wichtigsten Prozesse beim Übergang von einer Warmzeit in eine Kaltzeit und ist daher auch Bestandteil von Klimamodell-Rechnungen.

Seit 1995 unterstützt das WCRP über seine Projekte das Internationale Programm antarktische Bojen (IPAB), das Messwerte zur Situation im südlichen Ozean bereitstellt. Das IPAB-Projekt wird im laufenden IPY erweitert. Weitere Informationen zu CliC finden sich auf der Internetseite des internationalen CliCProjekt-Büros .

1.1.2 Erdsystemforschung – die Gründung des ESSP (Earth System Science Partnership) Mit der WCRP-Strategie COPES entwickelte sich die reine Klimaforschung hin zu einer Erdsystemforschung, die Fragen des Globalen Wandels (Global Change) mit berücksichtigt. Diese Öffnung und Ausweitung des Forschungsbereichs erfordert eine engere Zusammenarbeit mit anderen globalen Verbundprojekten wie z. B. dem International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP) oder anderen komplexen Projekten; diese werden seit 2001 im Earth System Science Partnership (ESSP) zusammengeführt . Im Jahr 2001 fand in Amsterdam die erste öffentliche Tagung zum Globalen Wandel statt (Challenges of a Changing Earth: Global Change Open Science Conference Amsterdam), an der 1 400 Teilnehmer aus über 100 Ländern teilnahmen und die sogenannte Amsterdamer Deklaration zum Globalen Wandel unterzeichneten. Die Deklaration zielt auf die stärkere Integration und Zusammenarbeit der großen globalen Umweltforschungsprogramme ab. Kernforderung ist die Interdisziplinarität der Forschung mit ausdrücklicher Betonung einer stärkeren Zusammenarbeit von Natur- und Sozialwissenschaften und verstärkten Einbindung von Wissenschaftlern aus Entwicklungsländern. Diese Deklaration besiegelte den Zusammenschluss der vier großen globalen Umweltforschungsprogramme (DIVERSITAS, IGBP, IHDP und WCRP) und weiterer Verbundprojekte (joint projects) zu den Themen Wasser, Nahrung, Kohlenstoff und Gesundheit, die fortan eine Partnerschaft zur Erdsystemforschung (ESSP) bilden. Gemäß der Amsterdamer Deklaration ist die Aufgabe der ESSP: The ESSP is a partnership for the integrated study of the Earth System, the ways that it is changing, and the implications for global and regional sustainability.

Die ESSP-Partnerschaft steht also für eine integrierte Erforschung des Erdsystems, dessen Veränderung sowie die sich daraus ergebenden Folgen für eine nachhaltige Entwicklung im regionalen und globalen Maßstab. Ihre Gründung war ein klares Signal für die zukünftig stärkere Einbin-

13

1.1 Das Weltklimaprogramm

ha

ft

zur

Erdsystemfor

IGBP

) SSP

Diversitass

sc hu

(E ng

Part ne r sc

dung der Klimaforschung in die übergeordnete „Global-Change-Forschung“ (siehe dazu ausführlich Teil II „Klimawandel – Global Change“).

ESSP IHDP oje Pr

kte zur globalen

Na

Wasser (GWSP)

Nahrung Kohlenstoff (GCP) (GECAFS)

it igke

geme

e

lt ha ch

ins am

WCRP

menschliche Gesundheit

1.2 Earth System Science Partnership (ESSP): Bündelung der Kompetenzen der vier größten Umweltforschungsprogramme und Konzentration auf gemeinsame Projekte zur nachhaltigen Betrachtung der Bereiche Wasser, Nahrung, Kohlenstoff und menschliche Gesundheit.

Earth System Science Partnership (ESSP) im Überblick Integration folgender großer Umweltforschungsprogramme: • World Climate Research Programme (WCRP) • International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP) • International Human Dimensions Programme on Global Environmental Change (IHDP) • International Programme on Biodiversity (DIVERSITAS) Die ESSP hat zurzeit vier Verbundprojekte:

• Global Carbon Project (GCP) • Global Environmental Change and Food Systems (GECAFS) • Global Environmental Change and Human Health • Global Water System Project (GWSP) WCRP, IGBP and IHDP unterstützen die Initiative „SysTem for Analysis, Research und Training (START)“.

Die Gründung der ESSP führte 2006 zur ersten von der ESSP initiierten wissenschaftlichen Konferenz in Beijing, China. Die Komplexität der Klimaforschung im Rahmen einer Global-Change-Forschung lässt sich nicht nur an den Strukturen und Initiativen der internationalen Forschungslandschaft ablesen, sondern wird auch durch die zunehmenden Datenflüsse der Umweltsatelliten und Bodenstationen verdeutlicht. Enorme Datenmengen müssen durch die bereits vorhandenen beziehungsweise sich in Planung befindlichen Satelliten (▶ Abschnitt 1.3) gespeichert, analysiert und bewertet werden. Nicht nur für die Atmosphäre, sondern auch für die Ozeane sind z. B. durch das ARGOS-Bojen-System zahlreiche Daten über die Ozeanstruktur zu verarbeiten. Das bereits im Rahmen des WCRP gestartete Vorgängerprogramm World Ocean Circulation Experiment (WOCE) wird eine bedeutende Datenquelle für die Beobachtung der Ozeane und somit ein integraler Bestandteil eines sich entwickelnden Ozean-Monitoring-Systems sein. ARGOS, System an Bord der polarumlaufenden Satelliten der National Oceanic and Aeronautical Agency (TIROS) zur Ortung der Position von Objekten, zum Abruf und zur Übermittlung von Daten automatischer Stationen und zur Messung geophysikalischer Parameter.

Diese und viele andere in situ-Daten müssen unter einem gemeinsamen Qualitätsstandard in ein System integriert werden. Diese Aufgabe übernimmt international das Global Earth Observation System of Systems (GEOSS). Dieses wurde am 13. Februar 2005 auf dem 3. Earth Observation Summit (EOS-III) mit dem Ziel gegründet, Datenredundanzen zu minimieren und optimierte Datenprodukte und Datenservices für die Wissenschaft bereitzustellen. Dieser internationale Rahmen zur Archivierung von Daten betrifft zurzeit besonders drei Archivierungsstellen:

• das UCAR/JOS-Datenarchiv USA • das Datenarchiv des Deutschen Klimarechenzentrums des Max-Planck-Instituts in Hamburg • das Satellitendaten- und in situ-Datenzentrum an der Universität von Tokio Die daran beteiligten Beobachtungssysteme müssen sich bezüglich der Datenerzeugung und Da-

14

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

tenqualität an einen internationalen Standard halten und ein vereinheitlichtes Datenmanagementschema erfüllen. Anhand des Weltklimaprogramms konnte die Komplexität der Klimaforschung und deren Entwicklung hin zu einer disziplinübergreifenden Wissenschaft mit gewaltigen Herausforderungen für Natur- und Sozialwissenschaften verdeutlicht werden. Beispielhaft hierfür steht die Einrichtung der ESSP und deren integrativen Ansatzes von Naturund Sozialwissenschaften (insbesondere IHDP). Es zeichnet sich ab, dass ausgehend von den letzten Jahren neben disziplinären Fragen in verstärktem Maße Wechselwirkungen zwischen physikalischen, biologischen, geologischen und chemischen Komponenten des Klimasystems analysiert werden und insbesondere deren Relationen zu möglichen Änderungen der Gesellschaftssysteme in den Vordergrund rücken. Die Kenntnis dieser Forschungsstrukturen und Forschungstendenzen ist erforderlich, um an aktuellen Ergebnissen der Forschung teilzunehmen, und um Forschungsredundanzen vermeiden zu können. Auch auf europäischer und nationaler Ebene in Deutschland (vgl. DENKEN, WBGU, BMBF) ergeben sich ähnliche Entwicklungen für die Bedeutung der Klima- und Global-ChangeForschung. Grundlage der Klimaforschung ist die Erfassung und Verwaltung der klimatischen Messdaten. Ohne die über viele Jahrzehnte regelmäßig durchgeführte Klimabeobachtung und deren Inventarisierung könnten keine fundierten Aussagen über den Zustand der Erde und unser Klima getroffen werden. Die Messdaten der Vergangenheit sowie die zukünftigen Messnetze sind Voraussetzung und Basis der Klima- und Global-Change-Forschung. Die wichtigsten Messnetze und Beobachtungssysteme werden im folgenden Abschnitt vorgestellt.

1.2 Klimaerfassung – Messnetze und Beobachtungssysteme In weiten Teilen der Erde werden seit etwa 1850 Messwerte zur Erfassung des Klimas aufgezeichnet. In Deutschland werden seit 1782 sogenannte in situ-Messungen an Klimastationen

durchgeführt, so z. B. an der Klosterkirche des Hohenpeißenbergs in Oberbayern, der ältesten Messstation Deutschlands. Zu Beginn der Klimaaufzeichnung wurden vor allem Luftdruck und Temperatur gemessen. Nach und nach entstanden neue Messnetze, die meist an die Erfindung neuer Technologien und Messtechniken innerhalb kleiner Forschungsnetze gekoppelt waren. Prinzipiell ist zwischen dem klimatologischen Messnetz und dem synoptischen Messnetz zu unterscheiden. Das klimatologische Messnetz erfasst in der Regel tägliche Werte eines Ortes. Die gewonnenen Daten werden für den Aufbau langjähriger Zeitreihen und für langfristige Vergleiche (Klimaforschung) herangezogen. Allerdings sind gerade in Deutschland die Zeiträume z. B. für die Bestimmung der jeweiligen Höchst- und Tiefsttemperatur eines Ortes immer wieder verändert worden, was die Standardisierung der Daten gefährdet. Letztmalig wurde diese Referenzzeit im April 2001 geändert. Ein weiterer wesentlicher Nachteil dieses Messnetzes ist die verspätete Übermittlung der Daten an die Öffentlichkeit, Unternehmen oder Wissenschaftler, die gegebenenfalls erst Wochen nach dem Messzeitpunkt erhältlich sind. Im synoptischen Messnetz werden die Daten demgegenüber in Echtzeit erhoben und übermittelt. Die Referenzzeiträume sind seit Beginn der Aufzeichnungen konstant und liegen hinsichtlich Tiefsttemperatur zwischen 18 UTC (Weltzeit, Universal Time Co-ordinated) und 06 UTC und hinsichtlich Höchsttemperatur zwischen 06 UTC und 18 UTC. Damit sind zwar nur 12-stündige Messzeiträume verfügbar, aber man erhält eine in sich geschlossene Datenreihe. Die vielen weltweit durchgeführten Messungen in der Meteorologie und Klimatologie müssen bezüglich Messverfahren verwendete Sensoren und Auswertungsmethoden vereinheitlicht und kalibriert werden. Hierzu wurden zwei Institutionen der Vereinten Nationen geschaffen: die bereits erwähnte Weltorganisation für Meteorologie in Genf (WMO), zuständig für Meteorologie und operationelle Hydrologie, und die zwischenstaatliche Kommission für Ozeanographie (Intergovernmental Oceanographic Commission, IOC) der UNESCO in Paris, zuständig für die Beobachtung (Monitoring) der Ozeane. Mit 188 Mitgliedsstaaten steht der WMO ein globales, weltumspannendes „dreidimensionales“ Beobachtungssystem für Atmosphäre und Erdoberflä-

1.2 Klimaerfassung – Messnetze und Beobachtungssysteme

UNESCO, United Nations Education, Science and Culture Organization,UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN); staatliche Organisation, die weltweit Ausbildung, Wissenschaft und Kultur fördert. Sie führt vier naturwissenschaftliche Langzeitprogramme durch: das internationale geologisches Korrelationsprogramm (IGCP), das internationale hydrologische Programm (IHP), die internationale ozeanische Kommission (IOC) und das Programm Mensch und Biosphäre (MAB).

che zur Verfügung. Das Beobachtungssystem für Ozeane ist hingegen erst seit Ende der 1990erJahre im Aufbau. Im internationalen Forschungsprogramm ARGO wurden von 1999 bis 2007 insgesamt 3000 Treibbojen (floats) flächendeckend in allen Ozeanen ausgesetzt.  1.3 Meldende Beobachtungsstationen. Datenabdeckung (alle Beobachtungen synoptischer und schiffsbasierter Stationen). Gesamtanzahl der Beobachtungen am 15. November 2005 am ECMWF (Europäisches Zentrum zur Wettervorhersage) = 26829. ( Farbtafel)  1.4 Meldende Bojenstationen. Gesamtanzahl der Beobachtungen am 15. November 2005 am ECMWF = 3460. ( Farbtafel)  1.5 Abdeckung durch Satellitenbeobachtungen. Gesamtanzahl der Beobachtungen am 15. November 2005 am ECMWF = 258271. ( Farbtafel)

Globale Ozeanbeobachtungssysteme (GOOS) Ein erster Meilenstein für das Beobachtungssystem des Ozeans sind z. B. die Tropical-Atmosphere-Ocean-Bojen (TAO) des Projekts „Tropischer Ozean – Globale Atmosphäre“ (TOGA). Dieses Messnetz überspannt den gesamten tropischen Pazifik mit einer Anordnung von verankerten Bojen, die in der oberflächennahen Luftschicht die Parameter Druck, Temperatur sowie Windstärke und Windrichtung messen und im Wasser bis in etwa 500 m Tiefe Temperatur, Salzgehalt und Strömung aufzeichnen. Die TAO-Bojen übermitteln diese Daten kontinuierlich via Satellit an die angeschlossenen Wetterdienste. Diese werten die Daten aus und stellen die Ergebnisse im Internet zur Verfügung, wo sie für Jahreszeitenprognosen (z. B. im Rahmen der Forschung über den El-Niño-Southern-

15

Oscillation-Mechanismus, ENSO) genutzt werden. Die Instrumente, die zunächst im TOGA-Projekt des WCRP an den TAO-Bojen eingeführt worden waren, lieferten ausreichend gute Startdaten, mit denen gekoppelte Computermodelle der Atmosphäre und des Ozeans erstmals „gefüttert“ werden konnten. Dies war ein Durchbruch, um künftig Wahrscheinlichkeitsaussagen über Temperaturund Niederschlagsanomalien im tropischen Pazifik treffen zu können. Heute wird das ehemalige multinationale TAO-Forschungsmessnetz überwiegend von den USA betreut und ist in routinemäßige Arbeiten zur Wetter- und Klimabeobachtung des tropischen Pazifik „operationell“ eingebunden. Ein ausführliches Review des TOGA-Projekts wurde 1998 von der amerikanischen geophysikalischen Union herausgegeben (Anderson et al. 1998). Ein weiteres Beispiel für die Einbindung ehemaliger Forschungsprojekte in die Routine der staatlichen meteorlogischen Dienste ist das Satellitenprojekt GOME (Global Ozone Monitoring Experiment), ein Instrument zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre. GOME startete 1997 an Bord des Erdbeobachtungssatelliten ERS-2 der Europäischen Weltraumagentur (ESA) als erster europäischer Satellitensensor in den Orbit. Heute ist GOME langfristig an Bord der MetOp-Satelliten von EUMETSAT (European Association for the Exploitation of Meteorological Satellites) im Rahmen des EUMETSATPolar-Systems, um die globale Ozonverteilung in der Stratosphäre sowie den Gehalt an Stickoxiden und anderen Spurengasen in der Atmosphäre zu bestimmen (▶ Abschnitt 1.3 liefert ausführliche Informationen zum Ausbau der globalen Messnetze durch Satelliten). Parallel zu den Entwicklungen der in situ-Messungen und der Satellitentechnik hat sich eine weitere Herangehensweise zur Ableitung flächendeckender, langer Klimazeitreihen entwickelt: die sogenannte Re-Analyse. Dieses Instrument der globalen Klimaanalyse liefert in sich stimmige zeitliche Abfolgen für die Zustände der Atmosphäre. Dabei trägt man alle bis zu einem Zeitpunkt vorliegenden Beobachtungen an der Erdoberfläche und in der Atmosphäre zusammen und fügt sie mittels eines numerischen Modells für die globale Zirkulation in ein für den gesamten zur Verfügung stehenden Zeitraum konsistentes Bild. Das Re-Analyse-Verfahren nutzt dieses Modell im Abstand von sechs Stunden je-

16

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

weils als Vorhersagemodell für die nächsten etwa sechs bis zwölf Stunden. Das berechnete globale Zirkulationsmuster stellt dann eine modifizierte, physikalisch konsistente Darstellung aller Beobachtungen dar. Gebiete mit offensichtlich fehlerhaften Messungen oder nicht ausreichend dichter Messwerterfassung (Stationsdichte) werden durch die Physik des Modells verbessert oder ergänzt. So steht den Wissenschaftlern für jeden Punkt eines über die Erde gelegten Gitternetzes eine langjährige Zeitreihe bezogen auf den jeweils gewählten Klimaparameter (z. B. Temperatur, Wind) für unterschiedliche Höhenniveaus zur Verfügung. Gleichzeitig können nicht beobachtete Modellvariablen wie zum Beispiel der Bedeckungsgrad der Wolken mitberechnet und in die Analyse einbezogen werden. Jede Modellverbesserung ergibt nach einigen Jahren durch erneute Re-Analyse eine verlängerte und immer näher an der Realität liegende globale Zeitreihe. Das Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) hat in der Vergangenheit die Bildung von Re-Analyse-Datenreihen stark unterstützt. Die wichtigsten Re-Analyse-Datensätze sind aktuell der ERA-40Datensatz des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF) für den Zeitraum 1958–2002, der regionale Re-Analyse-Datensatz des National Center for Environmental Prediction (NCEP) der USA für den Zeitraum 1979–2003 sowie der Re-Analyse-Datensatz (1979–2004) der Japan Meteorological Agency (JMA). Aktuell werden weltweit alle klimatologischen Daten im Rahmen des Weltklimadaten- und Monitoring-Programms (World Climate Data and Monitoring Programme, WCDMP) verwaltet. Dieses WCP-Programm hat die Aufgabe, Klimadaten weltweit zu sammeln und geeignete Verwaltungsund Beobachtungsstrukturen aufzubauen. Dieser Auftrag schließt die Erfassung und Bewertung der Klimavariabilität sowie des Klimawandels ein. Diese Aktivität der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) lässt sich bis in das Jahr 1950 zurückverfolgen. Damals definierte die WMO die sogenannten Standardnormalen (climatological standard normals) als mittlere klimatologische Werte für eine Periode von 30 Jahren. Die Daten der Klimanormalperiode 1931–1960 wurden 1962 von der WMO veröffentlicht. In Folge bereitete das in den USA beheimatete National Climatic Data Center (NCDC) die Klimanormalperiode 1961–1990 auf und besitzt heute das weltgrößte

Datenarchiv. Diesen Datensatz veröffentlichte die WMO 1996, eine elektronische Ausgabe seitens des NCDC folgte 1998. Die WMO gab in Folge sogenannte World Weather Records (WWR) heraus, welche Monatsmittel- und Jahresmittelwerte für jedes Jahr einer Dekade hinsichtlich Luftdruck, Temperatur und Niederschlag enthielten. Die WWRs werden seit 1920 kontinuierlich in dekadischer Auflösung (1921–1930, 1931–1940, 1941–1950 usw.) herausgegeben. Anlaufstelle für die Recherche von Klimadaten und vielen anderen umweltrelevanten Daten ist das World Data Center System (WDC-System) des International Council for Science (ICSU). Die wichtigsten WDC-Systeme für traditionelle in situ–Klimadaten sind:

• das WDC-A und WDC-B für Meteorologie des ICSU

• das WDC für Globalen Niederschlag der WMO

• das Weltdatenzentrum Abfluss (Global Runoff Data Center) der WMO Zusammenfassend kann für das System der Erdbeobachtung festgehalten werden, dass sich die Messwerterfassung kontinuierlich entwickelt und ständig neue Beobachtungssysteme hinzukommen. Strategisch ist die weltweite Beobachtung und Messung des Klimas mittlerweile in eine „koordinierte Periode intensiver Beobachtung“ übergegangen. Dafür steht das gleichnamige WMO-Projekt CEOP (Co-ordinated Enhanced Observing Period), welches bis Ende 2004 lief oder das GCOS-Projekt (Global Climate Observing System), das die integrative Weiterentwicklung bestehender Beobachtungssysteme zum Ziel hat. Die Sicherstellung der „systematischen Beobachtung“ ist also ein international wichtiges Ziel und daher auch in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) fest verankert. Die Klimatologen nutzen weitestgehend die Daten aus Messnetzen, die von meist staatlichen Wetterdiensten in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut und betrieben werden. Diese Messnetze wurden im Rahmen der Weltwetterbeobachtung (World Weather Watch, WWW) der WMO hauptsächlich für Zwecke der Wettervorhersage eingerichtet und betrieben. Sie erfüllen deshalb nicht immer die besonderen Anforderungen der Klimatologen, die auch auf lange Datenreihen mit hoher Genauigkeit abzielen.

17

1.2 Klimaerfassung – Messnetze und Beobachtungssysteme

Da die Wetterdienste die Datenreihen archivieren, stehen den Klimatologen heute prinzipiell in vielen Teilen der Welt weit zurückreichende Datenreihen klimatologischer Beobachtungen zur Verfügung, deren Bedeutung für die Forschung sie immer wieder betonen. Die Anforderungen jedoch, die sich aus den unterschiedlichen Nutzergruppen für klimatologische Daten ergeben, sind vielseitig. Um die Datenaufzeichnungen besser koordinieren zu können, wurde 1992 ein globales Klimabeobachtungssystem (Global Climate Observing System, GCOS) eingerichtet . GCOS soll sicherzustellen, dass – basierend auf den vorhandenen Systemen – die Anforderungen der Datennutzer erfüllt werden. Das GCOS-Sekretariat ist der WMO in Genf angegliedert und nutzt nicht nur die Messnetze der Wetterdienste, sondern greift auch auf die klimarelevanten Beobachtungen des globalen Ozeanbeobachtungssystems (Global Ocean Observing System, GOOS, ) sowie des globalen terrestrischen Beobachtungssystems (Global Terrestrial Observing System, GTOS, ) zurück. GOOS und insbesondere GTOS befinden sich noch im Aufbau. Das GCOS kann nochmals in drei „Observation Panels“ aufgeteilt werden:

• Atmospheric Observation Panel for Climate (AOPC)

• Oceanic Observation Panel for Climate (OOPC)

• Terrestrial Observation Panel for Climate (TOPC) Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte bereits im Herbst 1992 ein nationales Sekretariat vergleichbar dem des internationalen GCOS-Sekretariats eingerichtet, um die internationalen Aktivitäten auf nationaler Ebene zu koordinieren. Ein weiteres nationales Sekretariat für GOOS wurde beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) etabliert. Ein nationales GTOSSekretariat fehlt in Deutschland jedoch bisher. Das GCOS definierte 1999 ein Bodenmessnetz (GCOS Surface Network, GSN), um insbesondere die variable Temperatur auf globaler Ebene überwachen zu können. Dazu wurden weltweit über 900 der klimatologisch wichtigsten Beobachtungsstationen ausgewählt. Die Überprüfung der Verfügbarkeit und Qualität der Klimadaten dieser Stationen ist Aufgabe des ebenfalls 1999 eingerichteten GSN Monitoring Centre (GSNMC), das

ICSU

IOC

WMO

UNEP Geo

GCOS Ozeanbeobachtungssysteme

Atmosphärenbeobachtungssysteme

Landoberflächenbeobachtungssysteme

GEOSS

1.6 Komponenten des GCOS-Beobachtungssystems.

der Japanische Wetterdienst (JMA) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) gemeinsam betreiben. Inzwischen liegen erste Ergebnisse der GSNMC-Überwachung seit Januar 1999 vor. Leider zeigt sich, dass in einigen Gebieten die Verfügbarkeit der Stationen nicht zufriedenstellend ist. Obwohl es sich um besonders ausgewählte Stationen handelt, existieren große Schwankungsbreiten hinsichtlich der Verfügbarkeit in der Anzahl der empfangenen Stationen im Rahmen der von der WMO ausgewählten globalen Regionen (RAs). Die Verfügbarkeit der GSN-Stationen für die verschiedenen WMO Regional Assoziationen (RA I: Afrika; RA II: Asien; RA III: Südamerika; RA IV: Nord- und Mittelamerika; RA V: Südwest-Pazifik; RA VI: Europa) schwankt zwischen 25 % und 90 %. Die geringste Verlässlichkeit bezüglich Stationsverfügbarkeit weist die RA Afrika auf. Ursache des Problems ist, dass in vielen Ländern oftmals die finanziellen Mittel für Personal und den Betrieb der Stationen fehlt. So belegt der 4. Sachstandsbericht des Weltklimarats (AR4), dass weitere Verbesserungen bei den Beobachtungssystemen notwendig sind, um neue und verbesserte Kenntnisse über den Zustand des Klimas ableiten zu können. Das GCOS reagierte auf den IPCC-Sachstandsbericht mit einer umfassenden Stellungnahme über die zukünftige Ausrichtung des internationalen Beobachtungssystems und empfiehlt in seinem Implementation Plan (GIP) folgende Klimavariablen als wesentliche Messgrößen (Essential Climate Variables, ECV, Tabelle 1.2): Weitere Informationen zum Erde umspannenden Beobachtungssystem findet sich unter

• GEO (2005): Global Earth Observation System of Systems (GEOSS) 10-Year Implemen-

18

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

tation Plan and Reference Document, GEO1000R, Februar 2005 • GCOS (2004): Implementation Plan for the Global Observing System for Climate in Support of the UNFCCC (GCOS-92, Oktober 2004, ) • UNFCCC (1992): United Nations Framework Convention on Climate Change, 9 Mai 1992 Die Konzeption und der Aufbau des Beobachtungssystems unserer Erde lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Operationelle und experimentelle Satellitensensoren liefern globale Beobachtungen, die von den Raumfahrtagenturen der USA (NASA), Europas (ESA) und Japans (JMA) einschließlich der nationalen und internationalen Wetterdienste koordiniert werden. 2. Referenzstationen auf den einzelnen Kontinenten beobachten das Klima vom Erdboden aus. Diese hervorragend ausgestatteten Stationen liefern nicht nur meteorologische Routinebeobachtungen hoher Qualität und speisen diese ins internationale KommuniTabelle 1.2

1

2

3

kationsnetz GTS (globales Kommunikationssystem der WMO) ein, sondern bestimmen auch den Energiehaushalt (einschließlich der Strahlungsbilanz) an ihrem jeweiligen Standort. An diesen Stationen starten zwei- bis viermal pro Tag Radiosonden für die Vertikalprofilierung der Atmosphäre. Darüber hinaus wird die Atmosphäre in der Höhe mithilfe von Messmasten, Radar und LIDAR (Lasermessung) sondiert. Die so gewonnenen Messwerte dienen der Kontrolle und Kalibrierung der Satellitendaten. 3. Die Wetter- und Klimavorhersagezentren (z. B. ECWMF) führen globale Analysen des Zustands von der Atmosphäre und den Ozeanen nahe Echtzeit durch. Dadurch können neue Parametrisierungen wichtiger Klimaprozesse getestet werden. 4. Die Speicherung der Daten in einem Gittersystem (zurzeit 250 km) um jede Referenzstation ermöglicht, räumliche Skalenänderungen vom lokalen Vor-Ort-Messwert bis hin zu einem Satellitenbildelement (Pixelauflösung etwa 200 m bis zu einigen Kilometern) und weiter bis hin zur Gitterauflösung von Klimamodellen vor-

Wesentliche Klimavariablen (ECV)

Sphäre

Wesentliche Klimavariablen (Essential Climate Variables, ECV)

Atmosphäre (über Land-, Ozean- und Eisflächen)

oberflächennahe Atmosphäre: Lufttemperatur, Niederschlag, Luftdruck, Strahlungshaushalt, Windgeschwindigkeit und -richtung, Wasserdampf höhere Atmosphäre: Strahlungsbilanz der Erde (einschließlich solarer irradiance), Lufttemperatur (einschließlich MSU radiances), Windgeschwindigkeit und -richtung, Wasserdampf, Wolkeneigenschaften Zusammensetzung der Atmosphäre: Kohlendioxid, Methan, Ozon, langlebige Treibhausgase1, Aerosoleigenschaften

Ozean

Ozeanoberfläche: Oberflächentemperatur (SST), Salzgehalt der Meeresoberfläche, Meereshöhe, Wellenhöhe, oberflächennahe Strömung, Meereis, Ozeanfarbe (Bestimmung biologischer Aktivität), CO2-Partialdruck unterhalb der Meeresoberfläche: Temperatur, Salzgehalt, Strömung, Nährstoffe, Kohlenstoff, Phytoplankton

Terrestrisch2

Abflussspende der Flüsse, Wassernutzung, Grundwasser, Seespiegelstände, Schneebedeckung, Gletscher und Eiskappen, Permafrost und saisonal gefrorener Boden, Albedo, Landbedeckung (einschließlich Vegetationseinheiten), Anteil absorbierter fotosynthetisch aktiver Strahlung (fAPAR), Blattflächenindex (LAI), Biomasse, Feuereinwirkung, Bodenfeuchte3.

einschließlich Distickstoffoxid (N2O), Chlorofluorocarbonate (CFCs), Hydrochlorofluorocarbonate (HCFCs), Hydrofluorocarbonate (HFCs), Schwefelhexafluorid (SF6), und Perfluorocarbonate (PFCs). Schließt ein den Abfluss (m3/sek.), Grundwasserentnahmeraten (m3/Jahr) sowie Verortung, Ausdehnung und Andauer der Schneebedeckung (km2), Schneehöhe (cm), Inventar und Massenbilanz (kg m-2 Jahr-1) der Gletscher und Eiskappen, Gletscherlänge (m), Massenbilanz (kg m-2 Jahr-1) und Ausdehnung (km2) der Eisdecken, Permafrostausdehnung (km2), Temperaturprofile, oberirdische Biomasse (t/ha), gebrannte Fläche (ha), Zeit und Ort aktiver Feuer, Verbrennungseffizienz (Anteil in % verbrannte Vegetation/Flächeneinheit). Als zunehmend bedeutende ECV erkannt.

1.2 Klimaerfassung – Messnetze und Beobachtungssysteme

zunehmen. Dies erlaubt auch die Entwicklung neuer regional hochauflösender Modelle (z. B. REMO, COSMO). 5. In den Ozeanen entwickelt sich ein ähnliches Vor-Ort-Beobachtungssystem mittels automatisch registrierender „Drifter“, die regelmäßig (z. B. alle zehn Tage) auf- und abtauchen und ihre während der Tauchgänge gemessenen Druck-, Temperatur und Salzkonzentrationswerte an einen Daten registrierenden Satelliten melden (ARGOS). Das geschilderte internationale Datenerfassungssystem zur Erdbeobachtung liefert letztendlich das „Futter“ für die hochkomplexen Klimamodelle, die für die Berechnung von Klimaprojektionen genutzt werden.

19

Parametrisierung, spezielle Methode zur empirischen Berücksichtigung von Vorgängen und Prozessen, die nicht explizit betrachtet werden. Besondere Anwendung findet die Parametrisierung in der numerischen Wettervorhersage, bei der aufgrund des verwendeten Gitterpunktsystems kleinräumige Vorgänge, deren charakteristische Länge kleiner ist als die Gitterweite, nicht explizit dargestellt werden können. Aufgrund bekannter empirischer Zusammenhänge wird die pauschale Wirkung eines solchen Vorganges durch die berechenbaren mittleren Modellvariablen berücksichtigt, ohne dass der eigentliche Prozess detailliert erfasst wird. Vorgänge, die typischerweise in Wettervorhersagemodellen in parametrisierter Form berücksichtigt werden, sind die turbulenten Flüsse sowie die Wolken- und Niederschlagsbildung.

Klimamodellierung – Klimamodelle Klimamodelle haben sich stetig in ihrer Leistungskapazität hinsichtlich räumlicher Auflösung und Berücksichtigung wichtiger Teilprozesse beziehungsweise Sphären verbessert. Dennoch sind auch die heutigen Modelle noch immer weit davon entfernt, die physikalische Komplexität des gesamten Erdsystems nur annähernd abzubilden. Vielmehr geben sie überwiegend die Strömungsprozesse in der Atmosphäre und den Ozeanen wieder. Wichtige Teilmodelle für die Chemie der Atmosphäre, die Umsetzungen in der Biosphäre (Kohlenstoffkreislauf) oder die Spurenstoffkreisläufe in der Stratosphäre müssen in Zukunft noch ergänzt und an die bestehenden Modelle angekoppelt werden. Die Modellierung des komplexen Erdsystems stellt jedoch große Anforderungen an Rechenzeit und Rechnerkapazität. Daher werden international entsprechend große Rechneranlagen entwickelt und gebaut (z. B. am Max-PlanckInstitut, MPI, in Hamburg), um dieser Herausforderung zu begegnen. Einer der leistungsstärksten Supercomputer der Welt, der „Earth Simulator“, steht in Japan (Tokyo). Den Kern jedes Klimamodells bilden die Atmosphäre und das in ihr stattfindende Wettergeschehen. Die Atmosphäre steht mit der Hydrosphäre (Ozeane und Wasserkreislauf), der Kryosphäre (Eis und Schnee), der Biosphäre (Pflanzen und Tiere) sowie der Pedosphäre (Boden) und der Lithosphäre (Erdkruste) in Wechselwirkung. Die

zeitliche Dynamik dieses Verbund- bzw. Klimasystems wird durch die zum Teil großen Unterschiede in der zeitlichen Schwankungsintensität seiner Teilsysteme bestimmt. So verändert sich die Atmosphäre in Stunden und Tagen. Die Zeitskalen bei den Ozeanen und großen Eismassen können demgegenüber von Jahrhunderten bis Jahrtausenden reichen. Zudem können kleine, durch nicht lineare Wechselwirkungen hervorgerufene Störungen innerhalb des Klimasystems potenziell große Auswirkungen haben. Auch externe Systemanregungen – „Antriebe“ – sind zu berücksichtigen (z. B. Veränderungen in der Sonneneinstrahlung, Vulkanismus). Die Modelle bilden Atmosphäre und Ozeane als jeweilige Einzelsysteme unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung physikalisch ab. Mathematisch entsteht dadurch ein gekoppeltes System von nicht linearen, partiellen und gewöhnlichen Differential- sowie einigen algebraischen Gleichungen. Die numerische Berechnung dieses Gleichungssystems erfordert eine Zerlegung der Erdatmosphäre und der Ozeane in Gitterzellen. Die Gitterzellen besitzen aktuell eine typische Kantenlänge von 250 bis 500 km (horizontal) und 9 bis 20 Schichten (vertikal). Die physikalisch-chemischen Vorgänge, die innerhalb einer Gitterzelle ablaufen (z. B. die Wolkenbildung) werden nicht modelliert, sondern „parametrisiert“. Die Parametrisierung der Prozesse

20

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

bedeutet die Berechnung der Zellengröße aus bekannten Werten an den Rändern jeder Gitterzelle über gesicherte physikalische Gesetzmäßigkeiten. Die heutigen Klimamodelle entwickelten sich aus Wettervorhersagemodellen und wurden routinemäßig erprobt. Dies bedeutet, dass sie mittels realer Daten kalibriert und geeicht werden. Dazu berechnet man mit ihnen das heutige Klima zurück und vergleicht die Modellergebnisse mit dem tatsächlich beobachteten Klima. Es werden globale Klimamodelle (Global Circulation Models, GCM) und regionale Klimamodelle (z. B. REMO, COSMO, WETTREG) unterschieden. Erstere beschreiben die gesamte Troposphäre, während regionale Modelle in der Regel zwar die gleiche Modellphysik nutzen, diese aber nur auf einen bestimmten geographischen Ausschnitt der Erde anwenden. Ein GCM berechnet die wichtigsten klimarelevanten physikalischen Vorgänge in der Erdatmosphäre, den Ozeanen und auf der Erdoberfläche und bildet diese Prozesse in stark vereinfachter Form ab. Vor allem Prozesse und Abläufe in der Biosphäre werden zurzeit noch als Größen

und Parameter vorgegeben. Es handelt sich um Systemgrößen, die sich während der Simulation den Systemveränderungen dynamisch anpassen sollten, um realistische Projektionen in die Zukunft ableiten zu können. Diese systeminternen Rückkopplungsprozesse stellen zurzeit noch eine große Herausforderung für die Modellierung dar. Die Modelle sind so komplex, dass sie nur in grober Auflösung (mehrere hundert Kilometer Gitterweite) gerechnet und abgebildet werden können. In Deutschland wird die Klimamodellierung schwerpunktmäßig am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg betrieben. Hier wurden die globalen Klimamodelle ECHAM-4 und ECHAM-5 entwickelt, die die Basisdaten für den vierten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) bildeten. Regionale Klimamodelle werden hauptsächlich an den großen Forschungsinstituten und -zentren erstellt (z. B. Forschungszentrum Karlsruhe, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK, sowie einige universitäre Institute). Eine vertiefende Einführung in die Modellierung findet sich bei von Storch et al. (1999).

physikalisches Klimasystem

: WCRP

Klimaänderung

stratosphärische Chemie/Dynamik

Vulkanismus

externer Antrieb

Sonne

atmosphärische Physik/Dynamik

Ozeandynamik

terrestrischer Energieund Wasserhaushalt

globaler Wasserkreislauf

marine Biogeochemie

Boden

Wasser

Treibhausgase

terrestrische Ökosysteme

anthropogene Aktivitäten

: IHDP

Landnutzung

troposphärische Chemie

Spurenstoffe, Treibhausgase

biogeochemische Spurenstoffkreisläufe

: IGBP

1.7 Das Erdsystemmodell. Die schematische Darstellung des Erdsystems und seiner Komponenten zeigt die Komplexität und damit Schwierigkeit einer umfassenden Modellierung des gesamten Systems. Das physikalische Klimasystem (blau) koordiniert das Weltklimaforschungsprogramm (WCRP). Das biologisch-chemische Klimasystem (dunkelblau) wird durch IGBP und der anthropogene Anteil am Klimasystem (grau) durch das IHDP gesteuert.

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Immer wichtiger werdende Hilfsmittel im globalen und regionalen Beobachtungssystem sind die zahlreichen bestehenden und sich in Planung befindlichen Satellitensysteme. Das Wissen über Satelliten und deren Informationsangebot werden für das Verständnis der Klimaforschung immer wichtiger. Eine Übersicht aktueller und zukünftiger Möglichkeiten der „Klimadiagnose“ aus dem All liefert der nächste Abschnitt.

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung Der Anblick unserer Erde, des Blauen Planeten, aus dem Weltraum ist zur Ikone unserer globalisierten Zeit geworden. Satelliten liefern mittels Sensoren vielfältige Umweltdaten von Flächen und Räumen, die mit anderen Methoden nicht zu-

sammengetragen werden könnten. Eine moderne zukunftsgerichtete Klimaforschung benötigt fundiertes Wissen über das System der Fernerkundung unserer Erde, die zur Verfügung stehenden Satelliten (einschließlich ihrer Sensoren) und die jeweiligen Datenprodukte. Die Abbildung 1.8 gibt einen Überblick des bis dato realisierten Beobachtungsnetzes der Erde. Ausgehend von der historischen Entwicklung der Fernerkundung geben die nächsten Abschnitte eine Übersicht der bestehenden Satellitensysteme und Datenprodukte. Diese Informationen sollen auf die aktuellen wissenschaftlichen Möglichkeiten hinweisen und gleichzeitig den Forschungsbedarf im Rahmen einer auf Klimawandel und Global Change gerichteten Forschung verdeutlichen. Die Ansprüche an eine satellitengestützte systematische Beobachtung unserer Erde wurden in den letzten Jahren mehrfach in unterschiedlichen „Strategiepapieren“ internationaler Organisationen formuliert und unterliegen einer stetigen Anpassung an die neuen Herausforderungen und Bedürfnisse der Forschung. Bezüglich des globalen Klima-

Globales Beobachtungssystem (GOS)

geostationärer Satellit

polarumlaufender Satellit

Satellitenaufnahmen

Flugzeugmessungen

Satellitenbodenstation

Ozeanmessbojen

Wetterradar

Satellitenmessungen

Schiffsmessungen

21

Station zur Messung der Hochatmosphäre (Radiosondenaufstiege)

Bodenstation nach WMO-Vorschrift

Bodendatenkontrollzentrum

1.8 Globales Beobachtungssystem der Erde (Quelle: GECOS 2007).

automatische Wetterstation

22

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

beobachtungssystems (GCOS) sind hier z. B. folgende Berichte zu nennen: GCOS-107, Systematic Observation Requirements for Satellite-Based Products for Climate. Supplemental details to the satellite-based componend of the Implementation Plan for the Global Observing System for Climate in Support of the UNFCCC. GCOS-107, WMO/TD No. 1338, September 2006 und GCOS-117, Future Climate Change Research and Observations: GCOS, WCRP and IGBP Learning from the IPCC Fourth Assessment Report Workshop and Survey Report GCOS-117, WCRP-127, IGBP Report No. 58, WMO/TD No. 1418, January 2008. Bevor wir uns mit den einzelnen Satellitensystemen beschäftigen, soll erläutert werden, was das Arbeitsgebiet Fernerkundung darstellt.

1.3.1 Fernerkundung – Was ist das? Jeder Mensch trägt sein eigenes Fernerkundungssystem mit sich. Das menschliche Sehvermögen ist ein beeindruckendes Fernerkundungssystem und erkennt in Rückkopplung mit unserem Gehirn und unserem Erfahrungsschatz komplexe Zusammenhänge. Unsere Augen nehmen das von der Umgebung reflektierte sichtbare Licht (Spektralbereich 0,4–0,7 Mikrometer) auf, interpretieren Farbe, Struktur, Umriss und Größe von Objekten und leiten daraus Informationen wie ihre Identität, ihren Zustand, ihre Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung und andere Eigenschaften ab. Das menschliche Fernerkundungssystem hat allerdings im Hinblick auf globale Erkundungsaufgaben klare Grenzen. Denn die menschliche Fähigkeit, Bilder zu speichern und zu rekonstruieren, ist ungenau. Auch können wir keine Informationen aufnehmen, die auf Wellenlängen basieren, die für unsere Augen nicht wahrnehmbar sind. Gebiete, die schwer zu erreichen oder gefährlich sind wie Regionen mit hohen Temperaturen und starker Strahlung sowie weite Bereiche der Ozeane und Regenwälder verschließen sich ebenfalls dem menschlichen Beobachter. Nach allgemeiner Definition bedeutet der Begriff Fernerkundung das Erfassen und Auf-

nehmen von Objekten aus der Entfernung ohne direkten Kontakt des Aufnahmesystems (Sensor) mit dem zu erkundenden Objekt. Die Informationsgewinnung mit Fernerkundungssystemen ist demnach von in situ-Verfahren zu unterscheiden, welche die Messwerterfassung direkt am Ort der zu messenden Variable durchführen. Die Fernerkundung ermöglicht als einziges Verfahren die Gewinnung flächenhafter Informationen über unsere Erde. Dies geschieht mithilfe der elektromagnetischen Strahlung, die vom beobachteten Objekt abgestrahlt wird (Reflektionsstrahlung – passive Fernerkundung). Fernerkundungsverfahren gehen von dem Phänomen aus, dass die natürliche und die künstliche Strahlung (z. B. Sonnenlicht, Radar, Schall) von den Objekten unterschiedlich emittiert beziehungsweise reflektiert wird. Die elektromagnetische Strahlung setzt sich als Funktion der Wellenlänge aus spezifischen Anteilen reflektierter, gestreuter und/oder emittierter Strahlung (Reflexion, Streuung, Emission) zusammen. Interaktionsmedien stellen die Atmosphäre und die Erdoberfläche im Sinne aller natürlichen und künstlichen Oberflächen dar. Deshalb wird der zentrale Bereich der Fernerkundung auch als Erdbeobachtung (Earth Observation, EO) bezeichnet. Die elektromagnetische Strahlung wird von Energiequellen ausgesendet und breitet sich in der Atmosphäre aus. Dabei tritt sie in Interaktion mit den atmosphärischen Teilchen und mit der Erdoberfläche. Diese Interaktionen werden von Sensoren innerhalb oder außerhalb der Atmosphäre aufgezeichnet und in analoger und/oder digitaler Form gespeichert. Energiequellen wie Sonne und Erde emittieren elektromagnetische Strahlung in wellenlängenabhängigen Intensitäten (Plancksches Strahlungsgesetz, Stefan-Boltzmann-Gesetz, Wiensches Verschiebungsgesetz, ▶ Abschnitt 2.2). Passive Fernerkundungsmethoden zeichnen elektromagnetische Strahlung auf, die von der Erdoberfläche reflektiert und/oder emittiert wird. Aktive Fernerkundungsmethoden (Radar, Laser – LIDAR) senden selbst kohärente Strahlungspulse aus und registrieren die Laufzeit beziehungsweise die Amplituden- und Phasendifferenz der von der Erdoberfläche zurückgestreuten oder reflektierten Signale. Radiometrische Korrekturen berücksichtigen die Strahlungscharakteristika der jeweiligen Energiequellen.

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

23

Das elektromagnetische Spektrum – Informationsträger der Fernerkundung Das elektromagnetische Spektrum wird vor allem durch die Basisparameter Wellenlänge und Frequenz charakterisiert. Die Wellenlänge wird in Bruchteilen der Längeneinheit Meter wie Nanometer [nm] oder Mikrometer [μm] angegeben. Parallel dazu ist aber auch die Angabe der Frequenz in Hertz oder Vielfache davon wie Megahertz [MHz], Gigahertz [GHz], Terahertz [THz] oder Petahertz [PHz] üblich. Diese Angaben werden vor allem bei Mikrowellen und langwelliger Strahlung benutzt. In der Wissenschaft finden aber auch Einheiten wie Wellenzahl [cm-1] oder Energie (Elektronenvolt [eV]) Verwendung. Beispielsweise sind 550 nm gleich 0,55 μm gleich 545,1 THz gleich 18 182 cm-1 gleich 2,25 eV. Das an sich kontinuierliche elektromagnetische Spektrum wird in der Praxis in Bereiche und Unterbereiche eingeteilt:

Diese Unterteilung wird oftmals noch feiner gegliedert. So kann der Bereich des sichtbaren Lichts in Farben unterschieden werden (blau 440–485 nm, grün 500–580 nm, rot 600– 680 nm), im mittleren Infrarot werden Unterbereiche des thermischen IR und des Wasserdampf-IR ausgewiesen und im Bereich der Mikrowellen sind ehemals militärische Bezeichnungen wie CBand, S-Band, oder X-Band in Gebrauch.

Tabelle 1.3 Praxisbezogene Unterteilung des elektromagnetischen Spektrums Wellenlänge

Frequenz

Bezeichnung

0,2 nm–125 nm

1 499 PHz–2,40 PHz

Vakuumultraviolett (extremes UV)

125 nm–200 nm

2,40 PHz–1,50 PHz

Vakuumultraviolett (Schumann-UV)

200 nm–260 nm

1,50 PHz–1,15 PHz

ultraviolett (UV-C)

260 nm–320 nm

1,15 PHz–937 THz

ultraviolett (UV-B)

320 nm–400 nm

937 THz–750 THz

ultraviolett (weiches UV) (UV-A)

400 nm–780 nm

750 THz–384 THz

sichtbares Licht (VIS)

780 nm–1 mm

384 THz–300 THz

nahes Infrarot (NIR)

1 mm–3,5 mm

300 THz–85,7 THz

kurzwelliges Infrarot (SWIR)

3,5 mm–50 mm

85,7 THz–6,00 THz

mittleres Infrarot (MIR)

50 mm–300 mm

6,00 THz–999 GHz

fernes Infrarot (FIR)

999 GHz–300 GHz

Submillimeterwellen

300 GHz–30 GHz

Mikrowellen (EHF)

30 GHz–3 GHz

Mikrowellen (SHF)

300 mm–1 mm 1 mm–1 cm 1 cm–10 cm 10 cm–1 m 1 m–10 m

3 GHz–300 MHz 300 MHz–30 MHz

Radiowellen (UHF) Radiowellen (VHF)

24

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

LIDAR (Light Detecting and Ranging) ist ein bodengestütztes oder flugzeuggetragenes Fernerkundungsmessverfahren, bei dem kohärentes Laserlicht pulsartig ausgesandt wird. Die Intensität und die Laufzeit des an Inhomogenitäten in der Atmosphäre zurück gestreuten Laserlichts werden gemessen und zur Bestimmung der Dichte und Entfernung der Streuobjekte verwendet. Mit dem LIDAR-Verfahren lässt sich die Höhe und Dichte von Aerosolschichten, Dunstschichten und Wolkenschichten vermessen.

In der Atmosphäre nimmt die Intensität der Sonnenstrahlung durch Streuung und Absorption in Funktion der Streupartikelgröße und der Wellenlänge ab (atmosphärische Extinktion, ▶ Kapitel 2). Eine große Strahlungsdurchlässigkeit besteht in sogenannten atmosphärischen Fenstern im sichtbaren Bereich des Spektrums, im nahen, im mittleren und im thermalen Infrarot sowie in hohem Maße im Mikrowellenbereich des elektromagnetischen Spektrums. Atmosphärische Korrekturen der Bilddaten sollen die durch die Extinktion bedingten störenden Einflüsse minimieren. Durch Interaktion der Strahlung mit der Erdoberfläche werden je nach Ausprägung der Landbedeckung (landcover) gewisse Strahlungsanteile reflektiert, andere absorbiert. Das Muster der

Reflexion als Funktion der Wellenlänge wird objektspezifische Spektralsignatur genannt und ist Kenngröße für die spektrale (thematische) Differenzierbarkeit von Objekttypen. Als mögliche Objekte sind alle Erscheinungen auf der Erdoberfläche, einschließlich der Ozeane (z. B. Ozeanfarbe), sowie Phänomene in der Atmosphäre zu nennen. Die Informationen beinhalten zum einen die Materialbestimmung, das heißt die Zusammensetzung von Erdoberfläche und Atmosphäre, und zum anderen die Zustandsbestimmung, z. B. Temperatur, Druck, Wasserdampfgehalt und andere klimatische Größen. Die Fernerkundungsdaten liegen heute überwiegend in digitaler Form vor und können in international standardisierten Formaten abgerufen werden, sodass sie für die Analyse in Geographischen Informationssystemen (GIS) und Klimamodellen verwendbar sind. Die wichtigsten Bestandteile der Bildanalyse in der Fernerkundung sind die Bildverbesserung, die geometrische Rektifizierung (Korrektur der perspektivisch und projektionsbedingt verzerrten Bilder), die Klassifizierung nach multi- und hyperspektralen sowie textur- und musterabhängigen Parametern. Für die Klimaforschung sind vor allem die multitemporalen Analysen und Vergleiche (Zeitreihenanalysen) langjähriger Satellitenmissionen von Bedeutung (z. B. NOAA AVHRR oder METEOSAT). Als Produkte der

Ozeanfarben und ihre Bedeutung Die „Färbung“ des Ozeans wird durch das Zusammenwirken des einfallenden Lichts mit den im Wasser vorhandenen Substanzen oder Teilchen verursacht. Wichtige Bestandteile sind frei treibende, fotosynthetische Organismen (Phytoplankton) und anorganische Schwebstoffe. Das Phytoplankton enthält wie die Landpflanzen Chlorophyll. Das Chlorophyll absorbiert Licht im blauen und roten Spektralbereich und reflektiert im grünen Bereich. Die Schwebstoffe reflektieren und absorbieren somit das eingestrahlte Licht, was die Lichtdurchlässigkeit des Wassers reduziert. Gelöste Stoffe können ebenfalls die Wasserfarbe beeinflussen. Radio-

meter untersuchen die Strahlungsintensität in bestimmten Wellenbereichen über der Meeresoberfläche. Die gemessene Strahlung wird quantitativ in Relation zu verschiedenen Bestandteilen der Wassersäule gesetzt, die mit dem sichtbaren Licht (VIS) interagieren. Die Chlorophyllkonzentration wird wiederum herangezogen, um die Kohlenstoffmenge zu bestimmen, die über die Primärproduktion (Photosynthese in Pflanzen) gebunden wird (Informationen zu den die Ozeane untersuchenden Sensoren  Abschnitt 1.3.2 und auf der Internetseite der International Ocean Colour Coordinating Group ( ).

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Fernerkundung sind aber nicht nur geocodierte, originäre oder klassifizierte Bilddaten in digitaler und/oder analoger Form zu bezeichnen, sondern auch flächenbezogene Statistiken in Tabellenoder Diagrammform sowie objektspezifische spektrale Signaturenkataloge (z. B. spektrale Signaturen der wichtigsten Gesteine und Vegetationseinheiten). Zielobjekt der Fernerkundung im Kontext der Erdsystemforschung ist also die Erde mit ihrer

25

oberflächennahen Lithosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre und Anthroposphäre. Seit Start des ersten Erdsatelliten am 4. Oktober 1956 durch die Sowjetunion (Sputnik 1) hat sich die Fernerkundung mit mehr als vierhundert weiteren Satelliten zum weltraumgestützten globalen Beobachtungssystem entwickelt. Das erste erfolgreiche meteorologische Messgerät an Bord eines Satelliten war ein Strahlungsmessgerät, ein sogenanntes Radiometer, das auf dem Satellit

Geostationäre und polarumlaufende Satelliten – das globale Beobachtungssystem der Erde Polarumlaufende Satelliten fliegen über die Polarregionen hinweg. Die meisten dieser Wettersatelliten befinden sich in Höhen von ca. 850 km über der Erde. Die Umlaufdauer beträgt dann etwa 100 Minuten, wobei sich während des Fluges von Pol zu Pol die Erde unter dem Satelliten hinwegdreht. Die Satelliten passieren jeweils einen bestimmten Ort täglich zur gleichen Zeit. Es können immer nur Streifen der Erdoberfläche aufgezeichnet werden. Für die globale Erdbeobachtung werden die einzelnen Beobachtungsstreifen aneinandergefügt. Die Umlaufbahn ist zusätzlich sonnensynchron, sodass alle Teile der Erde unter der gleichen Sonnenbeleuchtung überflogen und aufgenommen werden. Im Gegensatz zu den geostationären Satelliten können polarumlaufende Satelliten alle Teile der Erde beobachten, wenn auch nicht zeitgleich. Typische polarumlaufende Satelliten sind die Wettersatelliten der NOAA (TIROS-Satelliten), EUMETSAT (MetOp-Satelliten), die experimentellen Satelliten ERS-1 und -2 der ESA und ENVISAT sowie die Land erkundenden Satelliten Landsat, SPOT, IKONOS und Quickbird. Geostationäre Satelliten stehen immer in der gleichen Position in Bezug zu der sich drehenden Erde. Dies ist mit geringem energetischem Aufwand nur am Äquator möglich, da dort die Zentrifugalkraft und die Erdanziehungskraft im Gleichgewicht stehen. Ein Satellit auf einer geostationären Umlaufbahn legt dort eine Kreisbahn in einer Höhe von 35 790 Kilometern zurück. Die Winkelgeschwindigkeit des Satellitenumlaufs entspricht derjenigen der Erdrotation, daher werden diese Satelliten auch als erdsynchrone oder geosynchrone Satelliten bezeichnet. Ein Umlauf

entspricht 24 Stunden, also der Zeit, welche die Erde für die Drehung um ihre eigene Körperachse benötigt. Von der Erde aus betrachtet, scheint der Satellit stillzustehen (stationär). Auf diese Weise ist eine kontinuierliche Beobachtung eines Gebietes möglich. Allerdings können geostationäre Satelliten keine Daten von den Polregionen empfangen oder dorthin übermitteln. Beispiele wichtiger geostationärer Satelliten sind GOES, Meteosat und GMS sowie die meisten kommerziellen Telekommunikationssatelliten.

N polarumlaufend

Äqu

ato

r

geostationär

S

1.9 Arten von Umlaufbahnen, Quelle: Kappas 1994.

26

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Geoinformationssystem, GIS, Geographisches Informationssystem. Ein System, in dem Systembetreiber auf Anforderungen von Systembenutzern Informationen mit Raumbezug unter Anwendung technischer Hilfsmittel produzieren und bereitstellen. Unter Einsatz von digitalen Technologien werden objektstrukturierte Modelle der Umwelt erzeugt und fortgeführt (z.B. ATKIS). Aus ihnen werden automatisiert und z.T. durch Analyse Geo-Informationen abgeleitet und dargestellt. GIS werden betrieben mit GIS-Technologie. Sie umfasst Komponenten für die digitale Datenerfassung und Datenverwaltung, die numerische und graphische Datenverarbeitung, die Datenmodellierung und Datenanalyse und die Visualisierung. Die Komponenten können sowohl zentral als auch dezentral organisiert und über Netzwerke zugänglich sein.

Explorer 7 am 13. Oktober 1959 gestartet wurde. Seitdem hat sich die Satellitenklimatologie rasant entwickelt. Heute basiert die operationelle Beobachtung des Wetter- und Klimageschehens auf geostationären und polarumlaufenden Satelliten. Nach den ersten Starts Ende der 1950er-Jahre begann Anfang der 1960er-Jahre mit dem Start des ersten Wettersatelliten TIROS nach Jahren der reinen Luftbildinterpretation die Ära der satellitenbildgestützten Fernerkundung. Am 1. April 1960 funkte TIROS 1 aus einer Höhe von rund 700 km das erste Satellitenfoto der Erde. Obwohl TIROS nur insgesamt 78 Tage im Einsatz war, zeigte dieser Satellit eine neue Perspektive auf die Welt und verdeutlichte die prinzipielle Methode, Wolken- und Wettermuster in größeren Zusammenhängen als von der Erde aus möglich zu erfassen. Eine weitere Ära in der Fernerkundung der Erde – und damit auch bald die allgemeine Verwendung der Begriffe „Remote Sensing“ beziehungsweise „Fernerkundung“ – begann mit dem Start des ersten für zivile Zwecke der Erfassung von Landoberflächen gestarteten ERTS-1-Satelliten im Jahr 1972. ERTS steht für Earth Resources Technology Satellite und ist gleichzeitig die ursprüngliche Bezeichnung für den 1972 gestarteten Landsat-1-Satelliten. Sein Aufbau beruhte auf dem des Wettersatelliten Nimbus 4. Der ERTS-1 hatte den Multispektralscanner (MSS) an Bord,

der die Erde aus einer Höhe von 900 km abbildete, und zwar mit Spektralbändern im grünen, roten und infraroten Bereich sowie mit einer erstmaligen Auflösung von 80 m (Missionsende 1978). Diesen ersten Satellitenmissionen folgte eine stetige Weiterentwicklung der Auswertungstechniken einschließlich des Radars. Vor allem die Verbesserung und damit Vielfalt der Sensoren setzte hier Maßstäbe. Hinzu kamen Verknüpfungsmöglichkeiten verschiedener Fernerkundungsdaten untereinander und die Schaffung abgeleiteter Produkte sowie die Vernetzung mit anderen Daten in geographischen Informationssystemen (Kappas 2001). Zeitgleich vollzog sich der Übergang von experimenteller zu operationeller und damit wirtschaftlicher Nutzung der Satellitendaten. Heute bestimmen zwei Trends die zukünftige Entwicklung, die einen zunehmend vielseitigen Einsatz der Fernerkundung für die Analyse des Erdsystems erlaubt:

• die immer feinere spektrale Differenzierung und höhere räumliche Auflösung

• die großräumige Erfassung für ein globales Erdsystemmonitoring (Land, Ozean und Atmosphäre) Eine Übersicht der wichtigsten polarumlaufenden und geostationären Satelliten für die Klimaund Global Change Forschung wird in ▶ Abschnitt 1.3.2 gegeben.

1.3.2 Satellitensysteme für die Klima- und Global-Change-Forschung Die Beobachtungsdatensätze vieler Klimavariablen zeigen über die letzten Jahrzehnte hinweg verschiedene, bis jetzt ungelöste Inkonsistenzen und Diskontinuitäten. Diese Inkonsistenzen gelten z. B. für Temperaturzeitreihen abgeleitet aus MSU-Instrumenten (Microwave Sounding Unit Satellite Instrument) und Radiosondierungen sowie für satellitengestützte Wolkenprodukte, satellitengestützte Messungen der Schnee- und Meereisbedeckung und viele andere Zeitreihen. Eine Bewertung von klimatologischen Trends und deren Ursachen wird somit erschwert. His-

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

27

Wettersatelliten Wettersatelliten ergänzen mittels ihrer Datenaufzeichnung die vom Boden geführten meteorologischen Beobachtungen und unterstützen so die Aufgaben der Wetterdienste und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Sie liefern permanent Daten und Bilder über die Wolkenverteilung und Wolkenarten, die Bewegung und Zugbahnen der Wolken, die Windbewegungen, die Strahlungstemperaturen, die Schnee- und Eisbedeckung, die Oberflächentemperatur der Wasser- und Landflächen sowie den Zustand der Atmosphäre (u. a. Luftdruck, Niederschlag, Ozongehalt, Aerosole, Temperatur- und Feuchtigkeitsprofile). Neben den wichtigen Klimaelementen, die zur Wettervorhersage nötig sind, informieren die Satelliten auch über den Zustand der Waldgebiete, Ernte- und Weideflächen, Überschwemmungsgebiete, Meeresströmungen, Eisberge und Vulkanausbrüche. Die Satelliten sind mit Fernsehkameras, Infrarot-Radiometern und atmosphärischen Soundern (sogenannte Sondierer, passive Sensoren,

GOS Satelliten und Sensoren

GSICS Satellitendaten

wichtige Klimadatenzeitreihen

RSSCCM

Nutzer

ECVSatellitenprodukte

1.10 Die Rolle des globalen R/SSC-CM-Netzwerks für ein nachhaltig satellitenbasiertes Klimamonitoring.

torische Klimadaten und deren Potenzial zur Ableitung „gesicherter“ Klimasignale werden aber immer wichtiger, und somit ist eine „Reprozessierung“ der Klimadatenzeitreihen erforderlich. Die Anforderungen an eine Reprozessierung langer Klimadatenreihen wurden von GECOS erkannt und im GECOS Implementation Plan (GIP) berücksichtigt. Das Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) reagierte mit der Einrichtung eines Observation and Assimilation Panel (WOAP). Die Weltraumagenturen und das WMO-Weltraumprogramm entwickelten in Folge das Global Satellite Inter-Calibration System (GSICS). Hierin findet sich ein Imple-

die Höhenprofillinien von Druck, Temperatur oder Spurengaskonzentrationen in der Atmosphäre erfassen) bestückt. Viele Sounder arbeiten nach dem Prinzip der „Horizontsondierung“ – sogenannte Limb-Sounder – oder der Okkultation. Bei Okkultation messen Sounder, die von einem anderen Objekt am Himmel – Sonne, Mond, Sterne oder anderer Satellit – ausgehende und durch die Atmosphäre teilweise gebrochene, gestreute oder absorbierte Strahlung. Profilinformation kann aber auch aus AuswertungenderDruck-oderTemperaturabhängigkeiten der atmosphärischen Spektren gewonnen werden. Typische horizontsondierende Sounder zur Bestimmung von Spurengasprofilen für atmosphärenchemische Untersuchungen sind beispielsweise AMAS, MAS oder MIPAS, HIRS oder MHS, die für meteorologische Fragestellungen optimiert wurden. Wettersatelliten umkreisen die Erde entweder auf polaren Umlaufbahnen in etwa 800 bis 1 200 Kilometer Höhe oder stehen in geostationären Positionen (etwa 36 000 km).

mentierungsplan für ein globales Netzwerk regionaler und spezialisierter Zentren für die Klimabeobachtung (Regional/Specialised Satellite Centres for Climate Monitoring, R/SSC-CM). Diese regionalen Zentren werden eine wichtige Rolle in der Prozessierungskette für die Ableitung fundamentaler Klimadatenzeitreihen und weiterer aus Satellitenbeobachtungen abgeleiteter Datenprodukte für die als wesentlich erachteten Klimavariablen (Essential Climate Variables, ECV) spielen. Das Globale Beobachtungssystem besteht aus terrestrischen Messstationen, Ozeanstationen sowie aus satellitenbasierten Messinstrumenten. Die satellitenbasierten Systeme werden von Organisationen betreut, die eng mit den nationalen Wetterdiensten vernetzt sind. Für Europa sind hier z. B. die zwischenstaatlichen Organisationen EUMETSAT und ESA zu nennen. International wurde ein Forum für die Koordinierung der meteorologischen Satelliten gegründet (Coordination Group for Meteorological Satellites, CGMS). Die Mitglieder dieses Forums sind (Stand 2008):

28

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

• der chinesische Meteorologische Wetterdienst (China Meteorological Department, cmA) • die europäische zwischenstaatliche Satellitenorganisation (EUMETSAT) mit über 18 Mitgliedstaaten und 11 kooperierenden Staaten • der indische Wetterdienst (India Meteorological Department, IMD) • die zwischenstaatliche ozeanische Kommission (Intergovernmental Oceanographic Commission, IOC) der UNESCO

• der japanische·Wetterdienst (Japan Meteorological Agency, JMA)

• der koreanische Wetterdienst (Korea Meteorological Administration, kmA)

• die amerikanische NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration)

• der hydrometeorologische Service der Russischen Förderation (HydroMeteorological Service of the Russian Federation, RosHydroMet) • die Weltorganisation für Meteorologie (WMO)

Begriffserläuterungen: Satelliteninstrumente Scatterometer Nicht abbildendes Radarinstrument. Es erfasst quantitativ die Rückstreukoeffizienten der Geländeoberfläche in Funktion des Inzidenzwinkels. Das Scatterometer sendet elektromagnetische Energie im Mikrowellenbereich (0,3 GHz bis 300 GHz) aus und misst das Ausmaß der von den Objekten der Erdoberfläche in Richtung der Plattform rückgestreuten Energie in Funktion der technischen Parameter des Scatterometers, der Distanz zwischen der Plattform und den Objekten (Erdoberfläche, Meeresoberfläche) und den Eigenschaften der Objekte. Es ermittelt beispielsweise die Windgeschwindigkeit und -richtung über den Meeren, indem es die Rückstreuung misst, die von den kleinen windverursachten Rippeln auf der Wasseroberfläche ausgeht. Sounder (Sondierer) Der Begriff wird im Allgemeinen für passive Sensoren verwendet, die Höhenprofillinien von Druck, Temperatur oder Spurengaskonzentrationen in der Atmosphäre erfassen. Viele Sounder arbeiten nach dem Prinzip der Okkultation oder „Horizontsondierung“ (Limb-Sounder) beziehungsweise im Nadir. Typische horizontsondierende Sounder zur Bestimmung von Spurengasprofilen für atmosphärenchemische Untersuchungen sind beispielsweise HIRS oder MHS, die speziell für meteorologische Fragestellungen optimiert wurden. Abbildendes Spektrometer Gruppe abbildender Sensoren mit hohem spektralem Informationsgehalt. Abbildende Spektrometer arbeiten ohne mechanische Scanner. Es wird auf einem zweidimensionalen Detektor (CCD) abgebildet. Die Rauminformation wird dabei in „Cross-Track“-Richtung auf einer und die spek-

trale Information auf der zweiten Dimension des Detektors erfasst. Die meisten abbildenden Spektrometer werden überwiegend von Flugzeugen aus eingesetzt. Radiometer Passives Instrument, das elektromagnetische Strahlung quantitativ erfasst, meist im Mikrowellen-, Infrarot- und Nahinfrarotbereich. Die Wettersatelliten tragen Radiometer, um die Strahlung von Schnee, Eis, Wolken, Wasserkörpern der Erdoberfläche und der Sonne zu messen. Damit wird der Flüssigwasser- und Wasserdampfgehalt der Atmosphäre ermittelt. Imager Allgemein ein Satelliteninstrument, das Daten von der Erde und ihrer Atmosphäre aufzeichnet und verortet. Die Daten eines Imager werden von Computern in Bilder umgesetzt. Scanner Abtastsystem zur Aufnahme von Bilddaten. Im Gegensatz zur Fotografie, mit der gleichzeitig ein Gesamtbild einer größeren Geländefläche aufgenommen wird, beobachtet man mit einem Scanner oder Abtaster zeilenweise oder bildelementweise (Pixel) nur die von kleinen Flächenelementen des Geländes ausgehende elektromagnetische Strahlung. Um ein größeres Gebiet bildhaft aufzunehmen, müssen viele derartige Einzelbeobachtungen zusammengefügt werden. Dabei wird die Eigenbewegung des Sensorträgers (Flugzeug, Satellit) genutzt und mit dem Abtastvorgang kombiniert. Man unterscheidet zwischen optisch-mechanischen (z. B. Landsat) und optoelektronischen Scannern. Weiterhin wird zwischen den nur in einem Spektralbereich aufnehmenden einkanaligen und den mehrkanaligen Multispektral-Scannern unterschieden.

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Das Koordinierungsforum CGMS umfasst zudem die folgenden auf Forschung und Entwicklung (Research & Development, R&D) ausgerichteten Weltraumorganisationen:

• die französische CNES (Centre National d’Etudes Spatiales)

• die chinesische CNSA (China National Space Agency)

• die europäische ESA (European Space Agency) • die indische ISRO (India Space Research Organisation)

29

Verfügung stehenden Daten aus Satellitenbeobachtungen, deren räumliche und zeitliche Auflösung sowie deren Bedeutung zur Bearbeitung wichtiger klimatologischer Fragestellungen. Die Steckbriefe der auf den Satelliten vorhandenen Instrumente (z. B. AVHRR oder MODIS) finden sich in Tabellenform im Anhang. Zum besseren Verständnis der in der Fernerkundung benutzten Abkürzungen für Kanalbezeichnungen im elektromagnetischen Spektrum dient der folgende Exkurs zur Festlegung der Spektral-(Kanal-)Bereiche.

• die japanische JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency), ehemals NASDA

• die koreanische KARI (Korea Aerospace Research Institute) • die amerikanische NASA (National Aeronautics and Space Administration) • die russische RosKosmos (Russian Space Agency) Betrachten wir nun die rein satellitengestützte Komponente des Globalen Beobachtungssystems (GOS) und damit die vorhandenen und in naher Zukunft geplanten geostationären und polarumlaufenden Satelliten. Dabei handelt es sich überwiegend um Satellitenprogramme, also um langfristig angelegte Satellitenmissionen, die eine wissenschaftliche Historie aufweisen und auf einer kontinuierlich verbesserten Sensortechnik und Fortführung des Missionsziels (z. B. in Richtung Wetterbeobachtung, Landbedeckungsbeobachtung) aufbauen. Grob werden operationell angelegte und auf Forschung und Entwicklung (R&D) ausgerichtete Satellitenmissionen unterschieden. Im Folgenden wird der aktuelle Status der satellitengestützten Komponente des GOS für die Klimaforschung vorgestellt (Stand 2008). Zuerst werden die geostationären meteorologischen Satelliten, dann die sonnensynchronen, polarumlaufenden Satelliten und schließlich die reinen R&D-Satellitenmissionen erläutert. Abbildung 1.8 zeigt den Aufbau des GOS basierend auf geostationären (äußerer Kreis) und polarumlaufenden Satelliten (innerer Kreis). Wegen des Umfangs der unterschiedlichen Systeme kann in diesem Buch nur ein Überblick der wichtigsten Satelliten, deren Sensoren und Datenprodukte gegeben werden. Im Vordergrund der Betrachtung stehen dabei die zur

Geostationäre meteorologische Satellitenprogramme Kernaufgabe der geostationären Satelliten ist die Bereitstellung von Wolkenbildern in einem Zeitintervall von 30 Minuten (heute bis zu 15 Minuten) für die Wettervorhersage sowie die Beobachtung und Ableitung von Windvektoren und Wolkeneigenschaften (Wasserdampfgehalt). Die Satelliten sind nahe am Äquator stationiert und decken einen Breitenkreis von etwa 60° Nord/ Süd bis 45° Nord/Süd ab. Viele der geostationären Satelliten bieten zusätzliche Informationen z. B. über Temperatur- und Feuchteprofile mittels Infrarot-Radiometrie sowie über den Strahlungshaushalt. Weitere Produkte können durch Bildverarbeitung abgeleitet werden. Hierzu gehören Datenprodukte zur Beschreibung spezifischer Oberflächenparameter und Niederschlagsabschätzungen. Zu den operationellen geostationären Satelliten gehören folgende Programme:

• • • • •

das europäische Meteosat-Programm das amerikanische GOES-Programm das japanische MTSAT-Programm das russische GOMS-/Elektro-Programm das chinesische FY2-Programm (inzwischen ersetzt durch FY4) • das indische INSAT- und KALPANA-Programm (ehemals MetSat Programm) • das koreanische COMS-Programm, das sich noch in Entwicklung befindet Die einzelnen Programme werden in den folgenden Abschnitten kurz vorgestellt und hinsichtlich ihrer Sensoren und Datenprodukte erläutert.

30

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Festlegung spektraler Bereiche (auch Kanäle – channels – oder spektrale Bänder genannt) Einteilungen im optischen Bereich: UV

Ultraviolett

0,01–0,38 μm

B

Blau

0,436 μm

G

Grün

0,546 μm

R

Rot

0,700 μm

VIS

sichtbar

0,38–0,78 μm

NIR

nahes Infrarot

0,78–1,30 μm

VNIR

sichtbar und nahes InfrarRot (VIS + NIR)

0,38–1,3 μm

SWIR

kurzwelliges Infrarot

1,3–3,0 μm

SW

kurzwellig

0,2–4,0 μm

LW

langwellig

MWIR

mittelwelliges Infrarot

3,0–6,0 μm

TIR

thermales Infrarot

6,0–15,0 μm

IR

Infrarot (MWIR + TIR)

4–100 μm

3–15 μm

FIR

fernes Infrarot

Sub-mm

Submillimeter (Teil von FIR)

15 μm–1 mm (= 300 GHz) 3000–300 GHz (oder 0,1–1mm)

Mm

Millimeter (Teil von of MW)

300–30 GHz (oder 1–10 mm)

MW

Mikrowelle

300–1 GHz (oder 0,1–30 cm)

Einteilungen in der Radartechnologie: Band

Frequenzbereich

P

220–390 MHz

Wellenlängenbereich 77–136 cm

UHF

300–1000 MHz

30–100 cm

L

1–2 GHz

15–30 cm

S

2–4 GHz

7,5–15 cm

C

4–8 GHz

3,75–7,5 cm

X

8–12,5 GHz

Ku K Ka

12,5–18 GHz 18–26,5 GHz

2,4–3,75 cm 1,67–2,4 cm 1,18–1,67 cm

26,5–40 GHz

0,75–1,18 cm

V

40–75 GHz

4,0–7,5 mm

W

75–110 GHz

2,75–4,0

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Das Meteosat-Programm Meteosat ist das englische Akronym für Meteorological Satellite und steht für eine Reihe von europäischen Wettersatelliten, die von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in den Orbit gebracht wurden und von der EUMETSAT betrieben werden. Meteosat ist über dem Golf von Guinea (0°/0°) in 35 800 km Höhe positioniert und nimmt alle 30 (beziehungsweise 15) Minuten einen Ausschnitt von der Erdoberfläche mit einer NordSüd- und West-Ost-Erstreckung von 70° auf. Durch Meteosat wird Afrika, der Ostatlantik, der Nahe Osten und Europa abgedeckt. Meteosat ist Teil eines globalen meteorologischen Satellitensystems und bildet mit vier weiteren Satellitensystemen, dem japanischen GMS, dem indischen INSAT und den amerikanischen GOES-E und GOES-W ein weltumspannendes Wetterbeobachtungssystem. Wichtigster Sensor ist ein Radiometer. Ein Radiometer ist ein passives Instrument, welches elektromagnetische Strahlung quantitativ misst, meistens im Mikrowellen-, Infrarot- und Nah-Infrarotbereich. Wettersatelliten wie Meteosat und GOES tragen Radiometer, um die Strahlung von Schnee, Eis, Wolken, Wasserkörpern, der Erdoberfläche und der Sonne zu messen. So wird der Flüssigwasser- und Wasserdampfgehalt der Atmosphäre ermittelt. Weiterhin können mithilfe derartiger Messungen Altimeterdaten (Höhenabschätzungen) überprüft beziehungsweise korrigiert werden. Das Meteosat-Radiometer zeichnet in drei Spektralkanälen auf: Im VIS (sichtbares Licht, 0,5–0,9 μm), im WV (Bereich hoher Wasserdampfabsorption, 5,7–7,1 μm) und im TIR (thermisches Infrarot, 10,5–12,5 μm). Der erste MSG-Satellit (Meteosat Second Generation, MSG-1) wurde am 29. August 2002 gestartet. Der neue MSG-Satellit nimmt feinere Multispektralbilder in doppelter Häufigkeit (15 anstelle 30 Minuten) auf und besitzt zwölf Kanäle gegenüber bisher nur drei Kanälen. Das europäische Meteosat-Programm lässt sich in drei Phasen einteilen:

• Meteosat Pre-Operational Programme (Meteosat-1/2/3)

• Meteosat Operational Programme (MOP, Meteosat-4/5/6/7, auch bekannt als Meteosat Transition Programme, MTP) • Meteosat Second Generation (MSG, Meteosat-8 und in Folge 9/10/11)

31

Die Tabelle 1.4 fasst die historische Entwicklung des Meteosat-Programms und seiner Instrumente zusammen. Seit Mitte 2006 sind drei Satelliten der MOPSerie noch aktiv (Meteosat-5, 6 und 7). Auf die MOP-Serie folgte der erste Prototyp der MSGSerie (MSG-1 = Meteosat-8). Sein Nachfolger MSG-2 (Meteosat-9) folgte 2005 und arbeitet bis heute operationell. Die erste Generation lieferte vor allem über den Radiometer MVIRI (Meteosat Visible InfraRed) Informationen zu Wolken und Wasserdampfgehalt in drei VIS/IR-Kanälen mit einer zeitlichen Auflösung von 30 Minuten und einer räumlichen Auflösung von 5 km (IFOV) für die IR-Kanäle und 2,5 km für den Kanal im sichtbaren Spektrum (VIS). Die zweite Generation der Meteosat-Satelliten verfügt über verbesserte Sensoren. Es handelt sich zum einen um SEVIRI (Spinning Enhanced VIS and IR Imager), einen 12-Kanal-VIS/ IR-Radiometer mit 3 km räumlicher Auflösung in 11 VIS/IR-Kanälen und einer 1 km Auflösung in einem Kanal (Breitbandkanal 0,6–0,9 mm). Aufgabe dieses Sensors ist vor allem die Ableitung von Windparametern sowie die Verfolgung von Wolkenfeldern und deren Wasserdampfeigenschaften (Meteosat-8 bis 11). Dieses Radiometer soll bis 2019 operationell arbeiten. Die genaue Aufteilung der SEVIRI-Kanäle lässt sich Tabelle 1.6 entnehmen. Ein weiterer Sensor auf Meteosat ist GERB (Geostationary Earth Radiation Budget Experiment), ein 2-Kanal-Breitbandradiometer zur Erfassung des Strahlungshaushalts. Er besitzt eine räumliche Auflösung von 42 km bei einem zeitlichen Bildzyklus von fünf Minuten (beziehungsweise 15 Minuten integriert über drei Zyklen zur Anpassung an die Signal-to-Noise-Ratio-(SNR-) Anforderungen). GERB zeichnet seit 2002 auf und soll ebenfalls bis 2019 im Einsatz bleiben. Das Signal-Rausch-Verhältnis, Signal-to-NoiseRatio (SNR) ist definiert als das Verhältnis der vorhandenen mittleren Signalleistung zur vorhanden mittleren Rauschleistung, wobei der Ursprung der Rauschleistung nicht berücksichtigt wird. Als Verhältnis von Größen gleicher Maßeinheit ist das Signal-Rausch-Verhältnis dimensionslos. Je mehr über das Nutzsignal bekannt ist, desto stärker lässt sich die SNR anheben.

32

Tabelle 1.4

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Historie der Meteosat-Mission

Satellit

Start

Missionsende

Meteosat-1

23.11.1977

Meteosat-2

Status

Instrumente

24.11.1979

inaktiv

MVIRI, DCS

19.06.1981

2.12.1991

inaktiv

MVIRI, DCS

Meteosat-3

15.06.1988

22.11.1995

inaktiv

MVIRI, DCS

Meteosat-4

6.03.1989

8.11.1995

inaktiv

MVIRI, DCS

Meteosat-5

2.03.1991

erwartet > 2007

63°O

operationell

MVIRI, DCS

Meteosat-6

20.11.1993

erwartet > 2007

10°O

Backup

MVIRI, DCS

Meteosat-7

3.09.1997

erwartet > 2008

→57,5°O

Ersatz für Meteosat-5

MVIRI, DCS

Meteosat-8 (MSG1)

28.08.2002

erwartet > 2009

3,4° W

operationell

SEVIRI, GERB, DCS, GEOSAR

Meteosat-9 (MSG2)

22.12.2005

erwartet > 2013

→0°

in Bereitschaft

SEVIRI, GERB, DCS, GEOSAR

Meteosat-10

2011

erwartet > 2018

in Bau

SEVIRI, GERB, DCS, GEOSAR

Meteosat-11

2013

erwartet > 2019

in Bau

SEVIRI, GERB, DCS, GEOSAR

MTG

2015

erwartet >2020

wird definiert

wird definiert (FCI, IRS, LI)

Tabelle 1.5 Spektrale Aufteilung der MVIRI-Kanäle zentrale Wellenlänge

Wellenlängenbereich

0,70 μm

0,50–0,90 μm

6,40 μm

5,70–7,10 μm

11,5 μm

10,5–12,5 μm

Position

Tabelle 1.6 Spektrale Aufteilung der SEVIRI-Kanäle zentraler Bereich (Breitband)

Wellenlängenbereich 0,6–0,9 μm

0,635 μm

0,56–0,71 μm

0,81 μm

0,74–0,88 μm

1,64 μm

1,50–1,78 μm

3,92 μm

3,48–4,36 μm

6,25 μm

5,35–7,15 μm

7,35 μm

6,85–7,85 μm

8,70 μm

8,30–9,10 μm

9,66 μm

9,38–9,94 μm

10,8 μm

9,80–11,8 μm

12,0 μm

11,0–13,0 μm

13,4 μm

12,4–14,4 μm

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

33

Das GOES-Programm

Die Meteosat-Satelliten verfügen darüber hinaus über ein Datenaufzeichnungssystem (Data Collection Service, DCS) und das GEOSAR-System (Geostationary Search And Rescue). Sämtliche Daten der MSG-Satelliten werden in Echtzeit an primäre Bodenstationen gesendet (Primary Ground Station, PGS). Die Planung für die dritte Generation von Meteosat-Satelliten (Meteosat Third Generation, MTG) begann im Jahr 2001. Der erste Prototyp der MTG-Reihe soll 2015 startbereit sein. Die folgenden Instrumente werden dann das bestehende Meteosat-Programm ergänzen: FCI (Flexible Combined Imager), 16-Kanal-VIS/ IR-Radiometer mit unterschiedlichen Auflösungen in zwei Operationsmodi. Ein Modus ist bestimmt für die regionale kurzfristige Aufzeichnung und Vorhersage (nowcasting) mit einer räumlichen Auflösung von 0,5 km im Spektralbereich zwischen 0,645 und 2,26 μm und einer Auflösung von 1 km im Wellenlängenbereich von 3,8 bis 10,5 μm und weiteren 6 kurzwelligen Kanälen. Sechs Infrarotkanäle werden in einer räumlichen Auflösung von 2 km mit hohen zeitlichen Scan-Intervallen (2,5 Minuten) aufzeichnen. IRS (InfraRed Sounder), IR-Interferometer zur Lieferung hoch aufgelöster Profile der Temperatur und Luftfeuchte. Weiterhin können mit diesem Instrument hochgenaue Windprofile in der Atmosphäre abgeleitet werden. LI (Lightning Imager), CCD Kamera, die im Spektralbereich von 777,4 nm (O2) aufzeichnet und Informationen über den Sauerstoffgehalt liefert. Die räumliche Auflösung wird 10 km bei einer zeitlichen Wiederholungsfrequenz von ~ 1 ms betragen. Weiterhin soll ergänzend zu FCI, IRS und LI ein UV/VIS-Spektrometer zur Bestimmung der Atmosphärenchemie mitfliegen. Die Instrumentenbeschreibung für FCI, IRS und LI findet sich tabellarisch im Anhang.

Das amerikanische GOES-Programm (Geostationary Operational Environmental Satellite) bezeichnet die von der NASA entwickelte und von der NOAA betreute Serie von geostationären Satelliten. GOES gehört zum gleichen weltumspannenden System wie Meteosat und beobachtet die USA und benachbarte Ozeane aus einer Höhe von 35 790 km über dem Äquator, wobei GOES eine Fläche von 75° Ost (GOES-E) bis 135° West (GOES-W) abdeckt. Die Auflösung im sichtbaren Bereich beträgt 1 km, im infraroten Bereich 4 km. Die GOES-Satelliten liefern ganztägig Wetterdaten, überwachen bedrohliche Wetterereignisse wie Wirbelstürme oder Gewitter und übermitteln zusätzlich Umweltdaten von Bodenbeobachtungsstationen zu Datenzentren. Weiterhin überwachen sie das Erdmagnetfeld, den energetischen Teilchenfluss in der Satellitenumgebung und die Röntgenstrahlung der Sonne. Die Tabelle 1.8 fasst die Chronologie des GOESProgramms mit seinen Vorgängersatelliten ATS (Application Technology Satellie, ATS-1 – ATS-3 und ATS-6) und SMS (Synchronous Meteorological Satellite) zusammen. GOES-11 und GOES-12 sind zurzeit die aktiven GOES-Satelliten, wobei GOES-13 bereits 2006 gestartet wurde, um einen der beiden bei Bedarf zu ersetzen. Im Folgenden wird die Instrumentenfracht (payload) von GOES-8 bis GOES-15 vorgestellt: IMAGER, 5-Kanal-VIS/IR-Radiometer zur Bestimmung von Windparametern, Wolken und Wasserdampfgehalt. Es bietet eine räumliche Auflösung von 4 km in den infraroten Kanälen und 1 km im sichtbaren Bereich bei einer zeitlichen Wiederholungsrate von 30 Minuten (full disk) beziehungsweise 15 Minuten (half disk). SOUNDER, 19-Kanal-IR-Radiometer mit einem Kanal im sichtbaren Bereich. Es besitzt eine räumliche Auflösung von 8 km und wird opera-

Tabelle 1.7 Spektrale Aufteilung der GERB-Kanäle Kanal

Spektralbereich

SNR-Genauigkeit

absolute Genauigkeit

SNR

kurzwellig

0,32–4,0 μm

0,8 Wm-2sr-1

2,4 Wm-2sr-1

1 250

total radiance

0,32–3,0 μm

-2sr-1

0,15 Wm

0,4

Wm-2sr-1

400

34

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

tionell seit 1994 bis voraussichtlich 2015 genutzt. Ein Radiometer gleichen Namens befindet sich auch auf dem INSAT-3D-Satelliten. DCIS (Data Collection and Interrogation Service), speichert in situ-Beobachtungen bezie-

Tabelle 1.8

hungsweise überträgt Daten auf Anfrage an Bodenstationen. SEM (Space Environment Monitoring), Instrumentensatz zur Beobachtung von Partikelstrahlung. Das Instrument EPS (Energetic Particles

Chronologie des GOES-Programms

Satellit

Start

Ende

ATS-1

6.12.1966

ATS-3

Position

Status

Instrumente

1.12.1978

inaktiv

SSCC

6.11.1967

1.12.1978

inaktiv

MSSCC

ATS-6

30.04.1974

3.08.1979

inaktiv

VHRR

SMS-1

17.05.1974

21.01.1981

inaktiv

VISSR, DCIS, SEM

SMS-2

6.02.1975

5.08.1982

inaktiv

VISSR, DCIS, SEM

GOES-1

16.10.1975

7.03.1985

inaktiv

VISSR, DCIS, SEM

GOES-2

16.06.1977

1993

inaktiv

VISSR, DCIS, SEM

GOES-3

16.06.1978

1993

inaktiv

VISSR, DCIS, SEM

GOES-4

9.09.1980

11.11.1988

inaktiv

VAS, DCIS, SEM

GOES-5

22.05.1981

18.07.1990

inaktiv

VAS, DCIS, SEM

GOES-6

28.04.1983

1989

inaktiv

VAS, DCIS, SEM

GOES-7

26.02.1987

11.01.1996

inaktiv

VAS, DCIS, SEM

GOES-8

13.04.1994

5.05.2004

inaktiv

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, GEOSAR

GOES-9

23.05.1995

erwartet > 2007

160° O

In Bereitschaft

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, GEOSAR

GOES-10

25.04.1997

erwartet > 2009

60° W

operationell

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, GEOSAR

GOES-11

3.05.2000

erwartet > 2009

135° W

operationell

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, GEOSAR

GOES-12

23.07.2001

erwartet > 2009

75° W

operationell

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, SXI, GEOSAR

GOES-13

24.05.2006

erwartet > 2011

105° W

Betriebstest

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, SXI, GEOSAR

GOES-14

02.2007

erwartet > 2014

fertiggestellt

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, SXI, GEOSAR

GOES-15

01.2008

erwartet > 2015

geplant

IMAGER, SOUNDER, DCIS, SEM, SXI, GEOSAR

GOES-R

2014

erwartet > 2021

konfiguriert

ABI, HES, GML

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Sensor) misst niedrigenergetische Elektronen, Protonen und Alphateilchen und das Instrument HEPAD (High Energy Proton and Alpha Particles Detector) hochenergetische Protonen und Alphateilchen. Ergänzt werden diese durch XRS, einem X-ray Sensor. SXI (Solar X-ray Imager), seit GOES-12 an Bord und untersucht die Sonne in einminütigen Zeitintervallen. GEOSAR (Geostationary Search and Rescue), hat die gleiche Funktion wie GEOSAR auf der Meteosat-Plattform und erfüllt die Anforderungen an ein internationales Such- und Rettungssystem für unterschiedliche logistische Aufgaben. Im Jahr 2001 begann bereits die Planung für die GOES-Satelliten der neuen Generation (GOES-R). Diese soll mit GOES-16 im Jahr 2014 starten. Im Wesentlichen sind für diese Mission vier neue Instrumente geplant: ABI (Advanced Baseline Imager), wird über 16 VIS/IR-Kanäle verfügen. Die räumliche Auflösung liegt für 12 Kanäle bei 2 km, für einen Kanal im sichtbaren Bereich bei 0,5 km und für drei Kanäle im kurzwelligen Bereich bei 1 km. Die zeitliche Wiederholungsrate liegt für den gesamten aufgezeichneten Ausschnitt (full disk) bei 15 Minuten. Für die USA wird im CONUS-Modus (Continental United States) ein 3 000 × 5 000 km2 großer Ausschnitt in 5 Minuten zu empfangen sein und die Wiederholungsrate einer Aufzeichnung kann für einen 1 000 × 1 000 km2 großen Bereich sogar auf 30

35

Sekunden abgesenkt werden. Hauptaufgabe von ABI wird wie bei den Vorgängern des GOESProgramms die Ableitung von Windparametern über Wolkenanalysen sowie Wasserdampfmessungen sein. HES (Hyperspectral Environmenatal Suite), hyperspektraler Sensor zur Kurzzeitvorhersage und Überwachung der küstennahen Ozeanbereiche. Der Spektralbereich des Sounders (Sondierer) reicht von 4,44 μm bis 15,38 μm und soll hoch aufgelöste Vertikalprofile der Temperatur und des Wasserdampfgehalts liefern. Zur Aufzeichnung der küstennahen Gewässer sind 14 bis 19 VIS/ IR-Kanäle (Radiometer) mit einer Bandbreite von 20 nm sowie 3 Kanäle im kurzwelligen Infrarot (SWIR) mit einer Bandbreite von 30 bis 50 nm vorgesehen. Zudem wird selektiv im Infrarotbereich von 11 und 12 μm (Split-Window) aufgezeichnet. Die geometrische Auflösung des Sounders reicht von 2 bis 10 km, im sichtbaren Bereich des Spektrums von 0,5 bis 1,0 km. Die räumliche Auflösung des Radiometers zur Beobachtung der Küstengewässer erstreckt sich von 0,15 bis 2,0 km. Die Wiederholungsrate einer Aufzeichnung liegt für den gesamten beobachtbaren Erdausschnitt bei maximal 60 Minuten und kann je nach Beobachtungsmodus auf einige Minuten verkürzt werden. GLM (Geostationary Ligthing Mapper), CCDKamera, die im Bereich von 777,4 nm (O2) aufzeichnet. Die räumliche Auflösung liegt bei 8 km mit einer hohen Wiederholungsrate von 2 ms.

Tabelle 1.9 Chronologie des japanischen GMS/MTSAT-Programms Satellit

Start

Ende

GMS-1

14.07.1977

GMS-2

Position

Status

Instrumente

30.06.1989

inaktiv

VISSR, DCS

11.08.1981

20.11.1987

inaktiv

VISSR, DCS

GMS-3

3.08.1984

22.06.1995

inaktiv

VISSR, DCS

GMS-4

6.09.1989

24.02.2000

inaktiv

VISSR, DCS

GMS-5

18.03.1995

21.07.2005

inaktiv

VISSR, DCS

MTSAT-1R

26.02.2005

erwartet > 2015

140° O

operationell

JAMI, DCS

MTSAT-2

18.02.2006

erwartet > 2016

145° O

in Bereitschaft

IMAGER, DCS

36

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Das GMS- und MTSAT-Programm Der japanische Satellit GMS (Geostationary Meteorological Satellite) wurde 1977 im Bereich 140° Ost positioniert. Sein im Jahr 2005 gestarteter Nachfolger MTSAT (Multi-functional Transport Satellite) verbindet die Funktionen eines meteorologischen mit dem eines auf Navigation ausgelegten Satelliten. Die wichtigsten Instrumente dieses Satelliten sind die Radiometer JAMI und IMAGER, welche mit einem DCS-System (Data Collection Service) gekoppelt sind. Die Tabelle 1.9 zeigt den chronologischen Verlauf des GMS/MTSAT-Programms. JAMI (Japanese Advanced Meteorological Imager), ein 5-Kanal-VIS/IR- Radiometer mit 4 km räumlicher Auflösung in den vier Infrarotkanälen und 1 km Auflösung im sichtbaren Bereich. Er zeichnet in 30- beziehungsweise 15-minütigem Abstand auf und ist somit vergleichbar mit Instrumenten des Meteosat- und GOES-Programms. Im Jahr 2006 wurde JAMI mit dem Start des Folgesatelliten MTSAT-2 in IMAGER umbenannt. Die technischen Angaben zu IMAGER finden sich im Anhang.

GOMS-/Elektro-Programm Das russische GOMS-Programm (Geostationary Operational Meteorological Satellites), auch Elektro genannt, basiert auf drei Satelliten, die im Bereich 76° Ost positioniert sind. Die Tabelle 1.10 zeigt eine Übersicht des GOMS/Elektro-Programms. Zu den wichtigsten Instrumenten zählt ein Radiometer auf GOMS-1: STR (Scanning TV Radiometer), 3-Kanal-VIS/ IR-Radiometer mit 6,5 km räumlicher Auflösung

Tabelle 1.10

in den zwei IR-Kanälen (6,0–7,0 μm und 10,5– 12,5 μm) und 1,25 km im sichtbaren Bereich (VIS 0,46–0,70 μm). Die Wiederholungsrate der Aufnahme liegt bei 30 Minuten. Die Folgesatelliten (Elektro-1 bis -3) haben das Instrument MSU-GS an Bord. MSU-GS, 10-Kanal-VIS/IR-Radiometer mit 4 km Auflösung in sieben IR-Kanälen und 1 km Auflösung in drei VIS-Kanälen. Die Wiederholungsrate liegt wie bei den anderen geostationären Satelliten bei 30 beziehungsweise 15 Minuten. Zusätzlich befindet sich noch ein GEOSAR-Instrument, ein DCS (Data Collection System) und ein HMS (Heliogeophysical Measurement System) zur in situ-Messung geladener Teilchen des Sonnenwindes an Bord des Satelliten.

FY-2- und FY-4- Programm Das chinesische FY-2- und FY-4-Programm (FY steht für Feng-Yun, „Wind und Wolken“) hat die gleiche Aufgabe wie die oben vorgestellten Meteosat- und GOES-Programme, nämlich die Beobachtung von Windparametern und Wolken. Es ist mit FY-2 seit 1997 im Einsatz und in 105° Ost positioniert. Die Serie 2 ist geostationär, die Serie 4 ist sonnensynchron. Die Tabelle 1.11 beschreibt die Chronologie des FY-2- und FY-4-Programms. Zu den wichtigsten Instrumenten des FY-2Programms gehört das Radiometer S-VISSR (Stretched Visible and Infrared Spin Radiometer), ein Radiometer mit drei Kanälen im VIS/ IR-Bereich (0,5–1,05 μm, 6,3–7,6 μm und 1,5– 12,5 μm). Die verbesserte FY-2-Version teilt den IR-Kanal in einen zusätzlichen Kanal bei 3,5–4,0 μm und erhöht damit die räumliche Auf-

Chronologie des russischen GOMS-/Elektro-Programms

Satellit

Start

Ende

Position

Status

Instrumente

GOMS-1

31.10.1994

während 1998

76° O

inaktiv

STR, DCS, RMS

Elektro-L-1

2007

erwartet >2014

76° O

fertiggestellt

MSU-GS, DCS, HMS, GEOSAR

Elektro-L-2

2010

erwartet >2017

76° O oder 14,5° O

geplant

MSU-GS, DCS, HMS, GEOSAR

Elektro-L-3

2015

erwartet > 2022

76° O oder 14,5° O

geplant

MSU-GS, DCS, HMS, GEOSAR

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

37

Tabelle 1.11 Chronologie des FY-2- und FY-4- Programms Satellit

Start

Ende

Position

Status

Instrumente

FY-2A

10.06.1997

8. April 1998

86,5° O

inaktiv

S-VISSR, DCS, SEM

FY-2B

25.06.2000

2004

123° O

partielle Sicherung

S-VISSR, DCS, SEM

FY-2C

19.10.2004

erwartet > 2009

105° O

operationell

S-VISSR (verbessert), DCS, SEM

FY-2D

2006

erwartet > 2011

86,5° O

startbereit

S-VISSR (verbessert), DCS, SEM

FY-2E

2009

erwartet > 2014

123° O

geplant

S-VISSR (verbessert), DCS, SEM

FY-2F

2011

erwartet > 2016

86,5° O

geplant

S-VISSR (verbessert), DCS, SEM

FY-2G

2013

erwartet > 2018

123° O

geplant

S-VISSR (verbessert), DCS, SEM

FY-0/A

2012

erwartet > 2017

105° O oder 86,5° O

konfiguriert

IMAGER, SOUNDER, LIGHTNING MAPPER

FY-4M/A

2015

erwartet > 2020

123° O

konfiguriert

MW-Radiometer

lösung von anfänglich 5,76 km (IR) auf 5,0 km beziehungsweise von 1,44 km (VIS) auf 1,25 km. Die Wiederholungsrate liegt bei 30 Minuten. Die zweite Generation, das FY-4-Programm, ist bereits in Planung und lässt sich in zwei Missionen aufteilen. Zum einen handelt es sich um die FY-4O Serie („O“ steht für „optisch“), die ab 2012 starten soll und deren Satelliten neben einem IR sondierenden Spektrometer/Interferometer einen solaren X-ray-Detektor tragen. Zum anderen ist die FY-4M-Serie („M“ steht für „Mikrowelle“) mit Start ab 2015 vorgesehen, ausgestattet mit einem im Millimeter- bis Submillimeterbereich aufzeichnenden Radiometer für Wetterbeobachtungen und Niederschlagssondierungen.

INSAT- und KALPANA-Programm Das Indische Nationale Satellitenprogramm (INSAT) gehört nicht unmittelbar zum Globalen Beobachtungssystem (GOS), soll hier aber dennoch kurz erläutert werden. Indische Satellitenprogramme verbinden ihre meteorologische Mission mit Aufgaben in der Telekommunikation für Indien. Es befinden sich zwei Satelliten (74° Ost und 93,5° Ost) im Orbit, wobei nicht alle INSAT-

Satelliten meteorologische Instrumente tragen. Im Jahr 2002 wurde ein kleinerer Satellit namens MetSat ausschließlich für meteorologische Aufgaben gestartet und in 74° Ost positioniert. MetSat wurde später in Kalpana umbenannt. Kalpana Chawla war die erste Inderin im All; sie starb beim Absturz des Spaceshuttle Columbia am 1. Februar 2003. Tabelle 1.12 zeigt historische und in Planung befindliche Satelliten des INSAT- und Kalpana-Programms. INSAT-1 (1982–2002) hatte einen VHRR (Very High Resolution Radiometer) an Bord, welches die gleiche Aufgabe hat wie das AVHRR der NOAASatelliten. Das VHRR ist ein 3-Kanal-Radiometer (VIS/IR/WV) mit 8 km Auflösung in den IR-/ WV-Kanälen und 2 km Auflösung im VIS-Kanal. Der 2007 gestartete INSAT-3D weist eine ähnliche Instrumentierung wie die GOES-Satelliten auf und steht ausschließlich für meteorologische Aufgaben zur Verfügung. Die wichtigsten Instrumente sind hier der IMAGER, ein 6-KanalVIS/IR-Radiometer mit 4 km Auflösung in den drei IR-Kanälen, 1 km im sichtbaren (VIS) Bereich und 8 km Auflösung in den Wasserdampfkanälen (WV). Zusätzlich ist SOUNDER, ein 19-Kanal-IR-Radiometer mit 10 km Auflösung und einer Wiederholungsrate

38

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Tabelle 1.12 Chronologie des indischen INSAT- und Kalpana-Programms Satellit

Start

Ende

INSAT-1A

10.04.1982

INSAT-1B

Position

Status

Instrumente

6.09.1982

inaktiv

VHRR, DCS

30.08.1983

1993

inaktiv

VHRR, DCS

INSAT-1C

22.07.1988

1989

inaktiv

VHRR, DCS

INSAT-1D

12.06.1990

2002

inaktiv

VHRR, DCS

INSAT-2A

10.07.1992

2002

inaktiv

VHRR, DCS

INSAT-2B

23.07.1993

2004

inaktiv

VHRR, DCS

INSAT-2C

7.12.1995

2002

inaktiv

kein meteorol. Instr.

INSAT-2D

4.06.1997

1997

inaktiv

kein meteorol. Instr.

INSAT-2E

3.04.1999

erwartet > 2006

83° O

INSAT-3A

10.04.2003

erwartet > 2012

93,5° O

INSAT-3B

22.03.2000

erwartet > 2008

INSAT-3C

24.01.2002

erwartet > 2010

INSAT-3D

2007

Kalpana-1

12.09.2002

VHRR, CCD operationell

VHRR, CCD, DCS

operationell

kein meteorol. Instr.

74° O

operationell

kein meteorol. Instr.

erwartet > 2014

83° O

fertiggestellt

IMAGER, SOUNDER, DCS

erwartet > 2010

74° O

operationell

VHRR, DCS

von 3 Stunden für einen Ausschnitt von 6 000 × 6 000 km an Bord des Satelliten.

COMS-Programm Das südkoreanische COMS-Programm (Communication, Oceanography and Meteorology Satellite) ist jüngst mit einer Mission gestartet, die zweite befindet sich bereits in Planung. Das Programm wird von KARI (Korea Aerospace Research Institute) entwickelt. Die Tabelle 1.13 gibt eine entsprechende Übersicht. Die zwei wichtigsten Satelliteninstrumente sind: MI (Meteorological Imager), ausgestattet mit 5 Kanälen im Bereich von 0,55–12,5 μm und einer Auflösung von 1 km in einem VIS-Kanal und 4 km in den IR-Kanälen. Die Wiederholungsrate liegt bei 27 Minuten. GOCI (Geostationary Ocean Colour Imager), ausgestattet mit 8 Kanälen im Bereich von 400–865 nm zur Beobachtung der Ozeanfärbung (biologische

Aktivität). Die Auflösung erreicht 500 m in einem begrenzten Ausschnitt von 2 500 × 2 500 km. Die dargestellten geostationären Satellitenprogramme ermöglichen eine zeitlich hoch aufgelöste Abdeckung eines Längenbereichs von insgesamt 60° in Äquatornähe. Diese Satelliten sind eine wichtige Basis für die Wetterbeobachtung und Ableitung von Atmosphärenparametern (Temperatur- und Wasserdampfprofile) für die WMO. Tabelle 1.14 zeigt den Status der Abdeckung aller geostationären Satelliten im Jahr 2008. Trotz guter Allgemeinabdeckung bestehen einige Lücken in der Erfassung. Eine Hauptlücke befindet sich in Ozeanien und dem zentralen Pazifik, wo im Längensektor von 180° der abgedeckte Breitenbereich auf ± 47° absinkt. Eine kleinere Lücke befindet sich weiterhin über dem Mittleren Osten. Es besteht also in Zukunft zunehmend Handlungsbedarf für den Ersatz bestehender geostationärer Satelliten, damit der Verbund der geostationären Satelliten operationell arbeitend erhalten werden kann.

39

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Tabelle 1.13 Chronologie des COMS-Programms Satellit

Start

Ende

Position

Status

Instrumente

COMS-1

2008

erwartet > 2015

128,2° O (oder116,2° O)

konfiguriert

MI, GOCI

COMS-2

2014

erwartet > 2021

128,2° O (oder116,2° O)

konfiguriert

TBD

Tabelle 1.14 Abdeckung der Erde durch geostationäre Satelliten (Stand 2008) geographische Abdeckung

Satellit

Position

erwarteter Status

Hauptinstrumente

30° West–30° Ost Europa, Afrika, Ostatlantik

Meteosat-9



operationell

SEVIRI, GERB

Meteosat-8

3,4° W

in Bereitschaft

SEVIRI, GERB

Meteosat-7

57,5° O

operationell

MVIRI

Kalpana-1

74° O

Sicherung für lNSAT-3D

VHRR

Elektro-L-1

76° O

operationell

MSU-GS

INSAT-3D

83° O

operationell

IMAGER, SOUNDER

FY-2D

86,5° O

Sicherung für FY-2C

S-VISSR

INSAT-3A

93,5° O

Sicherung für lNSAT-3D

VHRR, CCD

FY-2C

105° O

operationell

S-VISSR

COMS-1

128,2° O

operationell

MI, GOCI

MTSAT-1R

140° O

operationell

JAMI

MTSAT-2

145° O

in Bereitschaft

IMAGER

150° West–90° West Ostpazifik, Nordwestamerika

GOES-13

135° W

operationell

IMAGER, SOUNDER

GOES-14

105° W

in Bereitschaft

IMAGER, SOUNDER

90° West–30° West Südamerika, Nordostamerika, Westatlantik

GOES-12

75° W

operationell

IMAGER, SOUNDER

GOES-10

60° W

operationell

IMAGER, SOUNDER

30° Ost–90° Ost Westasien, Indischer Ozean

90° Ost–150° Ost Ostasien, Australien, Westpazifik

150° Ost–150° West Ozeanien, Zentralpazifik

Die beschriebenen geostationären Satellitensysteme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer spektralen Aufzeichnung, also ihrer radiometrischen Auflösung und Anzahl der aufzeichnenden Kanäle insgesamt. Die radiometrische Auflösung ist dabei ein Maß für die kleinste mit einem Fernerkundungssystem noch unterscheidbare elektromagnetische Strahlung. Sie ist abhängig vom Detektorsystem und beträgt zwischen 64 Klassen

(6 Bit) und 2 048 Klassen (11 Bit) bei den neueren Systemen (z. B. IKONOS). Die Tabelle 1.15 fasst die spektralen Eigenschaften der Sensorsysteme zusammen. Das geostationäre Satellitenbeobachtungssystem wird durch polarumlaufende Satelliten ergänzt, die auch die polnahen Bereiche abdecken und damit eine komplette räumliche Abdeckung der Erde ermöglichen.

0,55–0,90 μm

3,50–4,00 μm

IR 4,0 km VIS 1,0 km

IR 4,0 km VIS 1,0 km

IR 4,0 km VIS 1,0 km

IR 4,0 km VIS/ NIR 1,0 km

VIS/IR 5,0km HRVIS 2,5 km

VIS/IR 3,0 km HRVIS 1,0 km

30 min

15 min

30 min

30 min

15 min

30 min

0,50–0,65 μm

0,60–0,90 μm

0,65–0,80 μm

0,55–0,75 μm

3,50–4,00 μm

0,56–0,71 μm

0,55–0,75 μm

3,80–4,00 μm

0,80–0,90 μm

0,50–0,90 μm

3,80–4,00 μm

0,74–0,88 μm

1,50–1,78 μm

3,40–4,20 μm

6,50–7,00 μm

5,70–7,00 μm

5,80–7,30 μm

5,35–7,15 μm

6,50–7,00 μm

7,50–8,50 μm

6,85–7,85 μm

5,70–7,10 μm

8,20–9,20 μm

10,2–11,2 μm

11,2–12,5 μm

Elektro-L-1 MSU-GS

8,30–9,10 μm

10,3–11,3 μm

11,5–12,5 μm

MTSAT-1 JAMI

9,20–10,2 μm

10,2–11,2 μm

13,0–13,7 μm

GOES-12/13 IMAGER

9,38–9,94 μm

10,2–11,2 μm

9,80–11,8 μm

GOES-10 IMAGER

11,5–12,5 μm

10,5–12,5 μm

Meteosat-7 MVIRI

11,0–13,0 μm

12,4–14,4 μm

Meteosat-9 SEVIRI (*)

Tabelle 1.15 Spektrale Aufzeichnungsbereiche geostationärer Satelliten im Vergleich (Stand 2008)

IR 5,0 km VIS 1,25 km

30 min

0,55–0,99 μm

3,50–4,00 μm

6,30–7,60 μm

10,3–11,3 μm

11,5–12,5 μm

FY-2C S-VISSR

IR 4 km,WV 8 km VIS/NIR 1,0 km

30 min

0,52–0,72 μm

1,55–1,70 μm

3,0–4,00 μm

6,50–7,00 μm

10,2–11,2 μm

11,5–12,5 μm

INSAT-3D IMAGER

IR 4,0 km VIS 1,0 km

30 min

0,55–0,8 μm

3,50–4,0 μm

6,5–7,0 μm

10,3–11,3 μm

11,5–12,5 μm

COMS-1 MI

40 1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Polarumlaufende meteorologische Satellitenprogramme Zu den Hauptaufgaben polarumlaufender beziehungsweise sonnensynchroner Satelliten zählt im Wesentlichen

• die Beobachtung von globalen Temperaturund Luftfeuchtefeldern zur numerischen Wettervorhersage • die Bereitstellung von Beobachtungsdaten für Regionen in höheren geographischen Breiten, die für die geostationären Satelliten nicht zugänglich sind Dabei zeichnen viele polarumlaufende Satelliten wesentlich mehr Daten auf, als die genannten Temperatur- und Luftfeuchteinformationen. Einige dieser Satelliten liefern Daten über Ozon oder andere Spurengase, andere nutzen die Mikrowellenradiometrie zur Beobachtung von Niederschlagsfeldern oder tragen aktive Mikrowelleninstrumente (Radar) zur Bestimmung der Oberflächenwinde über den Ozeanen oder anderer Parameter. Im Folgenden werden die für die Klimaforschung wichtigsten polarumlaufenden Satellitensysteme vorgestellt:

• das amerikanische NOAA-/POES-Programm (unterstützt von DMSP, übergeleitet in das NPOESS-Programm) • das europäische MetOp-Programm • das russische Meteor-Programm • das chinesische FY1-Programm (ersetzt durch FY3)

Das NOAA-/POES-Programm Das am 1. April 1960 gestartete amerikanische NOAA-/POES(Polarorbiting Operational Environmental Satellite-)Programm ist das am längsten bestehende meteorologische Satellitenprogramm. Mit dem POES-Satelliten von NOAA-15 (Start 1998) befindet sich bereits die fünfte Generation von Satelliten dieses Programms im Orbit. NOAA ist die Abkürzung für National Oceanic and Atmospheric Administration. Die Tabelle 1.16 fasst die Historie des NOAA-/POES-Programms zusammen. Die folgende Beschreibung der Instrumente wird sich auf die noch aktiven Satelliten der vierten und fünften Generation des NOAA-Programms beschränken: AVHRR/3 (Advanced VHRR), 6-Kanal-VIS/IRRadiometer zur Vielzweckuntersuchung mit ei-

41

ner Auflösung von 1,1 km und einer Abtastbreite (swath) von 2 900 km. HIRS/3 (Highresolution Infra Red Sounder 3), 20-Kanal-IR-Radiometer (einschließlich eines VIS-Kanals) für Temperatur- und Feuchtesondierung mit einer Auflösung von 18 km und einer Abtastbreite von 2 250 km. AMSUA (Microwave Sounding Unit A), 15-Kanal-MW-Radiometer für Temperatursondierungen mit einer Auflösung von 48 km und einer Abtastbreite von 2 340 km. AMSUB (Microwave Sounding Unit B), 5-KanalMW-Radiometer für Feuchtesondierungen mit einer Auflösung von 16 km und einer Abtastbreite von 2 250 km. Wurde für den Satelliten NOAA-N durch MHS (Microwave Humidity Sounder) ersetzt. SBUV/2 (Solar Backscatter Ultraviolet 2), 12-Kanal-UV-Spektroradiometer für Ozon-Profilmessungen mit einer Auflösung von 170 km (nur im Nadir beobachtend). SEM/2 (Space Environment Monitor), Instrument zur in situ-Messung energiegeladener Teilchen des Sonnenwindes in Orbithöhe (nicht auf NOAA-15 vorhanden). DCS/2 (Data Collection System 2), auch bekannt als ARGOS, Instrument zur Aufnahme von Daten automatischer Beobachtungsstationen (z. B. Ozeanbojen) mit einer Übertragungsfrequenz von 401,65 MHz. SARSAT (Search and Rescue Satellite Aided Tracking System), Ortungssystem für Notfälle mit einer Transmitterfrequenz von 121,5, 243 und 406 MHz. Die Satelliten des POES-Systems umrunden die Erde auf polnahen Orbits 14,1 Mal pro Tag. Gegenwärtig sind ein Vormittags- und ein Nachmittagssatellit aktiv, die eine viermalige Erfassung der gesamten Erde ermöglichen. Die Satellitendaten erlauben neben der Wetterbeobachtung und -prognose auch Klimaforschung und -vorhersage, die Messung der weltweiten Meeresoberflächentemperaturen (SST), die Sondierung der Atmosphäre bezüglich Temperatur und Feuchte, die Untersuchung der Meeresdynamik (Wellenhöhe), die Beobachtung vulkanischer Aktivität, die Waldbrandaktivität sowie globale Vegetationsanalysen (NDVI). Eine genaue Instrumentenbeschreibung für den bekanntesten NOAA-/POES-Sensor, den AVHRR, befindet sich in tabellarischer Form im Anhang.

42

Tabelle 1.16

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Chronologie des NOAA-/POES-Programms

Satellit

Start

Ende der Mission

TIROS-1

1.04.1960

17.06.1960

TIROS-2

23.11.1960

TIROS-3

Höhe

Status (09 / 2006)

Instrumente

720 km

inaktiv

VCS-WA, VCS-NA

24.12.1961

670 km

inaktiv

VCS-WA, VCS-NA, MRIR, FPR

12.07.1961

27.02.1962

780 km

inaktiv

2 x VCS-WA, MRIRFPR

TIROS-4

8.02.1962

19.07.1962

770 km

inaktiv

VCS-WA, VCS-MA, MRIR, FPR

TIROS-5

19.06.1962

27.11.1963

750 km

inaktiv

VCS-WA, VCS-MA

TIROS-6

18.09.1962

12.10.1963

700 km

inaktiv

VCS-WA, VCS-MA

TIROS-7

19.06.1963

3.06.1968

680 km

inaktiv

2 x VCS-WA, MRIR, FPR

TIROS-8

21.12.1963

1.07.1967

730 km

inaktiv

APT, VCS-WA

TIROS-9

22.01.1965

12.06.1968

1 350 km

inaktiv

2 x VCS-WA („cartwheel“)

TIROS-10

2.07.1965

1.07.1967

790 km

inaktiv

2 x VCS-WA

ESSA-1

3.02.1966

8.03.1967

770 km

inaktiv

2 x VCS-WA, FPR

ESSA-2

28.02.1966

16.10.1970

1 390 km

inaktiv

2xAPT

ESSA-3

2.10.1966

2.12.1968

1 440 km

inaktiv

2xAVCS, FPR

ESSA-4

26.01.1967

5.05.1968

1 380 km

inaktiv

2xAPT

ESSA-5

20.04.1967

20.02.1970

1 390 km

inaktiv

2xAVCS, FPR

ESSA-6

10.11.1967

3.12.1969

1 450 km

inaktiv

2xAPT

ESSA-7

16.08.1968

10.03.1970

1 450 km

inaktiv

2xAVCS,2xFPR

ESSA-8

15.12.1968

12.03.1976

1 440 km

inaktiv

2xAPT

ESSA-9

26.02.1969

15.11.1972

1 470 km

inaktiv

2xAVCS,2xFPR

ITOS-1 (TIROS-M)

23.01.1970

18.06.1971

1 470 km

inaktiv

2 x AVCS, 2 x APT, 2 x SR, FPR, SPM

NOAA-1 (ITOS-A)

11.12.1970

19.08.1971

1 450 km

inaktiv

2 x AVCS, 2 x APT, 2 x SR, FPR, SPM

NOAA-2 (ITOS-D)

13.10.1972

30.01.1975

1 450 km

inaktiv

2 x VHRR, 2 x SR, 2 x VTPR, SPM

NOAA-3 (ITOS-F)

6.11.1973

31.08.1976

1 500 km

inaktiv

2 x VHRR, 2 x SR, 2 x VTPR, SPM

NOAA-4 (ITOS-G)

15.11.1974

18.11.1978

1 450 km

inaktiv

2 x VHRR, 2 x SR, 2 x VTPR, SPM

NOAA-5 (ITOS-H)

29.07.1976

16.07.1979

1 510 km

inaktiv

2 x VHRR, 2 x SR, 2 x VTPR, SPM

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

43

Tabelle 1.16 Fortsetzung Satellit

Start

Ende der Mission

Höhe

Status (09 / 2006)

Instrumente

TIROS-N

13.10.1978

27.02.1981

850 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS

NOAA-6

27.06.1979

31.03.1987

840 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS

NOAA-7

23.06.1981

7.06.1986

860 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS

NOAA-8

28.03.1983

29.12.1985

820 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS, SARSAT

NOAA-9

12.12.1984

13.02.1998

850 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS, SARSAT, ERBE, SBUV/2

NOAA-10

17.09.1986

30.08.2001

810 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS, SARSAT, ERBE, SBUV/2

NOAA-11

24.09.1988

16.06.2004

843 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS, SARSAT, SBUV/2

NOAA-12

14.05.1991

erwartet > 2006

804 km

begrenzt in Gebrauch

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS

NOAA-13

9.08.1993

21.08.1993

820 km

inaktiv

AVHRR, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS, SARSAT, SBUV/2

NOAA-14

30.12.1994

erwartet > 2006

844 km

begrenzt in Gebrauch

AVHRR/2, HIRS/2, MSU, SSU, SEM, ARGOS, SARSAT, SBUV/2

NOAA-15

13.05.1998

erwartet > 2006

807 km

Sicherung

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, AMSU-B, SEM/2, ARGOS, SARSAT

NOAA-16

21.09.2000

erwartet > 2006

849 km

Sicherung

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, AMSU-B, SBUV/2. SEM/2, ARGOS, SARSAT

NOAA-17

24.06.2002

erwartet > 2009

810 km

operationell

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, AMSU-B, SBUV/2. SEM/2, ARGOS, SARSAT

NOAA-18

20.05.2005

erwartet > 2010

854 km

operationell

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, MHS, SBUV/2. SEM/2, ARGOS, SARSAT

NOAA-19 (NOAA-N1)

2009

erwartet > 2014

840 km

fertiggestellt

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, MHS, SBUV/2. SEM/2, ARGOS, SARSAT

44

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Das militärische DMSP-Programm Streng genommen gehören die Satelliten des amerikanischen DMSP (Defense Meteorological Satellite Program) nicht zum Globalen Beobachtungssystem (GOS). Einige ihrer Sensoren (insbesondere die Mikrowelleninstrumente) werden aber von der NOAA zur Verbesserung ihrer eigenen Satelliten genutzt. NOAA empfängt auf Anfrage folgende DMSP-Sensoren: SSM/I (Special Sensor Microwave/Imager), abbildendes Instrument (Imager) zur Erfassung der Niederschlagshöhe, der Windgeschwindigkeit über Meeresoberflächen und Eisflächen. SSM/T (Special Sensor Microwave/Temperature), abbildendes Instrument (Imager) für die Temperatursondierung. SSM/T2 (Special Sensor Microwave/Humidity), abbildendes Instrument (Imager) für die Feuchtesondierung. Das NPOESS-Programm Das zivile NOAA-/ POES-Programm und das militärische DMSPProgramm werden 2013 nach dem Start des letzten NOAA-Satelliten (2009) und des letzten DMSP-Satelliten (2012) zum NPOESS (National Polar-orbiting Operational Environmental Satellite System) zusammengelegt. Vorgeschaltet wird 2009 das NPP-Projekt (NPOESS Preparatory Project), welches als Testsatellit eng mit dem europäischen EPS/MetOp kooperieren soll. Die Tabelle 1.17 zeigt die Missionen des neuen

Tabelle 1.17

NPOESS-Programms und ihre zugehörigen Instrumente. Die folgende Auflistung umfasst die geplanten Instrumente der NPOESS-Missionen. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass zum jetzigen Stand (2008) der Messumfang einiger Instrumente überarbeitet wird. Die Daten dieser neuen Instrumente werden für die zukünftige Klimaforschung in vielfältiger Weise von Bedeutung sein (z. B. hinsichtlich Ozonmessung, Aerosolbetrachtung, Strahlungshaushalt der Erde). Geplante Nutzlast (payload) von NPOESS: VIIRS (Visible/Infrared Imager Radiometer Suite), der Nachfolger des AVHRR erhält ein 22-Kanal-VIS/IR-Radiometer mit einer Auflösung von 400 m für vier AVHRR-ähnliche Kanäle sowie eine Auflösung von 800 m für die verbleibenden 17 Kanäle bei einer Abtastbreite von 3 000 km. Diese Instrumentvorgaben werden die Basisausstattung für alle NPOESS-Satelliten sein. CrIS (Crosstrack Infrared Sounder), der Nachfolger des HIRS/4 basiert auf einem IR-Interferometer für die hoch auflösende Vertikalsondierung von Temperatur und Luftfeuchte. Es wird 1 302 Kanäle mit einer spektralen Auflösung von 0,625 bis 2,5 cm-1 und einer räumlichen Auflösung von 14 km bei einer Abtastbreite von 2 200 km besitzen. ATMS (Advanced Technology Microwave Sounder), Nachfolger des AMSUA und AMSUB für Temperatur- und Feuchtesondierungen, ein 22-

Chronologie des NPOESS-Programms

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status

Instrumente

NPP

2009

erwartet > 2014

833 km

13:30

fertiggestellt

VIIRS, CrlS.ATMS, OMPS-nadir

NPOESS-1

2013

erwartet > 2018

833 km

13:30

geplant

VIIRS, CrlS, ATMS, OMPS-nadir, ERBS/ CERES, SESS/SEM, A-DCS, SARSAT (OMPS-Iimb)

NPOESS-2

2016

erwartet > 2021

833 km

5:30

geplant

VIIRS, cm IS, A-DCS, SARSAT (CrlS.ATMS, TSIS in Bereitschaft)

NPOESS-3

2020

erwartet > 2025

833 km

13:30

geplant

VIIRS, CrlS, ATMS, cmIS, OMPS-nadir, SESS/SEM, A-DCS, SARSAT (ERBS/CERES, OMPS-Iimb, APS in Bereitschaft)

NPOESS-4

2022

erwartet > 2027

833 km

5:30

geplant

VIIRS, cmIS, A-DCS, SARSAT (CrlS, ATMS, TSIS in Bereitschaft)

*LST: Local Solar Time

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Kanal-MW-Radiometer mit Kanälen von 54 GHz (32 km Auflösung) und 183 GHz (Auflösung 16 km) bei einer Abtastbreite von 2 200 km. CMIS (Conicalscanning Microwave Imager/ Sounder), Nachfolger des DMSP/SSMIS-Mikrowellensondierers. OMPS (Ozone Mapping and Profiler Suite), der Nachfolger des SBUV/2 wird eine in technischer Hinsicht bestmögliche Vertikalsondierung von Ozon in der Stratosphäre ermöglichen (im Nadir). Untersuchte Gase: BrO, HCHO, NO2, O3, OClO, SO2. APS (Aerosol Polarimetry Sensor), 9-Kanal-VIS/ NIR/SWIR-Polarimeter für troposphärische Aerosoluntersuchungen. ERBS (Earth Radiation Budget Sensor), Nachfolger von ERBE und CERES (Clouds and Earth’s Radiant Energy System), die bereits auf TRMM und EOS Terra/Aqua eine erfolgreiche Mission geflogen sind (ausführlich zu diesen Missionen ▶ R&D-Programme). SESS (Space Environment Sensor Suite), Nachfolger des SEM/2 für in situ-Messungen geladener Partikelteilchen des Sonnenwindes. TSIS (Total Solar Irradiance Sensor), Sensor zur Messung der Einstrahlung und ihrer Anteile im Wellenlängenbereich von 0,2 bis 2,0 μm. ADCS (ARGOS Data Collection System), Nachfolger des DCS/2-Systems mit der zusätzlichen Möglichkeit Informationen an die Datensammelplattform zwecks Konfigurationsänderungen zu senden.

Tabelle 1.18

45

SARSAT (Search and Rescue Satellite Aided Tracking System), Nachfolger des SARSAT-Vorgängermodells, wobei nur die 406 MHz Frequenz erhalten bleibt.

Das EPS-/MetOp-Programm Das europäische EPS (EUMETSAT Polar System) hat seinen Ursprung im Jahr 1980 und startete mit dem Satelliten POEM (Polar Orbit Earth-Observation Mission). 1993 wurde die POEM-Mission in zwei Bereiche aufgeteilt – in die ENVISATMission mit dem Schwerpunkt Wissenschaft und Umwelt (ausführlich ▶ R&D-Programme) und die MetOp-Mission für die rein operationellen meteorologischen Arbeiten. MetOp hat drei Satelliten konzipiert. Die Tabelle 1.18 enthält Informationen zur MetOp-Mission. Die Instrumente der Metop-Satelliten ermöglichen eine umfangreiche operationelle meteorologische Datenerfassung und die Gesamtlast der Satelliten stellt zurzeit die modernste Messtechnik im Orbit dar. Die wichtigsten Instrumente auf MetOp sind: AVHRR/3 (Advanced Very High Resolution Radiometer), 6-Kanal-VIS/IR-Radiometer mit einer Auflösung von 1,1 km und einer Abtastbreite von 2 930 km. Er wird von der NOAA für MetOp bereitgestellt. Die Instrumentenangaben entsprechen denen des NOAA/POES-Programms (▶ Anhang). HIRS/4 (Highresolution Infrared Radiation Sounder), von der NOAA bereitgestelltes 20-Kanal-IR-Radiometer (ein Kanal im VIS) zur Tem-

Chronologie des MetOp-Programms

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status (Sept 2006)

Instrumente

MetOp-1

19.10.2006

erwartet > 2010

834 km

09:30

aktiv

AVHRR/3, HIRS/4, AMSU-A, MHS, IASI, GOME-2, GRAS, ASCAT, SEM/2, A-DCS, SARSAT

MetOp-2

10 / 2010

erwartet > 2015

834 km

09:30

fertiggestellt

AVHRR/3, HIRS/4, AMSU-A, MHS, IASI, GOME-2, GRAS, ASCAT, SEM/2, A-DCS, SARSAT

MetOp-3

04 / 2015

erwartet > 2020

834 km

09:30

fertiggestellt

AVHRR/3, AMSU-A, MHS, IASI, GOME-2, GRAS, ASCAT, A-DCS

*LST: Local Solar Time

46

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

peratur- und Feuchtesondierung. Es besitzt eine Auflösung von 10 km bei einer Abtastbreite von 2 180 km (dieses Instrument wird aber nicht auf MetOp3 mitfliegen). AMSUA (Advanced Microwave Sounding Unit A), von der NOAA zur Verfügung gestelltes 15Kanal-MW-Radiometer zur wetterunabhängigen Temperatursondierung mit einer Auflösung von 48 km und einer Abtastbreite von 2 070 km. MHS (Microwave Humidity Sounder), 5-KanalMW-Radiometer zur wetterunabhängigen Feuchtesondierung mir einer Auflösung von 16 km und einer Abtastbreite von 2 180 km. IASI (Infrared Atmospheric Sounding Interferometer), IR-Interferometer zur Ableitung hoch aufgelöster Vertikalprofile von Temperatur und Feuchte. Das Instrument besitzt 8 461 Kanäle mit einer spektralen Auflösung von 0,25 cm-1, einer räumlichen Auflösung von 12 km und einer Abtastbreite von 2 130 km. Das Instrument wurde in Kooperation mit der französischen Raumfahrtagentur CNES entwickelt. GOME2 (Global Ozone Monitoring Experiment 2), Fortsetzung des GOME-Projekts der ERS2Mission. Es handelt sich um ein UV/VIS-Spektrometer mit 4 096 Kanälen (plus 200 Polarisationskanälen) zur Messung von Ozon (totaler Säulenanteil und Profile) sowie weiterer klimarelevanter Spurengase wie BrO, ClO, H2O, HCHO, NO, NO2, NO3, O2, O3, O4, OClO, SO2 und Aerosole. Die Auflösung beträgt 40 km bei einer Abtastbreite von 960 km beziehungsweise 80 km für eine Abtastbreite von 1 920 km. GRAS (GNSS Receiver for Atmospheric Sounding), in Okkultation messender Receiver, welcher die Phasenverschiebung von GPS-Signalen erfasst und somit hoch aufgelöste Profile von Temperatur und Feuchte aufzeichnet. Er besitzt eine vertikale Auflösung von 0,51 km und eine horizontale Auflösung von etwa 300 km. Es sind bis zu 500 Messungen pro Tag geplant. ASCAT (Advanced SCATterometer), Weiterentwicklung des ERS-1/2-Radar-Scatterometers zur Messung des Windes über Meeresoberflächen. Misst in einer Frequenz von 5,255 GHz bei einer Auflösung von 25 km bei einer zweiseitigen Abtastrate von jeweils 550 km. SEM/2 (Space Environment Monitor), von NOAA zur Verfügung gestelltes Instrument zur in situ-Messung geladener Partikelteilchen des Sonnenwindes in jeweiliger Orbithöhe.

ADCS (Advanced Data Collection System), von NOAA und CNES zur Verfügung gestelltes, auch als ARGOS bekanntes Instrument. ARGOS sammelt Daten von automatischen Stationen bei gleichzeitiger Lokalisierung der Messplattformen. Die Aufzeichnungsfrequenz liegt bei 401,65 MHz. SARSAT (Search And Rescue Satellite Aided Tracking System), von NOAA zur Verfügung gestelltes Notfallsystem, die Frequenzen des Transmitters liegen bei 121,5, 243 und 406,05 MHz (nicht auf MetOp3 installiert).

Das Meteor-Programm Das russische Meteor-Programm ist hinsichtlich Laufzeit vergleichbar mit dem amerikanischen TIROS-NOAA-POES-Programm. Jedoch wurde ein rein meteorologischen Zwecken dienender Satellit erst 1969 gestartet. Drei Meteor-Serien (Meteor-1, Meteor-2 und Meteor-3) umliefen die Erde in nicht-sonnensynchronen Orbits, während der aktuelle Meteor-3M ein sonnensynchroner Satellit ist. Das gesamte Meteor-Programm lässt sich in drei Phasen einteilen: 1. Meteor-1 mit insgesamt 25 gestarteten Satelliten und folgenden Instrumenten: • TV Kamera (0,4–0,8 μm), räumliche Auflösung 1,25–3 km, Abtastbreite 1 000 km • IR-Radiometer (8–12 μm), räumliche Auflösung 15 km, Abtastbreite 1 000 km • AC-Radiometer zur Bestimmung des Strahlungshaushalts der Erde (0,3–30 μm), räumliche Auflösung 45 km, Abtastbreite 2 500 km 2. Meteor-2 mit insgesamt 21 gestarteten Satelliten und folgenden Instrumenten: • TV Kamera (0,4–0,8 μm), räumliche Auflösung 1,25–3 km, Abtastbreite 1 000 km • IR-Radiometer (8–12 μm), räumliche Auflösung 15 km, Abtastbreite 1 000 km • SM/IR-Temperatur- und Feuchtesondierer • RMK-2, in-situ aufzeichnendes Instrument für geladene Partikelteilchen 3. Meteor-3 mit insgesamt 7 gestarteten Satelliten und folgenden Instrumenten: • MR-2000M und MR-900B, Kameras im Spektralbereich 0,5–0,8 μm, welche mit einer räumlichen Auflösung von 1 km und Abtastbreite von 3 100 km und mit einer räumlichen Auflösung von 1,5 km und einer Abtastbreite von 2 600 km abtasten

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

• Klimat, ein IR-Radiometer (10,5–12,5 μm) •

• •



mit einer Auflösung von 3 km und einer Abtastbreite von 3 100 km SM, 10-Kanal-IR-Radiometer im Spektralbereich 9,65–18,70 μm zur Sondierung von Temperatur und Feuchte, räumliche Auflösung 42 km bei einer Abtastbreite von 1 000 km RMK-2, Instrument zur in situ-Beobachtung des solaren Windes TOMS (Total Ozone Mapping Spektrometer), von der NASA zur Verfügung gestelltes 6-Kanal-UV-Spektrometer (0,31–0,38 μm) zur Messung von Ozon, räumliche Auflösung 47 km bei einer Abtastbreite von 3 100 km ScaRab (Scanner for Radiation Budget), von CNES zur Verfügung gestelltes Radiometer mit zwei Breitbandkanälen (0,2–4,0 μm und 0,2–50 μm) sowie zwei Schmalbandkanälen (0,5–0,7 μm und 10,5–12,5 μm). Die Auflösung beträgt 60 km bei einer Abtastbreite von 3 200 km

47

Das FY-1- und FY-3-Programm Das chinesische FY-1- und FY-3-Programm startete im Jahr 1988. Seit April 2004 ist der 2002 gestartete Satellit FY-1D der einzige operationell arbeitende Satellit der FY-Mission. Die wichtigsten Instrumente an Bord des FY-1D sind: MVISR (Multichannel Visible and Infrared Scanning Radiometer), VIS/IR-Radiometer mit einer Auflösung von 1,1 km bei einer Abtastbreite von 2 800 km. Auf den Satelliten FY-1A und FY-1B hatte MVISR insgesamt 5 Kanäle (0,48–0,53, 0,53–0,58, 0,58–0,68, 0,725–1,10, 10,5–12,5 μm). Die Satelliten FY-1C und FY-1D weisen bereits 10 Kanäle auf. SEM (Space Environment Monitoring) zur in situ-Untersuchung geladener Partikelteilchen des Sonnenwindes. Die Tabelle 1.19 zeigt den Umfang des chinesischen FY-Programms. Analog zur Darstellung der geostationären Satelliten soll eine Übersicht zur allgemeinen

Tabelle 1.19 Chronologie des chinesischen FY-Programms Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status

Instrumente

FY-1A

7.09.1988

16.10.1988

900 km

11:30

inaktiv

MVISR, SEM

FY-1B

3.09.1990

5.08.1991

900 km

16:0

inaktiv

MVISR, SEM

FY-1C

10.05.1999

26.04.2004

862 km

6:5

inaktiv

MVISR, SEM

FY-1D

15.05.2002

erwartet > 2006

866 km

8:20

operationell

MVISR, SEM

FY-3A

2007

erwartet > 2010

836 km

10:00

fertiggestellt

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

FY-3B

2009

erwartet > 2013

836 km

14:00

geplant

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

FY-3C

2012

erwartet > 2015

836 km

10:00

geplant

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

FY-3D

2014

erwartet > 2017

836 km

14:00

geplant

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

FY-3E

2016

erwartet > 2019

836 km

10:00

geplant

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

FY-3F

2018

Erwartet > 2021

836 km

14:00

geplant

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

FY-3G

2020

erwartet > 2023

836 km

10:00

geplant

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

*LST: Local Solar Time

48

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Tabelle 1.20 Abdeckung durch polarumlaufende, sonnensynchrone und operationell arbeitende Satelliten (Stand 2008) Tageszeit

Satellit

LST*

Instrumente

00-03

NOAA-18

01:40

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, MHS, SBUV/2.SEM/2, ARGOS, SARSAT

03-06

DMSPS17

05:30

SSMIS

06-09

DMSPS16

08:10

SSMIS

FY-1D

08:20

MVISR, SEM

MetOp-1

09:30

AVHRR/3, HIRS/4, AMSU-A, MHS, IASI, GOME-2, GRAS, ASCAT, SEM/2, ARGOS, SARSAT

FY-3A

10:00

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

09-12

Meteor-M-1

10:20

MSU-MR, MTVZA, kmSS, Severjanin, GGAK-M

NOAA-17

10:20

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, AMSU-B, SBUV/2.SEM/2, ARGOS, SARSAT

12-15

NOAA-18

13:40

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, MHS, SBUV/2.SEM/2, ARGOS, SARSAT

15-18

DMSPS17

17:30

SSMIS

18-21

DMSPS16

20:10

SSMIS

FY-1D

20:20

MVISR, SEM

MetOp-1

21:30

AVHRR/3, HIRS/4, AMSU-A, MHS, IASI, GOME-2, GRAS, ASCAT, SEM/2, ARGOS, SARSAT

FY-3A

22:00

VIRR, MERSI, MWRI, IRAS, MWTS, MWHS, TOU/SBUS, SEM

Meteor-M-1

22:20

MSU-MR, MTVZA, kmSS, Severjanin, GGAK-M

NOAA-17

22:20

AVHRR/3, HIRS/3, AMSU-A, AMSU-B, SBUV/2.SEM/2, ARGOS, SARSAT

21-24

*LST: Local Solar Time

zeitlichen und räumlichen Abdeckung der Erde durch polarumlaufende Satelliten gegeben werden. Die Tabelle 1.20 fasst alle zur Verfügung stehenden, operationell arbeitenden, polarumlaufenden Satelliten und ihre Instrumente zusammen. Die aufgelisteten operationellen geostationären und polarumlaufenden Satellitensysteme sind die wichtigsten Datenlieferanten für eine auf Kontinuität ausgelegte Wetter- und Klimaanalyse. Im Folgenden wird auf Programme eingegangen, die in den Bereich Forschung und Entwicklung (folgend als R&D abgekürzt) gehören. Bei den R&D-Programmen werden jeweils die für die Klima- und Global-Change-Forschung relevanten und wichtigen Programme behandelt. Nachteil der meisten R&D-Programme ist, dass sie meist nur für einige Jahre oder einen noch kürzeren Zeitraum ausgelegt sind.

R&D-Programme im Interesse der Klima- und Global-ChangeForschung Als logische Einteilung bot sich die Gruppierung der R&D-Programme nach den jeweiligen nationalen Weltraumagenturen an. Im Folgenden werden die R&D-Programme folgender Institutionen vorgestellt:

• ESA (Europäische Weltraumagentur, European Space Agency)

• NASA (Amerikanische Weltraumagentur, Na• • • •

tional Aeronautics and Space Administration) JAXA (Japanische Weltraumagentur) CNES (Französische Weltraumagentur) ISRO (Indische Weltraumagentur) RosKosmos (Russische Weltraumagentur)

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Tabelle 1.21

49

Chronologie der ERS- und ENVISAT- Satelliten

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status (Sept 2006)

Instrumente

ERS-1

17.07.1991

10 .03. 2000

785 km

10:30

inaktiv

AMI, RA, ATSR, MWR, LRR, PRARE

ERS-2

21.04.1995

erwartet > 2008

785 km

10:30

operationell

AMI, RA, ATSR-2, MWR, GOME, LRR, PRARE

ENVISAT

1.03. 2002

erwartet > 2010

800 km

10:00

operationell

ASAR, RA-2, AATSR, MWR, MERIS, MIPAS, GOMOS, SCIAMACHY, LRR, DORIS

*LST: Local Solar Time

Die europäischen ESA-Programme Zu den R&D-Programmen der ESA gehören die Earth-Watch-Mission, die ERS-1/-2- und ENVISAT-Missionen sowie die Earth-Explorer-Mission und GMES-Initiative. Die Earth-Watch-Mission umfasst das komplette Meteosat- und MetOpProgramm und wurde bereits ausführlich dargestellt (▶ Das Meteosat-Programm, ▶ Das EPS-/ MetOp-Programm). ERS (European Remote Sensing Satellite) Die Satelliten ERS-1 und ERS-2 sind Radarsysteme zur Mikrowellenfernerkundung. Das wichtigste Instrument ist das Radarsystem SAR (Synthetic Aperture Radar), das eine Bodenauflösung von 30 × 30 m erreicht. Es liefert unabhängig von den Witterungsbedingungen Tag und Nacht Farbbilder von den Meeren, Küsten- und Polareisbereichen sowie dem Festland. SAR stellt ein abbildendes Radar-System mit Blick seitlich zur Flugrichtung dar. Die effektive Antennenlänge (Apertur) wird unter Ausnutzung der Satellitenbewegung synthetisch vergrößert. Dadurch lässt sich eine räumliche Auflösung ähnlich wie bei optischen Instrumenten erreichen. Das System sendet aktiv Mikrowellen zur Erdoberfläche und misst die reflektierten Strahlen. Der Vorteil gegenüber visuellen Systemen ist die uneingeschränkte Einsetzbarkeit bei Dunkelheit und Wolkenbedeckung. SAR-Sensoren werden nach verwendeter Wellenlänge eingeteilt in C- und X-SAR. Der AMI-Sensor auf dem ERS-1 ist ein C-Band-SAR. Das SIR-C/X-SAR ist ein multifrequentes SAR in den Bereichen des L-, C- und X-Bandes. Ein weiterer Vorteil gegenüber optischen Sensoren ist, dass die räumliche Auflösung von SAR-Sensoren prinzipiell nicht von der Flughöhe abhängig ist.

Mittels SAR-Satellitenaltimetrie können Höhen über der Meeresoberfläche global bestimmt werden, welche durch lokale Schwereanomalien bedingt sind und dadurch mit dem Relief des Meeresbodens in Korrelation gebracht werden können. Die mittels SAR-Altimetrie abgeleiteten Informationen über das Relief des Ozeanbodens sind z. B. für die Betrachtung der Zirkulation des Tiefenwassers von Bedeutung ERS-2 ist seit 13 Jahren im Orbit und arbeitet bezüglich seiner Sensorik einwandfrei, obwohl die geplante Betriebsdauer nur 5 Jahre betragen sollte. Lediglich das globale Onboard – Aufzeichnungssystem fiel im Juni 2003 aus. In einer Zeitphase von 9 Monaten (1995–1996) wurden ERS-1 und ERS-2 im Tandemmodus geflogen, um mittels SAR-Interferometrie Daten für die Ableitung genauer Geländemodelle zu generieren (z. B. Geländemodell der Antarktis). Stellvertretend für das gesamte ERS-System wird die Nutzlast des ERS-2 kurz beschrieben: AMI (Active Microwave Instrument), ein CBand-Instrument (5,3 GHz), welches ein abbildendes SAR mit einer Abtastbreite von 100 km und einer räumlichen Auflösung von 30 m, ein Wind-Scatterometer (SCAT) mit einer Auflösung von 50 km und einer Abtastbreite von 500 km sowie ein SAR zur Messung der Wellenhöhe und Wellenrichtung (wave mode) auf den Meeren enthält. RA (Radar Altimeter), Ku-Band-Radar (13,8 GHz), um signifikante Wellenhöhen, Windgeschwindigkeiten, Ozean- und Eistopographie zu messen. MWR (Micro Wave Radiometer), ZweifrequenzRadiometer (23,8 and 36,5 GHz) zur Messung der totalen Wasserdampfsäule über Ozeangebieten.

50

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

ATSR2 (Along Track Scanning Radiometer 2), ein 7-Kanal-VIS/IR-Radiometer mit 4 Kanälen im ERS1/ATSR-Modus) zur Ableitung hochgenauer Temperaturen der Meeresoberfläche. GOME (Global Ozone Monitoring Experiment), Spektrometer mit 4 096 Kanälen und einer spektralen Gesamtabdeckung von 240–790 nm und einer spektralen Auflösung von 0,2 nm im UV und 0,4 nm im VIS. Untersuchte Spurengase sind: O3, O2, O4, NO, NO2, NO3, H2O, BrO, ClO, OClO, HCHO, SO2 und Aerosol. Die räumliche Auflösung beträgt 40 km entlang der Flugrichtung (along-track) und 320 km quer zur Flugrichtung (cross-track) bei einer Abtastbreite von 960 km (beziehungsweise 40 km Auflösung für eine Abtastbreite von 120 km). PRARE (Precise Range And Rangerate Equipment) und LRR (Laser Retro Reflector), Instrumente zur präzisen Bestimmung der Flugbahn, welche für die Arbeiten mit RA benötigt werden. ENVISAT (Environment Satellite) Es ist Europas größter je gebauter Erdbeobachtungssatellit mit einer Gesamtstartmasse von über 8 Tonnen. Hauptaufgabe von ENVISAT ist die Beobachtung der globalen Umweltveränderungen. Im Einzelnen soll ENVISAT neben vielen wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Beobachtungen Messdaten zur Erforschung des Ozonlochs, zum Regenwaldmonitoring, zur Versteppung und Verwüstung riesiger Landmassen, zum Bio-Inventar und zur Verschmutzung der Meere sowie zur Entwicklung der polaren Eisregionen liefern. Der Satellit umkreist die Erde auf einer polaren Umlaufbahn in rund 100 Minuten und kann die Erdoberfläche und Atmosphäre wetterunabhängig beobachten. Alle 35 Tage werden dieselben Bereiche überflogen. Die Betriebsdauer des Satelliten war ursprünglich auf fünf Jahre ausgelegt. Die ENVISAT-Mission dauert aber bereits 6 Jahre. Alle Instrumente zeigen bis heute normale Arbeitsleistung, bis auf eine geringfügige Alterung der Sensoren MIPAS und GOMOS (siehe unten). Allerdings gab es Anfang 2006 Störungen in der Radaraltimetrie. Die Nutzlast von ENVISAT umfasst folgende Instrumente: ASAR (Advanced Synthetic Aperture Radar), SAR-C-Band-Radar (5,3 GHz), welches ähnlich wie bei ERS-1 und ERS-2 im „stripmap mode“ arbeitet. Es kann mit unterschiedlicher Polarisation (HH oder VV) aufzeichnen.

RA2 (Radar Altimeter 2), Radaraltimeter im KuBand (13,6 GHz) und S-Band (3,2 GHz), das eine bessere atmosphärische Korrektur ermöglicht. AATSR (Advanced Along Track Scanning Radiometer), verbessertes Radiometer auf Basis des ERS-2. MERIS (Medium Resolution Imaging Spectrometer), 15-Kanal-VIS/NIR-Spektroradiometer zur Bestimmung der Ozeanfarbe, Vegetationsbedeckung und des Aerosols. MERIS besitzt eine Auflösung von 300 m. MWR (Micro Wave Radiometer), überarbeitetes Mikrowellenradiometer des ERS-1-MWR. MIPAS (Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding), passiver Limb Scanner für die Atmosphärenchemie mit einem Spektralbereich von 4,15–14,6 μm und einer spektralen Auflösung von 0,035 cm-1. Untersuchte Atmosphärenbestandteile: O3, NO, NO2, HNO3, HNO4, N2O5, ClONO2, COF, HOCl, CH4, H2O, N2O, CFC’s (F11, F12, F22, CCl4, CF4), CO, OCS, C2H2, C2H6, SF6 und Aerosol. GOMOS (Global Ozone Monitoring by Occultation of Stars), Instrument, das mittels eines Spektrometers über Okkultation von 2 540 Sternen die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre untersucht. Der Spektralbereich reicht von 250–950 nm bei einer Auflösung von 0,89 nm im UV/VIS- und 0,12 nm im NIRBereich. Untersuchte Atmosphärenbestandteile sind: O3, H2O, NO2, NO3, OClO, BrO, ClO und Aerosol. SCIAMACHY (Scanning Imaging Absorption Spectrometer for Atmospheric Cartography), Spektrometer zur Untersuchung der Atmosphärenchemie. Es kann sowohl im Limb, CrossNadir oder in Okkultation (Sonne und Mond) betrieben werden. Der Spektralbereich reicht von 240–2380 nm mit einer spektralen Auflösung von 0,24 bis 1,48 nm. Untersuchte Atmosphärenbestandteile sind: O3, O2, O4, NO, NO2, NO3, N2O, CO, CO2, CH2, H2O, BrO, ClO, OClO, HCHO, SO2 und Aerosol. DORIS (Doppler Orbitography and Radiopositioning Integrated by Satellite) und LRR (Laser Retro Reflector), Instrumente zur präzisen Bestimmung von Orbitparametern insbesondere für topographische Anwendungen. Die Tabelle 1.21 zeigt die Chronologie der ERS- und ENVISAT-Satelliten sowie die zugehörigen Instrumente.

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Das Satellitenprogramm ENVISAT verdeutlicht anhand seiner vielfältigen Sensoren, wie wichtig insbesondere die Erforschung der Atmosphärenchemie für aktuelle und zukünftige Forschungsfragen ist. Deshalb sind detaillierte Beschreibungen der einzelnen ENVISAT-Sensoren in den Anhang aufgenommen worden. Allerdings sind die Daten von ENVISAT nicht ohne Weiteres frei zugänglich. Eine Datenanfrage ist vielmehr über einen gesonderten und begründeten Antrag an die ESA zu richten (ausführliche Informationen: Earth Observation Principal Investigator Portal ). Allerdings besteht trotzdem die Möglichkeit ohne große Wartezeit Daten von ENVISAT zu nutzen. Unter der angegeben Webseite ist ein sogenanntes „ENVISAT meteorological package“ auf dem FTP-Server frei verfügbar.

51

Neben dem großen ENVISAT-Programm untersucht die Europäische Union (EU) im Rahmen ihrer Earth-Explorer-Mission in kleineren Satellitenmissionen bestimmte Prozesse in der Atmosphäre beziehungsweise klimarelevante Erscheinungen wie Eisdicke, Schwerefeldanomalien, Mikrophysik der Wolken. Die Tabelle 1.22 fasst die Projekte dieser Mission zusammen (Stand 2008). Die Earth Explorer Mission ist offen für Vorschläge aus der Wissenschaft. So besteht in einem „Call for Ideas“ die Möglichkeit, zielgerichtet Missionen vorzuschlagen. Aus einem „Call“ jüngeren Datums wurden z. B. folgende Projekte einer näheren Begutachtung unterzogen: BIOMASS, zielt auf die Bestimmung der Biomasse von Waldbeständen, die Ausdehnung von Wäldern und entwaldeten Gebieten. Basiert auf der Nutzung eines P-Band-SAR.

Tabelle 1.22 Liste ausgesuchter Earth Explorer Missionen (Stand 2008) Satellit

Start

Lebensdauer

Orbit

Haupt – Instrumente

Mission

CryoSat

8.10.2005

Start gescheitert

nicht-sonnensynchron, 717 km, Inclination 92°

SIRAL SAR/lnterferometric Radar Altimeter)

Eisdicke und Topographie

GOCE

05/2007

1,3 Jahre

sonnensynchron, 250 km, LST 06/18

Gravity Gradiometer, 12-Kanal GPS receiver

Schwerefeldanomaliemessungen, genaues Geoid

SMOS

09/2007

>3 Jahre

sonnensynchron, 763 km, LST 06/18

MIRAS (Microwave Imaging Radiometer using Aperture Synthesis)

großskalige Messung von Salzgehalt und Bodenfeuchte

ADM-Aeolus

09/2008

3 Jahre

sonnensynchron, 400 km, LST 06/18

ALADIN (Atmospheric Laser Doppler Instrument)

Windprofile in Reinatmosphäre

CryoSat-2

03/2009

3,5 Jahre

nicht-sonnensynchron, 717 km, Inclination 92°

SIRAL (SAR/lnterferometric Radar Altimeter)

Eisdicke und Topographie

Swarm (3 Satelliten)

02/2010

4,5 Jahre

2 Sat. in 450 km, 87,4° 1 Sat in 530 km, 86,8°

Magnetometers (scalar and vector), Electric Field, Accelerometer

geomagnetische Feldmessungen zur Erforschung des Erdinneren

Earth-CARE

12/2012

2–3 Jahre

sonnensynchron 450 km, LST 10:30

ATLID (Atmospheric Lidar), CPR (Cloud Profiling Radar), MSI (Multi-Spectral Imager), BBR (BroadBand Radiometer)

Wolkenmikrophysik, Strahlungsmessung, Aerosol

52

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

TRAQ, zielt auf die Messung der primären Luftinhaltsstoffe in der Troposphäre zur Bestimmung der Luftqualität. PREMIER, zielt auf die hoch auflösende Messung im mm-Wellenlängenbereich und LimbSounding, um Prozesse in der Übergangszone hohe Troposphäre / untere Stratosphäre besser zu erfassen. FLEX, zielt auf die Erstellung globaler Karten der Fotosyntheseaktivität der Vegetation, um weitere fundierte Erkenntnisse über die Biosphäre und den globalen Kohlenstoffkreislauf zu gewinnen. SCOPE, zielt auf die Kartierung der CO2-Quellen- und Senkengebiete in einem Maßstab von 500 km oder besser. CoReH2O, zielt auf die Bestimmung des SchneeWasseräquivalents sowie die Messung der Mächtigkeit von Land- und Meereis. Messungen sollen mittels X-Band-SAR durchgeführt werden. GMES (Global Monitoring for Environment and Security) ist eine gemeinsame Initiative der Europäischen Kommission und der ESA mit dem Ziel, ein europäisches Netzwerk zur Erfassung und Auswertung von Umweltdaten zu erstellen. Die Daten und Analysen sollen dabei sowohl in direkten Messungen (z. B. chemische Analysen zur Luft-, Wasser-, Bodenqualität) als auch indirekt durch Fernerkundung gewonnen werden. Dabei ist mittels GMES auch eine Koordination der verschiedenen nationalen Institutionen geplant. GMES lässt sich in die fünf Missionen aufteilen:

• Sentinel-1: Bereitstellung kontinuierlicher CBand-SAR-Daten (Start 2011 und 2013)

• Sentinel-2: Bereitstellung hoch auflösender, multispektraler und hyperspektraler optischer Daten (Start 2011 und 2013) • Sentinel-3: Infrarot-Radiometrie (hochgenaue Temperaturmessung), Höhenmessung mittels Radartechnik, multispektrale Aufnahmen mit 500–1000 m Bodenauflösung; Kombination der Einzelmessungen für Küstenüberwachungen, Vorhersagen über Strömungen und Wellengang auf den Meeren und für Umweltdaten auf dem Land (Start 2012 und 2014) • Sentinel-4: Daten zur Atmosphärenchemie von geostationären Satelliten • Sentinel-5: Daten zur Atmosphärenchemie von Satelliten in niedriger Umlaufbahn Weiterführende Informationen zu GMES sowie der aktuelle Planungsstand lassen sich der Inter-

netseite zu GMES entnehmen . Die GMESDienste werden bei Umweltkatastrophen das Krisenmanagement unterstützen. Neben den Sentinel-Satelliten werden rund 30 weitere europäische Erdbeobachtungssatelliten in GMESProjekt eingebunden, z. B. ENVISAT, Meteosat, MetOp, Spot, TerraSAR, RapidEye, Topsat sowie die bereits genannten ESA-Earth Explorer Missionen SMOS, GOCE und ADM-Aeolus.

Die amerikanischen NASA-Programme Aus der Vielzahl der NASA-Erdbeobachtungsprogramme werden im Folgenden die für die Klima- und Global-Change-Forschung bedeutenden Programme vorgestellt. Dabei wird der für das Verständnis der Sensorentwicklung wichtige Blick auf die Historie der NASA-Programme ebenfalls berücksichtigt:

• das Nimbus-Programm (SeaSat, ERBS und UARS)

• das Landsat-Programm • das EOS-Programm • das Earth System Science Pathfinder-Programm Alle genannten Programme haben erheblichen Anteil an einer verbesserten „Sicht“ auf unsere Erde. Die Landsat-Satelliten ermöglichten zum ersten Mal eine komplette Abdeckung unserer Erde mit Informationen zur Landbedeckung (Vegetationseinheiten, Landnutzung). Das Nimbus-Programm (SeaSat, ERBS und UARS) Innerhalb dieses Programms wurden Konzepte und Instrumente entwickelt, die heute auf vielen operationellen Missionen eingesetzt werden. Die in Tabelle 1.23 gezeigte Übersicht der einzelnen Instrumente ist ein Spiegelbild der Entwicklung von VIS/IR-Imager, MW-Imager, IR-Sondierer und MW-Sondierer. Zusätzlich wurden Radiometer für die Messung des Strahlungshaushalts der Erde sowie für das UV-Monitoring entwickelt. Damit kann SeaSat als Wegbereiter für Missionen wie TOPEX/Poseidon, QuikSCAT und Jason gelten. Die aufgelisteten Sensoren zeigen die Vielfalt dieses Programms und seine Bedeutung für die moderne Klimaforschung. Beschreibungen der einzelnen Sensoren würden den Rahmen des vorliegenden Buches sprengen. Detaillierte Informationen können

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

53

Tabelle 1.23 Chronologie der Nimbus-, SeaSat- und UARS-Satelliten Satellit

Start

Ende der Mission

Nimbus-1

28.08.1964

23.09.1964

Nimbus-2

15.05.1966

Nimbus-3

Höhe

LST/ Inkl.*

Instrumente

680 km

12:00

HRIR, AVCS, APT

17.01.1969

1 140 km

11:30

HRIR, AVCS, APT, MRIR

13.04.1969

22.01.1972

1 100 km

12:00

HRIR, IDCS, MRIR, IRIS-B, SIRS, MUSE, IRLS

Nimbus-4

8.04.1970

30.09.1980

1 100 km

12:00

THIR, IDCS, IRIS-D, SIRS-B, FWS, SCR, MUSE, BUV, IRLS

Nimbus-5

10.12.1972

29.03.1983

1 100 km

12:00

THIR, SCMR, ESMR, ITPR, SCR, NEMS

Nimbus-6

12.06.1975

29.03.1983

1 100 km

12:00

THIR, ESMR, HIRS, PMR, SCAMS, LRIR, ERB, TWERLE

Nimbus-7

24.10.1978

1994

947 km

12:00

THIR, CZCS, SMMR, UMS, SAM-II, SAMS, SBUV, TOMS, ERB

SeaSat

27.06.1978

10.10.1978

785 km

108°

SAR, SMMR, ALT, SASS, VIRR, LTR

ERBS

5.10.1984

14.10.2005

610 km

57°

ERBE, SAGE-II

UARS

12.09.1991

14.12.2005

700 km

57°

CLAES, ISAMS, HALOE, MLS, SOLSTICE, SUSIM, HRDI, WINDII, ACRIM-2, PEM

*LST/Inkl.: Local Solar Time/Inklination

aber dem Status of the Spacebased component von GOS (CGMS-XXXIV, herausgegeben von der WMO WP25, 2006) entnommen werden. Die SeaSat-Mission demonstrierte als erste Mission die Möglichkeiten der Mikrowellenfernerkundung über alle Modi hinweg (SAR, Altimetrie, Scatterometrie). Sie bestand aus fünf Instrumenten: einem Radaraltimeter, einem Mikrowellenscatterometer, einem Mikrowellenradiometer und einem Radiometer im Bereich des sichtbaren und infraroten Lichts sowie erstmalig einem SAR als Hauptinstrument. SeaSat transportierte somit das erste SAR in den Weltraum und zeichnete während einer Verweilzeit von insgesamt nur 106 Tagen an 70 Tagen eine sehr aussagekräftige Datenmenge auf. ERBS (Earth Radiation Budget Satellite) arbeitete von 1984 bis 1998 auf NOAA-9 und von 1986 bis 2001 auf NOAA-10. Die Mission verfügte über zwei Instrumente, das ERBE (Earth Radiation Budget Experiment) zur Messung des Strahlungshaushalts der Erde und das SAG-II (Startospheric Aerosol and Gas Experiment) zur Messung der Stratosphärenchemie.

UARS (Upper Atmosphere Research Satellite) zielte erstmalig auf die Atmosphärenchemie in Stratosphäre und Mesosphäre ab. Beim Start 1991 war der Satellit mit 6 800 kg der größte jemals in den Orbit geschossene Satellit. Ursprünglich für eine Betriebsdauer von nur 18 Monaten ausgelegt, arbeitete UARS 14 Jahre. Die wichtigsten wissenschaftlichen Experimente sollten zum einen Aufschluss über die Konzentration und Verteilung wichtiger Gase (z. B. CO2, Ozon, Chlor, Methan), von Stickoxiden und Fluorchlorkohlenwasserstoffen in der oberen Atmosphäre (Stratosphäre und Mesosphäre) geben, um die chemischen Prozesse besser zu verstehen. Zum anderen sollte der Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die Ozonschicht untersucht werden. Weitere Informationen finden sich auf der UARS Homepage . Das Landsat-Programm Das Landsat-Programm wurde für die Fernerkundung der Erdoberfläche entwickelt. Daher sind die Spektralbereiche des Systems für eine Differenzierung von Landoberflächen ausgelegt. Gleiches gilt für die

54

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Bodenauflösung von 30 × 30 Metern hinsichtlich vieler Aufgabenstellungen. Landsat-Satellitenaufnahmen werden häufig für Landnutzungsklassifikationen, für geologisch/mineralogische Explorationsarbeiten, Erntevorhersagen, Waldzustandserhebungen, Katastrophenmanagement und kartographische Arbeiten herangezogen. Die Daten sind heute eine wichtige Quelle für die Global-Change-Forschung und seit 2008 ist das gesamte Landsat-Archiv kostenfrei verfügbar. Die Tabelle 1.24 zeigt die Chronologie des Landsat-Programms. Im Jahr 1972 startete der auf Basis eines Nimbus-Wettersatelliten entwickelte Earth Resources Technology Satellite-1 (ERTS-1), welcher 1975 in Landsat-1 umbenannt wurde. Seine wichtigsten Instrumente waren: RBV(Return Beam Vidicon) und MSS (Multispectral Scanner) auf Landsat 1, 2). MSS: • Band 1: 0,475–0,575 μm, blaugrün • Band 2: 0,580–0,680 μm, rot • Band 3: 0,690–0,830 μm, nahes Infrarot Auflösung: 80 m RBV:

• Band A: 0,505–0,750 μm (panchromatisch (Landsat 3)) Auflösung: 80 m

Tabelle 1.24

• Im Jahr 1982 folgt Landsat-4 mit MSS und TM (Thematic Mapper)

• Im Jahr 1984 startet Landsat-5 mit MSS und TM. Er ist seit 25 Jahren operationell aktiv

• Der Folgesatellit Landsat-6 mit ETM geht 1993 bei einem Fehlstart verloren

• Der aktuellste Satellit dieser Serie wird 1999 als Landsat-7 gestartet, mit ETM+ (Enhanced Thematic Mapper, ETM+) an Bord. Seit Ende 2003 liefert Landsat 7 eine deutlich verringerte Bildqualität durch Ausfall des Scan Line Corrector. Dem Landsat-Programm folgte das NMP EO-1Programm (New Millenium Program – EarthObserving-1), das im Jahr 2000 gestartet wurde. Diese Mission nutzte im Wesentlichen drei Instrumente an Bord: ALI (Advanced Land Imager), vergleichbar ETM+, allerdings wurde der IR-Kanal zugunsten von drei Kanälen im Bereich 0,44, 0,87 und 1,25 μm ausgetauscht. LAC (LEISA Atmospheric Corrector), unterstützt den ALI-Sensor durch zusätzliche atmosphärische Korrekturen. Hyperion, ein hyperspektraler Sensor mit 220 Kanälen von 10 nm Bandbreite im spektralen Bereich 0,4–2,5 μm, einer räumlichen Auflösung von 30 m und einer Abtastbreite von 7,5 km.

Chronologie des Landsat-Programms

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status

Instrumente

ERST-1 bzw. Landsat-1 (ERTS)

23.07.1972

2.01.1978

907 km

10:00

inaktiv

RBV (Return Beam Vidicon), MSS, DCS

Landsat-2

22.01.1975

25.02.1982

908 km

10:00

inaktiv

RBV, MSS (Multispectral Scanner), DCS

Landsat-3

5.03.1978

31.03.1983

915 km

10:00

inaktiv

RBV, MSS, DCS

Landsat-4

16.07.1982

15.06.2001

705 km

10:00

inaktiv

MSS, TM, GPS

Landsat-5

1.03.1984

erwartet > 2008

705 km

10:00

operationell

MSS, TM, GPS

Landsat-6

5.10.1993

Start gescheitert





inaktiv

ETM

Landsat-7

15.04.1999

erwartet > 2009

705 km

10:00

operationell

ETM+

NMP EO-1

21.11.2000

erwartet > 2009

705 km

10:15

operationell

ALI, LAC, Hyperion

LDCM

bis 2010

keine Angaben

TBD

TBD

in Vorbereitung

OLI

*LST: Local Solar Time

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Die NMP EO-1-Mission soll nach 2009 durch neue Satelliten ergänzt werden, die einen sogenannten OLI-Sensor (Operational Land Imager, Nachfolger von ALI) an Bord haben werden. Das EOS-Programm Das EOS (Earth Observing System-)Programm der NASA wurde zur Langzeitbeobachtung des Klimas, der marinen und terrestrischen Ökosysteme entwickelt und stellt einen ersten wesentlichen Ansatz für die Erdsystemforschung dar. Es unterstützt den Aufbau eines Informationssystems, um zu einem umfassenden Verständnis der Erde als System zu gelangen. Das Programm umfasst klein- bis mittelgroße Satelliten, die seit 1999 zum Earth Science Enterprise (ESE) der NASA gehören. Folgende Missionen gehören zu EOS: EOS-Aqua, Satellit zur multidisziplinären Erforschung der miteinander in Wechselbeziehung stehenden Prozesse in Atmosphäre, Meer und Land. Er hat wie der Terra-Satellit den wichtigen MODIS-Sensor an Bord. EOS-Terra, misst die Strahlungseigenschaften von Wolken und Aerosolen und berücksichtigt Austauschprozesse zwischen Luft und Boden beziehungsweise Luft und Meer bezüglich Energie-, Kohlenstoff- und Wasserumsatz. Leider endet die Mission etwa 2012 und der Satellit wird nicht mehr operationell im Einsatz sein. Seine wichtigsten Instrumente sind:

• MODIS

(Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer), 36-Kanal-Radiometer im Spektralbereich von 0,4 bis 14,4 μm. Es bietet in den jeweiligen Kanälen räumliche Auflösungen von 250, 500 und 1 000 m • CERES (Clouds and the Earth’s Radiant Energy System), Radiometer, das in drei Kanälen das von der Erdoberfläche reflektierte Sonnenlicht sowie die von der Erde emittierte thermische Strahlung aufzeichnet und darüber hinaus die Gesamtsumme der Strahlung vom oberen Rand der Atmosphäre bis zur Erdoberfläche misst. Ein Kurzwellenkanal (0,3–5,0 μm) dient der Messung des reflektierten Sonnenlichts, ein Langwellenkanal (8–12 μm) der von der Erde emittierten Thermalstrahlung und ein Breitbandkanal der Erfassung aller Wellenlängen. Die Daten liefern Informationen über den Strahlungshaushalt der Erde. Weiterhin werden Wolkeneigenschaften einschließlich

55

ihrer Ausdehnung, Höhe, Mächtigkeit und Partikelgröße erfasst. Diese Messungen von EOS-Terra und EOS-Aqua sind für das Verständnis der globalen Klimaänderungen von großer Bedeutung. CERES-Instrumente sind auch auf den Satelliten der TRMM-Mission installiert • ASTER (Advanced Spaceborne Thermal Emission and Reflection), ein in Japan gebautes Instrument zur bildhaften Darstellung von Temperatur, Orographie, Emissionsvermögen und Reflektionsverhalten der Landoberflächen • MISR (Multiangle Imaging SpectroRadiometer), Instrument zur Messung der bi-direktionalen Strahlung (BRDF) • MOPITT (Measurement Of Pollution In The Troposphere), Gas-Korrelationsspektrometer in den Kanälen 2,26, 2,33 und 4,62 μm, um CO-Profile und CH4-Messungen (Gesamtsäule CH4) durchzuführen EOS-Aura erforscht den Chemismus und die Dynamik der Erdatmosphäre vom Boden bis zur Mesosphäre. Seine wichtigsten Instrumente sind:

• HIRDLS (High Resolution Dynamics Limb Sounder), 21-Kanal-Radiometer, das den Spektralbereich von 6 bis 18 μm abdeckt. Folgende atmosphärische Inhaltsstoffe werden untersucht: CFC-11, CFC1-12, CH4, ClONO2, H2O, HNO3,N2O, N2O5, NO2, O3 • MLS (Microwave Limb Sounder), Limb-Sondierer mit 5 Bändern in den Frequenzen 118 GHz (9 Kanäle), 190 GHz (6 Kanäle), 240 GHz (7 Kanäle), 640 GHz (9 Kanäle) und 2 500 GHz (5 Kanäle). Untersuchte Atmosphärenbestandteile sind: BrO, ClO, CO, H2O, HCl, HCN, HNO3, HO2, HOCl, N2O, O3, OH, SO2. Zusätzlich werden Luftdruck und Temperatur erfasst mit einer vertikalen Auflösung von 1,5 km in einem Bereich von 5 120 km • OMI (Ozone Monitoring Instrument), ein von den Niederlanden und Finnland zur Verfügug gestelltes, abbildendes Spektrometer mit 1 560 Kanälen, welches einen Spektralbereich von 270 bis 500 nm abdeckt. Die spektrale Auflösung beträgt 0,4–0,6 nm. Folgende atmosphärische Inhaltsstoffe werden untersucht: BrO, NO2, O3, OClO, SO2 und Aerosol

56

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

• TES (Tropospheric Emission Spectrometer), abbildendes Interferometer für Untersuchungen im Limb- und Cross-Nadir-Scanmodus. Insgesamt wird der spektrale Bereich von 3,3 bis 15,4 μm abgedeckt. Die spektrale Auflösung liegt bei 0,06 cm-1 im cross-nadir- und 0,015 cm-1 im Limb-Modus. Untersuchte Atmosphärenbestandteile sind: CFC-11, CFC-12, CH4, CO, CO2, H2O, HCl, HDO, HNO3, N2, N2O, NH3, NO, NO2, O3, OCS, SO2 und Aerosol ICESat (Ice, Cloud and Land Elevation Satellite), Satellit zur Messung der polaren Eisbedeckung (Mächtigkeit und Ausdehnung), der Wolkenmächtigkeit und Aerosolverteilung. Weiterhin wird er für Kartierungszwecke (Vegetation und Topographie) genutzt. Wichtigstes Instrument ist das LIDAR-Messinstrument GLAS (Geoscience Laser Altimeter System). Die Tabelle 1.25 fasst die Chronologie des EOS-Programms der NASA zusammen. Das Earth System Science Pathfinder-Programm Den Abschluss der Vorstellung der NASA-Programme bildet Earth System Science Pathfinder (ESSP), das auf einzelnen kurzfristigen Satellitenmissionen basiert. Die wichtigsten Missionen sind in Tabelle 1.26 zusammengefasst.

Internationale Kooperation Bevor wir uns den japanischen Satellitenprogrammen zuwenden, soll kurz noch auf wichtige

Tabelle 1.25

internationale Missionen (Kooperationsprojekte), eingegangen werden. Die wichtigsten, für die Klimaforschung relevanten Missionen sind TRMM und CHAMP. Die Mission TRMM (Tropical Rainfall Measuring Mission) ist eine japanisch-amerikanische Kooperation und das Herzstück des ▶ GEWEXProjekts. Sie soll maßgeblich zur Erweiterung des Wissens über den globalen Energie- und Wasserhaushalt beitragen. Ziel ist, den tropischen Niederschlag über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren hinweg zu erfassen. Da der Niederschlag als ein räumlich und zeitlich sehr variables Phänomen ausgeprägt ist, ist eine genaue Messung sehr schwierig. TRMM mittelt daher den Niederschlag in einem 5 × 5-GradGitternetz über 30 Tage hinweg und erfüllt somit die Anforderung komplexer Klimamodelle. Zusammen mit den Wolkenanalysen ergeben die TRMM-Messungen genauere Schätzungen zur vertikalen Verteilung latenter Wärme in der Atmosphäre. Hier besteht erhöhter Forschungsbedarf, da die Menge und die Verteilung des Niederschlags in den Tropen noch unsicher ist und somit die genaue Bestimmung des Massenund Energieaustausches zwischen dem tropischen Ozean und der Atmosphäre erschwert wird. Da beide Prozesse eng gekoppelt sind, besitzen Wolkenabstrahlung und Niederschlag wahrscheinlich wesentliche Auswirkungen auf die Meereszirkulation und die im Ozean enthaltene Biomasse. Zu den TRMM-Sensoren gehören:

Chronologie des EOS-Programms der NASA

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status

Instrumente

SeaStar

01.08.1997

erwartet > 2007

705 km

12:00

operationell

SeaWiFS

QuikSCAT

19.06.1999

erwartet > 2007

803 km

06:00

operationell

SeaWinds

EOS-Terra

18.12.1999

erwartet > 2007

705 km

10:30

operationell

MODIS, CERES, ASTER, MISR, MOPITT

EOS-Aqua

04.05.2002

erwartet > 2008

705 km

13:30

operationell

MODIS, CERES, AIRS, AMSU-A, HSB, AMSR-E

Coriolis

06.01.2003

erwartet > 2008

830 km

06:00

operationell

WindSat

ICESat

12.01.2003

erwartet > 2007

600 km

94°

operationell

GLAS

EOS-Aura

15.07.2004

erwartet > 2010

705 km

13:45

operationell

HIRDLS, EOS-MLS, OMI, TES

*LST: Local Solar Time

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

57

Tabelle 1.26 Ausgesuchte ESSP-Missionen und ihre thematischen Inhalte Satellit

Start

Lebensdauer

Orbit

Hauptinstrumente

Mission

GRACE (2 Satelliten)

17.03.2002

5 Jahre

2 Sat, Höhe 300–500 km, 89°

SuperSTAR Accelerometers, K-Band, Satellitzu-Satellit

Schwerefeldanomalien und exaktes Geoid

CALIPSO

28.04.2006

3 Jahre

sonnensynchron, 705 km, LST 13:30

2 Wellenlängen (532 und 1024 nm) polarisationsempfindliches LIDAR, 3-Kanal-Imager (8,7, 10,5 and 12 (μm), Weitwinkelkamera

Wolkenmikrophysik und Strahlungseigenschaften, Cirrus, Aerosol

CloudSat

28.04.2006

2 Jahre

sonnensynchron, 705 km, LST 13:30

94 GHz Wolkenprofilradar (CPR)

Wolkenprofile und Strahlungseigenschaften

OCO

2008

2 Jahre

sonnensynchron, 705 km, LST 13:15

3 Spektrometer in den Spektralbereichen 0,76,1,61 and 2,06 μm

CO2 Profile

Aquarius

2009

3 Jahre

sonnenynchron, 657 km, LST 06:00

L-Band-Radiometer/ Scatterometer mit polarimetrischen Fähigkeiten

globaler Salzgehalt der Meeresoberfläche

• PR (Precipitation Radar), abbildendes Nie• •

• •

derschlagsradar im Frequenzbereich von 13,8 GHz, das Niederschlagsprofile misst TMI (TRMM Microwave Imager), ein vom DMSP SSM/I abgeleiteter Mikrowellen-Imager VIRS (Visible and Infra-Red Scanner), Radiometer für den sichtbaren und infraroten Spektralbereich, abgeleitet vom AVHRR mit 5 Kanälen in 0,63, 1,6, 3,75, 10,8 und 12 μm) LIS (Lightning Imaging Sensor), abbildender Sensor in Form einer CCD-Kamera zur Blitzdarstellung (Spezialfilter bei 777,4 nm) CERES (Clouds and the Earth’s Radiant Energy System), Instrument zur Messung der von Wolken und Erdoberfläche reflektierten Sonnenstrahlung

Das TRMM-Projekt soll 2012 durch die Mission GPM (Global Precipitation Measurement) erweitert werden. Basisinstrument von GPM ist ein verbessertes Niederschlagsradar auf TRMMGrundlage. Die Tabelle 1.27 fast eine Auswahl bedeutender internationaler Missionen zusammen. Die Mission CHAMP (Challenging Mini-Satellite Payload) für geophysikalische Forschung und Anwendungen ist eine deutsch-amerikanische Mission. Die Mission wurde zur Bestimmung

des Gravitations- und des Magnetfeldes der Erde gestartet sowie zur Ermittlung der Verteilung von Temperatur, Feuchte und Druck in Tropo- und Stratosphäre. Weiterhin wird die Elektronendichte in der Ionosphäre untersucht. Der Satellit wurde im Juli 2000 gestartet. Sein Nachfolger GRACE ist mittlerweile im Orbit. GRACE ist das Akronym für Gravity Recovery and Climate Experiment; eine gemeinsame Mission von DLR und NASA. Zwei baugleiche Kleinsatelliten sollen zur Bestimmung des irdischen Schwerefeldes und zur Beschreibung von Austauschvorgängen zwischen Land, Ozean und Atmosphäre genutzt werden. Ergebnis wird eine genaue Darstellung des Geoids sein. Das Geoid ist Ausdruck des irdischen Schwerefeldes und damit die grundlegende Gestalt, auf der jede Art von Höhenmessung basiert.

Die japanischen JAXA-Programme Die japanischen Programme JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) und NASDA (National Space Development Agency) stehen für die Entwicklung eigener Satellitenmissionen (Tabelle 1.28) sowie für die Bereitstellung von Instrumenten für Kooperationsmissionen (z. B. TRMM, ASTER auf EOS-Terra oder AMSR-E auf EOS-Aqua).

58

Tabelle 1.27

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Internationale Missionen zur Klimaforschung

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST/Inkl.*

Status

Instrumente

TRMM

27.11.1997

erwartet > 2008

402 km

35°

operationell

PR, TMI, LIS, VIRS, CERES

GPM „core“

2012

erwartet > 2017

407 km

65°

geplant

DPR, GMI

Microlab-1

01.04.1995

2001

785 km

70°

inaktiv

OTD, GPS/MET

SAC-C

21.11.2000

2005

705 km

10:15

inaktiv

GOLPE + Andereothers

CHAMP

15.07.2000

erwartet > 2006

450 km

87°

operationell

BlackJack + Andere

COSMIC 6 Satelliten

14.04.2006

erwartet > 2010

800 km

71°

operationell

IGOS

*LST/Inkl.: Local Solar Time/Inklination

Eine bekannte Mission ist der Satellit MOS (Marine Observatory Satellite) mit MOS-1 und MOS-2. Die MOS-Instrumentierung umfasst:

• MESSR (Multispectral Electronic Self-Scanning Radiometer), zwei parallel arbeitende VIS/NIR Pushbroom-Scanner zur Vegetationsbeobachtung (Spektralbereiche 0,51–0,59, 0,61–0,69, 0,73–0,80 und 0,80–1,10 μm). Es wird eine räumliche Auflösung von 50 m bei einer Abtastbreite von 185 km erzielt (für gekoppelte Instrumente) • VTIR (Visible and Thermal Infrared Radiometer), 4-Kanalradiometer zur Wolkenbeobachtung

Tabelle 1.28

• MSR (Microwave Scanning Radiometer), 2-Kanalradiometer mit Frequenzen in 23,8 und 31,4 GHz zur Bestimmung der Wasserdampfsäule über dem Ozean Ein weiterer bedeutender japanischer Satellit ist JERS (Japanese Earth Resources Satellite), der mit zwei wichtigen Instrumenten zur Atmosphärenbeobachtung bestückt war:

• SAR (Synthetic Aperture Radar), Radarsensor, der im L-Band bei 1,275 GHz operiert, bestens geeignet zur Messung der Bodenfeuchte und Erfassung der Ozeanoberfläche bezüglich kleinskaliger Phänomene

Chronologie der NASDA-/JAXA-Satellitenmissionen

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status

Instrumente

MOS-1

19.02.1987

29.11.1995

908 km

10:15

inaktiv

MESSR, VTIR, MSR

M0S-1B

07.02.1990

25.04.1996

908 km

10:33

inaktiv

MESSR, VTIR, MSR

JERS

11.02.1992

11.10.1998

568 km

10:45

inaktiv

SAR, OPS

ADEOS-1

17.08.1996

30.06.1997

797 km

10:30

inaktiv

OKTS, AVNIR, NSCAT, TOMS, POLDER, IMG, ILAS, RIS

ADEOS-2

14.12.2002

25.10.2003

812 km

10:30

inaktiv

AMSR, GLI, SeaWinds, ILAS-II, POLDER, DCS

ALOS

24.1.2006

erwartet > 2010

692 km

10:30

operationell

PRISM, AVNIR-2, PALSAR

GOSAT

August 2008

erwartet > 2013

666 km

13:00

geplant

TANSO-FTS, TANSO-CAI

*LST: Local Solar Time

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

• OPS (Optical Sensor), 8-Kanal-PushbroomRadiometer, der im Spektralbereich von 0,52 bis 2,40 μm aufzeichnet, sehr gut für die Erkundung von Vegetation und Landnutzung geeignet. Die räumliche Auflösung beträgt 20 m bei einer Abtastbreite von 75 km. Ein Kanal ist zusätzlich vorausschauend (foreviewing, 15,33°) für stereoskopische Aufnahmen ausgerichtet

59

meter im Aufzeichnungsbereich von 0,52 bis 0,77 μm mit drei Blickrichtungen (vorwärts, nadir und rückwärts gerichtet) zur Aufnahme stereoskopischer Bilder und daraus abgeleiteter digitaler Geländemodelle (Auflösung 2,5 m) • AVNIR-2 (Advanced Visible and Near Infrared Radiometer 2), 4-Kanalradiometer zur Vegetationsbeobachtung in den Kanalauflösungen 0,42–0,50, 0,52–0,60, 0,61–0,69 und 0,76–0,89 μm. Es erzielt eine räumliche Auflösung von 10 m bei einer Abtastrate von 70 km • PALSAR (Phased Array L-Band Synthetic Aperture Radar), L-Band-SAR (1,27 GHz) zur Erfassung der Bodenfeuchte und Ozeanfarbe im kleinen Maßstabsbereich. Unterschiedliche Modi und Polarisationsrichtungen (HH, VV) sind möglich

ADEOS (Advanced Earth Observing Satellite), synonym mit MIDORI-II, Satellit mit 8 Sensoren zur Beobachtung von Ozeanfarben und Ozeantemperatur, Ozon und der Landoberfläche. Hauptsensoren sind ein Radiometer (AMSR) und der Global Imager (GLI). Weitere Instrumente sind: ILAS (Improved Limb Atmospheric Spectrometer-II), TOMS (Total Ozone Mapping Spectrometer), POLDER (Polarization and Direction of the Earth Reflectance) und IMG (Interferometric Monitor for Greenhaus gases). ADEOS sollte insbesondere Beiträge zu Wasser- und Energiekreisläufen (z. B. Kohlenstoffkreislauf) von Atmosphäre, Ozean und Land liefern. Instrumente der ADEOS-Satelliten sind (Auswahl):

GOSAT (Greenhouse Gases Observing Satellite), Satellitenmission, die speziell auf die Treibhausgase abzielt, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls wichtig sind. Folgende Instrumente sind insbesondere für die Messung von Treibhausgasen vorgesehen:

• POLDER (Polarization and Directionality of

• TANSO-FTS (Thermal and Near infrared Sen-

the Earth’s Reflectances), ein von Frankreich zur Verfügung gestelltes Radiometer, welches im Wellenlängenbereich 443–910 nm aufzeichnet und für die Beobachtung von Aerosolen, Ozeanfarbe und Vegetation konzipiert wurde • TOMS (Total Ozone Mapping Spectrometer), ist ein hoch auflösendes Spektrometer im Aufzeichnungsbereich von 310 bis 380 nm mit einer Kanalauflösung von 1 nm. Es wurde für die Messung von Ozon entwickelt (Messung der Gesamtsäule Ozon) • IMG (Interferometric Monitor for Greenhouse gases), Interferometer, das in drei Spektralbereichen (3,3–4,3, 4,3–5,0 und 5,0–16,7 μm) arbeitet und bei einer spektralen Auflösung von 0,05 cm-1 folgende Atmosphärenbestandteile misst: CFC-11,CFC-12, CH4, CO, CO2, H2O, HCl, HDO, HNO3, N2, N2O, NH3, NO, NO2, O3, OCS, SO2 Der aktuelle, operative Satellit Japans ist ALOS (Advanved Land Observing Satellite). Er ist auf die intensive Beobachtung der Landoberfläche ausgerichtet und hat drei wesentliche Instrumente an Bord:

• PRISM (Panchromatic Remote Sensing Instrument for Stereo Mapping), 1-Kanal-Radio-

sor for Carbon Observations Fourier Transform Spectrometer), 4-Kanalinterferometer mit 3 Kanälen im Spektralbereich von 0,75 bis 2,1 μm und 1 Kanal im Bereich von 5,5 bis 14,3 μm. Das Interferometer besitzt eine spektrale Auflösung von 0,2 cm-1 (0,5 cm-1 im Kanal 1 zentriert um die Wellenlänge 0,76 μm) zum Nachweis von CO2, CH4 und anderen Treibhausgasen • TANSO-CAI (Thermal and Near infrared Sensor for Carbon Observations Cloud and Aerosol Imager), 4-Kanal-Pushbroom-Imager (380, 674, 870 und 1 600 nm) zum Nachweis und zur Korrektur der Wolken-Aerosol-Interferenz Die zuletzt vorgestellten Satelliten (ADEOS, ALOS, GOSAT) lassen einen Entwicklungstrend hin zu Instrumenten erkennen, die stärker auf die Analyse der Atmosphärenchemie abzielen und somit Anforderungen internationaler Klimaabkommen (z. B. Kyoto) entsprechen.

Die französischen CNES-Programme Die französische Weltraumagentur CNES hat viele Instrumente für bilaterale Satellitenmissionen zur Verfügung gestellt beziehungsweise entwickelt (z. B. ARGOS und ADCS auf POES und

60

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

MetOp/EPS oder den Infrarot-Imager CALIPSO, ScaRaB auf Meteor3-7 und Resurs-O1-4, DORIS auf ENVISAT oder POLDER auf ADEOS-1/). Die bekanntesten Sensoren sind jedoch die landbeobachtenden Satelliten der SPOT-Familie. SPOT (Satellite pour l’Observation de la Terre) ist das wichtigste französische Satellitenprogramm. Die Satelliten befinden sich in 832 km Höhe auf einer polaren Umlaufbahn. Die wichtigsten Sensoren sind zwei gleichartige optische HRV-Kameras (Instrument Haute RésolutionVisible). Sie zeichnen in einem panchromatischen Modus mit 10 m räumlicher Auflösung oder in einem multispektralen Modus mit etwa 20 m räumlicher Auflösung auf. Zusätzlich besteht die Möglichkeit zur Aufnahme von Stereobildern. Die Tabelle 1.29 zeigt die Entwicklung der CNESSPOT-Satelliten. Neben vielen anderen Instrumenten ist für die Erdsystemforschung insbesondere der 1998 gestartete SPOT-Vegetation-Sensor von Bedeutung. Er zeichnet in mittlerer Auflösung (1,15 km) in vier Kanälen auf (0,43–0,47, 0,61–0,68, 0,78–0,89 und 1,58–1,75 μm). Bei einer Abtastrate von 2 200 km kann dieser Sensor nahezu täglich eine globale Abdeckung der Erde erzeugen. Neben diesen landbeobachtenden Missionen sind vor allem die ozean- und atmosphärebeobachtenden Missionen zu nennen, die Frankreich in bilateraler Zusammenarbeit konzipiert hat. Hier sind vor allem die Missionen TOPEX/Poseidon und JASON sowie PARASOL hervorzuheben.

Tabelle 1.29

TOPEX/Poseidon ist ein amerikanisch-französisches Programm, welches das NASA-eigene TOPEX- (Topographie Experiment) mit dem CNES-eigenen Poseidon-Programm verschmolzen hat. Der Satellit trägt einen Radarsensor, ein Altimeter zur Vermessung der Ozeanoberfläche. TOPEX/Poseidon ist das Kernstück des World Ocean Circulation Experiment (WOCE) und des Programms Tropical Ocean Global Atmosphere (TOGA) mit seinen ozeangestützten Messeinrichtungen (▶ Abschnitt 1.2). Aufgrund einer Manövrierunfähigkeit des Satelliten musste die sehr erfolgreiche Mission leider Anfang 2006 beendet werden. Teilziele der Mission waren: Die Erforschung der Ozeanzirkulation und seiner Interaktion mit der Atmosphäre, die Verbesserung des Verständnisses vom Wärmetransport im Ozean, die Modellierung der Gezeiten sowie die Erforschung des ozeanischen Schwerefeldes und Messungen von Meeresspiegelschwankungen im lokalen wie auch weltweiten Maßstab. Eine weitere wichtige Mission ist JASON (Joint Altimetry Satellite Oceanography Network), ebenfalls ein amerikanisch-französisches Verbundprojekt. Jason-1 ist das Nachfolge- und Parallelprojekt zu TOPEX/Poseidon. Als TandemMission folgt Jason-1 in gleicher Höhe derselben Abtastspur wie TOPEX/Poseidon (vergleichbar mit ERS-1 und -2). Ziele der Jason-Mission sind, Erkenntnisse über die Topographie der Meeresoberflächen, die Meereszirkulation sowie über Meeresspiegelschwankungen zu gewinnen.

Chronologie der landbeobachtenden CNES-Satelliten (SPOT)

Satellit

Start

Höhe

LST*

Status

Instrumente

SPOT-1

22.02.1986

SPOT-2

22.01.1990

erwartet > 2006

822 km

10:30

822 km

10:30

teilweise operationell

HRV, DORIS

SPOT-3

26.09.1993

14.11.1996

822 km

10:30

inaktiv

HRV, POAM-2, DORIS

SPOT-4

24.03.1998

erwartet > 2007

822 km

10:30

operationell

HRVIR, Vegetation, POAM-3, SILEX, PASTEC, DORIS

SPOT-5

04.05.2002

erwartet > 2008

822 km

10:30

operationell

HRG, HRS, Vegetation, DORIS

Pleiades-1

Ende 2008

erwartet > 2013

694 km

10:15

in Entwicklung

HR

Pleiades-2

Anfang 2010

erwartet > 2015

694 km

10:15

geplant

HR

*LST: Local Solar Time

Ende

HRV

61

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

Der Satellit Jason-1 ist mit fünf Instrumenten bestückt: das Hauptinstrument zur Höhenmessung, der Altimeter Poseidon-2, und ein Mikrowellenradiometer, um Störungen durch atmosphärischen Wasserdampf zu messen. Hinzu kommen drei Positonsbestimmungssysteme: das Bahnbestimmungsinstrument DORIS, der Laser-Retroreflektor und der BlackJack-GPS-Empfänger. Als Nachfolger für Jason-1 ist OSTM (Ocean Surface Topography Mission), auch Jason-2 genannt, vorgesehen. Dies ist eine gemeinsame Mission von NASA, CNES, NOAA und EUMETSAT. Bei OSTM steht vor allem die operationelle Bestimmung der Meereshöhe im Vordergrund. Die Tabelle 1.30 zeigt eine Übersicht der ozean- und atmosphärebeobachtenden CNES-Satelliten. Als weitere CNES-Missionen sind PARASOL und Megha-Tropiques zu nennen. Bei PARASOL (Polarization and Anisotropy of Reflectances for Atmospheric Science coupled with Observations from a LIDAR) handelt es sich um einen Kleinstsatelliten zur Bestimmung mikrophysikalischer Wolken- und Aerosoleigenschaften sowie der Strahlungseigenschaften von Wolken und Aerosol. Sein wichtigstes Instrument ist POLDER (Polarization and Directionality of the Earth’s Reflectances), ein Radiometer, welches im Bereich 443–1020 nm misst und insgesamt 15 Kanäle für die Messung von Aerosol, Ozeanfarbe und Vegetation aufweist. Daten von PARASOL können direkt von der CNES unter der Internetseite bezogen werden. Das Projekt Megha-Tropiques ist ein Kooperationsprogramm der CNES und ISRO und soll

zu einem globalen Niederschlagserfassungssystem in den Tropen beitragen. Folgende Instrumentierung ist vorgesehen:

• MADRAS (Microwave Analysis & Detection of Rain & Atmospheric Structures), ein von ISRO und CNES entwickeltes Mikrowellenradiometer zur Messung des Niederschlags in fünf Frequenzen (18,7, 23,8, 36,5, 89 und 157 GHz) • SAPHIR (Sondeur Atmospherique du Profil d’Humidite Intertropicale par Radiometrie), Mikrowellenradiometer im 183,33 GHz-Band zur Wasserdampfprofilmessung • ScaRaB (Scanner for Radiation Budget), 4-Kanalradiometer mit zwei Breitbandkanälen (0,2– 4,0 und 0,2–50 μm) und zwei Schmalbandkanälen (0,55–0,65 μm und 10,5–12,5 μm). Das Radiometer dient der Bestimmung des Strahlungshaushalts am Außenrand der Atmosphäre (Top of Atmosphere, TOA)

Das indische ISRO-Programm ISRO betreibt die IRS-(Indian Remote Sensing-) Satelliten seit 1988. Es bestehen zwei Serien, die IRS-1 und der Nachfolger IRS-P. Die Tabelle 1.31 zeigt die Chronologie der IRS-Satelliten. Zurzeit sind drei IRS-Satelliten in Betrieb, der IRS-P4 (OceanSat), der IRS-P5 (CartoSat-1) und der IRS-P6 (ResourceSat-1). Stellvertretend für das gesamte IRS-Programm werden die wichtigsten Instrumente erläutert. Die Zuordnung der Instrumente zu den einzelnen Satelliten kann ebenfalls Tabelle 1.31 entnommen werden:

Tabelle 1.30 Chronologie der ozean- und atmosphärebeobachtenden CNES-Satelliten Satellit

Start

Ende

Höhe

LST* / Inklination

Status

Instrumente

TOPEX/Poseidon

10. 08.1992

erwartet > 2006

1 336 km

66°

operationell

NRA, SSALT, TMR, DORIS

JASON

7.12. 2001

erwartet > 2008

1 336 km

66°

operationell

Poseidon-2, JMR, DORIS

OSTM (JASON-2)

2008

erwartet > 2015

1 334 km

66°

geplant

Poseidon-3, AMR, DORIS

PARASOL

18.12.2004

erwartet > 2007

705 km

13:30

operationell

POLDER+

Megha-Tropique

Ende 2009

erwartet > 2014

867 km

20°

geplant

MADRAS, SAPHIR, ScaRaB

*LST: Local Solar Time

62

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

LISS (Limb Imaging Self Scanning Sensor), Pushbroom-Radiometer zur Vegetationsbeobachtung mit vier Kanälen im Bereich von 0,46–0,52, 0,52– 0,59, 0,62–0,68 und 0,77–0,86 μ (LISS-1). Die räumliche Auflösung von LISS-1 beträgt 72 m bei einer Abtastrate von 140 km. Der Nachfolger LISS-2A/B hatte die gleiche spektrale Auflösung bei einer verbesserten räumlichen Auflösung von 36 m. Bei den Folgeinstrumenten (LISS-3 auf IRS-1C, -1D und -P6) wurde der „blaue“ Kanal (0,46–0,52 μm) durch einen SWIR-Kanal (1,55–1,75 μm) ersetzt. Die räumliche Auflösung betrug nun in den VNIR-Kanälen 23 m und im SWIR-Kanal 70 m. Mit LISS-4 auf IRS-P6 wurde die Anzahl auf drei VNIR-Kanäle reduziert (0,52–0,59, 0,62–0,68 und 0,77–0,86 μm), wobei die räumliche Auflösung auf 5,8 m (mulitspektral) bei einer Abtastbreite von 24 km erhöht werden konnte. PAN (Panchromatic Camera), 1-Kanalkamera im Bereich von 0,50–0,75 μm mit einer Auflösung von 6 m.

Tabelle 1.31

WiFS (Wide Field Sensor), Sensor zur Ableitung von Vegetationsindizes. Er arbeitet in zwei Kanälen mit einer engen spektralen Auflösung von 0,62–0,68 und 0,77–0,86 μm. AWIFS (Advanced Wide Field Sensor), eine Weiterentwicklung des WiFS mit vier Kanälen für Vegetationsmonitoring (0,52–0,59, 0,62–0,68, 0,77–0,86 und 1,55–1,75 μm). MEOS (Monocular Electro-optical Stereo Scanner), 1-Kanalkamera im Bereich 0,57–0,70 μm, die simultan drei Bilder aufnimmt (vorwärts gerichteter, Nadir und rückwärts gerichteter Blick) für stereoskopische Betrachtungen. MOS (Multispectral Optoelectronic Scanner), von Deutschland zur Verfügung gestelltes Instrument zur Messung der Ozeanfarbe, der Vegetation, des Aerosols und von Wolkenparametern. Es beinhaltet drei Subinstrumente: MOS-A, ein 4-Kanalscanner im Bereich von 760 nm zur Messung von Sauerstoff; MOS-B, ein 13-KanalScanner im Bereich 408–1010 nm und MOS-C, 1-Kanalscanner im Bereich 1,6 μm.

Chronologie des IRS-Programms

Satellit

Start

Ende

Höhe

LST*

Status

Instrumente

IRS-1A

17.03.1988

1992

904 km

10:30

inaktiv

LISS-1, LISS-2-A/B

IRS-1B

29.08.1991

2001

904 km

10:30

inaktiv

LISS-1, LISS-2-A/B

IRS-1C

28.12.1995

?

817 km

10:30

?

PAN, LISS-3, WIFS

IRS-1D

29.09.1997

?

784 km

10:30

?

PAN, LISS-3, WIFS

IRS-1E = IRS-P1

20.09.1993

Start gescheitert

-

-

inaktiv

LISS-1, MEOSS

IRS-P2

15.10.1994

1997

817 km

10:30

inaktiv

LISS-2-M

IRS-P3

21.03.1996

2004

817 km

10:30

inaktiv

WiFS, MOS, X-AE

IRS-P4 (OceanSat-1)

26.05.1999

erwartet > 2007

720 km

12:00

operationell

OCM. MSMR

IRS-P5 (CartoSat-1)

05.05.2005

erwartet > 2010

618 km

10:30

operationell

PAN-A, PAN-F

IRS-P6 (ResourceSat-1)

17.10.2003

erwartet > 2009

817 km

10:30

operationell

LISS-3, LISS-4, AWiFS

OceanSat-2

2008

erwartet > 2013

720 km

12:00

geplant

OCM. MSMR

CartoSat-2

2010

erwartet > 2015

618 km

10:30

geplant

PAN-A, PAN-F

ResourceSat-2

2009

erwartet > 2014

817 km

10:30

geplant

LISS-3, LISS-4, AWiFS

*LST: Local Solar Time

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

OCM (Ocean Color Monitor), 8-Kanal-Radiometer mit schmal auflösenden Kanälen im Bereich 402–885 nm zur Beobachtung der Ozeanfarbe und von Aerosol. MSMR (Multifrequency Scanning Microwave Radiometer), Mikrowellenradiometer in vier Frequenzen (6,6, 10,65, 18 und 21 GHz), das in zwei Polarisationen aufzeichnen kann. MSMR wurde zur Messung der Oberflächentemperatur, Windmessung und Wasserdampfbestimmung über den Ozeanen entwickelt. Die räumliche Auflösung reicht von 27 km (bei 21 GHz) bis 85 km (bei 6,6 GHz) bei einer Abtastbreite von 1 360 km. Alle IRS-Daten werden von der indischen NRSA (National Remote Sensing Agency) aufgezeichnet, prozessiert und dokumentiert.

Das russische RosKosmos-Programm Viele seiner Missionen wurden in russisch-ukrainischer Kooperation durchgeführt. Für die Fragestellungen der Klimatologie und GlobalChange-Forschung sind vor allem die Resursund Okean-Missionen zu nennen. Die ResursSatelliten wurden für die Landbeobachtung und die Okean-Satelliten für die Ozeanbeobachtung konzipiert. Es befinden sich zurzeit zwei Exemplare im Orbit, Resurs-O1-3 (seit 1994) und Resurs-O1-4 (seit 1998). Beide Satelliten operieren in polaren, sonnensynchronen Umlaufbahnen mit einer mittleren Orbithöhe von 678 km (-3) beziehungs-

63

weise 835 km (-4). Die wesentlichen Informationen über die Erde werden mit zwei Radiometern aufgenommen: dem MSU-E-Sensor, einem multispektralen optoelektronischen Radiometer mit hoher Auflösung, und dem MSU-SK-Sensor, einem multispektralen optomechanischen Radiometer mittlerer Auflösung. Beide Sensoren schließen die Lücke hinsichtlich räumlicher Auflösung und Detailgenauigkeit zwischen SPOT/ Landsat TM und NOAA AVHRR. Abschnitt 1.3 schließt mit einer Übersicht über sämtliche operationellen meteorologischen Satelliten, alphabetisch geordnet nach ihren Instrumenten (Tabelle 1.32). Diese Liste dokumentiert das umfangreiche Analysepotenzial der heutigen satellitengestützten Beobachtungssysteme, ohne die eine umfassende Beobachtung unseres Erdsystems in seinen einzelnen Sphären nicht möglich wäre. Das Ozonloch über der Antarktis beziehungsweise der südlichen Hemisphäre konnte nur mithilfe dieses „Blicks von oben“ entdeckt werden. Genaue Kenntnisse über diese Erdbeobachtungssysteme und die von ihnen bereitgestellten beziehungsweise abgeleiteten Datenprodukte sind unerlässlich, um heute Klimaforschung zu betreiben und Aussagen über zukünftige Entwicklungen auf unserer Erde treffen zu können. Im folgenden zweiten Teil des Buches ▶ „Klimawandel – Global Change“ werden uns deshalb wieder viele aus Satellitendaten abgeleitete Informationen begegnen.

Tabelle 1.32 Liste der wichtigsten Instrumente für die Klimaforschung und der zugehörigen Satelliten Instrumente (Akronym)

Vollständige Bezeichnung der Instrumente

Satelliten

Nutzungsdauer

ABI

Advanced Baseline Imager

GOES-R und folgende

2014 →

AC

Radiation Budget Sensor

Meteor-11 bis 28

1969–1978

AMSU-A

Advanced Microwave Sounding Unit – A

NOAA-15 bis 19 MetOp-1 bis 3

1998–2014 2006–2020

AMSU-B

Advanced Microwave Sounding Unit – B

NOAA-15/16/17

1998–2007

APS

Aerosol Polarimetry Sensor

NPOESS-1/3

2013–2025

APT

Automatic Picture Transmission

TIROS-8, ESSA-2/4/6/8 ITOS-1, NOAA-1

1967–1976 1970–1971

ARGOS-DCS

ARGOS Data Collection and localisation System

TIROS-N, NOAA-6 bis 19 NPOESS-1 bis 4, MetOp-1 bis 3

1978–2012 2013–2027 2006–2020

64

Tabelle 1.32

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Fortsetzung

Instrumente (Akronym)

Vollständige Bezeichnung der Instrumente

Satelliten

Nutzungsdauer

ASCAT

Advanced Scatterometer

MetOp-1 bis 3

2006–2020

ATMS

Advanced Technology Microwave Sounder

NPP, NPOESS-1 bis 4

2009–2027

AVCS

Advanced Vidicon Camera System

ESSA-3/5/7/9, ITOS-1, NOAA-1

1966–1971

AVHRR/3

Advanced Very High Resolution Radiometer

TIROS-N, NOAA-6 bis 19 MetOp-1 bis 3

1978–2014 2006–2020

CCD

Charge Coupled Device Camera

INSAT-2E, INSAT-3A

1999–2012

CMIS

Conical-scanning Microwave Imager/ Sounder

NPOESS-2 bis 4

2016–2027

CrlS

Cross-track Infrared Sounder

NPP, NPOESS-1 bis 4

2009–2027

DCIS

Data Collection and Interrogation Service

SMS-1/2, GOES-1 bis15 GOMS-1 und folgende

1974–2015 1994→

DCS

Data Collection Service

Meteosat-1 bis 11 GMS-1 bis 5, MTSAT-1/2 FY-2 A bis F INSAT-1A bis 3D, Kalpana

1977–2018 1977–2014 1997–2015 1982–2014

ERBE

Earth Radiation Budget Experiment

NOAA-9 und NOAA-10

1984–2001

ERBS

Earth Radiation Budget Sensor

NPOESS-1/3

2013–2025

FCI

Flexible Combined Imager

Meteosat, dritte Generation

2015 ^

FPR

Fiat Plate Radiometer

TIROS-2/3/4/7, ESSA-1/ 3/5/7/9 ITOS-1, NOAA-1

1960–1972 1970–1971

GEOSAR

Geostationary Search and Rescue

GOES-8 bis 15 Meteosat-8 bis 11 (MSG) INSAT-3A und D Elektro-L und folgende

1994–2015 2002–2018 2003–2010 2007 →

GERB

Geostationary Earth Radiation Budget

Meteosat-8 bis 11 (MSG)

2002–2019

GGAK-M

Space Environment Monitor

Meteor-M 1/2

2007–2012

GLM

Geostationary Lightning Mapper

GOES-R und folgende

2014 →

GOCI

Geostationary Ocean Color Imager

COMS-1/2

2008–2021

GOME-2

Global Ozone Monitoring Experiment –2

MetOp-1 bis 3

2006–2020

GRAS

GNSS Receiver for Atmospheric Sounding

MetOp-1 bis 3

2006–2020

GVHHR

Geostationary Very High Resolution Radiometer

ATS-6

1974

HES

Hyperspectral Environmental Suite

GOES-R und folgende

2014 →

HIRS/4

High-resolution Infrared Sounder

TIROS-N, NOAA-6 bis 19 MetOp-1/2

1978–2014 2006–2015

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

65

Tabelle 1.32 Fortsetzung Instrumente (Akronym)

Vollständige Bezeichnung der Instrumente

Satelliten

Nutzungsdauer

IASI

Infrared Atmospheric Sounding Interferometer

MetOp-1 bis 3

2006–2020

IMAGER

GOES Imager IN SAT Imager MTSAT Imager

GOES-8 bis 15 INSAT-3D MTSAT-2

1994–2015 2007–2014 2010–2015

IR

Infrared Instrument

Meteor-11 bis 28, Meteor-21 bis 22

1969–1994

IRAS

Infrared Atmospheric Sounder

FY-3 bis 7

2007–2023

IRFS-2

IR Sounding Spectrometer

Meteor-M-2

2008–2012

IRS

Infrared Sounder

Meteosat, dritte Generation

2015 →^

JAMI

Japanese Advanced Meteorological Imager

MTSAT-1R

2005–2010

KGI-4C

Space Environment Monitor (particles)

Meteor-3M

2001–2005

Klimat

Infrared Imaging Radiometer

Meteor-3 bis 7, Meteor-3M

1985–2005

KMSS

High-resolution VIS/NIR radiometer

Meteor-M 1/2

2007–2012

Ll

Lightning Imager

Meteosat, dritte Generation

2015 →

MERSI

Medium Resolution Spectral Imager

FY-3 A bis G

2007–2023

MHS

Microwave HuMitteity Sounding

NOAA-18/19, MetOp-1 bis 3

2005–2014 2006–2020

MI

Meteorological Imager

COMS-1/2

2008–2021

MIVZA

Imaging microwave radiometer

Meteor-3 M

2001–2005

MR-2000M1

Television Camera

Meteor-3 bis 7, Meteor-3M

1985–2005

MR-900B

Television Camera

Meteor-3 1 bis 7

1985–1995

MRIR

Medium Resolution Infrared Radiometer

TIROS-2/3/4/7

1960–1967

MSGI-5EI

Space Environment Monitor (irradiances)

Meteor-3 M

2001–2005

MSSCC

Multi-color Spin Scan Cloud Camera

ATS-3

1967–1975

MSU

Microwave Sounding Unit

TIROS-N, NOAA-6 bis 14

1978–2003

MSU-E

High-resolution VIS/NIR radiometer

Meteor-3 M

2001–2005

MSU-GS

Elektro-GOMS Imager

Elektro-L and und folgende

2007 →

MSU-MR

VIS/IR Imaging Radiometer

Meteor-M 1/2

2007–2012

MTVZA

Imaging/Sounding Microwave Radiometer

Meteor-3M und Meteor-M 1/2

2001–2012

MVIRI

Meteosat Visible Infra-Red Imager

Meteosat-1 bis 7

1977–2008

MVISR

Multichannel Visible Infrared Scanning Radiometer

FY-1 A bis D

1988–2006

66

Tabelle 1.32

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Fortsetzung

Instrumente (Akronym)

Vollständige Bezeichnung der Instrumente

Satelliten

Nutzungsdauer

MWHS

Micro-Wave HuMitteity Sounder

FY-3 A bis G

2007–2023

MWRI

Micro-Wave Radiation Imager

FY-3 A bis G

2007–2023

MWTS

Micro-Wave Temperature Sounder

FY-3 A bis G

2007–2023

OMPS

Ozone Mapping and Profiler Suite

NPP, NPOESS-1/3

2009–2025

Radiomet

Radio-occultation Sounder

Meteor-M 1/2

2007–2012

RMK-2

Space Environment Monitor

Meteor-21 bis 22, Meteor-3 bis 6

1975–1994

RMS

Radiation Measurement System

GOMS-1/2 und folgende

1994 →

SAGE-Ill

Stratospheric Aerosol and Gas Experiment – III

Meteor-3 M

2001–2005

SARSAT

Search and Rescue Satellit-Aided Tracking System

NOAA-8 bis 19 außer 12, NPOESS-1 bis 4, MetOp-1/2

1983–2012 2013–2027 2006–2016

SBUV/2

Solar Backscatter Ultraviolet/ 2

NOAA-9 bis 19 außer 12/15

1984–2014

ScaRaB

Scanner for Radiation Budget

Meteor-3 bis 7

1994–1995

SEM (GEO)

Space Environment Monitor

SMS-1/2, GOES-1 bis 15, GMS-1 bis 5, FY-2 A bis F

1974–2015 1977–2003 1997-2015

SEM (LEO)

Space Environment Monitor

TIROS-N, NOAA-6 bis 19, MetOp-1/ 2 FY-1 A bis D, FY-3 A bis G

1978–2012 2006–2015 1988-2021

SESS

Space Environment Sensor Suite

NPOESS-1 bis 4

2013–2025

Severjanin

X-band Synthetic Aperture Radar

Meteor-M 1/2

2007–2012

SEVIRI

Spinning Enhanced Visible Infrared Imager

Meteosat-8 bis 11 (MSG)

2002–2019

SFM-2

Ultraviolet spectrometer

Meteor-3 M

2001–2005

SM

Infrared Sounding Radiometer

Meteor-21 bis 22

1975–1994

SOUNDER

GOES Sounder INSAT Sounder

GOES-8 bis 15, INSAT-3D

1994–2015 2007–2014

SPM

Solar Proton Monitor

NOAA-2 bis 5

1972–1979

SR

Scanning Radiometer

ITOS-1, NOAA-1 bis 5

1970–1979

SSCC

Spin Scan Cloud Camera

ATS-1

1966–1972

SSM/I

Special Sensor Microwave – Imager

DMSPF- 8/10/11/13/14/15

1987–2006

SSM/T

Special Sensor Microwave – Temperature

DMSPF-4 bis 15

1979–2006

SSM/T2

Special Sensor Microwave – HuMitteity

DMSPF-11/12/14/15

1991–2006

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

67

Tabelle 1.32 Fortsetzung Instrumente (Akronym)

Vollständige Bezeichnung der Instrumente

Satelliten

Nutzungsdauer

SSMIS

Special Sensor Microwave – Imager/ Sounder

DMSPF-16 bis 20

2003–2016

SSU

Stratospheric Sounding Unit

TIROS-N, NOAA-6 bis 14

1978–2003

STR

Scanning TV Radiometer

GOMS-1

1994–2000

S-VISSR

Stretched Visible-Infrared Spin Scan Radiometer

FY-2 A bis F

1997–2016

SXI

Solar X-ray 1 mager

GOES-12 bis 15

2001–2015

TOMS

Total Ozone Mapping Spectrometer

Meteor-3 bis 6

1991–1993

TOU/SBUS

Total Ozone Unit & Solar Backscatter Ultraviolet Sounder

FY-3 A bis G

2007–2023

TSIS

Total Solar Irradiance Sensor

NPOESS-2/4

2016–2027

TV

Television Camera

Meteor-11 bis 28, Meteor-21 bis 22

1969–1994

VAS

VISSR Atmospheric Sounder

GOES-4 bis 7

1980–1995

VCS

Vidicon Camera System

TIROS-1 bis 10, ESSA -1

1960–1967

VHRR (GEO)

Very High Resolution Radiometer

INSAT-1A bis 3A, Kalpana

1982–2012

VHRR (LEO)

Very High Resolution Radiometer

NOAA-2 bis 5

1972–1979

VIIRS

Visible/Infrared Imager Radiometer Suite

NPP, NPOESS-1 bis 4

2009–2027

VIRR

Visible and Infrared Radiometer

FY-3 A bis G

2007–2023

VISSR

Visible-Infrared Spin Scan Radiometer

SMS-1/2, GOES -1/2/3, GMS-1 bis 5

1974–1980 1977–2003

VTPR

Vertical Temperature Profile Radiometer

NOAA-2 bis 5

1972–1979

68

1 Klima als interdisziplinärer und internationaler Forschungsschwerpunkt

Wichtig zu wissen • Die Klimatologie als Wissenschaft geht immer







• •





• •

• •

mehr zu einer übergreifenden Betrachtungsweise des Systems Atmosphäre – Erde – Mensch (Erdsystem-Denken) über. Der Mensch greift seit seinem „Auftritt“ in vielfältiger Weise in das Erdsystem ein und verändert somit die Wirkungszusammenhänge zwischen Atmosphäre und Erde. Die überwiegende Mehrzahl der Wissenschaftler geht heute davon aus, dass sich das weltweite Klima verändert und ein erheblicher Teil dieser Klimaänderung auf menschliche Aktivitäten und Einflüsse zurückgeht. Die Temperaturerhöhung der letzten 100 Jahre liegt bei etwa 0,7° C. Die Veröffentlichung des Vierten Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC) über den Klimawandel lässt keinen Zweifel an der Realität der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung. Es ist weiterhin unsicher, wie sich die globale Klimaentwicklung auf bestimmte Regionen der Erde auswirken wird. In der Forschungslandschaft der Klimatologie ist eine starke Fragmentierung zu beobachten, die einen Überblick und eine Bewertung des Forschungsstandes zunehmend erschwert. Hauptproblem für Gesellschaft und Politik im 21. Jahrhundert ist, dass Entscheidungen bei unsicherer Entscheidungsgrundlage und unter starkem Zeitdruck getroffen werden. Es besteht die strategische Notwendigkeit, eine neue interdisziplinäre Wissenschaftsstruktur, ein Netzwerk, zu bilden sowie eine Klimaschutzstrategie zu entwickeln, die auf dem aktuellsten Stand der Technik aufbaut und alle maßgeblichen Akteure (Bürger, mittelständische Wirtschaft, Industrie, Wissenschaftler, Politikverantwortliche) einbindet. Deutschland hat bereits eine „High-Tech-Strategie“ zum Klimaschutz entworfen. Unter Klima versteht man vereinfacht ausgedrückt, die mittlere Statistik des Wettergeschehens für eine bestimmte Zeitperiode und ein bestimmtes Gebiet. Grundsätzlich setzt sich das Klima eines Ortes aus einem Makro-, Meso- und Mikroanteil zusammen. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) für Meteorologie, Hydrologie und die damit verbundene Geophysik lenkt die















internationale Klimaforschung und ihre Programme. Der Weltklimarat (IPCC) ist heute das bestimmende zwischenstaatliche Gremium für die Beratung der Länder in Klimafragen. Die politische Bewertung möglicher zukünftiger Klimaentwicklung stützt sich auf die Sachstandsberichte des IPCC. Es bestehen heute zwei zentrale Forschungsfragen, die im aktuellen Weltklimaforschungsprogramm (WCRP) verankert sind: • die Bestimmung/Bewertung der Vorhersagbarkeit des Erdklimas • die Bestimmung/Bewertung der anthropogenen Einflüsse auf das Erdklima Die Amsterdamer Deklaration zum Globalen Wandel ist die Basis der Earth System Science Partnership. Die Deklaration zielt auf die stärkere Integration und Zusammenarbeit der großen globalen Umweltforschungsprogramme ab. Kernpunkt ist die Integration der Wissenschaftsdisziplinen über die Fachgrenzen hinweg mit ausdrücklicher Betonung der stärkeren Zusammenarbeit von Natur- und Sozialwissenschaften. Es zeichnet sich ab, dass ausgehend von den letzten Jahren neben disziplinären Fragen in verstärktem Maße Wechselwirkungen zwischen physikalischen, biologischen, geologischen und chemischen Komponenten des Klimasystems analysiert werden und insbesondere deren Relationen zu möglichen Änderungen der Gesellschaftssysteme in den Vordergrund rücken. Klimamessdaten der Vergangenheit sowie die aktuellen und zukünftigen Messnetze sind Voraussetzung und Basis der Klima- und GlobalChange-Forschung Die Gesamtheit aller Klima- und klimarelevanten Daten (Satelliten- und in situ-Daten) müssen unter einem gemeinsamen Qualitätsstandard in ein System integriert werden. Diese Aufgabe übernimmt international das Global Earth Observation System of Systems (GEOSS). Alle Daten sollten darüber hinaus standardisiert und frei verfügbar sein. Das geschilderte internationale Datenerfassungssystem liefert letztendlich das „Futter“ für die hoch komplexen Klimamodelle, die für die Berechnung von Klimaprojektionen genutzt werden.

1.3 Klimadiagnose aus dem All – Globale Datensätze und zukünftiger Bedarf der Klimaforschung

69

• Es können globale Klimamodelle (Global Cir-

• Die Informationsgewinnung mit Fernerkun-

culation Model, GCM) und regionale Klimamodelle (z. B. REMO, WETTREG) unterschieden werden. Der Hauptunterschied liegt darin, dass ein globales Klimamodell die gesamte Troposphäre abbildet, während ein regionales Modell in der Regel die gleiche Modellphysik nutzt, diese aber nur auf einen bestimmten geographischen Ausschnitt der Erde anwendet. Die systeminternen Rückkopplungsprozesse von gekoppelten Systemen sind im Augenblick eine große Herausforderung für die Modellierung. Ein immer wichtiger werdendes Glied im globalen und regionalen Beobachtungssystem sind die zahlreichen bestehenden und sich in Planung befindlichen Satellitensysteme. Wissen und Kenntnisse über diese Fernerkundungssysteme sowie deren Informationsangebot werden für das Verständnis einer zukünftigen Klimaforschung immer wichtiger. Geostationäre und polarumlaufende Satelliten bilden das Globale Beobachtungssystem (GOS) der Erde. Der Begriff Fernerkundung bedeutet nach verallgemeinernder Definition das Erfassen und Aufnehmen von Objekten aus der Entfernung, ohne direkten Kontakt des Aufnahmesystems (Sensors) mit dem zu erkundenden Objekt.

dungssystemen steht damit im Gegensatz zu in situ-Verfahren, welche die Werte direkt am Ort der zu messenden Variable erfassen. Die Fernerkundung ermöglicht als einziges Verfahren die Gewinnung flächenhafter Informationen über unsere Erde. • Die objektbeschreibende elektromagnetische Strahlung setzt sich als Funktion der Wellenlänge aus spezifischen Anteilen reflektierter, gestreuter und/oder emittierter Strahlung (Reflexion, Streuung, Emission) zusammen. Interaktionsmedien stellen die Atmosphäre und die Erdoberfläche im Sinne aller natürlichen und künstlichen Oberflächen dar. Deshalb wird der zentrale Bereich der Fernerkundung auch als Erdbeobachtung (Earth Observation, EO) bezeichnet. • Heute bestimmen zwei Trends die zukünftige Entwicklung der Fernerkundung, die einen zunehmend vielseitigen Einsatz für die Analyse des Erdsystems erlauben: • die Entwicklung hin zu immer feinerer spektraler Differenzierung und höherer räumlicher Auflösung • die Entwicklung hin zu großräumiger Erfassung für ein globales Erdsystemmonitoring (Land, Ozean und Atmosphäre)





• •

2

Basiswissen und Grundgesetze der Klimatologie

Die Kenntnis über das spezifische Wissenschaftsgebäude der Klimatologie und dessen Grundfundamente bildet die Basis, um weitere Forschungserkenntnisse einzuordnen, Hypothesen aufzustellen beziehungsweise zu verwerfen. Zu den Grundfundamenten gehören die über Jahrzehnte hinweg abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten über unsere Atmosphäre sowie die in dieser Zeit entdeckten naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Das vorliegende Kapitel soll das Rüstzeug zum Verständnis der späteren Kapitel zu den Themen „Klimawandel“ (▶ Teil II) sowie „Klima und Gesellschaft“ (▶ Teil III) liefern. Es beschränkt sich allerdings auf die aus Sicht des Autors wichtigsten Grundlagen zum Verständnis des Themas Klimawandel und möchte nicht mit allgemeinen Lehrbüchern zur Klimatologie konkurrieren. Eine umfassende Ausarbeitung zu Grundlagen der Klimatologie findet sich in einschlägigen Lehrbüchern und Standardwerken zur Klimatologie von Joachim Blüthgen (1966), Peter Hupfer (1991), Walter Roedel (1992), Wilhelm Lauer (1993), Wolfgang Weischet (1995) und Hans Häckel (2008), um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

2.1 Zusammensetzung und Aufbau der Atmosphäre Zusammensetzung der Atmosphäre Die Erdatmosphäre ist das Resultat einer langen Entwicklungsgeschichte. In ihrer heutigen Gaszusammensetzung ist die Erdatmosphäre grundverschieden von der solaren Uratmosphäre (auch Urnebel oder Primordialatmosphäre ge-

nannt), aus dem unser Sonnensystem entstanden ist. Vielfältige biochemische und geochemische Prozesse haben die Erdatmosphäre im Vergleich zu anderen Planeten unseres Sonnensystems zu einem einmaligen Luftgemisch gemacht, ohne das menschliches Leben undenkbar wäre. Unsere heutige Atmosphäre ist ein Gemisch aus verschiedenen Gasen, das neben den Hauptbestandteilen Stickstoff (N2 , relativer Volumenanteil 78,09 %) und Sauerstoff (O2 , relativer Volumenanteil 20,95 %) eine Anzahl von Spurenstoffen enthält, von denen insbesondere Argon (Ar, relativer Volumenanteil 0,93 %) und Kohlendioxid (CO2 , relativer Volumenanteil 0,03 %) zu nennen sind. Bei Argon handelt es sich überwiegend um das Isotop Ar-40, welches durch radioaktiven Zerfall von Kalium-40 im Erdmantel entstanden ist. Bei den weiteren Spurenbestandteilen der Atmosphäre sind in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit H2O, Neon (Ne, 18,2 ppm [Abk. für parts per million]), Helium (He, 5,24 ppm), Krypton (Kr, 1,14 ppm), Methan (CH4, 1,7 ppm), Wasserstoff (H2) und Distickstoffoxid (N2O, 0,3 ppm) zu nennen. Die Kennwerte unseres Planeten Erde sind in Tabelle 2.1, und die Zusammensetzung der Atmosphäre ist Tabelle 2.2 zu entnehmen. Eine sehr anschauliche Betrachtung der Gasmengen in der Atmosphäre (speziell von Spurengasen) ist die Angabe der Säulenhöhe, die ein betreffendes Gas unter Normalbedingungen (0 °C, 1 013 hPa) einnehmen würde. Unter Normalbedingungen würden sich in einer isobaren Atmosphäre folgende Säulenhöhen ergeben: Stickstoff (6 250 m), Sauerstoff (1 670 m), Argon (74 m), Wasserstoff (35 m), Kohlendioxid (2,5 m), Edelgase ohne Argon (0,20 m) und Ozon (0,035 m). Die Nennung der Säulenhöhe verdeutlicht den geringen Anteil der Spurenstoffe und die Verletzlichkeit der

72

2 Basiswissen und Grundgesetze der Klimatologie

Ozonschicht. Für den wichtigen Atmosphärenbestandteil Ozon ist neben der Säulenhöhe auch die Angabe in Dobson-Einheiten (Dobson Unit, DU) gebräuchlich. Eine Ozonsäule von 1 cm entspricht 1 000 DU. Die mittlere Ozonsäule unserer Atmosphäre liegt somit bei 300–400 DU.

Tabelle 2.1

Vertikaler Aufbau der Atmosphäre Die Erdatmosphäre wird in ihrer Gesamtheit in zweierlei Hinsicht begrenzt. Zum einen bilden die Grenzflächen des Festlandes, der Wasser- und Eisflächen eine untere Grenze für die

Kennwerte einiger Planeten und ihrer atmosphärischen Zusammensetzung (nach Fabian 1992) Erde

Venus

Mars

Jupiter

150

108

228

778

6 371

6 049

3 390

69 500

mittlere Dichte der Planeten (in g/cm )

5,52

5,23

3,96

1,33

mittlere Oberflächentemperatur (in °C)

15

462

–50

–130

Druck an der Oberfläche (in hPa)

1

90

0,007

0,1

Hauptbestandteile der Planetenatmosphären (relativer Volumenanteil)

N2 (78,09 %) O2 (20,95 %) Ar (0,93 %) CO2 (0,03 %)

CO2 (95–97 %) N2 (3,5–4,5 %) H2 (0,06–0,14 %)

CO2 (95 %) N2 (3 %) Ar (1,5 %)

H2 (88 %) He (11 %)

Spurenbestandteile

H2O Ne He Kr CH4 H2 N2O

SO2 Ar CO Ne

O2 CO H2 O Ne Kr Xe

NH3 CH4 H2 O H2S C2H2 C2 H6

mittlerer Abstand von der Sonne (in Mio. km) mittlerer Planetenradius (in km) 3

Tabelle 2.2

Die Zusammensetzung trockener und staubfreier (aerosolfreier) Luft in Erdbodennähe

chemische Formel

Gasname

Konzentration (in Volumenanteil)

Größenordnung

N2 O2 Ar CO2 Ne He CH4 Kr H2 N2O Xe CO O3 NOx (=NO, NO2) FCKW CFCl3 CF2Cl2

Stickstoff Sauerstoff Argon Kohlendioxid Neon Helium Methan Krypton Wasserstoff Distickstoffoxid Xenon Kohlenmonoxid Ozon Stickoxide Fluorchlorkohlenwasserstoffe Trichlorfluormethan Dichlordifluormethan

78,084 % 20,946 % 0,934 % 0,0355 % = 355 ppm 8,2 ppm 5,2 ppm 1,7 ppm 1,1 ppm 0,56 ppm 0,31 ppm 0,09 ppm = 90ppb 50–200 ppb 5–50 ppb 0,05–5 ppb 0,25 ppb = 250 ppt 0,45 ppb = 450 ppt

(% = 10–2)

(ppm = 10-6)

(ppb = 10–9)

(ppt = 10–12)

73

2.1 Zusammensetzung und Aufbau der Atmosphäre

wie CO2 oder die Quellgase von der Troposphäre in die Stratosphäre diffundieren können, wirkt die sehr niedrige Tropopausentemperatur (bis zu –80 °C) für den Wasserdampf wie eine Kältefalle. Nur sehr kleine Wasserdampfmengen können deshalb in die Stratosphäre gelangen. Zudem werden nur geringe Wasserdampfmengen fotochemisch in der mittleren Atmosphäre gebildet (z. B. aus Methan). Quellgase wie Methan (CH4), Wasserstoff (H2), Kohlenmonoxid (CO) und Methylchlorid (CH3Cl) sind Gase, die in der unteren Atmosphäre eher reaktionsträge sind. In der höheren Atmosphäre bilden sie aber die „Quelle“ für sehr reaktive Substanzen. So können z. B. durch fotolytische Spaltung hochreaktive Substanzen in der Stratosphäre entstehen, die zum Ozonabbau führen. Die Trockenheit der mittleren Atmosphäre bedingt, dass in der Stratosphäre kein Wettergeschehen mit Wolkenbildung und Ausregnen wie in der Troposphäre existiert. In der oberen Stratosphäre steigen die Temperaturen wieder kräftig an und erreichen an der Stratopause, der Grenzschicht zwischen Stratosphäre und Meso-

Thermosphäre The Mesopause

0,001 0,01

80 Mesosphäre Mesospäre

0,1

60 Stratopause

1

40 20 0

Stratosphäre

10

Tropopause Troposphäre

100

–80° –60° –40° –20° 0° 20° Temperatur (C)

40°

60°

Luftdruck (mbar)

100

Höhe (km)

Atmosphäre (allgemein zusammengefasst als Erdoberfläche), und zum anderen bildet der Übergang zum Weltraum eine natürliche Obergrenze der Erdatmosphäre. Aufgrund der Gravitationskraft der Erde nehmen Dichte und Druck in der Atmosphäre mit zunehmender Höhe ab. Die Obergrenze der Atmosphäre wird fiktiv in einer Höhe von 1 000 km angenommen, ab 700 km entspricht der Luftdruck annähernd einem technischen Vakuum. Aufgrund der Dichte- und Druckabnahme mit zunehmender Höhe kommt es zur „Ausschichtung“ in der Atmosphäre entsprechend dem Molekulargewicht der Inhaltsstoffe. Die leichteste Substanz, der Wasserstoff (etwa 0,5 ppm), ist dabei ganz oben. Die Ausschichtung führt in Verbindung mit dem solaren Strahlungsumsatz zu einer charakteristischen vertikalen Temperaturverteilung und Stockwerkeinteilung der Atmosphäre. Die Gründe der Schichtung der Atmosphäre liegen auch in der thermischen Abhängigkeit chemischer Prozesse und der nach Dichte und Zusammensetzung der Atmosphäre unterschiedlichen Durchlässigkeit für bestimmte Strahlen (z. B. UV-Strahlung). Die unterste Atmosphärenschicht wird Troposphäre (Wettersphäre) genannt. In ihr spielen sich alle typischen Wettervorgänge wie Bewölkung und Niederschlag ab. Ihre Obergrenze ist die Tropopause. Die Tropopause als Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre steigt von den polaren Gebieten in Richtung Äquator von rund 5 km auf bis zu 15–17 km Höhe an und stellt eine weltumspannende Inversionsschicht dar. In der Troposphäre nimmt die Lufttemperatur mit zunehmender Höhe vom Erdboden bis hin zur Tropopause ab. Die Troposphäre ist die unterste, dichteste und dünnste Atmosphärenschicht. Trotzdem enthält sie fast 90 % der gesamten Erdluftmasse sowie des Wasserdampfes. Oberhalb der Tropopause schließen sich Stratosphäre und Mesosphäre an, die auch als „mittlere Atmosphäre“ benannt werden. Die mittlere Atmosphäre ist der solaren UV-Strahlung zwischen 170 und 290 nm ausgesetzt, sodass die meisten der in der Troposphäre noch stabilen Bestandteile wie Sauerstoff und die Quellgase fotolysiert, das heißt gespalten werden. Des Weiteren ist die mittlere Atmosphäre sehr trocken. Während die gasförmigen Bestandteile

1000

80° w m2μm

w cm2μm 0,2

2000 a

0,1 0

b

0,5 500

1000

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 (μm) 1000 1500 2000 2500 3000 3500 (nm) Wellenlänge

2.1 oben: Spektrale Verteilung der Sonnenstrahlung am Außenrand der Atmosphäre (a) und am Erdboden (b) unten: Schichtung der Erdatmosphäre mit zugehörigem Temperaturverlauf (blaue Kurve). Die Pfeile zeigen die Eindringtiefe der solaren Strahlung in die Erdatmosphäre an.

74

sphäre, etwa 0 °C mit einem mittleren Schwankungsbereich von –10 °C bis +10 °C. In der Mesosphäre nimmt die Temperatur abermals rasch ab, um dann in der Mesopause (Grenzschicht zwischen Mesosphäre und Thermosphäre/Ionosphäre) in ca. 100 km Höhe bis auf – 80 °C abzusinken. Von der Mesopause an nimmt die Temperatur in der Ionosphäre wieder ständig zu (Abbildung 2.1).

2.2 Die Sonnenstrahlung – Energiequelle allen Lebens Die Erde und ihre Atmosphäre erhalten ihre nahezu gesamte Energie von der Sonne. Die Sonnenstrahlung bildet die Voraussetzung für die Temperaturverteilung und die davon mittelbar oder unmittelbar abhängigen Klimaelemente. Die Kenntnis des Strahlungshaushalts ist daher Grundlage jeder klimatologischen Forschung. Die elektromagnetische solare Strahlung ist die von der Sonne emittierte Strahlung, welche gemäß dem Planckschen Strahlungsgesetz der Strahlung eines rund 6 000 Kelvin heißen, schwarzen Körpers entspricht. Diese Strahlung ist die wichtigste Energiequelle für die Erde. Der Gesamtstrahlungsfluss der Sonne beträgt etwa 3,9 × 1026 Watt. Die Bestrahlungsstärke am Außenrand der Atmosphäre wird Solarkonstante genannt und liegt bei 1 367,0 ± 0,70 Watt/m2. Diese Quasikonstante wird durch unterschiedliche Messmethoden (Satellitenmessungen, terrestrische Messungen) erfasst und schwankt im Mittel um ± 3,3 %. In der Literatur finden sich Angaben zur Solarkonstante, die zwischen 1 360 und 1 370 W/m2 liegen. Die Erde schneidet aus der Sonnenstrahlung ein Bündel der Fläche π × R2 mit R als Erdradius aus. Die Erdoberfläche selbst beträgt 4 × π × R2. Ohne Berücksichtigung des Einflusses der Erdatmosphäre ergibt sich somit als mittlere solare Einstrahlung ein Viertel der Solarkonstanten (~ 342 W/m2). Infolge der elliptischen Umlaufbahn der Erde um die Sonne besitzt die Solarkonstante einen Jahresgang. Je nach Entfernung der Erde zur Sonne ergibt sich für die Solarkonstante ein Korrekturfaktor von 1,033 (Erde steht im Perihel – sonnennächster Punkt ihrer Bahn) und 0,967 (Erde steht im Aphel – sonnenfernster Punkt).

2 Basiswissen und Grundgesetze der Klimatologie

Im Laufe von 21 000 Jahren verschiebt sich die Apsidenlinie unter Einwirkung der anderen Planeten um 365 Tage. Geographisch bedeutsam ist dabei, dass sich die Erde zurzeit des Winters auf der Nordhemisphäre in Sonnennähe und zurzeit des Sommers auf der Nordhemisphäre in ihrem sonnenfernsten Punkt befindet. Das Winterhalbjahr ist auf der Nordhalbkugel deshalb insgesamt mit 179 Tagen um 7 Tage kürzer als auf der Südhabkugel. Das Sommerhalbjahr ist auf der Nordhalbkugel um die gleiche Zeit verlängert. Die Strahlungsintensität in den einzelnen Breitenzonen der Erde hängt vom Winkelgrad der Sonnenhöhe ab (Isonne = I0 × sin h, wobei Isonne die Strahlungsintensität, I0 die Solarkonstante und h die Sonnenhöhe ist) und wird von den Parametern des solaren Klimas (Erdrevolution und Schiefe der Ekliptik) gesteuert.

2.3 Parameter des solaren Klimas: Erdrevolution, Beleuchtungsklima und Jahreszeiten Das Beleuchtungsklima der Erde (Tages- und Jahreszeiten) ist Resultat der Lage der Erde im Sonnensystem. Der Umlauf der Erde um die Sonne, die sogenannte Erdrevolution, dauert etwa 365,25 Tage. Die Erde beschreibt dabei eine elliptische Bahn, in dere Brennpunkt die Sonne steht (Abbildung 2.2). Die mittlere Entfernung Erde – Sonne beträgt etwa 150 × 106 km mit einer Schwankungsbreite zwischen 147 × 106 km (größte Sonnennähe = Perihel am 2. Januar eines Jahres) und 152 × 106 km (größte Sonnenferne = Aphel am 2. Juli eines Jahres). Die Erde umkreist die Sonne mit einer um 23,5° geneigten Erdachse. Die Neigung der Erdachse unterliegt säkularen Schwankungen und wird als Schiefe der Ekliptik bezeichnet. Die Schiefe der Ekliptik führt im Jahresumlauf zu einer unterschiedlichen Beleuchtung der Erde, die zur Ausbildung strahlungsklimatischer Zonen (Tropen, Mittelbreiten, Polargebiete) führt. Die damit in Zusammenhang stehende Sonnenhöhe und daraus resultierende Dauer des längsten Tages war es sogar, die im Altertum dem Klimabegriff seinen Inhalt gab

2.3 Parameter des solaren Klimas: Erdrevolution, Beleuchtungsklima und Jahreszeiten

(griech. klima = geneigt). Die Erdrotation, die Drehung der Erde um ihre eigene Körperachse (Erdachse), erfolgt von West nach Ost in etwa 24 Stunden (genauer 23 Stunden, 56 Minuten, 4 Sekunden).

75

Die Erdrotation verursacht die Tageszeiten. Nur am Äquator sind aufgrund der Schiefe der Ekliptik Tag und Nacht immer gleich lang. In allen anderen Breitenbereichen kommt es zu einer ständig wechselnden Länge von Tag und Nacht.

Elektromagnetische Strahlung und ihr Spektrum Eine elektromagnetische Welle ist gekennzeichnet durch die Frequenz (Häufigkeit der Schwingungen pro Sekunde) und die Amplitude (Abstand zwischen zwei Wellenlängenbergen beziehungsweise -tälern). Jede Strahlenquelle sendet ein für sie typisches Gemisch vieler unterschiedlicher Wellenlängen aus, ihr Spektrum. Der Aufbau des Spektrums hängt dabei von der Temperatur des Strahlers ab. Ein schwarzer Strahler (auch: schwarzer Körper oder Planckscher Strahler) ist physikalisch ein idealisierter Körper, der auf ihn treffende elektromagnetische Strahlung für jede Wellenlänge vollständig absorbiert. Zugleich ist ein schwarzer Körper (Begriff nach Gustav Kirchhoff, 1860) eine ideale thermische Strahlungsquelle, die elektromagnetische Strahlung mit einem charakteristischen, nur von der Temperatur abhängigen Spektrum aussendet. Die Theorie des schwarzen Körpers dient als Grundlage für theoretische Betrachtungen sowie als Referenz für praktische Untersuchungen elektromagnetischer Strahlung. Intensität und Frequenzverteilung der von einem schwarzen Körper ausgesandten elektromagnetischen Strahlung werden durch das von Max Planck formulierte Plancksche Strahlungsgesetz beschrieben. Nach seiner Deutung durch Albert Einstein im Jahr 1905 (Einsteins Lichtquantenhypothese) wurde es die Grundlage der Quantenmechanik. Das Maximum der Frequenzverteilung verschiebt sich bei steigenden Temperaturen zu höheren Frequenzen bzw. kürzeren Wellenlängen (Wiensches Verschiebungsgesetz). Die gesamte ausgestrahlte Energie ist dabei proportional zur vierten Potenz der absoluten Temperatur des schwarzen Körpers (Stefan-Boltzmann-Gesetz). Zu den wichtigsten Strahlungsgesetzen gehören das

• Wiensche Verschiebungsgesetz. Nach Wilhelm Karl Werner Wien benanntes Strahlungsgesetz, das die Berechnung der Wellenlänge des Strahlungsmaximums λmax mit η = konst. = 2,898 μm K und T = absolute Temperatur der strahlenden Oberfläche vornimmt η λmax = T .

Es findet in der Fernerkundung (Abschnitt1.3) bei der Bestimmung von Oberflächentemperaturen (MODIS LST) im Rahmen von Wärmehaushaltsuntersuchungen und in mikroklimatischen Analysen Anwendung. • Stefan-Boltzmann-Gesetz. Nach Josef Stefan und Ludwig Erhardt Boltzmann benanntes Gesetz zur Bestimmung der Gesamtenergiedichte über alle Spektralbereiche, welche der Fläche unter der Planckschen Strahlungskurve entspricht. Es verdeutlicht die starke Abhängigkeit dieser Gesamtenergiedichte von der Temperatur des schwarzen Körpers (vgl. Strahlungsgesetzte bei Kappas, 1994). Wichtige Bereiche des solaren Spektrums sind • thermaler oder langwelliger Wellenlängenbereich (3,0 bis 100 μm, Maximum bei 10 μm): Die Strahlungsquelle der Erde beträgt hier insgesamt rund 287 K • Infrarotstrahlung (IR) mit Wellenlängen von 800 nm–1 mm • sichtbare Strahlung (VIS) mit Wellenlängen von 700 nm–400 nm • Ultraviolettstrahlung (UV) mit Wellenlängen von 380 nm–10 nm UV-A: 320–380 nm UV-B: 280–320 nm UV-C: