Interaktive Unternehmenssteuerung Organisation, Wissen Und Reziprozitt̃ Auf Kapitalmr̃kten
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Zitiervorschau

Markus Göbel Interaktive Unternehmenssteuerung

nbf neue betriebswirtschaftliche forschung Band 366

Markus Göbel

Interaktive Unternehmenssteuerung Organisation, Wissen und Reziprozität auf Kapitalmärkten

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Michael Gaitanides

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Habilschrift Helmut-Schmidt-Universität Hamburg 2007

1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Frauke Schindler / Jutta Hinrichsen Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1520-7

Geleitwort Kein Thema bewegt die deutsche Unternehmenslandschaft seit geraumer Zeit so sehr wie die Einflussnahme von institutionellen Investoren auf die Geschicke von Kapitalgesellschaften. So titulierte der ehemalige Vizekanzler Franz Müntefering PrivateEquity-Firmen oder Investmentbanken als „Heuschrecken“, „die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben“. In feindlicher Manier würden sie sich die Anteilsmehrheit an Kapitalgesellschaften sichern, das Top-Management mit überzogenen Renditeerwartungen bedrängen und damit die Geschicke des Unternehmens allein zu ihrem Nutzen wenden. Diese populäre Vereinfachung der Investor/Unternehmens-Beziehung findet vergleichbare Parallelen in der Betriebswirtschaftslehre. Unter dem Stichwort „Shareholder Value“ wird eine Form der Unternehmensführung proklamiert, die sich ausschließlich an den Interessen der Eigentümer orientiert. Zwar ist letztere eher auf die langfristige Erzielung von Unternehmenswert gerichtet, bei näherer Betrachtung wird jedoch eine zentrale Gemeinsamkeit deutlich. Die Steuerung von Kapitalgesellschaften wird faktisch nicht mehr alleine von dem jeweiligen Top-Management vollzogen, vielmehr nehmen die Investoren erheblichen Einfluss. Unternehmenssteuerung wird somit zu einem interaktiven Phänomen, bei dem Akteure und Akteursgruppen über die eigenen Organisationsgrenzen hinweg die Geschicke anderer Unternehmen beeinflussen. Gegenstand der Unternehmenssteuerung ist damit weniger die einzelne Organisation, sondern vielmehr die interdependente Beziehung zwischen zwei oder mehr Organisationen. Jüngst wurde dieser Interaktionsprozess im Fall Scheffler KG/Continental AG auch dem unbeteiligten Beobachter deutlich vor Augen geführt. Dieser interaktive Aspekt der Unternehmenssteuerung bedarf einer theoretischen Perspektivenerweiterung, welche vor allem die soziale Komplexität solcher Interdependenzen nicht vernachlässigt. Gerade darin liegen die Einzigartigkeit und der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dieser Arbeit. Markus Goebel ist es gelungen, ein umfassendes Konzept der „investor relations“ jenseits der reinen Kapitalmarkttransaktion zu entwickeln und dessen empirische Relevanz aufzuzeigen. Die vorgelegte Arbeit bringt damit eine interaktionstheoretische Perspektive in die Governance-Diskussion, darüber hinaus aber auch in weitreichende Problemfelder von Unternehmensführung und Organisation. Diese betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen erhalten durch die Arbeit ein innovatives Fundament. Es ist das Verdienst der vorgelegten Arbeit, die Außenbeziehungen von Unternehmen – und dabei nicht nur die auf Tausch beruhenden – in die Unternehmenssteuerung einzubeziehen. Der Blick wird erweitert auf ganz neue, reziproke Ausprägungen von Interaktionsmechanismen, die einer rein ökonomischen Analyse verschlossen bleiben. Es ist der Arbeit zu wünschen, dass sie einen Multiplikatoreffekt auslöst, der der interaktiven Unternehmensführung zu der ihr gebührenden Bedeutung verhilft. Die theoretischen Reflexionen und die aufgezeigten empirischen Evidenzen dieser Arbeit

mögen die Theoriebildung interaktiver Unternehmensführung befruchten und den Praktikern eine Orientierungshilfe sein. Hamburg, Oktober 2008

VI

Michael Gaitanides

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 2007 von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Helmut-Schmidt-Universität Universität der Bundeswehr Hamburg als Habilitation angenommen. Um dem Leser wertvolle Kräfte zu sparen – er wird sie an anderer Stelle noch nötig haben – gehe ich gleich zur Danksagung über. Besonderen Dank gilt meinem akademischen Lehrer Herrn Professor Dr. Michael Gaitanides, der mich mit Rat und Tat unterstützt hat und so nicht nur zu der Entstehung dieser Arbeit beitrug sondern mich auch in meiner wissenschaftlichen Entwicklung förderte. Danken möchte ich an dieser Stelle auch meinem Zweitgutachter Herrn Professor Dr. Günther Ortmann. Ohne sein Zutun wäre ich wohl nicht in die Wissenschaft gegangen und – vor allen Dingen – nicht dort geblieben. Weiterhin möchte ich Frau Professor Dr. Jetta Frost für die zeitnahe Erstellung des Habilitationsgutachtens danken. Ich danke auch den weiteren Mitgliedern der Habilitationskommission Frau Professor Dr. Claudia Fantapie’ Altobelli und Herrn Professor Dr. Michel Domsch, die zum reibungslosen und angenehmen Vollzug des Habilitationsverfahrens maßgeblich beigetragen haben. Danken möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Frau Marianne Petersizke und meiner Schwägerin Heike Göbel, die sich den orthographischen Mängeln meiner Arbeit in einer schnellen und unprätentiösen Weise angenommen haben. Weiterhin möchte ich Frau Natalja Press für die durchreife Formatierung der Arbeit danken. Einen besonderen Dank möchte ich nun an alle Kolleginnen und Kollegen richten, die direkt oder indirekt zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Hier denke ich zunächst an Frau Dr. Christiana Weber, mit der ich viele interessante – auch fachliche – Gespräche geführt habe. Die gemeinsamen Stunden am Weberischen Schreibtisch werden mir in angenehmer Erinnerung bleiben. Danken möchte ich auch Herrn Dr. Jens Fischer und Frau Dr. Gerlinde Barthelheimer, die mir jede Unterstützung bei der Arbeit am Lehrstuhl gewährt haben sowie Herrn Dr. Tobias Thomas, der für nette abendliche Unterhaltung in Zeiten schlecher Stimmung gesorgt hat. Schließlich möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen von den Lehrstühlen Marketing, Personal, Industriebetriebslehre und ABWL für die unzähligen gemeinsamen Mittagessen danken. Diese anregenden und freundschaftlichen Gesprächsrunden sind wesentliche Kennzeichen einer von mir sehr geschätzten – aber leider nicht mehr häufig anzutreffenden – akademischen Kultur. Zum Abschluss möchte ich meinen Eltern, Geschwistern, Schwägerinnen und Schwägern für ihre moralische Unterstützung danken. Diese ist auf einem so langen Weg zuweilen dringend erforderlich. Meinen größten Dank gilt jedoch meinen Kindern Leonard, Charlotte und Vinzent sowie meiner Frau Kerstin. Ohne Eure Hilfe hätte ich die Arbeit wohl kaum geschafft. Insbesondere die gemeinsamen Wochenenden mit ihren vielfältigen Aktivitäten haben mir die Inspirationen gegeben, die zur Qualität einer solchen Arbeit unerlässlich sind. Euch sei diese Arbeit gewidmet. Markus Goebel

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ................................................................................................................. 1 1.1. Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ........................................................ 1 1.2. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit ............................................................... 5 TEIL A: Deskriptive Zugänge zur Investor/Unternehmens-Interaktion.............. 11 1. Das kapitalnachfragende Unternehmen als Finanzkommunikator ........................ 11 1.1. Der Shareholder Value als Maxime einer kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung...................................................................................... 11 1.2. Finanzkommunikation und Investor Relations ................................................... 15 1.2.1. Finanzkommunikation als Werttreiber............................................................. 15 1.2.2. Aufgaben der Finanzkommunikation............................................................... 17 1.3. Die Organisation der Finanzkommunikation...................................................... 20 1.4. Instrumente der Finanzkommunikation .............................................................. 24 1.5. Zentrale Zielgruppen der Finanzkommunikation ............................................... 29 2. Institutionelle Investoren als Adressaten der Finanzkommunikation.................... 33 2.1. Die Mediatorfunktion der institutionellen Investoren auf Kapitalmärkten......... 33 2.2. Bankorganisation, Wissensmanagement und Unternehmenssteuerung.............. 35 2.2.1. Leistungserstellung und Netzwerkorganisation ............................................... 35 2.2.2. Communities of practice und Wissensmanagement ........................................ 38 2.2.3. Strategiebildung und Unternehmenssteuerung ................................................ 40 2.3. Der Investmentprozess von der Zieldefinition bis zur Erfolgsmessung ............. 43 2.4. Portfoliomanager und Analysten als Akteure im Investmentprozess ................. 48 3. Finanzkommunikation in kommunikationstheoretischer Perspektive ................... 53 3.1. Unternehmensberichterstattung und Informationsübertragung .......................... 53 3.2. Innerer Unternehmenswert und semiotische Zeichenlogik................................. 59 4. Unternehmen, Kommunikation und Information: ein Zwischenfazit.................... 63 TEIL B: Theoretische Zugänge Investor/Unternehmens-Interaktion .................. 65 1. Die Investor/Unternehmens-Konstellation aus ökonomischer Perspektive........... 65 1.1. Markt und Organisation in der ökonomischen Theorie ...................................... 66 1.1.1. Das neoklassische Markt- und Organisationsverständnis................................ 66 1.1.2. Das institutionenökonomische Markt- und Organisationsverständnis ............ 69 1.2. Die Kapitalgesellschaft aus institutionenökonomischer Perspektive ................. 72 1.2.1. Die Trennung von Eigentum und Führung ...................................................... 72 1.2.2. Zielkonflikte zwischen Topmanagement und Investoren ................................ 76 1.2.3. Die Beziehung von Topmanagement und Investoren als Prinzipal-Agenten Konstellation ................................................................ 79

2. Information und Wissen in der Investor/Unternehmens-Interaktion – theoretische Perspektiven und praktische Evidenzen ............................................ 85 2.1. Unternehmenssteuerung als Informationsproblem – die Sicht der Institutionenökonomie ................................................................... 85 2.1.1. Unternehmenskommunikation zwischen Marktwert und True Value ............. 85 2.1.2. Informationen und Signale............................................................................... 86 2.1.3. Nutzung von Erfahrungen ................................................................................ 89 2.1.4. Reputation: Genese, Wirkung, kommunikative Gestaltung ............................ 91 2.1.5. Information, Signal und die Objektivierung von Wissen – ein Zwischenfazit ............................................................................................. 94 2.2. Informationen als soziale Konstruktionen – die Sicht der empirischen Kapitalmarktforschung........................................................................................ 97 2.3. Unternehmenssteuerung als Wissensproblem – die Sicht der Wissenssoziologie........................................................................ 101 2.3.1. Die Kapitalgesellschaft im Prozess der Wissensgenese – nur Kommunikator? ....................................................................................... 102 2.3.1.1. Finanzorganisation, Unternehmenssteuerung und Kommunikation.......... 102 2.3.1.2. Fair Value, Bilanzpolitik und die Logik der Rechnungslegung................. 106 2.3.2. Der institutionelle Investor im Prozess der Wissensgenese – nur Rezipient?110 2.3.2.1. Die Informationsgewinnung als Interaktionsprozess................................. 110 2.3.2.2. Die Praxis der Unternehmensdiagnose ...................................................... 116 2.3.2.3. Die Praxis der Gewinnprognose................................................................. 119 2.3.2.4. Die Quasifirma als Bezugsgröße der Unternehmenssteuerung.................. 124 2.3.3. Wissen, Steuerung und Reziprozität – ein Zwischenfazit.............................. 130 3. Kontrolle und Kooperation in der Investor/Unternehmens-Interaktion – theoretische Perspektiven und empirische Evidenzen......................................... 135 3.1. Unternehmenssteuerung als Kontrollproblem – die Sicht der Institutionenökonomie ................................................................. 135 3.1.1. Marktliche und gesetzliche Kontextfaktoren der Unternehmenskontrolle .... 137 3.1.2. Supervisor-Konzepte der Managementkontrolle ........................................... 139 3.1.3. Wettbewerbskonzepte der Managementdisziplinierung ................................ 147 3.2. Tausch, Opportunismus und Steuerung – ein Zwischenfazit............................ 152 3.3. Verhaltenssteuerung über Verträge – die Sicht der experimentellen Wirtschaftsforschung ........................................ 155 3.4. Unternehmenssteuerung als Kooperationsproblem – die Sicht der sozialwissenschaftlichen Corporate-Governance-Forschung...... 158 3.4.1. Das japanische Corporate-Governance-System............................................. 158 3.4.1.1. Die japanischen Unternehmensgruppen..................................................... 159 3.4.1.2. Japanische Kapitalgesellschaften und ihre Investoren............................... 166 3.4.1.3. Japanische Kapitalgesellschaften und ihre Main Bank.............................. 170 3.4.1.4. Führungsgremien japanischer Kapitalgesellschaften – de jure.................. 173 3.4.1.5. Führungsgremien japanischer Kapitalgesellschaften – de facto ................ 174 3.4.1.6. Seniormanager als Mediatoren von Kooperationsbeziehungen................. 177 X

3.4.2. Das britische Corporate-Governance-System................................................ 180 3.4.2.1. Geschichte und Strukturelemente .............................................................. 180 3.4.2.2. Das Unternehmensboard zwischen Kollaboration und Kooperation......... 183 3.4.2.2.1. Die Beziehung zwischen CEO und Chairman..................................... 185 3.4.2.2.2. Boardkultur und Strategiegenese......................................................... 189 3.4.3. Rechenschaftspflicht, Moral und Corporate Governance – ein Zwischenfazit ........................................................................................... 193 TEIL C: Konzeptionelle Entwicklung und steuerungspraktische Evidenz eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses ............................ 197 1. Entwicklung eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses...................... 197 1.1. Das Ende des homo oeconomicus? Ergebnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung ........................................................................................ 197 1.2. Die Gabe in der Standardökonomik.................................................................. 201 1.3. Die Gabe in der Ethnologie und Soziologie...................................................... 203 1.4. Nutzen, Pflicht und Altruismus: Motive reziproken Verhaltens ...................... 208 1.5. Reziprozität der Perspektiven ........................................................................... 216 1.6. Vertrauen, Loyalität, Fairness und Reputation – zum Anökonomischen in der Ökonomie .......................................................... 219 2. Steuerungspraktische Evidenz eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses ................................................................................. 225 2.1. Reziprozität und Steuerung in Organisationen ................................................. 225 2.1.1. Psychologischer Vertrag ................................................................................ 227 2.1.2. Organizational Citizenship Behavior ............................................................. 228 2.2. Reziprozität und Steuerung zwischen Organisationen...................................... 230 2.2.1. Dyadische Kooperationsbeziehungen ............................................................ 231 2.2.2. Multiple Kooperationsbeziehungen ............................................................... 232 2.3. Reziprozität und Steuerung in Gemeinschaften................................................ 235 2.3.1. Sharing in Online Gemeinschaften ................................................................ 235 2.3.2. Open Source und Open Innovationen ............................................................ 237 2.4. Reziprozität und Steuerung auf (Finanz-)Märkten ........................................... 240 3. Reziprozität, Steuerung und Motivation – ein Zwischenfazit ............................. 243 TEIL D: Die Evidenz des Reziprozitätsverständnisses in der Investor/Unternehmens-Interaktion – eine empirische Untersuchung auf dem deutschen Markt für Risikokapital................. 245 1. Tausch und Reziprozität in der Venture-Capital-Forschung ............................... 245 2. Forschungsmethode und Untersuchungsdaten..................................................... 249 3. Forschungsergebnisse .......................................................................................... 253 XI

3.1. Unternehmenssteuerung als Wissensproblem: Reziprozität soziokultureller Ordnungen......................................................................................................... 254 3.1.1. Symbolische Ordnung.................................................................................... 254 3.1.2. Normative Ordnung ....................................................................................... 257 3.2. Unternehmenssteuerung als Beziehungsproblem: Reziprozität struktureller und relationaler Ressourcen ............................................................................. 259 3.3. Unternehmenssteuerung als Kooperationsproblem: Reziprozität der Verhaltensmodi .......................................................................................... 262 4. Reziprozitätstypen in der Investor/Unternehmens-Interaktion – ein Zwischenfazit ................................................................................................. 267 TEIL E: Einseitige Managerkontrolle oder interaktive Unternehmenssteuerung – Zusammenfassung und Forschungsperspektiven .................................................................. 271 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 281

XII

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Shareholder-Value-Pyramide........................................................... 14 Abbildung 2: Darstellung des Werttreibersystems. ...................................................... 16 Abbildung 3: Prozessuale Betrachtung des Expectations Management....................... 18 Abbildung 4: Zentrale versus dezentrale Einbindung der Investor Relations. ............. 21 Abbildung 5: Institutionelle Investoren. ....................................................................... 31 Abbildung 6: Der Anlageentscheidungsprozeß. ........................................................... 44 Abbildung 7: Modell der externen Berichtserstattung.................................................. 54 Abbildung 8: Schema dreistelliger Zeichentheorien. .................................................. 61 Abbildung 9: Austauschbeziehung zwischen Kapitalmarkt und Unternehmen. .......... 75 Abbildung 10: Modifikation des Erfahrungs-Konzeptes für unechte Erfahrung. ........ 90 Abbildung 11: Der Postgnose-Zirkel.......................................................................... 123 Abbildung 12: Die Arbeit der Analysten aus finanzwirtschaftlicher Perspektive...... 125 Abbildung 13: Die interaktive Konstruktion der Quasi-Firma................................... 126 Abbildung 14: The investment object is constructed through its connections. .......... 128 Abbildung 15: Entwicklung der keiretsu aus den zaibatsu......................................... 160 Abbildung 16: Cross-Cutting Social Spheres: Industrial Diversity, Status Position, and Alliance Form.................................................... 162 Abbildung 17: Die Sanwa Group................................................................................ 164 Abbildung 18: Alliance Form and the Japanese Firm’s Institutional Environment. .. 165 Abbildung 19: Führungsgremien japanischer Aktiengesellschaften – de jure. .......... 174 Abbildung 20: Führungsgremien japanischer Aktiengesellschaften – de facto. ........ 177 Abbildung 21: Elliptisches Verhältnis von Pflicht und Nutzen bei der Handlungsorientierung ....................................................................... 210 Abbildung 22: Das Verhältnis von Nutzen, Pflicht, Egoismus und Altruismus ........ 214 Abbildung 23: Kerndimensionen des Tausches im Wirkungszusammenhang .......... 254

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Kern-Dimensionen und Coding-Kategorien.............................................. 253 XIII

Abkürzungsverzeichnis: Abb.: Abbildung VC: Venture Capital PU: Portfoliounternehmen Sog.: sogenannt z.B.: zum Beispiel TFT: Tit-For-Tat Zit.: zitiert CEO: Chief Executive Officer ggf.: gegebenenfalls bzw.: beziehungsweise d.h.: das heißt etc.: et cetera f.: folgende ff.: fortfolgende Hrsg.: Herausgeber Nr.: Nummer S.: Seite Vgl.: Vergleiche u.a.: unter anderem Aufl.: Auflage Ebd: ebenda i.S: im Sinne s.a.: siehe auch NED: Non Executive Directors Übers.: Übersetzung POS: perceived organizational support OSS: Open Source u.ä: und ähnliche OCB: Organizational Citizenship Behaviour o.g.: oben genannte XV

1. Einleitung 1.1. Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit „Nur Gewinner dürfen bleiben“. Mit dieser Überschrift war ein Beitrag in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Lampart 2006) über den Wandel in der „Siemens Welt“ betitelt. Als Gewinner gelten Siemens-Bereiche, die mit ihrer Umsatzrendite zu den rentabelsten Organisationseinheiten in der jeweiligen Branche zählen. „Ziel muss es sein, in allen unseren Geschäften eine Führungsposition einzunehmen“ – so der Vorstandsvorsitzende Kleinfeld in einem Interview in „Die Zeit“ (Lampart 2006, 24) – , „sonst haben wir keine Chance, genug zu verdienen, um zukunftsfähig zu sein“. Und mit Blick auf die zur Disposition stehende Kommunikationssparte betonte Kleinfeld: „Wir hätten es bei COM nicht geschafft, in einer realistischen Zeit auf eine Führungsposition zu kommen“. Siemens liefert mit seiner Unternehmenspolitik den augenfälligen Beleg für einen tiefgreifenden Wandel in der deutschen Unternehmenslandschaft. „Die Großunternehmen am Ende des 20. Jahrhunderts unterscheiden sich von ihren Vorgängern vor allem dadurch, dass sie weit weniger fest gefügt sind“ (Hauschildt/Held 2001, 885). Sie haben zunehmend den Charakter lose gekoppelter Systeme (Weick 1976), deren einzelne Elemente – Geschäftsbereiche, Tochterunternehmen – auf der Basis von Rentabilitätskalkülen ein- oder ausgegliedert werden. Zwar hat Kleinfeld nach eigener Aussage der Verkauf von Teilen der Kommunikationssparte mit seinen 37.000 Mitarbeitern „emotional berührt“ (Lampart 2006, 24). Die Entfremdung der Konzernlenker von den einzelnen Konzerngesellschaften scheint jedoch unumkehrbar. Sie messen dem Überleben eines Verbundgliedes keinen Wert per se mehr bei. Zahlungsunfähigkeit ist kein Stigma mehr, sondern möglicherweise eine bewusst gewählte Strategie der Desinvestition (Hauschildt/Heldt 2001). Diese zweckrationale Gestaltungs- und Steuerungslogik bleibt jedoch nicht unwidersprochen. Die Siemens Konzernspitze sieht sich gegenwärtig einer breiten Phalanx von Kritikern aus Politik, Gewerkschaften und Medien gegenüber. So wähnte der bayerische Ministerpräsident den „unternehmerischen Anstand durch BenQ eklatant verletzt“ („Der Spiegel“ 2006, 79). „Siemens ist und bleibt in der moralischen Verantwortung“ (Spiegel 2006, 79), betonen Gewerkschafter. Schließlich unterstreicht das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dass es im Fall der verkauften Siemenstochter „nicht nur um Geld, sondern auch um Anstand, um Managementmoral, um Ehrlichkeit“ (Spiegel 2006, 79) geht. Zwar wirft der Fall Siemens ein Schlaglicht „auf die bizarr verrutschten ethischen Maßstäbe in den Top-Etagen mancher Konzerne“ (Spiegel 2006, 79), ob dies jedoch weitergehende Konsequenzen zur Folge hat, scheint eher zweifelhaft. Denn längst – so scheint es – sind die Unternehmen zum Spielball globalisierter Kapitalmärkte geworden. „Die Märkte hätten ihm (Kleinfeld M.G.) nicht verziehen, wenn er nicht gehandelt hätte“ (Lampart 2006, 24), so die vielsagende Aussage eines Analysten der HypoVereinsbank. Das Unternehmensmanagement sieht sich zunehmend mit sachver-

ständigen, kritischen und anspruchsvollen Investoren konfrontiert, die in ihrem Streben nach Rentabilität keine Fehlinvestitionen verzeihen (Heldt 2002). Insbesondere institutionelle Anleger nehmen via Kapitalmarkt zunehmend Einfluß auf die Unternehmensführung. Dies ist kein Wunder. Ist doch in Deutschland das Volumen des von institutionellen Investoren wie Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, Pensionsfonds, Venture-Capital-Gesellschaften und Vermögensverwaltungen der Kreditinstitute verwalteten Vermögens von 1990 bis 1998 um 92% gestiegen (OECD 2000). Nach Einschätzung von Bassen (2002, 1) hat eine vergleichbare Entwicklung in den USA und Großbritannien „bereits zu einem verstärkten Engagement dieser Gruppen hinsichtlich der Gestaltung von Teil-funktionen der Unternehmen geführt“. Mit dem Wohlwollen institutioneller Investoren können nur solche Unternehmen rechnen, die sich den internationalen Standards der Rechnungslegung, Prüfung, Publizität, Kommunikation, Planung und Steuerung beugen. Insofern erscheint es nur folgerichtig, dass die Strategien und Instrumente großer deutscher Kapitalgesellschaften inzwischen weitgehend denen ihrer international tätigen Investoren gleichen (Hauschildt/Heldt 2001). Augenfällig wird diese Angleichung in Gestalt des omnipräsenten Leitbildes der wertorientierten Unternehmensführung. Hierbei stehen die finanziellen Ziele der Eigentümer im Vordergrund (Ballwieser 2004). Neben der stichhaltigen Begründung, die sich aus kapitalmarkttheoretischen Überlegungen ableitet, ist es primär die gute Mess- und Steuerbarkeit des „Shareholder Value“, die den Siegeszug der wertorientierten Unternehmensführung begründet. So berichteten nach einer Untersuchung von Ruhwedel/Schultze (2002) im Jahre 2000 bereits 27 der Dax-100 Unternehmen über ein wertorientiertes Steuerungskonzept in ihrem Geschäftsbericht. Insofern scheint die Empörung des Konzernlenkers Kleinfeld (Lampart 2006, 24) nur verständlich: „Wenn ich versuche, nachhaltig den Unternehmenswert zu erhöhen, bin ich noch lange kein Knecht des Kapitalmarkts“. In seinem Bemühen, Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt zu demonstrieren, verweist Kleinfeld auf seine Verwurzelung in der Siemenstradition: Der Gencode von Siemens – so Kleinfeld – setzte sich zusammen aus „Innovationskraft, Internationalität – und Familienunternehmensorientierung“ (Lampart 2006, 24). Deutlich wird hier das Spannungsverhältnis, in dem sich Konzernlenker bewegen. Einerseits goutieren sie sich als autonome Entscheider, die sich primär am Wohl des Unternehmens und dem seiner Mitarbeiter orientieren. Andererseits erscheinen sie als Getriebene der Effizienz, die der Unabhängigkeit des Unternehmens wegen verstärkt die Erfolgssicht des Kapitalmarkts einnehmen, durchsetzen und hierbei auch die Devestition nicht scheuen. Im Spannungsfeld zwischen diesen Polen bewegt sich nicht nur der einzelne Akteur, sondern auch dessen vornehmste Tätigkeit: die Steuerung von Unternehmen. Unternehmenssteuerung bekommt zunehmend einen interaktiven Charakter, d.h. der Gegenüber mit seinen Wünschen, Interessen und Perspektiven wird als integraler 2

Bestandteil der eigenen Unternehmensidentität betrachtet und rückt als apriori des eigenen Handelns in den Mittelpunkt der Unternehmenssteuerung. Diese erscheint als grundlegend relationales Konzept bei der Steuerung, verstanden „als Bemühung um Minimierung einer Differenz“ (Kirsch/Seidl 2004, 1366), von dem ein unhintergehbarer Anspruch des Anderen ausgeht. Der Andere ist in dem hier betrachteten Fall der Eigenkapitalgeber – genauer der institutionelle Investor. Im Zentrum der nachstehenden Analyse steht die Interaktion zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren institutionellen Investoren. Diese Akteurskonfiguration wurde deshalb als Untersuchungsobjekt gewählt, weil sie wie kaum eine andere Konstellation das Problem interaktiver Unternehmenssteuerung auf den Punkt bringt. Die Entwicklung eines aktiven Verhaltens von institutionellen Investoren führt – wie Bassen (2002, 5) betont – dazu, „dass die Grenzen zwischen interner Unternehmensführung und externer Kontrolle verwischen und hierdurch neue Marktteilnehmer Einfluss auf das Unternehmensgeschehen nehmen“. Unternehmenssteuerung erscheint so als ursächlich konstituiert in der Auseinandersetzung zwischen zwei Organisationen resp. ihren dominanten Akteursgruppen. Eine Untersuchung dieser Akteurskonfiguration ist nicht neu. Insbesondere die Neue Institutionenökonomie hat sich unter dem Stichwort „Corporate Governance“ (Witt 2003, 2002; Bassen 2002; Steiger 2000, 2001; Dietl 1998) dieses Themas angenommen. Im Mittelpunkt der institutionenökonomischen Argumentation steht die Lösung eines potenziellen Konflikts zwischen Anteilseigner und Unternehmensmanagement. Seine Grundlogik besteht darin, dass die Anteilseigner aufgrund von Informations- und Spezialisierungsvorteilen ein Management zur Führung des Unternehmens einsetzen und hierbei Interessendivergenzen auftreten können (Jensen/Meckling 1976). Während sich das Interesse der institutionellen Investoren an der Maximierung einer risikoadjustierten Rendite ausrichtet, orientiert sich das Management in seinem Verhalten potentiell an einer individuellen Einkommens-, Status-, Macht- oder Ansehensmaximierung. Aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung können die institutionellen Investoren weder die Handlungen des Managments vollständig beobachten und bewerten noch Veränderungen der Rahmenbedingungen allumfassend antizipieren. Gemäß des ökonomischen Verhaltensmodells Homo Oeconomicus1 wird das Management den hieraus resultierenden Verhaltensspielraum im Zweifelsfall opportunistisch ausnutzen. Maßnahmen zur Reduzierung opportunistischen Verhaltens fokussieren aus institutionenökonomischer Perspektive dann auch folgerichtig eine effiziente Überwachung und Sanktionierung des

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Wenn im Folgenden vom Homo Oeconomicus die Rede ist, wird damit Falk (2003a, 144) folgend ein rationales und eigennutzorientiertes Individuum bezeichnet. Zwar ist das Konzept des Homo Oeconomicus im Prinzip viel weiter gefasst und kann auch nicht-egoistische Präferenzen berücksichtigen. „Allen anders lautenden Einführungsbemerkungen von Lehrbüchern zum Trotz, bildet die Eigennutzhypothese de facto den Kern für sämtliche Modelle und Theorien“ (Falk 2003a, 144).

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Managements2. Zu nennen sind hier einerseits Technologien, die das Informationsgefälle zwischen Aktionär und Management verringern und damit den manageriellen Handlungsspielraum reduzieren. Anderseits werden Instrumente diskutiert, die Anreize für aktionärsorientiertes Verhalten setzen bzw. die Kontrolle über managerielles Verhalten erhöhen. Es geht mithin um die Frage, wie das „Nichtwissen“ der Aktionäre und das „Nichtwollen“ des Managements über Informations- und Kontrolltechnologien im Sinne der Anteilseigner zu beeinflussen ist. Indem die Institutionenökonomie die Interakte von Unternehmensmanagement und institutionellem Investor axiomatisch als nutzengetrieben konzipiert, erscheint der Einsatz eines Repertoires organisatorischer Steuerungsmechanismen als Folge spezifischer Motivations- und Präferenzannahmen. Dabei werden diese „genauso rigoros gewichtet wie Axiome oder Postulate in der Mathematik oder Physik“ (Frost 2005, 277). Die Exogenisierung der Motive hat unbestreitbar Vorteile bei der Modellbildung. Nicht zuletzt erreicht die ökonomische Theorie hierdurch eine argumentative Präzision und Kohärenz, die ihresgleichen in den Sozialwissenschaften sucht. Die modelltheoretische Präzision führt jedoch zu einer radikalen Vereinfachung des Erkenntnisgegenstandes. Mit Blick auf die vorherrschende formal-analytische Vorgehensweise sprechen Dopfer, Foster und Potts (2004) von einer Algebraisierung sozialer Zusammenhänge. „Algebraicism supposes that a truly scientific or philosophical attitude towards economics, and a deeper understanding of social mechanics in general, must be based on the contemplation of mathematical logic” (Dopfer/Foster/Potts 2004, 264). Die Vereinfachung sozialer Zusammenhänge in der ökonomischen Theorie monierend, plädiert der Nestor der deutschen Institutionenökonomie Rudolf Richter (2001, 2005) für eine Öffnung der Institutionenökonomie für sozialwissenschaftliche – insbesondere soziologische – Theorien. Zwar hält er in Abhängigkeit des Erkenntnisgegenstandes unterschiedliche Analysemethoden durchaus für zweckmäßig. Unentbehrlich scheint Richter jedoch (2001, 32), “to enrich economic institutional analysis with sociological and historical insights like the role of path dependency, of power (including the threat or use of force), of culture or fairness“3. Indem jedoch die Institutionenökonomie derart sozio-kulturelle Faktoren in ihre Analyse einschließt, wird sie „zur Kulturwissenschaft, die Präferenzen auch als Niederschlag der zwischen Individuen aufgespannten kulturellen Zusammenhänge begreifen kann“ (Wolf 2005, 292).

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Osterloh und Frey (2004) sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer „Corporate Governance for crooks“. In Übereinstimmung mit der Meinung Webers, der zufolge Sozialwissenschaft eine Wirklichkeitswissenschaft sein sollte, sieht Richter (2005) auch in Fragen der Forschungsmethodologie durchaus noch Entwicklungspotentiale bei der Ökonomie. So könnte sie etwa von der Wirtschaftssoziologie lernen, „how to subdue the occupational disease of economists to drastically simplify all objects of their research and, instead, to look and see more closely – or even get dirty hands“ (Richter 2005, 20).

Eine solche kulturtheoretisch inspirierte Sichtweise impliziert notwendigerweise eine Rekonzeptionalisierung des Untersuchungsgegenstandes „interaktive Unternehmenssteuerung“. Indem die Konzeption der Interaktion von Publikumsgesellschaft und institutionellem Investor aus seinem modelltheoretischen Korsett axiomatischer Motivstrukturen gelöst wird, erweitert sich die Bandbreite möglicher Handlungsmotive massgeblich. Die auch in der Ökonomie lebhaft geführte Diskussion um Vertrauen, Loyalität, Fairness und Reputation öffnet den Blick für Moral als motivationale Begründung für soziale Interakte. Eine zentrale Forschungsfrage lautet daher: Ob und in welcher Form werden moralische Handlungsmotive bei den Interaktionen zwischen Publikumsgesellschaften und institutionellen Investoren virulent? Aber nicht nur die Interaktionsmotive der handelnden Akteure sind von Interesse. Bedeutsam ist auch die Form der Interakte. Üblicherweise orientiert sich die herrschende Lehre hierbei am Konzept des neoklassischen Markttauschs. Die Akteure stehen sich als geschichts- und beziehungslose Monaden gegenüber, die im Rahmen eines diskreten Tauschakts versuchen, ihren jeweiligen Nutzen – im Zweifelsfall auch auf Kosten des Gegenübers – zu maximieren. Möglich ist diese Gleichsetzung von Interaktion mit Tausch aber nur auf Märkten mit vollständigen Verträgen, wie sie die neo-klassischen Faktormärkte darstellen. Denn hier spielen naturgemäß die Persönlichkeiten der Vertragspartner keine Rolle. Auf Märkten mit unvollständigen Verträgen – wie dies auch für die Beziehung von institutionellen Investoren und Publikumsgesellschaften kennzeichnend ist (Zingales 1997; Witt 2003) – erweist sich dies hingegen als anders. Da hier die Leistung nicht durch Dritte erzwungen werden kann, spielt die Persönlichkeit des Einzelnen und die Beziehung insgesamt für die Interaktion eine zentrale Rolle. Die Vertragspartner „prefer to trade exclusively with the same partner for many periods with the consequence that, over time, bilateral relationships thoroughly dominate the market„ (Brown/Falk/Fehr 2004, 748). Solche langfristigen Beziehungen „are embedded into a system of implicit obligations and beliefs about obligations“ (Brown/Falk/Fehr 2004, 775), bei dem Geben und Nehmen in einem reziproken Verhältnis stehen. Mit Blick auf die Interaktion zwischen Publikumsgesellschaften und institutionellen Investoren stellt sich nun eine weitere zentrale Forschungsfrage: Ob und in welcher Form sind reziproke Interaktionsformen empirisch evident? Die genannten Fragen zur Interaktionsmotivation und -form bilden den Ausgangspunkt für die Argumentationslinie der Arbeit. 1.2. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit Unter Rekurs auf die o.g. Untersuchungsfragen gliedert sich die Arbeit in 5 Teile, die inhaltlich im Folgenden kurz dargestellt werden. In Teil A werden zunächst die Interakte zwischen Kapitalgesellschaft und institutionellem Investor ausschließlich deskriptiv dargestellt. Interaktion erweist sich 5

als linearer Informationsübertragungsprozess, bei dem die kapitalnachfragende Publikumsgesellschaft versucht, die institutionellen Investoren auf kommunikativem Wege von ihrer Werthaltigkeit zu überzeugen und so zu einem Investment zu animieren. Von der Informationsentstehung und -diffusion in der Investor-RelationsAbteilung des kapitalnachfragenden Unternehmens über die Aufnahme bei den buy side Analysten des kapitalanbietenden Unternehmens bis hin zu den Entscheidern in den Investmentabteilungen werden die einzelnen Stationen des gerichteten Kommunikationsprozesses nachgezeichnet. Unternehmenssteuerung ist hier primär Meinungsmanagement. Angenommen wird hierbei, dass Probleme primär aufgrund nicht eingehaltener Ankündigungen entstehen. Sozio-kulturelle Unterschiede zwischen „Sender“ und „Empfänger“ – etwa Wahrnehmungsdifferenzen – spielen hingegen keine Rolle. Unter dem Stichwort „Corporate Governance“ stellt die Steuerung der Interaktionen zwischen institutionellen Investoren und Aktiengesellschaften ein zentrales Forschungsgebiet der Institutionenökonomie dar. In Teil B wird diese in den Wirtschaftswissenschaften dominante Theorieperspektive vorgestellt. Sie bildet die strukturelle Folie, vor der die Erörterung der unterschiedlichen theoretischen Perspektive zur Investor/Unternehmens-Interaktion abläuft. Erklärt wird zunächst das Organisations- und Marktverständnis der neoklassischen und institutionenökonomischen Theorie. Hiernach wird vertiefend auf die Trennung von Eigentum und Führung als Spezifikum von Kapitalgesellschaften eingegangen. So vorteilhaft eine Trennung für eine effiziente Ressourcenallokation ist, so diffizil sind die hiermit verbundenen Steuerungsschwächen. Das Streben nach Nutzenmaximierung gepaart mit einer asymmetrischen Informationsverteilung führen zu mannigfaltigen Zielkonflikten zwischen Investoren und angestelltem Management, wie die Institutionenökonomie in diversen Managermodellen verdeutlich hat. Dargestellt wird die sich so konstituierende Akteurskonfiguration üblicherweise als Prinzipal-Agenten-Konstellation, bei der dem Investor die Rolle des beauftragenden Prinzipals und dem Unternehmensmanagement die Rolle des beauftragten Agenten zufällt. Um nun die Entscheidungsrationalität des Investors zu steigern und somit eine wohlfahrtsmaximierende Ressourcenallokation zu gewährleisten, sieht die Institutionenökonomie rationalitätssteigernde institutionelle Arrangements vor. Vorgestellt werden zunächst solche Arrangements, die den investorseitigen Informationsstand erhöhen. Hierbei handelt es sich z.B um Signalling- und Reputationsmechanismen, Selbstwahlschemata oder Erfahrungen. Gemäß institutionenökonomischer Axiomatik leiten sich ungleiche Informationsstände zwingend aus Zieldisparitäten der Akteure ab, da diese annahmegemäß über den gleichen Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsapparat verfügen. Unterschiedliche Informationsstände aufgrund soziokulturell bedingter Wahrnehmungsdisparitäten sind daher ausgeschlossen. Genau hier setzt die Kritik der experimentellen Kapitalmarktforschung an. Mit ihren Unterscheidungen zwischen Smart Tradern und Noise Tradern fokussieren sie auf die sozio6

kulturelle Inklusion von Investoren. Während Smart Trader nach der neo-klassischen Entscheidungsaxiomatik vollständiger Rationalität investieren, handeln Noise Trader in Abhängigkeit von sozio-kulturell präformierten Interaktionsprozessen. Informationen erscheinen hier weniger als objektive Wirklichkeitsabbildungen, sondern vielmehr als soziale Konstrukte. Unter Rekurs auf wissenssoziologische Untersuchungen werden sodann die Interaktionsprozesse zwischen Kapitalgesellschaft und institutionellem Investor in den Blick genommen. Die Genese und der Transfer von Unternehmenswissen erweist sich als sozio-kultureller Prozess, bei dem die Positionen der Akteure nur sehr bedingt den Rollenkonfigurationen der Prinzipal-Agenten Theorie entsprechen. Angesichts des konstruktivistischen Charakters von Informationen erscheint eine lineare Steuerungslogik, die auf eine Erhöhung präskriptiver Entscheidungsrationalität setzt, als praxisfern. An ihre Stelle treten vielmehr selbstreferentielle Interaktionssysteme, welche die sozio-kulturelle Konstruktivität von Information und Wissen zur Grundlage ihrer Steuerungslogik macht. Neben der asymmetrischen Informationsverteilung sieht die Institutionenökonomik ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer pareto-effizienten Ressourcenallokation. Es handelt sich hierbei um das Problem opportunistischen Verhaltens, das im weiteren Verlauf des Teils C eingehend erörtert wird. Um eine Nutzenmaximierung des angestellten Unternehmensmanagements auf Kosten des Investors zu vermeiden, hält die Institutionenökonomik diverse Kontroll- und Anreiztechnologien bereit. Theoretischer und pragmatischer Ausgangspunkt aller Technologien ist die kontraktuelle Beziehung zwischen Investoren und Unternehmensmanagement, die – wie alle Arbeitsverträge – durch eine prinzipielle Offenheit gekennzeichnet ist. Insbesondere die experimentelle Wirtschaftsforschung hat nun vielfach nachgewiesen, dass im Rahmen offener Vertragsbeziehungen die von Institutionenökonomen favorisierte anreizkompatible Entlohnung zu einer Verdrängung prosozialen – insbesondere reziproken – Verhaltens führen kann. Im Gegensatz zur standardökonomischen Axiomatik, die auf eine Exogenisierung der Handlungsmotive setzen und hierbei ein Eigennutzpostulat4 (z.B. Stigler/Becker 1970; Stigler 1980) verfolgen, wird mit Blick auf die Ergebnisse experimenteller Wirtschaftsforschung (z.B. Falk/Gächter 2001; Henrich 2000) deutlich, dass menschliche Handlungsmotive weder exogen gegeben noch primär nutzengetrieben sind. Es zeigt sich vielmehr eine Vielzahl – auch prosozialer – Handlungsmotive, die sich rekursiv mit ihrer institutionellen Umwelt konstituieren. Mit Bezug auf das britische und japanische Corporate Governance System wird sodann die Evidenz prosozialer Handlungsmotive wie Fairness, Loyalität, Pflicht, Gerechtigkeit und – vor allem – Reziprozität für die Funktionsweise interaktiver Unternehmenssteuerung herausgearbeitet. In Erweiterung des institutionenökonomischen Kontrollparadigmas wird hier eine Form von 4

Betont doch Stigler (1980) in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre, dass wenn „self–interest and ethical values with wide verbal allegiance are in conflict, much of the time, most of the time in fact, selfinterest-theory … will win”.

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Unternehmenssteuerung virulent, die eine Kooperation zwischen Investor und Unternehmensmanagement fokussiert. Die empirische Evidenz prosozialer Handlungsmotive für die Unternehmenssteuerung bildet im Folgenden den argumentativen Hintergrund für die Entwicklung eines theoretischen Konzeptes der Reziprozität. Behaupten doch Vertreter experimenteller Wirtschaftsforschung (z.B. Falk/Gächter 2001), dass menschliches Verhalten zumeist reziprok und nicht utilitaristisch motiviert ist. Wird dort jedoch Reziprozität zumeist als anthropologische Konstante behandelt, so wird in Teil C das Augenmerk auf die Koevolution von sozio-kultureller Umwelt und reziproken Interaktionsformen gelegt. Unter Rekurs auf Forschungsergebnisse der Ökonomie, der Soziologie, der Anthropologie und der Philosophie wird eine facettenreiches Bild der Reziprozität gezeichnet, das Geben und Nehmen durch utilitaristische und moralische Handlungsmotive begründet sieht5. Innerhalb des Sozialen entfalten die Motive ihre Handlungswirkung jedoch nicht unmittelbar. Es sind die wechselseitigen Sinn- und Motivzuschreibungen der Akteure, die einen gemeinsamen Deutungszusammenhang konstituieren, vor dem die singulären Handlungen wie die kollektiven Handlungsmuster erst Plausibilität erlangen. Im Zuge einer wechselseitigen Perspektivenübernahme wird die individualistische Perspektive des Einzelnen überwunden und reziproke Interakte überhaupt möglich. Dass Reziprozität nicht nur evident für die Steuerung von Corporate-Governance-Systemen ist, wird bei einer nachfolgenden Literaturreview deutlich. Hier wird die Relevanz von Reziprozitätsformen für die Steuerung sozialer Zusammenhänge auf organisationaler, interorganisationaler, gemeinschaftlicher und marktlicher Ebene in den Blick genommen. Welchen Beitrag kann nun ein solches Konzept der Reziprozität für die Analyse von Investor/Unternehmens-Interaktionen leisten? Unter Rekurs auf das entwickelte Reziprozitätskonzept wird nun in Teil D im Rahmen einer eigenen empirischen Untersuchung ein facettenreiches Bild dieser Interaktion gezeichnet. Gegenstand der Untersuchung ist die Interaktion von Venture Capital Gesellschaften und New Ventures. Im Rahmen einer Multi Case Analysis6 zeigt sich, dass in den dyadischen Interaktionen zwei unterschiedliche Reziprozitätstypen virulent werden. Während bei Typ 1 – der ökonomischen Tauschreziprozität – der Nutzen fokal und die Moral peripher erkennbar ist, erweist sich bei Typ 2 – der sozialen Pflichtenreziprozität – die Moral als fokal und der Nutzen als peripher. Konstitutiv für die Genese der unterschiedlichen Reziprozitätstypen sind Prozesse kognitiver Synchronisation, welche die sozio-kulturellen Differenzen zwischen Investor und New Venture reduzieren und so Interaktion überhaupt erst möglich machen. Jenseits eines linearen Interaktionsverständnisses stellen sich die einzelnen Interakte als Teil eines komplexen

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An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich Christiana Weber und Günther Ortmann für ihre Bereitschaft danken, weite Teile eines gemeinsam erstellten Artikels (Göbel/Ortmann/Weber 2007) hier verwenden zu können. Hier möchte ich mich ganz herzlich bei Christiana Weber für die Bereitschaft bedanken, die gemeinsam angefertigte Untersuchung (Göbel/Weber 2007, Weber/Göbel 2006) an dieser Stelle verwenden zu dürfen.

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Handlungszusammenhangs dar, bei dem Handlungsmotiv und sozio-kultureller Kontext in einem selbstorganisierten Konstitutionszusammenhang stehen. Die Arbeit endet mit Teil E Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse wird mit dem Konzept der Selbstorganisation eine mögliche Theorieperspektive präsentiert, die sich bei der Weiterentwicklung der CorporateGovernance-Forschung als hilfreich erweisen könnten.

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TEIL A: Deskriptive Zugänge zur Investor/Unternehmens-Interaktion 1. Das kapitalnachfragende Unternehmen als Finanzkommunikator Um dem Leser den Untersuchungsgegenstand – die interaktive Unternehmenssteuerung – als geniun betriebswirtschaftliches Problem näher zu bringen, wird im folgenden Kapitel die Interaktion zwischen Kapitalgesellschaft und institutionellem Investor von der Informationsgenese im Unternehmen bis hin zur Anlageentscheidung beim organisierten Investor aus deskriptiv-betriebswirtschaftlicher Perspektive präsentiert. Ausgangspunkt des linearen Interaktionsprozesses – und damit der Darstellung – ist das kapitalnachfragende Unternehmen in seiner Funktion als Finanzkommunikator (2). Hierbei wird zunächst auf die Relevanz der Finanzkommunikation im Rahmen kapitalmarktorientierter Unternehmensteuerung eingegangen (2.2). Hieran schließt sich eine Beschreibung der Organisation (2.3), der Instrumente (2.4) und der zentralen Zielgruppen der Finanzkommunikation (2.5) an. Nach der Vorstellung des Kommunikators wird im zweiten Teil des Kapitels mit den Institutionellen Investoren die Adressaten der Finanzkommunikation in den Blick genommen (3). Am Beispiel von Investmentbanken wird zunächst die Rolle von Institutionellen Investoren für die Funktionsweise von Kapitalmärkten expliziert (3.1). Hieran schließt sich eine Beschreibung der Organisation, des Wissensmanagements und der Steuerung von Investmentbanken an (3.2). Behandelt werden des Weiteren der Assets Selection Prozesse (3.3) sowie die zentralen Akteure im Investmentprozess (3.4). Das Kapitel schließt mit einer Analyse der deskriptiven Beschreibung des Interaktionsprozesses aus kommunikationstheoretischer Perspektive (4). 1.1. Der Shareholder Value als Maxime einer kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung Unternehmensführung braucht verbindliche Ziele, an denen sich die Geschäftsleitung orientiert und an denen sie gemessen wird. Folgt man Copeland/Koller/Murrin (1990, 3-4), so sind die erfolgreichsten Unternehmen der 90er Jahre die, „that make managing value a central tenet of their corporate and business strategies. They will be able to take the greatest advantage of the opportunities and threats that confront them ...“. Diese häufig als Shareholder-Value-Ansatz apostrophierte Form der wertorientierten Unternehmensführung erfreut sich bei börsennotierten Unternehmen in Deutschland steigender Beliebtheit (Ballwieser 2004)7. Shareholder Value bezeichnet den finanziellen Wert der Eigentumsrechte an einem Unternehmen (Speckbacher 2004). Seinem Wesen nach ist dieser Eigentümerwert 7

Die KPMG hat 2000 und 2003 jeweils 56 und 38 der DAX-100 Unternehmen nach ihrem Einsatz von Shareholder-Value-Konzepten befragt. Hiernach haben 86% (2000) bzw. 91% (2003) der untersuchten Unternehmen eine Shareholder-Spitzenkennzahl eingeführt (Ballwieser/Wesner/KPMG 2003, 15). In einer Untersuchung von Ruhwedel und Schulz (2000) berichteten im Jahr 2000 bereits 27 der DAX-100 Unternehmen über ein wertorientiertes Steuerungskonzept in ihrem Geschäftsbericht.

zwar subjektiv, da von individuellen Präferenzen, Erwartungen und Möglichkeiten der existenten oder potentiellen Eigentümern abhängig. Die Literatur hat jedoch gezeigt, „dass bei symmetrischer Information, vollständigen und vollkommenen Kapitalmärkten die Nutzenmaximierung des Individuums und die Maximierung des Marktwertes des Eigenkapitals, das ist der Shareholder Value, übereinstimmen“ (Ballwieser 2004, 1618). Liegen diese Bedingungen in realiter nicht vor, so sind die daraus resultierenden Abweichungen vom Optimum aus Anlegersicht jedoch möglicherweise zu vernachlässigen (Drukarczyk 1999)8. In der Nachfolge von Rappaport (1981) werden seit Beginn der 80er Jahre diverse Methoden diskutiert, auf deren Basis eine an Marktwerten orientierte Berechnung des Shareholde Value und daraus abgeleiteter Erfolgsfaktoren versucht wird. Die Bemühungen zielen auf eine Quantifizierung der Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen auf den Shareholder Value. Zu seiner Bestimmung sollen insbesondere solche Größen verwandt werden, die sich auf Unternehmensebene feststellen lassen und durch Managemententscheidungen zu beeinflussen sind. „Systeme von Werttreibern“, so Speckbacher (2004, 1319) „sollen die unternehmensinternen Prozesse, durch die der Shareholder Value generiert wird, abbilden und eine Steuerung der Wertschaffung auf Unternehmensebene ermöglichen“. Letztlich geht es darum, Strategie, Steuerungsphilosophie, Organisation, Infrastruktur, Kultur etc. auf die Maximierung des Shareholder Values auszurichten (Hilpisch 2005; ähnlich Gomez/Murarotto 2001). Die Gleichsetzung von Unternehmenserfolg mit dem Realisierungsgrad der finanziellen Eigentümerziele9 wird in normativer Perspektive häufig damit begründet, dass ihre bestmögliche Realisation unter idealisierten Annahmen über die Funktionsweise von Märkten und Unternehmen für alle Stakeholder und sogar für die Gesellschaft als solches vorteilhaft sei (Jensen 2001). Eng mit dieser normativen Forderung ist eine zweite Interpretation des ShareholderValue-Ansatzes als modernes Konzept der Erfolgsmessung und Erfolgssteuerung verbunden (Raab 2001). Ausgangspunkt ist hier die methodenbezogene Kritik Rappaports (1994) an den traditionellen, am „Buchgewinn“ orientierten Mess- und Steuerungsgrößen. Buchhaltungsorientierte Konzepte konnotieren Erfolg zwar prinzipiell im Sinne der Wertsteigerung von Eigentumsrechten. Die Art der Wertansätze führen jedoch nach Ansicht ihrer Kritiker zu einer Fehlsteuerung der Unternehmen. So beruht die Ermittlung von Erfolgsgrößen im traditionellen Rechnungswesen auf der Bewertung zu historischen Kosten gemäß dem Prinzip der summativen Einzelbewertung. „Selbsterstellte“ immaterielle Vermögenswerte bleiben

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In der Praxis hat sich in diesem Zusammenhang der Begriff des „objektivierten Unternehmenswertes“ etabliert (Hilpisch 2005). Laut Gomez/Murarotto (2001, 1930) muss es das Ziel des Unternehmens sein, „den Kuchen zu vergrößern, d.h. eine möglichst hohe Steigerung des maximal theoretischen Shareholder Value, da er alleine Garant für eine nachhaltige Entwicklung ist“.

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hierbei unberücksichtigt. Die steigende Relevanz immaterieller Vermögenswerte und der Bedeutungsanstieg von Verbundbeziehungen in wissensbasierten Unternehmen einerseits und der Bedeutungsverlust historischer Kosten im Zuge einer dynamisierten Unternehmensumwelt andererseits lassen das traditionelle Rechnungswesen als inadäquat für eine erfolgsorientierte Steuerung erscheinen (Speckbacher 2004). Als Antwort auf diese Steuerungsdefizite wurden im Rahmen des Shareholder-ValueAnsatzes moderne Erfolgsmaße und Systeme von Erfolgstreibern entwickelt. In Analogie zur modernen Investitionsrechnung greift man bei der Ermittlung des Shareholder Value auf Cash Flow basierte Bewertungsverfahren zurück (Hilpisch 2005). Denn aus Investorensicht ist der Erwerb einer Aktie mit einem Investitionsvorhaben zu vergleichen – der Investor tätigt eine Anfangsinvestition und erwartet Rückflüsse etwa in Form von Dividenden oder Verkaufserlösen aus dieser Investition. Die Beurteilung von Investitionsentscheidungen – etwa Anlageentscheidungen – findet heute zumeist auf der Basis von Discounted-Cash-FlowKonzepten (DCF) statt (Hilpisch 2005; Gomez/Murarotto 2001) 10. Im Unterschied zu Residualgewinnkonzepten, die periodisierte Erfolgsgrößen liefern und damit stärker am herkömmlichen Rechnungswesen orientiert sind, erfolgt bei DCF-Ansätzen eine zukunftsorientierte Gesamtbewertung von Projekten bzw. Unternehmen im Sinne der Verfahren dynamischer Investitionsrechnung (Kapitalwertmethode). Kapitalmarktorientiert sind diese Ansätze insofern, als sie annehmen, dass erst dann für den Eigentümer Wert generiert wird, wenn die Rendite des eingesetzten Kapitals über der am Kapitalmarkt für ein vergleichbares Investment erzielbaren Rendite liegt. Unterstellt wird somit die Existenz von eindeutigen Marktpreisen für die Bewertung zukünftiger Zahlungen. Trotz der apostrophierten Unterschiede zwischen ShareholderAnsätzen und den traditionellen Rechnungswesen-Modellen gibt es auch wichtige Überschneidungen. So basieren beide auf der Annahme, „dass Erfolg grundsätzlich als Residualgröße ermittelbar ist, die sich aus der Veräußerung der Outputs und nach Abzug aller vertraglich gesicherten Zahlungen an bevorrechtigte Anspruchsgruppen ergibt“ (Speckbacher 2004, 1322). Ähnlich den herkömmlichen Rechnungswesenmodellen weisen die Werttreibermodelle daher eine „an (periodisierten) Zahlungsvorgängen orientierte additiv-lineare Struktur auf“ (Speckbacher 2004, 1322). Ein Beispiel für ein solches additiv-lineares Werttreibermodell ist die in Abbildung 1 dargestellte Shareholder-Value-Pyramide (Frost 2005).

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Nach Raab (2001, 67) sind Shareholder-Value- Konzepte „de facto divergierende DCF-Unternehmensbewertungsmodelle“.

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Zielgrößen

Shareholder Value des Gesamtunternehmens

Wertbeiträge der strategischen Geschäftseinheiten

Wertgeneratoren z.B. Umsatzrendite, Umsatzwachstum, Erweiterungsinvestitionen etc.

Wertgeneratoren der 2. Ebene (Werttreiber) z.B. Kapitalbindung, Kostenstruktur, Durchlaufzeit etc.

Abbildung 1: Die Shareholder-Value-Pyramide. Quelle: Frost (2005, 360)

1. Die generell aggregierte Zielgröße Unternehmenswert repräsentiert die oberste Ebene. Dieser Unternehmenswert des Gesamtunternehmens resultiert aus der Annahme der Wertadditivität als Summe der einzelnen organisatorischen Einheiten. 2. Der Wert wird hier in die Wertbeiträge der einzelnen Organisationseinheiten zerlegt. 3. Die Wertbeiträge der Organisationseinheiten werden mit Hilfe geeigneter Bewertungsmodelle – beispielsweise Rappaports Wertgeneratorenmodell – in Wertgeneratoren differenziert. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Umsatzwachstum, Umsatzrendite, den Bedarf an Erweiterungsinvestitionen oder an Investitionen in das Working Capital sowie einheitenspezifische risikoangepasste Kapitalkosten. Die Aktivitäten jeder Einheit sind mit Wertgeneratoren zu verknüpfen, um deren Wertsteigerungspotential beurteilbar zu machen.

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4. Eine weitere Differenzierung der Wertgeneratoren in sogenannte Werttreiber findet auf der untersten Ebene statt. Zu nennen sind hier etwa die Verkürzung der Durchlaufzeiten, die Reduktion von Kapitalbindung oder Kapitalkosten. Die so ermittelten wertorientierten Kennzahlen bilden ex ante die Basis für Zielvorgaben an die Organisationseinheiten und deren Mitglieder und dienen ex post der Messung der realisierten Ergebnisse. Eine wertorientierte Unternehmenssteuerung, die auf den Wertbeitrag einzelner Maschinen oder Personen fokussiert, ist möglich, da die Informationen des Marktes innerhalb des Unternehmens so aufbereitet werden, dass externe marktliche Maßstäbe mit internen Beurteilungen der Organisationseinheiten bzw. -mitglieder verbunden werden können. Die vorgestellte ShareholderValue-Pyramide reflektiert die Vision einer kapitalmarktorientierten Unternehmensführung, die auf eine perfekte Osmose von externen Marktsignalen und interner Unternehmenssteuerung abzielt (Frost 2005). 1.2. Finanzkommunikation und Investor Relations 1.2.1. Finanzkommunikation als Werttreiber Mit der Wiederbelebung der Börse als Kapitalpumpe für das Unternehmen (Hauschildt/Heldt 2001) erfährt der kommunikative Umgang mit der Financial Community einen Relevanzschub. Die Zeiten, in denen ein Wirtschaftstycoon William H. Vanderbilt auf das Ansinnen der Presse nach mehr Unternehmenstransparenz mit dem Kommentar „The public be damned“ (zitiert nach Täubert 1998, 1) reagiert, sind heute undenkbar. Der Finanzkommunikation wird in Praxis (Holdijk 2001; Lehner 2004) und Wissenschaft (Volkhart/Labhart 2000; Kötzle/Niggemann 2001; Porak 2002; Weber-Henschel 2002) mittlerweile eine zentrale unternehmenspolitische Relevanz zugeschrieben. So spielt sie nicht nur bei der Erreichung von Unternehmenstransparenz und bei der Erwartungsbildung von Marktteilnehmern eine wichtige Rolle. Sie beeinflusst auch die Bewertung von Unternehmen und kann ihre Entwicklung entscheidend mitbestimmen. Im Zuge der Shareholder-Value-Diskussion wird die Finanzkommunikation mittlerweile gar als wichtiger Treiber des Unternehmenswertes identifiziert (Volkhart/Labhart 2000; Ahlers 2000; WeberHenschel 2002). Wie bereits erwähnt, bilden Werttreiber die Basis des Shareholder-ValueManagements. Im Mittelpunkt steht hier die Frage, „was den Wert des Eigenkapitals am meisten treibt, ihn also positiv beinflußt“ (Hilpisch 2005, 156). Indem die unmittelbar aus den klassischen Unternehmensbewertungsverfahren abgeleiteten Werttreibersysteme sich primär auf aggregierte Unternehmensgrößen – etwa Umsatz, Rendite, Investitionen, Cashflows – beziehen, liefern sie ein mehr oder weniger grobes Raster für die Unternehmensbewertung und das wertorientierte Management. Die generischen Werttreiber, die primär auf finanzielle Größen fokussieren, basieren nun ihrerseits wieder auf anderen Werttreibern (beispielsweise Mengen und Preisen hinter 15

dem Umsatz als Werttreiber), die wiederum auf jeweils vorgelagerte spezifische Werttreiber rekurrieren (z.B. werden die verkauften Mengen bestimmt durch die Anzahl und Art der Kunden). Eine differenzierte Analyse des Werttreiberbaums führt dann unweigerlich zu den spezifischen Besonderheiten einer Branche oder eines Unternehmens. Letztere lassen sich im Sinne spezifischer Werttreiber als Wirkungsfaktoren für die Ausprägung der generischen Werttreiber konzeptionalisieren (vgl. Abb. 2). Betrachtet man nun die Beziehung zwischen Unternehmenswert, generischen und spezifischen Werttreibern, so lässt sich „ ein direkter Wirkungszusammenhang“ konstatieren, „der im Regelfall nicht linear ist und im Hinblick auf die spezifischen Werttreiber vor allem unternehmens- und branchenabhängig ist“ (Weber-Henschel 2002, 55).

Unternehmenswert

Generische Werttreiber1)

Management

Organisation

Spezifische Werttreiber2)

Strategie

Kommunikation

Direkte Werttreiber

„Quer“ wirkende Werttreiber3)

1) Generische Werttreiber sind grundsätzlich auf alle Unternehmen in allen Situationen anwendbar. Ihre Auswahl ist abhängig von den zugrundeliegenden Bewertungsverfahren und Werttreibermodellen. Vor allem finanzielle Werttreiber wie Umsatz, Cashflow, Investitionen, Kapitalkosten, aber auch nicht-finanzielle Werttreiber wie bspw. Volatilität gehören zu dieser Gruppe. 2) Unternehmens- und Branchenspezifische Werttreiber sind Haupteinflussfaktoren der generischen Werttreiber. Sie sind zumeist nichtfinanzieller Natur oder eine Mischung von finanziellen mit nicht-finanziellen Grössen. Beispiele hierfür sind Kennzahlen wie Umsatz/Auftrag, Umsatz/ Fläche, Preise, Anzahl Kunden oder Kundenloyalität. 3) Die „quer“ wirkenden Werttreiber beeinflussen mehrere direkte Werttreiber zugleich. Ihr Einfluss und damit ihr Werteffekt ist nur schwer zu quantifizieren respektive in einem formalen Modell zu erfassen. Als Beispiele für Werttreiber in der Organisation sind Flexibilität und Kundenorientierung zu nennen. Beispiele für Werttreiber in der Kommunikation können Glaubwürdigkeit und Differenzierung sein.

Abbildung 2: Darstellung des Werttreibersystems. Quelle: Weber-Henschel (2002, 56)

In Ergänzung zu den direkten Werttreibern identifiziert Weber-Henschel (2002, 56) Werttreiber, „die ’quer’ zum individuellen Werttreiberbaum eines Unternehmens wirken“. Sie beeinflussen parallel eine Vielzahl von Werttreibern. Neben „harten“ Faktoren wie Organisation und Unternehmensstrategie sind es „weiche Faktoren“ wie Management, Image und Finanzkommunikation11 (Labhart 1999; Kötzle/Niggemann

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Finanzkommunikation ist ein schillernder Begriff. Er ist weder in der Literatur noch im allgemeinen Sprachgebrauch einheitlich definiert. Mit Weber-Henschel (2002, 58) umfasst hier Finanzkommunikation „alle Massnahmen, die direkt oder indirekt der Pflege der Beziehungen eines Unternehmens zu seinen bestehenden und potentiellen Investoren (vor allem Aktionäre) dienen, also die gesamte direkte und indirekte

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2001). Da viele Interaktionseffekte innerhalb der „quer“ wirkenden Werttreiber und zwischen der Ebene der direkten und der „quer“ wirkenden Werttreiber vorhanden sind, ist der Einfluss letzterer nur schwer zu quantifizieren. Stellt sich demnach die Wirkungsmessung der einzelnen Werttreiber als komplex dar, so ist die Zieldefinition aller Werttreiber – so auch der hier interessierenden Finanzkommunikation – vergleichsweise einfach. Begreift man gemäß der Shareholder-Value-Perspektive die Steigerung respektive Maximierung des Unternehmenswertes als oberstes Ziel aller unternehmerischen Aktivitäten, so soll durch den permanenten Dialog mit der Finanzcommunity „die Finanzkommunikation eine positive, beständige Wahrnehmung des Unternehmens bewirken, die sich in einer entsprechenden Bewertung am Kapitalmarkt widerspiegelt und die vor allem die (kostengünstige) Kapitalversorgung des Unternehmens dauerhaft sicherstellt“ (WeberHenschel 2002, 64). Indem die Finanzkommunikation zur kostengünstigen Kapitalversorgung beiträgt12 (Meffert/Schwetje 2001; Winkler/Ewenz-Sandten 2001), beeinflusst sie indirekt den realwirtschaftlichen Unternehmenserfolg sowie die Unternehmenswertentwicklung. Eine erfolgreiche Kommunikation kann zu kurzfristigen Wertvorteilen in puncto Marktbewertung führen, die sich dann via Kapitalmarkterhöhung, Unternehmensakquisition oder Fusion in langfristige Wettbewerbsvorteile transformieren lassen. Letztere schlagen sich wiederum in der langfristigen Performance und Marktbewertung des Unternehmens nieder. Die Finanzkommunikation hat dementsprechend eine feste Position im Wertkreislauf der Unternehmensentwicklung (Günther/Ottersbein 1996; Winkler/Ewenz-Sandten 2001; Weber-Henschel 2002). 1.2.2. Aufgaben der Finanzkommunikation Aus der strategischen Zielsetzung „Maximierung der nachhaltigen Aktienbewertung“ sind für die Finanzkommunikation konkrete Aufgaben ableitbar. Unter der Annahme, dass der aktuelle Aktienkurs den Gegenwartswert des Unternehmens adäquat abbildet, sind seine primären Treiber die Erwartungen der Finanzcommunity an die Unternehmensentwicklung13. Die Kernaufgabe der Finanzkommunikation der Aktien

Kommunikation mit den Investoren“. Diese Beschreibung ist fast identisch mit der Definition von Investor Relations. Laut Deutschem Investor Relations Kreis (DIRK) beinhaltet der Terminus Investor Relations die zielgerichtete, systematische und kontinuierliche Kommunikation mit den (potenziellen) Anteilseignern sowie mit Finanzanalysten und Anlageberatern über das vergangene, laufende und vor allem in der Zukunft erwartete Geschäft unter Berücksichtigung der Branchenzugehörigkeit und der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge. Vgl. DIRK (2002) 12 Laut einer Studie von Günther und Ottersbein (1996, 397) stuften 38% der untersuchten Unternehmen im Rahmen ihrer kommunikationspolitischen Aktivitäten die Senkung der Kapitalkosten als sehr wichtig und 57% als wichtig ein. 13 Die Markterwartungen der einzelnen Teilnehmer am Kapitalmarkt entziehen sich einer direkten Beobachtung. Als Indikator hierfür wird auf den Marktkonsensus zurückgegriffen. Er wird ausgedrückt in der Einheit Gewinn je Aktie und resultiert aus dem Durchschnitt der Analystenschätzungen für ein Unternehmen. Faktisch werden hierzu alle Analysten herangezogen, die ein Unternehmen anhand von Research Reports regelmäßig beurteilen.

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ist daher die Steuerung der komplexen Erwartungen in der Finanzcommunity (Gress 2000; Brammer 2001; Janßen 2001; Weber-Henschel 2002; Achleitner/Wichels 2003; Brown/Higgins 2001; Achleitner/Pietzsch 2005). Dieses sog. Expectations Management stellt sich als mehrstufiger Prozess dar, der in Abbildung 3 wiedergegeben wird.

Das Management von Markterwartungen ist ein umfassender Prozess

Verständnis entwickeln für die Mechanismen der „Financial Community“

Umfassende glaubwürdige und rechtzeitige Rechnungslegung

Earnings Guidance

Management des Price/ Earnings Rations

Erfüllung der Erwartungen

Abbildung 3: Prozessuale Betrachtung des Expectations Management. Quelle: Brammer (2001, 618)

In einem ersten Schritt geht es darum, die Mechanismen der Financial Community zu entwickeln. Hierfür muss die tägliche Interaktion zwischen Unternehmen, Investoren und Analysten professionalisiert werden. „Viel wichtiger als generelle Statements zur allgemeinen Wirtschaftslage oder Perspektiven des Branchenzyklus ist ein Verständnis des Prozesses für Investitionsentscheidungen der jeweiligen institutionellen Investoren“ (Brammer 2001, 619). Da sich die Investitionsentscheidungen zumeist an Analystenempfehlungen orientieren (Bittner 1996; Wichels 2002), sollten die Unternehmen „ihre“ Analysten kennen, die jeweiligen Analysemodelle verstanden und gemeinsam diskutiert haben. Bevor die Zahlen an die Öffentlichkeit gelangen, kann unternehmensintern eine erste Bewertung der eigenen Berechnungen vollzogen werden. Die eigentliche Berichterstattung von Finanzzahlen sollte fair, einheitlich und zeitnah erfolgen (Winkler/Ewenz-Sandten 2001; Knüppel/Lindner 2001). Aufgrund der geringen Halbwertzeit von Kapitalmarktinformationen sind Verzögerungen im Stundenbereich als bewusstes „Informational Hiding“ interpretierbar. Die zeitgleiche Information der relevanten Zielgruppen mit identischem Informationsgehalt ist daher für die in den USA notierten Unternehmen von der SEC in der Regulation FD seit Oktober 2000 explizit, in Deutschland implizit durch die Insiderstrafbestimmungen (§ 13 und § 14 WpHG) und durch die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG) verbindlich festgelegt (Günther/Ottersbein 1995; Weber-Henschel 2002). Eine Ungleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen kann strafrechtlich geahndet werden.

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Das Monitoring der internen Ergebniszahlen erweist sich im Rahmen des Earnings Guidance als zentral für das Management der Kapitalmarkterwartungen. Damit die Markterwartungen in Richtung der internen Zahlen gelenkt werden können, müssen Informationsanbieter (Unternehmen) und –nachfager (Financial Community) im permanenten Dialog stehen (Lehner 2003). Nur so können die Informationsstände aller an der Finanzkommunikation Beteiligten weitgehend synchronisiert und so mögliche Fehleinschätzungen vermieden werden. Hierfür ist auf Seiten des Unternehmens eine One Voice Policy konstitutiv (Gress 2000; Knüppel/Lindner 2001; Winkler/EwenzSandten 2001). Ein Unternehmen muss global in allen Kommunikationskanälen „mit einer Stimme“ sprechen, um Vertrauen und Überzeugungskraft aufzubauen und auf Dauer sicher zu stellen. Notwendig ist hierfür, dass auf einer der Aussenkommunikation vorgeschalteten Stufe nach innen gerichtete Aufgaben realisiert werden, um so die Basis für eine One Voice Policy zu generieren (Gress 2000, 66). 1. Genese und Definition unternehmensübergreifender und global gültiger Kernbotschaften zu einzelnen Themen und Unternehmenseinheiten. 2. Aufbereitung von unspezifischen Unternehmensinformationen und differenzierten Kernbotschaften für unternehmensinterne und -externe Zielgruppen. 3. Verbindliche Festlegung von zeit- und themenunabhängigen Sprechern 4. Definition klarer Sprach- und Verhaltensregeln in der Finanzkommunikation 5. Gewährleistung einer zeitnahen und -gleichen Diffusion bewertungsrelevanter Informationen an die externen Zielgruppen. Scheint der Aufgabenkatalog auf den ersten Blick einem Verhaltenskodex gleichzukommen, so muss man den damit verbundenen Allmachtsphantasien kommunikationspolitischer Designer eine Absage erteilen. Eine One-VoiceKommunikation kann nicht verordnet werden. Sie ist vielmehr „Ergebnis eines Meinungsbildungsprozesses, der bei allen beteiligten Führungskräften bis hin zum Vorstand die Erkenntnis gebracht haben sollte, dass die in den Markt getragenen Ertragserwartungen nichts anderes sind als die konsolidierte Sicht der bisherigen Kommunikation des Unternehmens“ (Brammer 2001, 620). Die Frage, ob Markterwartungen zu hoch oder die Ertragsfähigkeit des Unternehmens zu gering ist, entlarvt sich somit als weitgehend rhetorisch. Die Kernbotschaften jedes Unternehmens sollten vielmehr inhaltlich und ertragsseitig erfüllbar bleiben. Der Unternehmenswert lässt sich nur in den seltensten Fällen ausschließlich auf der Basis von Markt- und Finanzdaten ermitteln (Brammer 2001; Lehner 2003). Die grundsätzliche Betrachtungsperspektive der Financial Community ist in die Zukunft gerichtet (Günther/Ottersbein 1995), d.h. „dass in den Ertragserwartungen einzelner Unternehmen die relative Entwicklung zum Gesamtmarkt und zu den Hauptwettbewerbern antizipiert wird“ (Brammer 2001, 621). Verweist man über die vergangenheitsorientierten Finanzkennzahlen hinaus auf die Wertsteigerungspotentiale 19

eines Unternehmens, so wirkt sich dies zumeist positiv auf die Price Earnings Ratios aus (Brammer 2001). Denn: „Die wirklich relevante Finanzinformation ist für viele Mitglieder der Financial Community die Information über den finanziellen Status des Unternehmens in der Zukunft, d.h. über den zukünftigen Geschäftsverlauf und dessen finanzielle Konsequenzen“ (Lehner 2003, 215). Hierbei handelt es sich häufig um so genannte weiche Faktoren. Die Qualität des Managementteams, die Unternehmenskultur, die Kompetenz, die Innovationskraft und die Kundenorientierung gehören zu diesen häufig schwerer quantifizierbaren, aber in der Wahrnehmung der Financial Community für die Unternehmensentwicklung als wichtig eingestuften Einflussfaktoren. So können etwa einzelne Vorstandsmitglieder, die jahrelang zugesagte Ergebnisse realisiert haben, als so genannter „Nasenfaktor“ die Unternehmensbewertung signifikant beeinflussen (Knüppel/Lindner 2001). Die Markterwartungen lassen sich mit zwei Klassen von Maßnahmen erfüllen. Einerseits handelt es sich um Maßnahmen, die zur Steigerung der operativen Performance führen. Andererseits sind dies Maßnahmen zur Lenkung der Erwartungen. Beide Maßnahmenklassen sollten nicht unabhängig voneinander Anwendung finden. So dient die Finanzkommunikation zwar der Vermittlung eines möglichst positiven Unternehmensimages an die Adresse der Financial Community. Bei einem langfristigen Erwartungsmanagement ist jedoch zugleich darauf zu achten, keine der Unternehmensentwicklung unangemessenen Erwartungen zu nähren. Bei wiederholter Erwartungsenttäuschung kann dies sonst zu massiven Glaubwürdigkeitsproblemen führen (Mathes/Kalt/Hufnagel 2000; Holdijk 2001; Knüppel/Lindner 2001; Winkler/Ewenz-Sandten 2001). Die Proklamation einer Performancesteigerung oder die Verabschiedung von Ergebnisverbesserungsprogrammen muss daher von Fundamentaldaten abgesichert sein und klar quantifizierbare Wertbeiträge generieren. „Aktienkurse können“ – so Brammer (2001, 622) – „ nicht über Monate hinweg hochgeredet werden, ohne dass die Erfüllung dieser Versprechen sich nicht in Ertragsgrößen niederschlägt“. 1.3. Die Organisation der Finanzkommunikation Die unternehmerischen Ziele und die daraus resultierenden Aufgaben sind Fokus jeder Organisationsgestaltung. Organisatorische Strukturen sind so zu schaffen, dass sie die unternehmerische Zielsetzung bestmöglich realisieren und die Faktoren Mensch, Sachmittel, Aufgabe und Information optimal synthetisieren. Die Gestaltung der Aufbauorganisation wird bei der organisatorischen Integration der Finanzkommunikation fokussiert und kann in differenzierter Weise erfolgen (Günther/Ottersbein 1995; Bittner 1996; Schulz 1999; Thommen/Struß 2001). So lassen sich interne und externe Organisationsformen zur Integration der Investor Relations unterscheiden. Darüber hinaus existieren Mischformen dieser Idealtypen, bei denen Teilfunktionen der Investor Relations organisationsintern und organisationsextern realisiert werden. Unterscheidungsmerkmale dieser Organisations20

einheiten sind Zentralisationsgrad, Entscheidungskompetenz sowie Kompetenzen und Rechte, die die Einheiten bei der Realisierung des IR-Managements in Anschlag bringen können (Thommen/Struß 2001). Intern / Entscheidungszentralisation

Vorstand Geschäftsführung

Extern / Entscheidungsdezentralisation

Fachabteilung

Eigenständige Organisationseinheit

Venture-CapitalGesellschaft Emissionsbank

IR-Agentur

Abbildung 4: Zentrale versus dezentrale Einbindung der Investor Relations. Quelle: Thommen/Struß (2001, 162)

a) Interne Organisationsformen: Vorstand, Fachabteilung, Autonome Organisationseinheit Unternehmensinterne Organisationsformen zeichnen sich durch eine Konzentration von IR-relevanten Aufgaben im Kontext von Planung, Entscheidung und Kontrolle innerhalb von internen Organisationseinheiten aus. Entscheidet sich ein Unternehmen für eine unternehmensinterne Realisierung von IR-Aufgaben, hat es je nach Grad der Entscheidungsdezentralisation differenzierte Gestaltungsalternativen. Folgende drei Gestaltungsoptionen stehen zur Auswahl. Vorstand Oberster Ansprechpartner ist für die Akteure der Financial Community der Unternehmensvorstand (Schulz 1999; Lehner 2003). Unternehmen sollten sich „bei den wichtigen Anlässen tatsächlich durch das Topmanagement und nicht nur durch eine darauf spezialisierte Abteilung repräsentieren lassen“ (Lehner 2003, 215). Den Vorteilen einer hochrangigen Verankerung von IR-Aufgaben auf Topmanagementebene stehen aber auch Nachteile gegenüber. Vorteile: z Aufbau einer langfristigen Investorenbindung über hochrangige persönliche Kontakte (Behrenwaldt 2001; Thommen/Struß 2001). z Wichtiges Signal für die unternehmensseitige Wertschätzung der Investorengruppe (Täubert 1998). z Dokumentation des unternehmensseitigen Interesses an einer direkten und ungefilterten Investorenkommunikation

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Nachteil: z hohe Kontaktkosten In Anbetracht der Opportunitätskosten, die mit dem Engagement des Top Managements in Sachen Investor Relations einhergehen, ist jeder Einsatz auf seine Rentabilität hin zu analysieren. Fachabteilungen Neben der Steuerung durch den Vorstand können Investor Relations auch durch bereits existente Fachabteilungen (z.B. Öffentlichkeitsarbeit, Finanzabteilung) gemanagt werden. Letztere sind zwar Träger anderer fachspezifischer Funktionen, können jedoch aufgrund ihrer Personalausstattung oder Wissensspezifität die Aufgaben der Finanzkommunikation mit übernehmen. Auch hier sind Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Vorteile: z Existens gegenstandsbezogenen Fachwissens (Krystek/Müller 1993) Nachteile: z Eingeschänkte Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse (Streuer 2004) Bei der Integration der kommunikationspolitischen Aufgaben in eine Fachabteilung muss im Einzelfall daher kritisch hinterfragt werden, ob das Fachwissen, die Personalressourcen und – letztlich – eine adäquate Kompetenzverteilung vorliegt (Thommen/Struß 2001). Eigenständige Organisationseinheit Die Leitung des IR-Managements wird bei diesem Organisationskonzept von einer eigenständigen Organisationseinheit wahrgenommen, die nur mit der Durchführung von kommunikationspolitischen Aufgaben betraut ist. Anders als bei der vorgenannten Organisationsform bestimmen hier die Aufgaben der Finanzkommunikation das Tätigkeitsspektrum. Folgt man Thommen und Struß (2001), so stehen bei der organisatorischen Ausgestaltung dieser Organisationseinheiten primär drei Optionen zur Verfügung. Stabsstelle: Hierbei ist die Organisationseinheit unmittelbar einer übergeordneten Instanz –zumeist dem Vorstand – unterstellt. Ihre Aufgabe ist die Beratung und Unterstützung bei der Entscheidungsvorbereitung der jeweiligen Instanz. Die Stabsstelle hat keine Weisungsbefugnis gegenüber der Linie (Schreyögg 2004). Zentralbereich: Organisiert man die Investor Relations als Zentralbereich, so besteht die Möglichkeit, diesen in einem Gleich- oder Überordnungsverhältnis zu den Unternehmensbereichen zu konzipieren (Schreyögg 2004). Bildung eines autonomen Geschäftsbereiches: Die dritte Option der organisatorischen Integration beinhaltet die Bildung eines autonomen Geschäfts-

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bereichs. Dieser kann im Extremfall rechtlich verselbstständigt werden und seine Dienste am Markt anbieten (Schreyögg 2004). Vorteile einer eigenständigen Organisationseinheit z Direkter Zugriff der IR-Manager auf entscheidungsrelevante Informationen z Entlastung von funktionsfremden Linienaufgaben z Reduzierung von Informations- und Kommunikationsdivergenzen zwischen Unternehmensleitung und IR-Abteilung an. Nachteile einer eigenständigen Organisationseinheit z Negatives Image als „graue Eminenz“ aufgrund der Nähe zur Unternehmensleitung z Fehlende Weisungsbefugnis Da zentral getroffene Entscheidungen möglicherweise von der Linie nur widerwillig akzeptiert werden, sind negative Folgen für die Qualität der IR-Arbeit nicht ausgeschlossen. Insofern müssen hier die Vor- und Nachteile einer Konzentration von IR-Aufgaben in eigenständigen Einrichtungen sorgsam abgewogen werden. b) Externe Organisationsformen: Investor-Relations-Agentur Bei externen Organisationsformen wird die Verantwortung für die Planung, Realisierung und Kontrolle der kommunikationspolitischen Aufgaben an unternehmensexterne Organisationseinheiten vergeben. Sogenannte Investor-RelationsAgenturen sind auf die Planung und Durchführung von kommunikationspolitischen Aufgaben spezialisierte Beratungsunternehmen. Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrums sind sie mit einer internen IR-Abteilung vergleichbar. Sie können aber auch nur für Spezialaufgaben wie etwa die Organisation von Hauptversammlungen oder Pressekonferenzen beauftragt werden. Letzteres scheint die dominante Vergabepraxis zu sein. Die Unternehmen halten eigene IR-Abteilungen vor, die gegenstandsbezogen mit IR-Agenturen zusammenarbeiten (Kutzer 2003). Vorteile einer selektiven Aufgabenauslagerung: z Reduzierung der Unsicherheit bezüglich des Einsatzes unterschiedlicher IRInstrumente und deren Wirkungsmöglichkeiten auf die einzelnen Zielgruppen (Thommen/Struß 2001). z Unrentabilität eines Aufbaus spezialisierter Personal- und Wissensressourcen – insbesondere bei kleinen Unternehmen. Da die Auslagerung von Teilfunktionen der Investor Relations nicht nur eine Kostensondern auch eine Vertrauensfrage ist, machten 2001 nur ca. 2 % der börsennotierten Unternehmen von einem kompletten Outsourcing aller IR-Funktionen Gebrauch (Thommen/Struß 2001). Zusammenfassend kann man konstatieren, dass die Auswahl der geeigneten Organisationsform ein erfolgskritischer Faktor für eine effiziente Gestaltung der

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Finanzkommunikation ist. Mit Blick auf das Make or Buy von Investor-RelationsAufgaben erscheint unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung bei steigender Spezifität und Häufigkeit der kommunikationspolitischen Aufgaben normalerweise eine interne Abwicklung sinnvoll. Die generelle Frage nach stellt sich offensichtlich für die Praxis in dieser Prägnanz nicht. Anstelle eines „entweder oder“ stellt sich hier häufiger die Frage nach dem „sowohl als auch“ (Achleitner/Bassem/Pietzsch 2001). Betrachtet man Investor Relations als Chefsache, so kann dies letztlich nur eine wie auch immer geartete interne Lösung implizieren. In diesem Sinne scheint laut Achleitner, Bassem und Pietzsch (2001, 37) „die Existenz einer separaten IRAbteilung auf Vorstandsebene mit einer wachsenden Zahl auf Investor Relations spezialisierter Mitarbeiter, für die Unternehmen aller Börsensegmente eine zunehmend strategische Bedeutung zu gewinnen“. Welche organisatorische Lösung nun im Einzelfall gewählt wird, hängt von diversen Entscheidungskriterien ab. Neben der Kostenminimierung spielt die Rechtmäßigkeit und die Vertrauenswürdigkeit eine entscheidende Rolle bei der organisatorischen Gestaltung von kommunikationspolitischen Maßnahmen. Die Unternehmenspraxis zeigt jedoch auch, dass die idealtypischen Organisationsformen meist so nicht ad hoc realisiert werden, sondern sich in die individuelle Unternehmensentwicklung synergetisch einpassen. 1.4. Instrumente der Finanzkommunikation Der Einsatz der Kommunikationsinstrumente orientiert sich grundsätzlich an den verfolgten Zielen und den jeweiligen Zielgruppen (Wichels 2002). Basierend auf einer detaillierten Analyse der Ausgangssituation gilt es einen ziel- und bezugsgruppenadäquaten IR-Maßnahmenkatalog zu entwickeln. Hierbei darf es jedoch nicht zu einer selektiven Informationspolitik kommen. Gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung ist vielmehr darauf zu achten, dass alle Marktteilnehmer mit dem gleichen Datenkranz an Informationen bedacht werden (Krystek/Müller 1993). Dem Unternehmen steht mit Blick auf die zu treffenden Maßnahmen eine Vielzahl an Möglichkeiten offen (Günther/Otterbein 1995; Täubert 1998; Wichels 2002). Die Instrumentenwahl liegt jedoch nicht allein in der Entscheidungsgewalt des Unternehmens. Diverse Instrumente sind gesetzlich vorgeschrieben oder basieren auf börsensegmentspezifischen Publizitätsvorschriften14. Der unternehmerischen Dispositionsfreiheit sind bei der Form der Umsetzung und der inhaltlichen Gestaltung von Pflichtmaßnahmen enge Grenzen gesetzt. Die Mehrzahl der praktizierten Kommunikationsinstrumente ist jedoch nicht an gesetzliche Bestimmungen gebunden, sondern obliegt der Dispositionsmacht des Unternehmens. Diese fakultativen Maßnahmen dienen der Befriedigung von Informationsbedürfnissen der Marktteilnehmer, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen (Wichels 2002).

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Die vom Unternehmen zu realisierenden Pflichtmaßnahmen werden primär durch die Bestimmungen des AktG, BörsG, VerkProspG, WpHG, HGB und der Börsenzulassungsverordnung (BörsZuIV) bestimmt.

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Die verschiedenen Instrumente sind darüber hinaus nach dem Grad ihrer Interaktivität unterscheidbar. Differenziert wird hierbei gemeinhin zwischen persönlichen und unpersönlichen IR-Instrumenten (Link 1991; Günther/Otterbein 1995; Täubert 1998; Schulz 1999; Achleitner/Bassem/Pietzsch 2001). Während Erstere auf eine Unternehmensprofilierung und Wettbewerbsdifferenzierung über die direkte Interaktion setzen, sind Letztere auf die anonyme Finanzkommunikation und damit auf die einseitige Kontaktaufnahme fokussiert. Dem Vorteil einer effizienten und zeitnahen Ansprache breiter Adressatenkreise steht der Nachteil einer Nichtberücksichtigung von zielgruppenspezifischen Informationsbedürfnissen gegenüber (Link 1991/Wichels 2002). Unpersönliche IR-Instrumente: Unpersönliche IR Instrumente bilden die Grundlage für die persönliche Kommunikation (Günther/Otterbein 1995) und bieten die Möglichkeit, eine große Anzahl von Adressaten mit gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungen zu bedenken (Täubert 1998). Sie werden daher zur Ansprache von Kleinaktionären genutzt. Da die Eigentumsverhältnisse bei deutschen Aktiengesellschaften in der Regel über Inhaberaktien verbrieft sind, können die Unternehmen nur indirekt über die depotführenden Banken Informationen über ihre Aktionsstruktur erhalten. In Folge dieser Interaktionsbarriere gestaltet sich die persönliche Kommunikation mit Kleinaktionären als schlecht operationalisierbar, zeit- und kostenintensiv (Günther/Otterbein 1995). a) Geschäftsbericht Der Geschäftsbericht nimmt traditionell im kommunikationspolitischen Instrumentenkasten der Investor Relations eine zentrale Stellung ein (Hütten 2000). Als „Visitenkarte des Unternehmens“ (Winkler/Ewenz-Sandten 2001, 1174) ist es zentrales Kommunikationsmittel und häufig Ausgangspunkt aller übrigen IRMaßnahmen15. Der Geschäftsbericht informiert über die Geschäftsentwicklung und Unternehmenssituation, zeigt die zukünftigen Perspektiven auf und dient schließlich der Unternehmensdarstellung in der Öffentlichkeit. Insbesondere professionelle Zielgruppen erwarten eine Informationsquantität und -qualität, welche das Niveau der gesetzlich geforderten Rechnungslegungsdaten des HGB-Jahresabschlusses deutlich überschreiten. Diese Erwartungen schlagen sich in der häufigen Publikation detaillierter Bilanz-, Ertrags-, Kapitalfluss- und Wertschöpfungsrechnungen samt statistischen Anhängen mit Kennzahlen für Konzern und Tochtergesellschaften, auf Aktien bezogene Kennzahlen sowie einer ausführlichen Segmentberichterstattung (Winkler/Ewenz-Sandten 2001) nieder. Die investorenseitigen Erwartungen in puncto finanzwirtschaftlicher Transparenz und internationaler Vergleichbarkeit hat bei den

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Nach der Untersuchung von Günther/Otterbein (1995) schreiben die Unternehmen der Pressemitteilung und dem Geschäftsbericht die größte kommunikationspolitische Relevanz im Rahmen der unpersönlichen Kommunikationsinstrumente zu.

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meisten Aktiengesellschaften dazu geführt, dass anstelle der deutschen Rechnungslegungsvorschriften die international dominierenden Standards IFRS bzw. US-GAAP angewandt werden (Winkler/Ewenz-Sandten 2001). b) Zwischenbericht Neben der alljährlichen Berichterstattung in Form des Geschäftsberichts sind alle amtlich notierten Publikumsgesellschaften gemäß § 44b BörsG verpflichtet, mindestens einen Zwischenbericht zu veröffentlichen. Da es sich bei dem Gesetz um eine Mindestregelung handelt, können die Zwischenberichte als Medium für weitergehende Informationen der Financial Community genutzt werden. Zwar bewerten viele Unternehmen den Zwischenbericht als wichtiges Medium der Informationsdiffusion (Günther/Otterbein 1995), bei der zielgruppenspezifischen Ansprache bleiben jedoch viele Wünsche offen (Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001). c) Unternehmenspublikationen Als weitere Unternehmenspublikationen sind „Fact-Books“, Aktienbroschüren und Aktionärszeitungen zu nennen (Link 1991). Fact Books stellen eine Zusammenfassung der Geschichte, des Aufbaus, der Tätigkeitsbereiche, der Ziele und Strategien des Unternehmens und die längerfristige Entwicklung der Finanz-, Management- und Personaldaten sowie aktienbezogener Informationen dar (Link 1991). Sind die Fact Books eher an den institutionellen Investor adressiert, sprechen die populärwissenschaftlich gehaltenen Aktienbroschüren eher den privaten Anleger an (Schulz 1999). Um Letzteren verstärkt für den Aktienmarkt zu interessieren, soll er mittels Aktienbroschüren über Grundzüge des Aktienmarktes informiert werden und langfristige Kursentwicklungen kennenlernen. Ebenso wie die Aktienbroschüren richten sich die Aktionärszeitungen primär an private Investoren und Kleinaktionäre (Täubert 1998). Sie dienen in erster Linie der Vorbereitung für die Hauptversammlung und der simplifizierten Beschreibung unternehmerischer Aktivitäten (Link 1991). d) Massenmedien Diese eher traditionellen Formen der Informationspolitik werden jedoch zusehends durch massenmediale und digitale Kommunikationsformen ergänzt und teilweise überlagert (Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001). Beschränkte sich der massenmediale Auftritt von börsennotierten Unternehmen Ende der 80er Jahre zumeist auf die Präsenz in überregionalen Tageszeitungen, so stehen diesen im Zeitalter von N-TV und Internet eine Vielzahl von Kommunikationskanälen offen. „Die finanzmarktbezogene Werbung in Radio, Fernsehen, Kino, Onelinediensten und dem Internet hat in Deutschland mit dem Börsengang der Deutschen Telekom AG und weiterer endverbrauchernaher und bekannter Unternehmen, insbesondere der BHW Holding AG und der Pro Sieben Media AG, eine immense Entwicklung genommen“ (Schulz 1999, 123). Letztere hat ihre Werbung für den Börsengang fast komplett über das

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Fernsehen abgewickelt16. Die Nutzung von Rundfunk und Fernsehen eignet sich jedoch nicht nur in Verbindung mit ausdrücklichen Unternehmensimagemaßnahmen – wie etwa einem Börsengang. Für eine Profilierung in diesem medialen Kontext spricht auch die Möglichkeit, eigene Meldungen zu kommentieren (Täubert 1998), massenmedialen Gerüchten entgegenzutreten (Lehner 2003) und durch den Auftritt hochrangiger Fach- und Führungskräfte die Kompetenz im Bereich Unternehmensführung und Kapitalmarkt öffentlich zu dokumentieren (Täubert 1998). e) Internet Erfreut sich das Internet bei US-amerikanischen Unternehmen als Kommunikationsmedium bereits seit vielen Jahren großer Beliebtheit, so wird es in Deutschland auch seit geraumer Zeit als effizientes Investor-Relations-Instrument eingesetzt (Winkler/Ewenz-Sandten 2001). So verfügen die meisten der börsennotierten Unternehmen seit 2000 über eine schnell auffindbare, spezielle IR-Seite (IRES 2000). Wesentliche Vorteile des Internets als effizientes IR-Instrument sehen Winkler und Ewenz-Sandten (2001, 1175) „nicht nur in den geringen Kosten, die das Medium im Vergleich zu den klassischen Print Publikationen verursacht, sondern auch die Möglichkeit, sämtliche Zielgruppen, und das weltweit, zeitnah über aktuelle Unternehmensentwicklungen zu informieren“. Die eingestellten Informationen speisen sich zumeist aus den traditionellen Informationsinstrumenten wie etwa Geschäfts- und Zwischenberichten und Jahresabschlussinformationen. Die meisten Unternehmen betrachten demzufolge das Internet auch eher als Ergänzung, denn als Substitution der herkömmlichen Kommunikationsaktivitäten (Achleitner/Bassen/ Pietzsch 2001). Persönliche Kommunikationsinstrumente Persönliche Kommunikation zeichnet sich durch direkte Rückkopplungsmöglichkeiten zwischen Kommunikator und Adressat aus. Im Unterschied zur medial vermittelten Interaktivität des Internets stellt sich hier Interaktion als face-to-faceKommunikation dar. Die persönliche Kommunikation bietet nach Täubert (1999, 134) „das größte Maß an individueller Betreuung der Teilöffentlichkeiten, ermöglicht eine unmittelbare Ansprache der Adressaten ohne die Gefahr von Streuverlusten und eröffnet die Möglichkeit zum aktiven Dialog“. Aufgrund dieser Vorzüge weisen die Unternehmen Formen persönlicher Kommunikation eine erhebliche Bedeutung im IRInstrumentarium zu (Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001). a) Hauptversammlung Was der Geschäftsbericht für die unpersönlichen Kommunikationsinstrumente ist, stellt die Hauptversammlung für die persönliche Kommunikation dar. Die nach §§

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Pro 7 hat bei seinem Börsengang 1997 drei informative halbstündige Dauerwerbesendungen auf n-tv geschaltet, um Deutschlands erste Medienaktie bekannt zu machen und das Interesse des Anlegers zu wecken (Böhm 2001).

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118ff durchzuführende Hauptversammlung stellt die „Visitenkarte“ eines Unternehmens dar (Link 1991). Ähnlich wie der Geschäftsbericht dient sie dem Unternehmen zur Präsentation des Verlaufs und des Ergebnisses des abgelaufenen Geschäftsjahres, der gegenwärtigen Lage sowie der zukünftigen Unternehmensperspektive. Die Hauptversammlung bietet zudem ein ideales Forum für den aktiven Dialog zwischen den Aktionären und ihrem Unternehmen. Aus Sicht der Kleinaktionäre besteht hier in der Regel die einzige Möglichkeit, in Kontakt mit der Unternehmensleitung zu kommen. In der Praxis dominieren daher „die Vertreter der Kleinaktionäre meist die Rednerlisten in den Hauptversammlungen und haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Image des Unternehmens“ (Lehner 2003, 213). Da die Hauptversammlung mitunter von „Scheinaktionären“ (Link 1991) für eine Generalabrechnung mit der Unternehmensleitung genutzt wird, ist der Wert von Hauptversammlungen als Informationsmedium umstritten (Bittner 1996). Insbesondere die institutionellen Akteure – etwa Analysten, Finanzmedien, Ratingagenturen, Großinvestoren – schreiben den Hauptversammlungen eher eine geringe Informationsfunktion zu. Wichtiger sind diesen „Gespräche im kleinen Kreis mit Verantwortlichen des Unternehmens“ (Bittner 1996, 15). b) Pressekonferenz Pressekonferenzen gewährleisten die Kommunikation mit der interessierten Wirtschaftspresse. Weitgehend institutionalisiert hat sich hierbei die Bilanzpressekonferenz, die regelmäßig zum Zeitpunkt der Geschäftsberichtsveröffentlichung veranstaltet wird. Im direkten Kontakt mit den Finanzjournalisten kann die Unternehmensführung die vergangene Unternehmenspolitik erläutern, zukünftige Unternehmensentwicklungen kommunikativ antizipieren und unzutreffende Gerüchte klarstellen (Täubert 1998). „Die Meinungsbildung durch die Medien, etwa durch die Veröffentlichung von Analysten-Meinungen und Erwartungen zum Unternehmen, z.B. erwartete Ergebnisse, RPS und Buy-Sell-Empfehlungen, darf nicht unterschätzt werden und bedarf deshalb besonderer Würdigung, gerade weil zahlreiche Anleger ihre Entscheidungen auf der Basis von Aktienzeitschriften, Anlagetipps oder der technischen Chartanalyse treffen“ (Lehner 2004, 9). Ergänzend zu offiziellen Presseterminen werden daher themenspezifische „Background-Gespräche“ zwischen Unternehmensvertretern und Journalisten geführt. Indem hierbei ein vertiefender Einblick in das Unternehmen gewährt wird, entsteht eine Atmosphäre von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen, die in eine individualisierte Berichterstattung mündet. c) Unternehmenspräsentationen Die Unternehmen stellen sich an wichtigen nationalen und internationalen Finanzplätzen in sog. „Road Shows“ den institutionellen Investoren vor. Unter der Leitung von Investmentbanken werden genau terminiert und detailliert vorbereitete Gespräche zwischen institutionellen Investoren und Vertretern der Unternehmens-

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leitung geführt. Die Gespräche dienen mehreren Zwecken. Als Unternehmenspräsentation aufgezogen, dienen sie in erster Linie der Informationsübermittlung und dem Beziehungsaufbau. Dies ist etwa in Vorbereitung von Neuemissionen oder Kapitalerhöhungen der Fall (Janßen 2001). Häufig trifft das Unternehmen bei Roadshows jedoch Investoren, die das Unternehmen genau kennen Bei diesen Terminen stehen weniger die Unternehmenspräsentationen als vielmehr die Fragen der institutionellen Investoren im Mittelpunkt. Letztere wollen sich in intensiven Gesprächen ein detailliertes Bild über die strategische Ausrichtung des Unternehmens, die Entwicklung des Aktienkurses und den Shareholder Value machen (Steiger 2000). d) Roundtable und Einzelgespräche Viele Investoren und Analysten legen großen Wert auf ein persönliches Gespräch mit der Unternehmensleitung. Im direkten Dialog können sie wichtige Hintergrundinformationen bekommen und sich einen persönlichen Eindruck von der Qualität des Managements verschaffen. Finden die Gespräche im Unternehmen statt, so kann je nach Themenschwerpunkt sinnvollerweise ein Fachexperte – etwa aus dem Produktmanagement oder der FuE-Abteilung – dazugeholt werden. Der Investor oder Analyst kann so detaillierte Einblicke in wichtige Funktionsbereiche des Unternehmens erhalten. Eine kurze Betriebsführung kann zusätzlich Aufschluss über die unternehmensinterne Stimmung und Arbeitsatmosphäre im Unternehmen geben (Janßen 2001). Diese informellen Treffen sind nicht nur aus Sicht der Teilöffentlichkeit effizient, sondern liefern auch den Unternehmen wichtige Informationen. „Für das Topmanagement ist gerade das direkte Gespräch mit den Buy Side Analysten und den Fondmanagern von großer Bedeutung, weil es in diesen Gesprächen ein aktuelles Feedback über die Einschätzung der Unternehmensstrategien seitens der wichtigsten Entscheidungsträger am Kapitalmarkt erhält“ (Lehner 2004, 6). Erscheinen Roundtable und Einzelgespräche den Unternehmen als eine besonders effiziente Kommunikationsform, so muss doch „auf Grund des ’Black Box Charakters’ dieses Kommunikationsinstrumentes auf die inhärente Gefahr des Insiderverstoßes hingewiesen werden“ (Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001, 45).17 1.5. Zentrale Zielgruppen der Finanzkommunikation Die Effektivität der skizzierten Kommunikationsinstrumente bemisst sich maßgeblich an der zielgruppenbezogenen Bedürfnisbefriedigung. Nur wer den Grundsatz beherzigt, dass unterschiedliche Anlegergruppen differenzierte Interessen und Zielsetzungen haben (Winkler/Ewenz-Sandten 2001), kann eine erfolgreiche Kommunikationspolitik betreiben. Für die praktische Investor-Relations-Arbeit wird

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In der Literatur werden neben den skizzierten Instrumenten noch weitere persönliche Maßnahmen aufgeführt. Zu nennen sind hier u.a. die Teilnahme an DVFA-Analystentreffen, Analysten- und Investorenkongressen sowie Aktionärsmessen und Investor-Relations-Foren. Für eine detaillierte Beschreibung aller Instrumente siehe Täubert (1999).

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primär zwischen Kapitalanlegern und Meinungsbildnern unterschieden (Bittner 1996; Täubert 1998; Winkler/Ewenz-Sandten 2001; Weber-Henschel 2002). Erstere differenzieren sich in private und institutionelle Anleger. Letztere umfassen primär die Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten18 (Bittner 1996, Günther/Otterbein 1996). Zahlenmäßig bilden zwar die individuellen Investoren die größte Teilöffentlichkeit der Investor Relations (Täubert 1998), die bedeutendsten Entscheidungsträger für Anlageentscheidungen an den Aktienmärkten sind jedoch zweifellos die institutionellen Investoren (Bittner 1996; Täubert 1998; Wichels 2001). Zu ihnen gehören primär Pensions- und Investmentfonds sowie Versicherungen. Indem sie über die höchsten Anlagevolumen pro Entscheider verfügen, können ihre Transaktionen Signalwirkung haben und Kursreaktionen auslösen (Winkler/Ewenz-Sandten 2001). „Der Aktienkurs wird weitgehend bestimmt durch die Kauf- und Verkaufsentscheidungen der großen institutionellen Investoren – darunter auch Hedge Fonds – und durch die Empfehlungen der für sie tätigen Aktienanalysten“ (Lehner 2003,7). Börsennotierte Unternehmen sind daher sehr bemüht, die Finanzkommunikation mit dieser Aktionärsgruppe zu optimieren (Lehner 2003). Denn: „Nur wenn das Unternehmen sich die Gunst der institutionellen Investoren erhalten kann, wird es Zugang zum Kapitalmarkt finden, in einem globalen Markt wettbewerbsfähig sein und letztlich langfristige Kurssteigerungen erzielen können“ (Wichels 2002, 17). Institutionelle Investoren treffen ihre Investmententscheidungen normalerweise auf der Basis professioneller und rationaler Bewertungskriterien (Wichels 2002). Um die Rationalität der Anlageentscheidungen zu gewährleisten, arbeiten sie eng mit den Aktienanalysten zusammen. Letztere erarbeiten Unternehmens- oder Aktienbewertungen, die dem Investor als Entscheidungsgrundlage dienen (Bittner 1996). Dieser Handlungsverbund von Analytikern und Entscheidern hat dazu geführt, dass man zwischen institutionellen Investoren im weiteren Sinne und im engeren Sinne unterscheiden kann (Dürr 1995; Bittner 1996; Enke/Reimann 2003). Institutionelle Investoren im weiteren Sinne umfassen Organisationen und Personen, die kein eigenes Anlagekapital einsetzen, sondern Analyseergebnisse an private und institutionelle Investoren verkaufen (Enke/Reimann 2003). Zu diesen häufig als Sell Side bezeichneten Unternehmen gehören etwa Brokerhäuser und unabhängige Researchhäuser, aber auch Universal- und Investmentbanken. Personen der Verkaufsseite heißen Sell-Side-Analysten und erarbeiten Branchen- und Unternehmensanalysen, die als Entscheidungshilfe an die Investoren im engeren Sinne verkauft werden. Aus Zeit- und Ressourcenmangel greifen Letztere regelmäßig auf die Dienste der Verkaufsseite zurück. Die hieraus resultierende Multiplikatorwirkung lässt

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Die Wirtschafts- und Finanzjournalisten sind laut Täubert (1998, 90-91) als Zielgruppe von IR-Maßnahmen deshalb von Relevanz, „weil sie zum einen die Öffentlichkeit informieren und zum anderen bei den wichtigsten Teilöffentlichkeiten des Wirtschaftslebens meinungsbildend wirken. Als Multiplikator und Meinungsmacher nehmen sie eine bedeutende Mittlerrolle zwischen den Unternehmen und den Teilöffentlichkeiten ein“.

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es angezeigt erscheinen, die Verkaufsseite den institutionellen Investoren im weiteren Sinne zuzuordnen (Dürr 1995; Bittner 1996; Enke/Reichmann 2003). Bei den institutionellen Investoren im engeren Sinne handelt es sich um Personen und Institutionen, die auf der Kaufseite (Buy Side) stehen, d.h. die selbst Kapital anlegen bzw. verwalten (Dürr 1995; Enke/Reichmann 2003). Dies sind typischerweise Investmentfonds. Personell wird zwischen Buy-Side-Analysten und den PortfolioManagern differenziert. Erstere nehmen – ähnlich den Sell-Side-Analysten – die Bewertung, Auswahl und Empfehlung potentieller Anlagen vor. Auf der Basis unterschiedlicher Empfehlungen exekutieren letztere die Anlageentscheidung und verwalten das Anlageportfolio (Wichels 2002).

Verkaufseite Sell-SideAnalysten Brokerhäuser, Universal- und Investmentbanken

Kaufseite Buy-SideAnalysten

PortfolioManager

Investmentfonds (Institutionelle Investoren im engeren Sinne)

Institutionelle Investoren im weiteren Sinne

Abbildung 5: Institutionelle Investoren. Quelle: Enke/Reimann (2003, 3)

Die institutionelle Differenzierung in Sell Side und Buy Side bzw. Institutionelle Investoren im engeren und weiteren Sinne kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Grenzen zwischen den Zielgruppen faktisch fließend sind: „So kann bspw. der Entscheidungsträger eines institutionellen Investors ein Finanzanalyst sein, der fundamentale Unternehmensdaten selbst auswertet, bzw. ein Finanzanalyst kann ihm zuarbeiten“ (Bittner 1996, 12). Geradezu organisatorisch institutionalisiert ist die Integration beider Bereiche in den Universalbanken. So verfügen etwa die Deutsche Bank bzw. Dresdner Bank sowohl über angeschlossene Investmentbanken (Deutsche Morgan Grenfell bzw. Dresdner Kleinwort Wasserstein) als auch über Fondsgesellschaften (DSW bzw. DIT). Angesichts fortschreitender funktionaler Integration kann „allein die organisatorische Zuordnung zu einer Bank kein stringentes Abgrenzungskriterium zwischen Buy-Side- und Sell-Side Analysten sein“ (Wichels 2002, 32).

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2. Institutionelle Investoren als Adressaten der Finanzkommunikation 2.1. Die Mediatorfunktion der institutionellen Investoren auf Kapitalmärkten Moderne Volkswirtschaften basieren auf einem Höchstmaß an Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Wirtschaftssubjekten. Dieses arbeitsteilige Wirtschaften erfordert normalerweise einen Ausgleich zwischen dem Finanz- und Anlagebedarf der einzelnen Subjekte. Richtet sich der primäre Geschäftszweck eines Unternehmens auf den Ausgleich zwischen Finanz- und Anlagebedarf, so handelt es sich hierbei um Finanzintermediäre (Bitz 2005). „Als Anlageleistung nehmen sie einerseits Zahlungsmittel von originären Finanzmittelgebern gegen das Versprechen späterer Rückzahlungen entgegen und stellen andererseits solche Zahlungsmittel als Finanzierungsleistung wiederum gegen das Versprechen späterer Rückzahlung zur Verfügung“ (Oehler 2004, 6). An die Stelle einer möglichen Anspruchs- und Verpflichtungsbeziehung zwischen Finanzmittelgeber und -nehmer treten zwei eigenständige Verträge mit dem Finanzintermediär. Bei dieser Form der Finanzintermediation fungiert der Finanzintermediär als direkter Kontraktpartner. Indem Finanzintermediäre Kapital in Form von Beteiligungen oder Darlehen zur Verfügung stellen (Aktivgeschäft) und sich selbst über das Angebot von Anlagemöglichkeiten (Passivgeschäft) am Kapitalmarkt refinanzieren, fördern sie via Selbsteintritt den Interessensausgleich zwischen Wirtschaftssubjekten mit temporären Zahlungsüberschüssen und –bedarfen (Bank 2001). Beispiele hierfür sind insbesondere Kreditinstitute, die sich als Betreiber des commercial banking primär Kredite gewähren und sich über Einlagen refinanzieren. Im Gegensatz dazu stehen die Finanzintermediäre ohne Selbsteintritt. Diese üben „eine unterstützende Funktion aus, indem sie Austauschprozesse zwischen Kapitalgebern und -nehmern erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen“ (Bank 2001, 838). Prominente Vertreter dieser Gattung sind etwa Investmentbanken19. „The function of investment banking … is to mediate the flow of assets between issuers and investors. (...) Investment banking is a specialized function ... for collecting information on issuer needs for investors and on investor needs for issuers, for pricing and structuring transactions that satisfy the needs of both sides of the market, and for

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Das Investment Banking heutiger Prägung kommt maßgeblich aus den USA und hat dort eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert war in den USA eine Trennung zwischen Kredit- und Einlagengeschäft einerseits und dem Wertpapiergeschäft anderseits zu beobachten. War die Trennung zunächst rein geschäftspolitisch motiviert, so wurde vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise 1932 im Rahmen der Neuordnung des amerikanischen Bankensystems die Trennung von Commercial und Investment Banking im Glass Steagall Act gesetzlich vorgeschrieben (Wertschulte 2001). Letzteres bewirkte eine enorme Ausweitung des Aufgabenspektrums. In der Folge verlor das Underwriting als ursprüngliche Aufgabe des Finanzintermediärs Investment Bank so weit an Bedeutung, dass es zu Beginn der neunziger Jahre kaum mehr als 10 % der gesamten Erträge der Investment Banking Industrie ausmachte (Brinker 1998). Symptomatisch für die expansive Entwicklung ist etwa die unscharfe Definition, „ ... that investment banking is what investment banks do“ (Marshall/Ellis 1994).

distributing and making markets in securities” (Eccles/Crane 1988, 35). Indem sie den potentiellen Vertragspartnern im Zuge ihrer Informationstransformation Zeit und Geld einer individuellen Suche ersparen, beschränkt sich der kundenseitige Informationsbedarf auf die Kenntnis eines geeigneten Finanzdienstleisters (Oehler 2004). In Verbindung mit der Losgrößen-, Fristen-, und Risikotransformation (Bank 2001) stellen Investmentbanken vergleichsweise kleine aber extrem wichtige Einheiten dar, die Austauschprozesse auf den Kapitalmärkten aktivieren, ermöglichen und organisieren (Vopel 1999). Als Finanzintermediäre ohne Selbsteintritt ist ihr hervorstechendes Merkmal „die gleichsam unbeteiligte Form der Beteiligung am ’wirklichen’ Geschehen“ (Vopel 1999, 36)20. Im Unterschied zu Finanzintermediären mit Selbsteintritt werden daher unter das Investment Banking in erster Linie nur solche kapitalmarktorientierten Dienstleistungen subsumiert, die Provisionserträge generieren (Wertschulte 2001). In einer weiter gefassten Definition ordnet Wertschulte (2001) dem Investment Banking einen breiten Funktionskanon unter. Zunächst ist hier die Wertpapieremission von Aktien, Anleihen, Optionsscheinen und derivaten Finanzprodukten zu nennen. Zu dem Emissionsgeschäft gehört das „underwriting, issuing and placement“ (Wertschulte 2001, 1158) am Kapitalmarkt. Weiterhin beinhaltet das Investment Banking den Wertpapier-Eigenhandel, das Wertpapier-Kommisionsgeschäft sowie die Strukturierung und Platzierung von Anlage-, Finanzierungs- und Absicherungsinstrumenten bei Kunden und deren Handel. Als weitere Funktion nennt Wertschulte (2001) die Vermögensverwaltung in Form von Spezial- und Publikumsfonds und die EinzeltitelVermögensverwaltung. Hierzu gehören auch die Anlageberatung und das Research. Schließlich umfasst das Investment Banking „die Finanzberatung in den Bereichen Fusionen und Übernahmen, bei der Privatisierung von zur öffentlichen Hand gehörenden Unternehmen und der Umschuldung von Staaten“ (Wertschulte 2001, 1158-1159). Diese strenge Funktionsdifferenzierung findet sich in der Praxis nur selten. In der Regel sind die Trennlinien eher unscharf. Wie die Beispiele Dresdner und Deutsche Bank mit ihren Töchtern Deutsche Morgan Grenfell bzw. Dresdner Kleinwort Wasserstein belegen, verliert auch die strikte Trennung von Commercial und Investment Banking zugunsten einer zunehmenden Durchmischung der beiden Bereiche an Bedeutung. Längst werden die Leistungen der unterschiedlichen Finanzintermediäre nicht mehr nur durch ein einziges Unternehmen oder einen Intermediärtyp erbracht. Ein Finanzsystem besteht vielmehr aus einer Vielzahl interagierender und vertraglich verflochtener Finanzintermediäre (Oehler 2004).

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Ein interviewter Banker aus der Untersuchung von Vopel (1999, 35-36) bringt seine Funktion wie folgt auf den Punkt: „Wir handeln ja im Grunde nicht selbst. Wir bauen keine Autos und wir erfinden ja auch nichts, keine Medikamente oder was weiß ich. Und wir kaufen oder verkaufen ja auch keine Automobilhersteller. Wir machen das ja selbst nicht in dem Sinne, dass das jetzt unser Geld wäre, das da gezahlt wird. Aber trotzdem leisten wir eben einen Beitrag zum Bau von Autos oder zur Erfindung von Pharmazeutika“

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Vertragsbeziehungen entstehen hierbei typischerweise nicht nur zwischen Finanzintermediären und orginären Finanzmittelnehmern und/oder -gebern. Kontrakte bestimmen auch das Verhältnis der Intermediäre untereinander und können – wie das Beispiel der Universalbanken zeigt – im Extremfall zu einer organisatorischen Integration unterschiedlicher Intermediäre führen. Mit Blick auf die variablen Interdependenzen zwischen den unterschiedlichen Finanzmarktakteuren stellt sich der „Kapitalmarkt“ als „ein Geflecht verschiedener im Wertpapierhandel tätiger Finanzintermediäre, darunter die Wertpapierbörse, dar, die nach festgelegten Regeln interagieren“ (Oehler 2004, 10). 2.2. Bankorganisation, Wissensmanagement und Unternehmenssteuerung 2.2.1. Leistungserstellung und Netzwerkorganisation Investment-Banken unterscheiden sich aufgrund ihrer intermediären Stellung in ihrem Funktionsmodus stark von anderen Banken. Setzen etwa die traditionellen Commercial-Banken auf hierarchische Steuerung und sind somit „almost a stereotype of the hierarchical or mechanistic organization“ (Eccles/Crane 1987, 193), sind Investmentbanken stärker netzwerkartig organisiert. „ ... the underlying concept for managing an investment bank is that of a dynamic and flexible network“ (Eccles/Crane 1987, 177). Indem sie als Katalysator und Mediator Austauschprozesse auf den Kapitalmärkten aktivieren, ermöglichen und organisieren, unterhalten sie ein komplexes Netz externer Beziehungen mit Kunden und Wettbewerbern. (Eccles/Crane 1988; Brinker 1998). Dies scheint angesichts der Besonderheiten des Leistungserstellungsprozesses auch nötig. Angelehnt an Eccles und Crane (1987; 1988) kann man hierbei zwischen vier zentralen Charakteristika unterscheiden. In ihrer Rolle als Intermediär muss die Investmentbank ungeheure Informationsquantitäten in kurzer Zeit bearbeiten. Emittenten wie Investoren wollen einerseits über Produkte, Preise und andere Charakteristika aktueller Transaktionen informiert werden. Andererseits benötigen sie Fachwissen über die Regeln der Rechnungslegung, Steuergesetzgebung und Wertpapierbestimmungen. Die Bereitstellung von Informationen dient hierbei unmittelbar der Generierung von Geschäften. Jedes Finanzierungs- oder Beratungsgeschäft im Investmentbanking ist ein Deal sui generis. Er lässt sich im Hinblick auf die handelnden Personen (Emittenten, Investoren, Bankpersonal), den Geschäfts- und Zeitverlauf sowie den Preis genau beschreiben. „Deals are a particular type of project and therefore present the same kinds of management challenges that projects do in other industries such as construction, oil exploration, publishing, and defence contracting” (Eccles/Crane 1987, 179). Wie viele Projekte, so stehen die Investmentgeschäfte häufig unter starkem Zeitdruck und sind mit hohen finanziellen Risiken für alle Beteiligten verbunden. Dies führt letztlich zu einer Aura permanenter Krise.

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Wie bei anderen professionalisierten Dienstleistern – etwa Arzt, Anwalt oder Berater – erfolgt der Leistungserstellungsprozess in enger Interaktion mit dem Kunden. Da dieser an den Organisationsgrenzen stattfindet, ist eine Isolierung und Abpufferung der zentralen Aufgaben von Umwelteinflüssen unmöglich. Um einen permanenten Informationsaustausch zwischen den beteiligten Stakeholdern zu gewährleisten, sind vielmehr durchlässige Grenzen zwischen Investmentbank und relevanter Umwelt notwendig. Im Unterschied zu anderen Dienstleistern sind im Rahmen der Geschäftsbeziehung zwischen Investmentbank und Kunden Leistungserstellung und Vergütung nur zeitlich und inhaltlich lose aneinander gekoppelt. Indem Investmentbanken aufgrund eigener Initiative oder Kundennachfrage substantielle Informationsbeiträge liefern, treten sie in einen einseitigen Austausch mit dem Kunden. Mag die Information auch von Wert für den Kunden sein, gezahlt wird zumeist erst, wenn das Geschäft abgeschlossen ist. Obwohl die meisten Kunden eine langfristige Geschäftsbeziehung mit ihren Investmentbanken pflegen, folgt doch aus der losen Kopplung von Leistung und Vergütung, dass der Zeitpunkt der Vergütung ebenso ungeklärt ist wie die Frage, „whether the revenue received will exceed or fall short of the cost of the service“ (Eccles/Crane 1987, 180). Da die Profitabilitätsmessung einzelner Produkte und Kunden mithin sehr schwierig ist, legen die Investmentbanken hierbei eher die Erlöse, die mit einem Kunden pro Zeiteinheit erwirtschaftet werden, zugrunde als den Profit jedes einzelnen Geschäftes. Lässt man die Charakteristika des Investment Banking Revue passieren, so kommt man nicht umhin, die Rolle des Individuums bei der Geschäftsanbahnung und -abwicklung zu profilieren. Interaktionskompetenz, Teamfähigkeit, Erfolgsorientierung, Stressresistenz und Fachwissen erwecken oftmals den berechtigten Eindruck, dass Investment Banking in wesentlichen Teilen people driven ist: „Expertise, knowhow und Produktkenntnis sind die Faktoren, die in erster Linie von den Mitarbeitern abhängen“ (Vopel 1999, 65). Nicht zuletzt aufgrund der daraus resultierenden exorbitanten Vergütung mag der Anschein berechtigt sein, „dass die Organisation nichts, der Spezialist für Automobilwerte, der Experte in Sachen mittelamerikanischer Kreditsyndizierung oder die Primadonna des Initial Public Offering hingegen alles ist“ (Vopel 1999, 265). Deutlich wird bei der Analyse des Leistungsprozesses aber auch die Unmöglichkeit, ausreichend „richtiges“ Wissen, Überzeugungsmacht und Beziehungskapital für die Entwicklung und Durchführung komplexer Investmentgeschäfte in einem Individuum zu konzentrieren. Ebenso wie bei der Genese und Durchführung von Investmentgeschäften, so herrscht auch bei der Entwicklung von Finanzprodukten eine Qualität von Arbeit vor, die jenseits individualistischer Zuschreibungen verstärkt systemische Analyseperspektive erfordert: „Technology, derivates, and structuring techniques have transformed the search for market anomalies from an ad hoc process driven by individual investment bankers searching for opportunities for their issuing

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clients and individual traders looking for ’quick kills’ into a highly organized and institutionalized process“ (Bryan/Farell 1996, 50). Bei einem Geschäft normaler Größe und Komplexität sind mehrere Abteilungen mit ihrer Expertise involviert. Notwendig ist also eine Organisation, die verstärkt auf die Kombination und Koordination mannigfaltiger Wissensansprüche fokussiert. Während sich organisationsinterne Wissensansprüche neben dem pluralen Fachwissen vor allem in spezifischem Organisationswissen manifestieren, richten sich externe Wissensansprüche, die aus der Stellung als Finanzintermediär resultieren, auf interaktionsspezifisches (z.B. Kundenund Personenwissen) und gegenstandsbezogenes Wissen (z.B. Branchen-, Produktwissen, finanz- und betriebswirtschaftliches Fachwissen). Beide Wissensansprüche müssen situativ so kombiniert und koordiniert werden, dass der Informationsfluss grenzüberschreitend funktionieren kann. Die Durchführung interaktionsintensiver Geschäfte in einer heterogenen und dynamischen Umwelt erfordert daher von den Investmentbanken die Entwicklung komplexer und anpassungsfähiger Netzwerkstrukturen (Eccles/Crane 1987). Letztere basieren auf einem Informationstausch, der durchaus quer zur formalen Hierarchie läuft. Die Ausprägung interner Beziehungsstrukturen variiert in Abhängigkeit des Beziehungsmusters von Investor, Emittent und Bank einerseits und den geschäftsspezifischen Charakteristika andererseits. Da das Bankpersonal zumeist direkte Beziehungen mit externen Stakeholdern pflegt, wirkt sich ein Wandel der relevanten Umwelt in interdependenter Weise auf die interne Organisation aus. “Moreover the organization itself must be flexible enough to respond to major swings in business volume and opportunity: people and capital must be very fluid across organizational boundaries“ (Hunt 1995, 115). Permanente Umweltunsicherheit gepaart mit einem raschen Wandel externer Beziehungsmuster verlangt von den Organisationen, situationsabhängig ihre internen Beziehungsstrukturen aufzubauen oder abzubauen, zu stärken oder zu schwächen. „…new internal ties are needed to communicate information about the new product and to focus marketing emphasis“ (Eccles/Crane 1987, 181), wenn sich aufgrund der Marktdynamik die Möglichkeit eines neuen Produktes ergibt. Charakteristisch für die Organisation von Investmentbanken sind daher weniger zentral festgelegte und formalisierte Strukturen und Leistungsbeziehungen. Zu beobachten ist vielmehr „ein weitgehend flexibel aufgehängtes personenbasiertes Arrangement wechselseitig orientierter Kooperationsmuster“ (Vopel 1999, 266). Wie jede formale Organisation, so verfügen Investmentbanken zwar auch über ausdifferenzierte und entscheidungsfähige Hierarchien. Diese fest gefügten und zentral gesetzten Strukturmerkmale – so Vopel (1999, 267) – „werden jedoch überlagert und durchsetzt von systemisch-flexiblen Organisationsprinzipien, die gleichsam den ‚eigentlichen’ und tragfähigen Boden bereiten, auf dem Wissensarbeit stattfindet“.

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2.2.2. Communities of practice und Wissensmanagement Um eine flexible und reibungslose Wissensarbeit zu gewährleisten, haben sich in Investmentbanken neben der Formalorganisation emergent spezielle Infrastrukturmuster herausgebildet, die in der Literatur als „communities of practice“ (Lave/Wenger 1991; Brown/Duguid 1991, 1998), „communities of knowing“ (Boland/Tenkasi 1995) oder „occupational communities“ (Pickering /King 1995) bezeichnet werden. Maßgeblich für die vorliegende Arbeit ist die Definition von Brown und Duguid (1998, 96): „A group across which such know-how and sensemaking are shared – the group which needs to work together for its dispositional know-how to be put into practice – has been called a ’community of practice’“. Wie in der Definition deutlich wird, handelt es sich hierbei um Gruppen bzw. Gemeinschaften, die unter Rekurs auf die jeweiligen Arbeitspraxen spezifische Bestände an Spezial- und Sonderwissen generieren und dabei häufig räumliche, divisionale und auch funktionale Organisationsgrenzen transzendieren. „Die communities of practice dienen als Transmissionsriemen organisierter Wissensarbeit im Investment Banking, indem sie Cluster organisationsspezifischer Lernerfahrungen formen, die dann als systemisches Wissen der Gesamtorganisation zur Verfügung steht“ (Vopel 1999, 275). Als dezentrale Kompetenzzentren der Bank sind sie für Genese, Weiterentwicklung und Revision des organisationalen Wissens zentral. Communities of practice integrieren die Experten eines zusammenhängenden Wissensgebietes und konstituieren einen dichten Interaktionszusammenhang. Viele der bankinternen communities of practice sind insofern formalisiert, als die Organisationsmitglieder einer bestimmten community zuortbar sind. Dies sind jedoch zumeist ex post Formalisierungen. Denn die communities haben sich evolutionär aus der Arbeitspraxis heraus generiert und werden erst im Nachhinein als formale Arbeitszusammenhänge implementiert. Beredtes Beispiel für solche ex-postFormalisierungen im Investment Banking sind die sogenannten Industriegruppen, die sich als virtuelle Bezugsgruppen spezifischer Kundensegmente konstituieren. Hierbei geht es weniger um die Vertiefung der Produktexpertise als vielmehr um die organisatorische Reaktion auf Bedürfnisse einer als homogen wahrgenommen Kundengruppe. Gepflegt wird ein Wissensbestand, der der Bank als systemische Expertise zur Verfügung steht. „Der Spezialisierungsgrad der Mitarbeiter geht auf den ersten Blick zurück. Es gibt aber gegenläufige Entwicklungen. Es gibt Industriegruppen. Die Industriegruppen sollen dafür sorgen, dass Industrie Know How bei bestimmten Personen aufgehängt wird. Wenige Personen, die zuständig sind für Bereiche wie Chemie und Pharma beispielsweise, für Automotive, für Financial Institutions, Media and Leisure, also Freizeitwerte, für Capital Goods, alles was mit Industriegütern zu tun hat, da gibt es acht, neun Bereiche, die sich die Investment Banking Division herausgesucht hat, weil wir meinen, dass in diesen Bereichen sehr interessante Transaktionen durchgeführt 38

werden in der Zukunft. Und in diesen Bereichen hat sie Industrieexpertise jetzt vorgehalten“ (Investmentbanker zit. nach Vopel 1999, 277). Unabhängig von ihrem Institutionalisierungsgrad ist allen communities of practice eine spezifische Funktionslogik gemein: der regelmäßige Austausch unter Experten, die über eine vernetzte Problemstellung miteinander verbunden sind, wirkt sinngenerierend und dient der Weiterentwicklung und Übertragung eines spezialisierten Wissensspektrums. Jedes Gemeinschaftsmitglied entwickelt in seiner eigenen Arbeitspraxis Wissen über den thematischen Zusammenhang der Gruppe. „Die Interaktion mit den übrigen Experten erlaubt es ihm, seine eigenen Erfahrungen zu reflektieren, sie in einen Diskurs einzuführen und entsprechend weiterzuentwickeln“ (Vopel 1999, 279). Diese Optimierung des eigenen Wissens und der individuellen Erfahrung ist jedoch keine Einbahnstrasse. Denn: „What people have by virtue of membership in a community of practice, however, is not so much personal, modular knowledge as shared, partial knowledge” (Brown/Duguid 1998, 96). Individuelles und kollektives Wissen verweisen wechselseitig aufeinander. Zwar muss jeder Akteur über spezialisiertes know how verfügen, um als adäquates Mitglied akzeptiert zu werden. Gleichwohl sollte jedem klar sein, dass individualisierte Wissensbestände für sich gesehen wenig Sinn machen und von der Gemeinschaft auch nicht goutiert werden. „Wenn Sie Informationen heute für sich behalten, bewusst für sich behalten, kommt das irgendwann raus. Irgendwann wird’s einer merken und in dem Moment sind Sie bei den Leuten unten durch. Es hat Leute gegeben bei uns, die sind deswegen gegangen worden. (...) Wenn Sie bei uns hier versuchen, sich als Einzelkämpfer durchzuwühlen – das funktioniert nicht, die Kollegen bekommen es mit und nur die Kollegen, denen Sie helfen, wo Sie sagen: Hier, du bist auf dem Projekt, ich hab da ne’ Idee, die merken sich das und Sie kriegen eines Tages den Gefallen zurück.“ (Investmentbanker zit. nach Volpel 1999, 301). Interaktionen in communities of practice scheinen somit weniger auf dem diskreten Markttausch als vielmehr auf einem auf moralischen Kategorien basierenden Gabensystem zu beruhen. Indem zweckrationale Handlungskalküle mit Verweis auf gemeinschaftsspezifische Sitten und Gebräuche relativiert werden, ist nur ein offenes Geben und Nehmen möglich. Als Mitglied einer community of practice ist man unweigerlich Teil eines „gegenseitigen Verpflichtungszusammenhangs ..., der nicht ohne weiteres zu durchbrechen bzw. zu verlassen ist“ (Volpel 1999, 307). Loyalität, Hilfsbereitschaft, Vertrauen und Fairness sind moralische Dimensionen, die wiederholt (Brown/Duguid 1998, Ortmann 2007; Dyer/Noboeka 2000) als Kennzeichen der Interaktionspraxis von communities of practice genannt werden. „Solche communities zehren von moralischen Ressourcen und Kompetenzen, für deren Produktion und Reproduktion sie (nicht der einzige, aber) ein besonders geeigneter sozialer Ort sind“ (Ortmann 2007, 67). Oder wie ein Investmentbanker in der Untersuchung von Vopel (1999, 301) betont: „Es ist ganz einfach ein konstituierendes Merkmal dieser Kultur.

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Wissen zu teilen, proaktiv zu teilen.“ Betont werden muss jedoch auch, dass in Investmentbanken diese Kultur incentiviert wird. Aufgrund des intra- und interorgansationalen Wettbewerbs versuchen die Investmentbanken, durch monetäre Anreize die proaktive Weitergabe von Informationen zu forcieren und so eine offene Kommunikationskultur zu generieren. Einzelkämpfertum oder Informationszurückhaltung wird hingegen im Extremfall mit Lohnabzug oder Kündigung sanktioniert. Einmal mehr wird am Beispiel von bankenspezifischen communities of practice deutlich, dass Geben und Nehmen einem Amalgam von Moralität und Eigennutz entspricht. 2.2.3. Strategiebildung und Unternehmenssteuerung Die Viabilität von Investmentbanken hängt maßgeblich von der informationalen Kopplung und strukturellen Synchronisation von Umwelt und Organisation ab. Angesichts hoher Marktdynamik ist eine zentral gesteuerte Organisation nicht fähig, zeitnah Marktveränderungen in ihren Prozessen und Strukturen abzubilden. „These conditions of complexity and uncertainty require a grass-roots strategy formulation process, since business strategies are best determined by the people who are closest to the market and can identify opportunities and act on them in a timely fashion” (Eccles/Crane 1988, 122). Insbesondere bei großen Investmentbanken hat das TopManagement normalerweise nicht die Zeit und das Wissen, sich eingehend um alle Geschäftsstrategien zu kümmern. Keine größere Firma könnte sich zudem die Verzögerung im Handeln und die Inkompetenz in der Sache leisten, die durch die permanente Entscheidungskonsultation der Unternehmensführung ausgelöst würde. Entscheidungen, die sich ganz konkret auf bestimmte Kunden, Produkte oder Märkte beziehen, werden stattdessen in die Linie delegiert (Vopel 1999). Das Top-Management gibt in Form allgemeiner Unternehmensstrategien21 einen Rahmen vor, in dem stark spezialisierte und marktnah operierende Organisationseinheiten die konkreten Geschäftsstrategien ausbilden (Eccles/Crane 1988; Brinker 1998). Bei Letzteren handelt es sich nicht um Strategien im strengen Sinne. Diese sog. „grass-roots strategies“ (Eccles/ Crane 1988) werden nicht „erdacht“ und anschließend implementiert, sondern eher ex post gesehen (Mintzberg 1994). Man tut, was Erfolg verspricht. Die Strategien kommen nach Vopel (1999, 271) „dort zustande, wo Akteure Gelegenheit zum Lernen haben und wachsen aus dem Geschäft heraus“. Diese partizipative Strategieformulierung verlangt nach einer „toleranten“ Organisation. Den einzelnen Mitarbeitern müssen gemäß der Marktdynamik Handlungs- und Entscheidungsspielräume eingeräumt werden. Ihnen wird hierbei eine 21

Eccles und Crane (1988, 120) definieren corporate strategy wie folgt: „The overall corporate strategy, defined in terms of the relative emphasis on broad market segments, such as large, frequent financiers versus middlemarket companies, and the broad product categories, such as equity, investment- and non-investment-grade debt, mortage-backed securieties, and M&A, is determined by top management”.

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fast unternehmerische Freiheit zugestanden. „Wer den Markt ‚sieht’ und Gelegenheiten ausmacht, kann sich ab einer bestimmten Hierarchiestufe vernetzen, wie es ihm sinnvoll und angemessen erscheint“ (Vopel 1999, 271)22. Geprägt wird die soziale Praxis mehr durch laterale Kommunikations- und Koordinationsformen als durch vertikale Arten der Instruktion und Anweisung. Indem die spontanen und komplexen Interaktionsbeziehungen mannigfaltige Verbindungen generieren, ist immer schon eine Vielzahl an potentiellen Strukturmustern latent existent. Auf eine Kurzformel gebracht: Persönlichkeit wiegt schwerer als Struktur, und Konfiguration ist relevanter als Organisation (Vopel 1998). Spielt in solchen „self-designing organizations“ (Hedberg/Nystrom/Starbuck 1976; Eccles/Crane 1988) auch die Individualität und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen eine wichtige Rolle, so kann doch auf eine effektive Koordination und Steuerung der Geschäftsaktivitäten nicht verzichtet werden. Die „tolerante“ Organisation wird „um straffe, vom Top Management entworfene und eingesetzte Informations- und Steuerungssysteme ergänzt“ (Brinker 1998, 44). Indem sie Informationen über Quantität und Qualität der externen Kundenbezüge ebenso liefern wie Daten über die Qualität der organisationsinternen Beziehungen, sind die Systeme wichtig für die individuelle und kollektive Performance-Messung. Ergänzt wird dieses kennzahlenorientierte Verfahren um ein auf interpersoneller Ebene lokalisiertes, subjektives Verfahren der wechselseitigen Performance-Beurteilung. Die Ergebnisse beider Verfahren werden zur Festlegung der für die Organisationssteuerung so wichtigen Bonuszahlungen herangezogen. Die hohe betriebliche Funktionalität, bei gleichzeitiger beruflicher Mobilität des Humankapitals, machen Höhe und Verfahren der Gehaltsund Bonuszahlungen zu einem wichtigen Erfolgsfaktor im Investment Banking. „One of the most notable differences between investment banks and any other organization is the size and variance in bonuses, and the extent to which these bonuses are decoupled from seniority and formal hierarchical position. This made their role as an integrating mechanism much greater than in any other kind of organization“ (Eccles/Crane 1987, 188-199). Wie bei der Organisationsgestaltung, so sind auch bei der Festlegung von Boni die Pflege von Kundenbeziehungen, die Forcierung der internen Vernetzung und – nicht zuletzt – die Maximierung des eigenen Ergebnisses zentrale Bestimmungsgrößen. Die Bewertung findet auf unterschiedlichen Messdimensionen und differenzierten

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Die Tatsache, dass Investment Banking auch immer etwas mit Entrepreneurship zu tun hat, verdeutlicht die Aussage eines Investmentbankers (zit. nach Vopel 1999, 271): „Das hat aber mit der Natur des Geschäftes zu tun. Im Investment Banking ist jeder so ein bisschen sein eigener Unternehmer. Jeder hat sein eigenes Geschäft und deshalb bist du viel stärker ... so dieses Vernetzen, sich selbst zu vernetzen, ist viel wichtiger. Insofern musst du halt sehen, wenn du deine eigene Show machst, wie kann ich mich in der Organisation am besten leveragen. Das Ganze ist ja ein Hebel. Wie kann ich meine Effizienz steigern, meinen Hebel steigern? Das kann ich, indem ich andere Leute einsetze. Das heißt, dass ich die bewusst mit reinbringe, dadurch dass ich deren Wissen nutze ,dass ich mich über die positioniere, ja, das sind ja auch ganz menschliche Gesichtspunkte, ich will ja immer perceived sein „as the big hitter““.

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Aggregationsniveaus statt. Der Investmentbanker wird nach seinem erwirtschafteten Erlös, seiner Position im Vergleich zu direkten Wettbewerbern, seiner Fachkompetenz, seiner Marketingleistung, seinem externen Beziehungsmanagement sowie nach seinem Beitrag zur Organisationsentwicklung (z.B. Teamarbeit, Personalauswahl und -entwicklung) bewertet. Hierzu werden verschiedene Datenquellen genutzt: Berichte aus dem Controlling, Selbstbewertungsmemoranden, vergleichende Einschätzungen, Drittgutachten von spezialisierten Anbietern und subjektive Bewertung maßgeblicher Manager (Eccles/Crane 1987). Erscheint das Verfahren der Leistungsmessung und Bonusverteilung auf den ersten Blick komplex, zeit- und ressourcenintensiv, so ist es doch für das Top-Management neben der Bildung globaler Unternehmensstrategien, der Festlegung grober Organisationsstrukturen und zentraler Geschäftsprozesse eine wesentliche Steuerungsmöglichkeit. Die Unternehmensleitung muss mit diesen Elementen den schmalen Grad zwischen funktionaler Differenzierung und systemstabilisierender Integration beschreiten. Im Zuge der Differenzierung entstehen unterschiedliche Abteilungsziele, heterogene Einstellungen und auch differenzierte Zeitvorstellungen. Trader haben andere Zeithorizonte als Emissionsberater, Automobilanalysten andere als Computeranalysten. Welche Tätigkeitsbereiche als eigenständige Abteilungen zu organisieren sind, oder ob eine Dienstleistung als Cost- oder Profitcenter geführt wird, sind organisationsrelevante Fragestellungen, an denen sich die Strategien der Investmentbanken differenzieren (Vopel 1998). Angesichts der skizzierten Komplexität von Investmentbanken ist ein adäquates Gestaltungs- und Steuerungsmaß nicht rational bestimmbar. Wie etwa das Beispiel der Deutschen Bank eindrucksvoll zeigt, kann eine „falsche“ Interventions- und Steuerungsdichte zu Konflikten, dem Ausscheiden wichtiger Mitarbeiter und dem Abstieg einer Investmentbank führen. Folgt man Brinker (1998, 46), so wird die Frage nach dem gegenstandsadäquaten Interventions- und Steuerungsmaß mehr denn je die Leitungen der Investmentbanken umtreiben: „Die zukünftigen Herausforderungen für das Management von Wholesale Investment-Banking Aktivitäten ergeben sich zum einen aus der zunehmenden Größe der Organisationen mit einer exponentiell wachsenden Anzahl möglicher Beziehungen innerhalb des zu koordinierenden Netzwerks. Des Weiteren erschwert die geografische Expansion der Organisationen infolge der Globalisierungstendenzen trotz technischer Forschritte in der Telekommunikation und der Informationsverarbeitung die Koordinationsleistung“. Wie diese Management-Herausforderungen insbesondere von denen in das Investment-Banking-Geschäft vorstoßenden Commercial-Banken gemeistert werden, ist noch unklar. Zwar sind sie erfahren im Management großer und internationaler Unternehmen. Da diese jedoch vorwiegend hierarchisch koordiniert werden, sind Commercial-Banken „weitgehend unerfahren im Management oben beschriebener Netzwerk-Strukturen“ (Brinker 1998, 46).

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2.3. Der Investmentprozess von der Zieldefinition bis zur Erfolgsmessung Der Siegeszug institutioneller Investoren an den Finanzmärkten kennzeichnet einen wesentlichen Strukturwandel, der immer noch anhält. Ausgangspunkt des Aufstiegs von Investmentfonds, Versicherungen oder anderen institutionellen Anlegern „ist die Delegation der Geldanlage von Privaten an professionelle Akteure“ (Menkhoff 2001, 2). Diese Form finanzwirtschaftlicher Intermediation gehört unter den Begriff des Asset Management zu den attraktivsten23 Geschäftsfeldern von Investmentbanken (Achleitner 2002; Hockmann/Thießen 2002). Asset Management – so Hockmann und Thießen (2002, 517) – „ist die Verwaltung von Vermögenswerten Dritter durch spezialisierte Dienstleister im Rahmen von Vollmachtsverträgen“. Adressaten dieser Dienstleistung sind einerseits sog. Wholesale-Kunden, d.h primär Unternehmen (z.B. Versicherungen, Banken) und Institutionen (z.B. Gebietskörperschaften) (Hockmann 2001). Der Investmentbank werden im Rahmen des traditionellen Wholesale Asset Managements Anlagemittel zur Verwaltung – im Rahmen von Fonds – oder zur Vollmachtverwaltung übertragen. Die einzelnen Anlageentscheidungen unterliegen unterschiedlichen, ex ante fixierten Freiheitsgraden. Andererseits handelt es sich bei den Adressaten um die Privatanleger (Hockmann 2001). Bei dieser Klientel reicht das Dienstleistungsspektrum von „der Vermögensanlageberatung, die je nach Kundenbeziehung unterschiedlich weitreichende Empfehlungen zur Vermögensdisposition umfasst, bis hin zur Vermögensverwaltung für vermögende Privatkunden, bei der die Bank Portfolioentscheidungen für den Kunden auf der Grundlage einer spezifischen Vollmacht trifft“ (Brincker 1998, 41). Zur Vermögensverwaltung gehört etwa das Investmentfondsgeschäft. Die Anlageentscheidung für ein fixiertes Volumen trifft hier allein der Fondsmanager. Der Kunde kann jedoch das Anlagespektrum in Form entsprechender Fondsauswahl ex ante spezifizieren (Brinker 1998). Das Delegieren der Geldanlage an spezialisierte Dienstleister hat je nach Auftraggeber unterschiedliche Gründe. Während institutionelle Investoren etwa aufgrund erhöhter Rechenschaftspflichten und fehlender Kompetenzen auf die Dienste von Investmentbanken zurückgreifen (Hockmann/ Thießen 2002), wird bei den Privatanlegern die Kompensation von Rationalitäts- und Professionalitätsdefiziten bei Investmententscheidungen als Auftragsgrund vermutet (Süchting 1986; Link 1991; Schulz 1999; Täubert 1998; Wichels 2001). Investmentbanken treffen hingegen „ihre Investmententscheidungen anhand von professionellen und rationalen Bewertungskriterien“ (Wichels 2001, 17). Idealtypischerweise folgen diese Anlageentscheidungen einem Prozess, „der sich in drei Phasen Planung, Realisation und Kontrolle einteilen lässt“ (Perridon/Steiner 1999, 280).

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Das Assetmanagement hat mit einem durchschnittlichen jährlichen Ertragswachstum von 30 % von 1975 bis 1996 doppelt so hohe Wachstumsraten erzielt wie der Durchschnitt und war somit das wachstumsstärkste aller Geschäftsfelder (Brinker 1998).

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1. Stufe

Aufbereitung der Informationsgrundlage

Bedürfnisstruktur des Anlegers

Ziele

Einschätzung der Anlagemöglichkeiten

Globalanalyse

Restriktionen

Titelspezif. Analyse

Entwicklung einer Anlagephilosophie

Festlegung des Ausgangsportefeuilles

Risikopräferenz des Anlegers

Asset Allocation

Umschichtungs- und Anpassungsvorgaben

(insb. strategisch)

2. Stufe

3. Stufe

Realisation

Kontrolle Erfolgsmessung

Abbildung 6: Der Anlageentscheidungsprozeß. Quelle: Perridon/Steiner (1999, 281)

a) Aufbereitung der Informationsgrundlage In der Planungsphase wird die Informationsgrundlage aufbereitet. Letztere betreffen zunächst die Ermittlung der Zielsetzungen und Restriktionen des Anlegers. Je nach Anleger oder Anlegergruppen können sich unterschiedliche Anlageentscheidungen als optimal erweisen. Während bei institutionellen Anlegern gesetzliche, satzungsmäßige oder funktionale Anlagerestriktionen ins Kalkül zu ziehen sind, beschränken bei privaten Anlegern Prestigeüberlegen, Bequemlichkeitserwägungen und moralische Anforderungen den Kreis zulässiger Anlagealternativen (Perridon/Steiner 1999). Neben den Restriktionen müssen die Anlageziele des Investors ermittelt werden. „Im Fall der Vermögensanlage scheint es ex ante plausibel, diese primär in den

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Kategorien Rendite und Risiko zu fassen“ (Menkhoff 2001, 3). Unter der Annahme rationalen Handelns kann der Anleger als risikoscheu eingestuft werden. Er strebt hierbei eine maximale Rendite seines Investments an und kalkuliert insofern ein Anlagerisiko billigend mit ein, als ihm eine adäquate Risikoprämie avisiert wird (Perridon/Steiner 1999). Steht die Bedürfnisstruktur des Anlegers fest, so ist zur Aufbreitung der Entscheidungsgrundlage noch die Einschätzung der Anlagemöglichkeiten zu leisten. Es handelt sich bei den Rendite- und Risikoinformationen generell um Prognosewerte. Da diese für den Optimierungsprozess sehr relevant sind, muss die Informationserhebung und -auswertung höchsten Anforderungen genügen. Die am weitesten verbreitete Methode der Wertpapieranalyse ist die sog. Fundamentalanalyse (Achleitner 2002; Schredelseker 2002). Auf der Basis einer systematischen Beobachtung der gesamt- und einzelwirtschaftlichen Entwicklungen soll hier die Angemessenheit der aktuellen Börsenbewertung beurteilt werden. „Der zentrale Begriff der Fundamentalanalyse ist der des ’inneren Wertes’ (intrinsic value)“ (Schredelseker 2002, 300)24. Gelingt im Zuge der Aktienanalyse eine Einschätzung des inneren Wertes, so führt ein Vergleich mit dem Börsenkurs unmittelbar zu Kaufbzw. Verkaufsempfehlungen. Verfechter der Fundamentalanalyse unterstellen, „dass sich der Börsenkurs langfristig um diesen objektiven inneren Wert einer Aktie bewegt“ (Achleitner 2002, 686). Die Fundamentalanalyse integriert bei der Ermittlung des inneren Wertes alle fundamentalen wertbestimmenden Informationen. Hierbei kann grundsätzlich nach zwei Methoden vorgegangen werden: der Top Down Ansatz und der Bottom Up Ansatz. Ersterer beginnt mit der Analyse relevanter volkswirtschaftlicher Daten und dem Branchenumfeld des zu analysierenden Unternehmens. Diese werden mit Bezug auf die derzeitigen Entwicklungen auf den Kapitalmärkten bewertet, um allgemeine Einflussfaktoren auf die Börsenentwicklung zu ventilieren und erfolgsversprechende Branchen zu identifizieren. Die Untersuchungsergebnisse münden schließlich in operative und finanzielle Analysen der brancheneigenen Unternehmen. Letztere werden so weit verdichtet, dass als Ergebnis des kompletten Bewertungsprozesses die konkrete Empfehlung von Einzeltiteln steht (Wichels 2002; Schlienkamp 2004). Im Unterschied hierzu beginnt der Bottom-Up-Ansatz bei unternehmensspezifischen Einzeldaten. Aus der nachfolgenden Analyse wichtiger Branchenperspektiven und des makroökonomischen Kontextes sollen Rückschlüsse für die Bewertung der entsprechenden Unternehmen gezogen werden. Hierbei liegt die Annahme zugrunde, „dass bestimmte Beteiligungstitel unanhängig von branchen- und marktabhängigen Determinanten positive Überrenditen im Vergleich zum Markt erwirtschaften können“ (Wichels 2002, 67).

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Bezeichnen Steiner/Bruns (1994, 258) mit dem inneren Wert einer Aktie den Wert “der ihr objektiv zukommt“, so ist bei Graham/Dodd (1962,24) der innere Wert,“that value which is justified by the facts“.

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Leiten demnach Bottom-Up- wie Top-Down-Verfahren ihre Bewertung grundsätzlich immer aus den fundamentalen Markt-, Branchen- und Unternehmensdaten ab, so sind diese bei der sog. technischen Analyse ohne Bedeutung (Staud 2004). In ihrer reinen Ausprägung interessiert die Techniker „überhaupt nicht das Unternehmen selbst, seine Zukunftsaussichten etc., sondern einzig und allein der aktuelle Aktienkurs und der Verlauf der Aktienkurse in der Vergangenheit“ (Schredelseker 2002, 376)25. Sie gehen von einer Wiederholung von Verlaufsmustern aus. Der Bewertungsvorgang der technischen Aktienanalyse fokussiert auf zwei Analysebereiche: Die Betrachtung der Entwicklung des Gesamtmarktes und des Einzelwertes (Staud 2004). Die Beurteilung der Entwicklung des Einzelwertes kann entweder titelspezifisch oder unter Rekurs auf die Branchen- oder Marktentwicklung vollzogen werden. Um Entwicklungsmuster frühzeitig zu identifizieren, bedienen sich die Techniker einer Fülle zumeist auf Visualisierung der Kursverläufe basierender Verfahren. Sind die Anlagemöglichkeiten eingeschätzt sowie die Ziele und Restriktionen ermittelt, so wird auf der so generierten Datenbasis die konkrete Anlagephilosophie abgeleitet. „Unter Anlagephilosophie versteht man die Summe aller grundlegenden und richtungweisenden Anlage- und Desinvestitionsentscheidungen, die üblicherweise nur langfristig und nicht ohne Nachteil zu revidieren sind“ (Perridon/Steiner 1999, 287). Primär handelt es sich zum einen um Startentscheidungen, die das Ausgangsportefeuille definieren. Zum anderen sind es Etappenentscheidungen, auf deren Basis Handlungsprinzipien für Umschichtungen und Anpassungen während des Anlagezeitraums bestimmt werden. In Zusammenarbeit mit dem Investor wird im Rahmen der strategischen Asset Allocation das Ausgangsportefeuille gebildet. Unter Asset Allocation versteht man „die systematische Verteilung von Geldfonds auf verschiedene Assets“ (Perridon/Steiner 1999, 287). Letztere sind prinzipiell Einzeltitel, die bezüglich diverser Kriterien (z.B. Herkunftsland, Währung, Klasse) definierbar sind. Über die Summe aller Assets in einem Portefeuille bezeichnet dieses Merkmal die Portefeuillestruktur. Kennzeichen der Asset Allocation selbst ist der Grad ihrer internationalen Orientierung, die Form der Portefeuilleoptimierung und die Einheiten (z.B. Titelgruppen, Fonds) der Diversifikation (Perridon/Steiner 1999). b) Anlageentscheidung Im Anschluß an die Asset Allocation folgt die eigentliche Anlageentscheidung. Letztere wird primär durch die Annahmen bestimmt, die der Portfoliomanager im Hinblick auf den Preisbildungsprozess auf den Kapitalmärkten vornimmt. Unterstellt er eine strenge Informationseffizienz auf Kapitalmärkten, so kann er auf jegliche eigene Informationsbeschaffung und -auswertung verzichten. Denn gemäß dieser 25

Fundamentale Informationen sind im Gegenteil „für den Technischen Analysten ‚tabu’, denn sie helfen ihm nicht bei der Urteilsfindung, sondern verstellen ihm nur den Blick auf das Marktgeschehen und machen ihn taub für die Stimme des Marktes“ (Bien 2000, 8).

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Annahme „fließen an den Wertpapierbörsen praktisch ohne zeitliche Verzögerung und auf korrekte Weise alle, im Prinzip öffentlich bekannten Informationen, in die Kursbildung ein“ (Spremann 2003, 160). Sollte etwas noch nicht feststehen, jedoch bereits antizipierbar sein, so hat es sich bereits auf den Kurs ausgewirkt. Für den Portfoliomanager ist es also völlig unnötig, Recherche und Analyse mit dem Ziel zu betreiben, über- oder unterbezahlte Wertpapiere zu entdecken. Die Negation einer möglichen Überperformance gilt – wenn auch in abgeschwächter Form – auch unter der Annahme halbstrenger Informationseffizienz der Wertpapiermärkte (Perridon/Steiner 1999). Hiernach sind nur passive Anlagestrategien sinnvoll, die in erster Linie mit dem verwalteten Vermögen eine vom Anleger bestimmte Benchmark nachbilden. Indem sie versuchen, dessen Wertentwicklung möglichst getreu nachzuvollziehen, soll ein dem Marktdurchschnitt adäquates Ergebnis erreicht werden. Dieses sog. Index Tracking kann auf zwei Arten erfolgen. Während beim Census Approach jede Aktie der Benchmark entsprechend in das Portfolio aufgenommen wird, erfolgt beim Sampling Approach die Aktienauswahl nur teilweise indexgemäß. Gegenüber dem Indexrisiko entsteht in der Folge ein erhöhtes Risiko des Portfolios (Achleitner 2002). Steht beim passiven Portfoliomanagement die relative Optimierung des Anlageerfolgs zur Benchmark im Strategiefokus, so orientiert sich der aktive Portfoliomanager bei seinen Aktivitäten an der absoluten Wertentwicklung des Portfolios. Seine Strategien basieren auf der Annahme nicht-informationseffizienter Kapitalmärkte. Indem er auf gute Researchleistungen, Kreativität und Schnelligkeit setzt, versucht er eine im Vergleich zum Index überdurchschnittliche Rendite zu realisieren (Perridon/Steiner 1999). Um diese Outperformance zu erreichen, weicht der Portfoliomanager bewusst von der indexspezifischen Titelgewichtung ab. Er setzt vielmehr auf Selektionsentscheidungen auf der Ebene einzelner Titel oder Sektoren und versucht so, Marktineffizienzen auszunutzen. So werden etwa beim Stock Screening Aktien bezüglich differenzierter Eigenschaften – wie Gewinnentwicklung oder Kurs-Gewinn-Verhältnis – untersucht, bewertet und mit den Investorvorgaben verglichen (Achleitner 2002). c) Portfolioüberwachung und Erfolgsmessung Hat sich der Portfoliomanager für ein Portfolio entschieden, so muss es permanent überwacht werden. Gewandelte Kontextbedingungen, geänderte Kapitalausstattung oder Risikotoleranz des Investors machen ein eigenständiges Kontrollprocedere sinnvoll, das die Einhaltung der Vorgaben aus Asset Allocation und Asset Selection im Zeitablauf überwacht. Permanent stellt sich hier die Frage nach der sinnvollen Anpassung der Vermögensstruktur des Portfolios. Wird eine suboptimale Zusammensetzung des Portfolios testiert, müssen im nächsten Schritt alle Handlungsoptionen, die mit den Zielsetzungen und Risikoneigungen des Investors vereinbar sind, ermittelt werden. Hierzu zählen primär die (Neu-) Gewichtung von Titeln und die (Des-) Investition einzelner Wertpapiere (Achleitner 2002). Nach 47

eingehender Abwägung prognostizierter Renditesteigerungen einerseits und entstehender Transaktionskosten andererseits, ist umgehend eine Entscheidung zu treffen. Letztere bildet dann den Ausgangspunkt für eine erneute Kontrollschleife. Grundlage des skizzierten Überwachungsprocedere ist die Erfolgsmessung. Sie „dient in erster Line einer sachgerechten Anlagekontrolle der im Asset Prozess getroffenen Entscheidungen und ermöglicht eine Rückkoppelung auf die vorgelagerten Ebenen des Anlageentscheidungsprozesses“ (Perridon/Steiner 1999, 295). In kurzfristiger Perspektive kann die Anlagepolitik und die Performance der Portfoliomanager im Rahmen der taktischen Asset Allocation auf ihren Erfolg hin kontrolliert werden. Langfristig dient es einer Überprüfung der generellen Anlagestrategie und des –ziels selbst. Ziel der Erfolgsmessung und der darauf aufbauenden Portfolioüberwachung ist eine effizientere Reallokation im Asset Management (Perridon-Steiner 1999). Richtet sich die Performancemessung in ihrer Funktion als zentraler Bestandteil der Portfolioüberwachung primär an die externen Investoren (Hockmann/Thießen 2002), so ist sie auch bei dem internen Personal- und Ressourcenmanagement relevant. Wie bereits ausführlich beschrieben, macht der erfolgsabhängige Vergütungsanteil einen Großteil des Einkommens von Investmentbankern aus. Indem die Performancemessung bei der Leistungsbeurteilung und dem -vergleich von Portfoliomanagern von zentraler Bedeutung ist, fällt ihr bei der internen Unternehmenssteuerung eine wichtige Rolle zu (Achleitner 2002). 2.4. Portfoliomanager und Analysten als Akteure im Investmentprozess Die Portfoliomanager stehen als Entscheider im Mittelpunkt des Anlageprozesses. Sie alloziieren im Rahmen der mit dem Investor fixierten Investitionsmaximen autonom die bereitgestellten Mittel auf alternative Anlageformen. Für seine Auswahlentscheidungen nutzt der Portfoliomanager eine Vielzahl von Informationen (Bittner 1996). „In no other realm are such vast quantities of information from such diverse sources brought to bear on so many important decisions“ (Slovic 1972, 785). Ob er die richtige Entscheidung getroffen hat oder nicht, bemisst sich nach bankexternen Maßstäben (Indizes, Benchmarks). Insofern unterscheidet sich der Portfoliomanager von den Akteuren anderer Geschäftsbereiche. Während etwa Sales und Going Public primär bankinterne Leistungskriterien verfolgen, haben die Portfoliomanager durch ihren direkten Marktbezug externe Leistungskriterien zu erfüllen (Mars 1998). Ihre Vergütung richtet sich unmittelbar nach dem Verhältnis von der erwirtschafteten Rendite ihrer Portfolios zu der Entwicklung des bankexternen Maßstabs (Index, Benchmark). Insofern sind Portfoliomanager an möglichst genauen Renditeprognosen interessiert. Die Informationslieferanten sind zumeist die institutionell angebundenen Forschungseinheiten. Da diese nicht nur für das Asset Management wichtig sind, sondern generell allen Geschäftsbereichen zuarbeiten, fällt eine organisatorische 48

Zuordnung schwer. Unstrittig ist jedoch: Das Research bildet einen wesentlichen Baustein in der Wertschöpfungskette einer Investmentbank (Achleitner 2002). Die Ergebnisse der Research-Arbeit in Form von qualitativ hochwertigen Reports und akkuraten Prognosen dienen Achleitner (2002, 758) zufolge „de facto als Voraussetzung zur Aufnahme der operativen Geschäftstätigkeit einer Investmentbank“. Eine entscheidende Rolle spielen die Analysten zudem im Rahmen der Mandatsgewinnung als Reputationsträger. Angloamerikanische Klienten wählen bei ihren Kapitalmaßnahmen Investmentbanken nach dem Kriterium der „Analysts’ Selling Power“ als Konsortialführer oder Lead Manager aus, um eine erfolgreiche Aufnahme solcher Transaktionen am Kapitalmarkt zu gewährleisten (Achleitner 2002). Die Forschungsaktivitäten einer Investmentbank lassen sich in 5 Funktionsbereiche unterteilen: Strategie, Economic Research, Fixed Income Research, Quantitative Research und Equity Research (Wichels 2002; Achleitner 2002). Während sich die Bereiche Strategie und Economic Research primär mit volkswirtschaftlichen Analysen befassen, steht bei Fixed Income Research und Quantitative Research quantitative Untersuchungen auf Unternehmens-, Branchen- und Kapitalmarktebene im Mittelpunkt. Betonen also Letztere mit mathematisch-statistischen Verfahren die „harte“ Seite der Analyseperspektive, so fokussiert die Equity Research26 demgegenüber auf Einzelwerte, die ohne die Berücksichtigung qualitativer Faktoren nicht fundiert zu bewerten sind. In diesem Bereich ist dann auch die höchste Aufgabeninterdependenz und Interaktionsdichte zwischen den Funktionsbereichen der Investmentbank und den Investor-Relations-Abteilungen zu konstatieren. „Infolge der Tätigkeit von Equity Research-Analysten, Unternehmen unter fundamentalen Gesichtspunkten zu bewerten und Erkenntnisse über die Vorteilhaftigkeit einer Investition in die Aktien jener Unternehmen zu gewinnen, ergibt sich, dass diese maßgeblich auf einen steten Informationsfluss durch IR angewiesen sind“ (Wichels 2002, 41). Ist demnach eine fundierte Einzelwertanalyse ohne unternehmensspezifische Informationsquellen nicht denkbar, so avancieren umgekehrt „die Aktienanalysten unter den Finanzanalysten zur pivotalen Kundengruppe aller IRMaßnahmen“ (Wichels 2002, 41). Während also in anderen Funktionsbereichen lediglich partielle Informationsanforderungen an die IR bestehen, so bildet die Beziehung Equity Research und Investor Relations eine gewichtige Schnittstelle innerhalb der täglichen Arbeitspraxis beider Organisationseinheiten. Die Analysten der Equity Research werden üblicherweise in zwei Gruppen unterteilt: in Sell-Side- und Buy-Side-Analysten. Diese Unterscheidung basiert auf der funktionalen Verortung in der arbeitsteiligen Wertschöpfungskette einer

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Unter der Funktion des Equity Research wird Achleitner (2003, 768) folgend „die Nutzung von unterschiedlichen Datenquellen verstanden, um in einem nationalen oder internationalen Maßstab einzelne Unternehmen zu bewerten und Indikationen über die Vorteilhaftigkeit einer Investition in die Aktien jener Unternehmen in Form von Kauf-, Halte- oder Verkaufsempfehlungen abzuleiten“.

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Investmentbank. „Während das Buy Side Research den Portfoliomanager bei seinen Anlageentscheidungen unterstützt, dient das Sell Side Research der Erzielung von Kommissionseinkommen der Handelsabteilungen, also der Entwicklung und dem Absatz von Produkten“ (Hockmann/Thießen 2002, 646). Die Ziele der Buy-SideAnalysten liegen in der Analyse, Auswahl und Empfehlung von Anlagetiteln, um den zugehörigen Portfoliomanagern eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu liefern. Bezugspunkt für die Erstellung der Analysen ist hierbei eine optimale Portfoliostrukturierung, d.h. fest definierte Ertrags- und Risikokriterien sowie rechtliche Kontextbedingungen. Die jeweilige Portfolioausrichtung bestimmt daher maßgeblich die Arbeitsinhalte und setzt kommensurable Zielfunktionen zwischen Buy-SideAnalysten und Portfoliomanagern voraus (Wichels 2002). Dagegen liegt die Zielsetzung der Sell-Side-Analysten in der Vermarktung der eigenen Meinung zu spezifischen von Portfoliostrukturen autonomen Finanztiteln und -märkten. Ihre Researchleistung bildet die Grundlage für die gesamte Wertschöpfung einer Investment-Bank. Sie erarbeiten detaillierte „Branchen- und Unternehmensstudien, die in Kauf-, Verkaufs- oder Halteempfehlungen münden“ (Nix 2000, 36). Da ihre Research-Tätigkeiten keine orginären Umsätze generieren, sind die Sell-SideAnalysten an einer Steigerung der Wertpapierumsätze und Transaktionsvolumen für ihre Auftraggeber interessiert. Dies gelingt ihnen umso besser, je mehr ihre Stimme auf dem Markt Gehör findet. Ihre jahrelange intensive Beschäftigung mit einzelnen Branchen und Unternehmen zielt daher immer auch auf individuelle Reputationsmaximierung. Denn: „Der Markt reagiert entsprechend schnell auf die Vorschläge einiger (Star-) Analysten“ (Bittner 1996, 24). Der Zugang zu aktuellen und relevanten Informationen ist für jeden Analysten ein a priori seiner Tätigkeit. Während Sell-Side-Analysten in Folge ihrer Branchenspezialisierung intensiven Kontakt mit den dazugehörigen Unternehmen pflegen, sind Buy-Side-Analysten in der Regel branchenübergreifend tätig und greifen aus Effizienzgründen häufig auf die bereits komprimierten Informationen der sell side Analysten zurück (Schulz 1999). Nutzen die Buy-Side-Analysten bei ihrer Sekundärresearch auch intensiv die Primärresearch der Sell-Side-Analysten als Informationsquelle, so handelt es sich bei der Sekundärresearch nicht um ein Analysederivat Letzterer. „Vielmehr ist anzunehmen, dass die Buy Side Analysten diese (Berichte) differenziert begutachten, kritisch evaluieren und nur selektiv in Verbindung mit eigenen Vorstellungen und Prognosen übernehmen, um anschließend zu einer eigenen subjektiven Investitionsempfehlung zu kommen“ (Wichels 2002, 34). Dies setzt letztlich einen intensiven Austausch zwischen beiden Analystengruppen voraus. Die skizzierten Aufgabenspektren gehen mit differenzierten Vorgehensweisen bei der Aktienanalyse einher. Grundsätzlich kann im Rahmen der Asset Allocation zwischen Top Down Approach und Bottom Up Approach unterschieden werden. Während bei Sell-Side-Analysten aufgrund ihrer Branchenspezialisierung die

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Titelauswahl zwingend einem Bottom Up Approach folgt, haben Buy-Side-Analysten prinzipiell die Option, zwischen beiden Ansätzen frei zu wählen (Wichels 2002). Unterschiede gibt es schließlich auch bei der Informationsdistribution. Die BuySide-Analysten sind als direkte Entscheidungsvorbereiter der Portfoliomanager mit ihrer Produkterstellung und -distribution eng an den organisatorischen Kontext gebunden. Ihr Produkt verlässt das Investmenthaus nicht. Dagegen stellen Sell-SideAnalysten ihre Analyseergebnisse diversen Kapitalmarktteilnehmern, primär aber „den institutionellen Anlegern, gegen Bezahlung als Grundlage für deren Investitionsentscheidung zur Verfügung“ (Schulz 1999, 248). In jüngster Zeit hat sich insbesondere im Equity Research die parallele Aufgabenwahrnehmung von Marketing und Vertrieb der Beteiligungstitel im Kontext von Kapitalmarkttransaktionen als relevant erwiesen. Den Sell-Side-Analysten kommt hierbei insofern ein tragende Rolle zu, als sie „als Meinungsführer innerhalb der Financial Community die Investmententscheidungen zahlreicher Marktteilnehmer wesentlich beeinflussen“ (Achleitner 2002, 775). Trotz der genannten Unterschiede gibt es abschließend auch einige Gemeinsamkeiten zu konstatieren. In Folge des Eintritts von Universalbanken in das Geschäft der Investmentbanken arbeiten immer mehr Buy-Side- und Sell-SideAnalysten faktisch unter einem Unternehmensdach. Funktionale Differenzierung geht so mit unternehmenspolitischer Homogenisierung einher. Unterstützt wird dieser Effekt durch eine gleichgerichtete Interessensausprägung beider Analystengruppen: „Da der Beruf des Finanzanalysten ausdrücklich auf die Durchführung von Finanzbzw. Aktienanalysen verweist, wird offensichtlich, dass der eigentliche Zweck, der hinter dieser Tätigkeit steht, zugleich das substantielle Interesse der sozialen (Berufs-) Rolle Finanzanalyst darstellt“ (Janik 2002, 248). Indem beide Gruppen „Unternehmen auf der Basis der ihnen vorhandenen Informationen“ (Düsterlho 2000, 75) bewerten und so den Portfoliomanagern die „richtigen Aktien“ zur Renditemaximierung empfehlen, offenbart sich jenseits funktionaler Differenzierung „das substantielle Interesse der Rolle Finanzanalyst“ (Janik 2002, 249).

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3. Finanzkommunikation in kommunikationstheoretischer Perspektive 3.1. Unternehmensberichterstattung und Informationsübertragung Die Finanzkommunikation ist ein komplexer Prozess, der die gesamte direkte und indirekte Kommunikation mit den Investoren umfasst (Weber-Henschel 2001). Neben weichen Kommunikationsinhalten wie Unternehmensvision und Equity Story sind es vor allem harte Fakten, die Fundamentaldaten, die im Mittelpunkt der Finanzkommunikation stehen. Denn Letztere bilden eine wichtige Basis für die Ermittlung des „objektiven inneren Wertes“ (Achleitner 2002). Je nach Gewichtung der zentralen Bestimmungsgrößen Jahresüberschuss, Dividende und zukünftige Ertragsaussicht „erhält man einen inneren Wert, der meist nicht nur vom Börsenkurs verschieden ist, sondern auch von allen anderen mit anderen Bestimmungsfaktoren und Gewichten ermittelten Werten“ (Perridon/Steiner 1999, 211). Unabhängig von der konkreten Wahl und Gewichtung der Bestimmungsgrößen ist eines von zentraler Bedeutung für die Wertermittlung und damit auch für die Finanzkommunikation: Die Objektivität der Informationen muss gegeben sein. Unter objektiven Informationen werden in diesem Zusammenhang „vor allem auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Informationen verstanden“ (Kötzle/Niggemann 2001, 642). Ganz ähnlich definiert auch der Gesetzgeber die Anforderungen an die Berichterstattung, indem er in § 400 AktG die richtige und unverschleierte Darstellung des Vermögensstandes postuliert. Während eine Aussage grundsätzlich dann richtig ist, “wenn ihr Inhalt mit der Wirklichkeit übereinstimmt“ (Hütten/Küting 2001, 497), stellt sich eine Darstellung dann als unverschleiert dar, „wenn sie klar und deutlich ist und die realen Tatbestände erkennbar und zutreffend beurteilbar sind“ (Hütten/Küting 2001, 497). Diese Anforderungen an die Informationsqualität in puncto Objektivität, Wahrheitsgehalt und Realitätsnähe werden in keinem Kommunikationsmedium so stark fokussiert wie im Geschäftsbericht. Indem der Geschäftsbericht „am stärksten die ’Symbiose’ zwischen Rechnungslegung und IR“ (Winkler 1994, 241) verkörpert, erfüllt er wie kein zweites Investor-Relations- Instrument das normative Postulat nach informationaler Vollständigkeit, Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Finanzkommunikation (Hütten 2000). Obwohl der Geschäftsbericht somit ein wichtiger Bezugspunkt für die Investmententscheidungen von institutionellen und privaten Anlegern (Radinger/Schweiger 1994; Achleitner/Bassem/Pietzsch 2001) darstellt, ist die begriffliche Einordnung eigentümlich unscharf (Hütten 2000). Unter dem Eindruck der kommunikativen Relevanz schlägt Hütten (2000, 11) vor, „eine Einordnung des Geschäftsberichts in ein Kommunikationsmodell vorzunehmen, da ein derartiges Modell dazu dienen kann, ’die Beziehungen zwischen den ... beteiligten Instanzen übersichtlich darzustellen und eventuell unerkannte Beziehungen aufzudecken’“ (Eisenführ 1967, 7). Als Teil des Übermittlungssystems fügt sich das Übermittlungs-

medium Geschäftsbericht nahtlos in das nachstehende Kommunikationsmodell der externen Berichterstattung ein. Beeinflussung

Beeinflussung

Umwelt Beeinflussung

Beeinflussung

Beeinflussung

Sender Auswahl der Nachricht

Empfänger Kodierung der Nachricht

Übermittlungssystem

Dekodierung des Signals

Reaktion auf die Nachricht

Rückkopplung

Abbildung 7: Modell der externen Berichtserstattung. Quelle: Hütten (2000, 21)

Das berichtende Unternehmen bestimmt aus den verfügbaren (unternehmensinternen und –externen) Daten diejenigen, die unternehmensexternen Stakeholdern mitgeteilt werden sollen. Diese Nachrichten werden kodiert. Angewandt können hierzu existierende Abbildungsregeln wie etwa die des HGB, IFRS oder US-GAAP. Die solchermaßen kodierten Nachrichten werden via Übermittlungssystem an den Empfänger transferiert. Das Übermittlungssystem umfasst einerseits das Übermittlungsmedium – hier den Geschäftsbericht – , welches „ein Behältnis darstellt, mittels dessen (kodierte) Nachrichten vom Unternehmen zum Adressaten gelangen“ (Hütten 2000, 24). Anderseits beinhaltet es den Übermittlungskanal (z.B. Postweg, Internet), auf dem dieses Medium vom Sender zum Empfänger gelangt. Nachdem die Nachrichten beim Empfänger eingegangen sind, werden sie dekodiert, analysiert und interpretiert. Im Ergebnis kann die Nachricht beim Empfänger zwei Reaktionen hervorrufen (Hütten 2000). Erstens kann die Reaktion die Umwelt des berichtenden Unternehmens beeinflussen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein durch die Nachrichten induzierter Aktienkauf den Aktienkurs verändert. Der Empfänger kann zweitens auf die Nachricht mit einer direkten Kontaktaufnahme bei dem Unternehmen reagieren (Hütten 2000). Das skizzierte Kommunikationsmodell von Hütten (2000) steht ganz in der Tradition des betriebswirtschaftlichen Kommunikations- und Informationsverständnisses. Als zentrale "Paten" eines solchen Kommunikationsverständnisses lassen sich 54

die Kommunikationswissenschaftler Shannon und Weaver (1949) identifizieren, die mit ihrem informationstheoretischen Kommunikationsmodell bis zum heutigen Tag Einfluss auf die disziplinäre Entwicklung nehmen27. Wird in der (Wirtschafts-) Wissenschaft von Kommunikation gesprochen, so hat man in der Regel ihr Kommunikationsmodell vor Augen28. Seine hohe Akzeptanz und große Verbreitung "dürfte durch seine Einfachheit, Integrativität und Anschließbarkeit an die bis heute wirksamen kommunikationsbezogenen Intuitionen begründet sein" (Rusch 2002, 104)29. Die ausgeprägte Bezugnahme auf das ausschließlich für die technische Ebene entwickelte Kommunikationsmodell bedingt eine primär übertragungsorientierte, mechanistische Sicht der Kommunikation (Burkart 2002). Die weite Verbreitung dieser Vorstellungen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften speiste sich nicht zuletzt aus dem damaligen Wissenschaftsverständnis. Der Transfer von Modellen aus dem naturwissenschaftlich-technischen in den sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich wurde und wird nicht nur als möglich, sondern sogar als erstrebenswert erachtet30. Im Rahmen dieses Modelltransfers stellt sich Kommunikation als Übertragungsprozess dar, durch den eine Information raumüberwindend von einem Ort zu einem anderen gelangt. Der "Ort" der Transmission ist der Kanal, durch den die Information31 "wandert". Da es sich hierbei um einen akkuraten und verlustfreien Informationstransfer handelte, bestand die Herausforderung der Informationstheorie "schlicht darin, die Botschaft mit soviel Redundanz zu kodieren, dass sie es zuließ, trotz erfolgter Verrauschung genau oder annähernd das 'Original' daraus zu kodieren" (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 229). Als "Rauschen" (noise) wird alles bezeichnet, was die Übermittlungsgenauigkeit (fidelity) reduziert. So kann etwa die Informationsübertragung „zwischen dem Verfasser und dem Benutzer des Geschäftsberichts durch sprachliche Unzulänglichkeiten, Fachausdrücke, unklaren formalen Aufbau oder überflüssige Nachrichten gestört sein (Eisenführ 1967, 7). Im Rahmen der Transmission von Informationen

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Laut Hütten (2000) bauen die im Berichtswesen wie in anderen betriebswirtschaftlichen Bereichen zur Anwendung kommenden Kommunikationsmodelle fast durchgängig auf die Kommunikationsmodelle von Shannon/Weaver (1949) und Lasswell (1927) auf. 28 Reichwald (1993) spricht in diesem Zusammenhang auch von dem bekanntesten Kommunikationsmodell. 29 Zunächst wählt die Nachrichtenquelle eine Nachricht aus einem Bündel möglicher Nachrichten aus. Der Sender transformiert die so ausgewählte Botschaft in ein Signal, das sich für die Übertragung eignet. Dieser Vorgang heißt auch Encoding. Das Signal wird in dem Medium Channel übertragen. Während der Übertragung ist das Signal verschiedenartigen Störungen ausgesetzt, die es "verrauschen". Der Empfänger empfängt das mehr oder minder stark verrauschte Signal. Als Antipode des Senders muss er nun ein Decoding des empfangenen Signals vornehmen. Der Empfänger leitet schließlich das decodierte Signal an das Bestimmungsziel weiter. 30 Laut Bittl (1997, 44) "erklärt die Akzeptanz weitgehend nur mathematischer und/oder technischer Erkenntnisse die festgestellte Dominanz des nachrichten-technischen Modells von Shannon/Weaver als modelltheoretische Grundlage für die innerhalb der Betriebswirtschaftslehre vorherrschende Auffassung eines auf möglichst optimale Informationsübertragung beschränkten Kommunikationsverständnisses". 31 Als Information werden in der naturwissenschaftlich-technischen Perspektive Zeichenreihen betrachtet. (Bode 1993, 1997)

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kann Rauschen zu einem Abbruch oder zu einer Barriere des Kommunikationsprozesses führen. Während Abbruch in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit dem sofortigen Prozessende ist, handelt es sich bei Kommunikationsbarrieren um Hindernisse, "die den Transmissionsprozess erschweren oder verlangsamen" (Theis 1994, 29). Bei Letzterem sind jedoch weniger kulturelle, soziale oder psychische Hindernisse, sondern vielmehr beschränkte Informationsverarbeitungskapazitäten des Gehirns gemeint. Hier wird auch die Nähe zu der kognitiven Psychologie und der Forschung der Künstlichen Intelligenz deutlich. "Ob nun der Sender und/oder Empfänger ein technisches System (etwa ein Computersystem) ist oder aber ein menschliches Individuum, macht dabei – zumindest prinzipiell – keinen Unterschied" (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 235). Beide werden als unterschiedliche Materialisationen ein und derselben basalen Maschine gesehen32. "Die Sender-Maschine bestimmt die zu übertragende/transportierende Information, enkodiert 'Bedeutung' in 'Zeichensequenzen', die Empfänger-Maschine dekodiert lediglich diese Bedeutung aus diesen Zeichensequenzen“ (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 235). Die dabei stattfindenden Operationen des Enkodierens und Dekodierens werden als komplementäre Informationsverarbeitungsprozesse verstanden, "die am besten im Rahmen eines funktionalen, algorithmischen Modells beschrieben werden können" (Charlton 1996, 79). Die Dynamik des Informationsverarbeitungsprozesses im Rahmen des Transmissionsmodells findet ihren Niederschlag in der Analyse der Transformation von Informationen bei ihrer "Wanderung" durch den Kanal33. Die mechanistische Perspektive evoziert verschiedene Methaphern der Kommunikation, die zum selten reflektierten Standardrepertoire der (wirtschafts-) wissenschaftlichen Theorie und Praxis avancierten. Die Kontroll-Metapher Versteht man Kommunikation als Austausch von Informationen, so ist dieser Austauschprozess dadurch gekennzeichnet, "dass ein Sender eine Kommunikationsbotschaft über einen Kommunikationskanal an einen Empfänger richtet, was dann eine bestimmte Kommunikationswirkung hervorruft" (Homburg/Krohmer 2003, 622). Geschäftsberichte sollen daher „Wirkungen erzielen, die über die reine Information über das vergangene Geschäftsjahr hinausgehen“ (Piwinger 1997, 23). Deutlich wird bei dieser Definition die Direktionalität der Kommunikation: "Messages flow from one person or communicator to another in a specific direction, implying some impact on the receiving end" (Fisher 1978, 113). Die Generierung einer Gemeinsamkeit impliziert also – anders als man vielleicht auf den ersten Blick vermutet – keine

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In diesem Sinne spricht Zschocke (1995, 72) von dem Menschen als universellem Code-Wandler: "Er wandelt z.B. beim Sprechen die von seinem Gehirn (als Sender) via Nervenbahnen (Kanälen) kommenden elektrochemischen Impulse (Träger) in Bewegungen des Sprechapparates, d.h. in mechanische Impulse (Träger), und diese wiederum in Schallwellen (Träger) um, die dann in dem Kanal 'Luft' transportiert werden können". 33 Auf die zentrale Bedeutung der Transformation für den Informations-Transfer macht auch Zschocke (1995) aufmerksam.

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kommunikative Symmetrie zwischen Sender und Empfänger. Es handelt sich vielmehr um eine hierarchische Beziehung, bei der allein der Sender bestrebt ist, seine Ziele zu realisieren. Bemühungen, Kommunikationsprozesse im Hinblick auf Informationsübermittlung zu verbessern, setzen folgerichtig an der Person des Senders an, der mit Bezug auf seine Informations-, Manipulations- oder Beeinflussungsabsichten die Botschaft entsprechend gestalten soll. Konstitutiv für die "gezielte Beeinflussung der Nachfrager" (Wöhe 1996, 694) ist hierbei die Vorstellung vom Kommunizieren als technischem Konstruieren. Der Kommunikationsprozess ist gemäß den Komponenten (Sender, Empfänger, Signalübermittlung etc.) zu zerlegen, diese separat zu optimieren und so dann aufgrund linearer Kausalitätsannahmen zusammenzusetzen, um sie schließlich im Sinne einer "well-oiled machine" (Fisher 1978, 115) zielgerichtet zu funktionalisieren34. Als wirksam oder effizient stellt sich im Rahmen eines solch kausalanalytischen Vorgehens die Kommunikation dann dar, "wenn der Sender seine, mit dem Unternehmensziel übereinstimmenden Absichten realisieren kann und der Empfänger diesen Intentionen nachgibt" (Theis 1994, 33). Die Gleichsetzung von Senderintention und Kommunikationseffizienz führt zu einer klaren Forschungsfokussierung. So erweisen sich kommunikationspolitische Maßnahmen dann als erfolgreich, wenn sie dazu dienen, „die eigenen Aktien möglichst optimal zu vermarkten“ (Winkler/Ewenz-Sandten 2001, 1169). Im Zentrum steht die Entwicklung effizienzversprechender Kommunikationstechniken. Die Bewertung in "gute" und "schlechte" Kommunikation bemisst sich letztlich an den Kontrollpotentialen, die mit dem Einsatz der Techniken für den Sender verbunden sind (Krippendorf 1994). Die Container-Metapher Informationen werden als quasi materielles Substrat betrachtet, das durch Kommunikation übermittelbar bzw. übertragbar ist35. Die Finanzkommunikation wird so etwa „als Vehikel gesehen, die interne Wertschaffung an externe Adressaten zu vermitteln“ (Achleitner/Bassen 2001, 4). Mitteilungen haben in dieser Lesart den Charakter greifbarer Dinge mit räumlichen und physikalischen Eigenschaften (Theis 1994). In diesem Sinne bezeichnet Zschocke (1995, 67) unter Zeichen oder Symbol "eine räumlich und zeitlich abgegrenzte Menge an Materie und Energie ... , der eine Bedeutung zugeordnet ist. Die Menge an Materie und Energie eines Zeichens wollen wir einen Zeichenträger oder ein Signal und die Bedeutung, die einem Zeichenträger oder einem Signal zugeordnet ist, wollen wir eine Nachricht nennen". Deutlich wird in dieser Aussage, dass Botschaft und ihr Inhalt als unterschiedliche Entitäten aufgefasst

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Beredtes Beispiel für das mechanistische Kommunikationsverständnis ist die – insbesondere mit dem Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien verbundene – (Wunsch-) Vorstellung , dass Informationen schnell und exakt an diejenige Stelle weitergeleitet werden, wo sie benötigt werden (z.B. Wöhe 1996; Erichson/ Hammann 2001). 35 Erichson und Hammann (2001) heben als herausragende Eigenschaft der Information gegenüber allen anderen wirtschaftlichen Gütern bzw. Produktionsfaktoren ihren sehr schnellen und kostengünstigen Transport hervor.

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werden36. Für den Container mag diese Zweiteilung noch evident sein. Das Schreibpapier, das elektronische Signal oder der Schall besitzen eine physikalisch messbare Existenz. Die Metapher legt aber nahe, auch Sinn und Bedeutung als Entitäten aufzufassen (Krippendorf 1994). Die Berichterstattung hat einen positiven Nettonutzen (Kötzle/Niggemann 2001), der Informationsstand wächst sukzessive (Achleitner/Bassen 2001), die Finanzinformation wird nur „bruch-stück-haft“ übermittelt (Winkler/Ewanz-Sandten 2001). In diese Diktion passt sich nahtlos die Common-Sense-Vorstellung von Information als immaterielles Gut ein, das sich beliebig oft kopieren lässt (z.B. Reichwald 1993, Erichson/Hammann 2001). Da Botschaften Entitäten beinhalten können, liegt es laut Krippendorf (1994, 87) nahe, "sich auch Container in Containern vorzustellen. So werden Wörter zu Behältern von Ideen, Briefe zu Behältern von Wörtern, Umschläge zu Behältern von Briefen, die wiederum in Säcken verschickt werden können". Die jeweiligen Entitäten werden somit zum Zweck, ihre Container zum Mittel der Kommunikation. Nicht zuletzt befördert diese Zweiteilung eine Kausalitätsannahme, der zufolge Kommunikation ein linear verlaufender Prozess ist (Merten 1999)37. Die Metapher des Cognitive Sharing Die Vorstellung, das Informationen "Container für Entitäten" sind, führt geradewegs zu einer weiteren Methapher von Kommunikation als etwas, das den Kommunikatoren "zur Gemeinsamkeit wird". So bezeichnet man laut Erichson/Hamman als Kommunikation „die Übertragung von Informationen zwischen zwei Stellen, Sender und Empfänger, wodurch diese gemeinsam der Information teilhaftig werden (lat. communis = gemeinsam)". Demzufolge erscheint als vordringliches Ziel aller IR Maßnahmen, „die Teilnehmer des Kapitalmarktes, insbesondere aktuelle und potenzielle Investoren, in solchem Maß zu informieren, dass die ‚communication gap’ zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt Öffentlichkeit geschlossen wird“ (Janik 2002, 86). Deutlich wird in der Definition ein materialistisches Verständnis von Kommunikation (Merten 1999). Betrachtet man demzufolge das Versenden und Empfangen von Botschaften als ein Ein- und Auspacken von Entitäten an differenten Orten, so erscheint erfolgreiche Kommunikation laut Krippendorf (1994) an folgende Konditionen gebunden. 1. Die versandte Botschaft muss identisch empfangen werden.

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Die Materialität von Information bzw. Wissen wird auch in der folgenden Darstellung von Bode (1993, 276) deutlich: "Wissen besitzt damit – als Abbildungen von Teilen der Welt – Bedeutung. Es wird von Signalen getragen, die in einem Speichermedium ausgeprägt sind (z.B. neuronalen Erregungszustände im Gehirn, Buchstaben in einem Buch, magnetische Zustände auf einer Diskette, Schalldruckschwankungen der Luft)". Nach Stock (2000, 39) ist die Information "ein Gegenstand mit zwei Gesichtern. Eine Seite, das 'Signal', zeigt den materiellen Aspekt, die andere Seite, die 'Nachricht' den Aspekt des Gemeinten bzw. Verstandenen, des Informationsinhalts". 37 Eine zusätzliche – hier nicht weiter ausgeführte - Implikation der Entitätsannahme von Information stellt deren additive Speicherungsfähigkeit dar. In Analogie zu den Begriffen Einkommen und Kapital konstatiert Boulding (1966, 3): "It is certainly tempting to think of knowledge as a capital stock of information, knowledge being to information what capital is to income".

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2. Die Senderintention wird vom Empfänger direkt, also ohne Interpretation, aufgenommen. 3. Derselben Mitteilung können unterschiedliche Personen denselben Inhalt entnehmen. „Alle diejenigen, die demselben massenmedialen Ereignis ausgesetzt sind, über denselben Zeichenvorrat verfügen, dieselben Regeln und Konventionen benutzen, dieselben Inhalte aufnehmen, über dieselben Sachverhalte informiert, dieselben Mediensozialisationsprozesse durchlaufen, dieselben Weltvorstellungen entwickeln, dieselben Wertvorstellungen vertreten – sie werden gleichartig denken und finden sich innerhalb der Schnittmenge des Venn-Diagramms repräsentiert" (Krippendorf 1994, 88). Kommunikation generiert demnach im Zuge des Austauschens von Informationen Gemeinsamkeiten. Informationen, die nicht auf einen gemeinsamen Zeichenvorrat oder eine homogene Syntax rekurrieren, gelten demgegenüber als Störungen. Diese Restmengen tragen nicht zur Gemeinschaftsbildung bei und werden daher zumeist als Abweichungen, Verzerrungen oder Fehlschläge gewertet. Die Vorstellung von Kommunikation als etwas, das den Kommunikatoren "zur Gemeinsamkeit wird", impliziert zugleich eine Verobjektivierung des Kommunikationsgegenstandes. Da jede Information nur eine legitime Bedeutung hat, kann diese von jedem kompetenten Kommunikationspartner auf natürliche Weise begriffen werden. Fehlerhafte Informationsübermittlung ist daher konsequenterweise auf menschliches Versagen in Form von Fahrlässigkeit oder Vorsatz zurückzuführen (Zoschke 1995, Wöhe 1996). Der objektive Status des gemeinsamen Inhalts der Informationen wird hierbei nicht in Frage gestellt. Deutlich wird somit, dass das informationstheoretische Kommunikationsmodell zwar „explizit die materiellen und implizit auch die ’geistigen’ Vorgänge des Zusammenspiels zweier ’Systeme’ bildet“ (Trabant 1996, 81). Nicht beleuchtet wird hingegen ein zweites, für Finanzkommunikation nicht minder konstitutives Merkmal: Unternehmen und Investor kommunizieren nicht nur, um miteinander in Verbindung zu treten, sondern um „einer dem anderen etwas mitzuteilen über die Dinge“ (Bühler 1934, 24). Das informationstheoretische Modell ist somit das Abbild eines „Miteinander-in-Verbindung-Tretens“ (Trabant 1996, 81) mit dem Ziel der Gemeinschaftsbildung. Betrachtet wird jedoch nicht, „dass die Gemeinschaftsbildung zu dem Zweck einer gemeinsamen Weltbemächtigung gebildet wird“ (Trabant 1996, 81). Dieser Perspektive wird im Folgenden nachgegangen, wenn auf den Referenten innerhalb der Finanzkommunikation fokussiert wird. 3.2. Innerer Unternehmenswert und semiotische Zeichenlogik Die Finanzkommunikation zielt darauf ab, die Lücke zwischen dem wahren und dem wahrgenommenen Unternehmenswert zu schließen (Fischer 2003). Bezugspunkt aller kommunikativen Aktivitäten ist somit der „true and fair view“ (Houghton 1987; 59

Winkler 1994) auf den inneren Wert eines Unternehmens. Denn nur, wenn es der Finanzkommunikation gelingt, „ein umfassendes Verständnis für den Wert eines Unternehmens herzustellen“ (Winkler 1994, 233), kann sich diese als Werttreiber profilieren (Weber-Henschel 2002). Die Darstellung des Unternehmenswertes in seiner ganzen Komplexität führt die IR-Abteilung direkt in eine kommunikative Zwickmühle. Einerseits sind die Informationen so aufzubereiten, dass nichts mehr an die dokumentarische Finanzberichterstattung vergangener Jahre erinnert. Unter dem Slogan: "Blanke Zahlen reichen nicht, Stories müssen her und Imagewerte stimmen" (Rolke 2000, 36), müssen die Finanz- und Rechnungslegungsinformationen in eine medientaugliche Form transformiert werden38. Der Finanzkommunikation kommt somit bezüglich der Rechnungslegung die Aufgabe eines „Dolmetschers“ zwischen Revisions- und Finanzabteilung und den externen Investoren zu. „Nur wer letztendlich die ’gleiche Sprache spricht’, wird auch in Zukunft eine Chance haben, die notwendige Eigenkapitalbasis sicherzustellen“ (Winkler 1994, 233). Diese Transformation darf aber andererseits nicht auf Kosten der Objektivität und des Wahrheitsgehaltes der Informationen gehen. Denn nur „objektivierte und damit nachvollziehbare und überprüfbare Informationen signalisieren Analysten und Investoren Glaubwürdigkeit des Value Reporting, schaffen damit Vertrauen in die Informationspolitik des Managements und erhöhen dadurch die Effektivität des Value Reporting“ (Kötzle/Niggemann 2001, 642). Dieser skizzierte Konflikt zwischen medientauglicher Kapitalmarktkommunikation und wahrheitsgemäßer Wertdarstellung verweist auf ein implizites Erkenntnis- und Kommunikationsverständnis, das „die Existenz einer vorgängigen Wirklichkeit, die in einem prinzipiellen Entsprechungsverhältnis zum Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Kommunikationsvermögen des Menschen steht“, voraussetzt (Wenzel 2000, 130). Indem Zeichensysteme wie das HGB, US Gaap oder IFRS als neutrale Werkzeuge zur Übermittlung von Finanzinformationen konzipiert werden, stellt sich die Transformation von buchhalterischen Daten in adressatenorientierte Informationen primär als technisches Problem dar (Volkart 1997). Ganz gleich ob es sich um Bilder, Photographien (Preston/Wright/Young 1995) oder Accounting Signs (Mactintosh u.a 2000, McGoun 1997) handelt, wird in der Finanzkommunikation immer eine prinzipielle Isomorphie von Zeichen und vorgängiger Realität unterstellt. "In both our scholarship and our society, we are wedded to the notion that the financial economy (of money) exists for, refers to, and is meaningless without the so called real economy (of things)" (McGoun 1997, 98). Epistomologisch und methodologisch39 stellt sich die

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Den Einsatz von Visualisierungen und Bildern im Rahmen von Geschäftsberichten bezeichnet Preston/Wright/Young (1996, 119) als Strategie „to produce ‚reader friendly’ annual reports in which the avowed intention is to encourage the viewer to read the text and view the images by making the text and images easily accessible“. 39 Laut Macintosh (2003) folgt die traditionelle Accounting-Forschung hierbei der Popperschen (1978) „language - as -picture theory“ (Macintosh 2003, 455)-Methodologie, „whereby language and mathematics are

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Beziehung zwischen Zeichen (z.B. Einnahmen) und Referenten (z.B. Güterbündel) als unproblematischer Abbildungsprozess dar. Lediglich die modellgeleitete "Verarbeitung" der Zeichen, beispielsweise in Form einer Ertragsermittlung, erweist sich als schwierig. Offensichtlich wird dieser ontologische Realismus in dem permanenten Verweis auf die Notwendigkeit einer transparenten Berichterstattung. Nicht zuletzt der aktuelle Governance Kodex ist ein beredtes Beispiel für den Wunsch nach einem "cultural change, rewarding those who practise greater transparency and punishing those who don't" (Levitt zit.n. Macintosh u.a. 2000). Mag sich der true and fair view auf den inneren Unternehmenswert mehr als normatives Postulat denn als realistische Handlungsdirektive erweisen, so werden doch Wissenschaft und Praxis nicht müde, darauf zu verweisen, "that accounting signs should correspond to some underlying, objective and independent reality that would be the standard for judging the fidelity of the signs" (Macintosh u.a. 2000)40. Die unterstellte Isomorphie von Zeichen und Realität basiert zumeist auf der gängigen Vorstellung (z.B. Morris 1946), der zufolge eine dreistellige Relation den Prozess der Zeichenverwendung beschreibt41.

Abbildung 8: Schema dreistelliger Zeichentheorien. Quelle: Eco (1977, 30)

Die untere linke Ecke des Dreiecks, das Zeichen oder Signifikant, markiert die Position, an der man sich ein konventionelles, also kulturell festgelegtes Zeichen, vorzustellen hat, etwa das Zeichen "Fabrik". "Eng hiermit verbunden erscheint an der Spitze der Pyramide diejenige kognitive Funktion, über die jemand verfügen muss, der ein Zeichen deuten bzw. korrekt verwenden kann" (Wenzel 2000, 132). Diese Position, das Signifikat, wird häufig in der Betriebswirtschaftslehre als "Widerspiegelung" (Wessling 1991), "Abbildung" (Bode 1997) oder "Modell" (Zschocke 1995)42

deemed to be neutral tools used during the process of discovering the underlying structures that organize social reality and morality“. In ähnlicher Weise argumentiert auch Schredelseker (2002, 272) in einer informationsökonomisch orientierten Einführung in die Finanzwirtschaft. Finanzwirtschaftliche Entscheidungen werden zwar stets auf der Basis einer subjektiven Problemsicht gefällt. Gleichwohl haftet den zugrundliegenden Informationen etwas Objektives an: “Information als eine Aussage über die wahre, objektive Welt, sofern sie für eine anstehende Entscheidung von Relevanz ist“. 41 Im Folgenden siehe Wenzel (2000). 42 Zschoke (1995, 58) beschreibt den dahinter liegenden Abbildungsvorgang am Beispiel eines Unternehmensberaters wie folgt: "Angenommen, ein Unternehmensberater bekäme den Auftrag, einer Firma Verbesserungsvorschläge, etwa bezüglich ihres Lohnsystems, ihres Marktanteils oder ihres Produktions-ergebnisses, zu machen. Was wird der Unternehmensberater tun? 40

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verstanden43. Möchte man einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Menschen den Signifikanten "Fabrik" deutlich machen, so muss man ihm das zugehörige Signifikat durch den Einsatz anderer, ihm bekannter Signifikanten vermitteln. So könnte man ihm beispielsweise eine Zeichnung machen oder eine sprachliche Umschreibung wählen. Die untere rechte Ecke markiert die Stelle des Referenten. Hierbei handelt es sich um den Sachverhalt in der Welt, der mit dem Signifikat intendiert ist. Für das Beispiel der Fabrik bedeutet dies entweder eine bestimmte oder auch alle Fabriken auf der Welt. Die durchbrochene Linie zwischen Signifikant und Referent verweist auf die Unschärfe und Ambiguität in der Beziehung zwischen den beiden Relationen. Signifikanten besitzen keinen generischen Bezug zu einem Referenten. Insofern ist die Zuordnung zwischen externer Tatsache und sprachlichem Zeichen arbiträr. Ob man eine produzierende Organisation als factory oder Fabrik bezeichnet, ist letztlich eine Frage der gesellschaftlichen Konvention. "Nur über diese Zuordnung 'Symbolkraft zu Zeichen' kann Uneinigkeit bestehen, aber nicht über das eigentliche Repertoire an Symbolkraft" (Franck 1991, 90). Ganz gleich, ob US-GAAP, IFRS oder HGB, hat man sich in einer Gemeinschaft einmal auf dasselbe Zeichensystem geeinigt, so transzendiert die Denotationsbeziehung zwischen diesem Zeichen und der externen Welt jedes Bewusstsein bzw. jeden Geist dieser Gemeinschaft (Franck 1991)44.

Um seinen Auftrag auszuführen, dürfte der Berater zunächst darum bemüht sein, sich über das Lohnsystem, das Marketingkonzept oder über den Produktionsablauf der betreffenden Firma zu 'informieren' . Er wird Erkundigungen einholen, Firmenunterlagen prüfen, Befragungen vornehmen und manches mehr. Er wird bestrebt sein, sich von seinem Untersuchungsobjekt 'ein Bild zu machen'. Er wird versuchen, das Objekt, das er zu analysieren hat, zu beschreiben. Das Resultat dieses Beschreibens wollen wir ein Bild oder ein Modell und den Vorgang des Beschreibens einen Abbildungsvorgang nennen." 43 Jenseits eines Beobachtungsrelativismus wird der Realitätsbezug des Modellierens in der folgenden Aussage von Juchem (1985, 24) deutlich: "Allerdings geht die Vorstellung dahin, dass im Erkenntnisvorgang Modelle als Mittel der Erkenntnisgewinnung eingesetzt werden. Ein Modell ist dann ein System, das ideell oder materiell ein Erkenntnisobjekt widerspiegelt oder auch vereinfacht nachbildet, um so in einer Vertreterfunktion Aussagen über das Objekt selber zu ermöglichen. Modelle werden also im wissenschaftlichen Widerspiegelungsprozess als Mittel eingesetzt, um Aussagen über die objektive Realität machen zu können." 44 Auf die vermeintliche Unhintergehbarkeit der Denotationsbeziehung bezieht sich auch Eco (1977, 29), insofern er anmerkt, dass man nicht sehr scharfsinnig sein muss, "um gleichzeitig zu sehen, dass der Referent vorläufig auf die bequemste Weise einer Erfahrung Rechnung zu tragen erlaubt, die wir jeden Tag machen: dass wir, wenn wir mit Zeichen arbeiten, zumeist der Ansicht sind, damit Dinge zu bezeichnen".

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4. Unternehmen, Kommunikation und Information: ein Zwischenfazit In seltener Einmütigkeit bewerten Praxis und Wissenschaft die Finanzkommunikation von börsennotierten Unternehmen als zentral für den Unternehmenserfolg. Längst ist die Zeit vorbei, in der die Finanzkommunikation als lästiges Übel wahrgenommen wurde. Als „weicher Faktor“ wird ihr vielmehr eine feste Position im Wertkreislauf der Unternehmensentwicklung eingeräumt. Als solche ist insbesondere die Kommunikation mit Meinungsbildnern (Journalisten, Analysten) und institutionellen Investoren zu einer orginären Aufgabe des Unternehmensvorstands geworden. Auf Hauptversammlungen, Pressekonferenzen und Roadshows sowie bei Einzelgesprächen und Unternehmenspräsentationen versuchen die Top-Manager, die Analysten, Journalisten und institutionellen Anleger im persönlichen Gespräch zu überzeugen und in ihrem Sinne zu beeinflussen. Neben der face-to-face-Kommunikation gewinnen zusehends massenmediale und digitale Kommunikationsformen an Relevanz. Sie ergänzen und überlagern teilweise die traditionellen Formen der Informationspolitik wie Geschäftsberichte, Aktienbroschüren oder Aktionärszeitungen. Keine Unternehmenspräsentation kommt heute ohne einen digitalisierten Geschäftsbericht aus, der dann in unternehmensspezifischen Chatrooms von den Anlegern diskutiert werden kann. Mehr noch als bei der persönlichen Kommunkation werden mit dem zugrunde liegenden abbildtheoretischen Sprachverständnis die Grenzen der digitalisierten Kommunikation deutlich. Dieses Verständnis bildet quasi die Bruchstellen des Siegeszuges der Finanzkommunikation. Denn Sprache und der Prozess sinnvollen Sprechens sind ungleich komplexer und voraussetzungsreicher, als dies zumeist in der naiven betriebswirtschaftlichen Sichtweise von sprachlicher Kommunikation zum Ausdruck kommt. Diese betrachtet Sprache lediglich „als Transformationsmittel für Information, die eine objektive Realität widerspiegelt. Einzelne Wörter und ganze Sätze beziehen sich auf Dinge, deren Existenz unabhängig von der Handlung des Sprechens angenommen wird“ (Winograd/Flores 1989, 90). Sprache und Informationen werden mithin als Entitäten unterschiedlicher Sphären begriffen. Letztere werden als materielles Substrat betrachtet, das durch sprachliche Kommunikation transferierbar ist. Sie nehmen im Rahmen des Transfers jedoch nicht die Form des jeweiligen Zeichensystems an. Informationen werden in einen sprachlichen Kode "übersetzt", der die Information in keiner Weise verändert. Das Zeichensystem Sprache dient – wie die Container-Methapher verdeutlicht – alleine als Transportvehikel für die zu befördernde Information. Evident ist hier die cartesianische Trennung zwischen res cogitans (Information, Bedeutung) und res extensa (Sprache, Zeichensystem). Mit Begriffen wie Informationstechnologie und Kommunikationsinstrumenten und deren gesamten Begriffswelten wird permanent suggeriert, dass es sich bei Texten – wie etwa Geschäftsberichten, Aktienbroschüren oder Aktionärszeitungen – um

unabhängige, in sich sinnvolle Entitäten handelt. Wie eigene Textdateien lassen sie sich beliebig manipulieren, speichern, bearbeiten, multiplizieren und Dritten vermitteln (Rüegg-Stürm 2001). Den Sendern und Empfängern der Finanzkommunikation ist jedoch selten bewusst, dass solche Texte keine Informationen, sondern bestenfalls interpretationsbedürftige Rohdaten enthalten. „Solange die Kontextentwicklungen und das darin verkörperte Kontextwissen von Sender und Empfänger gewissermaßen kompatibel sind, darf erwartet werden, dass das jeweilige Anschlussverhalten des Empfängers auch den Erwartungen des Senders entspricht“ (Rüegg-Stürm 2001, 52). Je unterschiedlicher die systemspezifischen Kontextentwicklungen sind, desto größer ist das Risiko, dass das Anschlussverhalten des Empfängers nicht mehr konform mit den Erwartungen des Senders einhergeht. Erweisen sich demnach die organisationsspezifischen Wirklichkeitsordnungen von Industrieunternehmen und Investmentbank als inkompatibel, so prallen unterschiedliche Erfahrungen, Erwartungen, soziale Alltagspraktiken, Problemdefinitionen, Interessen usw. in der Kommunikation aufeinander und können zu Sinnabbrüchen führen. Wissenschaft und Praxis reagieren zumeist auf solche Bruchstellen mit einer Strategie des „Mehr desselben“ (Watzlawick/Weakland/Fisch 1974). „Man schreibt nochmals, man intensiviert die Kommunikationsveranstaltungen, man schafft zusätzliche Publikationsorgane, die Prospekte werden immer farbiger, und der Manipulationsverdacht nimmt entsprechend zu“ (Rüegg-Stürm 2001,52). In der Folge wird das Rauschen der Finanzkommunikation immer lauter und diffuser, ohne dass hierbei die Verständigung verbessert wird. Unerkannt bleibt hierbei zumeist der implizite Rekurs auf differente Kontexte. Ausgespart wird häufig auch die Frage nach einem angemessenen Mitteilungsverhalten. Begründet sind diese Defizite durch ein in der manageriellen Unternehmenspraxis wie in der deskriptiven Betriebswirtschaftslehre dominerendes alltagstheoretisches Verständnis von Kommunikation und Sprache, das sich auf die zum Technischen tendierende objektivistische Übertragungsmetapher reduziert.

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TEIL B: Theoretische Zugänge Investor/Unternehmens-Interaktion Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, die Investor/Unternehmens-Interaktion aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven zu beleuchten und das spezifisch Soziale dieser Interaktion herauszuarbeiten. Die weiteren Ausführungen orientieren sich dabei an der Argumentationslogik des dominanten organisationstheoretischen Paradigmas zur Erklärung der Investor/Unternehmens-Interaktion. Es handelt sich hierbei um die Neue Institutionenökonomie und hier im Speziellen um die Prinzipal-Agenten Theorie. Diese bildet quasi die strukturelle Folie, vor der die Argumentation abläuft. Zunächst werden in Kapital 1 die Grundlagen für die organisationstheoretische Analyse der Investor/Unternehmens-Interaktion gelegt, indem Aufbau und Funktionsweise der Organisation im Allgemeinen und der Kapitalgesellschaft im Besonderen aus ökonomischer Perspektive erläutert werden. Im Ergebnis erweist sich aus institutionenökomischer Sicht die Vertragsbeziehung zwischen Topmanagement und Investoren als zentrale strukturelle Grundlage für die Investor/UnternehmensInteraktion. Das Wesen dieser (Vertrags-)Beziehung, die hieraus resultierenden Probleme und – vor allem – deren mögliche Lösungen stellen den Gegenstand der weiteren Argumentation dar. Aus Sicht der Prinzipal-Agenten Theorie erwachsen aus der Vertragsbeziehung primär zwei Probleme für den Investor. Zum einen werden Informationsasymmetrien zwischen Anteilseignern und Topmanagement unterstellt, die durch entsprechende Informationstechnologien behoben werden sollen. Zum anderen werden divergierende Interessen zwischen beiden Gruppen angenommen, die den Einsatz bestimmter Anreiz- und Kontrolltechnologien nötig machen. Während die Darstellung in Kapitel 2 darauf zielt, Informationstransfer und -genese aus unterschiedlichen theoretischen Perspektive in den Blick zu nehmen, wird in Kapital 3 versucht, das Problem der Kooperation zwischen institutionellen Investoren und dem Topmanagement angesichts divergierender Interessen in den Blick genommen. Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, die Handlungsmotivationen der Interaktionspartner – Aktionäre und Unternehmensmanagement – als Ergebnis und Bedingung der sozialen Interaktionsprozesse zu explizieren.

1. Die Investor/Unternehmens-Konstellation aus ökonomischer Perspektive Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, die Grundlagen für die organisationstheoretische Analyse der Investor/Unternehmens-Interaktion zu legen, indem Aufbau und Funktionsweise der Organisation im Allgemeinen und der Kapitalgesellschaft im Besonderen aus ökonomischer Perspektive erläutert werden. Ausgangspunkt der Argumentation ist die Darstellung des neoklassischen (1.1.1) und hierauf aufbauend des institutionenökonomischen Markt- und Organisationsverständnisses (1.1.2). Daran anschließend wird aus institutionenökonomischer Perspektive mit der Trennung von

Eigentum und Kontrolle eine Besonderheit der Kapitalgesellschaft behandelt (1.2.1). Expliziert werden die daraus resultierenden Zielkonflikte zwischen Topmanagement und Anteilseignern anhand unterschiedlicher Managermodelle (1.2.2). Mit Bezug auf die dargestellten Ziekonflikte erweist sich die Beziehung zwischen Topmanagement und Anteilseignern letztlich als eine Prinzipal-Agenten Konstellation (1.2.3). 1.1. Markt und Organisation in der ökonomischen Theorie 1.1.1. Das neoklassische Markt- und Organisationsverständnis Der Begriff Markt bezeichnet das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Es handelt sich hierbei um eine institutionalisierte Form von Austauschbeziehungen. Indem der Markt die Pläne der einzelnen Akteure koordiniert und ihre Erwartungen zur Deckung bringt, werden Wünsche in Realitäten transformiert. Diese Form der Abstimmung, von dem Klassiker Adam Smith seinerzeit als „unsichtbare Hand“ apostrophiert, bildet den Kern klassischer Theoriebildung. Marktwirtschaftliche Abstimmungsprozesse basieren auf „spontanen“ Handlungen der Marktakteure. Indem Letztere individuell ihren Nutzen maximieren, kommt es auch gesamtgesellschaftlich zu einem Nutzenzuwachs. Als „unsichtbare Hand des Marktes“ koordiniert das Preissystem effizient die Entscheidungen und das Verhalten der heterogenen Marktakteure (Frost 2005). Auf dieser Grundannahme fußen die neoklassische Theorie und das Denken in Marktgleichgewichtsmodellen. Die neoklassische Grundvorstellung über die Struktur von Wirtschaftsbeziehungen und Märkten lässt sich laut Schmidt (1990) wie folgt charakterisieren: Die wirtschaftliche Grundbeziehung ist der Gütertausch zwischen zwei Individuen. Letzteren sind – so die Annahme – die für sie wertbestimmenden Eigenschaften der zu tauschenden Güter in gleicher Weise bekannt. Im Zuge der Gutsdefinition ist also ein Tausch aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung ausgeschlossen. Ein Tausch findet nur dann statt, wenn „A das Gut, das er von B eintauscht, höher schätzt als seine Gegenleistung, und umgekehrt“ (Schmidt 1990, 18). Der Markt funktioniert annahmegemäß friktionslos und transaktionskostenfrei. Jeder Tausch, der sich gemessen an Präferenzen und Gutseigenschaften als vorteilhaft erweist, kommt zustande. Angenommen wird weiterhin die Existenz einer polypolistischen Marktstruktur. Es liegen Gleichgewichtspreise für alle Güter mit den üblichen Konvexitätseigenschaften von Technologien und Präferenzen vor. Jeder Marktakteur ist Price Taker. Die Situation ist für ihn so, „dass er von einem bestimmten Gut mehr kaufen bzw. verkaufen kann, wenn er mindestens den MarktGleichgewichtspreis zu bezahlen bereit ist bzw. höchstens den Markt-Gleichgewichtspreis verlangt“ (Schmidt 1990, 18). Die Charakteristika eines allgemeinen Marktgleichgewichtes sind erstens, dass sämtliche Marktakteure ihr individuelles Optimum oder Gleichgewicht erreichen.

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Zweitens befinden sich alle Gütermärkte im Gleichgewicht und werden geräumt. Drittens existiert ein eindeutiges Gleichgewichtspreissystem. Unter der Restriktion gegebener Anfangsausstattungen und Technologien ist jedes allgemeine Marktgleichgewicht „ein Pareto-Optimum, und umgekehrt ist jede pareto optimale Allokation ein Marktgleichgewicht relativ zu einer bestimmten Anfangsausstattung“ (Schmidt 1990,19). Die skizzierte Grundvorstellung hat in ihrer kapitalmarkttheoretischen Reformulierung bis heute nachhaltigen Einfluss auf die Kapitalmarktforschung. Im Hinblick auf die hier interessierende Beziehung zwischen institutionellem Anleger und nachfragendem Unternehmen sind es primär zwei Konzepte, die für die weitere Diskussion relevant sind: z Die Effizienzmarkthypothese von Fama (1970; 1976) z Das Seperationstheorem von Fisher (1930). Ein effizienter Kapitalmarkt ist ein Markt, auf dem Informationen effizient verarbeitet werden (Sapusek 1998). „In general terms, the ideal is a market in which prices provide accurate signals for resource allocation: that is, a market in which firms can make production investment decisions, and investors can choose among the securities that represent ownership of firms’ activities under the assumption that security prices at any time ‘fully reflect’ all available information. A market in which prices always ‘fully reflect’ available information is called ‘efficient’ ” (Fama 1970, 383). Da annahmegemäß alle Informationen zeitnah und rational in die Preisbildung von Wertpapieren einfließen, kann es im Falle informationseffizienter Märkte keine fehlbewerteten Anlagen geben. Stets gilt das Motto: „you pay what you get for it“ (Spremann 1996, 699). Eine Anlagestrategie, die systematisch höhere Anlageerträge als eine sachgemäß zu definierende Normalverzinsung erzielt, ist demnach unmöglich. Fama (1970; 1976) unterscheidet drei Stufen der Effizienz: z Schwache Informationseffizienz ist gegeben, wenn kein Investor auf Grundlage vergangenheitsgerichteter Informationen (Kurs- und Renditeverläufe) eine Überrendite realisieren kann. z Semistarke Informationseffizienz ist gegeben, insofern kein Anleger auf Grundlage sämtlicher öffentlich zugänglicher Informationen eine Überrendite realisieren kann. z Starke Informationseffizienz liegt vor, wenn keine Informationen existieren, auf Grundlage derer ein Investor eine Überrendite realisieren kann45.

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In einem späteren Aufsatz hat sich Fama (1991) bei der Definition der abgeschwächten Informationseffizienz stark institutionenökonomischen Positionen angenähert. Mit Bezug auf Jensen (1978) besagt die abgeschwächte Hypothese, “that prices reflect information to the point where the marginal benefits of acting on information (the profits to be made) do not exceed the marginal costs” (Fama 1991, 1575).

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Mag es auch eine Reihe von empirisch gut belegten Ineffizienzen auf Kapitalmärkten geben, so ist im Grunde „die EMH zumindest in akademischen Diskussionen die ‚herrschende Lehre’“ (Schmidt 1990, 14). Ein zweites zentrales Ergebnis neoklassischer Finanzierungstheorie stellt Fishers Separationstheorem dar. Das auf Fisher (1930) zurückgehende Theorem besagt, dass man unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes die Entscheidungen über Realinvestitionen und Entscheidungen über Konsumpläne unanhängig voneinander fällen kann. Dieses Theorem hat nun weitreichende Implikationen. Zum einen können Entscheidungen über Realinvestitionen delegiert werden. Zwischen mehreren Finanziers, die ein gemeinsames Realinvestitionsprojekt durchführen wollen, herrscht zum anderen auch bei divergierenden Zeitpräferenzen Konsens bezüglich der Vorteilhaftigkeit einer Investition. Jenseits individueller Interessen stellt mithin der Nettobarwert als präferenzfreie Bewertungsregel ein allgemeinverbindliches Vorteilhaftigkeitskriterium dar (Schredelseker 2002; Kruschwitz 2004). Die Relevanz des Theorems für die Führung von kapitalmarktnotierten Unternehmen ist evident. Indem die Investitionsentscheidungen des Top-Managements von den individuellen Präferenzen der Eigentümer separierbar sind, können Erstere in ihrer Investitionsplanung präferenzunabhängig das optimale Investitionsprogramm finden, ohne dabei die Interessen Letzterer zu verletzen. Indem das Top-Management den Unternehmenswert maximiert, handelt es im Interesse aller Aktionäre, wie unterschiedlich deren individuelle Präferenzen auch sein mögen. Die sehr einfache Entscheidungsregel für das Top-Management zielt lediglich darauf ab, sämtliche Realinvestitionen mit einem positiven Nettobarwert zu realisieren (Gerke 2001; Schredelseker 2002; Kruschwitz 2004). Die neoklassische Theorie zeichnet sich – wie skizziert – durch ein Denken in Marktgleichgewichtsmodellen aus. Im Analysefokus stehen die marktlichen Tauschbedingungen und Koordinationsmechanismen. Ziel ist die effiziente Allokation knapper Güter. Der Preismechanismus koordiniert alle dezentralen Aktivitäten der Marktakteure ebenso effizient, wie es ein rationaler Entscheider mit vollständigen Informationen bei der Aufstellung eines Plans machen würde (Frost 2005)46. In einer so beschriebenen Marktwirtschaft gibt es keine Institutionen außer dem Eigentum und dem Recht auf Vertragserfüllung. Insbesondere die Institution des Geldes und die Institutionen der Finanzintermediäre sind überflüssig (Schmidt 1990). Aktienanalysten wären arbeitslos, da auf informationseffizienten Märkten das Kapital schon effizient allokiert würde. Überhaupt führt die Annnahme vollständiger Informationen dazu, dass die Entstehung von Unternehmen nicht erklärt werden kann. Existent sind nur technologische Produktionsfunktionen, was Demsetz (1988) zu folgendem Kommentar veranlasst: “(Firm) in the theory of price is simply a rhetorical 46

Hayek (1945, 527) bezeichnet die Kommunikationsleistung von Preisen innerhalb des neoklassischen Gleichgewichtsmodells deshalb auch ironisch als ein Wunder: „I have deliberatley used the word ‚marvel’ to shock the reader out of the complacency with which we often take the working of this mechanism for granted”.

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device adopted to facilitate discussion of the price system“. In neoklassischer Perspektive sind komplexe Institutionen wie etwa Organisationen, komplexe Verträge oder dauerhafte Wirtschaftsbeziehungen nicht nur unnötig, „sie würden auch die Existenz (bzw. die Beweisbarkeit) des allgemeinen Gleichgewichts behindern“ (Schmidt 1990, 19). Sind zentrale Annahmen neoklassischer Theoriebildung auch völlig unrealistisch, so liegt doch gerade in der ihr eigenen argumentativen Stringenz eine zentrale Stärke. Aussagen der klassischen Finanzierungslehre zu Ungleichgewichten und irrationalem Verhalten konnten mit Hilfe der Markt- und Gleichgewichtstheorie korrigiert werden (Schmidt 1990). Gleichwohl muss die konsequente Berücksichtigung von Markt und Gleichgewicht nicht zwangsläufig mit einer perspektivischen Engführung für den Fall vollkommener Finanzmärkte einhergehen. „Markets became empirically empty conceptualizations of the forums in which exchange costlessly took place“ (Demsetz 1982, 6). Aus dieser Engführung resultieren nämlich zentrale Schwächen der Theorie. Einen konzeptionellen Ansatzpunkt für die Lehre vom Finanzmanagement gibt es hier ebenso wenig wie die Option, Finanzinstitutionen konsequent zu analysieren. Investmentbanken „erscheinen dem konsequent neoklassisch argumentierenden Theoretiker nur als Produzenten der Dienstleistung ‚Zahlungsverkehr’“ (Schmidt 1990, 27). Verständlich wird angesichts der genannten Schwächen das Interesse vieler Finanzierungstheoretiker an einer Rezeption der Informationsökonomik. Diese sehen so die Chance, Finanzmanagement und Institutionenlehre mit einer Theorie der Finanzmärkte zu verbinden (Bamberg/Spremann 1987). An die Stelle der efficient market hypothesis tritt die Annahme asymmetrischer Informationsverteilung. „Even a small amount of imperfect information could have a significant effect on competitive markets“ (Rothschild/Stiglitz 1976, 649). Unter dem Eindruck der Untersuchungen von Grossman und Stiglitz (1980) sowie Radner und Stiglitz (1984) sind Neoklassische Märkte allenfalls als Sonderfall konzeptionalisierbar. Dies umso mehr, als Chade und Schlee (2002) unlängst zeigen konnten, dass unter vergleichsweise weniger restriktiven Annahmen Möglichkeiten zur Erwirtschaftung abnormaler Renditen existent sind. Nicht zuletzt die empirischen Evidenzen haben zu einer Abkehr vom neoklassischen Paradigma und zu einer Hinwendung zu neoinstitutionalistischem Denken in Finanzierungs- und Organisationsfragen geführt. Letzteres wird in Folgendem ausführlich vorgestellt. 1.1.2. Das institutionenökonomische Markt- und Organisationsverständnis „...product information is the central problem of transacting, leading to all other transaction problems...“ (Barzel 1985, 6). Diese Aussage bringt einerseits einen zentralen Kritikpunkt an der neoklassischen Gleichgewichtstheorie auf den Punkt. Anderseits markiert sie den Ausgangspunkt neoinstitutionalistischer Theoriebildung. 69

Die Kernannahme jeder neoinstitutionalistischen Argumentation ist die, dass „die Ausgangssituation der Teilnehmer dieser anonymen Märkte durch die unvollkommene Information über den Inhalt von Leistung und/oder Gegenleistung gekennzeichnet“ (Terberger 1994, 65) ist. Konzeptionalisiert die Neoklassik unvollkommene Informationen der Marktteilnehmer immer als Unsicherheit über den Eintritt zukünftiger Umweltentwicklungen, so sind im Neoinstitutionalismus diese primär durch das Informations- und Transaktionsverhalten potentieller Tauschpartner bedingt. Letzteres beeinflusst naturgemäß das Verhalten in konkreten Tauschsituationen unmittelbar. Sind etwa die Informationen über die Ausprägung der Gegenleistung im Rahmen eines verbindlichen Tauschangebotes unvollständig, so wirkt sich Letzteres auf das Verhalten des potentiellen Transaktionspartners in zweierlei Hinsicht aus (Terberger 1994). 1. Erstens ist dieses Angebot umso interessanter, je weniger ein Tauschpartner im Gegenzug zu leisten beabsichtigt. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Marktteilnehmer das Angebot annimmt, der eine unterdurchschnittliche Gegenleistung erbringt. 2. Zweitens wird jeder Tauschpartner den Lieferspielraum, dem ihm seine Handlungsoptionen und die mangelnden Kontrollmöglichkeiten seines Gegenübers eröffnen, in seinem Sinne nutzen. Er wird eine solche Gegenleistung liefern, die ihm die geringsten Nutzeneinbußen verursacht. Beide Probleme sind im Neo-Institutionalismus unter dem Adverse Selection und Moral Hazard bekannt. Sie sind strukturell identisch. Unterschiedlich sind sie nur in einem Punkt. Während bei dem Problem der Adverse Selection die Negativauslese auf dem Verhaltensanreiz basiert, den ein Durchschnittsangebot auf sämtliche potentiellen Transaktionspartner hat, geht das Problem des Moral Hazard auf Anreize zurück, die ein Durchschnittspreisangebot auf das Verhalten eines Transaktionspartners ausübt. Williamson (1985) subsumiert daher beide Phänomene unter der Begrifflichkeit opportunistic behaviour. Opportunistisches Verhalten ist letztlich „die Wahrnehmung des Rechts bzw. der Möglichkeit, zum eigenen Vorteil einen ‚harmful effect’ oder externen Effekt auf den Transaktionspartner auszuüben, der aufgrund von Informationsproblemen nicht internalisiert werden kann“ (Terberger 1994, 69). Ein rationaler Marktteilnehmer wird diese Verhaltenswirkung von Preisgeboten bei Qualitätsunsicherheiten antizipieren und sein Preisangebot entsprechend nach unten korrigieren. Spiegelbildlich wird der Anbietende annehmen, für die gebotene Leistung nur die geringste der möglichen Gegenleistungen zu erhalten. Der Preis kann zwar wieder genau einem Gut zugeordnet werden. Gleichwohl reduziert sich die Bandbreite der realisierbaren Transaktionen auf die Ebene solcher Güter, die den geringsten Qualitätsstandard im Rahmen ihrer Güterkategorie haben. In der Folge kann – wie Akerlof (1970) am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes deutlich gemacht hat – aus einem solchen Informations- und Transaktionsverhalten der Markt zusammenbrechen. Der Koordinationsmechanismus „Markt“ als Synonym für die freiwillige spontane 70

Transaktion zwischen anonymen Tauschpartnern weist deutliche Schwächen auf. Indem er für rationale Marktteilnehmer die Zurückhaltung von privaten Informationen ebenso incentiviert wie deren opportunistische Ausnutzung, kann der Markttausch zum Erliegen kommen. Die so brachliegenden Kooperationsvorteile einer arbeitsteiligen Wirtschaft spornen die rational handelnden Wirtschaftssubjekte an, die hierfür verantwortlichen Transaktionshemmnisse zu eliminieren. Nötig ist hierfür eine neue Kategorie von Gütern. Es sind Güter, die Hilfsfunktionen bei der Knüpfung und Abwicklung von Transaktionsbeziehungen ausüben. Indem die Güter Transaktionen erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen und so tauschinduzierte Kooperationsgewinne erwirken, erhalten diese einen eigenständigen Wert, welcher die Informations- und Kommunikationsprobleme und/oder hieraus resultierende Anreizprobleme zwischen Transaktionspartnern reduzieren kann. Diese Güter im Sinne von Handlungs- und Verfügungsrechten markieren eine neue Gutskategorie, die sich aus einer Vielzahl institutioneller Transaktionsarrangements zusammensetzt. Begrenzt wird die Skala von institutionellen Transaktionsarrangements auf der einen Seite von der Tauschvereinbarung auf einem Spot-Markt47 und auf der anderen Seite von der hierarchischen Weisung in einer Organisation. Innerhalb der beiden Endpunkte Markt und Hierarchie entstehen so komplexe Geflechte von Tauschvereinbarungen, die nicht im Entferntesten mehr an den Spot Markt als die simpelste Form des Tauschs erinnern. „Ob langfristige Lieferverträge, Franchise Vereinbarungen oder ein Unternehmenskonglomerat oder gar ein zentral geplantes Wirtschaftssystem – jede dieser Institutionen lässt sich als bewusste Bündelung von Spot Märkten für Property Rights, als nexus of contracts auffassen, um je nach Ausgestaltung jeweils unterschiedliche Verhaltenswirkungen bei den beteiligten Partnern zu erzeugen“ (Terberger 1994, 74). Handelt es sich bei Institutionen auch um „contractual arrangements between principals and principals and agents, made to maximize their wealth by realizing the gains from trade” (North 1984, 8), so sind diese Arrangements weder immer kostenfrei noch zwangsläufig problemlösend. Komplexe institutionelle Transaktionsarrangements mögen die tauschimmanenten Informations- und Anreizprobleme mildern, können diese jedoch nur selten reibungslos heilen (Kräkel 2004). Mit steigender Komplexität der Tauschvereinbarungen erhöht sich vielmehr der Einsatz von Zeit, Geld etc., der für die Spezifizierung der Tauschvereinbarung, für die Einigung über die Tauschkonditionen sowie für deren Kontrolle und ggf. Durchsetzung anfällt. Güter aus der Kategorie der institutionellen Transaktionsarrangements sind mithin nicht kostenlos „herstellbar“. Es handelt sich vielmehr um knappe, da ressourcenbindende Güter (Terberger 1994). 47

Indem der Tausch nicht gemäß neoklassischer Annahme reibungslos funktioniert, wird die Tauschvereinbarung als Rechtebündel auf bestimmte Lieferhandlungen und damit überhaupt erst als eigenständiges Gut sichtbar.

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Die mit den Transaktionsarrangements verbundene Kostenkategorie wird nach Coase (1937) als Transaktionskosten bezeichnet. Letztere sind seiner Ansicht (Coase 1937, 390) nach auch die letztendliche Begründung für die Existenz der Institution Unternehmen: „The main reason why it is profitable to establish a firm would seem to be that there is a cost of using the price mechanism“. Unternehmen als integrierte, in sich arbeitsteilige Gebilde haben nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie in ihrem Binnenbereich die aus jeder arbeitsteiligen Leistungserstellung resultierenden Informations- und Anreizprobleme kostengünstiger lösen können, als dies bei einer marktlichen Abwicklung möglich wäre (Picot/Dietl/Franck 2002). „Naturally, a point must be reached where the costs of organising an extra transaction within the firm are equal to the costs involved in carrying out the transaction in the open market …” (Coase 1937, 394). Um diesen Kostenvorsprung zu realisieren, müssen Unternehmen nach Coase andere Koordinationsmechanismen nutzen als der Markt. „The distinguishing mark of the firm is the supersession of the price mechanism“ (Coase 1937, 395). An die Stelle des neoklassischen Vertrages tritt hier die hierarchische Weisung. Letzte Weisungsinstanz ist der „Entrepreneur Coordinator“, der für Ressourcenallokation und –abstimmung verantwortlich ist. Statt vertraglicher Tauschbeziehungen zwischen anonymen Marktteilnehmern basieren Organisationen auf nicht spezifizierten Arbeitsverträgen. Letztere werden als Master-and-ServantBeziehung mit den folgenden Merkmalen konzeptionalisiert: Die Untergebenen (Servants) verpflichten sich einerseits, ihre Arbeitskraft in den Dienst des Entrepreneur Coordinators (Master) zu stellen. Der Master ist andererseits berechtigt, die Aufgabenbereiche der Untergebenen zu bestimmen und die Arbeit zu kontrollieren. Arbeitsverträge gepaart mit Weisungsbefugnissen erhöhen die organisatorische Flexibilität und externe Adaptionsfähigkeit. Gleichzeitig ist der Einsatz von hierarchischen Weisungen als Koordinationsmechanismus an zwei Bedingungen geknüpft: Erstens müssen die Vorgesetzten vollständig informiert sein, und zweitens muss die Arbeit beobachtbar sein (Frost 2005). Mit steigender Unternehmensgröße ist dies kaum mehr möglich, da die kognitiven Kapazitäten des Entrepreneur Coodinators an ihre Grenzen stoßen. Deutlich wird also, dass neben den Kosten für die Nutzung des marktlichen Preismechanismus auch Kosten für die interne Koordination im Unternehmen in Rechnung gestellt werden müssen. Das Organisationsproblem besteht nunmehr darin, für die einzelnen Teilaufgaben solche Koordinationsformen zu finden, die transaktionskostenminimierend wirken. 1.2. Die Kapitalgesellschaft aus institutionenökonomischer Perspektive 1.2.1. Die Trennung von Eigentum und Führung Unternehmen sind Institutionen, in denen die Ressourcen verschiedener resource providers miteinander kombiniert werden. Im Zuge der Ressourcenkombination sollen

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solche monetarisierbaren Leistungen entstehen, die auf den Absatzmärkten einen Preis erzielen, der höher ist als die Summe der Alternativerträge eingesetzter Ressourcen (Fama/Jensen 1983). Die Verbindung der verschiedenen Ressourcenbereitsteller gleicht hierbei einem Netzwerk von Verträgen. Die Unternehmung als Rechtskonstrukt bildet den Mittelpunkt des Netzwerkes (Jensen/Meckling 1976). Im Gegenzug für die Ressourcenbereitstellung räumen die Kontrakte den Lieferanten fixierte Ansprüche auf das – unsichere – Ergebnis der gemeinsam wirtschaftlichen Tätigkeit ein. „Ausdrücklich und absichtlich oder unerkannt und unabsichtlich gewähren sie ihnen auch bestimmte Handlungs- und Einflussmöglichkeiten“ (Schmidt/Weiß 2003, 4). Den vertraglich fixierten Einfluss auf das Ergebnis der Ressourcenkombination stellt eine Form der Verfügungsrechte dar. Neben dem kodifizierten Recht auf Einbehaltung der Erträge aus der Ressourcennutzung umfassen die Verfügungsrechte das Recht zur Nutzung der Ressource, zur Änderung der Ressourcensubstanz sowie das Recht, alle vorstehenden Rechte auf andere zu übertragen (Schewe 2005). Da sich im Zuge einer derartigen Übertragung die Ressourcen auf unterschiedliche Personen aufteilen, legen die Verfügungsrechte fest, „welche Person bzw. Institution welche Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine bestimmte Ressource besitzt“ (Schewe 2005, 51). Überschreiten Personen bzw. Institutionen die ihnen zugestandenen Handlungsmöglichkeiten, so definieren die Verfügungsrechte ein Sanktionspotenzial, das dem Besitzer/Eigentümer bei der Durchsetzung seiner Verfügungsrechte gegenüber Dritten Nachdruck verleiht. Auf den erzeugten Produktionswert stehen nun generell jeder Partei, bis auf eine, vertraglich fixierte Ansprüche zu. So bekommen Lieferanten des Faktors Arbeit vertraglich fixierte Löhne, der Staat erhält gesetzlich festgelegte Steuerzahlungen, der Fremdkapitalgeber bekommt vertraglich festgelegt Rückzahlungen und Zinsen usw.. Nach Abzug dieser Kontrakteinkommen offenbart sich das Residuum als Restgröße (Picot/Dietl/Franck 2005). Mindestens eine Partei der Inputgeber muss nun als Entlohnung mit diesem Residuum vorlieb nehmen. Letztlich ist dies ein Tribut an eine Welt mit unvollkommenen Informationen. Da die Zukunft offen ist, lassen sich nicht sämtliche Umweltentwicklungen vollständig vertraglich antizipieren48. Residualansprüche sind mithin „schlicht eine Reaktion auf unternehmerisches Handeln in einer Welt mit unvollkommenen Informationen“ (Picot/Dietl/Franck 2005, 261). In verfügungsrechtlicher Perspektive begründen Residualansprüche unter dem Stichwort Shareholder-Orientierung letztlich den Anspruch auf Unternehmensführung. Hierbei dienen Unternehmen primär der Verwirklichung von Eigentümerinteressen. Indem alle unternehmerischen Aktivitäten auf die Gewinnerzielung fokussiert sind, haben Unternehmen letztlich nur instrumentellen Charakter. Hier schließt die

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Als unvollständigen Vertrag bezeichnet Jost (2000, 226) eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, „die nicht für alle möglichen Umweltsituationen die zu leistenden Beiträge und die daraus ableitenden Ansprüche im vorhinein im Detail präzisiert“.

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angloamerikanische Shareholder-Value-Diskussion nahtlos an Gutenbergs Unternehmenstheorie an (Witt 2003; Schewe 2005). Begründen also Residualansprüche das Recht auf Unternehmensführung, so zeichnen sich gerade moderne Publikumsgesellschaften dadurch aus, dass Residualansprüche von den Koordinationsrechten abtrennbar sind. Aktionäre müssen keinerlei Entscheidungsfunktionen in Unternehmen ausüben (Picot/Dietl/Franck 2002). Sogar einer vollständigen „Separation of Ownership and Control“ (Fama/Jensen 1983) in Form eines Aktionariats (Halter von Residualansprüchen) respektive eines Managements (Halter von Koordinationsrechten) ist möglich. Die Trennung von Unternehmen (Management) und Eigenkapitalgebern (Finanziers) erweist sich laut Picot, Dietl und Franck (2002) primär aus drei Gründen als vorteilhaft: 1. Risikodiversifikation: Da die Anteilseigner keine Managementfunktion im Unternehmen übernehmen müssen, können sie sich auf die Risikoübernahme spezialisieren. „Sie tun das, weil sie aufgrund der spezifischen Ausgestaltung der Residualansprüche als Aktie über einen komparativen Vorteil im Umgang mit dem nicht systematisch in die Verträge eingebauten Risiko verfügen“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 284). Im Zuge einer klaren Funktionstrennung übernehmen sie die Funktion der spezialisierten Versicherer aller anderen Inputlieferanten, während sich etwa das angestellte Management ganz auf die Wahrnehmung der Koordinationsrechte konzentrieren kann. 2. Spezialisierung des Managements: Das im Zuge der Spezialisierung des Managements entstehende Entscheidungs- und Führungswissen ist für die Steuerung komplexer Leistungserstellungsprozesse von kardinaler Bedeutung. Die abgetrennten Residualansprüche erlauben nun die gezielte Suche nach den besten Fachkräften für Managementaufgaben. Ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse bzw. die Riskobereitschaft können kompetente Fachleute berufen und bei nachlassender Leistung durch bessere Kandidaten ersetzt werden (Picot/Dietl/Franck 2002). 3. Finanzierung unternehmensspezifischer Vermögenswerte: Unternehmensspezifische Vermögensgegenstände können definitionsgemäß nicht kurzfristig auf einem externen Markt beurteilt und werterhaltend verkauft werden. Das Unternehmen benötigt zur Finanzierung solch spezifischer Assets eine Art Garantiekapital, das langfristig zur Verfügung gestellt wird. Ein ideales Garantiekapital ist Aktienkapital. Es kann aufgrund der Möglichkeiten zur Risikostreuung in großen Mengen aufgebracht werden. Sehr lange und riskante Produktionsumwege – wie sie für innovative Großprojekte typisch sind – sind so finanzierbar (Picot/Dietl/Franck 2002). Die sich als zweckmäßig erwiesene Trennung zwischen Unternehmen (Management) und Eigenkapitalgebern (Finanziers) ermöglicht es nun, das Verhältnis zwischen Unternehmen und Investoren als Austauschbeziehung zu konzipieren. 74

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Finanzierung von Wachstum

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Kapitalisierung von Zukunftserwartungen

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Schaffung der Währung Aktie

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Implizite Informationsimpulse und Vorgaben durch Bewertungen

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Explizite Informationen und Vorgaben durch Eignerentscheidungen und Analystenberichte

Kapitalmarkt als Austauschbeziehung

Investoren und Finanzcommunity

Unternehmen

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Finanzielle Anlagemöglichkeit mit verschiedenen Risiko/Rendite-Profilen

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Finanzielle Flexibilität der Anlage durch Zulassung an einer Börse

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Reales Management und Organisation für finanzielles Investitionskapital zur Nutzung realer Investitionsmöglichkeiten

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Reale Flexibilität durch Austauschbarkeit des Managements

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 9: Austauschbeziehung zwischen Kapitalmarkt und Unternehmen. Quelle: Weber-Henschel (2002, 98)

Ort des Austausches ist der Kapitalmarkt. Hier vergleichen und bewerten die beiden Parteien wechselseitig die Leistungen des Gegenübers. Hierbei werden „weitaus mehr potenzielle Leistungen und Gegenleistungen verglichen, als die zumeist im Vordergrund stehenden Finanzierungs-, Bewertungs- und Eigentumsfunktionen vermuten lassen“ (Weber-Henschel 2002,98). Leistungsangebot der Investoren Die Investoren kapitalisieren über die Bewertung des Unternehmens nicht nur die aktuelle Geschäftstätigkeit, sondern in längerfristiger Perspektive auch die im Hinblick auf ein Unternehmen gesamten Zukunfts- und Wachstumserwartungen. Diese Kapitalisierung der Erwartungen unterstützt die kurz- bis mittelfristigen Aktivitäten einer Publikumsgesellschaft in mannigfaltiger Sicht. So verwendeten die Unternehmen der New Economy die in den Aktienpreisen kapitalisierten Erwartungen, um damit Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Unternehmensaufkäufe zu bezahlen. Weiterhin erbringen die Investoren und die Finanzcommunity Leistungen in Form von direkten und indirekten Steuerungsimpulsen. Direkte Steuerimpulse bekommt das Unternehmen sowohl über Aufsichtsratsanweisungen als auch durch Verlautbarungen 75

der Finanzcommunity. „Indirekt zeigt die absolute sowie relativ zur Branche sich darstellende Aktienkursentwicklung dem Management eines Unternehmens an, wie der Kapitalmarkt seine Entscheidungen oder den Geschäftsgang beurteilt“ (WeberHenschel 2002, 99). Leistungsangebot der Unternehmen Das Unternehmen bietet den Investoren im Gegenzug die Option, Finanzressourcen in reale Projekte mit differenzierten Risiko- und Renditeprofilen zu investieren. Im Zuge der Kapitalmarktkommunikation trägt das Management zum Erwartungsprofil des Risikos und der Rendite bei. Die Erfüllung dieser Erwartungen einer entsprechenden Fundamentalentwicklung des Unternehmens bildet dann die zentrale Managementaufgabe. Wird die anvisierte Fundamentalentwicklung erreicht, so erhalten die Investoren „ihre finanzielle Kompensation in Form von ausgeschütteten Unternehmensergebnissen und/oder der Wertentwicklung ihrer Aktien“ (Weber/Henschel 2002, 99). Gleichzeitig offeriert das Unternehmen zwei Arten der Einflussnahme auf das Unternehmen. Zum einen handelt es sich um Formen direkter Einflussnahme. Zu nennen sind hier etwa Personalaustausch im Management oder direkte Mitwirkung bei strategischen Entscheidungen. Während diese Option zumeist nur von langfristig orientierten und größeren Investoren ausgeübt wird, die von ihren Steuerungsaktivitäten Rendite erwarten, bleibt jedem Investor die Möglichkeit, über Kauf und Verkauf der Aktien die Unternehmensentwicklung zu beeinflussen. Diese indirekte Form der Einflussnahme ist gerade in dem kompetitiven Umfeld des Kapitalmarkts eine wirkungsvolle Option, reale Maßnahmen im Unternehmen zu erwirken. Konstituiert der Leistungstausch auf den ersten Blick eine symmetrische und weitgehend harmonische Beziehungskonstellation, so wird in institutionenökonomischer Perspektive schnell ein Interessenskonflikt zwischen den Leistungsanbietern deutlich. Grundlegend hierfür ist die Arbeit von Berle und Means (1932). Die Autoren beobachteten im Rahmen ihrer Untersuchung eine breite Aktiensteuerung bei zahlreichen Publikumsgesellschaften. Hierbei hielten die Topmanager selbst nur sehr wenige Anteile ihres Unternehmens. Aus der vergleichsweise strikten Trennung von Eigentum und Unternehmensführung leiten die beiden Autoren einen diskretionären Entscheidungsspielraum für das Topmanagement und einen Zielkonflikt zwischen den beiden Parteien ab. In der Folge kommt es zu einer Abweichung vom gewinnmaximalen Verhalten durch das Topmanagement. In der Nachfolge von Berle und Means (1932) wurden zahlreiche Managementmodelle entwickelt, die diesen Zielkonflikt behandeln. 1.2.2. Zielkonflikte zwischen Topmanagement und Investoren Eines der ersten Managermodelle diskutiert Baumol (1959). Seiner Annahme zufolge orientieren sich Topmanager bei ihren unternehmenspolitischen Entscheidungen weniger am Unternehmensgewinn als vielmehr an der Unternehmensgröße bzw. dem 76

Unternehmensumsatz. Das Topmanagement versucht hiermit, durch gesteigerte Umsätze seinen Bekanntheitsgrad, seine Karrierechancen und seinen gesellschaftlichen Status zu maximieren. Dem Unternehmensgewinn kommt in Baumols Modell (1959) nur eine untergeordnete Rolle als Nebenbedingung zu. Die Erzielung eines Mindestgewinns ist insofern notwendig, um den Konkursfall und mithin die Entlassung zu verhindern. Das Managermodell von Marris (1963, 1964) geht hingegen von einer anderen Prämisse aus. Das Management zielt hier auf die Maximierung der unternehmensbezogenen Wachstumsrate. Üblicherweise findet sich nicht nur eine positive Korrelation zwischen Managervergütung und Unternehmensgröße. Auch der Einfluss und das Prestige des Topmanagers steigen mit der Wachstumsrate. Daneben richtet sich sein Interesse auf die Sicherung der Arbeitsplätze. Als Nebenbedingung des Maximierungsproblems achtet das Topmanagement auf die Vermeidung eines Konkurses. Auch darf der Unternehmenswert nicht auf ein Niveau fallen, welches eine Unternehmensübernahme in Kombination mit einer Auswechselung des Topmanagements induziert. Williamsons (1963, 1964) vermutet in seinem Managermodell einen diskretionären Entscheidungsspielraum des Topmanagements gegenüber den Aktionären, den Ersteres für die individuelle Nutzenmaximierung ausnutzt. Annahmegemäß präferieren Topmanager insbesondere Investitionsausgaben mit Konsumcharakter und große Mitarbeiterstäbe. Während sich erstgenannte Präferenzen aus dem direkten Nutzen, den beispielsweise ein Firmen-Jet oder luxuriöse Büroeinrichtung stiftet, resultieren, begründet sich die Präferenz des Topmanagements für einen großen Mitarbeiterstab neben der Steigerung von Macht, Status und Prestige auch aus der Reduzierung seines Arbeitsleids und seiner Entlassungswahrscheinlichkeit. Jensen und Meckling (1976) untersuchen die Wohlfahrtseffekte, die aus einer externen Eigenkapital- und Fremdkapitalbeteiligung resultieren. Die Autoren konnten zeigen, dass die externe Kapitalbeteiligung zu einer Verhaltensänderung beim ursprünglich 100%igen Eigentümer/Manager führt. Ähnlich wie beim WilliamsonModell, so realisiert das Topmanagement auch hier viele nichtmonetäre Vorteile und tätigt zu viele und zu riskante Investitionen. In der Folge kommt es letztlich zu Wohlfahrtsverlusten. In einer weitergehenden Interpretation des Jensen-Meckling-Modells stellt Kräkel (2004, 286) fest, dass sich „die von Jensen und Meckling diskutierte Problematik der übermäßigen Nutzung nichtgeldlicher Vorteile bei externer Kapitalbeteiligung auch auf den Arbeitseinsatz des Topmanagements übertragen“ lässt. Halten Topmanager nur wenige Anteile am Unternehmen, so sei analog zu erwarten, dass sie hinsichtlich ihres Arbeitseinsatzes geringer disponieren, als dies im Interesse der Anteilseigner ist (Kräkel 2004). In der Folge realisieren sie einen direkten Nutzenzuwachs in Form geminderten Arbeitsleids oder eingesparter Zeit. Hingegen tragen die Topmanager die negativen Folgen ihres Verhaltens nur im Ausmaß der von ihnen gehaltenen Anteile.

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Weiterhin vermutet Kräkel (2004) einen Risikokonflikt zwischen Topmanagement und Anteilseignern. Annahmegemäß ist von einer unterschiedlichen Diversifikation der Einkommen von Topmanagern und Anteilseignern auszugehen. Während sich das Einkommen der Topmanager häufig durch schlechte Diversifikation auszeichnet, da viele Einkommensbestandteile mit dem Unternehmensrisiko direkt korrelieren, ist das Einkommen der Anteilseigner über unterschiedliche Unternehmensanteile breit gestreut. Befindet das Topmanagement in einer solchen Lage über neue Investitionsvorhaben, so präferiert es aufgrund seiner ungünstigen Einkommensdiversifizierung tendenziell wenig riskante bzw. innovative Investitionsprojekte. Aktionäre hingegen würden sich laut Kräkel (2004, 287) „nicht am Gesamtrisiko der jeweiligen Investitionsobjekte orientieren, sondern lediglich am jeweils verbleibenden Restrisiko eines Projektes, das trotz diversifiziertem Portfolio noch bestände“. Schließlich lassen sich unter dem Oberbegriff Wachstumskonflikt verschiedene Managementprobleme subsumieren. So hat bereits Marris (1964, 1964) im Rahmen seines Managementmodells auf die Gefahr eines ineffizient großen Unternehmenswachstums hingewiesen. Ein ineffizientes Wachstum im Sinne eines falschen Wachstums resultiert nach Kräkel (2004, 288) daraus, “dass Topmanager verstärkt in solche Branchen investieren, für die sie ein Spezialwissen besitzen und dadurch schwerer ersetzbar werden“. Weiterhin lässt sich aus der Kritik an der modernen Bürokratietheorie ein zusätzlicher Aspekt zum Wachstumskonflikt herleiten. Vertikale Vertrauens- bzw. Interaktionsbeziehungen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter sind gemäß der modernen Bürokratietheorie tendenziell produktiv und somit effizienzfördernd. Gleichwohl können sich vertikal auch kontraproduktive Vertrauensbeziehungen ergeben. Denkbar ist etwa, dass ein Topmanager im Gegenzug für karriererelevante Unterstützungsleistungen seine subalternen Manager mit lukrativen Posten belohnt. Gegebenenfalls bedarf es für dieses Tauschgeschäft eines ineffizienten Unternehmenswachstums. Solch eine Belohnung ist für den Topmanager aus Reputationsgründen rational, da er damit implizite Verpflichtungen einlöst und so zukünftige Investitionen anderer Akteure in Vertrauensbeziehungen mit ihm wahrscheinlich macht (Kräkel 2004). Als Ergebnis der Darstellung lässt sich die Virulenz von Interessenskonflikten zwischen Topmanagement und Anteilseignern in Publikumsgesellschaften konstatieren. Bei entsprechendem diskretionärem Entscheidungsspielraum des Topmanagements äußern sich die Konflikte nicht nur in Form von Umverteilungseffekten zu Ungunsten der Aktionäre, sondern generell in Form von Wohlfahrtsverlusten. Wenngleich nur eine Auswahl denkbarer Interessenskonflikte hier präsentiert wird, so wird doch deutlich, dass (1) die Existenz von Ineffizienzen aufgrund der „seperation of ownership and control“ (Fama/Jensen 1983) bei Publikumsgesellschaften plausibel ist und (2) eine theoretische Reformulierung des Konfliktes angezeigt ist.

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1.2.3. Die Beziehung von Topmanagement und Investoren als PrinzipalAgenten Konstellation Die skizzierten Konflikte in der Beziehungskonstellation von Topmanagement und Anteilseignern machen aus institutionenökonomischer Perspektive eines deutlich: Ganz gleich, ob es sich um gesetzte Ordnungen, formale Organisationen oder eben kodifizierte Tauschbeziehungen handelt, ihre Handlungsmächtigkeit entfalten formgebundene Institutionen nur, sofern sie das Nichtwissen und Nichtwollen der regelunterworfenen Akteure berücksichtigen. „Hierzu müssen die ökonomischen Akteure erstens mit Informationen über ihre Rolle im Wirtschaftsprozess versorgt werden und zweitens dazu bewegt werden, vereinbarte Rollen auch tatsächlich zu spielen“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 27). Die Rollen resultieren aus der Verteilung von Entscheidungs- und Verfügungsrechten, die sich im Zuge rationaler Institutionenwahl ergeben. Der Prinzipal-Agent-Ansatz integriert nun die Aspekte des Nichtwissens und des Nichtwollens, denn Interessenskonflikte und asymmetrische Informationsverteilung sind zentraler Bestandteil von Prinzipal-Agenten-Beziehungen. Letztlich beschreibt das Prinzipal-Agenten-Modell ein allgemeines Strukturmuster, das kontextunabhängig auf hierarchische Austauschbeziehungen anwendbar ist. „Whenever one individual depends on the action of another, an agency relationship arises. The individual taking the action is called the agent. The affected party is the principal” (Pratt/Zeckhauser 1985, 2). Jensen (1983) folgend, differenziert sich die Agency-Theorie in zwei komplementäre Richtungen. Die normative Richtung, meist Prinzipal-Agenten-Theorie genannt, ist typischerweise mathematisch konzipiert. Sie zielt darauf ab, die Differenz zwischen dem Nutzen des Prinzipals in einer erstbesten Lösung bei kostenloser vollständiger Information und dem in einer zweitbesten Lösung bei asymmetrischer Informationsverteilung opportunistischen Verhalten des Agenten sowie Unsicherheit der Handlungsergebnisse zu minimieren. Hauptaktionsparameter der Minimierung dieser Differenz – auch als Agency-Kosten bezeichnet – ist die Bestimmung der Entlohnungsfunktion des Agenten. Während die normative Richtung der Prinzipal-Agenten-Theorie durch einen hohen Formalisierungsgrad besticht, ist die positive Agency-Theorie verbal und empirisch orientiert. Bei Letzterer sollen Erklärungsansätze für real beobachtbare institutionelle Arrangements zur Regelung von Agency-Problemen ermittelt werden. Hauptparameter zur Lösung der Probleme ist die erfolgsabhängige Entlohnung der Agenten sowie die Installation von Informationssystemen zu ihrer Überwachung. Gegenüber dem normativen Zweig berücksichtigt dieser Ansatz eine größere Anzahl von Faktoren, die die Wahl institutioneller Arrangements bestimmen. Nicht zuletzt deshalb bewerten Richter/Furubotn (1996, 166) die positive Agency Theorie als „institutionell besehen viel gehaltvoller, aber in der Darstellung weniger formal“.

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Gemeinsam ist beiden Ansätzen das Forschungsinteresse an der Institution des Vertrags und seiner Bedeutung für die Austauschbeziehungen zwischen den Vertragspartnern. Hierbei trifft der Auftragnehmer (Agent) bei der Auftragsausführung dezisive Entscheidungen, die nicht nur sein eigenes Nutzenniveau, sondern auch das des Auftraggebers (Prinzipals) beeinflussen (Wenger/Terberger 1988). Das dabei entstehende Vertragsverhältnis sieht auf der einen Seite den Agenten vor, der nach Abwägung aller Handlungsoptionen den Auftrag durchführt. Für die Auftragsrealisierung erhält er eine vorher ausgehandelte Vergütung. Auf der anderen Seite der Vertragsbeziehung steht der Prinzipal. Er vergibt den Auftrag und erhält nach Abschluss der Auftragsbearbeitung das Ergebnis. Folgt man Arrow (1985, 371), so liegen der Agency-Theorie verschiedene Verhaltensannahmen zu Grunde. So sind die Zielfunktionen des Prinzipals und des Agenten inkongruent. Dementsprechend versuchen beide, ihren eignen Nutzen zu maximieren. Prinzipal und Agent zeichnen sich des Weiteren durch unterschiedliche Risikoneigungen aus. In der Folge präferieren beide divergierende Handlungsoptionen, die letztlich in eine inhomogene Risikoteilung münden. Um dieser Problematik zu begegnen, insinuiert die Agency-Theorie dem Prinzipal risikoneutrales und dem Agenten risikoaverses Verhalten. Schließlich agieren die Handelnden – wie in der gesamten Neue Institutionenökonomie – nur begrenzt rational, d.h. die ökonomischen Akteure sind außer Stande „perfektes“ Wissen über die Welt und ihre Gegebenheiten zu erlangen. Neben den Verhaltensannahmen unterscheidet die Agency-Theorie drei Informationsprobleme, denen jeweils ein bestimmtes Koordinations- und Motivationsproblem zugrunde liegt. Im ersten Fall – Adverse Selection – besteht das Informationsproblem darin, „dass der Principal unveränderliche (oder zumindest nicht mehr kostenlos veränderbare) Eigenschaften, die sich auf den Agent selbst oder auf die von diesem angebotene Leistung beziehen können, ex ante, d.h. vor dem eigentlichen Vertragsabschluß, nicht kennt“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 88). Nicht nur können so Agenten mit unterdurchschnittlichen Eigenschaften diese gezielt verheimlichen. „Gute“ Agenten laufen zudem Gefahr, ihre überdurchschnittlichen Eigenschaften nicht offenbaren zu können und ziehen sich daher vom Markt zurück. Um das Risiko einer Auswahl unerwünschter Vertragspartner (Adverse Selection) zu minimieren, empfiehlt die Agency-Theorie Signalling, Screening und Self Selection. Liegen bei Adverse Selection die Informationsasymmetrien ex ante vor, so handelt es sich bei Moral Hazard um Informationsprobleme, die im Verlauf einer AgencyBeziehung virulent werden. Der Prinzipal kann nach Vertragsabschluß die Handlungen des Agenten nicht beobachten oder nicht beurteilen. Er kennt zwar das Handlungsergebnis, „weiß aber nicht, inwieweit dieses auf Anstrengungen des Agenten und inwieweit es auf exogene Faktoren zurückzuführen ist“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 89). Für dieses als Moral Hazard bezeichnete Risiko des

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opportunistischen Umgangs mit der entstehenden Informationsasymmetrie sieht die Agency-Theorie verschiedene Instrumente vor. Hier sind neben institutionell verankerten Anreiz- und Sanktionssystemen zur Erzielung einer Interessenskongruenz zwischen den Parteien auch die Durchführung von Verhaltens- und Ergebniskontrollen im Rahmen entsprechender Monitoring-Aktivitäten zu nennen (Eisenhardt 1989). Das Hold-up-Rebus entsteht aus nicht zu verhinderndem Fehlverhalten. Es handelt sich hierbei also nicht um eine Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent, sondern zwischen den Vertragsparteien und Dritten. Aufgrund spezifischer Investitionen befinden sich die Parteien in einem Abhängigkeitsverhältnis, das ihnen zwar erlaubt, den Opportunismus des Gegenüber zu beobachten, jedoch nicht zu verhindern. Lösbar wäre das Problem nur, „wenn es möglich wäre, vollständige und vor Gerichten eindeutig verifizierbare Verträge abzuschließen“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 90). Da dies so nicht möglich ist, setzt die Agency-Theorie auf eine Selbstbindung des Agenten, um die Beziehung in ein interdependentes Abhängigkeitsverhältnis zu transformieren. Analysiert man nun die Tauschbeziehung zwischen Investor und Unternehmen respektive Management unter agencytheoretischer Perspektive, so ist die Beziehungskonfiguration für den (potentiellen) Investor als Prinzipal mit zwei zentralen Unsicherheitsfaktoren behaftet. Zum einen handelt es sich hierbei um die Eigenschaften der wechselseitig zu erbringenden Leistungen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor aus Sicht des Investors stellen zum anderen die Eigenschaften des Leistungsanbieters – hier des Unternehmens bzw. seines Managements – dar. Die Eigenschaften der Leistung als Unsicherheitsfaktor Wirtschaftsgüter sind bezüglich der Frage ihrer Existenz zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung zu klassifizieren. Alchian und Woodward (1988) unterscheiden hierbei zwischen Austauschgut und Leistungsversprechen. Ersteres zeichnet sich dadurch aus, „dass kein Vertragspartner, also weder Nachfrager noch Leistungsanbieter, zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung die Möglichkeit hat, auf die Qualität des Gutes einzuwirken“ (Sänger 2001, 163). Die Verhandlung zwischen den Vertragsparteien fokussiert sich auf den Austausch von Eigentumsrechten. Bei Leistungsversprechen dagegen kann der Leistungsanbieter die Qualitätsmerkmale nachträglich beeinflussen. Vertragsgegenstand ist hier eine noch zu erstellende Leistung. Betrachtet man nun die wechselseitigen Leistungen der Tauschparteien auf Kapitalmärkten, so kapitalisieren die Investoren per Definition „mögliche Zukunftserwartungen an ein Unternehmen und eine Branche früher, als das Management diese Erwartungen erfüllen kann“ (Weber-Henschel 2002, 100). Da die Zahlungsmittelbereitstellung durch den Investor zeitlich vor der Gegenleistung durch das Unternehmen erfolgt, bezieht sich der mit dem Aktienkauf verbundene Anspruch auf eine zukünftige Leistung. Aktien sind demnach Leistungsversprechen. Auch nach der eigentlichen Kaufentscheidung bleibt das Problem insofern bestehen, als der Investor bei jeder Halten- oder Verkauf-Entscheidung unsicher ist, ob seine 81

Leistungserwartungen erfüllt werden. Da aus Sicht des Investors die Erfüllung der Gegenleistung zum Zeitpunkt der Kauf- bzw. Verkauf- /Halten-Entscheidung in der Zukunft liegt, sind die Leistungscharakteristika in der Entscheidungssituation weder determinier- noch beobachtbar. Da Veränderungen der Leistungscharakteristika neben den exogenen Faktoren – wie etwa Marktdynamik, Gesetzesänderungen etc. – auch dem Einflussbereich des Aktienanbieters unterliegen, erscheinen seine Leistungseigenschaften als wichtiger Unsicherheitsfaktor (Sänger 2001). Eigenschaften des Leistungsanbieters als Unsicherheitsfaktor Die Merkmale des Personals, insbesondere die Fähigkeiten und die Qualifikationen des Managements, sind zum Teil bereits zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung fixiert und daher kurzfristig nicht veränderbar. Bei den fixierten Charakteristika lässt sich zwischen ex ante beobachteten und nichtbeobachteten Eigenschaften des Leistungsanbieters unterscheiden. Beobachtbar sind ex ante etwa die unternehmensinterne Aufgabenverteilung, die dokumentierbaren fachlichen Qualifikationen des Managements und Charakteristika, auf denen mittel- oder unmittelbar die Fähigkeit des Anbieters zur Leistungserbringung basiert. Zu nennen sind hier beispielsweise das Produktionsprogramm, die Vermögens- und Kapitalstruktur, die Besitz- und Beteiligungsverhältnisse, die Kundenstruktur, die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. Bei ex ante nichtbeobachtbaren Charakteristika handelt es sich etwa um die Fähigkeit des Leistungsanbieters, krisenhafte Situationen zu meistern. Diese sind entweder erst im Nachhinein – z.B. bei Unternehmenskrisen, deren Lösung alleine auf die Fähigkeiten des Managements deduzierbar sind – oder überhaupt nicht – etwa bei Krisensituationen, deren Überwindung auch auf exogenen Faktoren basiert – beobachtbar. „In diesem vor allem für viele ’Skills’ der Manager geltenden Fällen stellen die Fähigkeiten des Leistungsanbieters fixierte verdeckte bzw. fixierte verborgene Charakteristika dar“ (Sänger 2001, 169-170). Von den fixierten Charakteristika des Leistungsanbieters unterscheidet die Institutionenökonomie (Kaas 1992; Woratschek 1996) variable Eigenschaften. So sind etwa die Motivationen und die Handlungen des Leistungsanbieters in der Entscheidungssituation des Investors noch nicht determiniert und können daher Veränderungen unterliegen. Eine Vereinheitlichung der Handlungen des Leistungsanbieters ist nicht nur unmöglich, sie wäre auch mit Blick auf die Unternehmensführung schlicht dysfunktional. Wie Mintzberg (1994) belegt, folgt die Strategieentwicklung in Unternehmen nicht standardisierten Planungen. Während Planung stets mit Analyse zu tun hat, geht es bei echtem strategischen Denken „um Synthese, um Intuition und Kreativität, um die Entwicklung eines zusammenhängenden, perspektivischen Bildes vom Unternehmen, einer nicht unbedingt restlos präzisen Vision seines künftigen Weges“ (Mintzberg 1994, 10). Da Strategiebildung und – umsetzung nicht in einem linearen, sondern – wie Ortmann und Zimmer (2001) betonen – in einem rekursiven Konstitutionszusammenhang stehen, ist letztlich eine Projektion von erfahrenen auf zukünftige Entscheidungssituationen unmöglich. 82

Kann der Investor die Handlungen des Leistungsanbieters zumindest ex post in Augenschein nehmen, so entziehen sich auch im Nachhinein Motivation und Leistungswille gänzlich seinem Blick. Beispielsweise mag der Investor zwar die Entscheidung für eine Unternehmensstrategie beobachten können, ob diese jedoch situationsadäquat ausfällt, kann er aufgrund seines Informationsstandes gar nicht beurteilen. In ähnlicher Weise problematisiert Jensen (1986) die Entscheidung für die Gewinnverwendung. Ob die Reinvestition oder die Ausschüttung der Unternehmensgewinne eher seinen Interessen entspricht, kann der Investor häufig gar nicht beurteilen. Als problematisch erweist sich schließlich der hohe Anteil variabler und allenfalls ex ante beobachtbarer Eigenschaften sowohl bei der Leistung selbst als auch bei dem Leistungsanbieter als Eigenschaftsträger. Da diese Eigenschaften starke Unsicherheiten beim Investor induzieren, besteht die Gefahr, dass sich aufgrund der AgencyRisiken entweder die Arbeitsteilung als unproduktiv erweist oder es gar nicht erst zu einer solchen kommt. Um den drohenden Wohlfahrtsverlust zu vermeiden, sind institutionelle Arrangements so zu gestalten, dass ein „wohlstandsmaximierender Kompromiss zwischen einer möglichst produktiven Arbeitsteilung/Spezialisierung und möglichst ’reibungslosen’ Tausch- und Abstimmungsvorgängen“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 91) erzielt wird.

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2. Information und Wissen in der Investor/Unternehmens-Interaktion – theoretische Perspektiven und praktische Evidenzen Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, Informationen und Wissen als Ergebnis und Basis des Interaktionsprozesses zwischen Anteilseignern und Management herauszuarbeiten. Es geht also gewissermaßen darum, die Genese und den Transfer von Informationen und Wissen in seiner sozio-kulturellen Bedingheit zu erfassen. Mit Blick auf das dominante Theoriekonzept – die Neue Institutionenökonomie – werden zunächst solche institutionellen Arrangements dargestellt, die das Problem asymmterischer Wissens- bzw. Informationsverteilung zwischen Unternehmen und hier insbesondere dem Topmanagement einerseits und dem (potentiellen) Anteilseigner andererseits beheben sollen (2.1). Eingegangen wird hierbei insbesondere auf den Einsatz von Signalen (2.1.2), die Nutzung von Erfahrungen (2.1.3) sowie die Verwendung von Reputationstechnologien (2.1.4) zur Lösung des Informations- und Wissensproblems. Grundlegend für die institutionenökonomische Theorie und somit auch für die favorisierten Arrangements ist ein weitgehend dekontextualisiertes Wissensverständnis und ein untersozialisiertes Informationsverständnis (2.1.5). Dieses theoriegeleitete Verständnis wird im Folgenden mit den Ergebnissen der empirischen Kapitalmarktforschung kontrastiert, die Informationen weniger als beobachterunabhängige Entitäten sondern vielmehr als soziale Konstruktionen konzipiert (2.2). Dieser soziale Konstruktionsprozesse von Informationen und Wissen wird sodann unter Rekurs auf eine Fallstudie, die die Interaktion von institutionellen Investoren und Unternehmensmanagement dargestellt (2.3). Hierbei wird zunächst die üblicherweise zugeschriebene Rolle des Unternehmensmanagement als Kommunikator von Unternehmensinformationen kritisch hinterfragt und den Einfluß, den das Management auf die Informationsgenese hat, hervorgehoben (2.3.1). Spiegelbildlich wird sodann ausführlich auf die Rolle der institutionellen Investoren in diesem Interaktionsprozess eingegangen, der nicht nur als Rezipient von Informationen sondern auch als deren Konstrukteur fungiert (2.3.2). 2.1. Unternehmenssteuerung als Informationsproblem – die Sicht der Institutionenökonomie 2.1.1. Unternehmenskommunikation zwischen Marktwert und True Value Die skizzierten Informationsasymmetrien haben für die Interaktion zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner tiefgreifende Auswirkungen. Ganz gleich, ob es sich um „Value reporting“ (Kötzle/Niggemann 2001; Labhart 1999), „Shareholder Value Reporting“ (Fischer 2003) oder „Wertkommunikation“ (Weber-Henschel 2002) handelt, alle Konzepte fokussieren auf asymmetrische Informationsverteilung als zu lösendes Problem. In theoretischer Perspektive werden die rigiden Prämissen der Neoklassik in puncto Vollständigkeit und Vollkommenheit der Kapitalmärkte

zugunsten realistischer Annahmen über die Funktionsweise von Kapitalmärkten aufgegeben. Insbesondere die Annahme informationseffizienter Märkte ist mit der vorfindbaren Informationsverteilung auf Kapitalmärkten nicht vereinbar (Schmidt 1990). Mit Bezug auf institutionenökonomische Theorien werden an zentraler Stelle Informationsasymmetrien in die Überlegungen mit einbezogen: „Bei börsennotierten Unternehmen, bei denen die Trennung des Rechts der Eigentümer auf die aus dem Unternehmen fließenden Gewinne („residual claims“) vom Recht der Entscheidungen im Unternehmen („control“) als konstitutives Merkmal bezeichnet werden kann, resultiert naturgemäß ein Informationsvorsprung des Managements und damit ein zusätzliches Risiko des Kapitalgebers aus Informationsunsicherheit und in Bezug auf ein potentiell opportunistisches Verhalten des Kapitalnehmers“ (Fischer 2003, 14). Investor Relations können hier als kommunikative Schnittstelle zwischen den Informationsständen von Topmanagement und Anteilseigner fungieren, um die vorliegenden Informationsasymmetrien und die daraus resultierenden Risiken zu beeinflussen. Dies erscheint insbesondere bei nur eingeschränkt bewertungseffizienten Märkten, wie sie die gängigen Kapitalmärkte darstellen, geboten zu sein. Der Marktwert des Unternehmens entspricht hier „nicht immer dem investitionstheoretisch errechneten, ’richtigen’ Wert, wie er sich aufgrund des Insider Wissensstands des Agenten, der die zukünftigen Zahlungsströme und Risiken besser abschätzen kann“ (Fischer 2003, 15), bestimmen würde. Nur konsequent unterscheidet Hütten (2000) dann auch zwischen einem internen und externen Shareholder Value. Während der Autor Ersteren als Zwischenzielgrösse eines wertorientierten Führungskonzeptes begreift, handelt es sich bei Letzterem um die Sicht der Aktionäre, die sich an ihrem Aktienvermögen orientiert. Falls die beiden Perspektiven divergieren und ihre Ursache von asymmetrischer Informationsverteilung deduzierbar ist, so sind bestehende Wahrnehmungslücken mittels kommunikativer Aktivitäten zu überbrücken. Ganz ähnlich sehen auch Copeland, Koller und Murin (1990) die Aufgabe der Kommunikationsstrategie darin, die Lücken zwischen dem Marktwert und dem inneren Unternehmenswert zu schließen. Summa Summarum lässt sich konstatieren, dass die Nutzung kommunikativer Einflussmöglichkeiten „im Rahmen eines wertorientierten Führungskonzeptes zu einer ’conditio sine qua non’“ (Fischer 2003, 16) wird. Die Institutionenökonomie diskutiert nun unterschiedliche Maßnahmen, um bestehende Informationsasymmetrien zu reduzieren. Mit Bezug auf die vorliegende Interaktionskonstellation zwischen Publikumsgesellschaft und Anteilseigner fokussieren Freter und Sänger (2000) sowie Sänger (2001) drei – teilweise interdependente – Maßnahmen, die im Folgenden vorgestellt werden. 2.1.2. Informationen und Signale Freter und Sänger (2000) unterscheiden bei der Übermittlung von Informationen zwischen Originär- und Surrogatinformationen. „Während sich erstere direkt auf die 86

interessierenden Sachverhalte beziehen, fungieren letztere als Ersatz für die eigentlich relevanten Informationen (Surrogatfunktion) und dienen vielfach außerdem dazu, eine Vielzahl von Einzelinformationen zu verdichten (Schlüsselfunktion)“ (Freter/Sänger 2000, 797). Originärinformationen lassen sich weiterhin bezüglich ihrer Herkunft unterscheiden. Kommen die Informationen aus unternehmensexternen Quellen, so handelt es sich um Sekundärinformationen (Bitz/Oehler 1991). Tritt der Leistungsanbieter selbst als Informationsquelle auf, so spricht man von Primärinformationen. Vergangenheitsgerichtete Primärinformationen bilden die Basis der Unternehmensberichterstattung. Strategie-, Planungs- und Prognoseinformationen stellen demgegenüber zukunftsbezogene Primärinformationen dar. Aktuelle Tatbestände sind primär für die Prognose der zukünftigen Unternehmensentwicklung wichtig. Entsprechende Primärinformationen geben etwa über die Charakteristika der Publikumsgesellschaft als Leistungsanbieter Auskunft. Zu nennen sind hier etwa Informationen über die Eigentümerstruktur, Anreizsysteme, Organisationsaufbau, Leistungspotentiale und das Management. Gegenstand der Kapitalmarktkommunikation sind neben den Primärauch Sekundärinformationen. Hierbei handelt es sich um Analysen und Pressemitteilungen. Aufgrund der zugeschriebenen Glaubwürdigkeit von Medienvertretern und Analysten kommt ihnen eine meinungsbildende Funktion auf dem Kapitalmarkt zu (Täubert 1998). Häufig bedient sich der Investor jedoch bei seinen Entscheidungen sog. Surrogatinformationen. Bei ihrer Verwendung unterstellt er einen Zusammenhang zwischen den Ausprägungen der Surrogateigenschaft und denen der nicht zu beurteilenden bzw. nicht zu beobachtenden Originäreigenschaften (Sänger 2001). Die von Akerlof (1976) auch als Indikatoren bezeichneten Surrogatinformationen spielen bei der Bewertung nicht-beobachtbarer Eigenschaften der Leistung selbst – wie insbesondere des Leistungsanbieters – eine wichtige Rolle. So werden bei der medialen Präsentation des Managements zumeist Surrogatinformationen integriert. Neben konkreten Informationen zur Person – etwa zur Qualifikation oder Vita – handelt es sich hierbei auch um „weiche“ Eigenschaften wie die individuelle Optik und den persönlichen Auftritt. Diese Informationen dienen laut Freter und Sänger (2000, 780) dazu, „einerseits die an der Leistungserstellung beteiligten Personen zu identifizieren und andererseits deren Leistungsfähigkeiten und evtl. auch deren Leistungswillen glaubhaft zu ermitteln“. Auf eine spezielle Form der Surrogatinformation bezieht sich der Begriff des Signals. Ursprünglich von Spence (1973; 1976) mit Blick auf die Signalfunktion von Qualifikationen entwickelt, spielt das Signal in der aktuellen Institutionenökonomie und Spieltheorie eine zentrale Rolle. Es unterscheidet sich von einfachen Surrogatinformationen durch seine hohe Glaubwürdigkeit. Diese resultiert nach Spence (1973) aus der negativen Korrelation zwischen den Signalkosten und der Ausprägung der betreffenden Eigenschaft (Signalfunktion). „An alterable characteristic like education,

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which is a potential signal, becomes an actual signal if the signaling costs are negatively correlated with the individual’s unknown productivity“ (Spence 1973, 367). Die Kosten eines Signals können sich auf den Inhalt, auf die Aussendung und vor allem auf die möglichen Konsequenzen erstrecken. Handelt es sich bei den beiden ersten Fällen um bereits angefallene Kosten (z.B. Qualifikations-, Werbe- und Kommunikationskosten), bezieht sich der dritte Aspekt auf „drohende“ Kosten. Dies sind primär Kosten, die auf der Inanspruchnahme einer zugesagten Garantie basieren49. So fungieren etwa output-bezogene Garantien als Signal für Leistungseigenschaften. Indem der Anbieter ein fixiertes Leistungsergebnis zusagt, bekommt der Nachfrager bei Nichterfüllung einen entsprechenden Schadensausgleich. Darüber hinaus eignen sich Garantien auch zur Signalisierung der Eigenschaften von Leistungsanbietern. Hierbei sind sog. Selbstwahlschemata von Bedeutung (Arrow 1985). Der Leistungsnachfrager gibt dem Leistungsanbieter fixierte Handlungsalternativen vor, die ihm eine Schlussfolgerung von der beobachtbaren Entscheidung des Anbieters auf seine nicht wahrnehmbaren Eigenschaften ermöglicht. Da die Wahlhandlung für den Leistungsanbieter mit Konsequenzen verbunden ist, sind auch aus utilitaristischer Perspektive richtige Angaben den falschen vorzuziehen. Um die Informationsasymmetrien zwischen Publikumsgesellschaft respektive Topmanagement einerseits und (potentiellen) Investoren andererseits zu schließen und so den Ressourcenfluss auf Dauer zu gewährleisten, setzen Publikumsgesellschaften unterschiedliche Signallingmechanismen ein. So nutzen sie beispielsweise die Signalwirkung von Ratings und Dividendenausschüttung. Die Bewertung bei Ratings findet zumeist auf Antrag und Rechnung der jeweiligen Publikumsgesellschaft statt. Eine Herabstufung auf der Ratingsskala hat ebenso wie die Stornierung eines Ratingauftrags Imageeinbussen zur Folge. Die Unternehmen haben daher einen Anreiz, nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen, um so in den Genuss eines positiven Ratings zu kommen. Ein weiteres Signal stellt die Beauftragung einer bekannten Investmentbank bei einer Neuemission oder Kapitalerhöhung dar. Im Zuge ihrer Beteiligung übermittelt die Bank Informationen bezüglich der Leistung Aktie und des Leistungsanbieters Unternehmen. Ganz gleich, ob es sich um eine Neuemission oder Kapitalerhöhung handelt, ein Fehlschlag bedeutet für die Bank einen deutlichen Reputationsverlust. Da die Bank nur von ihr als positiv eingeschätzte Unternehmen begleiten wird, fungiert ihre Beteiligung als Signal für die Qualität der Aktie. Folgt man Freter und Sänger (2000, 781), so erfüllt zum einen „das beobachtbare Verhalten der Emissionsbanken eine Schlüssel- und Surrogatfunktion für die von den übrigen Marktteilnehmern nicht oder nur unter großem Aufwand erhältlichen Informationen über den Emittenten. Zum anderen besteht mit einem möglichen Reputationsverlust eine negative Korrelation

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Spence (1976) spricht in diesem Zusammenhang von „contingent contracts“.

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zwischen den mit diesem Verhalten verbundenen (nicht monetären) Kosten und der Ausprägung der nicht beobachtbaren Emittenteneigenschaften (Signalfunktion).“ Sänger (2001) verweist schließlich auf die vielfältigen Signallingoptionen, welche die digitalisierte Finanzkommunikation im Internet erlaubt. So signalisiert die direkte Kontaktmöglichkeit mit dem Leistungsanbieter in Form einer E-Mail- oder IndividualChat-Option tendenziell eine Offenheit gegenüber Fragen und Erwartungen des Investors. Fairness, Kompetenz und Qualität signalisiert auch die Bereitschaft des Anbieters, sich selbst und seine Leistungen im Kontext integrierter Many-to-ManyPlattformen einer – kritischen – Diskussion auszusetzen. Deller, Stubenrath und Weber (1998) machen überdies auf die Signalfunktion von Links aufmerksam, die von der Web Site des Aktienanbieters auf Informationsintermediäre verweisen. Indem solche Links deutlich machen, dass das Unternehmen eine Beurteilung durch Dritte – etwa Analysten und Massenmedien – nicht ablehnt, eignen sie sich als Signal für die Vertrauenswürdigkeit des Leistungsanbieters. Viele Publikumsgesellschaften haben daher ihre Web Sites mit Intermediären verbunden, die relevante Kurse oder Charts anbieten, oder mit Aktienanalysten, die sich mit dem Wertpapier des Unternehmens beschäftigen (Sänger 2001). 2.1.3. Nutzung von Erfahrungen Eine weitere Möglichkeit, um die investorseitige Unsicherheit, die sich aus der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen ihm und dem leistungsanbietenden Unternehmen ergibt, zu reduzieren, stellt die Nutzung von Erfahrungen dar. Dies setzt laut Freter und Sänger (2000, 781) voraus, „dass der Rezipient die in der Vergangenheit erfahrenen Eigenschaften auf aktuelle bzw. zukünftige Situationen übertragen kann“. Genau diese Standardisierung im Zeitablauf erweist sich bei den mit einer Aktienanlage verbundenen Leistungseigenschaften als schwierig. Insbesondere bei den erzielbaren Erträgen wird dies deutlich. Zwar kann die Unternehmung die auszuschüttenden Dividendenzahlungen beeinflussen, die wichtigeren Kursgewinne lassen sich jedoch kaum verstetigen. Eine monokausale Extrapolation von vergangenem auf zukünftigem Gewinn ist daher unmöglich. Möglich ist jedoch, auf indirektem Wege von vergangenen auf zukünftige Situationen zu schließen. Dieses Prinzip der unechten Erfahrung vollzieht sich in mehreren Phasen. Ausgangspunkt ist die in der Vergangenheit liegende Leistungserbringung der Situation A. Der Nachfrager kann ex post bestimmte Qualitäten, Handlungen und Fähigkeiten dieser Leistungserbringung wahrnehmen. Eine direkte Projektionsmöglichkeit der Handlungen und Qualitäten von Situation A auf Zukunft B besteht nicht. Gleichwohl kann „der Nachfrager jedoch aus den ex post beobachtbaren Eigenschaften Rückschlüsse in Bezug auf den ex post nicht beobachtbaren Leistungswillen bzw. die ex post nicht beobachtbaren Fähigkeiten ziehen, den bzw. die der Anbieter bei der bereits vollzogenen Leistungserstellung A eingesetzt hat“ (Sänger 2001, 207). Ex post wahrnehmbare Qualitäten und Handlungen der Leistungserbringung A fungieren 89

mithin als Surrogatinformationen für den auch ex post weder wahrnehmbaren Leistungswillen noch die wahrnehmbaren Fähigkeiten dieser Leistungserbringung. In diesem Sinne nutzen Analysten als wichtigstes Kriterium bei der Beurteilung von Managementfähigkeiten das Wachstum des Unternehmens (Mautz 1968). Konstitutiv für den skizzierten Übertragungseffekt ist die nachfragerseitige Annahme, „dass die Strukturen und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens weitgehend unverändert bleiben“ (Freter/Sänger 2001, 782). Die Extrapolation der ex post bewiesenen Managementskills auf die Zukunft setzt die weitgehende Invarianz dieser Eigenschaften als Unternehmensressourcen voraus. Zentral für die Evaluation des Leistungswillens ist die Annahme, dass das Management an einer dauerhaft positiven Beurteilung der Finanzöffentlichkeit interessiert ist. Die unterstellte Kausalität von externem Feedback und managerieller Leistungsmotivation rechtfertigt aus Investorensicht die Annahme eines entsprechenden Leistungswillens in der Zukunft (Freter/Sänger 2001).

Abbildung 10: Modifikation des Erfahrungs-Konzeptes für unechte Erfahrung. Quelle: Sänger (2000, 210)

Der Schluss von Eigenschaften des Leistungsanbieters Publikumsgesellschaft auf solche der Aktienanlage selbst basiert letztlich auf der Vermutung, dass der Leistungsoutput zufallsunabhängig entsteht. Unterstellt wird ein direkter Wirkungszusammenhang zwischen dem Leistungswille bzw. den Fähigkeiten des Anbieters respektive seines Managements einerseits und dem Leistungsoutput – etwa den 90

Kursgewinnen und Dividendenzahlungen – andererseits. Ob diese Annahme zutreffend ist, hängt letztlich von dem Einfluss exogener Faktoren auf den Leistungsoutput ab. Um unechte Erfahrungen zur Reduzierung von Informationsasymmetrien in Anschlag bringen zu können, müssen zunächst ex post beobachtbare, positiv ausgeprägte Eigenschaften der Aktie vorliegen. Zu denken ist hier an steigende bzw. stabile Verläufe ertragsbezogener Leistungen der Aktie oder an absatzmarktbezogene Erfolgsgrößen der Vergangenheit in Chartform. Diese Qualitäten muss der Investor zudem mit Leistungsfähigkeit und -willen des Aktienanbieters verbinden. „The history of the company … can be told in terms of management decisions” (Marcus/Wallace 1991, 56). Eine steigende Kursentwicklung wird dann weniger als Ergebnis günstiger externer Effekte wahrgenommen, als vielmehr auf die positiven Eigenschaften des Unternehmens respektive seines Managements zurückgeführt. Hilfreich ist hierbei eine inhaltliche Verknüpfung zwischen Episoden positiver Leistungsentwicklung und strategischer Unternehmensentscheidungen. Diesen Zweck erfüllt auch der Hinweis auf den Einfluss, den die langjährige und erfolgreiche Tätigkeit eines Managers auf die Kurs- oder Umsatzentwicklung genommen hat. 2.1.4. Reputation: Genese, Wirkung, kommunikative Gestaltung Reputation ist ein schillernder Begriff, der in der Praxis ebenso häufig wie relevant thematisiert wird, wie er mit unterschiedlichen semantischen Inhalten bedacht wird. Aus Sicht der Unternehmensstrategen wird Reputation als eine Quelle von Wettbewerbsvorteilen gesehen. Buchhalter verbinden damit einen unbestimmbaren Vorzug, eine Art Wohlwollen, dessen Wert auf den Märkten schwankt. Händler betrachten Reputation aus dem Blickwinkel einer korporativen Analogie zu Marken (Fomburn/Wiedmann 2001). Eher allgemeiner definiert Sänger (2001, 213) Reputation als „die Meinung über Eigenschaften eines Leistungsanbieters ..., die sich auf dem Markt durchgesetzt hat“. Drei wichtige Merkmale der Reputation werden hier deutlich: z Es handelt sich um eine Meinung über Charakteristika. An die Stelle einer direkten Beobachtung tritt lediglich eine subjektive Einschätzung. Tatsächliche und eingeschätzte Charakteristika können divergieren (Milgrom/Roberts 1992). z Reputation orientiert sich am Leistungsanbieter. Verhaltensunsicherheit wird über die Eigenschaften des Leistungsanbieters reduziert. z Das durch die Reputation transportierte Unternehmensimage führt zu einer angeglichenen Wahrnehmung der Nachfrager. Reputation erweist sich hier als „common knowledge or public information“ (Shapiro 1983, 663). Ebenso wie die Funktionsweise, so ist bereits die Genese der Unternehmensreputation ein orginär sozialer Prozess. Ausgehend von asymmetrischer Informationsverteilung entwickelt sich nach Wilson interindividuell ein dynamischer Prozess der Reputationsbildung, den Wilson (1985, 59) allgemein folgendermaßen beschreibt: 91

„Differences in the information available to participants make their strategies acutely sensitive to their beliefs and expectations. This in turn affects the behaviour not only of the uninformed person, but also of the informed one, who realize that these current actions affect others’ later beliefs, their expectations about his subsequent behaviour, and ultimately their choice of actions. Knowing that this chain of events will occur, the informed person has an incentive to trade off the immediate consequences of his current decision against the long term effects of his reputation” Im Falle der Unternehmensreputation erfährt die Reputationsbildung insofern eine zusätzliche Dynamisierung, als der Prozess öffentlich stattfindet. „Publics construct reputations from available information about firms’ activities originating from the firms themselves, from the media, or from other monitors” (Fomburn/Shanley 1990, 234). Hierbei nutzt und verbreitet die Fachöffentlichkeit insbesondere solche Informationen, die in ihren Augen wichtig für die Bewertung des Firmenerfolgs bzw. -misserfolgs sind. Hierbei kommt ein breites Spektrum ökonomischer und nichtökonomischer Signale zum Tragen. Neben buchhalterischen Daten über Profitabilität, Risiko und Marktkapitalisierung sind es Signale wie die mediale Unternehmensdarstellung, die institutionellen Besitzverhältnisse, die Demonstration sozialen Engagements und die Dividendenpolitik, auf welche die öffentliche Reputationsbildung aufsetzt. „As signals about firms’ activities, achievements, and prospects diffuse, individual interpretations aggregate into collective judgements that crystallize into reputational orderings of firms in organizational fields“ (Fomburn/Shanley 1990, 234). Im Zuge der marktübergreifenden Kommunikation kommt es zu einer Angleichung der individuellen Einschätzungen. Die Kommunikationsprozesse unter den Marktteilnehmern münden dabei nicht zwangsläufig in eine einheitliche Reputation aus Sicht aller Nachfrager. Innerhalb unterschiedlicher Nachfragergruppen können sich divergierende Unternehmensreputationen herausbilden. Hat sich am Ende des kommunikativen Konstruktionsprozesses eine konsistente Unternehmensreputation herausgeschält, so erfüllt diese im Rahmen der Interaktionsbeziehung zwischen Unternehmen und Investor unterschiedliche Funktionen. Zunächst wirkt sich die Reputation reduzierend auf die investorseitige Unsicherheit aus. Das Unsicherheitsniveau im Hinblick auf zukünftige Merkmalsausprägungen der Aktie selbst und des Unternehmens einerseits und die Divergenzen zwischen den Meinungen der Investoren über diese Merkmale andererseits sind eng miteinander verbunden. Homogene Meinungen gehen mit einem reduzierten Unsicherheitsniveau einher (Sänger 2001). Weiterhin erfüllt die Unternehmensreputation die Funktion einer Surrogatinformation: „Dadurch, dass die Reputation ’common knowledge’ darstellt, sind die darin beinhalteten Einschätzungen der Leistungsanbieter-Eigenschaften für die Nachfrager leicht zugänglich, und die Einschätzungen dienen als Ersatz für die – insbesondere auf zukünftige Leistungen bezogenen – nicht beobachtbaren

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Eigenschaften“ (Sänger 2001, 216). Der einzelne Investor braucht demnach nicht selbst Erfahrungen mit dem Unternehmen zu machen, er kann vielmehr von den Erfahrungen der anderen Marktteilnehmer profitieren. Die angenommene Kausalität zwischen Unternehmensreputation und den tatsächlichen Charakteristika des Unternehmens basiert auf vergleichbaren Prämissen wie die Wirkungslogik der unechten Erfahrung: Der Investor unterstellt bezüglich der Leistungsfähigkeit, dass der Fixkostencharakter der getätigten Ausgaben es dem Unternehmen unmöglich macht, diese Charakteristika zu ändern. „…reputations are valuable because they serve as signals of the underlying quality parameters” (Roberts/Dowling 2002, 1077). Im Rahmen des unterstellten Zusammenhangs zwischen Leistungswillen und Reputation, fungiert Letztere quasi als Pfand in der Hand des Investors. Denn er hat bei nicht erwartungsgemäßer Leistungserstellung die Möglichkeit, den Ruf eines Unternehmens zu zerstören. Hier offenbart sich auch die Fragilität des Reputationsmechanismus. Einerseits eröffnet eine positive Reputation strategische Wettbewerbsvorteile. Fomburn (1996) beschreibt Reputation als ein unsichtbares Hindernis (intangible obstacle), das für Wettbewerber schwer zu überwinden sein kann. Allein der strategische Vorteil Reputation ist in der Lage, für angesehene Unternehmen langfristig bessere Renditen zu garantieren als für Unternehmen ohne Reputation. Die daraus resultierende Wertgenese wird als „Reputational Capital“ bezeichnet: „A company’s reputational capital is the excess market value of its shares – the amount by which the company’s market value exceeds the liquidation value of its assets” (Fomburn 1996, 92). Andererseits verpflichtet die Reputation das Unternehmen und sein Management um den Preis eines Reputationsverlusts oder gar einer -zerstörung dazu, auch zukünftig den Leistungserwartungen der Investoren gerecht zu werden. Denn trotz des investiven Charakters der Reputation handelt es sich doch letztlich um ein kommunikatives Konstrukt, dessen Wert50 im Blick der Marktteilnehmer ruht.

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Der Kapitalmarkt offenbart, dass Reputation sogar zu einem eigenständig handelbaren Gut werden kann. So kann beispielsweise die Reputation von Wirtschaftsprüfern, Anwälten und Investmentbanken ‚gemietet’ werden. Plant ein neues kleines Unternehmen seinen Börsengang, so ist es in der Regel schwierig, Eigenkapital über die Börse einzusammeln. Um das IPO (Initial Public Offer) dennoch erfolgreich umzusetzen, wird das Unternehmen bereit sein, einen höheren Preis für ein renommiertes Bankhaus zu zahlen, welches die Börseneinführung unterstützt. Eine Bank mit einer hohen Reputation wie z.B. Goldman Sachs kann daher einen höheren Preis verlangen als eine unbekannte Bank, da für das an die Börse strebende Unternehmen ein höherer Ausgabekurs erzielt werden kann (Beatty/Ritter 1986). Hingegen besitzt ein Unternehmen mit einem starken Bekanntheitsgrad und gutem Ruf selbst genug Anziehungskraft für Investoren. Die Gefahr einer Unterbewertung bei der Aktienemission ist bei diesen Unternehmen geringer. Beispielhaft für die wertsteigernde Funktion von Unternehmensreputation war der geplante Börsengang des New Yorker Fashionunternehmens Donna Karan in den 1990er Jahren. Bei einem Gesamtwert von $ 159 Millionen lag der fundamentale Nettowert einer Aktie zunächst bei $ 2,70. Die extreme Nachfrage durch die starke Reputation der Firma trieb die Kurse für die limitierte Anzahl der Anteile schließlich auf $ 16 während der Zeichnungsfrist. Der ökonomisch gerechtfertigte Wert wurde weit übertroffen (Fomburn 1996).

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Angesichts des sozialen Charakters der Reputation eignen sich insbesondere Instrumente der Many-to-Many-Kommunikation für die Reputationsbildung und -aufrechterhaltung. Neben traditionellen Formen wie Hauptversammlungen oder Aktionärstreffen gewinnen hier zunehmend internetgestützte Kommunikationsformen an Bedeutung. Newsgroups, Mailing Lists oder Internetchats vermögen eine Vielzahl von Marktteilnehmern zu integrieren. Im Zuge einer intensiven Kommunikation können sich die Meinungen der Teilnehmer angleichen und damit zur Bildung einer homogenen Unternehmensreputation beitragen (Freter/Sänger 2001). Many-to-ManyKommunikationsformen bilden den Endpunkt eines Spektrums von informationsökonomischen Mechanismen, die der Reduzierung von Verhaltensunsicherheiten im Zuge asymmetrischer Informationsverteilung dienen. 2.1.5. Information, Signal und die Objektivierung von Wissen – ein Zwischenfazit Investoren entscheiden aus institutionenökonomischer Perspektive letztlich nur deshalb suboptimal, da sie nicht alle zur Entscheidung benötigten Informationen beschaffen und verarbeiten konnten. Welche Komplexität und Dynamik in der Entscheidungssituation auch immer virulent wird, die daraus resultierende Unsicherheit lässt sich durch die zusätzliche Aufnahme und Verarbeitung von Informationen bewältigen. Mit Blick auf die Reduktion von Unsicherheit beschränkt sich organsatorische Steuerung so auf die systematische Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Informationen sind ein Fluss zweckorientierter Nachrichten. Sie unterscheiden sich in institutionenökonomischer Perspektive nicht von Wissen. Neue Informationen werden nur nach formalen, quantifizierbaren Beurteilungsmaßstäben bewertet wie etwa zur Minimierung der Agencykosten. Problemlösungstrategien erfolgen „in der Governance-Perspektive als ’gerichtete’ Suche, d.h. als Akt des rationalen Entscheidens zwischen gegebenen Alternativen“ (Frost 2005, 230). Sollte sich der Informations- bzw. Wissenstransfer als friktionsreich erweisen, so wird gemäß nutzenmaximierender Handlungsaxiomatik dies als Problem des Nichtwollens und nicht etwa als Problem des Nichtkönnens betrachtet. Denn: Alle Akteure verfügen annahmegemäß über die gleichen Informationsverarbeitungskapazitäten und haben die gleiche Vorstellung von der Welt. Es gibt keine Interpretations- oder Kognitionsprobleme, die die Interaktion zwischen Investoren und Unternehmensmanagment behindern könnten. Probleme unvollständiger Informationen sind daher nie das Ergebnis von Wahrnehmungsdifferenzen oder Interaktionsproblemen, sondern resultieren immer aus Interessensdisparitäten oder Zielkonflikten (Frost 2005). Offenkundig wird die informationstheoretische Axiomatik der Standardökonomie bei der unterstellten Funktionsweise des Signallings. Ausgangspunkt aller SignallingModelle ist die Existenz von Informationsasymmetrien zwischen Management und Investoren bezüglich der Zukunftsaussichten des Unternehmens. Erweisen sich die 94

Prognosen als günstig und kann das Management dies den Investoren signalisieren, dann steigt der Aktienkurs zum Vorteil des Managements an. Als Signal für eine positive Unternehmenszukunft gilt etwa die Möglichkeit „money to burn“ (Thakor 1989). Je mehr Unternehmensressourcen existieren, umso größer ist die Fähigkeit, diese zu „verbrennen“ und umso weniger schädigt sich das Unternehmen selbst mit der Ressourcenverschwendung51. Sollte jedoch das Management lügen, also bei negativen Prognosen positive Signale aussenden, werden es dafür bestraft, dass es leichtfertig Unternehmensressourcen für unwahre Signale vergeuden. „Thus, it is very simple for any costly action taken by a firm to fulfill Spence’s critical assumption and look as if it is a signal of favorable prospects“ (Frankfurter/McGoun 2001, 359)52. Das Konzept des Signallings wird in der Finanzwirtschaft auf solche Anwendungsfälle begrenzt, bei denen eine kostenintensive Handlung nicht mit einem offensichtlichen Nutzen verbunden ist. Dies scheint auch kaum möglich, „because the benefits are so unspecifiable as to defy convenient quantification“ (Frankfurter/ McGoun 2001, 359). Wo immer eine Unternehmensaktivität signifikante Kosten verursacht, so die finanzwirtschaftliche Grundannahme, kann ein wie auch immer gearteter Nutzen nicht weit sein. Ist Letzterer nicht direkt erkennbar, so mag es sich im Zweifelsfall um den nicht wahrnehmbaren Nutzen des Signallings handeln. „All this is accomplished with the help of a set of assumptions resembling, in most cases, an inverted ziggurat“ (Frankfurter/McGoun 2001, 360). Konstitutiv für das skizzierte Annahmensystem des Signallings – wie für sämtliche anderen Informationstechnologien – ist die Unterstellung, dass Institutionenökonomen „die“ Interpretationskonstrukte „des“ rationalen Akteurs kennen53. Daher sind sie in der Lage, die Handlungen zu bezeichnen, die als wirksame Signale fungieren können (Männel 2002). In ihrer Theoriebildung gehen sie häufig den umgekehrten Weg. Sie schreiben bestimmten empirisch vorfindbaren Handlungen die Funktion eines glaubwürdigen Signals zu, „ohne zu prüfen, ob die Wirtschaftssubjekte selbst (Beobachter 1. Ordnung) diese Handlungen tatsächlich so interpretieren“ (Männel 2002, 157). Zugespitzt muss laut Männel (2002, 157) konstatiert werden, „dass die Theorie des Signalings zwar notwendig eine Kommunikationstheorie implizieren muss (Kommunikation von Signalen), in der Regel aber auf sie verzichtet“. Ungeklärt ist daher, warum die jeweilige Handlung genau jene Signalbedeutung hat und woher der Institutionenökonom diese Signalbedeutung kennt. An die Stelle einer Kommunika-

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Frankfurter und McGoun (2001) sehen bei dieser Signalling-Strategie deutliche Parallelen zu Veblens (1973) „conspicuous consumption“. Wie bereits erwähnt, gündet nach Spence (1973; 1976) die hohe Glaubwürdigkeit von Signalen auf der grundlegenden Annahme, dass die Kosten des Signals mit der Ausprägung der betreffenden Eigenschaft negativ korreliert sind. Deutlich tritt hier ein positivistisches Kommunikationsverständnis zu Tage. Was bereits Boisot und Canals (2004) sowie Babe (1994) für die Informationsökonomie feststellten, erweist sich modifiziert auch bei einer kommunikationstheoretischen Analyse der Signaling-Theorie als evident: „Like information, knowledge and/or news are assumed to exist independently of a knower or a receiver of news. The tacit assumption that information and knowledge are ’things’ is widely held” (Boisot/Canals 2004, 46).

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tionstheorie offeriert die Theorie des Signallings ein eigenes Interpretationskonstrukt, mit dessen Hilfe sie normativ bestimmte Handlungen als glaubwürdige Signale einstuft. „In its current form, however, it (signaling) requires a general law embodying some sort of necessity or at least a tendency for certain actions to occur when certain conditions are present” (Frankfurter/McGoun 2001, 367)54. Die Ursache, “warum welchen Handlungen welche Bedeutungen zugeschrieben werden, warum sie in welchem Sinne interpretiert werden“, moniert Männel (2002, 158) zu Recht, bleibt jedoch in der ökonomischen Standardtheorie „unbestimmt, unerklärt und uneindeutigt“55. Dieses Erklärungsdefizit der Standardökonomie basiert letztlich aus der Gleichsetzung von Information und Wissen. Ebenso wie Informationen erweist sich Wissen als „gegeben“, als beobachterunabhängige Entität dar, die gemäß eines Kategorienschemas objektiviert werden kann. Wissenstransfer wäre demnach ein „einfacher“ Prozess (Reddy 1979), bei dem universelle Bedeutungsschemata sowie homogene sozio-kulturelle Kontexte vorausgesetzt werden. Informationsasymmetrien müssen jedoch nicht zwangsläufig auf Informationsunterschiede reduziert werden, die zu opportunistischem Verhalten einladen. Sie können auch als kognitive Asymmetrien verstanden werden (Frost 2005). So können Investoren und Unternehmensmanagement jeweils kontextabhängig spezifische Wahrnehmungsschemata und Problemlösungsmuster ausbilden, die differente Interpretationen von Informationen oder Handlungen zur Folge haben. Hier offenbart sich der Unterschied von Information und Wissen. Während sich Informationen als eigenständige Objekte erweisen, die auf Märkten gehandelt werden können, entsteht Wissen nicht durch eine Akkumulation von Informationen, sondern erst durch die sinnvolle Verbindung der Informationen mit bereits existenten Wissensbeständen. 54

Frankfurter und McGoun (2001, 367) bringen dieses Problem wie folgt auf den Punkt: „We know of no such principle to exist. What we know is that signaling is part of the folklore (myth) of academic finance: that is, whatever is not seen, or cannot be explained by the accepted tenets of the economic person, must be a signal. Consequently, untold numbers of academic papers argue that management signals this or signals that, when in fact straight and common means of communication are neither present, nor would they explain what researchers found, more often than not, in an event study. If an economic law applies to a situation, then that law constitutes the explanation for the actions and not that anyone was trying to send anyone else a signal.” 55 Frankfurter, Lane und Darom (1994) untersuchen die finanzwirtschaftlichen Reaktion, die mit einer speziellen Botschaft und einem Kommunikationsformat - dem Aktionärsbrief - zwischen Topmanagement und Anteilseignern verbunden ist. Die Implikationen der Untersuchungsergebnisse gehen jedoch über die ursprünglichen Postulate hinaus und stellen die grundsätzlichen Annahmen der gegenwärtigen Dividendenpolitik in Frage. In ihrer Untersuchung konnten Frankfurter, Lane und Darom (1994) zeigen, dass sich die finanzielle Leistung nach der Ankündigung von strukturellen cost-cutting-Strategien weiterhin verschlechterte. Weiterhin stellten die Autoren fest, dass viele der Firmen steigende Dividendenzahlungen vornahmen. Die Untersuchungsergebnisse sind ihrer Meinung (Franfurter; Lane; Darom 1994, 261-262) nach für die finanzwirtschaftliche Forschung mit folgenden Konsequenzen behaftet: „Thus, at best the cost cutting statement is an unclear message. At worst, it indicates that some managers of low quality firms are able to pay the costs of using dividend payouts as an intentionally false signal. Whatever the reasons for these payouts might be, the results presented here strongly suggest that the role of dividends and dividend increases as a signal of strength in particular and the concept of dividend signaling equlibrium in general, must be more carefully and thoroughly examined. The empirical findings suggest that dividends are either a code of behavior or, at least for some firms, hush money to the shareholders.”

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Wissen ist daher grundsätzlich an einen konkreten Referenz- bzw. Sinnzusammenhang gebunden. Der Transfer von Wissen – sei es zwischen Personen oder Organisationen – ist mithin an basale kulturelle Sinnzusammenhänge gebunden, auf die sich die Akteure in ihren Interaktionen beziehen, um soziale und kognitive Anschlussfähigkeit zu gewährleisten.56 „Lernen, Denken und Wissen basieren auf Beziehungen zwischen Menschen, die mit Aktivitäten beschäftigt sind, die in, mit und aus der sozial und kulturell strukturierten Welt heraus stattfinden. Diese Welt selbst ist sozial verfasst“ (Lave 1991, 67). Ein linearer Wissenstransfer, wie er der institutionenökonomischen Theorie implizit zugrunde liegt, erscheint angesichts differenter Konstruktionen, Sinnund Relevanzsysteme unmöglich. „Thought worlds with different funds of knowledge and systems of meaning cannot easily share ideas, and may view one another’s central issues as esoteric, if not meaningless“ (Boland & Tenkasi 1995, 351). Diese soziokulturelle Verfaßtheit von Interaktionsprozessen auf dem Kapitalmarkt hat die empirische Kapitalmarktforschung schon länger im Blick, wie das nachstehende Kapitel zeigt. 2.2. Informationen als soziale Konstruktionen – die Sicht der empirischen Kapitalmarktforschung Investoren fällen Urteile über den Wert von Kapitalanlagen in erster Linie aufgrund der erwarteten Einzahlungen, die auf die Auszahlung beim Erwerb eines Finanztitels folgen werden (Schmidt 2001). Basis des dabei verfolgten Ertragswertkonzepts ist die Fundamentalanalyse. Der innere Wert eines Finanztitels wird hierbei mit seinem Börsenkurs verglichen. „Liegt der Börsenkurs unter dem inneren Wert, gilt die Aktie als unterbewertet und ist entsprechend zu kaufen; im anderen Fall wäre sie zu verkaufen“ (Peridon/Steiner 1999, 211). Damit die Fundamentalanalyse sinnvoll ist, muss angenommen werden, z dass der Aktienkurs und der innerer Wert regelmäßig divergieren, z dass der Aktienkurs generell zum inneren Wert tendiert und, z dass der innere Wert mit hinreichender Genauigkeit abschätzbar ist (Schredelseker 2002). Das Interesse des Investors bzw. des ihm zuarbeitenden Analysten gilt daher der Ermittlung des inneren oder „echten“ Aktienswerts. Die Wertermittlung wird durch den naheliegenden Grundgedanken bestimmt, „dass der Kurs einer Aktie durch interne und externe Unternehmensdaten und damit durch den inneren Wert (Intrinsic Value) des Unternehmens bestimmt wird, das sie repräsentiert“ (Peridon/Steiner 1999, 211). Graham und Dodd (1962, 24) bezeichnen daher auch als inneren Wert einer Aktie

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Ähnlich betonen unlängst Porac et al. (2005, 595): „we should move from the notion of ’shared’ cognition as an overlap of knowledge representations to ’sharing ’ cognition as a dynamic phenomenon that is situated in concrete circumstances“.

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„that value which is justified by the facts“. Demzufolge erscheint es nur zu verständlich, dass nach einer repräsentativen Untersuchung unter deutschen Fondsmanagern, 45 % der Befragten fundamentale Unternehmens- und Marktinformationen als prioritär für ihre Anlageentscheidungen einstufen (Lütje/Menkhoff 2004). Scheint sich also auf den ersten Blick die Position der Standardökonomie zu bestätigen, so relativiert sich bei einer detaillierten Analyse der Untersuchungsergebnisse diese Sichtweise deutlich. Eine Erweiterung des Analysefokus um solche Informationsquellen, die von hoher Bedeutung für die Anlageentscheidung sind, macht die Relevanz von nicht-fundamentalen Informationsquellen offenkundig. „Zwar liegen Fundamentals auch jetzt mit 95 % vorn, doch die Kollegen(gespräche M.G.) erreichen nun 79 %, die technische Analyse immerhin 71 %, während die drei anderen Informationsquellen deutlicher abfallen. Es zeigt sich demnach, dass in der Praxis nicht-fundamentalen Informationen neben den Fundamentals erhebliche Bedeutung als Informationsquelle zukommt“ (Lütje/Menkhoff 2004, 7). Die Bedeutung von nicht-fundamentalen Informationen für die Ermittlung des Unternehmenswertes ist nicht neu. Bereits Keynes (1936) vergleicht die Börse mit einem Schönheitswettbewerb. Hierbei gewinnt derjenige unter den Juroren, der zutreffend die Kandidatin prognostiziert, welche die meisten Stimmen auf sich vereint. Erfolg hat demnach nicht der Juror der Schönheit „richtig“ bewertet, sondern die Meinungen der anderen Juroren zutreffend beurteilt. Neu ist hingegen, dass die Berücksichtigung von nicht-fundamentalen Informationen bei der Unternehmensbewertung nicht nur als irrationale Ausnahme von der rationalen Regel gilt. Stellte doch die wissenschaftliche Berücksichtigung nicht-fundamentaler Faktoren lange Zeit quasi ein Sakrileg an der herrschenden Theorie effizienter Märkte dar. Seit Ende der achtziger Jahre werden die nicht-fundamentalen Ansätze mit mehr (LeRoy 1989, 1990) oder weniger Sympathie (Fama 1991) behandelt und haben sich zu einem akzeptierten Forschungsgebiet entwickelt. Während es nur eine, wenngleich diversifizierte fundamentale Theorie gibt, so liegen mittlerweile eine Vielzahl nichtfundamentaler Ansätze vor. Zu nennen sind hier etwa verhaltenswissenschaftliche Ansätze, institutionell bedingtes „Herding“, destabilisierende Spekulation, Informationsbubbles, Rational Bubbles und Noise Trading. Von Interesse ist hier primär der letzte Ansatz – Noise Trading –, da er am ehesten einen geschlossenen Gegenentwurf zur Sichtweise ständig fundamentaler Kursbildung liefert (Menkhoff/Röckemann 1994; Menkhoff 1995; Röckemann 1995). Grundlegend für die Forschungsrichtung ist die Arbeit von Black (1986). In Anlehnung an das weiße Rauschen eines zufälligen Störterms in der Nachrichtentechnik führte er den Begriff Noise ein. Noise ist hiernach „das Grundrauschen des Marktes, das unsystematisch auftretende Handeln ohne fundamentalen Auslöser“ (Röckemann 1995, 50). Dieses Rauschen unterscheidet er in seinem Kapitalmarktmodell von Informationen. Nun gibt es Marktteilnehmer, deren Handeln auf fundamentalen Neuigkeiten basieren und damit den Aktienpreis systematisch an neue Informationen anpassen. Diesen aufgrund

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fundamentalen Informationen handelnden Anleger kontrastiert Black (1986) mit den Noise Tradern, d.h. solchen Anlegern, die auf das Geräusch des Marktes achten. „People sometimes trade on information in the usual way. They are correct in expecting to make profits from these trades. On the other hand, people sometimes trade on noise as if it were information” (Black 1986, 529). In ähnlicher Weise unterscheidet Shiller (1984) bereits früher zwischen Ordinary Investor – dem späteren Noise Trader – und dem Smart Money Investor. Während Ersterer „no model or at best a very incomplete model of the behavior of prices, dividends, or earnings of speculative assets“ (Shiller 1984, 464) hat, agieren Letztere nach dem neoklassischen Marktmodell. Sie bilden ihre Erwartungen als gewichteten Durchschnitt zukünftiger Dividendenzahlungen und passen diese rational an öffentlich verfügbare, fundamentale Informationen an. Ihre Aktiennachfrage entwickelt sich parallel zum prognostizierten Ertrag und wird durch die Risikoaversion und das Vermögen restringiert. Hingegen beinhaltet die Gruppe der Ordinary Investors solche Anleger, die von den rationalerweise zu erwartenden Erträgen abweichend entscheiden. Ihnen wird zunächst keine bestimmte Verhaltensweise unterstellt. Die Verzerrungen der Noise Trader werden nach Shiller (1984; 1995; 1999; 2000) beispielsweise von Moden, Gruppenzwängen und sozialer Kommunikation ausgelöst und schlagen sich in spezifischer Weise in den Preisen nieder. Grundlegend hierbei ist die Erkenntnis, dass auch das Investieren in Aktien eine soziale Handlung ist. Daraus folgert er: „individul opinions are influenced by the opinions of others“ (Shiller 1984, 465). “Investors spend a substantial part of their … time discussing investments …, or gossiping about others’ successes or failures in investing” (Shiller 1984, 457). Mit Verweis auf sozialpsychologische (Levine/Resnick 1993) und anthropologische (Goodwin/Heritage 1990) Kommunikationsforschung verweist Shiller (1995) auf die Kontextualität und Regelorientierung von Kommunikationsprozessen. Mit dieser Position grenzt er sich dezidiert von informationsorientierten Herdingansätzen (Banerjee 1992; Bikhchandani/Hirshleifer/Welch 1992) ab, bei denen Informationen durch das beobachtete Verhalten anderer erworben werden. Getreu dem Motto „actions speak louder than words“ (Wärneryd 2001, 220) basieren diese Ansätze implizit auf der selbsterklärenden Evidenz von Signalling-Handlungen. Unabhängig von Ort, Zeit und sozialem Kontext lassen sich die Signale zweifelsfrei decodieren und bilden die Stimuli für mögliches Herdenverhalten. Im Gegensatz hierzu stellt Shiller die Interpretationsnotwendigkeit und soziale Anschlussfähigkeit von Informationen im Besonderen und Verhalten im Allgemeinen heraus. Wie eine Information verstanden wird und ob sie sich als kommunikativ anschlussfähig erweist, hängt maßgeblich von den kontextspezifischen Konversationsregeln ab. „The topic of whether the national debt should be regarded as wealth is just not suitable for discussions outside of economics departments coffee hours, as if the topic of how much we should diversify our portfolios and hedge risks (Shiller 1995, 184). Unterschiedliche Gruppen – so Shiller (1995, 1985) – “have different tendencies – different in terms of conversation

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patterns as well as circumstances promoting informational cascades – to transmit certain kinds of information and thereby place it in their collective memories”. Was letztlich als Stimulus eine Informationskaskade auslöst oder ein Herdenverhalten in Gang setzt, divergiert gruppenspezifisch beträchtlich. „Moreover, stimuli to conversation are different across groups; each group has its own reminders of conversation topics“ (Shiller 1995, 185). Während Shiller (1995) primär auf die soziale Dimension der Informationstransformation und –interpretation fokussiert, nimmt Menkhoff (1995) die Konstruktivität der Informationen selbst in den Blick. Diese Sicht bedeutet „eine Umkehrung der ökonomischen Perspektive zu spekulativen Prozessen“ (Menkhoff 1995, 186). Ausgehend von institutionellen Rahmenbedingungen, die die vernünftigen Verhaltensoptionen restringieren, und unter Addition einer beobachtbaren Form der Informationsverarbeitung, die mehr Möglichkeiten zulässt als die ökonomische Theorie, ergeben sich laut Menkhoff (1995, 186) „entsprechend vielfältigere Einflüsse auf die Kursbildung als alleinige Fundamentals: Kursinformationen werden gemacht und sind nicht bereits vorhanden“. Neben der Endogenisierung von Informationen durch den Spekulationsprozess legen laut Menkhoff (1995, 207) „die angestellten Analysen eine Erweiterung der vorherrschenden ökonomischen Theorie“ um weitere Komponenten nahe. Menkhoff nennt hier u.a. die Unsicherheit über Fundamentals und konkurrierende Interessen der Akteure. Ersteres verhindert die Existenz eines eindeutig als „richtig“ erkennbaren Fundamentalkurses. Weder lassen sich die Fundamentals zu einem gegebenen Zeitpunkt eindeutig bestimmen, noch erweisen sie sich im Zeitablauf als stabil. Ökonomische Fundamentals – so Menkhoff (1995, 209) resümierend – „ sind also nicht aus sich heraus eindeutig zu verstehen, sondern bedürfen eines interpretativen Kontextes, den man als Erwartungsstruktur der Marktteilnehmer bezeichnen kann“. Weiterhin greift die Relevanz von konkurrierenden Interessen für die Erklärung von unterschiedlichen Anlagestrategien ein Charakteristikum von Preisbildungssprozessen auf, auf die Black (1986), Shiller (1984; 1995; 1999; 2000) oder Wärneryd (2001) gleichfalls verweisen: „Der Preis der Aktie wird zum sozialen Faktum“ (Maas/Weibler 1991, 18). Insbesondere bei institutionellen Investoren, die mit marktbasierten Anreizsystemen den organisationsinternen Wettbewerbsdruck anheizen, beobachten die Investmentbanker, Analysten, Aktienhändler etc. nicht nur ihr Erkenntnisobjekt, sondern auch ihr Gegenüber: Die Marktteilnehmer beobachten den Markt, indem sie sich gegenseitig beobachten. Konkurrenten benutzen sich gegenseitig als Spiegel und erhoffen sich davon ein Fenster zum Markt57. Darüber hinaus machen sie – zumindest zum Teil – die eigenen Handlungen wechselseitig voneinander abhängig.

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Die Idee vom Markt als wechselseitige Beobachtung von Konkurrenten geht auf Harrison White (1981) zurück. Anbieter spekulieren demnach weniger darüber, was die Nachfrager wollen, sondern richten ihre Handlungen an denen ihrer Konkurrenten aus. Der wechselseitige Spiegel der Anbieter wird damit durch ein Rückschlussverfahren zum Fenster auf die Nachfrager.

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Die skizzierten Interdependenzen der institutionellen und individuellen Markteilnehmer und die hiermit verbundenen Auswirkungen auf die Preisbildung stellt die fundamentale Theorie vor Erklärungsnöte. Ihre Reaktion besteht darin, die erweiternden Perspektiven durch idealisierende Annahmen auszuschließen. Indem namhafte Protagonisten auf die Notwendigkeit einer geschlossenen, handhabbaren Theorie als sine qua non der Finanzwirtschaft verweisen, können sie den hohen Abstraktionsgrad mit entsprechend notwendigen Vereinfachungen vermeintlich problemlos legitimieren. „Solange die Börsenpsychologie aber nicht in der Lage ist, Anlegerverhalten systematisch zu erklären und zu prognostizieren, liefert die Vorstellung von seelenlosen ß-Anlegerandroiden die besten Näherungsmodelle für die Preisbildung an den Kapitalmärkten“ (Gerke/Arneth 2001, 426). Auf einem Kontinuum varriierender Abstraktion, auf dem sich Erklärungen anordnen lassen, bezeichnet die traditionelle fundamentale Theorie einen Endpunkt. Den anderen Endpunkt markiert die Einzelfallerklärung. Die fundamentale Theorie beschreibt letztlich „einen Grenzfall der Wirklichkeit spekulativer Märkte“ (Menkhoff 1995, 209). Eignet sie sich auch als Bezugsrahmen für Abweichungen und liefert sie in vielen Fällen aussagekräftige Erklärungen, so bleibt sie doch in ihrer restriktiven Ausprägung für die Praxis weitgehend ohne Relevanz: „Wer die Umwelt in der Vergangenheit so schlicht gesehen hätte, der hätte als spekulierender Marktteilnehmer vermutlich seine berufliche Position verloren“ (Menkhoff 1995, 209). Auch wenn es zunächst paradox erscheint, so ist es gerade das Kernstück der traditionellen Kapitalmarkttheorie, welches sich als unzureichend erweist: „Das restriktive Bild rationaler Erwartungsbildung über Fundamentals unterschätzt die Leistungsfähigkeit der Marktteilnehmer. Im Umfeld dieser Märkte denken professionelle Spekulanten weiter, so dass auch die Logik dieser Märkte eine andere als die der fundamentalen Theorie ist“ (Menkhoff 2005, 209)58. Wie sich die kommunikative Interdependenz zwischen Marktteilnehmern und hierbei insbesondere zwischen Publikumsgesellschaften und ihren institutionellen Investoren darstellt und sich auf die Wertermittlung und -prognose auswirkt, wird im Folgenden beschrieben. 2.3. Unternehmenssteuerung als Wissensproblem – die Sicht der Wissenssoziologie Im Interaktionsprozess zwischen Publikumsgesellschaft und institutionellem Investor sind primär zwei Akteursgruppen von Interesse. Auf Seiten der Publikumsgesellschaft sind es in erster Linie die Akteure aus dem finanzwirtschaftlichen Zentralbereich. Sie generieren in Abstimmung mit den einzelnen Unternehmenssparten die Informationen, die dann in überarbeiteter Form Eingang in die „offizielle“ Kapitalmarktkommuni-

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„Markets develop a momentum of their own. Because financial markets are highly speculative, they operate according to a set of internal dynamics largely divorced from the real economy”. (Pearlstein 1994, D 13 zitiert nach Mars 1998, 206).

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kation finden. Sie sind i.d.R. auch der zentrale Ansprechpartner für die zweite, an dem Interaktionsprozess beteiligte Akteursgruppe. Hierbei handelt es sich um einen Handlungsverbund von Analysten und Portfoliomanagern, die auf Investorenseite den Interaktionsprozess bestreiten. Während die Analysten in der beständigen Interaktion mit den Unternehmensvertretern versuchen, das „wahre“ Unternehmen hinter der „offiziellen“ Darstellung zu entdecken und hierbei vielfältiges Unternehmenswissen generieren, sind die Portfoliomanager die eigentlichen Entscheider im Interaktionsprozess. Auf Basis der Unternehmensanalysen treffen sie ihre Investitionsentscheidungen und setzen hierdurch via Kapitalmarkt Steuerungsimpulse für die Publikumsgesellschaften. Diesen Interaktionsprozess gilt es im Folgenden näher zu untersuchen. 2.3.1. Die Kapitalgesellschaft im Prozess der Wissensgenese – nur Kommunikator? 2.3.1.1.

Finanzorganisation, Unternehmenssteuerung und Kommunikation

In Zeiten globalisierter Finanzmärkte mutiert die Finanzorganisation von einem Shareholder-Value-Advokat (Rumpf zit. nach Rieder 1996) zu einem „Opfer“ (kapital-) marktorientierter Steuerung. Bestimmte lange Zeit die Liquiditätssicherung als betriebswirtschaftliches a priori die Aufgaben der Finanzorganisation (Hauschild 1968), so hat sich dies im Zuge finanzwirtschaftlicher Globalisierung und kapitalmarktorientierter Anlagekultur grundlegend geändert. Wie Heldt (2002) in einem Zeitvergleich zur Organisation der finanziellen Führung in deutschen Publikumsgesellschaften deutlich macht, wird die Dominanz des Liquiditätspostulats zunehmend von Wirtschaftlichkeits- und Gewinnüberlegungen verdrängt. „Knapp sind nicht mehr die finanziellen Mittel, sondern Investitionsalternativen, die diesen Ertragsansprüchen gerecht werden“ (Hauschild/Held 2001b, 345). Waren die bedeutsameren Managemententscheidungen bis dato eng mit dem güterwirtschaftlichen Leistungsprozess verbunden, so werden sie zunehmend auf der Meta-Ebene finanzwirtschaftlichen Portfoliodenkens angesiedelt (Rieder 1996). Konzernzentralen mutieren zu reinen Holding-Gesellschaften. Die Grenzen zwischen dem finanziellen und dem nicht-finanziellen Sektor verwischen. Im Zuge dieser finanzwirtschaftlichen Prioritätenverschiebung verändert sich auch das Kommunikations- und Informationsverhalten. So kommt Heldt (2002, 356) mit Blick auf den Wandel der Finanzkommunikation zu folgendem Ergebnis: „Die finanzwirtschaftlichen Kommunikationsbeziehungen sind formalisierter geworden, die Informationsversorgung zuverlässiger, der Kommunikationsfluß offener, direkter, schneller und widerstandsfreier, das Informationsangebot umfangreicher und zielgerichteter, die Informationsnachfrage selektiver“. Den Wandel zu einer offeneren Kommunikationskultur sehen die Interviewpartner in Heldts Untersuchung (2002) in einem Generationswechsel gepaart mit einer zunehmenden Professionalisierung des

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Managements begründet. Begünstigend wirkt sich auch die zunehmende Trennung von Eigentum und Leitung aus.: „Vor 28 Jahren waren wir noch ein familiengeprägtes Unternehmen, jede Informationsweitergabe war fast so viel wie Geheimnisweitergabe. Heute sind auch die Statthalter der Familie nicht mehr da, und es sind heute reichlich unbekümmerte junge Leute am Werk, die sagen, das ist doch ganz normal, darüber kann man reden“ (Interview zitiert nach Heldt 2002, 357). Der Generationswechsel verändert auch die Führungskultur. Mit der Reduzierung von Delegationsbarrieren, dem Wandel des Mitarbeiters von einem Befehlsempfänger zu einem Ratgeber, gewinnt wechselseitiges Vertrauen an Relevanz: „... auch das Delegieren von Kompetenzen und Verantwortung auf die Einzelnen, die Art und Weise, wie wir mit denen diskutieren, so etwas gab es da nicht in der Form früher. Da war es ein, ich sage mal, ein Antanzen und Reporten. Heute ist das ein Dialog“ (Interview zitiert nach Heldt 2002, 357). Aber nicht nur die vertikale Kommunikation ist offener und vertrauensvoller geworden. Auch auf vertikaler Ebene ist eine „Entproblematisierung“ des Informations- und Kommunikationsflusses zu beobachten. Insbesondere an der Relevanz einer störungsfreien Kommunikation zwischen Treasurer und Controller lassen die Gesprächspartner in Helds Untersuchung (2002) wenig Zweifel aufkommen. Um Informationswiderstände zu überwinden, setzt der Controller hierbei weniger auf seine Befehlsgewalt kraft hierarchischer Position, sondern auf seine Fachkompetenz und seine Stellung als Prozesspromotor. „Seine Informationsautorität und sein Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen gedeihen in einem Kreislauf gegenseitigen Gebens und Nehmens“ (Heldt 2002, 359). Es ist kein Einzelfall – wie Heldt (2002) betont –, wenn Finanzvorstände den Begriff „Finanzbereich“ vornehmlich mit „Controlling“ assoziieren: „Die Bedeutung des Finanzbereichs hat immer mehr zugenommen, mit zunehmender Information, die halt vorliegt. Früher hatten wir halt eine Buchhaltung, die hat sich um diese Sachen nicht gekümmert, da gings darum, dass die Sachen bearbeitet werden. Heute ist der Rat des Finanzbereichs gefragt, weil er halt auch der Informationspool ist und hier Spezialisten sind, die mit Informationen auch umgehen können“ (Interview zitiert nach Heldt 2002, 359). In dieser Spirale des Gebens und Nehmens modifizieren operative Einheiten ihr Planungsbewusstsein. Neben dem Rechenschafts- und Sanktionsdenken wird das Planungsbewusstsein zunehmend vom Steuerungsdenken geprägt: „Das ist doch so eine Stimmung, die grenzenlose Ablehnung von Planungen gegenüber der Zentrale ist völlig anders geworden. Es ist auf allen Seiten auch ein Dialog möglich, ... weil die einsehen, dass man damit auch was anfangen kann, für die eigene Steuerung ...“ (Interview zitiert nach Heldt 2002, 359). Forciert wird dieses Steuerungsdenken durch die Restrukturierung der Unternehmen in erfolgsverantwortliche Spartenorganisationen. Die rechtliche Verselbstständigung

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von Subeinheiten erfordert ein autonomes Bereichsrechnungswesen, die verursachungsgerechte Zuschreibung der Spartenergebnisse erhöht die Transparenz des Unternehmensgeschehens. Das „Röntgenbild des Unternehmens“ gewinnt so zusätzliche Schärfe. Indem die finanzielle Führung auf Teile des „Röntgenbildes“ zugreifen kann, profitiert sie von der Informationsbeschaffungsmacht, der Einheitlichkeit des Informationsstandes und dem güterwirtschaftlichen Sachverstand des Controllers. Im Kontext dieser Entwicklungen entstehen Lernprozesse, die potentiell eine Ursache-Wirkungs-Spirale in Gang setzen. Ein gezielteres Informationsangebot impliziert gezieltere Informationsnachfrage und umgekehrt. Individuelle Fähigkeiten im Umgang mit Informationen erhöhen sich simultan mit der Qualität der Informationsversorgung. Deutlich wird die potentielle Eigendynamik finanzwirtschaftlicher Kommunikationsbeziehungen in folgendem Zitat: „Ich denke, dass sich die Informationsdichte stark erhöht hat. Klar, durch das Informationsbedürfnis. Wissen Sie, wenn Sie jemandem eine Zahl nennen und er sagte, das ist schön, dann ist das eine Sache. Wenn er aber sagte, warum hat sie sich geändert, wegen der Abstufung des Wissens-Wollens, wie weit runter will er wissen, ob sich was geändert hat, ist natürlich der Bedarf an der Ausleuchtung eines Bereiches oder eines Vorganges sehr hoch. Sie gewöhnen sich natürlich auch eine Art von Informationsverarbeitung an, und fragen nach, um alles befriedigen zu können. Das ist schon sehr dicht. Und eine enge Kooperation erforderlich.“ (Interview zitiert nach Heldt 2002, 360). Die Verdrängung des Liquiditätspostulats zugunsten einer Ertragsorientierung impliziert nicht nur einen Wandel in der organisationsinternen Kommunikation. Auch bei der externen Finanzkommunikation findet eine Prioritätenverschiebung statt. Der Schwerpunkt verlagert sich von dem Fremdkapital- auf den Eigenkapitalgeber. Denn: im Zuge fortschreitender Globalisierung der Finanzmärkte findet die Börse vollständig zu ihrer ursprünglichen Finanzierungsfunktion zurück. Unternehmen bedienen sich hier zunehmend selbst. Banken werden in die Rolle des technisch-organisatorischen Abwicklers gedrängt (Hauschild/Heldt 2001). Führt die Entmachtung der Banken auf den ersten Blick zu einer Stärkung des Vorstands, so macht bei näherem Hinsehen „der mündig gewordene Aktionär, insbesondere der institutionelle Investor, ihm diese Alleinherrschaft streitig“ (Hauschildt/Heldt 2001, 347). Mit dem Verweis auf einen entsprechenden Shareholder Value, reklamieren die institutionellen Anleger Mitsprache bei strategisch bedeutsamen Akquisitionsentscheidungen oder kostenintensiven Produktinnovationen (Günther/Ottersbein 1995). Vor allem aber möchten sie vorab informiert werden. „Wo sich früher Unternehmen der Öffentlichkeit gegenüber verschlossen und Journalisten wie Analysten nicht ungern am Betreten des Werksgeländes gehindert hätten, reisen heute Finanzvorstände durch die Hauptstädte der Weltfinanz und stehen jungen Analysten bereitwillig Rede und Antwort" (Wolff/Rolke 2000, 11). Angesichts der gegenwärtigen proaktiven Informationspolitik mutet das Informationsgebaren in den 60er Jahren geradezu vorsintflutlich an:

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„Wenn ich daran denke, was wir früher alles nicht gesagt haben, in der Sorge, es könnte uns schaden. Wenn Erstaunen daran gemessen wird, dass sich jemand im Grabe umdreht, dann würde ich meinen, das sind die Rechnungswesenleute aus dem Jahre 1965. Die würden, wenn sie das sehen, was wir heute publizieren, sich dreimal im Grab umdrehen. Ich war damals auch in den Gesprächen drin, da haben die Buchhalter einen AUFSTAND geprobt, dass sie Umsätze veröffentlichen sollen.“ (Interview zitiert nach Heldt 2002, 363) Zeichnete sich die Berichterstattung von Unternehmen lange Zeit durch eine restriktive Informationspolitik aus, so werden im Rahmen moderner Kapitalmarktkommunikation ganze Themenbündel präsentiert. Unternehmensstories, -philosophien, Leistungen und Persönlichkeitsmerkmale des Top-Managements gehören ebenso zu den Kommunikationsinhalten wie unternehmensspezifische Kernkompetenzen, die Attraktivität des Business-Portfolios, die Managementleistungen oder eine optimierte Finanzstruktur. Mit dem Wohlwollen der institutionellen Investoren im Wettbewerb um Kapital können nur die Unternehmen rechnen, die sich den internationalen Standards der Planung, Rechnungslegung, Prüfung, Publizität und Kommunikation beugen. „Der Informationsstand eines Analysten über das Unternehmen erreicht Dimensionen, die die traditionelle Lehrbucheinteilung des Rechnungswesens nach internen und externen Adressaten gegenstandslos werden lassen“ (Hauschildt/Heldt 2001, 354). Der Begriff „finanzielle Führung“ eignet sich mithin nur noch bedingt für die gegenwärtige Funktion des Finanzmanagements. Als treffender erweist sich hier der Terminus des „finanziellen Schnittstellenmanagements“, bei dem der Ausgleich zwischen den Unternehmens- und den Aktionärspositionen im Mittelpunkt steht. Es sind primär die Finanzmanager, die die Investoren von der Qualität des Unternehmens überzeugen müssen (Heldt 2002). In ihrer kommunikativen Schnittstellenfunktion beschränkt sich das Finanzmanagement nicht darauf, auf Anfragen zu reagieren: „... da gehen wir aktiv vor, wir informieren also Banken, Investmentfonds et cetera über das, was wir vorhaben und stehen ihnen Antwort da“. (Interview zitiert nach Heldt 2002, 364). Notwendig für die Überzeugungsarbeit ist eine Mentalität, die der finanzwirtschaftlichen Denkweise vergangener Tage diametral entgegensteht: das Denken in Marketing-Kategorien. Es gilt ständig, die Kapitalmarktattraktivität des Unternehmens zu erhöhen. Insofern bedeutet Informationspolitik nicht die gelegentliche Bereitstellung guter Nachrichten, sondern generell eine aktionärsfokussierte Kommunikation zu gewährleisten (Hauschildt/Heldt 2001). Welche Auswirkungen das Denken in Marketing-Kategorien auf die betriebliche Rechnungslegung als zentrales Informationsinstrument hat, zeigt das nächste Kapitel.

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2.3.1.2.

Fair Value, Bilanzpolitik und die Logik der Rechnungslegung

Wie für die meisten potenziellen Adressaten, so liegt auch für institutionelle Investoren „die wichtigste Wirkung des Rechnungssystems darin, für sie alle wahren und entscheidungsrelevanten Informationen bereitstellen zu können“ (Schweitzer 2002, 2019). Ihre Ansprüche in punkto Rechenschafts- und Informationsfunktion bilden im Zuge der Shareholder-Value-Orientierung den Ausgangspunkt für die Gestaltung des Jahresabschlusses (Schweitzer 2002). Vormals eherne Grundsätze deutscher Rechnungslegung weichen zunehmend „einem angelsächsisch geprägten Informationsbedürfnis nach einem ’Mehr’ an Darstellung der ökonomischen Realität“ (Küting 2005, 497). In Einklang mit dem informationsökonomischen Feinheitstheorem (Marschak 1974; Marshall 1972), demzufolge das feinere Informationssystem gegenüber dem groberen „einen besseren Rückschluss auf den wahren Zustand der Welt erlaubt“ (Ballwieser 1985, 52), wird der „Fair Value“59 als objektiverer Bewertungsmaßstab für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens betrachtet. Der Siegeszug des angelsächsische Fair-Value-Ansatzes in der Unternehmenspraxis erfährt seine theoretische Legitimation durch die Institutionenökonomie. Während nämlich in der deutschen Rechnungslegung nach HGB die Sicherungsfunktion im Sinne eines umfassenden Gläubigerschutzes dominiert, fokussiert das angelsächsische Modell bei der Gestaltung und Struktur des Rechnungslegungssystems primär die (Informations-)Bedürfnisse der Anteilseigner als Prinzipale der Publikumsgesellschaften. Übersehen wird bei der Bewertung jedoch mitunter, dass das Rechnungslegungssystem unabhängig von Entstehungskontext und -intention dem Unternehmensmanagement weitreichende Spielräume bei der Anwendung dieses Regelsystems ermöglicht. Zwar enthalten die Rechnungssysteme IFRS oder USGAAP weniger offene Ansatz- und Bewertungswahlrechte als das deutsche Bilanzrecht. Im Gegenzug beinhalten Erstere jedoch mehr Ermessensspielräume bei der Interpretation von Ansatz- und Bewertungsvoraussetzungen (Kleekämper/ Kuhlewind 2002). Deutlich wird die Evidenz solcher Spielräume etwa bei der Bewertung von Vermögenswerten oder Schuldposten nach dem Fair-Value-Ansatz. Existieren für die zu bewertenden Positionen keine verlässlichen Marktwerte – und das dürfte mit Ausnahme von Finanzinstrumenten die Mehrzahl aller Bilanzpositionen betreffen –, muss der Bilanzierende entscheiden, nach welcher Ausprägung der Fair Value zu schätzen ist (Küting 2005). Wie dieser Ermessungsspielraum ausgefüllt wird, ist abhängig von der Wirkung, die das Unternehmensmanagement bei dem Adressaten der Bewertung hervorrufen will.

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Laut der vom internationalen Standardsetter IASB herausgegebenen deutschsprachigen Textausgabe wird der Fair Value als „beizulegender Zeitwert“ bezeichnet. Danach ist der beizulegende Zeitwert der Betrag, zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte.

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„Die zweckorientierte, innerhalb der gesetzlichen Vorschriften zulässige Einflussnahme auf einzelne Jahresabschlussbestandteile und die bewusste Steuerung der Wirkung von Jahresabschluss und Bilanzierung auf den Bilanzadressaten wird als ’Bilanzpolitik’ bezeichnet“ (Küting 2005, 503). Die Bilanzpolitik verfolgt keine orginären Ziele. Sie ist vielmehr in die Erreichung übergeordneter Unternehmensziele eingebettet und somit als Teil einer langfristigen Unternehmensstrategie zu betrachten. Die Ziele der Bilanzpolitik lassen sich in monetäre und nicht-monetäre Ziele unterteilen. Bei den monetären Zielen ist zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Beeinflussung des finanziellen Bereichs zu differenzieren (Scheffler 2002; Küting 2001). Die Bilanzpolitik wirkt sich insofern unmittelbar auf den finanziellen Bereich aus, als über sie gewinnabhängige Zahlungen – insbesondere Gewinnausschüttungen, Steuern und Gewinnbeteiligungen – beeinflusst werden können. „Die mittelbare Beeinflussung des finanziellen Bereichs zielt darauf ab, den künftigen Mittelzufluss von außen durch Schaffung eines verhaltensbeeinflussenden, akuisitorischen Bilanzbildes zu steuern“ (Küting 2001, 335). Zunächst wird das gewünschte Verhalten der Bilanzadressaten ermittelt, das dann gezielt durch den Einsatz bilanzpolitischer Maßnahmen auszulösen ist. Sollen etwa finanzwirtschaftliche Partner zu einer Zuführung von Eigenkapital bewegt werden, so muss eine Publikumsgesellschaft ihnen Bilanzrelationen präsentieren, die deren Vorstellungen von einem liquiden und kreditwürdigen Unternehmen entsprechen. Je besser ihr dies gelingt, umso eher lässt sich das gewünschten Verhalten evozieren (Scheffler 2002; Küting 2001). In ähnlicher Weise fokussiert Küting (2001) im Rahmen der nicht-monetären Ziele der Bilanzpolitik auf die Relevanz, die der Jahresabschluss für die Außendarstellung des Unternehmens hat. In seiner Funktion als „Schaufenster der Unternehmung“ (Küting 2001, 337) ist der Jahresabschluss zentral für die Genese und Erhaltung von Beziehungen mit den relevanten Anspruchsgruppen. „Insbesondere große Publikumsgesellschaften begreifen ihn als geeignetes Hilfsmittel, um die angestrebte Selbstdarstellung des Unternehmens nach außen zu unterstützen“ (Küting 2001, 337). Der Jahresabschluss wird somit zu einer tragenden Säule der Kapitalmarktkommunikation. Wichtig ist hierbei nicht nur, wie die Informationsempfänger auf die bilanzpolitischen Maßnahmen reagieren. Vielmehr “dürfen sich diese Maßnahmen von den Bilanzadressaten nicht dechiffrieren lassen, da sie ansonsten ihre verhaltensbeeinflussende Wirkung verlieren oder sogar gegen die Interessen des Unternehmens verwendet werden können“ (Küting 2001, 337). Nur folgerichtig gilt die Erkennbarkeit, d.h. die Möglichkeit, bilanzpolitische Instrumente seitens des Informationsempfängers zu erkennen und beitragsmäßig nachvollziehen zu können als zentrales Auswahlkriterium bilanzpolitischer Instrumente (Pfleger 1991; Küting 2001). Deutlich werden hier die Grenzen einer institutionenökonomischen Interpretation der Rechnungslegung (Kirschenheiter 1999), die diese „als ein Informationssystem modelliert, das bestimmte Signale in einer ganz bestimmten vordefinierten Form

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berichtet“ (Wagenhofer 2001, 465). Nach dieser Perspektive wird die Form entweder exogen vorgegeben oder vom Prinzipal ausgewählt und vertraglich fixiert. Der Agent kann die Abbildung der Tatbestände in der Rechnungslegung generell nicht beeinflussen. Diese Vorstellung erscheint Vertretern der Agency-Theorie (Demski/Patell/Wolfson 1984; Penno 1990; Dye/Verrecchia 1995) revisionsbedürftig. Sie verweisen im Rahmen der Bilanzpolitik auf unterschiedliche Spielräume bei der Gestaltung der Rechnungslegung, die die Manager opportunistisch ausnutzen können. Diese müssen jedoch für den Prinzipal nicht zwangsläufig negative Folgen zeitigen. „Eine grundlegende Möglichkeit für einen Vorteil von Spielräumen liegt darin, dass es informativ sein kann, deren Auswahl zu beobachten“ (Wagenhofer 2001, 467). Dies modellieren Demski, Patell und Wolfson (1984) in einem einperiodigen PrinzipalAgenten-Modell. Der Agent erbringt hierbei eine Arbeitsleistung und bekommt ein Signal über die Produktivität des Produktionsprozesses. Zwei Informationssysteme stehen zur Auswahl, die je spezifische Partitionen des zugrunde liegenden Signals dokumentieren. Die Autoren können nun zeigen, dass es für den Prinzipal günstiger ist, wenn er dem Agenten die Auswahl des Informationssystems überlässt, als wenn er diese selbst vornimmt. Der Prinzipal muss jedoch die gewählte Alternative beobachten können. Dies trifft beispielsweise auf Bewertungsmethoden zu, die im Anhang eines Jahresabschlusses dokumentiert werden. Der Vorteil deligierter Wahl basiert auf der Annahme, dass „der Agent mit seiner Wahl implizit zusätzliche Information über die zugrunde liegende Produktivität liefern kann“ (Wagenhofer 2001, 467). Diese Konstellation ähnelt in seiner Form den Selbstwahlschemata (Arrow 1985), bei denen die Auswahl von vorgegebenen Handlungsalternativen – hier Rechnungslegungssystemen – für den Agenten mit Konsequenzen verbunden ist und daher richtige Angaben gegenüber unrichtigen von Vorteil sind. Insofern stellt die Auswahl aus den vorgegebenen Alternativen selbst ein wertvolles Signal dar (Wagenhofer 2001). Die Aussagekraft dieses Signals gilt nur für den Fall, dass sich der Agent bei der Ausübung der Handlungsspielräume an die allgemein anerkannte Kausalität der Rechnungslegung hält, d.h. die Art der Investition entscheidet über ihre Abbildung in der Bilanz. Wie nun aktuelle Fälle der Bilanzmanipulation in amerikanischen (z.B. Enron, Sunbeam, Cendant), deutschen (Südzucker, Bankgesellschaft Berlin) oder italienischen (Parmalat) Unternehmen zeigen, ist dem nicht zwangsläufig so. Mit Blick auf amerikanische Rechnungslegungsstandards, die als anlegerfreundlich gelten und deren Wahl ein positives Signal für die Produktivität des Agenten ist, machen Lüdenbach und Hoffmann (2002) die begrenzte Aussagefähigkeit von anerkannten Bewertungsmethoden und -modellen deutlich. Da „ein wesentlicher Teil der Bilanzgestaltung des Enron-Managements sich auf legalem Wege vollzog“ (Lüdenbach/Hoffmann 2002, 1169), stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Logik dieses „ganz spezifischen Informationssystems“ (Wagenhofer 2001, 440). Denn es ist gerade die mit dem guten Ruf des amerikanischen Rechnungslegungsstandards

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verbundene Signalwirkung, die von dem Enron-Management reflexiv genutzt, zu einer vermeintlichen Sicherheit der Aktionäre führte. Die am Kapitalmarkt gesammelten Gelder – so Lüdenbach und Hoffmann (2002, 1174) – , „wurden vom EnronManagement nicht mehr dort investiert, wo es der langfristigen Entwicklung des Unternehmens und dem gesamtwirtschaftlichen Nutzen am besten gedient hätte, sondern dort, wo sich mit ihnen am besten Bilanz-und Ergebnispolitik machen ließ“. Ohne realen einzel- und gesamtwirtschaftlichen Bezug wurden die Mittel für Kontrakte und Derivate dort genutzt, wo sie das amerikanische Rechnungslegungssystem prämierte. „Nicht mehr die Art der Investition entschied über ihre Abbildung in der US-GAAP Bilanz, sondern die Regeln des US-GAAP entschieden über den Inhalt der Investitionen“ (Lüdenbach/Hoffmann 2002, 1174)60. Mag man die skizzierte Umkehrung der Kausalität in der Rechnungslegung im Falle von Enron als kriminelle Ausnahme brandmarken, so macht ein Blick auf den Strategiebildungsprozess bei der General Electric Company (GE) die unternehmenspolitische Evidenz des – postmodernen – Vexierspiels von regelgeleiteter Abbildung und „realem“ Tatbestand deutlich. Folgt man dem Wall Street Journal (1994, zit. nach Macintosh/Shearer/Welker/Thornton 2000, 32), so erfreut sich GE "a very large amount of flexiblity to ... deliver strong, consistent earnings growth in a myriad of global economic conditions". Insofern kommt der Ruf von GE, ein führender Vertreter moderner Bilanzpolitik auf dem Globus zu sein, nicht von ungefähr. Vor ihrer Durchführung werden Akuisitionen, Restrukturierungen oder Abbau von Unternehmensteilen zumeist im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die offiziellen Erträge modelliert. Hier kehrt sich quasi die traditionelle Vorstellung von Strategieimplementation und Finanzberichterstattung um: Nicht mehr länger wird die Strategie gesetzt und die Finanzberichterstattung stellt nach der Implementation die Resultate dar, sondern "in GE's case the accounting model (the map) percedes the implementation of the strategy (the territory)" (Macintosh/Shearer/Welker/Thornton 2000, 32)61. Deutlich wird hier eine zentrale Figur postmoderner Accoutingsforschung: die Reflexivität des Modells. So ist nicht nur festzuhalten, dass es sich bei dem ex ante accounting model selbst um eine Simulation der Analystenerwartungen handelt. Dieses auf rekursiver Basis erschaffene Modell seinerseits wird via Unternehmensstrategie wieder in die Unternehmensberichterstattung eingespeist. Setzt die avancierte Financeforschung (Black 1986; Shiller 1984, 1995) mit ihrer Unter-

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Der Bundesverband der deutschen Banken hat diesen Gedanken seiner Zeit in einer Stellungnahme zur FairValue-Bilanzierung für Finanzinstrumente ebenso subtil wie treffend formuliert: Durch die Markt-to-marketBilanzierung im Rahmen des Fair-Value-Ansatzes nach IAS 39 „entstehen in den Unternehmen bei der Ergebnissteuerung Zielkonflikte, die die Aufgabe der Rechnungslegung, geschäftliche Realitäten adäquat abzubilden, in Frage stellt. Es entsteht die Gefahr, dass die dienende Funktion der Rechnungslegung in eine Gestaltungsfunktion mutiert, die selbst Realitäten schafft“ (drsc.de zit. nach Lüdenbach/Hoffmann 2002, 1174). 61 Dies scheint nicht nur ein amerikanisches Phänomen zu sein. Betonen doch Hauschildt und Heldt (2001) in ihrer Untersuchung über deutsche Publikumsgesellschaften, dass sich deren Strategien und Instrumente inzwischen weitgehend denen eines institutionellen Anlegers angeglichen haben.

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scheidung von noise und information noch auf einen zeichentheoretischen Referenten in der Realität, so kommt die – postmoderne – Accoutingforschung bei der Analyse des Aktienmarktes ganz ohne diesen aus. Der Aktienmarkt gleicht hier einem "hall of mirrors, where reflections of reflections and images of images constitute the only reality that matters" (McGoun 1997, 111). Wie die Analysten der Investmentbanken durch diesen „Spiegelsaal“ lavierend zu einem Unternehmenswert kommen, wird im Folgenden beschrieben. 2.3.2. Der institutionelle Investor im Prozess der Wissensgenese – nur Rezipient? 2.3.2.1.

Die Informationsgewinnung als Interaktionsprozess

Das Denken in Marketing Kategorien, das der Finanzkommunikation von Publikumsgesellschaften zugrunde liegt, bleibt auch den Analysten nicht verborgen. Da sich die gesamte Informations- und Kommunikationspolitik „dem Marketing-Ziel der Kapitalmarktattraktivität“ (Hauschildt/Held 2001, 15) unterordnet, haben die Analysten berechtigte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Unternehmensinformationen, wie der folgende Witz eines Analysten illustriert: „Ich sage meinen Leuten immer: Traut den Unternehmen nicht! Das kann man am besten mit einem Witz zeigen: Da ist irgendein Mittelständler und der hat 4 Söhne, und die sind alle gleich intelligent und gut. Und er muss entscheiden: ’Wer wird mein Nachfolger?’ Da stellt er allen vier die Entscheidungsfrage: ’Wie viel ist 2 + 2?’. Der eine der Söhne ist ein Marketing-Mann und der antwortet: ’2+2 ist so zwischen 3 und 5!“. Der zweite ist in Forschung & Entwicklung und sagt: ’Ich geh’ mal ins Labor und finde das heraus.’ Der dritte ist in der Produktion & Logistik: ’Wenn man es nur richtig organisiert und alles ohne Zwischenfälle abläuft, dann wird mit Sicherheit 4 heraus kommen.’ Der vierte ist aus dem Bereich Finanzen. Der schließt die Tür, zieht die Vorhänge zu, sucht nach versteckten Mikrophonen und fragt: ’Was soll denn herauskommen?’. Und natürlich: Der vierte wird der Nachfolger!“ (zit. aus Mars 1998, S. 93)62. Die Analysten der Investmentbanken gehören als Akteure auf der Eigentümerseite zu den zentralen Adressaten der Bilanzpolitik. Während die Bilanzpolitiker der Publikumsgesellschaften versuchen, den wahren Unternehmenswert zu verschleiern, ist das Ziel der Analysten genau konträr: „Ziel einer Bilanzanalyse ist es, aus dem Jahresabschluss wichtige Informationen über das den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Unternehmung zu erlangen, um dadurch eine gesamtheitliche Beurteilung der gegenwärtigen und Prognose der zukünftigen Unternehmenslage vornehmen zu können“ (Küting 2005,

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Die folgenden Ausführungen zur Praxis der Aktien- und Bilanzanalyse basiert primär auf der qualitativen Untersuchung von Mars (1998, 93-111).

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503). Wie Küting (2005) betont, stehen Bilanzanalyse und -politik in einem sich ebenso bedingenden wie konterkarrierenden Spannungsverhältnis. Im Rahmen der Fundamentalanalyse spielt die Bilanzanalyse insofern eine zentrale Rolle, als die Bilanz „die einzige Informationsquelle ist, die dem Finanzanalytiker in standardisierter Form vorliegt“ (Schredelseker 2002, 314). Der Bestätigungsvermerk eines unabhängigen und vereidigten Wirtschaftsprüfers verleiht ihr eine besondere Glaubwürdigkeit. In weiten Teilen des bilanzpolitischen Instrumentariums vollzieht sich vieles gleichwohl „still und unsichtbar. Es geht sozusagen an der Bilanzanalyse vorbei und bleibt auch dem geschultesten Analytiker verborgen“ (Küting 1996, 11). Das Unternehmen konstruiert durch Pressemeldungen, Quartals-, Halbjahres- und Geschäftsberichte, Presse- und Analystenkonferenzen eine geglättete Kulisse. Daher gilt: „Bilanzen lesen reicht nicht. Man muss hinter die Kulissen gucken. Man muss lernen, die richtigen Fragen zu stellen, um so nachzubohren, welche Maßnahmen das sind, die man in dem Unternehmen durchgeführt hat“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 64). Mars (1998) sieht hierbei Parallelen zwischen der Aktien- und der Psychoanalyse. „Ähnlich der psychoanalytischen Vorgehensweise muss der Analyst von der Oberfläche zur Tiefenstruktur, vom Vordergrund zum Hintergrund vordringen“ (Mars 1998, 94). Die präsentierten Zahlen kann er weniger als unumstößliche Fakten begreifen, sondern er muss sie vielmehr als Verweise auf eine unter der Oberfläche liegende Botschaft interpretieren. Bei dem Kernstück der Unternehmenskulisse, dem Geschäftsbericht, schlägt sich dieser interpretativ-investigative Ansatz in zwei Analysestrategien nieder: dem Blick in den Anhang und dem Blick in die Vergangenheit. Im Anhang eines Geschäftsberichtes werden die in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung präsentierten Zahlen erläutert. Der Anhang liefert etwa Hintergrundwissen über die angewandten Methoden zur Vorrats- oder Beteiligungsbewertung, die gewählte Abschreibungsdauer, einen kurzfristigen Wechsel der Bilanzierungsmethoden, außerplanmäßige Abschreibungen, außerordentliche Erträge oder Aufwendungen und Aufgliederungen von zuvor präsentierten Gesamtzahlen (Mars 1998). Um ein Unternehmen vollständig zu verstehen und es mit anderen Unternehmen vergleichen zu können, muss ein Analyst laut Sharpe und Alexander (1990, 686) „be a financial detective, looking for clues in footnotes and the accompanying text that discuss how the financial statements were prepared. Those who take the bottom-line figures such as earnings per share on faith may be more surprised by future developments than those who try to look behind the accounting veil”. Hilft die Analyse des Anhangs dem „financial detective“ auch, hinter die Unternehmenskulisse zu schauen, so erscheinen die Informationen dort mitunter so widersprüchlich, dass sie durch eine Kontextualisierung plausibilisiert werden müssen. Primär ist dabei der zeitliche Kontext zu beachten. Hier wird die zweite investigative Strategie im Umgang mit dem Geschäftsbericht virulent: „Alte Geschäftsberichte lesen. Das ist echt interessant. Jean Pascale hier zum Beispiel, die haben 1991 gesagt, dass sie sich im nächsten Jahr

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international ausrichten wollen und besonders nach Osteuropa expandieren wollen. Das haben die bis heute nicht gemacht. Daran kann man ganz gut abschätzen, wie realistisch die sich in ihren Geschäftsberichten darstellen“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 97). Neben dem Geschäftsbericht erweist sich die Analystenkonferenz als weitere wichtige Quelle des Primärresearchs. Letztere hat die Funktion einer Pressekonferenz für das Fachpublikum und findet normalerweise einmal jährlich zur Präsentation und Erläuterung des Jahresabschlusses statt. Auf den ersten Blick erscheint die Analystenkonferenz als eine reine Informationsveranstaltung, bei der das Unternehmen die Analysten über bestimmte Sachverhalte in Kenntnis setzt. Da diese Informationen in der Regel schon vorher bekannt sind, geht es weniger um die Informationen selbst, als vielmehr um die Reaktionen der anderen Analysten auf die Informationen. Angesichts der geballten Manpower an einem Ort ergibt sich für den einzelnen Analysten die Möglichkeit der Beobachtung zweiter Ordnung. „Anhand der Art der Fragen kann der Analyst die Unterscheidungen beobachten, mittels derer andere Analysten das Unternehmen beobachten“ (Mars 1998,98). Neben den inhaltlichen Unterscheidungen (z.B. Zykliker vs. Wachtumswert) geht es auch um die Differenz, die für Entscheider maßgeblich ist: Kauf oder Nicht-Kauf. Denn an der Stimmung im Raum und daran, „wie die Analysten die Fragen stellen, kann man auch schon oft daraus lesen, wie sie eingestellt sind zu dem Unternehmen“ (Aktienanalyst zit. Mars 1998, 99). Das Gespräch mit der Investor-Relations-Abteilung ist eine Informationsquelle, der in der Analysepraxis zentrale Relevanz zugeschrieben wird. Dieses findet routinemäßig einmal wöchentlich statt. In bestimmten Phasen, etwa kurz vor der Publikation einer Analyse, wird mitunter sogar täglich miteinander gesprochen. Da eine schlechte Analystenbewertung den Aktienkurs negativ beeinflusst, ist die Abteilung Investor Relations an einem guten Ruf bei den Analysten interessiert. „Bei Analysten haben Investor-Relations-Abteilungen dann einen guten Ruf, wenn sie ehrlich und offen aus dem Unternehmen berichten“ (Mars 1998, 100). Im Zuge der regelmäßigen Kommunikation zwischen Analysten und IR-Managern entsteht eine gewisse Privatheit, die bei den Analysten die Hoffnung auf privilegierte Informationen nährt. Je nach der Intensität der persönlichen Beziehung kontakten die Analysten ihre Gegenüber, um ihre Analysen nach Fehlern durchsehen zu lassen, Hintergrundinformationen über wichtige Tatbestände zu erhalten oder gar eine Bestätigung der Kursprognose zu bekommen. Während es sich bei der Fehlerkorrektur letztlich nur um eine fundierte Redegation eines Analyseentwurfs handelt, die nur einer wohlfunktionierenden Arbeitsbeziehung bedarf, setzt der Austausch sensiblerer Informationen wie beispielsweise detaillierte Erläuterungen zu Unstimmigkeiten im Geschäftsbericht oder zu relevanten Unternehmensentwicklungen eine engere persönliche Beziehung voraus. „In all diesen Fällen ist es den Analysten wichtig, einen

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persönlichen, vertraulichen Kontakt zu einzelnen Personen in der Investor-RelationsAbteilung aufzubauen“ (Mars 1998, 1001). Diese Vertrauensperson wird immer dann angerufen, „sobald irgendwas Auffälliges ist, ich sag’ mal, in der Kursentwicklung oder man sich irgendwie nicht erklären kann oder irgendwelche Nachrichten in der Presse sind, die manchmal auch ’n bisschen widersprüchlich sind, dass man da ’n konkreten Ansprechpartner hat, den man persönlich kennt aus irgendwelchen Veranstaltungen und daraus dann seine Information bezieht, die dann auch ’n bisschen darüber hinaus gehen, was man allgemein lesen kann, dass man also ein bisschen mehr informiert ist, als der allgemeine Zeitungsleser, ... noch ’n paar Informationen darüber hinaus oder ’n paar erklärende Worte dazu.“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 101). Da der Grad zwischen zusätzlichem Service für einzelne Investoren und der Weitergabe kursrelevanter Insiderinformationen schmal ist, bedarf es eines weitergehenden Vertrauensverhältnisses zwischen Analyst und IR-Manager. Letzterer muss generell darauf Vertrauen können, dass die Gesprächsinhalte nur „zu Deiner eignen Information sind und nicht veröffentlicht werden“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 101). Obwohl der Umgang mit prognoserelevanten Informationen durch wechselseitiges Vertrauen gekennzeichnet ist, vermeiden es beide Seiten, Gesprächsinhalte zu thematisieren, die eindeutig als zukunftsbezogen identifizierbar sind. Statt den IR-Manager direkt um eine Prognose zu bitten, holt der Analyst eine Bestätigung für seine eigene Prognose ein. Die Technik der Prognosebestätigung besteht darin, entweder die eigenen Prognosen oder ein mögliches Prognoseintervall vorzugeben und sich dann beim IR-Manager rückzuversichern, indem man darauf wartet, dass dieser sagt: „Die Tendenz könnte er so unterschreiben“ oder: „Das sehen wir so und so“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 102). Ähnlich wie bei den Gesprächen mit dem IR-Manager, so besuchen die Analysten einmal jährlich die Unternehmen, um Fehler zu korrigieren, ein Hintergrundverständnis zu bekommen und Feedback für die eigenen Prognosen einzuholen. „Darüber hinaus bietet aber der Unternehmensbesuch besondere Chancen, das Unternehmen ’von innen’ zu betrachten“ (Mars 1998, 103). Hierbei wird zumeist eine Unternehmensführung gemacht und ausführlich mit einem Vorstandsmitglied gesprochen. Von dem Unternehmensbesuch versprechen sich die Analysten, dass ihre Analyse durch die eigene, sinnliche Wahrnehmung „noch mit ein bisschen Leben gefüllt“ wird und so „den ausschlaggebenden letzten Punkt liefert, um die Studie ’rauszugeben’“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 104). Denn der Unternehmensbesuch ist die geeignetste Quelle des Primärresearch für den Blick hinter die Kulisse. Dies zum einen, weil sie einen persönlichen Kontakt mit den Entscheidern eines Unternehmens ermöglicht. Werden in den anderen Researchquellen die Informationen tendenziell gefiltert, so erhält man hier die Informationen aus erster Hand. Zum anderen differenzieren sich Unternehmensbesuche durch den hohen Grad an Intimität von vielen anderen Quellen. Dies hat zur Folge, dass die Unternehmensvertreter ggf.

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auch über heikle Themen sprechen und eine reduzierte Verteidigungshaltung einnehmen. Zudem hebt sich der Analyst für den Unternehmensvertreter aus der anonymen Masse der kritischen Beobachter ab und gewinnt individuelles Profil. Im Lauf der Zeit entspinnt sich ein persönliches Verhältnis, das den Informationsfluss positiv beeinflusst. „Also ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, dass man zu den Leuten, also, ja einen sehr guten Draht hat. Und den kann man, glaube ich, auch erst dann im Laufe der Zeit aufbauen. Von daher ist es auch, glaube ich, sehr wichtig, dass man das Unternehmen mal besucht und vor Ort dann mit denen im Vieraugengespräch spricht. Weil bei der K-AG, zum Beispiel hat sich dann halt so ’ne persönliche Atmosphäre ein bisschen aufgebaut. Man kennt sich jetzt vom Sehen. Und der war eigentlich mit seinen Informationen dann auch beim nächsten Telefongespräch sehr großzügig. Und das war auch das erste Mal, wo ich dachte: ’Aha, jetzt weißt Du vielleicht ein bisschen mehr, etwas, was Du nicht weitergeben darfst.’ Das ist ein Anzeichen dafür, dass dieses persönliche Verhältnis sehr wichtig ist“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 105). Die Intimität der persönlichen Gesprächssituation erlaubt es dem Analysten zudem, die Worte mit den Gesten und der Mimik abzugleichen. Mit Blick auf die Mimik fällt nicht nur die Differenzierung zwischen Lüge und Wahrheit einfacher, auch kann der Analyst leichter zwischen den Zeilen lesen. Gerade weil die Grenze zum Insiderwissen unscharf ist, gilt es, das in den Blick zu nehmen, was zwar nicht gesagt, aber gleichwohl gemeint ist. Verschlüsselte Hinweise oder verdeckte Andeutungen sind häufig erst im Laufe einer persönlichen Beziehung für den Analysten decodierbar. Darüber hinaus kann die Beobachtung der Mimik Aufschluss über die Stimmung und den Zustand im Unternehmen geben. Insbesondere diese qualitativen Eindrücke sind gerade deshalb für die quantitative Prognose wichtig, da der Analyst „ein gutes Gefühl dafür bekommt, wo der Zug, zumindest jetzt für’s laufende Jahr, hingeht bei dem Unternehmen“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 106)63. Doch stellen die Analysten auch die direkte Kausalität zwischen der Ausstrahlung des Vorstandes und der Führungskultur in dem Unternehmen her. Die Beobachtung des Habitus gibt ihnen Informationen über die Führungsqualitäten des Managements. Deutlich wird die Multifunktionalität der Unternehmensbesuche. In einem Gewerbe, dem eine ausgeprägte Zahlenfixierung vorauseilt, wird klar erkennbar, „dass Analysten den Unternehmensbesuch als Teil einer qualitativen Forschungsmethodik zu schätzen wissen“ (Mars 1998, 107). Mitunter gehen die Analysten noch einen Schritt weiter. Sie führen „Mini-Ethnographien“ durch. Diese können unterschiedliche 63

Mars (1998) bringt hier das Beispiel eines Unternehmensbesuches bei Daimler Benz, bei dem der Unternehmensvertreter zur Zukunft einer notleidenden Tochtergesellschaft (Fokker) dem interviewenden Analysten sagte: “’Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass da hart durchgegriffen wird.’ Im Nachhinein weiß ich, was er damit sagen wollte.“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 106). Daimler Benz beendete wenig später das Engagement bei Fokker, ohne dass der Analyst den Hinweis zwischen den Zeilen zuvor richtig gedeutet hätte.

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Zielsetzungen haben. So besuchen etwa Analysten Filialen der zu analysierenden Unternehmen, um aus Kundensicht die Aufstellung des Unternehmens, dessen Personal, die Produktpalette etc. zu bewerten. Andere Analysten versuchen, mittels ethnographischer Methoden Erklärungen für unerwartete Unternehmensentwicklungen zu finden. Während dieses Vorgehen jedoch mitunter wenig konzeptionalisiert und eher zufällig betrieben wird, führen große Investment-Banken wie Goldman Sachs Unternehmensethnographien als festen Teil des Primärresearch durch. „Die haben zum Beispiel in verschiedenen Baumärkten Patex-Tuben gekauft, um Preise und Service zu vergleichen. Bei Mannesmann haben sie zuerst Fragebögen an die Tochtergesellschaften geschickt und sind dann auch in die Produktion gegangen. Das ist eine ganz andere Klasse von Research“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 108). Aufgrund des hohen Ressourceneinsatzes sind solche Vorgehensweisen jedoch eher die Ausnahme. Zumeist führen die Analysten Mini-Ethnographien in Verbindung mit ihren Unternehmensbesuchen durch. Neben dem Gespräch mit dem Vorstand steht normalerweise immer ein Rundgang durch das Unternehmen auf dem Programm. Die Analysten bekommen durch die sinnliche Wahrnehmung ein tiefergehendes Verständnis von den Produkten und Prozessen eines Unternehmens. „Man kann mir ja viel darüber erklären, wie Turbinen funktionieren und wie die gemacht werden. Aber erst als ich das mal gesehen habe, dass die das in Handarbeit herstellen, da hab ich viel über das Produkt gelernt. Da konnte ich das viel besser einordnen, was ’ne Art von Business das ist, dass das wirklich Einzelstücke sind. Da habe ich verstanden, warum die Personalkosten kaum zu senken sind.“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 109). Wie die Analysten aus dem „Rauschen“ der Daten, die den Geschäftsberichten, Analystenkonfererenzen oder Unternehmensbesuchen entstammen, „authentische“ Informationen über das Unternehmen selektieren, ist Gegenstand des vorliegenden Kapitels. Gemäß institutionenökonomischer Konfigurationslogik stoßen die Analysten als Vertreter der Prinzipale mit ihren umfassenden Informationsinteressen bei dem Management der Unternehmen auf Widerstände. Letztere äußeren sich in dem Aufbau einer Kulisse aus guten Nachrichten, die den „tatsächlichen“ Zustand des Unternehmens verschleiern sollen. Die Aufgabe des Analysten besteht somit darin, die Kulisse zu dekonstruieren und das „wahre“ Gesicht hinter dem bilanzkosmetischen Make-up zu rekonstruieren (Mars 1998). Dies ist nach Ansicht der Analysten, wenn überhaupt, nur durch „Primärresearch“ möglich. Primär hat hierbei eine doppelte Bedeutung. Zum einen sollen die Informationen möglichst aus orginären Quellen stammen. Deutlich wird dies an dem hohen Stellenwert, der etwa dem direkten Gespräch mit Führungskräften und der unmittelbaren Anschauung der Unternehmenspraxis in der Unternehmensanalyse zukommt. Primär bedeutet zum anderen: Der Analyst sollte seine diagnostische und prognostische Interpretation der gewonnen Informationen nicht von dem Unternehmen oder von anderen Analysten übernehmen, sondern möglichst eigenständig und kreativ anfertigen. Diese Diagnose und Prognose wird im folgenden Kapitel beschrieben.

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2.3.2.2.

Die Praxis der Unternehmensdiagnose

Die Analysten betrachten die Analyse des Status Quo als Bedingung für die Prognose der zukünftigen Unternehmensentwicklung. Nur substantiell gesunde Unternehmen können dynamisch wachsen. Die Kardinalfrage der Unternehmensanalyse lautet daher: „Steht das Unternehmen auf soliden Füßen oder steht’s nicht auf soliden Füßen?“ (Analyst zit. nach Mars 1999, 115). Die Analyse der Solidität wird nun mit den Verschlüsselungsstrategien des Unternehmensmanagements konfrontiert. Die Diagnose ist daher primär eine Entschlüsselungspraxis, die versucht, den potentiellen Tricksereien des Unternehmensmanagements auf die Spur zu kommen. Die Schlüssel für die Decodierung des bilanzpolitischen Creative Accounting sind die Finanzierungs-, Liquiditäts- und Rentabilitätskennzahlen. Nicht nur die Gleichsetzung von Kennzahlen und Nachschlüsseln verweist auf die Parallelen von Kriminalistik und Unternehmensanalyse. Auch der finanzanalytische Diagnoseprozess beginnt, vergleichbar mit der kriminalistischen Praxis, meistens mit einer Abduktion, d.h. „mit dem Vorfinden eines Rätsels und dem direkten und ungesicherten intuitiven Schließen auf eine Lösung, die es dann im Nachhinein zu belegen gilt“ (Mars 1999, 117). Fallen bei der Beobachtung eines Unternehmens Kennzahlen als besonders hoch oder niedrig auf, so setzen diese Abnormalitäten einen Analyseprozess in Gang, bei dem es darum geht, „die Auffälligkeiten in einen Kontext zu stellen, Zusammenhänge zu sehen und Theorien zu entwickeln“ (Mars 1999, 118). Laut Mars (1999) werden in der Analysepraxis primär drei Techniken verwandt, um aus den „Zerrbildern“ der Geschäftsberichte mittels selbst erstellter Kennzahlen „Abbilder“ der Unternehmen zu generieren. a) Rückschlussverfahren Das Rückschlussverfahren besteht darin, „von einer Zahl, die nicht Erkenntnisobjekt ist, rückzuschließen auf das eigentliche, aber durch bilanzpolitische Maßnahmen verzerrte Erkenntnisobjekt“ (Mars 1999, 118). Deutlich wird das Verfahren etwa bei der Ermittlung des Unternehmensgewinns. Analysten misstrauen dem Gewinn, der in der ihnen zugänglichen Handelsbilanz ausgewiesen ist, aufgrund der bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten. Hingegen bietet die nicht zugängliche Steuerbilanz weniger Gestaltungsoptionen und ist somit näher am Unternehmen (Grosjean 1993). Der “wahre“ Gewinn ist dort anzugeben und daher auch zu versteuern. Zahlt ein Unternehmen viel Steuern, macht es auch einen hohen Gewinn. Die Steuerquote verweist daher per Rückschluss auf die Unternehmensgewinne. b) Abgleichsverfahren Im Rahmen des Abgleichverfahrens wird das vom Analysten erzeugte Bild von der Kapitalstruktur des Unternehmens mit der unternehmensseitigen Selbstdiagnose abgeglichen. Glaubwürdig erscheint Letztere nur dann, wenn sie kommensurabel mit dem selbsterstellten Strukturbild ist. Der Strukturabgleich fokussiert somit auf das Verhältnis verschiedener Zahlen zueinander. „Es ist ’n permanenter Abgleich, ob die 116

Struktur in diesem Unternehmen richtig ist. Das hat nichts damit zu tun, ob der Gewinn im nächsten Jahr um 5 oder um 10 % steigen wird, sondern zum Beispiel damit, ob die Materialaufwendungen in line mit den anderen Positionen sind“ (Analyst zit. nach Mars 1999, 120). Bei einem gesunden Unternehmen ergeben alle Zahlen ein stimmiges Bild. Sind die Zahlen nicht “in line“, erzeugt dies beim Analysten Irritationen. Diese Intuition bildet quasi den Startschuss für die Suche nach einer Erklärung für die Unstimmigkeit. So kann etwa eine expansive Investitionspolitik verdeutlichen, warum trotz steigender Gewinne keine Schulden getilgt werden. Steigende Verschuldung und sinkende Liquidität sind nicht zwangsläufig Indizien für ein Problem. Die Struktur erschließt sich erst mit Bezug auf andere Kennzahlen. Identische Kennzahlenentwicklungen können je nach Kontextualisierung unterschiedliche Bedeutung haben. c) Vergleichsverfahren Wird beim Abgleichsverfahren eine Kennzahl (Verschuldung) durch eine inhaltliche andere Kennzahl (Rendite) kontextualisiert, so setzen die Analysten beim Vergleichsverfahren inhaltlich gleiche Zahlen miteinander in Beziehung. Mars (1999) unterscheidet im Rahmen seiner Untersuchung zwischen zwei Arten von Vergleichen: 1. der Vergleich des Unternehmens mit sich selbst im Zeitablauf und 2. der Vergleich des Unternehmens mit anderen Unternehmen. Bei dem Zeitvergleich werden die Daten über einen Zeitraum von 5-10 Jahren beobachtet. Denn nur eine längerfristige Beobachtung wichtiger Unternehmenskennzahlen ermöglicht ein Gefühl für unauffällige, aber wichtige Unternehmensentwicklungen. Vor einer solchen Unternehmenshistorie löst etwa eine abrupte Änderung der Bilanzierungspraxis beim Analysten akuten Erklärungs- und Handlungsbedarf aus. Neben dem Zeit- ist der Unternehmensvergleich eine weitere Möglichkeit der bedeutungsstiftenden Kontextualisierung der Kennzahlen. Der Unternehmensvergleich leistet hierbei sowohl Bewertung als auch Enthüllung. Die Bewertung ist ein relatives Urteil. „Ich kann nicht von dem Unternehmen mit einer gesunden Finanzlage sprechen. Es gibt Unternehmen, da ist eine Eigenkapitalquote von 20 % oder 25 % viel kritischer, als bei einem anderen Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 5 bis 10%“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1999, 123). Die Kennzahlenbewertung erscheint somit nur im Kontext eines interorganisationalen Kennzahlenvergleichs sinnvoll. Im Zuge des Vergleichs bildet der Analyst zudem einen Normwert aus, an dem er die Kennzahlen misst. Dieser Normwert bildet dann den Bezugspunkt für die enthüllende Funktion des Unternehmensvergleichs. Denn Abweichungen von dieser Norm – etwa überhöhte Rückstellungen – werden dann vom Analysten als Signal für nicht beobachtbare Eigenschaften – etwa versteckte Gewinne – betrachtet. Erscheint der Unternehmensvergleich zunächst nur als technische Herausforderung, so wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass die Heterogenität der Unternehmen eine zirkuläre Logik der Kennzahl offenbart, die den Analysten mit einem grundsätzlichen Dilemma konfrontiert: Vergleichen lässt sich nur Vergleichbares. Als Antwort auf 117

dieses Problem bilden die Analysten Unternehmenskategorien. „Die Kategorienbildung führt in das Dilemma, dass genau die engen Kategorien, die einen Vergleich erst ermöglichen, ihn (der Vergleich M.G.) wegen der geringen Anzahl der Mitglieder einer Kategorie dann nicht mehr lohnend erscheinen lassen“ (Mars 1999, 192). Ist die absolute Höhe der Kennzahlen nicht vergleichbar, so kann man zumindest chronologisch die relative Veränderung vergleichen. Erscheint etwa ein direkter Renditevergleich zwischen Unternehmen der Basis- und der Spezialchemiebranche wenig informativ, so sind periodenbezogene Renditeverluste der Basischemie bei gleichzeitiger Renditesteigerung der Spezialchemie durchaus aussagekräftig. Solche Veränderungsraten machen deutlich, ob die geringe Umsatzrendite „jetzt ein akutes Problem ist, oder ob die damit schon immer gelebt haben“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1999, 126). Veränderungsraten verschleiern den Basiseffekt. So sieht im Extremfall ein Unternehmen mit einer Gewinnsteigerung von einer auf vier Euro besser aus, als ein Unternehmen, das seinen Gewinn von 200 auf 400 Millionen steigern konnte. Ein weiteres Problem bei den Kennzahlenvergleichen ist die Heterogenität der Methoden für die Kennzahlenberechnung. Es gibt „keine richtigen oder falschen, sondern nur zweckmäßige Berechnungen von Kennzahlen“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1999, 128). Wie Analysten ihre Kennzahlen berechnen und welche Methoden sie dabei benutzen, ist und soll für den Adressaten nicht transparent sein. Denn: die Fiktion der Vergleichbarkeit ist konstitutiv für die Legitimität der Analysepraxis. Aber nicht nur Analysten berechnen Kennzahlen in unterschiedlicher Manier. Auch Unternehmen steht im Rahmen der Bilanzpolitik ein wahres Arsenal an Bilanzierungsmethoden zur Verfügung. Die Entschlüsselungstechnik des Unternehmensvergleichs wird durch die Methodenvielfalt des Window Dressings konterkariert. Um angesichts der bilanzpolitischen Variabilität die Fiktion der Vergleichbarkeit aufrechtzuerhalten, wird jedes Unternehmen zunächst von bilanzpolitischen Verschmutzungen bereinigt. Eine zentrale Form der Bereinigung ist das so genannte Ergebnis nach DFVA/SG64. Letzteres zielt darauf ab, durch eine objektivierte Gewinngröße Unternehmen besser vergleichbar zu machen. Probleme bei der Berechung des DVFA-Ergebnisses treten insbesondere bei den ordentlichen und außerordentlichen Kosten und Erträge auf. So werden die Erträge aus dem Verkauf von Wertpapieren, Gebäuden und Maschinen in manchen Unternehmen als außerordentlich gewertet und in anderen nicht. Diese Unterscheidung ist so interpretationsbedürftig, dass selbst die bilanzierenden Unternehmen ihre Erträge und Kosten nicht zweifelsfrei kategorisieren können: „Auch das Unternehmen selbst sagte: ’Für 1995, da könnte man also alles ausrechnen, je

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Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung (DVFA) und die Schmalenbachgesellschaft (SG) haben sich angesichts der Manipulierbarkeit des Jahresabschlusses auf ein Verfahren zur Ermittlung eines von Sondereinflüssen bereinigten Jahresergebnisses verständigt. Für eine detaillierte Beschreibung siehe Busse v. Colbe u.a. (2000).

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nachdem, was man als außerordentlich ansieht oder nicht, zwischen – 113 und ich glaub – 28, je nachdem’“ (Analyst zit. nach Mars 1998, 132). Daher beurteilen die Analysten die Reinigungswirkung der Bereinigung auch eher skeptisch: „Beim DFVA-Ergebnis wird ja inzwischen noch mehr gemauschelt als beim Jahresabschluss. Beim Jahresabschluss weiß man wenigstens, dass er gelogen ist! Beim DFVA-Ergebnis wird dann etwas versteckter gelogen. Aber alle tun so, als würde das DFVA-Ergebnis irgendwie näher dran sein an der Wahrheit“ (Analyst zit. nach Mars 1998, 134). Obwohl allen Analysten klar ist, dass sie weder die Bereinigungspositionen für die Vergangenheit verstehen, noch für die Zukunft schätzen können und diese Limitationen organisationsintern auch offen thematisieren, sind sie doch nach außen stets bemüht, diese Fähigkeit zu simulieren. Insgesamt gilt es die Fiktion der Vergleichbarkeit aufrechtzuerhalten. Im Ergebnis “hinken“ die so konstruierten Unternehmensvergleiche stark. Dissonanzsenkend wirkt hier eine Reihe von Konstruktionsanreizen. So hat sich einerseits ein Verband institutionalisiert, aus dessen legitimierter Konzeption kein Analyst ausbrechen will. Andererseits sind Unternehmensvergleiche für Adressaten anschaulich und wirken kompetent. Schließlich eignen sie sich als rhetorisches Instrument, um eine bereits existente Argumentation zu stützen. Gleichwohl fühlt man sich im Tauziehen um die Unternehmensdarstellung, bei der sich ausgeklügelte Analysemethodik und subtile Bilanzpolitik gegenüber stehen, an „den Wettlauf zwischen Hase und Igel oder Bilanzhersteller und Bilanzanalytiker“ (Küting 1996, 11) erinnert. Virulent wird hierbei nicht nur das bereits bekannte institutionenökonomische Problem ungleicher Informationsverteilung. Aufgrund seiner Distanz zum Unternehmen hat der Analyst als Vertreter des Prinzipals in dem Wettstreit nicht nur weniger Informationen als der Agent Unternehmensmanagement. Angesichts intransparenter „bilanzpolitischer Schachzüge“ (Küting 1996) muss der Prinzipal den „Wahrheitsgehalt“ seiner Informationen grundsätzlich hinterfragen. Die meisten Analysten begegnen den Kennzahlen daher mit einer starken Skepsis. Kennzahlengläubigkeit ist eher die Ausnahme. Weniger die finanzielle Solidität eines Unternehmens ist daher für die Analystenmehrheit entscheidend, sondern dessen zukünftige Ertragsperspektive. Dies auch deshalb, weil die Unternehmensvergangenheit und -gegenwart letztlich nur der Generierung zukünftiger Erträge dienen. Die zentrale Frage aus Analystensicht lautet somit: „Wie sieht die Gewinnsituation perspektivisch aus? 2.3.2.3.

Die Praxis der Gewinnprognose

Da sich der Substanzwert, d.h. der gegenwärtige Unternehmenswert einer genauen Bewertung entzieht und ohnehin nur Mittel zum Zweck ist, wird in Praxis und Theorie der „innere Wert“ nicht mit dem Substanz-, sondern mit dem Ertragswert verbunden. Der Ertragswert eines Unternehmens entspricht der Summe aller künftig realisierten Gewinne. Je weiter diese in der Zukunft liegen, umso geringer ist ihr gegenwärtiger 119

Wert. Dies hat zwei Gründe. Zum einen können gegenwärtige Gewinne alternativ zu einer unternehmensbezogenen Reinvestition einer risikolosen Verzinsung in Staatsanleihen zugeführt werden. Dies ist bei zukünftigen Gewinnen nicht möglich. Zum anderen nimmt mit steigendem Prognosezeitraum die Wahrscheinlichkeit realisierbarer Gewinne ab. Gilt die alternative risikolose Verzinsung generell für alle Investitionen, so muss bei dem Investitionsrisiko das zu investierende Unternehmen in den Blick genommen werden. So ist etwa eine Investition in Unternehmen auf volatilen Märkten riskanter als bei solchen auf gefestigten Märkten. Mit steigendem Prognosezeitraum und Geschäftsrisiko sinkt die Gewichtung zukünftiger Gewinne bei der Berechnung des Ertragswertes. Hieraus ergibt sich dann folgende Formel zur Berechnung des „inneren“ Unternehmenswertes (Mars 1998, 139): f

PV0

Gt

¦ 1  i

1 i t

t

Analysten müssen daher für die Festlegung des inneren Wertes mehrere Faktoren bestimmen. Einerseits ist die Höhe zukünftiger Gewinne im Zeitablauf zu definieren. Andererseits müssen sie die Höhe des risikolosen Zinssatzes am Kapitalmarkt bestimmen. Schließlich ist das spezifische Investitionsrisiko des Unternehmens festzulegen. Die letzten beiden Faktoren werden zu einem risikoangepassten Zinsfuß aufaddiert. So lässt sich der innere Wert eines Unternehmens berechnen. Gleichwohl: „Keiner der von mir beobachteten Analysten berechnet den ’inneren Wert’ eines Unternehmens“ (Mars 1998, 139). Die Verweigerungshaltung liegt primär an der Komplexität des Verfahrens und den hiermit verbundenen Fehlerquellen. Weder ist die Höhe des risikolosen Zinssatzes verlässlich prognostizierbar, noch können sie zweifelsfrei eine unternehmensspezifische Risikoprämie definieren. Analysten verzichten daher auf die Abdiskontierung der Erträge durch den risikoangepassten Zinssatz und prognostizieren lediglich die Gewinne. Sehen jedoch Standardlehrbücher (Perridon/Steiner 1999) einen unendlichen Prognosehorizont vor, indem sie die Einbeziehung aller zukünftigen Erträge verlangen, so reduzieren die Analysten ihren Prognosehorizont auf maximal zwei Jahre. Längere Prognosezeiträume sind für sie schon deshalb „Augenwischerei“, weil auch „die meisten Unternehmen selber ja ’ne konkrete Schätzung nur für das nächste Planjahr machen. Die Unternehmen wär’n ja froh, wenn sie das selber schon so genau machen könnten. Die BASF hat mal ganz klar gesagt – was mich auch’n bisschen erschreckt hat: ’Wir können unsere Kiste maximal drei Monate überblicken. Wir sind immer sehr darauf aus, mit Analysten zu sprechen, weil die ja wissen, was in eineinhalb, zwei Jahren ist! ’“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 141)65.

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Ähnlich skeptisch beurteilte bereits Keynes (1936, 149-150) die Möglichkeiten langfristiger Prognose: „The outstanding fact is the extreme precariousness of the basis of knowledge on which our estimates of prospective yield have to be made. Our knowledge of the factors which will govern the yield of an investment some years hence is usually very slight and often negligible. If we speak frankly, we have to admit our basis of knowledge

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Mit Blick auf die Prognose verstärkt sich die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Unternehmen und Analysten. Erwies sich eine realitätsgetreue Rekonstruktion des Status Quo bereits als kaum durchführbar, so stellt sich die Ertragsprognose als noch problematischer dar. Als sehr unsicher erweist sich nicht nur die diagnostische Basis der Prognose. Denn: ebenso wie die Beschreibung der Vergangenheit unternehmenspolitischen Kalkülen folgt, so spiegeln auch die Äußerungen der Unternehmen nicht zwangsläufig die tatsächlichen Zukunftserwartungen, ganz zu schweigen von der tatsächlichen Zukunft des Unternehmens, wider. Die Prognosepraxis der Analysten unterscheidet sich insofern auch von dem Prognosebegriff der Lehrbücher, als „die Analysten parallel zur Prognose erster Ordnung eine Prognose zweiter Ordnung mitführen müssen“ (Mars 1998, 142). Ihre Prognose zielt nicht nur auf die Zukunft des Unternehmens. Die Analysten prognostizieren auch die zu erwartende Darstellung dieser Zukunft durch das Unternehmensmanagement. Denn genauso wenig wie die bilanzpolitisch manipulierte Ist-Beschreibung mit der Vergangenheit übereinstimmt, so gering ist auch der Kommensurabilitätsgrad von der vom Management konstruierten Zukunft einerseits und der “tatsächlichen“ Zukunft andererseits. „Analysten versuchen deshalb, sich in die Denkart des Unternehmens hineinzuversetzen, also nicht nur den Jahresüberschuss als solchen zu prognostizieren, sondern auch zu antizipieren, welchen Jahresüberschuss das Unternehmen ausweisen wollen wird“ (Mars 1998, 142). Unterstellt wird hierbei, dass nicht das gekonnte, sondern das gewollte Ergebnis ausgewiesen wird. Da bereits vor der Bilanzerstellung über das zu präsentierende Ergebnis entschieden wird, muss der Analyst neben dem tatsächlichen auch das publizierte Ergebnis prognostizieren. Ausgangspunkt des eigentlichen Prognoseprozesses sind dabei verständlicherweise weniger die Unternehmensinformationen, als vielmehr die individuellen Intuitionen der Analysten. Bereits zu Prozessbeginn haben sie eine Meinung darüber, „wo ich im Ergebnis ungefähr hin will“ (Aktienanalyst zit. nach Mars 1998, 145). So wie die Diagnose mit einem “komischen Gefühl“ beginnt, startet die Prognose mit einem “Bauchgefühl“ bezüglich des tatsächlichen und des publizierten Gewinns. Dieses Gefühl ist kein blinder, sondern ein educated guess. So spielt neben den Informationen aus der volkswirtschaftlichen Rahmenanalyse insbesondere das Wissen über das Unternehmen und dessen Branchenposition eine wichtige Rolle bei der Intuitionsgenese. Bereits hier werden fundamentale Differenzen zu den betriebswirtschaftlichen Lehrbuch-Präskriptionen (Steiner/Bruns 1994) deutlich. Erscheint doch dort die Gewinnprognose als eine Abfolge zweier kombinierter Top-down-Verfahren. Wird in for estimating the yield ten years hence of a railway, a copper mine, a textile factory, the goodwill of a patent medicine, an Atlantic liner, a building in the City of London amounts to little and sometimes to nothing; or even five years hence.”

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linearer Ableitungslogik zunächst von der volkswirtschaftlichen Wachstumsanalyse über die branchenspezifische Wachstumsanalyse auf das Unternehmenswachstum geschlossen, so ergibt sich im weiteren Prognoseverlauf vom Umsatz unter Substraktion verschiedener Kostenpositionen schließlich der Gewinn. Diesen Lehrbuch-Präskriptionen steht nun die Praxis der Aktienprognose insofern diametral entgegen, als die Prognose weniger in Form eines hierarchisierten Ableitungsprozesses als vielmehr gemäß einem hermeneutischen Zirkel66 funktioniert. So fungiert die Branche nicht in der Rolle eines mechanischen Trichters, sondern der eines hermeneutischen Hintergrundes. „Darüber hinaus ist der fachliche Hintergrund der Gewinnprognose gebrochen durch die Beobachtung dessen, was das Unternehmen als Gewinn konstruieren will“ (Mars 1998, 194). Das Bauchgefühl ist der erste Einstich in den hermeneutischen Zirkel. Ob diese Setzung plausibel ist, wird eine Top-Down-Analyse der GuV-Rechnung zeigen. Ausgangspunkt des seriellen Durchgangs ist die Umsatzprognose. Wichtigster Anhaltspunkt hierfür sind die „Aussagen des Unternehmens hinsichtlich der Tendenz der Umsätze“ (Analyst zit. nach Mars 1998, 148). Diese Umsatzprognosen gilt es nun zu plausibilisieren, indem Quartalsberichte, Investitionspläne oder Branchenanalysen zur argumentativen Unterfütterung in Anschlag gebracht werden. Wurden die Umsatzprognosen durch die Plausibilisierung und Modifikation der Unternehmensaussagen konkretisiert, so sind im Folgenden die Kosten vom Umsatz zu subtrahieren. Auch hier stützt sich die Prognose der Kosten auf die Unternehmensangaben. Wichtige Prognosehilfen sind zudem die Berücksichtigung von umsatzabhängigen (z.B. Investitionen) und umsatzunabhängigen (z.B. Materialkosten) Einflussfaktoren. Als zentrales Kriterium für den Erfolg der unternehmerischen Geschäftstätigkeit gilt das operative Ergebnis67. Um nach der Kostensubtraktion das operative Ergebnis ermitteln zu können, sind noch die Positionen “Sonstige Erlöse“ und “Sonstige Aufwendungen“ zu prognostizieren. „Während der Analyst bei der Prognose des Umsatzes und der großen Kostenblöcke von Hinweisen des Unternehmens profitieren konnte, tappt er bei der Prognose der sonstigen Umsätze und Kosten im Dunkeln“ (Mars 1998, 151). Es handelt sich hierbei um bilanzpolitische Dispositionsmasse, über die das Unternehmen gewöhnlich keine Auskünfte gibt. Da die Positionen sich jedoch unmittelbar auf den Gewinn auswirken, stößt das Top-down-Verfahren hier an seine prognostischen Grenzen. Denn sollte der Analyst die Mehrzahl der relevanten Umsatzund Kostenpositionen auch exakt prognostizieren, so kann er bei der Gewinnprognose

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Das Bild des hermeneutischen Zirkels bezeichnet in der Sprachphilosophie die Interpretation eines Textes als fortschreitende Annäherung an dessen Sinn: Ausgangspunkt für das Textverständnis ist das individuelle (Vor-) Wissen. Der eigentliche Verstehensprozess setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Der Bildung von Annahmen über den Sinn eines Textes (Vorurteilen) und der anschließenden Erarbeitung des Textes. Dieser Prozess führt zur Revision und Weiterentwicklung des ursprünglichen Vorwissens, das seinerseits einen erneuten Verstehensprozess anstoßen kann. Zentrale sprachphilosophische Vertreter des hermeneutischen Zirkels sind Gadamer (1972) und Habermas (1968). 67 Operatives Ergebnis entspricht dem Gewinn der Geschäftstätigkeit vor Abzug der Zins- und Steuerlast.

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doch völlig daneben liegen. „Deswegen ist dann oft eben die Schätzung ’na ja, es kommt ungefähr das Ergebnis raus’ besser“ (Analyst zit. Nach Mars 1998, 152). Dies führt nun direkt zum Anfang der Gewinnprognose: dem Bauchgefühl. Top-down: Konzern-G&V Umsatz - Kosten - Gewinn 2 Bauchgefühl: Gewinnveränderung von etwa x% 1 Margen-Tinkering

Quoten-Tinkering

3 Bottom-up: Konzernsparten Umsätze - Margen - Gewinne

Abbildung 11: Der Postgnose-Zirkel. Quelle: Mars (1998, 161)

Ebenfalls der Plausibilisierung des Bauchgefühls dient das Bottom-up-Verfahren zur Gewinnprognose. Hierbei wird zunächst für jeden Geschäftsbereich das Umsatzwachstum prognostiziert. Gewöhnlich nehmen die Analysten hierzu das durchschnittliche Umsatzwachstum der jeweiligen Branche als Benchmark für die Bewertung der einzelnen Geschäftsbereiche. Für die Prognose der Renditeentwicklung werden zumeist Informationen über erzielbare Renditen aufbereitet und dann zu einer erfahrungsgestützten Aussage zugespitzt. Summiert man nun die geschäftsbereichsspezifischen Umsatz- und Renditeentwicklungen, so bekommt man „dann für jeden einzelnen Bereich ein Ergebnis und das addier’ ich auf ein Konzernergebnis vor Steuern“ (Analyst zit. nach Mars 1998, 154). Wie schon das Top-Down-Verfahren, so dient auch der zweite serielle Durchgang der quantitativen Plausibilisierung des qualitativen Bauchgefühls. Der Analyst kreist den zu prognostizierenden Gewinn so lange aus verschiedenen Richtungen ein, bis alle Prognosekomponenten in einem harmonischen Gesamtbild aufgehen. Den zugrunde liegenden Adjustierungsprozess bezeichnet Mars (1998) mit Bezug auf Levi-Strauss (1968) als Bricolage. Genauso wie der Bastler ein Problem bearbeitet, „by arranging and rearranging ... a set of concrete elements ... working through new combinations“ (Turkle 1984, 105), so besteht der Adjustierungsprozess aus einem Trial-and-error-Verfahren. Hierbei geht der Analyst seine Exceltabellen so lange von oben (Umsatz) nach unten (Gewinn) und von unten (Gewinn der Geschäftsbereiche) nach oben (Gewinn des Konzerns) durch und passt dabei die Zahlen fortlaufend an, bis am Ende ein stimmiges Gesamtbild vorliegt.

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Wie bereits bei der Diagnose expliziert, so sind die Analysten auch bei der Gewinnprognose nicht nur Betroffene der (bilanzpolitischen) Konstruktivität. Sie sind vielmehr aktiv an dem Konstruktionsprozess beteiligt. Prognostiziert wird das, was man schon “weiß“. „Postgnostische Zirkularität ersetzt prognostische Linearität“ (Mars 1998, 195). Mag es sich bei dem Tinkering der Prognose auch um einen “weichen“ Erkenntnisstil handeln, so bedeutet dieses, dass der Prozessverlauf und das daraus resultierende Ergebnis kontingent, jedoch keinesfalls beliebig ist. Kontingent ist es einerseits, da die Analysten sich bei der Diagnose und Prognose interaktiv an ihrem Counterpart Unternehmen abgearbeitet haben. Im Unterschied zu dem harten Erkenntnisstil ökonomischer Provenienz, der auf die abstrakte Vermessung des Gegenstandes Unternehmen setzt, müssen sich die Analysten in die situative Handlungslogik des Unternehmensmanagements hineinversetzen. Nur wenn sie die Handlungsmotive, Kontextfaktoren etc., die das Handeln des Unternehmensmanagements bestimmen, verstehen, können die Analysten die Semantik der bilanzpolitischen Signale decodieren. Kontingent ist der Prognoseprozess und dessen Ergebnis andererseits deshalb, weil die Analysten auch die Abnehmer ihrer Prognosen in den Blick nehmen müssen. Im Rahmen des Investmentprozesses sind die Analysen und Prognosen nur insofern von Relevanz, als sie von Portfoliomanagern als Grundlage für ihre Kauf- oder Verkaufsentscheidungen genommen werden. Ebenso wie der Analyst das Unternehmensmanagement verstehen muss, um eine gegenstandsadäquate Diagnose und Prognose zu erstellen, muss er sich in den Portfoliomanager hineinversetzen, damit seine Arbeitsergebnisse die notwendige Akzeptanz erzielen. Wie sich diese Perspektivenübernahme vollzieht und welche organisationalen Voraussetzungen hierfür nötig sind, ist Gegenstand des nächsten Kapitels. 2.3.2.4.

Die Quasifirma als Bezugsgröße der Unternehmenssteuerung

Wie aus Zahlen Informationen werden, wie aus Informationen Wissen wird und wie aus dem Wissen der alles entscheidende Unternehmenswert entsteht, ist ein interpretativer Prozess. Gemäß finanzwirtschaftlicher Entscheidungslogik ist damit die Aufgabe des Analysten beendet. Denn der Analyst sammelt Informationen, bereitet sie auf, berechnet den Unternehmenswert und kommuniziert diesen dann dem Investor. Auf der Basis des nach finanzwirtschaftlichen Methoden errechneten Wertes entscheidet der Portfoliomanager dann über Kaufen, Halten oder Verkaufen von Aktien. Sein Verhalten setzt via Kapitalmarkt Steuerungsimpulse für das Management der Publikumsgesellschaft. Ähnlich wie in der Theorie der rationalen Wahl (Gäfgen 1974), liegt die Aufgabe des Analysten in der informationalen Vorbereitung optimaler (Wahl-) Handlungen des Portfoliomanagers.

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Info Analyst

Wert

Investor

Info Abbildung 12: Die Arbeit der Analysten aus finanzwirtschaftlicher Perspektive. Quelle: in Anlehnung an Hägglund (2000, 314)

Mit Blick auf die komplexe Systemrationalität von Investmentbanken stellt Hägglund (2000) nun die lineare Handlungsrationalität, die in dem finanzwirtschaftlichen Prozessmodell evident wird, in Frage. „First of all we should ask if ’a value’ is really the only result, or even the only important result, of analysts’ work“ (Hägglund 2000, 314). Im Unterschied zu der Einzalaktor-Rationalität (Schreyögg 1991) bei der die Interaktion zwischen Entscheidungsvorbereitung und Entscheidung ein sachlogisches Procedere ist, kommt diesem in der Organisationspraxis eine zentrale Rolle zu. Über 50 % ihrer Zeit verbringen Analysten damit, mit ihren Investoren per E-Mail, Telefon, Analysebericht, in Einzelgesprächen oder Diskussionen zu kommunizieren (Hägglund 2002). Im Mittelpunkt der gemeinsamen Kommunikation steht zumeist die Auswahl und Anwendung des Bewertungsmodells, die dann dem Portfoliomanager als Entscheidungsgrundlage dient. Wichtig ist hierbei, dass dieser ein “Gefühl“ für das zu bewertende Unternehmen bekommt. Als besonders geeignet erweist sich in diesem Zusammenhang das Modell des Value-Managements von Copeland, Koller und Murrin (1990). Während unter finanztheoretischen Aspekten eine Bewertung dieses Modells eher negativ ausfällt, ist es als Lern- und Redeinstrument ein voller Erfolg. „The book valuation is simply not about the internal consistency of the model; this could have been done much more concisely and comprehensibly. Instead they emphasize the understanding of the company” (Hägglund 2000, 321). Mit Blick auf ihre zentrale Frage: „How do we learn enough about today’s company to predict value?” (Hägglund 2000, 322) stellen Copeland u.a. (1990) die intensive Auseindersetzung mit dem Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer Darstellung. Um letztendlich den Unternehmenswert bestimmen zu können, muss sich der Analyst weniger mit der Bewertung als solcher beschäftigen, als vielmehr das Unternehmen in seiner Komplexität verstehen lernen. Ist das Modell mit entsprechenden Daten und Fakten angereichert – das Unternehmenswissen mithin in eine präsentierbare Form gebracht – , so bietet sich dem Portfoliomanager eine geeignete Kommunikations- und Lernplattform. Gleichwohl rezipieren die Portfoliomanager nicht einfach die Fakten. Sie nehmen vielmehr aktiv an deren Entstehung und Verhandlung Anteil. In Verbund mit dem Bewertungsmodell, das sich als zentrales Instrument in diesem Interaktionsprozess erweist, erwecken der Analyst und der Portfoliomanager die “Quasi-Company“ (Latour 1993) zum Leben. 125

Analyst

Investor

Quasi-Firma

Bewertung

Abbildung 13: Die interaktive Konstruktion der Quasi-Firma. Quelle: In Anlehnung an Hägglund (2000, 325)

“Quasi-Companys“ sind sowohl künstlich als auch real. Künstlich sind sie deshalb, weil sie auf abstrakten Bewertungsmodellen basieren. Real sind sie deshalb, weil Analysten und Portfoliomanager viel Zeit mit dem zu bewertenden Unternehmen zubringen und sich intensiv mit ihrem Geschäft, ihrem Personal, ihrem Markt, ihren Kunden etc. beschäftigen. „Quasi-companies are not more or less ’real’ than any ’real’ company, but it is the quasi-company that is traded, and it is the creation of such a company that enables trading” (Hägglund 2000, 326). Um auf dem Kapitalmarkt von den relevanten Akteuren – Analysten, Portfoliomanagern, Journalisten, Ratingagenturen etc. – als Handelsobjekt wahrgenommen zu werden, darf kein Zweifel an dem realen Charakter der Quasi-Company aufkommen. „The quasi-company must be as real as anything else or it will not do“ (Hägglund 2000, 326). Niemand berichtet über oder investiert in ein fiktives Unternehmen. Um den Realitätstest zu bestehen, muss die Quasi-Company permanent durch Fakten belegt werden. Wie diese Fakten kreiert und zu einer Quasi-Company verdichtet werden, liegt jedoch nicht allein im Ermessensspielraum von Analysten und Portfoliomanagern. Nach Hägglund (2000) sind es vor allem drei Kriterien, die über Wohl und Wehe der Quasi-Company auf Kapitalmärkten entscheiden. Was macht die Firma aus? Ein erstes Kriterium betrifft das narrative Potential der Quasi-Company. Hat die Quasi-Company eine gute Geschichte? Ist sie mit einem Mythos belegt? Eignet sie sich als Thema für Gespräche auf Partys, in Flughafenlounges, bei Präsentationen oder in Meetings? Mars (1998) unterscheidet zwischen zwei Arten von Geschichten: die Kostenstory und die Umsatzstory. Sowohl Kosten als auch Umsätze sind jedoch zu abstrakt, um dem Erzähler als Protagonisten zu dienen. Während der Protagonist der Kostenstory in der Regel der Top-Manager eines Unternehmens ist, steht im Mittelpunkt der Umsatzstory ein bestimmtes Star-Produkt des Unternehmens. 126

„Storytaugliche Manager sind ’knallharte’ Macher, die mit einem harten Besen den Augias-Stall ’entschlacken’“ (Mars 1998, 196). Ihre visionäre Weitsichtigkeit lässt diese Vorreiter frühzeitig potentielle Krisensituationen ahnen, so dass sie als Fels in der Brandung Stehvermögen beweisen und Halt geben können. Sie eignen sich zudem als werbende Galionsfigur, die die Story ihres Unternehmens überzeugend verkaufen können. Verfügt das Unternehmen über ein derartig profiliertes Management, „dann ist es ganz egal, welche Produkte die herstellen“ (Analyst zit. nach Mars 1998, 187). Fehlt jedoch ein veritabler Protagonist für die Story, so kann auch ein Produkt diese Funktion übernehmen. Eine Produktstory eignet sich immer dann gut für eine Unternehmensstory, wenn die Unternehmen relativ konjunkturunabhängig sind. Als dynamischer Verdränger von Konkurrenzprodukten oder als dominanter Marktführer kann ein bereits existierendes Produkt zum Helden werden. „Ein neues Produkt wird hingegen als davidischer Markteroberer stilisiert“ (Mars 1998,196). Ganz gleich ob Marktführer, Verdränger oder Eroberer, die Produktstorys wirken überzeugender, wenn sie einerseits Fortschrittlichkeit symbolisieren und andererseits alltagsnah verstehbar sind. Letzteres ist aber bei abstrakten Produkten wie etwa Halbleitern schwierig. Gelingt es aber, ein solches Produkt alltagsnah zu kontextualisieren, gibt dies der Produktstory einen besonderen Appeal. „Ich bin überzeugt, dass der Halbleitermarkt mit 15 bis 20 % bis zum Jahr 2000 wachsen wird, mindestens, und damit zu ’nem unglaublich wichtigen Markt wird. Weil jede Hausfrau in Zukunft in ihrem Bügeleisen irgend’nen Chip haben wird, weil das Teil intelligent wird“ (Analyst zit. nach Mars 1998, 190). Die skizzierten Stories kommen jedoch nur zum Tragen, wenn die Quasi Company thematisch offen struktuiert ist. Letzteres hängt aber stark von dem zugrunde gelegten Bewertungsmodell ab. Ein finanztheoretisches Modell, das nur auf die grundlegenden Variablen Profit und Buchwert fokussiert, ist nicht kommunikativ anschlussfähig an eine Produkt- oder Kostenstory. Das Copeland-Modell hingegen „enables telling a story with details, enables the story to have purpose, enables the incorporation of some industry action as well as some macrofeatures“ (Hägglund 2000, 329). Was ist der „historische“ Kontext des Unternehmens? Das zweite Kriterium betrifft die Kreation einer künstlichen Welt um die QuasiCompany zu testen. Der Analyst muss eine Bühne aufbauen, auf der sich das Unternehmen präsentieren kann. Nur wenn die Investoren, Portfoliomanager, Journalisten, Ratingagenturen etc. sich ein eigenes Bild von den Qualitäten der QuasiCompany machen können, werden sie diese als Handelsobjekt akzeptieren. Es geht darum, dem Unternehmen Raum zur Selbstdarstellung zu geben. Warum brauchen wir diese Quasi-Company? Was unterscheidet sie von anderen Unternehmen? Ist es nur eine nette Geschichte, oder taucht die Firma als Akteur auf der Bühne tatsächlich auf? „We’ve heard the story and we like it – now we want to meet the star in person! Live performance, please” (Hägglund 2000, 330).

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Abbildung 14: The investment object is constructed through its connections. Quelle: Hägglund (2002, 9)

Mit Bezug auf Latour (1988) unterscheidet Hägglund (2000) zwischen drei Phasen, die bei der Herstellung einer Bühnenpräsentation virulent werden. a) Auf der Grundlage seines Analysemodells sammelt der Analyst die Daten und Zahlen und bereitet diese auf. Bei der Datenaufbereitung ist zu beachten, dass ein Bezug zur o.g. Geschichte offenkundig wird. Je detaillierter das ausgewählte Analysemodell ist, umso größer ist die Bandbreite der anschlussfähigen Daten. b) Nach der “Felderhebung“ integriert der Analyst die Daten in der Bank in das Analysemodell. Im Zuge der Datenanreicherungen wird aus einem linearen Bewertungsmodell eine facettenreiche Quasi-Company. Jede Komponente des Unternehmensmodells ist auf die Basisparameter Gewinn und Verlust deduzierbar. Zur Erklärung des Unternehmensmodells werden Bezüge zu internen Komponenten wie dem Produktionssystem, den Produktionskosten und den Qualitätskennzahlen hergestellt. Als externe Erklärungskomponenten für die Quasi-Company gelten hingegen Marktwachstum, Inflationserwartungen, EZB-Zinssätze. „The list of objects that potentially could be connected like this is of course endless, and investors and analysts basically described their work as finding objects that explained more of the company, and also to refine the connection between the company and its explanatory objects“ (Hägglund 2002, 8). Gemeinsam erarbeiten Analyst und Portfoliomanager die Details des Analysemodells, um herauszufinden, wie die Quasi Company auf eine Änderung des 128

Zinsfusses, der Wachtumserwartungen, Preisannahmen oder Produktionskosten reagiert. Wie bereits bei der Unternehmensgeschichte, so erweist sich auch hier das Cash-Flow-Modell von Copeland u.a. (1990) als geeignet für die konzeptionelle Basis der Quasi Company als ein formales Modell. „It is the list of relations and connections that is the quasi company, and the cash flow model gives an infinitely richer picture than the dividend model“ (Hägglund 2000, 331). c) Schließlich muss die bankintern entwickelte Quasi-Company den Marktteilnehmern präsentiert werden. Dies geschieht unter enger Aufsicht des Analysten. Denn: „the balance of power, with the analysts in control of a multi-million dollar company, must be preserved“ (Hägglund 2000, 332). Eine Möglichkeit besteht darin, die Praxis so zu ändern, dass sie mit den “Laborergebnissen“ übereinstimmt. Indikatoren hierfür sind etwa Unternehmen, die das Unternehmensmodell adaptieren oder Manager, die unter Rekurs auf neueste finanzwirtschaftliche Laborerkenntnisse planen und entscheiden68. Neben der direkten Unternehmensadaption können die Ergebnisse auch Grundlage für die Szenarienbildung anderer Analysten werden. Je komplexer das Erscheinungsbild der Quasi-Company, umso höher ist die Anschlussfähigkeit an unterschiedlichste Unternehmensszenarien. Verändert sich in irgendeiner Form das Unternehmen, so kann dieses Ereignis problemloser von Analysten, Firmenkunden, Medien oder Investoren als Bestätigung der Prognosen interpretiert werden. „The laboratory results are brought back into the field – and they are interpreted as correct predictions“ (Hägglund 2000, 333). Wie gewinnt das Unternehmen eine unabhängige Existenz? Die Quasi-Company muss glaubwürdig demonstrieren, dass sie unabhängig von dem Analysten existiert und dieser nicht die Selbstdarstellung der Unternehmung modifizieren kann. Denn niemand investiert in ein Phantasieunternehmen, dessen Handlungen abhängig von den Analysten und ihren schlauen Berichten sind. „A quasicompany must prove itself to exist independent of the analysts and models that helped articulate it – this is the third trial“ (Hägglund 2000, 333). Hier entscheidet sich, ob die Quasi-Company mehr als eine gute Geschichte oder eine nette Performance ist. Hier bekommt die Creation den entscheidenden Realitätsanstrich. Ironischerweise erweist sich jedoch gerade das Ziel und Ergebnis des ganzen Bewertungsprozesses als hohe Hürde für die Quasi-Company auf ihrem Weg zur eigenständigen Entität. Mag das Unternehmensmodell am Ende des Bewertungsprozesses auch mit einem Wert etikettiert werden, die Portfoliomanager werden den Unternehmenswert immer als abhängig von den Analysten und ihren Berechnungen wahrnehmen. „The reason for this is that the analysts have other things to think about than our investments. One example is Enator: when they were on the sell list there was no 68

Hägglund (2000) führt hier das Beispiel der schwedischen Firma Svenska Cellulosa Aktiebolaget (SCA) an. Bei ihrem Börsengang 1997 nutzen sie als neues Steuerungssystem einen Cash-Value-Added-Ansatz, der den Blaupausen eines Cash-Flow-Modells nachempfunden ist. Eigentümer und Investoren reagierten hierauf positiv.

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negative analysis on the market, because all corporate finance departments wanted the deal and they will not give it to you if you say the company is worthless. And now the market is flooded with positive ratings for Telia, of course. So you cannot pay attention to the valuations made by analysts – you have to do them yourself” (Portfoliomanager zit. Nach Hägglund 2000, 333). Da die Portfoliomanager den Bewertungsprozess immer auch als personen- bzw. rollenpräformiert rezipieren, können sie dem erzeugten Wert nicht trauen. Stattdessen verlangen sie detaillierte Auskunft über die zugrunde gelegten Annahmen und Schätzwerte. Vorteilhafter erscheinen daher auf den ersten Blick solche Bewertungsmodelle, die den Unternehmenswert auf wenige, eindeutig kalkulierbare Parameter zurückführen können. Überzeugen also finanztheoretische Modelle selbst den misstrauischsten Investor, so eignen sie sich weder als Grundlage für eine interessante Geschichte, noch können sie ein Unternehmen in seiner Komplexität zum Leben erwecken. Im Gegenzug mögen zwar die komplexen Wirkungszusammenhänge des Cash-Flow-Modells zunächst das Misstrauen des Investors gegenüber dem Unternehmenswert nähren, die Fakten in ihrer Vielfalt und Masse werden jedoch letztlich als realitätsnäher bewertet. „It creates a good story, it allows the quasicompany to display itself, and it is compatible with the demands for independence and objectivity with regard to quasi-company facts“ (Hägglund 2000, 334). 2.3.3. Wissen, Steuerung und Reziprozität – ein Zwischenfazit Unternehmenswissen ist im Fluß. Ob in den Abteilungen der Publikumsgesellschaften, zwischen den „Finanzern“ der Publikumsgesellschaften und den Analysten der institutionellen Investoren oder in dem Handlungsverbund von Analysten und Portfoliomanagern, „Unternehmenstatsachen“ zirkulieren auf unterschiedlichen Ebenen zwischen unterschiedlichen Akteuren. Controller, Treasurer, Analysten oder Portfoliomanager “are not in the Business of value finding, but in the business of fact creation“ (Hägglund 2000, 235). In der kontinuierlichen Kommunikation zwischen den Akteuren auf dem Aktienmarkt werden neue Fakten geschaffen, alte Geschichten verworfen oder alternative Szenarien entwickelt und so ein permanenter Auf- und Abbau des Handelsobjekts „Quasi-Company“ betrieben. Sie ist dabei mehr „an a attractive idea about perfect information, it is a necessary object for both analyst’s and investor’s ability to work“ (Hägglund 2002, 11). Keiner von ihnen könnte ohne ein Handelsobjekt arbeiten, das eine stabile und unterscheidbare Investitionsalternative darstellt. „Analyst must communicate this investment object to the investors, and investors must communicate their rationales to their superiors and investment boards“ (Hägglund 2002, 11). Bei diesen komplexen Kommunikations- und Interaktionsprozessen spielt Reziprozität eine zentrale Rolle. Denn: „Reciprocity distinguishes communication from the ’unilateral’ understanding of individual actions and expressions, thus marking communicative intentions as eminently ’social’, because not only are they addressed to 130

others, but they are the very acts by which ’sociality is constituted’” (Bianchin 2003, 638). Ganz gleich, ob es sich um intra- oder interorganisationale Kommunikation handelt, konstitutiv für jede dieser Formen, ist die Fähigkeit sich wechselseitig in die Position des Gegenübers hineinzuversetzen. „Much of the social behavior is predicated upon assumptions of an actor about the knowledge, beliefs and motives of others. This is the beginning of the process of perspective taking, and is fundamental to communications” (Boland/Tenkasi 1995, 348). Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme ist nicht nur Bedingung für eine “sinnvolle“ Kommunikation zwischen den o.g. Akteuren. Die kommunizierten Inhalte – Unternehmenswissen, Bewertungsmodelle – sind auch Grundlage für die Investitionsentscheidungen von Portfoliomanagern. Die Entscheidung für oder gegen ein Investment wirkt sich via Börse unmittelbar auf den Marktwert der Publikumsgesellschaft aus und bildet somit ein Datum für die Unternehmensführung. Dieser Relevanz der Investitionsentscheidung für das eigene Unternehmen bewusst, versucht das Finanzmanagement durch geeignete Marketingmassnahmen die Attraktivität der Publikumsgesellschaft für Investoren zu erhöhen. Hierbei stehen ihm ein ganzes Arsenal an bilanzpolitischen Werkzeugen zur Verfügung, die der Verschleierung des „wahren Unternehmensgesichts“ hinter einem bilanzkosmetischen Make-up dienen (Mars 1998). Um eine gegenstandsadäquate Prognose für die Investitionsentscheidung zu liefern, muss der Analyst die situative Handlungslogik des Unternehmensmanagements nachvollziehen können. Oberstes Analystengebot ist daher das Bemühen „sich in die Denkart des Unternehmens hineinzuversetzen“ (Mars 1998, 142). Mag die wechselseitige Perspektivenübernahme für eine gelingende Kommunikation und Handlungskoordination noch so evident sein, die Wahrnehmungsposition des Unternehmensmanagements bleibt jedoch den Analysten wie den Portfoliomanagern generell verschlossen. So sehr sich beide auch bemühen, es bleibt dabei, “dass alles echte Fremdverstehen auf Akten der Selbstauslegung des Verstehenden fundiert ist“ (Schütz 1960, 123). Denn mögen die Gegenstände dieser Welt “Alter“ auch bekannt oder erkennbar sein, so ist doch “Ego“ klar, dass ein und derselbe Gegenstand für jeden etwas anderes bedeutet. Diese individualistische Perspektive wird in der Schützschen Phänomenologie (1971) durch zwei grundlegende Idealisierungen69 überwunden, die im Folgenden die Generalthese der reziproken Perspektiven konstituieren. „Die Generalthese der reziproken Perspektiven führt also dazu, dass Gegenstände mit samt ihren Aspekten, die mir tatsächlich und dir potentiell bekannt sind, als Gegenstände im Bereich des Wissens von jedermann erfasst werden. Dieses Wissen ist objektiv und anonym, das heißt, es ist abgelöst und unabhängig von meiner und meiner Mitmenschen Definition der Situation, von unseren einzigartigen biographischen Vorgegebenheiten und

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Es handelt sich hierbei um die bereits erwähnten Idealisierungen der Vertauschbarkeit der Standorte und die Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme.

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unseren wirklichen und möglichen Zielen, die uns mit unseren Biographien verfügbar sind“ (Schütz 1971, 12). Um koordiniertes Handeln überhaupt zu realisieren, müssen Unternehmensmanagement einerseits und Analysten sowie Portfoliomanager anderseits wechselseitig erwarten können, dass das Gegenüber das eigene Relevanzsystem teilt, die eigene Lebensweise kennt und weiß, wie es sich normalerweise in unterschiedlichen Situationen zu verhalten hat (Schütz 1971; Stegbauer 2002). Als konstitutiver Ausweis für eine Kommensurabilität der Relevanzsysteme gilt der Einsatz von institutionalisierten Bewertungsmodellen und damit verbundenen Unternehmensstrategien. Ebenso wie die Portfoliomanager ihre Anlagen nach zu erwartenden Renditen auswählen, betrachten Unternehmensmanager ihre Unternehmensteile als austauschbare Renditeobjekte. Die Konzernlenker entfremden sich – wie Hauschild und Heldt (2001, 354) betonen – „zunehmend von den einzelnen Konzerngesellschaften und betrachten die Unternehmen und Betriebe ihres Portefeuilles als austauschbare Teile. Ihre Strategien und Instrumente gleichen inzwischen weitgehend denen eines institutionellen Anlegers“. Indem das Management die institutionalisierten Bewertungsmodelle zur Grundlage seiner internen Ressourcenallokation macht, wird das eigene Unternehmen nicht nur in den Augen der Analysten und Portfoliomanager zu einem akzeptablem Investitionsobjekt. Es kehrt sich auch gleichsam das Verhältnis von interner Unternehmensstrategie und externem Bewertungsmodell um. Als Vorreiter des Wertmanagements spielt beispielsweise die General Electric Company häufig am Modell durch, „how an acquisition, a divestment or the restructuring of a divsion would affect official earnings before going ahead“ (Macintosh 2001,140). Wird in traditioneller Lesart zunächst die Strategie implementiert und dann die Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis bewertet, so präformiert im Falle von GE das Bewertungsmodell die Implementation der Unternehmensstrategie. „So instead of GE’s accounting reflecting the real outcomes of strategic decisions, the ex-ante accounting model, itself a simulation of analysts’ expectations of earnings, precedes and engenders the strategy which in turn recirculates into reported earnings” (Macintosh 2001,140). In ähnlicher Weise betreiben auch Firmen wie Walt Disney ihre Bilanzpolitik. Mit Blick auf die gemeldeten Gewinnprognosen entscheiden sie den Zeitpunkt, an dem Videokassetten von Hits wie “Snow White“ in den Handel kommen. Indem sie mit Bedacht den Zeitpunkt für die Markteinführung bestimmen, forcieren sie einen gleichmäßigen Gewinntrend, den Analysten leicht prognostizieren können. Im Gegenzug stützen die Gewinnprognosen der Analysten den Aktienkurs. Im Allgemeinen läuft der Prozess wie folgt ab: Analysten suchen in den aktuellen Finanzberichten (Bilanzen, Ad-hoc-Meldungen etc.) und Investitionsentscheidungen nach Hinweisen über zukünftige Gewinne. Gleichzeitig legt das Unternehmensmanagement die Gewinnprognosen der Analysten ihren jährlichen Zielen zugrunde und wählt die Investitionen sowie die Rechnungslegungsverfahren so aus, dass die

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angekündigten Erträge den Prognosen der Analysten entsprechen oder diese sogar übertreffen. Im Gegenzug preist der Kapitalmarkt die Gewinnprognosen der Analysten in die Aktienkurse ein. So scheint es – wie Macintosh 2001, 141) betont – , „that the company’s insvestment decision model, the analysts’ forecasting model, and investors’ valuation models circulate simultaneously in the hyperreal finance realm in an Möbius strip like fashion“. In diesem selbstreferentiellen System erfolgt Steuerung nicht mehr linear, d.h. unter Rekurs auf den “wahren“ Unternehmenswert. Bezugspunkt interaktiver Steuerung sind vielmehr institutionalisierte Bewertungsmodelle, etwa das Wertmanagementmodell von Copeland et al. (1990), die ihr reziprokes Steuerungspotential durch die Bilanz- und Investitionspolitik des Unternehmen einerseits und den Auf- und Abbau des Handelsobjekts Quasi Company auf Anlegerseite anderseits zur Entfaltung bringen.

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3. Kontrolle und Kooperation in der Investor/UnternehmensInteraktion – theoretische Perspektiven und empirische Evidenzen Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, die Handlungsmotivationen der Interaktionspartner – Aktionäre und Unternehmensmanagement – als Ergebnis und Bedingung der sozialen Interaktionsprozesse zu explizieren. Es geht also gewissermaßen darum, die jeweiligen Handlungsmotivationen in ihrer sozio-kulturellen Bedingheit zu erfassen. Mit Blick auf das dominante Theoriekonzept – die Neue Institutionenökonomie – werden zunächst solche institutionellen Arrangements dargestellt, die das Problem der Interessensdivergenzen zwischen Aktionären und Unternehmensmanagement beheben sollen (3.1). Eingegangen wird hierbei insbesondere auf den Einsatz von SupervisorKonzepten der Managementkontrolle (3.1.2) und der Verwendung von Wettbewerbskonzepten der Managementdisziplinierung (3.1.3) zur Lösung des Anreizproblems. Grundlegend für die institutionenökonomische Theorie und somit auch für die favorisierten Arrangements ist ein weitgehend dekontextualisiertes Interaktionsverständnis, bei dem a priori utilitaristische Handlungsmotive handlungsleitend sind (3.2). Konfrontiert wird das dominante institutionenökonomische Paradigma nachfolgend mit den Ergebnissen der experimentellen Wirtschaftsforschung, die prosoziales Handlungsmotive wie Fairness, Loyalität und Reziprozität als konstitutiv für die Funktionsweise von offenen Vertragsbeziehungen – wie etwa Arbeitsverträgen – identifizieren (3.3). Mit Blick auf die Ergebnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung wird im Folgenden die Unternehmenssteuerung weniger als ein Kontroll- sondern vielmehr als ein Kooperationsproblem betrachtet (3.4). Um diese revidierte Sichtweise mit empirischer Evidenz zu belegen, werden sodann Untersuchungen zu kooperativen Interaktionsmustern zwischen Anteilseignern und Top-Managern ins Feld geführt. Am Beispiel der Funktionsweise von japanischen (3.4.1) und britischen (3.4.2) Unternehmensboards wird ausführlich gezeigt, wie unter Rekurs auf je spezifische sozio-kulturelle Bedingungen prosoziale Verhaltensweisen etablieren, die im Kern einen reziproken Interaktionszusammenhang generieren. 3.1. Unternehmenssteuerung als Kontrollproblem – die Sicht der Institutionenökonomie Die Publikumsgesellschaft ist aus verfügungsrechtlicher Sicht das Eigentum der Aktionäre bzw. Anteilseigner. Eine wirkungsvolle Managerkontrolle, die einen effizienten Umgang des Topmanagements mit den Unternehmensressourcen gewährleistet, liegt daher im originären Interesse der Anteilseigner (Kräckel 2004). Welche Mechanismen eine effektive Managerkontrolle realisieren, ist Gegenstand der Corporate-Governance-Forschung. Obwohl im deutschen Sprachraum eine einheitliche Definition fehlt (Witt 2003), kann der englische Terminus aus ökonomischer Perspektive als Oberbegriff für das gesamte System interner und externer Kontroll- und Überwachungsmechanismen in einer Unternehmung bezeichnet

werden (Steiger 2000, 2001; Dietl 1998; Witt 2003). Thematisch vereint der Begriff Corporate Governance mehrere Aufgabenbereiche. Das Spektrum reicht von der Struktur der Eigentums- und Kapitalverhältnisse und der personellen Gremienzusammensetzung zur Leitung und Kontrolle in Unternehmen bis hin zur Organisation der Unternehmensführung sowie der Arbeitnehmermitbestimmung. Weiterhin werden auch der Einfluss von Fremdkapitalgebern und der Wettbewerb auf Produktmärkten diskutiert. Bei der Corporate-Governance-Analyse wird demnach kein eigenständiger Forschungsgegenstand untersucht, „sondern vielmehr ein neuer, systemischer Fokus auf bereits existierende Forschungsgebiete gerichtet“ (Steiger 2000, 63). Indem das erklärte Ziel der Corporate Governance darin liegt, die Interessen der Eigenkapitalgeber gegenüber denen des Managements bzw. des Unternehmens zu wahren (Shleifer/Vishny 1997), fügt sich das Konzept nahtlos in den ShareholderValue-Ansatz ein. „Aus Sicht des Shareholder Value Konzepts eröffnet eine effizient organisierte Corporate Governance dem Anteilseigner – bei gegebener Kontrollstruktur – die Möglichkeit, eine Unternehmensführung beim Management einzufordern, die den Unternehmenswert maximiert“ (Steiger 2000, 64). Eine effiziente Corporate Governance stellt sich als Voraussetzung dar, um langfristig einen höheren Unternehmenswert zu generieren. Unterstellt wird somit ein erheblicher Einfluss der Unternehmenskontrolle auf die ökonomische Leistung des Unternehmens. Insbesondere institutionelle Investoren, die zumeist als Minderheitsaktionäre auftreten, müssen zur Durchsetzung der originären Eigentümerinteressen ihrer eigenen Kapitalgeber auf eine entsprechende Realisierung der Shareholder-Value-Konzeption achten, um sich so eine adäquate Rendite des investierten Kapitals zu sichern70. Die institutionellen Investoren unterstellen laut Steiger (2000, 2001) zwischen Unternehmenskontrolle und ökonomischer Performance implizit folgende Beziehungen: z Die manageriellen Aktivitäten beeinflussen die Unternehmensleistung. z Das System der Corporate Governance beeinflusst den manageriellen Entscheidungskontext. z Eine effiziente Corporate Governance reduziert die Agencykosten, indem managerielle Ziele mit den Interessen der Aktionäre, die auf Maximierung des Shareholder Value fokussieren, harmonisiert werden. z Die Leistungssteigerung einzelner Unternehmen führt schließlich zu einer höheren Wohlfahrt der Volkswirtschaft. Der angenommene Zusammenhang zwischen Corporate Governance und Unternehmensperformance führt seit Mitte der achtziger Jahre zum sog. Shareholder Activism. Auf Betreiben von US-amerikanischen Pensionsfonds werden verstärkt

70

Vgl. Hierzu auch die Definition von Corporate Governance bei Shleifer und Vishny (1997, 737): „Corporate Governance deals with the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment“

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originäre Aktionärsrechte eingefordert. Im Zuge dieses Shareholder Activism entsteht weltweit eine Vielzahl freiwilliger Corporate-Governance-Verhaltenskodizes seitens institutioneller Investoren (z.B. CalPers, TIAA-CREF), Unternehmen (General Motors), Kommissionen (Combined Code UK, „Grundsatzkommission Corporate Governance“ in Deutschland) und supranationaler Organisationen (z.B. OECD, Weltbank). Diese eint die gemeinsame Zielsetzung: „durch allgemein gültige Standards eine auf Wertschöpfung ausgerichtete Leistung und Kontrolle von Unternehmen zu gewährleisten“ (Steiger 2001, 534). In der konkreten Ausgestaltung unterscheiden sich die Verhaltenskodizes jedoch erheblich. Dies ist neben den differenten Zielen der einzelnen Verfasser primär dem unterschiedlichen Entwicklungsstand des jeweiligen Corporate-Governance-Systems gezollt. Letzterer hängt von unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen ab, die im Folgenden skizziert werden. 3.1.1. Marktliche und gesetzliche Kontextfaktoren der Unternehmenskontrolle Eine zentrale Bestimmungsgröße der international beobachtbaren CorporateGovernance-Systeme ist die Struktur der länderspezifischen Unternehmensfinanzierung. Die unterschiedlichen Finanzierungsanteile von Eigen- und Fremdkapital wirken sich insofern massiv auf die Unternehmenskontrolle aus, als Letztere entweder stärker von den Eigenkapital- oder Fremdkapitalgebern durchgeführt wird (Steiger 2001). Häufig unterschieden werden die angelsächsischen von den kontinentaleuropäischen Finanzsystemen mittels der dichotomen Typologie markt- versus bankorientiertem System (Mayer 1998). Bezugskriterium für die dichotome Typologisierung ist die Wahl der dominanten Form der Außenfinanzierung. Im Rahmen der bankorientierten Systeme sind die Kreditinstitute als wichtigster Intermediär von zentraler Bedeutung. Kreditnehmer und Finanzinstitut handeln jeweils individuell und bilateral die Vertragskonditionen aus. Indem die Kreditinstitute gleichzeitig als Eigenkapitalgeber auftreten, üben sie eine Doppelfunktion innerhalb der Corporate Governance aus. „Die marktorientierten Systeme hingegen pflegen traditionell die Kapitalmarktfinanzierung zu den vom Kapitalgeber vorgegebenen Kontraktspezifikationen, Kreditsinstitute spielen hinsichtlich der klassischen langfristigen Fremdkapitalfinanzierung eine untergeordnete Rolle“ (Steiger 2000, 80). Rechnete man bis dato Deutschland oder auch Japan eher dem bankorientierten System zu, während USA und Großbritannien eher als Vertreter des marktorientierten Systems galten, so lässt sich gegenwärtig in Deutschland eine Hinwendung zum marktorientierten System feststellen (Gerke/Pfeufer 1995; Bank 1998). Eine weitere Dichotomisierung konstituiert sich über die unternehmensrechtliche Bestimmungen als institutionelle Bedingungen der Corporate Governance (Kräkel 2004; Picot/Dietl/Franck 2002). Unterscheiden lassen sich hierbei das monistische Boardsystem US-amerikanischer Prägung und sein deutsches Gegenstück, das 137

dualistische System von Vorstand und Aufsichtsrat (Schewe 2005). Bestimmt wird das deutsche System durch die Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) und des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG). Die Vorstandsmitglieder führen die Unternehmensgeschäfte zwar gemeinschaftlich, jedoch fallen Arbeitsdirektor und Vorstandsvorsitzendem eine gesonderte Rolle zu. Während Ersterer für alle personalen und sozialen Belange zuständig ist, bestimmt Letzterer zumeist die Ausrichtung der Unternehmenspolitik. Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Überwachung des Vorstands. Er rekrutiert sich paritätisch aus Arbeitnehmervertretern und Vertretern der Anteilseigner. Bestimmen die Arbeitnehmer ihre Vertreter direkt durch ein Wahlmännergremium, so wählen die Anteilseigner ihre Abgesandten in der Hauptversammlung. Häufig rekrutieren sich die Vertreter aus den Führungsetagen anderer Unternehmen, bevorzugt aus denen des Bankensektors. Die Vertreter der Anteilseigner bestimmen normalerweise den Aufsichtsratsvorsitzenden. Seine Stimme hat bei der zweiten Abstimmung doppeltes Gewicht, sofern in der ersten Abstimmungsrunde Stimmenparität vorliegt. Weitere Aufgaben sind neben der Kontrolle des Vorstands die Bestellung der Vorstandsmitglieder mit 2/3-Mehrheit und die Festlegung der Vorstandsvergütung bzw. -vergütungsform. An der Hauptversammlung können alle Aktionäre der AG teilnehmen. Die Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlung sind für sämtliche Fragen, die das Aktienkapital und den verfassungsmäßigen Aufbau des Unternehmens betreffen, bindend. Dies betrifft insbesondere Entscheidungen bezüglich der Verwendung des Bilanzgewinns, Satzungsänderungen, Fusionen, Gesellschaftsauflösung und die Herab- bzw. Heraufsetzung des Aktienkapitals. Zudem wird in der Hauptversammlung über die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie über die Bestellung der Abschlussprüfer befunden (Kräkel 2004; Schewe 2005). Im Gegensatz zum dualistischen Modell ist beim monistischen Modell die Leitungsund Kontrollkompetenz in einem Organ – dem Board of Directors – konzentriert. Um die Leitungs- und Kontrollaufgaben durchzuführen, bildet das Board zumeist mehrere Ausschüsse. Diesen Ausschüssen werden bestimmte Aufgaben zugewiesen. So ist etwa das Auditt Commitee für die Vorbereitung der Abschlussprüfung zuständig, während im sog. Executive Committee die eigentlichen Managementaufgaben gelöst werden. Das Board besteht aus unternehmensinternen (inside directors) und -externen (outside directors) Direktoren. Erstere rekrutieren sich aus den Führungskräften des Unternehmens und führen hauptamtlich die eigentlichen Managementtätigkeiten durch. Letztere übernehmen überwiegend die Überwachungsfunktion des Boards und führen dieses Amt zumeist nur als Nebentätigkeit durch. Generell umfasst das Board of Directors zwischen 10 und 15 Mitgliedern. Die Mehrheit stellen hierbei normalerweise die Outside-Direktoren. Geführt wird die US-amerikanische Stock Corporation i.d.R. nur von drei bis fünf Inside-Direktoren. Die entscheidende Schlüsselrolle im Board of Directors hält der Generaldirektor oder Chief Executive Officer (CEO) inne. Er bestimmt üblicherweise die Unternehmenspolitik und die

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laufende Unternehmensführung. Häufig führt er in Personalunion den Boardvorsitz (chairman). Seine Machtposition geht also deutlich über die des Vorstandsvorsitzenden einer deutschen AG hinaus, da er die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse von Vorstand und Aufsichtsrat auf sich vereint. Diese Machtfülle des CEOs wird jedoch begrenzt. So entscheiden formal alle Direktoren des Boards über seine Ernennung und Entlassung sowie über seine Vergütung bzw. Vergütungsform. Während die Wahrnehmung der Überwachungsfunktion durch die outside directors zunächst unproblematisch erscheint, ist eine Übernahme dieser durch die internen Direktoren heikel. Bleicher (1992) spricht mit Blick auf die Position der Inside Direktoren, von einem “doppelten Hut“, den dieser Personenkreis trägt. Einerseits obliegt ihnen die Kontrolle des Boards, andererseits sind sie im Rahmen der laufenden Unternehmensführung der Richtlinienkompetenz des CEO untergeordnet und damit von diesem abhängig. Weiterhin wird die Entscheidungsmacht des CEO dadurch eingeschränkt, dass bestimmte Geschäfte von dem Plazet des Boards abhängig gemacht werden können. Letztlich ist auch eine (partielle) Delegation der Überwachungsfunktion an ein von externen Direktoren dominiertes Audit Committee möglich (Kräkel 2004; Schewe 2005). Ein diskretionärer Entscheidungsspielraum des Topmanagements besteht sowohl bei dem monistischen als auch bei dem dualistischen Modell der Unternehmensleitung. Andernfalls könnte das Topmanagement auch gar keine aktive Unternehmensführung betreiben. Gleichwohl eröffnet der Gestaltungsspielraum aus agencytheoretischer Sicht mannigfaltige Möglichkeiten des opportunistischen Verhaltens zu Lasten der Anteilseigner. Unabhängig von den länderspezifischen Institutionen lassen sich die Versuche, die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Anteilseigner zu erhöhen, in zwei Kategorien einteilen. Picot, Dietl und Franck (2002) folgend kann man zwischen Supervisor-Konzepten einerseits und Wettbewerbskonzepten andererseits unterscheiden. 3.1.2. Supervisor-Konzepte der Managementkontrolle Im Mittelpunkt von Supervisor-Konzepten steht jeweils ein spezialisierter Intermediär. Dieser soll im Auftrag der weitgehend hilflosen Anteilseigner das Topmanagement beaufsichtigen und so die Wertvernichtung verhindern. An die Stelle der PrincipalAgent-Beziehung tritt dann eine Principal-Supervisor-Agent-Beziehung. Hauptversammlung und Stockholdermeeting als Forum der Anteilseigner Das Gesellschaftsrecht sieht das regelmäßige Zusammenkommen der Anteilseigner in der Hauptversammlung vor. Hier muss das Management Rechenschaft ablegen. Aus institutionenökonomischer Perspektive stellt die Hauptversammlung ein Kontrollorgan dar, durch das die Koordinationsrechte des Managements begrenzt werden. Um festzustellen, ob sich die Hauptversammlung als wirksame Institution zur Handhabung des Principal-Agent-Problems erweist, muss man ebenso die zur Verfügung stehenden Sanktions- und Disziplinierungsmechanismen als auch die vorliegenden Anreize in 139

den Blick nehmen (Picot/Dietl/Franck 2002; Kräkel 2004). Die gesetzlichen Disziplinierungsoptionen der Hauptversammlung stellen sich eindeutig dar. Bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen können Aktionäre etwa eine beantragte Kapitalerhöhung ablehnen, dem Vorstand die Entlastung verweigern oder sogar die Auflösung der Aktiengesellschaft beschließen. Nimmt man hingegen die Anreize in Augenschein, so fällt die Bewertung kritischer aus. Obwohl sie die Eigentümer der Unternehmung sind, lassen sich bei den Anteilseignern nur geringe Kontrollanreize konstatieren. Für den einzelnen Anteilseigner ist die Teilnahme an der Hauptversammlung ebenso wie eine aktive Managerkontrolle ein öffentliches Gut, da alle Anteilseigner an dem Nutzen aus seinen Aktivitäten partizipieren. Rationalerweise wird der Einzelne in dieser Situation Trittbrett fahren und möglichst von den Kontrollaktivitäten anderer Akteure profitieren. Zusätzlich ist zu bedenken, dass bei näherungsweise atomistischer Anteilseignerstruktur eine aktive Teilnahme an der Hauptversammlung für den individuellen Aktionär nicht rational wäre. Während die Abstimmungsbeteiligung mit signifikanten Kosten verbunden wäre, erweisen sich die Erträge aufgrund des vernachlässigbaren Einflusses einzelner Stimmen als kaum wahrnehmbar (Kräkel 2004). In Abhängigkeit von ihren Konstitutionsbedingungen reduziert eine Anteilskonzentration die skizzierten Anreizprobleme. Halten Privatanleger große Eigentumspositionen, so verwandeln sich die Publikumsgesellschaften sukzessive in Eigentümer-Unternehmen. Große Privatanleger ziehen als Supervisoren nicht nur Nutzen aus der Aufdeckung von Managementfehlern, sie organisieren auch problemloser die notwendigen Mehrheitsverhältnisse zur Aktivierung des Disziplinierungsinstrumentariums der Hauptversammlung. Die Anteilskonzentration entzieht dem Supervisor gleichwohl die Option, sein Anlagerisiko über den Kapitalmarkt zu diversifizieren. Je stärker sich die Aktiengesellschaft zur EigentümerUnternehmung entwickelt, umso mehr wird die Lösung des Agency-Problems durch einen ineffizienten Umgang mit dem exogenen Risiko erkauft (Picot/Dietl/Franck 2002). Die primär in Deutschland üblichere Form der Anteilskonzentration konstituiert sich über den Anteilsbesitz von Unternehmen. Nach Untersuchungen von Prowse (1994) und Heinrich (2002) halten die fünf größten Anteilseigner in deutschen Publikumsgesellschaften durchschnittlich 41,5 % der Unternehmensanteile. Hingegen sind es in den USA nur 25,4 %. Herrschen demnach in Deutschland Großunternehmen über Großunternehmen, so dominieren in den USA Pensionsfonds, Investmentfonds und ähnliche Institutionen die Eigenkapitalverteilung in den Publikumsgesellschaften. Sie verfügen über 55-62 % des Eigenkapitals (in Deutschland: 3 %) (Heinrich 2002). Auf den ersten Blick müssten aktienhaltende Unternehmen in Deutschland ebenso wie US-amerikanische Pensions- und Investmentfonds an einer umfassenden Managerkontrolle interessiert sein und diese aufgrund der Stimmrechtsakkumulation auch durchsetzen können. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass wiederum

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Topmanager als Vertreter des anteilshaltenden Unternehmens die Rolle des Supervisors einnehmen. Sie stehen üblicherweise selbst in einer problematischen Agency-Beziehung zu den eignen Aktionären. In der Folge ist damit zu rechnen, dass ein wenig kontrolliertes Management auch seinerseits die ihm zur Aufsicht anvertrauten Topmanager schwach kontrolliert (Kräkel 2004). Kurioserweise könnten gerade Agency-Probleme zusätzliche Kontrollanreize bei Topmanagern von aktienhaltenden Unternehmen induzieren: „Wenn nämlich die Supervisoren als Topmanager den finanziellen Erfolg aus Beteiligungen selbst ungestraft konsumieren können, sollten sie noch motivierter sein, ein effizientes Beteiligungsmanagement zu betreiben, als wenn sie dessen Überschüsse weitgehend an die eignen Aktionäre herausgeben müssten“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 269). Die schwache Kontrolle im eigenen Unternehmen stattet Topmanager somit erst mit den Verfügungsrechten aus, die konstitutiv für ihr Engagement als Supervisoren sind. Die Frage „Who monitors the monitor?” lässt sich schwer beantworten. Blickt man über den Ozean, so scheinen Investment- oder Pensionsfonds zur Managementkontrolle geradezu prädestiniert zu sein. Können doch die Anleger die Leistungsfähigkeit solcher Finanzintermediäre anhand von Renditeentwicklungen beurteilen und ggf. das Kapital abziehen. In der Folge ist der diskretionäre Verhaltensspielraum des Fondsmanagements deutlich beschränkt. Sind nun aber streng Kontrollierte auch zwangsläufig gewissenhafte Kontrolleure? Empirisch scheint sich diese Kausalitätsannahme nicht zu bewahrheiten. Fonds fallen generell als passive Investoren auf. Sie betätigen sich nicht als Supervisoren, sondern trennen sich bei enttäuschender Geschäftsentwicklung schnell von ihren Anteilen. Neben gesetzlichen Beschränkungen ist dieses Verhalten letztlich auch ihrem Rationalkalkül geschuldet. Eine Kontrolle über die erwirtschaftete Rendite führt letztlich dazu, dass Fondsmanager auf die Vernichtung von Shareholder Value so lange mit einem Abzug ihrer Beteiligungen reagieren, wie sich ihnen bei gleichen Renditeoptionen alternative Investmentchancen bieten. So ersparen sie sich und ihren Anlegern die Übernahmekosten einer aktiveren Supervisorrolle (Picot/Dietl/Franck 2002). Aufsichtsrat und Board of Directors Die Publikumsgesellschaften müssen aufgrund gesetzlicher Regelungen ein permanentes Kontrollgremium für die Unternehmensführung einrichten. Während im dualistischen System diese Aufgabe dem Aufsichtsrat zufällt, werden im monistischen System vorwiegend die externen Board-Direktoren mit dieser Tätigkeit betraut. Beide nehmen also die Rolle eines Supervisors für das Management ein. Eine derartige Kontrolldelegation kann bei einer überlegenen Kontrolltechnologie des Supervisors prinzipiell vorteilhaft sein. Da der Aufsichtsrat bzw. das externe Direktorium als Insider über eine solche verfügt, bestehen Spezialisierungsvorteile gegenüber dem Kleinanleger. Weiterhin ist jedoch die Frage zu beantworten, ob der Supervisor über geeignete Kontrollanreize und über adäquate Disziplinierungsmechanismen verfügt.

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Eine Analyse der Anreizstrukturen ist komplex, da sie durch vielfältige Interdependenzen gekennzeichnet ist. Die Beantwortung der Frage nach den geeigneten Anreizen für Supervisoren ist daher schwierig. Prioritär wird die Kritik an der Arbeit externer Direktoren an der Kategorie „zu schwache Anreize“ festgemacht. Als weiterer Kritikpunkt wird im dualistischen System auf die inhärenten Interessenkonflikte verwiesen (Picot/Dietl/Franck 2002). Interessenkonflikte werden im Zuge von Verflechtungen und primär ÜberkreuzVerflechtungen in Aufsichtsräten virulent. „Übernehmen die Vertreter anderer Unternehmen die Funktion des Supervisors, so besteht prinzipiell die Gefahr, dass sie das Unternehmen zur Verfolgung der eignen Geschäftspolitik missbrauchen; z.B. könnten Bankenvertreter die Politik einer ausgeprägten Kreditsicherung forcieren, indem überhöhte Wertpapierbestände als Sicherheit gehalten bzw. ineffiziente Strategien der unternehmensinternen Diversifikation unterstützt werden“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 270-271). Überkreuz-Verflechtungen verschärfen den Konflikt zusätzlich. Wenn etwa der Manager eines Unternehmens einen Aufsichtsratsposten eines anderen Unternehmens bekleidet, von dem wiederum ein Manager im Aufsichtsrat des erstgenannten Unternehmens sitzt, entsteht ein Kollusionsproblem. Die Überkreuz-Verflechtung bietet den beteiligten Aufsichtsräten weiterhin die Möglichkeit, die Aufsicht schwach durchzuführen und so eine schwache Kontrolle im eigenen Haus wahrscheinlich zu machen. Im Kern ermöglicht dieses Tauschgeschäft, wechselseitig den Disziplinierungen durch die jeweiligen Anteilseigner zu entgehen. Schwache Anreize resultieren sowohl aus der erfolgsunabhängigen Vergütung von Aufsichtsräten (Sadowski/Pull 1997) als auch aus der unzureichenden Haftung der Aufsichtsräte. Während Vorstände in einer Bringschuld bezüglich der relevanten Kontrollinformationen stehen, müssen Aufsichtsräte bei einer unterlassenen aktiven Informationsbeschaffung keine Regressansprüche befürchten. „Geringe Nachteile im Falle nicht entdeckter Managementfehler sowie eine unzureichende Kompensation ziehen demnach einen geringen Arbeitseinsatz der Aufsichtsräte automatisch nach sich“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 271). Weitere Anreizschwächen resultieren aus der gängigen Besetzungspraxis in deutschen Aufsichtsräten, nach der frühere Vorstandsvorsitzende in den Aufsichtsrat der gleichen Publikumsgesellschaft wechseln. Auf ihrer neuen Position befinden diese nicht nur über eng vertraute Kollegen, sondern auch über mögliche langfristige Auswirkungen der eigenen früheren Unternehmenspolitik. Ähnlich wie beim Aufsichtsrat, so ist auch bei den externen Direktoren des monistischen Boardsystems von einer geringen Kontrollneigung auszugehen. Denn die externen Direktoren verdanken ihren Boardsitz häufig dem CEO und könnten diesen durch eine Einschränkung des diskretionären Handlungsspielraums im Zuge intensiver Kontrolle gefährden (Kräkel 2004). Muss man angesichts der vielfältigen Interdependenzen zwischen kontrollierenden und kontrollierten Akteuren einen Mangel an Kontrollanreizen konstatieren, „so dass

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derzeit nicht von einer effektiven Managementkontrolle durch den Aufsichtsrat bzw. Board of Directors ausgegangen werden kann“ (Kräkel 2004, 302), so stellt sich um so verschärfter die Frage nach den möglichen Kontroll- und Disziplinierungsoptionen. Aufsichtsrat und Board of Directors verfügen gegenüber dem Topmanagement/CEO über ähnliche Möglichkeiten. Gesetzliche Regelungen über zustimmungspflichtige Geschäfte, über die Bestellung und Entlassung des Vorstands sowie über die Wahl einer anreizkompatiblen Entlohnung implizieren für den Aufsichtsrat bzw. Board ausreichende Disziplinierungsmöglichkeiten. Insbesondere Letzteres gibt immer wieder Anlass zur Diskussion. Unter dem Stichwort Aktienoptionsprogramm wird regelmäßig die Relevanz von Topmanagerentlohnungen, die sich am Marktwert der Unternehmung orientieren, diskutiert. Topmanager erhalten hierbei Kaufoptionen, die ihnen bis zu einem festgelegten Termin den Aktienkauf an dem von ihnen geführten Unternehmen zu einem ex ante fixierten Preis ermöglichen. Dies erzeugt bei dem Topmanagement Anreize, über eine effizienzorientierte Unternehmenspolitik den Aktienkurs des eignen Unternehmens zu erhöhen. Denn die Höhe der Differenz zwischen dem gestiegenen Aktienkurs und dem vorab fixierten Bezugskurs schlägt sich unmittelbar als Einkommenszuwachs nieder (Kräkel 2004). Neben dem Topmanagement wird auch immer wieder die Disziplinierung der Aufsichtsorgane diskutiert. Getreu dem Motto: „Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure?“ wird versucht, dem Aufsichtsmissbrauch, der aus Verflechtungen und Überkreuz- Verflechtungen resultiert, mit entsprechenden Verbots- und Transparenzstrategien zu begegnen. Offen gelegt werden sollen nicht nur alle Mandate der Aufsichtsratsmitglieder, sondern gleich auch deren sämtliche Gehaltszahlungen. Weiterhin wird eine strenge Regulierung und partielle Offenlegung des Besitzes und Handels mit Unternehmensaktien gefordert. Auch soll der Aufsichtsrat als schlecht informiertes “Abnickgremium“ der Vergangenheit angehören. Indem man Standards für die Arbeitsorganisation formuliert, die Pflichten des Aufsichtsrats eindeutig festlegt, die Anzahl der Mandate pro Person reduziert und die persönliche Haftbarmachung der Aufsichtsratsmitglieder bei Regelverstößen propagiert, soll der Aufsichtsrat seinem Auftrag als shareholderorientiertes Kontrollorgan gerecht werden. Was jedoch bereits für die Anreizmechanismen gilt, scheint sich auch für die Disziplinierungsmöglichkeiten zu bewahrheiten: der Nettoeffekt der vorgeschlagenen Maßnahmen ist angesichts der komplexen Interdependenzen weitgehend unklar. „Jede auch noch so einleuchtende Maßnahme kann unter bestimmten Bedingungen dysfunktionale Nebeneffekte haben“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 272). Abschlussprüfer Die Bestellung eines Wirtschaftsprüfers kann die Koordinationsrechte des Topmanagements beschränken. Mittels geeigneter Entlohnung – wie etwa eine Erfolgsprämie für ein aufgedecktes Fehlverhalten der Topmanager – sind bei Abschlussprüfern adäquate Kontrollanreize evozierbar. Aus ihrer Funktion als Abschlussprüfer leiten sich unmittelbar Kontrollmöglichkeiten ab. Da sie die vom 143

Topmanagement geführten Bücher intensiv prüfen können, haben Wirtschaftsprüfer die Möglichkeit, „einen weitaus präziseren Informationsstand über die Lage und die zukünftige Entwicklung der Unternehmung (zu) erlangen als die meisten der anderen potentiellen Institutionen der Managerkontrolle“ (Kräkel 2004, 311). Während in theoretischer Perspektive die Wirtschaftsprüfer durchaus Interesse an und Möglichkeiten zu einer Managementkontrolle haben, stellt sich dies in der Praxis ganz anders dar. Ähnlich wie beim Aufsichtsrat, so präformieren auch hier gesetzliche Regelungen die Rolle des Supervisors Wirtschaftsprüfer stark. Nur in Teilbereichen greift die vertragliche Gestaltungsfreiheit. Als problematisch haben sich in der Vergangenheit primär zwei Aspekte der gesetzlichen Aufgabendefinition erwiesen. Zum einen ist gesetzlich vorgesehen, dass der Vorstand die Wirtschaftsprüfer bestellt. Indem das Topmanagement seine eigenen Prüfer bestellt und auch bezahlt, sind Kollusionsbeziehungen auf Kosten der Anteilseigner vorgezeichnet. Zum anderen sind die Wirtschaftsprüfer qua Gesetz zwar verpflichtet, ihre Prüfung zu dokumentieren und gegebenenfalls Auskunft hierüber zu geben. Kontrolliert wird hingegen nur, „ob das Topmanagement bei der Aufstellung des Jahresabschlusses gegen bestehende Gesetze oder gegen die Satzung der Unternehmung verstoßen hat“ (Kräkel 2004, 311). Anstatt gezielt nach potentiellen Unterschlagungen, konsumtiven Investitionsausgaben oder einer ineffizienten Unternehmenspolitik zu fahnden, fokussiert die Abschlussprüfung auf eine reine Gesetzes- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung. Zementiert wird diese Aufgabendefinition durch das berufsständische Selbstverständnis, welches gesetzliche Möglichkeiten einer erhöhten Kontrollpflicht weitgehend ignoriert hat. Haben gesetzliche Bestimmungen und berufsständisches Selbstverständnis auch einen wichtigen Einfluss auf die Prüfungstätigkeit, so erweist sich jedoch die Autonomie des Abschlussprüfers vom Mandanten aus institutionenökonomischer Perspektive als zentral für die ernsthafte Prüfung eines Unternehmens (Ewert 1990; Stefani 2002). Ausgangspunkt vieler modelltheoretischer Ansätze ist das Low-ballingModell von DeAngelo (1981). Unter bestimmten Annahmen – etwa Zusatzkosten bei der Erstprüfung oder Prüferwechselkosten – liegen im Rahmen des Modells die Kosten einer Erstprüfung über dem erzielbaren Preis. Der erwartete diskontierte Barwert zukünftiger Quasi-Renten erweist sich beim Wettbewerb um Erstprüfungsmandate als ausschlaggebender Entscheidungsparameter. Da der amtierende Wirtschaftsprüfer sowohl Zusatzkosten bei der Erstprüfung als auch Prüferwechselkosten unterstellen kann, ist dieser gegenüber seinen Wettbewerbern bei Folgeprüfungen im Vorteil. Der amtierende Abschlussprüfer kann so eine Quasi-Rente realisieren. Da letztere mandantenspezifisch ist und der Mandant immer mit der Beendigung des Auftragsverhältnisses drohen kann, ist der Abschlussprüfer von seinem Mandanten erpressbar und in seiner Prüfungsautonomie potentiell beeinträchtigt. Verhält sich ein Wirtschaftsprüfer gegenüber seinem Mandanten opportunistisch, so droht er bei Entdeckung und Publizität des Verhaltens die QuasiRenten anderer Mandanten zu verlieren. Letztere werden aufgrund der

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“Minderleistung“ den Abschlussprüfer ersetzen oder zukünftig geringer entlohnen. Die Quasi-Renten der anderen Mandanten bilden somit ein Pfand gegen opportunistisches Verhalten und erhöhen somit die Abhängigkeit des Wirtschaftsprüfers von selbigen. Um diesen und ähnlich gelagerten Problemen zu Leibe zu rücken, verabschiedete der Gesetzgeber 1998 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen (KonTraG). Hierin wird gerade die Rolle der Wirtschaftsprüfer in zentralen Bereichen neu definiert (Picot/Dietl/Franck 2002): z Wirtschaftsprüfer werden verstärkt in die Prüfung der Unternehmensführung involviert. z Der Aufsichtsrat ist nun Auftraggeber und Adressat der Prüfung. z Im Rahmen von festgelegten Zeitintervallen müssen die Unternehmen ihren Abschlussprüfer wechseln. z Den Anteil, den ein Mandat am Gesamtumsatz der Prüfungsgesellschaft hat, ist limitiert. z Höhere Haftungssummen der Prüfer sollen stärkere Kontrollanreize induzieren. Ob dieser Maßnahmekatalog tatsächlich zum Erfolg führt, ist eine offene Frage. „Der Aufsichtsratsbezug der Prüfer verwandelt z.B. die Delegationsbeziehung in eine Principal-Supervisor-Supervisor-Agent-Beziehung, deren Trade-offs im Vergleich zu den bisher betrachteten Beziehungen noch komplexer sind“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 273). Steigende Komplexität in Governancebeziehungen – so wurde bereits bei der Aufsichtsratskontrolle deutlich – eröffnet den beteiligten Akteuren vielfältige und häufig intransparente Kollusionsoptionen. Banken Die Rolle der Banken als unternehmensexterne Supervisoren ist gesetzlich voraussetzungsvoll. Das deutsche Bankenrecht erlaubt ein Universalbankensystem mit weitreichenden Handlungsoptionen. Hiernach können sich Banken überregional betätigen, selbst Großaktionär bei Unternehmen außerhalb des Bankensektors sein, bei demselben Kunden als Gläubiger wie Aktionär fungieren und Depotstimmrechte von Kleinaktionären wahrnehmen. Dieses Handlungsspektrum war den amerikanischen Banken lange Zeit gesetzlich untersagt. Erst in jüngster Zeit hat die gesetzliche Regulierung nachgelassen, und so wurden den dortigen Banken vielfältigere Handlungsoptionen zuteil (Roe 1993). Unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen dürften Banken stark an der Kontrolle des Topmanagements von Schuldnerunternehmen interessiert sein. Primär fokussiert sich ihr Interesse auf den stetigen Eingang von Zins- und Tilgungszahlungen und die Auswahl nicht zu risikoreicher Investitionsprojekte. Ist die Bank zudem noch Aktionär des Schuldnerunternehmens, so impliziert dies erhöhte Kontrollanreize, da managerielles Fehlverhalten zu einem potenzierten Schaden führen kann (Kräkel 2004).

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Scheinen bei den Banken erhebliche Anreize für eine Kontrolle des Topmanagements vorzuliegen, so stellt sich jetzt die Frage nach den bankenseitigen Kontroll- und Disziplinierungsmöglichkeiten. Formal verfügen Banken über sehr wirkungsvolle Kontroll- und Disziplinierungsoptionen. Als Fremdkapitalgeber können die Banken die im Kreditvertrag fixierten Rechte auf Zins- und Tilgungszahlungen bei Bedarf vor Gericht durchsetzen. Die Banken haben weiterhin die Möglichkeit, sich vertraglich weitergehende Informationsrechte einräumen zu lassen. Die Nichtverlängerung oder Nichtbewilligung von Krediten stellte eine weitere Disziplinierungsoption dar (Stiglitz 1985). Allen den genannten Kontroll- und Disziplinierungsmöglichkeiten ist eins gemein, sie greifen nur bei einer starken Abhängigkeit des Unternehmens von Fremdkaptial. Ist dies – wie in Deutschland – nicht der Fall, so gilt die Aussage von Roe (1993, 338): „Nicht die Kreditvergabe, sondern die Kontrolle über die Stimmrechte ermöglichte den Einfluss der deutschen Banken“. Da sie sowohl die Stimmrechte der eigenen Anteile als auch die Depotstimmrechte der Kleinaktionäre wahrnehmen können, besitzen sie in der Regel die Stimmrechtsmehrheit bei den deutschen Publikumsgesellschaften. Über ihren so erhaltenen Zugang zu dem Disziplinierungsinstrument Aufsichtsrat können sie etwa über die Entlastung des Vorstands und über Kapitalerhöhungen entscheiden. Überdies kontrollieren die Banken die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, da auf der Hauptversammlung die Vertreter der Aktionäre für den Aufsichtsrat gewählt werden. Es verwundert daher nicht, dass bis vor kurzem fast alle deutschen Publikumsgesellschaften einen Bankenvertreter im Aufsichtsrat hatten, der mitunter auch noch Vorstandsvorsitzender war. So konnten und können Banken die Entlohnung und Entlassung von Vorständen beeinflussen (Picot/Dietl/Franck 2002). Sowohl die Beschreibung der Anreizstrukturen als auch die der Kontroll- und Disziplinierungsmöglichkeiten erwecken den Eindruck, dass die Banken eine der geeignetsten Institutionen der Managementkontrolle darstellen. Diese sehr positive Einschätzung bedarf jedoch der Relativierung. Wie Kräkel (2004, 331) zu Recht anmahnt, „sind Banken in der Regel selbst wieder Publikumsgesellschaften. Ohne weitere Vorkehrungen ist analog zur ursprünglichen Agency Problematik nicht unbedingt davon auszugehen, dass Bankenvertreter grundsätzlich im Interesse ihrer Aktionäre entscheiden, wenn sie in der Hauptversammlung sowie im Aufsichtsrat von Großunternehmen mitwirken.“ Zudem können Banken mit anderen Interessengruppen Kollusionen auf Kosten der anderen Aktionäre eingehen. Halten Banken größere Fremdkapitalpositionen, jedoch kaum Aktien am Unternehmen, so ist eine Kollusion mit dem Topmanagement nicht ausgeschlossen. Letztere könnten mit den betroffenen Banken Kreditverträge zu überhöhten Zinsen abschließen und so einen Teil des Free Cash Flow von den Anteilseignern zu den Gläubigerbanken umlenken. Die Bankenkontrolleure im Aufsichtsrat könnten im Gegenzug über die Verwendung von Free Cash Flow für konsumtive Investitionen oder ineffiziente Unternehmensaufkäufe

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hinwegsehen. Die Kollusion von Topmanagement und Banken auf Kosten der Aktionäre führt letztlich zu einer Pervertierung der von Jensen (1986) vorgeschlagenen Lösung des Free-Cash-Flow-Problems: der Substitution von Eigen- durch Fremdkapital. Das Meta-Agency-Problem gepaart mit dem Kollusionsproblem offenbaren systematische Defizite der Managerkontrolle in Deutschland. Hiernach differenziert sich laut Kräkel (2004, 332) die deutsche Gesellschaft in zwei Gruppen: „(1) vergleichsweise schlecht informierte und mit faktisch nur geringen Sanktionsmöglichkeiten ausgestattete Kleinaktionäre und Interessengruppen sowie (2) die Gruppe der Topmanager, welche durch personelle Verflechtungen untereinander und mit anderen einflussreichen Entscheidungsträgern hauptsächlich der Sicherung ihrer individuellen Interessen Sorge tragen“. 3.1.3. Wettbewerbskonzepte der Managementdisziplinierung Die Delegation der Managementsupervision an Dritte erscheint angesichts der vorangegangenen Analyse problematisch. Ganz gleich, ob es sich um Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer oder die Nutzung der Hauptversammlung handelt, überall evozieren komplexe Interdependenzen zwischen Topmanagement und Supervisor die Gefahr kollusiver Handlungsstrategien auf Kosten der nicht berücksichtigten Anteilseigner. Ist also der Kleinaktionär dem Spiel einflussreicher Stakeholder schutzlos ausgeliefert? In Ergänzung von Supervisoren setzt die Institutionenökonomie auf sogenannte Wettbewerbskonzepte der Managementdisziplinierung. Diese betonen, „dass funktionierende Märkte, z.B. für Kapital, für Unternehmenskontrolle und für Managementpositionen, die Manager der Publikumsgesellschaft wirksam daran hindern können, ihre verfassungsbedingten Verhaltensspielräume opportunistisch auszunützen“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 276). Im Folgenden werden mit dem Wettbewerb auf Kapitalmärkten, dem Markt für Unternehmenskontrolle und dem Arbeitsmarkt für Manager die wesentlichen Wettbewerbskonzepte der Managementdisziplinierung vorgestellt. Wettbewerb auf Kapitalmärkten Die Managementteams unterschiedlicher Unternehmen stehen auf dem Kapitalmarkt im Wettbewerb um das Geld der Anleger. Da Letztere die rentabelsten Projekte für ihre Kapitalanlage auswählen, sollte aus Managersicht ein Anreiz bestehen, die Interessen der Anleger zu respektieren. Erscheint auf den ersten Blick die disziplinierende Wirkung von Kapitalmärkten evident, so werden doch bei näherer Betrachtung diverse Schwächen an diesem Governancekonzept offenkundig. Grundlegend für die Defizite des Sanktionsinstruments ist die Tatsache, dass es sich hierbei „um einen Kapitalverwehrungs- und nicht um einen Kapitalentzugsmechanismus handelt“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 276). Hat der Anleger einmal in das Unternehmen investiert, verbleibt das Kapital beim Unternehmen und kann dem Zugriff des Managements nicht mehr entzogen werden. 147

Der Aktionär kann seine Anteile bei Unzufriedenheit mit dem Management nur auf dem Sekundärmarkt Börse verkaufen. So entzieht er nicht nur dem Management kein Kapital. Viel gravierender ist aus Anlegersicht, dass er sich mit dem Exit noch selbst schädigt. Denn der verkaufswillige Anleger muss einen Käufer finden, der die schlechten Managementleistungen akzeptiert. Dazu wird der Käufer aber nur bei einem reduzierten Bezugspreis bereit sein. „Managementsanktionen über Exit sind also kostspielig für den Anleger, ohne unmittelbar einen Kapitalentzug beim Management zu bewirken“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 276). Bietet der Kapitalverwehrungsmechanismus nur eingeschränkte Möglichkeiten der Managementdisziplinierung, so sind selbst diese voraussetzungsvoll. Evident wird dieser Mechanismus nur bei Unternehmen, die eine expansive Geschäftspolitik betreiben. Denn nur wenn die Zahl der Investitionsprojekte mit positivem Kapitalwert die Finanzierungsoptionen aus dem Cash Flow des Unternehmens übersteigt, ist das Management auf eine Außenfinanzierung angewiesen. In dieser Situation und nur dann müssen die Manager mit ihren Projekten um neues Kapital bei den Anlegern konkurrieren. Bei jedem Projekt sind die Manager somit aufs Neue interessiert daran, die Anleger zutreffend zu informieren und Reputation für effizientes Investitionsverhalten aufzubauen (Picot/Dietl/Franck 2002). Verdienen Unternehmen aus traditionellen Geschäften mit reifen Technologien ihr Geld, so versagt laut Jensen (1986, 1989) der Kapitalmarkt als Disziplinierungsinstrument. Der Reinvestitionsbedarf reduziert sich bei stagnierenden oder schrumpfenden Märkten massiv. Im Gegenzug resultieren aus großen Marktanteilen und den hiermit verbundenen Skalenund Erfahrungskurveneffekten deutliche Cash-Flow-Überschüsse. Die Folge ist ein Überhang von nicht projektgebundenem Cash Flow. Der so entstandene Free Cash Flow entbindet die Manager von der Verpflichtung, bei den Anlegern um Investitionsmittel zu konkurrieren, und kann unbeschränkt für konsumtive Zwecke genutzt werden. Da der Free Cash Flow die Managerdisziplinierung über den Kapitalmarkt systematisch unterminiert, sprechen Picot, Dietl und Franck (2002) mit Bezug auf Jensen (1986) von den „Agency Costs of free Cash Flow“. Markt für Unternehmenskontrolle Stellt der Free Cash Flow einerseits eine Lähmung der kapitalmarktgetriebenen Managerdisziplinierung dar, so ist er andererseits Ausgangspunkt für einen anderen marktlichen Disziplinierungsmechanismus. Denn die Agency Costs of Free Cash Flow bilden für aktive Investoren Anreiz genug, die Kontrolle über das Unternehmen zu übernehmen und das aktuelle Managementteam zu ersetzen. „Der Ausweg für die Funktionsschwäche des Kapitalmarktes bei der Disziplinierung der Manager von Publikumsgesellschaften in bestimmten Geschäftsumfeldern liegt also in einem anderen, sozusagen übergeordneten Markt, den man als Markt für Unternehmenskontrolle bezeichnen kann“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 278). Auf eine ineffiziente Ressourcennutzung des Topmanagements reagieren die Anteilseigner mit Abwanderungsversuchen auf den Sekundärmarkt. Dies lässt den Aktienkurs eines 148

Unternehmens so weit sinken, dass dadurch Anreiz für ein kompetenteres Managementteam entsteht, das Unternehmen an der Börse zu übernehmen. Je größer die Diskrepanz zwischen aktuellem Aktienkurs und vermutetem Wertpotenzial ist, um so höher fallen die Anreize für eine Kontrollübernahme (Bühner/Stiller 2004) aus. Der Kontrollübergang auf ein neues Management geht mit einem Machtverlust für das alte Management einher (Denis/Kruse 2000), so dass Letzteres dem Versuch der Kontrollübernahme ablehnend gegenübersteht. Das bisherige Management hat nun zwei Handlungsoptionen: Indem das alte Management diese Kausalkette durchschaut und die Gefahr für sich antizipiert, wird es zum einen versuchen, den Unternehmenswert gar nicht erst absinken zu lassen, sondern dauerhaft zu erhöhen. Dies ist die gewünschte disziplinierende Wirkung des Marktes für Unternehmenskontrolle. Da eine wertorientierte Unternehmensführung jedoch mit den manageriellen Interessen häufig nicht konform geht, wird das Management zum anderen Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen treffen (Bühner/Stiller 2004). Hier steht dem Management eine breite Palette von Abwehrstrategien zur Verfügung, die zu einer berechtigten Kritik an der Wirkung dieses Disziplinierungsmechanismus führen. Topmanager können bei der beschriebenen Wirkungskette in ihrem Sinne intervenieren. Bereits im Vorfeld des eigentlichen Übernahmeversuchs können sie durch Rent Seeking das Regulierungsumfeld deformieren. Ihre Einflussnahme fällt bei der Politik zumeist auf fruchtbaren Boden, da „die in diesen Bereichen tätigen (politischen) Entscheidungsträger ihren Einfluss nicht dadurch ausdehnen können, dass sie den Markt für Unternehmenskontrolle funktionsfähig halten“ (Wenger 2001, 2104). Insofern ist es nicht verwunderlich, dass „Politiker mit räumlich abgegrenzten Standortbedingungen und kurzfristigem Zeithorizont nicht an der Lösung, sondern an der Schaffung und Vergrößerung von Agency Problemen des Kapitalmarkts interessiert“ (Wenger 2001, 2104) sind. Neben Beeinflussungsstrategien auf der politischen Makroebene ist auf der Unternehmensebene ein ganzes Arsenal von verschwenderischen und abschreckenden Maßnahmen zur Verhinderung von Unternehmensübernahmen denkbar. Hierzu zählen etwa: z Verträge über hohe Managementabfindungen im Falle einer Entlassung (Davidson/Pilger/Szakmary 1998), z teure Sozialpläne, deren Fortführung laut Betriebsverfassungsgesetz zum Gegenstand einer Verhandlung zwischen Betriebsrat und Aufkäufer werden (Picot/Dietl/Franck 2002), z die Aktien des “eigenen“ Unternehmens aufkaufen (Bagwell 1991), z Veräußerung besonders innovativer oder erfolgreicher Unternehmensteile (Kräkel 2004), z Aufbau wechselseitiger Beteiligungen mit „befreundeten“ Unternehmen (Wenger 2001) oder

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selbst eingefädelte Fusionen, um das entstehende Unternehmen zu groß und zu teuer für eine Übernahme zu machen (Picot/Dietl/Franck 2002).

Zusätzlich zu den dargestellten Einflussmöglichkeiten der Topmanager restringieren grundsätzliche Funktionsdefizite des Marktes für Unternehmenskontrolle die skizzierte Wirkungskette. Wie Stiglitz (1985, 1996) betont, bewirkt ein Aufkäufer mit der Verlautbarung seines Kaufangebotes positive externe Effekte, die ihm nicht vergütet werden. Der Aufkäufer signalisiert mit seinem Übernahmeangebot anderen Marktteilnehmern die Investitionswürdigkeit des Kaufobjektes. In der Folge treten die anderen Kaufinteressenten mit dem ursprünglichen Investor in einen Bietwettbewerb. Ob Letzterer als Sieger aus dem Wettbewerb hervorgeht, ist zweifelhaft, „zumal er allein die Suchkosten zu tragen hat, die für das Auffinden des Zielunternehmens entstanden“ (Kräkel 2004, 321) sind. Offensichtlich können die Wettbewerber den ursprünglichen Investor immer in Höhe der Suchkosten überbieten, so dass „Suchen“ nicht lohenswert erscheint. „Entscheidet jeder potentielle Aufkäufer nach diesem Kalkül, so ist allgemein von einer nur geringen Suchintensität auszugehen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit für Übernahmeversuche und damit auch die Disziplinierungswirkung von Übernahmedrohungen verringert“ (Kräkel 2004, 321). Auch auf Seiten der Anteilseigner können Trittbrettfahrerprobleme entstehen, die eine Funktionsschwäche des Marktes für Unternehmenskontrolle bedingen (Grossman/Hart 1980). Unterbreitet ein Aufkäufer einem Kleinaktionär ein Übernahmeangebot, so wird Letzterer das Angebot rationalerweise ablehnen. Andernfalls würde er auf die nachträgliche Wertsteigerung verzichten. Denn der Aufkäufer kann nicht den vollen Wert geboten haben, da sonst die Übernahme für ihn nicht gewinnträchtig wäre. Zudem ist dem Kleinaktionär klar, dass seine Verkaufsentscheidung nur marginalen Einfluss auf das Zustandekommen der Übernahmen hat. Sollte die Übernahme stattfinden, ist ein Halten der Aktien rational, um so an den späteren Übernahmegewinnen beteiligt zu werden. Agieren jedoch alle Kleinaktionäre als Trittbrettfahrer, so sind Übernahmen generell chancenlos. Summa summarum lässt sich konstatieren, dass Übernahmedrohungen nur eingeschränkt disziplinierend wirken. Während sie in Deutschland nur sehr selten vorkommen, erfreuen sie sich in USA einer deutlich höheren Verbreitung. Aber selbst bei einem existierenden Markt für Unternehmenskontrolle zeigen die obigen Argumente, wie problembehaftet Übernahmeandrohungen als Disziplinierungsinstrument sind. Externe Managermärkte Schließlich kann auch der externe Arbeitsmarkt zur Disziplinierung des Topmanagements beitragen (Fama 1980). „Demnach produziert ein Manager durch die Performance des von ihm geleiteten Unternehmens Signale für seine überlegenen Managementfähigkeiten“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 281). Schlechte Erfolgskennzahlen, Skandale oder sogar ein Konkurs seines Unternehmens würden ihm

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zugeschrieben, damit seine Reputation auf dem externen Arbeitsmarkt schädigen und letztlich zu einer Beeinträchtigung der überbetrieblichen Karrierechancen führen. Fokussiert wird hier also auf eine Konvergenz zwischen dem aktionärsseitigen Ziel der Unternehmenswertmaximierung und dem managementseitigen Ziel der Reputationssteigerung. Was könnte zu einer Beeinträchtigung des Disziplinierungsmechanismus führen? Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der in Kennzahlen gemessene Unternehmenserfolg sich als Signal für die Fähigkeiten des jeweiligen Managers eignet. Mindestens zwei weitere Einflussfaktoren - so Picot, Dietl und Franck (2002) “verrauschen“ dieses Signal: Neben exogenen Entwicklungen sind es primär die unterschiedlichen Manipulationsversuche der Manager, denen das Augenmerk der Analyse gilt. Bereits im Zuge der Career-Concerns-Problematik wurde deutlich gemacht, „dass Manager gerade aus Reputationsgründen gegebenenfalls Informationen zurückhalten oder Investitionsprojekte wählen, die nicht im Interesse der Anteilseigner sind“ (Kräkel 2004, 310). So können Topmanager etwa kurzfristig wertsteigernde Investitionsobjekte durchführen, um dadurch die Markterwartungen über ihre verborgenen Talente positiv zu beeinflussen. Noch grundsätzlichere Kritik an der Wirkungsweise von Managerarbeitsmärkten üben Picot, Dietl und Franck (2002). In einem Regulierungsumfeld mit hohen Unternehmensbeteiligungen werden Topmanager in der Regel von ihresgleichen rekrutiert. Akkumulieren Topmanager nicht genau dann karriererelevante Reputation, wenn sie mit den Vorstellungen ihrer Bezugsgruppe konform gehen? Wie Baumol (1959) und Marris (1963, 1964) gezeigt haben, steigern Topmanager aus Reputationsgründen eher den Umsatz oder Wachstumsraten eines Unternehmens als den Unternehmensgewinn. Demnach erweist sich Managerverhalten eher als Nutzenmaximierung denn als Unternehmenswertmaximierung. Unterstellt man sämtlichen Vertretern der Funktionärselite individuelle Nutzenmaximierung als universelle Handlungsmotivation, so erscheint ein Manager, der in seinem Verhalten nur auf die Maximierung des Unternehmenswertes fokussiert, aus kollektiver Sicht als unerwünschter Störfaktor und Regelbrecher. Topmanager erwerben auf dem Arbeitsmarkt Reputation über ein breites Spektrum von Managementkompetenzen. Unternehmenswertmaximierung ist dabei nur eines unter vielen. Bewahrheitet sich die Argumentation, „dann trägt dieser Markt gerade nicht zur Managementdisziplinierung im ursprünglich verstandenen Sinne der Durchsetzung von Aktionärsinteressen bei, sondern verstärkt eher die Anreize zu gruppenkonformem Verhalten“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 282). Insgesamt hat sich gezeigt, daß keine Institution existiert, die isoliert betrachtet das Topmanagement wirkungsvoll disziplinieren kann. Entweder zeichnet sich eine Institution durch erhebliche Disziplinierungs- und Kontrollrechte aus, verspürt jedoch keine hinreichenden Kontrollanreize. Im umgekehrten Fall besteht zwar eine Anreiz zur Kontrolle, die Institution verfügt jedoch nicht über die nötigen Kontroll- und Disziplinierungsmöglichkeiten. Kräkel

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(2004, 333) betont daher, daß die Disziplinierung des Topmanagements „nicht über eine einzelne Institution, sondern vielmehr über ein ganzes Institutionengeflecht“ erfolgt. Erst durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Institutionen – so Kräkel (2004, 333) – kann erreicht werden, „dass Topmanager das Ziel der Unternehmenswertmaximierung nicht zu sehr aus dem Auge verlieren“. Voraussetzung für ein wirkungsvolles Institutionengeflecht ist jedoch, „dass zwischen den einzelnen Institutionen keine zu starken Trittbrettfahrerprobleme bezüglich der Managerkontrolle bestehen“ Kräkel 2004, 333). Bei der Institutionenanalyse wurde jedoch offenkundig, dass zwischen den Institutionen vielfältige Interdependenzen und Rückkopplungen bestehen, die einer linearen Steuerungslogik zuwiderlaufen. Oftmals von Menschenhand erschaffen, entwickeln Institutionen in der Sozialität der Steuerungspraxis ein Eigenleben, das sich einer monokausalen Zweckrationalität entzieht. 3.2. Tausch, Opportunismus und Steuerung – ein Zwischenfazit Dreh- und Angelpunkt der institutionenökonomischen Informations- und Steuerungstechnologien ist die Tauschbeziehung zwischen Unternehmensmanagement und Investoren. Unabhängig davon, ob es sich um Reputationsmechanismen, Selbstwahlschemata, Aufsichtsräte oder Managermärkte handelt, sämtliche Technologien zielen im Rahmen eines Verhaltenstauschs auf die kosteneffiziente Sicherstellung der Vertragserfüllung. Indem die Governance-Perspektive in erster Linie auf die Tauschsphäre fokussiert, reproduziert sie die in der Ökonomie dominante Vorstellung über Interaktionen in der sozialen Welt. „Das ist die Vorstellung, dass alle menschlichen Interaktionen als Tausch interpretiert werden können“ (Reckling 2002, 53). Struktureller Bezugspunkt des Verhaltenstauschs ist der Arbeitsvertrag zwischen dem angestellten Unternehmensmanagement und den Investoren. Die Vertragsstruktur bestimmt, in welcher Zeit und Qualität die gewünschten Leistungen verfügbar sind. „Alle organisatorischen Steuerungsbemühungen sind Determinanten dieser Vertragsbeziehungen, weil alle wesentlichen Entscheidungen mit der Festlegung der Vertragsbestimmungen getroffen sind“ (Frost 2005, 121). Die hohe Aufgabenkomplexität gepaart mit einer unzureichenden Spezifizierung des Outputs impliziert, dass Arbeitsverträge in einem Höchstmaß unvollständige Verträge sind. Da in institutionenökonomischer Perspektive aufgrund unvollständiger Verträge immer Zweifel an einer anreizkompatiblen Vertragserfüllung des Unternehmensmanagements bestehen, dient die organisationale Steuerung dazu, „to constrain the unproductive rent-seeking behavior that imperfect information permits“ (Langlois/Foss 1999, 201). Während also Koordinationsaufgaben als nachrangig behandelt werden, fokussiert die Governance-Perspektive auf die Bewältigung von Verhaltensunsicherheiten. „Sind die Anreizprobleme gelöst, so werden auch die anfallenden Koordinationsprobleme gelöst“ (Frost 2005, 122). Denn erst die Unmöglichkeit einer vollständigen Spezifikation von Verträgen begründet in institutionenökonomischer Lesart die 152

Existenznotwendigkeit von Corporate-Governance-Systemen. „Corporate Governance-Systeme werden benötigt, weil in der Realität unternehmerischer Tätigkeit drei Bedingungen vorliegen: unvollständige Verträge, unterschiedliche Zielsetzungen und Informationsasymmetrien zwischen den Stakeholdern“ (Witt 2001, 111). Vor dem Hintergrund einer vertraglich unterspezifizierten Tauschsituation gepaart mit einer asymmetrischen Informationsverteilung sollen die Kontrolltechnologien Interessenskonflikte zwischen den Akteuren verhindern, die als „utility maximizing automata on the basis of given preferences“ (Hodgson 1998, 77) agieren. In ihrem Bemühen, den „clash of interests“ (Brooke 1984) möglichst kosteneffizient zu lösen, offenbart die Institutionenökonomie eine Gestaltungsstrategie, die Foss (1997) als „Avoiding the Negative“ betitelt. Indem die Governance-Perspektive die Interaktionsbeziehungen zwischen den Investoren und dem Unternehmensmanagement auf Nutzenkalküle reduziert, setzen alle genannten Steuerungsmechanismen nur auf extrinsische Motivationseffekte (Frost 2005). Die Handlungsmotivation, so Frost (2005, 116), „erfolgt durch Transaktion, d.h. einen externen Antrieb, sei es durch Sanktion wie im Fall der Handlungssteuerung oder Belohnung im Fall der Ergebnissteuerung“. Mit ihrem einseitigen Fokus auf extrinsische Handlungsmotive legt die Institutionenökonomie mit dem Homo Oeconomicus ihrer Steuerungsphilosophie ein zu enges Modell menschlichen Verhaltens zugrunde. Denn Formen intrinsischer Motivation71 finden als produktive Faktoren bei der organisationalen Steuerung ebenso wenig Berücksichtigung wie die „moralische Seite des Menschen“ (Wieland 2000, 55)72. Das Primat gilt der Reduzierung von Agency-Kosten und nicht dem Nutzen aus kooperativem Verhalten. Im Gegenteil: Kooperatives Verhalten – etwa zwischen Topmanagement und Aufsichtsrat – steht aus institutionenökonomischer Perspektive immer unter dem Generalverdacht der Kollaboration auf Kosten der Anteilseigner. Kontrolle nicht Kooperation lautet demnach das Gebot der Stunde. Weiterhin betont die ökonomische Lehre, „that firms vary, but not individuals“ (Douglas 1990, 102). Sie übersieht dabei den Einfluß von institutionellen Faktoren auf individuelle Präferenzen (Falk/Gächter 2001; Gintis/Romer 1998; Frost 2005). Präferenzstrukturen der Organisationsmitglieder sind sowohl durch formungebundene Institutionen (z.B. Werte, Normen, Kulturen) als auch die formgebundene Institutionen73 wie Informations- und Kontrolltechnologien beeinflussbar. Dies setzt

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Unter intrinsischer Motivation verstehen Spieß und Winterstein (1999, 43), dass „sich das Interesse auf die Sache selbst bezieht, sie lässt sich aber auch als Ausdruck von Neugierde beschreiben. Somit gilt intrinsische Motivation auch als Suche nach moderater Stimulation und Erregung, als Bedürfnis, persönliche Kompetenz ausüben zu können, und als Motiv der personalen Kontrolle über die Umwelt und die Selbstbestimmung“. Kritisch betont daher der Ökonom Polanyi (1947, 114), dass „man was never as selfish as the theory demanded. In vain was he exhorted by economists and moral theorists alike to discount in business all other motives than material ones. On closer investigations, he was still found to be acting on remarkably ‘mixed’ motives, not excluding those of duty towards himself and others – and maybe, secretly even enjoying work”. Mit North (1988) unterscheidet man zwischen formgebundenen und formungebundenen Institutionen. Während es sich bei ersteren um Organisationen, Gesetze oder Märkte handelt, subsumiert North unter dem

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jedoch voraus, Motivation zu endogenisieren, d.h. als potentiell gestaltbare Variable in eine Theorie der Unternehmenssteuerung zu integrieren (Osterloh/Frost/Frey 2002; Forst 2005). Kann der institutionelle Kontext die Handlungsmotive nicht beinflussen, so „lösen sich soziale Zusammenhänge im individuell-rationalen Handlungskalkül auf“ 74 (Frost 2005, 119). Die skizzierte Kritik an der herrschenden Lehre bleibt jedoch nicht ungehört. Insbesondere bei der sozialwissenschaftlich- und managementorientierten CorporateGovernance-Forschung fällt sie auf fruchtbaren Boden (z.B. Aguilera/Jackson 2003; O’Sullivan 2000; Learmount 2002; Roberts 2001; Learmount/Roberts 2002). Zwar bestreiten die Kritiker nicht die analytische Evidenz der Institutionenökonomie, sie monieren jedoch die theoretische Verarmung, die mit einer solch konzeptionellen Dominanz einhergeht. So machen Daily, Dalton und Cannella (2003, 379) in ihrer Einführung zu einem Special Issue „Corporate Governance“ in der Zeitschrift „Academy of Management Review“ „ the near exclusive reliance on agency theory“ als Hindernis für eine gehaltvollere Governanceforschung aus. „While we certainly do not mean to beat the proverbial dead horse, we feel compelled to reiterate the importance of considering alternative theoretical perspectives” (Daily/Dalton/Cannella 2003, 379). Insbesondere das Akteursmodell Homo Oeconomicus mit seiner motivationalen Fokussierung auf Nutzenmaximierung gibt Anlaß zu Kritik. Als prominente Alternative zur herrschenden Lehre ist diesbezüglich die StewardshipTheorie (z.B. Davis/Schoormann/Donaldson 1997; Lane/Cannella/Lubatkin 1998) zu nennen. „Whereas agency theorists view executives and directors as self-serving and opportunistic, stewardship theorists describe them as frequently having interests that are isomorphic with those of shareholders“ (Daily/Dalton/Cannella 2003, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich das Unternehmensmanagement nach Ansicht der Vertreter des Stewardship-Ansatzes altruistisch verhält. Ihrer Meinung nach sieht sich das Unternehmensmanagement häufig mit der Situation konfrontiert, „that serving shareholders’ interests also serves their own interests“ (Daily/Dalton/Cannella 2003, 372). Indem sie sich effektiv in den Dienst des Unternehmens stellen, managen Führungskräfte und Vorstandsmitglieder letztlich ebenso effektiv ihre eigene Karriere. Eine komplexeres Motivationsverständnis legt die Forschergruppe um Frey und Osterloh (Frey/Osterloh 2000; Osterloh/Frey 2004, 2005; Osterloh/Frey/Frost 2001; Frost 2005) ihren Untersuchungen zugrunde. Mit Blick auf die enge Konzeptualisierung des menschlichen Verhaltens in der Standardökonomie verbinden

Begriff der formungebundenen Institutionen Werte, Normen und Mentale Modelle. Durch die Akzentuierung intersubjektiver Faktoren erfährt die ökonomische Argumentation einen qualitativen Schub, weil er diesen eine hohe Bedeutung zu schreibt. 74 In seiner Extremform, die jedoch in der Ökonomie vielfach Verwendung findet, ist für das Akteursmodell ein atomistischer Individualismus kennzeichnend. Dies „ist die Annahme, dass Akteure ihre distinkten Fähigkeiten und Wünsche (Präferenzen) unabhängig von ihren sozialen Relationen ausbilden, also eine rein subjektive Sicht entwickeln (Atomismus), und dass Akteure nicht von Makrostrukturen determiniert sind“ (Reckling 2002, 237).

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sie in ihrer Forschung „einen institutionentheoretischen bzw. vertragstheoretischen Ansatz mit einer fortgeschrittenen psychologisch-ökonomischen Theorie menschlichen Verhaltens“ (Osterloh/Frey 2005, 344). Eine komplexeres Akteurskonzept ist allein schon deswegen notwendig, weil „Unternehmen im Unterschied zu Märkten dadurch gekennzeichnet sind, dass in ihnen hoch interdependente Aktivitäten durchgeführt“ (Osterloh/Frey 2005, 345) und gesteuert werden müssen. Erweisen sich die interdependenten Handlungen einerseits als Quellen von Quasi-Renten (Frost 2005), so führen sie anderseits zu Abhängigkeiten und ermöglichen so rationalen Egoisten Trittbrettfahrer-Verhalten. Infolge möglichen Trittbrettfahrens entstehen soziale Dilemmata, die primär über Formen freiwilliger Selbstkontrolle lösbar erscheinen. Konstitutiv hierfür ist die Existenz prosozialer Handlungsmotive, d.h. die Akteure fühlen sich sozialen Normen um ihrer selbst willen verpflichtet. Denn zahlreiche Labor- und Feldexperimente zeigen, „dass Individuen zu einem hohen Prozentsatz bereit sind, freiwillig zu Kollektivgütern beizutragen und Normverletzer zu bestrafen“ (Osterloh/Frey 2005, 347). Diese Bereitschaft, freiwillig und ohne direkte Gegenleistung einen Beitrag für Kollektivgüter zu leisten, die in der experimentellen Konsumentenforschung als „propensity to reciprocate“ (Schade et al. 2004, S. 31) bezeichnet wird, spielt als grundlegende Handlungsmotivation in offenen Vertragsbeziehungen eine zentrale Rolle. 3.3. Verhaltenssteuerung über Verträge – die Sicht der experimentellen Wirtschaftsforschung Wie wirken Anreizverträge? Diese Frage stellten sich die Ökonomen Gächter, Fehr und Zanella (2001) nicht nur in einem Beitrag in der “Zeitschrift für Betriebswirtschaft“. In vielen Untersuchungen hat die Forschergruppe um Fehr (z.B. Fehr/Gächter 1998; Fehr/Klein/Schmidt 2001; Fehr/Gächter 2002; Fehr/List 2004) sich mit dem Methodenarsenal der experimentellen Wirtschaftsforschung diesem Problem genähert. Denn mag es sich – wie die Diskussion um leistungsorientierte Vergütung deutlich macht – auch aus ökonomischer Sicht um ein wichtiges Thema handeln, die empirische Erforschung des Phänomens fristete doch lange Zeit ein Schattendasein. „Despite many wide-ranging claims about their supposed importance, there has been little empirical assessment of incentive provision for workers” (Prendergast 1999, 7). Gächter, Fehr und Zanella (2001) untersuchten nun das Wechselspiel von freiwilliger Kooperationsbereitschaft und materiellen Anreizen. Freiwillige Kooperationsbereitschaft ist nun insofern von hoher Relevanz, als „die meisten Arbeitsbeziehungen durch einen hohen Grad an Unvollständigkeit gekennzeichnet sind“ (Gächter/Fehr/Zanella 2001, 146). In Arbeitsverträgen wird häufig nur die Vergütung festgelegt, die zu erbringende Arbeitsleitung wird allenfalls skizziert. Insbesondere bei Managementtätigkeiten erscheint eine detaillierte Spezifikation der Arbeitsleitung nicht nur unmöglich, sondern wäre schlechterdings auch dysfunktional. Muss doch eine Führungskraft 155

unterschiedlichste Rollen- und Funktionsdispositive situativ ausbalancieren, die vom Intrapreneur (Bühner 1991), Planer (Gaitanides 1991) und Visionär (Gerken 1991) über den Organisator (Frese/Gebhardt 1991) und Controller (Gaulhofer 1991) bis hin zum Innovator (Hauschildt 1991) und Krisenbewältiger (Töpfer 1991) reichen. Da die mit den Rollendispositiven verbundenen Verpflichtungen nicht detailliert regelbar sind, „ist die Arbeitseinstellung (’Arbeitsmoral’, ’Kreativität’, ’Eigeninitiative’, ’Engagement’, ’Loyalität’) eines Agenten von entscheidender Bedeutung“ (Gächter/Fehr/Zanella 2001, 146). Seit den frühen Tagen der Anreiz-Beitrags-Theorie (Barnard 1938) bis hin zu dem aktuellen organisationspsychologischen Konzept des Organizational Citizenship Behavior (Organ/Podsakoff/MacKenzie, 2006) fokussiert die Organisationsforschung disziplin- und theorieübergreifend die Sicherung einer adäquaten Arbeitseinstellung. Was der Theorie recht ist, ist für die Praxis billig. Umfragen bei Managern und Personalverantwortlichen (z.B. Campbell/Kalmani 1997; Bewley 1999) haben gezeigt, „that fairness, work morale, and reciprocity considerations are very important determinants of people’s conduct and, in particular, of workers’ effort behavior“ (Fehr/Gächter 1998, 340). Die experimentelle Wirtschaftsforschung kommt nun zu dem Ergebnis, dass in Folge von anreizkompatiblen Verträgen die freiwillige Kooperationsbereitschaft auf Null zurückgeht. „Im Gegenteil, Agenten sind durchaus bereit, den Prinzipal durch eine negative Abweichung vom anreizkompatiblen Niveau zu bestrafen und dabei selbst Kosten in Kauf zu nehmen“ (Gächter/Fehr/Zanella 2001, 157). Erweisen sich jedoch die Prinzipale im Rahmen von Vertrauensverträgen als großzügig, so danken ihnen die Agenten dieses mit einem hohen Maß an freiwilliger Kooperationsbereitschaft. Deutlich tritt hier reziprokes Verhalten zu Tage. Wie in den meisten Tauschbeziehungen, die durch unvollständige Verträge gekennzeichnet sind, so gibt es auch in Arbeitsbeziehungen per definitionem einen Verhaltensspielraum der Parteien, den diese mit prosozialem Verhalten ausfüllen (Falk/Gächter 2001). Kurz gesagt: Vertragliche Unvollständigkeit induziert Vertrauen und Reziprozität (Fehr/Gächter/Kirchsteiger 1997). Mit Blick auf die Anreizgestaltung bedeutet dies, dass „instead of aiming at stronger pecuniary incentives, or improving the enforcement technology, increasing the scope for reciprocal interactions is a better or an equally good means to improve the performance of agents“ (Fehr/Gächter 1998, 361). Wie Falk und Gächter (2001) betonen, erklärt die Neigung vieler Menschen zu reziprokem Verhalten, warum sich auf Arbeitsmärkten das Marktergebnis deutlich von der standardökonomischen Prognose differenziert. Bei vollständigen Verträgen erfasst jedoch die Standardprognose das aggregierte Verhalten recht gut. Denn wo keine Verhaltensspielräume vorliegen, gibt es ebenso wenig Platz für jegliche Form von governance wie für Fairness, Loyalität, Arbeitsmoral oder eben Reziprozität. Deutlich wird hier, „dass sich der Unterschied zwischen vollständigem und unvollständigem Vertragsmarkt nicht aufgrund einer unterschiedlichen Zusammensetzung von

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eigennützigen und reziproken Individuen ergibt, sondern allein aus dem Zusammenspiel von Verhalten und Institution“ (Falk/Gächter 2001,156). Ruft man sich die Axiome mikroökonomischer Theoriebildung vor Augen, so wird nicht nur die Evidenz der Nutzenmaximierung als grundlegende Modellnahme in Frage gestellt. Mindestens ebenso schwerwiegend erscheint jedoch die Kritik der experimentellen Wirtschaftsforschung an der Exogenisierung der Präferenzen: „If cultural differences do greatly influence economic behavior, then the implicit assumption that all humans share the same economic decision-making processes, the same sense of fairness, and/or the same taste for punishment must be brought into question“ (Henrich 2000, 978). Grundsätzlich wird hiermit eine konstitutive Annahme der Standardökonomie attackiert, die Stigler und Becker (1977, 89) einst so formulierten: „Preferences are assumed not to change substantially overtime, not to be very different between wealthy and poor persons, or between persons in different societies and cultures“. Angenommen wird in ökonomischen Handlungsmodellen vielmehr, dass die Präferenzen außerhalb der ökonomischen Sphäre festgelegt werden und unbeeinflussbar von dem ökonomischen Verhalten des Einzelnen sind. Betonte doch bereits Hobbes (1949), dass man bei der ökonomischen Analyse die Menschen so nehmen sollte, wie sie sind. Diesen Grundsatz beherzigend, fragten die meisten Ökonomen weder nach der Konstitution von Bedürfnissen, noch nach der Bewertung von Handlungen (Bowles 1998). Galt dieser Grundsatz über lange Zeit als ehernes Gesetz der Standardökonomie, so mehren sich mittlerweile doch die Stimmen unterschiedlicher ökonomischer Fraktionen (z.B. Bowles 1998; Gintis/Romer 1998; Henrich 2000; Falk/Gächter 2001; Okuno-Fujiwara 2002; Rodrigues 2004), die dieses in Frage stellen. Ginitis und Romer (1998) gehen in einem Grundsatzpapier sogar so weit, einen Gegenentwurf zur herrschenden Lehre als multidisziplinäres Forschungsprojekt zu konzipieren. Im Unterschied zum Akteursmodell der Standardökonomie betonen sie (Gintis/Romer 1998, 1), dass „people are motivated by duty and obligation as well as utility, they have preferences over the well-being of others (they are both altruistic and vengeful), they are concerned with issue of equity and dignity in interpersonal relations, their preferences are determined in part by the character of the economic institutions within they operate, and their well being depends on the quality of their social relations and the extent to which they have developed their personal capacities, not only on the quantity and quality of the goods and services at their disposal”. Deutlich tritt hier ein Perspektivenwechsel zu Tage. Mit Blick auf empirische Forschungsergebnisse werden Handlungspräferenzen nicht mehr als konstant oder allenfalls sehr langfristig veränderbar konzipiert, sondern als wandelbare Größen wahrgenommen. An die Stelle der Exogenisierung von Handlungsmotiven tritt somit deren Endogenisierung. Die Motive des Einzelnen konstituieren sich unter Rekurs auf die vorliegenden Institutionen. Im Gegensatz zu Witt (2001, 2003), der die Systeme auf mathematisch-formale Weise vergleicht und dabei von dem länderspezifischen

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„Schleier von Gesetzen und Institutionen“ (Witt 2001, 111) abstrahiert, wird daher genau auf diese Institutionen fokussiert. Genauer gesagt, steht die interdependente Konstitution von Handlungsmotiven und Institutionen im Analysefokus. Setzt man nämlich nicht wie Witt, der als Vertreter der herrschenden Lehre die Präferenzen exogenisiert, sondern wie Polanyi, Bowles, Falk/Gächter oder Gintis/Romer auf eine Endogenisierung der Präferenzen, so erscheinen formgebundene (z.B. CorporateGovernance-Systeme) und formungebundene Institutionen75 (z.B. kulturspezifische Normen und Werte) einerseits und die individuellen Handlungsmotive andererseits in einem reziproken Konstitutionsverhältnis. Dieses Konstitutionsverhältnis gilt es nun, mit Blick auf die Governance-Systeme in Japan und Großbritannien zu betrachten. 3.4. Unternehmenssteuerung als Kooperationsproblem – die Sicht der sozialwissenschaftlichen Corporate-Governance-Forschung 3.4.1. Das japanische Corporate-Governance-System Die vergleichende Governance-Forschung (z.B. Mayer 1998; Dore 2000; Aguileria/Jackson 2003; Witt 2003) unterscheidet zumeist zwischen zwei dichotomen Governance-Modellen. Kennzeichen des Outsider-Systems sind ausgeprägte Eigenkapitalfinanzierung, hohe Aktienstreuung, flexible Arbeitsmärkte und starke Distanz zwischen Investoren und Management (Mayer 1998; Aguileria/Jackson 2003; Witt 2003). Ein aktiver Markt für Unternehmenskontrolle wirkt sich minimierend auf den Agency-Konflikt aus (Steiger 2001). Prominente Vertreter des Outsider-Modells sind USA und Großbritannien. Im Unterschied hierzu ist das Insider-System durch „longterm debt finance, ownership by large blockholders, weak markets for corporate control, and rigid labor markets“ (Aguileria/Jackson 2003, 447) gekennzeichnet. Als wichtige Vertreter dieses Systems gelten Deutschland und Japan (Witt 2003). Der Opportunismusgefahr begegnen die Kapitalgeber mit dem Aufbau von langfristigen Geschäftsbeziehungen (Kester 1997). „Chief among these are close relationships with large financial institutions that are major equity owners as well as lenders, and that are able to exert considerable influence through board representations and ,at times ‘direct intervention into operating management’” (Kester 1997, 228). Paradebeispiel einer solch engen, vielschichtigen und wechselseitigen Beziehung zwischen Kapitalgeber und Unternehmen ist Japan. Laut Roe (1992) bezeichnet der von Berle/Means (1932) geprägte Begriff der Unternehmenskontrolle das dortige Corporate-Governance-System nur unzutreffend. Kennzeichnend für das System sei vielmehr ein reziprokes Beziehungsmuster zwischen Kapitalgeber und Unternehmen, das eschergleich76 keinen Anfang und kein Ende nähme. „An Escher hand reaches out from the bank to control industry, but then an Escher-like hand reaches out from

75 76

Die Unterscheidung von formgebundenen und formungebundenen Institutionen geht auf North (1990) zurück. M.C. Escher war ein bekannter holländischer Graphiker.

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industry to control bank“ (Roe 1992, 27). Seine strukturelle Materialisierung findet dieses reziproke Beziehungsmuster in der japanischen Unternehmensgruppe, dem so genannten Keiretsu. Diese Besonderheit des japanischen Corporate-GovernanceSystems gilt es, im Folgenden näher zu beleuchten. 3.4.1.1.

Die japanischen Unternehmensgruppen

Die heutige Wirtschaftsordnung Japans ist das Ergebnis eines langen kulturellen, sozialen und ökonomischen Entwicklungsprozesses, der mit dem Beginn der Edo-Ära (1603 – 1868) assoziiert wird (Cooke/Sawa 1998). Japan schottete sich in jener Periode international ab. Nennenswerte Handelsbeziehungen bestanden nur zu den Chinesen und den Vertretungen der regional führenden Kolonialmacht dieser Zeit, den Niederlanden (Cooke/Sawa 1998). In dieser Zeit entwickelten sich die Zaibatsu, gewissermaßen die Vorläufer der Keiretsu. Diese waren große, von einzelnen Familienclans geführte Unternehmen. Die Zaibatsu waren hochgradig vertikal integriert und deckten jeweils nahezu die gesamte Wertschöpfungskette ab. Da die Entscheidungsträger in diesen frühen Konzernen Familienmitglieder waren, entstanden je nach individuellen Interessen mehrere Geschäftsfelder, auf denen die Zaibatsu als Ganzes tätig waren. „Each zaibatsu was based on a single family or extended family whose business interests became diversified such that they were almost self sufficient“ (Cooke/Sawa 1998, 217). Die Zaibatsu umfassten nicht nur Produktionsstätten und Handelsketten, sondern auch Versicherungen und Banken. Letzteres ermöglichte ihnen, ohne Rücksicht auf externe Investoren ihre Unternehmenspolitik nach eigenen Vorstellungen zu verfolgen. Die unterschiedlichen Geschäftsbereiche deckten zunächst exklusiv den Bedarf des eigenen Zaibatsu und bedienten darüber hinaus nach außen den gesamten japanischen Markt. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges kontrollierten die Zaibatsus über 32 % der Schwerindustrie und 50 % des Bankensektors in Japan (Cooke/Sawa 1998). Nach dem Sieg der Alliierten und der Besetzung Japans schufen die Amerikaner eine Nachkriegsordnung, die das politische, soziale und wirtschaftliche Leben stark beeinflußte. Ziel war die Demokratisierung Japans. Hierzu gehörte auch die Auflösung der Zaibatsu, da ihnen eine Mitverantwortung für die Expansionen Japans im Zweiten Weltkrieg nachgesagt wurde (Moerke 2001). Mit dem Anti-Monopol-Gesetz aus dem Jahr 1947 sollten die Holdingstrukturen der Zaibatsu liquidiert werden, um Eigentum und Management voneinander zu trennen. Unter anderem wurde das Führen der Zaibatsu-Namen verboten. Die Amerikaner wollten in Japan Marktstrukturen nach eigenem Vorbild etablieren und das Eigentum an Unternehmen demokratisieren. „With Japan’s defeat in World War II and the subsequent arrival of U.S. Occupation Forces came a major overhaul of the Japanese economy as a means toward economic democratisation.” (Gerlach 1992, 100)

159

vor II. Weltkrieg 10 große Zaibatsu

nach II. Weltkrieg „Big Six“ (6 Keiretsu)

4 große Zaibatsu Mitsui

Mitsui

Mitsubishi

Mitsubishi

Sumitomo

Sumitomo

Yasuda

Ôkura

Fuyô

Asano Nissan

Sanwa

Furukawa

DKB

Nakajima

Fuji Jûkô

Nomura

Daiwa - Bank, Nomura Securities, Tôkyô Seimei Securities

nach Kriegsende entstandene Unternehmensgruppen sonstige Zaibatsu

Toyota Honda

Shibusawa Kawasaki

Matsushita Sony Tôkyû Seibu Daiei

Abbildung 15: Entwicklung der keiretsu aus den zaibatsu. Quelle: Moerke (2001, 62)

Obwohl die Holding als Unternehmensform in Japan formal abgeschafft wurde, behielt das Jahrhunderte alte Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Firmen weiterhin seine steuernde Funktion (Gerlach 1992; Roe 1992). Die Firmen, die vorher in einem Zaibatsu zusammengefügt waren und nun formal selbstständig agierten, führten ihre Geschäfte untereinander fort. Das Anti-Monopol-Gesetz wurde 1952 durch das japanische Ministerium für internationalen Handel und Industrie (MITI) mit Ausnahmeregelungen, z.B. im Bereich der Kartellbildung, aufgeweicht. Als Ergebnis wurden die alten Zaibatsu-Namen wieder eingeführt (Moerke 1997). Da das Bankensystem in Japan weitgehend intakt blieb, konnten die Unternehmen sich nach Abzug der Alliierten nunmehr um Banken formieren. Die Banken, die vorher meist selbst Teil eines Zaibatsu waren, bevorzugten dabei die Unternehmen des 160

alten Zaibatsu. Da zwischen den Banken und diesen Unternehmen in den ersten Nachkriegsjahren die alten Geschäftsbeziehungen gepflegt wurden, verlief dieser Vorgang zügig. „Old members of the zaibatsu were favoured and the six main banking groups that emerged were the old groups of Mitsubishi, Sumitomo, Misui and Fuji as well as the newer groups of Sanwa and Dai-Ichi Kangyo Group (DKP) (Cooke/Sawa 1998, 218). Während also Mitsui, Mitsubishi und Sumitomo direkt aus den Zaibatsus der Vorkriegszeit hervorgegangen sind, entstanden die anderen der „Big Six“ aus Zusammenschlüssen mehrerer Zaibatsu-Überreste, die sich um die wichtigen Großbanken Fuji, Sanwa und Dai-Ichi Kangyo formierten (Gerlach 1987). Ein wesentlicher Grund für die Gruppierung der Unternehmen um die Banken war die schwierige Kapitalbeschaffung nach dem Krieg. Eine verlässliche Kapitalquelle wurde zur Gretchenfrage japanischer Unternehmenspolitik, wie die nachstehende Aussage eines japanischen Unternehmensvertreters dokumentiert: “[This company] had existed for sixty years, and World War II was a very bad event for us, but we continued to operate even under that situation. We didn’t have any assets, so it was hard for us to get money – we were not listed so we could not approach the markets. So at that time there was one bank which co-operated with us, so I maintained the relationship. So not because I’m in a keiretsu or anything like that, but for historical reasons; it’s nice for me to have that relationship, if for example, I have problems.” (zit. nach Learmount 2002, 79). Die gemeinsame Geschichte vieler Unternehmen in einem Zaibatsu, gepaart mit den Vorteilen, die eine Neuformierung in einem Keiretsu bot, beschleunigte den Integrationsprozess noch. Die hochintegrierten Unternehmensgruppen mit einer Bank als Zentrum werden in Japan als kinyu keiretsu (finanzielle Linie) oder kigyo shudan (Unternehmensgruppe) bezeichnet (Gerlach 1987). Die verkürzte Bezeichnung dieser Unternehmensgruppen als Keiretsus hat sich jedoch international etabliert. Mit Steinbrenner (1997, 15) kann man Keiretsu als eine Verbundunternehmung verstehen, „die ein, durch die Koordination der Erfüllung der Gesamtaufgaben mehrerer zuvor selbständiger Betriebe (Einzelteile), entstandener neuer Betrieb (das Ganze) ist“. Häufig werden Keiretsus als „Mischkonzerne“, „Konglomerate“, „Konzerne“, „Trusts“, „Konsortien“ oder „Unternehmensverbände“ (Eli 1988) bezeichnet. Diese Diktionen fußen jedoch auf einem okzidentalen Rechtsverständnis bzw. implizieren bestimmte Motive für den Zusammenschluss. Da diese jedoch bei japanischen Bezeichnungen wie Keiretsu oder Gurupu keineswegs implizit mit ausgedrückt sind, wird in Übereinstimung mit Steinbrenner (1997) hier der neutrale Terminus „Unternehmensgruppe“ verwendet. Unterteilt werden Keiretsus in vertikale Keiretsus und horizontale, auch so genannte Intermarket Keiretsus. Vertikale und horizontale Keiretsus sind zwar verschiedenen Ursprungs, überlappen sich jedoch, wie die nachstehende Graphik verdeutlicht.

161

large firm/ national/ high status

1 4 2

3 small firm/ local/ low status

range of industries 1 = intermarket keiretsu 2 = vertical keiretsu 3 = small-business groups 4 = strategic groups

Abbildung 16: Cross-Cutting Social Spheres: Industrial Diversity, Status Position, and Alliance Form. Quelle: Gerlach (1992, 68)

In vielen Fällen geschieht diese Überlappung parallel. Mitglieder eines horizontalen Keiretsus stellen meist selbst vertikale Keiretsus dar (Moerke 2000). Vertikale Keiretsus lassen sich ihrerseits in Produktions- und Distributionskeiretsus differenzieren. Erstere sind primär im produzierenden Gewerbe, vor allem in der Automobil- und Elektroindustrie anzutreffen. Sie sind durch eine vertikale Gliederung mit einem Endhersteller an der Spitze und pyramidenartig formierten Zulieferunternehmen in mehreren Hierarchieebenen gekennzeichnet (Moerke 1997). In den auf Langfristigkeit ausgelegten Beziehungen zwischen Mutterunternehmen und Zulieferern herrscht häufig eine starke Abhängigkeit. Ein gutes Beispiel für ein vertikal integriertes Produktions-Keiretsu ist die Toyota Motor Group. Sie besteht aus Hunderten von kleinen und mittelgroßen Unternehmen. In der Toyota Motor Group sind über 170 Tochterfirmen und 120 weitere vom Konzern kontrollierte Unternehmen organisiert. Von diesen bilden etwa 19 einen engeren Kreis um die Keiretsu-Spitze. Bei 80 % dieser großen börsennotierten Unternehmen, die auch Einfluss auf die Entscheidungsfindung in der Führung des Keiretsus haben, ist die Toyota Motor Group der größte Einzelaktionär mit meist über 50 % des Anteilsbesitzes. In diese Unternehmen werden von Toyota, entsprechend seiner Aktionärsrolle, eigene Vorstände entsandt (Kreft 2000). Die als Distributionskeiretsus bezeichneten Netzwerke beinhalten das Zusammenwirken von Industrie, Großhandel und Einzelhandel (Moerke 1997). So besteht etwa die Matsushita-Gruppe, Japans größter Produzent von Haushaltsgeräten, Audio- und Videozubehör aus über 24.000 Groß- und Einzelhändlern. „These companies normally only sold non-keiretsu products if no comparable product was on offer from the keiretsu leader“ (Kreft 2000, 5). Mit Hilfe von speziellen internen Rabattsystemen konnte Matsushita auch deutlichen Einfluss auf die Endverbraucherpreise nehmen. 162

Bei den horizontalen Keiretsus unterscheidet man zwischen sechs großen Unternehmensgruppen, „Big Six“ genannt, die jeweils branchenübergreifend agieren und um eine Bank, die Main Bank, gruppiert sind. Den Gruppenkern machen zusätzlich mindestens ein Generalhandelshaus und ein oder mehrere Kernunternehmen aus (Moerke1997, 1). Exemplarisch sei hier auf die Sanwa-Unternehmensgruppe verwiesen. Im Zentrum dieser Gruppe steht die Sanwa Bank. Um sie herum angesiedelt sind die jeweiligen Sektoren der wirtschaftlichen Tätigkeit der Unternehmensgruppe (Abbildung 17). Fast jeder einzelne dieser Sektoren setzt sich wiederum aus mehreren Unternehmensgruppen zusammen. Die Sanwa Gruppe ist damit ein typisches um eine Main Bank77 angeordnetes horizontales Keiretsu. Die Mitglieder dieses Keiretsus sind untereinander auf vielfältige Weise verbunden. Vor allem gegenseitige Aktienbeteiligungen und die wechselseitige Besetzung von Vorstandsposten sind hier zu nennen. Die Sanwa Bank hält Aktien der führenden Unternehmen aus den einzelnen Branchen. Diese halten wiederum Aktien der Bank. In die wirtschaftlich bedeutendsten Beteiligungen werden von der Bank Vorstandsmitglieder eingesetzt (Karbhari 1994). Die Entsendung der Direktoren dient der Informationsgewinnung und -verbreitung. „Typisch für die horizontalen Keiretsu sind weiterhin die President’s Council (shachokai) – regelmäßige Treffen der Chefs von Unternehmen aus der Gruppe“ (Moerke 1997, 1). Insbesondere diese Treffen sind Gegenstand vielfältiger Diskussionen. An ihnen wird die vielzitierte “Japan AG“ sinnfällig (Steinbrenner 1997). Unwidersprochen dürfte jedoch bleiben, dass sie u.a. dem Transfer von unterschiedlichen die Unternehmen betreffenden Informationen dienen. Ganz gleich, ob es sich um vertikale oder horizontale Keiretsus handelt, deutlich wird, dass ökonomisches Handeln in einem institutionellen Kontext eingebunden ist. Wie Gerlach (1992, 70) in seinem Standardwerk zur japanischen Wirtschaftsordnung feststellt, findet aus der Unternehmensperspektive Handel „within a set of ordered environments that can be dimensionalized along a continuum from ’relational’ to ’transactional’ exchange...“ statt. Während es sich beim transaktionalen Tausch um den diskreten und anonymisierten Markttausch neoklassischer Prägung handelt, werden beim relationalen Tausch vielfältige Formen implizierter Annahmen und Übereinkommen getroffen, die der Tauschbeziehung Stabilität und Persistenz verleihen. „The fiction of discreteness is fully displaced as the relations take on the properties of a ’minisociety’ with a vast array of norms beyond those centered on the exchange and its immediate processes“ (Macneil 1978, 901).

77

Die im Zentrum stehenden Banken erfüllen in etwa die Aufgaben und Dienstleistungen, die in Deutschland die sogenannten Hausbanken wahrnehmen. Da sie aber integraler und führender Bestandteil der Unternehmensgruppe sind und damit mehr als nur die Rolle eines Investors und Kreditgebers erfüllen, wird der in der englischsprachigen Literatur verwendete Begriff „main bank“ eher ihrem erweiterten Spektrum gerecht.

163

y y y y

Petroleum/Rubber/Cement Cosmo Oil (1,2) Toyo Tire and Rubber (1,2) Mitsubishi Belting (2) Osaka Cement (1,2)

y y y y

Trading/Commerce Nissbo Iwai Corp. (1,2) Nichimen Corp. (1,2) Iwantani & Co. (1,2) Takashimaya Co. (1,2)

Sansul-Kai Clover-Kai

y y y y

Iron and Steel Kobe Steel (1,2) Nakayama Steel Works (1) Nixshin Steel (1) Hitachi Metals (1,2)

Sanwa Bank

y y y y y y y y y y y

Electrical & Machinery NTN Toyo Bearing (1,2) Iwatsu Electric Co. (1,2) Hitachi Zosen Corp. (1,2) Tsukishima Kikai (2) Kyocera Corp. (1) Hitachi, Ltd. (1,2) Hitachi Cable (1,2) Sharp Corp. (1,2) Shin Meiwa Industry (1) Daihatsu Motor (1,2) Nitto Electric Industrial (1,2)

Intra-Group Joint Ventures y Toyo Information Systems y Toyo Real Estate

y y y y

Construction Toyo Construction (1,2) Ohbayashi Corp. (1,2) Sekisui House (1) Zenitaka Corp. (1,2)

y y y y

Finance & Insurance Toyo Trust & Banking (1,2) Daido Mutual Life Insurance (1,2) Orient Leasing (1,2) Nippon Life Insurance (1) Fibers & Textiles

y Teijin Ltd. (1,2) y Unitaka Ltd. (1,2) y Fukusuke Corp. (1,2) Transportation & Warehousing y Yamashita Shinnihon Steamship (1,2) y Hankyu Corp. (1,2) y Nissin Corp. (2) y Nankai Electric Raitway (1)

y Midori-Kai (2) Optical Materials y Hoya Corp. (2) Food y Isoh Ham Foods (1) y Suntory Ltd. (1,2)

y y y y y y y y

Chemicals Tokuyama Soda (1,2) Ube Industries (1,2) Sekisui Chemical (1,2) Tanabe Seiyaku (1,2) Fujisawa Pharmaceutical (1,2) Kansai Paint (1,2) Osaka Soda (2) Hitachi Chemical (1,2)

1: Sansui-Kai members 2: Clover-Kai Members

Abbildung 17: Die Sanwa Group. Quelle: Karbhari (1994, 2)

Wie die Abbildung deutlich macht, ist ein hohes Maß an relationalem Tausch für den intraorganisationalen Handel kennzeichnend. Strukturell durch Ressourcenflüsse verbunden und gesteuert durch ein Set von Regeln und Ritualen, konstituiert sich die Firma als soziales System. Die Beziehung zwischen den Organisationsmitgliedern hat Vorrang vor der einzelnen Transaktion. Jenseits der Firmengrenze beginnt die Umwelt erster Ordnung. Auf der interorganisationalen Ebene erscheint die Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Zulieferern erfolgskritisch zu sein. Die engen Beziehungen, die zwischen japanischen Firmen und ihren Subunternehmern in den vertikalen Keiretsus herrschen, sind ein wohlbekanntes Phänomen des japanischen Produktionsregimes. So übernehmen Subunternehmer in den Produktionskeiretsus „many of the functions typically carried out in-house by U.S. firms through their own divisions“ (Gerlach 1992, 70)78. Innerhalb des vertikalen Keiretsus ist der Austausch zwischen der Muttergesellschaft und ihren Satelliten in ein dichtes Beziehungs-

78

Deutlich wird dieses unterschiedliche Produktionsregime in der Untersuchung von Dyer/Nobeoka (2000). Die Autoren zeigen am Beispiel von Toyota auf, dass japanische Automobilkonzerne in einem reziproken Netzwerk mit ihren Zulieferern verbunden sind, in dem orginäres Unternehmenswissen fließt und Intellectual Property Rights im Unternehmensnetzwerk angelegt sind. Dies ist selbst nach 15 Jahren Just in time oder Total Quality Management auch in den USA noch unüblich.

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netzwerk eingebunden. Unterschiedliche Formen von Informationen, Managementkompetenz sowie technischer und finanzieller Unterstützung werden hier gemäß den Regeln der Reziprozität bereitgestellt. impersonal markets strategic alliances intermarket keiretsu vertical keiretsu Co. relational exchange

transactional exchange

Abbildung 18: Alliance Form and the Japanese Firm’s Institutional Environment. Quelle: Gerlach (1992, 71)

Die Muttergesellschaft und mithin ihre Satelliten sind gewöhnlich mit den horizontalen Keiretsus in ein breiteres Beziehungssystem integriert. „This secondorder environment comprises more loosely coupled relationships among dozens of firms in diverse industries “ (Gerlach 1992,70). Der interne Austausch ist hier zwar weniger durchdringend als auf Ebene der Unternehmen oder vertikalen Keiretsus, gleichwohl verleiht die Identität der Gruppe diesem strukturelle und symbolische Bedeutung. Strategische Gruppen repräsentieren eine Umwelt dritter Ordnung. Austausch ist hier enger und fester als auf anonymen Spotmärkten. Es fehlt jedoch die Geschichte, symbolische Kohärenz und Dichte, die Keiretsu-Tauschnetzwerke kennzeichnet. Auf der äußeren Ebene ist unpersönlicher Tausch zwischen Akteuren zu finden, die weder strukturell noch symbolisch verbunden sind. „These are ’true’ market transactions, without intensive ties or enduring obligations“ (Gerlach 1992, 71). Deutlich wurde die Relevanz von Beziehungen für ökonomische Handlungen. Je nachdem, ob die Parteien wechselseitig durch komplexe Tauscharrangements verbunden sind oder sich nur zu einem diskreten Tausch auf einem anonymen Markt treffen, werden unterschiedliche Handlungsmotive und Handlungen virulent. Im Folgenden wird dies mit Blick auf das Verhältnis, das japanische Unternehmen mit ihren Anteilseignern pflegen, dargestellt.

165

3.4.1.2.

Japanische Kapitalgesellschaften und ihre Investoren

Der japanische Kapitalmarkt ist im Wandel begriffen (Ahmadjian/Robbins 2005). Das traditionelle System stabiler Eigentumsverhältnisse bei Publikumsgesellschaften gerät von mindestens zwei Richtungen unter Druck. Zum einen wird dem System zu einem beträchtlichen Teil die schwache Ökonomie in den 90er Jahren angelastet. Zum anderen wächst die Anzahl ausländischer Investoren, die signifikante Anteile an japanischen Unternehmen halten (Ahmadjian/Robbins 2005). Beides führt in den Augen vieler Beobachter zu der begründeten Vermutung, dass die Rechte der Anteilseigner deutlich gestärkt werden (Takeshi 2001; Jackson/Moerke 2005; Ahmadjian/Robbins 2005). So wird generell die Einführung von internationalen Rechnungslegungsstandards als augenfälliger Beweis für die erstarkte Aktionärsposition gewertet (Jackson/Moerke 2005). Indem auf breiter Front über die Einführung des US-Gaap als Rechnungslegungsstandard diskutiert wird, liegt die Vermutung nahe, dass japanische Unternehmen die Wünsche ihrer Anteilseigner stärker in den Blick nehmen als früher. Ein weiteres Indiz für eine stärkere Aktionärsorientierung ist die vermehrte Einrichtung von Investor-Relations-Abteilungen (Takeshi 2001). In der Unternehmenspraxis wird man nicht müde, den Einfluss dieser Abteilungen auf Form und Inhalt der Kapitalmarktkommunikation zu unterstreichen. Scheinen beide Sachverhalte auf den ersten Blick Indizien für eine Änderung des Finanzsystems in Richtung des anglo-amerikanischen Outsidersystems zu sein, so wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass sich der Systemwandel laut einer aktuellen Untersuchung von Learmount (2002) eher auf der symbolischen Ebene abspielt. „... in spite of myriad changes taking place in the financial environment, these are not necessarily generating an intrinsically new approach to shareholders or shareholding“ (Learmount 2002, 61). Nichts macht die Persistenz des bestehenden Systems augenfälliger als der unterschiedliche Umgang, den die Unternehmen mit ihren Aktionärsgruppen pflegen. Gemäß der Abbildung teilen sich nach japanischem Verständnis die Aktionäre in zwei Gruppen. Bei der einen Gruppe handelt sich zumeist um Großaktionäre aus der eigenen Unternehmensgruppe, die in reziproken Kapitalverflechtungen mit den Publikumsgesellschaften stehen (Roe 1992; Schaede 1994; Takeshi 2001). Die andere Gruppe besteht aus Eigentümern von im freien Handel befindlichen Unternehmensanteilen. In einer Untersuchung von Learmount (2002) über die Beteiligungspraxis japanischer Unternehmen wird deutlich, dass alle untersuchten Unternehmen Aktien ebenso zur Beziehungspflege als auch zur Kapitalakkumulation haben. Sie werden auch zumeist auf differenten Konten geführt und nach unterschiedlichen Regeln gemanagt. Während Investmentobjekte nur unter dem Kriterium der Renditemaximierung gekauft und gemanagt werden, dienen politische Aktien alleine dem sog. mochiai und werden auch so behandelt. „There are two different departments to book investment shares and mochiai shares, and they are booked in different ways. Also the examination department is different. 166

Trading shares are evaluated every day, and are subject to a loss-cut rate, and are marked to market at the end of each trading day. Political shares are booked at the original price, and loss-cuts is irrelevant“ (Investmentbanker zit. nach Learmount 2002, 56). Der Begriff mochiai bedeutet nach Gerlach (1992, 76) ungefähr so viel wie „to hold mutually“. Zusätzlich beinhaltet der Begriff situationsabhängig noch weitere Konnotationen wie wechselseitige Hilfe, geteilte Abhängigkeit und Stabilität. „Crossholdings, as Japanese businessmen point out, ’keep each other warm’ – hada o atatame-au” (Gerlach 1992, 76). Aktien, die im Zuge wechselseitiger Beteiligungen an Partnerunternehmen gehalten werden, sind weniger finanzwirtschaftliche Instrumente als vielmehr symbolische Zeichen. In ihnen materialisiert sich für jeden ersichtlich die Beziehung zwischen zwei Unternehmen. So macht ein von Learmount (2002, 57) interviewter Unternehmenspräsident deutlich, „that he did not consider the company that held the majority of his company’s shares to be ’real shareholders’, as the shares that they held were symbolic”. In der regelmäßigen Kommunikation ist die Unternehmensleistung ebenso wenig von Bedeutung wie der Aktienpreis. Von Interesse ist vielmehr die Entwicklung neuer Produkte oder Technologien. Der Aktienbesitz dokumentiert primär die gute Unternehmensbeziehung (Takeshi 2001). „The shareholdings are ’friendly’, i.e. stable and long-term, and they also support the business relations between these firms“ (Schaede 1994, 293). Wird der Aktienbesitz jedoch reduziert, so ist dies für die Umwelt ein eindeutiges Signal für eine Abkühlung oder sogar Beendigung der Beziehung. Möchte man demnach eine Geschäftsbeziehung fortsetzen, so ist ein Verkauf von mochiai-Aktien kontraproduktiv. „Selling shares is looked upon very badly by the company. The actual amount of the shares that we hold in each company is not particularly important, but by selling the shares it would be very bad for our relations with the companies….It is a fact that we do business with those companies in which we hold shares, and when we sell the shares off the companies which we have selected there is no chance that we will do business with these companies again.” (Interview zit. nach Learmount 2002, 58). Angesichts der sozialinduzierten Handels- und Managementstrategien ist für jede Publikumsgesellschaft das Wissen um die Eigentumsverhältnisse wichtig. Welcher Anteilseigner wie viele Aktien hält, ist in Japan eine zentrale Frage (Roe 1992; Schaede 1994). Da die Beziehungspflege konstitutiv für das japanische Produktionsregime ist, wählen die Unternehmen bei Börsengängen oder Kapitalerhöhungen ganz gezielt ihre Anteilseigner aus dem nationalen Produktionskontext aus. Zusätzlich versuchen die Unternehmen, möglichst viele Aktien an ihre Beschäftigten zu verkaufen. Sind so die meisten Aktionäre ausgewählt, so werden die restlichen Aktien auf dem freien Markt vertrieben. Größere Aktientransaktionen finden demnach eher hinter verschlossenen Türen als auf dem offenen Marktplatz statt.

167

„We have a finance directors group [keiretsu] regularly, so we know the faces and can have conversation at these meetings. Sometimes I might sit here, and he will sit there, and I have the need to make mochiai, so while we are chatting the deal is done. When they have a need to sell our stock they will come to us, discuss their situation, and we will consider their proposal. This might happen when their business results are extremely bad, and they have a lack of cash“.(Interview zit. nach Learmount 2002, 60). Da die Anzahl der Aktien, die nach den Regeln von Wettbewerbsmärkten gehandelt werden, eher gering ist, spielt die Kurspflege bei japanischen Publikumsgesellschaften eher eine untergeordnete Rolle. Zwar wird der Return On Equity (ROE) als wichtig eingestuft, um die ökonomische Verpflichtung der Unternehmen gegenüber ihren Aktionären zu erfüllen (Takeshi 2001). Die Steigerung des Shareholder Value ist somit schon Bestandteil der proklamierten Unternehmensziele. Gleichwohl lässt sich angesichts eines ROE-Vergleichs japanischer und amerikanischer Unternehmen nur ein Missverhältnis zu Lasten Ersterer konstatieren. Trotz der weitverbreiteten Rhetorik zu ROE und Shareholder Value fallen die Aktiengewinne vergleichsweise gering aus. Denn wichtiger noch als hohe Renditen ist in den Augen japanischer Manager die Stabilität des Unternehmens (Takeshi 2001). Im Unterschied zu amerikanischen oder europäischen Unternehmen, die ihre liquiden Mittel gerne zur Kurspflege einsetzen, stehen japanische Unternehmen dem Rückkauf eigener Aktien eher reserviert gegenüber. Das Drängen ausländischer Investoren nach höheren Renditen führt bei den dortigen Unternehmensführungen ebenso zu Irritationen wie der Wunsch nach mehr Unternehmenstransparenz und einer anlegerorientierten Informationspolitik. Zwar verfügen die Unternehmen zumeist über Investor-Relations-Abteilungen, die unternehmensseitige Kapitalmarktkommunikation wird jedoch von Analysten und ausländischen institutionellen Investoren als oberflächlich bezeichnet. „There is an impression that statements have been carefully prepared in advance, and if I ask specific questions they don’t seem to really be listening. I wonder if there is a sense that the company is like your home, it is private property, and outsiders are not really welcome unless they have been invited in”. (Interview zit. nach Learmount 2002,65) Investor-Relations-Aktivitäten zielen daher auch weniger darauf ab, den Informationsfluss zu den Anteilseignern aufrecht zu erhalten, als vielmehr das Unternehmen vor diesen zu schützen. Ihre primäre Aufgabe sehen die IRVerantwortlichen dann auch darin, Unternehmensinformationen zu filtern und sie vor unerwünschter Einsichtnahme zu schützen. Im Unterschied zu dem anglo-amerikanischen Outsidersystem sind hier die Anteilseigner mit ihren Renditeansprüchen im Kanon aller Stakeholder nicht

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besonders positioniert (Takeshi 2001)79. Gilt in US-amerikanischen Unternehmen das unternehmenspolitische Primat der Befriedigung anlegerseitiger Renditewünsche, so sehen japanische Unternehmen diese in einer Reihe mit den Interessen der Zulieferer, Beschäftigten oder Kunden (Gilson/Roe 1992). Die langläufige Vorstellung, dass man den Anteilseignern in besonderer Weise rechenschaftspflichtig ist, wirkt auf viele der dortigen Manager befremdlich. Verhalten sich japanische Unternehmensführer gegenüber renditeorientierten Anlegern eher abweisend, indem Erstere die Vorstellungen Letzterer nicht kennen oder in ihrer Informationspolitik nicht berücksichtigen, so ist insbesondere das gegenseitige Verständnis und Kommunikationsverhalten in gut organisierten Keiretsus völlig anders. „The top managers of Japanese companies tend to think little of the benefits of general stockholders other than those who are cross-holders” (Roe 1992, 24). Kommuniziert wird häufig und in größerer Runde. Träger der Kommunikation ist nicht die InvestorRelations-Abteilung, sondern die Unternehmensleitung selbst. So tagen etwa bei dem monatlichen Senior-Manager-Treffen die Kernmitglieder eines Keiretsus (Lincoln/Gerlach/Takahashi 1992; Schaede 1994). Hierbei geht es weniger um die Diskussion der einzelnen Unternehmensergebnisse als vielmehr um die Teilhabe an wichtigen Informationen. Der Austausch bleibt jedoch nicht auf die Top-ManagementEbene beschränkt. Innerhalb der Unternehmensgruppe führt eine Vielzahl persönlicher Beziehungen auf allen Hierarchieebenen zu einer hohen sozialen Kohäsion. „Informally, we have many individual relationships, they are like colleagues, and in that respect it is a very good system“ (Interview zit. nach Learmount 2002,69). Solche engen und vertraulichen Beziehungen bleiben jedoch nicht auf die Keiretsuunternehmen beschränkt. Oft gehen wechselseitige Finanzverflechtungen mit engen Arbeitsbeziehungen auf unterschiedlichen Organisationsebenen einher, die sich in der reziproken Teilhabe an Personal, Informationen, Fachkompetenz und Technologien materialisieren. Die Beziehung zwischen reziprok beteiligten Unternehmen geht deutlich über den einfachen Kapitaltausch hinaus. Sie beinhaltet nicht nur den häufigen Austausch von Personal, Informationen oder Technologien, auch werden in Krisensituationen entsprechende Ressourcen bereitgestellt, um das Überleben des betroffenen Unternehmens zu sichern (Lincoln/Gerlach/Takahashi 1992). Überkreuzbeteiligungen sind demnach nicht ursächlich für die engen Unternehmensbeziehungen, sondern sie sind vielmehr Ausdruck der Beziehung selbst (Gerlach 1987). Nirgendwo wird diese Beziehungsqualität deutlicher als in dem Verhältnis zwischen dem Unternehmen und seinem größten cross shareholder, der Main Bank.

79

In einer großangelegten Untersuchung unter japanischen Top-Managern im Jahre 1999 kommt Takeshi (2001, 232) zu dem Ergebnis, dass nur 8,5 % der befragten Manager sich exklusiv den Interessen der Shareholder verpflichtet fühlen. „In stark contrast, the view that ’the firm’s stakeholders are not limited to its shareholders, and therefore it should be managed in ways properly reflecting the interests of other stakeholders as well’ was supported by as many as 85,8 % of all the executives”.

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3.4.1.3.

Japanische Kapitalgesellschaften und ihre Main Bank

Ein wichtiges Kennzeichen des japanischen Governance-Systems – die UnternehmenMain Bank-Beziehung – wird aus ökonomischer Perspektive gewöhnlich als Kontrollarrangement betrachtet, das sich in Ermangelung einer aktiven Unternehmenskontrolle durch die Anteilseigner gebildet hat (Aoki 1990; Roe 1992; Gilson/Roe 1992). Im Zuge der Deregulierung japanischer Finanzmärkte kommt es zu einer sinkenden Abhängigkeit der Unternehmen von den Banken. So gewinnen nach Ansicht von Beobachtern (Jackson/Moerke 2005) eigenkapitalorientierte Finanzierungsformen an Gewicht. Die ehemals klare Rolle der Main Banks als einflussreiche Kontrolleure wird zusehends diffuser. Während etwa Moerke (2001) eher eine abnehmende Bedeutung der Main Bank im Governance-System favorisiert, setzt Georg (1996) auf eine persistente Relevanz der Banken als Informationsintermediär und Kontrollgröße. In seiner eingehenden Untersuchung zu der Unternehmen-Main-Bank-Beziehung kommt Learmount (2002,71) zu dem Ergebnis, diese „is more complex and durable than is traditionally supposed by economists“. Infolgedessen erweist sich auch die organisationale Steuerungsfunktion der Main Bank als facettenreicher, als die finanzwirtschaftlich orientierte Governanceforschung dies häufig postuliert. Wer etwa vermutete, dass die Deregulierung der Finanzmärkte zu einem Aufatmen der Unternehmen geführt hat, da diese sich endlich aus dem Joch des übermächtigen Kreditgebers Main Bank befreien können, sieht sich getäuscht. Weder die Liquiditätsengpässe der japanischen Banken noch die finanziellen Diversifizierungsstrategien der Unternehmen führen zu einer grundsätzlichen Revision der Beziehung. „Our day-to-day contact is still the same, even though the volume of transactions has been reduced. If we can find some merit in doing a transaction with them, we will do the transaction with them. Before [name] bank had maybe 30 or 40 per cent of the transaction volume, but this has reduced quite a lot “ (Interview zit. nach Learmount 2002, 78). Die Gründe für die Aufrechterhaltung der Beziehung sind aus Sicht der Unternehmen vielfältig. So rechtfertigen einige Unternehmen dies mit möglichen Risken, die mit einem Wechsel des Kapitalgebers einhergehen. Die Beziehung wird als eine Versicherung gegen die Volatilitäten des Kapitalmarktes bezeichnet (Lincoln/Gerlach/Takahashi 1992; Schaede 1994). Andere Unternehmen verweisen auf die nützliche Beratung, die ihnen durch die Banken zuteil wird. Gibt es aus Sicht der Unternehmen durchaus utilitaristische Motive (Aoki 1990; Schaede 1994) für eine Beibehaltung der Beziehung, so wird bei genauerer Analyse deutlich, dass diese bei Weitem nicht die alleinigen sind. Was bereits bei der Überkreuzverflechtung virulent wird, tritt hier in dem Verhältnis zwischen Unternehmen und Main Bank noch deutlicher zutage. Es ist nicht primär die ökonomische Funktionalität, sondern vielmehr das Pflichtbewusstsein und die Loyalität gegenüber dem Geschäftspartner, das dieser Beziehung ihre Persistenz verleiht. So entspringt die starke 170

Serviceorientierung der japanischen Banken (Schaede 1994), die sich etwa in ressourcenintensiven Unternehmens- oder Marktrecherchen niederschlägt, nicht allein dem Ziel stärkerer Kundenbindung oder gar erhöhter Unternehmenskontrolle. Stattdessen rechtfertigen sie die verausgabte Energie und Zeit damit, dies „was a service of considerable value to the companies themselves“ (Learmount 2002, 86). Selten kommen die Bankenvertreter daher auf ihre eigenen Interessen zu sprechen. Viel häufiger hingegen verweisen sie auf den größtmöglichen Nutzen, den sie ihren Kunden angedeihen lassen wollen. „We have an investment banking group within the bank who are professionals in securitization and capital market finance, and I believe it is my duty to talk to our customers and get information about what they need, and when I return to the bank I discuss with the professionals how we can use our capital market expertise to give the companies what they want. It is important to understand exactly what the companies need; the investment banking people have the technology, but they don’t know precisely the customers’ needs – this is most important for us”. (Interview zit. nach Learmount 2002, 87). Das bankenseitige Interesse am Gegenüber wird von den Unternehmen ihrerseits goutiert. Der umfangreiche Informationsaustausch wird nicht als Belastung wahrgenommen, sondern als wichtige Unterstützung und Ausdruck vertrauensvoller Zusammenarbeit. Mitunter ist die Zusammenarbeit so hoch integriert, dass die Bank eher einer spezialisierten Unternehmensabteilung ähnelt als einem externen Anbieter finanzwirtschaftlicher Dienstleistungen. Im Austausch gegen Nachwuchskräfte aus dem Unternehmen, die zur finanzwirtschaftlichen Weiterbildung in die Bank kommen, gehen solche aus der Bank in das Unternehmen, um Letzteres kennenzulernen und zu unterstützen (Lincoln/Gerlach/Takahashi 1992. Trotz dieser Beziehungsintensität ist beiden Parteien der ökonomische Interaktionskontext klar. „None of the companies I studied said that the main bank relationship limited their freedom to choose better value services or products from competing banks“ (Learmount 2002, 90). Banken wie Unternehmen agieren auf kompetitiven Märkten. Insofern sind Unternehmen bemüht ihre Unabhängigkeit, zu wahren und möglichst passgenau ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Dieses Interesse ist den Banken durchaus bewusst. Selbst eine intensive und lange Kundenbeziehung rechtfertigt nicht, dass die Bank das Unternehmen von einem vorteilhaften Finanzierungsgeschäft abhält. Unternehmen und Banken sind letztlich unabhängige Akteure in einer Beziehung, die zwar auf eine lange Historie zurückblickt, die jedoch auch der permanenten Erneuerung und Interaktion bedarf. Selten zeigt sich dies deutlicher als in Krisensituationen. Befinden sich Kundenunternehmen in einer Finanzkrise, so haben die Main Banks auch immer deren Bedürfnisse mit im Interessenfokus. Im Unterschied zu der ökonomischen Annahme, dass die Banken primär im Interesse der anderen Kreditgeber handeln und somit als Kontrollinstitutionen auftreten (Aoki 1990; Roe 1992), agiert die Main Bank

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vornehmlich mit Blick auf ihre Kunden. „Interviews emphasized that banks rarely discussed company affairs among themselves, or felt any obligation to monitor companies on behalf of other banks“ (Learmount 2002, 91). Selbst bei einem Konsortialdarlehen akzeptieren die beteiligten Banken bis zu einem gewissen Maße die Sonderrolle einer Main Bank. Die betroffenen Banken kommunizieren untereinander und mit dem Unternehmen stark formalisiert, wohl wissend, dass die Main Bank vielfach als Partner des Unternehmens handelt. Letztlich unterstützen die Main Banks ihre Klienten weniger mit Blick auf den Schutz ihrer Investition als vielmehr aus einem Gefühl der Pflicht und der Bindung heraus. Nicht umsonst wird die Main Bank als „die vertrauenswürdigste Bank“ für das einzelne Unternehmen definiert. Diese moralische Verbundenheit zwischen der Main Bank und ihren Unternehmen implizieren auf beiden Seiten einen Verhaltenskodex, der durch wechselseitiges Vertrauen, Loyalität und Pflichtgefühl geprägt ist. Ebenso wie die Main Bank auch in Krisensituationen die Interessen ihres Unternehmenspartners nicht aus dem Blick verliert, so fühlen sich auch die Unternehmen verpflichtet, die Bank über alle wichtigen Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten. Diese Form der Rechenschaftspflicht entspringt nicht finanzieller Kontrolle oder sonstigen Formen externer Steuerung. „Rather it appears to be an accountability on sense of duty or obligation to the bank“ (Learmount 2002, 92). Diese reziproke Verbundenheit in Punkto Respekt und Pflicht zwischen einem Unternehmen und seiner Main Bank basiert letztlich auf persönlichen und langjährigen Beziehungen zwischen den Beschäftigten der beteiligten Organisationen. Daher erweist sich die interorganisationale Beziehung nicht als unsoziales betriebswirtschaftliches Artefakt, sondern als explizite Beziehung zwischen Menschen. Geschäftemachen verweist dann konstitutiv immer auch auf menschliche Handlungen. Die beteiligten Akteure mögen in der Sache hart verhandeln, im Umgang bleiben sie jedoch fair. Entscheidend sind hier ein Gefühl des Respekts für den Gegenüber und ein Umgang, der die Integrität der Beziehung aufrechterhält. Ein Aktienverkauf ohne vorherige Absprachen erscheint dann auch außerhalb des Vorstellungsvermögens der jeweiligen Parteien zu liegen. „They necessarily [emphatically] give us notice! It is a kind of ... manners, Japanese manners. It is not a contract. The relationship is based on trust for each other, and these are basic manners.“ (Learmount 2002, 95). Summa summarum erscheint die Unternehmen-Main-Bank-Beziehung als ehrwürdiger Vertrauensbund und nicht als ein bankenseitiges Arrangement zur Unternehmenskontrolle und Rechenschaftspflicht des Managements. Rechenschaftspflicht ist hier nicht einseitig, sondern wechselseitig – motiviert durch den Respekt und die Pflicht gegenüber dem Anderen.

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3.4.1.4.

Führungsgremien japanischer Kapitalgesellschaften – de jure

Nicht nur für Institutionenökonomen (Aoki 1990; Witt 2003), sondern auch für Politiker und Medienvertreter spielt das Board of Directors eine besondere Rolle im Kanon der Governance-Mechanismen. Es gilt als steuernde Schnittstelle zwischen dem Unternehmensmanagement und den Anteilseignern. Um die Position des Board of Directors im japanischen Corporate-Governance-System besser verständlich zu machen, wird im Folgenden kurz die formale Leitungsstruktur japanischer Publikumsgesellschaften dargestellt. Unternehmen unterliegen in Japan den Regelungen des Handelsgesetzes. Dieses regelt auch die Führung von Unternehmen. Die Führung der Aktiengesellschaften obliegt hier unterschiedlichen Organen: der Aktionärshauptversammlung, dem „Board of Directors“ und gesellschaftsinternen (Rechnungs-)Prüfern (Moerke 2001). Zunächst von der deutschen Unternehmensverfassung beeinflusst (Roe 1992; Gilson/Roe 1992), veränderte sich die Boardstruktur unter dem Einfluss der amerikanischen Besatzung verschiedentlich. Heute entsprechen die Organe japanischer Unternehmen in ihrer formalen Ausprägung weder dem angelsächsischen noch dem deutschen Original, sondern bilden ein eigenes Modell (Roe 1992; Otto 1997; Moerke 2001). Oberste Entscheidungsinstanz ist die Hauptversammlung. De jure obliegt ihr die Wahl des Directors und der Rechnungsprüfer. Das Board of Directors und die Rechnungsprüfer gelten als hierarchisch gleichgestellt (Cooke/Sawa 1998). Die Directors sind verantwortlich für die Geschäftsführung und auch für deren Kontrolle. Aus den Reihen des Boards werden ein oder mehrere Vertreter gewählt, die das Unternehmen nach außen vertreten (Representative Directors). Verantwortlich für die Prüfung der Rechnungslegung und der Geschäftsführung sind die Rechnungsprüfer. „Legally, the auditors are limited to reviewing the execution of directors’ duties as laid down in a company’ articles of incorporation, forestalling their dereliction of duty, and verifying and reporting on companys documents (including financial statements) before they are submitted to the Annual General Meeting“ (Learmount 2002, 131). Je nach Größe der Aktiengesellschaft variiert die gesetzlich vorgeschriebene Zahl der Rechnungsprüfer: bei „großen“ Unternehmen, d.h. Aktiengesellschaften mit einem Eigenkapital von mehr als 500 Mio. Yen oder Verbindlichkeiten von mehr als 20 Mrd. Yen sind seit 1993 mindestens drei Prüfer vorgeschrieben. Hiervon sollte mindestens einer unternehmensextern sein und einer hauptamtlich arbeiten (Cooke/Sawa 1998). De jure bilden die Rechnungsprüfer ein dem Board of Directors hierarchisch gleichgestelltes Organ (Cooke/Sawa 1998; Moerke 2001). Mit Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen lassen sich die Führungsgremien japanischer Aktiengesellschaft in nachstehender Abbildung zusammenfassen.

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Abbildung 19: Führungsgremien japanischer Aktiengesellschaften – de jure. Quelle: Moerke (2001, 52)

Speist sich die Gestaltung des Corporate-Governance-Systems auch auf den ersten Blick aus formal-juristischen Quellen, so spielen juristische Formalisierungen von Interaktionsbeziehungen bei eingehender Betrachtung nur eine untergeordnete Rolle. Detaillierte Vertragsgestaltungen mit der Option auf gerichtliche Durchsetzung, wie sie insbesondere bestimmend für das anglo-amerikanische Governance System sind, stoßen hier eher auf Ablehnung. „The documentation attending important investments and supply contracts in Japan would leave many American lawyers aghast“ (Roe 1992, 47). Dieses mangelnde Interesse an jedweder Formalisierung von Geschäfts- und Arbeitsbeziehungen macht auch vor dem Führungssystem japanischer Publikumsgesellschaften nicht halt, wie die folgende Analyse zeigen wird. 3.4.1.5.

Führungsgremien japanischer Kapitalgesellschaften – de facto

Hauptversammlung Realiter stellt sich die Situation deutlich anders dar. „Erstens hat die Hauptversammlung längst nicht die vom Gesetzgeber intendierte Bedeutung und ist in ihrer Rolle auch nur bedingt mit den Hauptversammlungen in Deutschland zu vergleichen“ (Moerke 2001, 52). Die japanischen Hauptversammlungen sind generell keine groß angelegten Veranstaltungen, sondern eine kurz gehaltene Zusammenkunft der Aktionäre. Sie dauern zumeist weniger als eine Stunde, oft nur etwa dreißig Minuten. Außerdem halten viele japanische Unternehmen ihre Hauptversammlungen am gleich Tag ab. Im Jahre 1995 haben 96 % der Unternehmen ihre Hauptversammlung am 29. Juni abgehalten, darüber hinaus auch noch mehrheitlich am Vormittag (Cooke/ Sawa 1998). De jure ist die Hauptversammlung zwar das entscheidende Gremium, auf dem etwa die Direktoren ernannt, die Dividendenzahlungen bestimmt und die Agenda der Geschäftsleitung für das kommende Geschäftsjahr ratifiziert wird. Alle Anteilseigner sind zudem berechtigt, die Geschäftsleitung zu befragen. Aktionäre, die mehr als ein Prozent der Aktien oder 300 Stückaktien halten, können außerdem im Voraus Themen auf die Tagesordnung der Hauptversammlung setzen lassen (Cooke/ Sawa 1998).

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Trotz dieser Rechte für Anteilseigner sind die Hauptversammlungen in Japan meist strikt formaler Natur. Die Tagesordnungspunkte werden rasch abgearbeitet, ohne dass sich an einzelnen Fragen längere Zeit diskussionsartig aufgehalten wird (Lindseth 2002). Schon die Kürze der Zeit gepaart mit dem formalisierten Ablauf macht deutlich, „dass im Prinzip über vorher geklärte Entscheidungen abgestimmt wird“ (Moerke 2001, 53). Hierfür spricht auch die Existenz der als sokaiya genannten Akteure. Letztere sind Kleinaktionäre, die vom Unternehmensmanagement bezahlt werden, unliebsame Fragen der Aktionäre zu unterbinden. Sokaiya lassen sich teilweise auch dafür bezahlen, dass sie sich nicht zu den Geschäftspraktiken oder dem Privatleben der Directors öffentlich äußern (Moerke 2001). Board of Directors Problematisch erscheint auch die Kontrolle, die das Board of Directors auf die Arbeit des einzelnen Directors ausüben soll. Erstens ist der Board hierarchisch aufgebaut. Unterschieden wird zwischen den Positionen Chairman, President, Senior Managing bzw. hauptgeschäftsführenden Director, Managing bzw. geschäftsführenden Director und Director (Schaede 1994; Moerke 2001). Bei den Rechnungsprüfern differenziert man zwischen dem „hauptamtlichen“ und dem einfachen Prüfer. Die Personen an der Hierarchiespitze haben die faktische Personalgewalt. So erfolgt die Berufung der Directors und der Auditoren auf Vorschlag des Präsidenten hin. Auch seinen eigenen Nachfolger, der sich aus den Reihen der Directors rekrutiert, bestimmt der Präsident im Regelfall selbst (Schaede 1994; Cooke/Sawa 1998). Die hierarchische Strukturierung spiegelt sich auch bei dem intraorganisationalen Entscheidungsprocedere wieder. Selbst bei Entscheidungen, die den operativen Bereich betreffen, sind nur selten alle Directors gleichermaßen beteiligt. „… most companies had another ’inner’ grouping which seems far closer to the conventional idea of what a board is and does“ (Learmount 2002, 128). Laut Moerke (2001) verfügen fast 90 Prozent der Unternehmen über ein separates Entscheidungs- und Arbeitsgremium, in dem die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Letztere werden dann in den offiziellen Boardmeetings nur noch abgenickt (Cooke/Sawa 1998). In diesem sog. jomukai werden zumeist Directors ab Ebene des geschäftsführenden Directors berufen. Es wird als höchstes Entscheidungsorgan, als Diskussionsforum oder beratende Institution für den Präsidenten bezeichnet. Während dort die Unternehmensstrategien und andere wichtige Themen diskutiert und entschieden werden, bildet das Board die zeremonielle Bühne, auf der die Entscheidungen bestätigt und mit formaler Autorität versehen werden (Takeshi 2001). Zuweilen werden Boardsitzungen als „paper meetings“ charakterisiert, „a formality ... a ceremony in which the minutes are conducted“ (Schaede 1994, 311). Während sich der Board of Directors monatlich zur Besprechung einfindet, treffen sich die Mitglieder des jomukai mitunter wöchentlich. Aus den verschiedenen Sitzungsfrequenzen resultieren unterschiedliche Informationszugänge, die sich in

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differenten Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen und operatives Geschäft niederschlagen (Moerke 2001). Die Rechnungsprüfer Rechnungsprüfer mögen zwar im juristischen Sinne unabhängig sein (Yoshimori 2005), faktisch unterliegen sie jedoch der Personalgewalt durch das Board (bzw. dem Präsidenten). Oft werden Personen zum Rechnungsprüfer ernannt, die aus dem Unternehmen kommen oder zumindest eng mit diesem verbunden sind. Häufig waren sie vorher als Director im Board tätig. Ein Posten als Prüfer wird durchaus als eine mögliche letzte Station der firmeninternen Karriere betrachtet (Schaede 1994). „Let me tell you about the statutory auditors, which as you know here is really just a retirement post – the statutory auditor has no real power, and is just a way of phasing out the board of directors before they retire so they have the prestige of a position but really do not actually do anything” (Interview zit. nach Learmount 2002, 132). Zudem haben die hauptamtlichen Rechnungsprüfer nur einen begrenzten Zugriff auf relevante Informationen, da sie häufig von Treffen des inneren Entscheidungszirkels ausgeschlossen sind. „Further, although the statutory auditor is given the authority under law to make investigations into the company’s operations, including its financial affairs, this is normally difficult because of a lack of support of staff“ (Cooke/Sawa 1998, 222). Sollten nun tatsächlich Kontrollen erfolgen und Missstände angemahnt werden, so verfügen die Rechungsprüfer jedoch über keinerlei wirksame Sanktionsmöglichkeiten (Moerke 2001). Auch die gesetzlich geforderte Bestellung externer Rechnungsprüfer ist eher von symbolischem Wert. Die externen Prüfer sind entweder pensionierte Beschäftigte, die nach einer Karenzzeit bei ihrem vorherigen Arbeitgeber ihren Lebensabend verbringen, oder sie gehören einem Unternehmen der gleichen Unternehmensgruppe an bzw. sie sind dem Unternehmen seit langem in irgendeiner Form verbunden. Zusätzlich arbeiten die externen Auditoren nur Teilzeit. Ihre Informationen bekommen sie zumeist aus zweiter Hand, gewöhnlich aus den Berichten der hauptamtlichen Prüfer. Im Kern impliziert die Struktur eine faktische Unterordnung der Rechnungsprüfer unter den Board. „...it was widely acknowledged that auditors were not really felt to be independent of company management, and as such were not able to ’monitor’ or hold company managers accountable in the agency sense of these words” (Learmount 2002, 133). Betrachtet man die Interdependenz der „faktischen“ Führungsstruktur aus einer ökonomischer Perspektive, so ergibt sich folgendes Bild:

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Abbildung 20: Führungsgremien japanischer Aktiengesellschaften – de facto. Quelle: Moerke (2001, 54)

3.4.1.6.

Seniormanager als Mediatoren von Kooperationsbeziehungen

Bei einer ökonomischen Analyse der Führungsgremien japanischer Unternehmen drängt sich geradezu folgende Schlussfolgerung auf: Japanische Senior Manager scheren mit ihrer Steuerungsrolle aus der Phalanx der internationalen Best-Practices aus. Wie bereits mehrfach betont, so liegt auch hier ein anderes Selbstverständnis von Corporate Governance vor. Japanische Senior Manager fühlen sich weniger ihren Anteilseignern gegenüber rechenschaftspflichtig, sondern vielmehr dem Unternehmen selbst und all seinen Bestandteilen (Takeshi 2001). Diese Position, die deutlich von der herrschenden Governance-Diskussion abweicht, gilt es, im Folgenden näher zu beleuchten. Wird auch die Reform des japanischen Boardsystems und die Ernennung zusätzlicher externer Direktoren diskutiert (Moerke 2001; Jackson/Moerke 2005), so sind profunde Kenntnisse über das Unternehmen nach wie vor die kardinale Voraussetzung, um die Position eines Senior Managers zu bekleiden. Nur ein grundlegendes Verständnis des gesamten Geschäftes macht eine effektive Zusammenarbeit in den inneren Führungszirkeln der Unternehmen möglich. Dieses detaillierte Unternehmenswissen gepaart mit einer hohen Unternehmensidentifikation entspringt letztlich der verbreiteten Vorstellung, dass Unternehmen nicht nur Produktionsmechanismen, sondern auch Sozialsysteme sind. An die Stelle purer Profitmaximierung tritt hier als Unternehmensziel die Maximierung des Unternehmenswertes als Ganzes. „We don’t want a profitable business. Our company philosophy is to take care and educate people from babies to retirement. Our aim is to create a business which serves this corporate philosophy. It is a very difficult task. ... In this way we are good for society, we are good for our employees, we are good for our shareholders, but if we do not follow our corporate philosophy we cannot be successful at all” (Interview zit. nach Learmount 2002, 137).

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Erweist sich diese „Gemeinwohlorientierung“ japanischer Senior Manager aus ökonomischer Perspektive bereits tendenziell als Missbrauch von Verhaltensspielräumen zulasten der Aktionäre, so ist eine solche Handlungsmotivation bei den Auditoren völlig inakzeptabel. Sind Letztere per Definitionem doch dazu da, das Top-Management mit Blick auf die Befriedigung der Aktionärsinteressen zu kontrollieren. Doch genau diese gesetzlich vorgeschriebene Position treibt die Auditoren in Loyalitätskonflikte, wie die nachstehende Aussage eines Prüfers verdeutlicht: „... as an auditor I should be saying [I represent] 100 per cent the shareholder but this is a sort of formal or legalistic answer. But this does not really reflect my sentiment – more frankly with my background I should say employees are a very important part because having been in charge of human resources management throughout so many years, so with a small voice I would say employees are always in my mind, but probably I could not say this outright in front of the shareholder” (Interview zit. nach Learmount 2002, 138). Liegen die Arbeitnehmerinteressen auch mitunter über denen der Aktionäre, so dient dies laut Takeshi (2001) nur dem Ziel: die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu sichern und die Unternehmensgemeinschaft als Ganzes weiterzuentwickeln. Diese Verpflichtung dem Unternehmen und seiner Gemeinschaft gegenüber ist mit der Rolle eines Verwesers von Partikularinteressen – und seien es die der Aktionäre – unvereinbar. Insbesondere das Senior Management sieht sich daher in der Pflicht, die Interessen der unterschiedlichen Stakeholder so abzustimmen und auszugleichen, dass die Persistenz des Unternehmens gewahrt bleibt. Diese Form der Steuerung basiert, wie bereits an anderer Stelle betont, „on interpersonal responsibilities, reciprocal obligations and trust, and which depends on the close involvement of both employees and committed outside parties in the affairs of the company as a whole“ (Learmount 2002, 139). In dieser Mediationsfunktion kommt dem Senior Management eine tragende Rolle im japanischen Corporate-Governance-System zu. Indem diese untereinander im permanenten und engen Austausch stehen, entwickeln sich nicht nur Formen sozialer Kontrolle, die utilitaristisches Verhalten erschweren (Aoki 1990; Schaede 1994). Wichtiger noch erscheint die Möglichkeit, auf diesem Wege ein Gefühl reziproker Verpflichtung und Verantwortung im organisationsinternen Kollegenkreis zu evozieren. Nirgendwo wird diese Doppelreferentialität von Vertrauen und Kontrolle deutlicher als in dem jomukai, dem inneren Führungszirkel japanischer Unternehmen. Die beteiligten Senior Manager sind sich einerseits aufgrund langer gemeinsamer Unternehmenszugehörigkeit vertrauensvoll verbunden. Andererseits implizieren häufige Interaktionen und enge Abstimmungsnotwendigkeiten soziale Kontrolle. Jenseits jeglicher Zeremonie gelten hier ausgeprägte Formen der Verhaltenskontrolle, die selbst die Machtfülle und Autonomie des Präsidenten beschränken.

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„One thing I must point out is that looking from outside the president looks like a dictator, but on the contrary, this jomu-kai is the real decision-making body, and the president really just chairs this group and does not really have the power to overcome their decision. In other words the unanimous decision of this group really is the decision of the company. As a formality then the board approves the decisions which are presented to it” (Interview zit. nach Learmount 2002, 140). Die starke Verpflichtung, die Senior Manager gegenüber den Beschäftigten im allgemeinen und den Mitgliedern ihrer Bezugsgruppe im besonderen verspüren, beschränkt sich nicht nur auf die berufstätigen Akteure. Im Gegenzug für ihr langjähriges Firmenengagement fühlen sich die Senior Manager auch den Ruheständlern verpflichtet und achten deren Unterstützung in Krisensituationen. Zwar verfügen die ehemaligen Manager über keine formale Machtposition. Infolge ihrer Lebensleistung für das Unternehmen als Ganzes erwachsen den ehemaligen Managern aber moralische Druckpotentiale, die sie bei Bedarf gegenüber dem aktuellen Unternehmensmanagement geltend machen können (Schaede 1994). Aus dem komplexen System wechselseitiger Pflichten und Verantwortlichkeiten, das dem einzelnen Top-Manager mit seinen aktuellen und ehemaligen Kollegen sowie den übrigen Beschäftigen verbindet, erwächst für jeden der Beteiligten die Verpflichtung, primär auf die langfristigen Interessen der Unternehmung als Ganzes zu fokussieren. So zentral die Senior Manager für die interne Unternehmenssteuerung sind, so wichtig sind sie für die Steuerung und Koordination der japanischen Unternehmensgruppen. „While group interaction takes place at many levels, undoubtedly the most prominent of these meetings are the presidents’ councils that bring together the chief executive officers from the group’s nucleus companies” (Gerlach 1992, 105). Diese in Japan als shacho-kai bekannte Präsidententreffen sind ein informeller Rat, dessen Teilnehmerkreis auf wenige Kernmitglieder begrenzt ist. Praktisch handelt es sich hierbei weniger um eine Kommandozentrale, die das Handeln und die Politik der einzelnen Unternehmen bestimmt. Das Präsidententreffen ist vielmehr ein Diskussionsforum, bei dem Themen, die von allseitigem Interesse sind, erörtert werden (Lincoln/Gerlach/Takahashi 1992). Laut Gerlach (1992) wird dort gleichzeitig z eine Gruppenidentität etabliert, die unternehmensübergreifende Beziehung unterstrichen und ein Gefühl der Gemeinsamkeit eingeführt, z ein Forum für die Verhandlung übergreifender Themen kreiert, Unterstützung für ein in Schwierigkeiten geratenes Unternehmen organisiert, Konflikte unter den Gruppenmitgliedern gelöst oder abweichendes Verhalten geahndet z und das Image eines mächtigen und prestigeträchtigen Kollektives fokussiert und so die Position der Unternehmensgruppe in der Branche gestärkt. Wie bereits mehrfach betont, so handelt es sich bei dem interorganisationalen Beziehungsnetzwerk nicht um eine Form wechselseitiger Überwachung im ökonomischen Sinne. Es ist vielmehr ein emergierendes Sozial- und Moralsystem, das 179

von Kollegen unterschiedlicher Unternehmen getragen wird, die in einem eschergleichen Band aus reziproken Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten verwoben sind (Gerlach 1992; Learmount 2002). Gekennzeichnet von einer Atmosphäre der Kameradschaft ist die shacho-kai ein beredtes Beispiel für die rekursive Verschleifung von Handlungsmotiven und Institutionen und somit letztlich für die Endogenisierung von Präferenzen im Sinne von Polanyi oder Bowles. 3.4.2. Das britische Corporate-Governance-System Ein kurzer Blick auf die akademische Diskussion zum Thema Corporate Governance genügt, um zu konstatieren: „The overwhelmingly dominant theoretical perspective applied in corporate governance studies is agency theory“ (Daily/Dalton/Cannella 2003, 371). Wie Daily, Dalton und Canella (2003) weiter ausführen, wirkt sich diese Dominanz unmittelbar auf die Unternehmenspraxis aus. „As with scholarly research, agency theoretic principles also dominate corporate practice“ (Daily/Dalton/Cannella 2003, 373). Da hier eine Wettbewerbssituation zwischen den Unternehmen unterstellt wird, ist jedes Unternehmen stets bemüht, die effizienteste Organisationslösung für das angenommene Agency-Problem zu finden. Internationalisierung stellt sich somit als steigender Wettbewerb um die besten Praktiken, „thereby leading to a convergence on the Anglo-American model“ (Aguilera/Jackson 2003, 461). Seine Überlegenheit speist sich nach Ansicht der Institutionenökonomen aus der Fokussierung auf die Interessen der Eigenkapitalgeber. Mit Blick auf das britische Governance System wird nun der Frage nachgegangen, woher diese Aktionärsorientierung rührt und welche konzeptionellen Auswirkungen diese hat. 3.4.2.1.

Geschichte und Strukturelemente

Das erste Land, das weltweit in großem Stil industrielle Produktion einführte, Außenhandel betrieb und große Kapitalgesellschaften gründete, war Großbritannien. 1553 gilt als das Gründungsjahr der ersten Aktiengesellschaft. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts konnten Gesellschaften mit beschränkter Haftung geschaffen werden. Um Missbrauch und Betrug vorzubeugen, wurde der Aktienhandel erstmalig 1697 gesetzlich reguliert und hat sich seitdem permanent weiterentwickelt. Traditionell zeichnet sich die Gesetzeslage zur Corporate Governance durch ihren geringen Detaillierungsgrad aus. Dem Vorteil großer Flexibilität steht der Nachteil großer managerieller Gestaltungsfreiheit gegenüber (Witt 2003). Mit Bezug auf Charkham (1994) streicht Witt (2003) folgende kulturellen Besonderheiten für das britische Corporate-Governance-System heraus: z Finanzunternehmen sind in Großbritannien deutlich angesehener als Industriebetriebe und haben in Folge dessen einen gut entwickelten Bankensektor und Kapitalmarkt.

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Kooperationen, Nebenabreden oder Gremienentscheidungen wird in Großbritannien generell misstraut, da die Bevölkerung als Motiv solcher Verhaltensweisen Opportunismus vermutet. Status ist in Großbritannien historisch an vererbten Landbesitz gekoppelt. Da dieser für die breite Masse nicht erreichbar war, haben die Briten eine Präferenz für das Wetten und den schnellen Gewinn entwickelt, die auch im Verhalten der Investoren auf Aktienmärkten virulent wird. Eine lange Kapitalmarkttradition und ein unabhängig vom römischen Recht entwickeltes Wirtschaftsrecht sind Großbritanniens ganzer Stolz. Zu beobachten ist daher eine tendenzielle Abschottung des britischen CorporateGovernance-Systems von ausländischen Einflüssen.

In jüngerer Zeit sind für die Entwicklung des britischen Corporate-GovernanceSystems primär die Empfehlungen des sogenannten Cadbury-Commitee als relevant einzustufen. Als Reaktion auf wachsende Kritik an der Rechnungslegung und den Kontrollmöglichkeiten der Abschlussprüfer wurde dieses nach ihrem Vorsitzenden Sir Adrian Cadbury benannte Komitee 1991 ins Leben gerufen. In den Folgejahren sind die Unternehmen den Empfehlungen des Komitees weitgehend gefolgt. Auch im Ausland trafen diese Empfehlungen auf großes Interesse (Pye 2001; Witt 2003). „Das britische Corporate Governance System ist eindeutig markt- und aktionärsorientiert“ (Witt 2003, 92). Primäre Zielsetzung der meisten britischen Kapitalgesellschaften ist die Maximierung des Shareholder Value. Die Interessen aller anderen Stakeholder – seien es Mitarbeiter, Kunden, Kreditgeber oder Lieferanten – haben im britischen Corporate-Governance-System keine oder höchstens eine marginale Bedeutung. So macht etwa Cadbury (1997) deutlich, dass Stakeholding Gegenstand der Politik und nicht der Wirtschaft sei. Die Leitung der Kapitalgesellschaften obliegt dem Board. Je nach Unternehmensgröße variiert die Anzahl der Mitglieder durchschnittlich zwischen 10 und 16 Mitgliedern. Im Board hält der Chief Executive Officer (CEO) die höchste Position in der Unternehmensleitung inne. Ähnlich wie in den USA dominiert in britischen Unternehmen der direktoriale Führungsstil. Der CEO steht dem gesamten Management vor. Er wird vom Board gewählt und kann auch von diesem abberufen werden (Witt 2003). Die boardinterne Kontrolle der Unternehmensleitung wird zumeist in monatlichen Sitzungen von den „Non-Executive Directors“ (NEDs) wahrgenommen (Pye 2001). Das Cadbury-Komitee empfahl in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Audit Committee für börsennotierte Unternehmen. Dieser dreiköpfige Boardausschuss sollte sich nur aus NEDs zusammensetzen. Im Zuge der weitgehenden Akzeptanz der Cadbury-Empfehlungen, haben alle betroffenen Unternehmen heute mindestens drei NEDs im Board. Die NEDs stehen häufig in geschäftlicher Beziehung mit dem Unternehmen und werden dem Gesetz nach von den Aktionären eingesetzt. Realiter werden sie – wie alle anderen neuen Mitglieder auch – jedoch vom Board selbst 181

vorgeschlagen und von der Hauptversammlung nur noch formell ernannt. Dem Board steht in den meisten britischen Unternehmen der Chairman vor. Nahm früher – ähnlich wie in den USA – der CEO diese Position in Personalunion wahr, so setzte sich nicht zuletzt aufgrund einer Empfehlung des Cadbury-Komitees weitgehend eine Trennung der beiden Funktionen durch. Heute haben über 80 % aller Unternehmen die Trennung zwischen Unternehmensleitung und Kontrolle der Unternehmensleitung in der skizzierten Weise vollzogen (Pettigrew/McNulty 1995; Witt 2003). Ganz im Sinne eines Outsider-Control-Systems (Aguileria/Jackson 2003) kommt in Großbritannien insbesondere den Kapitalmärkten eine wichtige Kontrollfunktion zu. Ebenso wie der Aktienmarkt ist auch der Markt für Unternehmensübernahmen sehr aktiv. Feindliche Übernahmen fanden primär in den 70er und 80er Jahren statt: Dies hat sich jedoch insofern nicht signifikant auf das britische Corporate Governance System ausgewirkt, als der Markt für feindliche Übernahmen kaum mit AntiTakeover-Gesetzen beschränkt wurde (Witt 2003). Eine große Rolle spielt im kapitalmarktorientierten Corporate-Governance-System Großbritanniens auch die anreizorientierte Vergütung. Neben einem Base Pay, das aus einem Grundgehalt nebst möglichen Zusatzhonoraren und Boni besteht, werden den Führungskräften üblicherweise zusätzlich Additional Benefits in Form von Pensionsplänen oder Sondervergütungen sowie Executive Share Options gewährt. Da die britischen Aktienoptionspläne frühestens drei Jahre nach Vergabe der Optionen beginnen und 10 Jahre danach enden, wird die Vergütung der Führungskräfte direkt an die Entwicklung des Shareholder Value gekoppelt (Witt 2003). Nirgendwo wird die Fokussierung der Unternehmenssteuerung auf die Eigenkapitalrendite deutlicher als im Verhältnis zwischen Investoren und dem TopManagement. „We have absolute rights to question whether the board’s strategy, management or capital structure is right and if we’re not satisfied with, then we can ... change the management“ (Interview mit Investment Manager zit. nach Pye 2001, 189). Dieser Machtanspruch rührt nicht zuletzt aus der Anteilsstreuung britischer Kapitalgesellschaften. Zwar sind Aktien als Anlageform bei Privatpersonen weit verbreitet, die Mehrheit der Anteile konzentriert sich gleichwohl in den Händen institutioneller Anleger wie etwa Investments-, Pensions- oder Versicherungsfonds. Die beiden Letztgenannten halten Witt (2003) zufolge über fast 50 % der Aktien großer britischer Unternehmen. Diese Anteilsverteilung erlaubt es institutionellen Investoren, auf formellem und informellen Wege „to shake up ’sleepy management’ in order to realise potential value they have identified“ (Pye 2001, 189). Diese Interaktion zwischen institutionellen Investoren und dem angestellten Unternehmensmanagement findet ihre organisatorische Reflexion im Unternehmensboard, das im Folgenden näher betrachtet wird.

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3.4.2.2.

Das Unternehmensboard zwischen Kollaboration und Kooperation

Das Board of Directors ist in institutionenökonomischer Perspektive „the apex of the firm’s decision control system“ (Fama/Jensen 1983, 111). Mit Blick auf die Wertverteilung besteht seine vornehmste Aufgabe darin, die Interessen der Anteilseigner bei der Ressourcenallokation zu wahren, indem es auf diesbezügliche Entscheidungen des Unternehmensmanagements steuernd und kontrollierend einwirkt. Die formale Unabhängigkeit der Outside Directors vom Top-Management bzw. die Rollentrennung von Chairman und CEO erweist sich nicht nur modelltheoretisch als Königsweg zu einer im Sinne der Investoren besseren Managementleistung. Auch empirisch wird wiederholt auf den positiven Einfluss hingewiesen, den externe Direktoren in ihrer Rolle als autonome Kontrolleure auf die Leistungsfähigkeit des Boards haben. So haben Johnson, Hoskisson und Hitt (1993) sowie Judge und Zeithaml (1992) den Einfluss untersucht, den die Unabhängigkeit des Boards auf die Beteiligung der Manager bei strategischen Entscheidungen hat. Die Autoren können zeigen, dass eine höhere Anzahl von Outside Directors zu einer verstärkten Beteiligung des gesamten Boards führt. Mit steigender Zahl der Outside Directors – dies ist das Ergebnis der Studien – hat sich die Beteiligung der Inside Directors bei strategischen Entscheidungen insgesamt erhöht, da das Überwachungs- und Kontrollniveau zunimmt. Scheint also eine erhöhte Leistungsbereitschaft des angestellten Managements zunächst für ein höheres Kontrollniveau auf Boardebene zu sprechen, so gibt es auch Stimmen, die dieser Kausalität widersprechen. Denn nur den Anteilseignern in Loyalität und Treuepflicht verbunden (Monks/Minow 1995), ist die Beziehung zwischen externen Direktoren und Unternehmensmanagement häufig durch die wechselseitige Unterstellung nutzenmaximierenden Verhaltens gekennzeichnet (Roberts 2001). Hierdurch wird nicht nur der Keim für wechselseitiges Misstrauen innerhalb des Boards gelegt. Im ungünstigen Falle entspinnt sich hieraus ein Teufelskreis von Kontrolle und Gegenkontrolle zwischen Management und externen Direktoren (Daudi 1986). Diese begründeten Mutmaßungen schrecken jedoch die herrschende Lehre der Institutionenökonomie ebenso wenig wie empirische Evidenzen. Mögen Gulati und Westphal (1999, 477) auch auf empirischem Wege herausarbeiten, dass „Independent board control over management may actually produce a negative relationship between the CEO and the board characterised by a lack of mutual understanding and distrust“, so lassen solche Forschungsergebnisse die herrschende Lehre in ihrem Steuerungsverständnis unbeeindruckt. Aus institutionenökonomischer Perspektive werden solche selbstverstärkenden Effekte vielmehr als Schwächen interner Kontrollprozesse gewertet und bilden ein wohlfeiles Argument für die Intensivierung externer Kontrolle (Morck/Shleifer/Vishny 1989). Mit Blick auf die Wertverteilung haftet einer zu intensiven Arbeitsbeziehung zwischen externen Direktoren und Unternehmensmanagern schnell der Beigeschmack unerlaubter Kollaboration an. Mögen diese auch formal unabhängig vom Top183

Management sein, so beeinflussen doch starke soziale und psychologische Faktoren die Bereitschaft und das Vermögen, die Leistung des Managements objektiv zu kontrollieren. So nutzen etwa CEOs ihren Einfluss bei der Direktorenwahl aus, um das Board passiv zu halten, indem sie bei der Ernennung enge Freunde oder ihnen sonst wie verbundene Personen favorisieren (Kimberly/Zajac 1988; Johnson/Hoskission/Hitt 1993). Weiterhin haben Forscher festgestellt, dass soziale Verbindungen durch die Ernennung selbst entstehen. Eine Ernennung verleiht ebenso Prestige und Status wie finanzielle Einkünfte und Vergünstigungen. Wade, O’Reilly und Chandratat (1990) machen in diesem Zusammenhang auf die fatalen Auswirkungen der Reziprozitätsnorm aufmerksam. „While not possessing formal power over the board, the CEO may be able to exert what social psychologists refer to as ’social influence’ (Cialdini 1984), relying on norms of reciprocity” (Wade/O’Reilly/Chandratat 1990, 587). Mit der Länge der Vertragsdauer eines CEOs – so Wade, O’Reilly und Chandratat (1990, 601) – steigt die Wahrscheinlichkeit, „to have appointed other board members who may then feel a reciprocal obligation“. Insgesamt wird deutlich, dass viele Forscher die CEO-Board-Beziehung kritisch hinterfragen. Persönliche Beziehungen und wechselseitige Verpflichtungen zwischen Managern und Direktoren beeinflussen die Fähigkeit des Boards zur Kontrolle und Beobachtung des manageriellen Entscheidungsprozesses negativ. Erscheint ein solches Verhalten bei der Verteilung von Erträgen als tatsächlich problematisch, so ändert sich die Bewertung kooperativen Verhaltens im Kontext der Wertbildung deutlich. Begreift man Letzteres als innovationsgetriebenen Prozess, der komplex, kollektiv und unsicher ist (O’Sullivan 2000, 2005) so geraten die unternehmensstrategischen Aufgabenkomponenten stärker in den Analysefokus. Westphal (1999) mit Bezug auf Pfeffer und Salancik (1978) unterscheidet daher zwischen zwei Funktionen, die Outside Directors in dem Unternehmensboard einnehmen können. Einerseits können sie beaufsichtigend und kontrollierend agieren. Die Outside Directors können andererseits aber auch fachliche Unterstützung bei der Strategiebildung geben, indem sie beratend tätig werden. Mit Blick auf die zweite Funktion revidiert Westphal (1999) die institutionenökonomische Kritik an einer „kollaborativen“ Zusammenarbeit zwischen Kontrollierendem und Kontrolliertem. Er (Westphal 1999) kommt in seiner quantitativen Untersuchung über den Einfluss von sozialen Bindungen zwischen CEO und externen Direktoren auf das Verhalten und die Leistung US-amerikanischer Unternehmensboards zu folgenden Ergebnissen: z Soziale Bindungen reduzieren nicht nur das Kontrollniveau im Unternehmensboard, so können sich auch besser die externen Direktoren mit Rat und Unterstützung in Strategiefragen einbringen. z Soziale Bindungen fördern weniger eine passive Rolle des Boards. Sie erhöhen vielmehr das Arbeitsengagement des Boards insgesamt, indem sie zur Kollaboration zwischen Top Managern und Externen Direktoren in strategischen Entscheidungsprozessen anregen.

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CEOs gehen die sozialen und professionellen Risiken, die aus der Nachfrage nach Unterstützung resultieren, eher ein, wenn sie sich auf die Loyalität des Boards verlassen können. Das im Zuge freundschaftlicher Beziehungen gestiegene interpersonelle Vertrauen erhöht die aufgabenbezogene Kommunikation und wechselseitige Unterstützung auf Boardebene. Langfristig orientierte Vergütungssysteme befördern den positiven Konnex zwischen sozialen Bindungen und Boardunterstützung. Boards tragen nicht nur in ihrer Funktion als unabhängige Evaluatoren zur Unternehmensstrategie bei. Im Rahmen des Prozesses der Strategiebildung dienen sie zudem als „sounding board“ für die Top-Manager.

Mit seinen Untersuchungsergebnissen macht Westphal (1999) deutlich, dass die negative Konnotation von sozialen Bindungen auf Boardebene diskussionswürdig ist. Die Argumentation von Fama und Jensen (1983), der zufolge intensive Beziehungen zwischen Top-Managern und Externen Direktoren zu illegitimen Kollaborationen führen und so die Effizienz von Corporate-Governance-Systemen untergraben, greift zu kurz. „Rather than impairing corporate governance by reducing the vigilance of board monitoring, social ties can ultimately contribute to board effectiveness and firm performance by fostering collaboration between CEOs and directors in the strategymaking process without reducing board control” (Westphal 1999, 19). Mit seiner empirischen Untersuchung gelingt es Westphal (1999) zweifellos, die Debatte über die Funktionsweise des Boards of Directors als ein Kernelement von Corporate-Governance-Systemen zu entideologisieren. Jenseits der institutionenökonomischen Fokussierung auf Kontrolle und Überwachung wird hier verstärkt auf das Unternehmensboard als strategiebildendender Arbeitszusammenhang (Forbes/Milliken 1999; Pye 2001) fokussiert, der über die organisationale Ressourcenentwicklung und –nutzung zu befinden hat. Angesichts der quantitativen Forschungsmethodologie kommt jedoch Westphal (1999) nicht umhin, die sozialen Beziehungen und deren Funktionsweise über Proxyindikatoren wie etwa Freundschaft und Berufung durch den CEO zu erheben. Gleichwohl gibt es eine Reihe qualitativer Studien (Pettigrew/McNulty 1995; McNulty/Pettigrew 1999; Roberts/Stiles 1999; Pye 2001), die Westphals (1999) Untersuchungsergebnisse untermauern und die soziale Dynamik von Unternehmensboards in den Blick nehmen. 3.4.2.2.1. Die Beziehung zwischen CEO und Chairman Ähnlich Westphal (1999), der in seiner Modellbildung auf die Folgen von Vertrauen und Misstrauen zwischen den Managern und den NEDs fokussiert, arbeiten Roberts und Stiles (1999) in ihrer qualitativen Untersuchung über die Beziehungen zwischen Chairman und CEO die unterschiedlichen Trajektorien von „kompetitiven“ und „komplementären“ Beziehungen heraus. Die Trennung der beiden Funktionen wird in Großbritannien mit der Begrenzung managerieller Macht und der Steigerung nicht185

exekutiver Unabhängigkeit gerechtfertigt (Roberts 2001)80. In Übereinstimmung mit der Agency-Theorie wird hierbei ganz auf die Logik des „Check and Balance“ gesetzt. Roberts und Stiles (1999) haben nun in ihrer Untersuchung die Folgen einer solchen Steuerungslogik für die Zusammenarbeit und die Beziehung zwischen Chairman und CEO in den Blick genommen. Mit Blick auf die oben genannte Funktionstrennung hat sich in der britischen Unternehmenspraxis eine entsprechende Arbeitsteilung etabliert: Der Chairman leitet das Board, und der CEO leitet das Unternehmen (Roberts/Stiles 1999). Einher mit dieser Arbeitsteilung geht unhinterfragt die Verteilung der Zuständigkeiten. Während der CEO die Implementation der Unternehmensstrategie verantwortet, ist der Chairman für die Zusammensetzung und das Verhalten des Boards und seiner relevanten Komitees zuständig. „The apparent simplicity and conciseness of this division of responsibilities is recognised by most however to be somewhat illusory” (Roberts/Stiles 1999, 39). Die skizzierte Teilung bleibt zwangsläufig unvollständig, da sie eine Fülle von Arbeitsbereichen mit überlappender Verantwortlichkeiten auslässt. Ein zentraler Arbeitsbereich ist hierbei die Strategiebildung. Je nach Unternehmen sind die CEOs der Geschäftsbereiche in unterschiedlicher Weise für die Strategiebildung innerhalb ihrer Organisationseinheit zuständig. Der CEO nimmt somit gegenüber seinem Leitungsteam die Rolle eines Chairmans ein. Mit Blick auf die Unternehmensstrategie kommt es also unvermeidlich zu einer geteilten Verantwortlichkeit von Managern und NEDs. Überschneidungen der Verantwortlichkeiten gibt es auch bei der Vertretung des Unternehmens nach außen. Unterstellt man, dass das Board den Anteilseignern verantwortlich ist und der Chairman dieses leitet, so steht Letzterer zwangsläufig formal in der Berichtspflicht gegenüber den Anteilseignern. Jenseits formaler Bestimmungen machen Roberts und Stiles (1999) jedoch deutlich, dass die personelle Konstellation in der Beziehung zu den institutionellen Investoren und den Analysten stark variiert. So gibt es die Situation, dass CEO, Chief Finance Officer (CFO) und Chairman die Verantwortung aufteilen. In anderen Fällen wird dem CEO und dem CFO die Verantwortung größtenteils einfach übertragen. Mitunter beharrt der Chairman geradezu auf seiner Dominanz bei der Wahrnehmung wichtiger Außenkontakte. Probleminduzierend erscheint nicht nur die unklare Verteilung der Verantwortlichkeiten. Als deutlich konfliktträchtiger können sich die Spannungen und Kontroversen erweisen, die sich aus der ambiguitiven Rollen- und Funktionskonstellation ergeben. Ein programmatisches Konzept, das auf eine ideale Beziehungskonfiguration zwischen Chairman und CEO zielt, erscheint daher unrealistisch. Erfolgskritisch erscheint vielmehr die Beantwortung der Frage, wie die beiden Individuen ihre Beziehung etablieren und entwickeln. Im Zentrum steht mithin

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Diese Funktionstrennung wird aus dem genannten Grund auch von Jensen (1997) für das US-amerikanische Governance System gefordert.

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das effektive Management eines heiklen relationalen Prozesses, bei dem wechselseitiges Vertrauen und Respektieren konstitutiv sind. „The relationship is absolutely crucial. The chemistry has to be right, by that I mean you’ve got to trust each other, you’ve got to have the confidence in each other. It actually helps to secure all that if you like each other. Liking doesn’t come in quite the same category as trust. But it is quite difficult to have trust and confidence in somebody you don’t like” (Roberts/Stiles 1999, 40). Ob die Chemie stimmt, man dem Gegenüber vertraut oder sich gegenseitig respektiert, ist keine Frage spontaner Entstehung. Diese relationalen Qualitäten sind vielmehr die Bedingungen und Konsequenzen reziproken Verhaltens von Chairman und CEO. Wie in jeder Beziehung, so starteten auch CEO und Chairman mit wechselseitigen Vorstellungen über die eigenen Ziele, die Ziele des Gegenübers und die richtige Arbeits- und Vorgehensweise. Sind diese zumeist auch ungeprüft und tazit, so bestimmen diese Vorstellungen doch das individuelle Verhalten. Oft sind sie die Projektionen der eigenen Interessen auf das Gegenüber. Als solche können sie leicht selbsterfüllend werden. Angesichts offener Rollen- und Machtkonstellation zwischen Chairman und CEO sind wechselseitige Unterstellungen über das Interesse des Gegenübers an Autonomie und Dominanz virulent. Ob diese einen konstruktiven oder destruktiven Verlauf nimmt, hängt mithin stark von der anfänglichen Interaktionsdynamik ab. Erfolgskritisch für einen konstruktiven Beziehungsverlauf ist mithin die Bereitschaft anzuerkennen, „that the other’s confidence will be enhanced through the provision of detailed information and an attitude of complete openness towards the other“ (Roberts/Stiles 1999, 42). Während der Chairman sich der Notwendigkeit einer Unterstützung für den CEO bewusst sein muss, sollte der CEO seinerseits bereit sein, diese auch nachzufragen und anzunehmen. Sofern beide Akteure explizit die Rolleninterdependenzen wahrnehmen, sie bereit sind, den Bedarf des anderen zu erkennen und flexibel darauf zu reagieren und den Wert des Gegenübers für die eigene Personen wechselseitig zu goutieren, prosperiert die Beziehung. Insbesondere für den Chairman bedeutet dies, „to take pleasure not in your own but in others’ accomplishments“ (Roberts/Stiles 1999, 45). Dies ist jedoch für die Chairmen häufig nicht einfach. Vormals häufig selbst in der Position des CEOs mit all ihrer Machtfülle und öffentlichen Aufmerksamkeit gewesen, bedeutet die neue Position für den Chairman aus einer handelnden in eine unterstützende Funktion zu wechseln. Diese Problematik macht ein Chairman wie folgt deutlich: „Like in marriages it’s the little things, not the big things – ’Well I always used to do it this way’. And if it works well it’s like having a son. You really want them to do well but when they beat you, you are not quite sure if you like it. It’s a real frustration in terms of that. Because you have chosen it, you want them to do really well, but when they do, there’s thought that maybe they are doing too well” (Interview zit. nach Roberts/Stiles 1999, 45).

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Nimmt jedoch – wie in dem Beispiel verdeutlicht – der Chairman seine neue Rolle an und honoriert der CEO im Gegenzug die angebotene Unterstützung mit einer entsprechenden Akzeptanz, so bildet sich eine professionelle und persönliche Komplementarität aus, von der beide enorm profitieren. Diese Komplementarität können sowohl Fähigkeiten und Erfahrungen betreffen als auch etwas subtiler Interessen, Temperamente und Instinkte. In letzter Konsequenz fühlt sich jeder vom anderen bestärkt und unterstützt und ist daher fähig, den Wert des Anderen für sich anzuerkennen. Werden in erfolgreichen Beziehungen inhärente Spannungen generell überwunden, so können sie in einer entstehenden Beziehung auch zu einer Sollbruchstelle werden. Deutlich wird dies insbesondere in solchen Fällen, wo die anfänglichen Unterstellungen über die Wünsche und Motive des Anderen niemals überprüft oder infragegestellt wurden. Ab einem bestimmten Punkt können diese Annahmen nicht mehr offen diskutiert werden und werden so untergründig zu einem Quell permanenter Missverständnisse und Irritationen. Ohne wechselseitiges Verständnis kann jedoch das Verhalten und die zugrundeliegenden Motive fehlinterpretiert werden. „It more sensitivities of should I be involved in this, shouldn’t we be involved, but because we were both very honest, that period of sensitivity lasted about three months in terms of just not upsetting each other, and it was fine because if anything had been forgotten it was more cock-up than conspiracy“ (Interview zit. nach Roberts/Stiles 1999, 42). Die in dem Interview deutlich gewordene Angst des Chairman, von seinem CEO absichtlich ausgebootet zu werden, kann leicht ein Eigenleben führen. Unverfängliche Gespräche zwischen dem Gegenüber und einem Kollegen werden mit dem Ergebnis als konspirativ gedeutet, dass sie letztlich auch dazu werden. In der individuellen Vorstellung bildet sich so ein Schreckensszenario, in dem die eignen Ängste und Unterstellungen auf den unbekannten Anderen projeziert werden. Angesichts der so entstandenen Angst, des Misstrauens oder der Verzweiflung weichen die Akteure vor den Problemen der Beziehung zurück und verstecken sich hinter einer Fassade der Freundlichkeit. Letztere verhüllt kaum das wechselseitige Misstrauen und lässt beide Personen mit einem Gefühl der Isolation zurück. Ob sich die Beziehung zwischen Chairman und CEO in eine konstruktive oder destruktive Richtung entwickelt, wirkt sich nicht nur auf die Persönlichkeiten und deren individuelle Arbeitsleitung aus. Die Beziehung strahlt auch stark in die gesamte Organisation aus. „In other words, the chairman/chief executive relationship is pivotal in the wider network of organisational relationships“ (Roberts/Stiles 1999, 47). Insbesondere die Arbeits- und Beziehungskultur im Unternehmensboard hängt stark von diesen beiden Akteuren ab. Welche Ausprägungen diese Boardkultur annehmen kann und welche Rolle der Chairman bzw. der CEO hierbei spielen kann, zeigt das folgende Kapitel.

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3.4.2.2.2. Boardkultur und Strategiegenese Pettigrew und McNulty fokussieren (1995) in ihrer qualitativen Untersuchung über Macht und Einfluß von non-executive Directors in britischen Industrie- und Handelsunternehmen auf den kooperativen Charakter von Arbeitsprozessen: „...business should be conducted as far as possible through a smooth problem-solving process and not through confrontation and fragmentation” (Pettigrew/McNulty 1995, 856). Mit Blick auf diesen kooperativen Arbeitszusammenhang unterscheiden Pettigrew und McNulty (1995) zwischen einer minimalistischen und maximalistischen Boardkultur. Eine minimalistische Boardkultur zeichnet sich dadurch aus, „that a set of conditions have been deliberately created to minimize the impact of part-time board members on the direction of the firm“ (Pettigrew/McNulty 1995, 857). Solch eine Kultur resultiert aus der Größe und Zusammensetzung des Boards, den Einstellungen einflussreicher Protagonisten wie mächtiger Chairmen oder CEOs und den Interaktionsprozessen im Board selbst. „They thought we were decorations to be admitted and entertained once a month and told how good it was … a chairman has a lot of influence in making it that way” (Interview zit. nach Pettigrew/McNulty 1995, 857). Oftmals rekrutiert aus dem “old boy”-Netzwerk des CEOs oder Chairman, ist die Einstellungsvoraussetzung der NEDs weniger formale Qualifikationen und persönliche Fähigkeiten als vielmehr freundschaftliche Verbundenheit mit den manageriellen Entscheidungsträgern. Im Sinne einer Entkoppelungstrategie (Meyer/Rowan 1977) sind die NEDs primär strukturelle Reflektionen von institutionellen Erwartungen. Als solche sollen sie den reibungslosen Ablauf managerieller Entscheidungs- und Arbeitsprozesse auf symbolischer Ebene absichern. Die Persistenz einer solche minimalistischen Boardkultur ist jedoch voraussetzungsvoll. Unternehmenskrisen und -turbulenzen können ebenso zu einem Wandel der Boardkultur führen wie die Zusammensetzung und Struktur des Boards oder auch individuelle Verhaltensdispositionen. Kennzeichnend für eine maximalistische Boardkultur ist „a high commitment and pro-active board where power is more widely dispersed than in the minimalist board“ (Pettigrew/McNulty 1995, 858). Grundlegend ist auch hier der Einfluß und die Einstellung des CEOs und des Chairman. Ermuntern sie etwa die NEDs, über ihre unternehmensexternen Netzwerke Informationen zu beschaffen oder ihre Erfahrungen einzubringen, so können diese zu akzeptierten Dialogpartnern im Board werden. Wie intensiv die Zusammenarbeit zwischen Managern und NEDs ist, hängt nicht nur davon ab, was Letztere einbringen können. Genauso wichtig ist, wie sie dieses tun. Öffentliche Machtdemonstrationen oder Schuldzuschreibungen sind hier wenig zielführend. Gefragt ist vielmehr Takt, Diplomatie und Respekt gegenüber Kollegen. „One of the problems I think is that you will never know as a NED as much as a competent chief executive about the business – and they can always explain to you why this or that is not a good idea. You need a fair amount of tact so that you not raise 189

all of their defence mechanisms – so that they do not feel on trial.“ (Interview zit. nach Pettigrew/McNulty 1995, 867). Diese Boardkulturen haben nicht zuletzt auch gravierende Implikationen für die Strategiebildung. Je nach Kulturausprägung unterscheidet sich das Beteiligungsniveau der NEDs hieran. McNulty und Pettigrew (1999, 49) differenzieren zwischen drei Niveaus: “taking strategic decisions”, „shaping strategic decision”, „shaping the content, context and conduct of strategy”. Während sich alle NEDs an den eigentlichen strategischen Entscheidungen auf den Boardsitzungen beteiligen, ist nur ein Teil der befragten NEDs vorab in die Entwicklung von Unternehmensstrategien involviert. Noch weniger NEDs arbeiten schließlich an den Rahmenbedingungen und Verfahren mit, die bei der Entwicklung von Unternehmensstrategien virulent werden. Wie die nachfolgende Darstellung verdeutlicht, implizieren die drei Beteiligungsniveaus je spezifische Interaktionsmodi und Beziehungsintensitäten. Die Abnahme strategischer Entscheidungen Boards nehmen in strategischen Fragen die Rolle eines Entscheiders ein (Mintzberg 1987). Das Unternehmensmanagement bringt in das Board Investitionsanträge ein, über deren Annahme, Ablehnung oder Überarbeitung die NEDs dann befinden. Typischerweise handelt es sich hierbei um den Kauf eines Unternehmens, die Bildung eines Joint Ventures, die Integration oder den Verkauf von Geschäftsbereichen. Investitionsanträge können einerseits eine breitere Wachstums- und Diversifikationsstrategie widerspiegeln. Andererseits können sie auch Beleg für eine Konsolidierungsstrategie sein, indem die Geschäftsfelder neu ausgerichtet und Kosten reduziert werden. Unabhängig von der konkreten Zielsetzung des Antrags können die NEDs ihren Einfluss nur am Ende des Entscheidungsprozesses geltend machen, indem sie ablehnend, zustimmend oder zurückweisend entscheiden. Bezeichnend für dieses Beteiligungsniveau ist die agencytheoretische Rollen- und Interessenkonfiguration. Die NEDs nehmen die Rolle eines Kontrolleurs ein, der gemäß finanzwirtschaftlicher Kriterien über die eingereichten Anträge befindet. Das Management versucht nun seinerseits auf den Boardsitzungen eine Bewilligung ihrer avisierten Vorgehensweise zu bekommen. Indem in den Boards nun strategische Entscheidungen getroffen werden, hat es den Anschein, dass die NEDs den manageriellen Entscheidungsspielraum bis zu einem gewissen Grad kontrollieren können. Wie McNulty und Pettigrew (1999) jedoch feststellen, liegt die Bewilligungsquote der Anträge bei über 90 %. „The rejection of proposals is rare when compared to the approval of capital expenditure proposals“ (McNulty/Pettigrew 1999, 57). Die hohe Bewilligungsquote weckt nun den begründeten Verdacht, dass die Boards primär das Vorgehen der Manager absegnen. „Some boards may indeed perform the ritualistic function of rubber-stamping executive action“ (McNulty/Pettigrew 1999, 57). Gleichwohl unterstreichen die beiden Wissenschaftler, dass sich nicht alle Boards nur auf das Abnicken von Investitionsprojekten beschränken. Zwar mag die hohe Bewilligungsquote auf den ersten Blick für eine solche Form symbolischer Kontrolle 190

sprechen. Bei genauerer Analyse sagt sie jedoch weder viel über den Prozess der Antragsgenese durch die Manager noch über die Entscheidungsfindung im Board selbst aus. Mit Blick auf die Interaktions- und Aushandlungsprozesse, die der eigentlichen Boardentscheidung vorausgehen, werden vielmehr mannigfaltige Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten der NEDs deutlich. Der Einfluß auf strategische Entscheidungen Der Entscheidungsakt selbst ist der letzte Schritt in einem kontinuierlichen und sozialkontextualisierten Entscheidungsprozess. Auf diesem Weg wirken viele Einflüsse auf die finale Entscheidungsbildung ein. Während „taking strategic decisions“ auf den finalen Entscheidungsakt im Board fokussiert, nimmt die Beteiligungsform „shaping strategic decisions“ das Verhalten der Manager und der NEDs vor der eigentlichen Entscheidung in den Blick. McNulty und Pettigrew (1999) unterscheiden hier zwei Beteiligungsformen von NEDs in der Präentscheidungsphase. Die Manager konsultieren die NEDs zum einen im Rahmen der Entwicklung von Investitionsanträgen. So unterbreiten die Manager entweder auf den Boardsitzungen ausgewählten NEDs vorläufige Fassungen ihrer Anträge oder sie konfrontieren diese mit ihren Antragskonzepten informell außerhalb der Boardsitzungen. Beide Vorgehensweise dienen dem Test ihrer strategischen Vorstellungen auf ihre Akzeptanz. Zum anderen antizipieren die Manager die Reaktion des Boards „and selfregulate those proposals that finally go to the board for approval“ (McNulty/Pettigrew 1999, 59). Ohne direkten Kontakt mit den Managern beeinflussen die NEDs auf höchst subtile Weise die Strategiebildung. Ein CEO beschreibt in diesem Zusammenhang die Funktion des Boards in Analogie zu einem Sieb. „... the fact that that sieve [the board] is there forces the consideration down the line anyway. You do not put up silly propositions because you know the sieve is there. They may get through if that sieve was not there … The sieve is working by being the hurdle that has to be crossed…” (Interview zit. nach McNulty/Pettigrew [1999, 60]). Im Unterschied zu einer agency-theoretischen Boardkonzeption, die bei jeder Zusammenarbeit die Unabhängigkeit der NEDs in Gefahr sieht, sind Macht und Einfluss boardintern und –extern realiter deutlich fluider und dynamischer, als dies zunächst den Anschein hat. Sie eröffnen den NEDs bereits im Anfangsstadium der Strategieentwicklung vielfältige Gestaltungsoptionen. Unterhalb der finalen Zurückweisung von Investitionsanträgen haben die NEDs zahlreiche Möglichkeiten, auf formellem und informellem Wege die Anträge frühzeitig zu evaluieren und ggf. korrigierend darauf einzuwirken. Nicht nur Minimalismus (Pettigrew/McNulty 1995) dominiert mithin das Verhalten in britischen Unternehmensboards. Gleichwohl ist die Beteiligung der NEDs bei der inhaltlichen Gestaltung von Investitionsanträgen häufig insofern beschränkt, als ihr Einfluss letztlich episodisch, stoßweise und reaktiv bleibt. Die Manager binden die NEDs je nach Stand der Antragsentwicklung höchst selektiv mit dem Ziel ein, die Annahmewahrscheinlichkeit zu erhöhen. Letztlich dient die

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Einflussnahme auf den Prozess mehr dazu, die Entscheidungen der Manager zu prüfen und zu steuern, als selbst Vorgänge anzustoßen. Oder wie ein CEO kommentiert: „The non-executive director is there to ensure that something stupid is not being done, for example, somebody pursuing a major investment which clearly does not have a sensible financial return“ (Interview zit. nach McNulty/Pettigrew [1999, 61]) Die Gestaltung des Kontexts, des Inhalts und des Vorgehens im Rahmen von Strategieprozessen Laut Mintzberg und Waters (1990) ist es für ein tieferes Verständnis von strategischem Verhalten unzureichend, nur auf den Entscheidungsprozess selbst zu fokussieren. In den Blick zu nehmen sind vielmehr auch die Prozesse und Methodologien, die für die Entstehung strategischer Ideen verantwortlich sind. Prozesse strategischer Entscheidung, Veränderung und Steuerung sollten mit anderen Worten nicht von dem Kontext abstrahiert werden, in dem sie virulent werden. Genau diese Ebene adressiert das dritte Beteiligungsniveau. „Those part-time board members who have an involvement in strategy that is deeper than taking and shaping strategic decisions have been able to shape features of the context, conduct and content of strategy“ (McNulty/Pettigrew 1999, 62). Indem die NEDs den sozialen Kontext für die Strategiebildung gestalten, beeinflussen sie die organisationsinternen Bedingungen für den Strategiebildungsprozess. Mit Bezug auf Mintzberg (1987) unterscheiden McNulty und Pettigrew (1999) zwischen deliberaten und emergenten Strategien. Während Letztere, ohne bewusst intendiert zu sein, sich erst im Nachhinein als konsistentes Handlungsmuster erweisen, sind Erstere Ergebnis wohl durchdachter Planungen, die so durchgeführt werden, wie sie entworfen wurden (Mintzberg 1987; Zimmer/Ortmann 2001). Gemäß der deliberaten Strategielogik versuchen die NEDs sicherzustellen, dass die Unternehmensstrategie mehr auf einen manageriellen Entwurf deduzierbar ist als auf die Multikausalität organisationaler Emergenz. Die NEDs ermuntern das Management daher ausdrücklich zu strategischem Denken. Hierzu kreieren sie inner- und außerhalb des Boards eine Klima, in dem strategisches Denken als legitim und wertvoll wahrgenommen wird. Kennzeichnend hierfür ist offene und dialogorientierte Kommunikationskultur, in der Strategien diskutiert und sogar formuliert werden. So macht ein Chairman deutlich, dass er seine Position nutzt, um auf Boardsitzungen den Strategiediskussionen mit den Managern ausreichend Zeit und Raum einzuräumen. „[the company] was run by a rather strong chief executive who had his own ideas about strategy and he did not consult his non-execs. When I became chairman, I insisted we had strategy conferences ... that had not happened before. They [the executives] were forced to bring their ideas out and there is no doubt that strategy was modified as a result. It was not overturned, but what happened was that we created an environment in which the executives felt that they needed to tell more to the non-execs and derive more help from the non-executive as a result. That was a change in the environment.” (Interview zit. nach McNulty/Pettigrew 1999, 63). 192

Was bereits Westphal (1999) in seiner quantitativen Untersuchung andeutet sowie Roberts und Stiles (1999) mit Blick auf die Chairman/CEO-Beziehung prononciert herausarbeiteten, tritt in dem Interviewausschnitt deutlich zutage: Das reziproke Geben und Nehmen als integraler Bestandteil einer maximalistischen Boardkultur. Dieser normative Verpflichtungszusammenhang wird zum steuernden Moment der Arbeitspraxis im Unternehmensboard. Ganz gleich, ob es sich um die operative Zusammenarbeit oder die Strategiebildung selbst handelt, alle Beteiligten sind in ihren Handlungen dem Board als Ganzes gegenüber zuständig und somit zur Rechenschaft verpflichtet. Um deren Einhaltung zu kontrollieren, setzen die NEDs nicht nur auf formale Mechanismen wie Sitzungsprotokolle und Rechenschaftsberichte. Denn ein hohes Beteiligungsniveau zeigt sich nicht zuletzt an den praktizierten Kontrollformen. An die Stelle einer Ergebnissteuerung, die auf die finale Unternehmensstrategie fokussiert, tritt eine Prozesssteuerung, die auf die wahrnehmungs- und verhaltensbeeinflussende Kraft von Normensystemen setzt. Indem das Management bereits im Anfangsstadium der Strategiebildung seine Intentionen offen mit den NEDs diskutiert und ggf. auf Boardsitzungen rechtfertigen muss, lösen sich die formalisierten Rollendispositive der Agencytheorie zugunsten eines „kollaborativen“ Arbeits- und Interaktionszusammenhangs auf. 3.4.3. Rechenschaftspflicht, Moral und Corporate Governance – ein Zwischenfazit Was sich in den Ausführungen von Bowles (1998, 2005), Gintis und Romer (1998), Polanyi (1978) oder Henrich (2000) bereits andeutete, wird im Zuge der Analyse unterschiedlicher Corporate Governance Systeme offenkundig: z Soziale Akteure handeln nach unterschiedlichen Motiven wie etwa Eigennutz, Pflicht, Ehre oder Fairness. z Diese Motive sind der Situation nicht exogen vorgegeben, sondern stehen mit den Institutionen in einem koevolutionären Beziehungsverhältnis und sind daher endogen konstituiert. Betrachtet man die Konstitution der Handlungsmotive in japanischen und britischen Corporate-Governance-Systemen, so scheinen sich auf den ersten Blick gravierende Unterschiede aufzutun. Spielen doch bei den konkreten Ausprägungen von Governance-Systemen historische und kulturspezifische Einflüsse eine wichtige Rolle (Witt 2003, Aquilera/Jackson 2003). Während etwa die generelle Aversion der Briten gegen Absprachen und Gremienentscheidungen (Witt 2003) für eine distanzierte, eher von wechselseitigem Misstrauen geprägte Beziehung zwischen Management und Eigentümern spricht (Pye 2001; Aquilera/Jackson 2003), werden die reziproken Kapital- und Personalverflechtungen innerhalb von Unternehmensgruppen als Ausweis der japanischen Konsens- und Vertrauenskultur gewertet (Powell 1996; Hagan/Choe 1998; Witt 2003).

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Die wechselseitigen Personal- und Kapitalverflechtungen in japanischen Unternehmensgruppen sind letztlich ein Symbol enger Verbundenheit, die bis in persönlichste Beziehungskonstellationen Eingang findet. „Shareholding does not carry with a set of exclusive rights – of control, or disposal – but rather is an explicit acknowledgement of reciprocal dependence and obligation built up in the course of business relationships” (Learmount/Roberts 2002, 26). Ein Aktienverkauf aus eigennützigen Motiven kommt einer schwerwiegenden Pflichtverletzung gleich. Die Rechte der Anteilseigner sind untrennbar mit einem ausgeprägten Verantwortungsgefühl für das Gegenüber verbunden. Wechselseitige Verantwortungen und Verpflichtungen entstehen laut Learmount und Roberts (2002, 26) „without any necessary reference to ’ownership’ in a contemporary western sense“. Stattdessen ist in japanischen Unternehmen eine intensive Identifikation mit dem Unternehmen als soziale Institution zu beobachten. Diese impliziert eine integrative Konnotation von Eigentum, in welcher sich die Pflicht des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft materialisiert. Während also in Japan eine relationale Vorstellung von Eigentum vorherrscht, bei der die eigenen Rechte untrennbar mit den moralischen Ansprüchen des Anderen verbunden sind, zeichnet sich gerade das angelsächsische Governance-System durch eine Negierung moralischer Imperative aus. Der Eigentümer wird durch die Depersonalisierung und Dekontextualisierung der Marktmechanismen von den Ansprüchen anderer Akteure sozial getrennt. Indem angelsächsische GovernanceSysteme auf eine strikte Separation von Eigentum und Kontrolle (Berle/Means 1932) fokussieren, treten an die Stelle persönlicher Beziehungen funktionale Rollenkonfigurationen, bei denen „the discomfort of guilt“ (Learmount/Roberts 2002, 27) keine Rolle mehr spielt. Die systembedingte Unkenntnis über die Motive und Interessen des Gegenübers können einen Teufelskreis wechselseitiger Verhaltensunterstellungen begründen, bei dem letztlich der angenommene Utilitarismus zum dominanten Interaktionsmotiv wird (Perrow 1986; Goshal/Moran 1996; Roberts 2001). Mögen im japanischen und angelsächsischen Kulturraum das Governancesystem und Akteursmotivation in differenter Weise koevolvieren, so weisen jenseits kulturbedingter Unterschiede beide Systeme auch Gemeinsamkeiten auf. Fokussiert man auf die in jeder Organisation vorfindbaren sozialen und psychologischen Prozesse, die etwa auf Ebene des Unternehmensboards das Handeln der Akteure beeinflussen, so werden vergleichbare Koevolutionsprozessse von Steuerungsstruktur und Handlungsmotivation deutlich. Ganz gleich, ob es sich um japanische oder britische Publikumsgesellschaften handelt, die Dynamik des Sozialen kann im Board of Directors Prozesse wechselseitiger Perspektivenübernahme und Akzeptanz bewirken. An die Stelle stereotyper Rollenkonstellationen treten dann hier wie dort die persönlichen Beziehungen von Individuen mit ihren Fähigkeiten, Erfahrungen und Charaktereigenschaften. Indem auf Boardebene die beteiligten Akteure offen

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interagieren und kommunizieren, wird nicht nur die Person als Ganzes angesprochen. In den Analysefokus tritt gleichzeitig der Einzelne in seiner Verbundenheit mit dem Gegenüber. Im Unterschied jedoch zum Stewardship-Ansatz (Davis/Schoorman/ Donaldson 1997), der auch die Relevanz von Vertrauen und prosozialem Verhalten für das Managerverhalten betont, oder zum Stakeholder-Ansatz (Kelly/Kelly/Gamble 1997), der Manager in der Verantwortung gegenüber vielen Stakeholderansprüchen sieht, entsteht die Beziehung nicht zwangsläufig aus dem Gefühl der Rechenschaftspflicht des Top-Managers gegenüber exponierten Anderen – etwa den Kunden, Mitarbeitern oder Aktionären – heraus. Mit Blick auf das Unternehmensboard ist das Verantwortungs- und Pflichtgefühl des Einzelnen gegenüber seinen Kollegen vielmehr in ein komplexes und dynamisches Normensystem eingebettet81, das die boardinternen Interaktions- und Kommunikationsflüsse steuert. „Over time, such face-to-face accountability is a vital source of learning and can produce complex relationships of respect, trust and felt reciprocal obligation, which fairly exceed the purely instrumental orientation to action that agency theory assumes“ (Roberts 2001, 1567). So können etwa die NEDs in solch sozialisierenden Prozessen der Rechenschaftspflicht (Roberts 2001; Learmount 2002) das strategische Denken insofern bereichern, als neben der Maximierung des Shareholder Value auch anderen Ansprüchen und Verpflichtungen im Rahmen des Zielbildungsprozesses Geltung verschafft wird. Boardsteuerung bedeutet dann nicht nur Kontrolle der Wertverteilung zwischen Top-Managern und Aktionären. Sie zielt auch auf die Bildung von solchen Rahmenbedingungen, die eine langfristige Wertbildung des Unternehmens ermöglichen. Konstitutiv hierfür ist die Einhegung utilitaristischen Verhaltens. Die wechselseitige „Instrumentalisierung“ des Gegenübers für die eigenen Ziele dürfen nur einen Teil der Beziehung ausmachen. „Such relationships readily develop beyond this into reciprocal claims and reciprocal senses of personal obligation and concern, friendship as well as animosity; relationships are seen in both instrumental and moral terms“ (Roberts 2001, 1554).

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Ein ähnliches Normensetting stellten Westphal und Zajac (1997) in ihrer Untersuchung über den Interaktionsmodus in US-amerikanischen Boards fest. Die Austauschbeziehungen werden von Reziprozitätsnormen gesteuert. In Abhängigkeit von dem zugeschriebenen sozialen Status der beteiligten Boardmitglieder entwickelt sich ein Verhaltenstausch, welcher der Logik generalisierter Reziprozität folgt. Dieser Verhaltenstausch ist nicht nur auf die eigene Organisation beschränkt. Via Interlocking Directorates entspinnt sich ein transorgansationales Tauschnetzwerk von statusgleichen Top-Managern. .

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TEIL C: Konzeptionelle Entwicklung und steuerungspraktische Evidenz eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses82 Das vorliegende Kapitel verfolgt zweierlei Ziele. Erstens soll ein grundlegendes Verständnis von Reziprozität erarbeitet werden, dass sowohl nutzenorientierte als auch moralisch-ethische Handlungs- und Forschungspositionen miteinander verbindet. Zweitens soll deutlich gemacht werden, dass bei der Steuerung unterschiedlicher, betriebswirtschaftlich relevanter Gegenstandsbereiche moral- und nutzenorientierte Handlungsmotive virulent werden. Im Zuge der Erarbeitung eines grundlegenden Reziprozitätsverständnisses (1) werden zunächst die unterschiedlichen Positionen in relevanten sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsfeldern vorgstellt. Namentlich handelt es sich hierbei um die experimentelle Wirtschaftsforschung (1.1), die Neoklassik (1.2), die Ethnologie und Soziologie (1.3). Im weiteren Verlauf wird dann ein eigenes Verständnis von Reziprozität (1.4) entwickelt und von der gängigen ökonomischen Definition abgegrenzt (1.5). Die Relevanz reziprok aufeinander bezogener Wahrnehmungsmuster (1.6) für die Ausbildung und Funktionsweise interdependenter Handlungsmuster wird ebenso thematisiert wie die von Vertrauen, Loyalität, Fairness und Reputation (1.7). Der zweite Teil der Kapitels (2) hat nun empirische Untersuchungen zur reziprozitätsorientierten Steuerung unterschiedlicher, betriebwirtschaftlich relevanter Gegenstandsbereiche im Fokus, bei denen moral- und nutzenorientierte Handlungsmotive virulent werden. Hierbei handelt es sich um Untersuchungen, welche die intraorganisationale (2.1) und interorganisationale (2.2) Steuerung, die Steuerung von Gemeinschaften (2.3) und die Steuerung auf (Finanz-) Märkten thematisiert.

1. Entwicklung eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses 1.1. Das Ende des homo oeconomicus? Ergebnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung Wir geben nur, weil und insofern es uns nützt? Das ist bekanntlich keine empirische Behauptung der Standardökonomik, aber ihr Axiom, ihre Als-ob-Annahme à la Friedman (1957), von der sie sich Erklärungs- und Prognosefähigkeit verspricht. Damit jedoch gerät sie zunehmend unter „experimentellen Beschuss“ (Schlicht 2003). Aktuelle Untersuchungsergebnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung (z. B. Fehr/Gächter/Kirchsteiger 1997; Fehr/Gächter 2000) stellen die Fruchtbarkeit der axiomatischen Setzung des Nutzenkalküls als der Handlungsorientierung massiv in Frage. An die Stelle – oder doch an die Seite – des homo oeconomicus tritt in dieser

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An dieser Stelle möchte ich mich nochmals recht herzlich bei Günther Ortmann und Christiana Weber für Ihre Bereitschaft bedanken, den Beitrag Göbel, Ortmann und Weber (2007) in großen Teilen an dieser Stelle abdrucken zu dürfen.

Lesart der homo reciprocans. Das individuelle Verhalten sei häufig nicht primär utilitaristisch, sondern vornehmlich an Normen der Reziprozität ausgerichtet. „People repay gifts and take revenge even in interaction with complete strangers and even if it is costly for them and yields neither present nor future material rewards“ (Fehr/Gächter 2000, 159). An empirischer, jedenfalls experimenteller Bewährung ist kein Mangel. „Die Existenz reziproken Verhaltens ist in Dutzenden von Experimenten unter variierenden experimentellen Bedingungen und in verschiedenen Kulturen gezeigt worden“ (Falk 2003a, 154). Prominentes Beispiel ist das Ultimatum-Spiel (Güth/Schmittberger/Schwarze 1982; Camerer/Thaler 1995; Henrich u. a. 2001; Camerer 2003). Es findet zwischen zwei anonymen und räumlich getrennten Personen statt, die einen vom Experimentator zur Verfügung gestellten Geldbetrag unter sich aufteilen müssen83. Spieler A schlägt eine Aufteilung vor, die Spieler B nur annehmen oder ablehnen kann. Lehnt Letzterer den Vorschlag ab, erhalten beide Spieler nichts, andernfalls wird der Betrag gemäss dem Vorschlag des A unter den Spielern aufgeteilt. Unterstellt man vollständig rationale, utilitaristische Spieler, so nimmt B jedes Angebot mit positiver Auszahlung an. B’s Kalkül antizipierend, wird A das minimal mögliche Angebot unterbreiten. Nun konnte jedoch in zahlreichen Ultimatum-Spielen (z.B. Güth/Tietz 1990; Fehr/Fischbacher 2002) beobachtet werden, dass sich die homo-oeconomicus-Prognose nicht erfüllt. Zum einen pflegen Akteure in der Rolle des Spielers A deutlich mehr zu offerieren, als man vom homo oeconomicus erwarten würde84. Bietet nun Spieler A weniger als 20 % des zur Verfügung gestellten Geldbetrages an, so wird dies zum anderen mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4 bis 0,6 abgelehnt. Das ist nicht mit der Annahme nutzenmaximierenden, sehr wohl jedoch reziproken Verhaltens zu vereinbaren.85

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Hier werden die Unterschiede zwischen experimenteller Wirtschaftsforschung und vielen sozialpsychologischen Experimenten deutlich. Während es bei Letzteren vergleichsweise billig ist, sich als kooperativer Mensch zu zeigen, kostet es bei Ersteren Geld. „Es geht in Experimenten nicht um Bekenntnisse, sondern um reales Verhalten mit realen Konsequenzen“ (Falk 2001, 2). 84 Bei der Durchführung von Ultimatum-Spielen in 15 kleinen Gesellschaften (Small-Scale Societies) stellten Henrich et al. (2001) fest, dass das durchschnittliche Eingangsangebot je nach Gesellschaft zwischen 26 % (Machiguenga/Peru) und 58 % (Lamelara/Indonesien) des Geldbetrags variierte. 47 % aller Probanden haben jedoch mehr als 40 % des zugeteilten Geldbetrages offeriert. 85 Hier wird diese Terminologie übernommen, in der mit „reziprokem Verhalten“ an Normen oder einer Moral der Reziprozität orientiertes Verhalten gemeint ist, obwohl auch der rein nutzenbedachte Tausch ein Fall von Reziprozität (im Sinne schlichter Gegenseitigkeit) ist. Wenn also auch bei Axelrod (1984) Reziprozität – etwa in der Form des tit for tat – eine tragende Rolle spielt, dann doch fast nur im Sinne eines reziproken Nutzens, obwohl auch Axelrod sieht, dass hier Moral – z.B. moralisches Bedauern über einen Vertrauensbruch – eine wichtige Rolle spielt. Später werden wir nutzenbasierte Reziprozität (Tausch) von moralbasierter (Gabe) unterscheiden.

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Die besondere Stärke experimenteller Methoden86 liegt in der Möglichkeit, Verhalten in einer kontrollierten Umgebung zu studieren. Diese unbestrittene Stärke experimenteller Wirtschaftforschung gibt jedoch gleichzeitig Anlass zu Kritik. Denn Empirie heißt hier kontrollierte „Laborempirie“ (Güth/Kliemt 2003). Die Entscheidungssituationen sind realiter komplexer und folgenreicher. Auch sind in betriebswirtschaftlich relevanten Kontexten die Entscheidungsträger normalerweise keine Studenten, sondern Akteure des mittleren Managements oder der Unternehmensleitung. Dieser Kritik an der externen Validität von Forschungsergebnissen trägt die experimentelle Wirtschaftsforschung in neueren Untersuchungen zum Thema Reziprozität zunehmend Rechnung. In ihrer Untersuchung über Reaktionen auf Anreize in Vertrauenssituationen haben Fehr und List (2002) erstmals in einem Laborexperiment mit CEOs als Probanden gearbeitet. Um die verborgenen Kosten und Nutzen, also die Anreize in Situationen, die Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit erfordern, zu studieren, nutzten die Forscher das sogenannte Vertrauens- oder Gift-Exchange-Spiel (Berg/Dickhaut/McCabe 1995; Fehr/Kirchsteiger/Riedl 1993), das in seiner einfachen Form (Weimann 2003) so abläuft: Spieler 1 erhält einen Anfangsbetrag in Höhe von X. Hiervon kann er dem Spieler 2 beliebig viele Geldeinheiten geben oder den gesamten Betrag für sich behalten. Leistet Spieler 1 eine solche Abgabe (Y), dann kommt es zu einem Effizienzgewinn, denn bei Spieler 2 kommt dank des Experimentators ein Vielfaches des Betrages Y an. Nachdem Spieler 2 den vervielfachten Betrag erhalten hat, kann er entscheiden, ob er diesen Betrag für sich behält oder einen beliebigen Anteil davon an Spieler 1 zurückgibt. Sofern es nun für Spieler 2 die dominante Strategie ist, nichts zurückzugeben, sollte Spieler 1 rationalerweise erst gar nichts abgeben. Entgegen der standardökonomischen Annahme ist jedoch in den Experimenten regelmäßig beobachtbar, dass Spieler Abgaben leisten. Dies wird als Vertrauen interpretiert, das der Erstziehende dem Zweitziehenden entgegenbringt. Zahlreiche Spieler verhalten sich hierbei reziprok und machen die Höhe der durchschnittlichen Rückzahlung von der Höhe des angebotenen Betrages abhängig. Ein höheres Angebot wird durchschnittlich mit einer höheren Rückzahlung vergolten. Mit Blick auf die Untersuchungsgruppen CEOs und Studenten konnten Fehr und List (2002) signifikante Unterschiede bezüglich Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit feststellen. „We find that CEOs are considerably more trusting and exhibit more trustworthiness than students” (Fehr/List 2002, 17). Der wohlüberlegte Verzicht auf Drohungen wird als Vertrauensbeweis wahrgenommen und mit einer besonders vertrauenswürdigen

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Das zu Grunde liegende naturwissenschaftliche Wissenschaftsverständnis wird in den aktuellen Entwicklungen insofern auf die Spitze getrieben, als die neurologischen Begleitumstände des Entscheidungsverhaltens erforscht werden. Unter dem Begriff der Neuro-Economics wird versucht, eine Mikrofundierung für individuelle Vorstellungen, Präferenzen und das Verhalten herzuleiten – „by examing the brain processes associated with the formation of beliefs, the perception of the action set, and the actual choice“ (Fehr/Fischbacher/Kosfeld 2005, 346).

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Handlungsweise erwidert. Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit verstärken sich demnach wechselseitig. „Trust breeds trustworthiness“ (Fehr/List 2002, 19). Begegnen Fehr und List (2002) der Kritik an der Validität experimenteller Untersuchungsergebnisse durch die Betrachtung einer „realitätsnahen“ Probandengruppe, so reagieren List/Lucking-Reiley (2002), Frey/Meier (2003) und Falk (2004) auf den Vorwurf des „Laborplatonismus“ bei ihren Untersuchungen über karitative Spenden mit der Durchführung von Feldexperimenten. Im Zentrum der Untersuchung von Falk (2004) steht die Frage nach der Relevanz von gift giving für das karitative Spenden. 10.000 Bittbriefe wurden im Rahmen des Experiments an potentielle Spender versandt. Ein Drittel der Briefe enthielt kein, ein Drittel ein kleines Geschenk in Form einer von Kindern gemalten Postkarte zuzüglich Briefumschlag. Das letzte Drittel enthielt vier Postkarten und Briefumschläge. Denjenigen, die ein Geschenk erhalten hatten, wurde am Ende des Briefes mitgeteilt, dass die Postkarten Geschenke von Kindern aus Dhaka seien, die sie behalten oder an andere weitergeben könnten. Die Postkarten sollten demnach Geschenke darstellen, die den Aufbau einer „giftexchange relation“ (Falk 2004, 3) zwischen den Kindern (als potentiellen Spendenbeziehern) und den Spendern intendierten. Ob die zukünftigen Spender einen Brief ohne oder mit Geschenk erhalten, wurde nach dem Zufallsprinzip bestimmt. Die Ergebnisse der Untersuchung sprechen eine klare Sprache. „Including gifts gives rise to substantially different donation patterns“ (Falk 2004, 11). Bei Briefen mit kleinen Geschenken war die Anzahl der Spenden um 17 %, bei großen Geschenken sogar um 75 % höher als bei Briefen ohne Geschenke (ähnlich List/Lucking-Reiley 2002). Eine ironische Pointe ist es da, dass ausgerechnet die Mitglieder der American Economic Association (AEA) ganz überwiegend (zu zwei Dritteln) satzungsgemäß Gebühren entrichten, die nach Einkommen gestaffelt sind, obwohl sie das auf Basis einer Selbsteinstufung tun müssen, die nicht kontrolliert werden kann (Beil/Laband 1996). Sogar die Fachökonomen handeln moralisch integrer, als ihre eigene Theorie es zuläßt. Johannes Berger (1999, 316 ff.) hat gezeigt, daß zur Erklärung zwischen einem – in unserer Terminologie – pflichtgemäßen Handeln und einem Handeln aus Pflicht (Geltung I und Geltung II i. S. v. Kliemt 1993) unterschieden werden muß und daß auf die letzere Figur nicht verzichtet werden kann. So lässt sich mit Henrich et al. (2001, 77) resümieren: „the canonical model of the self-interested material payoff-maximizing actor is systematically violated“87. Ob an die Stelle des homo oeconomicus als neues Leitbild der Ökonomie der homo reciprocans tritt (Falk 2003b), bleibt einstweilen offen. Der Rekurs auf Normen der Reziprozität ist offenbar eine in unterschiedlichen Gesellschaften und Ethnien

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Mit Blick auf die Erklärungskraft der Mehraufgaben-Prinzipal-Agent-Theorie von Holmstrom/Roberts (1994) konstatierte der Institutionenökonom Matthias Erlei (2003): „Was deren Ansatz jedoch nicht erklären kann, sind die auch hier vorzufindenden Reziprozitätseffekte. Damit zeigt sich, dass die etablierte Agencytheorie vermutlich in wesentlichen Teilen unvollständig ist.“

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verbreitete Handlungsweise (Henrich et al. 2004; Gintis et al. 2005). Wichtig ist dieses Ergebnis: reciprocity matters. Darauf hatten auch einige der ganz Großen unter den Ökonomen schon früh, aber ohne große Resonanz, aufmerksam gemacht, und es ist von Interesse, wie sie diese Einsicht theoretisch verarbeitet haben. 1.2. Die Gabe in der Standardökonomik Dass „die Allokation von Gütern und Dienstleistungen nicht vollständig durch Tausch bewerkstelligt werden kann, wie es das Modell der Standardökonomik annehmen würde“, hat Kenneth Arrow (1975, 14; eigene Übers.) besonders deutlich in einem Beitrag mit dem Titel „Gifts and Exchanges“ ausgesprochen, in dem er das berühmte, aber umstrittene Buch über das Blutspenden von Richard Titmuss (1971) kommentiert. Respekt, Liebe, Status, Blutspenden, gegenseitige Hilfe, sogar die gesamte Struktur der Staatsausgaben rückt Arrow in einen Kontext der „institutionalization of giving“ (Arrow 1975, 15) ein. Und „a more subtle form of giving“ (Arrow 1975, 15) sieht er an Stellen am Werk, denen viele Ökonomen heute ihre Relevanz nicht mehr absprechen: bei der Heilung von Marktversagen, insbesondere ausgelöst durch Informationsasymmetrien. Die Operationen und die Effizienz des ökonomischen Systems seien in gewissem Maße von Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Vertrauen, Loyalität und Gerechtigkeit abhängig, die selbst nicht vom Markt gewährleistet werden könnten, aber ihrerseits sein Funktionieren gewährleisteten. Arrow (1975, 24) geht so weit, das Preissystem und Kants kategorischen Imperativ zu komplementären Errungenschaften zu erklären. Allerdings bleibt er Ökonom insofern, als er moralische Verpflichtungen zwar anerkennt, aber ihrerseits als effiziente Lückenbüßer des Marktversagens, als effizientere Alternative im Vergleich zu einzelnen Aushandlungsprozessen bestimmt, als evolutionären Sieg der Effizienz. Diese am Ende doch funktionalistische und utilitaristische Begründung von Moral wird hier nicht geteilt. Eine Berufung auf Kant88 ist mit dieser Position nicht möglich. Wichtig erscheint hingegen Arrows Einsicht in die Ergänzungsbedürftigkeit des Preissystems durch „moral obligations“.

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„I interpret moral obligation as the carrying out of agreements which may, however, be implicit. A society in which everyone immediately executed his aggressive impulses would be untenable. … However, conscious agreements … are much too costly in terms of information and bargaining. As societies have evolved they have found it economical to make these agreements at an unconscious, implicit level.” (Arrow 1984, 79). Pflicht, Moral, Schuld und Scham über Pflichtverletzungen evolvieren demnach, weil sie erlauben, Transaktionskosten zu minimieren? Dass ein solcher Funktionalismus und Utilitarismus in unhaltbare Positionen nötigt, wird anschaulicher als bei Arrow bei Henry Hansman, der Normen in Sachen Organspenden oder auch Kinderhandel (sic) in Arrowscher Manier erklärt: Solche Verkäufe verursachen „substantial external costs or benefits that cannot be internalized without excessive transaction costs.“ (Hansman 1989, 75) Solches Marktversagen brächte Gesellschaften dazu, Eltern zur Internalisierung passender, sprich: transaktionskostensparender Normen zu veranlassen. Eltern sorgen für ihre Kinder, statt sie zu verkaufen, weil sie eine Pflicht verinnerlicht hätten, die sich deswegen evolutionär durchgesetzt hätte, weil sie Transaktionskosten spart? Das ist: die Geburt der Moral aus dem Geiste des Marktversagens und ganz gewiß nicht aus einer Kantischen Vernunft. Ausführlicher dazu und zum Folgenden: Ortmann (2004.). An dieser

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Diese Einsicht durchzieht auch den berühmten Aufsatz „Labor contracts as partial gift exchange“ von George Akerlof (1982; s. dazu Gächter 2003). Akerlof bezieht sich auf Arbeiten von Homans (1953, 1954), in denen berichtet wurde, dass eine kleine Gruppe junger Frauen die in ihrem Betrieb geforderte Arbeitsleistung dauerhaft um mehr als 15 % übertraf – ohne Gegenleistung in Form eines höheren Entgelts oder besserer Karrierechancen. Das neoklassische Standardmodell kann nicht erklären, warum die Arbeiterinnen so etwas tun und warum ihre Firma dann nicht etwa den Leistungsstandard erhöhte. Mit großer ökonomischer, soziologischer und kulturanthropologischer Umsicht hat Akerlof es als Gabentausch zwischen der Firma und den Arbeiterinnen interpretiert, Arbeiterinnen, die Gefühle füreinander und für die Firma entwickelten und daher Nutzen aus solchem Gabentausch zögen – einen Nutzen, der aber von Normen des Gebens und Nehmens abhinge: „work in excess“ gegen „wages in excess“89. Er verweist auf Parallelen zur X-Effizienz Leibensteins (1976) und zu Hirschmans „Exit, Voice, and Loyalty“ (1970). Er zieht Mertons (1957) Theorie der Referenzgruppen heran, um zu erklären, wie es zu klaren Vorstellungen der Arbeitenden, betreffend faire Tagesleistungen und faire Löhne, kommt, nämlich im Wege des Vergleichs mit „Referenz“gruppen in ähnlicher Lage. Schon diese Anerkennung der Abhängigkeit ihrer Normen (und, wie man ergänzen könnte, Präferenzen) von denen „der anderen“ stellt einen großen Fortschritt gegenüber orthodoxem neoklassischen Denken dar. Akerlof nimmt ferner ausdrücklich Bezug auf Marcel Mauss’ Die Gabe und dessen Konzept der Reziprozität beim Gabentausch. Dass im Herzen kapitalistischer Ökonomien, im Arbeitsvertrag, Reste einer Gabe sensu Mauss eine Bleibe haben, dies für die Zunft der Ökonomen (einigermaßen) wirksam etabliert zu haben, verdanken wir George Akerlof. In einer weiteren Arbeit (Akerlof 1984) verfeinert er seine Analyse noch durch Rekurs auf Michael Burawoys Manufacturing Consent (1979), eine der wichtigsten industriesoziologischen Arbeiten zu der Orientierung der Arbeitenden an Gesichtspunkten wie Fairness und zu ihrer Angewiesenheit auf vielfältige Hilfestellungen ihrer Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsprozess, Hilfen, die nach Art einer Gabe gegeben werden. Wir ergänzen: Nicht nur in Arbeits-, sondern in vielen anderen Vertragsverhältnissen werden Normen der Reziprozität eine wie auch immer residuale, wie auch immer verborgene, verschwiegene Rolle spielen.

stelle ist der Hinweis wichtig, dass selbst eine derartige evolutionistisch-utilitaristische Theorie der Entstehung der Moral nicht etwa impliziert, dass nur um des Nutzens (der Gegengabe) willen gegeben wird. Im Gegenteil müsste eine solche Theorie mit der Genese einer Moral zurechtkommen und rechnen, die ihren Nutzen für die Menschen dadurch entfaltet, dass sie unter Umständen ein freigebiges, nicht nutzenbedachtes Geben fordert. 89 Damit scheint Akerlof innerhalb eines utilitaristischen Interpretationsrahmens zu bleiben. Der Nutzen für die Arbeiterinnen aber hängt, wie er selbst sagt, von Normen der Reziprozität ab, und die können ihrerseits nicht noch einmal nutzentheoretisch erklärt werden. Anzumerken ist hier, dass sich von diesem zunächst unscheinbar wirkenden Ausgangspunkt die Theorie der Effizienzlöhne und eines UnterbeschäftigungsGleichgewichts entwickelt hat (dazu Falk 2001; Gächter 2003). Damit bekommt die Angelegenheit eine erhebliche volkswirtschaftliche Bewandtnis.

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Sah es bei Arrow und bei Hansman (Fußnote 88) so aus, als kämen reziproke Pflichten erst als evolutionäre Antworten auf ein Marktversagen unter die Menschen, so hat Karl Polanyi solche Auffassungen als Ignoranz der ökonomischen Zunft gegenüber jener großen Transformation kritisiert, die erst Marktwirtschaften hervorgebracht habe. Polanyi hat schon 1944 mit großem Verständnis über Gabensysteme und Reziprozität geschrieben (Polanyi 1978). Wohl kein Ökonom hat klarer als er gesehen, dass „letztlich alle gesellschaftlichen Pflichten auf Gegenseitigkeit beruhen und ihre Erfüllung den Interessen des einzelnen, deren Ausdruck das Prinzip ‚Geben und Nehmen’ ist, am besten dient“ (Polanyi 1978, 75), ohne die Dinge auf die Verfolgung wirtschaftlichen Eigeninteresses zu reduzieren. Reziprozität und Redistribution könnten das Funktionieren eines ökonomischen System bei „Fehlen des Gewinnstrebens, dem Fehlen des Prinzips von Arbeit gegen Entlohnung, dem Fehlen des Prinzips des geringsten Aufwands und insbesondere dem Fehlen jeglicher separaten und spezifischen, auf wirtschaftlichen Motivationen beruhenden Institution“, sprich: ohne Märkte und Marktwirtschaften, gewährleisten (Polanyi 1978, 75 f.). Und wenn es auch von einmal etablierten Marktwirtschaften keinen Weg mehr zurück gibt, zurück zu Gabensystemen, innerhalb derer die wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen in ihre Sozialbeziehungen so eingebettet („embedded“) sind wie etwa bei den Trobriandern, so darf darüber nicht übersehen werden, dass zugehörige Pflichten und Reziprozitätsnormen inmitten von Markt- und von Betriebswirtschaften weiterhin Geltung haben und wichtig sind. Dass sie dort nicht mehr dominieren, ist einem wohl kaum reversiblen „disembedding“ geschuldet. Dass sie aber überhaupt keine (wichtige) Rolle mehr spielten, ist – wie zahlreiche empirische Beispiele noch zeigen werden – nicht haltbar. Bevor wir auf diese Beispiele jedoch (in den Abschnitten 5-10) eingehen, müssen wir einen Blick auf die Figur werfen, derer sich Akerlof, Arrow und Polanyi hier bedient haben: die Figur der Gabe. Sie entstammt dem ethnologischen und sodann dem soziologischen Diskurs, und der locus classicus ist Marcel Mauss’ berühmter „Essai sur le don“. 1.3. Die Gabe in der Ethnologie und Soziologie Man darf wohl sagen, dass die einschlägigen ethnologischen Forschungen besonders von Franz Boas (1897), Bronislaw Malinowski (1984 [1922], 1949 [1940]) und Alfred R. Radcliffe-Brown (1922), kulminierend in Mauss’ Essay (1968 [1923/24]), das Potential zu einer Provokation modernen ökonomischen Denkens90 hatten und haben,

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Und nicht nur des ökonomischen, sondern auch des philosophischen Denkens; dazu jetzt Iris Därmanns umfassende Studie „Fremde Monde der Vernunft“ (2005a) mit einer detaillierten und doch kompakten und kritischen Zusammenschau des gesamten Gabendiskurses von Malinowski und Mauss bis Lévi-Strauss und Derrida. Zwei Sammelbände und zwei special issues von Zeitschriften informieren über das Thema Gabe, Tausch und Reziprozität: Komter (1996), Adloff/Mau (2005), Kappelhoff (1995) mit der zugehörigen Diskussionseinheit der Zeitschrift „Ethik und Sozialwissenschaften“ 6 (1995) sowie das Heft 1/2 der Zeitschrift „Angewandte Sozialforschung“ 20 (Kreutz 1996/97).

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die dessen Grundlagen betrifft – auch wenn die meisten Ökonomen von dieser Provokation unberührt geblieben sind. Worin läge die Provokation? – Um es auf einen Nenner zu bringen: in der Erkenntnis, 1. dass wirtschaftliches Handeln, verstanden als dominantes Nutzenstreben, als Streben nach einem (möglichst) günstigen Verhältnis von „Kosten“ und „Nutzen“ im weitesten Sinne, und ein dadurch dominierter Tausch keine universellen Phänomene oder anthropologischen Konstanten sind, sondern sich aus einer Melange magischer, religiöser, moralischer, kultureller, politischer und „wirtschaftlicher“ Orientierungen ausdifferenziert haben – „wirtschaftlich“ nun aber einfach im Sinne der Versorgung mit Gütern und Leistungen; 2. dass Gesellschaften und ihre Mitglieder auch ohne eine solche Ausdifferenzierung „wirtschaftlich“ gut zurechtkommen können, und, in unserem Zusammenhang besonders wichtig, 3. dass die dafür in Anspruch genommenen Normen und Pflichten der Reziprozität für das Funktionieren moderner Marktwirtschaften bei aller Dominanz des Nutzenstrebens unverzichtbar geblieben sind. Paradigmatische, berühmt gewordene Beispiele für solche auf Normen und Pflichten des Gebens und Nehmens und Erwiderns der Gabe beruhenden Tausch- und Gesellschaftsformen sind der nordwestamerikanischen Potlatsch und der Kula-Ring der Trobriander. Ersterer figuriert in der Diskussion als Fall eines agonistischen oder gar antagonistischen Systems totaler Leistungen (antagonistisch wegen seines inhärenten Moments der – im Extrem zerstörerischen – Überbietung des Gebens im Dienste von Prestige-, Status- und Machtkämpfen), letzterer als Beispiel für eine nichtantagonistische Form. Der Kula-Ring, beschrieben von Bronislaw Malinowski in dem ethnologischen Klassiker Argonanten des westlichen Pazifik (Malinowski 1984), ist ein System auf Reziprozitätspflichten beruhender Leistungen, verbunden durch zwei gegenläufige Gabenzyklen. Diese zwei Gabenringe erstrecken sich über XX Quadratkilometer der westmelanesischen Inselwelt, die Trobriand-Inseln, und überspannen für die Vollendung eines Gabenzyklus einen Zeitraum von zwei bis zehn Jahren. Gegeben, genommen und weitergegeben werden Gaben nicht innerhalb von Dyaden, sondern in einem Ring (Halsketten aus roten Muscheln entlang des einen, Armreifen aus weißen Muscheln entlang des anderen, gegenläufigen Ringes). Innerhalb je dyadischer Beziehungen werden die Gaben erst nach langer Zeit, zum Beispiel bei einem Gegenbesuch nach einem Jahr, dem gegenläufigen Ring folgend, erwidert. Dieses System durchzieht „das gesamte gesellschaftliche Leben, angefangen mit dem Bau seetüchtiger Kanus und Vorbereitungstabus bis zu den eigentlichen ÜberseeExpeditionen und rituellen Übergaben selbst“ (Kappelhoff 1993, 93).

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Wer hätte es für möglich gehalten, dass ein solches System, das längst Berühmtheit auch über die Fachgrenzen der Ethnologie erlangt hat, über Jahrhunderte stabil bleiben und, in Verbindung mit gewöhnlichem, aber strikt getrennt durchgeführtem Tauschhandel (gimwali)91, eine soziale Ordnung ohne eine zentrale Instanz und eine politische Friedensordnung ermöglichen und zugleich den kulturellen und „ökonomischen“ Verkehr zwischen den so genannten Stammesgesellschaften gewährleisten kann? Diese Skizze lässt erahnen, wie voraussetzungsreich und insbesondere in normativer, in moralischer Hinsicht anspruchsvoll ein solches soziales Gebilde ist. Wird einem die Komplexität dieses Systems bewusst, mag sich die Herablassung, mit der teilweise aus der westlichen Welt auf solche Gesellschaften geblickt wird – noch Coleman (1991) nennt sie unverblümt primitiv – in Respekt verwandeln. Solche Gabensysteme werden insbesondere in der Ethnologie und Philosophie diskutiert. Drei ausgewählte Gesichtspunkte aus dieser Diskussion wollen wir hier hervorheben: 1. Viele Autoren – der berühmteste Vertreter dieser Ansicht ist Claude LéviStrauss (1978,) – betrachten den Tausch als den Inbegriff und „gemeinsamen Nenner“ jenes Gebens und Nehmens. Wir hingegen machen, wie schon angedeutet, einen Unterschied zwischen (nutzenorientiertem) Tausch und (pflichtorientierter) Gabe und beziehen uns damit auf die idealtypische Denkfigur einer Gabe, die frei vom Schielen auf einen Nutzen ist, die es in reiner Form in praxi zwar wohl kaum gibt, der aber unserer Begehren gilt, etwa wenn wir von reiner Liebe, reiner Freundschaft oder reiner Loyalität sprechen und die als Moment, als eine Sinndimension, in Interaktion und Kooperation eine wichtige, leicht zu übersehende Rolle spielt. 2. Von Lévi-Strauss bis Pierre Bourdieu92 reichen die Einwände gegen diese Idee einer Gabe, die jenseits des Tausches ihren Ort hat. Sie operieren an zentraler Stelle mit dem – am Ende selbst noch ethnozentristischen – Argument, über den Tauschcharakter der Gabe täuschten sich die Akteure selbst nur hinweg, ja, viele Anforderungen an die Art des Gebens, des Nehmens und der Erwiderung, zum Beispiel das Verbot sofortiger Erwiderung, hätten geradezu die Funktion, solche Selbsttäuschung zu ermöglichen – sich also in der Illusion der Freigebigkeit zu wiegen. Und viele einschlägige Praktiken, etwa des prahlerischen Demonstrierens von Freigebigkeit, hätten die Funktion, andere über die „eigentlich“ herrschende Nutzenbedachtheit hinwegzutäuschen. Darauf lautet unsere Antwort: Die Notwendigkeit, diesen Schein zu wahren, ist kein Gegenbeweis, sondern im Gegenteil der Beweis für die Geltungsmacht der Idee

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In dieser Trennung von Gabe (kula) und Tausch (gimwali) kann man vielleicht eine Weise der Ausdifferenzierung von Nutzen- und Pflichtenorientierung sehen. Zu einer Lévi-Strauss-Kritik Därmann (2005a); für eine Bourdieu-Kritik Ortmann (2004).

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einer freigebigen Gabe – wozu müsste sonst der Schein gewahrt werden? Das Argument setzt die Geltung einer Ethik der Gabe voraus. In seinem Versuch, Moral auf Nutzen zurückzuführen, treibt es begging the question. Scheinheiligkeit, die es auch unter den Trobriandern sehr wohl gibt, ist die verräterische Spur einer nicht ganz gebrochenen Heiligkeit. 3. Gibt es eine universelle Reziprozitätsnorm unter den Menschen? Das wird von einem Ethnologen wie Lévi-Strauss ebenso bejaht wie von so manchem Soziologen – auch, wie wir schon sahen, von avancierten Ökonomen, die einen homo reciprocans postulieren und dem homo oeconomicus entgegensetzen. Uns scheint da Vorsicht geboten. Reziprozität ist zwar unbestritten ein interkulturell außerordentlich weit verbreitetes normatives Phänomen. Was aber die Vielfalt seiner Erscheinungsformen bis hin zu Gegenbeispielen anlangt, war die reiche ethnologische Forschung noch stets für Überraschungen gut.93 Wir begnügen uns mit der wohl unbestreitbar tiefen Verankerung einschlägiger Normen – im Plural! Wir fügen hinzu: Es ist nicht leicht zu sehen, wie Sprache und Sozialität überhaupt gedacht werden könnten ohne eine Moral der Reziprozität94. Unter den Soziologen war es wohl Alwin Gouldner, der am nachdrücklichsten auf die Praxis und Ethik der Reziprozität hingewiesen hat und „die Reziprozitätsnorm allgemeingültig“ genannt hat (Gouldner 1984, 97). Im Kasten auf S. 133 sind einige einschlägige Statements wichtiger Soziologen zusammengestellt, die eine Universalität des Phänomens mehr oder minder eindeutig angenommen haben, meist ohne klar zwischen nutzen- und pflichtbasierter Reziprozität zu unterscheiden.

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Westwood/Chan/Linstead (2004) betonen die kulturelle Kontextualität der Reziprozitätsnorm. Während sie in der Regel als universales Phänomen angesehen wird, können sie zeigen, dass in westlichen und asiatischen Kulturkreisen signifikante Variationen in der Wahrnehmung und Interpretation von Reziprozitätsnorm bestehen. 94 Trotzdem sind Modelle der Kooperation ohne Sympathie und Moral à la Axelrod (1984), Hirshleifer (1988) oder Coleman (1991) äußerst lehrreich, weil sie mit der landläufigen Entgegensetzung von Rationalität und Moralität aufräumen und weil sie lehren, wie weit eine Stabilisierung durch Selbstorganisation rationalen – nutzenorientierten – Handelns trägt. Dass mit ihrer Hilfe Sozialität, und näherhin: die Auflösung des „sozialen Dilemmas“ (Kooperativität versus Egoismus) nicht vollständig begründet werden kann, wird in der einschlägigen Literatur, wenn schon nicht zum Konsens gebracht, so doch immer schärfer gesehen; für einen konzisen Überblick s. Weibel (2004).

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„Keiner wird für den anderen etwas tun und leisten, keiner dem anderen etwas gönnen und geben wollen, es sei denn um einer Gegenleistung oder Gegengabe willen, welche er seinem Gegebenen wenigstens gleich achtet.“ (Tönnies 1963 [1887], 40) Das soziale Gleichgewicht und der soziale Zusammenhalt könnten „ohne die Reziprozität von Leistung und Gegenleistung“ nicht existieren, und „aller Verkehr des Menschen beruht auf dem Schema von Hingabe und Äquivalent“ (Simmel 1908, 443). Thurnwald (1936/1957, S. 101) bezeichnet das Prinzip der Gegenseitigkeit als „einen der wichtigsten Faktoren ... für den Aufbau von Gesellungen und deren Institutionen“. „Man becomes human in reciprocity.“ (Becker 1956, 94) „... die Reziprozität des Verhaltens ist formal eine ganz grundlegende anthropologische Kategorie, aber sie kann sich mit den allerverschiedensten Inhalten besetzen …” „Die Reziprozität ist eine fundamentale Kategorie, sie betrifft einen wesentlichen Grundzug des Menschseins.” (Gehlen 2004 [1964], 50 f.) „Ich nehme an, daß die Reziprozitätsnorm ein ebenso universelles und nicht minder bedeutsames Element einer Kultur ist wie das Inzest-Tabu, obwohl seine konkreten Formulierungen in ähnlicher Weise zeitlich und örtlich variieren können.“ (Gouldner 1984 [1973], 97) Bierhoffs (1984) Sichtung sozialpsychologischer und soziologischer Forschung habe gezeigt, dass das Prinzip der Gegenseitigkeit, d.h. der Reziprozität, „offensichtlich zu den wenigen interkulturell und intertemporal gültigen Gesetzmäßigkeiten menschlichen Handelns gehört“ (Bierhoff 1984, 146). „Verschiedene Autoren haben darauf hingewiesen, dass die Norm der Reziprozität in unterschiedlichen Kulturen und Zeiten wirksam zu sein scheint. Insofern liegt es nahe, der Norm einen universellen Geltungsbereich zuzusprechen“ (Bierhoff 1984, 83). „Die Anerkennung von Reziprozitätserfordernissen ist Gesellschaften universell verbreitet.“ (Luhmann 1997, S. 650)

in

segmentären

„Aus dem Zusammenleben selbst erwachsen moralische Regeln (nicht immer Handlungen), die so allgegenwärtig und zwingend sind, dass sie den Charakter von Gesetzen annehmen: Die Reziprozität des Erwiderns (‚Wie du mir, so ich dir’) ...“ (Hondrich 2001, S. 572)

Übersicht 1: Universalität von Normen der Reziprozität? Eine Auswahl

207

1.4. Nutzen, Pflicht und Altruismus: Motive reziproken Verhaltens Nutzen versus Pflicht „Do ut des“, ich gebe, damit du gibst, oder allgemeiner, weil ich etwas davon habe, einen Nutzen: Die enorme Bewandtnis dieser Nutzenorientierung für das menschliche und erst recht das wirtschaftliche Handeln möchten wir mitnichten bestreiten. Wohl aber ist unser Argument: Darin geht die Sache nicht auf, auch nicht die Sache der Reziprozität, verstanden als Gegenseitigkeit des Gebens, Nehmens und Erwiderns. Dass nichts als Nutzenbedachtheit im Spiel wäre, wenn wir etwas geben, beschert als Axiom einer darauf errichteten Theoriearchitektur enorme Vorteile, nicht zuletzt solche der Sparsamkeit der Prämissen, aber es wirkt irgendwie schief, wenn man, zum Beispiel, die folgenden Weisen des Gebens in dieses Pro-krustes-Bett zu zwängen versucht: Ich „entbiete“ einen Gruß95. Du gibst Antwort. Ich sorge für dich. Wir helfen einander. Mein Kollege tut mir einen Gefallen. Ich gebe mein Wissen und meine Erfahrung weiter. Du gibst Dein Wort oder vertragliche Zusagen. Ich schenke dir Vertrauen. Er spendet Blut. Sie entrichtet ihren Tribut ans Gemeinwohl. Oder ein Fall von negativer Reziprozität: Denen haben wir es aber gegeben. Nicht, dass derlei nicht nützlich sein könnte oder sich nicht mit Nutzenerwägungen zumindest verbinden ließe. (Zum Beispiel: „Good works and taxes often go hand in hand.“) Nicht, dass wir auf diesen Nutzen nicht bedacht wären. Aber darin erschöpft sich diese Motivation nicht, oder wenn sie es tut, gefährdet oder annulliert sie die respektive Gabe. Echten Respekt, echtes Vertrauen erlangt der, der nicht darauf aus ist, der nicht aus Berechnung gibt, der nicht (nur) auf den eigenen Nutzen sieht. Die Hilfsbereitschaft der Kollegin, des Partners wird umso höher geschätzt, je freigebiger sie gewährt wird – je freier vom Geiste des „do ut des“. (Auch die „Gabe“ der Postkarten in Falks Charity-Experiment leidet den Mangel, dass sie in berechnender Absicht gegeben wurde – zwecks Veranlassung größerer Spenden. Dieser gute Zweck heiligt nicht das Mittel.) Warum aber geben wir, wenn nicht aus Nutzenerwägungen? Antwort: aus Pflicht. Weil und sofern es sich gehört und moralisch geboten ist. Ausdrücklich lassen wir die Motive „aus Freude am Geben“ und „Altruismus“ hier beiseite, nicht, weil sie nie vorkämen, sondern weil sie in einen Nutzen münden, und wäre es der Nutzen anderer, der unser Herz erfreut.. Auch wer (pro-soziale) Normen nur in der Hoffnung auf positive oder aus Angst vor negativen Sanktionen befolgt, handelt aus Nutzenerwägungen, also nicht aus Pflicht, sondern bestenfalls pflichtgemäß. Diese berühmte Unterscheidung stammt von Kant (zum Beispiel 1974, 203). Wir halten an ihr fest, ohne uns damit an die Rigidität gebunden zu fühlen, mit der Kant seine Pflichtenethik

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„Die Begrüßung konstituiert, indem sie mit einem bestimmten Zukunftswunsch eine gemeinsame Praxis eröffnet, Sittlichkeit oder Reziprozität zwischen Subjekten, sie erzeugt also konkrete Sozialität.“ (Oevermann 1999, 73)

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durchgeführt hat. Am Beispiel der Pflicht zur Wahrhaftigkeit: „Nun ist es doch etwas ganz anderes, aus Pflicht wahrhaft zu sein als aus Besorgnis der nachteiligen Folgen“ (Kant 1974, 29). Kliemt und Zimmerling (1993) haben gezeigt, dass Ersteres – bei ihnen: Handeln aufgrund der internalisierten Überzeugung der verpflichtenden Geltung einer Norm („Geltung-2“) im Unterschied zu einem reinen Konformismus gegenüber Normen, die ihre Geltung nur aus der Hoffnung auf Belohnung oder der Angst vor Strafe oder Kosten beziehen („Geltung-1“) – in der Realität häufig vorkommt und aus der Perspektive einer zukunfts- und einzelfallbezogenen Folgenkalkulation allein nicht verständlich gemacht werden kann. Nicht einmal jenes viel zitierte Gefühl des Unbehagens oder der kognitiven Dissonanz, das sich einstellen mag, wenn wir gegen Normen verstoßen, und das wir zu vermeiden oder zu vermindern trachten, ist ein Pflicht-Motiv im strengen Kantschen Sinne. Die Vermeidung oder Verminderung eines schlechten Gewissens ist denn auch von Ökonomen nicht ganz zu Unrecht als ein Nutzen behandelt worden. Und umgekehrt: Die milde Gabe an den Bettler hat den Hautgout einer Ablasszahlung, wenn sie nicht freigebig gewährt wird, sondern um des guten Gefühls („warm glow“) der Freigebigkeit willen. Alle Wohltätigkeit ist davon tangierbar. Theoretisch gesprochen: Die „warm-glow“-Erklärung „begs the question“. Sie kann nicht in letzter Instanz erklären, warum die Leute es richtig finden zu geben „because ‚warm-glow’ is a byproduct of doing the right thing“ (Khalil 2004, 107). „Warm glow“ setzt etwas voraus, das einem das gute Gefühl gibt: Geltung-2 einer Norm sensu Kliemt und Zimmerling. Übertragen wir diesen letzteren feinen Unterschied sogleich auf ein Feld, das uns Ökonomen näher ist als das der charity: das Feld der Einhaltung von Verträgen. Eines ist es, Verträge und die resultierenden reziproken Pflichten des Gebens und Nehmens, sei es (1.) um der respektiven Gegengabe willen oder aus Angst vor Sanktionen, also: aus Interesse, oder auch nur (2.) um des guten Gefühles willen einzuhalten, das mir meine Vertragstreue beschert. So sehr das erste Motiv dominieren und das zweite vielleicht noch hinzu kommen wird: Ein anderes ist, Verträge (3.) einzuhalten, weil ich mich dazu verpflichtet habe und es daher geboten ist – weil es sich gehört. Die Fälle (1.) und (2.) bezeichnen ein pflichtgemäßes Handeln, nur der Fall (3.) ein Handeln aus Pflicht. (Nichts ist, versteht sich, ethisch dagegen einzuwenden, dass dieses als Nebenprodukt ein gutes Gefühl gibt. Das eben ist etwas anderes, als dieses Gefühl von vornherein als Nutzen anzustreben und sich nur davon motivieren zu lassen. So auch Elster 2005, 207.) „Do ut des“, ich gebe, damit du gibst, ist eines. „Do et des“, ich gebe und du mögest/sollst/musst die Gabe (einst) erwidern, das ist ein anderes. Dass ich die Gegengabe (einigermaßen sicher) erwarten kann, impliziert nicht, dass sie mein Motiv ausmacht. Und dass sie nicht mein Motiv ausmacht, heißt nicht, dass ich sie nicht erwarte. Damit ist die Unterscheidung etabliert, auf die es uns hier vor allem ankommt: die Unterscheidung zwischen Nutzen und Pflicht. Das lateinische reciprocare heißt: hin und her bewegen/fließen. Da bleibt offen, ob Nutzen oder Pflicht 209

die treibende Kraft dieser Bewegung ist. Stets aber haben wir es mit Legierungen aus Nutzen- und Pflichtorientierung zu tun. Beide stehen zueinander nicht wie Endpunkte einer bipolaren Skala, sondern in einem Verhältnis des wechselseitigen Aufeinanderangewiesen-Seins, der Komplementarität, einer Ergänzung, die, wie es Derridas Figur der Supplementarität zu bedenken gibt, in Ersetzung umschlagen kann, mit dem Resultat entweder eines rigiden Moralismus oder eines jedweder Moral vermeintlich enthobenen Vulgär-Utilitarismus. Sie stehen, etwas schematisch dargestellt, zueinander wie die zwei Brennpunkte einer Ellipse, derart, dass immer Moral und Nutzen im Spiel sind bei der Handlungsorientierung (Abb. 21). Dass beide in praxi Verbindungen eingehen (müssen), begründet keine Berechtigung, den Anteil der Pflicht zu übersehen oder auf Nutzen zurückzuführen. Allerdings leistet es der Neigung dazu Vorschub. Abb. 21 soll deutlich machen: Empirische Handlungsorientierungen umkreisen die beiden Brennpunkte und sind das eine Mal (H1) vom Nutzen, ein anderes Mal (H2) von der Pflicht weiter entfernt. Reine, von aller Moral gereinigte Nutzenorientierung aber gibt es so wenig wie reine, alle Nützlichkeit negierende Moral. Auch der entschiedenste Utilitarist beruft sich auf den Nutzen als einen moralischen Wert. (Auch Axelrod, 1987, 122 f., nimmt für seine tit-for-tatReziprozität in Anspruch, eine Grundlage für Moralität und eine Form von Gerechtigkeit zu sein.) Und noch der rigideste Moralist kann das eigene Wohl, das Wohl der Menschen und/oder der Menschheit nicht ganz übergehen. H1

Weite Entfernung vom

Pflicht

H2

Handlungsorientierung H1:

Nutzen Nutzen

Handlungsorientierung H2: Weite Entfernung von der

Pflicht

Abbildung 21: Elliptisches Verhältnis von Pflicht und Nutzen bei der Handlungsorientierung Quelle: Göbel/Ortmann/Weber (2007, 175)

Man bedenke schon an dieser Stelle, dass ein „do et des“ also weder Altruismus noch irgendeine ökonomische Blauäugigkeit impliziert. Wer innerhalb von Gabensystemen operiert, kann als Gebender Reziprozität, also die Erwiderung durch Gegengaben erwarten – auch wenn das, noch einmal, nicht das Motiv seines Gebens gewesen ist. Er kann, wie man am Fall des Kula-Rings sah, mit ökonomischer Viabilität – des Systems und seines individuellen Gebens und Nehmens – rechnen. Gerade Marcel Mauss, dem es um die Erschließung des ethnologischen Gabendiskurses für unsere modernen Verhältnisse ging, war es um Verhältnisse zu tun, in denen Freigebigkeit und Zwang, Nutzen und Pflicht, Wirtschaft und Moral unter bestimmten institutionellen Bedingungen (noch) nicht in der Weise auseinandergelegt waren, wie es für die Moderne typisch (geworden) ist. Selbst heute ist dieses Auseinandertreten nicht 210

vollständig und kann es nicht sein, weil jedes Handeln, auch das noch so interessengeleitete, eine normative und moralische Dimension hat. Sozialität ist mit Normativität, mit dem „Bazillus des Sollens“ unentrinnbar infiltriert (Popitz 1980, 26, und, besonders instruktiv, Berger 1999, 316 ff.). Man sieht nun, dass Normen der Reziprozität des Gebens und Nehmens eine Reziprozität von Erwartungen, besonders auch von Rollenerwartungen begründen. Wenn solche Normen gelten, kann reziprokes Handeln erwartet werden. Und umgekehrt: Wenn reziprokes Handeln erwartet wird, ist die normative Färbung einer solchen Erwartung und ist eine Institutionalisierung entsprechenden Handelns nicht weit. Dass es aber erwartet wird‚ lässt sich sozialtheoretisch recht gut mit der Reziprozität der Perspektiven im Sinne Alfred Schütz’ begründen(s.a. Stegbauer 2002, 112 ff, 119 ff.). Was normativ erwartbar ist, besonders: wann welche Reziprozität erwartet werden kann, das hängt von historisch und kulturell recht variablen institutionellen Umständen ab. Für sie interessieren wir uns im Rahmen von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stärker als für eine mögliche naturwissenschaftlich-neurobiologische Fundierung (die damit nicht im Widerspruch stehen muss). Das Interesse richtet sich dann auf Prozesse der Institutionalisierung einschlägiger Rollen und Normen. Damit ist nun aber bereits klargestellt, dass unsere Argumentation nicht allein und nicht in erster Linie auf die Intentionen und Motive der Akteure abstellt. Innerhalb des Sozialen werden nicht – nicht direkt – diese inneren Befindlichkeiten relevant, sondern das, was davon in der Kommunikation, Interaktion, Kooperation und in der Zurechnung durch die anderen Akteure erwartet und zur Geltung und Anerkennung gebracht wird. Dabei aber spielen Rekurse der mehr oder minder lebenserfahrenen Akteure auf vermeintliche oder tatsächliche, zu Unrecht oder zu Recht zugerechnete Intentionen und Motive und die eben angeführte Reziprozität der Erwartungen der Akteure eine wichtige Rolle. Wenn wir bis hierher die Opposition „Nutzen versus Pflicht“ zur einschlägig relevanten erklärt haben, so bedarf das noch einer Vertiefung und Erweiterung, die vielleicht geeignet ist, dem doch sehr voraussetzungsreichen Rekurs auf Pflicht etwas von seiner Absolutheit und Rigidität zu nehmen. Man könnte ja fragen: Wieso Pflicht? Wer bestimmt das? Kants Antwort lautete: Pflicht ist das Gebot der Selbstachtung der Vernunft. Gegen den kategorischen Imperativ zu verstoßen, hieße Selbstverachtung der Vernunft. Und, nota bene, Selbstachtung kann ihrerseits nicht noch als ein Nutzen angestrebt werden. Sie ist, mit Jon Elster (1987) zu sprechen, ein Zustand, der wesentlich Nebenprodukt ist, der also (direkt) nicht intendiert werden kann, ja, der dadurch vereitelt wird, dass wir ihn intendieren. Anders setzt eine Ethik an, die von einem unhintergehbaren „Anspruch des Anderen“ her argumentiert, einem An-Spruch, der nicht schon eine Pflicht ist, schon gar nicht ein Vertrags- oder Rechtsanspruch, sondern daher rührt, dass uns der Andere immer schon etwas angeht, uns anspricht. „Dieser situativ verkörperte Anspruch kommt jedem moralischen oder rechtlichen 211

Anspruch zuvor. Die Frage, ob der Anspruch berechtigt sei oder nicht, setzt voraus, dass bereits ein Anspruch vernommen wurde. Wir erreichen hier einen Punkt diesseits von Gut und Böse, diesseits von Recht und Unrecht“ (Waldenfels 1998, 43) – diesseits auch, wie wir ergänzen, von Egoismus und Altruismus, diesseits von Nutzen- und Pflichtorientierung und diesseits von Reziprozitätsnormen. Es ist der Anspruch des Anderen (den ich zwar verweigern, dem ich aber nicht entgehen kann) in dieser Sicht konstitutives Moment der Identitätsbildung, die insofern niemals reine Selbstkonstitution des Subjekts sein kann. In die Konstitution des Subjekts ist der Andere immer schon involviert. Sein Anspruch ist immer schon „gehört“ (wenn auch nicht erhört), und ich antworte ihm auch dann, wenn ich mich ihm verweigere. Ihn zu erhören aber ist nicht identisch mit Selbstlosigkeit oder Altruismus, weil es zum Selbstsein gehört, vom Anspruch des Anderen angesprochen zu werden. (Moralische Taubheit kommt allerdings auch vor und kann durch ethische Argumente nicht geheilt werden.) Damit ist der Ausgangspunkt einer responsiven Phänomenologie und Ethik skizziert, wie sie Bernhard Waldenfels ausgearbeitet hat.96 Dass die Konstitution des Subjekts oder, in anderer Terminologie, die Identitätsbildung nicht einsam geschieht, sondern immer schon unter konstitutiver Mit-Wirkung des/der Anderen, das wird außerhalb ökonomischer Modellannahmen wohl kaum noch bestritten werden. Hegels Dialektik der Anerkennung und Meads Unterscheidung von I und Me sind dafür Denkfiguren, die das ebenfalls zu erfassen versuchen97, bei allen Unterschieden zu Waldenfels’ responsiver Ethik. Man ahnt vielleicht schon nach diesen wenigen Andeutungen, wie von hier aus eine Genealogie der Moral zu denken wäre – wie aus einem solchen An-Spruch des Anderen in komplizierten Prozessen historischer und kultureller Besonderung moralische und rechtliche Ansprüche haben erwachsen können. Das Problem ist nun, dass wir es beim Geben und Nehmen nicht einfach mit ökonomischen Erwägungen einerseits und nicht-ökonomischen andererseits zu tun haben. Wir sind vielmehr damit konfrontiert, dass Nutzen und Pflichten einander (forcieren, aber auch) beeinträchtigen können, dass zum Beispiel Nutzenerwägungen Pflichtmotive unterminieren, korrumpieren und ihrer moralischen Qualität berauben können – können, nicht müssen. Das gilt nicht nur in Liebes- oder Freundschaftsbeziehungen, sondern überall, wo wir voneinander so etwas wie Antworten im weitesten Sinne und, horribile dictu, Anstand verlangen: unter Nachbarn, unter Kollegen, zwischen Zulieferern und Abnehmern, unter Netzwerkpartnern, zwischen Verkäufern und Kunden, in Kooperationsbeziehungen, wenn auch in sehr verschiedenem, manchmal ganz geringfügigem Maße. Nicht nur heißt es zu Recht: 96

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Waldenfels (1994); Waldenfels/Därmann (1998). Wir danken Iris Därmann für sicheres Geleit auf fachfremdem Terrain. Für eine organisationstheoretische Nutzung des Mead-Krappmannschen Identitätskonzepts unter Rekurs auf Khalils Konzept der self-ability und einer Rationalität der Selbstrealisierung (z.B. Khalil 1997), die jedwede Präferenzen- oder Nutzenorientierung übersteigt, vgl. Küpper/Felsch (2000, S. 277 ff., S. 299 ff., S. 313) und Felsch (2005).

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can’t buy me love, sondern es muss auch heißen: can’t buy me trust. Und nicht nur kann ich mir so etwas nicht kaufen, sondern ich laufe Gefahr, es zu zerstören, wenn ich es zu kaufen versuche. Das heißt, und das kompliziert die Dinge erst richtig, dass das Wirtschaften, sofern es derlei voraussetzt, nicht nur Anökonomisches, sondern Antiökonomisches voraussetzt, etwas, das vom ökonomischen Kalkül gefährdet und zersetzt werden und es seinerseits beeinträchtigen kann. Nicht nur kann Moral Abstriche am Nutzen fordern. Sondern Wirtschaften kann andererseits ohne Moral, ohne Pflicht, ohne Vertrauen nicht auskommen, ohne etwas, für das ein wirtschaftliches Kalkül – Nutzenkalkül – aber vielleicht Gift ist. Das wäre, um die berühmte Metapher Arrows zu bemühen, wie ein Schmiermittel, das von der Maschinerie, die es zu schmieren hat, der Ökonomie, zersetzt wird wie Öl von lipophagischen Bakterien. Pflicht versus Altruismus Nahe liegt nun der Gedanke: pflichtbewusst und pflichtgemäß zu handeln, sei mit Altruismus in eins zu setzen. Wer einer Pflicht folgt, ordnet ihr, der Achtung des Anderen und insoweit auch seinem Wohl doch den eigenen Nutzen unter. Dann käme man zu dieser Entgegensetzung: entweder Pflicht oder Nutzen sei der Beweggrund des Handelns. Demgegenüber möchten wir argumentieren: Es macht einen Unterschied, ob man dem Anspruch des Anderen auf Basis von sympathy oder von commitment gerecht zu werden versucht, um es in Begriffen Amartya Sens zu formulieren98. Die Unterscheidung „Egoismus/Altruismus“ steht orthogonal zu der Unterscheidung „Pflicht/Nutzen“ (Abb. 22), obwohl beide, Plichtbewußtsein und Altruismus, Abstriche am eigenen Nutzen erfordern. Seine Pflicht zu tun ist sowohl mit egoistischer als auch altruistischer Handlungsorientierung vereinbar – und kann Abstriche am eigenen Nutzen, aber auch am Nutzen Anderer verlangen. Uns kommt es also darauf an, Pflicht und Altruismus zu unterscheiden und voneinander abzurücken. Die Abb. 22 suggeriert allerdings eine etwas zu starke Trennung und lässt nicht erkennen, dass Nutzen und Pflicht, ob adressiert an alter oder ego, auf jene elliptische Art zusammenhängen, die in Abb. 21 dargestellt wurde. „Selbstachtung“ haben wir in Abb. 22 in eckige Klammern gesetzt, weil es von der Position in Sachen „Ethik“ abhängt ob man sie wie Kant, als eine Pflicht auffasst.

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„(Sympathy) corresponds to the case in which the concern for others directly affects one’s own welfare. If the knowledge of torture of others makes you sick, it is a case of sympathy, if it does not make you feel personally worse off, but you think it is wrong and you are ready to do something to stop it, it is a case of commitment“ (Sen 1977, S. 326).

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Abbildung 22: Das Verhältnis von Nutzen, Pflicht, Egoismus und Altruismus Quelle: Göbel/Ortmann/Weber (2007, 178)

Altruismus ist, wie Khalil (2004, 98) es formuliert hat, „motivated by the concern over the welfare of the recipient“. Die ganze Frage als Alternative „Nutzen versus Altruismus“ zu behandeln, wie es viele Ökonomen tun, ist dann (wenn Altruismus begrifflich an wohltätige Intentionen der Handelnden gebunden wird, was wir für unverzichtbar halten) ein Kategorienfehler (weil auch der Nutzen des anderen ein Nutzen ist). Wenn Ökonomen dazu neigen, ist dies Reflex ihrer Fixierung auf den Eigennutz. Erst wenn Nutzen mit Eigennutz identifiziert wird, kann Altruismus als sein Gegenteil figurieren. Diese Entgegensetzung enthüllt daher eine Gleichsetzung rationalen Handelns mit „self-interest maximization“, und das ist selbst für die Standardökonomik keineswegs selbstverständlich, deckt sich zum Beispiel nicht mit der Bestimmung von Handlungsrationalität als „ends-means-maximization“, die auch einen rationalen Altruismus zulässt (Sen 1987; Khalil 2004). Der Gegensatz zu Altruismus ist Egoismus, nicht Nutzenorientierung. Die Dinge komplizieren sich noch, weil gesagt werden kann, dass auch der Altruist seine (altruistischen) Präferenzen verfolgt. Viele Autoren, etwa Khalil (2004) und Gintis (2005), machen darauf aufmerksam, dass Altruismus insofern kein Gegenkonzept zur Standardökonomik ist, als diese den Inhalt von Präferenzen ausdrücklich offen lässt – offen auch für altruistische Präferenzen. Viele subsumieren Altruismus denn auch geradezu unter das (Eigen-)Nutzenstreben wie zum Beispiel auch Axelrod (1987) der damit das Phänomen bezeichnet, dass der Nutzen einer Person durch die Wohlfahrt einer anderen Person positiv beeinflusst wird. Wer aber, zum Beispiel, seine Schulden bezahlt, obwohl er es sanktionsfrei lassen könnte, handelt in der Regel nicht altruistisch, sondern aus Pflicht. Um es deutlich zu sagen: Die Figur des Altruismus – verstanden als Handeln mit der Motivation/Intention, anderen unter Hintanstellung eigener Interessen außer dem Interesse am Wohl des Anderen zu helfen/zu nützen – wird für die Reziprozität des Gebens und Nehmens nicht gebraucht. In den Worten von Khalil (2004, 98 f.): „One should not model altruism as about honesty (the origin of justice). ... Any behavior stemming from the concern over fairness ... is hence outside the scope

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of the theory of altruism.”. Auch die Trobriander waren und sind keine Altruisten, sondern wussten und wissen, ihren je eigenen Nutzen sehr wohl zu bedenken. Die schiefe Entgegensetzung von Altruismus und Nutzenorientierung hat, gewollt oder ungewollt, die Funktion, als einzige Alternative zur Nutzenorientierung eine Handlungsorientierung hinzustellen, die man, zumal als Ökonom, als wenig relevant abtun kann (s. Ortmann 2004, 143 f., 168 f., 173 f.). Pflichterfüllung muß dann gleichbedeutend mit Altruismus sein und – beider Gegenteil – eben Eigennutz, der damit unter dem Namen „Nutzen“ das Monopol auf die Erklärung sozialen Geschehens behaupten kann. Die Alternative „Altruismus“ aber kann allzu leicht dem Einwand ausgesetzt werden, sie sei z eine – nutzlose?! – Randerscheinung, z ganz überwiegend auf Andere in großer sozialer Nähe beschränkt und z nur in kleinen, homöopatischen Dosen wirtschaftlich durchzustehen. Damit wäre die einzige Alternative zum Nutzenstreben eine quantité négligeable. Quod erat demonstrandum. Im deutlichen Gegensatz zur Marginalisierung des Altruismus durch die Standardökonomik zielen Ernst Fehr und seine Mitstreiter darauf ab, „human altruism“ als „a powerful force“ herauszustellen und für sein Konzept einer „strong reciprocity“ in Anspruch zu nehmen (Fehr/Fischbacher 2005). Allerdings operieren Fehr/Fischbacher manchmal (2003, 785) mit einem „behavioural – in contrast to a psychological – definition of altruism as being costly acts that confer benefits on other individuals“. Das soll – in einem Beitrag für Naturwissenschaftler, die bei Altruismus zum Beispiel an Bienenköniginnen und „altruistische“ Arbeiterinnen denken – von Motiven und Intentionen abzusehen erlauben. Der Preis dafür ist allerdings hoch. Mit der zitierten begrifflichen Bestimmung hätten wir es mit Altruismus zu tun, sobald irgendwelche „costly acts“ positive externe Effekte hätten. Noch der größte Egoist, der solche externen Effekte seines Handelns nicht verhindern kann oder will, avancierte damit zum Altruisten. Auch der Unterscheidung Sens zwischen sympathy und commitment (Mitgefühl und Wertbindung) ist die zitierte Bestimmung nicht mächtig. Das bloße Verhalten lässt ja nicht erkennen, ob Präferenzen oder (auch) das moralische Commitment von Akteuren ihre Entscheidungen bestimmen. Daran sieht man, dass man hier ohne Rekurs auf die Motive und Intentionen der Akteure nicht auskommt99. Tatsächlich dienen die differenzierten Versuchsanordnungen der experimentellen Wirtschaftsforschung ja auch besonders dem Zweck, unterschiedliche

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So auch Khalil (2004), Peacock et al. (2005). Auf diese und viele andere Fragen, die Fehrs ambitioniertes und überragend wichtiges Forschungsprogramm aufwirft, können wir hier nicht näher eingehen; vgl. das Sonderheft der Analyse & Kritik 1/2005 u. a. mit Beiträgen von Fehr/Fischbacher, Gintis und Elster sowie u. E. besonders triftigen Anfragen von Peacock et al. (2005). Auch Falk (z.B. 2003) lehnt eine Gleichsetzung von Reziprozität und Altruismus ab. Khalil argumentiert überzeugend, dass wir noch eine ganze Reihe weiterer Fälle vom Fall des Altruismus unterscheiden müssen, neben der Erfüllung moralischer Pflichten zum Beispiel elterliche Fürsorge und „warm glow“-Motivationen.

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Motive der Akteure auseinanderhalten zu können. Dennoch ist die Differenz unserer Position zu der Fehrs u. a. wohl nicht nur terminologischer Art: Was Fehr/Fischbacher (2003, 785) „strong reciprocity“ nennen – die Prädisposition zu „altruistischem“ Belohnen bzw. Bestrafen kooperativen, normgerechten bzw. unkooperativen, normverletzenden Verhaltens – kann und sollte ohne Rückgriff auf Altruismus, nämlich als Reziprozitätsmoral, aufgefaßt werden, weil und insofern nicht die Besorgnis um das Wohl Anderer dieses Verhalten motiviert, sondern die Überzeugung vom hier moralisch Gebotenen. Das alles bedeutet, dass sich die beiden hier zur Debatte stehenden Gegensatzpaare, Egoismus/Altruismus und Nutzen/Pflicht, nicht etwa decken, derart, dass Nutzenorientierung mit Egoismus und Pflichtorientierung mit Altruismus gleichzusetzen wären. Insbesondere kann nicht deutlich genug herausgestellt werden, dass Egoismus eine Pflichtorientierung nicht nur nicht aus-, sondern einschließt (obwohl Letztere zu Nutzeneinbußen führen kann). Auch der Egoist kann – und muss zu einem Mindestmaß – sein Handeln an Pflichten orientieren, nämlich aus Gründen der Selbstachtung à la Kant oder der self-integrity à la Khalil (2004), die ihn wiederum zur Einhaltung von Mindeststandards der Moral verpflichtet. Und andersherum: Es kann der noch so rigide Pflichtenmensch ein recht hartgesottener Egoist sein, wie etwa jener Puritaner aus der Protestantischen Ethik, der alles tut, um in den Himmel zu kommen. Umgekehrt trifft es nicht etwa zu, dass Altruismus immer das moralisch Richtige oder Gebotene ist, wie man sich leicht an Fällen klarmachen kann, bei denen der Andere ein Dieb, ein Mörder, ein KZ-Scherge ist. 1.5. Reziprozität der Perspektiven Da bis hier unser Argument ganz auf die Intention und Motive der Akteure abzustellen scheint, beeilen wir uns, diese Korrektur anzufügen: Innerhalb des Sozialen werden nicht – nicht direkt – diese inneren Befindlichkeiten relevant, sondern das, was davon in der Kommunikation, Interaktion, Kooperation und in der Zurechnung durch die anderen zur Geltung und Anerkennung gebracht wird. Dabei aber spielen Rekurse der mehr oder minder lebenserfahrenen Akteure auf vermeintliche oder tatsächliche, zu Unrecht oder zu Recht zugerechnete Intentionen und Motive der Akteure eine wichtige Rolle. Implizit setzt die Standardökonomie genau diese wechselseitigen Zuschreibungsprozesse voraus. Denn die ökonomische Theorie basiert auf der Annahme, dass die Akteure wechselseitig das Verhalten der Gegenüber vorhersagen können. Nur wenn der Einzelne weiß, was die Anderen von ihm erwarten, kann er seine Rolle in einer arbeitsteiligen Wirtschaft überhaupt definieren. Konstitutiv für „die Überwindung des Nichtwissens hinsichtlich dessen, was zu tun“ (Picot/Dietl/Franck 2002, 8) ist, erweist sich also die Frage nach der eigenen Positionierung in einem System wechselseitiger Erwartungen. An prominenter Stelle wird dieses Problem in der Spieltheorie thematisiert. „These concepts require people to be able to view the game from the 216

other players’ perspective (i.e., to understand others’ motives and beliefs)” (Singer/Fehr 2005, 340). Aber auch in der starren Rollenkonfiguration der AgencyTheorie erweist sich implizit100 die Fähigkeit zur Empathie für die eigene Nutzenmaximierung als nützlich, da sie den Einzelnen befähigt, die Handlungen des Gegenübers präziser vorherzusagen (Singer/Fehr 2005). Befreit man die Akteure aus dem axiomatischen Korsett der puren Nutzenmaximierung, so kann die Fähigkeit zu Empathie auch den Eigennutz reduzieren, „because it allows the sharing of emotions and feelings with others and therefore motivates other-regarding behavior“ (Singer/Fehr 2005, 340). Zielt Empathie eher auf die Handlungsmotive und Emotionen des Gegenübers, so fokussiert „mentalizing“ auf die Fähigkeit „to represent others’ intentions, beliefs, and desires“ (Singer/Fehr 2005, 340). Fehlt die Fähigkeit, den Geist des Gegenübers zu „lesen“, so sind Fehlschläge und Abbrüche in der Kommunikation und sozialen Interaktion unausweichlich. Die Fähigkeit, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, sich eine Vorstellung von seinen Motiven und Erwartungen zu machen – kurzum die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme – , erscheint in allen – ökonomischen – Interaktionszusammenhängen von zentraler Bedeutung. „Much of the social behavior is predicated upon assumptions of an actor about the knowledge, beliefs and motives of others. This is the beginning of the process of perspective taking, and is fundamental to communications” (Boland/Tenkasi 1995, 348). Mag die wechselseitige Perspektivenübernahme für eine gelingende Kommunikation und Handlungskoordination noch so evident sein, die Wahrnehmungsposition von alter bleibt jedoch ego generell verschlossen. So sehr sich der Verstehende auch bemüht, es bleibt dabei, “dass alles echte Fremdverstehen auf Akten der Selbstauslegung des Verstehenden fundiert ist“ (Schütz 1960, 123). Denn mögen die Gegenstände dieser Welt alter auch bekannt oder erkennbar sein, so ist doch ego klar, dass ein und derselbe Gegenstand für jeden etwas anderes bedeutet. Um diesen Unterschied zu markieren, verwendet Schütz (1971) den Distanzbegriff: Ego steht in einer anderen Distanz zu den Gegenständen als alter. Während bestimmte Gegenstände daher nicht in egos Reichweite in Form von Sehen, Hören oder Tasten sind, können sie möglicherweise von alter erreicht werden. Darüber hinaus sieht Schütz (1971) einen Unterschied in der Differenz zwischen der bibliographischen Situation von ego und alter. Auf diesen Unterschied gründen sich auch unterschiedliche Relevanzsysteme (Stegbauer 2002). Diese individualistische

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Was Singer und Fehr (2005) für die Spieltheorie beanstanden, lässt sich in noch stärkerem Ausmaß bei der Principal-Agency-Theorie kritisieren. Die Autoren monieren, dass die Spieltheoretiker in Spielen mit unvollständigen Verträgen eine technische Vereinfachung wählen, indem sie „a common prior distribution over players’ potential preferences (‚types’)“ unterstellen (Singer/Fehr 2005, 344). Zwar hat diese Vereinfachung den Ökonomen die Lösung solcher Spiele ermöglicht, die Frage nach den Determinanten „of this prior probability distribution“ (Singer/Fehr 2005, 344) wurde jedoch noch nie adressiert, geschweige denn beantwortet. „In fact, the assumption of a prior distribution over types constitutes a huge black box” (Singer/Fehr 2005, 344). Mit Bezug auf die Neoökonomie versuchen Singer und Fehr (2005), diese Black Box zu öffnen.

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Perspektive überwindet Schütz (1971) durch zwei grundlegende Idealisierungen (Stegbauer 2002): z Die Idealisierungen der Vertauschbarkeit der Standorte: Würde ego den Platz von alter einnehmen, stünde er in derselben Distanz zu den Gegenständen und nähme diese in denselben typischen Eigenschaften wie alter wahr. Zudem wären für ego dieselben Gegenstände in Reichweite, die von alters Platz aus zu erreichen sind. z Die Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme: Es ist ego selbstverständlich, dass die Unterschiede der biographischen Situation, die letztlich die Differenz der Standorte bedingen, für die momentanen Interessen von alter irrelevant sind. Die genannten Idealisierungen konstituieren bei Schütz (1971, 12) die Generalthese der reziproken Perspektiven101: „Die Generalthese der reziproken Perspektiven führt also dazu, dass Gegenstände mit samt ihren Aspekten, die mir tatsächlich und dir potentiell bekannt sind, als Gegenstände im Bereich des Wissens von jedermann erfasst werden. Dieses Wissen ist objektiv und anonym, das heißt, es ist abgelöst und unabhängig von meiner und meiner Mitmenschen Definition der Situation, von unseren einzigartigen biographischen Vorgegebenheiten und unseren wirklichen und möglichen Zielen, die uns mit unseren Biographien verfügbar sind“. Wir erwarten von unseren Mitmenschen, dass diese unser Relevanzsystem teilen, unsere Lebensweise kennen und wissen, wie man sich normalerweise in unterschiedlichen Situationen zu verhalten hat (Schütz 1971; Stegbauer 2002)102. Während dieses Wissen nur zu einem geringen Teil der eigenen Erfahrung entspringt, ist der größte Teil sozialen Ursprungs. Schule, Freunde, Elternhaus und Arbeitsstätten sind nur einige Institutionen, die dem Individuum Definitionen der Umwelt vermitteln. Diese Vermittlung beinhaltet jedoch nicht nur eine relativ natürliche Anschauung der Welt, sondern auch „typische Konstruktionen in Übereinstimmung mit dem Relevanzsystem ..., das von dem anonymen, gemeinsamen Standpunkt der

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Aber nicht nur in der Phänomenologie Schützscher Prägung spielt die Reziprozität der Perspektiven eine zentrale Rolle. Auch der symbolische Interaktionismus argumentiert mit diesem Konzept. Kommunikation ist in dieser Perspektive ein ständiges, wechselseitiges Orientieren der Kommunikationspartner. Indem wir im Rahmen der Kommunikation Symbole nutzen, versetzen wir uns in die Perspektive des Gegenübers und übernehmen gedanklich seine Rolle. „Aus dieser Perspektivenübernahme resultiert die Erwartung bestimmter Erwartungen: Wie wir uns verhalten, was wir wie mitteilen, kann also ein Ergebnis der Reziprozität der Perspektive angesehen werden“ (Stegbauer 2002, 126). Genau an dieser Stelle setzt die Ökonomie mit ihrem Begriff des common knowledge (Aumann 1976) an. Indem Investoren und Unternehmensmanagement sich in ökonomischer Diktion wechselseitig nutzenmaximierendes Rationalverhalten unterstellen und hieraus deduktiv bestimmte Verhaltensweisen ableiten, schließen sie an gesellschaftlich akzeptierte Rollentypisierungen an. Während die Ökonomie nun diese Typisierungen quasi unterhinterfragt zur Grundlage ihrer Theoriekonstruktion macht und damit von vornherein massiv Komplexitätsreduktion betreibt, betreibt die Wissenssoziologie – wie am Beispiel der Analysepraxis verdeutlicht – zunächst Komplexitätsaufbau, indem sie das Alltagsverständnis in Form von akzeptierten Rollentypisierungen und –motiven zum Gegenstand der Analyse macht.

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Eigengruppe übernommen wird“ (Schütz 1971, 15). Enthalten sind hier etwa typische Mittel, um typische Ziele in typischen Situationen realisieren zu können103 . Inwieweit die individuellen Interpretationen tatsächlich denen der Anderen entsprechen, zeigt sich an deren Reaktion (Stegbauer 2002). (Fremd-)Verstehen kann um so eher und fehlerfreier stattfinden, desto mehr die Kommunikationspartner sich in identischen sozialen Welten bewegen. Der Empfänger von Wissen kann dann mit größerer Berechtigung von einer Reziprozität der Perspektiven zwischen ihm und dem Sender des Wissens ausgehen und das Empfangene in seine Wissens- und Sinnsysteme integrieren. Wie unlängst Singer und Fehr (2005) verdeutlichen, hat das Konzept der Reziprozität der Perspektiven implizit Anklang in der Ökonomie gefunden. Ohne auf die soziologischen Vorläufer zurückzugreifen, ist es zum Gegenstand der experimentellen Wirtschaftsforschung geworden. Die interaktionsbestimmende Dominanz von Reziprozität und Fairness in den Geschenke- und Vertrauensspielen lässt sich nach Ansicht der Forscher (Sigmund/Fehr/Norwak 2002; Singer/Fehr 2005) auf emotionale Grundlagen, etwa „soziale Gefühle“ oder auch das Hineinversetzen in den anderen zurückführen. „Letzteres ist aber nichts anderes als eine Wiederentdeckung einer der Grundlagen der Soziologie, jetzt aber durch andere Disziplinen, die von der empirischen Wirtschaftforschung über Verhaltenspsychologie bis zur Soziobiologie reichen“ (Stegbauer 2002, 128-129). 1.6. Vertrauen, Loyalität, Fairness und Reputation – zum Anökonomischen in der Ökonomie Beim Geben und Nehmen haben wir es nicht einfach mit ökonomischen Erwägungen einerseits und nicht-ökonomischen andererseits zu tun. Wir sind vielmehr damit konfrontiert, dass Nutzen und Pflichten einander (forcieren, aber auch) beeinträchtigen können, dass zum Beispiel Nutzenerwägungen Pflichtmotive unterminieren, korrumpieren und ihrer moralischen Qualität berauben können – können, nicht müssen. Das gilt nicht nur in Liebes- oder Freundschaftsbeziehungen, sondern überall, wo wir voneinander so etwas wie Antworten im weitesten Sinne und, horribile dictu, Anstand verlangen: unter Nachbarn, unter Kollegen, zwischen Zulieferern und Abnehmern, unter Netzwerkpartnern, zwischen Verkäufern und Kunden, in Kooperationsbeziehungen, wenn auch in sehr verschiedenem, manchmal ganz geringfügigem Maße. Nicht nur heißt es zu Recht: can’t buy me love, sondern es muss auch heißen: can’t buy me trust. Und nicht nur kann ich mir so etwas nicht kaufen, sondern ich laufe Gefahr, es zu zerstören, wenn ich es zu kaufen versuche. Diese Figur ist verwandt mit dem von Deci (1975) zunächst als „Korrumpierungseffekt der 103

Schütz (1971, 16) betont hier die zentrale Rolle der Alltagssprache, umfasst doch jeder „Name eine Typisierung und Generalisierung, die auf ein in der sprachlichen Eigengruppe vorherrschendes Relevanzsystem ..., für die das benannte Ding wichtig genug war, es mit einem besonderen Wort zu belegen“.

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extrinsischen Motivation“ bezeichneten Phänomen. Später wurde es von Frey (1997) als Verdrängungs-Effekt („crowding out“) in die Ökonomie eingeführt. Extrinsische (ökonomische) Anreize zerstören unter ökonometrisch und experimentell erhärteten Bedingungen die intrinsische Motivation (s. auch Frey/Osterloh 2000). Das heißt, und das kompliziert die Dinge erst richtig, dass das Wirtschaften, sofern es derlei voraussetzt, nicht nur Anökonomisches, sondern Antiökonomisches voraussetzt, etwas, das vom ökonomischen Kalkül gefährdet und zersetzt werden und es seinerseits beeinträchtigen kann. Nicht nur kann Moral Abstriche am Nutzen fordern. Sondern Wirtschaften kann andererseits ohne Moral, ohne Pflicht, ohne Vertrauen nicht auskommen, ohne etwas, für das ein wirtschaftliches Kalkül – Nutzenkalkül – aber vielleicht Gift ist. Das wäre, um die berühmte Metapher Arrows zu bemühen, wie ein Schmiermittel, das von der Maschinerie, die es zu schmieren hat, der Ökonomie, zersetzt wird wie Öl von lipophagischen Bakterien. Dass Vertrauen ein effizientes Schmiermittel im Räderwerk des sozialen Systems ist, daran besteht seit diesem vielzitierten Diktum Arrows (1974) auch aus der Sicht strikt ökonomischer Theorie kein Zweifel mehr. Dennoch mag es überraschen, dass in Dieter Sadowskis Personalökonomie und Arbeitspolitik (2002) das Stichwort „Vertrauen“ laut Index mit 24 Nennungen unter über 250 Stichwörtern am vierthäufigsten vorkommt, nach „Arbeitsmarkt“ (47 Nennungen), „Gewerkschaft(en)“ (42) und „Kündigung“ (33)104. Eine „vertrauenswürdige Unternehmensordnung“ stuft Sadowski (2002) als „Organisationskapital“ und, unter Rekurs auf Edith Penrose, als Basis für Profitabilität, Überleben und Wachstum ein. Es ist ein Kapital, das Kooperationsrenten zu erzielen erlaubt. 1. Allein zum Thema Vertrauen gibt es mittlerweile eine unerschöpfliche Literatur105, die wir hier nicht annähernd zusammenfassen können. Unter den unendlich vielen, oft wertvollen Differenzierungen, die das Vertrauen darin durchgemacht hat, droht nach unserem Eindruck oft verloren zu gehen, worauf es uns jedoch ankommt: dass Vertrauen (1.) nicht, auch nicht im weitesten Sinne eines nutzenbasierten Tauschs, „gekauft“ werden kann, weil es eine in der Literatur meist stiefmütterlich behandelte moralische Dimension hat, und dass es (2.) auf Reziprozität angewiesen ist. Nur das möchten wir hier knapp begründen. Zu Punkt (1.) zitieren wir nur Oliver Williamson, der die Unvereinbarkeit zwischen Vertrauen und Nutzenkalkulation genau gesehen und an mehreren Stellen (1990, 1993) ausdrücklich hervorgehoben hat. „Indeed, I maintain that trust is irrelevant to 104

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Die Stichworte „Fairness (Æ Gerechtigkeit)“ und „Gerechtigkeit (Æ Fairness)“ bringen es mit 19 und 20 Nennungen ebenfalls auf vordere Plätze, „Reputation“ schneidet mit 16 Nennungen gut ab, und auch „Loyalität“ (8) belegt einen Platz im oberen Drittel. Zum Beispiel Deutsch 1960; Gambetta 1988; Luhmann (1989); Coleman (1991); Kramer/Tyler 1997; Lane/Bachmann (1998); Rousseau et al. 1998; Möllering (2003); Ortmann (2003: O/W); Weibel (2004,. 110 ff.).

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commercial exchange and that reference to trust in this connection promotes confusion.“ (Williamson 1993, 469) Er hat auch gesehen, dass die „Rechenhaftigkeit, die Ökonomen in anderen Fragen vorteilhaft zur Anwendung bringen, … hier ein Nachteil sein [mag]“ und “dem Vertrauen ins Gehege kommen” kann (Williamson 1990, 345). Wir heben also hervor, dass das heutzutage vielfach in Anspruch genommene kalkulative Vertrauen (Lewicki/Bunker 1995) ein hölzernes Eisen ist und dass Vertrauen vielmehr geradezu, mit Luhmann zu sprechen, als funktionales Äquivalent für Kalkulation gelten kann. Autoren, die Vertrauen als Resultat einer Nutzenkalkulation auffassen wie zum Beispiel Kreps/Milgrom (1982), Dasgupta (1988), Gambetta (1988) und Coleman (1991), verfehlen entsprechend ihren Gegenstand, was sich daran zeigt, dass sie Vertrauen nicht von einer Wette oder einem Rechenkalkül unterscheiden106. Die moralische Dimension des Vertrauens ist darin zu sehen, dass es sich a) auf eine moralische Qualität des Vertrauensempfängers bezieht, eben auf seine Vertrauenswürdigkeit, und nicht auf seine Schlauheit beim Nutzenkalkül und dass Vertrauen b), moralisch gesehen, erwidert sein will. Mit b) sind wir bei Reziprozität als Basis von Vertrauensverhältnissen, unserem Punkt (2.). Wem Vertrauen entgegengebracht wird, der muss nicht unbedingt seinerseits vertrauen, aber er verletzt den Anstand, wenn er das entgegengebrachte Vertrauen missbraucht. Er ist in der Pflicht, die Gabe des Vertrauens durch die Gegengabe zu erwidern, sich des Vertrauens würdig zu erweisen. Dass Nutzenkalküle diesen Moralanteil107 des Vertrauens bedrohen können, liegt ebenso auf der Hand wie umgekehrt, dass die hier geltende Moral Abstriche am Nutzen fordern kann. Die Reziprozitätsnorm bezieht sich also auch hier auf eine Pflicht des Gebens, Nehmens und Erwiderns. Dass entsprechende Handlungsorientierungen in der Lage sind, wie Sadowski es formuliert hat, „den cash-nexus erweiternde, auf Reziprozität beruhende Beziehungen zu schaffen“108, spitzen wir zur Klarstellung so zu: Es sind Beziehungen, die den Nutzen-Nexus erweitern, und eben nicht nur erweitern, sondern eventuell auch angreifen. So wenig aber Vertrauen um eines Nutzens willen gegeben werden kann, so sehr werden Vertrauensverhältnisse doch erodieren, wenn es an solcher Reziprozität gebricht. Vertrauen ist keine Einbahnstraße. 2. Darüber, dass Loyalität ökonomisch und auch einzelwirtschaftlich relevant ist, hat Albert O. Hirschman ein berühmtes Buch geschrieben. Das Denkmotiv ist einfach und nötigt einmal mehr zu einer Ergänzung/Ersetzung von Annahmen der Standard-

106

Zur Kritik s. Ortmann (2003), Weibel (2004). Wir sagen Moralanteil, weil wir nicht etwa bestreiten, dass in jedem empirischen Vertrauensverhältnis ein mehr oder minder nutzenbedachter Blick auf respektive Vorteile und auf Chancen und Risiken mitläuft. Es ist nicht blindes Vertrauen, dem wir das Wort reden. 108 Sadowski (2002) unter Rekurs auf die oben angeführte Arbeit Akerlofs (1982) zum Gabentausch in Arbeitsbeziehungen und Ouchis Clans (Ouchi 1980); s. auch Sadowski (2002). 107

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ökonomik: Hirschman selbst hat als dieses Motiv im Vorwort zur deutschen Ausgabe die „Besorgnis“ angeführt, „daß durch die Abwanderung jener, deren Widerspruch unüberhörbar wäre, ein besonders wirksames Mittel gegen den Niedergang verloren gehen könnte“ (Hirschman 1974, S. VII). Auswanderer, die ihr Land, Parteimitglieder, die ihre Partei, Mitarbeiter, die ihr Unternehmen verlassen, aber auch Kunden, die einem Unternehmen oder einer Marke „untreu“ werden, sind paradigmatische Beispiele. Sie schwächen damit vielleicht ihr Land, ihre Partei, ihr Unternehmen. Loyalität kann (allzu frühe) Abwanderung verhindern, fördert Mitarbeiter- und Kundenbindung und kann daher wirtschaftlich erwünscht sein. Das mit Abstand längste Kapitel von Abwanderung und Widerspruch ist daher einer „Theorie der Loyalität“ gewidmet. Dabei ist Hirschman (1974, S. 67) von Anfang an bemüht, den „sehr großen Anteil an rationalem Kalkül“ an jeder Loyalitätsbindung herauszuarbeiten. „Honesty is useful“ hat Akerlof (1983, S. 56) in einem Beitrag über „Loyalty Filters“ einmal gesagt – mit Blick auf den Wohlstand der Quäker und ihre hohe Reputation der Vertrauenswürdigkeit. Dem stimmen wir zu und ergänzen allerdings, dass rationales Kalkül, sofern es wie bei Hirschman als Nutzenkalkül gemeint ist, zwar einen Anteil, aber nicht das Ganze der Loyalität ausmacht. Hirschmans Frage lautet im Kern, wann Loyalität sinnvoll, nämlich funktional für die Organisation ist. Eine ebenso interessante Frage ist, wann und wie es zu Loyalität kommt. Diese Frage führt sofort in die Welt der Reziprozität – eines Gebens und Nehmens von Respekt, Fairness und Anerkennung. Darauf gründet nämlich Loyalität. Durch Kauf, Tausch und Nutzenkalküle würden diese Orientierungen in ihrem nichtkalkulativen Kern ausgehöhlt. 3. Fairness als Führungseigenschaft – oder als institutionalisierter Bestandteil einer vertrauenswürdigen Unternehmensordnung im Sinne Sadowskis – entfaltet ihre motivierende und legitimierende Kraft (Sadowki 2002, passim) gerade dann und um so mehr, wenn sie nicht als Motivationstechnik und -trick, also im Dienste eines Nutzens, instrumentalisiert, sondern aus Anstand gewährt wird (Weibel/Rota 2000). Das gilt cum grano salis selbst für die Fairness von Löhnen – man denke etwa an die fair wage/effort hypothesis von Akerlof und Yellen (1988). Allerdings müssen wir einräumen (und das bereitet unserer Theorie der Reziprozität gewaltige Probleme): wovon Gerechtigkeitsurteile ihrerseits abhängen, ist eine überaus komplexe Angelegenheit109. 4. Auch Reputation, ökonomisch unbestritten vorteilhaft, unterliegt, sofern sie sich auf moralische Qualitäten der Integrität, Ehrbarkeit, Glaubwürdigkeit und Korrektheit

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Sadowskis Erörterung (2002), die eine verständliche Frustration angesichts magerer Ergebnisse der soziologischen Forschung zeigt, wäre etwa zu ergänzen durch den Einbau der Theorie der Referenzgruppen (Merton 1957): Gerechtigkeitsurteile werden durch den Vergleich mit Bezugsgruppen beeinflusst. Dann werden komplexitätstheoretische Denkfiguren gebraucht.

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bezieht, der Paradoxie, dass ihr Aufbau untergraben wird in dem Maße, in dem das ökonomische Interesse an Reputationssicherung durchsichtig wird. Wer ein „ehrbarer Kaufmann“ nur deswegen und nur da ist (oder es gar nur vortäuscht), weil und wo es ihm nützt – weil er Reputationsrenten110 sucht –, ist kein ehrbarer Kaufmann und wird in seinem rent-seeking gefährdet, sofern er darin durchschaut wird. Was Kreps (1990) als Vertrauens- respektive Reputationsspiel modelliert, bietet nur eine Version des Gefangenendilemmas. Es bleibt auf der Ebene bloßer Kalkulation. Den Namen „Vertrauensspiel“ verdient es nicht. Wenn also, wie es oft geschieht, der These von einem unhintergehbaren Rekurs auf Moral der Hinweis entgegengehalten wird, auch das sei in Nutzenbegriffen zu fassen, weil es um den Nutzen der Reputation ginge, dann ist zu erwidern: Diese Erklärung ist jener Fall von begging the question, der uns schon im Diskurs der Ethnologen (LéviStrauss, Bourdieu) begegnet war. Denn wir reden hier ja von einer Reputation der Anständigkeit. Ohne dass wir Anständigkeit positiv beurteilten, gäbe es auch keine Reputation der Anständigkeit. Selbst der, der sie nur vortäuscht, zehrt von der damit implizierten Moral. Er ist Parasit jener Pflichtorientierung, die das Argument mit dem Reputationsnutzen zu bestreiten versucht. Ein guter Ruf bedeutet Ruf der Integrität, nicht Schlauheit – auch nicht Schlauheit beim Reputationserwerb. Der Ruf, ein gewiefter Reputationsstreber zu sein, beschädigt vielmehr den guten Ruf.

110

Zu diesem Begriff s. Franck (2002) mit Blick auf die Reputation von Programmierern, die sich in der OpenSource-Bewegung engagieren – um ihre Karrierechancen zu erhöhen?

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2. Steuerungspraktische Evidenz eines interdisziplinären Reziprozitätsverständnisses 2.1. Reziprozität und Steuerung in Organisationen Unsere These ist also: So nützlich Interaktion und Kooperation sein mögen, und wie dominant ihr Nutzen als Motiv auch ist: sie kommen ohne Normen der Reziprozität und eine „Ethik der Gabe“ nicht aus, die nicht noch auf Nutzenerwägungen zurückgeführt werden können. Dass dies für jedwede Kooperation gilt, kann man sich schon daran klarmachen, dass es den Beteiligten ohne eine moralinduzierte Bereitschaft zu Vorleistungen, Vertrauensvorschüssen u. ä., einschließlich einer ebenfalls moralbasierten Erwartung späterer Erwiderung, kaum möglich wäre, das Geben und Nehmen, auf dem jede Kooperation gründet, ohne beständige Stockungen, Unterbrechungen und Friktionen „fließen“ zu lassen. Unter Rekurs auf Arrows Informationsparadox lässt sich sogar argumentieren, es sei unmöglich, den erforderlichen, reibungslosen Wissensfluss auf Basis von Nutzenkalkülen zu gewährleisten, weil der Nutzen, den das transferierte Wissen für den Empfänger hat, weder vom Gebenden noch vom Nehmenden vorab gewusst werden kann. Die Funktion eines moralischen Klimas des Gebens und Nehmens, einer gewissen Freigebigkeit, ist es, solche Lücken der Kalkulierbarkeit zu schließen. Die zugehörige Pflicht der Erwiderung übernimmt dabei die Funktion, das Risiko der Vorschüsse gering zu halten. Diese Funktionen kann die Moral aber, wie erläutert, nur haben, wenn sie nicht ihrerseits auf Berechnung gründet. Und, nota bene: Ein Geben in der halbwegs sicheren Erwartung, der andere werde seiner Erwiderungspflicht nachkommen, bedeutet noch nicht, dass die Gabe um der Gegengabe willen gegeben wurde. Man gibt eben Hilfestellung, Tipps und andere Kooperationsbeiträge (auch), weil es sich gehört – aus Pflicht, aus Anstand, aus Hilfsbereitschaft. Das wiederum bedeutet nicht Altruismus und nicht Blauäugigkeit, weil und sofern faire Erwiderungen erwartet werden können. Angesichts dieser Reziprozitätserfordernisse der Kooperation verwundert es nicht, dass besonders die Organisations- und Personalforschung mit ihrem Steuerungsinteresse das Phänomen immer wieder in den Blick genommen hat, sekundiert von Ökonomen, die sich für das Innere der Unternehmung interessieren, meist allerdings ohne zwischen nutzen- und pflichtorientierter Reziprozität zu unterscheiden. Auf allgemeinster Ebene darf wohl die soziologische Rollentheorie als die Alternative (oder Ergänzung) zum ökonomischen Handlungsmodell gelten. Handeln wird darin im Lichte der Erfüllung von Normen (Rollenerwartungen) gesehen, wo Ökonomen das Nutzenstreben fokussieren. Für Organisationen haben March und Olsen der „logic of consequentiality“, der Antizipation des Nutzens von Konsequenzen, eine „logic of appropriateness“ gegenübergestellt, eine Logik obligatorischen Handelns. Deren Imperativ lautet „do the right thing“ oder „do what is most appropriate“ und nicht: “Choose the alternative that has the best consequences“

(March, Olsen 1989, 23). Mit Blick auf Unternehmungen und – allgemeiner – Organisationen hat besonders James D. Thompson (1967, 54) den Sachverhalt der reziproken Interdependenz ihrer Teile hervorgehoben und daran scharfsinnige Überlegungen, betreffend zugehörige Koordinations- und Steuerungsweisen, angeschlossen. Tenor: Bei reziproker Interdependenz ist gegenseitige Abstimmung in situ („mutual adjustment“) die gebotene Koordinationsweise, nicht Standardisierung und nicht Planung. Dass Kollegen Konstrukteure eines geteilten Verständnissen ihrer Arbeit und Arbeitssituationen sowie ihrer eigenen Identität und – „reciprocally“ – der Identität und Entwicklung ihrer community of practice sind, wie Brown und Duguid (1991) betont haben, lässt sich als Konkretisierung dessen lesen. Auch Thompson macht keine Unterscheidung zwischen Pflicht und Nutzen als treibende Kräfte solcher Abstimmung. Sein Konzept der organisationsinternen Reziprozität aber, mit Leichtigkeit übertragbar auf interorganisationale Verhältnisse, etwa in Unternehmungs- und Innovationsnetzwerken, lenkt die Aufmerksamkeit auf die enorme, wegen ihrer Selbstverständlichkeit wenig bedachte betriebswirtschaftliche Bewandtnis von Reziprozitätsverhältnissen, Bewandtnis nämlich für jedwede Kooperation und Koordination, die ohne ein Geben, Nehmen und Erwidern nicht auskommen111. Mit Blick auf organisationale Zusammenhänge verweisen wir ferner auf Ralph Staceys „complex responsive process perspective“, in der die Responsivität aller Interaktionsprozesse und die „gesture-response structures“ in Organisationen in den Fokus gerückt werden. Anschlüsse zur responsiven Phänomenologie, die Stacey kaum kennen kann, drängen sich auf und sind geeignet, die sozialen und auch die moralischen Aspekte des Gebens und Nehmens von Antworten deutlicher herauszuarbeiten, als Stacey (2001) selbst es tut. Akerlof (1982) – wie bereits erwähnt – konzipiert Arbeitsverträge als partiellen Gabentausch. Williamson (1990, 171) betont die Rolle von Fairness und Gerechtigkeit als Differenzierungsmerkmal von Organisations- und Steuerungsformen: „Der Gerechtigkeitssinn variiert systematisch je nach der Organisationsform“. Schlicht (2004, 241) unterstreicht unlängst, dass in Arbeitssituationen, wo Motivation, Involvement und Commitment wichtig sind, „selfishness may be outcounted by generosity“.

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Anders James Coleman, der eine wechselseitige Existenzfähigkeit (reciprocal viability) von Beziehungen nur auf Märkten bejaht, wo Tauschhandlungen selbständige paarweise Beziehungen begründen, die jeweils dyadisch balanciert werden müssen. In Organisationen sei das nicht erforderlich. Dort gebe es eine unabhängige Existenzfähigkeit (independent viability), gestiftet durch die – voneinander unabhängigen? – Beziehungen jedes Organisationsmitglieds zur Organisation. Dabei wird mittels Entgelt für die Balance gesorgt, „womit die Notwendigkeit der wechselseitigen Existenzfähigkeit ... aufgehoben ist (sic)“ (Coleman 1992, 136). So aufschlussreich diese Unterscheidung ist, so zeugt sie doch von einer Verkürzung von Sozialität: Dass die Existenzfähigkeit von Beziehungen auch innerhalb von Organisationen nicht vollständig unabhängig ist, sondern trotz Unabhängigkeitszugewinnen via Entgelt in hohem Maße reziprok bleibt, das haben Arrow, Akerlof, Burawoy und Thompson gezeigt. Vgl. dazu auch Küpper, Felsch (2000, 57 ff, 176 f).

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Diese Argumente lassen sich bestärken durch die Theorie unvollkommener Verträge (Hart 1995). Besonders Arbeitsverträge sind bekanntlich unvollständig. Ein Unternehmen verfügt zwar rechtlich über den Einsatz der Arbeitskraft, die faktische Verfügungsmacht verbleibt jedoch beim Beschäftigten selbst, solange seine Arbeitskraft nicht von seiner Person zu trennen ist, und es gibt Grenzen formalrechtlicher Vereinbarungen. Das öffnet den Blick für soziale Austauschbeziehungen und das Konstrukt der Reziprozität als inhärenten Bestandteil jeder längerfristigen Arbeitsbeziehung. „The concepts of social exchange (Blau 1964) and the norm of reciprocity (Gouldner 1960) have long been used by organizational researchers to describe the motivational basis behind employee behaviours and the formation of positive employee attitudes (March, Simon 1958; Levinson 1965)” (Settoon, Bennett, Liden 1996, 219). Aus sozialpsychologischer und soziologischer Perspektive werden heute besonders zwei organisationsinterne Steuerungsmechanismen beachtet, die auf Reziprozität in Arbeitsbeziehungen abstellen: (1) psychologischer Vertrag und (2) Organizational Citizenship Behavior. Die Mechanismen überlappen inhaltlich recht stark. Aus Gründen der Anschaulichkeit werden sie hier jedoch getrennt dargestellt. 2.1.1. Psychologischer Vertrag Neben dem Steuerungsmedium Arbeitskontrakt, das die Beziehung zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer in formaler Weise koordiniert, tritt in die Arbeitsbeziehung der psychologische Vertrag. Dieses als zusätzliches, implizit wahrgenommenes Versprechen wird von Rousseau (1989, 123) definiert als „an individual’s beliefs regarding terms and conditions of a reciprocal exchange agreement between that person and another party“. Zentral ist, dass es nicht darum geht, was der Versprechende meint, sondern darum, was der Empfänger des Versprechens wahrnimmt und interpretiert (Rousseau 1995). Der psychologische Vertrag, der immer auch dynamischen Veränderungen unterliegt, kommt letztlich einer ernst gemeinten „Verpflichtung“ gleich (Bartscher-Finzer/Martin 2003), deren „Verletzung“ zwar nicht justiziabel ist, aber aufgrund entsprechender Verhaltenskonsequenzen durchaus ökonomische Wirkungen nach sich ziehen kann (bspw. Stille Kündigung, Mobbing, Personalfreisetzung). „The norm of reciprocity represents the key explanatory mechanism that underlies psychological contract theory” (Coyle-Shapiro/Kessler 2002, 70). Rousseau (1989, 128) argumentiert, dass in Austauschbeziehungen die Annahme besteht “that contributions will be reciprocated and that … the actions of one party are bound to those of another”. Morrison und Robinson (1997, 248) heben die Relevanz von Reziprozität hervor, indem sie argumentieren: “violation comes not only from the organisation’s presumed failure to reciprocate goods and services as promised, but also from its presumed failure to live up the norms and standards of reciprocity and goodwill that govern the relationship”. In Übereinstimmung mit Rousseau stellt für sie 227

die wahrgenommenen Verpflichtungen und das Ausmaß, in dem diese Verpflichtungen erfüllt werden, die Essenz des psychologischen Vertrages dar. Die Folgen psychologischer Verträge – die positiven wie insbesondere die negativen bei Vertragsbruch und -veränderung – wurden und werden in der Literatur intensiv diskutiert (Herriott/Manning/Kidd 1997; Lester et al. 2002; Robinson/Morrison 1995, 2000; Robinson/Rousseau 1994). Zahlreiche empirische Studien in diesem Bereich haben gezeigt, dass Arbeitnehmer einen wahrgenommenen Vertragsbruch ihres Arbeitgebers mit (i) einer entsprechenden Reduktion ihres eigenen Commitments (Coyle-Shapiro/Kessler, 2000), (ii) einer Verringerung ihres Vertrauens in den Arbeitgeber (Robinson/Rousseau, 1994), (iii) einer Reduktion ihrer Leistung (Robinson, 1996) sowie (iv) einem Entzug ihres so genannten „organizational citizenship behaviour“ (Robinson/Morrision, 1995) erwidern. Nach einer anfänglich einseitigen Fokussierung auf die Arbeitnehmerperspektive entstanden in den vergangenen Jahren zunehmend Arbeiten, die die Arbeitgeberperspektive im Rahmen der reziproken Arbeitsbeziehung integrieren (Coyle-Shapiro/Kessler 1998, 2002; Lewis-McClear/Taylor 1998; Teklap/Taylor 2001, 2003). Dadurch wurde der Blick auf die Gegenseitigkeit in der Arbeitgeber/Arbeitnehmerbeziehung gelenkt und die hiermit verbundenen Steuerungspotentiale des psychologischen Vertrages expliziert. 2.1.2. Organizational Citizenship Behavior Eng mit der psychologischen Vertragstheorie verknüpft ist das Konzept des „Organizational Citizenship Behavior” (OCB)112. „Die Parallelen zwischen OCB und dem psychologischen Vertragskonzept sind unverkennbar. In der Terminologie des psychologischen Vertrags kann OCB als Leistungsbereich der Mitarbeiter gesehen werden, mit dem gewisse Organisationsleistungen in reziproker Form beglichen werden“ (Matiaske, Weller 2003, 111). OCB ist das wohl bekannteste Konzept des so genannten Extra-Rollenverhaltens, das in der Forschung zur intraorganisationalen Steuerung ein zunehmendes Interesse erfährt. Gemeint ist, dass Personen mehr als das leisten, was von ihrer Rolle erwartet oder verlangt wird. Organ (1988), der als Begründer des OCB-Konzeptes betrachtet werden kann, definiert OCB als „Verhalten im Ermessen von Individuen, das weder direkt noch explizit von formalen Belohnungssystemen honoriert wird, und das in der Summe das effektive Funktionieren der Organisation fördert“ (Zit. in der Übersetzung durch Hertel, Bretz, Moser 2000). An dieser Stelle wird der Bezug zum Konzept der Reziprozität aus Pflichtgefühl offenkundig.

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Matiaske und Weller (2003) schließen die Charakteristika des sog. „Organisationsbürgers“ an die Bürgertugenden des Liberalismus an und nennen unter anderem Kooperation, Fairness, Toleranz, Übernahme von Verantwortung, Zivilcourage, Gerechtigkeit und Solidarität.

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Im Kern geht es darum, dass die Empfänger vorteilhafter Handlungen ein Gefühl von Verpflichtung erfahren, das ihnen in hohem Maße unangenehm ist und nur durch reziprokes Handeln reduziert werden kann (Settoon et al. 1996), und ferner darum, dass die Menschen, die ihre Arbeitsbeziehung mit ihrer Organisation als einen fairen sozialen Tausch empfinden, dazu tendieren, diese Bindung zu verstärken/zu intensivieren, was wiederum OCB anregt/fördert und umgekehrt (Cardonna, Lawrence, Bentler 2004). Dafür macht die empirische Forschung drei Dimensionen namhaft: (i) perceived organizational support, (ii) leader-member exchange und (iii) coworker behavior. 1. Im Rahmen des perceived organizational support untersuchten Eisenberger et al. (1986) gefälliges und entgegenkommendes Verhalten (favorable treatment) in Form von wahrgenommener organisationaler Unterstützung (POS), gemessen als das Ausmaß, in dem der Arbeitnehmer glaubt, dass sich die Organisation um ihn kümmert und seinen Beitrag Wert schätzt. Sie konnten anhand ihrer empirischer Ergebnisse zeigen, dass die meisten Arbeitnehmer in ihrem Verhalten in unterschiedlichem Maße einer Reziprozitätsnorm folgen. Auch Moorman, Blakely, Niehoff (1998), Shore, Wayne (1993); Wayne, Shore, Liden (1997) sowie Settoon, Bennett und Liden (1996) untersuchten die wahrgenommene organisationale Unterstützung und ihren Einfluß auf OCB. Basierend auf der Reziprozitätsnorm, entlockt POS dem Arbeitnehmer das besagte Gefühl der Verpflichtung, sich seinerseits um die Belange der Organisation zu kümmern und sie bei ihrer Zielerreichung zu unterstützen. Dieses reziproke Verhältnis zwischen POS und gefühlter Verpflichtung ist nicht objektivistisch gegeben, sondern orientiert sich, laut Eisenberger et al. (2001), an den jeweiligen Austauschideologien (exchange ideology) der Arbeitnehmer. „Exchange ideology refers to employees’ belief that it is appropriate and useful to base their concern with the organization’s welfare and their work effort on how favourably they have been treated by the organization” (Eisenberger et al. 2001, 42, 43). Eisenberger et al. (2001) unterscheiden starke und schwache Austauschideologien. Ihre Ergebnisse zeigen, dass bei Arbeitnehmern mit starken Austauschtheorien, d.h. einer ausgeprägten Reziprozitätsnorm, die Beziehung zwischen POS und gefühlter Verpflichtung größer ist als bei Arbeitnehmern mit einer schwachen Austauschideologie. Umgekehrt führte ein schwacher POS überraschend dazu, dass Arbeitnehmer mit starker Austauschideologie eine geringere Verpflichtung zum Ausdruck brachten als Arbeitnehmer mit einer schwachen Austauschideologie. 2. Die Führer-Geführten-Beziehung stellt sich in der Weise dar, „that when a leader or employee provides benefits to the other party that the provider’s work role does not mandate, reciprocity should come into play“ (Wayne et al. 1997). Settoon et al. (1996, 224) konnten zeigen: “the more that relationships or exchanges between supervisor and subordinates are based on mutual trust and loyalty, 229

interpersonal affect, and respect for each other, the better the subordinate’s performance in terms of expected and ‘extra’ or citizenship behaviours”. 3. Ergänzend zu den üblichen Ansätzen in der Literatur führten Deckop, Cirka & Andersson, (2003, 102) eine Studie durch, die das „coworker behavior“ im Analysefokus hat. Hierbei wurde dem Austausch zwischen Personen gleicher Hierarchieebene Aufmerksamkeit geschenkt, „the level at which the ‚norm of reciprocity’ may be most strong, given the absence of a formal authority hierarchy among coworkers” (Deckop et al. 2003, 102). Entsprechend wenden sie in ihrer Studie soziale Austausch- sowie Reziprozitätstheorien an, um zu untersuchen, warum Arbeitnehmer anderen Arbeitnehmern helfen. Ihre Hypothese – basierend auf empirisch fundierten Untersuchungen zum „helping behavior“-Faktor von OCB (Podsakoff et al. 2000) sowie der daraus abgeleiteten Reziprozitätsnorm – ist, dass eine wesentliche Voraussetzung von OCB eines Angestellten das Maß ist, in dem dieser selbst OCB von anderen Kollegen erfahren und empfangen hat. Ihre Ergebnisse sind denn auch ebenso schlicht wie überzeugend: Arbeitnehmer helfen anderen Arbeitnehmern, d. h. zeigen OCB, weil ihnen selbst von anderen geholfen wurde. „Though a simple explanation, it highlights the point, that reciprocity is an important aspect of organizational life and a useful basis for understanding OCB, and that the reciprocal exchange among employees may be at least as important as exchange between employees and their organization, or employees and their supervisors” (Deckop et al. 2003, 107). Die Autoren leiten die Implikation ab, dass die jeweilige Organisations- oder auch Arbeitskultur, die eine entsprechende Reziprozitätsnorm unter den Arbeitnehmern fördert oder verhindert, ausschlaggebend ist für das Ausmaß und die Frequenz an gezeigtem OCB sowie einer sich daraus ableitenden virtuosen oder vitiösen Spirale113. 2.2. Reziprozität und Steuerung zwischen Organisationen Besonders ins Auge sticht die „Entdeckung“ von Reziprozitätsnormen auf dem Felde der Steuerung interorganisationaler Beziehungen – der Unternehmungskooperationen und -netzwerke, der strategischen Allianzen u. ä. Selbst dort, wo man traditionell nur Konkurrenz im Blick hatte, sieht man inzwischen Dimensionen der Kooperation oder der „coopetition“ und, damit zusammenhängend, einer nicht ausschließlich nutzenbasierten Reziprozität. Pointierter als viele andere erhebt Walter Powell (1987, 81) sie zum Charakteristikum solcher “hybriden” Formen der Steuerung: „In several important respects, hybrid forms represent a modern version of a centuries-old means of allocating goods and services, a method that Polanyi termed ‚generalized 113

Diese Ergebnisse stützen die Ergebnisse der Forschungsarbeiten Michael Burawoys (1979), die die Orientierung von Arbeitenden an Gesichtspunkten wie Fairness herausstellen sowie deren Angewiesenheit auf vielfältige Hilfestellungen ihrer Kolleg(inn)en, die nach Art einer Gabe gewährleistet werden, im Arbeitsprozess unterstreichen.

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reciprocity’“ (Powell 1987, 81). Das heißt, die Transaktion erfolgt weder als diskreter Tausch noch infolge administrativen Gebots. „Generalisierte Reziprozität“ heißt bei Karl Polanyi nicht auf Tausch und Nutzen, sondern auf Normen respektive Pflichten gegründete Reziprozität. Darin, dass Powell hybride Steuerungsformen ausschließlich dadurch charakterisiert und geradezu definiert, drückt sich u. E. eine Überschätzung ihres Gewichts gegenüber der Nutzenorientierung aus. Dass sie aber auch zwischen Organisationen eine Rolle spielt, können wir nur unterstreichen. 2.2.1. Dyadische Kooperationsbeziehungen Ein Paradebeispiel für dyadische Kooperation stellt die Kunden-LieferantenBeziehung im Business-to-Business-Bereich dar. Hervorzuheben ist hier einerseits die ökonomische Relevanz und anderseits die hohe Komplexität und Fragilität solcher Beziehung. Als betriebswirtschaftlicher Reflex auf diesen Problemkreis hat sich im Rahmen des Industriegütermarketings ein eigener Forschungszweig, das Relationsship Management (Selnes 1998; Ivens 2002; Johnson/Selnes 2004) etabliert. Da gilt längst, dass „das behutsame Management der Geschäftsbeziehung eine hohe Bedeutung hat. Verlässlichkeit, loyales Verhalten, aber eben auch ein gewisses Wohlwollen haben einen empirisch nachgewiesenen hohen Einfluss auf das Verhalten des Abnehmers“ (Backhaus 2003,759). In ähnlicher Weise konstatieren Selnes (1998) und Johnson/Selnes (2004), dass Vertrauen, Loyalität und Fairness, wechselseitig gewährt, von zentraler Bedeutung für die Steuerung von Business-To-Business-Geschäften sind. Gestützt wird dies auch durch die Untersuchung von Darr (2003) über KundenLieferanten-Beziehungen in der Elektroindustrie. Basieren die Tauschbeziehungen auch generell auf utilitaristischen Handlungskalkülen, so unterliegen die einzelnen Tauschakte doch Fairness- und Gerechtigkeitsnormen. Reagiert der Kunde auf die Großzügigkeit, Verlässlichkeit und Vertragstreue des Zulieferers eng utilitaristisch, indem er etwa bei Problemen schnell den Zulieferer wechselt, so wird dies als unfair und unloyal betrachtet. Das ließe sich noch als weitsichtige Nutzenorientierung im Gegensatz zu kurzsichtiger behandeln. Virulent wird jedoch eine steuernde Moralökonomie in den untersuchten Tauschbeziehungen „that are rooted in social, moral, and symbolic norms and traditions“ (Grint 1998, 328 zitiert nach Darr 2003). Diese Doppelreferenz der Handlungen auf utilitaristische und auf moralische Motive erweist sich auch in der Untersuchung von Larson (1992) zu Konstitutions- und Steuerungsprozessen von Entrepreneur-Dyaden als zentral: „Relations of this kind build through an accumulation of actions that create a system of social relations that transcends narrow self-interest and includes moral as well as economic motivations as fundamental to action“ (Larson 1992, 99). Ist für die Dyadenkonstitution auch der wechselseitige ökonomische Erfolg von konstitutiver Bedeutung, so entsteht Steuerung in sich entwickelnden Tauschsystemen als Ergebnis schrittweiser Vertrauensgenese und evolvierender Reziprozitätnormen. In Form einer Moralordnung erfüllen Fairness- und Reziprozitätsnormen eine unsichtbare, gleichwohl einflussreiche 231

Steuerungsfunktion „to permit and/or constrain economic exchange“ (Larson 1992, 98). Im Rahmen verschiedener Untersuchungen zum zwischenbetrieblichen Informationsaustausch stellen v. Hippel (1987), Schrader (1990) und Schrader/Sattler (1993) die Relevanz der Reziprozität als interorganisationalen Steuerungsmechanismus heraus. Indem die Autoren den reziproken Tausch spieltheoretisch konzipieren, erweist sich für die Genese und Stabilisierung des interorganisationalen Informationstransfers letztlich die wechselseitige Nutzenrealisierung der beteiligten Akteure als konstitutiv. Dennoch, trotz aller Überlegungen, wer als Partner ins Boot genommen wird, „no one appears to be explicitly counting up the precise value of what is given or received by a firm, and a simultaneous exchange of valuable information is not insisted upon. However, in an informal way, participants seemed to strive to keep a balance in value given and received, without resorting to explicit calculation” (von Hippel 1987, S. 295). 2.2.2. Multiple Kooperationsbeziehungen Multiple Kooperationsformen variieren je nach Kooperationszweck und Interaktionsintensität beträchtlich. Das Spektrum reicht von Joint Ventures und Netzwerken über Konsortien, Allianzen und Handelsgemeinschaften bis hin zu verzahnten Aufsichtsräten. Gesteuert werden diese Austauschsysteme zumindest zum Teil durch „reputation, trust, tacit collusion, and a relative absence of calculative quid pro quo behavior“ (Powell 1987, 82). Als hochgradig instabile Organisationsformen bewegen sich Joint Ventures auf dem schmalen Grat zwischen Kooperation und Konkurrenz. Kogut (1989) fragt daher in seiner Untersuchung nach den Konditionen, die Kooperation angesichts permanenter Defektionsgefahr auf Dauer stellen. Denn: „Like any business, a venture will last as long as the conditions for profit are promising“ (Kogut 1989, 186). Seiner zentralen Hypothese zufolge hängt die Stabilität von Kooperationen maßgeblich von der Fähigkeit der beteiligten Kooperationspartner zum Reziprozieren ab. „Cooperation, in this view, is established by the ability of parties to an agreement to reciprocate penalties in the case of competitive behavior and to reward altruistic behavior“ (Kogut 1989, 184). Er rückt damit Reziprozität stark in eine spieltheoretische Ecke, bei der ein do ut des die Interaktionslogik bestimmt. Wie sich interorganisationale Tauschprozesse auf Lernen und Wissenstransfer in strategischen Allianzen auswirken, ist Thema der Untersuchung von Muthusamy und White (2005). Sie identifizieren wechselseitige Verpflichtung als wichtige Erklärungsgröße für interorganisationales Lernen. „The reciprocal commitment between partners is a significant explanatory factor of interfirm learning, as it implies the moral obligation of partners serving as the basis for mutual commitment” (Muthusamy/White 2005, 433). Da sich die einzelnen Tauschpartner nie sicher sein können, wie stark sie in der Schuld des Anderen stehen, müssen in diesen 232

Tauschsystemen beständig „strong feelings of moral obligation to repay“ (ebd., 419) generiert werden. Speisen sich wechselseitige Schuld- und Abhängigkeitsbeziehungen verstärkt aus utilitaristischen Motiven, so basiert das reziproke Engagement des einzelnen Tauschakteurs doch letztlich auf dem Pflichtgefühl gegenüber der Allianz und den anderen Partnern. In ihrer Untersuchung über den Aufbau eines F&E-Konsortiums in der Halbleiterindustrie gehen Browning, Beyer und Shetler (1995) der Frage nach, wie Kooperation entsteht und in einem stark kompetitiven Umfeld Persistenz erlangt. Intitialzünder einer solchen Kooperation seien unterschiedliche Formen von unconditional giving, die individuelle oder kooperative Akteure freiwillig leisten. So war etwa die Leistung von Charlie Sporck, einem der prominenten Gründer von SEMATECH, „a pure gift because it conferred benefit on others, imposed a cost on him (his attention to his company), and was voluntary“ (Browning et al. 1995, 130). Diese Form des unconditional giving „became self-amplifying in this case because they gave birth to a moral community and created structures that in turn created other structures” (Browning et al. 1995, 145). Die so initiierte Kooperation ist ein durchaus nutzenorientiertes Tauschsystem und trägt doch deutliche Züge eines moralbasierten Gabensystems, bei dem „people need to have faith that their efforts will be rewarded at a later, undefined time, and that these choices to offer and risk are matters of individual honor and pride” (Browning et al. 1995, 144). Mit Blick auf das Zulieferernetzwerk von Toyota fragten sich Dyer/Nobeoka (2000), wie sich das Problem des Trittbrettfahrens bei der gemeinsamen Wissensnutzung in Lernnetzwerken lösen läßt. Als konstitutiv für die Lösung des Problems erwies sich die Ausbildung einer Netzwerkidentität, die über eine Reziprozitätsnorm gesteuert wird. Genauso wie bei SEMATECH war auch hier die freiwillige Gabe eines Akteurs Auslöser der reziproken Kooperationsbeziehung. „Thus, Toyota’s willingness to freely share its valuable knowledge with other network members acts as a ’starting mechanism’ (see Gouldner, 1960) for reciprocity, or more specifically for reciprocal knowledge sharing of proprietary knowledge within the network” (Dyer/Nobeoka 2000, 358). Im Zuge ihrer Identifikation mit dem Netzwerk entwickelte sich eine Geflecht wechselseitiger Verpflichtungen, das neben der individuellen Nutzenmaximierung immer auch auf moralischen Handlungsmotiven basierte. Auch Ferrary (2003) weist in seiner Untersuchung über komplexe Tauschsysteme im Silicon Valley auf die grundsätzliche Relevanz eines Gabensystems als Form reziproker Interaktion hin: „It is the nature of the goods exchanged as well as the density of social networks which make gift exchanges the principal explanation of the circulation of goods“ (Ferrary 2003, 120). Gemäß der Allokationslogik des Gabensystems ist die Kooperation nicht durchgängig utilitaristisch motiviert. „There are not explicit underlying economic thoughts within these exchanges and anyone wanting to use these meetings with such an intention would be rejected from the

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group” (Ferrary 2003, 133). Deutlich wird hier eine steuernde Moralität erkennbar, die aus einer Interaktionsbeziehung eine Wertegemeinschaft werden lässt. In ihrer empirischen Untersuchung zu der Funktionsweise von japanischen Keiretsus bezeichnen Lincoln, Gerlach und Takahashi (1992) diese als Cluster verketteter Industriefirmen, Finanzinstitutionen, einzelner Manager und Beamter. Als zentraler Steuerungsmodus erweist sich in dem Unternehmenskonglomerat die Norm der Reziprozität im Gouldnerschen Sinne. „It has particular force in Japan where the stress on personal, trusting, and longterm exchange relations encourages mutual obligation to a degree uncommon in the United States” (Lincoln et al. 1992, 566). Reziproke Pflichterfüllung ist ein konstitutives Wertemuster in der japanischen Kultur und als solche Ausgangspunkt für die vertikale Integration japanischer Gruppen – „from the shop floor team to the keiretsu“ (Lincoln et al. 1992, 566). Konzipieren Lincoln et al. (1992) Reziprozität im Sinne Gouldners (1960) als normative Verpflichtung, so basiert in Steinbrenners (1997) Untersuchung über die Organisation und Steuerung von Keiretsus Gegenseitigkeit primär auf ökonomischen Nutzenkalkülen. Indem er jedoch anerkennt, dass Kooperation als dominantes Organisationsprinzip von Keiretsus „eine freiwillige wechselseitige Verflechtung der jeweiligen Handlungsentscheidungen mit den Zielen/Interessen auch der Partner“ (Steinbrenner 1997, 81) beinhaltet, wird deutlich, dass in der vorliegenden Reziprozitätsform der „Anspruch des Anderen“ immer auch eine Rolle spielt. Windolf und Beyer (1995, 1996) untersuchen vergleichend die Kapital- und Personalverflechtungen von Großunternehmen in Deutschland und Großbritannien. Sie zeichnen das Bild eines Verflechtungszentrums, „das die größten deutschen Unternehmen in eine ‚Clique’ einbindet, die in dieser Geschlossenheit in keinem anderen westlichen Industriestaat existiert“ (Windolf/Beyer 1995, 24). Vorherrschender Interaktionsmodus dieser Clique ist Reziprozität: Unternehmen A ist an Unternehmen B beteiligt, und umgekehrt hält Unternehmen B eine Kapitalbeteiligung an Unternehmen A114. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten betrachten Windolf und Beyer (1996) reziprokes Handeln als ausschließlich utilitaristisch motiviert. Es resultiert aus dem glaubhaften Drohpotential, das aus den „mutual hostages“ (Williamson 1985) der Cliquenmitglieder erwächst. Westphal und Zajac (1997) untersuchen die Mechanismen, die zu einem verstärkten Boardaktivismus in Richtung erhöhter Boardunabhängigkeit in US-Unternehmen führen. Der hiermit verbundene Wandel in puncto Managementkontrolle, Unternehmensstrategie und Anreizprogrammen wird gemäß den Untersuchungsergebnissen „influenced by social and psychological dynamics operating within the inner circle of corporate leaders“ (Westphal/Zajac 1997, 177). Handlungssteuernd wirken in dem inneren Kreis generalisierte Normen der Reziprozität. CEO-Direktoren verspüren eine 114

Als Beispiel einer solchen reziproken Clique führen Windolf und Beyer (1995) die wechselseitigen Kapitalverflechtungen zwischen der Allianz AG Holding und der Dresdner Bank AG sowie der Allianz AG Holding und der Müchener Rückversicherungsholding an.

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generelle Pflicht, den anderen CEOs zu helfen. „In this system of social interaction among status equals, sufficient trust exists that CEO-directors believe their support for CEOs will be reciprocated indirectly by someone else, sometime in the future” (Westphal/Zajac 1997, 17) 2.3. Reziprozität und Steuerung in Gemeinschaften Kaum ein soziales Phänomen beschäftigt Ökonomen, Betriebswirtschaftler, Soziologen und Anthropologen gleichermaßen so stark wie die Entstehung, die Persistenz und die Steuerung von Online-Communities. Der Blick richtet sich hierbei primär auf Open-Source-Gemeinschaften und File-Sharing-Netze. Während es bei Ersteren darum geht, ein komplexes und wissensintensives Produkt – Computer Software – unter Beteiligung vieler tausend freiwillig und ohne Entgelt tätigen Experten zu entwickeln und kontinuierlich zu verbessern, interessiert bei Letzterem insbesondere die Ökonomen das Faktum, dass anonyme Akteure in SharingNetzwerken ein Produkt anbieten, ohne hierfür direkt vom Empfänger eine Gegenleistung zu erhalten. Oder wie Nitschke (2005, 8-9) unlängst betont: „Schon bei vergleichsweise geringen Kosten ist es aus einer neo-klassischen ökonomischen Perspektive zunächst unklar, aus welcher Motivation heraus Sharing überhaupt stattfindet“ (Nitschke 2005, 8-9). Solange Teilen kostet und man nehmen kann, ohne geben zu müssen, wird ein reiner Utilitarist nichts anbieten. So unterschiedlich die handelnden Akteure, Produkte und Interaktionskonstellationen sein mögen, gemeinsam ist beiden Gemeinschaften eine reziprozitätsgetriebene Funktions- und Steuerungslogik, die den herkömmlichen Steuerungsvorstellungen der Ökonomie in Teilen widerspricht. Mit Blick auf die vorfindbaren Reziprozitätsformen wird nachstehend zunächst auf das Phänomen des File Sharings eingegangen. In einem zweiten Schritt werden reziproke Interaktionsmuster im Kontext von Open Source und Open Innovation behandelt. 2.3.1. Sharing in Online Gemeinschaften „A growing number of communities and services either depends or at least deeply benefits from consumers’ willingness to share“ (Schade/Nitschke/Sattler 2004, 1). Beredte Beispiele sind etwa Online-Foren (z.B Ciao und Dooyoo), Kundenbewertungen und „Neighborhood Watch“ auf ebay oder Tauschbörsen wie Napster, Morpheus oder KaZaA. Ganz gleich, ob Filme, Musikdateien oder Informationen geteilt werden, als konstitutiv für die Genese und Persistenz von Sharing-Systemen erweist sich ein reziprokes Verhalten. So sehr sich die Sharing-Forschung bezüglich der Relevanz von Reziprozität einig ist, so unterschiedlich wird der Begriff doch konzipiert. Es werden grob drei Richtungen unterschieden.

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Reziprozität als anthropologische Konstante Schade, Nitschke und Sattler (2004) sowie Nitschke (2005) fokussieren in ihrer Untersuchung, die sie u.a. mit Hilfe computergestützter Feld- und Laborexperimente durchgeführt haben, auf die Gründe für das Sharing-Verhalten bei der Online-VideoDistribution. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen experimenteller Wirtschaftsforschung, die Reziprozität die Rolle eines „pervasive and economically significant phenomenon in human interaction“ (Sethi/Somanathan 2003, 1) attestieren, konstatieren sie bei den Konsumenten eine generelle „propensity to reciprocate“ (Schade/Nitschke/Sattler 2004, 31). Menschen, so die experimentell gestützte Vermutung von Nitschke (2005, 193), verfügen „über eine relativ konstante Neigung zum Reziprozieren (Propensity to Reciprocate). Weitere Untersuchungen werden zeigen müssen, ob man bei dem Befund dieser Arbeit bereits von der Grundlage für ein neues, bislang nicht berücksichtigtes Persönlichkeitskonzept sprechen kann“. Reziprozität als gemeinschaftsbildende Norm Giesler und Pohlmann (2002; 2003) untersuchen die Organisationsform und die der zugrunde liegenden Handlungsmotivation der Internettauschbörse Napster. Letztere stellt sich dar als „an emancipative consumption community“ (Giesler/Pohlmann 2003, 94), die sich primär von der monetarisierten Verwertungslogik des Musikgeschäftes durch „the circulation of the gift as an alternative exchange practice of music“ (Giesler/Pohlmann 2003, 94) unterscheidet. Reziprozität fokussiert hier auf das Geben und Nehmen zwischen Individuum und Gemeinschaft und beinhaltet „the social obligation to give, accept, and ’repay’ – which means to reciprocate within the network“ (Giesler/Pohlmann 2002, 7). Verstöße gegen die Verhaltensetikette, etwa indem man Musik nur runterlädt und nichts spendet, gelten als delinquentes Verhalten und werden durch andere Beteiligte bestraft115. Indem also faires Verhalten unterstützt und Opportunismus geahndet wird, konstituiert sich als Gegenentwurf zum traditionellen Musikgeschäft „a parasitic gifting community“ (Giesler/Pohlmann 2002, 19), in der eine emergierende Moralordnung den utilitaristischen Tauschkalkülen enge Grenzen setzt. Reziprozität als utilitaristisches Kalkül Becker/Clement (2003; 2004) und Becker (2004) versuchen theoretisch wie empirisch, die Nutzermotive in File-Sharing-Netzen zu erklären. Ob die Nutzer teilen oder Trittbrett fahren, ist nach Meinung der Autoren strikt utilitaristisch begründet und lässt sich vorzugsweise spieltheoretisch erklären. Unter Rekurs auf die Lebenszyklen der Sharing-Netze entwickeln die Nutzer im Zeitablauf unterschiedliche Erwartungen und Nutzenkalküle „leading to various games and optimal strategies“ (Becker/Clement 2004, 2). Als konstitutiv für das Angebotsverhalten erweist sich die sog. antizipierte Reziprozität, in der Kooperation oder Opportunismus in gleicher Weise beantwortet 115

„Hey asshole! Don’t see a single file on your drive! No sharing, no Napster!“ (Zitat von „Tom“ aus Giesler & Pohlmann, 2002, 8).

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werden. Antizipierte Reziprozität bedeutet, „dass ein Angebot eines Nutzers von Tauschbörsen aus dem Grund erfolgt, weil sich andere Nutzer ebenfalls so verhalten und anbieten“ (Becker 2004, 195). Etwas anders konnotiert ist der Utilitarismus in der Untersuchung von Hennig-Thurau u.a (2004) zu den Teilnahmemotiven bei webbasierten Kundenbewertungen. Hierbei erweist sich „focus-related Utility“ als wichtige Erklärungsvariable für das Konsumentenverhalten. Es handelt sich dabei um den Nutzen, den der Konsument erhält, „when adding value to the community through his or her contributions“ (Hennig-Thurau 2004, 42). Ist der Leistungsempfänger ein konkretes Unternehmen, so weist die positive Bewertung Züge reziproken Verhaltens auf. „The customer is motivated to engage in eWOM communication to give the company ‚something in return’ for a good experience“ (Hennig-Thurau 2004, 42). In dem Gewand des generalisierten Altruismus erweist sich Reziprozität hier primär als utilitaristisch begründet. Warum zahlen, wenn man auch tauschen kann? Mit dieser Frage sehen sich kommerzielle Medienanbieter konfrontiert. Sie „müssen daher nach Möglichkeiten suchen, sowohl ihren eigenen Nutzen zu steigern, als auch den Nutzen von Tauschbörsen einzuschränken“ (Nitzschke 2005, 186). Fokussiert die eigene Nutzensteigerung primär darauf, den Vorsprung gegenüber Tauschbörsen in punkto Produkt- und Servicequalität auszubauen, so zielen juristische und kommunikationspolitische Maßnahmen auf die Illegalisierung von Tauschhandlungen. Schließlich können kommerzielle Anbieter Filesharing-Netzwerke auch für eigene Distributionszwecke instrumentalisieren. Neben dem erhöhten Aufwand für die Steuerung des dezentralen Peer-to-Peer-Netzwerks ist die starke Abhängigkeit von der Freigabebereitschaft der Konsumenten bei einem Vergleich mit alternativen Distributionskanälen zu berücksichtigen. „Sollten die Betreiber von Filesharing-Netzwerken daher verbindliche, monetäre Anreize für Sharing setzen wollen, muss die unterschiedliche Wirkung von Anreizen auf reziproke und weniger reziproke Teilnehmer berücksichtigt werden“ (Nitzschke 2005, 189). 2.3.2. Open Source und Open Innovationen Die in zahlreichen empirischen Studien herausgearbeiteten Motivationen sind vielschichtig und für die jeweiligen Beitragsleister unterschiedlich bedeutsam. Recht verschiedenartige Primärmotivationen scheinen ihren freiwilligen Beitrag auszulösen. In seiner Untersuchung über die Steuerung von Open-Source-Gemeinschaften gibt Franck (2002, 3 ff) einen ausführlichen Überblick über die unterschiedlichen potentiellen Motivationsmuster von Rentensuchern und Spendern in einem OSS Projekt. Für Rentensucher werden u. a. Signal- und Reputationserwerb, Ausbildung, Eigennutzung, „Umwegerträge“ als treibende Kräfte genannt. Für Spender führt Franck Motivationen ins Feld, die in Zusammenhang gebracht werden können mit der Produktion öffentlicher Güter – und als solches sieht er OSS-Entwicklungen.

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Er argumentiert, dass gerade durch die Offenheit der OSS-Entwicklung und „die ‚Blockierung’ zukünftiger Property Rights an der Software die Voraussetzungen geschaffen [wurden], Entwickler mit ganz unterschiedlichen Motivationsstrukturen – Rentensucher und Spender – in ein und demselben Projekt zusammenzuspannen“ (Franck 2002, 3). Am Beispiel der Reputationssuche liest sich das folgendermaßen: „Die Hauptbedrohung für die Spieler des beschriebenen Reputationsspiels ist das Auftreten eines Akteurs, der sie von dem Aufmerksamkeitsstrom abschneiden kann, der ihnen als Belohnung für ihre Beiträge zufließt und so ihre Reputation speist. Diese Beschädigung des Zitiermechanismus tritt genau dann ein, wenn OSS privatisiert wird und in kommerzielle Softwareprodukte eingeht“ (ebd., 9). Das Zugeständnis, dass Rentensucher und Spender, in unserer Terminologie: Nutzen- und Pflichtorientierte, an der OSS-Entwicklung beteiligt und Erstere dabei auf Letztere angewiesen sind, bedeutet die Anerkennung der Relevanz von Reziprozitätsnormen und einer Ethik der Gabe, aber eben nicht in reiner Form, sondern gemischt mit Nutzenmotiven und eingebettet in sowie abgestützt durch ein institutionelles Arrangement, das eine vergleichbare (wenn auch schwächere) stabilisierende Funktion erfüllt wie das Normensystem des Kula-Rings (Ortmann 2004, 183 ff). Wendet man sich dem OSS-Nutzer im Vergleich zum OSS-Entwickler zu, kommt man zu ähnlichen Ergebnissen. Lakhani und von Hippel (2003) untersuchen das Apache-Usenet, eine Webseite, auf der Apache-Nutzer Fragen in das Forum stellen können, die ihnen von in dem jeweiligen Feld erfahreneren Apache-Nutzern beantwortet werden. Sie betrachten insbesondere die Motivation des einzelnen Informanten, seine Zeit auf das Beantworten von Fragen unbekannter Dritter im Apache help forum zu verwenden. Drei von zwölf Antwortmöglichkeiten zielen im Fragebogen auf Reziprozität als Motiv für die Beitragsleistung (z.B. „I have been helped on Usenet before – so I reciprocate“). Zwei dieser drei Antwortkategorien erreichen mit Abstand die höchste Zustimmungsquote von allen zwölf Antwortmöglichkeiten (48 % bzw. 45 % drücken eine starke Zustimmung aus, was 6-7 auf einer 7er-Skala bedeutet)116. 116

Dieses Ergebnis veranlasst Osterloh et al. (2002) die extrinsische Motivation in OSS-Projekten zwar einzuräumen, sie allerdings aufgrund der offenkundig werdenden „Norm der sozialen Verantwortung für die Open Source-Gemeinde“ (ebd, 9) als „keineswegs zentral“ einzuordnen (ebd, 8). Lakhani und von Hippel (2003) selbst bezweifeln jedoch trotz dieser hohen Zustimmung hinsichtlich einer generalisierten Reziprozitätsnorm, ob es sich hierbei wirklich um zugrunde liegende Motivationen handelt oder nicht viel mehr um sozial erwünschtes Antwortverhalten. Denn die Autoren können zeigen, dass der für die Bereitstellung der nachgefragten Informationen investierte Zeiteinsatz nur zwei Prozent der gesamten Nutzungszeit von Usenet umfasst. Die verbleibenden 98 % der Zeit informieren sich die Nutzer vielmehr selbst und lernen aus den Fragen und Antworten der anderen Teilnehmer. „We found that the public posting of both questions and answers created a site that potential information providers wanted to visit and study in order to gain valuable information for themselves. In addition, the public posting of answers with the names of the providers attached created the possibility of gaining reputation and related benefits through helping” (S. 940). Lerner und Tirole (2001, 822) schlussfolgern: „Part of the reason why people contribute is that, for some, the cost of contributing is not that high“. Diese Auffassung teilen auch Osterloh, Rota und Wartburg (2002). Sie erklären mit Bezug auf Kollock (1999), dass es sich bei manchen Offenlegungen der freiwilligen Programmierungsleistungen durch die Akteure schlichtweg um eine sog. Kleinkosten-Situation handelt, in

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Von Open-Source-Protagonisten selbst, aber auch von manchen Forschern (Raymond 1999; Zeitlyn 2003; Bergquist/Ljungberg 2001), wird OSS development verstanden “as a mutual interchange where one gift is given for another“ (Bergquist/Ljungberg 2001, 312). Bergquist und Ljungberg (2001) unterscheiden wie wir gift giving von Warentausch. Während Waren austauschbar, ihr Wert verhandelbar und die wechselseitigen Verpflichtungen mit dem Tauschakt abgegolten sind, haben Gaben einen einzigartigen Charakter. Im Zuge des Gebens entsteht die Verpflichtung auf eine zukünftige Erwiderung der Gabe. Diese Rekursivität sozialer Gift-GivingPraxis sei ein konstitutives Kennzeichen des Steuerungssregimes bei OSSEntwicklungen. Die OSS-Gemeinschaft ist in dieser Sicht primär ein lose gekoppeltes Netzwerk von Individuen „with no organizational forces in terms of economy or management that can force other individuals to behave in a certain way“ (Bergquist/Ljungberg 2001, 310). Verbunden sind die Akteure über wechselseitige Verpflichtungen, die aus der Dynamik eines Systems von Gaben resultieren. „Claims of disinterestedness are misleading – by giving code ESR [Eric S. Raymond] creates the obligation on the recipients of his gift to give back other code“ (Zeitlyn 2003, 1289). Die Regeln des gift giving konstituieren organisationale Grenzen, die sich in Inund Outgroups manifestieren. „There are the ones who are part of projects, in terms of being accepted as code providers, and there are the ones who want in but are rejected by the project owners or flamed by other members of the community“ (Bergquist/Ljungberg 2001, 315). Die OSS-Entwicklung ist ein paradigmatisches Beispiel für die von Hippel und von Krogh (2003) als “’private-collective’ model of innovation” bezeichnete Konstellation, in der Kunden in ihrer Rolle als Anwender/Konsumenten von Produkten und Dienstleistungen – dies können Individuen oder auch Organisationen sein – die von ihnen erworbenen/genutzten Produkte in einer Weise modifizieren, weiterentwickeln, verbessern, dass Innovationen unterschiedlichen Ausmaßes und unterschiedlicher Güte entstehen117. Chesbrough (2004) nennt es „open innovation“. Ausgangspunkt dieser Innovationsgenerierung – von von Hippel (2005, 76) auch als „democratizing of innovations“ bezeichnet – ist die Unterscheidung in zwei Typen von Informationen, derer es für eine erfolgreiche Produktentwicklung bedarf: „need and context-of-use information (generated by users) and generic solution information (often initially generated by manufacturers specializing in a particular type of solution)“ (von Hippel,

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der die Kosten des entsprechenden Beitrags (z. B. einfache ‚bug fixes’) im Vergleich zu dem daraus gezogenen Nutzen gering bzw. vernachlässigbar sind. Sie sehen dies als ein Anzeichen einer generalisierten Reziprozitätsnorm. Freie Darlegung von Innovationen durch Nutzer in heutiger Zeit wurde in unterschiedlichen Bereichen dokumentiert. Von Hippel und Finkelstein (1979) zeigten sie am Beispiel medizinischer Ausrüstung, Lim (2000) bei semiconductor process equipment, Morrison, Roberts und von Hippel (2000) anhand von Informationssystemen für Büchereien sowie Franke und Shah (2003) für Sportausrüstung sowie Lüthje (2000) im Bereich Konsumgütermärkte auf. Als konkrete Beispiele erfolgreicher Kundenintegration führen sie Lego, Sony und Swarovski an. Unlängst hat die Zeitschrift R&D Management diesem Phänomen ein Special Issue (2006) gewidmet.

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2005, 69). Beide Typen von Informationen zusammenzubringen ist aufgrund ihrer stickyness bzw. embeddedness nicht einfach, es fehlen den professionellen Entwicklern oft die user-need-Informationen. Entsprechend entwickeln Anwender in der Regel Innovationen, welche funktional neu sind und ein hohes Maß an Anwenderzentrierten Informationen erfordern. Die Produzenten selbst tendieren, dazu Innovationen zu entwickeln, die eine verbesserte Antwort hinsichtlich bereits bekannter Nutzer-Bedürfnisse darstellen und damit ein großes Verständnis in den grundsätzlichen Lösungs-Informationen erfordern. Was sind nun die möglichen Motivationen der Kunden, einen freiwilligen Beitrag im Innovationsprozess zu leisten? Zunächst macht von Hippel (2005) deutlich, dass Innovatoren zum einen deshalb oft ihre Innovationen preisgeben, weil es manchmal fast unmöglich oder mit extrem hohen Kosten verbunden sei, sie geheim zu halten. Als extrinsische Motivationsfaktoren führen Reichwald et al. (2004) und von Hippel (2005) die Erwartung des Kunden an, eine Produkt- oder Dienstleistungsinnovation selbst nutzen zu können oder konkrete materielle Gegenleistungen wie Gratisprodukte oder Rabatte zu erhalten. Gleichzeitig beobachtet von Hippel (2005) eine aktive Bereitschaft vieler Innovatoren, ihre Innovationen frei zur Verfügung zu stellen, was er mit erheblichem privatem Nutzen für die Betroffenen erklärt. Darüber hinaus wird auch hier das Argument der Reputationssteigerung ins Feld geführt, welche positive Netzwerkeffekte nach sich ziehen könnten. Darüber hinaus nennen Reichwald et al. (2004) aber auch soziale Motive wie beispielsweise das soziale „Moment“ von Internetgemeinschaften, das die Innovationsbereitschaft unter den Kunden steigern kann, indem Kunden sich gegenseitig bei Innovationsaufgaben unterstützen oder sie gemeinsam ausführen. Dieses Engagement in der Interaktion mit anderen Kunden – so Reichwald et al. (2004) weiter – zieht nicht selten die Erwartung einer Anerkennung oder auch entsprechenden Gegenleistung an andere Kunden nach sich. Diese Erwartung von Anerkennung und Reziprozität basiere auch auf dem symbolischen Wertes ihres Verhaltens und sozialer Normerfüllung. „Die Interaktion zwischen Kunden entsteht aus Vertrauen und der moralischen Verpflichtung heraus, einander zu helfen, unter Umständen auch ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu erwarten (ebd., 14). Einmal mehr mischen sich moralische und Nutzenmotive und erfordern ein Steuerungssystem, das der gemischten Motivstruktur der Akteure gerecht wird. 2.4. Reziprozität und Steuerung auf (Finanz-)Märkten Erscheint die Evidenz von reziproken Interaktionsformen und deren Steuerung in Organisationen und zwischen Organisationen noch einleuchtend, so ist die Relevanz von Reziprozität in weitläufigen Online Communities oder Open Source Gemeinschaften schon deutlich weniger plausibel. Als auf den ersten Blick gänzlich unplausibel erscheinen Formen reziproker Interaktion auf Finanz- oder Kapitalmärkten. Gelten diese doch in ökonomischer Perspektive als die Prototypen des 240

anonymen neoklassischen Marktes. Selbst Fehr (2002, 57) negiert in einem Interview die Relevanz der Reziprozität für den Börsenhandel. „Denn der Aktienmarkt ist eine Institution, wo Werte und soziale Präferenzen kaum eine Rolle spielen“ (Fehr 2002, 57). Dass dem nicht zwangsläufig so ist, soll im Folgenden deutlich gemacht werden. „Can’t buy me love“, so ist die Untersuchung von Hasselström (2000) zum Wissenstransfer zwischen Aktienhändlern betitelt. Auf einem komplexen und volatilen Markt betonen die Händler „the importance of personal networks for the exchange of information in order to be able to read the market“ (Hasselström 2000, 262). Da persönliche Beziehungen auch der Akkumulation von Informationen oder sozialem Kapital dienen, werden Aspekte von Freundschaft und Geschäft in der Interaktionssteuerung und Beziehungsgestaltung simultan aktualisiert. „So it would seem that entertaining and other kinds of face-to-face interaction provide James with an arena to develop, maintain and evaluate such a relationship, that is to say a relationship consisting of ideas of business, i.e. good trading, and of ideas of friendship, i.e. apparent mutual trust, obligations and reciprocity“ (Hasselström 2000, 267). Gerade in einer extrem kompetitiven Umgebung wie dem Aktienmarkt scheinen Nutzen und Moral im Rahmen der Steuerung sozialer Interaktionen untrennbar ineinander verwoben. Fenton-O’Creevy, Nicholson, Soane und William (2005) stellen in ihrer Untersuchung zur Handelspraxis auf internationalen Kapitalmärkten fest, daß Aktienhändler in Fom einer Vielzahl überlappender trading communities organisiert sind. Diese sind durch je spezifische soziale Praktiken gekennzeichnet, die das Handeln der beteiligten Aktienhändler leiten. Der Erfolg jedes Einzelnen hängt somit nicht nur von individuellen Fähigkeiten oder Wissensbeständen ab, sondern auch von dem sozialen Kapital: “their membership of networks and the nature of the trust and reciprocity within those networks” (Fenton-O’Creevy et al. 2005, 200). Insbesondere das implizite Händlerwissen gilt als exklusive Basis für den dauerhalten Geschäftserfolg und wird daher von den Mitgliedern der community of practice gegen unerlaubt Zugriffe von außen geschützt. Um erfolgsrelevantes Wissen zu akkumulieren, müssen Neulinge daher „earn membership of the right networks and develop reciprocal relationships” (Fenton-O’Creevy et al. 2005, 201). Nur durch faire und vertrauensvolle Umgangsformen wird letztlich aus einem Auszubildenden eine vollwertiges Mitglied einer solchen Händlergemeinschaft. Wie handeln Devisenhändler? Mag diese zentrale Forschungsfrage aus standardökonomischer Perspektive verwunderlich klingen, da der Devisenmarkt doch als einer der effizientesten Märkte gilt und dem „Ideal der Theorie denkbar nahe“ (Menkhoff 1995, 1) kommt, so macht doch Brügger (1999) in seiner ethnographischen Untersuchung auf die sozialen a priori des Marktgeschehens aufmerksam. Zwar befinden sich die Devisenhändler in einer antagonistischen Position, d.h. was der eine gewinnt, verliert der andere, gleichwohl tendieren sie „dazu, immer wieder mit den gleichen Banken Geschäfte abzuschliessen und nicht jedes Mal im Markt nach einem 241

geeigneten Partner herumzusuchen“ (Brügger 1999, 197). Um solche längerfristigen Beziehungen aufrechtzuerhalten, legen die Markteilnehmer ihrem Handeln eine normative Ordnung zugrunde. Neben einem formalisierten Code of Conduct sind es primär informelle Regeln, die in Form eines Ehrenkodex die Händler zu wechselseitiger Fairness anhalten. Zur Stabilität der Marktbeziehung trägt zudem gegenseitiges Vertrauen bei. Da es sich bei getauschten Kapitalformen um sehr spezifizierte Güter handelt, „ist wesentlich mehr Vertrauen notwendig als bei einem gewöhnlichen Geschäft“ (Brügger 1999, 202). Gegenseitiges Vertrauen – so Brügger (1999, 202) – „kann dazu führen, dass der Ablauf des Geschäfts verändert wird und eine neue Interaktions-Ordnung in Kraft tritt“. Schliesslich unterstreicht Brügger die Relevanz von Reziprozität für die Persistenz von Tauschbeziehungen auf Devisenmärkten. Insbesondere Informations-Beziehungen basieren auf dem Grundsatz: do et des. „Die Verpflichtung ist keine vertragliche, sondern eine moralische, die allerdings mit dem Abbruch der Beziehung sanktioniert werden kann“ (Brügger 1999, 233). Neben der Marktordnung erweist sich auf globalisierten Devisenmärkten immer auch eine Moralordnung als handlungsleitend. In ihrer Untersuchung zur Dividendenpolitik von Unternehmen machen Frankfurter und Lane deutlich, dass diese mit den vorherrschenden Modellen, die auf die reine Lehre der Wertmaximierung setzen, nicht erklärbar ist. Als alternative Erklärung schlagen sie (Frankfurter/Lane 2002, 380) vor, „that dividend disbursements are better seen as a ritual, dating back to the evolution of the modern corporation“ (so auch McGoun 2002). Die Dividendenzahlung gleicht ihrer Meinung nach dem Potlatch, einer vormodernen Zeremonie des gift giving, einschließlich der Erwartung der Reziprozität. Potlach-Ritual wie Dividendenzahlung zielten primär auf die Stabilisierung von sozialen Beziehungen. „For potlaches, this is a matter of solidifying social rankings, for dividends it is establishing trust in a corporation and its management by its shareholders that other modern institutions such as external auditors, government regulators, and financial journalists fail to do” (McGoun 2002, 371). Angesichts des mangelnden Vertrauens, dass die Investoren dem Gewinn selbst entgegenbringen, ermöglichen die Dividenden als Form symbolischer Gaben, die Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinen Anteilseignern zu personalisieren, als Element einer dauerhaften Moralordnung zu etablieren und damit von der ökonomischen Tauschlogik ein Stück weit zu entkoppeln (McGoun 2002).

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3. Reziprozität, Steuerung und Motivation – ein Zwischenfazit Reziprozität – so macht der Literaturüberblick deutlich – finden sich in vielen betriebswirtschaftlichen Interaktionskonfigurationen. In Organisationen und zwischen Organisationen ist Reziprozität ebenso anzutreffen wie in Online Communities oder Open-Source-Gemeinschaften. Selbst auf Kapital- und Finanzmärkten, dem empirischen Bezugspunkt des neoklassischen Marktmodells, lassen sich reziproke Formen der Interaktion beobachten. Diese sind nun beileibe nicht nur nutzengetrieben. Wie Fenton-O’Creevy, Nicholson, Soane und Willman (2005), Hasselström (2000) oder Brügger (1999) in ihren empirischen Untersuchungen herausgearbeitet haben, bewegen neben Nutzenkalkülen auch immer moralische Motive Investmentbanker, Devisenhändler oder Aktienanalysten zu reziprokem Verhalten. Damit sich die aus diesen gemischten Motivstrukturen resultierenden Handlungen synergetisch in einen komplexen Interaktionszusammenhang einfügen, sind – wie gezeigt – unterschiedliche Steuerungssysteme nötig. Mit Blick auf den thematischen Schwerpunkt dieser Arbeit ist insbesondere die Steuerung von interorganisationalen Beziehungen von Interesse. So bietet sich etwa bei interorganisationalen Handlungskonfigurationen, die dem klassischen Markttausch nahe kommen, eine Steuerung über neo-klassische Verträge an. Die Beiträge der einzelnen Interaktionspartner sind hier ebenso eindeutig vertraglich spezifizierbar wie die Verteilung des gemeinsam erwirtschaften Mehrwerts. Klassisches Beispiel solcher Handlungskonfigurationen sind sogenannte Supply Chains. Hier dominieren zumeist utilitaritische Handlungsmotive die reziproken Interakte (Gaitanides/Göbel 2005). Spielen jedoch in den Interakten intangible Vermögenswerte als Tauschobjekte eine wichtige Rolle, so bietet sich – wie Dyer/Nobeoka (2000) am Beispiel von Toyota verdeutlich haben – auch bei Zulieferernetzwerken eine Steuerung über relationale Vertragsformen (Richter/ Furubotn 1999) an. Denn zumeist lassen sich weder die eingebrachten Beiträge und – was noch schwerer wiegt – die anteiligen Erlöse aus solchen Kooperationen den einzelnen Interaktionspartnern exakt zurechnen (Horvath et al. 2004; Gaitanides/Göbel 2005). Da die Rechtsverbindlichkeit der den Kooperationen zugrundeliegenden Verträge nur bedingt vorhanden ist, „setzen sie in einem bestimmten Umfang ein gemeinsames Werte- und Normensystem der Parteien voraus“ (Jost 2000, 227). Ihre Steuerungsmächtigkeit entfalten relationale Verträge somit nur unter Rekurs auf systemspezifische Moralordnungen, die an die Fairness, die Loyalität und das Pflichtgefühl der beteiligten Akteure appellieren. Hier reichen die Beispiele von Larsons Entrepreneuerdyaden (Larson 1992) über das F&E Konsortium von Browning, Beyer und Shetler (1995) bis hin zu Ferrarys (2003) Tauschsystemen im Silicon Valley. Normen, Gerechtigkeitsstandards und –urteile als augenfällige

Bestandteile dieser Moralordnungen sind – wie insbesondere die Untersuchung von Browning, Beyer und Shetler (1995) zeigt – das Resultat selbstorganisierten Praktiken des respektiven, reziproken Vergleichens und Evaluierens und entziehen sich ihrerseits in ihrer komplexen Eigenlogik einer wie auch immer gearteten Meta- oder Kontextsteuerung.

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TEIL D: Die Evidenz des Reziprozitätsverständnisses in der Investor/Unternehmens-Interaktion – eine empirische Untersuchung auf dem deutschen Markt für Risikokapital Das vorliegende Kapitel zielt darauf ab, dass in Kapitel D entwickelte Reziprozitätsverständnis in einer explorativen Untersuchung auf dem deutschen Markt für Wagniskapital auf seine empirische Relevanz hin zu untersuchen. Zunächst wird der aktuelle Diskussionsstand in der einschlägigen Literatur zu Tausch und Reziprozität in der Venture-Capital-Forschung vorgestellt und analysiert (1). Hiernach erfolgt die Darstellung der eigentlichen Untersuchung, indem zunächst das Untersuchungsdesign und die erhobenen Daten erläutert werden (2). Hiernach erfolgt eine ausführliche Präsentation der Untersuchungsergebnisse (3). Dabei wird in einem ersten Schritt die soziokulturelle Ordnung der interorgansationalen Beziehung dargestellt (3.1). Hierauf aufbauend erfolgt eine Beschreibung der Interaktionsbeziehung (3.2), bei der insbesondere die strukturellen Dimensionen in den Blick genommen werden. Weiterhin werden die Interaktionsmodi – Vertrauen und Kontrolle – vorgestellt und ihre Relevanz für die reziproke Interaktionsbeziehung zwischen Venture-Vapital-Gesellschaft und New Venture expliziert (3.3). Die Untersuchung endet mit eine komprimierten Darstellung der reziproken Interaktionsmuster und einer Beschreibung möglicher Erfolgs- bzw. Mißerfolgsszenarien (4).

1. Tausch und Reziprozität in der Venture-Capital-Forschung Tauschen gilt als fundamentale Aktivität in jedem ökonomischen Zuammenhang, so auch in der VC-Branche. Venture Capital bezeichnet Beteiligungskapital, welches durch sog. Venture-Capital-Organisationen (VCs) als Intermediär für institutionelle, strategische und private Investoren zeitlich begrenzt und mit dem Ziel der Renditemaximierung in zumeist jüngere Unternehmen investiert wird. Die Kapitalnehmer werden dabei als Portfoliounternehmen (PU) der VCs bezeichnet. Getauscht wird neben der reinen Eigenkapitalfinanzierung, die der VC-Geber dem Portfoliounternehmen zur Verfügung stellt118, in der Regel spezifisches und spezialisiertes Wissen, Erfahrungen, Social Capital/Netzwerke und Image. Im Gegenzug erhalten die VCs einen Anteil des New Ventures und erwerben damit das Potential auf außerordentliche Gewinnsteigerungen, die sie in Teilen – basierend auf ihrem spezialisierten added value – selbst beeinflussen können. Denn der Unternehmer versucht auf Basis dieser Gaben den Unternehmenswert seines New Ventures zu 118

Das zu verteilende Kapital sammeln die VCs auf dem Kapitalmarkt von institutionellen Investoren, die sich ebenfalls eine überdurchschnittliche Rendite erhoffen. Die VCs erhalten für ihre Dienstleistung von den kapitalgebenden Institutionen eine ausgehandelte Vergütung, die sich aus einer festgelegte Managementgebühr und einer variablen Erfolgsbeteiligung zusammensetzt (Brinkrolf 2002). Dreh- und Angelpunkt der Venture Capital Beziehung ist somit der marktförmige Austausch, in dem die eingesetzten Ressourcen monetär mediatisiert werden und der damit über ein Preissystem gesteuert wird.

erhöhen, dessen finanzieller Erfolg schließlich beiden Parteien zu Gute kommen soll119. In der relevanten Literatur wird die Beziehung zwischen VC und PU, die durch wechselseitige Abhängigkeit gekennzeichnet ist, normalerweise ökonomisch und hier zumeist Agency-theoretisch analysiert (z.B. Amit/Glosten/Miller 1998; Landström/ Manigart/ Mason /Sapienza 1998; Sapienza/Gupta 1994; Sheperd/Zacharakis 2001). Im Fokus der einschlägigen Forschung steht die Reduzierung des sog. AgencyRisikos. Dieses bezeichnet den Unsicherheitsgrad, der aus der Möglichkeit resultiert, dass der Entrepreneur oder der VC die Verfolgung des jeweiligen Eigeninteresses über die Einhaltung der beidseitig eingegangen Vertragsbedingungen stellt (Fiet 1995). Diese Definition “places the emphasis on the mechanism used to gain confidence in the partner co-operation through the use of a contract” (Shepherd/Zacharakis 2001, 132). Agency-Theoretiker vermitteln daher einerseits wertvolle Einsichten zur Gestaltung von Verträgen (Sahlman 1990; Landström/Manigart/Mason/Sapienza 1998). Anderseits bieten sie “valuable advice to VCs and implement controll mechanisms to ensure that the entrepreneuer does not act opportunistically to the VCs detriment” (Shepherd/Zacharakis 2001, 133). Grundlegend für diese Forschungsperspektive ist die Annahme, dass der Austausch alleine auf den nutzenmaximierenden Kalkülen der Tauschparteien basiert. Sapienza und Koorsgard (1996) relativieren diese eingeschränkte Perspektive, indem sie die Relevanz von prozeduraler Gerechtigkeit in Entscheidungsfindungsprozessen innerhalb von VC-PU Beziehung fokussieren. „Even when a particular decision has adverse outcomes for an individual, just procedures ensure the individual, that over time, he or she will receive what is due from the exchange relationship“ (Sapienza/Koorsgard 1996, 547). Die Einhaltung von procedural justice Normen wirkt sich positiv auf das Vertrauen der Akteure in die Entscheider, das Committment in eine getroffene Entscheidung, kooperatives Verhalten sowie die Absicht, die Beziehung aufrecht zu erhalten, aus (Sapienza/Korsgaard 1996). In ähnlicher Weise fokussiert die Spieltheorie auf die Relevanz von Fairnessnormen bei der Stabilisierung von Kooperationsbeziehungen (Kondo 1990). Indem sie Fairness als relevant für die Gestaltung von Kooperationsbeziehung ansieht, erweitert sie die starre auf die Reduzierung von Opportunismusgefahr fokussierte Ausrichtung der Agency Theorie. Obwohl es sich also ebenfalls um eine Rational-choice Theorie handelt, so integriert sie damit “the dynamic process of cooperative relationship building in a way that the more static agency theory approach cannot” (Cable/Shane 1997, 147). Indem sie auf die Relevanz von Kommunikation, sozialen Beziehungen, Wertekongruenz, Generosität, Machtverhältnissen etc. für die Genese und Stabilität von VC-PC Beziehungen fokussiert, versucht die Spieltheorie die sozialen 119

Normalerweise dauern VC-PC Beziehungen zwischen 5 und 7 Jahren. In dieser Zeit liegt die Erfolgsquote durchschnittlich bei 10%-15%. Diesen “Stars” stehen im Gesamtportfolio 55%-60% so genannter „living deads“ und 20%-30% von Totalausfällen gegenüber (www.evca.com).

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Bedingungen nutzengetriebener Kooperationsbeziehungen zu beleuchten. So gesehen betonen Cable und Shane (1997, 167), “that entrepreneur-venture capitalist relationships are closer to the intellectual tradition of Granovetter (1985) than Williamson (1975) because cooperative solutions enhance the welfare of both parties”. Deutlich wird hier, daß aus der rationalen Handlungsperspektive allein kein Tausch zustande kommt. Dieser ist letztlich an die Konstitution einer sozialen Ordnung in Form wechselseitiger Erfüllung eingegangener Tauschverpflichtungen gebunden. Indem Cable und Shane (1997) die VC-PU Beziehung als iteratives Gefangenendilemma konzeptionalisieren, versuchen sie das Kooperationsproblem endogen rationalistisch zu lösen. Liegt bei den Tauschparteien wechselseitig die Erwartung einer langfristigen Beziehung vor, so muß ego bei einer Defektion, also der Nichterfüllung der Tauschverpflichtung, die gleiche Reaktion alters in der nächsten Spielrunde einkalkulieren. Diese indirekte Sanktionsmöglichkeit eröffnet die Chance der bedingten Kooperation etwa in Gestalt der bekannten Tit-For-Tat-Strategie (TFT) (Axelrod 1984). Diese einseitige Mikrofundierung ist eine legitime Strategie, wenn man den Erklärungsanspruch etwa der Gestalt einengt, dass man eine stabile und überschaubare soziale Situation voraussetzt. Aber im Gegensatz zu den überschaubaren und logik-basierten Untersuchungsanordnungen der Spieltheorie, laufen reale Tauschprozesse zwischen VC und PU in einem komplexen sozio-kulturellen Kontext ab. Rational Choice Theorien, wie etwa die Agency- oder auch die Spieltheorie, können letztlich „die soziokulturellen Bedingungen des zweckrationalen Handelns nicht selbst thematisieren, sie können nicht begründen, wie es zu den soziohistorischen Bedingungen kommt und welche Rolle intersubjektiven Faktoren dabei zukommt“ (Reckling 2002, 107). „In fact, every economic model one can think of includes irreducibly social principles and concepts” (Arrow 1994, 2). Es wird schlicht ein gemeinsames Verständnis der Tauschparteien bezüglich der wechselseitigen Rollen, Motive und Handlungsoptionen vorausgesetzt. Dieses “common knowledge” (Arrow 1994) ist jedoch in der Realität nicht gegeben. Insofern ist Verhalten unter Laborbedingungen nicht einfach auf reale Marktbedingungen übertragbar (Biggart/Delbridge 2004). Empirische Untersuchungen betonen die sozialen (z.B. Granovetter 1985; Polanyi 1957) und kulturellen (z.B. Abolafia 1997; Di Maggio/Zukin 1990) Bedingungen für rationales Handeln in realen Tauschsituationen. “Categories of economic action are culturally variable and socially constructed” (Di Maggio 1994, 28). Somit wird in der Arbeit der Argumentation Kappelhoff’s (1995) gefolgt, wonach sich das rationale Kalkül stets auf das kulturelle Symbolsystem, die moralischen Regeln sowie die soziale Beziehungsstruktur, in der es zur Wirkung gelangt, bezieht. Insofern stellt sich die übliche Konzeptionalisierung der VC-PU-Beziehung, die eine homogene symbolische und kognitive Ordnung postuliert, als unzureichend dar. Ausgehend von diesen Defiziten behandelt die vorliegende Studie die zentrale Forschungsfrage: Wie verbindet sich in interorganisationalen

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Tauschsystemen intentionales Verhalten mit den steuernden Funktionen institutioneller, d.h. symbolischer und moralischer Kontextbedingungen? Anders als von der Ökonomie dargelegt, zeigt sich in der Analyse, dass diesen Tauschbeziehungen kein einheltliches Symbol- und Normensystem zugrunde liegt. Vielmehr scheinen sich, ausgehend von unterschiedlichen Makrokulturen, unterschiedliche Reziprozitätsmodi zu konstituieren (Das/Teng 2002). Entlang von empirisch generierten Kategorien und unter Rekurs auf neo-institutionalistische Analysekonzepte werden die Interdependenzen von individualistischen Tausch- und Reziprozitätskalkülen einerseits mit den kulturellen und sozialen Branchenimplikationen anderersits herausgearbeitet. Auf Basis einer Multi Case Analyse aus der VC-Industrie konnte zum einen die komplementäre Perspektive der Emergenz von unten und der Steuerung von oben erhärten werden. Zum anderen wird dem Anspruch der Theoriebildung gerecht. So wird als Ergebnis der interpretativen Analyse neben der “ökonomischen Tauschreziprozität”, die stark durch die institutionenökonomische Theorie geprägt ist, die “soziale Pflichtenreziprozität” extrahiert.

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2. Forschungsmethode und Untersuchungsdaten Diese Studie bedient sich qualitativer Forschungsmethoden, um zum einen die Reichhaltigkeit und Komplexität der VC-PU-Dyade einzufangen und zum anderen die Art und Weise der Interaktion sowie des Austauschs zu verstehen. Forschungsgegenstand ist also die VC-PU-Dyade. Die Annäherung an unseren Forschungsgegenstand erfolgte auf Basis (1) eines fundierten theoretischen Vorwissens in den Sozial- und Organisationstheorien, anthropologische Tauschtheorien sowie der Venture-Capital-Literatur und (2) teilnehmender Beobachtung. Beides zusammen erlaubte die Definition erster, vorläufiger Forschungsfragen für den Interviewleitfaden sowie die Entwicklung eines vorläufigen, theoretischen Konzepts120. Unser anschließendes Forschungsdesign, lehnt sich stark an die Fallstudien-Methode von Yin (1991) und den Prozess der Theoriebildung durch Fallstudienforschung von Eisenhardt (1989) an. Eisenhardt selbst wiederum nimmt stark Bezug auf Glaser und Strauss (1979), Miles und Huberman (1984) sowie Yin (1991). Die Vorteile ihres Vorgehens liegen in der Möglichkeit der Theoriebildung121 einerseits sowie in einer möglichen Überprüfbarkeit und Validierung der generierten Theorie andererseits. Diese Überprüfung könnte in unserem Fall beispielsweise in einem anderen als dem VC-PU-Kontext erfolgen. Sample In der vorliegenden Studie wurde ein Multiple Case Design verfolgt, wobei die zu untersuchenden Fälle nach der Replikations-Logik122 ausgesucht wurden. Das Multiple Case Design erleichtert zum einen mit seiner Anbindung an die empirischen Daten die Generierung von Theorien bzw. Theoriebausteinen sowie ggfs. die Erstellung zu testender Theorien (Eisenhardt 1989). Zum anderen kann durch die Konzentration auf weniger Fälle mit einer höheren Untersuchungsintensität ein ganzheitliches Verständnis komplexer Untersuchungsgegenstände sowie deren Einbettung in einen Handlungskontext erreicht werden (Eisenhardt, 1989; Haag, 1994). Einschränkend

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121

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Sowohl Forschungsfragen als auch theoretisches Konzept sind vorläufig und werden im Laufe des Forschungsprozesses überprüft und gegebenenfalls revidiert oder erweitert. “The final product of building theory from case studies may be concepts, a conceptual framework, or propositions or possibly midrange theory“ (Eisenhardt,1989, 545). Dies bedeutet, dass jeder Fall sorgfältig so ausgesucht werden muss, dass er entweder zu ähnlichen Ergebnissen oder zu unterschiedlichen Ergebnissen – allerdings aus vorhersagbaren Gründen – führt. Sind die Ergebnisse aus der Analyse der Fälle widersprüchlich, müssen die ursprünglichen Annahmen geändert und mit neuen Fällen erneut getestet werden. Ziel des Replikationsvorgangs ist es, einen umfassenden und theoretischen Rahmen zu entwickeln, der Aussagen darüber beinhaltet, wann ein bestimmtes Phänomen eintritt und unter welchen Bedingungen es ausbleibt (Yin, 1991). In der Verwendung von Fallstudien nach Yin (1991) ist damit die Erarbeitung eines theoretischen Vorverständnisses eine wichtige Vorbedingung. „This role of theory development, prior to the conduct of any data collection, is one point of difference between case studies and related methods such as ethnography and Grounded Theory. […] among other considerations, the relevant field contacts depend upon an understanding – or theory – of what is being studied” (Yin, 1991, S. 27).

muß allerdings gesagt werden, dass eine kleine Stichprobe wiederum die Generalisierbarkeit reduziert. Qualitativen Forschungsmethoden entsprechend, wurden “Theoretical sampling“ und die überlappende Datenerhebung und –analyse angewendet (Glaser/Strauss, 1979). Dies bedeutet, dass keine Hypothesen „ex ante“ aufgestellt und später überprüft werden. Vielmehr dient die Datenerhebung und gleichzeitige Auswertung der Hypothesen- bzw. Theoriebildung. Dabei besteht nicht nur keine strikte Trennung zwischen Datenerhebung und -auswertung, sondern die Parallelität beider Prozesse ist konstitutiver Bestandteil der Forschungsmethode (Glaser/Strauss, 1979). Folglich basierten die in 2002 erhobenen 9 Case Studies neben der Dokumentenanalyse insbesondere auf 46 leitfadengestützten, narrativen Interviews123, deren offene Fragen entsprechend neuer, sich in der Analyse ergebender Erkenntnisse angepasst bzw. erweitert wurden, bis eine theoretische Sättigung erreicht war. Dadurch konnten neue Aspekte in die Untersuchung aufgenommen, Widersprüche geklärt sowie sich abzeichnende theoretische Überlegungen gefestigt werden. Der Erhebungs- und Analyseprozess begann mit einer Pilotfallstudie124, in der erste Daten erhoben und an diese Daten Fragen gestellt wurden (Hildenbrand, 2000). Denn entscheidend ist, „[…] nur so viel an Material zu erheben, wie für den Analyseprozess erforderlich ist. Nur so kann das Material die Analyse steuern” (ebd. S. 36). Insgesamt befragten wir 20 Investment Professionals aus 9 ausgewählten VCs in Deutschland über insgesamt 25 ihrer Portfoliounternehmen unterschiedlichster Branchen (Software, Telekommunikation, Biotechnologie, Life-Science, Verlagswesen, Internet-Auktion, AutoMotiv-Zulieferer, Versicherung etc.). Darüber hinaus wurden weitere 21 Interviews entweder mit dem Gründer oder dem CEO der jeweiligen Portfoliounternehmen geführt. Die 9 Fälle – im Sinne von Dyaden – wurden zunächst einzeln analysiert, dann im Rahmen einer vergleichenden Fallanalyse gegenübergestellt, kontrastiert und schließlich typisiert. Datenanalyse Wir kodierten die transkribierten Interviews, indem wir eine konstante vergleichende interpretative Analyse verwendeten, bei der jedes Ereignis einem emergierenden offenen Codesystem zugeordnet wurde (Strauss/Corbin 1990), bis alle Interviews komplett kodiert waren. Wir generierten gemeinsam insgesamt 47 Codes und reduzierten diese via „axial coding“ sukzessive in zunehmend abstrakte Kategorien (Strauss/Corbin 1990). Diese Analysephase ergab insgesamt 17 Kategorien. In einem Prozess selektiver Codierung (Strauss /Corbin 1990), verdichteten wir diese 17 Kategorien erneut auf schließlich 10 Kategorien. Obwohl sich alle Datenquellen nicht

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Die Interviews hatten eine Länge von 40 bis 120 Minuten (insgesamt 51 Stunden Interviews); sie wurden für die Untersuchung aufgenommen und transkribiert. Zu beachten ist, „a pilot test is not a pre-test. The pilot case is used more formatively, assisting an investigator to develop relevant lines of questions – possibly even providing some conceptual clarification as well” (Yin, 1991, S. 80).

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zuletzt zu Cross-check-Zwecken als hilfreich erwiesen, lieferten die Interviews die primäre Datenquelle für die Analyse. Daten aus der Beobachtung sowie zusätzliche Dokumente dienten zum einen der Verifikation und zum anderen dazu, die Aussagen der Befragten in ihren entsprechenden Kontext zu stellen. Validierung Der Prozeß der in dieser Studie verwendeten kontinuierlichen Vergleichsmethode beinhaltet interne Validitätschecks der Daten (Kirk/Miller, 1986). Wie bereits erwähnt, entwickeln die Interviewer während der überlappenden Datenerhebung und -sammlung sowie Datenanalyse und kodierung konzeptionelle Kategorien, und tentative Hypothesen werden emergent. Fragen über bestimmte Tatsachen erweisen sich zum Verständnis und zur weiteren Interpretation der Daten als wichtig. In der Folge werden zusätzliche Daten generiert, um die Grenzen der konzeptionellen Kategorien, eindeutige Tatsachen sowie die tentativen Hypothesen oder Theorien mit zusätzlichen Informanten bzw. Cases zu testen. Während das Forschungsprojekt voranschreitet und neue Daten gesammelt werden, werden diese permanent mit vorangegangenen Daten hinsichtlich der Kategorien und tentativen Hypothesen verglichen. Wenn neue Daten neue oder inkonsistente Informationen erbringen, werden die Kategorien und/oder die emergierende Theorie modifiziert, um diesen neuen Informationen Rechnung zu tragen. Der Prozess wird so lange wiederholt, bis eine theoretische Sättigung erreicht ist: bis weder neue Kategorien auftauchen noch neue Informationen generiert werden (können), welche inkonsistent mit den bereits bestehenden Kategorien wären. In gewisser Weise bedeutet diese permanente, komparative Methode ein multiples Testen der „Hypothesen“ bzw. des „theoretischen Modells“. Wir kodierten unabhängig voneinander alle Interviewdaten, danach verglichen wir die Kategorien nach möglichen Überlappungen und Unstimmigkeiten bzw. Widersprüchen und erhielten letztlich ein gemeinsames Set von Kategorien, mit Hilfe dessen dann alle Daten erneut kodiert wurden. Dieser Prozess half sicherzustellen, dass die Kodierer (i) die Daten in vergleichbarer Weise interpretiert und (ii) keine wesentlichen Informationen ausgelassen hatten. Wir verwendeten während der Phase des „axial coding” ähnliche Kontroll- und Abgleichungsprozesse. Ein externer Experte wurde während der selektiven Codierphase beteiligt und spielte dabei die Rolle des Fragenden sowie des „advocatus diaboli“. Es wird deutlich, dass in der qualitativen Forschung die grundlegenden Validitätskontrollen unter den Informanten selbst stattfinden.

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3. Forschungsergebnisse Um für ein besseres Verständnis zu sorgen, werden hier zunächst ex ante die Endergebnisse unserer Untersuchung, die wir sukzessive aus unseren Daten deduziert haben, präsentiert. Als forschungsleitend erweist sich hierbei unser theoretisches Vorverständnis, das auf der kritischen Analyse der vorangestellten Literatur basiert. Die bereits im Zuge der Literaturbearbeitung deutlich gewordene Relevanz einer wie auch immer gearteten Kultur- und Moralordnung für die Genese und Aufrechterhaltung von reziproken Tausch- bzw. Gabensystemen in Interorganisationsbeziehungen findet in unseren Daten Bestätigung. Es kristallisierten sich zwei dominante Typen125 von Reziprozitätsmodi in der VC-Industrie heraus: (1) die von uns so bezeichnete „ökonomische Tauschreziprozität“ sowie (2) die ebenfalls von uns ins Leben gerufene „soziale Pflichtenreziprozität. Konstitutiv für das Verständnis der Reziprozitätsmodi ist die je spezifische Interpenetration von Handlungsmotiven und sozio-kulturellem Kontext. Während bei der „ökonomischen Tauschreziprozität“ Nutzen dominiert und Moralität nur peripher bleibt, ist es bei der „sozialen Plichtenreziprozität“ genau umkehrt. Moralität ist hier fokal, gleichzeitig spielen Nutzenerwägungen nur eine periphere Rolle (Ortmann 2004). KERN DIMENSIONEN CODING-KATEGORIEN

Reziprozität der soziokulturen Ordnungen

1. Kognitive Synchronisation

X

2. Symbolische Ordnung

X

3. Normative Ordnung

X

Reziprozität struktureller u. relationaler Ressourcen

X X

4. Struktur

X

5. Position

X

6. Gabe

X

7. Vertrauen 8. Macht

Reziprozität der Modi

X X

X

9. Kontrolle 10. Sanktionen X = Zentral für core dimension, x = informs core dimension

X

X X X

Tabelle 1: Kern-Dimensionen und Coding-Kategorien Quelle: In Anlehnung an Göbel/Weber (2007, 284)

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Hierbei geht es nicht darum, von einer logischen, theoretischen oder faktischen Priorität einer der beiden Ordnungsformen in einem Tauschsystem zu sprechen oder von der Unterordnung eines der beiden Steuerungsprinzipien unter das andere, sondern um die empirische Herleitung und Analyse der konkreten Tauschsysteme.

Die Präsentation unserer Ergebnisse erfolgt nun unterteilt in drei Bereiche der Reziprozität (Ordnungen, Ressourcen und Modus), die sich während unserer Arbeit ergeben und als hilfreiche Unterteilung erwiesen haben, und entlang der oben bereits erwähnten 10 Kategorien (siehe Tab. 1). Zum Schluß erfolgt eine Zusammenfassung der zwei Austauschtypen. Die einzelnen Kategorien stehen nicht unverbunden nebeneinander. Wie Abb. 23 verdeutlicht, handelt es sich vielmehr um ein komplexes Wirkungsgefüge, bei dem kulturelle, strukturelle sowie handlungsleitende Faktoren in ihrer Interdependenz ein Tauschsystem konstituieren.

Makrokultur • Kognitive Ordnung

• Normative Ordnung

Beziehung • Struktur • Position • Ressource

Modi • Vertrauen • Macht • Kontrolle • Sanktionen

Kooperationsformen • Ökonomische Tauschreziprozität • Soziale Pflichtenreziprozität

Abbildung 23: Kerndimensionen des Tausches im Wirkungszusammenhang Quelle: In Anlehnung an Göbel/Weber (2007, 285)

3.1. Unternehmenssteuerung als Wissensproblem: Reziprozität soziokultureller Ordnungen 3.1.1. Symbolische Ordnung VC-PU-Beziehungen zeichnen sich wie alle neu geschaffenen Organisationsformen zu Anfang durch ein Höchstmaß an Vieldeutigkeit und Ungewissheit aus. Insbesondere die gegenseitigen Vorstellungen und Motive sind in dieser Zeit zumeist diffus und ambiguitiv. „Unsere Erwartungshaltung hat sich im Laufe der Zeit verändert, da wir seine Agenda erst im Nachhinein erkannt haben“ (Den). Sie müssen wechselseitig so synchronisiert werden, daß am Ende des Synchronisationsprozesses die unterschiedlichen Perspektiven reziprok aufeinander bezogen sind (Schütz 1967). „Das ist 254

ganz entscheidend bei einer Zusammenarbeit. Also wenn man weiß, was man voneinander hat und was man voneinander erwarten kann und was man eben auch nicht erwarten kann“ (Knau). Um die interindividuelle Deutbarkeit der Perspektiven herzustellen, werden permanent generalisierte Erwartungsstrukturen in Form von Skripten, Regeln und Klassifikationen (DiMaggio/Powell 1991) angewendet. Denn der Entrepreneur wird in seiner Selbstdarstellung erst dann für den VC-Manager als solcher verständlich, wenn Ersterer Wissen über erwartbares Verhalten bei Letzterem voraussetzen kann. Dies ist aber nur dann möglich, wenn das Wissen über das Gegenüber, seine Fähigkeit zur Rollenübernahme, seine möglichen Verhaltensweisen, Handlungsorientierungen126 usw. institutionalisiert sind. Betrachtet man nun die Empirie, so lassen sich mit Bezug auf Synchronisationsmodus und Reziprozitätsintensität unterschiedliche Formen kognitiver Synchronisation in VC-PU-Beziehungen unterscheiden. Der erste Typus – die kulturelle Adaption – ist der ökonomischen Tauschreziprozität zuzuordnen. Hier orientieren sich die beteiligten Akteure in ihren wechselseitigen Erwartungen vornehmlich an den institutionalisierten Akteursrollen (Meyer et al., 1994), die kennzeichnend für die VCBranche sind. Entlang der vorgegebenen Rollen – VC und Unternehmer – wird letztlich wechselseitig eine am Primat der individuellen Nutzenmaximierung orientierte Motivlage unterstellt. „Ich muss meine Interessen verteidigen, er seine Interessen als Gründer, denn er wird in Grund und Boden verwässert und kriegt noch dazu eine 1,5-fache Liquidation Preference aufs Auge gedrückt. Ich kann ihm als VC aber nicht einfach Equity abgeben, nur weil ich ein netter Mensch bin“ (Ben). Je nach Machtverteilung versucht der Einflussreichere sein Verständnis (als eine von mehreren möglichen Vorstellungen) als die „Wahrheit“ allgemeinverbindlich zu definieren, „thus dictating institutional meaning by offering one official account of institutional structures and practices“ (Zilber 2002, 237). Um in der „Realität“ von Businessplänen Managementmeetings, Umsatzrenditen oder Führungstechniken anzukommen, wird aus einem Wissenschaftler in einem kulturellen Adaptionsprozeß ein Unternehmer. „Die Leute kommen aus den Hochschulen, die haben maximal Managementerfahrung auf der Größe eines Labors, sonst nichts, und werden dann reinkatapultiert, besonders wenn der Laden einigermaßen gut wächst, in die Rolle eines Managers“ (Bir). Kennzeichen für die kulturelle Adaption ist die Selbststilisierung als rationaler Nutzenmaximierer (Meyer et al. 1994). Indem die Akteure sich in ihrem Verhalten an wechselseitigen Typisierungen orientierten: „Das sind nicht unsere Freunde, das sind unsere Investoren“ (Gul), nehmen sie sich und ihr Gegenüber weniger als durch diese

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Folgt man Montada (1998, 82) so ist eine institutionalisierte Erwartung an die Handelsorientierung gesellschaftlicher Akteure die Realisierung des Eigennutzpostulates: „Together with others, these observations suggest that self-interest is quite commonly considered the dominant, normal, legitimate motive, adequate for self-presentation in public contexts. This understanding of self-interest is obviously socially shared. In its descriptive part, however, it is a myth”.

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Beziehungen geprägte Handelnde, sondern vielmehr als institutionelle Erwartungen prozessierende Nutzenmaximierer wahr. Letztlich bleiben sich VC und Unternehmer in ihrer je spezifischen Individualität fremd. „Wir waren uns bis zum Schluss fremd, da er aus einer Welt kam, die mir wirklich fremd ist, und ich aus einer Welt, die ihm wirklich fremd ist“ (Hal). Beim zweiten Typus, der kognitiven Reflexivität, orientiert sich die wechselseitige Wahrnehmung und die daraus resultierende Erwartungsbildung stärker an der Individualität des Gegenübers. „Bei Firma A ist der CEO ein sehr junger, unerfahrener Wissenschaftler mit hervorragenden Qualitäten und Anlagen, der jedoch sehr stark polarisiert. Der braucht natürlich eine andere Art von Auseinandersetzung und Pflege als ein gestandener Industriemann mit 20 Jahren Führungserfahrung“ (Bir). Der branchenspezifischen Regeln, Rollentypisierungen und Skripten durchaus bewusst, sind jedoch insbesondere die VC-Manager immer auch bestrebt, die Unternehmer in ihrer je spezifischen Motivation, Sozialisation und Profession wahrzunehmen und diese mit zur Grundlage einer „gemeinsamen“ Wirklichkeitskonstruktion zu machen. Die institutionellen Erwartungen werden weniger reflexartig prozessiert als vielmehr in ihrer Ambiguität wahrgenommen und reflexiv bearbeitet (Beckert 1999, Zilber 2002). Die Akteure „are creating and applying these symbols, interpreting these meanings, and formulating, conforming to, disobeying, and modifying these rules“ (Scott 1994, 60). Mit Bezug auf eine weitgehend symmetrische Perspektivenreziprozität entsteht so eine kognitive Ordnung, die sich auch in kritischen Situationen gegenüber Dritten glaubwürdig aufrechterhalten lässt. „Ziel ist, dass die in ihrer ureigenen Rolle in ihrer besten Wertigkeit dort mitspielen. Wenn Sie z.B. neues Kapital anwerben und neue Investoren gewinnen müssen, dann müssen Sie vorher eine gemeinsame Sichtweise schaffen und aufrechterhalten“ (Schre). Die kognitive Reflexivität fokussiert bei der wechselseitigen Positionierung die Empathie der Interaktionspartner. „Unser Investment-Manager hat selber eine Firma gegründet, hat selber VCs gehabt, hatte einen Riesenstreit mit ihnen, hat die Firma verkauft und ist selber VC geworden. Der vermittelt uns in der jetzigen Krise das Gefühl, daß er unsere Position als Unternehmer versteht“ (Hee). Indem VC-Manager und Unternehmer sich wechselseitig die Fähigkeit zur gegenseitigen Perspektivenübernahme unterstellen, transzendieren sie in ihrem Handeln typisierte Rollenzuschreibungen und nehmen das Gegenüber in seiner je spezifischen Individualität wahr. Diese Form der Perspektivenreziprozität übersteigt das hermeneutische und empathische Niveau utilitaristischer Nutzenkalküle deutlich. Eine erfolgreiche VC-PU-Dyade stellt sich hier weniger als fit autonomer Nutzenmaximierer, sondern vielmehr als interessengeleitete, gleichwohl ihrer sozialen Interdependenz bewussten, Interaktionsgemeinschaft dar. „Wir haben alle von uns ein sehr persönliches Verhältnis zu unseren Firmen und das geht ins Herz der Firma, aber es geht auch ins Herz unseres Lebens. Die Intimität der Beziehung erfordert ein

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Zulassen auf beiden Seiten, ist für uns sehr aufwendig, aber bisher extrem erfolgreich, weil man mit den Firmen lebt“ (Bir). 3.1.2. Normative Ordnung Die im Zuge der kognitiven Synchronisation gebildete kognitive Ordnung bildet im weiteren Verlauf die symbolische Folie für die subjektiven Interessen der Akteure und die diese kanalisierende normative Ordnung. Hierbei lassen sich empirisch zwei normative Ordnungen unterscheiden. Utilitaristisches Regelsystem Viele VCs lassen an dem Ziel der Renditemaximierung insofern keinen Zweifel aufkommen, als sie es zum Kern ihrer Unternehmensidentität und –philosophie machen. „Aus meiner Sicht sind wir ein Handwerksbetrieb, der Geld verkauft. Das Produkt heißt Geld“ (Blu). In der Verfolgung diese Ziels wird der strategische Umgang untereinander – im Zweifelsfall auch gegen die Interessen des Gegenübers – als legitimes Handlungsmotiv anerkannt. „Wir wissen, dass das ein ganz guter Typ ist, der aber auch seine eigne Agenda hat. Unser Ziel ist aber schon, möglichst unsere Linie durchzusetzen“ (Den). Um die Risiken, die aus der zeitlichen Disparität von Tauschinterakten resultieren, zu minimieren, setzen die Parteien auf die stabilisierende Funktion von Regeln (Kondo 1990). Indem die Teilnehmer „carefully monitor their own initiatives on the basis of their own evaluation of the reciprocating action taken by the other side“ (Osgood 1962, 88), entwickelt sich ein flexibles, selbstregulatives System wechselseitiger Beobachtung und Erwartungsbildung (Bendor et al. 1991). „In jedem Investment haben sie so eine storming- und norming-Phase, die sie durchlaufen müssen, bis jeder die Interessen des anderen kennt und weiß, wo dessen Stärken und Schwächen liegen und entsprechend auch dessen Beitrag einschätzen kann“ (Sei). Die utilitaristische Verhaltensreziprozität (Kranton 1996) erscheint unter der Annahme, „that the others follow the same rules and motives“ (Montada 1998, 90), als normatives Bindemittel desperater Motive. Nur wenn man sich selbst im Laufe der Interaktionsbeziehung als verlässlich oder fair erweist, kann man rationalerweise von seinem Gegenüber erwarten, dass es sich reziprok verhält. „Wenn du die Leute korrekt behandelst und ein verlässlicher Partner bist, glaube ich, werden sie dich entsprechend behandeln: „the way you treat people on your way up ist how they treat you on your way down“ (Blu) Gleichwohl steht die steuernde Funktion des emergenten Regelsettings immer unter dem Verdikt, den nutzenmaximierenden Kalkülen der Tauschparteien dienlich zu sein (Kondo 1990)127. Denn wird Regelorientierung für das langfristige gemeinsame Wohlergehen als durchaus rational betrachtet, so liegen kurzfristig immer Anreize zum

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Ganz in diesem Sinne kann laut Kondo (1990, 517) normatives Verhalten nur Rolle eines Stabilisators in Kooperationen spielen, aber niemals die eines Schöpfers. „The fundamental basis of mutual cooperation is rational behavior with the expectations of reciprocity”.

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individuellen Regelverstoß vor. Letztere werden von den anderen Parteien mit entsprechenden Strategien beantwortet. „Die Erfahrung zeigt, dass das, was er sagt, nicht das ist, was er auch umsetzen wird. Dementsprechend muss man manchmal Kontroll- und Sanktionsmechanismen einziehen um sicherzustellen, dass dem Gesagten auch entsprechende Taten folgen“ (Den). Holistische Moralordnung Einige VCs nutzen als aktive „interpreters“ (Zilber 2002) branchenspezifischer Symbol- und Regelsysteme den sich aus der Ambiguität institutioneller Erwartungen ergebenden Spielraum zur „symbolischen“ Differenzierung (Beckert 1999). „Ich glaube, dass wir uns in Deals von anderen VC-Gesellschaften unterscheiden. Bei uns gibt es keine Quick-wins. Hier ist sehr viel Substanz. Oft haben Sie HardcoreWissenschaftler, die 30 Jahre im Labor Patente gezimmert haben, um sie dann zu kommerzialisieren. Denen ist wichtig, dass sie Leuten die Hand geben, die das wirklich ernst meinen. Und das tun wir“ (Bir). Der Differenzierung entspricht auf personalpolitischer Ebene eine binäre Identität des VC-Managements. Indem sich die VC-Manager sich sowohl als Ökonomen als auch als Pharmakologen, Mediziner oder Biologen begreifen bzw. definieren, transzendieren sie die reinen utilitaristischen Tauschkalküle mitunter zugunsten empathiegetriebener Handlungsmoralität. „Ich habe zwölf Jahre Pharmaindustrieerfahrung. Ich habe im onkologischen Bereich gearbeitet und über acht Jahre mit HIVPatienten zu tun gehabt. Insofern bin ich mir der Notwendigkeit der sehr engen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Business für diese Menschen sehr wohl bewusst und, was es heißt, wirklich einen Impact für die Menschen zu liefern“ (Gol)128. Die Rückkopplung des Interaktionssystems an eine prosoziale Norm (Bowles 1998) – hier die moralische Pflicht zu Linderung menschlichen Leids – lässt auch die Normen der Reziprozität in einem anderen Licht erscheinen. Hat die Reziprozität in utilitaristischen Interaktionssystemen primär einen individualistisch, kalkulatorischen Regelcharakter: „a gift always looks for recompense“ (v. Hippel, 1988, 77), handelt es sich eher um eine generalisierte Norm im Sinne eines moralischen Imperativs des sozialen Lebens (Montada 1998). „All moral values and norms are by their nature interpersonal: they define and control the relationship of the individual to others. The ‚norm of reciprocity’ and the ‚principle of give and take’ are moral norms and principles that operate to restrain absolute ‚individual self-interest’ for the achievement of greater harmonious relationships in social life” (Ekeh 1974, 59). Ihre Persistenz erhalten moralbasierte Gabensysteme, indem sie durch ihr erfolgreiches Funktionieren die sie steuernde Interaktionsmoralität immer wieder reproduzieren und damit ihre eigene Überlebensfähigkeit sichern. Als zwingende 128

Auf Relevanz von moralischen Kategorien für die Motivation von VC-Gesellschaften verweist Perry bereits 1988, 209: „VenFund’s founder had decided that because America had been good to his family, he should do something to strengthen the country’s business structure. He created his venture capital fund to support technical people in the long-term development of important areas.“

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Konsequenz ergibt sich, „dass Tauschsysteme Gelegenheiten zum moralischen Handeln anbieten müssen, wenn sie eine entsprechende Tauschmoralität erhalten wollen“ (Kappelhoff 1995). „Unser Verständnis einer VC-Unternehmer-Beziehung ist im Kern durch Gegenseitigkeit geprägt. Wir erzielen dort die besten Ergebnisse, wo unser zusätzliches Involvement angenommen und umgesetzt wird. Für Gründer, die ausschließlich unser Kapital wollen, sind wir der falsche Partner“ (Schr). 3.2. Unternehmenssteuerung als Beziehungsproblem: Reziprozität struktureller und relationaler Ressourcen Venture Capitalist und Unternehmer stehen in einer komplexen Austauschbeziehung, die zum einen den wechselseitigen Transfer von Ressourcen bzw. Gaben umfasst. Zum anderen ist die einzelne Transaktion in einen sozialen Zusammenhang eingegliedert, der erst in seiner Gesamtschau für den Außenstehenden sinnvoll und erkennbar ist: (1) Die Struktur der Tausch- bzw. Gabenbeziehung selbst, (2) die Positionen der Akteure innerhalb dieses Systems sowie (3) die in diesem System getauschten Gaben bzw. Ressourcen stehen in einem interdependenten Verhältnis zueinander (Sahlins 1999). Um die einzelnen Dimensionen klarer zu beleuchten sowie die sich aus der Empirie ergebenden Unterschiede klarer herauszuarbeiten, werden die drei Dimensionen trotz ihrer Interdependenz separat diskutiert. Struktur des Tausch- bzw. Gabensystems Mit Blick auf unsere Daten,konnten wir zwei Interaktionstypen explizieren. Der erste Typ ist durch ein relatives Machtgleichgewicht sowie eine gegenseitige Kontrolle der Ressourcen gekennzeichnet. Betrachten sich VC und Unternehmer wechselseitig als opportunistische Nutzenmaximierer, so konstituiert sich eine soziale Austauschbeziehung, die in Teilen der balancierten Reziprozität Sahlins (1972) folgt. Diese beruht auf dem direkten Austausch gleicher Werte. Die Tauschparteien treten einander mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Interessen entgegen. „Es ist einfach ein professionelles Verhältnis. Wir machen unseren Job, sie machen ihren. Wir haben unsere Interessen, die haben ihre“ (Hee). Aufgrund der Interessensdisparität sind Formen balancierter Reziprozität weniger durch ein kooperatives als mehr durch ein antagonistisches Beziehungsverständnis gekennzeichnet (Gillmore 1987). Dieses kann günstigstenfalls auf einen Deal hinauslaufen, wo es überhaupt keine Beziehung gibt „und der Unternehmer verdient ein Wahnsinnsgeld für uns“ (Den). Die inhärente Dynamik wechselseitiger Interessensdisparitäten kann jedoch auch den Charakter eines „kalten Krieges, immer dieses flexible response“ annehmen, „bei dem man nie weiß, wann die Gegenseite ihre Atomwaffen abschießt“ (Ben) oder die Form „einer Hassliebe, wo ich im Prinzip für ihn menschliche Verachtung spürte und er für mich, aber wir beide wussten, daß wir den anderen brauchten“ (Hal). Während bei Typ 1 VC und Entrepreneur primär in einer direkt reziproken Tauschbeziehung stehen, beschreibt Typ 2 eine VC-PU Dyade, die in ein erweitertes Gabensystem eingebunden ist, in dem Kooperationsbereitschaft und Tauschsolidarität 259

ebenfalls von Bedeutung sind. Reziprozität stellt sich hier als generalisierte Norm dar, der sich alle Teilnehmer in ihrem Handeln bis zu einem gewissen Grad verpflichtet fühlen (Gouldner 1960). Die Verpflichtung zur Gabe läuft nicht direkt zwischen Ressourcennehmer und –geber, sondern über das Gabensystem selbst und seine Mitglieder (Ekeh 1974; Das/Teng 2002). Das Risiko für den Einzelnen bleibt insofern begrenzt, als die systemische Geschlossenheit der Gabenzyklen eine indirekte, typischerweise zeitverzögerte Entschädigung ermöglicht. Jeder Ressourcengeber ist zugleich auch Ressourcenempfänger in einer anderen, ebenfalls einseitigen Gabenbeziehung. „Relations of this kind built through an accumulation of actions that create a system of social relations that transcends narrow self-interest and includes moral as well as economic motivations as fundamental to action” (Larson 1992, 99). Die VC-Geber und Unternehmer betrachten sich wechselseitig als autonome Partner in einer in Solidarität verbundenen Gabengemeinschaft. Maßgeblich für das Funktionieren bleibt die moralische Unterstützung der Ressourcenflüsse durch prosoziale Normen. „Wir sind eine große Wissensdrehscheibe, in der verschiedenste Experten aus unterschiedlichen Regionen beteiligt sind. Das ist ein großes Geben und Nehmen, bei dem man auf der einen Seite gibt und ganz woanders wieder nimmt. Das gleicht sich immer irgendwie aus, so dass ich da wirklich Nutzen von habe, meine Zeit anderen Leute zu widmen.“ (Wey). Positionen Im Zusammenhang von Interessensdisparität und Ressourcenabhängigkeit konstituieren sich je spezifische Positionen und Machtkonstellationen zwischen VC und Unternehmer. „In the context of entrepreneur-venture capitalist relationships, there appears to be substantial variance in the amount of power held by the parties at different stages of the relationship“ (Cable/Shane 1998, 161). Tauschpositionen, die sich gemäß balancierter Reziprozität konstituieren, konfigurieren sich primär über die beobachtbaren Ressourcenflüsse und -ausstattungen. So ist die Abhängigkeit von Akteur B von einem Akteur A um so größer, je wichtiger für B bestimmte Ressourcen sind, die A kontrolliert, und je weniger B die Möglichkeit hat, diese Ressourcen außerhalb der A-B-Beziehungen zu erlangen (Emerson 1962). „Ich saß da und dachte: ‚Das einzig Gute ist, sie werden zurückkommen und unser Spiel spielen müssen, weil sie nirgendwo anders Geld bekommen werden’“ (Blu). Je mehr sich nun die Machtkonstellation zugunsten des A verschiebt, d.h. je größer die Abhängigkeit B von A ist, desto mehr ist A in der Lage, den potentiellen Widerstand des B zu überwinden, Kooperation zu erzwingen und für ihn vorteilhafte Ergebnisse zu erzielen. (Emerson 1962). „Die Gründer hatten die Wahl: Entweder sie melden Insolvenz an oder Sie stimmten dem Vorschlag der Investoren nach Verwässerung der Anteile und Auswechselung des Vorstands zu“ (Nus). In Typ 2 – dem Gabensystem – wird anders gedacht. Den Akteuren ist klar, dass sich Gegenseitigkeit oft erst längerfristig zeigt (Perry 1988). Ausgeglichenheit resultiert, wenn überhaupt, aus einer sachlich, sozial und zeitlich äußerst komplexen 260

Struktur von Transaktionen. Da die Optimierung der individuellen Position zwangsläufig an die Persistenz des Gesamtsystems gebunden ist, werden wechselseitige Verpflichtungen durch alle Formen kooperativen Handelns beglichen „Wir möchten unsere alten CEOs weiter in unserem Netzwerk behalten. Da sie glaubwürdig, ehrlich und erfolgreich sind, haben sie eine höhere Autorität als ich bei den Unternehmen. Zudem kriegen wir von denen viele gute Businesspläne reingespielt. Die fühlen sich uns verpflichtet, Sachen an uns zurückzuspielen“ (Bir). Ressourcen Ganz im Sinne der oben angesprochenen Interdependenzen erklärt Sahlins (1972) zur Gabe, dass die Art, wie die Rückgabe erwartet wird, etwas über den Geist aussagt, der den Tausch bestimmt. Die Unterscheidung der Reziprozitätstypen ist auch hier also „mehr als nur formaler Natur“ (Sahlins 1972). Während bei Typ 1 die sozialen Beziehungen vom Ressourcenfluß abhängen, „wenn die ihre angekündigten tollen Kontakte dann doch nicht liefern, weiß ich nicht, warum wir uns mit denen zusammengetan haben, denn Geld hätten wir auch woanders bekommen“ (Falk), wird bei Typ 2 „die Bewegung der Güter durch die herrschenden sozialen Beziehungen getragen“ (Sahlins 1972): „Man kennt sich, man vertraut sich ein Stück weit und weiß, dass wenn ich heute mein Wissen zu dem Thema abgebe, dann bekomme ich morgen Wissen von jemand anders zurück“ (Wey). In direkten Reziprozitätsbeziehungen des Typ 1 werden vorwiegend gut quantifizierbare Ressourcen getauscht, die den Tauschparteien zu jedem Zeitpunkt eine exakte Saldierung ihrer Ressourcenflüsse ermöglichen. Empirisch zeigt sich, dass beide Parteien bemüht sind, wechselseitig ihre Beiträge monetär bewertbar zu machen. Denn die Solidarität zwischen den Tauschpartnern konstituiert sich nur auf der Basis wechselseitig realisierten Nutzens, der auf den bewerteten Ressourceneinsätzen fußt. Im Zweifel steht die individuelle Nutzenmaximierung der Akteure über dem sozialen Gebot eines fairen Austauschs (Ekeh 1974). In Formen generalisierter Reziprozität des Typ 2 hingegen wird deutlich, dass neben dem Tauschwert der Gabe hier ihre soziale Funktion, die Stiftung und Aufrechterhaltung von langfristigen Beziehungen, eine zentrale Bedeutung spielt (Darr 2003). Denn: „Wir investieren nicht in vorgelegte Businesspläne, sondern wir bauen Firmen von Anfang an oder sukzessive auf“ (Bir). Indem hier eine langfristige Beziehungsperspektive als normatives a priori fokussiert wird, werden gemäß der Unternehmensentwicklung unterschiedliche Gaben in differenzierter Frequenz und Intensität getauscht. Sieht dies am Anfang der Beziehungs- und Unternehmenskonstitution regelmäßige und intensive Unterstützung vor, die von aufwendigen Managemententwicklungs- und Coachingmaßnahmen über die Bereitstellung von Kunden- und Kooperationskontakten bis zu operativen Unterstützungsleistungen reicht, so wird im Verlauf der Unternehmensentwicklung und Managementprofessionalisierung „die Unterstützung dann punktueller und die

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Intensität wird weniger, aber letztlich bleibt die thematische Bandbreite vergleichbar“ (Bir). 3.3. Unternehmenssteuerung als Kooperationsproblem: Reziprozität der Verhaltensmodi Vertrauen, Macht, Kontrolle und Sanktionen im Interaktionszusammenhang In der Betrachtung unserer VC-PU-Interaktionen haben sich Vertrauen, Macht, Kontrolle und Sanktionen als relevant und in ihrer Ausprägung unterschiedlich abgezeichnet. Während die beiden ersten von fokaler Bedeutung sind, haben die Kontrollformen und Sanktionsmechanismen empirisch eher derivaten Charakter. VC-PU-Dyaden sind als soziale Tauschsysteme naturgemäß mit Risiko und Komplexität behaftet. „Die Situation ist oft, dass die zwar einen ehrlichen Eindruck machen, ich aber letztlich deren Redlichkeit nicht bezeugen kann. Man muß dann einfach mal den Äußerungen der Investoren glauben und umgekehrt“ (Ste). Dreierlei wird hier deutlich: Erstens basieren Entscheidungen – hier zugunsten von Vertrauen – weniger auf präzisen Daten als auf guten Gründen (Luhmann 1979). Will „ego“ nun einen ersten Schritt in Richtung einer Tauschbeziehung machen, d.h. bietet er „alter“ eine Gabe zum Tausch an, so muss er zweitens rationale Kalküle transzendieren und in einseitige Vorleistung treten. Dabei handelt er drittens so, als ob das Verhalten von „alter“ bis zu einem bestimmten Grade vorhersehbar ist (Luhmann 1979). Diese Fiktion von der Prognostizierbarkeit des Handelns des „alter“ gründet auf institutionalisierten Wahrnehmungsmustern, die eine „world in common“ (Garfinkel 1967) postulieren. Je nachdem, ob hier nun mehr nutzenorientierte oder mehr solidaritätsorientierte Rollentypisierungen in den Verhaltensprognosen aktualisiert werden, greift der Gebende prioritär auf Macht oder Vertrauen als Koordinationsmechanismus zurück. Indem Vertrauen und Macht dem gleichen Funktionsprinzip folgt: „they influence the selection of actions in the face of other possibilities“ (Luhmann 1979, 112), können sie in VC-Beziehungen als funktionale Äquivalente eingesetzt werden. Diese je spezifische Kombination von Macht und Vertrauen impliziert nun unterschiedliche Kontrollformen und Sanktionsweisen. Vertrauen Unterstellen VC-Manager und Unternehmer sich wechselseitig nutzenmaximierendes Verhalten, so entpuppt sich Vertrauen in einer Form von „calculative trust“129 (Rousseau et al., 1998) als Erwartungssicherheit in die ökonomische Rationalität des Gegenübers. „Wenn man eine Vertrauensbasis hat, hat das auch was mit Berechenbarkeit zu tun. Man kennt relativ genau die Entscheidungsparameter des Anderen“ (Kna). Mit Blick auf eine längerfristige Bindung zwischen VC und Unternehmer kommt es voraussichtlich zu wiederholten Tauschakten. Dieser „shadow 129

It is based “on rational choice-characteristic of interactions based upon economic exchange”. (Rousseau et al. 1998, 399)

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of the future“ (Axelrod 1984) befördert insofern den Aufbau von Vertrauen, als die Akteure in ihren Kalkulationen die kurzfristige Nutzenmaximierung zugunsten längerfristiger Kooperationsrenten zurückstellen. „... each party knows that he or she cannot successfully take advantage of the other due to the expectations of future interactions and reciprocation” (Cable/Shane 1997, 163). Die im Zuge der wiederholten Interaktionen erbrachten Vorleistungen verpflichten – dem Primat balancierter Reziprozität (Sahlins 1972) folgend – den Vertrauensnehmer zu adäquaten Gegenleistungen. „Das geht ganz einfach, du kriegst nur Geld, wenn du die Leute eingestellt hast“ (Tel). Die Parteien saldieren nach jeder Tauschrunde ihre Tauschbilanz und entscheiden entsprechend über eine Kooperations- bzw. Defektionsstrategie. „Jetzt ist es so, dass wir eine relativ ausgeglichene Bilanz haben in dem, wo wir nachgegeben haben und wo der Gründer auf uns zugegangen ist“ (Ben). In Gabensystemen, die auf einer holistischen Moralordnung beruhen, dominieren Formen des “relational trust“130. Indem die Akteure in ihren Handlungen immer auch prosoziale Normen aktualisieren, kann „alter“ „ego“ mit gutem Grund mit einem Vertrauensvorschuß in Vorleistung treten. „Die Einhaltung verbaler Verträge ist eine Vertrauensfrage. Wenn ich professionell mit jemandem umgehe und ein Agreement über das weitere Vorgehen geschlossen habe, dann erwarte ich von ihm eine Reife und Verlässlichkeit, daß er sich an unsere Abmachung hält“ (Gol). Deutlich wird, dass sich hier entgegengebrachtes Vertrauen aus einer selbst auferlegten Pflicht speist. „These voluntarily accepted duties clearly go beyond a negative promise not to harm the interests of the other party; they seem to provide a positive guarantee that the rights and interests of the other party will be included in the final outcome“ (Hosmer 1995, 392). Indem die Interaktionspartner wechselseitig die Vorstellungen und Interessen des anderen als normative a priori ihrer eigenen Ziele betrachten, erwächst dem Vertrauen eine über utilitaristische Nutzenkalküle hinausgehende Binde- und Koordinationswirkung131 (Larson 1992). „Ich glaube, wir haben beide so dieses Vertrauen, dass wir uns gegenseitig nicht über den Tisch ziehen. Wir kämpfen zwar, aber wir kämpfen eigentlich immer fair mit relativ offenem Visier“ (Ben). Wird Vertrauen nicht primär im Sinne einer sich kapitalisierenden Ware, sondern mehr als Gabe im Kontext einer moralgetriebenen „gift culture“ betrachtet, so gerät verstärkt der Beziehungsaspekt in den Blick. Laden die einseitigen Gabenzyklen zwar einerseits zu „free riding“ ein, so bieten sie jedoch andererseits die Möglichkeit zur Genese längerfristiger Vertrauensbeziehungen, die ihrerseits den Gabentransfer enttäuschungssicher machen. „Sie haben oft mit wildfremden Menschen zu tun, aber

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“It drives from repeated interactions over time between trustor and trustee. Information available to the trustor from within the relationship itself forms the basis of relational trust“ (Rousseau et al. 1998, 399). Laut Larson (1992, 85) basiert die Macht starker Beziehungen nicht “solely on short-term economics but economics overlaid thickly with an ethos of friendship and mutual assistance“.

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nach einem Jahr in der Rolle des Managements bzw. Aufsichtsrats haben sie viele harte und gute Zeiten gehabt. Da wächst dann so ein Grundvertrauen heran, das vieles einfacher macht“ (Bir). Macht Im Zuge utilitaristischer Rollendispositive setzen die Parteien zur Reduzierung der Tauschkomplexität vermehrt auf den Einsatz von Macht. „Sehr viele extrem schmerzfreie Investoren vertreten den Standpunkt: ‚Die wollen mein Geld, dann sollen die mir gefälligst erst einmal ganz genau erklären, was sie da treiben’. Das ist für Gründer aber nicht immer schön und einfach“ (Ben). Arbeitet Vertrauen mit der positiven Annahme, dass alter ego willig und fähig ist zur Kooperation, so basiert Macht auf einer negativen Verhaltensprognose (Luhmann 1979). Das Steuerungsvermögen hängt hier maßgeblich von dem Sanktionspotential ab, das dem Mächtigen zugeschrieben wird. Ist aufgrund der Ressourcenverteilung die soziale Zuschreibung als Machtinhaber wahrscheinlich, so ist das wahrgenommene Entscheidungsrisiko zugunsten des Steuerungsmechanismus Macht gering. „Wenn Sie Macht haben, ist es am einfachsten. Dann kann man entscheiden: nur das, wenn das!“ (Den). Je größer jedoch die Zweifel an den Sanktionsmöglichkeiten und der Bereitschaft zu ihrer ultimativen Anwendung bei dem Machtunterworfenen sind, umso schwächer ist die Position der Machtinhabers (Bachmann 2001). “Im schlimmsten Fall weiß die andere Seite, dass es keine Machtposition gibt, und verhält sich auch einfach nicht kooperativ“ (Den). Obwohl sich die Koordinationswirkung von Vertrauen in holistischen Moralordnungen als vergleichsweise ausgeprägt und stabil erweist, muß sie doch durch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten flankiert werden. Denn neben systemischer Solidarität bestimmt immer auch die individuelle Nutzenmaximierung das Handeln von VC und Unternehmer. Kommt es hier zu einem Verstoß gegen die prosozialen Normen, so kann dies negative Implikationen für die Vertrauensbeziehung haben (Montada 1998). „Als der unsere Abmachung gebrochen hatte, war das eine schwierige und bittere Konfrontation, die geführt werden musste, in der wir eben auch Vertrauen in ihn verloren haben“ (Den). Der Einsatz von Machtmitteln zur Sanktionierung von Normenbrüchen ist gleichwohl beschränkt. Will man nicht Vertrauen als primären Koordinationsmodus ablösen, also die Beziehung völlig neu konfigurieren (Sweeting/Wong 1997), müssen die Position und die Interessen des anderen als normative a priori der Machtausübung zugrunde gelegt werden. „Oberster Leitsatz ist bei uns immer, fair zu spielen. Sie können ja in manchen Situationen auch mit einem enormen Druckpotential arbeiten. Da muss man extrem vorsichtig sein, weil dieses natürlich solche Beziehungen leicht zerstören kann.“ (Sch). Kontrolle Herrschte bei unseren analysierten VC-PU-Dyaden – wie in Typ 1 – Macht als Koordinationsmechanismus vor, so implizierte dies eine relativ hohe Kontrolldichte.

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VC und Entrepreneur nutzen die Kontrollen, um den diskretionären Spielraum des Gegenübers einzuschränken. Während sich dies bei einer Dominanz des Entrepreneurs in peniblen Kontrollen von Mitsprache- und Eingriffsrechten der anderen Seite manifestiert, kann dies bei einer Machtverschiebung zugunsten des VC den Einsatz des gesamten Spektrums von Monitoringinstrumenten (Sahlman 1990) implizieren. Dies beschränkte sich bei unseren VCs nicht nur auf die Kontrolle strategischer Entscheidungsprozesse, sondern erstreckte sich teilweise bis auf die operative Ebene. “Die neuen Investoren wollen genau wissen, welche Reportingmechanismen ich habe, welche genauen Tools ich benutze etc... Da ist dieses operative Einmischen und damit natürlich auch eine Form von Kontrolle ziemlich ausgeprägt“ (Nus). Dominiert jedoch – wie in Typ 2 – Vertrauen als Koordinationsinstrument die Interaktionen zwischen VC und Entrepreneur, so finden je nach Netzwerkgröße vermehrt Formen indirekter, sozialer Kontrolle Anwendung. Getragen von der Individualität einer Vielzahl von Partnern und gesteuert von prosozialen Normen der Reziprozität, entwickelt sich so ein selbstregulatives Kontrollsystem. „As used here, social control encompasses self-regulation with a moral dimension in combination with control as jointly determined by and diffused across mutiple participants” (Larson 1992, 91). Soziale Kontrolle stellt sich hier als integratives Medium von individueller Freiheit und für die Kooperation notwendige Kontrolle dar. „Unser Investor sagt immer: ‘We back jockeys, not horses’. Die lassen uns in der Führung unserer Firma schon extrem viel Gestaltungsspielraum. Aber der darf von unserer Seite natürlich nicht missbraucht werden“ (Kna). Sanktionen Die Sanktionspraxis ist in machtkoordinierten Tauschsystemen eng an die Herrschaftsverhältnisse gebunden. Je nach Tauschposition verfügen die Tauschparteien wechselseitig über eine Sanktionsmacht, die es ihnen ermöglicht, Regelverstöße mit einem abgestuften Sanktionssystem zu ahnden132. Die Grenzen der Sanktionierung liegen letztlich in der Realisierung des individuellen Nutzens. Da die Tauschparteien über den wechselseitigen Ressourcentransfer voneinander abhängen, unterminiert eine als zu hart empfundene Sanktionierung das Kooperationsinteresse des Gegenübers und gefährdet somit die eigene Projektrente. „Die hatten am Schluss des Tages ein Finanzinvestment, das optimiert werden musste, ohne dass das Management davonläuft. Unser Druckmittel war, unsere Firma zuzumachen, und dann wäre für die die Investition ganz weg“ (Gul). Die Sanktionsmöglichkeiten sind in vertrauenskoordinierten Gabensystemen eng an allseits akzeptierte Normen gebunden. Normenverstöße erfordern hier „a context for

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Während VCs fallweise mit einer Verwässerung der Entrepreneur-Anteile (Sahlman 1990), dem Entlassen des CEO (Hoffman/Blakey 1987), dem unterpreisigen Anteilskauf oder der kollektiven Rufschädigung (Cable/Shane 1997) auf Regelverstöße reagieren, ahnden Entrepreneure defektierendes Verhalten der VCs mit dem Anspruch auf einen unkündbaren Arbeitsvertrag (Hoffman/Blakey 1987) oder ebenfalls mit einer branchenweiten Reputationsschädigung (Sahlman 1990).

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generalized reciprocal retaliation, defined broadly as the repayment of injurious or otherwise undesired acts“ (Westphal/Zajac 1997, 164). Sanktionen zeigen sich zumeist in dem Ausschluß des Delinquenten aus den normalen Interaktionen. „Social sanctions are generally punishments that negatively affect a firm’s opportunities over the long haul“ (Das/Teng 2002, 450). Die Sanktionspraxis wird sozialisiert, indem alle Mitglieder – und nicht nur die direkt Betroffenen – Verstöße gegen die Gruppennormen bestrafen und somit Gerechtigkeit wiederherstellen. Dadurch wird das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Gabensystems gestärkt. Gesetzliche Bestimmungen bilden hier nur die formale Folie, vor der die Mitglieder auf der Basis prosozialer Reziprozitätsnormen ihre konkreten Interaktionsbeziehungen prozessieren. „Sie können ein Unternehmen entweder qua geschaffener Gesetze oder qua persönlicher Beziehung zum Unternehmen steuern. Ersteres ist zum Scheitern verurteilt. Erfolg haben Sie nur in einer Beziehung, bei der die andere Seite unabhängig von der rechtlichen Situation das Gespräch mit Ihnen sucht“ (Blu).

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4. Reziprozitätstypen in der Investor/Unternehmens-Interaktion – ein Zwischenfazit Nachdem nun entlang der 10 Kategorien die zwei aus der Empirie generierten Typen beschrieben wurden, sollen sie im Folgenden kurz zusammengefasst und ihr jeweiliges aus der Makrokultur sowie der Tauschkonstellation resultierendes Kooperationsverständnis dargestellt werden. Die Ökonomische Tauschreziprozität Bei dem ersten Tauschsystem – der ökonomischen Tauschreziprozität – dominiert in symbolischer Analyseperspektive die Form kultureller Adaption. Die Akteure prozessieren vom ersten Zusammentreffen bis zum Exit primär institutionalisierte Rollen- und Motivtypisierungen in Form von wechselseitig unterstelltem Handlungsutilitarismus. Der hiermit einhergehende Regelutilitarismus generiert ein fragiles Normensetting, das letztlich auf wechselseitig realisierten Interessen beruht. Kennzeichen der sich so konstituiernden Makrokultur ist eine Akteursmotivation, bei der der Utilitarismus fokal und die Moralität peripher ist. Unter Rekurs auf die Makrokultur entsteht auf der Interaktionsebene eine strukturelle Tauschbeziehung, die der balancierten Reziprozität Sahlins (1972) folgt. Die Tauschparteien stehen sich hierbei in einer dyadischen Akteurskonfiguration gegenüber. Getrieben von ökonomischen Nutzenkalkülen und basierend auf je spezifischen Ressourcenausstattungen, versuchen die Akteure, die Tauschrate in ihrem Sinne zu beeinflussen. Tauschposition und Strukturpersistenz sind hier an die Fähigkeit und Bereitschaft der Tauschpartner gebunden, solche Leistungen und Ressourcen in die Tauschdyade einzubringen, die der andere zur Realisierung seiner Interessen benötigt. Der wechselseitigen Abhängigkeit und der intentionalen Handlungsmotivation bewußt, greifen die Tauschparteien primär auf Macht als interorganisationale Koordinationsform zurück. Flankiert von einem aufwendigen Kontroll- und Sanktionssystem entsteht so eine Kooperationsform, die zwischen hierarchisierter Abhängigkeitsbeziehung und beziehungsloser Handlungsautonomie changiert. Um angesichts einer zyklischen Auseinandersetzung um Autonomie und Abhängigkeit eine belastbare Kooperation auf Dauer zu stellen, fallen notwendigerweise hohe Transaktionskosten an. Mit Blick auf mögliche Tauschergebnisse dieses Tauschsystems lassen sich je nach Investmentsituation zwei Szenarien skizzieren. 1. Liegt ein Investment deutlich unter Plan, so ist insbesondere der VC bemüht, den Entrepreneur in eine für ihn günstige Tauschposition zu zwingen. Hierbei ist die Gefahr groß, dass sich die Akteure in ein selbstverstärkendes System verstricken, bei dem ostentative Machtpolitik die zweckrationalen Kalküle transzendiert. Im Zuge einer Emotionalisierung des Tauschsystems wird jede Defektion dann primär als Angriff gegen die eigene Professionalität bewertet und mit übertriebener Härte geahndet. Eskaliert ein Tauschsystem in der

skizzierten Weise, kann dies bei asymmetrischer Machtkonstellation zu einer resignativen Destruktionsstrategie des Machtunterworfenen führen. Liegt eine symmetrische Machtkonstellation vor, ist eine Pattsituation im Sinne „eines kalten Krieges“ realistisch. In Ermangelung prosozialer Normen als exogene Referenz- und Steuerungsgrößen kommt es zu einer wechselseitigen Neutralisation divergierender Intentionalität. Als Tauschergebnis erscheint ein suboptimales Innovationsniveau und damit ein eingeschränkter Erfolg des PUs als wahrscheinlich. 2. Liegt das Investment im oder über dem Plan, so konstituiert sich eine Beziehungskonstellation, die auf wechselseitige Nichteinmischung fokussiert. Während sich hierbei der VC auf die Rolle des Kapitalgebers beschränkt, positioniert sich der Entrepreneur komplementär hierzu als Mehrwert schaffendes Investment. Geeint in dem Interesse an einer Renditemaximierung einerseits und gewahr der unterschiedlichen Rollenanforderungen andererseits, entspinnt sich eine distanziert-rationalistische Tauschbeziehung (Sweeting/Wong 1997; Perry 1988). Indem die Tauschparteien ihre Handlungsstrategien dem a priori der Gewinnmaximierung unterordnen, sind sie bemüht, in den Tauschzyklen wechselseitig Kooperationsbereitschaft zu signalisieren und etwaiger Defektionen mit Großzügigkeit zu begegnen (Bendor et al., 1991; Cable/Shane 1997). Während im ersten Szenario ostentative Machtdemonstrationen die Tauschkultur bestimmen, bleiben hier die Machtpositionen und die daraus resultierenden Sanktionsmöglichkeiten eher latent. Nur durch gemeinsame Intentionalität verbunden und unbelastet von emotionalen „Scheuklappen“ sowie exogener Moralordnung kann sich so eine ergebnisorientierte Tauschkultur mit hohem Innovations- und Renditepotential entwickeln. Soziale Pflichtenreziprozität Bei dem Gabensystem – soziale Pflichtenreziprozität – dominiert als Modus kognitiver Synchronisation die kognitive Reflexivität. Die Akteure nutzen die Ambiguität der institutionalisierten Rollen- und Motiverwartungen zu einem reflexiven Umgang mit ihnen. Für die eher austauschbaren VCs bietet dies symbolische Differenzierungspotentiale, die sich in heterogenen Unternehmens- und Investmentphilosophien niederschlagen. Hierbei versuchen, sie an die Lebenswelt (Schütz 1967) der PUs anzuschließen, um in einem beidseitigen Synchronisationsprozess eine wechselseitig anschlussfähige und belastbare Makrokultur zu generieren. Kennzeichnend hierfür ist die partielle Transzendenz des Handlungsutilitarismus zugunsten prosozialer Motive wie Gegenseitigkeit, Ehre, Fairness, Gerechtigkeit etc. Gesteuert von einer endogenen Moralordnung, entsteht so ein Gabensystem, bei dem Moralität fokal und Utilitarismus peripher ausgeprägt sind.

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Kennzeichnend für das System ist auf der Interaktionsebene eine strukturelle Interaktionsbeziehung, die der generalisierten Reziprozität Sahlins (1972) folgt. VC und Entrepreneur sind hier Mitglieder eines komplexen Gabensystems, das lokal durch dyadische Interaktionsbeziehungen gestützt wird. Gegenseitigkeit zeigt sich mitunter erst langfristig, und Ausgeglichenheit resultiert aus einer sachlich, sozial und zeitlich komplexen Struktur von Transaktionen. Die Bereitschaft, individuelle Nutzenkalküle tendenziell einem moralgesteuerten Gabensystem unterzuordnen, ist daher voraussetzungsvoll. Sie erfordert neben dem Vertrauen in die Integrität der Partner primär Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Gabensystems. Dieses Vertrauen in das System und seine sie steuernde Moralordnung werden zur zentralen Koordinationsform. Jenseits formaler Verträge dominiert hier informale Kooperation im Sinne von Smith et al. (1995, 5), “which involves adaptable arrangements in which behavioural norms rather than contractual obligations determine the contributions of parties”. Kontrolliert wird die Einhaltung der Normen durch Formen sozialer Kontrolle. Alle Interaktionspartner sind verpflichtet, die Einhaltung der Normen im Gabensystem zu überwachen und Defektion in Form von sozialen Sanktionen zu bestrafen. Da Kontroll- und Sanktionsmacht hier nicht personalisiert, sondern als Systemmacht (Luhmann 1979) angelegt ist, entfallen die durch formalisierte Kontrollverfahren entstehenden Transaktionskosten. Welche Implikationen hat dieses Gabensystem nun bezüglich potentieller Ergebnisse? Hier lassen sich in Abhängigkeit von Institutionalisierungsgrad und Regelungsdichte der Moralordnung zwei Szenarien skizzieren. 1. Wird das Gabensystem durch eine exogene Moralordnung mit hoher Regelungsdichte und Institutionalisierungsgrad gesteuert, d.h. sind System und Moralität eng aneinander gekoppelt, so bildet sich zumeist eine delikate Balance von Vertrauen und Macht aus. Macht ist hier mehr eine Bedingung als eine Alternative von Vertrauen. Indem Kontrolle und Sanktionierung Aufgabe des gesamten Tauschsystems sind, wird Macht anonymisiert und der Autorität einer normierten Ordnung übertragen. Diese Form der Macht ist nicht indifferent gegenüber den individuellen Interessen der Mitglieder, erscheint jedoch schwerlich für opportunistische Strategien miß- bzw. gebrauchbar. Sind prosoziale Normen als Verhaltens-a-priori generell akzeptiert, so kann Systemmacht den effizienten Aufbau von „high level of trust“ befördern. Müssen sich Interaktionspartner in unternormierten Gabenbeziehungen explizit zwischen Vertrauen und Macht entscheiden, präferieren die Akteure hier eine Symbiose von Systemvertrauen und –macht. „Thus, generally, the quality and dynamics of transorganizational relations can be reconstructed as being controlled by patterns of trust and/or power mechanisms which are characteristic of the specific arrangements of institutional regulation in which the business activities are embedded“ (Bachmann 2001, 360). Der hohe normative Institutionalisierungsgrad eng gepaart mit einer 269

persistenten kognitiven Ordnung (Darr 2003) kann schlimmstenfalls das Gabensystem in einen „lock in“ treiben. Eine niedrige Innovationsrate mit einer unterdurchschnittlichen Wertentwicklung des PUs ist dann die wahrscheinliche Folge. 2. Ist die Regelungsdichte der exogenen Moralordnung weniger hoch und der Institutionalisierungsgrad geringer, d.h. sind Gabensystem und Moralität nur über indirekte Wechselwirkungen aneinander gekoppelt, so stellen sich Vertrauen und Macht mehr als diskrete Koordinationsalternativen dar. Unterstützt von Systemmacht bzw. -vertrauen machen die Mitglieder ihre Entscheidungen für einen Koordinationsmechanismus immer auch an den konkreten Interaktionspartnern fest. Denn allen Mitgliedern des Gabensystems ist bewusst, daß es zwar ein steuerndes Regelsetting gibt, dieses jedoch die utilitaristischen Kalküle des Gegenübers nicht außer Kraft setzt. Die Gabe ist hier ein Spiel mit gemischten Motiven, in dem prosoziales Verhalten virulent wird, wie die Versuchung, den eigenen Vorteil durch Täuschung zu vergrößern. Zum Tragen kommt einerseits die Evidenz strategischen Handelns, die das Gabensystem endogen dynamisiert. Der unternehmerische Charakter des einzelnen Interakts bleibt anderseits eingebettet in die systemspezifische Sozialität und gesteuert durch eine Pflicht zur Gabe. Innovatives Handeln im Zuge zweckrationaler Kalküle ist hier lose gekoppelt an eine steuernde Moralordnung, die koordiniertes Handeln enttäuschungssicher macht. Als funktionale Äquivalente von formalisierten Kontrollund Sanktionsmechanismen werden so Transaktionskosten reduziert. Günstigstenfalls verbinden sich hier Innovationsdynamik mit Kosteneffizienz und führen zu einer überdurchschnittlichen Wertsteigerung des PUs.

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TEIL E: Einseitige Managerkontrolle oder interaktive Unternehmenssteuerung – Zusammenfassung und Forschungsperspektiven Ob bei internationalen Großkonzernen wie Siemens, Deutsche Telecom oder KarstadtQuelle, bei altehrwürdigen Mittelständlern wie Grohe, Märklin oder Tank und Rast oder bei dynamischen New Ventures wie dem Biotech Unternehmen MBT, dem Softwareanbieter SUSE oder dem Telekommunikationsdienstleister Teldafax, überall beeinflussen sie mehr oder weniger direkt die Unternehmenspolitik. Sei es, dass sie wie im Falle der Telekom oder von KarstadtQuelle personelle Konsequenzen auf Vorstandsebene forcieren, wie bei Siemens oder Daimler Chrysler die Investions- und Devestionspolitik beeinflussen oder gar wie im Fall von Grohe oder Tank und Rast das gesamte Unternehmen kaufen, reorganisieren und mit Gewinn weiter veräußern. Sie, dass sind die institutionellen Investoren, die auf der Suche nach rentablen Kapitalanlagen gleichermaßen Großkonzerne, Mittelständler und Start Ups in den Blick nehmen. In Zeiten gestiegener Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, für die Erschließung neuer Märkte oder für die Erhöhung der Produktionskapazitäten sind deutsche Kapitalgesellschaften zunehmend auf die Investments der institutionellen Investoren angewiesen. Diese enge Verzahnung zwischen institutionellen Investoren und Kapitalgesellschaften beinflußt nicht nur die Unternehmenspraxis insofern, als „die Grenzen zwischen interner Unternehmensführung und externer Kontrolle verwischen“ (Bassen 2002, 5). „Auch auf die betriebswirtschaftliche Forschung“ – wie Bassen (2002, 5) betont – „nimmt dies Einfluss, verfließt doch die bisher klare Trennung zwischen der Forschung zur Unternehmensführung und zur Kapitalmarktforschung“. Unter dem Eindruck der Durchlässigkeit von Forschungsdisziplinen wie Unternehmensgrenzen wird Unternehmensführung und –steuerung zusehends interaktiv. Interaktiv insoweit, als Steuerung, definiert „als Bemühung um Minimierung einer Differenz“ (Kirsch/Seidl 2004, 1366), zunehmend von dem unhintergehbaren Anspruch des Gegenübers ausgeht. Die hieraus resultierenden Implikationen für die Forschungsbereiche Organisations- und Strategielehre sowie Unternehmensführung und -steuerung gilt es, weiter zu verfolgen. Dieser Intention ist die vorliegende Arbeit gewidmet. Die Forschungsergebnisse werden zunächst kurz zusammengefasst. Anschließend erfolgt dann ein Blick auf zukünftige Forschung. Der deskriptive Zugang, wie er für viele Abhandlungen der Betriebswirtschaftslehre, der Kommunikations- und Medienwissenschaften zum Thema Finanz- und Kapitalmarktkommunikation sowie Investor Relations bezeichnend ist, konzipiert die Interaktion zwischen Investor und Kapitalunternehmen primär als gerichtete Kommunikation. Unternehmenssteuerung stellt sich hier als Meinungsmanagement dar, das letztlich die Portfolioentscheidung des Investors im Sinne des kapitalnachfragenden Unternehmens beinflussen will. Gemäß dem technizistischen

Kommunikationsverständnis erweisen sich Informationen als Abbilder einer vorgängigen Realität, die in einem gerichteten Transmissionsprozess das vom Sender intendierte Verhalten beim Empfänger evozieren soll. Sprachliche Kommunikation und Information werden mithin als Entitäten unterschiedlicher Sphären begriffen, die sich im Hinblick auf die kommunikationspolitischen Ziele separat optimieren lassen. Eine organisationstheoretische Analyse der Interaktion zwischen institutionellem Investor und Kapitalgesellschaft setzt üblicherweise an einer institutionenökonomischen Betrachtung an. Im Zuge der verfügungsrechtlichen Trennung von Eigentum und Kontrolle wird die Interaktion zwischen Investor und Unternehmen als vertraglich fixierter Leistungstausch konzipiert. Während das Unternehmensmanagement (Agent) sein Arbeitsvermögen in den Dienst des Investors (Prinzipal) stellt und hierfür eine vereinbarte Entlohnung erhält, erwartet der Investor für die Übernahme des unternehmerischen Risikos eine entsprechende Kapitalverzinsung. Da annahmegemäß von divergierenden Nutzenfunktionen und Risikoneigungen der Vertragsparteien gepaart mit einer asymmetrischen Informationsverteilung ausgegangen wird, besteht aus Sicht des Investors die Gefahr, dass das angestellte Unternehmensmanagement seinen Verhaltensspielraum opportunistisch ausnutzt. Um die Agencykosten im Zuge opportunistischen Verhaltens zu minimieren, bietet die Agencytheorie einerseits Technologien zur Informationsangleichung an. Diese zielen darauf ab, den Informationsstand zu verbessern und so die Entscheidungsrationalität des Investors zu erhöhen. Um das Nutzenkalkül des Unternehmensmanagements im Sinne der Investoreninteressen zu beinflussen, setzt die Institutionenökonomik anderseits auf eine Vielzahl marktlicher, organisationaler und vertraglicher Anreiz-, Sanktions- und Kontrolltechnologien. Unternehmenssteuerung erweist sich in institutionenökonomischer Perspektive primär als Managerkontrolle, die sich einseitig an den Nutzenkalkülen der auftraggebenden Investoren zu orientieren hat. Diese dominante Forschungsperspektive wird nun mit empirischen Forschungsarbeiten kontrastiert, deren argumentative Stoßrichtung primär zwei Grundannahmen institutionenökonomischer Theoriebildung fokussiert. z Das eine ist die Annahme, dass die Akteure in einem Interaktionsprozess über ein „common knowledge“ (Aumann 1976) verfügen, d.h. die gleichen Vorstellungen über die Welt teilen. Unter der Annahme einer vorgängigen Realität, die sich in Informationen zweifelsfrei abbilden lässt, können Probleme des Informationstransfers nicht aus inkommensurablen Wahrnehmungsmodellen resultieren, sondern sind alleine auf die Informationszurückhaltung des Agenten zurückzuführen. Die Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung ziehen die Vorstellung einer homogenen Realitätsvorstellung der Kapitalmarktakteure und eines interpretationsfreien Informationstransfers in Zweifel. Sie unterscheiden hierbei zwischen zwei Arten von Investoren. Der Smart Trader investiert gemäß der Annahme völliger Rationalität. Von ihm unterscheiden die Kapitalmarktforscher den Noise Trader, der seine Investi272

tionsentscheidungen unter Rekurs auf sozio-kulturelle Interaktionskontexte fällt. Die Informationen, die er hierbei seinen Entscheidungen zugrunde legt, sind nicht vorgängig gegeben, sondern sozial konstruiert. Mit Bezug auf wissenssoziologische Untersuchungen zu der Genese und dem Transfer von Unternehmenswissen verschärfen sich die Zweifel an dem institutionenökonomischen Analysemodell nochmals. Die Genese von Unternehmenswissen erweist sich als interaktiver Prozess von Kapitalgesellschaft und institutionellem Investor, in dem die Abgründe doppelter Kontingenz, die aus den unterschiedlichen Akteursperspektiven resultieren, über die Reziprozität der Perspektiven im Sinne Schütz (1971) überbrückt werden133. Gilt der Unternehmenswert in institutionenökonomischer Perspektive als Bezugspunkt der Informationsasymmetrien, so stellt sich dieser hier als sozio-kulturelles Artefakt dar, das unter Rekurs auf institutionalisierte Bewertungsmodelle in zirkulären Interaktionsprozessen u.a. zwischen Finanzmanagement, Analysten und Portfoliomanagern konstruiert wird. z

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Die zweite Grundannahme betrifft die Handlungsmotivation der Akteure. Gemäß dem Verhaltensmodell „Homo Oeconomicus“ unterstellt die Institutionenökonomik den Akteuren strikte Nutzenmaximierung. Nur von nutzenmaximierenden Entscheidungskalkülen getrieben, agieren sie als asoziale Monaden auf atomistischen Märkten. Kooperatives Verhalten zwischen beauftragten Kontrolleuren und Kontrollierten – etwa zwischen NEDs und Topmanagement – steht prinzipiell unter dem Generalverdacht unerlaubtert Kollaboration auf Kosten der Investoren. In zahlreichen Untersuchungen hat die experimentelle Wirtschaftsforschung nun die Relevanz prosozialen Verhaltens in Arbeitsbeziehungen herausgearbeitet. Fairness, Vertrauenswürdigkeit, Gerechtigkeit und insbesondere Reziprozität sind als Verhaltensweisen in unterschiedlichen Interaktionskonstellationen evident. Unterstützung finden die Ergebnisse experimenteller Wirtschaftsforschung auch durch die empirische Forschung zu Corporate-Governance-Systemen. Mit Bezug auf Untersuchungen zu Interaktionsformen in japanischen und britischen Governance-Systemen konnte gezeigt werden, dass prosoziales Verhalten eine wichtige Rolle für die Funktionsweise von Governance Systemen spielt. Während in Japan prosoziales Verhalten zwischen Main Bank und Kapitalgesellschaft auf allen Hierarchieebenen interaktionsrelevant ist, zeigt sich Fairness oder Vertrauenswürdigkeit im britischen Governancesystemen primär im Handlungszusammenhang des Unternehmensboards. Im Unterschied zur institutionenökonomischen Entscheidungsaxiomatik, die Nutzenmaximie-

Eine Investmententscheidung kann zwar - wie Reckwitz (2000, 142) betont – „als teleologisch im weitesten Sinne definiert werden, aber die Verwurzelung der Handlungsziele in den kollektiven Sinnmustern des Hintergrundwissens, die strukturieren, was wirklich und was erstrebenswert ist, darf nicht kurzerhand ’übersprungen’ werden“.

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rung als Handlungsmotiv exogen in ihrer Modellbildung vorgibt, konstituieren sich unter Rekurs auf sozio-kulturelle Kontexte eine Vielzahl unterschiedlicher Motive als Entscheidungs-a-priori. Wie schon in der experimentellen Wirtschaftsforschung, so erweisen sich auch in der empirischen Governance-Forschung insbesondere reziproke Interaktionsformen als besonders evident. Während jedoch die experimentelle Wirtschaftsforschung Reziprozität eher als anthropologische Konstante betrachtet, fokussiert die vergleichende Governance-Analyse einen anderen Konstitutionszusammenhang. In reziproken Interaktionsformen erscheinen in unterschiedlichen Zusammensetzungen immer moralische und nutzenorientierte Handlungsmotive als evident. Diese Perspektive auf Reziprozität wird nun aufgegriffen und zu einem Theoriekonzept ausgearbeitet. Mit Bezug auf den „cultural turn“134, der sich in den Sozialwissenschaften (für viele Reckwitz 2000) und in Anfängen135 auch in der Ökonomik (z.B Nutzinger/Panther 2004) vollzogen hat bzw. vollzieht, erscheint hier Reziprozität als sozio-kultureller Interaktionsmodus, der von Nutzen und Moral gleichermaßen angetrieben wird. Innerhalb des Sozialen entfalten die Motive ihre Handlungswirkung jedoch nicht unmittelbar. Es sind die wechselseitigen Sinn- und Motivzuschreibungen der Akteure, die einen gemeinsamen Deutungszusammenhang konstituieren, vor dem die singulären Handlungen wie die kollektiven Handlungsmuster erst Plausibilität erlangen. Die Konstitution eines tragfähigen Deutungszusammenhangs ist jedoch ursächlich an eine Reprozität der Perspektiven gebunden. Die Evidenz eines solchen Reziprozitätskonzepts für die Steuerung innerhalb von Organisationen, zwischen Organisationen, von Gemeinschaften und auf Märkten wird anhand einer Vielzahl empirischer Untersuchungen mehr als deutlich. Nun stellt sich abschließend die Frage: Welche Relevanz hat ein solches Reziprozitätskonzept für die Interaktion zwischen Kapitalgesellschaften und institutionellen Investoren auf Kapitalmärkten? War doch die Beschreibung dieser Interaktion der Ausgangspunkt der Arbeit. In deskriptiver Perspektive handelt es sich bei der Interaktion um einen gerichteten Kommunikationsprozess, bei dem die Kapitalgesellschaft versuchte, den institutionellen Investor von seiner Werthaltigkeit zu überzeugen. Im Kern zielte dieses Meinungsmanagements darauf ab, die Wahrscheinlichkeit für eine Investition in das Unternehmen zu erhöhen. Denn je

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Der „cultural turn“ bezeichnet eine kulturwissenschaftliche Neuorientierung der Sozialwissenschaften, bei der kollektive Sinnsysteme – Wissensordnungen, symbolische Codes, Deutungsschemata, Semantiken, kulturelle Modelle – nicht mehr als Epiphänomene, sondern als notwendige Bedingung aller sozialen Praxis wahrgenommen und somit von der Peripherie ins Zentrum der sozialwissenschaftlichen Perspektive rücken (Reckwitz 2000). 135 In diesem Zusammenhang ist der Sammelband von Blümle, Goldschmidt, Klump, Schauenberg und von Senger (2004) hervorzuheben. Die Herausgeber bemängeln in ihrem Vorwort die Begrenzung der Ökonomik auf die Neoklassik, die zusehends als defizitär empfunden wird. Stattdessen fordern sie unter dem Label „Kulturelle Ökonomik“, die ökonomische Forschung „in historischer, interdisziplinärer und vor allem kultureller Perspektive“ (Blümle/Goldschmidt/Klump/Schauenberg/von Senger 2004, 1) zu erörtern und weiterzuentwickeln.

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profitabler ein Investment in den Augen der Portfoliomanager erscheint, so das Kalkül der Unternehmensvertreter, desto wahrscheinlicher ist eine positive Investitionsentscheidung. Dieses Interesses des Unternehmensmanagements bewußt, versuchen die Portfoliomanager mittels aufwendiger Beratungsverfahren, wahlweise den wahren oder fairen Unternehmenswert zu ermitteln und zur Grundlage ihrer Investitionsentscheidung zu machen. Bestimmend für die Interaktion ist somit die wechselseitige Unterstellung zweckrationalen Handelns. Kontrastiert wird diese Beschreibung der Kapitalmarktinteraktion mit einer empirischen Untersuchung zu den Interaktionen zwischen jungen Kapitalunternehmen und Venture-Capital-Gebern auf dem Markt für Wagniskapital. Die Untersuchung hat nun verdeutlicht, dass die Interaktionspartner zunächst einen gemeinsamen Sinn- und Verweisungszusammenhang aufgebaut haben. Dieser bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung der jeweiligen Interaktionsstrategien. Mit Bezug auf die jeweiligen sozio-kulturellen Kontexte haben sich zwei unterschiedliche Reziprozitätsmodi im Rahmen der Interaktion zwischen Portfoliounternehmen und Venture-Capital-Geber herauskristallisiert. Diese unterscheiden sich durch die unterschiedliche Relevanz von nutzenorientierten und moralorientierten Handlungsmotiven. Während bei der „ökonomischen Tauschreziprozität“ Nutzen fokal und Moral peripher ist, erwies sich bei der „sozialen Pflichtenreziprozität“ Moral fokal und Nutzen peripher. Im Unterschied zur gängigen betriebswirtschaftlichen Beschreibung von Kapitalmarktinteraktionen wird hier offenkundig, dass sich reziprokes Verhalten der institutionellen Investoren wie des Unternehmensmanagements nicht linear auf utilitaristische Tauschkalküle zurückführen lässt. Zur Aufrechterhaltung der Interaktionsbeziehung bewegt die Investoren neben dem manifesten Interesse an einer Renditemaximierung immer auch ein Stück weit das Gefühl moralischer Verpflichtung gegenüber dem Unternehmensmanagement. Diese Handlungsmotive sind jedoch der Interaktion nicht exogen vorgegeben, sondern selbst Ergebnis dynamischer Zuschreibungsprozesse, bei denen via reziproker Perspektivenübernahme institutionalisierte Rollentypisierungen in Anschlag gebracht werden. In der Rückschau der gesamten Argumentation – und hier kommen wir wieder zu der eingangs gestellten Forschungsfrage zurück – wird die Relevanz reziproker Interaktionsformen für die Steuerung von Unternehmen deutlich. Wie die mannigfaltigen Beispiele eindringlich verdeutlicht haben, findet Unternehmensführung und – steuerung nicht als Ergebnis autarker Strategiebildung statt, sondern entwickelt sich in der reziproken Interaktion mit anderen Organisationen. Als Beispiel für solche reziproken Organisationskonfigurationen wurde hier die Interaktion zwischen Kapitalunternehmen und institutionellem Investor gewählt. Für zukünftige Forschung wäre beispielsweise die Interaktion zwischen Unternehmen und Fremdkapitalgeber, wie sie exemplarisch beim deutschen Hausbankenmodell fokussiert wird, von Relevanz. Unter dem Stichwort Public Private Partnership wäre etwa die Interaktion zwischen Unternehmen und Verwaltungsorganisationen von Interesse. Ob bei den genannten 275

Interaktionsbeziehungen neben dem Streben nach Nutzenmaximierung auch die Pflicht zur Gabe als Handlungsmotiv virulent wird, ist eine empirische Frage. Mit Bezug auf die vorliegende Untersuchung – und hier kommen wir zu einer weiteren Forschungsfrage – wird deutlich, dass die reziproken Interaktionen zwischen institutionellem Investor und Kapitalgesellschaft von utilitaristischen und moralorientierten Handlungsmotivationen angetrieben werden. Eine zentrale Frage bleibt jedoch bisher unbeantwortet: Wie können sich Normen, Gerechtigkeitsurteile, kulturspezifische Moralen oder Vertrauensbeziehungen herausbilden? Zwar wurde bereits angedeutet, dass sich die Handlungsmotive endogen in den Interaktionen konstituieren. Wie sich dieser Konstitutionsprozess genau vollzieht, blieb jedoch unklar. Abschließend soll daher versucht werden, eine Forschungsperspektive für die Konstitution von Moralen, Normen etc. zu skizzieren136. Alfred Schütz’ „Generalthesis der Reziproziät der Perspektiven“ enthält zwei komplementäre, idealisierende Annahmen der „lay actors“, die Annahme der Vertauschbarkeit der Standpunkte von „ego“ und „alter“ und die Annahme einer gewissen Übereinstimmung der Relevanzsysteme (Schütz 1971, 11 ff.). Mittels dieser Idealisierungen überbrücken wir, das ist Schütz’ Idee, individuelle Differenzen untereinander und die Abgründe doppelter Kontingenz. Mead’s Konzept der Übernahme der Rolle des Anderen ist ganz ähnlich konstruiert. Besonders Berger/Luckmann (1980, 31) haben im Anschluß an Schütz (1971, 17; 1974, 245 ff.) betont, dass wir dabei in hohem Maße mit Typisierungen arbeiten. Der typische Postbeamte mit seinem typischen, daher: erwartbaren Verhalten ist ein beliebtes Beispiel. Zu der hier gefragten Theorie der Institutionalisierung kommen Berger/Luckmann (1980, 58) mittels der Figur der Reziprozität der Typisierung: „Institutionalisierung findet statt, sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von Handelnden reziprok typisiert werden.“ Dem muß man nur noch, etwa mit Gehlen (2004), hinzufügen, dass Institutionen Sollgeltung zukommt, um eine Idee von der Genese der hier in Rede stehenden Normen der Reziprozität zu bekommen.137 Wenn solche Institutionen und Normen derart aus Ketten von Habitualisierungen, idealisierenden Unterstellungen einer Reziprozität der Perspektiven, zugehörigen reziproken Typisierungen und Normierungen resultieren, dann läßt diese sozialtheoretische Figur ein Rätsel ungelöst: Wie ist in dieser Reziprozität, verstanden zunächst nur als Gegen- oder Wechselseitigkeit, ein Anfang zu denken? Wieso verliert

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Die folgenden Ausführungen sind dem Papier Göbel, Ortmann,Weber (2007) entnommen. Ich danke Günther Ortmann und Christiana Weber für die Bereitschaft, diesen Teil in meine Arbeit aufnehmen zu können. Durkheim (1981) hat die religiöse Abkunft, Ortmann (2004, S. 21 ff.) im Anschluß an Searle (1997) die fiktionale Referenz der Institutionen betont – Kern aller Institutionen sei Searles „X zählt als Y im Kontext K“. Beispiel: „Das Versprechen X zählt als Vertragszusage im Kontext K“. Searles „zählt als“ enthält jenes performative Fingieren im Sinne des lateinischen fingo (bilden und ersinnen), das in diesem Falle zum institutionellen Konstrukt des Vertrages führt.

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sich die Figur nicht in den leerlaufenden Zirkeln doppelter Kontingenz – „ego“ macht sein Handeln, seine Erwartungen, seine Reziprozitätsannahmen von denen des „alter“ abhängig, „alter“ aber die seinen von denen des „ego“? Oder, in anderer Fragerichtung, am Beispiel des Vertrauens: Ist es Voraussetzung oder aber Ergebnis effizienter Arbeitsbeziehungen, wie Sadowski et al. (1999) fragen? Wo liegt der Anfang? Die Antwort Sadowskis et al.: Vertrauen erscheine ihrer Analyse zufolge „weitgehend als Ergebnis effizienter Arbeitsbeziehungen – und nicht als deren Voraussetzung“ (ebd., 549). Darin kommt ihre am Ende doch utilitaristische Überzeugung zum Ausdruck. Erst kommt der Nutzen, dann kommt die Moral. Es führt aber in die Irre, hier ein Erstes identifizieren zu wollen. Die reziproken Orientierungen von „ego“ und „alter“, und eben auch die Orientierung an Nutzen und Moral (Vertrauen und Effizienz), sind in einer Weise aufeinander angewiesen, die sich in ein solches Entweder-Oder nicht bringen läßt, die vielmehr mit Hilfe der Figur rekursiver Konstitution bedacht werden sollte. In rekursiven Schleifen praktischer Bezugnahmen konstituieren „ego“ und „alter“ ihre Typisierungen und Normierungen, und es bilden Nutzen und Moral (Vertrauen und Effizienz) einander wechselseitig die Bedingungen ihrer Möglichkeit. Das läßt die Frage der Dominanz der einen oder anderen Seite offen. Es ist dies eine empirische Frage. Die Frage nach dem Anfang – dem Ursprung, dem Ersten, dem principium – läßt sich weder nach der Seite eines Nutzen- noch nach der Seite eines Moralprinzips beantworten. Sie läßt sich überhaupt nicht im Sinne eines voraussetzbaren Prinzips beantworten. Dann aber bedarf es einer Theoriefigur, die ohne Reduktion auf ein solches Erstes auskommt, eine Theoriefigur, die mit je wechselseitigen Bezugnahmen der einen Akteure auf andere zurechtkommt, auf andere, die sich bei ihrer Norm-, Präferenz- und Urteilsbildung aber doch ihrerseits auf die ersteren beziehen. Solche Konstellationen rekursiver, wechselseitiger, zirkulärer Verursachung oder Begründung können, soweit wir sehen, nur mit Hilfe der Figur der Selbstorganisation theoretisch bewältigt werden, die nun aber über die rein nutzenbasierten Modelle hinaus, wie sie etwa in der Spieltheorie seit Langem Verwendung finden, weiterentwickelt werden müßten. Dies ist die Stelle, an der die phänomenologische Analyse Anleihen bei einem aufgeklärten, nicht-teleologischen Funktionalismus machen muß, wie er – in kritischem Anschluß an Durkheim und Mauß – am ehesten von Merton, Gouldner und Mary Douglas vertreten wird, kulminierend in dem Gedanken, „daß Institutionen aus selbstregulierenden Anfängen hervorgehen“ (Douglas 1991, 80), und in dieser zirkulären, rekursiven Figur: „Die Interaktion ... verläuft von Menschen, die Institutionen schaffen, zu Institutionen, die für Klassifikationen (gemeint ist näherhin: ein Denkstil, d. Verf.) sorgen, zu Klassifikationen, die Handeln anleiten, zu Handlungen, die nach Benennung verlangen, zu Menschen ..., die positiv oder negativ auf die Benennung reagieren.“ (ebd., 167). Normen, Gerechtigkeitsstandards und -urteile können dann komplexitätstheoretisch als Eigenwerte einschlägiger „Referenz-Rekursionen“ behandelt werden – als Resultate selbstorganisierter Praktiken des respektiven, 277

reziproken Vergleichens und Evaluierens. In einem solchen komplexitätstheoretischen Rahmen hätte sich daher die Suche nach der von Kliemt und Zimmerling (1993) zu Recht geforderten Vereinigungstheorie, die (Eigen-)Nutzen- und Pflichtorientierung in einem integrierten Ansatz verarbeiten kann, zu bewegen. Moralische Standards der Akteure einerseits und ihre Präferenzen andererseits können und müssen im Rahmen einer solchen Theoriefigur nicht länger als exogen behandelt werden, sondern unterliegen vielmehr einer Rückwirkung jener rekursiven Praxis. Beispiele für eine solche Theoriefigur sehen wir in Mertons Theorie der Referenzgruppen, die schon Akerlof in Anspruch genommen hatte und die Standards des Urteilens (über Entgeltgerechtigkeit, Karriereerfolge u. ä.) als emergentes Resultat wechselseitigen Vergleichens mit Referenzgruppen erklärt, also nicht aus einem als fix vorauszusetzenden Maßstab; in Michael Burawoys Erklärung der Akzeptanz der Beschäftigten als Voraussetzung der Produktion, die aber als mitlaufendes Resultat eben dieser Produktion erzeugt wird: „Manufacturing Consent“ (1979); in der zitierten Fassung von Reziprozität als in praxi emergierender Norm von Giesler/Pohlmann und in den wechselseitigen Perspektivenübernahmen und Motivzuschreibungen bei Roberts und Styles. Vorauszusetzendes Erstes und resultierendes Zweites, diese Ableitungsfolge löst sich dann in die gesuchte zirkuläre, rekursive, wechselseitig komund supplementäre Verursachung auf. Kulturelle Differenzen sind aus der Sicht solcher Theorien keine Überraschung, vielmehr als Resultat divergierender Praxen erwartbar. Zumal Organisationen erscheinen im Lichte dieser Figur als Systeme derartiger Rekursionen mit dem selbsterzeugten Resultat organisationsweiter Instituionalisierung und durchaus kultureller Vielfalt der Institutionen, der Normen und der Moralen zwischen verschiedenen Organisationen. Komplexitätstheoretisch können sowohl Abwärtsspiralen der Reziprozitätsmoral als auch selbststabilisierende und -verstärkende Effekte – nach dem Muster „trust breeds trust“ – gut erklärt werden: als Ergebnisse pfadabhängiger Prozesse. Damit ist der theoretische Rahmen bezeichnet, innerhalb dessen die deliberate Gestaltung institutioneller Arrangements bedacht sein will. Zwar kann eine Moral der Reziprozität nicht direkt intendiert werden und wird durch Nutzenintentionen leicht korrumpiert. Wohl aber lassen sich institutionelle Arrangements schaffen, die der Gefahr der Ausbeutung kooperativen Verhaltens wehren, die kooperatives Verhalten belohnen und die vor allem moralbasiertes Belohnen und Bestrafen von Normbefolgung bzw. -verletzung schützen und honorieren (Schauenberg 1991, 346 ff.). Das muß nicht (ausschließlich) nutzenorientierten Konformismus fördern, es kann auch, wohl dosiert, der Erinnerung und symbolischen Bekräftigung und daher Reproduktion einer Moralität dienen, die auf diese Weise als organisationales Vermögen hervorgebracht oder stabilisiert wird – so sehr es auf die individuelle Moralität der Organisationsmitglieder angewiesen bleibt. Letztere kann durch organisatorische Maßnahmen nicht herbeigeregelt werden. Ihr kann im besten Falle der Boden bereitet werden mit einer reziprozitätsfreundlichen Organisationskultur als Humus. Das wird vielen Utilitaristen 278

als schwache Hoffnung, ja, als Naivität erscheinen. Die Umsichtigen unter ihnen aber haben längst gesehen, dass die Sicherung von Kooperation und Vertrauen eine Funktion der Organisationskultur ist (Kreps 1990; Schauenberg 1991, 347 f.; Williamson 1993; Sadowski 2002), die vor allem anderen Glaubwürdigkeit als Wert symbolisch und praktisch etabliert, d.h. deutlich signalisiert und praktisch folgenreich macht – die Glaubwürdigkeit von Verpflichtungen der Organisation und ihrer Mitglieder. Sie dient uns hier als letztes Beispiel für die Notwendigkeit, den sicheren Boden des Nutzens zu überschreiten: Glaubwürdigkeit leidet, wenn sie ganz und gar von kühler Berechnung abhängt. Zum Greifen nahe ist von hier aus der Schluß, die Gabe als Gabe in Betracht zu ziehen und nicht als Tausch zu verkennen. Eine Organisationskultur, die dieser Verkennung entgegenwirkt, braucht nur zu bestärken, was in praxi ganz ohnehin nicht negiert werden kann – mit einem Wort aus dem Werk, auf das der Diskurs um die Gabe zurückgeht, Marcel Mauss’ Essai sur le don: „Ein großer Teil unserer Moral und unseres Lebens steht immer noch in jener Atmosphäre der Verpflichtung und Freiheit zur Gabe.“ (Mauss 1968, 157)

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