Grundlagen des CRM: Strategie, Geschaftsprozesse und IT-Unterstutzung. 3. Auflage
 3834925500, 9783834925503 [PDF]

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Zitiervorschau

Hajo Hippner / Beate Hubrich / Klaus D. Wilde (Hrsg.) Grundlagen des CRM

Hajo Hippner / Beate Hubrich Klaus D. Wilde (Hrsg.)

Grundlagen des CRM Strategie, Geschäftsprozesse und IT-Unterstützung 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Prof. Dr. Hajo Hippner ist Inhaber der Juniorprofessur Direkt Marketing an der Universität Bayreuth. Beate Hubrich ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für ABWL und Wirtschaftsinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Prof. Dr. Klaus D. Wilde ist Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Wirtschaftsinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

1. Auflage 2004 2. Auflage 2006 3. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Barbara Roscher | Renate Schilling Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2550-3

Vorwort zur dritten Auflage Dank der großen Resonanz, welche die beiden vorherigen Auflagen der „Grundlagen des CRM“ in Wissenschaft und Praxis gefunden haben, konnte sich dieses Buch als Standardwerk zum Thema CRM in der deutschsprachigen Fachliteratur etablieren. Die vorliegende dritte Auflage möchte an diesen Erfolg anknüpfen und unter Mitwirkung der führenden deutschen Experten und Wissenschaftler eine systematische und aktuelle Gesamtdarstellung des CRM geben. Dabei wurde versucht, das Werk noch konsequenter als in den vorangegangenen Auflagen auf die zentralen Gestaltungselemente des CRM – Strategie, Geschäftsprozesse und IT-Unterstützung – auszurichten. Auch konnte in den fünf Jahren seit der letzten Auflage in Wissenschaft und Praxis eine Reihe interessanter und innovativer Entwicklungen im CRM verzeichnet werden, die eine umfassende Überarbeitung zahlreicher Beiträge sowie einige neue Beiträge erforderlich machten. Ziel dieses Buches ist es, einen Überblick über die Grundlagen des CRM, die elementaren Konzepte und Managementaufgaben sowie die operativen und analytischen Prozesse und deren IT-Unterstützung zu geben. Im ersten Teil werden Grundlagen zur Konzeption einer CRM-Strategie, der Gestaltung der Prozesse und der Funktionalität von CRM-Systemen vorgestellt. Ausführungen zum CRM-Controlling und zu den zu beachtenden Datenschutzaspekten in CRM-Projekten ergänzen diesen Teil. Im zweiten Teil des Buches folgt die Betrachtung der Kundenbeziehung als zentrales Element des CRM. Daraus leiten sich eine Reihe von kundenorientierten Managementaufgaben ab, die im dritten Teil entlang des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus thematisiert werden. Mit dem Aufbau und der Funktionalität von CRM-Systemen zur Umsetzung einer CRM-Konzeption beschäftigen sich die beiden folgenden Teile. Dabei werden im vierten Teil die operativen CRM-Prozesse und deren IT-Unterstützung betrachtet. Im fünften Teil stehen die Systeme und Funktionalitäten für analytische Aufgaben im CRM im Fokus. Unser Dank gilt an dieser Stelle den Autoren, ohne deren Engagement dieser Herausgeberband nicht hätte entstehen können, und Frau Fischermeier für die engagierte und sorgfältige Erstellung und Durchsicht des Manuskripts.

Ingolstadt, im November 2010

Hajo Hippner, Beate Hubrich, Klaus D. Wilde

6

Vorwort

PS der „Altherausgeber“: Unser besonderer Dank gilt unserer neuen Mitherausgeberin, Frau Beate Hubrich, die mit enormem Engagement und umfassendem Sachverstand die Hauptlast der Überarbeitung der „Grundlagen des CRM“ getragen hat.

Ingolstadt, im November 2010

Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Vorwort zur zweiten Auflage Der vorliegende Herausgeberband „Grundlagen des CRM“ wurde vom Markt überaus positiv aufgenommen. Die zahlreichen Reaktionen der Leser verdeutlichen dabei, dass sich die Thematik Customer Relationship Management zunehmend durchsetzt. Dies gilt nicht nur für die Wissenschaft, die intensiv versucht, die gesamte Bandbreite des Konstrukts umfassend abzudecken. In noch stärkerem Maße lässt sich diese Entwicklung in der Unternehmenspraxis beobachten. So verstehen immer mehr Unternehmen CRM als einen notwendigen Erfolgsfaktor, wobei sich die einzelnen CRM-Strategien und -Realisierungen zunehmend branchen- und unternehmensspezifisch differenzieren. Die Gliederung aus der ersten Auflage wurde beibehalten. Allerdings sind einige Beiträge aus Aktualitätsgründen nicht in die zweite Auflage übernommen worden. Im Gegenzug wurden neue Autoren gewonnen, deren Beiträge neuere Entwicklungen des CRM abbilden. Der erste Teil des Buches wurde so um den Aspekt der informationstechnischen Realisierung des CRM erweitert. Im zweiten Teil stellen Frank Wimmer und Julika Göb Möglichkeiten vor, wie die Informationsgrundlage des CRM durch die Marktforschung verbessert werden kann. Matthias Gouthier schließlich erläutert unter dem Begriff Customer Empowerment die Beobachtung, dass der Kunde zunehmend mehr Macht in einer Geschäftsbeziehung besitzt, und stellt vor diesem Hintergrund ein entsprechendes Managementkonzept vor. Wie auch schon bei der vorangegangenen Auflage bedanken wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bei den Autoren, ohne deren Engagement dieser Herausgeberband nicht hätte entstehen können. Besonderer Dank gilt abermals Frau Fischermeier für die überaus kompetente Erstellung und Durchsicht des Manuskripts.

Ingolstadt, im November 2005

Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Vorwort

7

Vorwort zur ersten Auflage Customer Relationship Management (CRM) versteht sich als kundenorientierte Unternehmensstrategie, die mit Hilfe moderner Informationstechnologie versucht, auf lange Sicht profitable Kundenbeziehungen durch ganzheitliche und individuelle Marketing-, Vertriebs- und Servicekonzepte aufzubauen und zu festigen. Ein zentraler Auslöser für den seit einigen Jahren zu beobachtenden CRM-Boom war das Verfügbarwerden integrierter CRM-Softwaresysteme, die als „technological enabler“ völlig neue Wege im Management von Kundenbeziehungen eröffneten. Während der Markt für CRM-Software boomte und interessierte Unternehmen heute unter ca. 100 integrierten und zahllosen spezialisierten IT-Werkzeugen wählen können, wurde jedoch immer deutlicher, dass CRM mehr ist als ein IT-Projekt. Zahlreiche gescheiterte CRM-(IT-)Projekte machten deutlich, dass die Voraussetzung für ein erfolgreiches CRM-Projekt eine durchdachte Kundenbeziehungsstrategie ist, ebenso wie darauf abgestimmte Geschäftsprozesse, ein Mitarbeiterstab, der die für CRM charakteristische Kundenorientierung des gesamten Unternehmensgeschehens als Unternehmensphilosophie aktiv mit trägt und – last but not least – IT-Systeme, welche die Mitarbeiter bei der Abwicklung kundenbezogener Geschäftsprozesse unterstützen. Gleichzeitig wurden aber auch die attraktiven Erfolgspotenziale erfolgreicher CRMProjekte durch eine wachsende Anzahl von Fallstudien und systematischer wissenschaftlicher Arbeiten glaubhaft belegt, so dass die Faszination von CRM trotz des vorübergehend in Literatur und Konferenzen aufschäumenden Lamentos über gescheiterte CRM-Projekte ungebrochen blieb. In der Fülle der Literatur, die den CRM-Boom der letzten Jahre begleitete, findet sich jedoch nach Kenntnis der Herausgeber kein Werk, das CRM in dieser umfassenden Sichtweise systematisch und umfassend darstellt und konkrete Hilfestellung gibt, wie die Klippen eines CRM-Projekts umschifft und seine Erfolgspotenziale realisiert werden können. Dementsprechend war es das Ziel der Herausgeber des vorliegenden Bandes, unter Mitwirkung führender Fachvertreter der einschlägigen Wissenschaftsdisziplinen eine Gesamtdarstellung von CRM vorzulegen, die ƒ

einen systematischen und in sich geschlossenen Überblick über alle Facetten von CRM gibt,

ƒ

die einzelnen Teilsapekte von CRM auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung umfassend darstellt und

ƒ

der Wirtschaftspraxis konkrete Gestaltungshilfe für die Abschätzung der Erfolgspotenziale und die praktische Ausgestaltung von CRM gibt.

Bereits bei der Ausarbeitung der ersten Grobkonzeption wurde deutlich, dass dieses Vorhaben den Rahmen eines Buches (technisch ebenso wie finanziell) sprengen würde.

8

Vorwort

Die Herausgeber entschieden sich deshalb für eine Gesamtdarstellung in Form von drei thematisch aufeinander abgestimmten Bänden, die gemeinsam das oben skizzierte CRM-Konzept umfassend abdecken und als eigenständige Werke jeweils einen Ausschnitt dieses Konzepts beleuchten: Der erste Band Grundlagen des CRM – Konzepte und Gestaltung stellt die Grundkonzeption von CRM, die Charakteristika von Kundenbeziehungen, die daraus resultierenden Gestaltungsoptionen für die Formulierung von Kundenbeziehungsstrategien sowie deren Einbindung in „klassische“ marktstrategische Konzepte in den Fokus. Der zweite Band Management von CRM-Projekten – Handlungsempfehlungen und Branchenkonzepte befasst sich mit der operativen Umsetzung von Kundenbeziehungsstrategien auf der Grundlage einer kundenorientierten Geschäftsprozessoptimierung und eines Change Management, das veränderte Strategien und Prozesse den Mitarbeitern aktiv nahe bringt. Die unterschiedlichen Ausprägungen, die das CRM-Konzept unter den Rahmenbedingungen verschiedener Märkte und Branchen findet, werden ausführlich und mit zahlreichen Fallstudien dargestellt und sollen der Praxis konkrete Anknüpfungspunkte für eine unternehmensindividuelle Umsetzung von CRM vermitteln. Der dritte Band IT-Systeme im CRM – Aufbau und Potenziale beschreibt die Möglichkeiten, welche eine moderne IT-Unterstützung heute dem CRM eröffnet. Im Mittelpunkt steht dabei neben den Möglichkeiten der Kostensenkung bei der Abwicklung kundenbezogener Geschäftsprozesse vor allem die Verbesserung der Wettbewerbsposition durch in sich stimmige Kundendialoge und die Erschließung zusätzlicher Kundennutzen und Dienstleistungen, die durch moderne IT-Systeme im CRM überhaupt erst möglich werden. An dieser Stelle möchten die Herausgeber den zahlreichen Fachkollegen danken, die durch ihre Beiträge die Vision einer systematischen, umfassenden und wissenschaftlich fundierten CRM-Gesamtdarstellung Wirklichkeit werden ließen. Nicht minder zu Dank verpflichtet sind wir den Mitarbeitern und Kollegen am Lehrstuhl für Allg. BWL und Wirtschaftsinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, vor allem Frau Waltraud Fischermeier, die mit der Organisation und technischen Fertigstellung der drei parallel laufenden Buchprojekte betraut war und diese mit außerordentlichem Einsatz und Sorgfalt bewältigte. Schließlich gilt unser ausdrücklicher Dank auch dem Gabler-Verlag, vertreten durch Frau Renate Schilling und Frau Barbara Roscher, die sich trotz des erheblichen Umfangs und schwieriger Zeiten, gerade auch im Verlagswesen, spontan für die Unterstützung unseres Vorhabens entschlossen haben.

Ingolstadt, im Januar 2004

Hajo Hippner und Klaus D. Wilde

Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................................... 5

Erster Teil Grundlagen des CRM CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse ................................................................ 15 Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien .............................................................. 57 Dominik Georgi, Moritz Mink Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse ......................................................... 91 Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde IT-Unterstützung durch CRM-Systeme ...................................................................... 129 René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde CRM-Controlling ....................................................................................................... 157 Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary Datenschutzaspekte in CRM-Projekten ...................................................................... 183 Dirk Arndt

Zweiter Teil Kundenbeziehung als zentrales Element des CRM Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie deren Erfolgswirkungen ......................................................... 213 Manfred Krafft, Oliver Götz Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg .................... 247 Hermann Diller

10

Inhaltsverzeichnis

Kundenbewertung im Rahmen des CRM ................................................................... 271 Bernd Günter, Sabrina Helm Beziehungslos im Dschungel des Beziehungsmarketing oder: Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive ............................... 293 Ursula Hansen

Dritter Teil Kundenorientierte Managementaufgaben im CRM Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus ....................................................................... 319 Bernd Stauss Interessentenmanagement ........................................................................................... 343 Alexander Haas Neukundenmanagement ............................................................................................. 373 Matthias H. J. Gouthier Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement .................................................... 409 Manfred Bruhn Feedbackmanagement ................................................................................................ 441 Bernd Stauss Kündigungspräventionsmanagement .......................................................................... 475 Silke Boenigk Rückgewinnungsmanagement .................................................................................... 499 Andreas Schöler Kreditrisikomanagement ............................................................................................ 527 Jürgen Terpin, Marcus Siegl Multi-Channel Management im CRM ......................................................................... 559 Marcus Schögel, Jochen Binder, Inga Schmidt, Achim Sauer

Inhaltsverzeichnis

11

Vierter Teil IT-Unterstützung operativer CRM-Prozesse IT-Unterstützung von Marketing-Prozessen ............................................................... 601 Wolfgang Leußer, Denise Rühl, Klaus D. Wilde IT-Unterstützung von Sales-Prozessen ........................................................................ 651 Christian Gündling IT-Unterstützung von Service-Prozessen .................................................................... 683 Andreas Schöler IT-Unterstützung ausgewählter Interaktionskanäle und Customer Touch Points ........ 703 Robert Hauke, Klaus D. Wilde

Fünfter Teil IT-Unterstützung analytischer CRM-Prozesse Kundeninformationen als Basis des CRM .................................................................. 731 Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde Data-Warehousing im CRM ........................................................................................ 757 Jörg Becker, Ralf Knackstedt Data Mining – Grundlagen und Einsatzpotenziale in analytischen CRM-Prozessen . 783 Hajo Hippner, Lukas Grieser, Klaus D. Wilde Adaptivität und Echtzeit in CRM-Prozessen .............................................................. 811 Lukas Grieser, Klaus D. Wilde Autorenverzeichnis ...................................................................................................... 851 Stichwortverzeichnis ................................................................................................... 861

Erster Teil

Grundlagen des CRM

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse 1

Einleitung

2

Grundlagen des CRM 2.1 Definition 2.2 Begriffsabgrenzung

3

Rahmenkonzept des CRM 3.1 Überblick 3.2 Ökonomischer Erfolg durch profitable Kundenbeziehungen 3.2.1 Wertorientierte Betrachtung der Kundenbeziehungen 3.2.2 Determinanten des Kundenwerts 3.3 Kundenzufriedenheit und -bindung als Basis des ökonomischen Erfolgs 3.4 Kundenbeziehungsstrategie als Ausgangspunkt des CRM 3.5 Kundenorientierte Reorganisation des Unternehmens

4

Prozesse im CRM 4.1 Strategische CRM-Prozesse 4.2 Analytische CRM-Prozesse 4.2.1 Übergreifende analytische Prozesse 4.2.2 Maßnahmenspezifische analytische Prozesse 4.3 Operative CRM-Prozesse

5

IT-Systeme im CRM

6

Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1

Einleitung

In den letzten Jahren hat sich der Ansatz des Customer Relationship Management (CRM) in der Praxis fest etabliert. Im CRM-Konzept werden dabei zahlreiche vorhandene Gedanken und Ideen unter der Maxime der Kundenorientierung synergetisch vereint und in diesem mit positiven Grundwerten versehenen Ziel zusammengeführt. Zwar hat auch die Marketingwissenschaft schon seit geraumer Zeit das Thema „Beziehungsmarketing“ aufgegriffen und ganzheitlich theoretisch durchleuchtet. Allerdings konnte sie sich in den meisten Fällen nur mit isolierten Teilaspekten aus den Bereichen ƒ

beziehungsorientierte Ziele (Kundenbindung, Erhöhung des Kundenwerts etc.),

ƒ

beziehungsorientierte Instrumente (Kundenclubs, Kundenkarten etc.),

ƒ

beziehungsorientiertes Management (Beschwerdemanagement, Interessentenmanagement etc.)

in der Marketingpraxis positionieren. Mit dem Aufkommen des umfassenden CRM-Ansatzes und der großen Resonanz in der Praxis erhält die Marketingwissenschaft nun jedoch endlich die Chance, ihre ganzheitlichen, konzeptionellen Überlegungen der vergangenen Jahre unter der Ägide des CRM in die Praxis zu überführen. In diesem Sinne verfolgt dieser Beitrag die Sichtweise des Marketing-Begriffs als Konzept marktorientierter Unternehmensführung, der somit Marketing, Sales und Service als integrale Bestandteile einschließt (Nieschlag et al. 2002, S. 14).

2

Grundlagen des CRM

2.1

Definition

Setzt man sich mit dem CRM-Begriff auseinander, lässt sich beobachten, dass CRM in der Vergangenheit häufig auf seine technologische Komponente reduziert wurde (Brill 1998, Fischer-Neeb 2000, Jost 2000, Schwede 2000, Schwetz 2000). CRM wird hierbei mehr oder weniger mit CRM-Systemen gleichgesetzt, deren Aufgabe in der Sammlung und Auswertung von Kundendaten sowie in der Automatisierung kundenbezogener Prozesse liegt. Zwar ist es unbestritten, dass moderne IT-Systeme das Management von Kundenbeziehungen nachhaltig unterstützen können – jedoch birgt diese starke ITOrientierung die Gefahr in sich, die notwendigen Rahmenbedingungen im Unternehmen nicht zu beachten. Diese Problematik wird zunehmend erkannt und so wird vermehrt eine „strategische Ausrichtung statt IT-getriebenem Aktivismus“ gefordert (Homburg/Sieben 2008, S. 501). Ausgangspunkt dieses eher betriebswirtschaftlich orientierten CRM-Verständnisses ist die Überlegung, dass IT-Lösungen nur dann ihre Möglichkeiten ausschöpfen können, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sind. Publikationen,

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

denen dieses Verständnis zugrunde liegt, wenden sich tendenziell Aspekten des Kundenwissens, Kundenwerts, Konstrukten der Kundenzufriedenheit und -bindung etc. zu, wobei häufig das Fehlen der IT-basierten Realisierung anzumahnen ist (z. B. bei Raab/ Lorbacher 2002). Aus der einseitigen Konzentration auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte des CRM und der Vernachlässigung der technologischen Komponente resultiert, dass viele gut gemeinte Ideen und Ratschläge auf einer theoretisch-konzeptionellen Ebene verharren und keine praktische Umsetzung erfahren. Weder eine einseitige Konzentration auf CRM-Systeme noch eine ausschließliche Fokussierung auf eine betriebswirtschaftliche CRM-Konzeption versprechen folglich eine erfolgreiche CRM-Umsetzung. Nur die aufeinander abgestimmte Ausgestaltung von kundenorientierter Strategie und kundenorientierten Informationssystemen kann die Potenziale des CRM-Konzepts ausschöpfen. Vor diesem Hintergrund schlagen wir folgende CRM-Definition vor: „Customer Relationship Management umfasst den Aufbau und die Festigung langfristig profitabler Kundenbeziehungen durch abgestimmte und kundenindividuelle Marketing-, Sales- und Servicekonzepte mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.“ CRM umfasst folgendermaßen zwei zentrale Gestaltungsbereiche: ƒ

CRM steht für eine neue kundenorientierte Unternehmensstrategie. Um erfolgreiches CRM zu betreiben, muss eine Neuausrichtung sämtlicher Geschäftsprozesse und Verantwortlichkeiten auf den Kunden hin erfolgen.

ƒ

Zur Unterstützung der Prozesse erfordert CRM aber auch den Einsatz von integrierten Informationssystemen (CRM-Systeme). Nur die Zusammenführung aller kundenbezogenen Informationen und die Synchronisation aller Interaktionskanäle erlauben eine ganzheitliche Sicht auf den Kunden („One Face of the Customer“) und somit auch eine abgestimmte Kundenansprache („One Face to the Customer“).

In einem ersten Schritt muss demzufolge – entsprechend den strategischen Zielsetzungen des Unternehmens – eine CRM-Strategie erarbeitet werden (Homburg/Sieben 2008, S. 513 ff.). Hierbei wird z. B. festgelegt, welche Kundengruppen über welche Interaktionskanäle mit welchem Instrumentarium bearbeitet werden sollen (Wehrmeister 2001, S. 113 ff.; siehe Abschnitt 3.4). Darüber hinaus gilt es, die organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen sowie die zur Kundenbearbeitung erforderlichen Geschäftsprozesse zu definieren (siehe Kap. 4). Auf Basis dieser konzeptionellen Eckpfeiler gilt es im zweiten Schritt ein CRM-System auszuwählen und zu implementieren, das den unternehmensspezifischen Anforderungen und Prozessen am besten entspricht (siehe Kap. 5).

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

2.2

19

Begriffsabgrenzung

In zunehmendem Maße beherrschen Begriffe wie „Beziehungsmanagement“ („Relationship Management“), „Beziehungsmarketing“ („Relationship Marketing“), „Kundenbindungsmanagement“ („Customer Retention Management“) oder eben „Kundenbeziehungsmanagement“ („Customer Relationship Management“) die relevante Literatur. Diese Begriffe werden in der Praxis häufig nicht sauber voneinander abgegrenzt bzw. sogar synonym verwendet oder aber es wird versäumt, das eigene Verständnis der Begrifflichkeiten aufzuzeigen. Aus diesem Grund soll nachfolgend eine Abgrenzung der einzelnen Begriffe erfolgen sowie ihre Beziehung zueinander dargelegt werden. Eine systematische Abgrenzung der Begriffe „Beziehungsmanagement“ und „Beziehungsmarketing“ lässt sich bei Diller finden. Er versteht unter Beziehungsmanagement „... die aktive und systematische Analyse, Selektion, Planung, Gestaltung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen im Sinne eines ganzheitlichen Konzeptes von Zielen, Leitbildern, Einzelaktivitäten und Systemen.“ (Diller 1995, S. 442). Als maßgeblich erachtet er dabei eine Unterscheidung von Einzeltransaktionen und den unter einer längerfristigen Perspektive betrachteten Geschäftsbeziehungen, die aber beide im Beziehungsmanagement gleichermaßen Beachtung finden. Das Beziehungsmanagement beschränkt sich hierbei keineswegs auf Kundenbeziehungen, sondern wird als umfassendes Konzept verstanden, das ebenso horizontale (z. B. Vertriebsgemeinschaften), vertikale (z. B. Zuliefererbeziehungen), laterale (z. B. Beziehungen zu Behörden) oder aber auch unternehmensinterne Beziehungen (z. B. zum Personal) einbezieht (Diller/Kusterer 1988, S. 212). Der Begriff des Beziehungsmarketing entstand Anfang der 80er Jahr im angloamerikanischen Raum: „Relationship Marketing is attracting, maintaining and (...) enhancing customer relationships.“ (Berry 1983, S. 25). Auch wenn beim Relationship Marketing meist die Kundenseite im Vordergrund steht, umfasst es doch auch die Austauschbeziehungen zu vorgelagerten Märkten der Unternehmung, d. h. beim Relationship Marketing werden auch die Beziehungen zu den Lieferanten mit einbezogen (Wehrli 1994, S. 193; Köhler 2001, S. 82). Das Beziehungsmarketing kann somit als eine Teilmenge des umfassenden Beziehungsmanagements verstanden werden. Das Customer Relationship Management (Kundenbeziehungsmanagement) hat sich direkt aus dem Beziehungsmarketing heraus entwickelt und weist demzufolge vom Grundverständnis her eine große Ähnlichkeit auf. Im Gegensatz zum Beziehungsmarketing beschränkt sich das Customer Relationship Management jedoch ausschließlich auf die Gestaltung der Beziehungen zum Kunden, so dass es als integraler Bestandteil des Beziehungsmarketing verstanden werden muss. Das Kundenbindungsmanagement kann dem hingegen lediglich als ein Teilaspekt der bisher angesprochenen Ansätze verstanden werden. So verstehen Homburg/Bruhn unter Kundenbindungsmanagement „... die systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhal-

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Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

ten oder intensiver pflegen.“ (Homburg/Bruhn 2010, S. 8). Im Fokus des Kundenbindungsmanagement stehen folgendermaßen ausschließlich die aktuellen, bereits bestehenden Kundenbeziehungen. Es schließt die Gewinnung von Neukunden sowie die Rückgewinnung abgewanderter Kunden nicht mit ein. Abb. 1 greift obige Überlegungen auf und grenzt die einzelnen Begriffe systematisch voneinander ab. Die Abbildung reduziert das CRM dabei ausschließlich auf (abstrakte) Beziehungen zum Kunden. Internen Beziehungen zum Personal kommt aber eine wichtige Rolle zu, da CRM von den Mitarbeitern eines Unternehmens gelebt werden muss. Dies gilt für jeden der hier skizzierten kundenorientierten Ansätze. Aus Gründen der Zuordenbarkeit und Übersichtlichkeit wird allerdings darauf verzichtet, die internen Beziehungen zentral anzuordnen.

Beziehungsmanagement Beziehungsmarketing sonstige externe Beziehungen sonstige interne Beziehungen

Kundenbindungsmanagement sonstige vertikale Beziehungen

potenzielle Kunden

aktuelle Kunden

verlorene Kunden

Customer Relationship Management

Abb. 1: Die Abgrenzung des Customer Relationship Managements von verwandten Begriffen

3

Rahmenkonzept des CRM

3.1

Überblick

Gemäß der in Abschnitt 2.1 eingeführten Definition dient CRM dem Ziel, profitable Kundenbeziehungen auszugestalten und somit den Unternehmenserfolg bzw. den Unternehmenswert zu erhöhen (Matzler et al. 2006, S. 7 ff.; Homburg/Sieben 2008, S. 503; Götz/Krafft 2010, S. 539). Das CRM-Konzept basiert somit grundsätzlich auf einem rein ökonomischen Verständnis (siehe Abschnitt 3.2). Nichtsdestotrotz ist für das Ziel profitabler Kundenbeziehungen die Erhöhung der Kundenzufriedenheit bei unzufriedenen Kunden bzw. eine Stabilisierung der Zufriedenheit bei bereits zufriedenen Kunden entscheidend, aus der (häufig) eine stärkere Bindung der Kunden an das Unternehmen erwächst (siehe Abschnitt 3.3). Profitabilität ist durch eine Erhöhung oder Stabilisierung

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

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der Kundenzufriedenheit aber nicht automatisch garantiert, da eine Reihe von unternehmensexternen und -internen moderierenden Faktoren die Wirkungskette positiv und negativ beeinflussen (Homburg/Bruhn 2010, S. 9 f.). Um dies zu erreichen gilt es, kundenorientierte Reorganisationsmaßnahmen im Unternehmen durchzuführen. Die Realisierungsrichtlinien für die kundenorientierte Reorganisation des Unternehmens werden der vorher definierten Kundenbeziehungsstrategie entnommen. Diese legt u. a. die Struktur und den Einsatz der Interaktionskanäle und Customer Touch Points zwischen Kunde und Unternehmen sowie die Ausgestaltung der CRM-Prozesse fest (siehe Abschnitt 3.4). Diese Reorganisationsmaßnahmen umfassen die Optimierung kundenbezogener Geschäftsprozesse, deren Unterstützung durch CRM-Systeme sowie die systematische Planung und Kontrolle dieser Veränderungen durch ein CRM-Projektmanagement bzw. ein CRM-Controlling und ein Change Management (siehe Abschnitt 3.5). Abb. 2 skizziert in Grundzügen diese Wirkungskette des CRM. Hierbei gilt es hinsichtlich des Ablaufs der Wirkungskette zwei generelle Anmerkungen zu berücksichtigen: (1) Zum einen kann der letztendlich angestrebte monetäre Erfolg der CRM-Maßnahmen meist erst mittel- oder langfristig beobachtet werden. Auch wenn die ersten beiden Phasen relativ zügig durch das Unternehmen realisiert werden können, so kann doch eine geraume Zeit vergehen bis diese Veränderungen von der großen Masse der Kunden erkannt werden und sich in einem messbaren ökonomischen Erfolg niederschlagen. (2) Zum anderen wird die CRM-Wirkungskette in den einzelnen Phasen durch unternehmensinterne und -externe Faktoren negativ oder aber auch positiv beeinflusst. Die Wirkung der meisten Faktoren lässt sich hierbei schwerpunktmäßig den einzelnen Phasen zuordnen. Darüber hinaus existieren allerdings noch generelle Faktoren des Markts und Wettbewerbs, die – mehr oder weniger stark – auf alle Phasen der CRM-Wirkungskette ausstrahlen.

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Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Externe Einflüsse

Genereller Einfluss durch Markt und Wettbewerb • Marktstellung und -dynamik • Branche • Wettbewerbsstruktur • Wettbewerberverhalten • etc.

• • • • • •

Kundenerwartungen Variety Seeking Preisempfinden Markenempfinden Bindungsbereitschaft etc.

• Kundenfluktuation • Ertragspotenzial der Kunden • etc.

Phase 1: Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie

Phase 2: Kundenorientierte Reorganisation

Phase 3: Veränderung der Kundeneinstellung und des Kundenverhaltens

Phase 4: Ökonomischer Erfolg

ƒ Formulierung von Basisstrategien ƒ Kundenorientierte Managementkonzepte ƒ Multi Channel Management

ƒ Geschäftsprozessoptimierung ƒ CRM-Systeme ƒ Change Management ƒ CRM-Projektmanagement

ƒ Kundenzufriedenheit ƒ Kundenloyalität ƒ Kundenbindung

ƒ Quantität der Kundenbeziehungen ƒ Qualität der Kundenbeziehungen ƒ Dauer der Kundenbeziehungen

• Akzeptanz der Mitarbeiter • Unterstützung durch Management • Bestehende IT- und Organisationsstruktur • Investitionsvolumen • etc.

• Qualität der CRMProzesse • Qualität der Produkte und Dienstleistungen • Individualisierungsgrad • Mitarbeitermotivation • etc.

• Aufbau von Wechselbarrieren • Horizontale und vertikale Programmvielfalt • etc.

Interne Einflüsse

Abb. 2: Wirkungskette des CRM

3.2

Ökonomischer Erfolg durch profitable Kundenbeziehungen

3.2.1 Wertorientierte Betrachtung der Kundenbeziehungen „Die Kundenbeziehung ist das zentrale Handlungsobjekt des Customer Relationship Management.“ (Eggert 2001, S. 90). Mit diesem Grundverständnis verfolgt CRM als primäre Zielsetzung den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen, so dass der Wert der Kundenbeziehung im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Dieser Begriff bietet jedoch dahingehend einen Interpretationsspielraum, ob er aus Kundensicht („customer value“ – Wert für den Kunden) oder aus Unternehmenssicht („Kundenwert“ – Wert des Kunden) betrachtet wird (Cornelsen 2000, S. 33; Wilkoszewski 2001, S. 37 ff.; Helm/ Günter 2006, S. 7). Im Fokus des CRM steht der Kundenwert aus Unternehmenssicht, der als Beitrag eines Kunden oder einer Kundengruppe zur Erreichung der Ziele eines Unternehmens verstanden werden kann (Cornelsen 2000, S. 38). Grundsätzlich lässt sich hierbei anmer-

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

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ken, dass der ökonomische Beitrag eines Kunden für das Unternehmen nicht auf dessen bereits getätigte oder zukünftige Umsätze reduziert werden darf. Gleichermaßen kommt den indirekten Beiträgen zum Unternehmenserfolg, wie z. B. Weiterempfehlungen durch den Kunden, eine zentrale Bedeutung im CRM zu (eine Erläuterung der einzelnen Determinanten des Kundenwerts findet sich in Unterabschnitt 3.2.2). Aus nachfragerorientierter Sicht geht der Kunde mit dem Unternehmen eine Beziehung ein, das ihm den höchsten „customer value“ bietet (Meyer et al. 2006, S. 73 ff.). Dabei beurteilt der Kunde bei seiner Entscheidung, ob er eine Beziehung zu dem Unternehmen aufbauen bzw. beibehalten will, den aktuellen oder den zukünftig zu erwartenden Nettonutzen der Geschäftsbeziehung (entspricht dem „customer value“). Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen dem wahrgenommenen Nutzen und den Kosten einer Beziehung aus Nachfragersicht (Eggert 2001, S. 98). Obige Überlegungen implizieren, dass es grundsätzlich möglich ist, aus jeder Kundenbeziehung einen positiven Kundenwert zu erlangen. Allerdings lässt es sich realiter immer wieder beobachten, dass viele Unternehmen mit nur relativ wenigen Kunden einen großen Teil ihres Gewinns erzielen. Auf der anderen Seite stehen dagegen Kunden, die einen negativen Gewinnbeitrag liefern und somit die von den restlichen Kunden erwirtschafteten Gewinne zum Teil wieder vernichten (Eberling 2002, S. 43). Dieser Asymmetrie gilt es im Rahmen eines kundenwertorientierten CRM aktiv zu begegnen. Grundsätzlich stehen hierfür zwei Optionen zur Verfügung (siehe Abb. 3): ƒ

Option 1: Im ersten Schritt sollte das Unternehmen den Versuch unternehmen, Kunden mit einem negativen Gewinnbeitrag in die Gewinnzone zu überführen. Dies kann zum einen über eine Erhöhung des Umsatzes erfolgen, die z. B. mit individualisierten Kommunikationsmaßnahmen und Angeboten erreicht werden soll. Zum anderen bietet sich eine Kostenreduktion an, die sich z. B. durch eine Beschränkung auf kostengünstigere Interaktionskanäle erzielen lässt.

ƒ

Option 2: Falls die erste Option nicht erfolgreich realisiert werden kann, gilt es, den Kundenstamm von Kunden mit einem negativen Gewinnbeitrag zu bereinigen (Fischer/Schmöller 2006, S. 488). Hierzu werden sämtliche beziehungsrelevanten Maßnahmen auf ein Minimum reduziert, um dadurch eine „natürliche“ Erosion der verlustbringenden Kunden zu forcieren. Im Extremfall kann es sich sogar anbieten, die Geschäftsbeziehungen unternehmensseitig abzubrechen (wobei allerdings die negativen Folgen, wie z. B. negative Mundpropaganda, zu berücksichtigen sind) (Bruhn 2010, S. 358 f.). Diese bewusste Beendigung einer Kundenbeziehung sollte aufgrund dieser Folgen im Rahmen eines Beziehungsauflösungsmanagements durchgeführt werden. Folglich kann aus einem konsequenten, wertorientierten CRM heraus eine gewollte Reduzierung des Kundenstamms resultieren. Idealerweise wird diese durch die Gewinnung neuer, profitabler Kunden überkompensiert.

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Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Customer Equity in % vom Istwert

angestrebte Situation

100

Option 1: Umwandlung in gewinnbringende Beziehungen

aktuelle Situation

Option 2: gezielte Reduktion des Kundenstamms

Kunden mit positivem Gewinnbeitrag

Kunden mit negativem Gewinnbeitrag

100

Kunden in %

Abb. 3: Konzentration auf profitable Kundengruppen

3.2.2 Determinanten des Kundenwerts Im Fokus des CRM stehen die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten der Kundenbeziehungen. Die Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen darf sich folglich nicht nur an der kurzfristigen Profitabilität eines Kunden orientieren, da es sich durchaus rechnen kann, sich auch um solche Kunden zu bemühen, die dem Unternehmen zunächst nur Verluste bescheren. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Kunde ein hohes zukünftiges Potenzial besitzt (unter Berücksichtigung der Langfristigkeit der Kundenbeziehung). So weisen z. B. Studenten kurzfristig betrachtet eine nur geringe Kaufkraft auf. Bei ihnen kann jedoch durchaus berechtigt angenommen werden, dass sie sich zukünftig zu einer äußerst finanzstarken und somit profitablen Kundengruppe entwickeln können. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich z. B. die Motivation von Banken erklären, in den ersten Jahren einer Geschäftsbeziehung auch negative Deckungsbeiträge hinzunehmen (z. B. das Betreiben eines gebührenfreien Girokontos für einen Studenten – in der Erwartung einer profitablen Geschäftsbeziehung bei Eintritt in das Berufsleben; Rosemann et al. 1999, S. 109). Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Profitabilität eines Kunden nicht nur von der Intensität der Geschäftsbeziehung, sondern eben auch von ihrer Dauer abhängt. Aus diesem Grund wird bei der Kundenwertermittlung in zunehmendem Maße dem zukünfti-

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

25

gen Potenzial eines Kunden eine höhere Bedeutung beigemessen. Als wesentlicher Anstoß für die intensivere Betrachtung der langfristigen Aspekte einer Kundenbeziehung kann eine von Reichheld und Sasser durchgeführte Untersuchung identifiziert werden, die mittlerweile als wesentliche Argumentationsgrundlage zahlreichen CRM-Publikationen zugrunde liegt (Reichheld/Sasser 1990).

Jährlicher Gewinn pro Kunde

Preisprämien Weiterempfehlungen

Kosteneinsparungen

Umsatzwachstum pro Kunde

Basisgewinn

1

2

Akquisitionskosten

3

4

5

6

7

Jahre

Abb. 4: Monetärer Nutzen langfristiger Kundenbeziehungen Quelle: Reichheld 1997, S. 52

Die Untersuchung verdeutlicht, dass mit zunehmender Dauer der Kundenbeziehung auch der daraus resultierende Gewinn ansteigt (siehe Abb. 4). Auch wird hierbei offensichtlich, dass sich die hohen anfänglichen Investitionen zum Aufbau der Kundenbeziehung sowie die laufenden Kosten für deren Erhalt und Ausbau mit zunehmender Dauer rechnen (Hougaard/Bjerre 2002, S. 99). Dabei folgt nicht unbedingt nur aus einer langen Kundenbeziehungsdauer eine Kundenprofitabilität, durchaus können auch mit transaktionalen Kunden, die eine nur kurze Bindungsdauer aufweisen, hochprofitable Beziehungen bestehen (Reinartz/Kumar 2000; Reinartz/Krafft 2001). Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass der Nutzen einer Kundenbeziehung nicht nur aus der eigentlichen Transaktion erwächst (z. B. Umsatzwachstum), sondern ebenso „weiche“ Faktoren, wie z. B. Weiterempfehlungen, einen Einfluss ausüben. Vor diesem Hintergrund wird der Wert des Kunden in der Literatur häufig in einen quantitativen bzw. monetären und in einen qualitativen bzw. nichtmonetären Kundenwert unterteilt (siehe z. B. Homburg/Schnurr 1999; Helm/Günter 2006, S. 8). Eine dahingehende Differenzierung erscheint jedoch als problematisch, da jeder qualitative, nichtmonetäre Wert grundsätzlich – zumindest approximativ – quantifiziert bzw. monetarisiert werden kann (siehe z. B. Cornelsen 2001). Aus diesem Grund soll an dieser

26

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Stelle der Kundenwert auf zwei wesentliche Aspekte zurückgeführt werden, die von dieser gebräuchlichen Unterteilung abweichen (siehe Abb. 5).

Kundenwert

Relationspotenzial

Transaktionspotenzial

Basisvolumen

Intensivierungspotenzial

Wachstumspotenzial

Kostensenkungspotenzial

Cross SellingPotenzial

Up SellingPotenzial

Referenzpotenzial

Informationspotenzial

Kooperationspotenzial

Psychisches Inputpotenzial

Potenzial aus sinkender Preiselastizität Determinanten

Abb. 5: Determinanten des Kundenwerts Quelle: in Anlehnung an Hippner 2006, S. 27

Auf der einen Seite steht das Transaktionspotenzial, das den Erfolg, den ein Kunde gegenwärtig oder zukünftig als Abnehmer von Leistungen im Rahmen seiner Geschäftsbeziehung dem Unternehmen verschafft, repräsentiert. Dieses setzt sich aus dem Basisvolumen sowie einem Wachstums- und Kostensenkungspotenzial zusammen. Das Basisvolumen leitet sich aus der Kaufhistorie des Kunden ab und steht somit für die bisherige Intensität der Kundenbeziehung. Hinter dem Basisvolumen verbirgt sich der Gedanke, dass aus einer bereits bestehenden Kundenbindung heraus der Kunde eine Habitualisierung seines Kaufverhaltens sowie eine Immunisierung gegenüber Konkurrenzangeboten aufweist und somit auch in Zukunft ein relativ stabiler Umsatz erwartet werden kann. Am deutlichsten wird dieser Umstand bei vertraglich gebundenen Kunden, die keine Chance besitzen, einen anderen Anbieter zu wählen (Diller 2002, S. 302 f.). Das Wachstumspotenzial repräsentiert die zu erwartenden (positiven oder negativen) Veränderungen im Kaufverhalten des Kunden. Im Einzelnen werden hierbei folgende Determinanten des Kundenwerts berücksichtigt: ƒ

Das Intensivierungspotenzial steht für die zukünftig zu erwartende Ausweitung (bzw. Reduzierung) des Basisvolumens. Häufig lässt sich dabei beobachten,

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

27

dass die Wiederkaufrate bzw. der Share of Wallet mit der Dauer der Kundenbeziehung ansteigt. ƒ

Das Cross Selling-Potenzial steht für die erwartete zusätzliche Nutzung des Produktangebots des Unternehmens durch den Kunden (Schäfer 2002). So lässt sich z. B. bei Versicherungen häufig beobachten, dass Kunden nicht nur eine, sondern häufig mehrere Versicherungen bei einem Unternehmen abschließen (z. B. Hausrat, Leben, Kfz etc.).

ƒ

Dem Up Selling-Potenzial liegt die Beobachtung zugrunde, dass Kunden mit der Zeit vermögender werden und sich somit höherwertigere Produkte aus der Produktpalette des Unternehmens leisten können. So wird z. B. in der Automobilbranche versucht, Neukunden mit Einstiegsmodellen zu gewinnen und dann kontinuierlich in der Modellpalette nach oben zu führen (z. B. Audi: A1 Æ A3 Æ A4 Æ A5 Æ A6 Æ A7).

ƒ

Als letzte Determinante des Wachstumspotenzials kann eine mit der Dauer der Kundenbeziehung sinkende Preiselastizität angenommen werden. So sind Kunden mit einer hohen Kundenbindung eher bereit, auf kurzfristige Preisvorteile („Schnäppchen“) oder auf zuvorkommende Konditionen (z. B. Rabatte, Boni) zu verzichten. Bei der Bestimmung des Potenzials aus der Preiselastizität ist aber auch zu berücksichtigen, dass Stammkunden oftmals besonders vorteilhafte Preise und Konditionen erwarten.

Neben dem Basisvolumen und dem Wachstumspotenzial stellt das Kostensenkungspotenzial die dritte Komponente des Transaktionspotenzials dar. Auch das Kostensenkungspotenzial wird positiv von der Dauer der Kundenbeziehung beeinflusst. Demgemäß ist eine langfristige Kundenorientierung insofern kosteneffizienter als eine kurzfristig ausgelegte Transaktionsorientierung, als dem Unternehmen die spezifischen Bedürfnisse eines Kunden bekannt sind und diese dadurch effizienter bearbeitet werden können. So erlauben z. B. die über die Jahre angesammelten Kundeninformationen eine Reduzierung von Streuverlusten bei Marketingaktionen. Aus den verfügbaren Informationen können zielgerichtete Kundenprofile gewonnen werden, die eine differenzierte Kundenansprache bzw. Angebotserstellung und somit höhere Response versprechen. Auch erwerben Kunden während der Kundenbeziehung Wissen über die Angebote und Prozesse des Unternehmens, was zu reduziertem Beratungs- und Servicebedarf und damit Kosten führt. Neben dem Transaktionspotenzial, das aus dem eigentlichen Kaufvorgang erwächst, kann der Kunde durch sein Verhalten während der gesamten Geschäftsbeziehung für das Unternehmen einen zusätzlichen Werttreiber darstellen. Diese als Relationspotenzial bezeichnete Wertkomponente umfasst folgende Wertdeterminanten: ƒ

Das Referenzpotenzial spiegelt die Einflussnahme aktueller Kunden auf die Kaufentscheidungen Dritter wider (Cornelsen 2006, S. 189). Es wird durch die Anzahl potenzieller Kunden bestimmt, die ein Kunde innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufgrund seines Weiterempfehlungsverhaltens und Einflussvermögens sowie der Größe, Art, Kontakthäufigkeit und -intensität seines sozialen

28

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde Beziehungsnetzwerks für das Unternehmen gewinnt (Rudolf-Sipötz/Tomczak 2001, S. 30). Die Bestimmung des Referenzpotenzials kann durch eine Analyse des Beziehungsnetzwerkes der Kunden in einer Web-Community, wie Facebook oder XING, unterstützt werden (Rudolph et al. 2008, S. 11 f.), es sind aber auch die Vernetzungen in der realen Welt zu berücksichtigen. ƒ

Das Informationspotenzial umfasst die Werttreiber, die sich auf die Sammlung abnehmerbezogenen Wissens als Voraussetzung für eine kundenorientierte Unternehmensführung beziehen. Dabei sind sowohl faktische Kundeninformationen aus Anregungen der Kunden zu objektiven Sachverhalten, als auch normative Kundeninformationen aus Kundenfeedback, wie Lob oder Beschwerden, zu berücksichtigen. Dabei erweisen sich die in der Interaktion mit Kunden erworbenen Erkenntnisse als besonders wertvoll (Kleinaltenkamp/Dahlke 2006, S. 219). Aus beiden Ausprägungsformen können Unternehmen Anregungen zur Optimierung ihrer Leistungen und Leistungserstellungsprozesse ableiten (Homburg/Schnurr 1999, S. 5; Cornelsen 2000, S. 224 ff.).

ƒ

Das Kooperationspotenzial umfasst alle Werttreiber, die aus der Bereitschaft der Kunden zur Zusammenarbeit mit dem Unternehmen entstehen. Dieser Wertdeterminante kommt insbesondere im B2B-Bereich eine Bedeutung zu. Exemplarisch kann hier der Ansatz des Efficient Consumer Response angeführt werden, mit dem alle Glieder der Wertschöpfungskette auf den maximalen Nutzen für den Endkunden ausgerichtet und die Kosten für alle Beteiligten gesenkt werden (Fischer/Städler 1999, S. 349).

ƒ

Über das psychische Inputpotenzial werden die psychischen Auswirkungen des Kundenverhaltens auf das Unternehmen als Ganzes und auf seine Mitarbeiter im Speziellen (z. B. Demotivation durch Beschwerden) als Bestandteil des Kundenwerts berücksichtigt (Günter 2006, S. 249).

Der Kundenwert aus Unternehmenssicht stellt für das mit dem CRM-Ansatz verfolgte Ziel der Gewinnmaximierung den zentralen Orientierungspunkt dar, an dem alle kundenbezogenen Maßnahmen auszurichten sind. Nur solche Kundengruppen, mit denen gegenwärtig oder zukünftig ein positiver Deckungsbeitrag zu erwirtschaften ist, werden nachhaltig und intensiv betreut. Vor diesem Hintergrund steht der Potenzialbegriff folglich nicht nur für bestehende, sondern gleichermaßen für zukünftige Potenziale (Tomczak/Rudolf-Sipötz 2006, S. 131). Die Berücksichtigung der zukünftig zu erwartenden Erfolgspotenziale eines Kunden geht konform mit der dem CRM-Ansatz inhärenten Forderung nach einer langfristigen Ausgestaltung der Kundenbeziehungen. Aus diesem Grund bieten sich zur Ermittlung des Kundenwerts in erster Linie Verfahren zur Berechnung des Customer Lifetime Value (CLV) an, bei denen explizit eine Dynamisierung der Kundenwertbetrachtung erfolgt (Bruhn et al. 2000, S. 170; Weiber/Weber 2002, S. 628). Der CLV spiegelt somit den Gegenwartswert der zukünftigen Einnahmeüberschüsse aus einer Kundenbeziehung wider (Gupta et al. 2006, S. 141). Vor dem Hintergrund der angestrebten langfristigen Maximierung des Gewinns über alle Kundenbeziehungen hinweg,

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

29

steht aus Unternehmenssicht jedoch weniger der Wert der einzelnen Kundenbeziehung, sondern vielmehr die Customer Equity als die Summe der Customer Lifetime Values über alle Beziehungen im Mittelpunkt (Burmann 2002, S. 2).

3.3

Kundenzufriedenheit und -bindung als Basis des ökonomischen Erfolgs

Auch wenn bei der Ausgestaltung der Kundenbeziehungen der Einfluss der Neukundengewinnung sowie der Kundenreaktivierung nicht zu vernachlässigen ist, kommt der Kundenbindung und den daraus resultierenden positiven Effekten eine erhöhte Bedeutung zu. So werden die in Unterabschnitt 3.2.2 dargestellten Kernelemente profitabler Kundenbeziehungen und der damit verbundene ökonomische Erfolg maßgeblich von dem Grad der realisierten Kundenbindung beeinflusst (eine systematische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Kundenbindung“ findet sich bei Gerpott 2000). Das Konstrukt Kundenbindung wird in der Literatur häufig mit inhaltlich unterschiedlichen Akzentuierungen verwendet. Zum einen werden hierunter aus einer anbieterbezogenen Sicht sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens subsummiert, die darauf hinzielen, die Kundenbeziehungen stabil zu gestalten. Zum anderen werden darunter aus einer nachfragerorientierten Perspektive die beobachtbaren Verhaltensmuster beim Kunden zusammengefasst, in denen sich die Kundenbindung widerspiegelt. Insbesondere in diesem zweiten Punkt manifestiert sich der ökonomische Erfolg, der aus der Kundenbindung erwachsen kann (siehe Abb. 6). Kundenbindung wird hierbei als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden, welches durch das bisherige und zukünftig beabsichtigte Verhalten des Kunden beschrieben werden kann.

Kundenbindung

Bisheriges Verhalten

Wiederkauf

Verhaltensabsichten

Weiterempfehlung

Wiederkaufabsicht

Zusatzkaufabsicht (Cross Selling)

Abb. 6: Konzeptionalisierung des Konstruktes Kundenbindung Quelle: Homburg/Faßnacht 2001, S. 451

Weiterempfehlungsabsicht

30

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

In Wissenschaft und Praxis wird – mehr oder weniger implizit – davon ausgegangen, dass als wesentlicher Bestimmungsfaktor der Kundenbindung die Kundenzufriedenheit anzusehen ist (Herrmann/Johnson 1999, S. 579). Dabei wird die Kundenzufriedenheit zumeist mittels des Confirmation/Disconfirmation-Paradigmas operationalisiert und als das positive Ergebnis eines psychischen Vergleichsprozesses zwischen den Erwartungen eines Kunden sowie dem von ihm tatsächlich wahrgenommenen Leistungsniveau verstanden (Krafft 1999, S. 517; Stauss 1999, S. 6 ff.). Der positive Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und der daraus resultierenden Kundenbindung wurde in zahlreichen empirischen Untersuchungen festgestellt, wobei häufig ein progressiver oder sattelförmiger Verlauf der Beziehung unterstellt wird (Homburg et al. 1999, S. 182 ff.; Fischer et al. 2001, S. 1164 f.). Allerdings mehren sich auch zunehmend kritische Stimmen, die eine Pauschalisierung dieser Beziehung in Frage stellen und die Bedeutung von moderierenden Faktoren hervorheben (siehe hierzu z. B. Stauss 1997). Trotz solcher durchaus berechtigten Einschränkungen lässt sich dennoch konstatieren, dass Kundenzufriedenheit zwar kein Garant für Kundenbindung ist, allerdings eine wesentliche Voraussetzung hierfür darstellt. Auf dieser grundsätzlichen Annahme basiert die klassische Wirkungskette, die durchlaufen werden muss, um Kundenbindung und die daraus resultierenden ökonomischen Erfolge zu erzielen (siehe Abb. 7).

Unternehmensexterne moderierende Faktoren ƒHeterogenität der Kundenerwartungen ƒMarktbezogene Dynamik ƒMarktbezogene Komplexität

Erstkontakt ƒ Kauf ƒ Inanspruchnahme einer Leistung

Phase 1

ƒVariety Seeking-Motive ƒImage ƒAlternativenzahl ƒBequemlichkeit der Kunden

Kundenzufriedenheit ƒ Bewertung durch Soll-Ist-Vergleich

Kundenloyalität ƒAkzeptanz ƒVertrauen ƒpositive Einstellungen

Phase 2

ƒ Individualität der Leistung ƒ Heterogenität des Leistungsspektrums ƒ Leistungskomplexität

Phase 3

ƒErtragspotenzial der Kunden ƒLeistungsbedürfnis der Kunden ƒPreisrestriktionen ƒKundenfluktuation

Kundenbindung ƒ Wiederkauf ƒ Cross Buying ƒ Weiterempfehlung

Phase 4

ƒ Ausgestaltung der kundenbezogenen Informationspolitik ƒ Mitarbeitermotivation u.ä. ƒ Persönliche Beziehungen

Unternehmensinterne moderierende Faktoren

Abb. 7: Wirkungskette der Kundenbindung Quelle: Homburg/Bruhn 2010, S. 10

Ökonomischer Erfolg

Phase 5

ƒ Wechselbarrieren ƒ Möglichkeit vertraglicher Bindungen ƒ Funktionaler Verbund der angebotenen Leistungen

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

31

Stark vereinfacht sind hierbei fünf wesentliche Phasen zu unterscheiden (Homburg/ Bruhn 2010, S. 9 f.): (1) Die Wirkungskette wird durch den Erstkontakt des Kunden, der durch den Kauf eines Produkts oder die Inanspruchnahme einer Leistung hergestellt wird, angestoßen. (2) In der zweiten Phase bewertet der Kunde die erhaltenen Leistungen bzw. die Interaktion mit dem Unternehmen und bildet sich sein persönliches Zufriedenheitsurteil. Hierfür bietet es sich an, das Konstrukt „Kundenzufriedenheit“ nicht als das Ergebnis eines einmaligen Kauf- und Konsumerlebnisses – also transaktionsspezifisch – zu definieren, sondern vielmehr als Ausdruck aller bisherigen Kauf- und Konsumerfahrungen des Kunden und somit kumulativ zu verstehen (Herrmann/ Johnson 1999, S. 582). (3) Fällt das Zufriedenheitsurteil des Kunden grundsätzlich positiv aus oder werden seine Erwartungen evtl. sogar deutlich übertroffen, kann in der dritten Phase Kundenloyalität entstehen. Diese ist als eine intensivere Hinwendung des Kunden zum (als kompetent erachteten) Unternehmen zu verstehen und äußert sich in einem grundsätzlichem Vertrauensverhältnis und einer allgemein positiven Einstellung des Kunden gegenüber dem Unternehmen. Bereits in dieser Phase weist der Kunde eine geringere Wechselbereitschaft auf. (4) Der Übergang zur Kundenbindung wird in der vierten Phase realisiert, wenn sich die positive Grundeinstellung dem Unternehmen gegenüber in tatsächlichen Wiederkäufen, Cross Selling- und Up Selling-Käufen bzw. in Weiterempfehlungen durch den Kunden niederschlägt. (5) Schlussendlich wird die Wirkungskette mit der fünften Phase abgeschlossen, in der sich die positiven Effekte der Kundenbindung in einer Steigerung des ökonomischen Erfolgs manifestieren. Dieser Prozess stellt aber keinen Automatismus dar, da er durch eine Reihe von unternehmensexternen und -internen moderierenden Faktoren positiv oder negativ beeinflusst wird (Homburg/Bruhn 2010, S. 9 f.). Die unternehmensinternen moderierenden Faktoren stellen dabei den Gestaltungsbereich eines Unternehmens dar, um auf die Wirkungskette Einfluss zu nehmen.

3.4

Kundenbeziehungsstrategie als Ausgangspunkt des CRM

Die Ausgestaltung der kundenorientierten Reorganisation eines Unternehmens (siehe Abschnitt 3.5) hat sich strikt an den Eckpunkten einer vorher definierten Kundenbeziehungsstrategie zu orientieren. Diese bildet den zentralen Ausgangspunkt für die Wirkungskette des CRM und determiniert somit in erheblichem Maße den letztendlichen Erfolg des CRM (siehe Abb. 2).

32

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Dem Begriff der Strategie liegt ein sehr weiter definitorischer Spielraum zugrunde, so dass auch der Begriff der CRM-Strategie relativ eng als Strategie zur Kundenbearbeitung oder aber auch eher weit als umfassende Unternehmensstrategie aufgefasst werden kann. Unabhängig von der jeweiligen Akzentuierung steht im Fokus einer jeden CRMStrategie die Entwicklung eines Konzepts zur Ausgestaltung der Kundenbeziehungen. Diese Kundenbeziehungsstrategie umfasst im Wesentlichen Zielsetzungen in den Dimensionen Kundensegmente sowie Interaktionskanäle zwischen Kunde und Unternehmen und CTPs. Bei der Formulierung einer CRM-Strategie werden eingangs im Rahmen von Basisstrategien die grundlegenden Eckpfeiler aufgestellt, auf welche Weise und über welche Interaktionskanäle und CTPs mit den einzelnen Kunden(segmenten) umgegangen werden soll (vgl. auch den Beitrag von Georgi/Mink im ersten Teil dieses Buches). Vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen Kapiteln angestellten Überlegungen muss hierbei definiert werden, wie z. B. bei wertvollen Kundengruppen ein hohes Maß an Zufriedenheit erreicht werden kann. Grundsätzlich zeigen sich dabei zwei unterschiedliche Stoßrichtungen einer CRM-Strategie zur Steigerung des Gewinnbeitrags der Kunden: ƒ

Einerseits wird der Ansatz einer Kostenreduktion, z. B. über die Verlagerung auf günstigere Interaktionskanäle und Customer Touch Points oder durch standardisiertere Kundenkommunikation und Serviceleistungen, verfolgt. Dies kann unter Umständen zu einer geringeren Wirkung der CRM-Maßnahmen und damit zu einem Verlust des potenziellen Umsatzes führen. Unter Berücksichtigung der reduzierten Kosten kann dies trotzdem eine Gewinnsteigerung bewirken (Economy-CRM).

ƒ

Andererseits kann auch dem Ansatz gefolgt werden, durch eine Erhöhung der Investitionen in Kundenbeziehungen, z. B. durch intensivere und persönlichere Betreuung, eine überproportionale Steigerung der Wirkung der CRM-Maßnahmen und damit eine im Verhältnis zu den entstehenden Kosten deutlich höhere Ertragssteigerung zu erreichen (Premium-CRM).

Diese Vorgehensweisen stellen grundsätzlich unterschiedliche Ansätze dar und können für einzelne Kundengruppen entsprechend den Kundenerwartungen und der Wertigkeit für das Unternehmen spezifisch angewendet werden. Die Statusprogramme vieler Luftfahrtgesellschaften stellen ein Beispiel dieses Ansatzes dar, wenn Interaktionskanäle und Serviceleistungen entsprechend der Wertigkeit des Kunden differenziert gestaltet werden. Für Standardkunden wird der Service standardisiert und soweit möglich über Internetanwendungen automatisiert, die Kommunikation wird über kostengünstige Kanäle, wie z. B. E-Mail-Newsletter, durchgeführt und somit die Investitionen in die Kundenbeziehung reduziert. In die Beziehung zu Statuskunden dem hingegen wird mit der Einrichtung von speziellen Serviceleistungen wie Hotlines, exklusiven Schaltern und Lounges und aufwändigeren Kommunikationsmitteln investiert (Eisenächer et al. 2006, S. 787 f.).

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

33

Zur Entwicklung einer CRM-Strategie ist es zwingend erforderlich, die unmittelbaren Leistungen und Interaktionen zwischen Anbieter und diesen Abnehmern kundenorientiert auszugestalten. Eine derartige leistungs- und interaktionsbasierte Interpretation des Begriffs „Kundenorientierung“ verlangt nach einer hohen Qualität der unternehmerischen Leistungen und Kommunikationsfähigkeiten. So wird die Kundenorientierung des Leistungsangebots vorrangig durch eine hohe Produkt- und Servicequalität bestimmt. Ein kundenorientiertes Interaktionsverhalten definiert sich dagegen dadurch, dass die Erwartungen der Kunden im Umgang mit dem Unternehmen, z. B. bei Beschwerden oder bei Anfragen, umfassend erfüllt werden (Bruhn 1999, S. 8). Da diesem Verständnis der Kundenorientierung eine Kundensicht zugrunde liegt, wird von Homburg auch der Begriff „Kundennähe“ statt „Kundenorientierung“ präferiert (Homburg 2000). Mit dem Ansatz der Kundennähe (bzw. der Kundenorientierung) wird das Ziel verfolgt, über unternehmensseitige Maßnahmen den durch den Kunden wahrgenommenen Wert der Geschäftsbeziehung zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund müssen sich Unternehmen der zentralen Aufgabe stellen, den kundenseitigen Aufwand für den Aufbau und die Bewahrung der Geschäftsbeziehung zu reduzieren und gleichzeitig den Nutzen der Beziehung für die Kunden zu erhalten oder zu erhöhen. Grundsätzlich lassen sich zu diesem Zweck in der unternehmerischen CRM-Praxis zwei wesentliche Tendenzen zur Optimierung der Kundenbeziehungen identifizieren, die sich in der CRM-Strategie niederschlagen müssen (siehe Abb. 8).

Unternehmen Marketingmix

Kundenorientierte Managementkonzepte

Customer Touch Points

Interaktionskanäle

Product

Interessentenmanagement

Filiale

Pers. Kontakt

Außendienst

Brief/Fax

CIC

Telefon

Website

WWW

Innendienst

E-Mail

etc.

etc.

Neukundenmanagement Price

Zufriedenheitsmanagement

Kunde

Feedbackmanagement Promotion

Kündigungspräventionsmanagement Rückgewinnungsmanagement

Place

Kreditrisikomanagement

Personalisierung

Abb. 8: Realisierung von Kundennähe als zentrale Zielsetzung einer Kundenbeziehungsstrategie Quelle: in Anlehnung an Hippner 2006, S. 36

34

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

Zum einen wird der Fokus auf eine Verbesserung der „räumlichen“ Nähe zwischen Unternehmen und Kunden gelegt, indem von den Unternehmen eine wachsende Anzahl an unterschiedlichen Kommunikations- und Vertriebskanälen und Customer Touch Points zur Interaktion mit dem Kunden angeboten werden. Im Rahmen eines Multi Channel Managements wird hierbei ein verstärktes Augenmerk auf die Ausgestaltung sowie die Koordination der Interaktionskanäle und Customer Touch Points gelegt, da sie als das zentrale Bindeglied zwischen Unternehmen und Kunde angesehen werden (Schögel/ Sauer 2002, S. 26). Das Multi Channel Management kann als Antwort auf das Phänomen der Multioptionsgesellschaft verstanden werden, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die Kunden nicht für die eine oder andere bestimmte Alternative endgültig entscheiden wollen, sondern vielmehr eine Integration der unterschiedlichen Möglichkeiten fordern. Kunden nutzen in den verschiedenen Phasen des Kundenprozesses oftmals mehrere unterschiedliche Interaktionskanäle und Customer Touch Points. Die Aufgabe des Multi Channel Managements ist es daher, für den Kunden denjenigen Kontaktmix, d. h. die optimale Allokation der Produkte, Serviceleistungen und Interaktionskanäle bereitzustellen, der von dem Kunden gewünscht wird, gleichzeitig die Kostenstruktur des Unternehmens jedoch so wenig wie nötig belastet (Stäger 1999, S. 11) (weitergehende Ausführungen zu den Herausforderungen und Aspekten des Multi Channel Managements siehe der Artikel von Schögel et al. im dritten Teil dieses Buches). Qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen sowie vielfältige und komfortable Interaktionskanäle werden vom Kunden jedoch zunehmend lediglich als ein „Hygienefaktor“ aufgefasst: sie werden als selbstverständlich vorausgesetzt, reichen aber nicht aus, um profitable Kunden dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Dies erfordert neben Produkten und Dienstleistungen, die individuell auf den einzelnen Kunden zugeschnitten sind (z. B. durch Mass Customizing), ergänzende Pre- und After-Sales-Services, die dem Kunden greifbaren Mehrwert bieten sowie eine unaufdringliche, personalisierte Kommunikation, die dem Kunden das Gefühl vermittelt, mit seinen Bedürfnissen und Problemen verstanden zu werden und das Unternehmen jederzeit in der von ihm gewünschten Form erreichen zu können. Dieser personalisierte Marketing-Mix muss differenziert, d. h. weitestgehend kundenindividuell, gestaltet werden, je nachdem in welcher Phase sich ein Kunde im Beziehungszyklus befindet. Der diesem Verständnis zugrunde liegende KundenbeziehungsLebenszyklus stellt eine Analogie zum bekannten Konzept des Produktlebenszyklus dar und gliedert eine Kundebeziehung in charakteristische Phasen, die sich hinsichtlich der Intensität der Kundenbeziehung unterscheiden und jeweils spezifische Aufgaben für das Unternehmen mit sich bringen (Stauss 2000; siehe Abb. 9) (vgl. auch der Artikel „Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus“ von Stauss im dritten Teil dieses Buches).

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

35

Zeitpfad

Phasen

Anbahnung

Sozialisation

Wachstum und Reife

Ziele

Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen

Festigung von neuen Geschäftsbeziehungen

Stärkung von stabilen Geschäftsbeziehungen

Stabilisierung gefährdeter Beziehungen von beschwerenden Kunden

Aufgaben

Interessentenmanagement

Neukundenmanagement

Zufriedenheitsmanagement (KBM i.e.S.)

Feedbackmanagement

Interessentenmanagement

Kündigung

Revitalisierung

Verhinderung von Kündigungen

Rücknahme von Kündigungen

Wiederanbahnung der Geschäftsbeziehung

Kündigungspräventionsmanagement

Kündigungsmanagement

Revitalisierungsmanagement

Gefährdung

Kundenbindungsmanagement

Rückgewinnungsmanagement

Abb. 9: Aufgaben des CRM in den Phasen des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus Quelle: in Anlehung an Stauss 2000, S. 16

Dies verlangt danach, phasenspezifisch kundenorientierte Managementkonzepte zu konzipieren und in der CRM-Strategie zu berücksichtigen, um die angestrebte Kundennähe nicht nur räumlich, sondern ebenso hinsichtlich des Kundenbedarfs zu realisieren. Hierzu gilt es, spezifische Konzepte zu entwickeln, die mit konkreten Inhalten und Maßnahmen auszufüllen sind. Mit diesen spezifischen Konzepten werden die Ziele verfolgt, neue Kundenbeziehungen aufzubauen (Interessentenmanagement), bestehende Kundenbeziehungen zu festigen und zu erhalten (Neukundenmanagement, Zufriedenheitsmanagement), gestörte Kundenbeziehungen zu stabilisieren und Anregungen des Kunden zu nutzen (Feedbackmanagement), drohende Abwanderungen zu verhindern (Kündigungspräventionsmanagement) oder verlorene Kunden wieder zu gewinnen (Kundenrückgewinnungsmanagement). Begleitend über alle Phasen wird das Ziel verfolgt, das Kreditrisiko des Kunden zu überwachen und zu steuern (Kreditrisikomanagement) (zu den einzelnen Managementaufgaben siehe auch die Artikel im dritten Teil dieses Buches). Die beiden zentralen Stoßrichtungen im CRM zur Erreichung von Kundennähe – die Ausweitung der Interaktionskanäle sowie die phasenspezifische Betreuung der Kunden durch kundenorientierte Managementkonzepte – orientieren sich am zentralen Prinzip der Personalisierung. Da nicht nur die Produkte bzw. Dienstleistungen eines Unternehmens sondern ebenso die Ausgestaltung seiner Interaktionskanäle sowie seine Managementkonzepte oft durch die Konkurrenz kopiert werden können, liegt in der konsequenten Personalisierung aller Bemühungen des Unternehmens in Hinblick auf die spezifi-

36

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde

schen Erwartungen des einzelnen Kunden die wesentliche Chance, sich nur schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile aufzubauen (Peck et al. 1999, S. 410). Die Personalisierung umfasst hierbei alle Dimensionen des Marketing-Mix, wobei sich insbesondere bei produktbegleitenden Dienstleistungen, bei der Betreuung der Kunden über den Kaufzeitpunkt hinaus sowie bei einer individualisierten und bidirektionalen Kommunikationspolitik große Spielräume ergeben (Diller 1995, S. 443).

3.5

Kundenorientierte Reorganisation des Unternehmens

Ausgehend von den in Abschnitt 3.2 und 3.3 angestellten Überlegungen wird als wesentlicher Bestandteil des Erfolgs von CRM-Maßnahmen die Wirkungskette Kundenzufriedenheit Æ Kundenloyalität Æ Kundenbindung Æ profitable Kundenbeziehungen zugrunde gelegt. Um die Wirkungskette anzustoßen und die Entwicklung zu unterstützen gilt es nun, diese Kette aktiv zu beeinflussen. Hierfür muss das Unternehmen seine Schnittstellen zum Kunden sowie die dahinter liegenden Prozesse kundenorientiert ausgestalten. Grundlage dieser angestrebten Veränderungen ist ein vorher definiertes strategisches CRM-Konzept, das spezifiziert, welche Kundengruppen auf welche Weise und über welche Interaktionskanäle und Customer Touch Points (Kundenkontaktpunkte – CTPs) bearbeitet werden sollen (siehe Abschnitt 3.4). Die Realisierung dieser CRM-Strategie verlangt nach einer kundenorientierten Reorganisation des Unternehmens, die es durch konkrete CRM-Maßnahmen zu verwirklichen gilt. CRM wird hierbei ausdrücklich nicht als ein zeitlich eng begrenztes Projekt oder gar als reines IT-Projekt verstanden, sondern als kundenorientierte Unternehmensstrategie, deren Implementierung in einem kontinuierlichen organisatorischen Lernprozess abläuft (Hippner et al. 2002, S. 269). Voraussetzung für diesen Lernprozess ist neben weiteren Kernkompetenzen im Bereich Geschäftsprozessoptimierung und Change Management die intensive IT-Unterstützung durch leistungsfähige CRM-Systeme („technological enabler“). Die Diskussion um CRM war in den letzten Jahren sehr stark durch eben diese CRMSysteme und somit informationstechnologisch geprägt: operative und analytische CRMSysteme, Customer Interaction Center und Data Warehouse-Systeme zeichneten ein faszinierendes Bild, wie das Unternehmen seine Kundenbeziehungen im Sinne der oben dargestellten strategischen Ziele effektiver und effizienter gestalten kann. Die Informationstechnologie stellt dabei aber nur einen „Enabler“ dar, der die notwendigen Voraussetzungen für eine effektivere und effizientere Gestaltung der Kundenbeziehungen schafft, ohne diese automatisch sicher zu stellen. So kann z. B. ein modernes Textverarbeitungssystem für einen Schriftsteller, der einen Roman schreiben möchte, ein wichtiges Hilfsmittel sein. Aber kein Schriftsteller erwartet, dass sein Roman wie von selbst entsteht, sobald er einen Computer gekauft und sein Textverarbeitungsprogramm installiert hat. Derartig triviale Zusammenhänge werden jedoch oft aus den Augen verloren, wenn es sich um komplexe und umfangreiche CRM-Systeme handelt.

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

37

Mit diesem Verständnis lassen sich neben der Informationstechnologie drei weitere Kernkompetenzen unterscheiden, die zur erfolgreichen Implementierung eines CRMProjekts gegeben sein müssen (siehe Abb. 10; ergänzend Meier 2004 und Alt et al. 2005).

CRM-Controlling

Optimierung der Geschäftsprozesse

Implementierung der Informationstechnologie

CRM-Strategie

Change Management

Abb. 10: Kernkompetenzen im CRM-Prozess Quelle: in Anlehung an Hippner 2006, S. 33

ƒ

Geschäftsprozessoptimierung: Die spezifizierte Kundenbeziehungsstrategie kann nur dann realisiert werden, wenn die kundenbezogenen (aber auch die unterstützenden, sekundären) operativen Geschäftsprozesse den Anforderungen der Kundenbeziehungsstrategie in vollem Umfang gerecht werden und in der Lage sind, notwendige strategische Maßnahmen im operativen Tagesgeschäft umzusetzen. Meist müssen dazu die bestehenden Geschäftsprozesse abteilungsübergreifend reorganisiert oder neue abteilungsübergreifende Geschäftsprozesse implementiert werden. Aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Geschäftsprozessen erwächst häufig die Notwendigkeit, bislang wenig berücksichtigte organisatorische Aspekte im Unternehmen neu zu überdenken und strukturelle Änderungen mit dem Ziel einer verbesserten Kundenorientierung durchzuführen (Bruhn/Bunge 1994) (zur Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse siehe auch den Beitrag von Merzenich et al. im ersten Teil dieses Buches).

ƒ

Informations- und Kommunikationstechnologie: Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien stellen als „CRM-Enabler“ Werkzeuge zur Unterstützung und Optimierung kundenbezogener Geschäftsprozesse zur Verfü-

38

Wolfgang Leußer, Hajo Hippner, Klaus D. Wilde gung und erlauben, deren Effizienz und Effektivität nachhaltig zu verbessern. Operative CRM-Systeme unterstützen die Mitarbeiter an den CTPs bei der Abwicklung kundenbezogener Geschäftsprozesse. Die Konfiguration operativer CRM-Systeme muss deshalb auf den Ergebnissen der Geschäftsprozessoptimierung aufsetzen, wenn eine optimale Unterstützung der strategischen Ziele des CRM-Prozesses angestrebt wird. Analytische CRM-Systeme dienen der Auswertung der in den kundenbezogenen Geschäftsprozessen anfallenden Daten zur Optimierung der kundenbezogenen Geschäftsprozesse. Die Konfiguration analytischer CRM-Systeme erfolgt deshalb im Regelfall aufbauend auf den operativen CRM-Systemen (zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im CRM siehe auch die Beiträge im vierten und fünften Teil, zum grundsätzlichen Aufbau von CRM-Systemen den Beitrag von Rentzmann et al. im ersten Teil dieses Buches).

4

ƒ

Change Management: Die Durchsetzung einer neuen Kundenbeziehungsstrategie und der daraus resultierenden Veränderungen in den Geschäftsprozessen des Unternehmens erfordert neben dem Commitment der Geschäftsführung, dass die Mitarbeiter an allen CTPs dieses Projekt aktiv mittragen. Dies setzt voraus, dass die Mitarbeiter vom Start des CRM-Projekts an im Rahmen eines begleitenden Change Managements dazu motiviert und qualifiziert werden sowie Widerstände gezielt abgebaut werden (zum Change Management im CRM siehe Helmke et al. 2008).

ƒ

CRM-Controlling: Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, handelt es sich bei der CRM-Realisierung um einen komplexen Prozess der Organisationsentwicklung, in dessen Verlauf verschiedene Kernkompetenzen zeitpunktgenau integriert werden müssen. Dieser Prozess findet in Form eines Lernprozesses statt, der zur Steuerung Vorgaben und eine laufende Rückkopplung der Veränderungen erfordert. Für die Optimierung der Effizienz und Effektivität der kundenbezogenen Geschäftsprozesse sind somit klare Vorgaben erforderlich, welche strategischen Ziele erreicht werden sollen. Da hier meist mittel- und langfristige Ziele im Vordergrund stehen, werden jedoch zur Steuerung zusätzlich auch Indikatoren benötigt, die rechtzeitig signalisieren, wenn die Erreichung der strategischen Ziele gefährdet ist und konkrete Hinweise auf erforderliche Anpassungsmaßnahmen geben. Der Bewertung von CRM-Maßnahmen im Rahmen eines CRM-Controllings kommt damit eine zentrale Rolle bei der CRM-Realisierung zu (zu Aufgaben und Instrumenten eines CRM-Controllings siehe auch den Beitrag von Link et al. im ersten Teil dieses Buches).

Prozesse im CRM

Ausgehend von einer strategischen CRM-Konzeption ist zur Gestaltung der Unternehmensprozesse eine Analyse der für Kundenbeziehungen relevanten Geschäftsprozesse durchzuführen (Fischer-Neeb 2000, S. 43 ff.). Dieses Verständnis der Kunden- und

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

39

Unternehmensprozesse ist für die Gestaltung der unterstützenden IT-Systeme entscheidend. Innerhalb des Customer Relationship Managements lassen sich drei Prozessgruppen identifizieren, die untereinander interagieren (siehe Abb. 11): Während im strategischen CRM-Prozess auf Grundlage einer strategischen Analyse die Zielsetzungen einer CRMUmsetzung für das Unternehmen festgelegt werden, leiten sich daraus konkrete Maßnahmen zur Gestaltung von Strukturen, Interaktionskanäle und kundenbezogenen, operativen Geschäftsprozessen ab. Analytische Prozesse unterstützen diese beiden Bereiche durch Analysen und das dabei gewonnene Wissen (Neckel/Knobloch 2005, S. 38).

Übergreifende Prozesse Kundenwertanalyse

Kundensegmentierung

Strategische Zielsetzung

Vision

Strategische Analyse

Ressourcenanalyse

Kundencharakterisierung

Umfeldanalyse

SWOTAnalyse Strategische Konzeption

StrategieEntwicklung

StrategieUmsetzung Maßnahmenspezifische Prozesse Zielgruppenanalyse

Cross-SellingAnalyse

Abwanderungsanalyse

Kundenrisikoanalyse

Strategisches Controlling

Analytische CRM-Prozesse

Marketing-Prozesse Kampagne

Lead

ProzessControlling

Strategische CRM-Prozesse

Sales-Prozesse Opportunity

ErgebnisControlling

Angebot

Leistungserstellung Auftrag

Service-Prozesse Feedback

Support

Operative CRM-Prozesse

Abb. 11: Prozesse im CRM

4.1

Strategische CRM-Prozesse

Ohne eine CRM-Strategie ist der Einsatz von CRM-Systemen zum Scheitern verurteilt (Stauss/Seidel 2002, S. 11; Reinartz et al. 2004, S. 302; Neckel/Knobloch 2005, S. 36 f.; Homburg/Sieben 2008, S. 503). Eine CRM-Strategie leitet sich aus der allgemeinen Unternehmensstrategie ab und spezifiziert, welche Ziele, mit welchen Kundengruppen, durch welche Maßnahmen, über welchen Zeitraum erreicht werden sollen (siehe Abschnitt 3.4). Daraus wird eine Vision für den CRM-Ansatz eines Unternehmens als strategische Zielsetzung für die folgenden Prozessschritte entwickelt.

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Als zentrales Bezugsobjekt im CRM muss im Rahmen einer Strategie-Entwicklung die Kundenstruktur und das Kundenverhalten berücksichtigt und dazu eine strategische Analyse durchgeführt werden (Bruhn 2009, S. 95). Als analytischer Prozess unterstützt die Kundensegmentierung eine solche Vorgehensweise. Dabei werden interne und externe Daten für analytische Zwecke der Entscheidungsunterstützung intensiv genutzt, um ein tiefer gehendes Verständnis über einzelne Kundensegmente und deren Verhalten zu gewinnen (Hippner 2004, S. 47). Auf Basis der Untersuchungsergebnisse von Umfeld und Ressourcen können dann die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) des Unternehmens mit Bezug auf das Customer Relationship Management analysiert werden (Hippner 2004, S. 46; Bruhn 2009, S. 99). Anschließend werden in der strategischen Konzeption Strategiealternativen erarbeitet, die geeignet erscheinen, die Unternehmung dauerhaft erfolgreich in ihrem Umfeld zu positionieren. Das Ergebnis dieses Prozessschrittes sind Strategiealternativen, unter denen dann die für die Zielerreichung am besten geeignete ausgewählt wird (Hungenberg 2004, S. 9). Aus dieser leiten sich die Zuordnung der Ressourcen und Ziele als konkrete Sollzustände für die Zukunft ab (Bruhn 2009, S. 100). Für eine Strategie-Umsetzung sind Strukturen, Geschäftsprozesse, Interaktionskanäle und IT-Systeme in Abstimmung mit der gewählten Strategie zu gestalten (Hungenberg 2004, S. 10). In operativen CRM-Prozessen, wie Kampagnen, erfolgt die Kommunikation und Interaktion mit den Kunden entsprechend der festgelegten strategischen Zielsetzungen. Die Entwicklung einer CRM-Strategie stellt keinen einmaligen Vorgang dar. Im Zeitverlauf verändert sich das Wettbewerbsumfeld, die Kundenanforderungen und die Potenziale im Unternehmen entwickeln sich weiter. Deshalb müssen die Umsetzung der CRM-Maßnahmen und der Erfolg einer CRM-Strategie im strategischen Controlling kontinuierlich überwacht und bei Bedarf eine Überarbeitung oder Neuformulierung der Strategie initiiert werden (Hippner 2004, S. 60; Bruhn 2009, S. 253).

4.2

Analytische CRM-Prozesse

Das analytische CRM unterstützt strategische und operative Prozesse mithilfe analytischer Verfahren, wie Data Mining und Online Analytical Processing (OLAP), um Wissen über Kundenstrukturen und Kundenverhalten zu generieren. Maßnahmenspezifische analytische Prozesse unterstützen dabei konkrete Maßnahmen innerhalb der operativen CRM-Prozesse zur Umsetzung der CRM-Strategie. Oftmals fließen dabei Ergebnisse übergreifender Prozesse, wie der Kundenwert oder Kundensegmente, in die Analyse mit ein. Diese Ergebnisse übergreifender Analyseprozesse dienen desweiteren auch der Unterstützung strategischer und operativer Prozesse im CRM.

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

41

4.2.1 Übergreifende analytische Prozesse Im Mittelpunkt des Kundenbeziehungsmanagements steht der Wert einer Kundenbeziehung (siehe Abschnitt 3.2). Zielsetzung der Kundenwertanalyse als übergreifender Analyseprozess ist somit die Bestimmung des Kundenwertes mit seinen monetären und nicht-monetären Bestandteilen. Der Kundenwert bildet damit die Grundlage für den strategischen Ansatz eines kundenwertorientierten Kundenmanagements. Zielsetzung einer Kundensegmentierung als Basis der segmentspezifischen Bearbeitung ist die Identifikation in sich homogener Kundengruppen, die aber untereinander heterogen sind (Bruhn 2009, S. 107). Mit einer Kundensegmentierung werden Unterschiede in den Bedürfnissen, dem Verhalten und dem Wert der Kundengruppen aufgedeckt. Als Segmentierungskriterien können neben dem Kundenwert und der Phase im Kundenbeziehungslebenszyklus demografische, psychologische, sozioökonomische, ökonomische und verhaltensbezogene Merkmale herangezogen werden (Neckel/Knobloch 2005, S. 65 ff.; Bruhn 2009, S. 109). Die Kundencharakterisierung beschreibt einen Kunden oder ein Kundensegment. Diese Beschreibung unterstützt die Entwicklung von Konzepten zur Kundenbetreuung, die Identifikation von Zielgruppen oder auch die Gestaltung der Ansprache durch die Visualisierung der Eigenschaften der Kunden (Neckel/Knobloch 2005, S. 57 f.). Neben Daten zum Kundenverhalten, demografischen, soziodemografischen und mikrogeografischen Daten können auch Affinitäten des Kunden, wie Kanalaffinitäten oder Produktaffinitäten, in eine Charakterisierung einfließen (Blattberg et al. 2008, S. 510).

4.2.2 Maßnahmenspezifische analytische Prozesse Die Zielgruppenanalyse als eine Form maßnahmenspezifischer Prozesse wird eingesetzt, um Personengruppen für eine gezielte CRM-Maßnahme, wie z. B. eine Kampagne, zu bestimmen. Als Selektionskriterien können dabei sowohl deskriptive Daten, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße und Wohnumfeld, aber auch Transaktionsdaten aus der Kundenbeziehung, wie z. B. bereits gekaufte Produkte, Kundenreaktionen auf Angebote oder das Nutzungsverhalten in Bezug auf eine Dienstleistung, und Ergebnisse einer Kundenwertanalyse oder Kundensegmentierung eingesetzt werden (Berry/Linoff 2000, S. 269 f.; Dold et al. 2004, S. 26). Als vorbereitende Maßnahme zur Gestaltung der Kundenbeziehungen im Kundenbindungsmanagement werden Cross Selling- und Up Selling-Analysen eingesetzt. Dabei werden Bestandskunden im Hinblick auf ihr Kaufverhalten analysiert und die Ergebnisse auf Neukunden bzw. auf Kunden mit geringerer Beziehungsintensität übertragen (Hippner/Wilde 2008, S. 219). Auf Basis des Kaufverhaltens der Kunden können z. B. mithilfe einer Assoziations- oder Sequenzanalyse Regeln über Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Produkten und Kaufreihenfolgen abgeleitet werden (Neckel/Kobloch 2005, S. 220 ff.). Diese können nach einer kritischen Bewertung zur Bewerbung von entsprechenden Zusatz- oder Folgeprodukten genutzt werden.

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Zielsetzung einer Abwanderungsanalyse im Rahmen des Kündigungspräventionsmanagements ist es, möglichst frühzeitig gefährdete, d. h. abwanderungswillige Kunden zu identifizieren, um zur Sicherung des Fortbestands der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden geeignete Maßnahmen zu treffen (Berry/Linoff 2000, S. 319 f.; Neckel/ Knobloch 2005, S. 356). Dazu wird in einer Abwanderungsanalyse für jeden Kunden eine Prognose erstellt, mit welcher Wahrscheinlichkeit dieser in nächster Zeit die Geschäftsbeziehung aufkündigen wird (Hippner/Wilde 2008, S. 220). Mittels einer Kundenrisikoanalyse wird das Kreditrisiko des Kunden bestimmt. Im Rahmen eines Risikomanagements der Kundenbeziehungen im CRM gilt es, einen möglichen Forderungsausfall zu erkennen und geeignete vorbeugende CRM-Maßnahmen zu treffen. Dazu können auf Basis externer Bonitätsdaten und interner Daten aus der Geschäftsbeziehung Rückschlüsse auf die finanziellen Verhältnisse des Bestandskunden und potenzieller Neukunden gezogen werden (Raab/Siegl 2007, S. 36). Dieser analytische Prozess unterstützt nicht nur konkrete operative Angebots- und Auftragsprozesse, sondern spielt über den gesamten Lebenszyklus einer Kundenbeziehung hinweg auch bei der Neukundenakquisition, der Abwanderungsprävention und dem Rückgewinnungsmanagement eine Rolle.

4.3

Operative CRM-Prozesse

Operative CRM-Prozesse stellen den Kern der Geschäftsprozesse des Unternehmens dar, die sich durch direkten Kundenkontakt oder durch Unterstützung des Kundenkontakts auszeichnen (Walser 2002, S. 76). Die Interaktion und Kommunikation mit dem Kunden erfolgt über Customer Touch Points, wie Call Center, Außendienstmitarbeiter oder der Website. Dabei können unterschiedliche Interaktionskanäle, wie EMail, Brief oder Telefon, an den einzelnen Customer Touch Points eingesetzt werden. Zur Gestaltung der operativen Prozesse im Unternehmen müssen zunächst jene auf Seiten des Kunden ablaufende Prozesse (Kundenprozesse) identifiziert werden, die durch CRM-Prozesse unterstützt werden sollen (Merzenich 2005, S. 42). Ausgehend von den Kundenprozessen unterscheidet man sechs unternehmensseitige operative Kernprozesse des CRMs, die den Bereichen Marketing, Sales und Service zugeordnet werden (Riempp 2003, S. 27 ff.; Schumacher/Meyer 2004, S. 143 ff.): Marketing-Prozesse umfassen die Durchführung von Kampagnen und die Bearbeitung der dabei generierten Kontakte im Leadmanagement (vgl. den Artikel von Leußer et al. im vierten Teil dieses Buches): ƒ

Aufgabe des Kampagnenmanagements ist die Planung, Durchführung und Analyse aller Kampagnen mit dem Ziel, Interessensbekundungen (Leads) von Bestandskunden und Neukunden zu generieren (Bueren et al. 2003, S. 114). Über Kampagnen erfolgt ein großer Teil der aktiven Kundenansprache im Rahmen der strategischen Zielsetzungen des Unternehmens. Dabei kommt es besonders darauf an, „… dem richtigen Kunden, das richtige Informations- und Leistungs-

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

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angebot im richtigen Kommunikationsstil über den richtigen Kommunikationskanal zum richtigen Zeitpunkt zu vermitteln“ (Hippner et al. 2009). Damit kommt im Kampagnenmanagement der Zielgruppenanalyse eine besondere Bedeutung zu. ƒ

Leadmanagement beschäftigt sich mit der Erfassung, Qualifizierung, Priorisierung und Weiterleitung von Interessenbekundungen der Kunden, die aus Kampagnen und anderen Unternehmensmaßnahmen entstanden. Dabei wird das Ziel verfolgt, dem Sales werthaltige Kontakte bereitzustellen (Geib et al. 2006, S. 91). Besonders bei Leads, die über die Website oder Gewinnspiele generiert wurden, ist oft mit einem erheblichen Anteil an Anfragen mit geringer Abschlusswahrscheinlichkeit zu rechnen. Um limitierte Sales-Ressourcen effizient einzusetzen, kommt es auf eine Qualifizierung der Interessenbekundungen und eine geeignete Zuordnung auf CTPs, Interaktionskanäle und Sales-Mitarbeiter an.

Die im Marketing generierten und qualifizierten Interessensbekundungen der Kunden werden nun in den Sales-Prozessen weiterbearbeitet. Sales-Prozesse gliedern sich dabei in das Opportunity-Management sowie das Angebots- und Auftragsmanagement (zu den Sales-Prozessen siehe auch der Artikel von Gündling im vierten Teil dieses Buches): ƒ

Opportunity-Management bezeichnet die systematische Identifikation und Nutzung konkreter Verkaufschancen (sog. Opportunities) mit dem Ziel, diese zu bearbeiten und in ein Angebot und einen erfolgreichen Auftrag zu verwandeln (Jost 2000, S. 334). Im Rahmen einer mehrstufigen Pflege und Qualifizierung eines Kundenkontakts bis hin zum Vertragsabschluss unterstützt das Opportunity-Management Sales-Mitarbeiter durch Analysen zum Status einer Opportunity und durch Sollprozesse und andere salesrelevante Funktionalitäten (z. B. Verkaufsassistent, Buying Center-Darstellung, Wettbewerberanalyse) (Hippner et al. 2006a, S. 59 f.). Die Informationen aus Kundenkontakten können so zur Umsatzprognose für die Vertriebssteuerung und zur Optimierung von SalesAktivitäten genutzt werden (Winkelmann 2008, S. 560 f.).

ƒ

Im Angebots-/Auftragsmanagement werden kundenspezifische Angebote und Aufträge erstellt, überarbeitet und überwacht, um einen langfristig profitablen Abschluss mit dem Kunden zu erreichen und damit auch dessen Bedürfnisse zu befriedigen. Durch eine entsprechende Informationsintegration und IT-Unterstützung kann eine Prozessbeschleunigung und eine Prozesskosten- und Fehlerreduzierung in der Angebots- und Auftragsbearbeitung erreicht werden. Dazu kann bei der Erstellung von Angeboten und Aufträgen unter anderem auf Back Office-Systeme, wie einem Enterprise Resource Planning (ERP)-System oder einem Supply-Chain-Management (SCM)-System zurückgegriffen werden, um Informationen zu Produkten, Preisen und Lagerbeständen zu erhalten (Winkelmann 2008, S. 466 ff.).

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Service-Prozesse beschäftigen sich mit Kundenanliegen im Feedback- und Supportmanagement (vgl. den Artikel „IT-Unterstützung von Service-Prozessen“ von Schöler im vierten Teil dieses Buches): ƒ

Aufgabe des Feedbackmanagements ist die Erfassung und Bearbeitung von Beschwerden, Lob, ebenso wie Anregungen des Kunden. Dies erfolgt mit dem Ziel, durch Bearbeitung der Kundenanliegen Kundenzufriedenheit (wieder)herzustellen. Durch Beschwerden, Lob und Anregungen kommunizieren Kunden dem Unternehmen ihre Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen sowie wahrgenommene Probleme. Dieses Feedback kann weitergehend analysiert und zur Verbesserung des Leistungsangebots und der Prozesse im Unternehmen genutzt werden (Schöler 2009, S. 1).

ƒ

Im Zuge des Supportmanagements werden Kundenprobleme in der Nachkaufphase bearbeitet, die bei der Produktnutzung oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen entstehen. Dabei sollen diese Probleme gelöst und die Zufriedenheit mit der Leistung des Unternehmens aufrecht erhalten werden (Geib et al. 2006, S. 92).

Die Ausgestaltung der CRM-Prozesse und damit deren Komplexität ist abhängig vom Kundenprozess und unternehmenspezifischen Charakteristika. So finden sich im Endkundenbereich oftmals sehr komplexe Konzeptionen für das Kampagnenmanagement, während sich die Sales-Prozesse zumeist als eher linear und einfach darstellen. Im B2BBereich und bei quasi-investiven Kaufprozessen von Endkunden, wie bei Immobilien oder Autos, finden sich dem hingegen häufig komplexe Sales-Prozesse mit mehrstufigen Entscheidungsprozessen und einer Vielzahl von beteiligten Personen. Die genaue Ausgestaltung der Unternehmensprozesse ist der strategischen Konzeption anzupassen und bildet die Vorgaben für eine Spezifikation der unterstützenden IT-Systeme.

5

IT-Systeme im CRM

Zur Ausgestaltung der einzelnen operativen Prozesse und den dabei stattfindenden Kundenkontakten benötigen die Mitarbeiter eine geeignete Unterstützung durch operative Systeme (Neckel/Knobloch 2005, S. 26). So ist es beispielsweise für einen Call Center-Agenten für eine abgestimmte Kommunikation mit dem Kunden entscheidend, über Informationen zum Eingang und Bearbeitungsstand einer aktuellen briefliche Beschwerde zu verfügen. Zur Umsetzung der zuvor beschriebenen analytischen und operativen Prozesse werden entsprechende unterstützende IT-Systeme eingesetzt. Eine typische Architektur eines CRM-Systems mit operativen und analytischen Systemkomponenten ist in Abb. 12 dargestellt.

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

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Supply Chain Management

MarketingProzesse

Interaktionskanäle Customer Touch Points CRMAnwendungen

Back Office

BasisAnwendungen

Pers. Kontakt

SalesProzesse WWW

E-Mail

Telefon

Außendienst

ServiceProzesse

Brief/Fax

Innendienst Filiale

Etc.

CIC Website

Etc.

Kampagne

Opportunity

Feedback

Lead

Angebot/Auftrag

Support

Stammdaten

Kontakt Aktivitäten

Workflow Eskalation

Enterprise Ressource Planning

Operative Kundendatenbank Operative CRM-Systeme

Data Warehouse

Analytische CRM-Systeme

Data Mining

OLAP

Abb. 12: Komponenten eines CRM-Systems Quelle: in Anlehnung an Hippner et al. 2006a, S. 48

Operative CRM-Systeme unterstützen Mitarbeiter in der Abwicklung von CRM-Prozessen im direkten Kundenkontakt. Die zentrale Datenbasis bildet dabei eine operative Kundendatenbank, in der alle Informationen aus den Geschäftsvorgängen erfasst werden. Mitarbeiter greifen innerhalb der einzelnen CRM-Prozesse auf die Funktionalitäten entsprechender CRM-Anwendungen, wie dem Kampagnenmanagement oder dem Feedbackmanagement zurück. Basis-Anwendungen zur Erfassung und Pflege von Stammdaten sowie Daten zu Aktivitäten und Kundenkontakten ergänzen die operativen Funktionalitäten im CRM. Zusätzlich werden auch automatisch aufgezeichnete Daten in die Datenbestände mit aufgenommen. Dies betrifft z. B. die Dokumentation der Öffnung einer E-Mail oder Abhebung an einem Geldautomaten. Operative CRM-Systeme stellen auch Technologien für die Abwicklung von Kommunikation und Interaktion der einzelnen Customer Touch Points, wie Customer Interaction Center (CIC), Filiale, Außendienst oder Website, mit Kunden bereit. Dabei werden verschiedenste Kommunikationskanäle, wie Brief, E-Mail und Telefon, unterstützt (Neckel/Knobloch 2005, S. 25; Hippner et al. 2006a, S. 48, vgl. auch den Beitrag „IT-

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Unterstützung ausgewählter Kundenkontaktkanäle“ von Hauke/Wilde im vierten Teil dieses Buches). Back Office-Systeme, wie ein ERP- oder ein SCM-System, übernehmen Aufgaben in der Abwicklung von Geschäftsprozessen außerhalb der reinen CRM-Prozesse (Neckel/ Knobloch 2005, S. 43). So wird beispielsweise ein erfasster Auftrag an das ERP-System zur Lieferung und Fakturierung weitergeleitet und die Verfügbarkeitsprüfung für einen Auftrag durch das SCM-System durchgeführt. Im analytischen CRM werden alle kundenbezogenen Informationen in eine einheitliche Datenbank integriert sowie die dazu geeigneten Analysewerkzeuge bereitgestellt, um unterstützendes Wissen für strategische und operative Prozesse zu gewinnen (Hippner et al. 2006a, S. 49 ff.). Üblicherweise wird dazu ein von operativen Systemen unabhängiges Data Warehouse als zentrale Datensammlung eingesetzt, um für Benutzer im gesamten Unternehmen Zugang zu diesen Daten zu analytischen Zwecken zu ermöglichen (siehe den Beitrag von Becker/Knackstedt im fünften Teil dieses Buches). Kundendaten müssen dabei aus internen und externen Datenbanken, wie Daten von Marketing Information Providern oder kooperierenden Unternehmen, integriert werden (Berry/Linoff 2000, S. 141 ff., vgl. zu den dabei relevanten Kundeninformationen auch den Artikel „Kundeninformationen als Basis des CRM“ von Leußer et al. im fünften Teil dieses Buches). Zur Dokumentation von Daten und Strukturen im Data Warehouse und zur Steuerung der verschiedenen Datenbereitstellungsprozesse dienen dabei begleitende Metadaten (Berry/Linoff 2000, S. 145). Eine Auswertung der im Data Warehouse gespeicherten Daten wird durch die Auswertewerkzeuge des OLAP und Data Mining ermöglicht (Englbrecht 2007, S. 12). OLAP bildet betriebswirtschaftlich relevante Messgrößen (z. B. Umsatz, Deckungsbeitrag) entlang unterschiedlicher Dimensionen (wie z. B. Kundengruppe, Artikel oder Region) in Form eines multidimensionalen Datenwürfels ab. Entsprechend qualifizierte Fach- und Führungskräfte können so mithilfe von OLAP-Werkzeugen schnell interaktive und vielfältige Analysen auf Grundlage vorab konkret formulierter Fragestellungen durchführen (Chamoni/Gluchowski 2006, S. 14). Mit Data Mining ist eine weitergehende Datenanalyse auf Basis einer (teil-)automatisierten Suche nach unbekannten Zusammenhängen möglich (Berry/Linoff 2000, S. 7 ff.). Es dient somit zur Wissensgewinnung über Verhaltensweisen, Präferenzen und Bedürfnissen des Kunden und trägt so zu einem besseren Kundenverständnis bei. Der Data Mining-Prozess unterteilt sich in die Schritte des (Chapman et al. 2000; Hippner/ Wilde 2008, S. 211 f.) ƒ

Business Understanding: Bestimmung der betriebswirtschaftlichen Problemstellung, Ableitung der Ziele für das Data Mining und Projektplanung,

ƒ

Data Understanding: Katalogisierung der verfügbaren Datenbestände, Bewertung der Datenqualität der verfügbaren Bestände und Bestimmung der geeigneten Datenbestände,

CRM – Grundlagen, Konzepte und Prozesse

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ƒ

Data Preparation: Datentransformation in ein geeignetes Datenformat zur Datenanalyse, explorative Datenanalyse, Datenanreicherung und -reduktion sowie Behandlung fehlender und fehlerhafter Merkmalswerte

ƒ

Modeling: Bestimmung der geeigneten Data Mining-Methoden, Auswahl eines Data Mining-Werkzeugs sowie Entwicklung und Test von Data Mining-Modellen

ƒ

Evaluation: Ausfiltern handlungsrelevanter Data Mining-Ergebnisse und betriebswirtschaftliche Bewertung der Ergebnisse sowie Bewertung des Data Mining-Prozesses und

ƒ

Deployment: Anwendung der Data Mining-Ergebnisse durch Anpassung der betroffenen Geschäftsprozesse und Einbindung der Data Mining-Modelle in die operativen Geschäftsprozesse sowie Aufgabendefinition für weitere Data Mining-Prozesse.

Resultate von Datenanalysen, wie prognostizierte Kaufwahrscheinlichkeiten oder Segmente, können in das Data Warehouse mit aufgenommen (zu Data Mining vgl. auch den Beitrag von Hippner et al. im fünften Teil dieses Buches) und dort von den operativen Systemen zur Prozesssteuerung abgerufen werden. Dem Konzept eines lernenden Systems folgend (Closed Loop-Architektur) wird das im analytischen CRM gewonnene Wissen systematisch genutzt, um die Geschäftsprozesse kontinuierlich auf differenzierte Kundenbedürfnisse zu optimieren (Hippner et al. 2006a, S. 49). So finden zur Steuerung des Kontakts zwischen Unternehmen und Kunden Ergebnisse aus den analytischen Prozessen Aufnahme in die operative Kundendatenbank (Neckel/Knobloch 2005, S. 39). Dies betrifft beispielsweise die Zuordnung zu Kundensegmenten, Kundenpräferenzen oder den Kundenwert. Für den Erfolg einer CRM-Maßnahme ist entscheidend, dass Daten in einem Closed Loop so schnell wie notwendig für eine Analyse, Entscheidung und entsprechende Handlung bereitgestellt werden, da der Wert einer Information mit der Zeit fällt (zu den dazu entwickelten Ansätzen vgl. den Beitrag „Adaptivität und Echtzeit in CRM-Prozessen“ von Grieser/ Wilde im fünften Teil dieses Buches).

6

Fazit und Ausblick

Das Konzept des CRMs ist in einer Vielzahl an bereits bestehenden Ansätzen und Denkmodellen, die im Wesentlichen aus dem Marketing stammen, eingebettet. Die Diskussion und Konkretisierung des CRM-Begriffs ergibt, dass es als ein integraler Bestandteil des seit den 80er Jahren populären Relationship Marketing anzusehen ist. Die Unterschiede, die der CRM-Ansatz im Vergleich zum Relationship Marketing aufweist, sind allerdings als recht ausgeprägt einzustufen. Zum einen konzentriert sich der CRMAnsatz im Gegensatz zum Relationship Marketing ausschließlich auf die Geschäftsbeziehungen mit den Kunden, zum anderen wird der ökonomische Aspekt dieser Kunden-

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beziehungen bei weitem stärker akzentuiert als es beim Relationship Marketing der Fall ist (Ahlert/Hesse 2002, S. 5). Darüber hinaus wird im CRM der IT-Unterstützung eine deutlich größere Bedeutung beigemessen. Analog zum Relationship Marketing erschwert die Vielschichtigkeit und Komplexität des CRM-Begriffs nachhaltig die Entwicklung einer umfassenden Systematik. Der vorliegende Beitrag zeigt vor diesem Hintergrund – zumindest ansatzweise – einzelne Facetten des CRM auf, wobei der Fokus auf die einzelnen Phasen einer CRM-Wirkungskette gelegt wird. Die einfache Strukturierung in einzelne, aufeinander aufbauende Phasen impliziert hierbei einen „Automatismus des Erfolgs“, der in der Realität jedoch nicht gegeben ist. Die Komplexität der Aufgabe sowie die nur schwer zu kontrollierenden und vorhersagbaren Einflussfaktoren führen dazu, dass nicht wenige CRM-Konzepte scheitern (siehe z. B. Rigby et al. 2002, S. 55 f.). Unter den vielfältigen Einflussfaktoren wird häufig dem zentralen Punkt eines jeden CRM-Konzepts – dem Kunden – zu wenig Beachtung eingeräumt, indem implizit davon ausgegangen wird, dass jeder Kunde nur darauf wartet, eine enge, langfristige und für das Unternehmen gewinnbringende Geschäftsbeziehung zu pflegen. Tatsächlich trifft dies jedoch nur auf einen relativ kleinen Teil der Kunden zu. Die Mehrheit der Kunden sucht dagegen keine aktive Beziehung zu nur einem Unternehmen und empfindet daraufhin abzielende Kontaktaufnahmen durch ein Unternehmen als störend (Grönross 2000, S. 36; Hippner et al. 2006b, S. 206 f.). Hier gilt es, die CRM-Maßnahmen differenziert an den einzelnen Kundengruppen auszurichten und auf deren Wünsche und Bedürfnisse abzustimmen.

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Dominik Georgi, Moritz Mink

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien 1

Kundenbeziehungsstrategie zur strategischen Verankerung des CRM in Unternehmen

2

Begriff und Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie 2.1 Begriffliche Abgrenzungen 2.2 Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie

3

Analyse des Kundenbeziehungsumfeldes und Zielformulierung 3.1 Markt- und Wettbewerbsanalyse 3.2 Unternehmensanalyse 3.3 Zielformulierung

4

Segmente und segmentspezifische Basisstrategien 4.1 Segmentierung 4.2 Basisstrategien anhand phasenspezifischer Betreuung

5

Instrumente im Rahmen von Kundenbeziehungsstrategien 5.1 Phasenspezifische Instrumente 5.2 Phasenunabhängige Instrumente

6

Multichannel-Strategie

7

Rahmenbedingungen 7.1 Personelle Rahmenbedingungen 7.2 Technologische Rahmenbedingungen

8

Fazit

Literaturverzeichnis

1

Kundenbeziehungsstrategie zur strategischen Verankerung des CRM in Unternehmen

Kundenbeziehungen sind ein wesentlicher Erfolgstreiber von Unternehmen. Folglich kommt dem Management der Kundenbeziehungen (CRM) eine wichtige Rolle zu (Bruhn 2008a). CRM wird dabei häufig auf seine technologische Komponente reduziert und als IT-basiertes CRM-System verstanden, dessen Aufgabe in der Sammlung und Auswertung von Kundendaten oder in der Automatisierung kundenbezogener Prozesse liegt (Payne/Frow 2005, Hippner 2007). Obwohl moderne IT-Systeme nachweislich einen großen Beitrag zu erfolgreichem Kundenbeziehungsmanagement leisten, birgt diese einseitige Sichtweise die Gefahr, dass CRM-Projekte trotz hoher Investitionen in Technologie und enormem organisatorischen Aufwand scheitern, weil die notwendigen Rahmenbedingungen im Unternehmen nicht geschaffen wurden. Zunehmend wird daher eine „strategische Ausrichtung statt IT-getriebenem Aktivismus“ gefordert (Homburg/ Sieben 2008). Hintergrund dieser Forderung ist die Überlegung, dass die IT-Systeme nur dann ihre volle Wirksamkeit entfalten können, wenn zuvor die entsprechend relevanten strategischen Zielsetzungen im Unternehmen definiert wurden. Technologie ist in diesem Sinne ein Werkzeug zur Implementierung einer Kundenbeziehungsstrategie (Crosby 2002). Es wird deutlich, dass nur eine enge Abstimmung zwischen der Ausgestaltung kundenorientierter Strategien und kundenorientierten Informationssystemen die Potenziale eines CRM-Konzepts voll ausschöpfen kann. Die Grundlage für die Implementierung von Technologien und Prozessen bildet demnach die Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie, die entsprechend den strategischen Zielsetzungen des Unternehmens formuliert wird. Sie legt u. a. fest, welche Kundengruppen über welche Kanäle mit welchem Instrumentarium bearbeitet werden sollen (Wehrmeister 2001). Darüber hinaus gilt es, entsprechende organisatorische und personelle Rahmenbedingungen zu schaffen. Auf dieser Basis werden anschließend zu den unternehmensspezifischen Anforderungen passende CRM-Systeme ausgewählt und implementiert. Die Kundenbeziehungsstrategie bildet somit den zentralen Ausgangspunkt für die Wirkungskette des CRM und determiniert in erheblichem Maße den letztendlichen Erfolg des CRM (vgl. Abb. 1).

Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie

Auswahl und Implementierung von CRMSystemen

Kundenzufriedenheit, Kundenbindung

Ökonomischer Erfolg

Abb. 1: Einbettung der Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie in den CRM-Prozess

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

60

Dominik Georgi, Moritz Mink

Der Erfolgsbeitrag einer durchdachten Kundenbeziehungsstrategie und darauf aufbauender CRM-Maßnahmen besteht analog zu den klassischen Zielen des Relationship Marketing in der Maximierung des Kundenwertes einzelner Kundenbeziehungen (Bruhn et al. 2000 und Bruhn et al. 2008) und damit des gesamten Kundenstamms. Um diesem übergeordneten Ziel zu genügen, befassen sich die im Kontext des CRM relevanten strategischen Konzepte mit den verschiedenen Aspekten einer Kundenbeziehung, insbesondere mit dem Ziel gesteigerter Kundenzufriedenheit und Kundenbindung (Colgate/Danaher 2000). Resümierend dient eine ganzheitlich konzeptionierte Kundenbeziehungsstrategie als Basis für eine beziehungsorientierte Ausgestaltung klassischer Wettbewerbsvorteile oder ermöglicht gar die Ausgestaltung der Kundenbeziehungsorientierung als zentraler Wettbewerbsvorteil. Es ist somit unabdingbar, jeder Implementierung konkreter CRMMaßnahmen bzw. Installation CRM-orientierter IT-Systeme die Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie voranzustellen. Im Rahmen dieses Beitrags werden dazu in Kapitel 2 zunächst der Begriff und die Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie erläutert. In Kapitel 3 erfolgt die Beschreibung einer Markt- und Wettbewerbs- sowie einer internen Unternehmensanalyse, die der Formulierung der eigentlichen Kundenbeziehungsstrategie, in Form einer Segmentierung und Formulierung segmentspezifischer Basisstrategien in Kapitel 4, einer Beschreibung relevanter Instrumente in Kapitel 5 und der Kanalintegration, im Sinne einer Multichannel-Strategie, in Kapitel 6, vorausgehen. In Kapitel 7 folgt die Beschreibung einiger personeller und technischer Rahmenbedingungen, bevor das Fazit in Kapitel 8 den Beitrag abrundet.

2

Begriff und Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie

2.1

Begriffliche Abgrenzungen

2.1.1 Begriffssynthese Kundenbeziehung und Strategie (Kunden-)Beziehungsmanagement Beziehungsmanagement ist „die aktive und systematische Analyse, Selektion, Planung, Gestaltung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen im Sinne eines ganzheitlichen Konzeptes von Zielen, Leitbildern, Einzelaktivitäten und Systemen“ (Diller 1995). Als maßgeblich wird dabei die längerfristige Perspektive des Beziehungsaufbaus gegenüber der isolierten Betrachtung von Einzeltransaktionen betrachtet (Georgi 2000). Das Kundenbeziehungsmanagement beschränkt sich dabei auf das Management von Kundenbeziehungen, die im Kontext des Relationship Marketing allgemein als eine Folge von nicht zufälligen Markttransaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager einer Leistung definiert werden können (Bruhn/Georgi 2005).

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

61

Strategie Obwohl der Strategiebegriff im militärischen Sinne schon lange existiert, ist er im Kontext der Unternehmensführung, trotz seiner heute weiten Verbreitung, ein vergleichsweise junger Begriff. Erst nach 1980 stieg Strategie zu einem zentralen Begriff modernen Managements auf. Porter (1985), der grundlegende Regeln für die Wettbewerbsstrategie aufstellte, bezeichnet Strategie als „eine in sich stimmige Anordnung von Aktivitäten, die ein Unternehmen von seinen Konkurrenten unterscheidet“. Sie bezweckt die langfristige Gestaltung des Unternehmens und legt klassischerweise die meist langfristig geplanten Verhaltensweisen zur Erreichung bestimmter Ziele fest. Sie beinhaltet in allgemeiner, aber verbindlicher Weise die Absichten, Schwerpunkte und Prioritäten für die langfristige Entwicklung des Unternehmens, weshalb sie auch für alle späteren konkreten Entscheidungen als Grundlage dient. Taktik, als Teil der Strategie, ist dabei operativ als Weg zur Erreichung von Teilzielen zu verstehen. In diesem Sinne zeigt die Unternehmensstrategie, auf welche Art mittelfristige oder langfristige Unternehmensziele erreicht werden sollen. Kundenbeziehungsstrategie Dem Begriff der Strategie liegt also ein sehr weiter definitorischer Spielraum zugrunde, so dass auch der Begriff der Kundenbeziehungsstrategie eher weit als umfassende kundenbeziehungszentrierte Unternehmensstrategie (Crosby 2002) oder aber auch relativ eng als Strategie zur Kundenbearbeitung aufgefasst werden kann. Unabhängig von der jeweiligen Akzentuierung steht im Fokus einer jeden Kundenbeziehungsstrategie jedoch die Entwicklung eines Konzepts zur Ausgestaltung der Kundenbeziehungen und umfasst im Wesentlichen die Dimensionen Kundensegmente, Interaktionskanäle zwischen Kunde und Unternehmen sowie kundenzentrierte Instrumente.

2.1.2 Kundenbeziehungsstrategie und deren Konzeption Wie in Kapitel 2.1.1 dargestellt, steht die Entwicklung eines Konzepts zur Ausgestaltung der Kundenbeziehungen im Fokus einer jeden Kundenbeziehungsstrategie. Unter der Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie wird die konzeptionelle Tätigkeit der Formulierung von (Teil-)Aspekten einer Unternehmensstrategie verstanden, die auf die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen ausgerichtet sind. Zentral sind dabei insbesondere diejenigen (Teil-)Aspekte, die den Kunden in den Mittelpunkt der Zielformulierung stellen sowie auf die stetige Weiterentwicklung in Richtung langfristiger profitabler Beziehungen zwischen Kunden und Unternehmung ausgerichtet sind. Theoretisch stellt zwar auch ein Verzicht auf jegliche kundenbeziehungsorientierte Maßnahme eine Kundenbeziehungsstrategie dar, eine solche wird jedoch in der Folge nicht weiter vertieft.

62

Dominik Georgi, Moritz Mink

1. Ebene

Analog zum großen definitorischen Spielraum hinsichtlich einer Kundenbeziehungsstrategie lassen sich auch in deren Konzeption zwei Ebenen unterscheiden: die Ebene der kundenbeziehungszentrierten Unternehmensstrategie und die der Kundenbearbeitung (Abb. 2).

Kundenbeziehungszentrierte Unternehmensstrategie

2. Ebene

Stärke/Intensität der Kundenbeziehung

Dauer der Kundenbeziehung Phasen Merkmale Segmente Instrumente Kanäle

Kundenakquisition Kundenbindung Kundenrückgewinnung Anbahnung Sozialisation Wachstum Reife Gefährdung Auflösung Potenzialtypen Kundentypen Abwanderertypen Kundenbeziehungszyklus-orientierter Marketingmix Qualitäts-, Beschwerde-, Service- und Kundenwertmanagement Multichannel-Strategie

Abb. 2: Zwei Ebenen in der Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie Auf der ersten Ebene gilt es, die übergreifende Unternehmensstrategie und die CRMStrategie aufeinander abzustimmen bzw. integriert zu betrachten (Payne/Frow 2005). Dies ist insbesondere dann entscheidend, wenn Unternehmensstrategie und CRMStrategie in unterschiedlichen funktionellen Bereichen des Unternehmens bearbeitet werden (Payne/Frow 2006: „The content of our company’s business strategy has absolutely no connection to the real-life customer strategy issues“). Auf der zweiten Ebene ist es anschließend erforderlich, die unmittelbaren Leistungen und Interaktionen kundenorientiert auszugestalten. Im Rahmen einer derartig leistungs- und interaktionsbasierten Interpretation des Begriffs Kundenbeziehungsstrategie wird die Kundenorientierung vorrangig durch eine hohe, vom Kunden wahrgenommene Produkt- und Servicequalität bestimmt, d. h. die Erwartungen der Kunden im Umgang mit dem Unternehmen müssen umfassend erfüllt werden (Bruhn 1999a).

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

2.2

63

Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie

Bei der Formulierung einer CRM-Strategie werden eingangs, im Rahmen von Basisstrategien, die grundlegenden Eckpfeiler aufgestellt. Basierend auf einer Analyse des Kundenbeziehungsumfeldes auf unternehmensspezifische Anforderungen und Besonderheiten und einer anschließenden Zielformulierung ergibt sich die Kundenbeziehungsstrategie entlang dreier Fragestellungen (Wehrmeister 2001): ƒ

Welche Kundengruppen werden mit

ƒ

welchem Instrumentarium über

ƒ

welche Kanäle bearbeitet?

Die drei Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie sind somit Segmente, Instrumente und Kanäle (vgl. Abb. 3).

Kanäle

Kundenbeziehungsstrategie

Segmente

Instrumente

Abb. 3: Dimensionen einer Kundenbeziehungsstrategie Die Auswahl und Implementierung konkreter (zum Teil IT-basierter) CRM-Systeme ist dagegen nicht Teil der Strategiekonzeption, sondern Teil der Strategieimplementierung. Im Rahmen der strategischen Überlegungen gilt es aber dennoch, die, über die drei Strategiedimensionen hinaus gehenden organisatorischen, personellen und technologisch prozessualen Rahmenbedingungen im Auge zu behalten bzw. diese durch Vorgabe entsprechender strategischer Leitplanken zu schaffen.

64

3

Dominik Georgi, Moritz Mink

Analyse des Kundenbeziehungsumfeldes und Zielformulierung

Als erster Schritt der Strategieentwicklung gilt es, das gültige Kundenbeziehungsumfeld genau zu analysieren, um unternehmensspezifische Anforderungen und Besonderheiten zu erfassen. Dabei spielen sowohl Gesichtspunkte aus dem Markt- und Wettbewerbsumfeld als auch unternehmensinterne Aspekte eine Rolle (Hippner 2004).

3.1

Markt- und Wettbewerbsanalyse

Im Rahmen der Markt- und Wettbewerbsanalyse wird untersucht, welche Bedeutung die Kundenbeziehung in der jeweiligen Branche für die Marktteilnehmer hat. Große Unterschiede in dieser Bedeutung lassen sich vor allem anhand branchenspezifischer Merkmale des Wettbewerbs, der Kundenbedürfnisse sowie anhand der verschiedenen Vertriebs- und Kommunikationskanäle herausarbeiten. Bezüglich des Wettbewerbs spielt vor allem die Marktdynamik eine zentrale Rolle. Auf jungen dynamischen Märkten können Kunden nur auf geringfügige Erfahrung mit den Anbietern zurückblicken, weshalb die Wechselbereitschaft als außerordentlich hoch einzustufen ist. Diese hohe Wechselbereitschaft ist jedoch für die Anbieter besonders schwer im Sinne eines individuell differenzierten Angebots nutzbar, weil hier die Möglichkeit des individuellen Eingehens auf Kundenbedürfnisse, aufgrund der noch jungen Interaktionshistorie sehr beschränkt ist. Auf jungen Märkten bietet sich daher eine Fokussierung auf Neukundengewinnung an, während auf reifen etablierten Märkten das Augenmerk vermehrt auf eine allumfassende Kundenbeziehungsstrategie der Kundengewinnung, -bindung und -rückgewinnung gerichtet werden sollte. Unter reinen Wachstumsaspekten spielt die Kundenbeziehung weiterhin insbesondere in gesättigten Märkten eine zentrale Rolle, weil sie in diesem Kontext oft als einziges echtes Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb anzusehen ist. Bei der Analyse der Kundenbedürfnisse ist es entscheidend, diese hinsichtlich ihrer Komplexität zu unterscheiden. Während bei einfachen Produkten die Vorteile einer ausgeprägten Kundenbeziehung weniger schwer wiegen, fällt einer Solchen bei komplexeren Produkten eine kritische Rolle zu, da Kunden, insbesondere in diesem Zusammenhang, auf eine intensive Beratung, auf Basis von Vertrauen und Kompetenz, angewiesen sind. Die Verfügbarkeit effizienter CRM-Systeme erlaubt es dem Anbieter, in einem solchen Kontext besonders individuell auf die Kundenwünsche einzugehen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von typischen Interaktionsfrequenzen und -intensitäten. Die Bedeutung der Kundenbeziehung ist für hohe Interaktionsfrequenzen, im Sinne einer Häufigkeit von Transaktionen pro Zeiteinheit, als höher anzunehmen, als für niedrige Frequenzen. Gleiches gilt für hohe Interaktionsintensitäten, im Sinne einer hohen finanziellen, psychologischen oder emotionalen Bedeutung der Transaktionen für den Kunden.

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

65

Schließlich gilt es bei der Analyse von Vertriebs- und Kommunikationskanälen, die Besonderheiten dieses wichtigsten Bindeglieds zwischen Kunde und Anbieter herauszuarbeiten. Nahezu branchenunabhängig nutzen die meisten Kunden heutzutage mehr als einen Interaktionskanal, wobei die Komplexität in der Steuerung bzw. Synchronisierung der Kanäle überproportional mit der Anzahl der genutzten Kanäle zunimmt. Je mehr Kanäle also im Marktumfeld branchenüblicherweise zur Verfügung gestellt bzw. genutzt werden, desto höher ist auch die Bedeutung einer entsprechend abgestimmten Kundenbeziehungsstrategie einzustufen. Als weiterer wichtiger Aspekt, im Rahmen der Kanalanalyse, bleibt eine Analyse aus Kostensicht. Eine entsprechend durchdachte Kanalstrategie kann entscheidend dazu beitragen, die Marketing-, Vertriebs- und Servicekosten des Anbieters erheblich zu senken.

3.2

Unternehmensanalyse

Im Rahmen einer Unternehmensanalyse gilt es, die Stellung des Anbieters innerhalb des Wettbewerbs sowie die unternehmensinternen Voraussetzungen bezüglich Personal, Organisation, Ressourcen, Prozessen, Technologie etc. in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Zunächst hat die Wettbewerbsstellung des Anbieters unmittelbaren Einfluss auf die Bedeutung einer entsprechenden CRM-Strategie. So ist in Monopol- oder Oligopolmärkten eine Fokussierung auf die Kundenbeziehung ebenso weniger bedeutend, wie im Kontext einer Strategie der Qualitäts- oder Preisführerschaft, wobei hier die angesprochenen Kosteneffekte des CRM dennoch eine Rolle spielen können. Bei der Analyse der anbieterinternen Voraussetzungen wird, im Rahmen einer StärkenSchwächen-Analyse abgewogen, welche Aktivitäten der Anbieter, im Rahmen seiner Möglichkeiten, sinnvoll ergreifen kann (Bruhn 2008a). Dabei gilt es zunächst, ein umfassendes Ressourcenprofil bezüglich Qualifikation der Mitarbeiter, Leistungsqualität und nicht zuletzt der verfügbaren finanziellen Mittel zu erstellen. Darauf basierend erfolgt die Identifikation von Stärken und Schwächen, im Sinne eines Abgleichs der vorhandenen Ressourcen mit den Markterfordernissen und schließlich die Ableitung spezifischer Kompetenzen in Abgrenzung zur Konkurrenz.

3.3

Zielformulierung

Auf der ersten Ebene einer Kundenbeziehungsstrategie (vgl. Abb. 2) kann nun also, analog zu der in Kapitel 2.1.1 vorgenommenen Ableitung des Kundenbeziehungsstrategie-Begriffs, schließlich auch die Zielformulierung wieder in unterschiedlicher Tragweite erfolgen: entweder im Sinne einer umfassenden kundenbeziehungszentrierten Unternehmensstrategie oder aber relativ eng als Strategie zur direkten Kundenbearbeitung. Eine zielgerichtete Ableitung und Formulierung entsprechender strategischer Stoßrichtungen wird erst auf Basis einer Gegenüberstellung der Ergebnisse aus der

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Dominik Georgi, Moritz Mink

Unternehmensanalyse (vgl. Abschnitt 3.2) mit den externen Chancen und Risiken aus der Markt- und Wettbewerbsanalyse (vgl. Abschnitt 3.1) möglich. Konkret kann sich die Zielformulierung an der CRM-Erfolgskette orientieren. Eine solche Strukturierung führt im Ergebnis zu vier Zielrichtungen, nämlich den prozess-/ inputbezogenen, den kundenwahrnehmungsbezogenen, den kundenverhaltensbezogenen sowie den ökonomischen/outputbezogenen Zielen (Hippner 2004). Prozessbezogene Ziele beschreiben meist kundenorientierte Optimierungsmaßnahmen mit dem Fokus auf Effizienz und Effektivität der relevanten Geschäftsprozesse. Kundenwahrnehmungsbezogene Ziele beziehen sich auf die Wahrnehmung des Anbieters bzw. seiner Leistungen durch den Kunden und werden durch Zielgrößen, wie Image, Bekanntheit, Kundenzufriedenheit oder Kundenbindung determiniert, welche wiederum als Ausgangspunkt für Verhaltensänderungen beim Kunden gelten. Verhaltensbezogene Ziele umfassen vor allem das Transaktionsverhalten der Kunden, wie beispielsweise Cross- und UpSelling-Verhalten sowie Weiterempfehlungsbereitschaft und Treue. Sie sind die Basis des ökonomischen Erfolgs und somit der ökonomischen Ziele, weshalb es adäquat erscheint, insbesondere diese Ziele später auf Segmentebene weiter zu differenzieren bzw. zu detaillieren. Als zentraler Beweggrund jeder Kundenbeziehungsstrategie beinhalten die ökonomischen Ziele schließlich standardisierte Zielgrößen wie Umsatz, Gewinn, Return on Investment oder Shareholder Value, welche aber als durch die Kundenbeziehungsstrategie erzielbare Erfolgsbeiträge zu interpretieren sind.

4

Segmente und segmentspezifische Basisstrategien

Es wäre zeitweise keine Überraschung gewesen, auf einer CRM-Konferenz kein einziges Mal den Begriff Segmentierung zu hören. Vielleicht ist dies nur die Reaktion auf die Marketingansätze der Vergangenheit, welche die Kunden als weitgehend homogene Gruppe wahrnahmen und behandelten und wenig Augenmerk auf kundenindividuelle Lösungen setzten. Aber weder gibt es innerhalb eines Kundenstamms zwei identische Kunden, noch sind alle Kunden komplett verschieden. Diesem Zusammenspiel von Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Kunden gilt es, mit Hilfe einer so einfach wie möglich gehaltenen und gleichzeitig so granular wie nötig ausdifferenzierten Segmentierung gerecht zu werden. Auf Basis dieser kann sich der Anbieter gegenüber den Kunden im Wettbewerb positionieren, sein Wertversprechen effektiv und effizient kommunizieren und einhalten, um schließlich eine individualisierte Kundenbeziehung aufzubauen.

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

4.1

67

Segmentierung

„Kundenbeziehungsstrategie beginnt mit Segmentierung und endet beim einzelnen Kunden“ (Crosby 2002). Die Beantwortung der Frage nach zu betreuenden Kundengruppen, Kanälen und Instrumenten im Sinne einer differenzierten und selektiven Kundenbearbeitung auf der zweiten Ebene der Kundenbeziehungsstrategie, ist nur auf Basis einer aussagekräftigen Segmentierung der Kunden möglich. Auf Basis einer Solchen können anschließend segmentspezifische Basisstrategien definiert werden. Segmentierung bedeutet letztendlich, gleichermaßen existierende wie potenzielle Kunden zu untersuchen und einzuteilen. Sie sollte dabei gleichzeitig so einfach wie möglich und so granular wie nötig sein. Einer Aufteilung in wenige Makrosegmente folgt, nach der Untersuchung dieser Segmente auf Homogenität, ggf. eine weitergehende Segmentierung in Mikrosegmente. Umgekehrt sollte auf eine weitere Verfeinerung verzichtet werden, sobald keine relevanten Unterschiede mehr zwischen den Segmenten identifizierbar sind (Payne/Frow 2006). Grundsätzlich sind online bzw. im Kontext des eCommerce und der damit verbundenen Datenverfügbarkeit heute deutlich tiefer gehende und feinere Segmentierungen möglich, als noch in der nahen Vergangenheit oder in anderen Kanälen. Zunächst gilt es aber, einzelne methodisch unterschiedliche Segmentierungsansätze im Sinne einer schlussendlich sinnvollen Segmentierungslogik zu unterscheiden. In der praktischen Umsetzung wird zumeist eine Einteilung nach Vertriebsweg oder aktueller nach Kundenwertigkeit vorgenommen. Eine solche Einteilung steht ganz im Zeichen des weitverbreiteten Irrtums der Anbieter, dass sie selbst die Hoheit über die Kundenbeziehung innehalten. So repräsentiert eine Einteilung der Kunden nach den genannten Kriterien ausschließlich die Anbietersicht. Aus einer integrierten Kundenbeziehungssicht, die sowohl die Ziele des Anbieters als auch die Kriterien des Kunden vereint, erscheint eher eine Einteilung anhand des Status der Kunden entlang des Kundenbeziehungszyklus oder eine Kombination dessen mit den anderen Kriterien vorteilhaft (Bruhn 2008a). Segmentierung anhand des Kundenbeziehungszyklus Eine Betrachtung von Kundensegmenten entlang des Kundenbeziehungszyklus integriert die Aspekte Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kundenloyalität etc. und kann daher den Ansprüchen einer Kundenbeziehungsstrategie gerecht werden (Bruhn 2008a). Die Basis dafür bildet die Sequenz der Erfolgskette, bestehend aus Prozess/Input, Kundenwahrnehmung, Kundenverhalten und ökonomischem Erfolg (Output). Bei Betrachtung der Interdependenzen zwischen den einzelnen Kettengliedern (zweidimensionale Segmentierung) kann jeweils eine mehrstufige zielorientierte Segmentierung für die drei Phasen des Kundenbeziehungszyklus vorgenommen werden. Im Rahmen dieser Vorgehensweise werden Kundensegmente identifiziert, die sich im Grad der Erreichung der Ziele des Relationship Marketing unterscheiden. Sie lassen sich in Form eines Port-

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Dominik Georgi, Moritz Mink

folios darstellen (Storbacka et al. 1994), das anhand von zwei Dimensionen jeweils vier Kundentypen unterscheidet (Bruhn 2008a). In der Kundenakquisitionsphase kann die Erfolgskette mit der Sequenz Maßnahmen, Image, Erstkauf und ökonomischer Erfolg beschrieben werden. Anhand der Interdependenzen dieser vier Kettenglieder ergeben sich drei Segmentierungsarten, in denen jeweils die Dimensionen des vor- und des nachgelagerten Kettenglieds ausschlaggebend sind. Somit ergeben sich schließlich vier Segmente je Interdependenz, nämlich Involvierte Potentials, Erreichbare Potentials, Ignoranz-Potentials und Blindgänger-Potentials in der Segmentierung nach Imagepotenzial, Impulskauf-Potentials, Erarbeitete Potentials, Desinteresse-Potentials und Streuverlust-Potentials in der Segmentierung nach Erstkaufpotenzial sowie Investitions-Potentials, Erfolg versprechende Potentials, Vernachlässigbare Potentials und Schnäppchen-Potentials in der Segmentierung nach Erfolgspotenzial (vgl. Abb. 4).

Maßnahmen

Image

Segmentierung nach Imagepotenzial

Segmentierung nach Erstkaufpotenzial

Segmentierung nach Erfolgspotenzial

Image

Erstkaufwahrscheinlichkeit Gering

Hoch

Impulskauf Potentials

Erarbeitete Potentials

Hoch

InvestitionsPotentials

Erfolg versprechende Potentials

DesinteressePotentials

StreuverlustPotentials

Gering

Vernachlässigbare Potentials

SchnäppchenPotentials

Ökonomischer Erfolg

BlindgängerPotentials

Hoch

Hoch

IgnoranzPotentials

Gering

Gering

Erreichbare Potentials

Erstkaufwahrscheinlichkeit

Hoch

Involvierte Potentials

Image

Hoch

Gering

Aktivitätsgrad des Unternehmens Gering

Ökonomischer Erfolg

Erstkauf

Abb. 4: Phasenspezifische Segmentierung in der Kundenakquisitionsphase Quelle: Bruhn 2008a, S. 116

Analog wird für die Kundenbindungs- und Kundenrückgewinnungsphase vorgegangen. In der Kundenbindungsphase kann die Erfolgskette mit der Sequenz Maßnahmen, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und ökonomischer Erfolg beschrieben werden und es ergeben sich dann in der Segmentierung nach Zufriedenheitspotenzial die Segmente Selbstläufer-Kunden, Adäquate Kunden, Ignoranz-Kunden und Sackgassen-Kunden, in der Segmentierung nach Kundenbindungspotenzial Eingesperrte Kunden, Überzeugte

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

69

Kunden, Unsichere Kunden und Abwechslung suchende Kunden sowie InvestitionsKunden, Erfolgreiche Kunden, Zufällige Kunden und Gesättigte Kunden in der Segmentierung nach Erfolgspotenzial (vgl. Abb. 5).

Kundenzufriedenheit

Maßnahmen

Segmentierung nach Zufriedenheitspotenzial

Segmentierung nach Kundenbindungspotenzial

Hoch

Gering

Selbstläufer Kunden

Adäquate Kunden

Hoch

Eingesperrte Kunden

Überzeugte Kunden

Hoch

InvestitionsKunden

Erfolgreiche Kunden

IgnoranzKunden

SackgassenKunden

Gering

Unsichere Kunden

Abwechslung suchende Kunden

Gering

Zufällige Kunden

Gesättigte Kunden

Ökonomischer Erfolg

Gering

Kundenbindung

Hoch

Hoch

Kundenbindung

Gering

Gering

Kundenzufriedenheit

Segmentierung nach Erfolgspotenzial

Kundenzufriedenheit

Aktivitätsgrad des Unternehmens

Ökonomischer Erfolg

Kundenbindung

Hoch

Abb. 5: Phasenspezifische Segmentierung in der Kundenbindungsphase Quelle: Bruhn 2008a, S. 117

In der Kundenrückgewinnungsphase kann die Erfolgskette mit der Sequenz Maßnahmen, Interesse, Wiederaufnahme und ökonomischer Erfolg beschrieben werden. Es ergeben sich sodann bei der Segmentierung nach Interessenpotenzial Unsichere Abwanderer, Wieder erreichte Abwanderer, Adäquate Abwanderer und Endgültige Abwanderer, in der Segmentierung nach Wiederaufnahmepotenzial Unentschiedene Abwanderer, Umgestimmte Abwanderer, Desinteressierte Abwanderer und Vormerkabwanderer sowie in der Segmentierung nach Erfolgspotenzial die Investitions-Abwanderer, Erfolg versprechende Abwanderer, Vernachlässigbare Abwanderer und Fälschlich wieder gewonnene Abwanderer (vgl. Abb. 6). Bei der später erfolgenden Formulierung der Basisstrategien wird auf diese Segmentierung zurückgegriffen. Schließlich wird klar, dass jegliche Art der Segmentierung, insbesondere auch eine etwaige Segmentierung nach Vertriebsweg und/oder Kundenwert, der Kundenbeziehung durch die Integration der Aspekte des Kundenbeziehungszyklus gerecht wird. Nur so kann die Segmentierung dem Ziel der Optimierung des über die Gesamtlebensdauer der Kundenbeziehung aggregierten Kundenwerts gerecht werden, was dem Anbieter letztendlich die Fokussierung auf besonders profitable Kunden bzw. Kundensegmente erlaubt (Payne/Frow 2005). Weil in der folgenden Formulierung von Basisstrategien

70

Dominik Georgi, Moritz Mink

weitgehend eine Konzentration auf das Konzept phasenspezifischer Betreuung erfolgt, resultiert eine Fokussierung auf solche Segmentierungsansätze.

Maßnahmen

Interesse

Segmentierung nach Interessenpotenzial

Segmentierung nach Wiederaufnahmepotenzial

Hoch

Gering

Hoch

Unsichere Abwanderer

Wiedererreichte Abwanderer

Hoch

Unentschiedene Abwanderer

Umgestimmte Abwanderer

Hoch

Investitions Abwanderer

Erfolg versprechende Abwanderer

Adäquate Abwanderer

Endgültige Abwanderer

Gering

Desinteressierte Abwanderer

Vormerkabwanderer

Gering

Vernachlässigbare Abwanderer

Fälschlich wiedergewonnene Abwanderer

Ökonomischer Erfolg

Gering

Wiederaufnahmeabsicht

Hoch

Hoch

Wiederaufnahmeabsicht

Gering

Gering

Wiedergewonnenes Interesse

Segmentierung nach Erfolgspotenzial

Wiedergewonnenes Interesse

Aktivitätsgrad des Unternehmens

Ökonomischer Erfolg

Wiederaufnahme

Abb. 6: Phasenspezifische Segmentierung in der Kundenrückgewinnungsphase Quelle: Bruhn 2008a, S. 122

4.2

Basisstrategien anhand phasenspezifischer Betreuung

Auf Basis der Kundensegmentierung können, im Sinne einer phasenspezifischen Betreuung, segmentspezifische Basisstrategien mit dem Ziel der Profitabilitätssteigerung der Kundenbeziehungen definiert werden. Es ist dabei festzulegen, wie intensiv in die einzelnen Kundenbeziehungen investiert werden soll. Die Formulierung geschieht wiederum auf Basis von Portfoliobetrachtungen, indem sie auf der zweidimensionalen Segmentierung anhand der Interdependenzen der Erfolgskette aus Kapitel 4.1 aufbaut. Somit decken die Basisstrategien den gesamten Kundenbeziehungszyklus ab und zielen nicht zwangsläufig nur auf den Erfolg, sondern auch auf alle vorgelagerten Kettenglieder. Verallgemeinert bedeutet das die Gegenüberstellung der Kundenattraktivität mit der jeweiligen Position des Anbieters. Die Wertigkeit eines Kunden kommt somit über die Dimension Kundenattraktivität und außerdem über die relative Position des Anbieters beim Kunden zum Ausdruck. Im ersten Quadranten (hohe Attraktivität, niedrige Durchdringung) stehen somit Kunden, die es aufgrund ihrer hohen Attraktivität von den Leistungen des Anbieters zu überzeugen gilt. Im zweiten Quadranten (hohe Attraktivität, hohe Durchdringung) befinden sich die zumeist attraktivsten Kunden, die es gilt eng an

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

71

Tab. 1:

Imagepotenzial Erstkaufpot. Erfolgspotenzial Zufriedenh.-P. Bindungsp. Erfolgspotenzial Interessenpot. Wiederaufn.-P. Erfolgspotenzial

Kundenrückgewinnungsphase

Kundenbindungsphase

Kundenaquisitionsphase

das Unternehmen zu binden. Für Kunden im dritten Quadranten (niedrige Attraktivität, niedrige Durchdringung) sollte eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen und anschließend selektiv über die Weiterbehandlung entschieden werden. Für Kunden im vierten Quadranten (niedrige Attraktivität, hohe Durchdringung) gilt es ebenfalls selektiv zu prüfen, ob die Attraktivität erhöht werden kann. Ansonsten sollte nicht weiter in die Kundenbeziehung investiert werden. Entsprechend ihrer Einordnung in das Portfolio werden also für die einzelnen Kundengruppen spezifische Aussagen über die strategische Stoßrichtung der Kundenbearbeitung abgeleitet. Im Detail können für die in Kapitel 4.1 definierten Segmente exemplarisch die in Tab. 1 dargestellten Basisstrategien angedacht werden (Bruhn 2008a). Involvierte Potentials Erreichbare Potentials Ignoranz-Potentials Blindgänger-Potentials Impulskauf-Potentials Erarbeitete Potentials Desinteresse-Potentials Streuverlust-Potentials Investitions-Potentials Erfolg versprechende Vernachlässigbare Schnäppchen-P. Selbstläufer-Kunden Adäquate Kunden Ignoranz-Kunden Sackgassen-Kunden Eingesperrte Kunden Überzeugte Kunden Unsichere Kunden Abwechslung suchende Investitions-Kunden Erfolgreiche Kunden Zufällige Kunden Gesättigte Kunden Unsichere Abwanderer Wieder Erreichte A. Adäquate Abwander Endgültige Abwanderer Unentschiedene A. Umgestimmte A. Desinteressierte A. Vormerkabwanderer Investitions-A. Erfolgversprechende A. Vernachlässigbare A. Fälschlich wieder gewonnene Abwanderer

Ausschöpfung auf Basis geringen Aktivitätsgrades Intensiver Maßnahmeneinsatz Beziehungsbeendigung Einschränkung der Aktivität Stabilisierung durch imagefördernde Maßnahmen Intensiver Maßnahmeneinsatz Kritische Prüfung der Maßnahmen Prüfung der Gültigkeit von Kaufentscheidungskriterien Investition in Kundenbeziehung Investition in Kundenbeziehung Nicht-Bearbeitung Abwägung und Prüfung weiterer Investitionen Ausschöpfung auf Basis geringen Aktivitätsgrades Adäquater Maßnahmeneinsatz Prüfung auf Attraktivität (selektiv vorgehen) Überdenken der Maßnahmen Konservation und ggf. Zufriedenheitssteigerung Erfüllung der Kundenerwartungen Attraktivitätsprüfung, ggf. Zufriedenheitsmaßnahmen Einstellung der Investitionen Investition in Kundenbindung Sicherung des Kundenbindungsniveaus Prüfung von Maßnahmen Einstellung jeglicher Maßnahmen Prüfung des eigenen Interesses zu Wiederaufnahme Investition in Wiederaufnahme Keine weitere Bearbeitung Weitgehend keine weitere Bearbeitung Ggf. Investition in Wiederaufnahme Anreizschaffung für Wiederaufnahme Weitgehend keine weitere Bearbeitung Ggf. Rückgewinnungsmaßnahmen Steigerung der Wiederaufnahmeabsicht Schaffung von Anreizen für Wiederaufnahme Keine weitere Bearbeitung Keine weitere Bearbeitung

Exemplarische Basisstrategien

72

5

Dominik Georgi, Moritz Mink

Instrumente im Rahmen von Kundenbeziehungsstrategien

Ein kundenbeziehungsorientiertes Konzept des Management-Instrumentariums ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine strategisch geplante Gestaltung von Kundenbeziehungen, um die angestrebte Kundennähe nicht nur räumlich, sondern ebenso hinsichtlich des Kundenbedarfs zu realisieren. Nach erfolgter Segmentierung und Formulierung segmentspezifischer Basisstrategien sind daher als zweite Dimension der Kundenbeziehungsstrategie die Instrumente der Kundenbearbeitung zu diskutieren. Dies geschieht im Kontext des Relationship Marketing passenderweise entlang einer beziehungsorientierten Erweiterung der klassischen 4 P des Marketing: Die Marketinginstrumente werden über den produktorientierten Ansatz der 4 P hinaus, entlang der Phasen des Kundenbeziehungszyklus, als zweite Dimension strukturiert (Bruhn 1999b). So können sie auch in einen direkten Zusammenhang zu den vorher definierten Segmenten und entsprechenden Basisstrategien gestellt werden. Neben einigen phasenunabhängigen Instrumenten ergeben sich daraus phasenspezifische Instrumente einer Kundenbeziehungsstrategie (vgl. Abb. 7). Als viertes P inkludiert diese phasenspezifische Diskussion der 4 P auch an dieser Stelle bereits Multichannel-Aspekte.

Kundenakquisition

Phasenspezifische Instrumente

Anbahnung

Kundenbindung

Sozialisation

Wachstum

Reife

Kundenrückgewinnung Gefährdung

Auflösung

Abstinenz

Leistung Kommunikation Preis Distribution

Phasenunabhängige Instrumente

Qualitätsmanagement

Beschwerdemanagement

Abb. 7: Instrumente in Kundenbeziehungsstrategien Quelle: in enger Anlehnung an Bruhn 2008a, S. 174

Servicemanagement

Kundenwertmanagement

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

5.1

73

Phasenspezifische Instrumente

Je nachdem in welcher Phase des Kundenbeziehungszyklus sich ein Kunde befindet, ist ein weitgehend kundenindividueller Marketingmix zu gestalten. Die Gliederung der Kundenbeziehung in verschiedene Phasen bringt nämlich phasenspezifische Aufgaben für den Anbieter mit sich. Dies bedeutet zunächst die Entwicklung eines entsprechenden phasenspezifischen Konzepts der Kundenbearbeitung, wohingegen die Planung konkreter Inhalte und Maßnahmen später im Rahmen der Strategieimplementierung stattfindet.

5.1.1 Instrumente des Kundenakquisitionsmanagements Bei der Kundenakquisition kann zwischen der Phase der Anbahnung und der Phase der Sozialisation unterschieden werden, so dass es sinnvoll ist, auch bei den Marketinginstrumenten nach diesen beiden Phasen zu unterscheiden. Anbahnungsphase In der Anbahnungsphase geht es vor allem darum, Kunden zu überzeugen und zu stimulieren. Überzeugen bedeutet in diesem Kontext, dem Kunden klar zu machen, dass die angebotenen Leistungen zur Befriedigung seiner Bedürfnisse beitragen können, wohingegen Stimulieren die Anreizschaffung für die erstmalige Inanspruchnahme der Leistung meint. Sowohl Überzeugung als auch Stimulation sind über ein adäquates Marketingmix erzielbar. Überzeugungsmaßnahmen müssen eine Aussage bezüglich der Qualität der angebotenen Leistungen transportieren und bestehen vor allem aus einem aktiven Management der Kundenerwartungen (Bruhn 2000) durch entsprechende Leistungsversprechen und aus der Stimulation von Weiterempfehlungen Dritter durch entsprechende Maßnahmen zur Empfehlungsfundierung. Im Sinne der Leistungspolitik bedeutet dies, dass Leistungsqualität beispielsweise durch entsprechende Garantien glaubhaft versichert wird, wodurch das Unternehmen de facto den eigenen Glauben an die Qualität der Leistung dokumentiert. Ein anderes leistungspolitisches Instrument ist das Angebot von After Sales Services, womit der Anbieter dem Kunden ebenfalls eine unkomplizierte Inanspruchnahme der Leistung zusichern kann (Homburg/Garbe 1996). Daneben stellen Zertifizierungen und Gütesiegel ein wirksames Instrument der Empfehlungsfundierung dar. Für die Überzeugung der Kunden zentrales Instrument ist die Kommunikationspolitik, wo analog der Leistungspolitik eine sehr leistungsqualitätsbezogene Kommunikation sowie der Aufbau einer als Leistungs- und Qualitätsversprechen positionierten Marke im Mittelpunkt stehen. Zur Empfehlungsfundierung kann außerdem zum einen, in Form passender Anreizschaffung, auf die direkte Steuerung des Weiterempfehlungsverhaltens bestehender Kunden gezielt, zum anderen auf indirekte Steuerung durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zurückgegriffen werden. Im Sinne der Preispolitik stellt das Preisniveau einen gewissen Qualitätsindikator dar (Diller 2008) und bietet die

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Dominik Georgi, Moritz Mink

Möglichkeit, durch bewusst darauf aufbauende Preismodelle, das Erstkaufverhalten positiv zu beeinflussen (Siems 2003). Absatzmittler können beispielsweise durch Geldzurück-Garantien zur Weiterempfehlung animiert werden. Schließlich bietet die Distributionspolitik die Möglichkeit, beispielsweise durch entsprechende Standortwahl und die qualitative Ausgestaltung der Verkaufsflächen, das Qualitätsversprechen des Anbieters bezüglich seiner Leistung zu transportieren. Entsprechende Mängel in der Distributionspolitik, bezüglich der, im Rahmen der Kommunikation abgegebenen Qualitätsversprechen können an dieser Stelle sogar kontraproduktiv wirken (Esch 2008). Zudem ist die Distribution, im Sinne von Lieferzeiten oder Verfügbarkeiten, selbst als Mittler eines Leistungsversprechens einsetzbar. Stimulationsmaßnahmen haben zum Ziel, Kunden für die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung zu gewinnen. Sie sind von meist kurzfristiger Natur und zielen auf eine einzelne Transaktion, ggf. jedoch mit der direkten Folge einer längerfristigen Kundenbeziehung, z. B. durch Abschluss eines Laufzeitvertrages. Der Leistungspolitik kommt dabei eine untergeordnete Rolle zu. So ist zur Stimulation des Erstkaufs höchstens das Angebot einer standardisierten leicht verständlichen Leistung fördernd. Im Rahmen der Kommunikationspolitik besteht die Herausforderung darin, den Kunden im richtigen Moment zum Erstkauf zu animieren, was über die direkte Kontaktierung des Kunden, durch gratis zur Verfügung gestellte Leistungsproben, zeitnahes Nachfassen sowie direkte Verkaufsförderung am Point of Sale möglich ist. Größtes Stimulationspotenzial hat die Preispolitik, welche sich idealerweise durch ein dem Kontext angemessenes hohes Maß an Transparenz, Fairness und Flexibilität auszeichnet (Diller 2008). Dabei haben insbesondere Preisnachlässe eine stimulierende Wirkung. Schließlich bietet die Distributionspolitik die Möglichkeit, dem Kunden die Inanspruchnahme der Leistung durch entsprechende Ausgestaltung des Vertriebssystems zu erleichtern. In diesem Kontext spielen beispielsweise die Filialdichte, die Standortwahl oder auch die Multichannel-Strategie (vgl. Kapitel 6) eine wichtige Rolle. Sozialisationsphase In der Sozialisationsphase entscheidet sich der weitere Beziehungsverlauf. Sie beginnt, sobald es zur ersten Transaktion zwischen Anbieter und Kunde gekommen ist. Ziel des Anbieters in dieser Phase ist es, den Kunden an das Unternehmen und seine Leistungen zu gewöhnen, um die Grundlage für Vertrauen zu schaffen und eine unmittelbare Abwanderung zu vermeiden. Maßnahmen mit Unternehmensbezug zielen dabei auf die Positionierung des Anbieters als kompetenter Geschäftspartner ab, während Maßnahmen mit leistungsspezifischem Bezug konkrete Produkte oder Dienstleistungen in den Mittelpunkt der Vertrauensbildung stellen. Analog zur Vorgehensweise für die Anbahnungsphase, lassen sich auch die Maßnahmen der Sozialisationsphase wiederum entlang der 4 P beschreiben. Im Bereich der Leistungspolitik geht es vor allem um die Gewöhnung des Kunden an die Leistung, was beispielsweise im Rahmen von Schulungen, Installationsdienstleistungen und insbesondere auch durch schnelle vollumfängliche Hilfe bei unvorhergesehen auftretenden Problemen geschieht. Die Kommunikationspolitik dieser Phase ist ebenfalls auf Gewöhnung ausgerichtet. Geeignete Maßnahmen

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

75

mit Unternehmensbezug sind aufgrund der hohen Emotionalität zum Beispiel Sponsoring und Events. In Form von Kommunikation mit spezifischem Leistungsbezug umfasst sie sowohl individuelle persönliche Kommunikationsmöglichkeiten, wie beispielsweise über Hotlines, als auch standardisierte Kommunikation, wie zum Beispiel in Form von Frequently Asked Questions. Bei der Preis- und Distributionspolitik kommt es in dieser Phase vor allem auf Konstanz an: Sowohl sinkende als auch steigende Preise nach dem Erstkauf können zu Unzufriedenheit führen, im Falle sinkender Preise durch ein entstehendes Gefühl der Übervorteilung, im Falle steigender Preise durch Überschreitung der Zahlungsbereitschaft. In der Distribution ist zumindest eine Beibehaltung des gesetzten Standards Pflicht.

5.1.2 Instrumente des Kundenbindungsmanagements In der Phase der Kundenbindung können eine Wachstumsphase und einer Reifephase unterschieden werden, so dass es wiederum sinnvoll ist, auch bei den Marketinginstrumenten nach diesen beiden Phasen zu unterscheiden. Wachstumsphase In der Wachstumsphase geht es vor allem darum, die initiierte Kundenbeziehung in Richtung einer profitablen Kundenbeziehung auszubauen. In der Theorie des Relationship Marketing wird dies durch eine sogenannte Gebundenheits- und Verbundenheitsstrategie erreicht (Bliemel/Eggert 1998), deren Ziele vor allem in einer individualisierten Geschäftsbeziehung sowie in einer intensivierten Inanspruchnahme der Leistungen bestehen. Individualisierung der Geschäftsbeziehung bedeutet das Eingehen auf spezifische Bedürfnisse des Kunden und sollte erfolgen, um die Kundenbeziehung für den Kunden langfristig attraktiv zu machen. Sie findet hauptsächlich in der Leistungspolitik, im Sinne einer Leistungsindividualisierung statt und kann über eine entsprechend große Variantenvielfalt (Bruhn/Hadwich 2006) oder über ergänzende Value Added Services (Meyer/Blümelhuber 2000) geschaffen werden. Außerdem besteht die Möglichkeit der Integration der Kunden in den Prozess der Leistungsplanung und -erstellung oder gar der Leistungsinnovation, um eine echte Anpassung der Leistung an die Bedürfnisse zu schaffen (Corsten 2000; Gruner/Homburg 2000). Der Grad einer solchen Integration kann von reiner Informationsabgabe bis hin zu einer aktiven intellektuellen Beteiligung sehr unterschiedlich sein (Büttgen 2007). Auch in der Kommunikationspolitik muss eine Individualisierung erfolgen, was zum einen durch die Nutzung der vom Kunden präferierten Kommunikationsmittel, zum anderen durch den Einsatz von DirectMarketing-Maßnahmen erreicht wird. Zweitere zielen auf den direkten Kundendialog ab und bieten unter anderem durch den intelligenten Einsatz von IT zahlreiche Möglichkeiten der Individualisierung (Bruhn 2005). Die individuellste Form der Kommunikation bietet aber per Definition der persönliche Kontakt (Bruhn 2009). In der Preispolitik wird eine Individualisierung vor allem durch Differenzierung erreicht, d. h. dass

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gleiche Leistungen unterschiedlichen Kundengruppen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Dabei ist es wichtig, diese Differenzierung eng mit der individualisierten Leistungspolitik abzustimmen. Letztlich kann eine Individualisierung der Distributionspolitik durch Flexibilisierung und Erweiterung der Absatzkanäle erfolgen. Eine Intensivierung der Leistungsnutzung kann durch Cross- und Up-Selling erreicht werden und ist notwendig, um die Kundenbeziehung ökonomisch auszubauen und langfristig Profitabel zu gestalten. Im Sinne der Leistungspolitik bilden Sortimentsbreite und -tiefe die Basis dafür. Ein breites Produktangebot ermöglicht dem Kunden die Inanspruchnahme von Produkten, die er vorher nicht vom Anbieter beziehen konnte oder wollte. Unterstützend wirken dazu z. B. Qualitätsgarantien, After Sales Services oder insbesondere auch Leistungsbündelung. Ein tiefes und ständig weiterentwickeltes Sortiment sowie die Qualität der Leistungen bilden die Basis für eine Steigerung der Kauffrequenz. Die Kommunikation hat hier insbesondere die Aufgabe, mögliche Produktalternativen bekannt zu machen, was im Idealfall individuell geschieht, d. h. beispielsweise in Form von Direct-Marketing-Maßnahmen, basierend auf dem jeweils aktuellen Status der Kunden (Kamakura et al. 1991). In der Preispolitik kommen vor allem die Instrumente der Preisbündelung, Preisindividualisierung sowie Rabatte infrage, um monetäre Anreize für eine intensivierte Leistungsnutzung zu schaffen. Schließlich gilt es, im Rahmen der Distributionspolitik sicherzustellen, dass Produkte und Leistungen sowohl zeitlich als auch räumlich unkompliziert verfügbar sind. Reifephase In der Reifephase befindet sich eine Kundenbeziehung, wenn eine weitere Intensivierung nicht mehr erfolgt oder erfolgen kann. Ziel ist es dann, die Kundenbeziehung und damit zusammenhängende Umsätze und Gewinne für einen möglichst langen Zeitraum auf dem erreichten Niveau zu stabilisieren. Basierend auf den beiden Ausprägungen der Kundenbindung, der Gebundenheit und der Verbundenheit lassen sich verschiedene Arten von Wechselbarrieren unterscheiden, welche wiederum mit Hilfe der marketingpolitischen Instrumente umsetzbar sind (Bruhn 2008a). Im Rahmen der Leistungspolitik sind vor allem technisch-funktionale Wechselbarrieren implementierbar. Dabei geht es auf der einen Seite um eine Einschränkung der Kompatibilität eigener Produkte mit Konkurrenzleistungen, auf der anderen Seite aber auch um eine Fokussierung auf die möglichst weitgehende Abdeckung der Kundenbedürfnisse innerhalb des eigenen Leistungsspektrums. Vielfältige Möglichkeiten bietet in diesem Zusammenhang auch die Kommunikationspolitik. Im Raum stehende technisch-funktionale sowie vertragliche und ökonomische Barrieren können direkt adressiert werden, um das empfundene Risiko beim Kunden zu erhöhen. Durch die frühzeitige Ankündigung von Leistungsinnovationen können zusätzliche temporäre Wechselbarrieren geschaffen werden. Außerdem ist eine entsprechende Kommunikation insbesondere in der Lage, emotionale Wechselbarrieren zu schaffen und zu forcieren. Im Rahmen der Preispolitik ist der Aufbau von vertraglichen und ökonomischen Wechselbarrieren das zentrale Ziel, welches beispielsweise in Form von Rabatten, Kundenkarten oder Abonnements unterstützt werden kann. Die Distribution kann technisch-funktionale Barrieren unterstützen, indem sie in

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

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Form einer Multichannel-Strategie vielfältige der Konkurrenz überlegene Kanäle bereitstellt.

5.1.3 Instrumente des Kundenrückgewinnungsmanagements In der Phase der Kundenrückgewinnung werden eine Gefährdungsphase und eine Auflösungsphase mit anschließender Abstinenzphase unterschieden, wobei die beiden letzteren sehr nahe beisammen liegen und daher parallel betrachtet werden. Gefährdungsphase Um innerhalb der Gefährdungsphase die anschließende Auflösung der Beziehung zu vermeiden, gilt es, Frühwarnindikatoren zu kennen bzw. ein funktionierendes Frühwarnsystem zu etablieren (Michalski 2002). Relevante Indikatoren sind häufig relativ leicht erkennbar, beispielsweise im Falle direkter Beschwerden oder rückläufigen Umsatzes. Ein funktionierendes Frühwarnsystem basiert auf einer Auswertung der relevanten Indikatoren, wobei dies häufig automatisiert, mit Hilfe statistischer Verfahren oder sophistizierter Data-Mining-Anwendungen möglich ist. Für die so identifizierten abwanderungsgefährdeten Kunden sind unter Zuhilfenahme einer Analyse der potenziellen Abwanderungsgründe Gegenmaßnahmen einzuleiten. Zu Gefährdungsphasen kann es im Laufe einer Kundenbeziehung wiederholt kommen, nämlich dann, wenn aus einer solchen Phase heraus die Rückführung der Beziehung auf ursprünglich geltende Zufriedenheits- und Bindungsniveaus gelingt, sei es durch Fehlerkorrektur oder durch wiedergutmachende Leistungen. Auch dies ist mit den Instrumenten des Marketingmix erreichbar. So sind Fehler im Kontext der Leistungspolitik durch Nachbesserungen bzw. die Bereitstellung von Ersatzleistungen korrigierbar. Auch können zukünftig Fehler durch die Integration von Fehlerinformationen in die Weiterentwicklung der Leistungen vermieden werden. Die Kommunikation kann zur Fehlerkorrektur auf Kundenseite durch Schulungen beitragen oder im Sinne einer Wiedergutmachung auch in Form von Entschuldigungen oder Geschenken erfolgen. Im Rahmen der Preispolitik können Fehler durch nachträgliche Preisnachlässe oder Gutscheine für Folgeleistungen kompensiert werden. Schließlich bietet die Distributionspolitik die Möglichkeit zur Korrektur und Wiedergutmachung, sofern Unterschiede beim Versand oder in den Lieferbedingungen realisierbar sind. Auflösungsphase und Abstinenzphase Die Auflösungsphase ist die Beendigung der Kundenbeziehung und geht der Abstinenzphase unmittelbar voraus. Ziel der Abstinenzphase ist es dann, basierend auf einer Analyse der Abwanderungsgründe, den Kunden ggf. erneut zu überzeugen und zu stimulieren. Dazu können, im Rahmen der Leistungspolitik, wieder die Instrumente der Anbahnungs-, Sozialisations- und Bindungsphase genutzt werden, um die Leistung wieder verstärkt am Kunden auszurichten. Dabei ist der Anbieter nun zusätzlich in der Lage,

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seine im Laufe der Kundenbeziehung erlangte Kenntnis des Kunden einzubringen, um zusätzliche Individualität bieten zu können. Auch in der Kommunikationspolitik fällt der Individualität nun eine noch wichtigere Rolle zu, was insbesondere durch persönliche Ansprache leistbar ist. Im Idealfall werden bereits im Moment der Kündigung die relevanten Abwanderungsgründe abgefragt, um entsprechend reagieren zu können. Bezüglich der Preispolitik gilt es, den Kunden durch flexible Preisgestaltung im Zusammenspiel mit den Maßnahmen der Leistungspolitik letztendlich durch ein verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis erneut zu überzeugen. Die Distributionspolitik bietet lediglich mit Sonderkonditionen Spielraum für die Kundenrückgewinnung.

5.2

Phasenunabhängige Instrumente

Neben den an den Beziehungszyklusphasen ausgerichteten Marketinginstrumenten stehen phasenunabhängige Instrumente zur Verfügung, die weitestgehend undifferenziert in allen Phasen des Beziehungszyklus einzusetzen sind. Zu unterscheiden sind dabei die Instrumente des Qualitätsmanagements, des Beschwerdemanagements, des Servicemanagements sowie des Kundenwertmanagements. Die übergreifende Funktion des Kundenwerts resultiert dabei aus seiner Funktion als zentrale Erfolgskennzahl einer Kundenbeziehung (Bruhn et al. 2000 und Bruhn et al. 2008). Die Instrumente lassen sich anhand ihrer Aufgaben, Ziele und Umsetzung beschreiben. Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement meint alle planerischen, durchführenden und kontrollierenden Aktivitäten des Anbieters, die auf die Einhaltung einer bestimmten Qualität abzielen. Ein systematisches Qualitätsmanagement dient direkt der Kundenzufriedenheit als zentrale Voraussetzung für jegliche Art von Aufbau oder Intensivierung einer Kundenbeziehung und lässt sich auf einige Subziele herunterbrechen (Bruhn 2008b). Unternehmensgerichtete psychologische Ziele zielen auf Qualitätsbewusstsein, Kundenorientierung, Motivation und Zufriedenheit bei den Mitarbeitern, während marktgerichtete psychologische Ziele auf die Steigerung der Zufriedenheit und der Bindung durch erhöhte Qualitätswahrnehmung auf Kundenseite abzielen. Ökonomische Ziele zielen dagegen im unternehmensgerichteten Sinne auf Produktivität, Effizienz, Fehlerquoten und Qualitätskosten, während sie im markt-gerichteten Sinne auf Umsatz, Gewinn und Marktanteil durch Wiederkäufe und Cross-Selling ausgerichtet sind. Die relevanten Instrumente des Qualitätsmanagements sind in drei Phasen strukturierbar. Die strategische Qualitätsplanung steckt den grundlegenden Handlungsrahmen des Qualitätsmanagements und somit die qualitätsbezogene Strategie ab. Darauf basieren Qualitätsgrundsätze und -aktivitäten, welche allen Mitarbeitern kommuniziert und im gesamten Unternehmen verankert werden müssen. Entsprechende Planungskonzepte sind hier beispielsweise „Quality Function Deployment“ (Bruhn/Hadwich 2006) oder „Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse“. In der Qualitätsumsetzung wird die Qualitätsstrategie implementiert. Zentrale Rolle spielen dabei entsprechend gestaltete Produk-

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te und Leistungen des Anbieters, die den, in der operativen Qualitätsplanung abgeleiteten Qualitätsansprüchen genügen müssen. Dies wird durch entsprechende Qualitätsprüfung sichergestellt. In der dritten Phase schließlich werden, im Rahmen des Qualitätscontrollings, die strategischen Qualitätsaktivitäten des Anbieters nachgehalten bzw. deren Wirksamkeit kontrolliert. Insbesondere steht hier eine Effizienzmessung des Qualitätsmanagements im Mittelpunkt. Beschwerdemanagement Ein Beschwerdemanagement umfasst sämtliche Aktivitäten des Anbieters im Zusammenhang mit Beschwerden und kommt dann zum Tragen, wenn trotz implementierten Qualitätsmanagements Leistungsfehler auftreten. Ziel ist es, auf Basis einer sachlich und zeitlich adäquaten Reaktion den Aufbau und die Intensivierung von Kundenbeziehungen trotz der Leistungsfehler nicht zu gefährden und somit durch Beschwerdezufriedenheit auf die Kundenzufriedenheit zu wirken, wobei ein qualitativ besonders hochwertiges Beschwerdemanagement sogar in einer erhöhten Beziehungsqualität münden kann (Stauss 2008). Dieser Anspruch lässt sich wiederum auf einige Subziele herunterbrechen. Zunächst ist ein aktives Beschwerdemanagement ein nach außen hin sichtbarer Ausdruck einer kundenorientierten Unternehmensstrategie und gleichzeitig ein internes Mittel zur Förderung kundenorientierten Denkens und Handelns. Weiterhin können alternative Reaktionen wie z. B. unmittelbare Abwanderung oder negative Mund-zu-Mund-Kommunikation vermieden werden, im Idealfall folgt auf besonders positive Erfahrungen der Kunden im Beschwerdemanagement sogar positive Mund-zuMund-Kommunikation. Nicht zuletzt dient ein vollumfängliches Beschwerdemanagementsystem auch der Informationsgewinnung mit Ideenpotenzial für Innovationen. Auch die relevanten Instrumente des Beschwerdemanagements sind in mehrere Phasen strukturierbar. Ausgangspunkt bildet die Beschwerdestimulierung, d. h. die Ermächtigung des Kunden, unkompliziert mit einer Beschwerde an den Anbieter herantreten zu können. Sodann ist die Beschwerde systematisch und vollständig aufzunehmen, während dem Kunden bereits in dieser Phase ein hohes Maß an Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen und Verständnis entgegenzubringen ist. Im Rahmen der Beschwerdebearbeitung und -reaktion werden zunächst die Ursachen analysiert, um anschließend darauf basierend eine adäquate Bearbeitung zu ermöglichen. Dabei ist vor allem eine zeitlich und sachlich adäquate Reaktion entscheidend. Schließlich sind auch die Aktivitäten des Beschwerdemanagements einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, in Form eines Controllingsystems, zu unterziehen. Servicemanagement Servicemanagement ist die integrierte strategische Planung der angebotenen Services, also aller über ein physisches Produkt hinausgehenden Leistungen und somit weit mehr, als der traditionell unter Service verstandene Kundendienst. Dabei sind wiederum mehrere Servicetypen unterscheidbar. Garantieleistungen stehen in engem Zusammenhang mit der Primärleistung und unterscheiden sich in Umfang und Dauer. Lieferleistungen

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können differenziert nach Bereitschaft, Zuverlässigkeit und Qualität betrachtet werden. Kundenleistungen können sowohl technische als auch kaufmännische Dienstleistungen umfassen. Value Added Services schließlich sind solche Services, die zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang zur Primärleistung stehen, aber in Kombination mit dieser einen höheren Nutzen versprechen. Daneben lassen sich noch elektronisch erbrachte Services, sogenannte E-Services unterscheiden. Dabei werden den Kunden mittels Kommunikationstechnologie, hier vor allem über das Internet, mehrwertstiftende Leistungen und/oder Informationen angeboten. Die Unterscheidung, ob Services in Form von E-Services oder nicht elektronischen Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden hängt insbesondere von der Leistungsfähigkeit des Anbieters sowie von der Bedeutung des einzelnen Kunden, im Sinne der vorher formulierten Segmentbasisstrategie ab. Kundenwertmanagement Kundenwertmanagement ist die Analyse und Steuerung individueller Kundenwerte (Bruhn et al. 2000 und Bruhn et al. 2008), also im Rahmen einer Kundenbeziehungsstrategie die Ausrichtung aller beziehungsorientierten Aktivitäten am Kundenwert und damit am Wert des gesamten Kundenstamms. Der Kundenwert spiegelt sich jeweils in den ökonomischen Zielsetzungen der einzelnen Phasen des Kundenbeziehungszyklus wider und hat somit eine klar phasenübergreifende Bedeutung. Er lässt sich anhand eines Entscheidungsorientierten Managementprozesses strukturieren und umfasst die Analyse des Kundenwerts, eine wertorientierte Segmentierung (vgl. Kapitel 4.1), wertorientierte Basisstrategien (vgl. Kapitel 4.2) sowie Maßnahmen und deren Kontrolle. Die Berechnung des Kundenwerts hängt maßgeblich von der Marktdynamik sowie dem Verhalten von Kunden und Wettbewerbern ab. Auch die Struktur beim Anbieter selbst und die Verfügbarkeit von Kundendaten spielt eine entscheidende Rolle. Basierend auf diesen Voraussetzungen ist ein geeignetes Verfahren zur Wertermittlung zu wählen. Dieses kann statisch, oder dynamisch, monetär oder nicht monetär bzw. auch heuristisch oder analytisch sein. Auf Segmentierung und Entwicklung von Basisstrategien wird an dieser Stelle mit Verweis auf Kapitel 4 nicht näher eingegangen. Auf die Maßnahmenplanung wiederum hat die bei der Wertermittlung gewählte Methode starken Einfluss. Wurde ein statisches Verfahren angewandt, so liegen im Ergebnis lediglich punktuelle Kundenwerte vor, die als Basis zur Allokation von Marketingmitteln instrumentalisiert werden können. Die Anwendung dynamischer Verfahren der Wertermittlung dagegen eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen der Maßnahmenplanung phasenübergreifend vorzugehen. So sind nicht nur Marketingmittel allokierbar, sondern vielmehr eröffnet sie auch die Möglichkeit der Steuerung nach zukünftigem Kundenwertpotenzial, woran sich wiederum ideal ein Instrumentarium des Kundenwertmanagements ableiten lässt (Reicheld/Sasser 1990).

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Multichannel-Strategie

Kunden, die mehrere Transaktionskanäle nutzen, generieren höhere Umsätze, haben höhere Cross-Selling-Quoten und letztendlich auch einen höheren Kundenwert (Kumar/ Venkatesan 2005). Um diese Erfolge zu erzielen, bedarf es jedoch einer durchdachten Strategie der Kanalintegration, einer sogenannten Multichannel-Strategie. Bei der phasenspezifischen Diskussion der 4 P (vgl. Kapitel 5) wurden bereits einzelne KanalAspekte beschrieben. Das volle Angebot an Kanälen umfasste dabei den Außendienst, Ladengeschäfte, Telefon, Direct Marketing, e-commerce sowie m-commerce und zielte vor allem auf die Verbesserung der „räumlichen“ Nähe zwischen Unternehmen und Kunden. Bei der Formulierung einer Multichannel-Strategie liegt das Augenmerk dagegen vor allem auf der Ausgestaltung, Koordination und Abstimmung bzw. Integration dieser verschiedenen Kanäle. Es gilt dabei, die pro Distributionskanal relativ autark gesetzten Standards auch kanalübergreifend einzuhalten (Frow/Payne 2007: „A multichannel strategy […] to deliver the perfect customer experience […] across channels“). Dabei gilt es, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Kundenorientierung und unternehmensinterner Sicht zu finden, die Nutzung der einzelnen Kanäle also jeweils in Bezug zur Wertigkeit der einzelnen Kundengruppen zu stellen. Im Sinne der Kundenorientierung sind bei der Formulierung der Multichannel-Strategie die Kanalpräferenzen der Kunden zu berücksichtigen. Anhand dieser Kanalpräferenzen lassen sich unterschiedliche Kanalnutzungssegmente definieren. Beispielhaft anzuführen ist hier die Abgrenzung des klassischen Filialkunden von einem „Onliner“: Der Unterschied in der Kanalpräferenz kann bei diesem einerseits direkt durch die Art der genutzten Produkte determiniert sein, z. B. ein reiner Trading-Kunde, der nur den Onlinekanal nutzt. Der Unterschied kann sich jedoch auch über die reine Kanalpräferenz hinaus in weiteren Dimensionen widerspiegeln, z. B. durch größere Preissensitivität oder ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Auch bezüglich ihrer Rolle im Kaufentscheidungsprozess sind die Kanäle und ihre Nutzer differenzierbar: Zum einen wird vielfach online recherchiert und anschließend offline, also klassisch in der Filiale gekauft (RoPo: Research Online Purchase Offline). Zum anderen tritt diese Mischnutzung der Kanäle auch umgekehrt auf, wenn nämlich beispielsweise eine Beratung in der Filiale einer günstigeren Online-Bestellung vorausgeht. Aus Unternehmenssicht gilt es, die Kanäle im Rahmen eines Kontaktmanagements zu priorisieren. Zentral ist dabei die Frage, was über welchen Kanal in welcher Reihenfolge geschieht. Erfolgskritisch kann dabei auch eine adäquate steuerungssystematische Abgrenzung der Kanäle sein: In einer kundenzentrierten Sicht liegt das Augenmerk vor allem auf der kanalübergreifenden Profitabilität des Kunden bzw. der Kundenbeziehung, während in einer kanalzentrierten Sicht der Fokus vor allem auf dem Erfolg einzelner Kanäle liegt. Dadurch können Kannibalisierungseffekte zwischen den einzelnen Kanälen auftreten, was offensichtlich in, für das Gesamtsystem suboptimalen Ergebnissen münden kann. Die Möglichkeiten eines Anbieters, eine geeignete Multichannel-Strategie aufzustellen und zu implementieren, hängen schließlich maßgeblich davon ab, ob die Organisation in

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der Lage ist, kunden- bzw. transaktionsbezogene Daten in den Kanälen zu sammeln und kanalübergreifend zu aggregieren und auszuwerten.

7

Rahmenbedingungen

Die Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie wurde in Kapitel 1 als ein der Implementierung vorgelagerter Schritt beschrieben. Gleichzeitig wurde betont, dass die Potenziale eines CRM-Konzepts nur mit einer engen Abstimmung zwischen kundenorientierter Strategie und relevanten Rahmenbedingungen voll ausgeschöpft werden können. Relevante Rahmenbedingungen sind Fragen des Personalmanagements, der Kultur bzw. der Mitarbeiterführung und der Organisation sowie die Technologien und Prozesse der Informationstechnologie und des Datenmanagements (Payne/Frow 2006, Day/Van den Bulte 2002). Im Sinne dieser Rahmenbedingungen gilt es demnach, auf einige personelle und technologisch prozessuale Aspekte einzugehen.

7.1

Personelle Rahmenbedingungen

Um eine Kundenbeziehungsstrategie erfolgreich im Unternehmen zu verankern, müssen personelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Solche umfassen unter anderem eine kundenbeziehungszyklus-orientierte Personalpolitik, die Kultur sowie organisatorische Strukturen (Payne/Frow 2006). Kundenbeziehungszyklus-orientierte Personalpolitik Eine kundenbeziehungszyklus-orientierte Personalpolitik ist Voraussetzung für eine funktionierende Kundenbeziehungsstrategie. In der Theorie gibt es sogar Ansätze, eine Solche als fünftes P in die sodann 5 P des Marketingmix zu integrieren (Meffert/Bruhn 2009). Wie bei den klassischen 4 P kann analog auch das fünfte P phasenspezifisch anhand der Kundenakquisitions-, Kundenbindungs- und Kundenrückgewinnungsphase differenziert betrachtet werden. In der Anbahnungsphase der Kundenakquisition gilt es, Kunden zu überzeugen und zu stimulieren. Im Rahmen der Personalpolitik kann eine Beziehungsorientierung bereits in dieser frühen Phase des Beziehungszyklus gelebt werden, indem die Mitarbeiter in ihrem Verhalten und Auftritt zur Überzeugung potenzieller Kunden besonderen Wert auf die Vermittlung von Offenheit und Vertrauenswürdigkeit legen sowie Anreize zur Stimulation der Kunden gesetzt bekommen. In der Sozialisationsphase sind vor allem Zuverlässigkeit und Konstanz wichtig, daher sind häufige Wechsel unter den im Kundenkontakt stehenden Mitarbeitern und Ansprechpartnern während dieser Phase zu vermeiden.

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Während der Kundenbindungsphase geht es in der Wachstumsphase vor allem um Individualisierung und Intensivierung der Kundenbeziehung. Zur Individualisierung muss die Personalpolitik, im Sinne einer genügend großen Flexibilität in der Reaktion auf individuelle Kundenanforderungen sowie einem hohen Maß an Zuverlässigkeit und Empathiefähigkeit der Mitarbeiter, einen wesentlichen Beitrag leisten. Zur Intensivierung tragen die Mitarbeiter vor allem durch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen zur Erkennung von Kundenbedürfnissen und eine umfassende Kenntnis des eigenen Leistungsangebots zum Erfolg durch Cross-Selling bei. In der darauf folgenden Reifephase kann, im Rahmen der Personalpolitik, zum Aufbau emotionaler Wechselbarrieren beigetragen werden, indem Mitarbeiter im Kundenkontakt Zuverlässigkeit, Flexibilität, Kompetenz und Vertrauen ausstrahlen sowie die Kontinuität der Ansprechpartner gewährleistet werden kann. In der Phase der Kundenrückgewinnung ist in der Gefährdungsphase darauf zu achten, dass die Mitarbeiter Kritikfähigkeit beweisen, gegenüber dem Kunden einsichtiges Verhalten zeigen sowie fachlich und bezüglich ihrer Entscheidungskompetenz in der Lage sind, Fehler angemessen zu korrigieren. In der Auflösungs- bzw. Abstinenzphase kommt es neben den Attributen aus der initialen Überzeugungs- und Stimulierungsphase ebenso auf Kritikfähigkeit sowie auf Nachhaltigkeit an. Kultur Eine Kundenbeziehungsstrategie bringt viele Veränderungen für die Mitarbeiter mit sich. Kunden sind, anstatt eines anonymen Partners für Transaktionen, als (kunden-) werthaltiges Asset anzusehen und zu behandeln (Day/Van den Bulte 2002). Dies schlägt sich sowohl in veränderten Arbeitsabläufen, aber insbesondere auch in den Verhaltensanforderungen im Kundenkontakt nieder. Insbesondere muss die Bereitschaft vorhanden sein, beziehungsrelevante Kundeninformationen anbieterweit zu teilen, anstatt sie für sich selbst zu behalten, um sie nur zum eigenen Vorteil zu nutzen. Mitarbeiter müssen diese Veränderungen nicht nur akzeptieren, sondern verinnerlichen und aktiv leben. Es ist also für eine erfolgreiche Umsetzung einer Kundenbeziehungsstrategie zunächst entscheidend, dass die Leitungs- und Führungsebene des Unternehmens diese aktiv unterstützt und in die Organisation trägt, damit schließlich alle Mitarbeiter voll hinter dieser Strategie stehen. Dazu kann es hilfreich sein, die Mitarbeiter im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen für diese Strategie zu qualifizieren und zu motivieren sowie eventuell vorhandene Widerstände im Rahmen eines Change Managements gezielt abzubauen. Organisation „Structure follows strategy“ (Chandler 1962). Schließlich gilt es, auch organisatorisch die Voraussetzungen für eine Kundenbeziehungsstrategie zu schaffen. Die Organisation bildet den Rahmen, innerhalb dessen jegliche Kunden- und Beziehungsorientierung, in Form kundenbezogener Prozesse und Informationsflüsse zu integrieren sind (Srivastava 1999). Eine anforderungsgerechte und effiziente Bearbeitung der individualisierten

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Kundengruppen funktioniert nur in multifunktionalen Teams, die in der Lage sind, Hürden vertikaler Hierarchien zu überspringen und den in diesem Kontext entstehenden hohen Koordinationsanforderungen gerecht zu werden. Um deren Effizienz und Effektivität sicherzustellen gilt es, organisatorische Verantwortlichkeiten für die kundenzentrierten Prozesse zu definieren.

7.2

Technologische Rahmenbedingungen

Mit Hilfe eines CRM-Systems wird die optimale Umsetzung einer Kundenbeziehungsstrategie angestrebt. Es unterstützt die Mitarbeiter an den Kundenkontaktpunkten und bei der Abwicklung der Kundenprozesse, indem es nachvollziehbare, aktuelle und vollständige kundenbezogene Informationen zur Verfügung stellt. Die Implementierung eines solchen Systems sollte erst nach Schaffung der personellen Voraussetzungen erfolgen, da ansonsten die Gefahr fehlender Akzeptanz des Systems durch die Mitarbeiter besteht. Die Auswahl eines CRM-Systems hat sich strikt an der formulierten Kundenbeziehungsstrategie zu orientieren, um insbesondere den Anforderungen der Instrumente und der Multichannel-Strategie gerecht zu werden. Als prozessuale Komponenten eines solchen Systems sind insbesondere die Sammlung und Zusammenstellung von Kundendaten entlang aller Kundenkontaktpunkte, die Auswertung und Aggregation dieser Daten sowie die Unterstützung daraus abgeleiteter Marketingaktivitäten zu erfüllen. Systemisch müssen dafür eine exzessive Datenspeicherung ermöglicht sowie passende IT-Systeme im Sinne von Hard- und Software, Analyse-Tools und Applikationen zur Verfügung gestellt werden. Die Datenspeicherung erfolgt im Rahmen eines effektiven Data Warehouse, worin alle dem Anbieter vorliegenden Kundendaten gespeichert werden. Es stellt somit das virtuelle Gedächtnis des Unternehmens dar und ist Grundlage für alle denkbaren Analysen und Auswertungen. Data Warehousing kann im Idealfall systemübergreifend integriert betrieben werden, um so Duplikate und Inkonsistenzen weitgehend zu vermeiden. Passende IT-Systeme sind sowohl Hard- als auch Software, die dazu genutzt werden, die Daten wie angedeutet zu integrieren und den Mitarbeitern zugänglich zu machen. Kritisch sind in diesem Kontext vor allem Fragen der funktionsübergreifenden Technologieintegration und Skalierbarkeit unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des laufenden Geschäfts. Zur effektiven Auswertung der vorliegenden und nutzbaren Daten sind dann Analyse-Tools als Werkzeuge des Data Mining zur Verfügung zu stellen, um aus der großen Datenmenge relevante Muster und Zusammenhänge zu extrahieren. Mit Hilfe passender Applikationen können Kundenprofile erstellt oder schließlich auch konkrete Marketingkampagnen geplant werden. Frontoffice-Applikationen kommen dabei in der direkten Kundenbearbeitung zum Einsatz, während Backoffice-Applikationen interne Prozesse unterstützen. Einen in diesem Kontext entscheidenden Erfolgsfaktor stellt die effizient funktionierende Koordination bzw. Verknüpfung zwischen Front- und Backoffice-Systemen dar.

Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

8

85

Fazit

Es wurde deutlich, dass die Konzeption einer den strategischen Zielsetzungen des Unternehmens gerecht werdenden Kundenbeziehungsstrategie die Basis und Grundlage für jegliche CRM-Aktivität darstellt. Die Implementierung relevanter Technologien und Prozesse kann in einem folgenden Schritt darauf aufbauen. Eine Kundenbeziehungsstrategie legt fest, welche Kundengruppen über welche Kanäle mit welchem Instrumentarium bearbeitet werden und schafft die Basis für eine beziehungsorientierte Ausgestaltung klassischer Wettbewerbsvorteile oder gar neuartiger Wettbewerbsvorteile. Der Begriff Kundenbeziehungsstrategie selbst kann dabei eher weit gefasst als umfassende kundenbeziehungszentrierte Unternehmensstrategie oder auch relativ eng als Strategie zur Kundenbearbeitung aufgefasst werden. Die Konzeption umfasst die konzeptionelle Tätigkeit der Strategieformulierung, die auf die Ausgestaltung der Kundenbeziehung ausgerichtet ist und dabei insbesondere den Kunden in den Mittelpunkt der Zielformulierung stellt. Die Konzeption einer Kundenbeziehungsstrategie basiert zunächst auf einer eingehenden Markt- und Wettbewerbs- sowie internen Unternehmensanalyse. Die Strategieformulierung selbst geschieht dann in Form einer Segmentierung und Formulierung segmentspezifischer Basisstrategien, der Definition des Einsatzes relevanter Instrumente und einer passenden Multichannel-Strategie, wobei für eine ganzheitliche Strategie auch einige personelle und technische Rahmenbedingungen relevant sind. Eine Orientierung am Modell des Kundenbeziehungszyklus ist dabei in allen Schritten maßgeblich. Eine Kundenbeziehungsstrategie birgt im Falle einer erfolgreichen Umsetzung enormes Potenzial zum Aufbau eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils, auf der anderen Seite jedoch auch entsprechende Risiken, weil im Falle eines Scheiterns nicht unerhebliche Kosten entstehen. Um eine erfolgreiche Umsetzung zu erreichen, bedarf es einer starken Führung in Verbindung mit entsprechender Unternehmenskultur, die es dem Management wie auch allen Mitarbeitern erlaubt, ermöglicht und vorlebt, kundenbeziehungsorientiert zu arbeiten. Eine Kundenbeziehungsstrategie kann nicht von einzelnen Verantwortlichen durchgesetzt werden, sie muss in der gesamten Organisation verankert und gelebt werden. Eine solche Verankerung in der Organisation basiert implizit auf einer engen Abstimmung der Kundenbeziehungsstrategie mit der ganzheitlichen Unternehmensstrategie. Unabhängig von der Bedeutung der Kundenbeziehung innerhalb der Unternehmensstrategie, muss jede Kundenbeziehungsstrategie eng mit der Unternehmensstrategie verzahnt sein. Andernfalls besteht die Gefahr der Verwässerung und Unterpriorisierung im Kanon anderer unternehmensweiter Initiativen. Nur durch entsprechende Priorisierung ist eine Kundenbeziehungsstrategie mehr als nur ein schön klingender Satz aus dem Lehrbuch.

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Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien

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Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse 1

Zielsetzung und Vorgehensweise des Prozessmanagements 1.1 Bedeutung des Prozessmanagements im CRM 1.2 Schwachstellen kundenbezogener Prozesse 1.3 Vorgehensmodell der Prozessoptimierung

2

Zieldefinition und Organisation

3

Prozessauswahl und -erhebung 3.1 Abgrenzung CRM-relevanter Prozesse 3.2 Identifizierung von Schlüsselprozessen 3.3 Erhebung der Prozessinformationen

4

Prozessmodellierung 4.1 Zielsetzung der Prozessmodellierung im CRM 4.2 Modellierungsmethoden 4.3 Modellierungswerkzeuge

5

Prozessanalyse und -verbesserung 5.1 Analyseperspektiven und Prozesskennzahlen 5.2 Statische Analysen 5.3 Dynamische Analysen 5.4 Prozessverbesserung

6

Referenzprozesse und Prozessbenchmarking 6.1 Referenzmodelle betrieblicher Geschäftsprozesse 6.2 Vorgehensweise der Referenzmodellierung 6.3 Prozessbenchmarking 6.4 Referenzprozesse im CRM

7

Fazit

Literaturverzeichnis

1

Zielsetzung und Vorgehensweise des Prozessmanagements

Eine konsequente Umsetzung der Kundenorientierung erfordert nicht zuletzt die eingehende Untersuchung und Optimierung zentraler Unternehmensprozesse. Dabei kann man sich auf ein Vorgehensmodell stützen.

1.1

Bedeutung des Prozessmanagements im CRM

Viele Unternehmen gehen sehr vereinfacht davon aus, dass mit der Anschaffung eines CRM-Systems das Unternehmen automatisch kundenorientierter und erfolgreicher wird. Dabei wird verkannt, dass Customer Relationship Management (CRM) wesentlich mehr ist als nur ein Softwarepaket. Informations- und Kommunikationstechnologien sind nur ein Mittel zur Realisierung der kundenorientierten Unternehmensstrategie. An ihr müssen auch die Geschäftsprozesse ausgerichtet und die anbieterseitigen Prozesse mit den Kundenprozessen abgestimmt werden (Hettich et al. 2000, S. 1346). Die durchgängige Ausrichtung der Unternehmensprozesse an den Bedürfnissen der Kunden wird allerdings durch die weit verbreitete Funktionsorientierung im Unternehmensaufbau erschwert. In der traditionellen Unternehmenspraxis erfolgte die Bildung von Stellen, Abteilungen und Bereichen oft anhand einer funktionalen Gliederung (Abb. 1). Funktionsübergreifenden Prozessen wurde dagegen eine geringe Bedeutung und ein dementsprechend geringer Gestaltungsspielraum zugewiesen (Gaitanides et al. 1994b, S. 4 f.). Mit dem Aufkommen prozessorientierter Managementansätze (so z. B. Total Quality Management, Business Reengineering oder Geschäftsprozessoptimierung) in den 80er Jahren erfuhr die Beschäftigung mit den betrieblichen Prozessen zwar eine zunehmende Verbreitung; häufig herrscht jedoch auch heute noch die funktionale oder objektorientierte Organisationsform vor. Die strikte Gliederung des Unternehmens nach funktionalen Einheiten führt in der Regel zu einer Intransparenz der betrieblichen Abläufe, zu Redundanzen und Ineffizienz in den Prozessen sowie zu einem erhöhten Koordinationsbedarf und einer mangelnden Kundenorientierung (Gaitanides et al. 1994b, S. 2). Der erste Schritt in Richtung Kundenorientierung besteht daher in der Gewährleistung durchgängiger, transparenter und effizienter Prozesse sowie der Orientierung von Mitarbeitern und Management an den Anforderungen interner und externer Kunden. Die Vorteile einer solchen prozessorientierten Unternehmensgestaltung bestehen in einer erhöhten Transparenz der betrieblichen Abläufe, der Vermeidung von Schnittstellen und Doppelarbeiten innerhalb der Prozesse, einem geringeren Koordinationsbedarf sowie der konsequenten Ausrichtung der Unternehmensprozesse an den Kundenbedürfnissen und damit einer höheren Kundenorientierung im Unternehmen (Gaitanides et al. 1994b, S. 2).

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Funktionale Betrachtungsweise

Kunde

Prozessorientierte Betrachtungsweise

Abb. 1: Funktionale vs. prozessorientierte Unternehmensgestaltung Quelle: in Anlehnung an Brenner/Hamm 1995, S. 20

Die intensive Beschäftigung mit den betrieblichen Prozessen sollte daher die Grundlage eines jeden CRM-Projektes darstellen. Es ist wenig zielführend, ein hohes Maß an Ressourcen in die Anschaffung und Implementierung eines CRM-Systems zu investieren, wenn die dahinter liegenden Prozesse nicht geeignet sind, die Kundenorientierung im Unternehmen umzusetzen. Aus diesem Grund sollte mit der Einführung eines CRMSystems immer die konsequente Ausrichtung aller Prozesse an den Bedürfnissen der Kunden einhergehen. Zielsetzung des kundenorientierten Prozessmanagement ist es, die Unternehmensprozesse in den Dimensionen Qualität, Zeit und Kosten zu optimieren (Abb. 2). Dies trägt zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit und damit letztlich zu einer erhöhten Kundenorientierung im Sinne des CRM bei. Wird das CRM-System dagegen lediglich auf die bestehenden Prozesse aufgesetzt, besteht die Gefahr, mangelhafte Prozesse durch die Systemeinführung zu fixieren und damit eine spätere Anpassung dieser Prozesse zu erschweren. Daher empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld der CRM-Einführung die kundenorientierten Prozesse systematisch zu analysieren und im Sinne eines unternehmensweiten CRM zu optimieren, um das CRM-System anschließend auf die optimierten Prozesse aufzusetzen. Ein erfolgreiches CRM-Projekt sollte nach Gerth (2001, S. 108) die folgende Reihenfolge einhalten: Erst die Strategie, dann die (Re-)Organisation und anschließend die Technik. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Phase der (Um-)Gestaltung der kundenorientierten Geschäftsprozesse, die Teil der (Re-)Organisation ist.

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

95

Kundenzufriedenheit Kundenwünsche identifizieren

fehlerfrei

rechtzeitig

günstig

Qualität

Zeit

Kosten

Fehler eliminieren

DLZ reduzieren

Kosten reduzieren

Prozessmanagement

Abb. 2: Prozessmanagement als Basis der Kundenorientierung im CRM Quelle: Gaitanides et al. 1994b, S. 16

1.2

Schwachstellen kundenbezogener Prozesse

Zahlreiche Defizite kundenbezogener Prozesse – wie z. B. Medienbrüche, Doppelarbeiten oder hohe Durchlaufzeiten – sind auf das Fehlen einer einheitlichen Datenbasis zurückzuführen. In der betrieblichen IT-Praxis findet sich häufig eine hohe Anzahl an Insellösungen, welche die unternehmensweite Informationsbereitstellung erschweren. Zur Erhöhung der Prozesseffizienz ist es daher erforderlich, die bestehenden Einzellösungen zu einer einheitlichen Datenbasis zusammen zu fügen. Nur so kann gewährleistet werden, dass unternehmensweit ein einheitliches Bild vom Kunden vorliegt und alle kundenbezogenen Prozesse einen uneingeschränkten Zugriff auf die benötigten Daten haben. Eine dezentrale Datenhaltung bedingt dagegen eine Vielzahl an Aktivitäten, die hauptsächlich darin bestehen, nicht vorhandene Informationen zu beschaffen. Daraus resultiert ein hohes Aufkommen an interner Kommunikation mit der Folge langer Durchlaufzeiten auf Grund von Rückfragen, Medienbrüchen und Doppelarbeiten sowie den damit verbundenen Such- und Wartezeiten. Das folgende Beispiel eines Prozesses zur Angebotserstellung soll typische Schwachstellen kundenbezogener Prozesse aufzeigen. In einem exemplarischen Unternehmen obliegt der Versand des Angebotes an den Kunden dem Kundenservice, die Bereitstellung der erforderlichen Daten jedoch dem Außendienst. Die Übergabe der Angebotsvorlage durch den Außendienst an den Kundenservice kann sowohl telefonisch als auch per Fax oder per E-Mail erfolgen. Hieraus resultieren häufige Rückfragen wegen fehlender oder nicht lesbarer Informationen. Zudem ist es erforderlich, die mündlich oder schriftlich durchgegebenen Daten nochmals elektronisch einzugeben (Medienbruch, Doppel-

96

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

arbeit). Daher sind Richtlinien für die einheitliche Weitergabe der Informationen zu schaffen. Eine Verbesserung könnte beispielsweise erreicht werden, indem der Außendienst die Angebotsdaten direkt in eine Datenbank eingibt, aus der dann die Angebotserstellung durch den Kundenservice erfolgt. Dadurch würde die Doppelarbeit der Angebotserstellung vermieden und die Fehlerquelle der Übertragung eliminiert. Der Aufbau einer zentralen Datenbank und die Einführung eines CRM-Systems können daher einen großen Beitrag zur Verbesserung der kundenbezogenen Prozesse darstellen. Eine einheitliche Datenbasis mit allen erforderlichen Zugriffsrechten für die betroffenen Mitarbeiter bildet die notwendige Grundlage für die Gestaltung durchgängiger und effizienter Prozesse. Die Folge ist eine verbesserte und kompetentere Kundenbearbeitung durch vollständige und aktuelle Kundendaten und die Effizienzsteigerung der internen Abläufe durch die Reduktion der internen Schnittstellen, die Vermeidung von Prozessschleifen und -rücksprüngen und die geregelte Informationsweitergabe. Dies führt wiederum zu einer größeren Zufriedenheit auf Kundenseite, da die Prozesse auch aus Kundensicht schneller und transparenter werden, und zu einer Erfolgssteigerung im Unternehmen. Um diese Verbesserungspotenziale realisieren zu können, ist es erforderlich, die bestehenden Prozesse in Hinblick auf die Möglichkeiten der veränderten IT-Struktur zu optimieren, entsprechende Zugriffsrechte auf das System zu vergeben und die betroffenen Mitarbeiter über die geplanten Änderungen zu informieren und – falls notwendig – zu qualifizieren. Die einzelnen Schritte der Analyse und Optimierung der kundenbezogenen Prozesse werden im folgenden Abschnitt dargestellt.

1.3

Vorgehensmodell der Prozessoptimierung

Das Vorgehensmodell für die Prozessoptimierung lässt sich gemäß Abb. 3 in mehrere aufeinander folgende Phasen einteilen. Nach der Bestimmung der Zielsetzung und der Definition der organisatorischen Rahmenbedingungen erfolgt die Auswahl der zu optimierenden Prozesse. Innerhalb eines CRM-Projektes sollen diejenigen Prozesse untersucht werden, die den Kontakt mit dem Kunden beschreiben. Ausgewählte Geschäftsprozesse, die einen starken Bezug zum CRM aufweisen, sind zum Beispiel die Bearbeitung einer Kundenanfrage (per E-Mail, Brief oder Telefon), die Bearbeitung einer Beschwerde oder eines Kundenauftrags oder die Vorgänge in einem Call Center. Die ausgewählten Prozesse müssen anschließend sorgfältig dokumentiert werden. Dazu sollten neben der Prozessstruktur auch die Bearbeitungs-, Warte- und Transportzeiten der einzelnen Prozessschritte sowie deren Verteilungen erhoben werden. Auf die Erhebung der Prozessdaten folgt die Abbildung der Prozesse in grafischen Prozessmodellen. Diese dienen der Erzeugung von Prozesstransparenz und können als Grundlage für die folgende Prozessanalyse herangezogen werden. In der Analysephase werden die erstellten Modelle auf Verbesserungspotenziale hin untersucht. Aufbauend auf den identifizierten Verbesserungspotenzialen wird ein Soll-Konzept der kundenbezogenen Prozesse entworfen. Darin sollen identifizierte Schwachstellen eliminiert und die Prozess-

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

97

leistung nach Maßgabe der übergeordneten CRM- und Prozessziele gesteigert werden. Es geht um die Gestaltung durchgängiger, effizienter und transparenter CRM-Prozesse, die eine Unterstützung der Kundenprozesse über alle Phasen der Geschäftsbeziehung hinweg ermöglichen (Merzenich 2005, S. 126).

1. Zieldefinition/Organisation

2. Prozessauswahl

3. Prozesserhebung

4. Prozessmodellierung

5. Prozessanalyse

6. Prozessverbesserung

Abb. 3: Vorgehensweise der Prozessoptimierung Aus den Aufgaben und Leistungen der optimierten kundenorientierten Geschäftsprozesse ergeben sich schließlich Anforderungen an die Gestaltung des CRM-Systems, die bei der Systemauswahl und -einführung berücksichtigt werden sollten. Die Funktionalitäten des CRM-Systems sollten die Aufgaben der (optimierten) kundenorientierten Geschäftsprozesse unterstützen, indem sie die erforderliche Prozessleistung zur Verfügung stellen (Österle 1995, S. 129 f.). Die einzelnen Phasen der Prozessoptimierung im CRM werden in den folgenden Abschnitten näher beleuchtet.

2

Zieldefinition und Organisation

Ausgangspunkt für die Analyse und Optimierung der kundenbezogenen Prozesse ist die Definition einer Zielsetzung sowie die Bestimmung von Kennzahlen zur Kontrolle der Zielerreichung. Das Ziel der Prozessoptimierung leitet sich aus der (zuvor festgelegten) CRM-Strategie ab. Das CRM-orientierte Ziel „Erhöhung der Kundenzufriedenheit“ könnte sich bei der Prozessoptimierung beispielsweise in dem Ziel „Reduzierung der Bearbeitungszeit einer Kundenanfrage“ oder „Erhöhung der Sevice-Quote im Call Center“ widerspiegeln. Diese Ziele sind möglichst exakt zu quantifizieren, um nach Abschluss des Projektes den Grad der Zielerreichung messen zu können. Als quantitative

98

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Messgrößen zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit und zur Steuerung von Prozessen bieten sich zum Beispiel die Durchlaufzeit, die Anzahl an Reklamationen oder die Lieferzeit an (Brenner/Hamm 1995, S. 25 f.). Die quantitative Zielsetzung könnte also beispielsweise in der „Abwicklung eines Prozesses in max. 30 Min.“ oder der „Erhöhung der Service-Quote um 20 %“ bestehen. Zu Beginn der Prozessoptimierung ist darüber hinaus zu entscheiden, welche Ressourcen für die Durchführung dieses Projektes herangezogen werden: Stehen interne Ressourcen im benötigten Umfang und mit der erforderlichen Kompetenz zur Verfügung oder sind zur Unterstützung externe Ressourcen hinzu zu ziehen? Innerhalb des Unternehmens ist es erforderlich, das Projekt von Anfang an durch gezielte Informations- und Kommunikationsmaßnahmen – so z. B. Gespräche, Rundschreiben und Präsentationen – zu unterstützen, um möglichen Widerständen von Mitarbeitern gegen eine Neugestaltung der Prozesse zuvor zu kommen (Brenner/Hamm 1995, S. 39 f.). Zudem ist für jeden Prozess ein eindeutiger Prozessverantwortlicher zu bestimmen, der für die Durchsetzung der Verbesserungen sowie für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Prozesses zuständig ist (Brenner/Hamm 1995, S. 37 f.).

3

Prozessauswahl und -erhebung

Aufgrund der Zielsetzung werden bei der Prozessoptimierung nur die CRM-relevanten Prozesse im Unternehmen betrachtet. Infolge knapper Ressourcen konzentriert man sich dabei auf die Schlüsselprozesse, die zunächst ausführlich dokumentiert werden müssen.

3.1

Abgrenzung CRM-relevanter Prozesse

Im Fokus der Betrachtung stehen die CRM-relevanten Prozesse eines Unternehmens. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Kontakt zum Kunden aufweisen und die – auf Seite des Kunden ablaufenden – Kundenprozesse unterstützen. Die Kundenprozesse lassen sich aus dem Customer Buying Cycle ableiten und setzen sich grob aus den Phasen Anregung, Evaluation, Kauf und After Sales zusammen (Abb. 4). Im Einzelfall sind diese Prozesse über Kunden- und Mitarbeiterbefragungen detailliert zu erheben und zu strukturieren, um die CRM-Prozesse optimal darauf abstimmen zu können. Den Kundenprozessen stehen auf Unternehmensseite Prozesse gegenüber, die das Ziel haben, diese Kundenprozesse zu unterstützen. Aus Unternehmenssicht lassen sich die betrieblichen Prozesse zunächst grob in Kernprozesse und Supportprozesse untergliedern (Abb. 5). Die Kernprozesse dienen der Erstellung und dem Vertrieb der Unternehmensleistung. Sie sind durchgängig auf den Absatzmarkt ausgerichtet. Supportprozesse haben dagegen ausschließlich unternehmensinterne Bereiche als Nachfrager (Gaitanides et al. 1994b, S. 17). Ihr Ziel besteht in der Unterstützung der Kernprozesse durch die Entwicklung der Mitarbeiter, die Sicherung

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

99

der Liquidität sowie die Bereitstellung von Ressourcen und Informationen (Wehrmeister 2001, S. 205). Diese Prozesse sind für den reibungslosen Ablauf der Kernprozesse unentbehrlich. Aufgrund des fehlenden Kundenkontaktes sind sie jedoch nur indirekt CRM-relevant und werden daher von der weiteren Betrachtung generell ausgeschlossen. Erweisen sich bei der Reorganisation der unmittelbar kundenbezogenen Prozesse bestimmte Supportprozesse (z. B. die Abläufe im analytischen CRM) als erfolgskritisch, sollte man sie jedoch ebenfalls in die Prozessoptimierung einbeziehen.

Anregung

After Sales

Evaluation

Kauf

Abb. 4: Kundenprozesse im Customer Buying Cycle Quelle: Muther 2000, S. 15

Unternehmensprozesse Supportleistung

Strategie planen und umsetzen Finanzrentabilität und Liquidität sicherstellen

Personal betreuen

Ressourcen und Informationen bereitstellen

Kernleistung Leistungsangebot definieren

Leistung

Leistung entwickeln

Design

Leistung herstellen

Produkt

Leistung vertreiben

Angebot

Leistung erbringen

Service

Auftrag abwickeln

Auftrag

Abb. 5: Kernprozesse und Supportprozesse Quelle: in Anlehnung an Gaitanides et al. 1994b, S. 17

K U N D E

100

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Auch einige der Kernprozesse aus Abb. 5 – so z. B. die Entwicklung und Produktion der betrieblichen Leistung – weisen keinen direkten Kundenkontakt auf und sollen daher im Sinne der vorliegenden Problemstellung nicht als CRM-Prozesse definiert werden. Die genannten Kernprozesse werden daher nochmals untergliedert in Prozesse mit internen Prozesskunden und Prozesse mit externen Kunden (Abb. 6). Die einzelnen Prozesse der Abbildung sind dabei nicht losgelöst voneinander zu sehen, sondern stehen sowohl zu Prozessen in ihrer Gruppe als auch zu Prozessen anderer Gruppen in (horizontaler und vertikaler) Verbindung (Gaitanides et al. 1994a, S. 210).

Supportprozesse Gruppe 1: Interne Prozess-Kunden

Kernprozesse Gruppe 2: Interne Prozess-Kunden

Gruppe 3: Direkter Kundenkontakt

Strategieplanung und -umsetzung Definition des Leistungsangebotes

Markterschließungund -entwicklung

Rentabilitäts- und Liquiditätssicherung Personalentwicklung und -motivation Ressourcen- und Informationsbereitstellung

Leistungsentwicklung

Auftragsabwicklung

Leistungserstellung

Service/ Wartung

Abb. 6: Gruppen von Geschäftsprozessen Quelle: in Anlehnung an Gaitanides et al. 1994a, S. 211

In dieser Einteilung haben die Prozesse der Gruppe 1 die Aufgabe, die Funktionsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und Ressourcen für interne Prozesse bereitzustellen. Die Prozesse der Gruppe 2 planen und erstellen die betrieblichen Kernprodukte und beliefern somit ebenfalls interne Unternehmensprozesse. Die Prozesse der Gruppe 3 sind dagegen für die Beziehung des Unternehmens zu seinen aktuellen und potenziellen (externen) Kunden verantwortlich und zeichnen sich daher als Einzige durch eine unmittelbare Kundennähe aus. Für die Prozessanalyse im CRM kommen also hauptsächlich die Prozesse der Markterschließung und -entwicklung, der Auftragsabwicklung sowie der Serviceleistung in Betracht (Gaitanides et al. 1994a, S. 210 f.). Diese stellen wiederum die anbieterseitige Unterstützung der Kundenprozesse des Customer Buying Cycle dar (Abb. 7).

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

Anbieterseite CRM-Prozesse

101

Kundenseite Customer Buying Cycle Information

Anregung

Beratung/Angebot

Evaluation

Auftragsabwicklung

Vertrag/Leistung

Kauf

Service/Wartung

Serviceleistung

After Sales

Markterschließung und -entwicklung

Abb. 7: CRM-Prozesse und Kundenprozesse Quelle: in Anlehnung an Becker/Knackstedt 2002, S. 152

Auf diese Weise lässt sich abgrenzen, welche Unternehmensprozesse direkt kundenbezogen und damit CRM-relevant im Sinne dieses Beitrags sind. CRM-Prozesse können dementsprechend als „die anbieterseitige Spiegelung des Customer Buying Cycle“ (Becker/Knackstedt 2002, S. 147) aufgefasst werden.

3.2

Identifizierung von Schlüsselprozessen

Aufgrund begrenzter Ressourcen ist es nur bedingt möglich, alle wünschenswerten Prozessverbesserungen durchzuführen. Daher ist es im Sinne einer Gegenüberstellung von Notwendigkeit und Durchführbarkeit erforderlich zu entscheiden, welche Schwachstellen vorrangig zu bearbeiten sind. Im Zusammenwirken der beteiligten internen – sowie gegebenenfalls externen – Projektmitarbeiter ist deshalb ein Übereinkommen zwischen wünschenswerten und machbaren Lösungen zu finden (Dahnke 2001, S. 135 f.). In Abhängigkeit von der verfolgten CRM-Strategie sind „Schlüsselprozesse“ zu identifizieren, deren Optimierung in Hinblick auf die CRM-Zielsetzung einen besonders hohen Erfolg verspricht. Nach Merzenich (2005, S. 63) sind die zentralen Kriterien zur Identifikation von Schlüsselprozessen: ƒ

Strategische Relevanz (Bedeutung für den Kunden und/oder das Unternehmen) und

ƒ

Verbesserungspotenzial (Erfolgsaussichten der Prozessoptimierung)

102

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Im CRM resultiert die strategische Relevanz von Prozessen in erster Linie aus den Kundenanforderungen. Besonders wichtig sind demnach diejenigen Prozesse, die sich maßgeblich auf die Kundenzufriedenheit auswirken (Helbig 2003, S. 33). Insofern sollte die Auswahl der für die Prozessoptimierung relevanten Prozesse mit der Analyse der Kundenanforderungen beginnen (Merzenich 2005, S. 64). Zu diesem Zweck ist eine Kundenbefragung durchzuführen, bei der Kunden direkt nach ihrer Zufriedenheit mit ausgewählten Prozessen des Unternehmens befragt werden und auch die Bedeutung der einzelnen Prozesse aus Kundensicht erhoben wird. So können Prozesszufriedenheit und Prozesswichtigkeit gegenüber gestellt werden. Schlüsselprozesse sind dann diejenigen, die eine geringe Kundenzufriedenheit aufweisen und denen gleichzeitig eine hohe Bedeutung zugemessen wird (Jammernegg/Kischka 2001b, S. 27). Im Anschluss an die Analyse der Kundenanforderungen sind die identifizierten Schlüsselprozesse nach Verbesserungspotenzialen zu priorisieren. So können zunächst Prozesse angegangen werden, die große Verbesserungspotenziale erwarten lassen (Merzenich 2005, S. 64). Zum Teil lässt sich die Effizienz defizitärer Prozesse bereits anhand einfacher organisatorischer Änderungen deutlich steigern (z. B. über die Eliminierung von Doppelarbeiten oder über die Bestimmung eines Prozessverantwortlichen). Im Rahmen einer CRM-Einführung ergeben sich Verbesserungspotenziale darüber hinaus insbesondere für die durch das CRM-System unterstützten Prozesse. Werden z. B. für einen Prozess benötigte Informationen, welche bisher nur telefonisch zu erfragen waren, in Echtzeit durch das CRM-System zur Verfügung gestellt, so bedeutet das für diesen Prozess ein beträchtliches Zeiteinsparungspotenzial.

3.3

Erhebung der Prozessinformationen

Grundlage für die Gestaltung effizienter kundenorientierter Geschäftsprozesse ist die möglichst detaillierte Kenntnis der bestehenden Prozesse. Diese haben sich jedoch meist über einen längeren Zeitraum entwickelt, sind aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen hervorgegangen und wurden in einer Vielzahl einzelner Systeme abgebildet, so dass ein umfassendes Prozesswissen in den meisten Unternehmen nicht vorhanden ist. Aus diesem Grund beginnt die Prozessoptimierung in der Regel mit der Erhebung der zu betrachtenden Prozesse. Die umfassende Erhebung der unternehmensinternen Prozesse kann – in Abhängigkeit vom geforderten Detaillierungsgrad und von der bereits vorhandenen Prozessdokumentation – einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand erfordern. Als Beispiel sei hier ein Projekt zur Optimierung des Kundenauftragsprozesses der Audi AG aus den Jahren 2001/2002 genannt. Der zu optimierende Gesamtprozess – vom Auftragseingang bis zur Lieferung – war zu Projektbeginn nur in Teilabschnitten bekannt. Aus diesem Grund erfolgte zunächst eine Bestandsaufnahme der Abläufe, Einflussfaktoren und Prozessschritte. Diese Bestandsaufnahme wurde von einem Team aus zwei internen und bis zu 18 externen Beratern durchgeführt und erstreckte sich über einen Zeitraum von neun Monaten (o.V. 2002, S. 8).

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

103

Nach Nippa/Klemmer (1996, S. 174) lassen sich Prozesse beschreiben anhand des auslösenden Ereignisses (z. B. Kundenanfrage), ihrer Inputs (z. B. Informationen), der Arbeitsschritte bzw. Aktivitäten im Zeitablauf (z. B. im Netzplan), der Unterstützungsmittel (z. B. Computer) und der Merkmale des Outputs (z. B. Angebot, Monatsbericht). Gemeinsam mit den Prozessbeteiligten sind diese Prozessmerkmale Schritt für Schritt aufzunehmen und grafisch darzustellen. Zur Abbildung der Prozesse stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, welche in Abschnitt 4.2 näher betrachtet werden. Als Grundlage für eine spätere Prozessanalyse werden bereits in dieser Phase neben der Prozessstruktur operationale Zeit-, Kosten- und Qualitätsmessgrößen (z. B. Durchlaufzeiten, Verhältnis von Bearbeitungszeit zu Liege- und Transportzeiten oder Ausschussquoten) erfasst (Nippa/Klemmer 1996, S. 174). Umfang und Detaillierungsgrad der zu erhebenden Informationen richten sich dabei nach der angestrebten Analysetiefe. Zur systematischen und vergleichbaren Erfassung aller relevanten Prozessinformationen empfiehlt sich der Einsatz eines strukturierten Fragebogens. Anhand dieses Fragebogens werden Interviews mit den Prozessbeteiligten durchgeführt. Als „Prozessbeteiligte“ gelten diejenigen Mitarbeiter, die im Tagesgeschäft für die Abwicklung der Prozesse zuständig sind, sowie die Leiter der betroffenen Abteilungen. Die Abteilungsleiter haben den Überblick über die in der Abteilung ablaufenden Prozesse, können die übergreifenden Zusammenhänge beschreiben und Anforderungen an die Prozesse auch aus strategischer Sicht einstufen. Allerdings fehlt ihnen die Detailsicht auf die täglichen Geschäftsabläufe, welche durch die prozessverantwortlichen Mitarbeiter beigetragen wird. Der Fragebogen sollte sich am Ablauf des Prozesses orientieren und im Einzelnen die folgenden Informationen erheben: ƒ

Bezeichnung der Tätigkeit,

ƒ

auslösendes Ereignis,

ƒ

Bearbeitungs-/Liege- und Transportzeiten und deren Verteilungen,

ƒ

Bearbeitungsreihenfolge der Aufgaben (Fifo, Lifo, etc.),

ƒ

benötigte Daten bzw. Informationen,

ƒ

Lieferant der benötigten Daten/Übertragungsmedium,

ƒ

Empfänger der aus der Tätigkeit resultierenden Daten/Übertragungsmedium und

ƒ

eingesetzte Softwareprogramme.

Den Prozessverantwortlichen sollte darüber hinaus die Möglichkeit gegeben werden, ihre Zufriedenheit mit dem vorhandenen Ablauf und den entsprechenden Schnittstellen zu äußern sowie Verbesserungsvorschläge oder Änderungswünsche einzubringen. Die enge Einbeziehung der Prozessverantwortlichen sichert den Erfolg der Optimierung und trägt zudem dazu bei, die Akzeptanz der Prozessänderungen in den Abteilungen zu erhöhen. So wurden auch im oben genannten Prozessoptimierungsprojekt der Audi AG die Wirkungen und Einflussgrößen der einzelnen Prozessfragmente sowie potenzielle

104

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Änderungen an den Prozessen gemeinsam mit den Prozesseignern und Entscheidern aus den involvierten Organisationseinheiten diskutiert, um einen realitätsgetreuen Überblick über das Gesamtgeschehen zu erhalten und die Akzeptanz der Optimierungsmaßnahmen zu sichern (o. V. 2002, S. 8 f.). Vor Beginn der eigentlichen Prozessanalyse müssen die erhobenen Daten nachbearbeitet werden. Sie werden auf Vollständigkeit und Konsistenz überprüft und übersichtlich dargestellt. Nachdem eventuelle Fragen und Widersprüche geklärt wurden, werden die Abteilungsmodelle zu einem Gesamtmodell konsolidiert. Dieser Schritt muss schon während der Aufnahme der einzelnen Teilprozesse beachtet werden, da sonst Schnittstellen nicht zueinander passen. Neben der Modellierung der einzelnen Abläufe werden Zusatzinformationen strukturiert aufbereitet und die Gesprächsauswertung ausformuliert. Die vollständige Dokumentation sollte schließlich von der betroffenen Abteilung überprüft werden, um sicher zu stellen, dass alle Vorgänge und Daten korrekt aufgenommen wurden. Zur Ergänzung und Verifizierung der in den Interviews erhobenen Daten bietet sich die Auswertung verschiedener unternehmensinterner Dokumente an. Relevante Prozessdaten können beispielsweise abgeleitet werden aus (Rosenkranz 2006, S. 108 f.): ƒ

Kunden- und Lieferantenrechnungen,

ƒ

Angeboten und Aufträgen,

ƒ

Reklamationen und Beschwerdeschreiben,

ƒ

Mengen von Fertigungsaufträgen,

ƒ

Vorgabezeiten und Istzeiten für die Ausführung von Aktivitäten sowie

ƒ

Häufigkeiten der innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Kommunikation.

Die gesammelten Informationen müssen anschließend in einer einheitlichen Form abgebildet werden, um die Vergleichbarkeit und Integrationsfähigkeit der einzelnen Prozesse zu gewährleisten und eine geeignete Basis für die Analyse und Optimierung der Prozesse zur Verfügung zu stellen.

4

Prozessmodellierung

Ein entscheidender Schritt im Rahmen der Prozessoptimierung ist die die formale Modellierung der betrachteten betrieblichen Abläufe. Sie bildet die Basis für die anschließende Prozessanalyse und -verbesserung. Dabei werden bestimmte Modellierungsmethoden zugrundegelegt und mittels geeignter IT-Werkzeuge umgesetzt.

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

4.1

105

Zielsetzung der Prozessmodellierung im CRM

Bereits einfache Unternehmensprozesse umfassen eine Vielzahl von Aktivitäten, Humanressourcen, Sachmitteln, Informationen und Beziehungen zwischen diesen Objekten. Da diese Komplexität in der Regel das menschliche Erfassungsvermögen übersteigt, bietet es sich an, die Geschäftsprozesse eines Unternehmens grafisch abzubilden, um so die Komplexität zu reduzieren, die Verständlichkeit zu erleichtern und die Vergleichbarkeit verschiedener Prozesse zu gewährleisten (Seel et al. 2000, S. 2). Die Abbildung der betrieblichen Prozesse in grafischen Modellen schafft Prozesstransparenz und kann als Basis für die Identifizierung von Verbesserungspotenzialen herangezogen werden. Schwachstellen in den Prozessen, wie Doppelarbeiten, Medienbrüche oder Rücksprünge, lassen sich anhand eines Prozessmodells leicht aufzeigen. Daher stellt die einheitliche und übersichtliche Modellierung der kundenbezogenen Prozesse eine wichtige Grundlage für die Erhöhung der Prozesseffizienz im CRM dar: „Das Wissen und seine Darstellung der in einem Unternehmen praktizierten Abläufe ist eine elementare Voraussetzung, um das vom Kunden gewünschte Prozessergebnis unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte effizient und zielgerichtet zu realisieren.“ (Scholz/Vrohlings 1994c, S. 38). Im Vorfeld der CRM-Einführung lässt sich auf Basis der dokumentierten CRM-Prozesse bestimmen, welche Prozesse und Schnittstellen auf welche Art von einem CRMSystem unterstützt werden sollten. Das Wissen um die benötigten Funktionalitäten des CRM-Systems trägt dazu bei, Fehler bei der Softwareauswahl zu vermeiden. Die angestrebte Anpassung des CRM-Systems an die tatsächlich benötigten Funktionalitäten im CRM an Stelle einer Anpassung der Unternehmensprozesse an die vorhandenen Funktionalitäten des Systems wird durch die geschaffene Prozesstransparenz wirkungsvoll unterstützt. Aus diesem Grund kann die Prozessdokumentation eine wertvolle Stütze bei der Auswahl und Einführung des CRM-Systems darstellen. Von besonderer Bedeutung bei der Modellierung von Geschäftsprozessen im CRM ist die umfassende Beteiligung der Mitarbeiter. Sie sind zum einen die Träger des Prozesswissens, das in den Modellen abgebildet werden soll. Zum anderen sind sie die Betroffenen von Organisationsveränderungen, die sich gegebenenfalls an die Modellierung des Ist-Zustandes anschließen. Daher sichert die Beteiligung der Mitarbeiter neben der Richtigkeit der Prozessmodelle auch die Akzeptanz des gesamten Optimierungsprojektes (Seel et al. 2000, S. 3). Im übergreifenden Kontext der CRM-Einführung trägt die enge Einbindung der Mitarbeiter somit dazu bei, die Akzeptanz des CRM-Projektes und der damit einhergehenden Veränderungen in den Prozessen und der Systemlandschaft des Unternehmens zu unterstützen.

106

4.2

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Modellierungsmethoden

Zur Durchführung der Modellerstellung wurden verschiedene Methoden entwickelt, die unterschiedliche Sichten und Schwerpunkte verwenden und damit für unterschiedliche Nutzergruppen geeignet sind. Eine Modellierungsmethode stellt dem Benutzer eine oder mehrere Beschreibungssprachen für die Kommunikation und Präsentation von Sachverhalten zur Verfügung (Seel et al. 2000, S. 2). Da die Abbildung aller modellierungsrelevanten Sachverhalte in einer einzigen Darstellung meist nicht sinnvoll ist, erfolgt in der Regel eine Unterteilung in verschiedene Sichten zur Reduktion der Komplexität und zur besseren Verständlichkeit der Modelle (Gadatsch 2002, S. 44). Eines der bekanntesten Sichtenmodelle ist die von A.-W. Scheer entwickelte ARIS-Architektur, die auch infolge des intensiven Einsatzes bei der Implementierung von SAP-Systemen, aufgrund einer strategsichen Partnerschaft zwischen IDS Scheer und SAP, in der Praxis sehr weit verbreitet ist (SAP AG 2010). Sie unterscheidet zwischen Organisations-, Daten-, Prozess- und Funktionssicht (Scheer 1998, S. 47), wobei für jede einzelne Sicht eine unterschiedliche Modellierungsmethode herangezogen wird (Abb. 8).

Abb. 8: Sichten der ARIS-Architektur Quelle: Scheer 1998, S. 47

Die klassische Darstellungsform der Organisationssicht ist das Organigramm, welches anhand einer Baumstruktur die Beziehungen zwischen den organisatorischen Einheiten und damit die Aufbauorganisation eines Unternehmens wiedergibt. Auch die Funktionssicht wird mittels einer Baumstruktur abgebildet. Der sogenannte Funktionsbaum bildet die einzelnen betrieblichen Funktionen und deren Beziehungen untereinander ab (Gadatsch 2002, S. 97). Die Darstellung der Datensicht erfolgt über das Entity Relation-

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

107

ship-Modell (ERM). Das ERM stellt eine generelle Beschreibungssprache für Datenstrukturen dar. Die Grundelemente ƒ

Entities (Informationsobjekte),

ƒ

Relationships (Beziehungen zwischen Informationsobjekten) und

ƒ

Attribute (Eigenschaften von Entities oder Relationships)

werden anhand ihrer sachlogischen Abhängigkeiten zu einem logischen Datenmodell zusammengesetzt (siehe dazu ausführlich Gadatsch 2002, S. 63 ff.). Die Prozesssicht wirkt als integrierendes Element, indem sie auf die Bestandteile der anderen Sichten zurückgreift (Abb. 8). In einer Art Baukastenprinzip werden die einzelnen Elemente (Daten, Funktionen und Organisationseinheiten) in der Prozesssicht zu einem logischen Ablaufmodell zusammengefügt. Als Modellierungsmethode der Prozesssicht wird die Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) oder deren tabellarische Darstellungsform, das Vorgangskettendiagramm (VKD) eingesetzt (Scheer 2001, S. 170 f.). Die EPK gibt den zeitlich-logischen Ablauf von Funktionen wider. Sie besteht aus den Grundelementen „Funktion“, „Ereignis“ und „Konnektoren“ (Abb. 9). Funktionen beschreiben Transformationsprozesse, welche den Zustand von Objekten ändern (z. B. „Anfrage beantworten“). Sie werden als abgerundete Rechtecke dargestellt. Ereignisse, als passive Objekttypen, lösen Funktionen aus und sind Ergebnisse von Funktionen (z. B. „Anfrage eingegangen“, „Anfrage beantwortet“). Sie werden als Sechsecke dargestellt. Die EPK beginnt und endet jeweils mit einem Ereignis, dem Start- und dem Endereignis. Konnektoren beschreiben die möglichen Formen der Prozessverzweigung. Als wichtigste Konnektoren unterscheidet man zwischen logischem UND sowie inklusivem und exklusivem ODER (Gadatsch 2002, S. 93 ff.). Abb. 9 zeigt einen Ausschnitt aus dem Prozess „Kundenanfrage bearbeiten“ in der Darstellungsform einer EPK.

Kundenanfrage ist eingegangen

Ereignis Funktion

Zuständigkeit prüfen

XOR

XOR

Richtiger Ansprechpartner

Falscher Ansprechpartner

Kundenanfrage beantworten

Kundenanfrage weiterleiten

Kundenanfrage ist beantwortet

Kundenanfrage ist weitergeleitet

Abb. 9: Beispielhaftes Prozessmodell (EPK)

Konnektor „exkl. ODER“

108

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Die EPK kann in Abhängigkeit vom Ziel der Prozessmodellierung um zusätzliche Elemente erweitert werden („Erweiterte EPK“/„eEPK“). So können beispielsweise Informationsobjekte, organisatorische Einheiten oder Leistungsobjekte eingefügt werden (Gadatsch 2002, S. 105 f.). Auf diese Weise wird das Prozessmodell jedoch leicht unübersichtlich. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit kann die tabellarische Darstellungsform des VKD gewählt werden. Im VKD werden die einzelnen Prozesselemente den jeweiligen Sichten zugeordnet, so dass der Betrachter einen schnellen Überblick, beispielsweise über alle am Prozess beteiligten Organisationseinheiten oder alle einfließenden und ausgehenden Leistungen erhält (Abb. 10). Allerdings weist diese Darstellungsform den Nachteil auf, dass Verzweigungen im Prozessablauf nicht gut darstellbar sind. Die beiden Darstellungsformen eEPK und VKD sind daher je nach Modellierungsziel alternativ einzusetzen. Sie lassen sich voneinander ableiten, da jeweils der gleiche Sachverhalt – lediglich in unterschiedlicher Präsentationsform – dargestellt ist (Scheer 2001, S. 171). Abb. 10 zeigt ein vereinfachtes VKD für den Prozess „Auftragsbearbeitung“.

Ereignis

Funktion

Informationsobjekt

Organisationseinheit

Auftrag ist eingegangen

Leistung

Kundenauftrag Auftragsbearbeitung

Vertrieb KundenDaten

Auftrag ist bearbeitet Lieferung Artikel

Versand ArtikelDaten

Auftrag ist geliefert

Lieferung

Abb. 10: Beispielhaftes Vorgangskettendiagramm (VKD) Quelle: Gadatsch 2002, S. 93

Neben dem ARIS-Konzept verbreiten sich zunehmend auch objektorientierte Ansätze der Prozessmodellierung. Die Basis hierfür bildet meist die Unified Modeling Language (UML), eine Notation, um Softwaresysteme auf objektorientierte Weise zu modellieren. Durch 13 verschiedene Diagrammtypen (u. a. Klassen-, Anwendungsfall-, Sequenz- und Zustandsdiagramm) werden Softwaresysteme aus verschiedenen Sichtweisen beschrie-

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

109

ben (Hansen/Neumann 2005, S. 212 ff.). UML ist allerdings nicht ausreichend auf die fachliche Geschäftsprozessmodellierung ausgerichtet und kann ARIS damit nicht ersetzen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, von der fachlichen Modellierung mit ARIS zu einer DV-technischen Modellierung in UML überzugehen, da sich die zentralen Methoden relativ ähnlich sind (z. B. ERM und Klassendiagramm) und UML-Modelle in gewissem Umfang auch mit ARIS bearbeitet werden können (Grief 2005, S. 164 f.).

4.3

Modellierungswerkzeuge

Ein entscheidender Beitrag der Informationstechnologie zur Darstellung und Optimierung von Prozessen besteht in der Bereitstellung von Werkzeugen, welche die Abbildung und Analyse von Prozessen sowie die Untersuchung der Auswirkung einzelner Änderungen wesentlich vereinfachen bzw. bestimmte Analysen überhaupt erst ermöglichen. Ablauf-, Aufbau- und Prozessstrukturen können anhand geeigneter Werkzeuge transparent dargestellt werden, womit die Möglichkeit geschaffen wird, Geschäftsprozesse in ihrer Gesamtheit zu betrachten und auszuwerten. Nach Schmelzer/Sesselmann (2002, S. 306) und Gadatsch (2002, S. 136) liegen die Einsatzpotenziale der Softwareunterstützung im Prozessmanagement auf den folgenden Gebieten: ƒ

Dokumentation von Geschäftsprozessen,

ƒ

Erfassung von Daten, Strukturen und Prozessmessgrößen,

ƒ

Visualisierungshilfe zur Schwachstellenanalyse,

ƒ

Entwurf von Soll-Konzepten,

ƒ

Simulation von Alternativen,

ƒ

Auswertung von Kosten, Durchlaufzeiten, Kapazitätsauslastung etc.,

ƒ

Bereitstellung von Prozessberichten und grafische Darstellung der Ergebnisse.

Sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Anzahl der angebotenen Werkzeuge für das Geschäftsprozessmanagement ist in den letzten Jahren stark angestiegen (Schmelzer/ Sesselmann 2002, S. 306). Innerhalb des umfangreichen Softwareangebotes bestehen zum Teil jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Modellierungswerkzeugen. Diese finden sich unter anderem in den unterstützten Anwendungsbereichen (z. B. Dokumentation, Modellierung oder Simulation), der Verfügbarkeit von Musterprozessen (in der Software implementierte typische Prozesse, welche als Referenzmodelle für die Abbildung und Gestaltung der unternehmensspezifischen Prozesse herangezogen werden können), der Ausgestaltung des Datenmanagements, der Benutzeroberfläche und der Bedienerführung sowie dem Zeit- und Kostenaufwand der Anschaffung und Einführung (Schmelzer/Sesselmann 2002, S. 307).

110

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Nach den unterstützten Anwendungsbereichen lassen sich die am Markt verfügbaren Werkzeuge grob in die drei Kategorien „Zeichner“, „Modellierer“ und „Simulatoren“ einordnen (Jammernegg/Reiner 2001, S. 111). „Zeichner“ ermöglichen ausschließlich die grafische Darstellung von Abläufen mit Hilfe von Symbolen und Verbindungen ohne die Forderung einer logischen Struktur in den Abläufen. Ihr Einsatzgebiet liegt in der schnellen und einfachen grafischen Abbildung von Prozessen (Processmapping). Der Schwerpunkt liegt hier auf einer Präsentation der Prozesse, nicht jedoch auf der Prozessoptimierung. „Modellierer“ fordern und unterstützen dagegen die strukturelle Logik der Prozessmodelle. Die einzelnen Prozesselemente, wie z. B. Tätigkeiten, Aufgabenträger, Informationen, Daten und Ressourcen werden innerhalb einer festgelegten Struktur systematisch miteinander verknüpft. Auf diese Weise lassen sich statische Prozessmodelle integriert und übersichtlich erstellen und analysieren. Die Ergebnisse der (statischen) Prozessanalyse werden in einer Datenbank mit verschiedenen Auswertungsmöglichkeiten dokumentiert. „Simulatoren“ bieten darüber hinaus eine dynamische Analyse der Prozesse und ermöglichen dadurch auch die Simulation und Beurteilung alternativer Abläufe.

Abb. 11: Ausschnitt aus einem beispielhaften Prozessmodell im ARIS Toolset Quelle: Seidlmeier 2006, S. 78

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

111

Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten eines Werkzeugs zur Prozessanalyse sollen hier am Beispiel der Software „ARIS Toolset“ aufgezeigt werden. Dabei handelt es sich um ein professionelles Werkzeug zur Modellierung, Analyse und Optimierung von Unternehmensprozessen. Das ARIS Toolset bzw. sein webbasiertes Pendant ARIS Business Architect greifen die Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS) von A.-W. Scheer auf und werden von der durch ihn gegründeten IDS Scheer AG angeboten (Seidlmeier 2006, S. 28 f.). Abb. 11 zeigt den Aufbau eines Prozessmodells im ARIS Toolset. Die Modellierung der betrieblichen Abläufe erfolgt in ARIS schrittweise in drei aufeinanderfolgenden Phasen, den sogenannten Beschreibungsebenen bzw. -schichten: Fachkonzept, DV-Konzept und Implementierung. Ausgangspunkt bildet die betriebswirtschaftliche Problemstellung mit der Beschreibung des Istzustands der Prozesse sowie den Ziel- und Lösungsvorstellungen. Ist- und Sollzustand werden dann im anschließenden Fachkonzept in Modellen formalisiert dargestellt. Im Rahmen des DV-Konzepts können nachfolgend die Inhalte des Fachkonzepts an Implementierungswerkzeuge (Datenbanken, Programmiersprachen etc.) angepasst werden. Die konkrete Realisierung, d. h. die Umsetzung des DV-Konzepts in physische Datenstrukturen, Programme, Hardwarekomponenten etc., erfolgt schließlich in der Phase der Implementierung (Seidlmeier 2006, S. 23 f.). Abb. 12 zeigt das ARIS-Haus mit den vier Sichten und den jeweiligen Beschreibungsebenen im Überblick. Da zwischen den einzelnen Phasen auch Rückkopplungsschritte möglich sind, handelt es sich nicht um ein starres Top DownVorgehen, sondern eine logische und flexible Vorgehensweise zur Prozessoptimierung.

Betriebswirtschaftliche Problemstellung

Fachkonzept Fachkonzept DV-Konzept DV-Konzept Implementierung Implementierung

Fachkonzept Fachkonzept Fachkonzept Fachkonzept DV-Konzept DV-Konzept Implementierung

Datensicht

Fachkonzept Fachkonzept DV-Konzept DV-Konzept Implementierung Implementierung

Steuerungssicht

Abb. 12: ARIS-Haus mit Beschreibungsebenen Quelle: Seidlmeier 2006, S. 25

DV-Konzept DV-Konzept Implementierung

Funktionssicht

112

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

In ARIS werden die betrachteten Prozesse nicht lediglich grafisch abgebildet, sondern mit einer logischen Struktur hinterlegt. Auf diese Weise ist die Software in der Lage, die Modelle sowohl auf ihre formale Richtigkeit als auch auf Schwachstellen im Prozessablauf (z. B. Medienbrüche oder doppelte Arbeitsschritte) zu untersuchen. Werden die Prozessmodelle zusätzlich mit Kapazitäten, Bearbeitungszeiten etc. hinterlegt, können mit Hilfe von Simulationsanalysen darüber hinaus beispielsweise Engpässe, Auslastungen, Durchlaufzeiten oder Wartezeiten der betrachteten Prozesse aufgezeigt werden. Gleichzeitig kann mit einer Simulationsstudie deutlich gemacht werden, welche unterschiedlichen Verbesserungen sich aus verschiedenen möglichen Szenarien ergeben. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit diesen Einsatzmöglichkeiten der statischen und dynamischen Prozessanalyse.

5

Prozessanalyse und -verbesserung

Ausgehend von den grafischen Prozessmodellen und den Ergebnissen der Prozessdokumentation erfolgt die Prozessanalyse. Ziel ist die Bestimmung von Verbesserungspotenzialen und die Ableitung eines Soll-Konzepts.

5.1

Analyseperspektiven und Prozesskennzahlen

Zur Messung und Beurteilung der Qualität eines Prozesses existieren unterschiedliche Ansatzpunkte. So unterscheidet Kreysch (1999, S. 870) zwischen den drei Analyseebenen (Abb. 13) ƒ

Ergebnis (z. B. Kundenzufriedenheit, Gewinn etc.),

ƒ

Prozess (Abläufe) und

ƒ

Struktur (Aufbau, Organisation, Ressourcenausstattung etc.).

Die Ergebnisebene hat einerseits die höchste Bedeutung für den Unternehmenserfolg, ist aber andererseits in der Regel von zahlreichen Faktoren abhängig, die nicht alle gemessen oder beeinflusst werden können (Bsp. Kundenzufriedenheit). Aus diesem Grund ist der Zusammenhang zwischen einem (isolierten) Prozess und dem (globaleren) Ergebnis meist nicht eindeutig bestimmt und der direkte Einfluss einer Prozessänderung auf das Ergebnis nur schwer messbar. Leichter zugänglich sind dagegen die Qualität des Prozessablaufes sowie der dahinter stehenden Struktur. Daher besteht eine Möglichkeit zur Bestimmung der Prozessqualität in der Analyse von Prozessstruktur und -ablauf unter der Annahme, dass eine hohe Struktur- und Prozessqualität die Voraussetzung für eine gute Ergebnisqualität darstellt (Kreysch 1999, S. 870).

Ergebnis: Kundenzufriedenheit Kundenbindung Prozess: Abläufe der Prozesse mit Kundenkontakt Struktur: Organisation Ressourcenausstattung

113

Bedeutung für den Unternehmenserfolg

Messbarkeit/Bestimmung der Einflussfaktoren

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

Abb. 13: Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität Quelle: in Anlehnung an Kreysch 1999, S. 871

Dieser Argumentationslinie entspricht auch die Unterscheidung von Prozesskennzahlen in Früh- und Spätindikatoren. So kann die Qualität von Struktur und Ablauf als Frühindikator für zufriedenstellende bzw. mangelhafte Prozesse genutzt werden. Die (zufriedenstellende oder mangelhafte) Ergebnisqualität stellt dagegen einen Spätindikator dar, der sich als logische Konsequenz aus den zugrunde liegenden Prozessen ergibt. Im Rahmen dieses Beitrags liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Prozessqualität im engeren Sinne – also auf der Analyse und Optimierung der Abläufe kundenorientierter Prozesse. Diese sind jedoch immer in dem oben dargestellten Zusammenhang zwischen Struktur, Prozess und Ergebnis zu sehen, da ansonsten die Gefahr besteht, einen Prozess auf einer sehr abstrakten Ebene zu optimieren und dabei das angestrebte Ergebnis zu vernachlässigen. Diesen Aspekt betont Schnetzer (1999, S. 37) mit seiner Unterscheidung zwischen Prozesseffektivität und Prozesseffizienz, in der er darauf hinweist, dass ein Prozess zwar sehr gut ausgeführt, aber auf ein falsches Resultat ausgerichtet sein kann. Im CRM leitet sich die Prozesseffektivität oder Ergebnisqualität aus der Zielsetzung des CRM-Projektes ab und könnte beispielsweise über die Kennzahlen Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kundenwert oder Dauer der Kundenbeziehung bestimmt werden. Die Kundenzufriedenheit lässt sich bei der Ausführung derjenigen Aktivitäten erheben, bei denen ein unmittelbarer Kundenkontakt besteht. Der Kunde wird dazu aufgefordert, den von ihm wahrgenommenen Geschäftsprozess, seine Effizienz, seine Qualität und den empfundenen Nutzen zu beurteilen. Diese Beurteilung durch den Kunden kann beispielsweise im Rahmen eines direkten Gespräches, an Hand eines Fragebogens oder über die erfassten Kundenbeschwerden erfolgen (siehe dazu ausführlich Scholz/ Vrohlings 1994a, S. 87 ff.). Dabei wird jeweils auf konkrete Geschäftsvorfälle bezogen eruiert (Rosenkranz 2006, S. 104): ƒ

Was sind die Kundenwünsche bezüglich der angebotenen Leistungen (womit sind sie zufrieden/unzufrieden)?

ƒ

Was muss künftig zur Befriedigung der Kundenwünsche getan werden (welche Aktivitäten müssen in Zukunft ausgeführt werden)?

114

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

ƒ

Wie muss die Ausführung im Einzelnen erfolgen (wie sind die Aktivitäten auszuführen)?

Informationen, die sich aus solchen Befragungen ergeben, können für das Geschäftsprozess-Management oft wichtiger sein als interne Prozessdaten aus Messungen oder Schätzungen, denn die Verschlechterung eines Prozesses aus Kundensicht ist auch dann nicht tolerierbar, wenn die internen Daten Hinweise auf Verbesserungen geben (Rosenkranz 2006, S. 104). Daher scheint es ratsam, die Ergebnisse einer direkten Kundenbefragung als Grundlage des Optimierungsprozesses zu verwenden. Nachdem auf diese Weise festgestellt wurde, welche Prozesse bzw. welche Eigenschaften dieser Prozesse die höchste Bedeutung für den Kunden haben, können geeignete Prioritäten für die Prozessanalyse auf Ablaufebene bestimmt werden. Kennzahlen zur Messung der Ablaufqualität oder Prozesseffizienz lassen sich gemäß Abb. 2 den drei „Säulen“ Qualität („fehlerfrei“), Zeit („rechtzeitig“) und Kosten („günstig“) zuordnen. Dabei bemisst sich die Qualität als Leistungsparameter an der Übereinstimmung des Outputs eines Prozesses mit den Vorgaben externer oder interner Kunden. Ein Fehler äußert sich daher immer in einer enttäuschten Erwartung des Kunden (Scholz/Vrohlings 1994b, S. 104). Die Fehlerursache kann unter anderem in ungenau spezifizierten Vorgaben, einem nicht synchronisierten Prozessablauf, dem Nichtbeherrschen der Umsetzungsregeln von Input in Output oder mangelnder Motivation liegen. Während die letzte Ursache der Personalführung zuzuordnen ist, sind die ersten drei auf Ineffizienzen in der Prozessgestaltung zurückzuführen und bieten somit potenzielle Ansatzpunkte für eine geplante Prozessverbesserung (Scholz/Vrohlings 1994b, S. 105). Der Faktor Zeit ist ebenfalls ein bedeutendes Leistungskriterium, das häufig im Mittelpunkt einer Prozessanalyse steht. Eine höhere Prozessdauer ist in der Regel mit monetären Nachteilen sowie mit einer geringeren Kundenzufriedenheit verbunden. So beeinflusst z. B. die Durchlaufzeit der Auftragsabwicklung in erheblichem Maße sowohl die Kundenzufriedenheit als auch die Kapitalbindung. Die genaue Kenntnis und die Messung der Durchlaufzeit besitzt daher eine hohe Priorität im Prozessmanagement (Scholz/Vrohlings 1994a, S. 68). Die Durchlaufzeit umfasst die gesamte Zeitspanne von der Eingangs- zur Ausgangsschnittstelle eines Prozesses. Neben der reinen Bearbeitungszeit enthält sie auch die anfallenden Transport- und Wartezeiten, welche einen erheblichen Anteil an der Durchlaufzeit ausmachen können. Das Verhältnis zwischen Bearbeitungszeit und der gesamten Durchlaufzeit ist ein Maß für die Güte eines Prozesses (Scholz/Vrohlings 1994b, S. 105) Aus diesem Grund sollte sich eine Prozessanalyse keinesfalls auf die Erfassung und Optimierung der Bearbeitungszeit beschränken, sondern stets die Durchlaufzeit mit allen ihren Komponenten als Leistungskennzahl heranziehen. Ziel der Prozessoptimierung ist die „Reduzierung des Prozesses auf wertschöpfende Bearbeitungsschritte und Beschleunigung dieser Module“ (Scholz/ Vrohlings 1994b, S. 106). Primäre Zielsetzung der Prozesskostenmessung ist die Identifizierung kostenintensiver und ggf. unwirtschaftlicher Prozessabläufe. Im Vordergrund steht auch hier die Eliminierung von Tätigkeiten, die zum gewünschten Ergebnis nichts oder nur wenig bei-

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

115

tragen. Ursachen für unwirtschaftliche Prozesse können unter anderem in einer hohen Anzahl von Schnittstellen, in der redundanten Bearbeitung einzelner Schritte oder im Vorliegen mehrfacher Prüfschritte bestehen. Die Prozesskostenrechnung ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Aufdeckung dieser Ineffizienzen (Scholz/Vrohlings 1994b, S. 106) Die Eignung der einzelnen Kennzahlen im Rahmen eines konkreten Optimierungsprojektes ist immer abhängig von der individuellen Zielsetzung. Die heranzuziehenden Kennzahlen sind jeweils aus der zugrunde liegenden Strategie abzuleiten, wobei insbesondere auch die Anforderungen der Kunden – insofern diese erhoben wurden – zu berücksichtigen sind. Zur Analyse der unterschiedlichen Kennzahlen sowie zur Bewertung möglicher Änderungen und Verbesserungen in den Prozessen bieten sich sowohl statische als auch dynamische Analysen an. Die beiden folgenden Abschnitte zeigen theoretische Grundlagen und praktische Einsatzmöglichkeiten dieser beiden Analyseformen auf.

5.2

Statische Analysen

Die statische Prozessanalyse untersucht die (statische) Struktur eines Prozesses, seine einzelnen Elemente sowie die Beziehungen dieser Elemente untereinander. So lässt sich beispielsweise feststellen, welche und wie viele Personen, Sachmittel, Informationen oder Prozessschritte an einem Prozess beteiligt sind, welche Personen und Ressourcen für welche Schritte benötigt werden oder in welcher Reihenfolge die einzelnen Schritte ausgeführt werden. Die dynamische Analyse dient dagegen der Bestimmung und Analyse von Prozesszeiten, Häufigkeiten, Mengen und Kapazitäten (Abb. 14). Diese Analyseoptionen sind auch in ARIS implementiert und stellen den wesentlichen Vorteil gegenüber reinen Modellierungswerkzeugen, wie z. B. Microsoft Visio dar.

Elemente (was/wer/wo) statisch

Beziehungen (wie) Anzahl (wie viel) Zeiten (wie lange)

Auswertungen

Häufigkeiten (wie oft) dynamisch (Simulation)

Mengen (wie viel) Kapazitäten (wie viel)

Abb. 14: Objekte statischer und dynamischer Analysen

116

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Mit Hilfe der statischen Prozessanalyse lassen sich unter anderem Rücksprünge und Schleifen in den Prozessen sowie Doppelarbeiten, die Sytemintegration in Prozessen, Medienbrüche und Organisationswechsel identifizieren. Abb. 15 zeigt ein beispielhaftes Ergebnis der statischen Analyse „Organisationswechsel“ im ARIS Toolset. Es gibt einen Hinweis auf den Grad der Prozessorientierung in der Aufbauorganisation. Als Kennzahl dient u. a. das Verhältnis von Organisationswechseln zu Funktionsübergängen, wobei der Wertebereich zwischen 0 und 1 liegt. Je kleiner der Wert, desto höher ist der Grad der Prozessorientierung. Eine ausgeprägte Prozessorientierung vermindert die Fehlerhäufigkeit bei organisatorischen Übergängen und führt tendeziell zu Zeit- und Kostenersparnissen. Der Beispielwert von 0,4 in Abb. 15 deutet noch auf Optimierungspotenzial hin (Seidlmeier 2006, S. 107 f.). Die statische Prozessanalyse stellt ein geeignetes Instrument dar, um systematische Schwachstellen in den Prozessen zu erkennen und darauf aufbauend Vereinfachungen im Prozessablauf oder eine verbesserte Zuordnung von Ressourcen zu den einzelnen Prozessschritten durchzuführen. Die Änderungen im Prozessablauf ergeben sich hierbei aus sachlogischen Überlegungen. Die konkrete Auswirkung dieser Änderungen auf das Prozessergebnis lässt sich anhand der statischen Prozessanalyse jedoch nicht ermitteln. Zu diesem Zweck bietet sich der Einsatz dynamischer Analyseverfahren an.

Abb. 15: Statische Analyse in ARIS: Organisationswechsel Quelle: Seidlmeier 2006, S. 109

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

5.3

117

Dynamische Analysen

Grundlage für die dynamische Analyse ist die Durchführung einer Simulationsstudie. Unter Simulation versteht man die „Nachbildung der Wirklichkeit in einem Modell, um damit zu experimentieren“ (Gadatsch 2002, S. 143). Auf Grundlage der Modellergebnisse wird anschließend auf das Verhalten des Systems in der Realität geschlossen. Auf diese Weise lassen sich Optimierungspotenziale aufdecken ohne das Risiko, am „echten System“ ausprobieren zu müssen, da sich mit Hilfe einer Simulationsstudie die Auswirkungen alternativer Prozessstrukturen auf die betrachteten Kenngrößen (z. B. Zeit oder Kosten) bereits vorab ermitteln und gegenüberstellen lassen. Nach Neumann et al. (2008, S. 437) bestehen die Ziele der Prozesssimulation neben den generellen Verständnis- und Dokumentationszielen einer Prozessmodellierung in den folgenden Punkten: ƒ

Validierung der Korrektheit von Prozessmodellen durch Prüfung der Übereinstimmung der modellierten Prozesslogik mit dem realen Ablauf,

ƒ

Bestimmung von Gesamtdurchlaufzeiten und -prozesskosten auf Basis einer Zuordnung von Zeiten und Kosten zu einzelnen Funktionen,

ƒ

Simulation alternativer Ressourcenausstattungen und -zuordnungen sowie ihrer Auswirkungen auf Durchlaufzeiten und Auslastungen und

ƒ

Bewertung alternativer Prozessstrukturen.

Trotz dieses umfangreichen Spektrums an Einsatzpotenzialen ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Aufwand für die Erweiterung eines Prozessmodells um simulationsrelevante Informationen in Abhängigkeit von der verfolgten Zielsetzung beträchtlich sein kann. Die Durchführung einer Simulationsstudie ist daher als eigenständiges Teilprojekt aufzufassen, wobei der sorgfältigen Festlegung und Operationalisierung der Simulationsziele eine entsprechende Bedeutung zukommt. Auch wenn bereits Prozessmodelle als Ausgangslösung vorhanden sind, sollte die Konstruktion eines Simulationsmodells nur in Hinblick auf eine konkrete Problemstellung erfolgen (Neumann et al. 2008, S. 437). Zusätzlich zu einem bestehenden (statischen) Prozessmodell erfordert die Erstellung eines Simulationsmodells – je nach Zielsetzung – in der Regel folgende Informationen: ƒ

Einschleusungszeiten,

ƒ

Einschleusungsdichte aufeinander folgender Transaktionen,

ƒ

Bearbeitungszeiten für Aktivitäten,

ƒ

Rüstzeiten von Bearbeitern und Sachmitteln,

ƒ

Kapazitäten und Ausfallzeiten der Ressourcen,

ƒ

Transportzeiten für Informationsflüsse.

118

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

Abb. 16 zeigt eine Auswahl der wichtigsten Objektattribute, die für eine dynamische Prozessanalyse mit ARIS Simulation eingepfegt werden müssen. Bei Prozessverzweigungen (Konnektoren) sind demnach Regeln bzw. konkrete Wahrscheinlichkeiten für die möglichen weiteren Prozessverläufe zu schätzen.

Abb. 16: Notwendige Informationen für die Simulation mit ARIS Die Erhebung der Inputdaten für die Simulation kann gemäß Abschnitt 3 anhand von Interviews mit den jeweiligen Prozessverantwortlichen oder anhand bereits vorhandener Dokumentationsmaterialien erfolgen. Eine weitere Alternative besteht in der Beobachtung des Prozesses: Ein „Objekt“ (beispielsweise ein Kundenauftrag) wird bei seinem Durchlauf durch den kompletten Prozess (vom Eingang des Auftrags bis hin zu seiner abschließenden Erledigung) beobachtet und alle anfallenden Bearbeitungs-, Warte- und Transportzeiten erfasst. Erfolgt diese Erfassung über einen längeren Zeitraum und über mehrere Objekte hinweg, können daraus Mittelwerte und Verteilungen für die gesuchten Zeiten abgeleitet werden. Nach Erstellung des Modells wird zunächst eine Validierung durchgeführt. Indem die Ergebnisse des Simulationsmodells mit den Messwerten des realen Systems verglichen werden, lässt sich feststellen, ob das Modell die Realität hinreichend exakt wiedergibt (Jammernegg/Reiner 2001, S. 113). Ist dies nicht der Fall, erfolgt eine Anpassung des Modells sowie eine erneute Validierung. Anschließend wird die eigentliche Simulationsstudie durchgeführt, in der mögliche Prozessstrukturen simuliert und in Bezug auf die betrachteten Kenngrößen gegenüber gestellt werden. Jammernegg/Reiner (2001, S. 114) unterscheiden zwei Varianten der Simulation: (1) Die „What-if“-Analyse (Szenarioanalyse) mit der Zielsetzung der Bewertung verschiedener Handlungsalternativen als Ausgangspunkt für Prozessverbesserungen. Zu diesem Zweck werden unterschiedliche Szenarien mittels des Simulationsmodells ausgeführt und betrachtet, wie sich das System in Abhängigkeit von den ein-

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

119

gestellten Parametern verhält (z. B.: Wie stark lässt sich die Durchlaufzeit senken? Welche Kosteneinsparung ist möglich?). (2) Die „How-to-achieve“-Analyse (Zielwertsuche), welche die Suche nach Maßnahmen zur Erreichung eines vorgegebenen Ziels beinhaltet. Auch hier werden unterschiedliche Szenarien simuliert; die Bewertung erfolgt jedoch stets in Bezug auf eine vorgegebene Zielsetzung (z. B.: Suche nach einem Szenario, welches die Durchlaufzeit um mindestens 25 % senkt). In Abhängigkeit von der übergeordneten Zielsetzung können zur Prozessoptimierung im CRM beide Varianten herangezogen werden. Anhand der Szenarioanalyse lassen sich generelle Möglichkeiten zur Verbesserung der kundenorientierten Prozesse aufzeigen. Mittels der Zielwertsuche kann ermittelt werden, welche Prozessvariante ein vorgegebenes kundenbezogenes Ziel am besten erfüllt. Im Rahmen der CRM-Einführung bietet sich insbesondere auch die Simulation von Vorher-/Nachher-Szenarien zur Nutzenmessung der CRM-Einführung an. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Konstruktion der „Nachher“-Szenarien anhand der Identifizierung, Implementierung und Bewertung von Verbesserungsmaßnahmen in den Prozessen.

5.4

Prozessverbesserung

Optimierungspotenziale finden sich besonders bei „Zeitfressern“ wie nicht wertschöpfenden Prozessen, einer hohen Anzahl an Schnittstellen oder vermeidbaren Medienbrüchen (Kieninger 1994, S. 244 f.). Zur Identifizierung des Optimierungspotenzials werden die Simulationsergebnisse unter anderem hinsichtlich folgender Aspekte betrachtet: ƒ

Anteil der Bearbeitungszeit an der Durchlaufzeit,

ƒ

Transport- und Wartezeiten und

ƒ

Kosten.

Mögliche Ansatzpunkte für Prozessverbesserungen ergeben sich z. B. aus dem Verhältnis der Summe der Bearbeitungszeiten zur gesamten Durchlaufzeit eines Prozesses. Niedrige Bearbeitungszeitanteile am Gesamtprozess weisen auf einen ineffizienten Prozess hin. Auch die durchschnittlichen Bearbeitungs- und Wartezeiten pro ausgeführter Aktivität können Hinweise auf Optimierungspotenziale geben. Hohe Wartezeiten an einzelnen Aktivitäten lassen Rückschlüsse auf die Auslastung der verwendeten Ressourcen zu. Ursache einer erhöhten Wartezeit kann die Nichtverfügbarkeit von Sachmitteln, Informationen oder Bearbeitern sein. Aus den Analyseergebnissen lassen sich Optimierungsmaßnahmen ableiten: ƒ

Gibt es Aktivitäten, welche für den Prozess keinen Nutzen erbringen?

ƒ

Können Bearbeiterwechsel vermieden werden?

120

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

ƒ

Sind Bearbeiter und Sachmittel über- oder unterbelastet?

ƒ

Lassen sich die Arbeitszeitmodelle verbessern?

ƒ

Etc.

Die aus der statischen Kundenprozessanalyse und den Simulationsläufen gewonnenen Erkenntnisse werden nachfolgend in einem Sollkonzept verarbeitet. Dabei sollten die identifizierten Schwachstellen durch Umstrukturierung des Prozessdesigns eliminiert werden. Bei dieser Betrachtung sind auch die (neuen) Einsatzmöglichkeiten der Informationstechnik zu berücksichtigen (Wie können bestehende Prozesse durch die Einführung des CRM-Systems effizienter gestaltet werden?). Das Sollkonzept könnte beispielsweise auf der Annahme aufbauen, dass durch die Implementierung eines CRMSystems eine konsistente Datenbasis geschaffen wird, die jedem Mitarbeiter alle benötigten Informationen zur Verfügung stellt, so dass sich die Aktivitäten der internen Informationsbeschaffung verringern. Durch die anschließende Gegenüberstellung von Ist- und Sollzustand werden die Vorteile eines CRM-Systems – und der verbesserten Prozesse – deutlich. Die Bemessung des Vorteils erfolgt dabei über Zeit- und Kostenersparnisse. Hierzu wird eine Simulationsstudie durchgeführt, welche den bestehenden Prozessabläufen „ohne CRM-System“ die erwarteten Prozessabläufe „mit CRM-System“ gegenüberstellt. Die Änderung in den Prozessen durch die Einführung eines CRM-Systems wird von den betroffenen Mitarbeitern geschätzt. Zeiteinsparungen ergeben sich dabei insbesondere aus der Automatisierung einzelner Prozessschritte sowie aus der schnelleren Informationsbereitstellung durch das CRM-System (Beispiel: direkter Zugriff auf alle Kundendaten macht Rückfragen überflüssig – durchschnittliche Zeiteinsparung je Kundenanfrage ca. 1 Minute). Die beiden Varianten werden simuliert und in Bezug auf vorgegebene Zielgrößen (Durchlaufzeit, Prozesskosten, Personalbedarf etc.) bewertet. Auf diese Weise lässt sich der Nutzen der CRM-Einführung auf der Prozessebene quantifizieren. Zur Erhebung, Analyse und Verbesserung der Prozesse eines Unternehmens bietet sich zudem der Einsatz standardisierter und bewährter Referenzprozesse an, welche als empfohlene Vorlage eines „Musterprozesses“ zur Prozessgestaltung herangezogen werden können. Der folgende Abschnitt beschreibt die Grundlagen und Potenziale eines Einsatzes von Referenzprozessen im CRM.

6

Referenzprozesse und Prozessbenchmarking

Standardisierte Referenzprozesse können die Geschäftsprozessoptimierung im CRM erleichtern und mitunter auch als Benchmark herangezogen werden.

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

6.1

121

Referenzmodelle betrieblicher Geschäftsprozesse

Zur Unterstützung der Prozessgestaltung existieren universell einsetzbare und einheitlich dokumentierte Standardprozesse, welche als Referenzmodelle zur Ablaufoptimierung im Unternehmen herangezogen werden können. Standardisierte Referenzmodelle gewährleisten eine gemeinsame Sprache der Beteiligten und erhöhen die Transparenz der Planung. Hervorgegangen sind diese Referenzmodelle aus der Dokumentation erfolgreich realisierter Projekte der Prozessgestaltung. Prototypische Fallstudien und Referenzprozesse aus abgeschlossenen Projekten können somit als Maßstab der Vorgehensweise in zukünftigen Projekten eingesetzt werden (Rosenkranz 2006, S. 19; Keller 1995, S. 50 f.). So bietet beispielsweise die SAP AG eine große Anzahl standardisierter betrieblicher Prozesse für unterschiedliche Unternehmenstypen und Branchen an, welche in zurückliegenden SAP-Einführungsprojekten anhand einer standardisierten Methode dokumentiert und weiterentwickelt wurden. Diese bewährten Modelle werden den aktuellen und zukünftigen Kunden der SAP AG in der Darstellungsform der Ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK) zur Verfügung gestellt und können als Grundlage für deren Prozessgestaltung genutzt werden (Keller 1995, S. 50 f.). Der Einsatz von standardisierten Referenzmodellen zur Prozessgestaltung bietet den Vorteil, dass bereits erfolgreich getestete Prozesse zur Verfügung stehen. Die Nutzung von vorhandenem Prozesswissen birgt ein erhebliches Zeiteinsparungspotenzial. Der Vergleich der eigenen Strukturen mit den Strukturen der Referenzmodelle macht die Schwachstellen der bestehenden Prozesse sichtbar und zeigt Optimierungspotenziale auf. Die damit einhergehende Standardisierung ist einer der möglichen Ausgangspunkte zur systematischen Steigerung der Prozessleistung (Schimanofsky 1999, S. 43 f.). Ein weiterer Vorteil der Nutzung von Referenzprozessen des CRM-Systemanbieters besteht in der einfachen Prozessabbildung im IT-System. Im Unterschied zu stark individualiserten CRM-Systemen mit vielen unternehmensindividuellen Modul- und Funktionsvarianten entfallen so aufwendige Programmierarbeiten beim Customizing. Zudem wird ein Releasewechsel des CRM-Systems unkomplizierter, da Individuallösungen nicht wieder neu nachgepflegt werden müssen, was meist mit entsprechendem Zeit- und Kostenaufwand sowie Störungspotenzial einhergeht. Das Prinzip „IT follows Process“ sollte vor diesem Hintergrund nur auf die aus Kunden- und Wettbewerbssicht kritischen Schlüsselprozesse angewandt werden. Bei allen übrigen Abläufen ist dagegen der Rückgriff auf standardisierte Referenzprozesse effizienter (Jaeck et al. 2007, S. 68). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Verwendung von Referenzprozessen im Sinne einer Standardisierung von Prozessen zwischen Unternehmen auch zu einer Aufhebung vorhandener Wettbewerbsvorteile führen kann (Rosenkranz 2006, S. 19). Dementsprechend eignet sich der Einsatz von Referenzmodellen hauptsächlich für Bereiche, in denen ein Unternehmen keine Wettbewerbsvorteile erwarten kann. Beispielsweise werden sich durch eine Eigenentwicklung der Geschäftsprozesse der Finanzbuchhaltung in der Regel keine Wettbewerbsvorteile erzielen lassen. In solchen Bereichen können Refe-

122

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

renzmodelle als Vorbild für die Prozessgestaltung zu Zeitersparnis und Effizienzsteigerungen führen. Der Einsatz bei Kernprozessen ist hingegen kritisch zu betrachten, da diese per Definition unternehmensindividuelle Besonderheiten aufweisen sollten (Brenner/Hamm 1995, S. 32).

6.2

Vorgehensweise der Referenzmodellierung

Referenzprozesse lassen sich sowohl als Grundlage für die Modellierung der vorhandenen Prozesse (Ist) als auch zur Gestaltung der gewünschten Prozesse (Soll) heranziehen. Unter Zugriff auf das Referenzmodell können kundenindividuelle Geschäftsprozesse durch Auswahl, Anpassung und Ergänzung der Referenzprozesse erstellt werden (Keller 1995, S. 50 f.). Zu diesem Zweck werden zunächst geeignete Referenzprozesse aus sogenannten “Prozess-Bibliotheken” (z. B. in SAP, ARIS etc.) ermittelt. Anschließend erfolgt die Abbildung der betrachteten Prozesse auf Basis der entsprechenden Referenzmodelle (Anpassung des prototypischen Referenzmodells an die tatsächlich vorhandene Prozessstruktur) sowie die Ableitung des Soll-Prozesses (Anpassung des prototypischen Referenzmodells an individuelle Rahmenbedingungen). Aus dem Vergleich der Ist-Prozesse mit den Soll-Prozessen ergeben sich schließlich die prozessspezifischen Schwachstellen sowie der individuelle Anpassungsbedarf (Abb. 17).

Auftrag nicht machbar Vertrieb

Auftrag ablehnen

--OR Brief Absage

E-Mail Absage OR ---

Vertrieb

Absage schreiben Absage ist abgeschickt

Fax Absage

Auftrag eingegangen Prüfung, ob ausführbar --XOR

Anpassungsbedarf Prod.planung

Auftrag machbar Auftrag anlegen Auftrag ist angelegt Prod.--leitung AND Mitarbeiter Prod.plan zuteilen anfertigen Zuteilung Plan erfolgt fertig AND --Prüfung Mitteilung --XOR Prüfung negativ Änderung an Kunde XOR ---

Ist-Prozess

Auftrag nicht machbar Disposition

Vertrieb

Schwachstellenanalyse

Prod.planung Rohmaterial bestellen Bestellung ausgeführt

Auftrag eingegangen Prüfung, ob ausführbar --XOR

Auftrag ablehnen

--OR

Einkauf

E-Mail Absage OR --Vertrieb

Vertrieb

Absage schreiben Absage ist abgeschickt

Vertrieb

Vertrieb

Info Kunde erfolgt

Soll-Prozess

Auftrag nicht machbar Vertrieb

Auftrag eingegangen Prüfung, ob ausführbar --XOR

Auftrag ablehnen

--OR E-Mail Absage

Abbildung „Ist“

OR --Vertrieb

Absage schreiben Absage ist abgeschickt Vertrieb

Prod.planung Auftrag machbar Auftrag anlegen Auftrag ist angelegt --AND Prod.plan anfertigen Plan fertig AND --Prüfung Mitteilung --XOR

Prüfung positiv Bestätigung an Kunde

XOR ---

Disposition

Rohmaterial bestellen Bestellung ausgeführt

Einkauf

Vertrieb

Prüfung negativ Änderung an Kunde

Vertrieb

Info Kunde erfolgt

Prod.planung Auftrag machbar Auftrag anlegen Auftrag ist angelegt --AND Prod.plan anfertigen Plan fertig AND --Prüfung Mitteilung --XOR

Prüfung positiv Bestätigung an Kunde

XOR ---

Disposition

Ableitung „Soll“

Vertrieb

Prüfung negativ Änderung an Kunde

Vertrieb

Info Kunde erfolgt

Referenzprozess

Abb. 17: Einsatz von Referenzmodellen zur Prozessgestaltung Referenzmodelle werden in der Regel als Prozessmodule in sogenannten Prozessbibliotheken oder Prozesspools verwaltet. Die einzelnen Prozessmodule lassen sich nach dem

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

123

Baukastenprinzip zu individuellen Prozessketten zusammensetzen. Ist ein benötigter Teilprozess nicht in dem Prozesspool enthalten, so kann dieser entweder in Abänderung eines bestehenden Teilprozesses erstellt oder neu geschaffen und in den Pool aufgenommen werden. Der Prozesspool wird dadurch kontinuierlich erweitert, so dass für zukünftige Prozessdarstellungen ein erweitertes Prozessmodulangebot zur Verfügung steht (Schimanofsky 1999, S. 43 ff., Abb. 18).

Pool mit Prozessmodulen 1

2

... neu

Individueller Leistungserstellungsprozess mit standardisierten Teilprozessen 2

7

4

2

5

neu

Abb. 18: Prozessmodule Quelle: in Anlehnung an Schimanofsky 1999, S. 44

6.3

Prozessbenchmarking

Der Begriff des Benchmarking bezeichnet den methodischen Vergleich von Prozessen und Produkten mit den Prozessen und Produkten von als besser identifizierten bzw. vermuteten Vergleichspartnern. Zielsetzung ist es, eine Antwort auf die Frage „(Warum) machen andere etwas besser?“ zu finden und die eigenen Prozesse durch den Vergleich mit identifizierten „Vorbildprozessen“ zu verbessern. Prozessbenchmarking ist ein möglicher Weg, durch die Identifikation von beispielgebenden Geschäftsprozessen vom Wettbewerb zu lernen. Der Vergleich ist dabei nicht auf die originäre Branche des Unternehmens beschränkt, sondern richtet sich auf den Wettbewerber, der in dem jeweiligen Prozess das höchste Erfahrungspotenzial hat (Becker/Kahn 2008, S. 9; Rosenkranz 2006, S. 239 f.). Auf diese Art identifizierte Vorbildprozesse lassen sich ebenso als Referenzmodelle einsetzen wie die – in der Regel allgemeineren – Prozessmodelle der Modellierungswerkzeuge. Im Rahmen der Prozessoptimierung unterscheidet man das Benchmarking von Strukturen (Abläufe, Organisation, ...) und das Benchmarking von „Performance“-Parametern (Prozesskennzahlen) (Kleinsorge 1999, S. 62). Die Entscheidung für den einen oder an-

124

Melanie Merzenich, Hajo Hippner, Horst-Florian Jaeck, Klaus D. Wilde

deren Typ ist abhängig von der Zielsetzung der Prozessoptimierung sowie von den zur Verfügung stehenden Daten. Nach Möglichkeit sollten beide Verfahren parallel eingesetzt werden. Die Vergleichsgrößen des Benchmarking sind ebenfalls aus der jeweiligen Zielsetzung der Prozessoptimierung abzuleiten und können sich beispielsweise auf die Kundenzufriedenheit, auf Prozesszeiten, Prozessqualität, Prozesskosten oder den Ressourceneinsatz beziehen (Rosenkranz 2006, S. 242 ff.).

6.4

Referenzprozesse im CRM

Bei der Optimierung der kundenbezogenen Prozesse im CRM ist in Anlehnung an die obigen Ausführungen bezüglich Standardisierung vs. Wettbewerbsvorteil und unter Berücksichtigung der besonderen Eigenschaften von CRM-Prozessen zu prüfen, inwiefern der Einsatz von Referenzprozessen für die Prozessgestaltung sinnvoll erscheint. Die Übernahme standardisierter Referenzmodelle führt zu vergleichbaren Prozessen zwischen Unternehmen. Für diejenigen CRM-Prozesse, die vom Unternehmen als Kernkompetenz und damit als Grundlage zur Realisierung eines Wettbewerbsvorteils angesehen werden, ist daher im Allgemeinen von der Referenzmodellierung abzuraten und für eine Eigenentwicklung zu plädieren. Allerdings finden sich sicher auch Grenzfälle, in denen beispielsweise durch die Übernahme einer standardisierten und bewährten Prozessstruktur in Kombination mit unternehmensindividuell qualitativ hochwertigeren Daten trotz oder aufgrund der Ausrichtung eines Prozesses an der Referenzstruktur ein Wettbewerbsvorteil realisiert werden kann. Die Berücksichtigung von Referenzmodellen ist daher grundsätzlich positiv zu bewerten, wenn Referenzprozesse nicht unreflektiert übernommen werden, sondern im Einzelnen beurteilt wird, inwieweit die bestehenden Modelle daran angepasst werden sollten. Referenzmodelle CRM-relevanter Prozesse (wie z. B. Call Center, Auftragsabwicklung, Beschwerdemanagement etc.) finden sich in unterschiedlichen Aggregationsniveaus – von der rein verbalen Darstellung bis hin zu detailliert spezifizierten Workflows – in der Literatur (vgl. z. B. Schimanofsky 1999) sowie in ausgewählten exemplarischen Prozessen oder Prozessbibliotheken entsprechender Modellierungswerkzeuge wie ARIS oder SAP.

7

Fazit

CRM ist als ein Regelkreis zu verstehen, der die Integration aller Kundendaten, deren Analyse und daraus resultierende Bearbeitungsstrategien unter Einbindung eines CRMSystems in einem kontinuierlichen Optimierungsprozess abbildet. Die Geschäftsprozessbetrachtung nimmt bei der Umsetzung eines erfolgreichen CRM-Konzeptes eine wesentliche Rolle ein (Hippner et al. 2001, S. 11 f.).

Gestaltung kundenbezogener Geschäftsprozesse

125

Bereits im Vorfeld sind die Geschäftsprozesse daraufhin zu überprüfen, ob sie den Erfordernissen der geplanten Kundenbindungsstrategie gerecht werden. Hierzu wird eine Geschäftsprozessanalyse durchgeführt, bei der zunächst die Ist-Situation der CRM-relevanten Prozesse aufgenommen wird. Anschließend erfolgt eine Bewertung der aufgenommenen Prozesse mit Hilfe von Modellierung und Simulation in Hinblick auf die Kenngrößen Zeit und Kosten sowie die Identifizierung von Schwachstellen. Darauf aufbauend sind Sollprozesse zu definieren, die der CRM-Strategie gerecht werden. Ohne diese Prozessoptimierung kann ein CRM-System lediglich die bestehenden (und im Hinblick auf die kundenbezogenen Ziele eventuell suboptimalen) Prozesse unterstützen, was den Erfolg des gesamten CRM-Projektes erheblich beeinträchtigen kann. Darüber hinaus ist zu überprüfen, ob die vorhandene Infrastruktur die neuen Geschäftsprozesse tragen kann (Stengl et al. 2001, S. 2). Erst im folgenden Schritt ist die Wahl einer geeigneten Standardsoftware zu treffen. Bei der Auswahl ist darauf zu achten, dass die CRM-Software die einzelnen Geschäftsprozesse möglichst gut abbildet, um eine Anpassung wichtiger Prozesse an die Software zu vermeiden. Es ist darauf hinzuweisen, dass mit Abschluss einer Einführung der CRM-Lösung das Thema CRM keinesfalls als abgeschlossen gelten darf. Bei der CRM-Einführung im Unternehmen handelt es sich um einen dynamischen Kreislauf, bei dem die Zielerreichung durch kontinuierliche Kontrollen überprüft werden muss. Dadurch können Rücksprünge in jede vorherige Phase des Vorgehensmodells möglich sein. Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen können sich Strategiedefinitionen ändern, die weitere Anpassungen notwendig machen.

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René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme 1

Aufbau von CRM-Systemen

2

Analytische CRM-Systeme 2.1 Data Warehouse und OLAP 2.2 Data Mining 2.3 Web Mining 2.4 Text Mining

3

Operative CRM-Systeme 3.1 CRM-Anwendungen 3.1.1 IT-Unterstützung von Marketing-Prozessen 3.1.2 IT-Unterstützung von Sales-Prozessen 3.1.3 IT-Unterstützung von Service-Prozessen 3.2 Customer Touch Points und Interaktionskanäle 3.2.1 Customer Interaction Center 3.2.2 Internet 3.3 Operative Kundendatenbanken

4

Fazit

Literaturverzeichnis

1

Aufbau von CRM-Systemen

CRM wird ausdrücklich nicht als zeitlich eng begrenztes Projekt oder gar als reines ITProjekt verstanden, sondern als kundenorientierte Unternehmensstrategie, deren Implementierung in einem kontinuierlichen organisatorischen Lernprozess abläuft. Voraussetzung für diesen Lernprozess ist neben weiteren Kernkompetenzen im Bereich Geschäftsprozessoptimierung und Change Management die intensive IT-Unterstützung durch leistungsfähige CRM-Systeme. Ein CRM-System kann somit als „technologische Grundlage“ der CRM-Strategie angesehen werden. In vielen Unternehmen liegt vor der Einführung eines CRM-Konzepts im Marketing-, Sales- und Service-Bereich eine IT-Landschaft vor, die durch zahlreiche Insellösungen geprägt ist. Die einzelnen, historisch gewachsenen Systeme (z. B. Computer Aided Selling, Helpdesks, Call Center, Marketing Support, Analysesysteme, Web-Anwendungen etc.) gestatten keine einheitliche Sicht auf die im Unternehmen vorhandenen Kundendaten. Dies führt zwangsweise zu inkonsistenten und somit teilweise veralteten, falschen und unvollständigen Informationen über den Kunden. Ein ganzheitliches und konsistentes Bild des Kunden ist mit einer derartigen IT-Infrastruktur nur schwer zu erlangen. CRM-Systeme zielen auf eine Zusammenführung der einzelnen Insellösungen ab. Anwendungen aus Marketing, Sales und Service, wie auch aus den Bereichen Internet, Call Center etc. werden nun in einer koordinierten Systemlandschaft vereint. Zusätzlich wird an ein CRM-System, über Schnittstellen, betriebswirtschaftliche Standardsoftware (ERP-Systeme, SCM-Systeme etc.) angebunden. Es liegen somit nur noch zentrale (logische) Kundendatenbanken vor, auf die alle Unternehmensbereiche zugreifen. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Sicht auf den einzelnen Kunden und erlaubt einen abgestimmten, in sich stimmigen Dialog mit ihm. Die integrative Aufgabenstellung von CRM-Systemen, d. h. ƒ

die Synchronisation und operative Unterstützung der zentralen Customer Touch Points Marketing, Sales und Service,

ƒ

die Einbindung aller Kommunikationskanäle zwischen Kunde und Unternehmen

ƒ

sowie die dazu erforderliche Zusammenführung und Auswertung aller Kundeninformationen

bedingen eine hohe Komplexität der CRM-Systeme. Den Anforderungen entsprechend lassen sich CRM-Systeme dabei grundsätzlich in zwei zentrale Aufgabenbereiche unterteilen, die in engen Austauschbeziehungen zueinander stehen (siehe Abb. 1).

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

132

René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde

Supply Chain Management

MarketingProzesse

Interaktionskanäle Customer Touch Points CRMAnwendungen

Back Office

BasisAnwendungen

Pers. Kontakt

SalesProzesse WWW

E-Mail

Telefon

Außendienst

ServiceProzesse

Brief/Fax

Innendienst Filiale

Etc.

CIC Website

Etc.

Kampagne

Opportunity

Feedback

Lead

Angebot/Auftrag

Support

Stammdaten

Kontakt Aktivitäten

Workflow Eskalation

Enterprise Ressource Planning

Operative Kundendatenbank Operative CRM-Systeme

Data Warehouse

Analytische CRM-Systeme

Data Mining

OLAP

Abb. 1: Komponenten eines CRM-Systems Quelle: in Anlehnung an Hippner et al. 2006a, S. 48

Operative CRM-Systeme Das operative CRM umfasst alle Bereiche, die im direkten Kontakt mit dem Kunden stehen sowie die Kundenkontakt unterstützenden Prozesse von Marketing, Sales und Service. Aufgabe des CRM-Systems ist die Unterstützung der dazu korrespondierenden Prozesse (CRM-Prozesse), wofür im Rahmen der CRM-Anwendungen die hierzu benötigten Funktionalitäten zur Verfügung gestellt werden. Dabei gilt es zu beachten, dass sowohl alle Customer Touch Points (Außendienst, Customer Interaction Center, Filiale etc.) als auch alle Kanäle, über die die Kontakte zwischen Kunde und den Customer Touch Points abgewickelt werden, in die Prozessunterstützung eingebunden werden. Das operative CRM umfasst somit die gesamte Steuerung und Unterstützung aller Customer Touch Points und deren Synchronisation. Die Basis zur Abwicklung des operativen Tagesgeschäfts in den CRM-Prozessen bilden operative Kundendatenbanken. Um verlässliche Aussagen z. B. über Liefertermin, Verfügbarkeit etc. machen zu können, muss das operative CRM an vorhandene Back Office-Lösungen (ERP, SCM etc.) angebunden werden.

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme

133

Analytische CRM-Systeme Während das operative CRM auf die unmittelbare Unterstützung kundenbezogener Geschäftsprozesse (z. B. Verkaufsgespräche, Kundendienstleistungen, Bearbeitung von Kundenanfragen etc.) zugeschnitten ist, werden im analytischen CRM Kundenkontakte und Kundenreaktionen systematisch aufgezeichnet (Data Warehouse) und zur kontinuierlichen Optimierung der kundenbezogenen Geschäftsprozesse ausgewertet (On-Line Analytical Processing, Data Mining). CRM wird somit zu einem lernenden System (Closed Loop Architecture), in dem Kundenreaktionen systematisch genutzt werden, um die Abstimmung von Kundenkommunikation, Produkten und Dienstleistungen auf fein differenzierte Kundenbedürfnisse kontinuierlich zu verbessern.

2

Analytische CRM-Systeme

2.1

Data Warehouse und OLAP

Grundlage für die Differenzierung der Kundenbeziehungen bildet die Zusammenführung aller kundenbezogenen Informationen in einem Data Warehouse. Hierbei handelt es sich um eine von den operativen Datenbanken getrennte Analysedatenbank, die zur Unterstützung der Entscheidungsprozesse im Unternehmen genutzt wird (Kurz 1999, S. 50). Diese Entkopplung der Datenanalyse von den operativen Systemen gewährleistet, dass das Tagesgeschäft nicht von rechenintensiven Analyseanwendungen beeinträchtigt wird (Alpar/Niedereichholz 2000, S. 15). In einem Data Warehouse werden Daten aus verschiedenen Funktionsbereichen – wie z. B. Marketing, Sales und Service – zusammengeführt und bewahrt. Im analytischen CRM sind alle Interaktionen mit dem Kunden an den einzelnen Customer Touch Points (Filiale, Customer Interaction Center, Website etc.) relevant (Hippner/Wilde 2002, S. 15). Das Data Warehouse liefert eine, für die Datenanalyse geeignete Aufbereitung der relevanten Daten. Die Aufdeckung der in diesen Daten verborgenen, erfolgsrelevanten Geschäftserfahrungen erfordert jedoch spezielle Werkzeuge zur Analyse umfangreicher, multidimensionaler Datenbestände. Für diesen Zweck wurde von Codd das Konzept des On-Line Analytical Processing (OLAP) entwickelt (Codd et al. 1993). OLAP-Systeme bilden betriebswirtschaftlich relevante Maßgrößen (z. B. Absatz, Umsatz, Kosten, Deckungsbeiträge, Marktanteile) in Form eines multidimensionalen Datenwürfels ab, dessen Dimensionen betriebswirtschaftlich relevante Gliederungskriterien (z. B. Produktgruppen, Kundengruppen, Verkaufsgebiete, Vertriebskanäle) sind (Chamoni 1999, S. 263 f.). Entsprechend dieser Dimensionen können, je nach Fragestellung, die betriebswirtschaftlichen Maßzahlen aufgebrochen (Drill down) oder aggregiert (Roll up) werden. Ergänzend kann der Anwender den Würfel drehen und kippen (dice) um eine andere Perspektive auf die Daten zu gewinnen oder den virtuellen Datenwürfen in einzelne „Scheiben“ zerlegen (slice).

134

René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde

Auf diese Weise kann ein Anwender mit OLAP beispielsweise analysieren, welche Stückzahl eines Produkts, in welcher Filiale, in welchem Jahr verkauft wurde. Durch diese mehrdimensionale Sichtweise wird in relationalen Systemen, im Vergleich zur zweidimensionalen Abbildung, eine problemadäquatere Darstellung des naturgemäß mehrdimensionalen Unternehmensumfeldes ermöglicht (Reinke/Schuster 1999, S. 174). Die multidimensionale Darstellungsform kann dabei Aufschluss über Zusammenhänge geben, die mit den „klassischen“ zweidimensionalen Tabellen, wie beispielsweise in Tabellenkalkulations- oder Datenbankprogrammen, nicht hätten aufgedeckt werden können. Das Prinzip lässt sich anhand des in Abb. 2 dargestellten Datenwürfels verdeutlichen.

1999

2000

2001

2002

Filiale 5 Filiale 4

Stückzahl

Filiale 3 Filiale 2 Filiale 1

Subventionen

Variable Kosten

Preis

Abb. 2: Navigation in einem dreidimensionalen Datenwürfel Quelle: Reinke/Schuster 1999, S. 47

Anzumerken ist, dass sich OLAP-Tools durch eine einfache, intuitive und somit leicht zu erlernende Benutzerführung auszeichnen. Grundsätzlich verfügt das Management mit OLAP somit über einen direkten Zugriff zur Datenanalyse. Allerdings weisen OLAP-Systeme die Einschränkung auf, dass nur solche Fragestellungen analysiert werden können, die vorher vom Anwender konkret vorformuliert wurden. Die Komplexität der Zusammenhänge innerhalb der Daten sowie das begrenzte Zeitbudget des Managements verhindern es jedoch anspruchsvolle, verborgene und somit besonders interessante Fragestellungen zu verfolgen. An dieser Stelle setzt das Data Mining an. Data Mining erweitert die anwendergetriebene Suche nach relevanten Zusammenhängen mit OLAP-

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme

135

Systemen um eine maschinelle und somit automatisierte Suche nach bislang unbekannten Beziehungen innerhalb der Daten.

2.2

Data Mining

Der Begriff „Data Mining“ nimmt Bezug auf ein griffiges Bild aus dem Bergbau (Mining), wo mit großem technologischen Aufwand enorme Gesteinsmengen maschinell abgebaut und aufbereitet werden, um Erze und Edelsteine zu fördern (Adriaans/ Zantinge 1997, S. 5). Analog dazu werden beim Data Mining riesige Datenvolumina mit anspruchsvollen, automatisierten Methoden nach neuen und handlungsrelevanten Geschäftserfahrungen durchsucht (Berry/Linoff 1997, S. 5). Ausgehend von Methodenansätzen aus Statistik, Künstlicher Intelligenz, Maschinellem Lernen und Mustererkennung sollten dabei ursprünglich „... allgemein verwendbare, effiziente Methoden [gefunden werden], die autonom aus großen Datenmengen die bedeutsamsten und aussagekräftigsten Muster identifizieren und sie dem Anwender als interessantes Wissen präsentieren“ (Hagedorn et al. 1997, S. 601). Der Wunsch nach völliger Automatisierung hat sich als unrealistisch erwiesen – trotzdem erweitert Data Mining die bisherigen Analyseansätze ganz erheblich durch die automatische Überprüfung möglicher Zusammenhänge zwischen dem Kundenverhalten und der Gestaltung kundenorientierter Geschäftsprozesse. Hierzu stellt Data Mining verschiedene Verfahren zur Verfügung, die sich nach ihrer Aufgabenstellung in die drei Gruppen „Klassifikation und Prognose“, „Segmentierung“ sowie „Abhängigkeitsentdeckung“ einteilen lassen. Ein typisches Beispiel der Klassifikation ist die Kündigeranalyse, bei der nach Variablen gesucht wird, die einen möglichst starken Zusammenhang zum Kündigungsverhalten aufweisen und aufgrund derer eine Klassifikation der Kunden möglich wird. Ein solches Klassifikationsmodell lässt sich auch zur Prognose der Kündigungswahrscheinlichkeit bestehender Kunden einsetzen (Bensberg 2002, S. 208). Eine Segmentierung verfolgt das Ziel, Individuen in vorab unbekannte homogene Kategorien zusammenzufassen. Hierbei werden durch das Verfahren selbständig Kundensegmente ermittelt, die sich durch ähnliche Merkmalskombinationen auszeichnen. Ein Beispiel für eine Abhängigkeitsentdeckung ist die Warenkorbanalyse, bei der untersucht wird, welche Produkte typischerweise gemeinsam innerhalb der Käufe eines Kunden auftreten. Data Mining stellt sich in der Praxis immer noch als sehr anspruchsvolle Aufgabe dar. Der Analyst muss neben methodischen Kenntnissen auch Erfahrungen im Umgang mit Datenbanken sowie einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund besitzen. Hierdurch kann er einerseits die definierten Data Mining-Ziele verfolgen, andererseits jedoch auch die erzielten Ergebnisse auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfen. Der Data Mining-Prozess umfasst die Auswahl, Bereinigung, Transformation und die eigentliche Analyse der Daten. Die erzielten Ergebnisse müssen abschließend interpretiert und evaluiert werden (für eine umfassende Einführung siehe Hippner/Wilde 2001).

136

René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde

Im Hinblick auf die Forderung nach langfristigen und differenzierten Kundenbeziehungen weist Data Mining im CRM-Kontext ein enorm weites Einsatzfeld auf (Hippner/ Wilde 2008). Unter Rückgriff auf das Konzept des Beziehungslebenszyklus kann Data Mining in den einzelnen Phasen unterschiedliche Beiträge zur Optimierung der Kundenbeziehung liefern. Die Möglichkeiten dieser phasenspezifischen Unterstützung werden in Abb. 3 dargestellt und im Beitrag „Data Mining – Grundlagen und Einsatzpotenziale in analytischen CRM-Prozessen“ (Hippner et al.) im fünften Teil dieses Buches genauer erläutert.

Potenzielle Kunden

Aktive Kunden

Verlorene Kunden

Reaktivierte Kunden

Freiwillige Kündiger

Zurückgewonnene Altkunden

Kunden mit hohem Wert

Zielmarkt

Reagierer

Kunden mit hohem Potenzial

Neukunden

Erfolgsbeitrag eines Kunden

Aufgaben

Kunden mit geringem Wert

Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen

Festigung der Beziehungen

Intensivierung der Beziehungen

Gezwungene Kündiger Zeit

Vermeidung von Kündigungen

Rücknahme von ungewollten Kündigungen

Interessentenmanagement

Kundenbindungsmanagement

Rückgewinnungsmanagement

Data MiningUnterstützung

• Zielgruppenselektion • Responseanalysen • etc.

• Warenkorbanalysen • Cross- und Up Selling-Analysen • Kundenbewertungen • etc.

• Churn-Analysen • etc.

Verfügbare Daten

• Zugekaufte Adressen • Soziodemographie

• Produktnutzung • Zahlungshistorie • Umfangreiche Kontakthistorie • Kommunikationspräferenzen • Selbstauskünfte • etc.

• Kündigungsgrund • etc.

• Mikrogeographie • Kontakthistorie • etc.

Abb. 3: Data Mining im Beziehungslebenszyklus Quelle: in Anlehnung an Berry/Linoff 2000, S. 72 ff.; Stauss 2000, S. 452 ff.

2.3

Web Mining

Die Basis für ein erfolgreiches Management der Kundenbeziehung ist das Wissen über den Kunden und seine Bedürfnisse. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Internets als Kommunikations- und Distributionskanal ist es entscheidend, das Internet auch als Datenquelle zu sehen und Wissen über die Nutzung und die Nutzer der

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme

137

Website zu generieren. Von besonderem Interesse für ein Unternehmen können beispielsweise die Zusammensetzung der Besucher einer Website, die Wirkung von Online-Werbung oder die Analyse des Online-Kaufverhaltens der Kunden sein (Hippner et al. 2002, S. 4 f.). Die Aufgabe des Web Mining liegt in der Analyse des Inhalts und der Struktur von Websites sowie des Kundenverhaltens auf einer Website. Hierbei lehnt sich das Web Mining bezüglich des verwendeten Instrumentariums und der Vorgehensweise an die Methoden des Data Mining an. Der wesentliche Unterschied zum Data Mining liegt in der zu analysierenden Datenbasis, die im Wesentlichen aus den Logfiles der Webserver besteht. Die größte Bedeutung im Rahmen des Web Mining kommt dem Web Usage Mining zu, mit dem das Navigations- und Nutzungsverhalten der Besucher analysiert wird (Zaiane et al. 1998, zur ausführlichen Darstellung der einzelnen Anwendungsgebiete siehe Kosola/Blockeel 2000). Dadurch können wertvolle Hinweise zur Anpassung der Internetseiten an die individuellen Interessen der Online-Kunden geliefert werden (Cooley et al. 1999). So können z. B. mit Clickstream-Analysen – ausgehend von einzelnen Einstiegsseiten – „Trampelpfade“ aufgefunden werden, auf denen sich die Internetnutzer überdurchschnittlich häufig durch die Websitestruktur bewegen. Entlang dieser Pfade können dann Hinweise auf Produktneuheiten, Werbung oder Bestellformulare etc. platziert werden. Ein anderes mögliches Einsatzgebiet von Web Mining liegt in der Generierung von Regeln zum personalisierten Aufbau von Websites. Kann z. B. eine OnlineBank beobachten, dass ein Kunde immer wieder dieselben Aktienkurse abfragt, so können diese dem Kunden automatisch beim nächsten Aufruf der Homepage angezeigt werden. Weitere Anwendungen bestehen in der Optimierung der Webseitengestaltung und in der Klassifikation der Kunden nach ihrem Informations- und Einkaufsverhalten.

2.4

Text Mining

Da ein Großteil der Kundeninformationen im Unternehmen nicht in binärer Form, sondern in Textform vorliegen, ist in der automatischen Analyse von Textdokumenten eine interessante Informationsquelle zur Anreicherung des Data Warehouse zu sehen. Text Mining Tools können eingesetzt werden, um diese vielversprechende Datenquelle zu nutzen: Hierzu bedienen sie sich Methoden verwandter Disziplinen wie z. B. Information Retrieval, Computational Linguistics und Data Mining mit dem Ziel, Wissen in Textdokumenten zu entdecken und zu extrahieren (Renz/Franke 2003, S. 1 ff.). Im Rahmen des CRM ergeben sich vielfältige Einsatzpotenziale des Text Mining: Während des gesamten Kundenbeziehungslebenszyklus fallen zahlreiche Textdaten an. Dies können zum einen Dokumente sein, die der Kunde selbst erstellt (z. B. E-Mails an das Unternehmen) oder aber Textdokumente, die Mitarbeiter über einen Kunden anlegen (z. B. Transkripte von Kundenanrufen in einem Call Center). Auf Basis dieser Dokumente können Text Mining Tools dazu beitragen, analytische Fragestellungen zu beantworten, die im Rahmen des CRM relevant sind. Ein Beispiel hierfür ist die Analyse von

138

René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde

Kundenfeedback, um ein Produkt den Kundenwünschen entsprechend zu gestalten bzw. zu verbessern (Bohnacker et al. 2002, S. 442 f.). Darüber hinaus kann Text Mining zur Anreicherung der Kundendaten eingesetzt werden, indem qualitative Textdaten in das Kundenprofil miteinbezogen werden. Eine operative Unterstützung kann Text Mining durch die Analyse eingehender E-Mails und die anschließende automatische Weiterleitung an die zuständigen Sachbearbeiter, auf Basis des Themenschwerpunkts, leisten.

3

Operative CRM-Systeme

Das operative CRM umfasst Lösungen zur IT-Unterstützung von Marketing-, Salesund Service-Prozessen, die den Dialog zwischen Kunden und Unternehmen sowie die dazu erforderlichen Geschäftsprozesse unterstützen. Dies bezieht die Steuerung der einzelnen Kommunikationskanäle mit ein, wobei auf die im Rahmen des aCRM gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen wird. Die einzelnen IT-Unterstützungen decken somit administrative, analytische und kontaktunterstützende Aufgaben ab.

3.1

CRM-Anwendungen

3.1.1 IT-Unterstützung von Marketing-Prozessen 3.1.1.1 Administrative Aufgaben Aufgabe der IT-Unterstützung von Marketing-Prozessen ist die Steuerung und Unterstützung der kundenbezogenen Geschäftsprozesse im Marketing, um den Informationsaustausch sowohl im Unternehmen als auch in der Interaktion mit dem Kunden sicherzustellen. Im Mittelpunkt steht dabei die ganzheitliche und logisch aufeinander aufbauende Gestaltung der Kundenkontakte. Kern der IT-Unterstützung von MarketingProzessen ist somit das Kampagnenmanagement (Campaign Management), das ƒ

dem richtigen Kunden,

ƒ

das richtige Informations- und Leistungsangebot,

ƒ

im richtigen Kommunikationsstil,

ƒ

über den richtigen Kommunikationskanal,

ƒ

zum richtigen Zeitpunkt vermittelt.

Hierbei wird, im Rahmen eines kundenorientierten Ansatzes, – ausgehend von Kaufund Kontakthistorien – für jeden Kunden die optimale Kampagne und deren Aktionsfolge sowie der optimale Zeitpunkt bestimmt (Hippner/Wilde 1998, S. 9). Die einzelnen Aktionen werden also nicht zeitlich geblockt abgewickelt, sondern orientieren sich zeitlich versetzt an den tatsächlichen Bedürfnissen des einzelnen Kunden. Dabei werden

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme

139

alle Customer Touch Points, im Hinblick auf die Forderung nach „One Face to the Customer“ synchronisiert, indem alle Werbemaßnahmen (z. B. Direct Mailings, E-Mailoder Telemarketing bzw. Printanzeigen, Wurfsendungen etc.) sowie die Kundenkontakte über Service, Sales oder E-Commerce einbezogen werden. Standen bisher, im Rahmen des „klassischen“ Database Marketing, zumeist isolierte Marketingaktionen im Vordergrund, so strebt das Kampagnenmanagement nun die Umsetzung integrierter Kontaktketten an, die aus dem kombinierten Einsatz der einzelnen Kommunikationskanäle bestehen können (Multi Channel Integration). Im Wesentlichen besteht das Kampagnenmanagement dabei aus den Phasen Kampagnenplanung, Kampagnensteuerung sowie der abschließenden Kampagnenauswertung. Kampagnenplanung Wichtige Teilphasen im Rahmen der Planung und Entwicklung von Kampagnen sind die Zieldefinition, die Zielgruppenselektion, die Kanalwahl sowie die Prozessdefinition. ƒ

In einem ersten Schritt muss die Kampagne anhand der verfolgten Zielsetzung (z. B. Kundenrückgewinnung oder Umsatzsteigerung in einem bestimmten Unternehmensbereich) näher definiert werden.

ƒ

Die Selektion der Zielgruppe einzelner Aktionen untergliedert sich im Normalfall in die Segmentierung der Potenzialkunden sowie die Auswahl der Zielsegmente und Kontrollgruppen (Leitzmann 2002, S. 389). Die Segmentierung der in sich heterogenen Kundschaft erweist sich im Kampagnenmanagement als zentraler Ausgangspunkt für eine zielgruppengerechte Kundenbearbeitung. Dabei gewinnen neben den klassischen Kriterien wie Alter oder Wohnort zunehmend verhaltensbezogene und psychografische Merkmale an Bedeutung (Pepels 1993, S. 244 f.). Die Kundenselektion in einem Kampagnenmanagementsystem ist beispielhaft in Abb. 4 dargestellt.

ƒ

Hauptkriterien für die Wahl des passenden Kommunikationskanals sind die Präferenzen des Kunden auf der einen sowie die Kosten-Nutzen-Relation für das Unternehmen auf der anderen Seite. Aus strategischer Sicht soll für den Kunden der gewünschte Kommunikations- und Absatzmix bereitgestellt werden, der gleichzeitig die Kostenstruktur des Unternehmens so wenig wie möglich belastet (Stäger 1999, S. 11 f.).

ƒ

Im Rahmen der Prozessdefinition fließen alle zuvor getroffenen Überlegungen hinsichtlich der Zielsetzung der Kampagne, Zielgruppe, Medienwahl sowie der Zeit- und Budgetplanung ein und werden gegebenenfalls in einem Kampagnenmanagementsystem visualisiert. Grundlegend für die Definition der Prozesse ist die Entscheidung über die Organisation der Kampagne. Neben Kriterien, wie der Steuerung einer Kampagne (zentral oder dezentral), wird insbesondere zwischen einstufigen und mehrstufigen Kampagnen unterschieden. Bei einstufigen Kampagnen werden die Kunden bzw. Kundengruppen nur einmalig angesprochen und es werden nur einmalige Kundenreaktionen erwartet. Im Rahmen von mehrstufigen Kampagnen werden dagegen, in Abhängigkeit von der jeweiligen

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René Rentzmann, Hajo Hippner, Frank Hesse, Klaus D. Wilde Kundenreaktion, mehrere, aufeinander aufbauende Aktionen geschaltet (Engels/ Smolarz 1999, S. 27). Mehrstufige Kampagnen stellen angesichts der im CRM angestrebten kontinuierlichen Kundeninteraktion den Normalfall dar.

Abb. 4: Beispiel für die Kundenselektion im Chordiant Marketing Director Kampagnensteuerung Kerngedanke der Kampagnensteuerung ist, dass jede erzielte Kundenreaktion in eine Kundendatenbank eingespeist und mit vordefinierten Werten für das Auslösen einer Folgeaktion abgeglichen wird. Die richtige Reaktion auf ein bestimmtes Kundenverhalten, im Rahmen komplexer Kampagnen, ist dabei nur möglich, wenn vorher Kommunikationsregeln aufgestellt wurden (z. B. „Wenn Kunde nicht auf Mailing reagiert, dann telefonisches Nachfassen.“). Bei diesem sogenannten eventgetriggerten Marketing werden Marketingmaßnahmen nach dem Eintreten bestimmter Ereignisse automatisch ausgelöst (getriggert). Ein solches Ereignis könnte im einfachsten Fall einer einstufigen Kampagne z. B. der Geburtstag eines Kunden sein, der dann automatisch eine Geburtstagskarte zugeschickt bekommt. In komplexeren Regelstrukturen kann beispielsweise ein bestimmtes Kauf- oder Informationsverhalten zum Auslösen einer Kampagne oder

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von Kampagnenschritten führen. Diese Prozessautomatisierung wird durch den Einsatz von sogenannten Business Rules ermöglicht (Herbst/Knolmayer 1994). Ziel dieser vordefinierten Regeln ist es dabei die Vorgänge zu automatisieren, zu beschleunigen und gleichzeitig die Komplexität der integrierten Prozesse zu bewältigen (Pfahrer/Walser 2002, S. 147). Damit der Kunde nicht zu häufig oder zu konkurrierenden Themen angesprochen wird, müssen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Kampagnen und Aktionen berücksichtigt werden. Dies verlangt nach der Definition von Ausschlusskriterien für einzelne Kontakte, um ein schlüssiges und harmonierendes Gesamtkonzept zu garantieren (Engels/Smolarz 1999, S. 27). Kampagnenauswertung Dem Grundgedanken eines Closed Loops folgend, werden die Reaktionen der Kunden auf Kampagnen bzw. einzelne Aktionen kontinuierlich dem Customer Data Warehouse zugeführt. Die Aufgabe der Wirkungsanalyse ist es nun, diese aktualisierten Daten auszuwerten und daraus handlungsrelevante Informationen für den weiteren Verlauf der Kampagne bzw. für weitere Kampagnen zu gewinnen. Insbesondere beim kundenorientierten Ansatz verspricht ein „Nachsteuern“ anhand der bisherigen Response eine optimierte Kundenansprache. Wie schon bei der Zielgruppenselektion können auch im Rahmen der Erfolgsmessung Methoden des Data Mining zusätzliche Informationen liefern. Dazu kann beispielsweise das Reaktionsverhalten verschiedener Kundensegmente, in Abhängigkeit von der jeweiligen Kauf- und Kontakthistorie, analysiert und zur Steuerung nachfolgender Aktionen genutzt werden. Der Wirkungsanalyse liegen dabei zahlreiche Fragestellungen zugrunde, wie z. B.: ƒ

Welchen Erfolg kann die Kampagne aufweisen?

ƒ

Wie effizient und effektiv erweisen sich die einzelnen Kommunikationskanäle?

ƒ

Existieren Ähnlichkeiten in der Kauf- und Kontakthistorie der Kunden, die positiv bzw. negativ auf die Kampagne reagiert haben?

3.1.1.2 Analytische Aufgaben Wie oben aufgezeigt, kommen kontinuierlichen Analysen der Kundencharakteristika und des Kundenverhaltens, im Rahmen der Marketing Automation, eine zentrale Bedeutung zu. Diese unter Einsatz von OLAP und Data Mining durchgeführten Analysen können dabei, in Abhängigkeit von der jeweils verfolgten Zielsetzung, unterschiedlichster Natur sein (siehe dazu auch Abschnitt 2.1 und 2.2). Insbesondere erweist sich die Segmentierung der in sich heterogenen Kundschaft im Kampagnenmanagement als zentraler Ausgangspunkt für eine zielgruppengerechte Kundenbearbeitung. Die solcherart erhaltenen Gruppen können dann, entsprechend ihrer jeweiligen Bedürfnisstruktur, effektiver angesprochen werden als durch ein un-

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differenziertes Massenmarketing. Aufbauend auf diesen Segmentierungen kann mit Kundenbewertungsmodellen für jeden Kunden, anhand ausgewählter Merkmale, sein Wert für das Unternehmen ermittelt werden (Kundenscoring). Dies erfolgt mit der Zielsetzung, in den einzelnen Segmenten die profitabelsten Kunden herauszufiltern, wobei man in zunehmendem Maße den Customer Life Time Value als Orientierungsgröße heranzieht (vgl. u. a. Krafft/Rutsatz 2006; Diller 2001).

3.1.1.3 Kontaktunterstützende Aufgaben Eine weitere Aufgabe der IT-Unterstützung von Marketing-Prozessen liegt in der Erstellung, Verwaltung und komfortablen Bereitstellung von Marketingmaterialien, um somit den Kundenkontakt an den Customer Touch Points zu unterstützen. Hierfür wurden in der Vergangenheit Marketing-Enzyklopädie-Systeme (MES) eingesetzt. In Form von multimedialen Wissensarchiven wurden darin alle verfügbaren Informationen über Produkte, Werbematerialien, Marktsituation, Trainingsunterlagen etc. abgelegt und an die entsprechenden Kommunikationskanäle verteilt (Dommershausen et al. 1999, S. 30). Heute werden diese Aufgaben im Regelfall von einem Content ManagementSystem (CMS) übernommen, das zusätzlich die Mitarbeiter bei der Erstellung der Inhalte unterstützt. Die Nutzung der Inhalte kann dabei sowohl intern durch Mitarbeiter als auch extern durch den Kunden direkt erfolgen. Die Aufgabe des Marketings ist in diesem Zusammenhang die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung der marketingrelevanten Inhalte des CMS.

3.1.2 IT-Unterstützung von Sales-Prozessen 3.1.2.1 Administrative Aufgaben Der Vertrieb stellt die Schnittstelle zwischen Kunden und Unternehmen dar, welche die intensivste Beziehung zum Kunden aufbauen kann. Durch den persönlichen Kontakt kennt der Vertrieb die Bedürfnisse, Anforderungen und Erwartungen der Kunden am genausten und gelangt somit auch an wichtige Informationen über Wettbewerber und deren Vorgehen (Ackerschott 1997, S. 202). Aufgrund der persönlichen Kundenkenntnis ist im Vertrieb noch am ehesten eine Individualisierung und nicht nur eine Differenzierung der Kommunikation möglich. Da viele CRM-Anbieter aus dem CAS-Bereich (Computer Aided Selling) kommen, werden von den heutigen CRM-Systemen die Routine- und Administrationsaufgaben des Vertriebs intensiv unterstützt. Dies umfasst z. B. (Link/Hildebrand 1993, S. 93 ff.): ƒ

Termin- und Routenplanung,

ƒ

Spesenabrechnung,

ƒ

Besuchsberichterfassung,

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme ƒ

Unterstützung bei der Angebotserstellung,

ƒ

Unterstützung bei der Zielplanung und Budgetierung,

ƒ

automatische Wiedervorlage,

ƒ

Verkaufsübersichten und geographische Informationssysteme,

ƒ

Kundendatenverwaltung etc.

143

3.1.2.2 Analytische Aufgaben Ausgangspunkt eines anbieterseitigen Kundenkontakts sollte auch im Vertrieb eine handlungsorientierte Analyse der verfügbaren Informationen über die bestehenden und potenziellen Kunden sein. Dabei sollten die Potenziale des einzelnen Kunden erkannt und entsprechende Akquisitionsziele gesetzt werden. Dies umfasst z. B. folgende Analysen: ƒ

Bei der Lost Order-Analyse werden alle Angebote, die nicht zu einem Auftrag führen, dahingehend analysiert, weshalb es zu keinem Abschluss gekommen ist. Aus dieser Analyse sollen Erkenntnisse über Veränderungen in der Wettbewerbsfähigkeit und Ansatzpunkte für die Änderung der strategischen Vorgehensweise gewonnen werden.

ƒ

Eine weitere Unterstützung bietet die Sales Cycle-Analyse. Diese dient der Vormerkung von Wiederbeschaffungszeitpunkten (z. B. für Handyverträge), um dann zum richtigen Zeitpunkt den Kunden auf einen möglichen Ersatzkauf ansprechen zu können. Der Vorteil für den Verkäufer ist darin zu sehen, dass er den Kunden frühzeitig ansprechen kann, bevor dieser sich selbständig auf die Suche nach einem neuen Angebot macht und bei seiner Suche womöglich zur Konkurrenz abwandert.

ƒ

Das Opportunity Management unterstützt den Vertriebsmitarbeiter dahingehend, Verkaufschancen aktiv nachzugehen. Unter Opportunity Management versteht man die mehrstufige Erfassung, Pflege und Qualifizierung jedes Kundenkontakts – von der noch anonymen Adresse bis zum letztendlichen Vertragsabschluss. Hierbei kann jederzeit der Status eines Kontakts/Angebots abgefragt werden, um einen aktuellen Gesamtüberblick über bestehende Verkaufschancen (Abschlusswahrscheinlichkeiten, erwartete Abschlusshöhe und -datum) zu erhalten. Unterstützt wird der Vertriebsmitarbeiter hierbei u. a. durch graphische Pipeline-Analysen, in denen die einzelnen Opportunities (Verkaufschancen) in den verschiedenen Stufen des Verkaufsprozesses, die vom Erstkontakt bis zum erfolgreichen Abschluss reichen, dargestellt werden (siehe Abb. 5).

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Abb. 5: Pipeline-Analyse von Siebel

3.1.2.3 Kontaktunterstützende Aufgaben Herkömmliche CAS-Systeme setzen ihren Schwerpunkt auf die administrative Unterstützung der Verkaufsprozesse. Während des eigentlichen Verkaufsgesprächs kommt es jedoch in erster Linie darauf an, dem Kunden ein individuelles Verkaufserlebnis zu vermitteln. Hierbei kommen Interactive Selling Systeme (ISS) zum Tragen, welche sich als Ergänzung von CAS verstehen und speziell für die Unterstützung des Verkaufsgesprächs entwickelt werden. ISS umfassen elektronische Produktkataloge, Produktkonfiguratoren sowie die bereits angesprochenen Marketing-Enzyklopädien. Sie finden nicht nur im Vertriebsaußendienst sondern auch in anderen Verkaufskanälen, wie dem Internet oder an KioskSystemen, ihren Einsatz. ISS geben dem Verkäufer alle Informationen zur Hand, die er zur Unterstützung seiner Argumentation beim Kunden benötigt (wie Preise, Lieferbedingungen, Vertragslaufzeiten usw.). Die einfachste Darstellung solcher Informationen erfolgt durch elektronische Produktkataloge, welche die Inhalte eines herkömmlichen Katalogs auf einem elektronischen Speichermedium (CD-Rom, Produktdatenbank etc.) bereitstellen und durch Selektionsund Beratungsfunktionen ergänzt sind.

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Während sich die elektronischen Kataloge nur auf die wesentlichsten Informationen in einfacher Darstellungsform beschränken, ermöglicht die Marketing-Enzyklopädie multimediale Produktpräsentationen und liefert dem Verkäufer und Kunden wesentlich mehr Hintergrundinformationen. Besteht ein Produkt aus mehreren konfigurierbaren Komponenten (z. B. Auto oder PC), so kann bei der individuellen Zusammenstellung des Produkts der Produktkonfigurator zum Einsatz kommen. Dieser führt z. B. automatische Kompatibilitätsprüfungen durch und ermittelt anschließend den Angebotspreis der zusammengestellten Variante. Dabei kann ein solches System nicht nur aktuelle Sonderpreise berücksichtigen, sondern auch individuelle Konditionen, die z. B. zwischen Kunde und Key Account Manager ausgehandelt wurden. Durch eine Anbindung an das ERP-System ist eine Online-Auftragserfassung möglich. So können noch vor Ort sowohl die Lieferfähigkeit und der Liefertermin abgerufen werden als auch Aufträge direkt in das Back Office-System übertragen werden.

3.1.3 IT-Unterstützung von Service-Prozessen 3.1.3.1 Administrative Aufgaben Der Servicebereich eines Unternehmens umfasst den Kundenservice im Außendienst sowie den Serviceinnendienst. Der Aufgabenbereich des Serviceinnendienstes liegt in der Annahme und Bearbeitung der von Kunden initiierten Kontakte, so dass die IT-Unterstützung hier v. a. die Kontaktabwicklung umfasst. Dagegen wird dem Außendienstmitarbeiter im Rahmen der IT-Unterstützung schwerpunktmäßig bei seinen administrativen Aufgaben zur Seite gestanden. Hierbei ähneln sich viele Aufgabenstellungen von Vertriebs- und Serviceaußendienst, so dass die entsprechenden Funktionen aus der ITUnterstützung des Sales-Prozesses auch im Service genutzt werden können. Analog zum Vertrieb wird der Serviceaußendienstmitarbeiter somit bei seinen Routineund Administrationsaufgaben unterstützt, z. B. durch Funktionalitäten zum Kontaktmanagement, zur Angebotserstellung, Spesenverwaltung, Routenplanung etc. Einige Systeme gehen dabei sogar so weit, dass dem Außendienstmitarbeiter besuchsspezifisch vorgeschlagen wird, welche Werkzeuge und Ersatzteile beim einzelnen Kunden benötigt werden. Stellt sich vor Ort das Fehlen von Ersatzteilen heraus, kann der Servicemitarbeiter über entsprechende Schnittstellen zum ERP-System die Verfügbarkeit der Teile ermitteln und dem Kunden genaue Angaben für den nächsten Besuchstermin geben. Im Rahmen der Besuchsnachbereitung erfasst der Servicemitarbeiter die vorgenommenen Arbeiten und ggf. erkannte Cross Selling- und Up Selling-Optionen. Ergänzend können entsprechende Kundenbewertungen und triggergeeignete Marketing- und Salesmaßnahmen vorgeschlagen werden.

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3.1.3.2 Analytische Aufgaben Wie bereits im Marketing und im Vertrieb bietet es sich auch im Servicebereich an, aus den, bei den zahlreichen Kundenkontakten anfallenden Informationen weiterführende Erkenntnisse abzuleiten. So ist z. B. von Mercedes-Benz bekannt, dass die gemeldeten Schadensfälle von Pkws dahingehend analysiert werden, ob die Schäden von bestimmten Ausstattungskombinationen, von der Betriebsdauer etc. abhängen. Mit solchen Analysen kann prognostiziert werden, bei welchen Pkws wann mit Problemen zu rechnen ist, um diese bereits bei vorgelagerten Inspektionen proaktiv zu beheben. Die große Bedeutung des Beschwerdemanagements führt dazu, dass auch in diesem Bereich verstärkt Analysen durchgeführt werden. Hier können Merkmale, wie die Zahl und die Art der eingegangenen Beschwerden, die durchschnittliche Erreichbarkeit des Mitarbeiters, die Dauer der Beschwerdebearbeitung, die Zufriedenheit des Kunden mit der Beschwerdebearbeitung, die angefallenen Kosten etc. berücksichtigt werden (Arzenheimer/Hippner 2000). Derartige Untersuchungen liefern ein wertvolles Feedback über das realisierte Serviceniveau, Verbesserungspotenziale in der Beschwerdebehandlung, Einsparungspotenziale etc. In letzter Zeit verstärken sich darüber hinaus die Anstrengungen, das Beschwerdemanagement mittels Text Mining zu unterstützen. Text Mining ermöglicht einen Zugang zur Analyse nichtstrukturierter Texte, wie z. B. Beschwerde-E-Mails. Eingehende E-Mails können so anhand ihrer Inhalte und Dringlichkeit klassifiziert und automatisch an den entsprechenden Sachbearbeiter weitergeleitet werden (siehe hierzu auch Abschnitt 2.4).

3.1.3.3 Kontaktunterstützende Aufgaben In vielen Fällen wird ein Servicemitarbeiter dann vom Kunden kontaktiert, wenn dieser ein Problem mit der Leistung des Unternehmens hat (Reklamationen, Beschwerden, Wunsch nach Beratung etc.). In dieser kritischen Phase der Kundenbeziehung ist es erforderlich, dem Kunden möglichst zuvorkommend zu begegnen. Den besten Beweis für unternehmerische Kundenorientierung stellt das Beschwerdemanagement dar (Stauss 2008). Beschwerden sind zunächst einmal Ausdruck von nicht erfüllten Erwartungen. Umso wichtiger ist es, die Beschwerde als eine Chance zu verstehen, die Erwartungen bei der Beschwerdebehandlung zu übertreffen und durch diese Reaktion den Kunden wieder an das Unternehmen zu binden – und zwar in der Regel sogar stärker als es vorher der Fall war. Dies bedeutet auch, dass Beschwerden nicht nur adäquat behandelt, sondern sogar stimuliert werden sollen. Schließlich kann Beschwerdeminimierung nicht das Ziel sein, wenn man bedenkt, dass sich viele unzufriedene Kunden nicht beklagen, sondern ihre Unzufriedenheit durch Abwanderung und negative Mund-zu-Mund-Propaganda kanalisieren. Unter diesem Gesichtspunkt stellt eine geringe Beschwerdeanzahl nicht zwangsläufig den Beweis für eine hohe Kundenzufriedenheit dar (Stauss/Seidel 2007, S. 113 ff.).

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Eine Beschwerdestimulierung verlangt nach der Bereitstellung eines oder mehrerer geeigneter Kommunikationskanäle wie Telefon, E-Mail oder Internet. Dies erfordert die explizite Kommunikation der Beschwerdemöglichkeiten nach außen hin, z. B. durch die Einrichtung einer Info- und/oder Beschwerde-Hotline, welche auf Produkten und Broschüren abgedruckt ist. Alle eingehenden Beschwerden müssen systematisch in einer Beschwerdedatenbank erfasst und bearbeitet werden. In der Regel wird dazu eine Beschwerdenummer vergeben und die weiterführenden Aktionen festgelegt, die zur Behandlung des Beschwerdegrunds angebracht sind. Kann die Beschwerde nicht behoben werden, so wird sie automatisch an eine übergeordnete Abteilung weitergeleitet (Eskalation). Wenden sich Kunden mit technischen Fragen an den Service (persönlich, telefonisch oder über das Internet), so kann dieser durch einen Help Desk unterstützt werden. Ein Help Desk ist ein wissensbasiertes Datenbanksystem, das für die Aufnahme von Störungsfällen, für die Beantwortung von Benutzeranfragen und die Weiterleitung nicht beantwortbarer Fälle zuständig ist. Dabei werden vom System Fragen vorgegeben, um das Problem möglichst detailliert zu beschreiben. Handelt es sich bei der Problemstellung um ein bereits bekanntes Problem, so können aus dem System unmittelbar Lösungsvorschläge ermittelt werden. Unbekannte oder sehr komplexe Probleme erfordern allerdings nach wie vor den Einsatz eines Spezialisten. Der Aufgabenbereich des Serviceinnendiensts erstreckt sich nicht nur auf die After Sales-Phase, sondern auch auf die Sales-Phase. So wünscht sich der Kunde während der eigentlichen Auftragsdurchführung häufig aktuelle Statusinformationen. Er möchte sich möglichst zeitnah über den Stand der Auftragsbearbeitung bis hin zum Versandtermin erkundigen. Können hier vom Servicemitarbeiter verlässliche Aussagen getroffen werden, so spiegelt dieses „Order Tracking“ gut organisierte Abläufe im Unternehmen wieder.

3.2

Customer Touch Points und Interaktionskanäle

Der CRM-Ansatz bezieht explizit alle Customer Touch Points sowie die Interaktionskanäle, die zur Kommunikation mit den Kunden und auch zur Distribution eingesetzt werden, mit ein. Die Steuerung und Koordination mehrerer Interaktionskanäle wird als Multi Channel Management bezeichnet (Schulze 2002, S. 43). Abb. 6 veranschaulicht beispielhaft die Nutzung verschiedener Kanäle durch unterschiedliche Kunden(-gruppen) im Rahmen eines Kaufprozesses. So ist ersichtlich, dass die Präferenz für einen Kanal, entlang des Kaufprozesses, unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Auf Basis dieser Überlegungen muss jedes Unternehmen für sich festlegen, welche Interaktionskanäle es bedienen will.

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Kundenprozess

Vor dem Kauf

Beim Kauf

Nach dem Kauf Familienvater, viel beschäftigt

Persönlich

Kanäle

Internet Student, das erste Mal selbständig

Telefon

Brief/Fax

Ältere Dame, weniger technisch versiert

Abb. 6: Beispielhafte Nutzung verschiedener Kanäle in einzelnen Phasen eines Kaufprozesses Quelle: in Anlehnung an Schögel/Sauer 2002, S. 26 ff.

Das Multi Channel Management muss gewährleisten, dass die Kunden über alle Interaktionskanäle eine einheitliche Sicht auf das Unternehmen (One Face to the Customer) erhalten, auf der anderen Seite jedoch auch das Unternehmen eine einheitliche Sicht auf den Kunden bekommt (One Face of the Customer), d. h., dass z. B. Außendienst- und Filialmitarbeiter auch über telefonische Kontakte des Kunden mit dem Unternehmen informiert sein müssen (Schulze 2002, S. 43). Unabhängig davon, welche Kanäle der Kunde für seine Anfrage präferiert, kann so eine verlässliche, schnelle und kompetente Reaktion auf seine Wünsche sichergestellt werden. Einen zunehmenden Stellenwert unter den Kommunikationskanälen nehmen dabei das Customer Interaction Center sowie das Internet ein, die nachfolgend näher betrachtet werden. Welchen Beitrag ein CRM-System für die Unterstützung weiterer Customer Touch Points (wie z. B. Außen- und Innendienst) leisten kann, ist bereits im Rahmen der IT-Unterstützung von Marketing-, Sales- und Service-Prozessen verdeutlicht worden.

3.2.1 Customer Interaction Center Während bisher die einzelnen Interaktionskanäle noch überwiegend isoliert voneinander organisiert wurden, werden sie heute zunehmend in ein Customer Interaction Center (CIC) integriert (Steidle 2000, S. 70 ff.). CICs stellen Weiterentwicklungen „klassi-

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme

149

scher“ Call Center dar, die verstärkt in das CRM-Konzept eingebunden werden. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Call Center, dessen Fokus auf der Telefonie liegt, unterstützen CICs zusätzlich weitere Kommunikationskanäle, wie z. B.: ƒ

Internet (Webseiten, Webformulare, Chats, Voice over IP etc.),

ƒ

E-Mail,

ƒ

Fax und Post,

ƒ

SMS,

ƒ

Mobile Internet.

Das Call Center wurde hierbei um Technologien wie Automatic Call Distribution, Computer Telephony Integration, Interactive Voice Response, Skill Based Routing, Workflow-Unterstützung sowie Skripting zum Customer Interaction Center erweitert. Für eine vertiefte Darstellung der IT-Unterstützung ausgewählter Kommunikationskanäle siehe auch den Artikel „IT-Unterstützung ausgewählter Kundenkontaktkanäle“ von Hauke/Wilde im vierten Teil dieses Buches.

3.2.2 Internet Die zunehmende Popularität des Internets und damit auch des E-Commerce unterstreicht die Notwendigkeit, das Internet als Kommunikationskanal in das CIC aufzunehmen. Dabei kann durch eine entsprechende Internetpräsenz der gesamte Customer Buying Cycle abgedeckt werden (Muther 1999, S. 167). So fungiert das Internet in der Pre Sales-Phase, in der sich der Kunde bereits für konkrete Produkt- und Preisinformationen interessiert, als klassischer Informationskanal, über den Unternehmen diesbezügliche Informationen bereitstellen können. Wichtig ist hierbei eine möglichst umfassende und gleichzeitig benutzerfreundliche Darstellungsform dieser Informationen. Interaktive Systeme, wie z. B. eine im Internet eingebundene Marketing-Enzyklopädie, fördern dabei das „virtuelle Verkaufserlebnis“. In der Sales-Phase, in der für den Kunden eine unkomplizierte Bestell- und Zahlungsabwicklung gewährleistet sein muss, bietet das Internet die Möglichkeit z. B. OnlineProduktkonfiguratoren in die Homepage zu integrieren. Je stärker der Kunde in die Erstellung seines Angebots eingebunden wird, desto höher ist die Chance, dass das Angebot seine individuellen Bedürfnisse trifft. Beispielhaft hierfür sind die großen Computerhersteller, die ihre Kunden bei der Auswahl von Produkten durch einen Produktkonfigurator unterstützen. So kann der Kunde alle möglichen Varianten durchprobieren, bis er sein individuell gewünschtes Modell selbst zusammengestellt hat. Dabei kann er nach jeder Änderung sehen wie sich der Preis ändert und ggf. gegensteuern. Über eine Anbindung an das ERP-System kann der Kunde Aufträge mitverfolgen und Statusmeldungen über den Verkaufsprozess online abrufen.

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In der After Sales-Phase steht der Online-Support im Vordergrund, was insbesondere die zügige Beantwortung aller auftretenden Fragen umfasst. Dies kann durch die Einbindung eines Help Desk-Systems in das Internet oder durch die Bereitstellung so genannter FAQs (Frequently Asked Questions) erfolgen. Um auf die Anliegen der Kunden etwas „menschlicher“ eingehen zu können, wurden in letzter Zeit vermehrt Chats mit CIC-Mitarbeitern eingesetzt. Somit wurde es möglich die früher eingesetzten Avatare durch reale Mitarbeiter zu ersetzen, die dem Nutzer durch ihre persönliche Präsenz ein persönliches Gespräch ermöglichen und damit den Nachteil der „Unpersönlichkeit“ des Internets auszugleichen versuchen. Während die oben dargestellten Funktionen lediglich eine unpersönliche Informationsbereitstellung für den Kunden bzw. Interessenten ermöglichen, können durch die Einbindung des Call Centers persönliche Dialoge mit dem Besucher der Website realisiert werden. Dies kann z. B. durch das Angebot eines Call Back Buttons erfolgen, mit dem der Besucher um einen Rückruf eines Call Center Agents bittet. Ähnlich kostengünstig erweist sich für den Interessenten die direkte telefonische Kontaktaufnahme über einen VoIP-Kanal (Voice over Internet Protocol). Die derzeit eleganteste Lösung stellt das Shared Browsing dar, bei dem sich der Call Center Agent parallel zum persönlichen Gespräch die Internetseiten des Kunden betrachten kann.

3.3

Operative Kundendatenbanken

Die operativen Kundendatenbanken dienen zur Unterstützung des Tagesgeschäfts derjenigen Mitarbeiter, die an der Schnittstelle zum Kunden arbeiten. Sie enthalten somit – anders als das für Analysezwecke entkoppelte Data Warehouse – vornehmlich Daten auf Individualebene und über laufende Transaktionen. Über die Inhalte operativer Kundendatenbanken können keine generellen Aussagen getroffen werden; diese hängen u. a. von der Branche, dem Geschäftszweig sowie den anvisierten CRM-Anwendungen ab (Rudolph/Rudolph 2000, S. 81). Als Richtlinie sollten jedoch all diejenigen Informationen in eine Kundendatenbank aufgenommen werden, die (in Anlehnung an Kreutzer 1991, S. 628) ƒ

zur Identifikation und gezielten Ansprache beitragen,

ƒ

nachhaltigen Einfluss auf das Kaufverhalten haben,

ƒ

etwas über die Wahrscheinlichkeit des Geschäftsabschlusses aussagen,

ƒ

Transparenz über die bisherigen Transaktionsepisoden schaffen,

ƒ

einen potenzialorientierten Einsatz der Kommunikationsinstrumente erlauben,

ƒ

Grundlage der Erfolgskontrolle und Erfolgsprognose sein können.

Für eine detaillierte Betrachtung möglicher Inhalte einer Kundendatenbank sei an dieser Stelle auf den Beitrag „Kundeninformationen als Basis des CRM“ von Leußer et al. im fünften Teil dieses Buches verwiesen.

IT-Unterstützung durch CRM-Systeme

4

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Fazit

Ein CRM-System stellt die technologische Grundlage der CRM-Strategie dar. In diesem Beitrag sind die Unterstützungspotenziale eines CRM-Systems zur Umsetzung der CRM-Strategie detailliert vorgestellt worden: Sie reichen von der operativen Unterstützung der Marketing-, Sales- und Service-Prozesse bis hin zur Analyse der Kundendaten, im Rahmen des analytischen CRM. Grundsätzlich kann zwischen zwei Klassen von CRM-Systemen unterschieden werden (Amberg/Schumacher 2002, S. 23 ff.): selektive und integrative CRM-Systeme. Selektive CRM-Systeme dienen zur Unterstützung einer bestimmten Phase der Anbieter-Kunden-Beziehung bzw. zur Unterstützung bestimmter Aufgabenbereiche wie z. B. Computer Aided Selling (CAS), Help Desk, Database Marketing u. a. Gemäß dem „best of breed“-Ansatz lassen sich diese funktionalen Teillösungen zu einer individuellen, umfassenden Lösung zusammenstellen. Entscheidend ist hierbei, dass die einzelnen Lösungen über entsprechende Schnittstellen verfügen, um mit den anderen Teillösungen kommunizieren zu können. Enterprise Application Integration (EAI) und Middleware entschärfen die Problematik der Integration dieser Teillösungen in die bestehende Systemlandschaft. Integrative CRM-Systeme vereinen die Funktionalitäten selektiver Systeme in einem System bzw. einer Systemgruppe und bieten so eine durchgängige Unterstützung der gesamten CRM-Prozesse an (Amberg/Schumacher 2002, S. 23 ff.). Das breite Spektrum an Funktionalitäten ist jedoch im Allgemeinen mit einem hohen Aufwand in der Anpassung der Funktionalitäten an die jeweilige Unternehmenslandschaft verbunden. Es lässt sich keine allgemeine Aussage darüber treffen, ob ein integratives CRM-System besser zur Realisierung der CRM-Strategie beiträgt als die Kombination verschiedener Teillösungen. Diese Frage muss für jedes Unternehmen individuell beantwortet werden, denn sie hängt von zahlreichen Faktoren ab: Unternehmensgröße, Budget und bestehende IT-Landschaft im Unternehmen (insbesondere auch bereits realisierte CRMFunktionalitäten) sind nur einige der möglichen Kriterien.

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Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

CRM-Controlling 1

Grundzüge des CRM-Controlling 1.1 Bedeutung und Inhalte des CRM-Controlling 1.2 Spezifika des CRM-Controlling 1.3 Aufgaben-/Teilfelder des CRM-Controlling

2

Instrumente des CRM-Controlling 2.1 Wirtschaftlichkeitsanalysen von CRM-Systemen 2.2 Methoden der Einzelkundenbewertung und -selektion 2.3 Kennzahlengestütztes CRM-Kampagnenmanagement 2.4 Die Balanced Scorecard (BSC) als übergreifendes Koordinationsinstrument im CRM-Controlling

Literaturverzeichnis

1

Grundzüge des CRM-Controlling

1.1

Bedeutung und Inhalte des CRM-Controlling

Unter Controlling wollen wir, im Anschluss an den kontributionsorientierten Ansatz, eine Führungsunterstützung – insbesondere Erfolgs-Vorsteuerung – durch Entscheidungsfundierung, Entscheidungsreflexion und Koordinationsentlastung verstehen. Abb. 1 verdeutlicht, welche Prinzipien und Instrumente dabei eine Rolle spielen. Bei den Prinzipien handelt es sich um ƒ

Koordinationsentlastung: Um sich auf wirklich zentrale Aufgaben wie z. B. die strategische Planung und personelle Koordination konzentrieren zu können, benötigt die Unternehmensführung größtmögliche Entlastung. Hier bieten sich vor allem solche Koordinationsaufgaben an, die einen stark bereichsübergreifenden Charakter haben, besonders aufwendig sind und ein hohes Maß an koordinationsrelevantem Spezialwissen erfordern. Dies verstehen wir als Koordinationsentlastung i. e. S., während die beiden nachfolgenden Prinzipien eher als generelle Unterstützung des gesamten Führungs- bzw. Harmonisationsprozesses (und damit als Koordinationsentlastung i. w. S.) aufzufassen sind.

ƒ

Entscheidungsfundierung: Für Entscheidungen müssen die bestmöglichen Grundlagen geschaffen werden; dies bedeutet, dass im Hinblick auf die für Entscheidungsprozesse heranzuziehenden Systeme, Modelle und Methoden sowohl die richtige Auswahl als auch die rechtzeitige Verfügbarkeit sichergestellt wird.

ƒ

Entscheidungsreflexion: Reflexion kann „als kritisch-distanzierende Gedankenarbeit“ (Pietsch 2003, S. 24; Pietsch/Scherm 2002, S. 198 f.) verstanden werden. Entscheidungen und Annahmen müssen hinterfragt werden; insbesondere muss die Unternehmung vor bewusst oder unbewusst eingeengten Perspektiven bewahrt werden, zumal dies auch wiederum die Entscheidungsfundierung berührt.

Alle im Folgenden angesprochenen Instrumente des Controlling haben gemeinsam, dass sie in einer dienenden Funktion zu den vorgenannten Prinzipien stehen (müssen). Ihre konkrete Auswahl bzw. Bestimmung vollzieht sich also danach, ob sie für die Umsetzung dieser Prinzipien von Nutzen sind. Dies wird im nachstehenden Kapitel noch exemplarisch zu konkretisieren sein. Grundsätzlich handelt es sich um folgende drei Arten von Instrumenten: ƒ

Systeme: Hierzu rechnen nach allgemeiner Übereinkunft zweifellos die Planungs-, Kontroll- und Informationssysteme; unterschiedlich beurteilt wird die Zuständigkeit des Controlling für weitere Führungssysteme (Link 2004, S. 26 ff., 31 f., 194 ff.).

ƒ

Modelle: Schon das Rechnungswesen und die auf ihm basierenden Kennzahlensysteme sind bekanntlich nichts als spezielle monetäre Abbilder (Modelle) der Unternehmung. Aber auch neuere Entwicklungen im Controlling wie Balanced

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

160

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary Scorecards oder Kundenmodelle verdeutlichen den Nutzen und die Aktualität von Modellierungen der Realität.

ƒ

Methoden: Schlägt man unterschiedliche Lehrbücher des Controlling auf, so mag zunächst der Eindruck der Beliebigkeit der dargestellten Methoden für Analyse- und Bewertungszwecke entstehen. Auswahlkriterium sollte nach unserer Auffassung die Nähe zu den vorgenannten Prinzipien sein; es muss weiteren Untersuchungen überlassen bleiben, wie starke und welche Auswirkungen dies auf das Methodenspektrum des Controlling hat.

Ebene Unternehmensführung

Harmonisation extern

intern

Wertsystem/Vision Sachziele

Formalziele

Sozialziele

ZIELE Ebene Controlling

PRINZIPIEN

Harmonisationsunterstützung strukturell

Entscheidungsfundierung

INSTRUMENTE

Systeme

fallweise

Koordinationsentlastung

Modelle

Entscheidungsreflexion

Methoden

Abb. 1: Controlling nach dem kontributionsorientierten Ansatz Ein CRM-Controlling ist dann die Unterstützung des Kundenbeziehungsmanagements durch Entscheidungsfundierung, Entscheidungsreflexion und Koordinationsentlastung unter besonderer Berücksichtigung der Erfolgs-Vorsteuerung. Was Erfolgs-Vorsteuerung meint, sei nun im Folgenden dargestellt. Erfolg erwächst den Unternehmen aus ihren externen und internen Erfolgspotentialen. Neben den Produkten stellen die Kunden die wichtigsten externen Erfolgspotentiale einer Unternehmung dar (Link 2009a; Link 1985). Jeder Kunde steht für ein bestimmtes Gewinnpotential; der längerfristige Wert des Kunden lässt sich – investitionstheoretisch gesehen – als Kapitalwert der Zahlungsströme einer Kundenbeziehung berechnen

CRM-Controlling

161

(Customer Lifetime Value/CLV). Die Summe aller so berechneten Kundenwerte drückt dann den langfristigen Wert des Kundenstammes aus (Customer Equity), der seinerseits eine zentrale Komponente des Customer Lifetime Values darstellt. Der mit ihnen erwirtschaftete Erfolg (Gewinn, Liquidität) bedingt allerdings die rechtzeitige vorherige Schaffung interner Erfolgspotentiale – z. B. technologische, humane oder strukturelle Potentiale. Letztere umfassen auch sämtliche Führungssysteme – von den Informationssystemen bis hin zu den Organisationssystemen. Es handelt sich bei diesen Wirkungszusammenhängen um eine grundsätzliche Vorsteuerungsaufgabe, d. h. Gewinn und Liquidität werden durch Produkte und Kunden, diese wiederum durch Führungssysteme vorgesteuert. Diese Zusammenhänge werden in Abb. 2 verdeutlicht. Neuere Balanced Scorecards des Kundenmanagements greifen diese Zusammenhänge auf und nutzen sie für eine Optimierung (Link/Kramm 2006; Grandjot 2006; Münster/ Seidl 2008; Seidl 2009).

strategische Aufgaben

Früherkennung Herausforderungen z. B. Früherkennung Unternehmenspositionierung

Schaffung interner Erfolgspotenziale z.z.B.B. Früherkennung Früherkennung von von FührungsFührungsnachwuchs

nachwuchs

operative Aufgaben

Schaffung externer Erfolgspotenziale z.B.B. B. z.z. Früherkennung Früherkennung Früherkennung profitabler profitabler profitabler Kundensegmente Kundensegmente Kundensegmente

Einsatz und Sicherung der Erfolgspotenziale

Schaffung von Gewinn

Schaffung von Liquidität

B. z.z.B. Früherkennung Früherkennung

B. z.z.B. Früherkennung Früherkennung

Kundenabwanderung Kundenabwanderung

Gewinnlücke Gewinnlücke

z. B. Früherkennung Liquiditätslücke

Früherkennungssysteme

Planungs-, Kontroll-, Informationssysteme

Risikomanagementsysteme

z. B. Bewertungsmodell Kundenakquisition

z. B. Prävention Kundenabwanderung

Rahmenkonzept ChancenManagement Rahmenkonzept ChurnManagement sonstige Führungssysteme

Produkte Kunden Märkte

sonstige interne Erfolgspotenziale

Abb. 2: Die Vorsteuerungskette im kontributionsorientierten Ansatz (mit Hervorhebung der Kundenaspekte) Quelle: Link 2009b, S. 52

162

1.2

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Spezifika des CRM-Controlling

Der Vorsteuerungsgedanke findet sich auch in der CRM-Pyramide (Link 1991) wieder. Auch hier wird deutlich, dass Kundenbindung und die damit bewirkten finanziellen Erfolge über mehrere Stufen, zu denen bestimmte Führungssysteme gehören, vorbereitet werden müssen. Umgekehrt können die betreffenden Systeme ihren Zweck aber nur erfüllen, wenn sie in Kenntnis der beabsichtigten Ziele (Ebene 1 in Abb. 3) und Strategien (Ebene 2) konzipiert werden. Viele Misserfolge im CRM haben ihre Ursache in eben diesem Versäumnis einer strategischen Anbindung der Systeme.

Ziel:

Strategie:

Umsetzung:

Erfolgreiche Kundenbeziehungen

Aufbau bestimmter Wettbewerbsvorteile

Aufbau KIS und CIB

Abb. 3: Das 3-Ebenen-Modell des CRM Quelle: Link/Weiser 2006, S. 87

Die Kundenorientierten Informationssysteme (KIS) der Ebene 3 sollen also auf Ebene 2 jene Wettbewerbsvorteile realisieren (z. B. Schnelligkeit, Individualisierung, Convenience), die dann auf Ebene 1 zur Bindung von Kunden führen sollen. Hierzu müssen die Kundenorientierten Informationssysteme (als interne Erfolgspotentiale) rechtzeitig und in Kenntnis der Ziele und Strategien geplant und implementiert werden. Ein CRM-Controlling weist – insbesondere auf der Basis gut ausgebauter KIS – folgende Spezifika auf: ƒ

Wichtigstes Kennzeichen ist der hohe Detaillierungsgrad in der Markterfassung und -abbildung, d. h. die Fähigkeit zur Abbildung der aktuellen und potentiellen Einzelkunden einer Unternehmung.

ƒ

Für jeden Einzelkunden können laufend und mit relativ geringem Aufwand hunderte von Merkmalen erfasst, gespeichert und für Zwecke des MarketingControlling ausgewertet werden.

ƒ

Bei entsprechender Organisation der Datenerfassung (Link/Weiser 2006, S. 95 ff.) können gleichzeitig und kontinuierlich ausführliche Konkurrentenpro-

CRM-Controlling

163

file erhoben, gespeichert und für Zwecke des Marketing-Controlling ausgewertet werden.

ƒ

Ökonomische und außerökonomische Erfolgsdaten (entsprechend Abb. 4) werden nicht nur nach Produkten, Regionen und Absatzkanälen, sondern bis hinunter zur Ebene der Einzelkunden geplant und kontrolliert.

ƒ

Bei Bedarf kann jederzeit auch der Übergang zu einer aggregierten Ebene – der Ebene der Marktsegmente (Kundengruppen) oder gar des Gesamtmarktes – realisiert werden.

ƒ

Eine ökonomische oder außerökonomische Erfolgszuordnung auf bestimmte Aktionen ist ohne hohen methodischen Aufwand gut herstellbar.

Ergebnis

Umsatz, Deckungsbeitrag, Marktanteil

Verhalten

Share of Wallet, Kundenabwanderungsrate, Wieder-/Folgekaufrate, Cross Buying-Rate, Weiterempfehlungen, Dauer der Beziehung

Verhaltensabsicht

Wiederkauf-/Weiterempfehlungsabsicht, Wechselbereitschaft

Einstellung

Zufriedenheit, Commitment, Vertrauen, Image, wahrgenommenes PreisLeistungsverhältnis

Ergebnis: Produkt-/Dienstleistungsqualität

Leistung

Kundenverhalten unter Low-Involvement-Bedingungen

Prozess:

Beratung, Bestellung, Lieferung

Potenzial: Fachkompetenz der Mitarbeiter Kundenorientierte Informationssysteme (KIS) Strategische Erfolgsposition

Abb. 4: Controllingebenen der Kundenbindung Quelle: in Anlehnung an Reinecke/Dittrich 2006, S. 329

Nähe zum tatsächlichen Kundenverhalten

Auf diese Weise wird der Markt in seinen detaillierten Kunden- und Anbieterstrukturen kontinuierlich elektronisch erfasst, was insbesondere für Zwecke der Früherkennung von großer Bedeutung ist. Schon durch leistungsfähige Systeme des Computer Aided Selling (CAS), erst recht aber durch entsprechende Erfassungsstrukturen des Online-Marketing (Link/Tiedtke 1999, S. 8 ff.) erfolgt eine Annäherung an die Konzeption eines Real-Time-Scanning aller interessierenden Marktdaten.

Informationsqualität für proaktive Maßnahmen

ƒ

164

1.3

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Aufgaben-/Teilfelder des CRM-Controlling

Auf der Basis der vorangegangenen Ausführungen – und insbesondere der Abb. 2 und 3 – lassen sich nun die nachfolgenden strategischen und operativen Aufgaben des CRMControlling voneinander unterscheiden. Im strategischen Bereich handelt es sich um den Aufbau von Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen sowie externer Erfolgspotentiale gemäß Abb. 2. ƒ

Besonders wichtige Beispiele für Planungs- und Kontrollsysteme des CRMControlling sind die bereits oben erwähnten Balanced Scorecards des Kundenmanagements. Sie dienen nicht nur als Kennzahlensysteme des CRM-Controlling, sondern sollen auch als Managementsysteme eingesetzt werden. Dies bedingt zum einen, dass ihre Zielgrößen in die Budgetierung einfließen und damit die Basis für die gesamte Steuerung und Kontrolle des Geschäftes darstellen. Zum anderen wird die Erreichung dieser Zielwerte in Anreizsystemen mit Sanktionen verbunden (Link/Weiser 2006, S. 49).

ƒ

Mit dem Aufbau von Informationssystemen ist vor allem die Schaffung der bereits erwähnten KIS angesprochen. Hier ist eine Vielzahl von Anforderungen an die konzeptionelle Gestaltung der KIS, aber auch die Gestaltung organisatorischer Rahmenbedingungen zu beachten. Dies reicht von der Einbeziehung des Außendienstes, des Managements und der Kunden bis hin zum Kooperationsmodell zwischen dem Marketingcontroller (Erstellung Pflichtenheft, Wirtschaftlichkeitsanalyse) und dem IT-Bereich bzw. dem CIO (Umsetzung der Konzeption) (Link/Weiser 2006, S. 92 ff., 24 ff.).

ƒ

Die Schaffung externer Erfolgspotentiale schließlich beinhaltet den Aufbau strategischer Erfolgspositionen (z. B. Technologien, Wettbewerbsvorteile, Absatzkanäle, Positionierungen) zur langfristigen Kundenbindung. Diese Aufgabe ist eingebettet in den grundsätzlichen Prozess der Marketingplanung und -kontrolle, wie er an anderer Stelle dargestellt worden ist (Link/Weiser 2006, S. 34 f.).

Im operativen Bereich geht es – wieder in Anlehnung an Abb. 2 – um Einsatz und Sicherung der internen und externen Erfolgspotentiale und die dadurch bewirkte Schaffung von Gewinn und Liquidität. Konkret umfasst dies ƒ

den laufenden Einsatz der Planungs- und Kontrollsysteme (Kunden-Deckungsbeitragsrechnungen, Kunden-Balanced Scorecards) in der aktuellen Periode inklusive der diversen Abweichungsanalysen und Ergebnis-Hochrechnungen. Hierzu sind die Langfristziele der Erfolgspotentiale teilweise noch auf Subkriterien und Subperioden herunterzubrechen (Link/Weiser 2006, S. 204), um geeignete Maßnahmen zu ergänzen und schließlich in Budgetwerte umzusetzen.

ƒ

den laufenden Einsatz und die Pflege aller KIS; hierzu gehören insbesondere ein- oder mehrstufige Kampagnen auf der Basis der Systeme des Database Marketing, des Computer Aided Selling und des Online Marketing. Dabei stellt

CRM-Controlling

165

die Pflege hohe Anforderungen an die Fachkompetenz, den Einsatzwillen und die Integrität der Beteiligten, insbesondere der Außendienstmitarbeiter (Link/ Weiser 2006, S. 95 ff.). ƒ

die laufende Bewertung aller Kunden nach ihrer Erfolgsträchtigkeit im Hinblick auf bestimmte Kampagnen sowie die laufende Abschätzung der Erfolgsaussichten von produkt- und/oder situationsgetriggerten Aktionen (Link/Weiser 2006, S. 218 ff.)

2

Instrumente des CRM-Controlling

2.1

Wirtschaftlichkeitsanalysen von CRM-Systemen

Den Beitrag von CRM-Systemen zum Unternehmenserfolg durch eine Kosten-/Nutzenanalyse bzw. eine Wirtschaftlichkeitsrechnung zu überprüfen, ist wichtig aber auch schwierig. Dabei ist der Weg zur Quantifizierung, Prognose und Präzisierung von Einzahlungsströmen oftmals nur über die Erfassung von Nutzen möglich, den ein CRMSystem stiftet. Insbesondere für CRM-Teilsysteme wie Database Marketing, Computer Aided Selling und Online Marketing lassen sich bei näherer Analyse zahlreiche Nutzenkomponenten identifizieren (Link/Schleuning 1999, S. 138 ff., 145 ff.). Nachstehend sollen einige Grundzüge für derartige Analysen/Berechnungen skizziert werden. Zunächst sei nochmals darauf hingewiesen, dass das Hauptproblem der Bewertung von CRM-Systemen natürlich in der Bewertung des Nutzens liegt; die Kostenkomponenten lassen sich meistens relativ gut abschätzen (Grochla/Thom 1980, Sp. 1494 ff.; Nagel 1988; Schumann 1992). Die Ableitung von Nutzenkomponenten bzw. Wettbewerbsvorteilen kann für CRM-Systeme ganz explizit – von außen – aus dem Unternehmenskontext erfolgen; diese werden dann als externe Effizienzkriterien bezeichnet (Link/Weiser 2006, S. 178; Link 2009a, S. 39 ff.). Daneben existiert ein breites Spektrum von Nutzenkomponenten im Sinne interner Effizienzkriterien der Unternehmung (Link 2009a, S. 42 ff.), die ebenfalls bei der Gestaltung von CRM-Systemen berücksichtigt werden sollten. Wenn man sich über die externen und internen Effizienzkriterien klar geworden ist, gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten zu Gesamtbewertungen von CRM-Systemen zu kommen: ƒ

Zum einen kann man die verschiedenen Effizienzkriterien mit Gewichten versehen und zu jedem Kriterium Punktwerte vergeben, wie es im Prinzip die verschiedenen Verfahren der Nutzwertanalyse tun. Das Problem dabei ist, dass mit Nutzwerten zwar die relative Vorteilhaftigkeit von Investitionen, nicht aber die absolute Vorteilhaftigkeit beurteilt werden kann. Das heisst, es ist zwar möglich, die vom Punktwert her beste unter verschiedenen Alternativen zu bestimmen; es ist aber keine Aussage auf der Basis der Punktwerte möglich, ob eine bestimmte Rendite bzw. Mindestverzinsung erreicht wird.

166

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

ƒ

Die andere Möglichkeit ist, für jedes Effizienzkriterium abzuschätzen, wie es sich auf bestimmte monetäre Größen auswirken wird. Letztlich kann nur ein solches Verfahren zu Ein- und Auszahlungsströmen führen, wie sie als Grundlage für Investitionsrechenverfahren und damit für Aussagen über die absolute Vorteilhaftigkeit benötigt werden.

Die Devise sollte insofern immer lauten, Punktwerte erst dann anstelle von monetären Größen einzusetzen, wenn monetäre Wirkungen beim besten Willen nicht mehr abschätzbar sind. Mit der folgenden Abbildung soll verdeutlicht werden, wie die zweite Alternative im Prinzip aussehen könnte. Als System wird hier ein Kundenorientiertes Informationssystem (KIS) als ein Teilsystem des CRM betrachtet.

Präferenzen durch Individualisierung

Präferenzen durch Schnelligkeit

Wiederholungskäufe

Cross-Selling

Besseres Eingehen auf Kundenwünsche individuelle Ansprache customized products höhere Beratungskompetenz überzeugende Präsentation

Früherkennung von Marktchancen höhere Reaktionsfähigkeit raschere Angebotserstellung

Erkennen von Ersatzbedarf Kundenbetreuung after sales Service Loyalitätsanreize

Aufspüren neuer Verkaufschancen und/oder zusätzlicher Serviceangebote

Rationalisierung Einsparungen bei weniger investitionswürdigen Kunden geringere Streuverluste bessere Erfolgskontrolle Lerneffekte durch Interaktion Personaleinsparung Automatisierung

größere Menge pro Kunde

höherer Preis pro Kunde höhere Zahl an Kunden höherer Umsatz

geringere Kosten höherer Gewinn

Abb. 5: Zur Umsetzbarkeit von Wettbewerbsvorteilen in monetäre Größen Quelle: Link/Hildebrand 1995, S. 18

Die obige Abbildung führt zu Überlegungen, ob beispielsweise durch die KIS ein höherer Grad der Individualisierung zu einer höheren Wertschätzung beim Kunden führen wird. Dies kann sich dadurch ausdrücken, dass eine höhere Zahl an Kunden gewonnen werden kann, aber auch dadurch, dass je Kunde ein höherer Preis erzielt werden kann. Diese Effekte sind nun im Einzelnen zahlenmäßig zu konkretisieren. Die gleiche Wir-

CRM-Controlling

167

kung kann im Prinzip von einer höheren Schnelligkeit erwartet werden. Bei der zahlenmäßigen Abschätzung derartiger Effekte können sowohl Erfahrungen aus der Vergangenheit als auch Beobachtungen bei Konkurrenten, aber vor allem auch Tests mit repräsentativen Stichproben von Kunden als Grundlage dienen. Auf die Erläuterung der weiteren Elemente soll hier verzichtet werden; es kommt nur darauf an hervorzuheben, dass interne oder externe Effizienzkriterien nicht nur als Basis für Nutzwertanalysen, sondern auch als Hilfsmittel einer monetären Quantifizierung wichtige Dienste leisten können. Am Ende des obigen Bewertungsschemas soll sich offenbaren, ob der Anschaffungsauszahlung für das CRM-Teilsystem ein entsprechender Zusatzgewinn gegenübersteht.

2.2

Methoden der Einzelkundenbewertung und -selektion

Ein Schlüssel zur Steigerung des Gewinns im Unternehmen liegt in der angemessenen Aufteilung der begrenzten finanziellen Mittel auf die Kunden entsprechend ihrem unterschiedlichen Kundenwert bzw. ihrer unterschiedlichen Investitionswürdigkeit. Verfahren der Kundenbewertung stehen daher seit langem im Blickpunkt des CRM. Neben monetären Verfahren zur Berechnung des Kundenwertes wie dem Customer Lifetime Value (CLV) oder der Kundendeckungsbeitragsrechnung sind im CRM bereits frühzeitig auch Verfahren der nicht-monetären Kundenbewertung entwickelt worden wie Scoring-Verfahren, der Portfolio-Ansatz oder Share of Customer-Analysen (Link/Weiser 2006, S. 125 f., 169 ff.; Palloks-Kahlen 2001, S. 520 ff.). Hinsichtlich der Vorhersage des zukünftigen Kaufverhaltens bzw. der Abschätzung der Kaufwahrscheinlichkeit von Einzelkunden kann es sinnvoll sein, neben monetären Größen (Umsatz, Deckungsbeitrag) auch nicht-monetäre Größen wie kaufverhaltensrelevante Merkmale (z. B. Kaufhistorie, Haushaltseinkommen) zu berücksichtigen. Dafür können insbesondere Scoring-Verfahren zur Anwendung kommen. Jeder einzelne Kunde wird anhand der relevanten Kriterien mit Punkten bewertet, die zu einem KundenScore addiert werden. Je höher das Punktekonto, desto höher ist der Kunde in seiner Bedeutung für das Unternehmen einzustufen und umso günstiger sind die Erfolgsaussichten. Je niedriger der Punktestand, desto geringer ist die Kaufwahrscheinlichkeit. Konkrete Marketingmaßnahmen können dann an vorher festgelegte Mindestpunktzahlen gebunden werden. Eines der bekanntesten Scoring-Modelle ist die RFMR-Methode, deren Ursprung bis in die zwanziger und dreißiger Jahre zurückgeht, wo sie von amerikanischen Versandhandelsunternehmen entwickelt und eingesetzt wurde, um die Qualität ihrer Kunden zu bewerten (Stone 1988, S. 30 ff.; Schaller 1988, S. 122 f.; Holland 1992, S. 73 ff.). Dieses Punktebewertungsverfahren wird – zum Teil in modifizierter Form – bis heute eingesetzt. RFMR steht dabei für Recency (Zeitpunkt des letzten Kaufes), Frequency (Kaufhäufigkeit) und Monetary Ratio (Wert des Kaufes).

168

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Die Grundidee des Modells besteht darin, dass nicht alle Kunden eines Unternehmens die gleiche Kaufwahrscheinlichkeit aufweisen und demnach eine entsprechende Klassifizierung einen effizienteren Einsatz, insbesondere des Werbeinstrumentariums (Kataloge, Prospekte usw.), erlaube. Basierend auf einem Ausgangspunktwert erhalten die Kunden je nach Kaufverhalten Punktezuschläge oder -abschläge. Dabei wird Kunden, deren Käufe in jüngerer Zeit datieren, ein höherer Punktwert gutgeschrieben als Kunden, die seit längerem keinen Kauf mehr getätigt haben (Recency). Kunden, die innerhalb einer Periode mehrmals bestellen, sind für das Unternehmen wertvoller als Einmalkunden (Frequency). Und nicht zuletzt sind Kunden mit einem hohen Umsatz pro Bestellung höher einzustufen als jene Kunden, mit denen nur geringe Umsätze erzielt werden konnten (Schaller 1988, S. 122 f.). Umgekehrt werden Punkte abgezogen, wenn in den Kunden investiert wird, wenn er also z. B. einen Katalog zugeschickt bekommt. Punktabzüge können auch vorgenommen werden, wenn ein Kunde bestellte Ware wieder zurückgibt, was insbesondere im Versandhandel sehr häufig vorkommt. Die folgende Beispielrechnung in Abb. 6 soll das Grundprinzip der RFMR-Methode verdeutlichen:

FAKTOREN STARTWERT LETZTES bis 6 Monate KAUFDATUM + 40 Punkte HÄUFIGKEIT DER KÄUFE IN DEN LETZTEN 3 MONATEN DURCHSCHNITTLICHER bis 50 EUR UMSATZ DER LETZTEN 3 KÄUFE + 5 Punkte ANZAHL 0 - 1 RETOUREN (KUMULIERT) 0 P unkte ZAHL DERWERBESENDUNGEN S EIT LETZTEM KAUF

25 Pun kte bis 9 Monate bis 12 Monate bis 18 Monate bis 24 Monate früher + 25 P unkte + 15 Punkte + 5 Punkte - 5 Punkte - 15 Punkte Zahl der Aufträge multipliziert mit dem Faktor 6 bis 100 EUR bis 200 EUR

bis 300 EUR

bis 400 EUR

über 400 EUR

+ 15 P unkte 2-3

+ 35 Punkte 7 - 10

+ 40 Punkte 11 - 15

+ 45 Punkte über 15

- 20 Punkte - 30 Punkte Sonderkatalog je -6 Punkte

- 40 Punkte Mailing je -2 Punkte

+ 25 Punkte 4- 6

- 5 Punkte - 10 Punkte Hauptkatalog je - 12 Punkte

Abb. 6: Beispiel der RFMR-Methode Quelle: Link/Weiser 2006, S. 170

Je höher die aktuelle Gesamtpunktzahl eines Kunden ist, desto höher ist dieser in seiner Bedeutung für das Unternehmen einzustufen und umso günstiger sind die Erfolgsaussichten eines Angebots bei diesem Kunden. Je niedriger das Punktekonto ist, umso geringer ist auch die Kaufwahrscheinlichkeit. Für eine konkrete Werbeaktion lassen sich dann Punkteintervalle festlegen, so dass z. B. alle Kunden mit mehr als 75 Punkten einen Katalog erhalten, den Kunden zwischen 35 und 75 Punkten ein Mailing mit beigehefteter Katalogbestellkarte zugesandt wird und die restlichen Kunden nicht angesprochen werden. Beim Versand von Katalogen und anderen Werbemitteln lassen sich

CRM-Controlling

169

mithilfe dieser Methode Kosten in z.T. beträchtlichem Maße einsparen, da zu große Streuverluste zunehmend vermieden werden können. Kundengruppen mit dauerhaft sehr niedrigem Punktestand lassen sich gegebenenfalls gänzlich eliminieren. Punktbewertungsverfahren können im Laufe der Zeit – unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse – zunehmend verbessert (Bewertungsvorschrift) bzw. verfeinert werden, indem z. B. Gewichtungen der einzelnen Faktoren vorgenommen werden. Überdies kann eine Verfeinerung durch die Aufnahme weiterer Faktoren in das Modell (z. B. Erstbestellwert, Käufe der Vorperiode, Produktgruppen/Sortimentsbereiche der Bestellungen, Verbundkäufe, Zahlungsart, Zahlungsmoral, Freundschaftswerbungen, Einkommen, Beruf) vorgenommen werden. In der Praxis existieren Modelle, die bis zu 1.000 Merkmale je Kunde einbeziehen (Holland 1992, S. 75). Neben dem vorstehend behandelten Bewertungsverfahren gewinnt im Rahmen der Kundenanalyse, insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung und Selektion von Zielpersonen und -gruppen, der Portfolio-Ansatz zunehmend an Bedeutung. Hierbei wird jeder einzelne Kunde hinsichtlich seiner Investitionswürdigkeit anhand zweier grundlegend unterschiedlicher Dimensionen bewertet: ƒ

Die Kundenattraktivität weist aus, wie interessant der Kunde an sich ist. Als Bewertungskriterien kommen bspw. der gegenwärtige und zukünftig zu erwartende Gesamtbedarf, z. B. Umsatz und Umsatzentwicklung (Potentialdaten), seine Bonität und Leitfunktion für andere Abnehmer (Grunddaten), die Preissensibilität und sein Reklamations- bzw. Kooperationsverhalten (Reaktionsdaten) sowie die kundenspezifische Beratungs- und Serviceintensität (Aktionsdaten) in Betracht.

ƒ

In der eigenen Wettbewerbsposition soll sich die eigene Erfolgsposition beim Kunden im Vergleich zur Konkurrenz ausdrücken. Hierfür können u. a. die geografische Nähe des Kunden zur Lieferbasis (Grunddaten), sein Ausstattungsgrad mit Erzeugnissen des Unternehmens respektive der eigene Lieferanteil (Reaktionsdaten), Produkt-/Firmenimage beim Kunden (Reaktionsdaten) etc. als Kriterien herangezogen werden.

Anhand jedes einzelnen – für das Unternehmen in Frage kommenden – Kriteriums, werden die Kunden jeweils bewertet. Die Addition der Einzelwerte liefert für jede Dimension einen Gesamtwert, wobei die einzelnen Kriterien mit Gewichten versehen sein können. Die Gesamtwerte bestimmen als Koordinaten die Position in der PortfolioMatrix und verdeutlichen dadurch die Investitionswürdigkeit des Einzelkunden (Link/ Weiser 2006, S. 171 ff.). Die individuelle Berücksichtigung der Investitionswürdigkeit jedes einzelnen Kunden hat zur Folge, dass insbesondere aufwendigere Marketingmaßnahmen (Außendienstbesuche, exklusive Kataloge, Sonderrabatte, Sonderanfertigungen etc.) auf die wirklich wichtigen Kunden beschränkt bleiben. Weniger ertragreiche Kunden bleiben außen vor und werden gegebenenfalls mit weniger aufwendigen Maßnahmen bearbeitet (Telefonkontakt, Standardkatalog, Beschränkung auf übliche Mengenrabatte und Standarderzeugnisse etc.).

170

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Die möglichen Auswirkungen auf eine Gewinnsteigerung durch die oben genannten Verfahren sollen die folgenden praxisbezogenen Beispiele verdeutlichen: ƒ

Ein Versandhändler verschickt jedes Jahr an seine 10 Millionen Kunden einen Katalog im Wert von 5 Euro. Wenn es gelingt, durch Scoring-Modelle jene 10 % der Kunden zu identifizieren, bei denen auf die Zusendung des Kataloges (fast) ohne Schaden verzichtet werden kann, bedeutet dies eine jährliche Einsparung von 5 Millionen Euro.

ƒ

Ein Versicherungsunternehmen beschäftigt 1000 Außendienstmitarbeiter mit Durchschnittskosten von 50.000 Euro. Wenn es gelingt, durch Portfolio-Modelle jene 10 % der Kunden zu identifizieren, bei denen auf persönliche Besuche zukünftig (fast) ohne Schaden verzichtet werden kann, bedeutet dies eine mögliche Einsparung von 100 Außendienstmitarbeitern bzw. Kosteneinsparungen von ebenfalls 5 Millionen Euro.

Ein spezieller Ansatz zur besseren Gewinnoptimierung stellt auch die Share of Customer Analyse dar, die speziell an Potentialdaten anknüpft (Link/Weiser 2006, S. 125 f.). Diese in der Kundendatenbank abzuspeichernde Kategorie von Daten soll Anhaltspunkte für die produktgruppen- und zeitpunktbezogene Kundennachfrage liefern. Die zu beantwortende Frage lautet: Welcher produktgruppenspezifische Gesamtbedarf wird zu welchen Zeitpunkten voraussichtlich beim Kunden auftreten? Da dieser unter optimalen Bedingungen seinen Gesamtbedarf durch Auftragserteilung an ein einziges Unternehmen decken könnte bzw. würde, stellt die volle Potentialausschöpfung bzw. ein auf diesen Kunden bezogener Marktanteil (Share of Customer) von 100 % die Obergrenze der eigenen möglichen Zielsetzung hinsichtlich dieses Kunden dar. Der faktische bisherige Marktanteil wird entweder bei 0 % (Neukunde) oder z. B. bei 30 % liegen. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen den bisherigen eigenen Lieferungen an den Kunden einerseits und der für die Zukunft prognostizierten Gesamtnachfrage des Kunden (dem Kundenpotential) werden bei vielen Kunden Steigerungspotentiale für den Gewinn sichtbar, die sich in einer entsprechenden Zielplanung bezüglich dieser Kunden niederschlagen können. Ein Vergleich von Potentialdaten, in unserem Fall des Share of Customer, mit Reaktionsdaten wie Eigenumsätzen zeigt im Rahmen der kundenbezogenen Erfolgsplanung und -kontrolle allerdings erst, wie erfolgreich das Unternehmen im Vergleich zu den Wettbewerbern gewesen ist. Das Konzept des Customer Lifetime Value (CLV) (= Lebenszeitwert eines Kunden) überträgt Prinzipien der Investitionsrechnung auf die Kundenbeziehung zur Bestimmung des langfristigen monetären Kundenwerts (Link/Weiser 2006, S. 184 ff.; Dwyer 1989; Blattberg/Deighton 1993, S. 98 f.; Shaw/Stone, 1988, S. 135 ff.). Der CLV verdeutlicht, wie Kunden in unterschiedlichem Maße zum Unternehmenserfolg beitragen. Im Rahmen einer wertorientierten Unternehmensführung ist es notwendig, Kunden unter dem Gesichtspunkt ihres individuellen Erfolgbeitrages bzw. ihrer Rentabilität zu betrachten und sich ein Bild über den langfristigen Wert – und damit auch die „Investitionswürdigkeit“ – einzelner Kunden zu machen. An dieser Investitionswürdigkeit muss sich dann die Aufteilung aller Marketingbudgets auf die einzelnen Kunden weitgehend orientieren. In seiner konsequentesten Form orientiert sich der CLV an der Kapitalwert-

CRM-Controlling

171

methode, wonach der Wert eines Investitionsobjekts (Kunde) sich aus den diskontierten, dem Kunden direkt zurechenbaren Ein- und Auszahlungsströmen während der gesamten Lebensdauer einer Investition (Kundenbeziehung) errechnet. Mit anderen Worten, es werden die Umsätze sämtlicher zu prognostizierender Verkäufe an einen Kunden sowie die dadurch unmittelbar entstehenden Ausgaben für die voraussichtliche Gesamtdauer der Kundenbeziehung gegenübergestellt und auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert. Der CLV (Link/Hildebrandt 1997, S. 164; Link/Hildebrandt 1993, S. 54) baut auf dem Kunden-Lebenszyklus auf, der durch eine Einzahlungs- und Auszahlungszeitreihe (bzw. Erlös/Umsatz und Kosten) operationalisiert wird (Homburg/Schnurr 1998, S. 183); für die Berechnung des CLV ist es jedoch nicht erforderlich, dass die Kundenbeziehung dem idealtypischen Muster folgt. Auf die Berechnung soll hier nicht näher eingegangen werden, sondern verwiesen werden (Link/Weiser 2006, S. 185 ff.). Mit Hilfe der Kundendeckungsbeitragsrechnung als weitere monteräre Methode der Kundenbewertung kann der Beitrag jedes Kunden zum Periodengewinn ermittelt werden (Link/Schleuning 1999, S. 122 ff.). Durch eine verursachungsgerechte Zuordnung von Erlösen und Kosten wird ein monetärer, aussagefähiger Kundenwert errechnet: der Kundendeckungsbeitrag. Dieser lässt erkennen, wie wichtig der einzelne Kunde gegenwärtig für den Unternehmenserfolg ist und erlaubt differenzierte Aussagen darüber, welche Kunden profitabel sind und welche Aufwendungen sich für die Gestaltung der Marketingmaßnahmen rechtfertigen lassen. Aufgrund des anvisierten langfristigen Charakters einer Kundenbeziehung wäre es sehr kurzsichtig, den Wert eines Kunden nur anhand des gegenwärtigen Deckungsbeitrages zu ermitteln. Vielmehr empfiehlt es sich, das zukünftige Entwicklungspotential zu berücksichtigen. Das Kundendeckungsbeitragspotential ergibt sich aus der Summe der gegenwärtigen Deckungsbeiträge sowie der für die Zukunft prognostizierten Deckungsbeiträge.

2.3

Kennzah lengestütztes CRM-Kampagnenmanagement

Das Ziel des CRM besteht in der Herstellung, Aufrechterhaltung und Nutzung erfolgreicher Kundenbeziehungen zum Einzelkunden (Link/Tiedtke 2001, S. 13). Dieses Ziel der Kundenbindung ist ebenfalls ein „klassisches“ Ziel des Direktmarketing (Link/ Schleuning 1999). Die Kundenbindung ist dabei nur bei den Kunden erwünscht, die sich für das Unternehmen „rechnen“ – also einen entsprechenden Kundenwert aufweisen – was wiederum ebenfalls deren Investitionswürdigkeit widerspiegelt. Es darf demnach nur soviel in einen Kunden investiert werden, wie es das ökonomische Potential des Kunden rechtfertigt. Dies gilt es ebenfalls bei der Durchführung von Kampagnen bzw. Aktionen im CRM zu berücksichtigen; hier muss der Erfolgsbeitrag zur Sicherstellung der Kundenbeziehungen der einzelnen CRM-Aktion geplant und kontrolliert werden. In der Phase der Aktionsplanung sollte deshalb die Unterstützung des Kampagnenmanagements insbesondere durch die Kalkulation der Kampagnenkosten und der Kampagnenerträge erfolgen, wohingegen in den sich anschließenden Phasen der Aktionsumset-

172

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

zung und des Fulfillment die unterschiedlichen Testverfahren und die Kontrolle der Erfolgskennzahlen einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der Effizienz und Effektivität der Kampagne leisten (siehe Aktionszyklus in Abb. 8). Im obigen Zusammenhang sind Kennzahlen von imenser Bedetung (Link/Weiser 2006, S. 299 ff.; Link/Kramm 2006, S. 564 ff.). Wichtige monetäre Kennzahlen zur Analyse und Bewertung von CRM-Aktionen und damit zur Entscheidungsfundierung im Unternehmen liefert das Rechnungswesen. Von besonderer Bedeutung für die Planung- und Kontrolle von CRM-Aktionen sind systematisch und strukturiert aufbereitete Kennzahlen über die mit der Durchführung von CRM-Aktionen verbundenen Kosten und Erlöse. Hier lassen sich bspw. durch die verursachungsgerechte Weiterverrechnung der Kostenstellenkosten auf eine CRM-Aktion alle Kosten der Aktion, die während des Aktionsprozesses von der Planungsvorbereitung über die Aussendung bis hin zur abschließenden Erfolgskontrolle voraussichtlich zusätzlich anfallen werden bzw. angefallen sind, ermitteln (Palloks 1997, S. 407). Des Weiteren liefern zur Beurteilung der Erfolgswirkung einer CRM-Kampagne Ertragskennzahlen wie Umsatz- und Deckungsbeitragssteigerungsraten, die mit einer CRM-Aktion verbunden sind, wertvolle Hinweise. Mit Hilfe einer ex-ante Break Even Point-Kalkulation, als ein Instrument zur Entscheidungsreflexion, besteht die Möglichkeit die Auswirkungen unterschiedlicher Erlös-, Kosten- und Mengenänderungen auf den Erfolg einer CRM-Aktion zu verdeutlichen. Zur Sicherstellung des Erfolges einer CRM-Kampagne sind ebenfalls nicht monetäre Erfolgsgrößen zu beachten. Mit Hilfe von nicht monetären Erfolgsgrößen lassen sich noch während der Aktionsdurchführung möglicherweise erforderliche Korrekturen identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Nicht monetäre Erfolgsgrößen können demzufolge als wichtige Hilfsgrößen für monetäre Erfolgskennzahlen angesehen werden. Nachfolgend zeigt die Abb. 7 die Erfolgskennzahlenpyramide des Direktmarketing, welche sich aufgrund einer identischen Zielsetzung (siehe obige Ausführungen) auch für die Planung und Kontrolle von CRM-Aktionen eignet, die dargelegten nicht monetären Leistungsmaßgrößen zur Erfolgsanalyse und -bewertung. Der „Erfolgsweg“ erstreckt sich von der Pyramidenbasis (Werbekontaktpersonen) über die Zwischenschritte Response/Reaktion, Interessenten, Aufträge und Festbestellungen bis hin zur Pyramidenspitze (Abschlüsse). Setzt man die jeweilige Anzahl der letztgenannten Größen in Relation zu den Werbekontaktpersonen bzw. der Gesamtanzahl der Aussendungen, so ergeben sich die Kennzahlen der Responsequote, der Interessentenquote, der Auftragsquote, der Festbestellquote sowie der Abschlussquote. Darüber hinaus können durch Division einzelner Größen aus den Zwischenschritten weitere Kennzahlen gebildet werden. Dividiert man beispielsweise die Anzahl der Interessenten durch die Anzahl der Reaktionen auf eine CRM-Aktion, so ergibt sich die Responseinteressentenquote. Analog dazu lassen sich aus Aufträgen und Interessenten die Interessentenumwandlungsquote, aus Festbestellungen und Aufträgen die Auftragsumwandlungsquote und schließlich aus Abschlüssen und Festbestellungen die Festbestellumwandlungsquote errechnen. Ferner kann es im Prozessablauf einer CRM-Aktion immer wieder zu Tatbeständen kommen, die einen endgültigen Abschluss verhindern, wie z. B.

CRM-Controlling

173

fehlender Response (Non-Response-Quote), Absagen (Absagenquote bzw. Interessentenabsagenquote), Unzustellbarkeit (Unzustellbarkeitsquote), Stornierungen (Stornoquote), Retouren (Retourenquote) oder Zahlungsausfälle (Zahlungsausfallquote).

Abschlussquote [ABQ = AB / P]

Abschlüsse [AB] Festbestellumwandlungsquote = [AB / FB]

Festbestellquote [FBQ = FB / P]

Festbestellungen [FB]

Zahlungsausfälle [Z] (Anzahl oder Umsatz)

Auftragsumwandlungsquote = [FB / A] Auftragsquote [AQ = A / P]

Aufträge [A]

Retouren [Re] (Anzahl oder Umsatz) Stornierungen [S] (Anzahl oder Umsatz)

Zahlungsausfallquote [ZQ = Z / FB] Retourenquote [ReQ = Re / A] Stornoquote [SQ = S / A]

Interessentenumwandlungsquote = [A / I] Interessentenquote

Interessenten [I]

[IQ = I / P]

Interessentenabsagen [IA]

Interessentenabsagenquote [IAQ = IA / I]

Unzustellbarkeit [U]

Unzustellbarkeitsquote [UQ = U / P]

Responseinteressentenquote = [I / R] Response/Reaktion [R]

Absagen [Abs]

Absagenquote [AbsQ = Abs / P]

Verweigerer [V]

Non-Response-Quote [NRQ = V / P]

Responsequote = [R / P] Werbekontaktpersonen [P]

Abb. 7: Erfolgskennzahlenpyramide des Direktmarketing Quelle: Link/Kramm 2006, S. 568

Für die Integration der nicht-monetären und monetären Maßgrößen, die im Rahmen der Planung, Steuerung und Kontrolle von CRM-Aktionen Beachtung finden müssen, bietet sich die Balanced Scorecard an (siehe Kapitel 2.4). Abschließend ist zu konstatieren, dass der Erfolg des CRM in besonderem Ausmaß durch ein synergetisches Zusammenwirken von Controlling und CRM determiniert wird (Link/Kramm 2006). Das CRM generiert im Rahmen der Einzelkundenmodellierung eine derart große Datenmenge (Grunddaten, Potentialdaten, Aktionsdaten und Reaktionsdaten), dass sich für das Controlling daraus die Möglichkeit ergibt, Planungs- und Kontrollprozesse mittels fundierterer und präziserer Informationen auf einem bisher nicht gekannten Niveau durchzuführen. Demzufolge resultiert aus einer bewussten

174

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Nutzung des Synergiepotentials von CRM und Controlling eine höhere Wirksamkeit der CRM-Kampagnen sowohl vom Markt her als auch vom Ergebnis her.

2.4

Die Balanced Scorecard (BSC) als übergreifendes Koordinationsinstrument im CRM-Controlling

Als problematisch im CRM-Controlling erwies sich lange Zeit, dass sich die eingesetzten Instrumente im Wesentlichen auf die Lösung jeweils spezifischer Problemstellungen konzentrierten und somit noch keine ganzheitliche, an den strategischen Zielen des Kundenbeziehungsmanagements ausgerichtete Steuerung der CRM-Aktivitäten ermöglicht wurde. Gerade diese integrative, umfassende Betrachtung ist jedoch zwingend erforderlich, um sämtliche CRM-Aktivitäten aufeinander abgestimmt planen, steuern und kontrollieren zu können. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, finden in jüngerer Vergangenheit zunehmend auch mehrdimensionale Kennzahlen- und Steuerungssysteme im Kontext des CRM Verwendung. Eine dominante Stellung nimmt hierbei das Konzept der Balanced Scorecard ein (Link/ Kramm 2006, Münster/Seidl 2008, Kammerer 2005). Das Konzept wird den Anforderungen an ein ganzheitliches Controlling-Instrumentarium insofern gerecht, als aus den strategischen Kundenbeziehungszielen jeweils konkrete Zielvorgaben, Leistungsmaßgrößen sowie Maßnahmen in den erfolgsrelevanten Unternehmensperspektiven abgeleitet werden. Ferner werden für sämtliche Erfolgsgrößen Ursache-Wirkungs-Beziehungen innerhalb und zwischen den Perspektiven erfasst, wodurch eine Modellierung der gesamten CRM-Wertschöpfungskette erfolgt. Es schafft somit messbare, durchgängig aufeinander aufbauende Zielvorgaben, die es ermöglichen, den Erfolg des CRM ex ante zu prognostizieren und ex post zu kontrollieren. Durch die kontinuierliche Messung und Kontrolle der Erfolgsgrößen auf allen Leistungsebenen besteht weiterhin die Möglichkeit, Ziel- bzw. Leistungsabweichungen frühzeitig zu erkennen und ggf. entsprechende gegensteuernde Maßnahmen einzuleiten. Die Operationalisierung der strategischen Zielvorgaben kann im CRM durch die in Abb. 8 dargestellten Unternehmensperspektiven durchgeführt werden. Innerhalb der einzelnen Perspektiven werden im Folgenden beispielhaft strategische Ziele, Kennzahlen und Maßnahmen abgeleitet.

CRM-Controlling

175

„Welche „Wie können finanziellen wir unsereZiele müssen wir Ziele finanzw. erreichen um im Rahm en unsere Strategien unserer erfolgreich Strategie umzusetzen?“ erreichen?“

Zi e le M aß gr öß en Be re ch nu ng M en aß na hm en

Finanzwirtschaftspe rspektive

Strategisches Strategisches CRM Direktmarketing

Zi ele M aß gr ö Be ßen re ch nu ng M en aß na hm en

DirektmarketingCRM Direktmarketing Scorecard Scorecard

Informationspe rspektive

Wettbewe rbspe rspektive „Wie können wir unsere Wettbewerbsposition verändern um unsere Strategie zu verwirklichen?“

Zi ele M aß gr ö Be ßen re ch nu ng M en aß na hm en

„Wie erhalten wir die erforderlichen Informationen über Kunden und Wettbewerber um unsere Strategie zu realisieren?“

„Welche „Wie können wir Kampagnenziele unsere Kampagnenmüssen erreichen ziele imwir Rahmen um unsere Strategie unserer Strategie erfolgreich erreichen?“ umzusetzen?“

Zi ele M aß gr öß Be en re ch nu ng M en aß na hm en

„Wie können können wir wir unsere unseren Kundenerfolg Kundenstruktur strategiekonform strategiekonform optimieren?“ optimieren?“

Zi ele M aß gr ö Be ßen re ch nu ng M en aß na hm en

Kampagnenpe rspektive

Kundenerfolgsperspektive

Operatives Operatives CRM Direktmarketing

PRINZIPIEN

Direktmarketingaktion n

Abb. 8: Controlling des CRM Quelle: Link/Kramm 2006

•m • n. onetär mon etär

Akt ionsplanungsrechnung

ns pl a

Akng nut

ng nu



la

ons p

. . .

A kti

Direktmarketingaktion 1 Direktmarketingaktion 2

Methoden

setzung um ns io

KampagnenManagement

(Kontri butionsorientierter Ansatz)

Aktion• n.monetär planun s- monetär rechnu gs ng

Modelle

Controlling

Entscheidungsreflexion

Aktio

Systeme INSTRUM ENTE

Koor dinationsentlastung

Aktion s planun rechnu gs ng

Entscheidungsfundierung

Erfolgs-- Erfolgs Erfolgs Erfolgs-Erfolgs-- Erfolgs rechnung rechnungrechnung

Aktionskontrollrechnung Akt ionskontrollrechnung

• monetär • monetär • n. monetär • n. monetär

Fu

lf illment

...

176

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Aus finanzwirtschaftlicher Sicht liegt der Fokus im CRM vor allem auf der Verbesserung der nachfolgend aufgeführten Zielgrößen (Selchert 2004; Bruhn/Georgi 1999): ƒ

CRM-Rentabilität: Return on Investment des Kundenbeziehungsmanagements,

ƒ

CRM-bezogene Ertragssteigerungen: induziert durch Wertssteigerungen bei Bestandskunden, Zusatzerlöse durch Neu- und Rückgewinnungskunden, Erhöhung des Preisbereitschaftsindex etc.,

ƒ

CRM-bezogene Kostensenkungen: induziert durch Prozesskostensenkungen und Vermeidung von Streuverlusten,

ƒ

CRM-bezogene Kosten: aktionsbezogene Einzel- und Gemeinkosten, Personalkosten.

Eine Analyse der Ergebnis-Kennzahlen der finanzwirtschaftlichen Perspektive gibt Auskunft darüber, ob die Umsetzung der CRM-Strategie aus finanzwirtschaftlicher Sicht zielkonform realisiert werden konnte. Die Ziele der Finanzwirtschafts-, Kundenerfolgs-, Kampagnen- und Wettbewerbsperspektive identifizieren, wo das CRM zur Sicherstellung des Erfolgs besondere Leistungen erbringen muss. Die Informationsperspektive stellt die zur Realisierung der übrigen Perspektiven erforderliche Infrastruktur dar (Preißner 2002, S. 186 ff.). Der Grad der Zielerreichung der nachfolgend aufgeführten Kennzahlen der Informationsperspektive hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Ergebnisse in den anderen CRM-Scorecard-Perspektiven: ƒ

Kennzahlen zur Kundendatenbank: Hier liegen relevante Kennzahlen zur qualitativen Dimensionierung (Erfassungsfehlerquote, Pflegefehlerquote) und quantitativen Dimensionierung (z. B. Kundencoverage, Zahl der Datenfelder) der Kundendatenbank vor. Der Umfang der Kundendatenbank lässt sich beispielsweise durch die laufende Integration weiterer interner und externer Daten ausbauen. Die systematische Erfassung, Speicherung, Aufbereitung und Neuverwendung von Kundendaten nach dem Regelkreisprinzip des Database Marketing kann so zu einer iterativen Optimierung der Kundenmodelle und Kundendialoge führen (Link/Hildebrand 1993, Mann 2004).

ƒ

Kennzahlen zur Wettbewerberdatenbank: Die quantitative Dimensionierung der Wettbewerberdatenbank lässt sich z. B. durch den Grad der Wettbewerbsabdeckung (Wettbewerbercoverage) oder die Zahl der über Wettbewerber erfassten Datenfelder erheben, wohingegen die qualitative Dimensionierung z. B. durch die Erfassungs- und Pflegefehlerquote ausgedrückt werden kann.

ƒ

Kennzahlen zur Kampagnendatenbank: Die Kampagnendatenbank liefert für das Kampagnenmanagement wertvolle Informationen, die zu mehr Effektivität und Effizienz der Kampagne beitragen. Analog der Wettbewerberdatenbank stellen die Zahl der erfassten Kampagnen des eigenen Unternehmens wie der Wettbewerber (Kampagnencoverage) oder die Zahl der erfassten Datenfelder einen Indikator für die quantitative Leistung der Kundendatenbank dar. Auch

CRM-Controlling

177

hier drückt sich die qualitative Dimension durch den Grad der Erfassungs- und Pflegefehlerquote aus. Damit betont die CRM-Scorecard die strategische Bedeutung der Investitionen in die informationelle Infrastruktur. Eine diesbezüglich durchgeführte umfangreiche empirische Erhebung hat gezeigt, dass hier in der betrieblichen Praxis häufig noch erhebliche Defizite bestehen (Link/Weiser 2006, S. 52). Gerade die strategisch bedeutsamen Datenfelder der Lost-order-Analysen, Potentialdaten und Reklamationsfälle waren völlig unzureichend besetzt. Da die Kundenerfolgs-Perspektive die Basis für die Realisierung der finanzwirtschaftlichen Zielgrößen darstellt, ist ihr besondere Bedeutung beizumessen. Entscheidend für den Kundenerfolg sind letztlich die Hauptergebniskennzahlen kundenindividueller Return on Investment, Break-Even-Point oder der Customer Lifetime Value (Bruhn/ Michalski 2003, S. 431 f.). Die nachfolgend dargestellte Abb. 9 gibt einen Gesamtüberblick über die einschlägigen Kennzahlen.

Kundenerfolgs-Perspektive Ziel

Mögliche Kennzahlen

Berechnung Kundenindividueller Gewinn

Kundenindividueller ROI = Kundeninvestitionswürdigkeit steigern

Kundenpotenzialausschöpfung verbessern

Kundenstruktur verbessern

Kundenindividuelle Investition

Kundenrentabilität Kundenindividueller BEP =

Kundenspezifische Fixkosten Erlöse der Kundenaufträge - variable Kosten der Kundenaufträge

CLV erhöhen

Kundenwert (CLV) =

Barwert der kundenindividuellen Ein- und Auszahlungen

Kauffrequenz erhöhen

Kauffrequenz =

Zahl der durchschnittl. Transaktionen innerhalb einer Periode

Bedarfsdeckungsquote steigern

Share of Customer =

Cross-Selling-Potenzial ausschöpfen

Cross-Selling-Rate =

Abwanderungstendenz erkennen und gegensteuern

Abwanderungsgefährdung =

Neukundenanteil steigern

Neukundenanteil =

Wiederholungskäuferanteil steigern

Wiederholungskäuferanteil =

Auslandskundenanteil steigern

Auslandskundenanteil =

Stammkundenanteil steigern

Stammkundenanteil =

Wachstumskundenanteil steigern

Wachstumskundenanteil =

Verlustkundenanteil senken steigern

Verlustkundenanteil =

Umsatz / DB des Kunden Gesamtes Beschaffungsvolumen des Kunden Anzahl / Umsatz / DB der Cross-Selling-Transaktionen des Kunden Gesamtanzahl / -umsatz / -DB der Transaktionen des Kunden Intensitäts-Score der Abwanderungstendenz

Anzahl / Umsatz / DB der Neukunden Gesamtanzahl / -umsatz / DB aller Kunden Anzahl / Umsatz / DB der Wiederholungskunden Gesamtanzahl / -umsatz / DB aller Kunden Anzahl / Umsatz / DB der Auslandskunden Gesamtanzahl / -umsatz / DB aller Kunden Anzahl / Umsatz / DB der Stammkunden Gesamtanzahl / -umsatz / DB aller Kunden Anzahl / Umsatz / DB der Wachstumskunden Gesamtanzahl / -umsatz / DB aller Kunden Anzahl / Umsatz / DB der Verlustkunden Gesamtanzahl / -umsatz / DB aller Kunden

Abb. 9: Kundenerfolgs-Perspektive der CRM-Scorecard Quelle: Link/Kramm 2006

178

Jörg Link, Jan Münster, Alexander Gary

Neben der Kundenerfolgsperspektive hat die Kampagnenperspektive eine zentrale Bedeutung für die Realisierung der finanzwirtschaftlichen Zielgrößen, womit auch ihr im Rahmen des Kundenmanagements eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Die zentrale Zielsetzung der in Abb. 10 dargestellten Kampagnenperspektive ist die Realisierung einer möglichst hohen Kampagnenrentabilität durch eine kampagnenbezogene Umsatz- und Deckungsbeitragssteigerung bzw. Kostensenkung (zum Kampagnenverlauf sowie Ermittlung der spezifischen Kennzahlen siehe auch Abschnitt 2.3). Durch die simultane Berücksichtigung der Kampagnenkennzahlen auf der einen Seite und den übergeordneten wert- und kundenorientierten Zielgrößen auf der anderen Seite, ist somit ein ausreichende Verknüpfung von strategischen und operativen CRM-Zielen sowie dem Unternehmenswert sichergestellt.

Kampagnen-Perspektive Ziel

Rentabilität

Erträge

Kosten

nicht monetäre Kampagnenkennzahlen

Mögliche Kennzahlen

Berechnung

Kampagnenbezogener ROI =

Kampagnengewinn Kampagneninvestition

Kampagnenbezogener BEP =

Kampagnenspezifische Fixkosten Erlöse der Kampagne - variable Kosten der Kampagne

Umsatzsteigerungsrate =

Umsatz t - Umsatz t-1 Umsatz t-1

Deckungsbeitragssteigerungsrate =

DB t - DB t-1 DB t-1

Kosten pro Kundenkontakt =

Gesamtkosten der Direktmarketingaktion Anzahl der Kundenkontakte

Kosten pro Response =

Gesamtkosten der Direktmarketingaktion Response

Kosten pro Anfrage =

Gesamtkosten der Direktmarketingaktion Anzahl der Anfragen

Kosten pro Auftrag =

Gesamtkosten der Direktmarketingaktion Anzahl der Aufträge

Kosten pro erfülltem Auftrag =

Gesamtkosten der Direktmarketingaktion Anzahl der erfüllten Aufträge

Kampagnenreichweite erweitern

Share of Voice =

Anzahl der Zielpersonenkontakte der eigenen Aktionen Anzahl mögl. Zielpersonenkontakte des Gesamtmarktes

Kampagnenrückläufe erhöhen

Responsequote =

Anzahl der Reaktionen Anzahl der Werbekontaktpersonen

Kaufinteresse steigern

Interessentenquote =

Anzahl der Interessenten Anzahl der Werbekontaktpersonen

Kaufentscheidungen forcieren

Autragsquote =

Anzahl der eingegangenen Aufträge Anzahl der Werbekontaktpersonen

Retouren verringern

Festbestellquote =

Anzahl der Festbestellungen Anzahl der Werbekontaktpersonen

Anzahl vollständig erfüllter Kaufabschlüsse steigern

Abschlussquote =

Anzahl der Abschlüsse Anzahl der Werbekontaktpersonen

Kampagnenrentabilität

Kampagnenbezogene Umsatz- und Deckungsbeitragssteigerung

Kostensenkung

Abb. 10: Kampagnen-Perspektive der CRM-Scorecard Quelle: Link/Kramm 2006

CRM-Controlling

179

Da in dem klassischen Balanced Scorecard-Ansatz die Wettbewerbsposition keine ex ante Berücksichtigung findet (Wiedmann et al. 2002, S. 23), ist in die CRM-Scorecard eine Wettbewerbspositionsperspektive mit aufzunehmen, welche dem Kundenbeziehungsmanagement – insbesondere bezogen auf die nachfolgend aufgeführten Punkte – eine Orientierung am Wettbewerb ermöglicht: ƒ

Relative Gesamtzufriedenheit,

ƒ

Relative Produkt-/Dienstleistungszufriedenheit,

ƒ

Relative Preiszufriedenheit,

ƒ

Relative Kommunikationszufriedenheit,

ƒ

Relative Distributionszufriedenheit.

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Dirk Arndt

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten 1

CRM-Aufgabenbereiche und relevante Rechtsgebiete

2

Grundlagen des Datenschutzes 2.1 Schutzbereich der Datenschutzgesetze 2.2 Zulässigkeit der Datenverarbeitung 2.2.1 Gesetzliche Erlaubnisnorm 2.2.2 Einwilligung des Betroffenen 2.3 Rechte des Verbrauchers 2.4 Kontroll- und Sanktionssystem

3

Datenschutzaspekte bei CRM-Projekten 3.1 Arten von CRM-Projekten 3.2 CRM-Projekte im Akquisitionsprogramm 3.3 CRM-Projekte im Loyalitätsprogramm 3.4 CRM-Projekte im Rückgewinnungsprogramm

4

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1

CRM-Aufgabenbereiche und relevante Rechtsgebiete

Im Customer Relationship Management lassen sich drei generelle Aufgabenbereiche unterscheiden: das strategische CRM (sCRM), das operative CRM (oCRM) und das analytische CRM (aCRM). Im Bereich des sCRM sind die langfristigen CRM-Ziele und Strategien zu definieren, zu kontrollieren und gegebenenfalls anzupassen. Diese umfassen einerseits die kundengerichteten Dialogstrategien, die mittels der operativen CRMAktivitäten zu verfolgen sind (Hougaard/Bjerre 2002, S. 251 ff.) und andererseits die strukturgerichteten internen Strategien, die auf den Aufbau der gewünschten internen Unternehmenskultur, Prozesse, IT-Systeme und Organisationseinheiten abzielen. Das oCRM umfasst alle operativen Maßnahmen zur Ausgestaltung und Unterstützung der kundenorientierten Geschäftsprozesse, insbesondere in Marketing, Vertrieb und Service. Unter dem Begriff des aCRM werden alle Aufgaben zusammengefasst, die zur Sammlung, Speicherung und Auswertung der Daten notwendig sind und zur Ausrichtung bzw. Kontrolle der Aktivitäten im oCRM sowie zur Entwicklung der Strategien im sCRM benötigt werden (Arndt 2008, S. 53 ff.). Für das CRM sind im Wesentlichen zwei Rechtsgebiete von Bedeutung. Dabei handelt es sich zum einen um das Recht gegen unlauteren Wettbewerb und zum anderen um das Datenschutzrecht. Das Recht gegen unlauteren Wettbewerb umfasst vor allem Rechtsnormen gegen Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb, welche wegen ihrer Unlauterkeit nicht geduldet werden sollen. Unlauter sind insbesondere solche Maßnahmen, welche die Kaufentscheidung des Kunden nach leistungsbezogenen Kriterien erschweren, besonders indem sie die Kunden unsachlich beeinflussen oder die Konkurrenz mit nichtleistungsbezogenen Mitteln daran hindern, ihre Leistung am Markt zur Geltung zu bringen. In der Praxis ist vor allem die Werbung an den Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu messen. Relevant für das CRM ist jedoch vor allem der Bereich der direkten Kommunikation. Nach der Rechtsprechung ist die Werbung per Telefon, Fax, Email oder SMS nur mit vorheriger Einwilligung des Empfängers zulässig. Der Bundesgerichtshof sieht in der unverlangten Werbung eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare und damit wettbewerbsrechtlich unzulässige Belästigung des Empfängers. Liegt dessen Einwilligung nicht vor, ist die Werbung wettbewerbswidrig (§ 1 UWG). Dabei sind an die Einholung des Einverständnisses hohe Anforderungen zu stellen. So ist das Anfordern von Informationsmaterial durch den Interessenten noch nicht als Einwilligung für einen Telefonanruf zu verstehen. Bei der Einholung durch entsprechende Klauseln in Formularverträgen ist zu beachten, dass diese vom übrigen Vertragstext abgehoben sein müssen und sich nach Möglichkeit auf einem gesonderten Blatt zu befinden haben. Im Geschäftsverkehr sind die Grenzen etwas weiter gesteckt. Grundsätzlich ist auch gegenüber anderen Unternehmen solche Art der Werbung unzulässig. Anders als bei

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Privatpersonen genügt hier jedoch (wenn kein ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis vorliegt), dass aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Empfängers an der Werbung vermutet werden kann. Ein solches Interesse wird bei einer bestehenden Geschäftsbeziehung angenommen. Im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften des UWG hat der Betroffene die Möglichkeit, gegen das werbetreibende Unternehmen zivilrechtlich vorzugehen. Er kann die Unterlassung der Werbung verlangen oder eine Stelle einschalten, die das Unternehmen abmahnt. Unterstützung dafür erhalten Betroffene z. B. durch die Verbraucherschutzverbände oder die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. Folglich tangiert das Recht gegen unlauteren Wettbewerb nur einen Teilbereich des oCRM. Im Gegensatz dazu hat das Datenschutzrecht aufgrund des integrierten Ansatzes von aCRM (s. o.) weit umfangreichere Auswirkungen auf den Gesamtbereich des CRM. Zusätzlich gewinnt der Datenschutz gerade in der aktuellen Diskussion der Jahre 2008 und 2009 als nicht zu unterschätzender Wettbewerbsbestandteil weiter an Bedeutung (Brückner/Przyklnek 2009, S. 9 ff.). Hintergrund ist die ständig zunehmende Sensibilisierung der Verbraucher, welche inzwischen ganz selbstverständlich die Gewährleistung eines vertraulichen Umgangs mit ihren persönlichen Daten fordern. Unternehmen, die mit diesen Daten nicht sorgsam umgehen, müssen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz hinnehmen. So hat z. B. eine Online-Befragung von Client Vela und der TU München in 2009 ergeben, dass 89 Prozent der Kunden sich vom Preis stark oder sehr stark beeinflussen lassen, während die Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter für 81 Prozent wichtig ist. Gut drei Viertel der Kunden achten aber auf Platz drei schon stark bzw. sehr stark auf den Datenschutz. Die angebotenen Serviceleistungen rangieren dahinter! Auf die Frage „Wie beeinflussen die folgenden Faktoren Ihre Absicht, bei einem Unternehmen erneut zu kaufen und/oder dieses weiterzuempfehlen?“ erhielt der Punkt „Datenschutz“ insgesamt wiederum die drittbeste Bewertung und wurde von 43 % als „sehr starker“ Faktor genannt – ein Spitzenwert! (o. V. 2009a, S. 1 ff.). Dabei glaubte schon vor Jahren fast jeder Dritte, dass seine Daten durch Unternehmen missbräuchlich verwendet werden (Opaschowski 2001, S. 35 f.) und trotz der jüngsten Novellierung des Bundesdatenschutzgesetz im September 2009 empfinden, nach Angaben der Verbraucherschutzzentrale, weiterhin 87 % der Deutschen einen Handlungsbedarf bei der Datenschutzgesetzgebung. (o. V. 2009b, S.1) Dieser Eindruck der Bevölkerung muss nicht mit der Realität übereinstimmen, lässt aber durchaus Rückschlüsse auf die persönliche Befindlichkeit der Menschen zu. Positive Erfahrung mit dem Datenschutz haben anscheinend nur wenige gemacht. Das liegt in der Natur der Sache: wenn Datenschutz funktioniert, merkt man in aller Regel nichts davon. Andererseits dürfte die Dunkelziffer derjenigen, die einen Missbrauch ihrer Daten gar nicht wahrgenommen haben, ebenso hoch sein. Letztlich zählt der subjektive Eindruck des Verbrauchers – wer sich einmal als Opfer eines Datenmissbrauchs empfunden hat, fühlt sich in seiner Lebensqualität beeinträchtigt und das Vertrauen zum entsprechenden Unternehmen wird nur schwer wieder herzustellen sein. Somit ist Datenschutz zur Vertrauensfrage geworden (Witt 2008, S. 15). Ziel muss es dementsprechend sein, den Verbraucher

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

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spüren zu lassen, dass es sich bei der Geschäftsbeziehung um ein Verhältnis handelt, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Eine Grundvoraussetzung dafür stellt die Einhaltung der Bestimmungen der geltenden Datenschutzgesetze dar. Angesichts dessen beschränken sich die Darstellungen im folgenden Beitrag konsequenterweise auf das Rechtsgebiet des Datenschutzes. Dafür werden zunächst die allgemeinen Grundlagen dargestellt, um darauf aufbauend die wichtigsten Rechtsfragen bei CRM-Projekten im Detail zu erläutern.

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Grundlagen des Datenschutzes

2.1

Schutzbereich der Datenschutzgesetze

Aufgabe des Datenschutzrechts ist es, das Recht des Einzelnen zu schützen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen zu dürfen (sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Demnach wird jedem die Befugnis eingeräumt, „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“ (Bundesverfassungsgericht 1983, S. 42). Die Datenschutzgesetze schützen also nicht die Daten selbst, sondern die natürlichen Personen, über welche die Daten Informationen enthalten. Dabei greifen die Schutzvorschriften nicht erst ein, wenn die Rechte einer Person bereits verletzt wurden, sondern versuchen den Umgang mit personenbezogenen Daten so zu regeln, dass konkrete Gefährdungen des informationellen Selbstbestimmungsrechts von vornherein verhindert werden. Das einschlägige Gesetz in Deutschland, das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), stellt dafür allgemeine datenschutzrechtliche Grundregeln auf. Es wurde mittels der Datenschutznovellen I und II vom Bundestag am 29. Mai bzw. 3. Juli 2009 letztmalig angepasst. Da die Regeln des BDSG allerdings nicht in jedem Bereich ausreichen, gibt es zahlreiche Spezialregelungen in anderen Gesetzen (z. B. Teledienstedatenschutzgesetz für den Internetbereich). Im Fall der Verarbeitung von Daten in einem dieser speziellen Bereiche gehen diese sog. bereichsspezifischen Datenschutzgesetze dem BDSG vor, basieren aber auf dessen Vorschriften und Begriffen. Der vorliegende Beitrag ist auf die Darstellung der allgemeinen Regelungen des BDSG beschränkt, da die Abhandlung aller in Frage kommenden Datenschutzgesetze im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich ist. Für eine Darstellung der Datenschutzfragen speziell für den Online-Bereich sei auf Arndt und Koch (2002) verwiesen. Der Schutzbereich des BDSG erstreckt sich nicht auf jede mögliche Datenverarbeitung. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des BDSG auf die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten beschränkt. Personenbezogene Daten sind gemäß § 3 Abs. 1 BDSG „alle Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)“.

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Diese Legaldefinition beinhaltet vor allem folgende Aspekte: ƒ

Personenbezogene Daten liegen nur vor, wenn sich Daten auf eine natürliche Person (den Betroffenen) beziehen. Die Unternehmensdaten juristischer Personen oder von Personenmehrheiten, wie Personengesellschaften, Vereinen und Gruppen, fallen insofern aus dem Schutzbereich des BDSG. Dies stellt insofern eine deutsche Besonderheit dar. In den meisten anderen europäischen Ländern fallen auch diese Daten in den Schutzbereich der Datenschutzgesetze.

ƒ

Daten sind außerdem nur personenbezogen, wenn es sich um Einzelangaben handelt. Einzelangaben sind Informationen, die sich auf eine einzelne natürliche Person beziehen oder geeignet sind, einen Bezug herzustellen. Einzelangaben sind daher nicht mehr gegeben, sofern es sich um aggregierte Daten handelt, da diese nur den Bezug auf eine Gesamtmenge von Individuen herstellen und somit keinen Rückschluss auf eine einzelne Person erlauben. Dafür muss eine Personenmehrheit von mindestens drei Personen vorliegen. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn eine Person als Mitglied einer Personengruppe gekennzeichnet wird, über die bestimmte Angaben gemacht werden und die Daten somit auf die Einzelperson durchschlagen. Zum Beispiel sind die Daten „Personen A, B und C haben gemeinsam ein Körpergewicht von 200 kg“ nicht personenbezogen, da hier ein Rückschluss auf die einzelnen Personen nicht mehr möglich ist. Anders ist es hingegen bei „Personen A, B und C sind Mercedes-Besitzer“, denn die Angabe des Fahrzeugbesitzes schlägt auf die Personen durch und stellt damit ein personenbezogenes Datum dar.

ƒ

Ein Personenbezug setzt des Weiteren voraus, dass die Person bestimmt oder bestimmbar ist. Eine Person ist bestimmt, sofern sie eindeutig identifizierbar ist. Bestimmbar hingegen ist sie, wenn die Daten mittels zusätzlicher Informationen zugeordnet werden können. Für die Anwendung der Datenschutzgesetze ergibt sich jedoch kein Unterschied bezüglich der beiden Alternativen.

Abzugrenzen von bestimmten oder bestimmbaren Daten sind anonyme Daten. Sie liegen vor, sofern Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können (§ 3 Abs. 6 BDSG). Problematisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Abgrenzung, wann noch personenbezogene Daten (bestimmbar) und wann bereits anonyme Daten (nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand bestimmbar) vorliegen. Eine Bestimmbarkeit der Person ist gegeben, wenn zwar nicht durch die Daten alleine, aber durch weiteres legal zugängliches „Zusatzwissen“ die Person von der datenverarbeitenden Stelle identifiziert werden kann. Bestimmbarkeit liegt unabhängig davon vor, ob das Zusatzwissen schon vorhanden ist oder erst beschafft werden muss. Vielmehr kommt es auf die Verfügbarkeit des erforderlichen Zusatzwissens an. Bestimmbarkeit ist folglich relativ. So können Daten für den einen, der über das Zusatzwissen verfügt,

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

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personenbezogen sein, während für den anderen – mangels dieser Kenntnis – die Daten nicht personenbezogen sind (Roßnagel/Scholz 2000, S. 721 ff.). Nach dem gleichen Prinzip arbeiten auch die Methoden der Verschlüsselung. So ist ein verschlüsseltes Datum für denjenigen, der über den entsprechenden Code verfügt, personenbezogen, während für den anderen – mangels dieser Kenntnis – das Datum nicht personenbezogen ist. Entscheidend dafür ist die absolute Unzugänglichkeit der Codes für Dritte (bzw. die Zugänglichkeit mit unverhältnismäßig hohem Aufwand). Die Verschlüsselung nach einem allgemein bekannten Code bewirkt daher keine Anonymisierung. Folgerichtig ist die getrennte Speicherung von den zur Identifikation geeigneten Daten (wie Name, Anschrift, Telefonnummer) nur eine Sicherungsmaßnahme, macht aber das BDSG nicht unanwendbar, solange eine Wiederzusammenführung ohne unverhältnismäßig großen Aufwand möglich ist. Hierbei handelt es sich um pseudonyme Daten gemäß § 3 Abs. 6a BDSG, bei denen der Name oder andere Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen ersetzt worden sind, um die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder zumindest wesentlich zu erschweren. Der Betroffene bleibt für den, der die Pseudonymisierung vornimmt identifizierbar, da die als Pseudonym dienende Kennung (z. B. Ziffer) zwar die Person zunächst nicht kenntlich macht, die verarbeitende Stelle jedoch durch eine Referenzliste über die notwendigen Informationen verfügt, um den Personenbezug wiederherzustellen. Werden aber diese pseudonymisierten Datenbestände an einen Dritten weitergegeben, der nicht über diese Referenzliste verfügt und der aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine andere Möglichkeit hat, den Personenbezug wiederherzustellen, liegt kein Personenbezug vor. Bei Pseudonymität ist daher zwischen den Personen, welche die Zuordnungsregel kennen und denen, die sie nicht kennen, zu unterscheiden. Demnach sind pseudonyme Daten für den Kenner dieser Zuordnungsregel personenbeziehbar, für alle anderen sind sie anonyme Daten. Der Kern des Problems liegt in der Verhältnismäßigkeit. Erst wenn der Aufwand einer Herstellung des Personenbezugs der Daten für den Dritten oder den Empfänger der Daten unverhältnismäßig groß ist, handelt es sich mangels ausreichender Bestimmbarkeit um nicht-personenbezogene Daten. Für die Bestimmung, ob der Aufwand der Bestimmbarkeit des Betroffenen „unverhältnismäßig groß“ ist, sind das für das Unternehmen vorhandene und erwerbbare Zusatzwissen, die gegenwärtigen und künftigen technischen Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung, der mögliche Aufwand und die verfügbare Zeit zu berücksichtigen (Möncke 1998, S. 565; Roßnagel/Scholz 2000, S. 723 f.). Insoweit handelt es sich immer um eine aus objektiver Sicht zu treffende Einzelfallentscheidung. Im Ergebnis können Daten anhand ihres Personenbezugs in drei Gruppen unterteilt werden: Daten mit direktem, indirektem und ohne Personenbezug (wie in Abb. 1 dargestellt).

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Personenbezug von Daten

Direkter Personenbezug

Indirekter Personenbezug

Identität des einzelnen Individuum ist direkt erkennbar („bestimmt“)

Identität des einzelnen Individuum ist indirekt erkennbar („bestimmbar“)

z.B. Pseudonyme Daten

Kein Personenbezug

Pseudonyme Daten

ohne Kenntnis der Zuordnungsregel

bei Kenntnis der Zuordnungsregel

= personenbezogene Daten

Anonyme Daten

• Identität des Einzelnen ist nicht erkennbar oder • Identität des Einzelnen ist nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft erkennbar

= nicht-personenbezogene Daten Datenschutzgesetze finden keine Anwendung !

Abb. 1: Personenbezug von Daten Daten mit direktem bzw. indirektem Personenbezug sind, sofern es sich um Einzelangaben natürlicher Personen handelt, personenbezogene Daten. Dementsprechend entfällt der Personenbezug bei: ƒ

Unternehmensdaten (da hier keine natürliche Person vorliegt),

ƒ

aggregierten Daten (da es sich nicht um Einzelangaben handelt) sowie

ƒ

anonymisierten bzw. ausreichend pseudonymisierten Daten (da es an der Bestimmbarkeit fehlt).

In diesen Fällen finden die Regelungen des BDSG keine Anwendung und die Verarbeitung dieser Daten unterliegt keinen rechtlichen Restriktionen. Handelt es sich jedoch um personenbezogene Daten, finden die Datenschutzgesetze Anwendung und die Zulässigkeit der Datenverarbeitung richtet sich nach den Bestimmungen des BDSG.

2.2

Zulässigkeit der Datenverarbeitung

Das Datenschutzrecht regelt die Voraussetzungen und Grenzen unter denen personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. Dabei ist die zentrale Grundregel des BDSG als sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet (§ 4 Abs. 1 BDSG). Demnach ist

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jede Datenverarbeitung grundsätzlich verboten. Die Verarbeitung ist vielmehr nur dann zulässig, wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies ausdrücklich erlaubt bzw. anordnet (gesetzliche Erlaubnisnorm) oder der Verbraucher zuvor zugestimmt hat (Einwilligung des Betroffenen). Beide Legitimationsmöglichkeiten werden an dieser Stelle näher untersucht.

2.2.1 Gesetzliche Erlaubnisnorm Das BDSG enthält eine Reihe sog. gesetzlicher Erlaubnisnormen. Zu den im Bereich des CRM bedeutendsten zählt zunächst die sog. Zweckbestimmung des rechtsgeschäftliches Schuldverhältnisses (ehemaliges Vertragsverhältnis) (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG). Danach ist die Verarbeitung personenbezogener Kundendaten zulässig, wenn dies zur Abwicklung eines rechtlichen Schuldverhältnisses (Vertrages) notwendig ist. Gleiches gilt für das sog. rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis (ehemals vertragsähnliches Vertrauensverhältnis). Dieses wird angenommen bei der Anbahnung eines Kaufvertrages, im Fall von langjährigen Stammkunden eines Unternehmens oder auch kurze Zeit nach Beendigung eines Vertrages. Hier ist jedoch der Grundsatz der Zweckbindung zu beachten: Daten dürfen nur im Rahmen des konkret festgelegten Zwecks verarbeitet werden. Soweit die Verarbeitung zur Durchführung oder Abwicklung des Vertrages erforderlich ist, bestehen also keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Marketingzwecke gehören jedoch nicht dazu und stellen insofern eine Zweckänderung dar, die einer Legitimation durch eine andere Erlaubnisnorm, wie bspw. der Einwilligung, bedarf. Zu beachten ist dabei aber wiederum, dass eine Kopplung von Einwilligungserklärung und Vertrag unzulässig ist, wenn der Betroffene keine Möglichkeit hat, ein ähnliches Angebot ohne eine solche Einwilligung in Anspruch zu nehmen. Wird die Einwilligung trotzdem erzwungen, so ist sie nicht wirksam. Die Verarbeitung personenbezogener Daten für Marketingzwecke ist durch das BDSG im Rahmen einer sog. Interessenabwägung erlaubt (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG). Nach dieser Zulässigkeitsalternative ist eine Datenverarbeitung und -nutzung zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist. Marketing stellt dabei ein berechtigtes Interesse des Unternehmens dar. Bisher war hier lediglich zu prüfen, ob Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegend schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Verarbeitung hat. Dies war regelmäßig nicht der Fall, da insbesondere zielgruppenorientiertes Marketing grundsätzlich sowohl als positiv für das Interesse des Unternehmens (Kostensenkung, höhere Response) als auch als vorteilhaft für den Betroffenen (Vermeidung überquellender Briefkästen) gesehen wurde. Ein Paradigmenwechsel fand hier mit dem Inkrafttreten der Datenschutznovellen 2009 am 01. September 2009 statt. Danach bedarf es nun einer schriftlichen Einwilligung des Betroffenen (vgl. 2.2.2). Allerdings wird diese Bestimmung weiterhin durch zahlreiche Ausnahmen aufgeweicht. Unternehmen der Werbewirtschaft, Meinungsforscher und Medienunternehmen sind bspw. ausgenommen, wenn

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die Voraussetzungen einer „transparenten Übermittlung und Nutzung“ erfüllt sind. Damit dies der Fall ist, muss aus der Werbung hervorgehen, wer die Daten erstmals gespeichert hat und wer die für die Werbung verantwortliche Stelle ist. Außerdem ist die Übermittlung ab 1. April 2010 für zwei Jahre zu protokollieren, damit den Betroffenen auf Anfrage nachträglich Auskunft erteilt werden kann (sieh auch 2.3). Bei einer rechtmäßigen Datenverarbeitung hat der Betroffene allerdings auch weiterhin das Recht, jederzeit der Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten zu Zwecken der Werbung bzw. Markt- und Meinungsforschung zu widersprechen (§ 28 Abs. 4 BDSG). Dabei kommt dem Recht auf Widerspruch im Rahmen des CRM besondere Bedeutung zu. Sobald der Betroffene einer Verarbeitung seiner Daten zu Werbezwecken widersprochen hat, ist diesem Willen des Verbrauchers zu entsprechen. Jede weitere Nutzung der Daten zu Werbezwecken ist damit unzulässig. Eine vollständige Löschung der Daten würde allerdings dazu führen, dass bei erneuter Anmietung einer Adressenliste wieder Werbung an den Betroffenen gesendet würde. Deshalb empfiehlt es sich, die Anschrift in eine interne Sperrliste aufzunehmen, die bei neuen Werbeaktionen mit dem Adressenmaterial abzugleichen ist (Gliss 2002, S. 9).

2.2.2 Einwilligung des Betroffenen Die Datenverarbeitung ist gemäß § 4a Abs. 1 BDSG außerdem zulässig, wenn der Betroffene darin eingewilligt hat. Die Einwilligung des Betroffenen ist jedoch nur wirksam, wenn sie verschiedene formale und inhaltliche Voraussetzungen erfüllt: ƒ

Sie muss auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruhen. Erzwungene oder durch arglistige Täuschung erschlichene Einwilligungen geben nicht den Willen des Betroffenen wieder und sind insofern unzulässig.

ƒ

Der Betroffene ist über den Verwendungszweck seiner personenbezogenen Daten hinzuweisen. Nur wenn er über die geplante Verarbeitung ausreichende Informationen erhält, ist es ihm möglich, die Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen und frei über die Einwilligung zu entscheiden. Dabei muss der Betroffene darüber informiert werden, auf welche Daten sich die Einwilligung bezieht und welchem Zweck die Speicherung dient. Hier sind hohe Anforderungen an die Formulierung der Einwilligungserklärung zu stellen. Häufig verwendete Begriffe wie „zu Zwecken der internen Kundenbetreuung“ bzw. „zu Zwecken der Werbe-, Markt- und Meinungsforschung“ sind zu unbestimmt. Der Zweck der Speicherung ist demnach näher zu spezifizieren. Ferner sind die Firmen, an welche die Daten weitergegeben werden sollen, explizit zu nennen. Eine pauschale Erklärung „Ich willige ein, dass meine Daten auch an andere Firmen weitergegeben werden.“ genügt insofern nicht. In der Erklärung ist der Verbraucher außerdem darauf hinzuweisen, dass er die Einwilligung jederzeit widerrufen kann. Hier ist es sinnvoll auf eine Stelle (Telefon-Hotline, E-Mail-Adresse) zu verweisen, bei welcher der Widerruf gegenüber dem Unternehmen geltend ge-

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macht werden kann. Im Falle des Widerrufs hat jede weitere Verarbeitung der Daten dieses Verbrauchers zu unterbleiben. ƒ

Die Einwilligung bedarf grundsätzlich der Schriftform. Soll sie zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich abgegeben werden, ist die Einwilligungserklärung vom äußeren Erscheinungsbild besonders hervorzuheben. Eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis besteht lediglich soweit wegen „besonderer Umstände“ eine andere Form als die Schriftform angemessen ist. Ein besonderer Umstand liegt z. B. vor, wenn ein bestimmter Auftrag telefonisch erteilt wird und dessen sofortige Ausführung notwendig ist. In diesem Fall muss eine mündliche Einwilligung ausreichen. Diese muss allerdings, seit der letzten Novellierung des BDSG, seitens des Unternehmens schriftlich bestätigt werden. Ferner ist die Einwilligung im Vorfeld zur Datenverarbeitung einzuholen. Ein nachträgliches Einverständnis ändert nichts an der Rechtswidrigkeit der bis dahin erfolgten Datenverarbeitung.

Eine Besonderheit besteht bei der Einwilligung bezüglich besonders schützenswerter Daten. Als „besonders schützenswerte Daten“ sind alle Daten über rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Ansichten, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben zu qualifizieren (§ 3 Abs. 9 BDSG). Bei der Verarbeitung dieser Kategorie bedarf es einer sich ausdrücklich auf diese Daten beziehenden Einwilligung. Sofern alle zuvor aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Datenverarbeitung zum angegebenen Zweck grundsätzlich zulässig. Sobald jedoch eine dieser Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist die gesamte Einwilligung unwirksam. Die darauf aufbauende Datenverarbeitung ist dann unzulässig, sofern sie nicht durch eine gesetzliche Erlaubnisnorm legitimiert werden kann.

2.3

Rechte des Verbrauchers

Neben dem oben bereits dargestellten Widerspruchsrecht weist das BDSG den betroffenen Personen eine Reihe von anderen Rechten ausdrücklich zu. Der Verbraucher muss insbesondere in der Lage sein, sich zu informieren wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Erst die Offenlegung der Verarbeitung seiner Daten macht es dem Betroffenen möglich, ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und seine Rechte in Bezug auf die Datenverarbeitung geltend zu machen. Daher regelt das BDSG verschiedene Benachrichtigungs- und Auskunftspflichten des Unternehmens (§ 34 BDSG). Der Betroffene hat jederzeit das Recht auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Dieses Auskunftsrecht umfasst insbesondere die Herkunft, den Zweck der Speicherung und die Stellen, an welche die Daten übermittelt werden. Es ist weiterhin deutlich zwischen auf Fakten basierenden Daten und Schätzungen zu trennen. Letztere sind als solche zu kennzeichnen (§ 35 Abs. 1 Satz 2). Die Auskunft ist regelmäßig in Textform und unentgeltlich zu erteilen. Ein Auskunfts-

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ersuchen ist streng zweckgebunden zu behandeln. Ein anderes wichtiges Recht ist das der Benachrichtigung. Sofern die Daten nicht beim Betroffenen erhoben worden sind, ist das Unternehmen insbesondere verpflichtet, ihn ohne dessen Verlangen über die erstmalige Speicherung seiner Daten zu unterrichten. Dies kann mit dem ersten Werbeschreiben geschehen. An dieser Stelle ist der Betroffene auch über sein Widerspruchsrecht zu informieren. Neben den angeführten Informationsrechten stehen dem Betroffenen außerdem sog. Korrekturrechte zu (§ 35 BDSG). Ein Anspruch auf Berichtigung ergibt sich, sofern die zu einer Person gespeicherten Daten unrichtig sind. Weiter hat er insbesondere einen Anspruch auf Löschung seiner personenbezogenen Daten, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis zur Erfüllung des Zwecks nicht länger erforderlich ist. In einigen Fällen tritt an die Stelle des Anspruchs auf Löschung einer auf Sperrung der Daten (z. B. wenn der Löschung Aufbewahrungsfristen entgegenstehen). In der neuen Novelle des BDSG ersetzt § 42a den gestrichenen § 42. Durch die Informationspflicht bei drohendem Daten-Missbrauch bedeutet der neue Paragraph eine weitere Stärkung der Rechte der Betroffenen. Die Unternehmen müssen nun unter ganz besonderen Umständen auf den Verlust (bzw. die unrechtmäßige Kenntniserlangung) von Daten hinweisen. Dies ist der Fall, wenn besonders sensible Daten betroffen sind und die Betroffenen schwerwiegend beeinträchtigt werden könnten. In diesem Fall muss die Aufsichtsbehörde sofort informiert werden. Sofern es kein Sicherheitsproblem darstellt, müssen auch die Betroffenen sofort informiert werden, wobei die Information das Problem in klaren Worten beschreiben muss. Es sind möglichst Hinweise zu geben, wie der Schaden minimiert werden kann. Können die Betroffenen nicht individuell informiert werden (z. B. weil die postalischen Adressen unbekannt sind), so muss ein mindestens halbseitiger Hinweis in mindestens zwei bundesweit erscheinenden Tageszeitungen erfolgen. Aussnahmen existieren für kleine Personengemeinschaften wie z. B. eine GbR.

2.4

Kontroll- und Sanktionssystem

Um dem Betroffenen einen effektiven Schutz seiner Rechte zu gewährleisten, sieht das BDSG die Einrichtung verschiedener Kontrollinstanzen vor. Ein interner Datenschutzbeauftragter hat im Unternehmen die Pflicht, die innerbetriebliche Organisation so zu gestalten, dass sie den Anforderungen des Datenschutzes gerecht wird. Der Betroffene hat das Recht, sich jederzeit an ihn zu wenden. Im Gegensatz dazu haben Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragte, ebenso wie die Datenschutzaufsichtsbehörde, als externe Kontrollinstanzen die Aufgabe, die Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Vorschriften zu kontrollieren. Dabei hat die Behörde das Recht, dies jederzeit ohne konkreten Anlass zu prüfen.

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

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Ein Verstoß gegen die Regelungen des BDSG kann zu einer Vielzahl von rechtlichen Sanktionen führen: ƒ

Datenschutzverstöße (wie z. B. das unzulässige Erheben, Verarbeiten und Nutzen von personenbezogenen Daten, das Nichtbeachten von Rechten der Betroffenen oder Verstöße gegen die Zweckbestimmung) stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die mit Bußgeldern bis zu 300.000 Euro geahndet werden können. Seit September 2009 gibt es zusätzlich die Bestimmung, dass das Bußgeld den wirtschaftlichen Vorteil des Täters übersteigen soll. Im Zuge dessen kann die obige Höchstgrenze sogar deutlich überschritten werden. Erfolgt der Verstoß gegen Entgelt oder in der Absicht der Bereicherung bzw. einen anderen zu schädigen, so kann ferner ein Straftatbestand vorliegen. Dieser kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.

ƒ

Dem Betroffenen selbst steht bei unzulässiger oder unrichtiger Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten außerdem ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Dieser entfällt jedoch, wenn die verantwortliche Stelle nachweist, dass sie die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat.

ƒ

Zusätzlich zu dem Betroffenen sind auch Verbraucherverbände und konkurrierende Unternehmen zur Klage ermächtigt, sofern es sich bei dem Verstoß gegen das BDSG zugleich um eine Verletzung der guten Sitten handelt. In diesem Fall liegt ein Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG vor.

Neben diesen gesetzlich geregelten Rechtsfolgen besteht außerdem die Gefahr eines nur schwer wieder herstellbaren Imageverlustes des Unternehmens. Besonders wenn es um den vertraulichen Umgang mit ihren personenbezogenen Daten geht, reagieren Verbraucher sehr sensibel. Damit wird deutlich, dass die eigentliche Bedeutung der Beachtung der Vorschriften des BDSG weit über die im Gesetz geregelten Rechtsfolgen hinaus geht.

3

Datenschutzaspekte bei CRM-Projekten

3.1

Arten von CRM-Projekten

Um datenschutzrechtliche Aspekte bei CRM-Projekten untersuchen zu können, ist es zuerst notwendig zu klären, was genau unter einem CRM-Projekt zu verstehen ist. Mit dem Begriff CRM-Projekt wird in der Literatur oftmals die erstmalige Implementierung des CRM-Ansatzes in einem Unternehmen verbunden. Diese Ansicht reicht von der Implementierung kundenorientierter Informationssysteme (Rudolph/Rudolph 2001, S. 154) bis zur technischen, prozessualen und organisatorischen Neugestaltung weiter Unternehmensteile (Duffner/Henn 2001, S. 231). In Arndt et al. 2003 wird beschrieben, dass sich einzelne Analysen im aCRM auch als Projekte auffassen lassen, solange es

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sich nicht um Routineuntersuchungen handelt. Gleiches gilt für die Erweiterung oder Veränderung bereits implementierter CRM-Konzepte oder bestimmter CRM-Teilbereiche (Rapp 2000, S. 153). Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, den Begriff CRM-Projekt allgemeingültig zu definieren. Es wird vielmehr klar, dass es verschiedene Arten von CRM-Projekten gibt. Unabhängig davon kann CRM als Querschnittsfunktion entlang des Customer Lifecycle in drei Bereiche eingeteilt werden: das Akquisitionsprogramm, das Loyalitätsprogramm und das Rückgewinnungsprogramm (Arndt/Gersten 2001, S. 27). Alle der zuvor angesprochenen Arten von CRM-Projekten lassen sich einem oder mehreren dieser Bereiche zuordnen. Da sich entlang des Customer Lifecycle die CRM-Ziele, die daraus erwachsenden analytischen Aufgaben und die zur Verfügung stehenden Daten verändern, eignet sich diese Einteilung auch zur Untersuchung datenschutzrechtlicher Fragestellungen. Im Folgenden wird also davon ausgegangen, dass sich die zu beachtenden rechtlichen Aspekte eines CRM-Projektes an seiner Zuordnung zu einem der drei Programme orientieren.

3.2

CRM-Projekte im Akquisitionsprogramm

Bei der Kundenakquisitionsstrategie steht die Gewinnung von Neukunden als zentrales Ziel im Mittelpunkt. Dafür ist es notwendig, einen Dialog mit jenen Interessenten aufzubauen, die zu einer vordefinierten Zielgruppe gehören und diese Schritt für Schritt als Neukunden zu gewinnen. Zunächst ist dafür eine erfolgreiche Ansprache möglicher Interessenten notwendig. Dabei bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, an die entsprechenden Identifikationsdaten zu kommen: es werden Adressen von externen Anbietern gekauft oder vom Unternehmen selbst intern erhoben. Da zu Beginn der Geschäftsbeziehung kaum qualifizierte interne Informationen über die Interessenten vorliegen, werden für die Adressqualifikation meist weitere Deskriptionsdaten aus externen Quellen beschafft (Arndt/ Gersten 2001, S. 25 ff.). Dabei ist es oftmals sinnvoll und notwendig verschiedene Datenquellen gleichzeitig zu nutzen und deren Merkmale miteinander zu kombinieren (wie in Abb. 2 dargestellt).. Neben der Unterscheidung zwischen internen und externen Datenquellen kann auch eine Differenzierung nach Individualdaten, die sich auf eine bestimmte Person beziehen und Aggregatdaten, die lediglich eine Personengruppe beschreiben, vorgenommen werden. Diese Unterscheidung spielt besonders für die juristische Zulässigkeitsbeurteilung eine entscheidende Rolle. Weiterhin muss dafür der Umfang der gespeicherten Daten beachtet werden. Neben den für einen Kontakt zum potenziellen Neukunden erforderlichen Identifikationsdaten sind besonders Deskriptionsdaten und, soweit vorhanden, Daten der Kommunikationshistorie für eine zielgruppenspezifische Ansprache von Bedeutung.

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

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Individualdaten

Handraiser

Befragungen

INTERNE Datenquellen

Telefon-/ Adressverzeichnis

NonCompetitive Enterprises

Aggregatdaten

Listen

Lifestyle

Mikro

EXTERNE Datenquellen

Kundenzentrierte Datenspeicherung Identifikationsdaten

Deskriptionsdaten

• Name/ Vorname/ Titel • Anschrift • Telefon/ Telefax • Email • ...

• Kundenstatus • Bedarfsstruktur • Zuordnungsdaten • Herkunft der Adresse • Soziographische Daten • Psychographische Daten • Typologiemerkmale • ...

Kommunikationshistorie • Kommunikationsgegenstand • Kommunikationsperson • Kommunikationsdatum und -zeit • Kommunikationskanal • Datum des Erstkontakts • Kommunikationsauslöser • Kommunikationsinitiator • Kommunikationskosten • ...

Abb. 2: Einschlägige Datenquellen im Akquisitionsprogramm Die Erhebung dieser personenbezogenen Daten ist bereits ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Interessenten und bedarf insofern der Legitimation durch eine entsprechende Rechtsgrundlage. Diese ergibt sich entweder aus einer gesetzlichen Erlaubnisnorm oder der Einwilligung des Betroffenen, dass seine personenbezogenen Daten erhoben und zu Werbezwecken weiterverwendet werden dürfen. Die einschlägige Rechtsgrundlage muss für den konkreten Einzelfall ermittelt werden und differiert je nach Datenquelle. Im Ergebnis ist es erforderlich, nachfolgend eine rechtliche Untersuchung der in Abb. 2 exemplarisch dargestellten Datenquellen vorzunehmen: (1) Im Falle der sogenannten Handraiser melden sich Interessenten aus eigenem Entschluss und Willen beim Unternehmen. Sie fordern z. B. Auskünfte über das Unternehmen an oder äußern ein konkretes Produktinteresse. Dabei besteht im Akquisitionsprogramm noch kein Vertragsverhältnis zwischen Interessent und Unternehmen. Vielmehr kann hier ein sog. vorvertragliches Vertrauensverhältnis die Erhebung und weitere Verwendung der personenbezogenen Daten (z. B. Zusendung von Informationsmaterial) legitimieren. Eine weitergehende Verarbeitung dieser Kontaktdaten für Werbezwecke ist im Rahmen einer Interessenabwägung zulässig, sofern kein Widerspruch des Betroffenen zur Verwendung seiner Daten zu diesem Zweck vorliegt.

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(2) Eine andere Form der internen Datenerhebung ist die Befragung von möglichen Interessenten. Befragungen können grundsätzlich persönlich, telefonisch, schriftlich oder computergestützt durchgeführt werden. Dabei ist es möglich, sowohl Adressdaten als auch zusätzliche Informationen für das Akquisitionsprogramm zu erheben. Solche Erhebungen werden zumeist zu bestimmten Anlässen wie Messen, Sportveranstaltungen etc. durchgeführt und können mit Gewinnspielen oder fest zugesagten Incentives gekoppelt sein. Dabei ist zu beachten, dass personenbezogene Daten, die der Interessent z. B. im Rahmen eines Gewinnspiels angegeben hat, nicht automatisch für Werbezwecke verarbeitet werden dürfen. Personenbezogene Interessentenbefragungen bedürfen vielmehr generell der Legitimation durch eine Einwilligung des Betroffenen. In der Einwilligungserklärung ist stets der konkrete Zweck der Datenerhebung festzulegen (z. B. „zu Zwecken der Beratung und Information über Produkte und Dienstleistungen“). Die hier erhobenen Daten dürfen dann nur im Rahmen dieses festgelegten Zwecks verarbeitet werden. Werden die Daten zu anderen Zwecken verarbeitet (z. B. Verkauf der personenbezogenen Daten an andere Unternehmen) liegt eine Zweckänderung vor, die nicht mehr von der Legitimation der Einwilligung gedeckt ist. Diese Verarbeitung ist insofern grundsätzlich unzulässig. (3) Daten aus Telefon- und Adressverzeichnissen können u. a. Aufschluss über Berufsbezeichnungen und Wohnverhältnisse von Privathaushalten geben. Für diese Daten existiert eine Sonderregelung im BDSG. Sofern Daten allgemein zugänglich oder veröffentlicht sind, können sie unter erleichterten Zulässigkeitsbedingungen erhoben werden. Unter diese Datenkategorie fallen vor allem personenbezogene Daten aus Zeitungen, Internet, öffentlichen Registern sowie Telefon- und Adressverzeichnissen. Gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG ist die Verarbeitung von diesen personenbezogenen Daten generell zulässig. Das gilt nur ausnahmsweise nicht, sofern ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen offensichtlich überwiegt. Das ist nicht der Fall, sofern den Daten keine besondere Sensibilität zukommt. (4) Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit kooperierenden Unternehmen, deren Angebotspaletten sich gegenseitig ergänzen oder sich zumindest nicht überschneiden (sog. Non-Competitive Enterprises), können Kundendaten zielgerichtet für Akquisitionszwecke ausgetauscht werden. Grundsätzlich ist der Datenaustausch (juristisch: Übermittlung) von Kundendaten an andere Unternehmen nur möglich, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen dafür vorliegt. Dabei müssen die Unternehmen, an die personenbezogene Daten übermittelt werden sollen, in der Einwilligungserklärung ausdrücklich genannt werden. Das ist jedoch für gewöhnlich nicht der Fall. Insofern kommt eine Übermittlung zu Akquisitionszwecken lediglich im Rahmen des sog. Listenprivilegs in Frage (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG). Danach unterliegen listenmäßig oder sonst zusammengefasste Daten einer erleichterten Übermittlung und Nutzung. Außer dem Umstand der Zugehörigkeit zu einer Personengruppe dürfen nur folgende Angaben genutzt werden: Berufs-, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, Namen, Titel, akademischer Grad, Anschrift und Geburtsjahr.

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

199

Um das Tatbestandsmerkmal „listenmäßig oder sonst zusammengefasst“ zu erfüllen, ist zu beachten, dass lediglich eine Angabe zur Gruppenbeschreibung (z. B. „Kunden der Firma XY“) zulässig ist. Eine weitere Angabe in der Gruppenbeschreibung (z. B. „Kunden, die Waren im Wert über 1.000,- Euro bestellten“) fällt hingegen nicht mehr unter das Listenprivileg. Außerdem dürfen schutzwürdige Interessen des Betroffenen der listenmäßigen Übermittlung nicht erkennbar entgegenstehen. Solche entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen werden insbesondere angenommen, wenn die Liste „besondere Arten personenbezogener Daten“ (§ 3 Abs. 9 BDSG) enthält. Das könnte z. B. der Fall sein, wenn ein „Spezialversender“ seine Kunden preisgibt (wie Bewohner einer Heilanstalt, da sich aus dem Aufenthalt unter Umständen auf bestimmte Krankheitstypen schließen lässt). Das ist jedoch regelmäßig nicht der Fall. Im Ergebnis ist die listenmäßige Übermittlung grundsätzlich zulässig, sofern auch hier nicht ausnahmsweise ein Widerspruch des Betroffenen gegen die Übermittlung und Nutzung seiner Daten zu Werbezwecken vorliegt. Dennoch besitzen Listdaten aufgrund der engen Grenzen der Gruppenbeschreibung grundsätzlich nur eine begrenzte Aussagekraft. Ein Lösungsansatz für dieses Problem könnte eine andere Form der Zusammenarbeit zweier Unternehmen sein. Dabei wird auf die Übermittlung der Kundendaten verzichtet, indem das jeweilige Unternehmen seine eigenen Kunden selbst im Namen der Non-Competitve Enterprise kontaktiert (sog. Beipackwerbung, Empfehlungswerbung). Insofern handelt es sich nur um eine Nutzung der eigenen Kundendaten, die aufgrund einer Interessenabwägung grundsätzlich zulässig ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG), wenn der Absender deutlich erkennbar ausgewiesen wird. Während eine Interessenabwägung die Übermittlung von Adressdaten an eine Drittfirma zu Werbezwecken nicht rechtfertigt, kann eine ledigliche Bereitstellung der Kundendaten zur diesbezüglichen Nutzung noch zulässig sein. Hintergrund ist, dass die Übermittlung stärker in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen eingreift, weil dies ohne seine Mitwirkung erfolgt und er deshalb über keine Kontrollmöglichkeiten mehr verfügt. Sollte der Kunde dennoch die Ansprache der Non-Competitive Enterprise nicht wünschen, hat er das Recht, dem jederzeit zu widersprechen. (5) Listbroker hingegen vermitteln qualifizierte Adressenlisten zwischen Unternehmen generell in Form von Listen (z. B. Kundenlisten, Adressen von Verbrauchern mit bestimmten Produktinteressen). Die Übermittlung und weitere Nutzung dieser personenbezogenen Daten ist unproblematisch. Sie fallen unter das zuvor dargestellte Listenprivileg (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG). Trotz der teilweise hitzigen Diskussion der vergangenen Jahre, bleibt der Adresshandel auch nach der letzten Novellierung der BDSG weitgehend möglich (Delhaes et al. 2009). Die Verarbeitung der Daten der Listbroker ist zulässig, soweit sich die übermittelten Daten auf die o. g. Merkmale beschränken und kein Widerspruch des Betroffenen vorliegt. (6) Lifestyleanbieter wiederum führen flächendeckende Haushaltsbefragungen durch, bei denen neben grundlegenden demographischen Haushaltsdaten detaillierte Konsumprofile und -interessen abgefragt werden (Lifestyledaten). Aus dem entstande-

200

Dirk Arndt nen Lifestyle-Datenpool können Adressen angemietet werden, die mit Informationen über die Bedarfsituation, aktuelle Kaufabsichten, Präferenzen des Verbrauchers etc. angereichert sind. Mittlerweile stehen entsprechende Daten für mehrere Millionen Haushalte zur Verfügung. So enthält bspw. die Acxiom Haushaltsdatenbank Deutschland, nach eigenen Angaben des Unternehmens, 44 Millionen aktuelle Adressen von Privathaushalten. Dabei geben die Befragten ihre Daten ausdrücklich für werbliche Zwecke frei. Insofern ist die Übermittlung und weitere Verwendung der Informationen zu Werbezwecken aufgrund der Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich zulässig. Zu beachten bleibt, dass der Betroffene auch hier das Recht besitzt, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Geschieht dies, dürfen die personenbezogenen Daten zukünftig nicht mehr zu Werbezwecken verwendet werden.

(7) Ergänzend besteht die Möglichkeit, die Adressdaten von Interessenten bzw. Zielkunden mit Daten von Mikrogeographie-Anbietern anzureichern. Mit Hilfe der mikrogeographischen Segmentierung werden dafür Privatadressen nach dem Wohnumfeld selektiert, um genau die Zielgruppe herauszusuchen, die angesprochen werden soll. Der Anbieter legt ein feinmaschiges Netz von mehreren Millionen Straßenabschnitten über die gesamte Bundesrepublik. Für jede dieser Marktzellen, die in Deutschland grundsätzlich mindestens fünf Haushalte umfassen, kann die Datenbank eine Reihe von Informationen zu Wohnumfeld, Bonität, Status, KfzNutzung etc. liefern. Wie zuvor in Abb. 2 dargestellt, beziehen sich mikrogeographische (Aggregat-)Daten lediglich auf eine Personengruppe (Marktzelle). Damit ist ein Rückschluss auf eine einzelne Person nicht möglich und es handelt sich insofern nicht um personenbezogene Daten i. S. v. § 3 Abs. 1 BDSG. Folglich finden die Regelungen des BDSG grundsätzlich keine Anwendung auf die Erhebung und Speicherung mikrogeographischer Daten durch das Unternehmen. Bei der Anpassung des BDSG in 2009 wurde allerdings eine neue Regelung hinsichtlich der Verarbeitung der mikrogeografischen Daten hinzugenommen. Nach § 28b BDSG dürfen mikrogeografische Daten (adressbasierte Geodaten) nicht allein verwendet werden, um Bonitätsscores zu erstellen. Ziel ist es dabei, zu verhindern, dass Personen allein aufgrund ihres Wohnumfeldes als „nicht zahlungskräftig“ eingestuft werden können.

3.3

CRM-Projekte im Loyalitätsprogramm

Hat ein Erstkauf durch einen Interessenten stattgefunden, wird dieser zum Kunden und soll, für den Fall seiner Werthaltigkeit für das Unternehmen, an das Unternehmen gebunden werden. Hier gilt es im CRM vor allem, einen aktiven und für beide Seiten fruchtbaren Dialog zu etablieren, um gegenseitige Verbundenheit aufzubauen. Dadurch sollen letztendlich Folge- und Erweiterungskäufe stimuliert werden. Im Laufe einer solchen Beziehung kommt es zu vielfältigen Kontakten zwischen den beiden beteiligten Parteien. Die personenbezogenen Daten fallen besonders im Verlauf der Vertragsbeziehung an verschiedenen Stellen im Unternehmen (Customer Touch

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

201

Points) zu unterschiedlichen Zwecken an. Dementsprechend können diese Informationen verteilt im gesamten Unternehmen vorliegen. Um ein umfassendes Bild des Kunden zu gewinnen, ist es daher zunächst notwendig, diese personenbezogenen Daten zusammenzuführen. Die Datenzusammenführung ist aus datenschutzrechtlicher Sicht jedoch problematisch. Besonders in Konzernen, bei denen in verschiedenen Konzerngesellschaften über den Kunden personenbezogene Daten anfallen, ist zu beachten, dass kein sog. „Konzernprivileg“ für die Übermittlung personenbezogener Daten besteht. Sobald der Datenempfänger eine eigene juristische Person ist, bedarf die Übermittlung personenbezogener Kundendaten zwischen Konzernunternehmen stets einer Rechtsgrundlage. Geschieht dies zu Werbezwecken und geht der Umfang der übermittelten Daten über das Listenprivileg hinaus, bedarf die Übermittlung stets einer Einwilligung des Betroffenen. Hierbei müssen die (Konzern-)Unternehmen, an welche die personenbezogenen Daten übermittelt werden sollen, in der Einwilligungserklärung explizit genannt werden. In der CRM-Praxis ergeben sich hier oft besondere Herausforderungen hinsichtlich historischer Datenbestände. Durch Unternehmensverkäufe bzw. -zusammenlegungen oder aufgrund im Zeitverlauf geänderter Datenschutzerklärungen (z. B. wegen neuer Datenschutzgesetze), kann es innerhalb eines Datenbestands zu unterschiedlichsten Rechtssituationen kommen. Diese gilt es zu erkennen und entsprechend zu handhaben. Eine legitimationsbedürftige Übermittlung liegt nur ausnahmsweise nicht vor, wenn: ƒ

ein Datentransfer innerhalb eines Unternehmens stattfindet,

ƒ

es sich um eine Mitteilung an den Betroffenen selbst handelt oder

ƒ

um einen Datentransfer im Rahmen einer Auftragsdatenverarbeitung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (sofern dessen Sitz in der EU liegt).

Diese Datentransfers bedürfen insofern keiner Rechtsgrundlage und sind ohne datenschutzrechtliche Beschränkungen personenbezogen möglich. Mit der umfangreichen Zusammenführung aller im Unternehmen vorhandenen Kundendaten geht jedoch auch die Gefahr einher, dass dabei ein umfassendes Kundenprofil entsteht. Die Problematik der Erstellung von solchen Persönlichkeitsprofilen ist datenschutzrechtlich generell sehr kritisch. Dabei stellt nicht so sehr das einzelne Datum das Risiko für die informationelle Selbstbestimmung dar, sondern vielmehr die Gesamtinformation, die sich für das Unternehmen aus diesen Daten in Kombination mit anderen Daten und bezogen auf das Auswertungsinteresse ergibt. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht schon in seinem Volkszählungsurteil das Anfertigen von Persönlichkeitsprofilen gegen den Willen des Betroffenen generell als verfassungswidrig erklärt (Bundesverfassungsgericht 1983). Der Begriff des Persönlichkeitsprofils wird nicht im Gesetz definiert. Nach überwiegender Literaturmeinung lässt sich von einem Persönlichkeitsprofil sprechen, sobald der Tatbestand der Veränderung von Daten gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 BDSG erfüllt ist (Wittig 2000, S. 61; Roßnagel et al. 2002, S. 118; o. V. 2006, S. 31 ff.). Dafür muss über die Summe der Einzelinformationen hinaus eine neue und weitergehende Gesamtinforma-

202

Dirk Arndt

tion über den Betroffenen vorliegen. Dies hat zur Folge, dass es sich um ein Persönlichkeitsprofil handelt, sobald über die Zusammenführung der einzelnen Daten hinaus eine Klassifikation stattfindet (z. B. ein Typ B-Kunde). Dabei ist zu beachten, dass die Klassifikation selbst ebenfalls ein personenbezogenes Datum darstellt (Möncke 1999, S. 47). Die Verarbeitung zu diesem Zweck kann grundsätzlich nicht auf das bestehende Vertragsverhältnis zwischen Kunde und Unternehmen gestützt werden. Alle Vertragsdaten sind mit der konkreten Zweckbestimmung der Vertragsabwicklung gespeichert. Gemäß dem Prinzip der Zweckbindung dürfen diese Daten zu keinem anderen Zweck verarbeitet werden, als zu dem, zu welchem sie zulässigerweise erhoben oder übermittelt wurden. Das bedeutet zum einen, dass wenn der Kunde einen Vertrag über einen bestimmten Kaufgegenstand abschließt, die Analyse seines Kaufverhaltens mit dem Ziel, ihn möglichst optimal zu bewerben, nicht mehr unter den Vertragszweck fällt. Damit stellt eine Nutzung dieser Daten zu Marketingzwecken regelmäßig eine Zweckänderung dar. Besonders die Erstellung von Kundenprofilen bewegt sich grundsätzlich außerhalb des operativen Geschäfts und eine Legitimation allein durch das bestehende Vertragsverhältnis kommt daher nicht in Frage. Aus dem Prinzip der Zweckbindung folgt zum anderen, dass Kundendaten nicht auf Vorrat gesammelt werden dürfen. Eine Speicherung der Daten zu (noch) unbestimmten Zwecken, z. B. in einem permanenten Data Warehouse ist folglich generell unzulässig. Auch eine Einwilligung zu unbestimmten Zwecken ist nicht wirksam. Diese bedarf zu ihrer Zulässigkeit vielmehr der Bestimmung eines konkreten Zwecks der geplanten Datenverarbeitung. Sofern personenbezogene Daten aber für ein konkretes Projekt (und damit zu einem bestimmten Zweck) temporär gespeichert und zusammengeführt werden, gilt das generelle Verbot der Vorratspeicherung nicht. Problematisch ist hier allerdings, dass die zusammengeführten Daten möglicherweise ursprünglich zu verschiedenen Zwecken gesammelt wurden (z. B. gefahrene Kilometer beim Servicedienst einer Werksniederlassung und monatliche Rate für eine Kreditfinanzierung bei der Bank des Herstellers). Werden diese Daten bspw. zu Zwecken einer Cross-Selling Analyse zusammengeführt, stehen sie nicht mehr nur im Zusammenhang des Zwecks, zu dem sie ursprünglich erhoben wurden. Demnach handelt es sich insofern um eine grundsätzlich unzulässige Zweckänderung. Dies gilt hingegen nicht, sofern nur personenbezogene Daten mit der gleichen Zweckbestimmung (z. B. lediglich Servicedaten) zusammengeführt werden und sich die weitere Datenverarbeitung auch auf diesen Zweck beschränkt. Eine Profilbildung „auf Vorrat“ ist jedoch oft nicht mehr notwendig. So werden die Daten bspw. beim Ansatz des Distributed Data Mining bereits in den verteilten operativen Systemen ausgewertet und lediglich die Data Mining Ergebnisse werden im zentralen Data Warehouse zusammengeführt. Dabei handelt es sich dann meist um anonymisierte bzw. aggregierte Daten, deren Verarbeitung nicht in den Anwendungsbereich des BDSG fällt.

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

3.4

203

CRM-Projekte im Rückgewinnungsprogramm

Das Hauptziel des Rückgewinnungsprogramms besteht darin, ehemals profitable aber bereits verlorene Kunden zurückzugewinnen. Um dies zu erreichen und die Abwanderung von bestehenden Kunden zu vermeiden, gilt es einerseits einen erneuten Dialog mit den ehemaligen Kunden zu etablieren und andererseits die Gründe für die Abwanderung zu identifizieren. Kundendaten werden in den einzelnen CRM-Programmen nicht isoliert genutzt. Es findet vielmehr ein permanenter Austausch von Informationen zwischen allen Programmen zu unterschiedlichen Zwecken statt (Arndt/Gersten 2001, S. 35). So können bspw. im Akquisitionsprogramm gewonnene Daten des Verbrauchers auch im Loyalitäts- und im Rückgewinnungsprogramm genutzt werden, gleichzeitig aber werden auch Informationen aus dem Rückgewinnungsprogramm im Loyalitätsprogramm verwendet (z. B. zur Verhinderung der Abwanderung). Über den Zeitverlauf einer Kundenbeziehung hinweg steigt dabei das Volumen der bezüglich eines Kunden im Unternehmen vorhandenen (internen) Daten stetig an und erreicht in jedem Fall zum Zeitpunkt der Abwanderung des Kunden seinen Höchststand. Dieser Zusammenhang ist in Abb. 3 dargestellt.

CRM-Programm Datenkategorie

Akquisitionsprogramm

Loyalitätsprogramm

Rückgewinnungsprogramm

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(+)

(-)

(+)

(+)

Identifikationsdaten • Name/Vorname/Titel • Anschrift • Telefon/Telefax/Email

Deskriptionsdaten • Kundenstatus, Bedarfsstruktur, Zuordnungsdaten, etc. • Soziodemographische Daten, Psychographische Daten, etc.

Kommunikationshistorie • Kommunikationsgegenstand, -person, -kosten, -datum und -zeit • Kommunikationskanal • Datum des Erstkontakts, etc.

Kaufhistorie • Produkt, Menge, Zeitpunkt, Reklamation, etc. • Produktnutzungsverhalten • Bonitätsdaten, etc.

Abb. 3: Personenbezogener Datenaustausch zwischen den CRM-Programmen

204

Dirk Arndt

In dieser Abbildung wird aufgezeigt, welche Datenkategorien im jeweiligen CRM-Programm über den Kunden bereits vorliegen. Diese werden regelmäßig erstmals im Akquisitionsprogramm erhoben und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt durch neue Daten der selben Kategorie erweitert (grau hinterlegt). Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Geschäftsbeziehung zum Kunden mit dem Akquisitionsprogramm beginnt. Dies ist aber nicht zwingend der Fall, wenn der Kunde nicht durch das Akquisitionsprogramm, sondern auf andere Weise gewonnen wurde (z. B. klassische Werbung). Die erstmalige Erhebung von Daten aller Datenkategorien erfolgt dann regelmäßig erst im Loyalitätsprogramm. Aus Sicht des Datenschutzes ist beim Rückgewinnungsprogramm problematisch, dass mit der Abwanderung des Kunden eine Beendigung des bis dahin bestehenden Vertragsverhältnisses einhergeht. Damit ist die weitere Kenntnis eines Großteils der Daten über den Betroffenen für den Zweck der Speicherung (Abwicklung des Vertragsverhältnisses) nicht mehr erforderlich. Für eine weitere Verwendung dieser Daten fehlt es regelmäßig an der erforderlichen Rechtsgrundlage. In diesem Fall besteht für das Unternehmen die Pflicht zur Löschung dieser im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertrages erhobenen Daten (§ 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG). Ein Bestreben im Rückgewinnungsprogramm besteht jedoch gerade darin, die Kundendatenbasis weitgehend zu erhalten. Gerade die zu löschenden Daten enthalten unter Umständen wertvolle Informationen. So können die bezüglich der Profitabilität eines Kunden enthaltenen Daten (Kaufhistorie, Kulanz-Beschwerden etc.) bspw. Entscheidend für den Versuch der Rückgewinnung sein. Andere Kundeninformationen werden etwa für Vergleiche im Zeitverlauf (Längsschnitte) oder für die Verhinderung künftiger Abwanderungen benötigt. Obwohl viele dieser Aufgaben theoretisch auch mit anonymisierten oder pseudonymisierten Daten zu erfüllen sind, werden in der Praxis die Identifikationsdaten häufig weiter benötigt, da interne Daten zusammenzuführen sind und keine eindeutigen Schlüssel existieren oder weil zusätzliche externe Informationen zu einem bestimmten Datensatz hinzugefügt werden sollen. Deshalb ist im Rückgewinnungsprogramm neben dem monetären Wert eines Kunden immer auch der Informationswert desselben zu bedenken. Wenn die Kundendaten einmal verloren sind, ist es nicht möglich, sie wieder zu beschaffen. Das bedeutet, dass der Datenverlust nicht durch den Kauf von externen Daten kompensiert werden kann. Ziel muss es also sein, diese Daten trotz bestehender Löschungspflicht weiterhin behalten zu können. Im Folgenden sollen daher mögliche Ausnahmetatbestände der Löschungsverpflichtung untersucht werden. Entgegen dem ersten Anschein bedeutet die Regelung des § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG nicht, dass eine Pflicht zur Löschung besteht, wenn der „ursprüngliche“ Speicherzweck entfallen ist. Ergibt sich vielmehr nach dem Wegfall des ursprünglichen Speicherungszwecks (Abwicklung des Kaufvertrages) eine neue Legitimationsgrundlage, so besteht hinsichtlich der insoweit erforderlichen Daten keine Löschungsverpflichtung. Da unter Umständen auch nach Beendigung des Vertrages nachwirkende Rechte und Pflichten fortbestehen, kann die Speicherung bestimmter Daten weiterhin gerechtfertigt sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn noch eine weitere Betreuung des Kunden erforderlich ist. Dafür dürfen jedoch nur die zu diesem Zweck erforderlichen Daten

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

205

verarbeitet und genutzt werden. Eine Legitimation für die gesamten Daten des ehemaligen Kunden kann sich hieraus nicht ergeben. Außerdem dürfen diese Daten nur zu Zwecken der weiteren Betreuung und nicht automatisch zu Werbezwecken verwendet werden. Die weitere Verarbeitung und Nutzung der Daten des ehemaligen Kunden durch das Unternehmen kann zur Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens erforderlich sein. Die Rückgewinnung ehemaliger Kunden ist zweifellos geeignet, ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift zu begründen. Auch hier beschränkt sich der Umfang der berechtigten Interessen auf die hierfür erforderlichen Daten. Die weitere Speicherung der gesamten Datenbasis kann hierdurch nicht legitimiert werden. Vielmehr darf lediglich ein begrenzter Datensatz für Werbezwecke in eine Werbedatei eingebracht werden. Grundsätzlich gilt, dass gegen die Umwidmung von Vertragsdaten in Werbedaten keine Bedenken bestehen, soweit sich die Werbedatei auf die in § 28 Abs. 3 Nr. 3 BDSG (Listenprivileg) erwähnten Daten beschränkt. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn der Betroffene der Nutzung seiner personenbezogenen Daten zu Zwecken der Werbung, Markt- und Meinungsforschung widersprochen hat. Eine anderweitige Rechtsgrundlage könnte sich aus einer Einwilligung des ehemaligen Kunden ergeben. Die Einwilligung des Betroffenen wird fast vorsorglich schon gerne eingeholt, um das Risiko einer unzulässigen Datenverarbeitung zu vermeiden und findet sich beinahe auf jedem Kaufvertrag. Eine Einwilligung aus dem Kaufvertrag ist jedoch grundsätzlich nicht geeignet, eine weitere Speicherung der Vertragsdaten im Rückgewinnungsprogramm zu rechtfertigen. Der Verbraucher wird in aller Regel nicht davon ausgehen müssen, dass seine Einwilligung auch nach Beendigung des Vertrages weiter wirken soll. Das könnte lediglich dann der Fall sein, sofern die Einwilligung einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, dass ihre Wirkung sich auch auf den Zeitraum nach Beendigung des Vertrages erstreckt. Vor diesem Hintergrund sollte eine erneute Einwilligung vom Betroffenen eingeholt werden, in welcher er der weiteren Verwendung seiner Vertragsdaten zustimmt. Hierbei könnte der Kunde zu Beginn des Rückgewinnungsprogramms gezielt kontaktiert werden, um ihn zu fragen, ob er einen weiteren Kontakt zum Unternehmen wünscht. So könnte z. B. eine Zusendung von Informationsmaterial über neue Produkte und Dienstleistung des Unternehmens oder die weitere Zustellung des Kundenmagazins etc. angeboten werden. Die übrigen noch vorhandenen personenbezogenen Kundendaten, die im Rahmen der Zweckbestimmung eines Vertragsverhältnisses erhoben wurden, sind zu löschen. Dabei ist es nicht notwendig, die gesamten Daten tatsächlich zu löschen. Vielmehr reicht es aus, die entsprechenden Daten zu anonymisieren. In diesem Fall liegt kein Personenbezug der Daten mehr vor und die Regelungen des BDSG finden keine Anwendung. Insofern besteht dann auch keine Löschungspflicht. Zu den wichtigsten Methoden der Anonymisierung zählen: ƒ

die Löschung der Identifikationsdaten wie Name, Anschrift, Personenkennzeichen, Kontonummer, etc. Es ist auch möglich, die Identifikationsdaten lediglich durch eine Kennung zu ersetzen. Dabei darf mittels dieser Kennung eine Wiederzusammenführung der pseudonymisierten Daten mit den Identifikationsdaten

206

Dirk Arndt des Betroffenen nicht mehr möglich sein. Die entsprechende Referenzliste ist folglich zu löschen.

4

ƒ

So ist es im Rahmen sog. Churn-Analysen möglich, das Profil eines typischen Kündigers mittels anonymisierter Daten zu generieren. Lediglich die Anwendung des generierten Profils im Rahmen des Loyalitätsprogramms auf aktive Kunden, benötigt die Verarbeitung personenbezogener Daten. Erst diese Verarbeitung unterliegt dann dementsprechend auch den Zulässigkeitsbestimmungen des BDSG.

ƒ

eine (ausreichende) Merkmalsaggregation. Begründet sich eine Bestimmbarkeit des Datums darauf, dass eine Merkmalsausprägung nur bei ihr vorliegt (z. B. „Einwohner der Gemeinde A mit 103 Jahren“), so müssen diese Angaben gelöscht oder durch allgemeinere Angaben ersetzt werden (beispielsweise „Alter über 50 Jahre“).

Zusammenfassung

Die Ausführung in diesem Beitrag haben gezeigt, dass der Datenschutz im Rahmen von CRM-Projekten eine große Rolle spielt und deswegen einschlägig Beachtung finden muss. So ist insbesondere die Werbung per Telefon, Telefax, Email oder SMS nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur mit vorheriger Einwilligung des Empfängers zulässig. Liegt diese nicht vor, ist die Werbung wettbewerbswidrig (§ 1 UWG). Während das Recht gegen unlauteren Wettbewerb das CRM damit nur im Bereich der direkten Kommunikation tangiert, hat das Datenschutzrecht aufgrund des integrierten Ansatzes des aCRM weit umfangreichere Auswirkungen auf den Gesamtbereich des CRM. Im Rahmen von CRM-Projekten werden eine Reihe personenbezogener Daten erhoben, gespeichert und ausgewertet. Für diese personenbezogene Datenverarbeitung sieht das BDSG ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vor (§ 4 Abs. 1 BDSG). Danach bedarf jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer Legitimation durch eine gesetzliche Erlaubnisnorm oder durch die Einwilligung des Betroffenen, um zulässig zu sein. Die Verarbeitung personenbezogener Daten für Marketingzwecke ist regelmäßig im Rahmen einer Interessenabwägung erlaubt (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG). Außerdem besteht für die Verarbeitung für Zwecke der Werbung, Markt- und Meinungsforschung die Möglichkeit einer erleichterten Übermittlung und Nutzung der personenbezogenen Daten über das sog. Listenprivileg (§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BDSG). Eine an sich zulässige Verarbeitung ist jedoch dann unzulässig, wenn der Betroffene der Verarbeitung seiner Daten zu diesen Zwecken widersprochen hat (§ 28 Abs. 4 BDSG). Auch eine Einwilligung ist ohne Angabe von Gründen mit Wirkung für die Zukunft durch den Betroffenen jederzeit widerrufbar.

Datenschutzaspekte in CRM-Projekten

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Besondere Bedeutung besitzt das Prinzip der Zweckbindung. Danach ist bereits bei der Datenerhebung der Verarbeitungszweck festzulegen (§ 28 Abs. 1 S. 2 BDSG). Dementsprechend ist eine Speicherung der personenbezogenen Daten „auf Vorrat“ zu (noch) unbestimmten Zwecken generell unzulässig. Die spätere Verarbeitung darf vielmehr nur im Rahmen der ursprünglichen Zweckbestimmung erfolgen. Eine nachträgliche Zweckänderung bedarf einer erneuten Legitimation (§ 28 Abs. 2 BDSG). Letztlich sind die personenbezogenen Daten mit der Erreichung ihrer Zweckbestimmung gemäß § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BDSG zu löschen (z. B. Beendigung des Vertragsverhältnisses bei Vertragsdaten). So ergibt sich bei CRM-Projekten im Akquisitions-, im Loyalitäts- und im Rückgewinnungsprogramm eine Reihe von rechtlichen Problemfeldern, die in diesem Beitrag beleuchtet wurden. Bei der Umsetzung der Projekte besteht die Herausforderung insbesondere darin, die Zusammenarbeit der fachlich Verantwortlichen und der Rechtsabteilung des Unternehmens (Datenschutzbeauftragter) zu managen. Hier gilt es vor allem, zwischen den beiden Berufswelten zu vermitteln. Datenschützer müssen erkennen, welche Daten wie zu welchem Zweck verarbeitet werden sollen und CRM-Manager müssen sich der rechtlichen Schranken ihres Handelns bewusst werden. Letztlich jedoch besteht die größte Herausforderung für das Unternehmen darin, das Vertrauen des Verbrauchers zu gewinnen und zu erhalten. Erst wenn dieser überzeugt ist, dass mit seinen persönlichen Daten verantwortungsvoll umgegangen wird, kann die eigentliche Zielsetzung des CRM – langfristig profitable Kundenbeziehungen aufzubauen und zu festigen – verwirklicht werden.

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Zweiter Teil

Kundenbeziehung als zentrales Element des CRM

Manfred Krafft, Oliver Götz

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie deren Erfolgswirkungen 1

Einleitung

2

Kundenbeziehung als Investitionsentscheidung

3

Begriffliche Abgrenzung entscheidender Kunden-Konstrukte

4

5

3.1

Kundennähe

3.2

Kundenzufriedenheit

3.3

Kundenbindung

3.4

Zusammenhänge zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

Beziehungsgefüge zwischen den Kunden-Konstrukten und dem ökonomischen Wert von Kundenbeziehungen 4.1

Begriffsabgrenzung des ökonomischen Werts

4.2

Effekt der Kunden-Konstrukte auf den ökonomischen Wert

4.3

Effekt des Customer Relationship Managements auf den ökonomischen Wert

Diskussion

Literaturverzeichnis

1

Einleitung

Die Bedeutung des Beziehungs-Marketing hat in den letzten Jahren sowohl in der Praxis als auch in der wissenschaftlichen Forschung stark zugenommen. Insbesondere die jüngere Marketing-Literatur ist von zahlreichen Beiträgen geprägt, die sich mit Konstrukten und Phänomenen von Kundenbeziehungen, wie Kundennähe, -orientierung, -zufriedenheit und -bindung beschäftigen. Mit dem vorliegenden Beitrag wird eine Systematisierung dieser kundenbezogenen Themen vor dem Hintergrund einer optimalen Gestaltung von Kundenbeziehungen angestrebt. Die derzeitige Literatur zeigt, dass eine Einigkeit weder hinsichtlich der abgedeckten Aspekte der Kundenbeziehung noch bezüglich der theoretischen Fundierung, der Messkonzepte und der Implikationen für Forschung und Praxis besteht. Es zeigt sich zudem, dass noch Defizite im Hinblick auf die Verknüpfung der Kunden-Konstrukte mit zentralen, ökonomischen Zielen wie der Unternehmensprofitabilität zu beobachten sind. Um diese Mängel aufzuheben, sind insbesondere moderne, kundenbezogene Instrumente des Marketing-Controlling zu entwickeln und dauerhaft einzusetzen. Die Marketing-Forschung und -Praxis beschäftigt sich in jüngster Vergangenheit immer mehr mit der Frage, ob und in welcher Form der Wert von Kundenbeziehungen gemessen und optimiert werden kann. Als potentielle Prädiktoren der Profitabilität von Kundenbeziehungen werden in diesem Beitrag die Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung diskutiert. Es soll dabei untersucht werden, welches Beziehungsgefüge zwischen diesen Konstrukten besteht, welche theoretischen Grundlagen und Ansätze zur Operationalisierung und Messung in bisherigen Publikationen herangezogen wurden und inwieweit es schon gelungen ist, diese Konstrukte mit ökonomischen Größen, wie dem Customer Lifetime Value (CLV) oder der Customer Equity, in Verbindung zu bringen. Dazu wird im folgenden Abschnitt die Relevanz der Wertigkeit von Kundenbeziehungen beschrieben sowie diskutiert, ob die Selektion, Akquisition und Bindung von Kunden als Investitionsentscheidungen anzusehen sind. Im dritten Abschnitt werden Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung als potenzielle Determinanten des ökonomischen Werts vorgestellt. Zugleich wird nach der theoretischen Fundierung, den relevanten Determinanten und Konsequenzen sowie den Interdependenzen zwischen diesen Konstrukten gefragt. Im vierten Abschnitt wird untersucht, wie diese Konstrukte mit dem ökonomischen Wert zusammenhängen und welche Befunde über Wirkungsbeziehungen aus der Literatur abzuleiten sind. Unser Beitrag schließt mit zentralen Implikationen für Forschung und Praxis, Hinweisen für weiteren Untersuchungsbedarf sowie hilfreichen Literaturquellen.

2

Kundenbeziehung als Investitionsentscheidung

Im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung werden zunehmend auch Marketing-Maßnahmen daraufhin überprüft, ob sie positiv zum Unternehmenswert und zu einem langfristigen, möglichst hohen Cash Flow beitragen. Im Gegensatz zu materiellen Vermögensgegenständen haben aber Maßnahmen des Marketing die Eigenschaft über-

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Manfred Krafft, Oliver Götz

wiegend nur immaterielles Vermögen zu schaffen (sog. „intangible assets“). Dadurch ergibt sich aus Finanzierungs- und Bewertungssicht die Erfordernis diese intangiblen Werte verlässlich zu quantifizieren. Erste Ansätze dieser Art sind für den Bereich des Markenwerts entwickelt und umgesetzt worden (Sattler 1995, S. 663 ff.). Nun zeigt sich gerade im industriellen Bereich sowie in Branchen wie dem Versandhandel oder der Telekommunikationsbranche, dass selbst Unternehmen ohne typische Markenartikel außergewöhnlich hohe Market-to-book-Verhältnisse aufweisen, die auf bedeutende intangible Vermögensgegenstände hindeuten (Krafft et al. 2005). Neben der Reputation und spezifischen Ressourcen (z. B. Kernkompetenzen) der Unternehmen ist diese Höherbewertung seitens der Anteilseigner auch auf den Wert bestehender Kundenbeziehungen zurückzuführen (siehe Abb. 1).

Kunden als Cash-Flow-Generatoren Unternehmenswert Cash Flow

tangible Vermögensgegenstände

andere intangible Vermögensgegenstände

Customer Equity

Kundenwerte Akquisition

Bindung

Potentielle Kundenbeziehungen

Ressourcenpotential

Marktpotential

Bestehende Kundenbeziehungen

Marktpotential

Leistungserschließung

Ressourcenpotential

Leistungsausschöpfung

Abb. 1: Kundenertrags- und Unternehmenswert Empirische Studien und Fallbeispiele zeigen dabei, dass es sich häufig lohnt von einer transaktionalen Sicht Abstand zu nehmen und Kundenbeziehungen über die Gesamtdauer des Kundenlebenszyklus zu beurteilen. So berichten Reichheld und Sasser, dass Kundenwertsteigerungen von 25 % (Kreditversicherung) bis 85 % (Depotverwaltung) möglich sind, wenn die Abwanderungsquote relevanter Kunden um 5 % gesenkt werden kann (Reichheld/Sasser 1990, S. 110; Sheth/Parvatiyar 1995, S. 265). Somit kann eine erfolgreiche Kundenbindung potenziell einen nachhaltigeren positiven Einfluss auf den

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

217

langfristigen Unternehmenserfolg entfalten als Economies of Scale and Scope, Kosteneinsparungen, hohe Neukundenakquisitionen etc. Bei jährlichen Kundenmigrationsquoten von z. B. weit über 20 % im Abonnement- und Versandhandelsgeschäft und einer gleichzeitig zu beobachtenden Homogenisierung von Produkt- und Dienstleistungsmerkmalen kann eine wirksame Bindung von profitablen Kunden schnell zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.

Kundenattraktivität / Periode

Geschäftsbeziehungen sind durch unterschiedliche Phasen gekennzeichnet, die sich von der Anbahnungs- bis hin zur Revitalisierungsphase erstrecken (Stauss 2000, S. 16). Abgesehen von dem Fall, dass ein Kunde selbst aktiv wird, sind es die Unternehmen, die sich in der ersten Phase einen Überblick über ihre potenziellen Kunden verschaffen. Die Neukundenakquisition ist nach ökonomischen Aspekten vorzunehmen, da alternativ Marketing-Budgets in die erhöhte Bindung bereits gewonnener Kunden investiert werden können (Verhoef/Donkers 2005). Abb. 2 verdeutlicht die Kundenlebenszyklus-Phasen und zeigt beispielhaft, wie sich die Attraktivität einer Geschäftsbeziehung im Laufe der beschriebenen Phasen entwickeln kann.

Anbahnungsphase

RevitaliAbstinenz- sierungsphase phase Sozialisationsphase

Gefährdungsphase

Churn Prevention

Akquisitionsmanagement

Wachstumsphase

Gefährdungsphase

Churn Prevention

Kundenbindungsmanagement

Reifephase

Gefähr- Kündigungsphase dungsphase

Zeit

Churn Prevention

Rückgewinnungsmanagement

Abb. 2: Phasen der Kundenbeziehung und deren Attraktivitätsentwicklung Quelle: Rutsatz 2003, S. 23; Stauss 2000, S. 16

Gerade der soeben beschriebene Kundenwert als eine Messgröße der Kundenrentabilität wird in der Literatur als Folge einer nachhaltig kundenorientierten Gestaltung von Geschäftsbeziehungen bezeichnet (Peter 1997, S. 46 ff.; Homburg/Bucerius 2006, S. 64 ff.). Im Weiteren betrachten wir mit der Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung drei zentrale Konstrukte eines kundenorientierten Beziehungs-Managements und ana-

218

Manfred Krafft, Oliver Götz

lysieren zuerst, welche theoretischen Fundierungen, Determinanten und Konsequenzen der Konstrukte in der Literatur diskutiert werden, bevor wir im vierten Abschnitt der Frage nachgehen, ob auch Wirkungsbeziehungen zwischen den Kunden-Konstrukten und der interessierenden Größe des ökonomischen Werts bisher betrachtet bzw. nachgewiesen werden konnten.

3

Begriffliche Abgrenzung entscheidender Kunden-Konstrukte

Im Folgenden werden die Konstrukte der Kundennähe, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung voneinander abgegrenzt. Sie stellen wichtige Voraussetzungen für die Profitabilität von Kundenbeziehungen dar. Aus diesem Grund sind sie als zentrale Begriffe eines Beziehungs-Marketing anzusehen. So ist die Kundennähe im Wesentlichen als Voraussetzung für ein erfolgreiches Kundenmanagement zu verstehen. Im folgenden Abschnitt werden Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung als potentielle Determinanten des ökonomischen Werts vorgestellt. Zugleich wird nach der theoretischen Fundierung dieser Konstrukte gefragt, die es zu präzisieren gilt. Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Größen einen Einfluss auf die jeweiligen Konstrukte ausüben bzw. welche Konsequenzen aus einer größeren Kundennähe, -zufriedenheit bzw. -bindung folgen. Die bisherigen Erkenntnisse der vorherrschenden Literatur zu diesen Fragestellungen werden je Konstrukt gesondert dargestellt.

3.1

Kundennähe

Mit institutionellen Phänomenen der Kundennähe haben sich im deutschsprachigen Raum Albers und Eggert schon früh auseinandergesetzt (Albers/Eggert 1988). Homburg baut in seiner Arbeit auf diesen und weiteren Ansätzen auf und leitet nach einer umfassenden Literaturrecherche mit Hilfe moderner statistischer Methoden sieben Faktoren ab, die geeignet sind, Kundennähe von Industriegüterunternehmen zu quantifizieren (Homburg 1998). Neben der Arbeit von Homburg finden sich in der deutschsprachigen Marketing-Literatur nur noch der Beitrag von Zollner, der aber methodische Schwachstellen aufweist (Zollner 1995; Homburg 1996, S. 1442). Ansonsten ist erstaunlicherweise festzustellen, dass sich deutschsprachige Arbeiten zu kundenbezogenen Themen kaum um eine Abgrenzung des jeweils betrachteten Konstrukts vom Begriff „Kundennähe“ bemühen. Es ist aber auch abzusehen, dass sich die Begriffe Markt- und insbesondere Kundenorientierung gegenüber der Kundennähe als dominante Konstrukte durchsetzen (Krafft 2007, S. 13). In der anglo-amerikanischen Literatur gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die quantitativ-empirisch ausgerichtet sind. Dabei sind insbesondere Beiträge zu erwähnen, die von Kohli und Jaworski bzw. Narver und Slater publiziert wurden (Jaworski/Kohli

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

219

1993; Narver/Slater 1990). In ihrer Vorgehensweise und den Befunden ähneln diese Beiträge sehr der Arbeit Homburgs. Dabei werden umfassende Item-Listen generiert, zu Konstrukten verdichtet und dabei mit gängigen Prozeduren der Psychometrie hinsichtlich ihrer Reliabilität und Validität beurteilt. Zu bemängeln ist allerdings die unzureichende theoretische Fundierung dieser Beiträge. Daher erfolgt im Weiteren eine Konzentration auf die Arbeit Homburgs und insbesondere auf das darin operationalisierte und validierte Kundennähe-Konstrukt. Albers und Krafft verstehen Kundennähe als die Strategie eines Unternehmens, sich vollständig auf die Erfüllung von Kundenwünschen auszurichten (Albers/Krafft 2001, S. 867 ff.). Wesentliche Voraussetzungen für die Umsetzung von Kundennähe sind demnach Produkte und Dienstleistungen außerordentlicher Qualität, eine kundengerichtete und offene Informations- und Organisationsstruktur sowie ein konsequentes Nachkaufmarketing. Dies bedeutet, es ist nicht ausreichend, sehr gute Produkte anzubieten und den Kunden damit zufrieden zu stellen. Vielmehr betrachtet das Konzept der Kundennähe mögliche Beschwerden, die im Anschluss an den eigentlichen Kaufakt auftreten könnten, als Chance, mehr über den Kunden und seine Wünsche zu erfahren sowie Verbesserungspotenziale und Schwachstellen im Unternehmen aufzudecken. Eine kundengerichtete Informationsstruktur stellt dabei sicher, dass diese Informationen nicht verloren gehen, sondern für die Weiterentwicklung und Verbesserung des Produkt- und Dienstleistungsangebots verwendet werden können. Theoretische Fundierung und Konzeptionalisierung Homburg findet Anhaltspunkte für die Konzeptionalisierung in der Mikroökonomie bzw. der mikroökonomisch geprägten Betriebswirtschaftslehre, d. h. dem Gutenbergschen Begriff vom „akquisitorischen Potential“, der letztlich Käuferpräferenzen widerspiegelt, die auch auf eine besondere Kundennähe von liefernden Unternehmen zurückgeführt werden können (Homburg 1998, S. 33 ff.). Aus der mikro-ökonomischen Literatur zieht der Autor den Transaktionskostenansatz heran, der neben der Prinzipal-Agenten-Theorie und dem Property-Rights-Ansatz unter dem Begriff „Neue Institutionenlehre“ subsumiert wird. Während Homburg die Prinzipal-Agenten-Theorie als für eine theoretische Durchdringung des Phänomens Kundennähe wenig geeignet bezeichnet, deuten andere Veröffentlichungen darauf hin, dass Vertrauensstrategien zur Reduktion von Agency-Problemen im Verhältnis Lieferant-Kunde in Prinzipal-Agenten-Ansätzen modelliert werden können (Weißenberger 1998). Homburg zeigt in seiner Arbeit, wie er bei der Konzeptionalisierung und Operationalisierung des Konstrukts Kundennähe vorgegangen ist. Bei der Messung der Kundennähe stellen sich zwei zentrale Dimensionen und sieben den Dimensionen untergeordnete Faktoren heraus (Homburg 1998, S. 90 ff.). Die Faktoren der Dimensionen „Kundennähe des Leistungsangebots“ und „Kundennähe des Interaktionsverhaltens“ sind in Abb. 3 dargestellt.

220

Manfred Krafft, Oliver Götz

Kundennähe

Dimension 1: Kundennähe des Leistungsangebots

Dimension 2: Kundennähe des Interaktionsverhaltens

Faktor 1:

Faktor 2:

Faktor 3:

Faktor 4:

Faktor 5:

Faktor 6:

Faktor 7:

Produkt- und Dienstleistungsqualität

Qualität der kundenbezogenen Prozesse

Flexibilität im Umgang mit Kunden

Qualität der Beratung durch Verkäufer

Offenheit im Informationsverhalten gegenüber Kunden

Offenheit gegenüber Anregungen von Kunden

Kundenkontakte von nicht im Verkauf tätigem Personal

Abb. 3: Konzeptionalisierung der Kundennähe nach Homburg Quelle: Homburg 1998, S. 120

Das Konzept Kundennähe findet sich mit seinen Inhalten – vor allem dem Fokus auf die schnelle und flexible Erfüllung von Kundenwünschen – in vielen Strategien wieder, die den Kunden in den Mittelpunkt stellen. Hier sind vor allem die Begriffe Marktorientierung und Kundenorientierung zu nennen, die in der englischsprachigen Literatur dominieren (Kohli/Jaworski 1990; Krafft 2007; Ruekert 1992). Determinanten der Kundennähe Auch bei der Frage, welche Faktoren einen Einfluss auf die Kundennähe von Unternehmen ausüben, kann man in der deutschsprachigen Literatur neben Beiträgen zu Teilaspekten nur auf Homburgs Arbeit zurückgreifen (Homburg 1998, S. 181 ff.). Der Autor konzentriert sich auf organisatorische Determinanten und untersucht insbesondere, wie die Kundennähe durch Management-Maßnahmen beeinflusst werden kann. Im Einzelnen werden für die organisatorischen Strukturen nach Maßgabe der Forschung der Aston-Gruppe wiederum Konstrukte gebildet und validiert (Spezialisierung, Koordination, Konfiguration, Entscheidungsdelegation, Formalisierung). Wie von Homburg postuliert, bestätigt sich ein negativer Zusammenhang von Spezialisierung bzw. Formalisierung und Kundennähe, während von Dezentralisierung und Entscheidungsdelegation ein signifikanter, positiver Einfluss ausgeht. Als Kontingenzfaktoren werden weiterhin Unternehmensgröße und Formen der Unternehmenskultur daraufhin untersucht, wie sie mit dem Ausmaß an Kundennähe korrelieren. Wie in der Literatur vermutet, zeigt sich ein negativer Zusammenhang von Unternehmensgröße und Kundennähe. Während für hierarchische Unternehmenskulturen geringe und für Clan- und Markt-Kulturen mittlere Werte beobachtet werden, ergibt sich für die sogenannte Ad-Hocracy-Kultur die höchste Ausprägung der Kundennähe. Homburg hat sich in seiner Arbeit somit auf Einfluss-

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

221

größen konzentriert, die „steuerbar“ sind, um Management-Implikationen ableiten zu können. Die anglophile Literatur zu Determinanten der Kundennähe ist wiederum auf Beiträge von Narver und Slater bzw. Jaworski und Kohli beschränkt. Die letztgenannten Autoren untersuchen den Zusammenhang von Aspekten der Unternehmensführung, der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit und der Organisationsstruktur mit der Marktorientierung von Unternehmen (Jaworski/Kohli 1993). Der nachhaltigste Einfluss auf die Marktorientierung geht nach Maßgabe der empirischen Befunde von Komponenten der Unternehmensführung (wie Einstellung des Managements und Kriterien der Vergütung und Karriereentwicklung) aus, während die Organisationsstruktur kaum mit der Marktorientierung zusammenhängt. Narver, Slater und Tietje messen über fünf bzw. drei Indikatoren mit dem „programmatic approach“ bzw. dem „market-back approach“ zwei alternative Ansätze zur Steigerung der Marktorientierung von Unternehmen (Narver et al. 1998). Der „programmatic approach“ wird dabei als bewusster und geplanter Ansatz mit dem Ziel einer höheren Marktorientierung konzeptualisiert, während der „marketback approach“ als Lernprozess von Unternehmen, d. h. als Reaktion auf Marktanforderungen angesehen wird. Von diesem „market-back approach“ geht ein nachhaltiger Effekt auf die Marktorientierung von Unternehmen aus, während der „programmatic approach“ kaum einen Einfluss ausübt. Konsequenzen der Kundennähe Homburg fokussiert seine Arbeit auf Auswirkungen von Kundennähe auf die Gestaltung der Geschäftsbeziehung und den Geschäftserfolg (Homburg 1998, S. 130 ff.). Das Ausmaß der Kundennähe wird dabei richtigerweise als Optimierungsproblem erkannt und es wird mit Hilfe nichtlinearer Regressionsanalysen überprüft, bis zu welchem Grad Kundennähe zu höheren Gewinnen führt. Generell zeigt sich, dass Kundennähe signifikant mit Merkmalen der Geschäftsbeziehung zusammenhängt und dabei eine S-förmige (logistische) Funktionsform die beste Anpassung an die empirisch beobachteten Zusammenhänge aufweist. Dies ist konform mit der von Simon postulierten Hypothese, dass die mit größerer Kundennähe einhergehenden Grenzkosten steigen, während der damit verbundene Grenznutzen immer geringer wird, also dass es einen optimalen Grad an Kundennähe gibt (Simon 1991, S. 272). Zudem werden die frühen Befunde von Albers, Bauer und Eggert, die empirisch positive Zusammenhänge zwischen Aspekten der Kundennähe und des Unternehmenserfolgs nachweisen, bestätigt (Albers et al. 1988, S. 24 ff.). Allerdings beschränken sich diese Autoren ebenso wie Fritz in seiner Habilitationsschrift auf lineare Beziehungen von Kundennähe bzw. -orientierung und ausgewählten Erfolgsgrößen (Fritz 1992). Homburg stellt außerdem fest, dass die signifikanten Wirkungen auf „weiche“ Faktoren wie Commitment, Vertrauen und Kundenzufriedenheit tendenziell stärker sind als die Zusammenhänge mit den untersuchten objektiven Größen (Zahl der alternativen Lieferanten und Wettbewerbsposition des Lieferanten) (Homburg 1998, S. 154 ff.). In einer weiteren Studie wird ebenfalls ein substanzieller positiver Einfluss einer kunden- bzw. marktorientierten Unternehmensführung auf den Unternehmenserfolg berichtet, wenngleich mit einem linearen Strukturgleichungs-

222

Manfred Krafft, Oliver Götz

modell wiederum nur lineare Beziehungen betrachtet werden, die betriebswirtschaftlich wenig sinnvoll sind (Becker/Homburg 1999, S. 31 f.). Die angloamerikanische Literatur ist bei der Analyse von Konsequenzen der Kundennähe bzw. Kunden- und Marktorientierung in erster Linie darauf fokussiert, inwieweit diese Konstrukte die Rentabilität positiv beeinflussen. Einzig Narver und Slater berichten zusätzlich, dass ein positiver Zusammenhang von Marktorientierung und der Bleibequote von Kunden zu beobachten ist (Narver/Slater 1990, S. 31). In dieser wie in drei weiteren empirischen Studien wird zudem festgestellt, dass die Kunden- bzw. Marktorientierung von Unternehmen mit höheren Erfolgen einhergeht (Desphandé et al. 1993, S. 30; Jaworski/Kohli 1993, S. 62; Narver/Slater 1990, S. 30 ff.). Einen abweichenden Befund berichten Narver, Jacobson und Slater, die keinen signifikanten Einfluss der Marktorientierung auf die Rentabilität nachweisen können (Narver et al. 1993, S. 14 f.). Es bleibt als Zwischenfazit festzuhalten, dass die quantitativen und qualitativen Konsequenzen einer höheren Kundennähe bzw. Kunden- oder Marktorientierung zumeist nur partiell analysiert worden sind. Dabei hat sich bisher kein eindeutiger Standard der Messung von Kundennähe bzw. Kunden- oder Marktorientierung herausgebildet.

3.2

Kundenzufriedenheit

Der vorangegangene Abschnitt beschäftigt sich mit dem Konstrukt der Kundennähe. Ein wesentliches Merkmal von Kundennähe besteht darin, schneller und genauer auf eine Veränderung der Kundenwünsche einzugehen und den einzelnen Kunden seinen Bedürfnissen entsprechend zu bedienen. Eine erfolgreiche Strategie der Kundennähe ermöglicht somit dem Unternehmen, das Leistungsangebot den Erwartungen der Kunden anzupassen. Auf diese Weise kann Kundennähe einen wichtigen Beitrag zur Steigerung von Kundenzufriedenheit leisten. Nach herrschender Auffassung wird Kundenzufriedenheit als positive emotionale Reaktion auf einen kognitiven Vergleichsprozess zwischen den Erwartungen des Kunden und des von ihm wahrgenommenen Leistungsniveaus verstanden. Sie tritt ein, wenn das wahrgenommene Leistungsniveau die Erwartungen erfüllt oder übersteigt. Theoretische Fundierung und Operationalisierung In der Kundenzufriedenheits-Literatur mangelt es an systematischen Darstellungen zu theoretischen und konzeptionellen Grundlagen dieses Konstrukts. Häufig werden Modellierungsrahmen, Theorien hinsichtlich des Prozesses der Zufriedenheitsbildung und der Konsequenzen von (Un-)Zufriedenheit nicht hinreichend unterschieden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Modellierungsrahmen und die verhaltenswissenschaftlichen Theorien zum Prozess der Zufriedenheitsbildung. Als Modellierungsrahmen werden in erster Linie die Attributionstheorie (Folkes 1984; Homburg/Stock-Homburg 2006, S. 29 ff.), die Equity Theory (Oliver/Swan 1989) und das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma (oder C/D-Paradigma) diskutiert, wobei

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

223

sich das C/D-Paradigma als das bedeutendste und am häufigsten angewandte Erklärungsmodell herauskristallisiert, das im Wesentlichen auf Vergleichen von Soll-Leistungen (Vergleichsstandards der Kunden) mit wahrgenommenen Leistungsniveaus (IstLeistungen) basiert (Bearden/Teel 1983; Oliver 1980). Entsprechen sich Soll- und IstLeistungen, liegt eine ‚Confirmation’ und folglich Zufriedenheit vor. Eine Übererfüllung der Soll-Leistung wird als positive ‚Disconfirmation’ bezeichnet, die ebenfalls Zufriedenheit nach sich zieht, während eine Untererfüllung oder negative ‚Disconfirmation’ zu Unzufriedenheit führt (Anderson 1994, S. 20; Herrmann/Johnson 1999, S. 581 f.; Homburg/Stock-Homburg 206, S. 20 ff.; Krüger 1997, S. 58 ff.). Zur Erklärung der mit diesem Vergleich verbundenen psychologischen Vorgänge wird aus der Verhaltenswissenschaft zumeist auf die Konsistenz-, die Kontrast- und die Assimilations-Kontrast-Theorie zurückgegriffen, die aus der Sozialpsychologie stammen und Kundenzufriedenheit als einen kognitiven Vergleichsprozess begreifen (Homburg/ Stock-Homburg 2006; Krüger 1997; Anderson 1973; Mano/Oliver 1993; Oliver 1980). In der Literatur ist eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit diskutiert worden. Neben objektiven Indikatoren wie Umsatz, Marktanteil oder Kundenwanderungsdaten, die aufgrund nachhaltiger zeitlicher Verzögerungen und der starken Abhängigkeit von weiteren Einflüssen oft nur ergänzend eingesetzt werden, haben in erster Linie subjektive Messansätze zur Quantifizierung von Kundenzufriedenheit Verwendung gefunden. Während einzelne Autoren in der jüngsten Vergangenheit die Vorteilhaftigkeit ereignisorientierter Verfahren (z. B. Critical Incident Technique) hervorheben (Bitner et al. 1990; Stauss/Seidel 2006, S. 190 f.), zeigt eine Recherche der Veröffentlichungen zum Kundenzufriedenheits-Konstrukt, dass bisher überwiegend explizite, merkmalsorientierte Methoden in Form multiattributiver Messansätze (Zufriedenheitsskalen) eingesetzt werden (Werner 1998, S. 150 ff.). Neben diesen expliziten Verfahren werden auch implizite Methoden vorgeschlagen, die in erster Linie die Analyse des Beschwerdeverhaltens umfassen (Meffert/Bruhn 1981, S. 597 ff.; Fornell/ Wernerfelt 1987; Fornell/Wernerfelt 1988). Die unterschiedlichen Ansätze zur Messung der Kundenzufriedenheit sind in Abb. 4 dargestellt. Letztendlich muss man feststellen, dass sich bisher keine Methode zur Operationalisierung und Messung von Kundenzufriedenheit in der Wissenschaft durchgesetzt hat. Vielmehr sind globale Kundenzufriedenheits-Messungen (wie das Deutsche Kundenbarometer) von spezifischen Messmethoden zu unterscheiden, für die zuerst relevante Leistungsmerkmale für den jeweiligen Untersuchungsgegenstand zu ermitteln sind, um anschließend Fragen zur Zufriedenheit mit diesen Merkmalen zu entwickeln. Eine übersichtliche Darstellung, inwieweit Spezifitäten einzelner Branchen oder Anbieter-Kunden-Verhältnisse einen Einfluss auf die Messung von Kundenzufriedenheit ausüben, findet man im Beitrag von Homburg, Rudolph und Werner (Homburg et al. 1998).

224

Manfred Krafft, Oliver Götz

Ansätze zur Kundenzufriedenheits-Messung

Objektive Verfahren

Subjektive Verfahren

Merkmalsbezogene Verfahren

Implizite Methoden

Ereignisorientierte Verfahren

Explizite Methoden

Abb. 4: Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit Quelle: Schütze 1994, S. 184; Werner 1998, S. 153

Determinanten der Kundenzufriedenheit Als Bestimmungsgrößen der Kundenzufriedenheit sind nicht die Zufriedenheiten mit einzelnen Leistungskomponenten anzusehen. Diese sind vielmehr Ausdruck der Komplexität des Konstrukts Kundenzufriedenheit und zeigen, dass es sich dabei um ein mehrdimensionales, mehrstufiges Konstrukt handelt (Homburg/Giering 1996). Wenn die Zufriedenheit von Kunden nach Maßgabe des C/D-Paradigmas Folge eines Soll/Ist-Vergleichs ist, müssten deren wesentliche Determinanten aus dem Vergleichsprozess resultieren. Einen derartigen Befund berichtet Rapp, der fünf Faktoren identifiziert, welche die Kundenzufriedenheit beeinflussen, nämlich „Technische Produktqualität“, „Servicequalität“, „Reputationsqualität“, „Persönliche Beziehungsqualität“ und „Preiswahrnehmung“ (Rapp 1995, S. 119 ff.). Damit hat der Autor zwar gezeigt, dass diese Qualitätsdimensionen zur Erklärung des Konstrukts Zufriedenheit dienen können, ob weitere Determinanten einen Einfluss ausüben, wird jedoch nicht geprüft. Krüger leitet konzeptionell her, dass Leistungsmerkmale (Produktqualität, After-Sales-Support und Kunden-Mitarbeiter-Interaktion) Determinanten der Zufriedenheit sein können. Als Alternative führt sie eine prozessuale Sicht der Zufriedenheitsbildung an (in der Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase), die mit dem Ansatz von Schütze konform geht, der Pre-Sales- und After-Sales-dominierte Zufriedenheitsquellen unterscheidet. Beide Autoren führen jedoch keine explizite Überprüfung des Zusammenhangs dieser Größen mit der Kundenzufriedenheit durch (Krüger 1997, S. 70 ff.; Schütze 1994, S. 212 ff.). Homburg berichtet signifikante Zusammenhänge der Kundennähe-Konstruktdimensionen ‚Leistungsangebot‘ und ‚Interaktionsverhalten‘ mit der Kundenzufriedenheit (Homburg 1998, S. 149 und S. 154 ff.).

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

225

Im American Customer Satisfaction Index (ACSI) haben sich die wahrgenommene Qualität, Kundenerwartungen und der wahrgenommene Kundennutzen als Determinanten der Kundenzufriedenheit herausgestellt (Fornell/Bryant 1998, S. 175 ff.). Ähnliche Befunde berichten Anderson und Sullivan, die jedoch einen nur indirekten Effekt der Kundenerwartungen auf die Kundenzufriedenheit beobachten und zusätzlich die Variable „Leichtigkeit der Qualitätsbeurteilung“ einführen (Anderson/Sullivan 1993, S. 136 ff.). Fundamentale Kritik an den bisherigen Arbeiten zu Determinanten der Kundenzufriedenheit üben Herrmann, Huber und Wricke, die darauf verweisen, dass sich Kundenzufriedenheit nicht nur aus der Qualität des erlebten Produkts bzw. der erfahrenen Dienstleistung bildet (Herrmann et al. 1999, S. 677 ff., insbesondere S. 682 ff.). Vielmehr spielt auch die Einschätzung der Zwecktauglichkeit alternativer Leistungen von Wettbewerbern eine Rolle, wie in einer empirischen Studie festgestellt wurde. Daher fordern die Autoren für zukünftige Forschungsarbeiten, dass dem sogenannten „regret“-Effekt (Bell 1982, S. 961 ff.; Loomes/Sugden 1982, S. 805 ff.) aus nicht gewählten Alternativen durch entsprechende Untersuchungsdesigns Rechnung getragen wird. Konsequenzen der Kundenzufriedenheit Mit den Folgen von Kundenzufriedenheit setzen sich insbesondere die Theorie der kognitiven Dissonanz, die Lerntheorie und die Risikotheorie auseinander (Homburg/ Stock-Homburg 2006, S. 3 ff.; Schütze 1994, S. 138 ff.). Hierbei sind individuelle, mikro- und makroökonomische Effekte zu unterscheiden (Anderson/Sullivan 1993, S. 131 ff.). Makroökonomische Ansätze wie das Deutsche Kundenbarometer, der ACSI oder ECSI (European Customer Satisfaction Index) überprüfen, inwieweit sich Kundenzufriedenheit auf Branchen oder Volkswirtschaften auswirken. Dieses Gebiet ist als noch relativ unerforscht einzuschätzen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind individuelle Auswirkungen interessant, da sie als Vorstufe der mikroökonomischen Konsequenzen (insbesondere der Unternehmensprofitabilität) eingestuft werden (Fischer et al. 2001, S. 1178 ff.). So weisen auch Adam, Herrmann, Huber und Wricke einen positiven Zusammenhang zwischen den beiden Größen Kundenzufriedenheit und Preisbereitschaft empirisch nach (Adam et al. 2002, S. 773 ff.). Homburg et al. bestätigen in ihrer kürzlich veröffentlichten Studie diesen Zusammenhang und identifizieren einen S-förmigen Funktionsverlauf (Homburg et al. 2005). Der Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und ökonomischem Wert ist u. a. von Anderson, Fornell und Lehmann empirisch überprüft worden (Anderson et al. 1994). Als individuelle Effekte von Kundenzufriedenheit werden in der rezensierten Literatur Kundenloyalität und positive Mund-zu-Mund-Propaganda angesehen, als Folgen hoher Unzufriedenheit Beschwerden, Kunden-Abwanderung, negative Mund-Werbung oder gar keine (äußere) Reaktion. Empirische Befunde zu diesen unterstellten Effekten sind im deutschen Schriftgut – im Gegensatz zur amerikanisch dominierten Literatur – nur verstreut zu finden. Beispielsweise werden bei der Wirkung von (Un-)Zufriedenheit auf positive (negative) Mund-zu-Mund-Propaganda regelmäßig die Studien des Technical Assistance Research Program angeführt, die im Auftrag der amerikanischen Regierung

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Manfred Krafft, Oliver Götz

erstellt wurden und zeigten, dass unzufriedene Kunden ihre negativen Erfahrungen mit neun, zufriedene Kunden ihre Erfahrungen dagegen nur mit drei Personen teilen (o. V. 1986). Bezüglich des Beschwerdeverhaltens gibt es dagegen schon eine lange Forschungstradition in Deutschland (Meffert/Bruhn 1981), wobei aktuelle, messmethodisch anspruchsvolle Untersuchungen derzeit kaum vorliegen (Krafft 2007, S. 28). Ähnlich wie bei der Mund-zu-Mund-Propaganda basieren empirische Befunde zur Abwanderungsneigung von Kunden fast ausschließlich auf Studien aus den USA (Andreasen 1985). Dort sind Kundenzufriedenheits-Messungen nicht nur regulärer Bestandteil der Marketing-Forschung von Unternehmen, sondern fließen auch in die Vergütung von Managern und Marketing- bzw. Vertriebsmitarbeitern ein (Hauser et al. 1994, S. 327 ff.; Reichheld/Sasser 1990, S. 110 ff.; Müller 1994, S. 208). Die vorliegenden Werke konzentrieren sich hierbei überwiegend auf den Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung.

3.3

Kundenbindung

Das in englischsprachigen Publikationen unter der Bezeichnung „Customer Retention“ insbesondere von Reichheld und seinen Ko-Autoren beschriebene Phänomen Kundenbindung (Reichheld/Sasser 1990; Reichheld 1996) ist in Deutschland in erster Linie von Diller aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet worden (Diller 1996). Neben der Dissertation von Peter sind auch die Arbeiten von Krüger, Oevermann und Eggert schwerpunktmäßig dem Kundenbindungs-Konstrukt, dessen Determinanten und Konsequenzen gewidmet (Peter 1997; Krüger 1997; Oevermann 1996; Eggert 1999). Als „Kundenbindung“ wird im Wesentlichen die Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung bezeichnet, die durch eine nicht zufällige Folge von Markttransaktionen zwischen Lieferant und Kunde gekennzeichnet ist (Diller 1996, S. 84; Eggert 1999, S. 30 ff.; Krüger 1997, S. 22; Peter 1997, S. 7). Dabei ist aus Anbietersicht das Binden von Kunden mittels verschiedener Marketing-Maßnahmen zentral, aus Nachfragersicht die Einstellung (Bindung) zum Lieferanten, die sich z. B. in wiederholten Abschlüssen, Weiterempfehlungsund Wiederkaufabsichten widerspiegelt. Konkretisiert wird die Kundenbindung im bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Kauf- oder Bestellverhalten (Krafft 1999, S. 22). Theoretische Fundierung und Operationalisierung Bei der konzeptionellen Durchdringung des Kundenbindungs-Begriffs sind zum einen Theorien heranzuziehen, die dieses Phänomen direkt erklären, zum anderen aber auch Ansätze zu prüfen, die das Streben nach Abwechslung als konträre Haltung beschreiben. Die wissenschaftliche Literatur identifiziert Hirschmans mikroökonomische Theorie, die Transaktionskostenanalyse und die sozialpsychologische Interaktionstheorie als Ansätze, die das Phänomen der Kundenbindung direkt erklären (Homburg/Bruhn 2008, S. 12 ff.; Peter 1997, S. 203).

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

227

Um die Wechselneigung von Abnehmern als eine die Kundenbindung beeinträchtigende Größe zu erfassen, zieht Peter das behavioristische Konstrukt „Variety Seeking“ heran (Peter 1997, S. 99 ff.). Der verhaltenswissenschaftlich geprägte Ansatz Hirschmans führt zur Ableitung von „Kundenzufriedenheit“, „Attraktivität von Konkurrenzangeboten“ und „Wechselbarrieren“ als Bestimmungsfaktoren (Hirschman 1970). Ökonomische, soziale und psychische Wechselbarrieren werden auch von der Transaktionskostenanalyse identifiziert, wobei hier der Kostenaspekt dieser Barrieren dominiert. Ausgehend vom Anreiz-Beitrags-Gedanken dienen nach Maßgabe der sozialpsychologischen Interaktionstheorie Vergleichsmaßstäbe („comparison levels“) dazu, Kosten und Nutzen von Partnerschaften zu bewerten. Wie Hirschmans Ansatz nennt diese Theorie attraktive Konkurrenzangebote und Kundenzufriedenheit als zentrale Einflussfaktoren auf den Aufbau, die Aufrechterhaltung bzw. Beendigung von Austauschbeziehungen. Eggert konzentriert seine Betrachtungen auf Kundenbindung als Einstellung der Kunden zur Geschäftsbeziehung bzw. als beabsichtigtes Wiederkaufverhalten (Eggert 1999, S. 61 ff.). Daher formuliert er sein Modell der Kundenbindung auf der Basis der verhaltenstheoretischen Ansätze der „Theory of Reasoned Action“ von Fishbein und Ajzen und der darauf aufbauenden Erweiterung um unfreiwilliges Verhalten, der „Theory of Planned Behavior“ von Ajzen (Fishbein/Ajzen 1975; Ajzen 1985). Aus diesen Überlegungen resultiert ein mehrstufiges Modell, das als sukzessive Stufen kundenbindende Aktivitäten des Anbieters, kognitive und normative Ansichten der Kunden, Einstellungen und subjektive Normen, Verhaltensabsichten hinsichtlich des Wiederkaufs und Verhaltenskontrolle durch den Anbieter sowie deren Effekt auf das bindungsinduzierte Wiederkaufverhalten umfasst (Eggert 1999, S. 74). Darauf aufbauend differenziert Eggert in seiner Konzeptionalisierung des Konstrukts Kundenbindung aus Kundensicht die beiden Dimensionen „Verbundenheit“ und „Gebundenheit“ (Eggert 1999, S. 129 ff.). Üblicherweise werden bei der Messung des als komplex und multidimensional eingeschätzten Konstrukts Kundenbindung zwei Dimensionen unterschieden, und zwar erstens das bisherige Verhalten im Sinne des Kaufverhaltens und der Weiterempfehlung sowie zweitens die Verhaltensabsichten im Sinne der Wieder- bzw. Zusatzkauf- und der Weiterempfehlungsabsicht (Meyer/Oevermann 1995, Sp. 1341). Anglophile Beiträge zur Kundenbindungs-Literatur stellen in der Operationalisierung dieses Phänomens auffällig oft auf direkt messbare Größen wie Dauer der Geschäftsbeziehung, Share of Customer (Anteil der von einem Anbieter bezogenen Ware am Gesamtbeschaffungsvolumen), Häufigkeit des Lieferantenwechsels, Kaufreihenfolge sowie Einkaufsstättentreue ab (Peter 1997, S. 364 ff.). Determinanten der Kundenbindung Bei der Analyse zentraler Determinanten der Kundenbindung identifiziert Peter die Einflussgrößen ökonomischer, psychischer und sozialer Wechselbarrieren, Kundenzufriedenheit, Variety Seeking und Attraktivität von Konkurrenzangeboten (Peter 1997, S. 198 ff.). Krüger beschränkt sich in ihrer Arbeit auf den Zusammenhang der globalen Kundenzufriedenheit mit Indikatoren der Kundenbindung. Die Analyse zeigt, dass eine

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Manfred Krafft, Oliver Götz

hohe Kundenbindung positiv mit den Variablen Wiederabschlussabsicht, Einstellung sowie Weiterempfehlungsabsicht und negativ mit einer aktiven Alternativensuche zusammenhängt (Krüger 1997, S. 224 ff.). Eine weitere Untersuchung zum Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung stammt von Burmann, der einen konvexen Zusammenhang zwischen der Kauf-, Kundendienst- bzw. Produktzufriedenheit und der Händlertreue feststellt (Burmann 1991, S. 249). Betz und Krafft identifizieren in ihrer jüngst veröffentlichten Studie drei wesentliche Determinanten der Händlerbindung (Betz/Krafft 2003; Betz 2003, S. 196). Dazu zählen die Konstrukte Produktund Kaufzufriedenheit sowie die Zufriedenheitsakzeptanz. Im angloamerikanischen Raum sind bereits Anfang der 90er Jahre auf der Basis nationaler Kundenbarometer Analysen zum Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und deren Konsequenzen (wie Kundenbindung oder Marktanteil) veröffentlicht worden (Fornell 1992; Fornell 1995; Fornell et al. 1996). Wesentlicher Befund dieser Studien ist die Feststellung, dass zwar ein positiver Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und -bindung zu beobachten ist, dass die Stärke des Zusammenhangs aber je nach betrachteter Branche deutliche Unterschiede aufweist (Herrmann/Johnson 1999, S. 580). Im Dienstleistungsbereich untersuchten beispielweise Oliver, Rust, und Varki sowie Finn den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und einzelnen Dimensionen der Kundenbindung (Oliver et al. 1997; Finn 2005). Beide Studien bestätigen einen positiven Zusammenhang zwischen Kudenzufriedenheit und der Absicht die Dienstleistung erneut in Anspruch zu nehmen. In einer weiteren Studie identifiziert Li die Kovariablen Nutzungsintensität, Marketing-Instrumente und demographische Merkmale, die einen Einfluss auf die Länge der Kundenlebenszeit im Ferngesprächmarkt der USA ausüben (Li 1995, S. 20 ff.). Bolton findet in ihrer Untersuchung heraus, dass die kumulierte Kundenzufriedenheit der Vergangenheit bei der Entscheidung, ob ein Mobilfunkdienst weiter in Anspruch genommen wird, ein stärkeres Gewicht besitzt als die jüngst wahrgenommene Zufriedenheit (Bolton 1998, S. 57 ff.). Dadurch wird den bisherigen Studien ein weiterer Aspekt hinzugefügt, nämlich die Frage der Dynamik der Beziehung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. Konsequenzen der Kundenbindung Bei der Untersuchung der Wirkungen, die von einer höheren Kundenbindung ausgehen, ist man überwiegend auf einzelne Fallbeispiele und Beraterschriften angewiesen (Reichheld/Sasser 1990; Reichheld 1993; Reichheld 1996; Müller 1991; Diller 1996). Auch Peter liefert keine eigenen empirischen Befunde über Konsequenzen der Kundenbindung, sondern bezieht sich auf bisher veröffentlichte Studien (Peter 1997, S. 41 ff.). Lediglich Krüger überprüft anhand von Mittelwertvergleichen, welches Verhalten bei neuen Kunden bzw. Reisemittler-Kunden mit mittlerer oder hoher Kundenbindungsdauer zu beobachten ist. Es zeigen sich signifikante, wenngleich nur schwach ausgeprägte Unterschiede bezüglich des Umsatzes, des Weiterempfehlungsverhaltens in der Vergangenheit, der Weiterempfehlungsabsichten und der erforderlichen Betreuungsintensität (Beratungsdauer). Dabei ist eine längere Kundenbindung mit höheren Um-

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

229

sätzen, häufigeren Empfehlungen bzw. Empfehlungsabsichten und kürzeren Beratungszeiten verbunden (Krüger 1997, S. 233 ff.). Als Quintessenz einer Recherche der deutschsprachigen Literatur kann vorläufig festgestellt werden, dass zumeist ein substanzieller, positiver Zusammenhang von Kundenbindung und Unternehmenserfolg berichtet wird. In der angloamerikanischen Literatur finden sich Studien zum Zusammenhang von Kundenbindung und ökonomischen Erfolgsgrößen. Diese Studien sind Gegenstand des vierten Kapitels und sollen an dieser Stelle nicht näher betrachtet werden. Insgesamt verbleibt der Eindruck, dass die bisher vorliegenden Studien zur Wirkung von Kundenbindung eher anekdotischer Natur sind.

3.4

Zusammenhänge zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

Die Zusammenhänge zwischen den Konstrukten „Kundennähe“, „Kundenzufriedenheit“ und „Kundenbindung“ wurden in der Literatur bereits vielfach diskutiert und werden von wenigen empirischen Studien unterstützt. Gemein ist den Ansätzen in der Literatur der postulierte positive Zusammenhang zwischen den drei genannten Konstrukten. Aufgrund der Befunde aus Homburgs Habilitationsschrift (Homburg 1998) und einigen englischsprachigen Publikationen (Desphandé et al. 1993; Jaworski/Kohli 1993; Narver/ Slater 1990) ist von einem positiven Zusammenhang von Kundennähe bzw. Marktorientierung und Kundenzufriedenheit auszugehen, der von einigen Größen (marktbezogene bzw. technologische Dynamik und Komplexität sowie spezifische Investitionen) moderiert wird (Homburg/Faßnacht 1998). Homburg berichtet die höchste Erklärungskraft der Beziehung von Kundennähe und Kundenzufriedenheit für eine logistische, d. h. Sförmige Funktion. In einigen wissenschaftlichen Arbeiten wird hinsichtlich des Zusammenhangs von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung eine positive Korrelation nachgewiesen. Giering, Homburg et al. und Homburg/Bucerius geben einen breiten Überblick über die bisherigen Arbeiten und empirischen Studien, die sich mit den Auswirkungen der Kundenzufriedenheit auf die Kundenbindung bzw. Kundenloyalität und der Form des Zusammenhangs beschäftigt haben (Giering 2000, S. 22 ff.; Homburg et al. 2008, S. 115 ff.; Homburg/Bucerius 2006, S. 56 ff.). Bei näherer Betrachtung lassen sich jedoch teilweise erhebliche Differenzen feststellen: So ordnen Homburg et al. das Werk von Auh/ Johnson (1997) den Vertretern eines progressiven Funktionsverlaufs zu, während Homburg/Bucerius diese der Kategorie der Vertreter eines S-förmigen Zusammenhangs zuweisen. Auch in der jüngst veröffentlichten Untersuchung von Yeung, Ging und Ennew kommen die Autoren letztlich zum Ergebnis, dass eine eindeutige funktionale Beziehung noch nicht empirisch nachgewiesen werden konnte (Yeung et al. 2002, S. 32). Hieraus wird ersichtlich, dass sich bisher kein einheitliches Bild über die Gestalt des funktionalen Zusammenhangs herauskristallisiert hat.

230

Manfred Krafft, Oliver Götz

Es fällt zudem auf, dass große Unterschiede zwischen der theoretischen Diskussion und den empirischen Studien bestehen. Im Wesentlichen werden vier unterschiedliche Formen des Zusammenhangs postuliert bzw. durch empirische Studien fundiert. Während in der theoretischen Diskussion vor allem progressive (Rust et al. 1995; Jones/Sasser 1995; Mittal/Kamakura 2001) und sattelförmige (Müller/Riesenbeck 1991) Verläufe im Mittelpunkt stehen und von vielen Autoren favorisiert werden, ist festzustellen, dass in empirischen Arbeiten ein S-förmiger Zusammenhang das häufigste Ergebnis der Untersuchungen darstellt (Auh/Johnson 1997; Bolton 1998; Burmann 1991; Herrmann/ Johnson 1999; Oliva et al. 1992). Jones/Sasser und Mittal/Kamakura haben in ihren Studien neben einem progressiven auch einen degressiven Zusammenhang feststellen können, der jedoch in der Wissenschaft eher eine untergeordnete Bedeutung hat (Jones/ Sasser 1995; Mittal/Kamakura 2001).

Progressiv Kundenbindung

Sattelförmig Kundenbindung

Kundenzufriedenheit

Degressiv Kundenbindung

Kundenzufriedenheit

S-förmig Kundenbindung

Kundenzufriedenheit

Kundenzufriedenheit

Abb. 5: Funktionale Zusammenhänge zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Quelle: Homburg/Bucerius 2006, S. 60

Die Vorstellung der verschiedenen Funktionsverläufe hat deutlich gemacht, dass sich eine einheitliche Meinung bezüglich eines Funktionsverlaufs noch nicht gebildet hat. Die teilweise großen Unterschiede in den beobachteten bzw. postulierten Funktionsverläufen sind womöglich auf die unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Studien und Standpunkte zurückzuführen. Im Rahmen dieser Arbeit wird daher lediglich festgehalten, dass sich eine erhöhte Kundenzufriedenheit in der Regel positiv auf die Kundenbindung auswirkt. Sowohl der Zusammenhang zwischen Kundennähe und Kundenzufriedenheit als auch der zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung wird maßgeblich von moderierenden Variablen beeinflusst, die jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. Krafft gibt in seiner Habilitationsschrift einen umfassenden Überblick über weitere zentrale Beiträge, die sich mit den Konstrukten der Kundennähe, -zufriedenheit, und -bindung beschäftigen (Krafft 2007, S. 54 ff.).

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

4

231

Beziehungsgefüge zwischen den Kunden-Konstrukten und dem ökonomischen Wert von Kundenbeziehungen

Insbesondere in führenden akademischen Marketingzeitschriften sind in den letzten Jahren einige Beiträge veröffentlicht worden, die sich fokussiert mit den ökonomischen Konsequenzen der bisher diskutierten Kunden-Konstrukte auseinandergesetzt haben. Dabei kam der als Kundenlebenszeit direkt gemessenen Kundenbindung eine besondere Bedeutung zu. Im vierten Abschnitt unseres Buchbeitrags soll in der erforderlichen Kürze vorab eine begriffliche Eingrenzung des ökonomischen Werts erfolgen. Daran anschließend werden ausgewählte Befunde zur Wirkung der hier diskutierten KundenKonstrukte auf den ökonomischen Wert diskutiert. Das in diesem Herausgeberband zentrale Konzept des Customer Relationship Management wird abschließend anhand einer aktuellen branchen- und länderübergreifenden Studie daraufhin untersucht, ob ein nachhaltiger Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg vorliegt.

4.1

Begriffsabgrenzung des ökonomischen Werts

In grundlegenden Veröffentlichungen zu Erfolgsmaßen im Kundencontrolling werden ein- bzw. mehrdimensionale Bewertungsansätze sowie individuelle (disaggregierte) bzw. kumulierte (aggregierte) Darstellungen unterschieden (Krafft/Albers 2000, S. 516 ff.; ähnlich auch Burmann 2003, S. 114 f.). Als individuelle Kenngrößen zur Beurteilung des ökonomischen Werts einzelner Kundenbeziehungen nennt die einschlägige betriebswirtschaftliche Literatur insbesondere den Umsatz, Deckungsbeitrag, Kunden-Lieferanteil („share of wallet“ oder „share of customer“) und den Kundenertragswert („customer lifetime value“/CLV). Als kumulierte Informationen werden dagegen Renditemaße, Kunden-Portfolios, Marktanteile, Kundenstamm-Wert („customer equity“) oder Entwicklungen des Shareholder Value betrachtet. Auf detailliertere Ausführungen zu Kennziffern des ökonomischen Werts von Kundenbeziehungen, die im Zusammenhang mit der sogenannten Kundensegmentierung zu sehen sind, soll an dieser Stelle verzichtet werden, da mit dem Beitrag von Krafft und Albers bereits eine sehr umfassende Darstellung vorliegt (Krafft/Albers 2000). Es sei hier aber explizit darauf verwiesen, dass Krafft und Albers zeigen, dass Umsatz- und Rentabilitätsinformationen nicht ausreichen, um eine optimale Marketing- und Vertriebspolitik zu ermöglichen. Vielmehr ist die Effektivität der eingesetzten Marketing-Instrumente zwingend mittels Elastizitäten in die Bewertung zu integrieren. Dieser Hinweis ist für unseren Buchbeitrag und die gesamte Kunden-Konstrukte-Forschung insofern von eminenter Bedeutung, als Studien ohne Einbezug der Marketing-Mix-Effektivität nicht dazu dienen können, umfassende Aussagen zur Optimalität von Kundenmanagement-Aktivitäten abzuleiten. Da unseres Wissens auch im internationalen Kontext keine einzige Studie diese

232

Manfred Krafft, Oliver Götz

Variable berücksichtigt hat, ist dies als generelles Defizit der im Nachfolgenden präsentierten Veröffentlichungen anzusehen.

4.2

Effekt der Kunden-Konstrukte auf den ökonomischen Wert

Eine Überprüfung der Literatur hinsichtlich des Effekts von Kunden-Konstrukten auf den ökonomischen Wert zeigt, dass zumeist keine hinreichende Überprüfung eines derartigen Zusammenhangs vorgenommen wird, sondern unter Hinweis auf Beiträge von Unternehmensberatern oder einzelne Fallbeispiele von einem positiven Effekt ausgegangen wird (Reichheld/Sasser 1990). Das Fehlen empirischer Analysen zur Kostenbzw. Nutzenwirkung des Kundenmanagements kann darauf zurückgeführt werden, dass die dafür erforderlichen Controlling-Systeme bisher höchstens bei Telekommunikations-, Versandhandels- oder Finanzdienstleistungsunternehmen zu finden sind (Peter 1997, S. 276). Im englischsprachigen Raum finden sich zwei zentrale Publikationen zum Zusammenhang zwischen der Kundenbindung und dem ökonomischen Erfolg. Zum einen berichten Kalwani und Narayandas in einer empirischen Studie der Industriegüterbranche für Anbieter mit langfristigen Kundenbeziehungen signifikant höhere Umsatz- und RoI-Werte sowie eine höhere Innovationsrentabilität als für Anbieter mit transaktionalen Kundenbeziehungen (Kalwani/Narayandas 1995, S. 8 ff.). Zum anderen zeigt die Auswertung der Daten von 600 Versandhandelskunden durch Sinha, DeSarbo und Young-Helou, dass mit einer höheren Kundenbindung ein signifikanter positiver Zusammenhang mit dem Kaufverhalten, der Wiederkauf- und der Weiterempfehlungsabsicht der Kunden einhergeht. Zudem fällt der Prozentsatz der zurückgegebenen Waren signifikant niedriger aus (Sinha et al. 1999, S. 14 ff.). Im deutschsprachigen Raum liegen mit der Arbeit von Krafft (2007) und dem Beitrag von Reinartz/Krafft (2001) weitere Studien vor, in denen der Zusammenhang von Kundenertragswert und Kundenbindung (gemessen als Kundenlebenszeit) direkt analysiert wurde. Ihre Analysen zeigen, dass hochprofitable Kundensegmente existieren, die sich aus loyalen oder transaktionalen Kunden zusammensetzen. Im Einzelnen weisen die Autoren nach, dass Kundenbeziehungen existieren, die hohe Ertragswerte, prozentual niedrige MailingKosten und hohe mittlere Preise je bestelltem Artikel bei kurzen Bindungsdauern aufweisen. Dieser Befund, der mit Ergebnissen aus den USA einhergeht (Reinartz/Kumar 2000), impliziert, dass bei der Gestaltung kundenspezifischer Marketing-Maßnahmen der zeitlichen Dimension in Form des Kundenlebenszyklus-Status eine dominante Rolle zukommt. Trotz der letztgenannten Befunde, die den positiven Zusammenhang von Kundenwert und Kundenbindung nachhaltig in Frage stellen, wird zumeist ein positiver, mit zunehmender Kundenbindung degressiv zunehmender Effekt auf den ökonomischen Erfolg als betriebswirtschaftlich sinnvoll erachtet. Dies wird nicht zuletzt mit den einleuchtenden analytischen Überlegungen von Blattberg und Deighton als intuitiv richtig angesehen (Blattberg/Deighton 1996).

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

233

Der Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und ökonomischem Wert ist u. a. von Anderson, Fornell und Lehmann empirisch überprüft worden (Anderson et al. 1994). Als Basis für ihre Untersuchung verwenden die Autoren dabei Unternehmensdaten von 77 Großunternehmen aus verschiedenen Branchen und ergänzen den Datensatz um Zufriedenheits-Werte der jeweiligen Unternehmen aus dem Swedish Customer Satisfaction Barometer (SCSB). Die Befunde zeigen, dass zwischen der Kundenzufriedenheit und der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens ein signifikant positiver Zusammenhang besteht. Anderson, Fornell und Rust bestätigen in ihrer Untersuchung die positive Wirkungsbeziehung zwischen Kundenzufriedenheit und der Unternehmensprofitabilität (Anderson et al. 1997, S. 139). In einigen aktuellen Studien wird anhand von Finanzmarktdaten (bspw. Aktienkurs) untersucht, inwieweit Kundenzufriedenheit als vorökonomische Größe des Unternehmenswerts anzusehen ist. So stellen Gruca und Rego fest, dass eine Steigerung der im ACSI gemessenen Kundenzufriedenheit um ein Prozent zu einer Erhöhung der zukünftigen Cash Flows um ein Promille führt (Gruca/Rego 2005). Dies geht mit einer Verringerung der Varianz zukünftiger Cash Flows um vier Prozent einher. Die zu Grunde gelegte Datenbasis von 200 Unternehmen aus 40 verschiedenen Branchen stammt aus dem Kreis der Fortune 500-Unternehmen. Ein ähnliches Bild zeigt die Studie von Anderson, Fornell und Mazvancheryl, in der ein positiver Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und dem Marktwert des Unternehmens berichtet wird (Anderson et al. 2004). Dabei wird der Marktwert anhand der Größe Tobin’s Q gemessen. Die Studie von Fornell, Mithas, Morgeson und Krishnan bestätigt die vorangegangenen Befunde (Fornell et al. 2006). Sowohl der zukünftige wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens als auch der zukünftige Marktwert korrelieren positiv mit der Kundenzufriedenheit. Die Ergebnisse beziehen sich dabei auf ACSI- und Compustat-Daten aus dem Zeitraum 1994 bis 2002. Eine Studie von Morgan und Rego zeigt darüber hinaus, dass der Durchschnitt über die drei Zufriedenheitsindikatoren des ACSI im Vergleich zu den anderen betrachteten Metriken des Kundenmanagements am besten geeignet ist, um die wirtschaftliche Zukunft eines Unternehmens zu prognostizieren, und dass die beiden höchsten Ausprägungen der Kundenzufriedenheit auf einer fünfstufigen Likert-Skala (die sog. „top 2 boxes“) ebenfalls gute Ergebnisse bei der Erklärung des wirtschaftlichen Erfolgs liefern (Morgan/Rego 2006). Demgegenüber zeigen die Befunde einer Studie von Keiningham, Cooil, Andreassen und Aksoy, dass sich weder der ACSI noch der Net Promoter Score (siehe www.netpromoter.com) als geeignete Prädiktoren des Unternehmenswachstums voneinander abheben (Keiningham et al. 2007). Die Studie von Rust, Moorman und Dickson zeigt, dass sich die Orientierung des gesamten Unternehmens auf die Kundenzufriedenheit signifikant positiv auf den Markterfolg und wirtschaftlichen Erfolg auswirkt (Rust et al. 2002). Eine Untersuchung von Mittal, Anderson, Sayrak und Tadikamalla knüpft an die zuvor dargestellte Untersuchung an und indiziert, dass sich Unternehmen, die sich mit ihrer Strategie gleichzeitig auf Umsatzsteigerung und Kostenersparnis fokussieren, durch eine stärkere Erfolgswirkung der Kundenzufriedenheit auszeichnen als Unternehmen, die sich lediglich auf einen dieser Aspekte konzentrieren (Mittal et al. 2005).

234

Manfred Krafft, Oliver Götz

Insgesamt gilt für die deutsche wie internationale Literatur, dass ein allgemeingültiger Nachweis über einen direkten Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg noch nicht geführt werden kann. Vielmehr ist vorläufig von einer indirekten Wirkung der Zufriedenheit über die Bindung von Kunden auf die Unternehmensprofitabilität, wie sie in Abb. 6 dargestellt ist, auszugehen.

Moderierende Variablen

Kundennähe (KN)

Moderierende Variablen

Kundenzufriedenheit (KZf)

KZf

Moderierende Variablen

Kundenbindung (KB)

KB KN

ökonomischer Wert (öW)

öW KZf

KB

Abb. 6: Skizziertes Beziehungsgefüge zwischen Kundennähe, -zufriedenheit, -bindung und ökonomischem Wert Quelle: Krafft 1999, S. 525; Homburg/Faßnacht 1998, S. 420

Bei der Frage, in welcher Form Kundennähe als erste Stufe unseres Beziehungsgefüges mit dem ökonomischen Erfolg zusammenhängt, findet Homburg einen signifikant positiven Zusammenhang und die beste Erklärung für eine nichtlineare Regression (Homburg 1998, S. 173 ff.). Dies unterstreicht, dass Kundennähe nicht zu maximieren, sondern zu optimieren ist. Es erhebt sich an dieser Stelle aber die Frage, ob dieser Befund nicht ggf. auf eine umgekehrte Kausalität zurückzuführen ist („Wir können es uns leisten, kundennah zu sein“), was z. B. Krafft in einer Kundenzufriedenheits-Analyse von 219 Industriegüterunternehmen vermutet (Krafft 1997). Um dies zu überprüfen, müssten allerdings Zeitreihen untersucht oder adäquate experimentelle Designs verwendet werden. Dieser Einwand gilt übrigens für die Konsequenzen aller drei hier betrachteten Phänomene. Zudem ist die Sequenz des in Abb. 6 skizzierten Beziehungsgefüges zu beachten: Wenn die postulierte, nur indirekte Wirkung der Kundennähe über Kundenzufriedenheit und -bindung auf die Rentabilität gegeben ist, erscheint die Frage berechtigt, ob die von Homburg berichtete direkte Wirkung der Kundennähe auf den ökonomischen Erfolg auf das Konstrukt Kundennähe zurückgeführt werden kann. Solange kein erweitertes Modell ähnlich dem aus Abb. 6 überprüft worden ist, sollte der von Homburg berichtete empirische Zusammenhang von Kundennähe und Profitabilität daher als vorläufig angesehen werden. Ebenso bleibt festzuhalten, dass der Nachweis noch aussteht, in welcher Sequenz und funktionalen Form Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung zusammenhängen. Des-

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

235

gleichen besteht aus akademischer Sicht ein erhebliches Forschungsdefizit hinsichtlich der Wirkung dieser Konstrukte auf den ökonomischen Wert, die sich auf der Ebene der Abnehmer im Kundenertragswert konkretisiert. Wenn man dabei der oben angeführten Argumentation folgt, sind zukünftige Erlöse, aber auch Kosten zu berücksichtigen und zu diskontieren, um den Netto-Gegenwartswert von Kundenbeziehungen ermitteln zu können. Einen Ansatz zur Ermittlung dieses Kundenlebenszeitwertes oder Customer Lifetime Value (CLV) auf der Basis von Kunden-Kaufhistorien schlägt Krafft vor, wobei er an den Beitrag von Gupta anknüpft (Gupta 1988). Mit diesem Konzept, das in Abb. 7 skizziert wird, kann prognostiziert werden, ob, in welcher Menge und wann gekauft wird. Sofern Vergangenheitsdaten vorliegen, kann die erste („ob“) und dritte („wann“) Frage mit Hilfe sogenannter Hazard-Regressionen geschätzt werden, während die Kaufmenge mittels linearer Regressionen ermittelt werden kann. Diese Größen können dann zur Prognose des Kundenertragswerts herangezogen werden. Zukünftige Beiträge sollten untersuchen, inwieweit gebräuchliche Skalen der Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung als Erlös- oder Kostentreiber des Kundenwerts anzusehen und in das Modell in Abb. 7 zu integrieren sind.

Kundennähe

Kauf (ja/nein)

Kundenzufriedenheit

Kaufmenge

Kundenbindung

Dauer der Beziehung

Zukünftige Erlöse

Kundenwert

Kosteninformationen

Abb. 7: Einordnung der Kunden-Konstrukte in ein Erklärungsmodell des Kundenwerts (CLV) Quelle: Krafft 1999, S. 526

4.3

Effekt des Customer Relationship Managements auf den ökonomischen Wert

In diesem Herausgeberwerk wird Customer Relationship Management (CRM) überwiegend als umfassende Unternehmensstrategie aufgefasst und beleuchtet. Unter CRM versteht man Allgemein die Ausrichtung aller unternehmerischen Strukturen, Prozesse

236

Manfred Krafft, Oliver Götz

und Aktivitäten auf Kundenbedürfnisse, die darauf gerichtet sind, profitable Kundenbeziehungen zu identifizieren, zu begründen, zu intensivieren und bei nicht mehr gegebener Vorteilhaftigkeit zu beendigen (Krafft/Götz 2003, S. 340). Die bisher vorliegende Literatur zum Thema CRM ist dagegen von einer Technologielastigkeit geprägt. Mit anderen Worten sind zahlreiche bisherige Publikationen dadurch gekennzeichnet, dass CRM im sehr engen Sinne als Thema der Informationstechnologie und des Data Mining verstanden wurde (Alt et al. 2005, S. 186 f.). Daher sind Untersuchungen zur Erfolgswirkung von CRM-Strategien nur spärlich zu finden. Aus diesem Grund wurde in einem internationalen Forschungsverbund des INSEAD, der University of Texas at Austin und der Universität Münster eine empirische Studie durchgeführt, in der für den gesamten deutschsprachigen Raum und branchenübergreifend für 211 Unternehmen der Hotellerie, der Finanzdienstleistungsbranche, für Energieversorger und die IT/Online-Branche folgende Kernfragen untersucht wurden (Reinartz et al. 2004): (1) Wie ist ein Konstrukt des Ausmaßes der Implementierung von CRM-Prozessen zu konzeptionalisieren? (2) Kann ein derartiges Konstrukt umfassend operationalisiert und validiert werden? (3) Welchen Effekt übt das Ausmaß der CRM-Implementierung auf den Erfolg von Unternehmen aus? Im Folgenden sollen die Befunde der dritten Forschungsfrage fokussiert vorgestellt werden. Der Unternehmenserfolg wurde dabei von Reinartz, Krafft und Hoyer nicht nur mit Hilfe der üblichen Multi-Item-Batterien gemessen, sondern auch über objektive Erfolgsdaten von Unternehmen. Zudem wurde in jedem Unternehmen ein zweiter Informant identifiziert und angeschrieben, so dass insgesamt drei Datenpunkte für das Erfolgsmaß und zwei Datenpunkte für die Messung und Validierung des CRM-Konstruktes zur Verfügung standen. Der Beziehungsrahmen der Studie ist in der nachfolgenden Abb. 8 wiedergegeben. Die empirischen Analysen von Reinartz, Krafft und Hoyer zeigen, dass CRM-Prozesse nach den drei Kundenlebenszyklus-Stufen der Akquisition (Relationship Initiation), der Bindung (Relationship Maintenance) und der Beendigung (Relationship Termination) zu differenzieren sind. Eine Auswertung der Effekte des Umfangs von CRM-Aktivitäten auf diesen drei Stufen ergibt, dass extensivere CRM-Prozesse mit höheren Unternehmenserfolgen einhergehen. Diese Effekte fallen sowohl für den subjektiv gemessenen als auch für den objektiv erhobenen Unternehmenserfolg moderat positiv und statistisch signifikant aus. Lediglich für die Phase der Beendigung sind die Koeffizienten mit dem subjektiv gemessenen Erfolg nicht signifikant. Somit ist die Hypothese H1 aus Abb. 8 als vorläufig bestätigt anzusehen.

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

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CRM Process (a) Relationship Initiation

Economic performance

H1

(b) Relationship Maintenance

Perceptual

Objective

(c) Relationship Termination

H2

H3

Moderators: CRM Compatible Organizational Alignment

Control: Industry

CRM Technology

Abb. 8: Bezugsrahmen zur Erfolgswirkung strategischer CRM-Prozesse Quelle: Reinartz et al. 2004, S. 295

Moderierte Regressionsanalysen zeigen, dass dieser grundsätzlich erfolgssteigernde Effekt von CRM-Prozessen durch geeignete Anreizsysteme und organisatorische Strukturen noch signifikant verstärkt werden kann. Während somit H2 eindeutig bestätigt wird, sind die Befunde zum Einfluss von CRM-Technologien gemischt. Hier zeigt sich, dass CRM-Technologien hypothesenkonform den positiven Zusammenhang von ‚Relationship Termination’ und dem Unternehmenserfolg verstärken, während ein signifikant negativer, hypothesenkonträrer, moderierender Effekt auf den Zusammenhang von Akquisitions-Prozessen und Erfolg festzustellen ist. Da die befragten Unternehmen dieser Studie auf der Bindungs-Stufe CRM-Prozesse bereits in nennenswertem Umfang realisiert haben, bietet die Akquisitions- und die Beendigungs-Phase die größten Gestaltungsfreiräume. Der erfolgsmindernde moderierende Effekt von CRM-Technologien in der Akquisitionsphase wird von den Autoren mit Ergebnissen kommerzieller Studien in Verbindung gebracht, in denen berichtet wird, dass CRM-Technologie-Projekte überwiegend nicht erfolgssteigernd gewirkt haben. Zudem erwarten Reinartz, Krafft und Hoyer, dass die überwiegend erst vor kurzem getätigten CRM-Investitionen sich mittelbis langfristig auszahlen werden und dann zu einer Verstärkung des positiven Zusammenhangs von CRM-Prozessen und dem Erfolg von Unternehmen führen.

238

5

Manfred Krafft, Oliver Götz

Diskussion

In diesem Beitrag wurden zentrale Publikationen zu Aspekten der Kundenbeziehung systematisch dargestellt und diskutiert. Insbesondere sollte der Buchbeitrag dazu dienen, die deutschsprachige und internationale Literatur zu den als zentral angesehenen Konstrukten Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung zu besprechen und strukturiert darzustellen. Es wurde deutlich, dass davon auszugehen ist, dass diese Kunden-Konstrukte als sequenziell anzusehen sind. Mit anderen Worten weisen bisherige Studien darauf hin, dass Kundenzufriedenheit als Effekt einer größeren Kundennähe einzuschätzen ist, zugleich aber eine zentrale Einflussgröße auf die Bindung von Kunden darstellt. Des Weiteren wurde analysiert, inwieweit diese Kunden-Konstrukte bzw. Customer Relationship Management als übergeordnete, unternehmensweite Ausrichtung auf den Kunden zur Steigerung des ökonomischen Erfolgs beitragen. Als wesentlicher Befund ist festzuhalten, dass nur sehr wenige seriöse empirische Studien vorliegen, die diese Zusammenhänge fundiert betrachten. Überwiegend wird dabei ein moderater positiver Effekt der Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung auf Maße des Unternehmenserfolges berichtet. Die Studien von Reinartz und Krafft bzw. Kumar relativieren dies allerdings dahingehend, dass auch transaktionale Kundenbeziehungen hoch profitabel sein können. Mit anderen Worten ist der oft als normativ unterstellte erfolgssteigernde Effekt der Kundenbindung zu hinterfragen. Für die weitere Diskussion in diesem Herausgeberband bedeutet dies, dass Maßnahmen zur Etablierung und Steuerung von Stammkunden-Beziehungen zur Steigerung der Unternehmensrendite beitragen können, aber nicht zwangsläufig erfolgssteigernd sind. Die in 4.3 abschließend diskutierte Studie von Reinartz, Krafft und Hoyer zum Erfolgsbeitrag CRM-orientierter Prozesse auf den Kundenlebenszyklus-Stufen der Akquisition, Bindung und Beendigung von Geschäftsbeziehungen hat gezeigt, dass die Implementierung umfassender CRM-Prozesse erfolgssteigernd wirkt. Dieser positive Effekt auf den Unternehmenserfolg kann weiter gesteigert werden, wenn geeignete Anreizsysteme und organisatorische Strukturen zum Einsatz kommen. Das in der Unternehmenspraxis noch heute gelegentlich anzutreffende Missverständnis, dass CRM ein Technologiethema sei und Schwächen in der Gestaltung des Kundenmanagements durch den Einsatz intelligenter CRM-Software und ein Data Mining überwunden werden können, wird durch die Befunde von Reinartz, Krafft und Hoyer widerlegt. Es zeigt sich nämlich, dass CRM-Technologien kein Allheilmittel für eine unzureichende Kundenausrichtung von Strategien, Strukturen oder Prozessen darstellt. Vielmehr können derartige Technologien nur unterstützend dazu beitragen, dass kundenorientierte Unternehmen systematisch die Zufriedenheit profitabler Kunden mit dem eigenen Leistungsangebot beeinflussen, um deren Verbundenheit und Loyalität zu steigern. Organisationen, die diese Zusammenhänge verstanden haben und im Rahmen ihrer unternehmensweiten CRMStrategie steuern, erweisen sich nach dem derzeitigen Stand der theoretisch-konzeptionellen und empirischen Forschung gegenüber ihren Wettbewerbern als überlegen und erfolgreich.

Der Zusammenhang zwischen Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung

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Hermann Diller

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg 1

Vorbemerkungen

2

Ökonomische Effekte des Beziehungsmarketing 2.1 Kundenbindung und Sicherheitsstreben 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5

Kundenbindung und Stabilität der Geschäftsbeziehung Kundenbindung und Informationsversorgung Kundenbindung und beziehungspolitischer Aktionsspielraum Kundenbindung und Vertrauensstärkung Konfliktäre Zielbeziehungen zwischen Kundenbindung und Sicherheit

2.2 Kundenbindung und Unternehmenswachstum 2.2.1 Wachstum durch Kundenpenetration 2.2.2 Wachstum durch Kundenempfehlungen 2.2.3 Negative Wachstumseffekte durch Kundenbindung 2.3 Kundenbindung und Gewinn 2.3.1 Kostensenkende Wirkungen der Kundenbindung 2.3.2 Kundenbindung und Erlössteigerungen 2.3.3 Bindungskosten 2.4 Zusammenfassung 3

Die Nachhaltigkeit des Beziehungsmarketing

Literaturverzeichnis

1

Vorbemerkungen

Die „Bedeutung“ eines Phänomens kann in der betriebswirtschaftlichen Analyse von ganz verschiedenen Perspektiven aus beleuchtet werden. Dies gilt auch für das Beziehungsmarketing (synonym: Customer Relationship Marketing, CRM), einem strategischen Marketingkonzept, bei dem der Markterfolg durch systematisches Management, d. h. Analyse, Planung, Organisation und Kontrolle, individueller Kundenbeziehungen gesucht wird (Diller 1995, 2001). Im Gegensatz zum „Transaktionsmarketing“ (Plinke 1992) steht dabei nicht (nur) der kurzfristige Umsatzerfolg, sondern die Erschließung des gesamten, über den ganzen Kundenlebenszyklus hinweg realisierbaren Kundenwertvolumens im Mittelpunkt der Bemühungen (Cornelsen 2000; Günter/Helm 2006). Damit wird die Aufmerksamkeit auf eine erste mögliche Perspektive zur Erörterung der Bedeutung des Beziehungsmarketing gerichtet, nämlich die ökonomischen Wirkungen dieses Konzeptes. „Bedeutung“ entsteht danach durch große ökonomische Effekte, d. h. Verbesserungsmöglichkeiten betriebswirtschaftlicher Ziele wie Gewinn, Wachstum und Sicherheitsstreben. Darauf gehen wir nachfolgend als erstes und am ausführlichsten ein, weil diese Perspektive der betriebswirtschaftlichen Aufgabenstellung von Effizienz und Effektivität am ehesten entspricht. Auf einen kurzen Nenner gebracht lautet die zu prüfende Frage: „Lohnt sich Beziehungsmarketing“? Wir versuchen sie im nachfolgenden ersten Hauptabschnitt zu beantworten. Daneben lässt sich die Bedeutung des Beziehungsmarketing aber auch aus einer eher deskriptiven, makroökonomischen bzw. wettbewerbsanalytischen Perspektive heraus überprüfen. Hierbei richtet sich die Aufmerksamkeit dann auf die Diffusion und Akzeptanz dieses Konzeptes in der Wirtschaftspraxis und die dabei erkennbaren Trends, denen sich die Anbieter in irgendeiner Weise stellen müssen. Darauf soll im Abschnitt 3 zumindest kurz eingegangen werden, um der Frage gerecht zu werden, ob es beim Beziehungsmarketing um eine nachhaltige Entwicklung handelt oder nur um eine Modeerscheinung. Schließlich könnte man die Bedeutung des Beziehungsmarketing auch aus organisatorischer Sicht getreu dem Motto „Structure follows Strategy“ analysieren und so die innerorganisatorischen Auswirkungen unter die Lupe nehmen. Aus Platzgründen muss darauf in diesem Beitrag verzichtet werden. Ohne Zweifel hat CRM aber bei konsequenter Realisierung nicht selten sogar drastische Veränderungen der innerbetrieblichen Prozesse und Schnittstellen sowie der eingesetzten Management-Methoden zur Folge, um das Ziel der strikten Kundenorientierung tatsächlich realisieren zu können (vgl. z. B. Homburg/Werner 1998; Diller et al. 2005, S. 301 ff.; Becker et al. 2009).

2

Ökonomische Effekte des Beziehungsmarketing

In diesem Abschnitt widmen wir uns der ökonomischen Bedeutung des Beziehungsmarketing. Es geht mit anderen Worten um eine betriebswirtschaftliche Analyse der von

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

250

Hermann Diller

diesem Marketingkonzept ausgehenden Effekte auf ökonomische Zielgrößen. Grundsätzlich entstehen alle diese Effekte durch die im Wege des Beziehungsmarketing bewirkte bzw. angestrebte Kundenbindung. Kundenbindung stellt damit keinen Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Erreichung ökonomischer Ziele dar. Nachfolgend wird diskutiert, zu welchen dieser ökonomischen Ziele positive oder negative Zielbeziehungen bestehen. Es geht mit anderen Worten also gleichzeitig um die Wirkeffekte der Kundenbindung. Sie waren zumindest teilweise auch Gegenstand empirischer Untersuchungen, auf die im Folgenden zurückgegriffen wird. Für ein systematisches Beziehungs-Marketing ist eine solche Diskussion auch deshalb notwendig, weil gezielte Aktivitäten von Unternehmen zur Erhöhung der Kundenbindung stets mit Kosten verbunden sind, denen man in einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die jeweiligen Nutzeffekte gegenüberzustellen hat. Eine entsprechende quantitative Modellierung der Wirkungszusammenhänge ist dabei freilich noch selten möglich, weil es an entsprechenden empirischen Untersuchungen fehlt, anhand derer Stärke, Monotonie und Stetigkeit der Wirkungszusammenhänge überprüft werden könnten. Darüber hinaus ist der Einfluss moderierender Umstände, z. B. bestimmter Produkteigenschaften oder Marktseitenverhältnisse, auch theoretisch bisher kaum ausgeleuchtet. Die nachfolgenden Ausführungen sind deshalb eher als Strukturierung, denn als exakte Belegführung der Wirkungseffekte des Beziehungsmarketing zu verstehen. Wie in Abb. 1. im Überblick dargestellt, lassen sich hierfür grundsätzlich drei Zielsektoren, nämlich Sicherheit, Wachstum und Gewinn, unterscheiden (Diller 1996). Dabei lassen sich sowohl positive (komplementäre) als auch negative (konfliktäre) Zielbeziehungen aufdecken, die nachfolgend näher diskutiert werden sollen.

2.1

Kundenbindung und Sicherheitsstreben

Das Streben nach Existenzsicherung kann als prinzipiell dauerhaft angelegte und übergeordnete Zielsetzung der Unternehmensführung angesehen werden. Sie erfolgt durch die Absicherung sogenannter Erfolgspotentiale, die teilweise nicht unmittelbar quantitativ erfassbar sind (vgl. Sandig 1965, S. 105). Unstrittig zählt dazu auch der Kundenstamm, d. h. die Zugänglichkeit einer bestimmten Anzahl von Kunden. Zwischen der Kundenbindung und der Unternehmenssicherheit kann demnach eine vermutlich monotone Zielkomplementarität unterstellt werden. Sie beruht auf insgesamt vier Haupteffekten, die sich wiederum in mehrere Untereffekte aufgliedern lassen (vgl. Abb. 2.1).

2.1.1 Kundenbindung und Stabilität der Geschäftsbeziehung Kundenbindung ist als wiederholte Transaktion eines Kunden bei einem bestimmten Anbieter bzw. als entsprechende Wiederkaufabsicht definiert (Diller 1996, S. 82). Dabei kann es sich um eine freiwillige Verbundenheit (commitment) mit dem Anbieter und/ oder um eine (z. B. durch Preisanreize oder Verträge) aufgedrängte Gebundenheit han-

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

251

deln (Bliemerl/Eggert 1998). Gleich welche Form der Kundenbindung vorliegt, wird damit definitionsgemäß aus Vorperioden Umsatz wiederholt, ohne dass der Anbieter dafür entsprechende Akquisitionsbemühungen unternimmt.

MEHR SICHERHEIT

+

y mehr Stabilität der Geschäftsbeziehung - Habitualisierung - Immunisierung - Toleranz y mehr Feedback - Beschwerdebereitschaft - Auskunftsbereitschaft - Bereitschaft zur Mitarbeit y mehr Aktionsspielraum y mehr Vertrauen y Commitment - Inflexibilität

¯

y Trägheit y Reaktanzgefahr

MEHR WACHSTUM

y bessere Kundenpenetration - Beschaffungskonzentration - Kaufhäufigkeit - Kaufintensität - Cross Buying y mehr Kundenempfehlungen - Adressenvermittlung - Referenzbereitschaft - Mund-zu-MundWerbung - Kundenvermittlung y einseitige Kundenstruktur y negative Mund-zu-MundWerbung

MEHR GEWINN/RENTABILITÄT

y Kosteneinsparungen - bessere Amortisation von Akquisitionskosten - Opportunitätskosten der Kundengewinnung - geringere Kundenbearbeitungskosten - effizientere Orderverfahren - geringere Streuverluste y Erlösesteigerungen - geringere Preiselastizität - Cross Selling-Erlöse y Bindungskosten - zurechenbare Kosten - zurechenbare Erlösminderungen

Abb. 1: Wirkungseffekte der Kundenbindung Habitualisierungseffekt Aus Kundensicht liegt eine erste mögliche Ursache für diesen Sicherungseffekt in zunehmender Habitualisierung des Einkaufsverhaltens. Da im Hintergrund dieses Habitualisierungseffektes das Entlastungsstreben der Kunden und das mit der Kaufentscheidung verbundene subjektive Kaufrisiko stehen, ist damit freilich nur für den Fall zufriedener Kunden mit positiver Einstellung zum jeweiligen Anbieter zu rechnen. Unfreiwilllige oder zwangsläufige Formen der Kundenbindung, etwa bei ausschließlichem Abonnementvertrieb, müssen auf diesen Absicherungseffekt unter Umständen verzichten, sobald die vertragsrechtliche Bindung vorüber ist. Dies zeigt sich z. B. bei den Mobilfunk-Providern, die ihren Kunden bei Auslaufen des Vertrages stets neue Anreize (Handy, Gebührengutschriften o. ä.) anbieten müssen, um sie als Kunden zu behalten. Immunisierungseffekt Eine weitere Stabilisierung erhält die Geschäftsbeziehung zum gebundenen Kunden dadurch, dass Wettbewerbern weniger Gelegenheit zu Kontakten und Geschäften mit

252

Hermann Diller

diesem geboten wird (Immunisierungseffekt). Je mehr ein Kunde seinen Bedarf bei einem bestimmten Anbieter A deckt, umso seltener kann er die Qualität und den Service der Wettbewerbsprodukte bzw. -anbieter „eigenhändig“ verspüren und auf diese Weise zum Lieferantenwechsel verleitet werden. Habitualisiertes Kaufentscheidungsverhalten führt aber darüber hinaus auch zur Ausblendung von Informationsangeboten anderer Anbieter im Wege der selektiven Wahrnehmung. Freilich wird dieser Effekt durch das vermutlich individuell bedingte Ausmaß des sog. „Variety Seeking“ moderiert (Helmig 1997; Trommsdorff 2009, S. 118 f.). Grundsätzlich wird der positive Zusammenhang zwischen Kontaktbereitschaft und Kundenbindung dadurch jedoch nicht zerstört, sondern schlimmstenfalls nur abgeschwächt, wobei auch hier Zufriedenheit bzw. positive Einstellung zum Anbieter vorausgesetzt werden müssen. Toleranzeffekt Ein dritter Stabilisierungsfaktor für die Geschäftsbeziehungen ergibt sich aus der üblicherweise größeren Toleranz gebundener Kunden gegenüber Fehlern des Anbieters („Toleranzeffekt“). Erklärbar ist dies u. a. durch das Bemühen um Aufrechterhaltung der kognitiven Konsonanz des positiven Bildes vom Anbieter. Ein Anwendungsbeispiel für diesen Effekt findet man in der geschickten Umkehrung einer qualitätsbedingten Rückrufaktion, die den Kunden normalerweise negativ berühren müsste, in eine positiv empfundene Aktivität zur vollkommenen Zufriedenstellung des Kunden, der sich (bei entsprechender Ansprache) umso stärker umsorgt fühlt (vgl. Fischer 2002; Stauss/Seidel 2007). Die Stabilisierung der Geschäftsbeziehungen ist in einer Zeit zunehmender Wettbewerbsintensität von besonderer unternehmenspolitischer Bedeutung. Einerseits steigen in solchen Phasen die Bemühungen der Wettbewerber um die Abwerbung von Kunden bei anderen Anbietern, andererseits wird die Erreichung genau dieses Ziels bei stärker gebundenen Kunden immer schwieriger. Insofern können Wettbewerber von dem Versuch ferngehalten werden, gezielt auf die Destabilisierung von Geschäftsbeziehungen des eigenen Unternehmens hinzuarbeiten. Die Wirksamkeit des Stabilisierungseffekts stammt also nicht nur vom gebundenen Kunden selbst, sondern auch von dem darauf abgestimmten Wettbewerbsverhalten der Konkurrenten.

2.1.2 Kundenbindung und Informationsversorgung Mehr Festigkeit kann der Kundenbindung nicht nur im Wege des Wiederkaufs, sondern auch im Wege einer besseren Informationsversorgung über Kundenbedürfnisse und Marktverhältnisse verliehen werden. Auch hierbei lassen sich drei Untereffekte unterscheiden:

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

253

Größere Beschwerdebereitschaft Schon Hirschman (1970) hatte mit seiner bekannten Dreiteilung möglicher Kundenreaktionen in „Exit“, „Voice“ und „Loyalty“ deutlich gemacht, dass Unzufriedenheit auf seiten der Kunden einem Anbieter unter Umständen gar nicht bekannt wird, weil unzufriedene Kunden abwandern („Exit“), während gleichzeitig neue Kunden deren Umsätze kompensieren. „Widerspruch“ („Voice“) ist als grundsätzliche Kundenreaktion umso eher zu erwarten, je aussichtsreicher diese vom Kunden eingeschätzt wird. Da für gebundene Kunden mehr auf dem Spiele steht als für ungebundene, dürfte bei ihnen der Feedback zum jeweiligen Anbieter stärker ausfallen. Statt dann ohne Kenntnis der Kundenprobleme die alte Politik weiterzubetreiben, kann der Anbieter in diesem Fall aktiv gegensteuern und damit sogar zusätzliches Vertrauen beim Kunden gewinnen, wenn dieser das Bemühen um optimale Bedienung seitens des Lieferanten anerkennt (vgl. Stauss/Seidel 2007, S. 59 ff.) Auskunftsbereitschaft Über eine aktive Bereitschaft zur Beschwerde hinaus sind gebundene Kunden auch eher bereit, auf Anfragen des Anbieters hinsichtlich Zufriedenheit, Verbesserungsmöglichkeiten und anderen marketingpolitisch relevanten Tatbeständen Auskunft zu geben. Insofern erleichtert Kundenbindung Marktforschung und verbessert deren Zuverlässigkeit (vgl. Adamson 1993). Besonders wichtig ist dieser Umstand bei noch nicht vollständig ausgereiften, innovativen Leistungsangeboten sowie bei individuell zugeschnittenen Problemlösungen, die zunehmend an Marktbedeutung gewinnen. Ein extremes Beispiel für die Aktivierung dieses Effektes stellt das sogenannte Lead-User-Konzept dar, bei dem ausgewählte Kunden in enger Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Lieferanten die Vor- und Nachteile von Innovationen erproben (von Hippel 1988, S. 102 ff.). Mit zunehmender Bedeutung des Benchmarking gewinnt dieser Effekt an Wichtigkeit, weil der Kunde unter Umständen nicht nur über unmittelbar mit dem Kauf verbundene Aspekte Auskunft geben kann, sondern darüber hinaus auch über Umstände aus seinem eigenen Geschäftsbetrieb, die für den Lieferanten von Interesse sein können. Bereitschaft zur kreativen Mitarbeit Mit derartigen Informationspartnerschaften wird häufig schnell ein Punkt erreicht, wo der Kunde nicht nur als passiver Informationsüberbringer, sondern darüber hinaus auch als aktiver Mitdenker und kreativer Partner für den Anbieter nutzbringend wird. Viele Unternehmen nutzen dies z. B. bereits im Wege von sogenannten Kundenforen oder Kundenarbeitskreisen, bei denen über Verbesserungen der eigenen Absatzpolitik mit den Kunden gesprochen werden kann. Die Bereitschaft hierzu wird seitens der Kunden umso größer sein, je stärker diese sich an den jeweiligen Anbieter gebunden fühlen. Der Grund dafür liegt erstens in dem Umstand, dass Verbesserungen des Anbieters diesem Kunden unmittelbar zugute kommen und der Kunde sich durch eine Einbindung in die Entscheidungsprozesse des Anbieters möglicherweise auch herausgehoben sowie in

254

Hermann Diller

besonderem Maße umsorgt fühlt, was wiederum seine eigene Einstellung bestätigt und kognitive Konsonanz aufbaut. Insgesamt wird der Feedback-Effekt der Kundenbindung umso stärker ausfallen, je mehr die Bindung auf einer positiven Einstellung zum Anbieter bzw. einer entsprechenden Zufriedenheit mit ihm aufbaut. Der Effekt wird angesichts wachsender Reserviertheit vieler Kunden gegenüber einer nicht selten überhandnehmenden Zahl echter und unechter Befragungen und wachsender Bedenken angesichts des Datenschutzes zunehmend wichtiger. Von generell größerer Bedeutung ist der Feedback-Effekt ferner für Unternehmen mit indirektem Vertrieb, da dieser den Marktkontakt stark beeinträchtigt. Nicht selten ist es den Lieferanten dabei gar nicht möglich, Endkunden bzw. Nutzer eigener Produkte zu identifizieren und für Marktforschungszwecke anzusprechen, weil der Kundenkontakt über Absatzmittler erfolgt.

2.1.3 Kundenbindung und beziehungspolitischer Aktionsspielraum Kundenbindung entwickelt sich in aller Regel nicht stillschweigend, sondern unter dem Einfluss aktiver Bemühungen des Anbieters um Interaktion mit dem Kunden. KundenEvents, Kunden-Clubs, Kunden-Foren oder Dialogkettenkonzepte im Direkt-Marketing sind Beispiele dafür, wie Unternehmen die Nähe zum Kunden suchen. Dies gelingt umso besser, je enger diese bereits an den Anbieter angebunden sind. Insofern birgt Kundenbindung einen selbstverstärkenden Erfolgseffekt in sich, weil mit ihr zusammen auch die Möglichkeiten und Erfolgswahrscheinlichkeiten für bestimmte Kundenbearbeitungsaktivitäten steigen. Beispielsweise besitzt ein gemeinsames Projektteam aus Lieferant und gewerblichem Abnehmer erst dann Erfolgsaussichten, wenn bereits eine gewisse Vertrauensbasis existiert, von der aus die notwendige Offenheit und Vertraulichkeit kooperativer Schritte möglich sind. Ähnliches gilt für Kontaktketten, die umso vielfältiger ausgestaltet werden können, je mehr Informationen über den Kunden vorliegen, was wiederum eine gewisse Kundenbindung voraussetzt. Beispielsweise wird der Kunde persönliche Daten und Präferenzen einem anonymen Anbieter zögerlicher vermitteln als einem vertrauten.

2.1.4 Kundenbindung und Vertrauensstärkung Gerade der letztgenannte, aber auch die vorher erläuterten Effekte machen deutlich, dass ein Zuwachs an (freiwilliger) Kundenbindung in der Regel mit einem Zuwachs an Vertrauen einhergeht. Dieses Vertrauen bildet wiederum die Basis für die Festigung und Vertiefung der Beziehungen in der Zukunft („Vertrauensspirale“), so dass dem Sicherheitsziel durch Kundenbindung auch langfristig Rechnung getragen wird (vgl. z. B. Doney/Cannon 1997; Bauer et al. 2006). Die sich im Laufe der Zeit aufbauende Vertrauensbasis ist gleichzeitig eine der Voraussetzungen für das Wirksamwerden der in den nachfolgenden Abschnitten behandelten Wachstums- und Rentabilitätseffekte.

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

255

2.1.5 Konfliktäre Zielbeziehungen zwischen Kundenbindung und Sicherheit Flexibilitätseinbußen Bei aller Hervorhebung der komplementären Zielbeziehungen zwischen Kundenbindung und Sicherheitsstreben von Unternehmen darf nicht übersehen werden, dass daneben auch Zielkonflikte auftreten können. So erfordert gerade der zuletzt erläuterte Vertrauenseffekt in der Regel ein stärkeres Commitment auch des Anbieters selbst, der dadurch unter Umständen Flexibilitätseinbußen hinnehmen muss. Beispielsweise ist es häufig schwierig, neue Kundenbeziehungen mit Wettbewerbern von bisherigen Kunden aufzubauen, wenn letztere sich dadurch diskriminiert fühlten. Dadurch kann auf Veränderung in der Marktbedeutung bestimmter Kundenkreise (z. B. bestimmter Handelskanäle) nicht hinreichend reagiert und ein langfristig unumgänglicher Strukturwandel unter Umständen unnötig verzögert werden. Insofern erscheint es durchaus folgerichtig und im Sinne einer systematischen Kundenportfolio-Politik, wenn neuerdings im Rahmen des Beziehungsmarketing auch die Auflösung von Geschäftsbeziehungen als relevantes Aufgabenfeld behandelt wird (Fischer/Schmöller 2001). Veralterungseffekt Ein weiterer negativer Effekt kann darin gesehen werden, dass die Unternehmung zusammen mit ihren an sie gebundenen Kunden „altert“ und zu träge wird, um neue Kundenpotentiale zu erschließen. Deutlich wird dieser Veralterungseffekt gelegentlich im Verlagsgeschäft, wo manche Zeitschriften (z. B. „BRIGITTE“) mit ihren eng angebundenen Leserschaften gemeinsam veralteten und entsprechende Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Reaktanzeffekte Ein dritter Zielkonflikt könnte sich dann auftun, wenn die Kunden auf die Bemühungen um ihre Anbindung an das Unternehmen mit Reaktanz reagieren und damit statt besser weniger an das Unternehmen angebunden werden können (Diller 2000). Da mit der Kundenbindung die Autonomie des Kunden bewusst oder unbewusst eingeschränkt werden soll und Reaktanz definitionsgemäß gerade in solchen Fällen auftritt, ist diese Gefahr nicht von der Hand zu weisen. Ähnlich verhält es sich, wenn sich durch die bevorzugte Behandlung bestimmter Kundenkreise andere Segmente der Kundschaft diskriminiert fühlen. Dies kann z. B. bei VIP-Clubs, Lead-Userships o. ä. Formen der Kundenbindung der Fall sein. Insgesamt erscheint Kundenbindung aber trotz der durchaus auch vorhandenen Zielkonflikte als ein hervorragendes Instrument, um den Sicherheitsbedürfnissen vieler Unternehmen in einer Zeit turbulenter Marktverhältnisse und sinkender Spielräume bei der Neukundenakquisition entgegenzukommen.

256

2.2

Hermann Diller

Kundenbindung und Unternehmenswachstum

Für viele Unternehmen ist Wachstum – gemessen am Absatz oder Umsatz – notwendige Voraussetzung zum Überleben und zur Erleichterung der Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. In Perioden expandierender Gesamtmärkte kann dieses Wachstum relativ leicht aus dem Absatzzuwachs durch neue Kunden und durch Konsumintensivierung geschöpft werden. In Zeiten der Marktstagnation, die für viele Konsumund Investitionsgütermärkte der Gegenwart charakteristisch ist, entfällt dieses Potential. Insofern verwundert es nicht, dass viele Unternehmen ihre Wachstumsstrategien verändern und der Kundenstammpflege größere Bedeutung im Vergleich zur Neukundenakquisition beimessen. „Kundenstamm-Marketing richtet spezifische Leistungen der Unternehmung auf bestehende Kunden aus, um Beziehungen und geschäftliche Transaktionen mit ihnen fortzusetzen, zu erweitern und zu vertiefen“ (Belz 1989, S. 286). Die Diskussion um die Kundenbindung hat gezeigt, dass es hierbei keineswegs nur um defensive Zielsetzungen geht, sondern Kundenbindung auch Umsatzzuwächse erzeugen kann. Zwei grundsätzlich mögliche Wachstumsquellen hierfür sind die bessere Kundenpenetration einerseits und die Ausweitung des Kundenstamms durch Kundenempfehlungen andererseits.

2.2.1 Wachstum durch Kundenpenetration Unter Kundenpenetration soll hier die Ausschöpfung des kundenspezifischen Absatzbzw. Umsatzpotentials durch einen bestimmten Anbieter verstanden werden. Einfluss darauf nehmen ƒ

das Ausmaß der Beschaffungskonzentration des Kunden bei diesem Anbieter,

ƒ

die Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Kaufintensität des Kunden sowie

ƒ

die Abschöpfung der Absatzchancen in anderen Produktbereichen (Cross Selling) und

ƒ

der Umsatzpotentiale wegen höherer Preise. Auf die Preisspielräume soll allerdings erst im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden.

Abb. 2 macht den Penetrationseffekt der Kundenbindung an einem fiktiven Beispiel deutlich: Konzentriert der Kunde seine Einkäufe bei einem Anbieter, hier A, so gewinnt dieser Marktanteile gegenüber den Wettbewerbern dazu. Im Falle des sog. single sourcing kann er sogar den Gesamtabsatz des Kunden auf sich vereinen. Darüber hinaus entsteht Wachstum aber auch durch den Anstoß zu häufigeren und intensiveren Käufen. Deutlich wird dies etwa an Instrumenten wie der Bahncard, die manche Kunden dazu verleiten mag, häufiger zu reisen oder längere Reisen anzutreten. Ähnlich verhält es sich bei Mitgliedern in Bonusprogrammen wie Miles & More, die durch den häufigeren Kontakt mit entsprechenden Angeboten zu häufigeren oder teureren Käufen bewegt

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

257

werden können. Dies ist auch Hintergrund des sog. Permission Marketing, mit dem mit expliziter Erlaubnis des Kunden dieser regelmäßig über bestimmte Angebote und Serviceleistungen eines Anbieters informiert wird, was Kaufanstöße auslöst (Schwarz 2009). Ein spezieller Aspekt steigernder Kaufhäufigkeit ist darin zu sehen, dass bei engerer Kundenanbindung auch die Entsorgung von Produkten durch den Anbieter selbst erfolgen kann, was sowohl Image- als auch Umsatzpotentiale in sich birgt. Bei vielen Unternehmen bietet es sich darüber hinaus an, die bestehenden Kundenkontakte für den Absatz bisher nicht oder nur schwach vertriebener Produkte aus dem eigenen oder speziell für diesen Kunden als Handelsware angebotenen Produkten zu nutzen. Der Kundenpenetrationseffekt gewinnt zusätzlich an Reiz, wenn man bedenkt, dass die Wiederkaufwahrscheinlichkeit gebundener Kunden ex definitione höher ist als jene ungebundener Kunden. Insofern beziehen sich dann die in Abb. 2 nur für eine Periode dargestellten Anteile nicht nur auf eine Betrachtungsperiode, sondern auf den sog. Lebensumsatz mit dem Kunden (CLTV = Customer Life-Time-Value). Darunter ist die Summe der im Laufe einer kundenspezifischen Geschäftsbeziehung getätigten Umsätze (bzw. Deckungsbeiträge) zu verstehen (vgl. z. B. Bruhn et al. 2004).

unausgeschöpftes Absatz-Potential

höhere Preise CrossBuying Kaufintensität Kaufhäufigkeit Käufe bei D

Käufe bei D

Käufe bei C

Beschaffungskonzentration

Käufe bei B Käufe bei A Käufe bei A ungebundener Kunde

gebundener Kunde

Abb. 2: Wachstumseffekte durch Kundenbindung und Kundenpenetration Die frappierende Vernachlässigung der aus einer solchen Kundenbindung stammenden Umsatzzuwachspotentiale ist nicht zuletzt dadurch zu begründen, dass die dem Vertrieb gewohnten Anforderungen und psychologischen Ausgangssituationen bei der Stammkundenbetreuung gänzlich anders ausfallen als bei der Neukundenakquisition. „Bei Stammkunden ist der Zugang leichter, das Erfolgsrisiko gering, aber die Bereitschaft, Außergewöhnliches zu leisten, sinkt.“ (Belz 1989, S. 286). Darüber hinaus gilt es zu be-

258

Hermann Diller

rücksichtigen, dass vor allem Letztverbraucher nicht selten eine eigenständige Motivation zum Wechsel der Anbieter in sich tragen („Variety seeking“). Vor allem im Industriegütersektor steht einer tiefen Kundenpenetration ferner das Unabhängigkeitsstreben der Abnehmer gegenüber, die sich nicht durch zu starke Konzentration ihrer Einkäufe von einem Anbieter all zu sehr abhängig machen wollen. So haben z. B. Befragungen industrieller Einkäufer gezeigt, dass die Verbreitung des single sourcing in der Praxis weit weniger groß ausfällt als es die intensive Propagierung dieses Konzeptes vermuten läßt (vgl. Homburg 1995; Dorsch et al. 1998). Einen Eindruck von den Größenordnungen, Unterschieden und damit auch den Potentialen bei der Kundenpenetration in der Konsumgüterpraxis gibt Abb. 3. Sie zeigt (Stand 1998) die auf Basis von Paneldaten ermittelten sog. Erstmarken- bzw. Erstladentreue für verschiedene Waren- bzw. Ladengruppen. Gemeint sind damit jene Kaufanteile, welche die Panelhaushalte auf ihre jeweils am meisten präferierte Marke bzw. Einkaufsstätte verwenden (Goerdt 1999, S. 67). Auch in der Industriegüter-Praxis verfügt man häufig über recht gute Vorstellungen von der Höhe des kundenspezifischen Umsatzpotentials (z. B. auf der Basis von Verbrauchskoeffizienten) und – etwa aufgrund von persönlichen Außendienstkontakten mit dem Kunden – über die diesbezügliche Potentialausschöpfung. Solange derartige Kenngrößen jedoch nicht regelmäßig in das Marketinginformationssystem einfließen, wird ein entsprechendes Controlling gar nicht angeregt bzw. vermisst.

75 % Eiscreme

Sauerkraut

Ersteinkaufsstättentreue

Einkaufsstättentreue stärker Spülmittel Waschmittel

70 % Konfitüre Sekt Zahncreme 65 %

Kaffee Markentreue stärker

60 % 60 %

65 %

70 % Erstmarkentreue

Abb. 3: Erstmarken- und Ersteinkaufsstättentreue in verschiedenen Konsumgüter-Warengruppen Quelle: Goerdt 1999, S. 67

75 %

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

259

2.2.2 Wachstum durch Kundenempfehlungen Ein weiterer, in seiner Bedeutung oft unterschätzter Wachstumseffekt der Kundenbindung erwächst aus dem Referenzeffekt der Kundenbindung (vgl. hierzu ausführlich: Cornelsen 2000; Verhoef et al. 2002). Dieser liegt darin, dass gebundene Kunden aufgrund ihrer besseren Kenntnis des Anbieters, ihrer aus der Produktnutzung stammenden Produktexpertise und ihrer höheren Glaubwürdigkeit als Privatpersonen oder Berufskollegen bevorzugt als Meinungsführer und als Informationsquelle und Kaufinitiatoren bei bisher unerschlossenen Kundenkreisen fungieren. Es lässt sich dabei ein aktives und ein passives Empfehlungsverhalten unterscheiden. Aktive Kundenempfehlung liegt vor, wenn der Kunde von sich aus, d. h. im wesentlichen eigeninitiiert, in seinem privaten und/oder geschäftlichem Umfeld über die Vorzüge eines Produktes bzw. dessen Anbieters berichtet. Voraussetzungen für diese aktive Referenz sind einerseits ein gewisses Involvement, d. h. eine Interesse am jeweiligen Produktfeld und eine dadurch bedingte Fachkompetenz einerseits, und eine das übliche Maß überschreitende Zufriedenheit mit dem Produkt bzw. Anbieter andererseits. Dies wird auch durch die Umfrageergebnisse des deutschen Kundenbarometers belegt, bei denen „überzeugte Kunden“ in erheblich höherem Maße als nur zufriedene oder gar enttäuschte Kunden dazu bereit waren, bestimmte Marken an Freunde oder Bekannte weiter zu empfehlen. Die Chance, durch Weiterempfehlungen zur Ausweitung des Kundenstamms zu gelangen, ist von vielerlei Einflussfaktoren abhängig, die insbesondere in der Theorie der Meinungsführerschaft ausführlich erörtert und diskutiert werden (vgl. z. B. Beba 1992; Brüne 1989). Wichtig erscheint uns der Umstand, ob es sich um ein sog. Vertrauensgut handelt, bei dem die Qualitätsbeurteilung im wesentlichen auf der Vertrauenswürdigkeit des Anbieters selbst oder eben auf bestimmten Referenzen vertrauenswürdiger Ersatzpersonen beruht. Demgegenüber spielen Empfehlungen bei Such- und – in abgemilderter Form – bei Erfahrungsgütern eine geringere Rolle. Höhere Relevanz dürften Kundenempfehlungen auch dort spielen, wo dem Weiterempfehler mit seiner Empfehlung direkt oder indirekt eine materielle oder immaterielle Gratifikation zuwächst. Dies ist beispielsweise bei Versicherungen der Fall, wo die Versicherungsgemeinschaft durch Zuwachs „guter“, d. h. risikoarmer Kunden, gestärkt wird. Eine andere Gratifikation liegt unter Umständen darin, dass der Empfehler mit seinen Empfehlungen an Kompetenz und Ansehen gewinnt. Insofern kann in bestimmten Fällen auch mit einem Selbstverstärkungseffekt hinsichtlich der Kundenbindung gerechnet werden, weil sich der Kunde mit seiner Weiterempfehlung sozusagen selbst ins Obligo setzt.

2.2.3 Negative Wachstumseffekte durch Kundenbindung Einen negativen Einfluss auf das Wachstum kann die Kundenbindung insofern erzeugen, als durch sie eine einseitige Kundenstruktur gefördert wird. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn durch Empfehlungen der Kundschaft der Kundenkreis stets in alten Schichten der Bevölkerung verbleibt und auf die Erschließung neuer, insbesondere junger, nachwachsender Kunden weniger Wert gelegt wird.

260

Hermann Diller

Insbesondere dort, wo die Produktleistungen stark an die Kundeneigenschaften angepasst werden, etwa bei Zielgruppenzeitschriften, kann es sogar zu gewissen Isolationseffekten kommen. Diese bieten zwar einerseits große Immunisierungspotentiale, andererseits aber auch die Gefahr der zunehmenden Veralterung des Angebotsprogramms gemeinsam mit der Kundschaft (s. o.). Als weiterer Negativeffekt enger Kundenbindung auf das Wachstum kann die Gefahr gewertet werden, dass negative Ereignisse, z. B. wenig gelungene Produktinnovationen oder Produktfehler, durch negative Mund-zu-Mund-Werbung auch schneller weiterkommuniziert werden als im Falle einer ungebundenen Kundschaft. Dies wird freilich nur dann der Fall sein, wenn die Toleranzschwelle für Negativerfahrungen überschritten wird (s. o.). In der Natur der Sache liegt es schließlich, dass durch die Ausschöpfung von Kundenpenetrationspotentialen Spielraum für zukünftiges Wachstum verlorengeht. Möglicherweise sind diese Umsatzreserven in künftigen Perioden für eine Unternehmung jedoch lebenswichtiger als in der gegenwärtigen. Andererseits steigt mit der Nichtausschöpfung dieser Potentiale aber die Gefahr des Zugriffs von Wettbewerbern. Darüber hinaus sinken die Erfolgschancen, weil der positive Selbstverstärkungseffekt einer freiwilligen Kundenbindung in die Zukunft hinein vom jeweiligen Anbieter nicht hinreichend ausgenutzt werden kann. Insgesamt überwiegen die komplementären Zielbeziehungen zwischen Kundenbindung und Wachstum die konfliktären deutlich. Dies gilt um so mehr, wenn man auch die Negativeffekte ungebundener Kunden in die Betrachtung mit einbezieht, die im Wege negativer Mund-zu-Mund-Werbung entstehen können.

2.3 Kundenbindung und Gewinn Neben stabilitäts- und wachstumssteigernden Wirkungen kann die Kundenbindung auch direkte Gewinn- bzw. Rentabilitätssteigerungen zur Folge haben, indem sie dazu beiträgt, komparative Kosten der Kundenbearbeitung zu senken und/oder kundenspezifische Erlöse zu steigern. Andererseits gilt es demgegenüber, die spezifischen Kosten aufzurechnen, die im Wege spezieller Maßnahmen der Kundenbindung entstehen.

2.3.1 Kostensenkende Wirkungen der Kundenbindung Komparative Kostenersparnisse sind zunächst dadurch möglich, dass spezielle Kosten der Kundenakquisition vermieden werden, wenn an die Stelle von Neukundenumsätzen solche bereits vorhandener Kunden treten. In diesem Falle entstehen Opportunitätsgewinne, deren Höhe leicht unterschätzt werden kann, weil die Kosten der Kundenakquisition selten detailliert ausgewiesen werden. Hierbei handelt es sich z. B. um die Kosten für – oft sehr zeitaufwendige – Kundenbesuche und den in solchen Fällen eben-

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

261

falls deutlich höheren Vorbereitungszeiten (aufgrund größerer Ungewissheit und fehlender Daten), aber auch um Kosten für kundenspezifische Investitionen, z. B. Muster, spezifische Produktentwürfe, notwendige Vorleistungen für die Ingangsetzung der Geschäftsbeziehung (Informationsvernetzung, Logistik etc.) und andere spezifische Investitionen. Je länger eine Geschäftsbeziehung andauert, um so mehr verteilen sich derartige Anlaufkosten auf die nachfolgenden Geschäftstransaktionen und entlasten insofern die Kalkulation. Gebundene Kunden erlauben es im übrigen unter Umständen, die eigenen Aktivitäten zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes zu reduzieren, weil der Kunde selbst aktiv wird, wenn er Bedarf verspürt. Insofern sind auch laufende Kosten der Kundenbearbeitung einsparbar, wenn die Kundenbindung ein gewisses Ausmaß erreicht hat. Ähnliche Wirkungen gehen von effizienteren Orderverfahren aus, die bei gebundenen Kunden möglich sind. Ein Beispiel dafür ist die elektronische Anbindung von Kunden, etwa im Bankgeschäft oder im BtB-Bereich via EDI, aber auch schon die überflüssige Eingabe von Kundenmerkmalen durch Rückgriff auf entsprechende Kundendatenbanken. Dies gilt aber auch im BtC-Geschäft für elektronische Bestellplattformen oder E-Shops, an die der Kunde bei der erstmaligen Nutzung so angebunden wird, dass auch für ihn die künftigen Bestellungen einfacher und bequemer werden. Ein größerer Anteil von Stammkunden kann darüber hinaus auch zur Einsparung von Werbekosten beitragen, weil gebundene Kunden in aller Regel im Wege der Direktwerbung ansprechbar sind, bei der weit weniger Streuverluste auftreten als bei ungebundener Kundschaft. So kann z. B. im Geschäft der Seminarveranstalter eine gute Kundendatenbasis dazu beitragen, dass bei entsprechender Selektion der vorhandenen Adressdaten die Erfolgs-wahrscheinlich einer Kundenreaktion auf über 10 % steigt, während sie bei unselektierter Anwendung oft bei unter 1 % liegt. Naturgemäß hängen die Einsparpotentiale sehr stark von der Art der Kundenbindung, der in der jeweiligen Branche üblichen Art der Kontaktaufnahme und anderen situativen Faktoren ab. Eine generelle Angabe von Einsparpotentialen erscheint deshalb nicht möglich.

2.3.2 Kundenbindung und Erlössteigerungen Unmittelbar gewinnwirksam wird die Kundenbindung auch insofern, als sie häufig die Preiselastizität der Nachfrager mindert (Homburg/Koschate 2003). Dies kann einerseits ein direkter Effekt des Ausschlusses bestimmter Wettbewerber vom Geschäft, aber auch indirekte Wirkung geringerer Informationsbemühungen und größerer Zufriedenheit sein. Insofern zeigt sich aber hier bereits die Zweischneidigkeit einer preispolitischen Diskriminierung gebundener Kunden, die langfristig die Basis der Kundenbindung unter Umständen erodieren lässt. Überzeugende empirische Belege für die höhere Preisbereitschaft gebundener Kunden stehen bisher aus. Vermutlich verbinden sie sich auch mit

262

Hermann Diller

Effekten des Up Selling (Verkauf höherwertigerer Produktvarianten und/oder added values) auf Grund besserer Kundenkenntnis. Wichtiger erscheinen deshalb als erlössteigernde Effekte die möglichen Cross SellingUmsätze, auf die im Rahmen des Abschnitts 2.2.1 bereits hingewiesen wurde. Auch hier sind generelle Aussagen über Ausmaß und relative Bedeutung dieser Effekte kaum möglich, da sie von vielfältigen branchenspezifischen, unternehmensindividuellen und kundenabhängigen Merkmalen bedingt werden.

2.3.3 Bindungskosten Kostensenkungen und Erlössteigerungen stehen auf der anderen Seite speziellen Kosten der Kundenbindung gegenüber. Diese können z. B. in entsprechenden kommunikativen Aktivitäten, Kosten der spezifischen Produktanpassung, speziellen Investitionen in den Geschäftsverkehr oder in vergünstigten Preisen für gebundene Kunden begründet sein. Kostenträchtig und fixkostensteigernd sind insb. Investitionen in Kundendatenbanken bzw. -warehouses, Call Center, Kundenclubs o. ä. Marketingtools, die als Kundenplattform fungieren und die spezifische Ansprache besonders wertvoller Kunden ermöglichen. In all diesen Fällen handelt es sich zunächst um Vorlauf-Investitionen, die sich erst über den Kundenlebenszyklus hinweg amortisieren können. Als Warnzeichen muss auch angesehen werden, dass es viele Unternehmen der New Economy in der heißen Phase des E-Commerce-Hypes (1998-2001) nicht schafften, so viel Kundenbindung aufzubauen, dass die hohen Werbe-Investitionen in die Neukundengewinnung amortisiert werden konnten. Reichheld/Schefter (2000) stellten diesbezüglich in drei Branchen fest, dass zwischen 20 und 60 % der erstmals gewonnenen Kunden den jeweiligen Anbieter wieder wechselten, bevor die Werbekosten pro Neukunde durch entsprechende Deckungsbeiträge aus Verkäufen wieder eingespielt waren (vgl. Abb. 4).

Bekleidung Lebensmittel Consumer-Electronics 0

20

Akquisitionskosten/Kunde ($)

40

60

80

Kundenverlust vor BEP (%)

Abb. 4: Kundenbindungs(miss)erfolge in der New Economy Quelle: Reichheld/Schefter 2000

100

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

2.4

263

Zusammenfassung

Die in diesem Abschnitt diskutierten ökonomischen Wirkungen eines auf Kundenbindung ausgerichteten Beziehungsmarketing stellen naturgemäß keine „automatischen“ Effekte, sondern lediglich Potentiale dar, die es in jedem Einzelfall jeweils unternehmens- und marktspezifisch zu erschließen gilt. Die diesbezüglich Anfang der 90er Jahre insbesondere von Reichheld/Sasser propagierten Erfolge, die darauf hinausliefen, dass gebundene Kunden sieben mal produktiver seien als immer wieder neue Kunden, erwiesen sich dabei nicht selten als all zu optimistisch bzw. auf einer nicht repräsentativen Stichprobe dieser Berater stammend. Wie Abb. 5 deutlich macht, basierte diese Einschätzung zu großen Teilen auf Effekten der Kundenpenetration, sinkender Transaktionskosten sowie auf Erlössteigerungen durch Kundenreferenzen. Offenkundig können diese Effekte nicht immer und überall so stark realisiert werden, wie in den untersuchten Beratungsfällen der Autoren.

Erträge aus höheren Preisen Erträge aus Kundenreferenzen Erträge aus niedrigeren Transaktionskosten Erträge aus größerer KundenPenetration und Cross Selling Basis-Erträge

0 1

2

3

4

5

6

7

Jahr

Kundengewinnungskosten

Abb. 5: Wirkeffekte der Kundenbindung nach Reichheld/Sasser (1992) Am ehesten scheinen noch die Sicherungseffekte des Beziehungsmarketing (Abschnitt 2.1) einzutreten, nicht zuletzt deshalb, weil das Beschwerdemanagement einschließlich neuer Direktkanäle zu Endkunden (z. B. Hotlines, Call Center etc.) dafür gute organisatorische Voraussetzungen schuf und wie ein Blitzableiter eine erfolgsneutrale „Ableitung“ vielerlei Ärgernisse seitens der Kunden ermöglichte. Auch bei gewissen Wachstumseffekten, insb. beim Cross Selling und den Kundenreferenzen, können manche Branchen bzw. Firmen gute Erfolge vorweisen. Allerdings fehlt es hier an durchgängigen und systematisch ermittelten Belegen. Meist werden nur Fallbeispiele ohne harte ökonomische Überprüfung bekannt.

264

Hermann Diller

Noch weniger wissenschaftlich brauchbare Belege existieren über Kostenkonsequenzen. Die hohen Investitionen, die viele Unternehmen in den letzten Jahren in die CRMTools, insb. in Data Warehouses, steckten, scheinen jedoch in nicht wenigen Fällen (noch) nicht die erhofften Kosteneinsparungen bei der zielgruppengenaueren Ansprache bzw. Umsatzzuwächse aus Cross Selling und Kundenpenetration erbracht zu haben (vgl. die oben dargestellten Befunde zur New Economy). Auch Beziehungsmarketing und schon gar nicht allein entsprechende Daten- und Methoden-Tools garantieren also Markt- und Ertragserfolge, zumal der Beziehungswettbewerb auch hier für Auslese der Schwächeren und wachsende Ansprüche der Kunden sorgt.

Start der GB Loyalität Vertrauen Commitment Bekanntheit Bekanntheitsgrad

Wiederkaufwahrscheinlichkeit

Bekanntheitswert (KG-Kosten)

Basis-Wert KG-Kosten

Kompetenz Präferenz

Cross-Selling-Wert; Penetrationswert; Transaktionskostensenkung

Treue Begeisterung

Referenzwert Preispremium Informationswert

Abb. 6: Entwicklung der bindungsbedingten Kundenwertkomponenten im Zeitablauf Quelle: Diller 2002, S. 317

Offenkundig liegen hierbei auch überzogene Erwartungen bezüglich Wahrscheinlichkeit und notwendiger Zeitdauer bis zur „vollkommenen“ Kundenbindung sowie Missverständnisse hinsichtlich der Zwangsläufigkeit der verschiedenen Kundenbindungseffekte vor. Wie Diller (2002) in einem dynamischen Kundenwertmodell aufgezeigt hat, entwickeln sich die Kundenbindungseffekte erst sukzessive mit Fortschreiten auf der Loyalitätstreppe (vgl. Abb. 6). Demzufolge lassen sich auch die verschiedenen, auf den oben dargestellten Kundenbindungseffekten basierenden Kundenwertkomponenten oft erst nach langer Zeit und auch nur dann abschöpfen, wenn die sachlichen Voraussetzungen, also hervorragende Angebotsleistungen und exzellente Kundenbetreuung, gegeben sind. Ein „Schlaraffenland“ stellt das Beziehungsmarketing also wahrlich nicht dar. Andererseits wurde mit diesem Marketingkonzept zweifellos eine nachhaltige Veränderung des Marketing ausgelöst, der sich die Anbieter in sehr vielen Branchen kaum entziehen können.

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

265

Damit ist bereits die zweite Perspektive angesprochen, unter der die Bedeutung des Beziehungsmarketing nachfolgend noch ergänzend betrachtet werden soll.

3

Die Nachhaltigkeit des Beziehungsmarketing

Managementkonzepte unterliegen in zunehmenden Maße gewissen Modetrends. Einen erheblichen Beitrag dazu leisten Weiterbildungs- und Beratungsinstitutionen, die nach neuen Themen suchen und sie propagieren bzw. auf die Tagesordnung setzen, ohne dass oft schon hinreichend geklärt ist, ob und wie das Thema für die Unternehmen wirklich relevant ist. Für das Beziehungsmarketing galt dies in besonderem Maße, weil dabei den Anbietern einschlägiger IT-Tools Milliardenumsätze winkten und die Vertriebsanstrengungen entsprechend hoch geschraubt wurden (Diller 2003; Krafft 2003). Auf diese Weise entstand nachgerade ein „Hype“ bezüglich elektronisch gestützter CRMSysteme („eCRM“), der bis heute anhält. Nach Angaben der Gartner Group betrugen die weltweiten Ausgaben für CRM-Softwarelösungen im Jahre 2008 9.15 Mrd. US $, wobei diese Zahlen die Kosten für Inhouse-Lösungen und einschlägige Beratungsleistungen noch gar nicht einschließen. Ist das Konzept aber wirklich nachhaltig? Kommen die Unternehmen also früher oder später nicht umhin, auf Strategien und Instrumente des Beziehungsmarketing einzugehen und ihr Marketing entsprechend umzugestalten? Unbestritten bleibt u. E. trotz der vermutlich überzogenen Euphorie, dass die elektronische Unterstützung für das Beziehungsmarketing auf Massenmärkten nahezu unverzichtbar ist und dort erst die Voraussetzung für eine Individualisierung der Marktbearbeitungsaktivitäten schafft. Grundlage dafür sind (1) ein Data Warehouse zur Integration kundenbezogener Daten, (2) operative Softwareprogramme zur Bewältigung kundenbezogener Prozesse, wobei üblicherweise kundenaktive und kundenpassive Prozesse unterschieden werden, sowie (3) analytische Tools zur Analyse der Daten, die letztlich einem besseren Kundenverständnis, Kundenklassifikationen und anderen Formen sekundärstatistischer Beziehungsforschung dienen sollen. In BtB-Märkten war das Marketing schon jeher viel direkter und individueller, so dass der Innovationsgrad des CRM zumindest im Anlagen- und Systemgeschäft nicht allzu groß ist. Auch haben dort wegen der geringeren Kaufhäufigkeiten die Datenaufbereitungsprozesse zum Kaufverhalten nicht jenes Potential wie im Konsumgüter- und Dienstleistungsmarketing (BtC-Geschäft). Selbst beim BtC-Geschäft erwies sich allerdings das eCRM nicht als unproblematisch, im Gegenteil: Es kam nahezu flächendeckend zu drastischen Kostenunterschätzungen

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der einschlägigen Investitionen, weil die eigentlichen Lizenzgebühren für die Softwareund die Hardwareaufwendungen oft nur ein Drittel der Gesamtaufwendungen betragen, während der Rest der Kosten auf Implementations- und Abstimmungsaktivitäten entfällt. Ferner ergaben sich zum Teil gravierende Implementationsprobleme und entsprechende Verzögerungen, insbesondere weil sich die Datenbestände in vielen Unternehmen als zu heterogen erwiesen, um sie wirklich in Date Warehouses harmonisieren zu können. Darüber hinaus erwies es sich als ein gravierender Fehler, dass in vielen Unternehmen zunächst die informationstechnischen Grundlagen geschaffen wurden, bevor die Verwendung der dabei zur Verfügung gestellten Daten geklärt war. Die Entwicklung war damit zu sehr EDV-getrieben statt vom Marketing bestimmt. In vielen Fällen fehlte einfach eine schlüssige Marketingstrategie, welche die Leitlinien zeigen konnte, unter denen die Daten ausgewertet werden mussten. Schließlich fehlte in vielen Unternehmen auch die unternehmensinterne Akzeptanz der neuen Systeme, insbesondere im Vertrieb und im Marketing, aber auch beim Top Management, so dass nicht selten riesige Investitionsruinen entstanden und der Ruf des eCRM entsprechend beschädigt wurde. Auf der anderen Seite ist nicht davon auszugehen, dass diese Enttäuschungen dem Beziehungsmarketing – sei es nun elektronisch oder nicht – den Todesstoß verleihen. Vielmehr wird das Beziehungsmarketing seinen strategischen Lebenszyklus evolutorisch weitergehen. Dieser Lebenszyklus begann in den 80er-Jahren mit der Gründungsphase und dem ersten Entwicklungspfad einer Konzeptionierung der neuen Beziehungsmarketing-Strategie. In den 90er-Jahren kam es dann zur Umsetzung und in eine Wachstumsphase mit sehr vielen Aktivitäten zur Instrumentalisierung und Implementierung des Systems. In den letzten Jahren und laufend sind wir schon in der Reifephase des Beziehungsmarketing-Konzeptes angelangt, die lange andauern mag. Hier geht es – wie geschildert – um die Elektronisierung, aber auch die Professionalisierung dieses Konzeptes. Professionalisierung bedarf insbesondere das Management der Kundenprozesse (Bindungsaktivitäten). Dazu benötigt man eine bessere Quantifizierung der Kundenbindungserfolge als dies bisher üblich war. Es ist kaum zu glauben, dass in vielen Unternehmen Millionenbeträge in das Beziehungsmarketing gesteckt werden, ohne zu wissen, ob sich diese Investitionen lohnen. In Verbindung damit werden sich die Praxis und auch die Wissenschaft bemühen müssen, genauere und besser anwendbare Kundenwertsysteme zu entwickeln. Schließlich müssen alle Kundenbindungsaktivitäten einem konsequenten Prozessmanagement unterworfen werden, d. h. darauf überprüft werden, ob die Organisation, die Personalbestückung, die Informationsunterstützung und das Controlling hinreichend sind, um diese Aktivitäten effizient zu machen (vgl. hierzu: Diller et al. 2005). Schließlich muss auch nochmals auf die systematische organisatorische Verankerung und die Entwicklung einer Beziehungskultur im Unternehmen verwiesen werden (Bruhn 2009, S. 231 ff.). All dies sind Punkte, die bereits im Gange sind, und sich mit der Elektronisierung des Beziehungsmarketing verknüpfen. Die eCRM-Systeme werden vielleicht vorsichtiger und langsamer implementiert, aber auf sie kann man letztlich nicht verzichten. Darüber

Die Bedeutung des Beziehungsmarketing für den Unternehmenserfolg

267

hinaus wird die Einbindung des Internets das Beziehungsmarketing zusätzlich befruchten (vgl. hierzu Eggert/Fassot 2001). Insbesondere ist hier an virtuelle Communities im Internet sowie an andere virtuelle Netzwerke, seien sie horizontal, vertikal oder lateral, zu denken. Wagt man einen Blick in die Zukunft, so ist andererseits schon heute abzusehen, dass das Beziehungsmarketing in einigen Branchen scheitern wird und insofern Selektionsprozesse auftreten werden. In der Mehrzahl der Fälle erwarte ich jedoch eher eine Weiterentwicklung und Modifikation dieses Konzeptes, also sozusagen einen Relaunch, bei dem insbesondere die bisher schon aufgezeigten Schwachpunkte ausgemerzt werden. Eine besondere Bedeutung messe ich dabei der Differenzierung des Beziehungsmarketing bei. Diese Differenzierung bedeutet, dass einerseits der „Beziehungsstil“ (Ivens 2002) gegenüber ganz bestimmten Kunden unterschiedlich ausgestaltet wird und andererseits, dass man nicht nur auf Kundenbindung abzielt, sondern auch andere Ziele, wie die Kundenrückgewinnung und die Kundenneugewinnung in das BeziehungsmarketingKonzept einbezieht (Bruhn 2001). Wie auch immer die Entwicklung voranschreiten wird, unzweifelhaft erscheint, dass die strategischen, die operativen und die EDV-technischen Aspekte besser integriert werden müssen, um das Beziehungsmarketing-Konzept letztendlich zu den Erfolgen zu führen, die man schon immer von ihm erwartet hat. Dies gilt um so mehr, als die Unternehmen zunehmend in einen immer anspruchsvolleren Wettbewerb um das beste Beziehungsmarketing geraten, der den Kunden viele attraktive Anreize bietet, an die sie sich schnell gewöhnen könnten. Wer hier zurückbleibt, kann schnell erheblich an Kundenpräferenz verlieren und deshalb praktisch gezwungen sein, beim Beziehungsmarketing mit zu machen, auch wenn die sachlichen Voraussetzungen möglicherweise nicht optimal ausfallen. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass gute Beziehungspartner am Markt nur in begrenzter Zahl verfügbar sind, es aber gerade das Ziel des Beziehungsmarketing darstellt, diese Kunden für sich einzunehmen und damit dem Zugriff der Wettbewerber zu entziehen. Auf diese Weise entsteht ein Wettlauf um die besten Partner, bei denen die Pioniere des Beziehungsmarketing Wettbewerbsvorteile erringen können. Es verwundert deshalb nicht, dass auch noch bei einer Umfrage im Sommer 2002 unter 280 Managern und 85 Hochschulprofessoren (Kreuz 2002) Kundenbindung trotz seiner inzwischen rd. 20-jährigen Entwicklung noch immer und mit Abstand an der Bedeutungsspitze der abgefragten Zukunftstrends (und zusätzlich Beziehungsmarketing an Rang 3) stand. Dies unterstreicht die Nachhaltigkeit, die man diesem Konzept aus ökonomischer und wettbewerbspolitischer Perspektive bescheinigen kann. Beziehungsmarketing ist zwar keine Patentlösung für alle Marketingprobleme, aber ein sehr gut begründbares, der individuellen Ausgestaltung viel Raum lassendes Konzept, das in sehr vielen – freilich nicht in allen – Branchen seinen Siegeszug fortsetzen wird.

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Bernd Günter, Sabrina Helm

Kundenbewertung im Rahmen des CRM 1

Einleitung: Die Bewertung von Kundenbeziehungen als aktuelle Herausforderung für das CRM

2

Grundlagen der Kundenbewertung 2.1 Begriff und Determinanten des Kundenwerts 2.2 Methoden der Bewertung von Kundenbeziehungen

3

Wertorientiertes Kundenmanagement 3.1 Begriff des wertorientierten Kundenmanagements 3.2 Ziele und Aufgaben des wertorientierten Kundenmanagements 3.3 Integration mit Ansätzen des CRM 3.4 Mehrstufige Kundenbewertung und CRM-Konzeptionen

4

Ausblick auf offene Forschungsfelder

Literaturverzeichnis

1

Einleitung: Die Bewertung von Kundenbeziehungen als aktuelle Herausforderung für das CRM

Neben der Forderung, effektive Verbesserungen der Leistungsangebote für Kunden zu realisieren, wird das praktische Marketing von Unternehmen in einer Wettbewerbswirtschaft mit dem Gebot konfrontiert, Geschäftsbeziehungen mit Kunden auch effizient zu gestalten (Cornelsen 2000, S. 2; Schroeder 2006). Schließlich lohnen sich aus Anbieterperspektive Investitionen in die Zufriedenstellung und Bindung von Kunden nur dann, wenn hierdurch längerfristig profitable Kundenbeziehungen aufgebaut werden können (Scheiter/Binder 1992, S. 18; Blattberg/Deighton 1997, S. 29). Aus unternehmerischer Perspektive ist es in erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Betrieben sinnlos, „ein Füllhorn an Wohltaten undifferenziert über alle Kunden auszuschütten“ (Pepels 2008, S. 231) oder anders ausgedrückt: „Not all customers are worth attracting and keeping.” (Rust et al. 2000, S. 187). Die Messung des Kundenwerts aus der Sicht von Anbieterunternehmen sowie Maßnahmen zur wertorientierten Steuerung von Kundenbeziehungen sind damit zu aktuellen Herausforderungen für das Marketing geworden. Diese Herausforderung deckt sich mit dem Anspruch des Customer Relationship Management, welches darauf ausgerichtet ist, eine Kundenbeziehung in allen ihren Phasen zu gestalten (Pepels 2008, S. 229). In der Praxis richten zwar viele Unternehmen nach wie vor ihre Bemühungen auf produktzentrierte Messungen (z. B. die Markenbewertung) aus und verfolgen produktorientierte Strategien (z. B. Marktanteilssteigerungen) und Organisationsformen (z. B. Produkt- oder Markenmanagement). CRM ist jedoch strikt auf eine Analyse der einzelnen Kunden, einzelner Segmente und des aggregierten Kundenstamms ausgerichtet. Allerdings ist zu konstatieren, dass bisher nur wenige akzeptable und praxistaugliche Methoden der Messung solcher Kundenwerte diskutiert werden (Günter/Helm 2006, S. 185). Für das CRM liegt hierin eine bislang allenfalls ansatzweise gelöste Aufgabe. Das Ziel dieses Beitrags liegt darin, die Verknüpfung zwischen der aktuellen Diskussion um die Kundenbewertung und dem CRM herzustellen. Nach der kurzen Einführung werden Begriff und Determinanten des Kundenwerts vorgestellt, um anschließend auf Methoden der Bewertung von Kundenbeziehungen einzugehen. Dem folgen Ausführungen zum wertorientierten Kundenmanagement, welche den Begriff, Ziele und Aufgaben, Schnittstellen zum CRM sowie das innovative Themenfeld der mehrstufigen Kundenbewertung fokussieren. Ein Ausblick auf zusätzliche Forschungsfelder rundet den Beitrag ab.

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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2

Grundlagen der Kundenbewertung

2.1

Begriff und Determinanten des Kundenwerts

Der Begriff ‚Kundenwert’ bietet Interpretationsspielraum, der durch die in der USamerikanischen Literatur aktuell breiten Raum einnehmende Diskussion des Konstrukts ‚Customer Value’ weiter ausgedehnt wurde. Ein Kunde beurteilt bei seiner Entscheidung, eine Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten oder zu beenden, den in dieser Beziehung erhaltenen oder noch zu erwartenden Nettonutzen (Eggert 2006, S. 48; zu einem Überblick siehe auch Beutin 2000, S. 7 ff.; Wachter 2006). Dieser Nettonutzen ist der Wert, den der Kunde einer Geschäftsbeziehung beimisst, also der Kundenwert aus Kundensicht bzw. eben der Customer value (Anderson/Narus 1998). Der vorliegende Beitrag ist jedoch vorwiegend der Anbieterperspektive gewidmet, in welcher der Nettonutzen der Geschäftsbeziehung aus Anbietersicht zu analysieren ist (also der Supplier Value; vgl. Günter/Helm 2003, S. 49). Als Kundenwert wird hier der vom Anbieter wahrgenommene, bewertete Beitrag eines Kunden bzw. des gesamten Kundenstamms zur Erreichung der monetären und nichtmonetären Ziele des Anbieters verstanden (Schemuth 1996, S. 19; Cornelsen 2000, S. 38; Gelbrich 2001, S. 5). Folglich ist in einem weiteren Schritt stets danach zu differenzieren, ob die Gesamtheit der Kundenbeziehungen eines Anbieters zu bewerten ist (Kundenstammwert bzw. ‚Customer Equity’, vgl. z. B. Rust et al. 2000; Rudolf-Sipötz 2001, S. 14), ob einzelne Kundengruppen bzw. -segmente oder ob individuelle Kundenbeziehungen das Bewertungsobjekt bilden. Der Begriff Customer Equity lässt anklingen, dass es in Bezug auf die Gesamtheit der Kundenbeziehungen eines Anbieterunternehmens um eine Aufstockung des in den Kunden gebundenen Kapitals geht. Unter zeitbezogenen Aspekten kann sich ein solcher Kundenwert auf einen historischen Zeitpunkt beziehen und Vergangenheits- bzw. Ist-Werte enthalten, aus denen Schlüsse gezogen werden können. Zumeist interessanter ist aber der potenzielle, also zukünftig zu erwartende Wertbeitrag von Kunden. Eine solche Potenzialbetrachtung enthält naturgemäß Prognoseelemente. Der Kundenwert sollte nicht allein die aggregierten Umsätze umfassen, die mit einem Kunden bereits getätigt wurden. Zu betrachten sind vielmehr die Wertbeiträge des Kunden in verschiedenen Rollen bzw. Funktionen, die er für ein Anbieterunternehmen ausfüllt. Diese können zum Beispiel in der Rolle des Kunden als Co-Produzent und Lieferant externer Faktoren, als Informant, Käufer, Parttime-Marketer oder auch Kostenverursacher gesehen werden (vgl. z. B. Gouthier 1999, S. 19; Rudolf-Sipötz/Tomczak 2001, S. 15; Kleinaltenkamp/Dahlke 2006, S. 217 ff.). Neben eindimensionalen Messansätzen, die nur einen Baustein bei der Berechnung von Kundenwerten berücksichtigen, existieren mehrdimensionale Modelle, welche Kriterien gleicher oder unterschiedlicher Art miteinander verbinden und somit eine höhere Komplexität aufweisen (Rieker 1995, S. 49). Dabei können unterschiedliche Arten von Bausteinen in Kunden-

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

275

wertmodelle integriert werden, wie quantitative und qualitative bzw. monetäre und nicht-monetäre Bestandteile. In die Kategorie quantitativer und gleichzeitig monetärer Wertbestandteile fallen als Bewertungskriterien etwa der (relative oder absolute) Umsatz, der Kundendeckungsbeitrag oder die Preisbereitschaft (Woratschek/Roth 2006, S. 369 ff.). Zudem wird in der Literatur eine Vielzahl qualitativer Determinanten diskutiert: das Entwicklungs-, Ausstrahlungs-, Innovations-, Einfluss- und Kooperationspotenzial (Rieker 1995, S. 59), der informatorische und kommunikativ/akquisitorische Kundenwert (Schemuth 1996, S. 48) oder gar der Aufmerksamkeitswert (Günter 2006, S. 241 ff.). Cornelsen integriert qualitative Elemente wie Referenz-, Informations- sowie Cross Selling-Wert und weist diesen auf Basis empirischer Beobachtungen monetäre Werte zu (Cornelsen 2000, S. 171 ff.). Teilweise können also qualitative und zunächst nicht-monetäre Bausteine in monetäre Größen überführt werden (hierzu kritisch Helm 2003). Dabei sollte das Ziel der Kundenwertanalyse allerdings nicht allein darin liegen, den Kundenwert in einer einzigen Zahl bzw. einem konkreten Währungsbetrag auszudrücken, sondern vielmehr darin, die Werttreiber hinter diesem Konstrukt zu identifizieren (Rudolf-Sipötz/ Tomczak 2001, S. 80). Der Wertbeitrag eines Kunden liegt nicht nur in dem (zusätzlichen) Nutzen, den er einem Anbieter bringt. Der Wert eines Kunden rührt für ein Unternehmen vielmehr von beiden Seiten her: der Absatzseite über die Erlöse sowie der Leistungserstellungsseite über die Kosten (Schemuth 1996, S. 24). Die ‚Customer Profitability’ ist die Differenz zwischen kundenbezogenen Nettoerlösen und den Kosten der Kundenbetreuung (Shapiro et al. 1987, S. 102), die auf Perioden- oder Lebenszyklusbasis berechenbar ist und die monetäre und indirekt-monetäre Beiträge (Referenzwert, Informationswert usw.) enthalten kann. Allerdings sind die überwiegend produkt-, prozess- oder organisationsorientierten Messsysteme im Marketing-Controlling bislang kaum darauf ausgerichtet, den ökonomischen Beitrag einzelner Kunden oder Kundengruppen zu erfassen (so z. B. Köhler 2008, S. 478 f.). Das traditionelle Rechnungswesen kann nur begrenzt als Informationsquelle dienen, da in der Praxis eine verursachungsgerechte kundenbezogene Kostenaufspaltung bzw. Zurechnung von Auszahlungen in den meisten Fällen nicht erfolgt (Scheiter/Binder 1992, S. 18).

2.2

Methoden der Bewertung von Kundenbeziehungen

Ein erster Ansatzpunkt zur Kundenklassifikation liegt in der eindimensionalen ABCAnalyse nach Umsatz bzw. Deckungsbeitrag, die in der Praxis sehr weit verbreitet ist. Der Umsatz ist sicherlich der am häufigsten berücksichtigte Kundenbeitrag (Rieker 1995, S. 50; Gelbrich 2001, S. 55). Die ABC-Analyse ist auch als Kontrollinstrument für die Veränderung der Kundenstruktur im Zeitablauf zu verstehen, wenn beispielsweise der Anteil der A- und B-Kunden zu Lasten der C-Kunden ausgebaut werden soll (Homburg/Daum 1997, S. 395).

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Ein fiktives Beispiel der ABC-Kundenanalyse ist in Abb. 1 mit Hilfe einer sogenannten Lorenz-Kurve dargestellt. Die Lorenz-Kurve weist auf der Ordinate die kumulierten Umsätze der Kunden in Prozent des Gesamtumsatzes des Anbieters und auf der Abszisse die Kundenzahl in Prozent der Gesamtkundenzahl auf. Die Wölbung der Kurve über der 45°-Achse verdeutlicht den Grad der Umsatzkonzentration. Bei Gleichverteilung der Lieferumfänge über alle Kunden entspräche die Lorenz-Kurve der 45°-Achse (Plinke 1997, S. 130 f.). In diesem Beispiel entfallen auf 19 Prozent der Kunden 79 Prozent des Gesamtumsatzes, die B-Kunden tragen weitere 16 Prozent zum Umsatz bei, der zahlenmäßig große Anteil der C-Kunden 5 Prozent.

Kumulierter Umsatzanteil 100 % 95 % C-Kunden 79 %

B -Kunden

A-Kunden

19 %

48 %

100 %

Kumulierter Kundenanteil

Abb. 1: Beispiel einer umsatzbezogenen ABC-Analyse Häufig wird durch die ABC-Analyse eine Bestätigung der sogenannten ‚80:20-Regel’ vermutet: Auf 20 Prozent der Kunden entfallen 80 Prozent des Gesamtumsatzes (Homburg/Daum 1997, S. 395; Plinke 1997, S. 117). In vielen Unternehmen findet also eine ‚Quersubventionierung’ vieler kleiner Kunden zu Lasten weniger großer statt (Eberling 2002, S. 2; Rudolf-Sipötz 2001, S. 1). Eine detaillierte erfolgsorientierte Betrachtung kann jedoch in vielen Fällen zeigen, dass nicht nur die C-Kunden durch ihre stark fragmentierte Auftragsstruktur und den resultierenden hohen Bearbeitungsaufwand zu Verlustbringern werden. Dies trifft nämlich auch auf solche A-Kunden zu, die unter Berücksichtung der durch sie erzielten Erlöse und der durch sie verursachten Kosten negative Nettobeiträge erbringen. Das kann etwa dadurch begründet sein, dass die starke Nachfrageposition großer Kunden zu Niedrigpreisen, hohen Rabattforderungen und Sonderleistungen führt (Scheiter/Binder 1992, S. 18). Gleichzeitig verlangen viele A-Kunden eine intensive Betreuung, die entsprechende Kostenwirkungen zeitigt. Weite Verbreitung haben auch Punktbewertungsverfahren bzw. Scoring-Modelle. Diese sind mathematisch einfach strukturierte, dabei aber differenzierbare und anpassungs-

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

277

fähige Bewertungsverfahren, welche in einer multikriteriellen Analyse die Wertschätzung eines Objektes – hier: des Kunden – mit Hilfe eines Scoring-Werts wiedergeben (Cornelsen 2000, S. 149). In einem ersten Schritt sind alle aus Anbietersicht relevanten Kundenmerkmale aufzulisten, wobei quantitative und qualitative Kriterien herangezogen werden können. In einem zweiten Schritt können (z. B. prozentual formulierte) Gewichtungsfaktoren für die Merkmale integriert werden, welche in der Summe 1 bzw. 100 Prozent ergeben. Anschließend sind die zu beurteilenden Kundenbeziehungen auf Basis jedes einzelnen Kriteriums zu überprüfen und Punktwerte zuzuordnen. Dies wird typischerweise ein multipersonaler bzw. ein Team-Prozess sein. Die einzelnen Kundenbeziehungen können gemäß der Summe ihrer gewichteten Punktzahlen (Score bzw. Scoring-Index) in eine Rangreihe gebracht werden. Auch können sie analog der ABCAnalyse gemäß ihrer Bedeutung in Gruppen zusammengefasst werden (Plinke 1997, S. 140). Neben weiteren, generell mit Scoring-Modellen verbundenen Schwächen (Weber 2002, S. 342 ff.) ist an diesen Verfahren unter anderem die Subjektivität der Kriterienauswahl, der Zuordnung der Punktwerte zu individuellen Kunden, der Gewichtung der einzelnen Kriterien und der kompensatorische Charakter des Modells problematisch. Eine weitere Möglichkeit zur Bewertung von Kundenbeziehungen liegt in der Erstellung von Portfolios. Kundenportfolios sind gegenüber den bisher beschriebenen Verfahren zweidimensional und können durchaus differenziertere Auskünfte über Kundenbeiträge bzw. -potenziale bieten. Die Methode der Kundenportfolios hat recht weite Verbreitung gefunden, wobei die Vorgehensweise analog zu den Unternehmensportfolios der strategischen Planung – zum Beispiel dem Marktanteil-Marktwachstum-Portfolio – erfolgt (Rieker 1995, S. 72; Plinke 1997, S. 141). Auch hier wird ein zwei- oder mehrdimensionaler Beurteilungsraum aufgespannt, der die wichtigsten Merkmale zur Kundenbewertung umfasst.

Kundenattraktivität 1

2

3

4

5

6

7

8

9

hoch

mittel

niedrig

niedrig

mittel

hoch

Relative Lieferantenposition

Abb. 2: Beispiel eines Kundenattraktivität-Relative Lieferantenposition-Portfolios Quelle: in Anlehnung an Böing/Barzen 1992, S. 88

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Ein Beispiel für ein solches Portfolio stellt das Kundenattraktivität-Relative Lieferantenposition-Portfolio dar, in dem die Flexibilität des Scoring-Modells mit der Anschaulichkeit eines Portfolio-Modells verknüpft ist (Plinke 1997, S. 146). Der Kundenwert wird hier anhand einer Mehrzahl von Kriterien gemessen. Wie in Abb. 2 ersichtlich, wird auf der vertikalen Achse des Portfolios die Kundenattraktivität, auf der horizontalen die relative Lieferantenposition abgetragen. Die beiden Dimensionen repräsentieren eine Mehrzahl von Kriterien, die im Rahmen eines Scoring-Modells analysiert und verdichtet werden. Die relative Lieferantenposition beinhaltet als Kriterien unter anderem die Produktqualität, Vollständigkeit des Angebots, Beratung/Service, Logistik, Größe der Aufträge, Dauer der Beziehung sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis (Fiocca 1982, S. 57; Plinke 1997, S. 146). Die Kundenattraktivität ergibt sich zum einen aus dem Kundenwachstum (dem jährlichen Bedarf des Kunden an den Anbieterleistungen und dem geschätzten Wachstum des Bedarfs) sowie einer Reihe qualitativer Kriterien wie beispielsweise dem Preisniveau, das bei diesem Kunden erzielt werden kann, sein Image, seine Kooperationsbereitschaft, sein Know-how, seine Innovationsrate usw. (Fiocca 1982, S. 57; Homburg/Daum 1997, S. 396). Zusätzlich ist als dritte Beurteilungsdimension der aktuelle Lieferumfang integrierbar, dessen Höhe durch die Kreisgröße um den Koordinatenpunkt veranschaulicht wird (Plinke 1997, S. 144). Die Bedeutung des individuellen Kunden für den Anbieter kommt allerdings auch in diesem Modell nur teilweise zum Ausdruck. Die Portfolios sollten als Analyseinstrument eingesetzt werden; generelle Empfehlungen für Verhaltensweisen gegenüber Kunden – im Sinne von ‚Normstrategien’ – sind hieraus theoretisch kaum zu begründen (Plinke 1997, S. 144). Ergänzend zu den bereits beschriebenen, eher strukturbezogenen Ansätzen können auch Rentabilitätsanalysen wie Kundendeckungsbeitragsrechnungen durchgeführt werden. Die kundenspezifische Erfassung von Kosten und Erlösen ist hierzu Voraussetzung. Im Sinne einer hierarchischen Kostenerfassung werden einzelnen Kunden die kundenspezifischen Einzel- und Gemeinkosten verursachungsgerecht zugerechnet, wobei sukzessiv produktspezifische Kosten einzelnen Aufträgen und diese wiederum einzelnen Kunden zugeordnet werden (Homburg/Daum 1997, S. 398). Diese – in Abb. 3 ohne nähere Erläuterungen veranschaulichte – Vorgehensweise bietet sich vor allem deshalb an, da herkömmliche Kostenerfassungssysteme in der Regel produktbezogen sind. Typische kundenbezogene Kosten sind beispielsweise Kosten aufgrund von Sonderwünschen, besonderen Serviceleistungen wie kundenspezifische Verpackungen, Preisauszeichnungen oder Lieferkonditionen, Kosten der Kundenpflege bei Kundenbesuchen oder für den Kundendienst (Homburg/Daum 1997, S. 398; Krüger 1997, S. 115 f.). Nicht kundenspezifisch zurechenbare Kosten (z. B. Verwaltungsgemeinkosten) werden getrennt aufgelistet bzw. es wird eine stufenweise Rechnung angelegt.

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

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Kunden-Bruttoerlöse pro Periode - Erlösschmälerungen = Kunden-Nettoerlöse pro Periode - Kosten der vom Kunden bezogenen Produkte (variable Stückkosten lt. Produktkalkulation, multipliziert mit den Kaufmengen) = Kundendeckungsbeitrag I - Eindeutig kundenbedingte Auftragskosten (z.B. Vorrichtungen, Versandkosten) = Kundendeckungsbeitrag II - Eindeutig kundenbedingte Besuchskosten (z.B. Kosten der Anreise zum Kunden) - Sonstige relative Einzelkosten des Kunden pro Periode (z.B. Gehalt eines speziell zuständigen Key-Account-Managers; Engineering-Hilfen; Mailing-Kosten; Zinsen auf Forderungsaußenstände; bei Kunden auf der Handelsstufe: Werbekostenzuschüsse, Listungsgebühren und ähnliche Vergütungen) = Kundendeckungsbeitrag III

Abb. 3: Grundaufbau einer Kundendeckungsbeitragsrechnung Quelle: Köhler 2001, S.859

Erst die Durchführung dieser Analysen erlaubt es einem Anbieterunternehmen, die Effizienz einzelkundengerichteter Maßnahmen zu beurteilen. Haag beispielsweise bezeichnet Kundendeckungsbeitragsrechnungen als den „Prüfstein des Key-Account-Managements“ (Haag 1992, S. 25) – was allerdings voraussetzt, dass die entsprechende Datenorganisation und -verfügbarkeit gewährleistet ist und eine Identifizierung kundenrelevanter Kosten und Erlöse beispielsweise nach Kundennummern vorgenommen werden kann (Köhler 2008, S. 475). Unvollständig bleibt die Betrachtung des Kundenwerts auf Basis der Kundendeckungsbeitragsrechnung im Hinblick auf die nicht in Kosten- und Erlösdaten vorliegenden Kundenbeiträge. Hierzu können beispielsweise der Referenzund Informationswert eines Kunden gezählt werden (Diller 2002, S. 6 ff.). Ansätze einer kundenbezogenen Prozesskostenrechnung, bei der auch die Gemeinkosten auf die Kunden als Kalkulationsobjekte zu verteilen sind, werden in der Literatur ebenfalls diskutiert (Freiling/Reckenfelderbäumer 2000; Köhler 2008, S. 477 ff.). Für die Ermittlung längerfristiger Kundenwerte, auf deren Basis die Erfolgsträchtigkeit einer Investition in Kundenbeziehungen abgeschätzt werden kann, sind Methoden der dynamischen Investitionsrechnung heranzuziehen. Ein solches Verfahren stellt die Berechnung des sogenannten Customer Lifetime Value (CLV) dar, im Rahmen dessen der Wert eines Kunden über die durchschnittliche Dauer einer Geschäftsbeziehung betrachtet wird (Homburg/Daum 1997, S. 400). Aus der hierbei eingenommenen investitionspolitischen Perspektive ist die Bindung von Kunden nur dann erstrebenswert, wenn das

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Verhältnis der zu erwartenden kundenbezogenen Einzahlungen und Auszahlungen positiv bewertet wird (Homburg/Daum 1997, S. 400). Da eine Geschäftsbeziehung verschiedene Phasen durchläuft (ähnlich dem Produktlebenszyklus; vgl. z. B. Dwyer et al. 1987, S. 15 ff.), werden als charakteristische Merkmale zur Beschreibung des Verlaufs Umsatzvolumen und Kostenverlauf – wie in Abb. 4 dargestellt – zur Berechnung des CLV etwa anhand der Kapitalwertmethode herangezogen. Die Kapitalwertmethode als Verfahren der dynamischen Investitionsrechnung basiert auf dem Prinzip, dass Zahlungen in der Zukunft weniger wert sind als gleich hohe gegenwärtige Zahlungen. Zukünftige Ein- und Auszahlungen sind deshalb mit einem Kalkulationszinsfuß über die Anzahl der betrachteten Perioden abzuzinsen. Eine weitere Berechnungsmethode liegt in der Bestimmung des Vermögensendwertes (Schirmeister/Kreuz 2006, S. 323 ff.).

n

KW = ¦ t=0

et - at (1 + i)t

= e0 – a0 +

e1 – a1 e –a e –a + 2 22 + ... + n nn (1 + i) (1 + i) (1 + i)

et = (erwartete) Einzahlungen aus der Geschäftsbeziehung in der Periode t at = (erwartete) Auszahlungen aus der Geschäftsbeziehung in der Periode t i = Kalkulationszinsfuß zur Abzinsung auf einen einheitlichen Referenzzeitpunkt t = Periode (t = 0, 1, 2, ..., n) n = Dauer der Geschäftsbeziehung

Abb. 4: Berechnung des Kapitalwerts einer Kundenbeziehung Quelle: in Anlehnung an Homburg/Daum 1997, S. 402

Abschließend sei zu den Instrumenten der Kundenbewertung angemerkt, dass eine wirklich solide und umfassende Messung des Kundenwerts anhand einer einzelnen der vorgestellten Methoden nicht möglich ist. Der Aussagegehalt der Ansätze ist speziell; verfügt etwa der Customer Lifetime Value über den großen Vorteil, mit nur einer Zahl eine Angabe über die Vorteilhaftigkeit einer Kundenbeziehung machen zu können, ist diese doch auf die monetisierbaren, in Ein- und Auszahlungsströmen erfassbaren Beiträge von Kunden reduziert. Demgegenüber ist es für eine Gesamtwürdigung zweckmäßig, ein Scoring-Modell einzusetzen, das offen für eine Beurteilung jedweder Kundenbeiträge ist (Diller 2002, S. 17); es unterliegt allerdings durch Gewichtungsfaktoren, Punktzuordnung usw. dem subjektiven Urteil des Bewertenden. Entsprechend ist auch bezüglich der Entscheidung für oder gegen bestimmte Bewertungsmethoden eine zielund strategieorientierte Vorgehensweise anzuraten. Im Übrigen muss bei allen zukunftsgerichteten Methoden, die eine wertorientierte Planung untermauern sollen, auf die Unsicherheit der erwarteten bzw. prognostizierten Werte hingewiesen werden, die in die Kundenwertalgorithmen eingehen.

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

281

3

Wertorientiertes Kundenmanagement

3.1

Begriff des wertorientierten Kundenmanagements

Das wertorientierte Kundenmanagement umfasst in einem funktionalen Verständnis die Planung, Durchführung und Kontrolle bei Selektion, Aufbau, Gestaltung und Erhaltung bzw. Beendigung der Geschäftsbeziehungen zu bestimmten Kunden(-gruppen) auf Basis von deren Wertbeitrag zu den Anbieterzielen. Generell ist das Kundenmanagement „auf die Selektion und die ebenso ressourcen- wie potentialorientierte Betreuung bestimmter Kunden bei allen Transaktionen“ ausgerichtet (Diller 1995, Sp. 1363), baut also auf einer ressourcenorientierten Prioritätssetzung bezüglich bestimmter Kunden auf (ebenda, Sp. 1364; Schroeder 2006). Kundenorientierung, -zufriedenheit und -bindung sind Voraussetzungen für den Erfolg des Kundenmanagements, der sich im ‚vierten K’ des Kundenmanagements manifestiert: dem Kundenwert. Das Zusammenspiel dieser Konstrukte sowie ihr Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg sind Gegenstand einer Reihe aktueller Untersuchungen (siehe etwa Krafft 2007, S. 45 ff.; vgl. auch Abb. 5).

Unternehmenserfolg

Kundenorientierung

Kundenzufriedenheit

4K des Kundenmanagements

Kundenwert

Kundenbindung

Abb. 5: Die ‚vier K’ des Kundenmanagements Wertorientiertes Management bedeutet eine Ausrichtung aller Geschäftsprozesse an den Beiträgen, die diese Prozesse und ihr Ergebnis für den Wert des Unternehmens, speziell für seine Anteilseigner bedeuten. Der Shareholder Value wird damit letztlich zum Maßstab des betrieblichen Handelns. Entgegen manchen landläufigen Vorurteilen bedeutet

282

Bernd Günter, Sabrina Helm

dies nicht automatisch einen Konflikt mit dem Wert, den die Unternehmenstätigkeit für andere Stakeholder wie Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten usw. impliziert. Die Erlöskomponente in allen Methoden zur Ermittlung des Shareholder Value deutet auf die Relevanz der absatz-, also kundenbezogenen, Prozesse hin. Diese gehen mit Zielkennzahlen wie Marktanteilen, Umsätzen, Deckungsbeiträgen in Shareholder Value-Berechnungen einher.

3.2

Ziele und Aufgaben des wertorientierten Kundenmanagements

Anbieterseitiges Ziel des wertorientierten Kundenmanagements ist es, die langfristigen Beiträge der Kundenbeziehungen zum Wert des Anbieterunternehmens zu steigern oder auf ein vorgegebenes Niveau zu bringen. Aufgaben eines wertorientierten Kundenmanagements liegen demnach unter anderem darin, ƒ

kundenwerttreibende Faktoren zu ermitteln und zu beeinflussen,

ƒ

wertvolle Markt-/Kundensegmente zu identifizieren und deren Bearbeitung zu intensivieren,

ƒ

Kundenanalysen zur Verfügung zu stellen, die zufriedenheitsorientierte Kundenbearbeitung ermöglichen und damit Kundenbindung erhöhen sowie beispielsweise zur Vertriebs- und Kundendienststeuerung beitragen,

ƒ

werterhöhende Maßnahmen in allen Business Units und Funktionsbereichen des Unternehmens zu konzipieren und zu implementieren,

ƒ

insgesamt wertbeeinträchtigende Faktoren in allen Business Units und Funktionsbereichen des Unternehmens zu identifizieren, auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu reduzieren,

ƒ

wertbeeinträchtigende Kundenbeziehungen zu identifizieren und auf den Prüfstand zu stellen.

Mögliche Wege zur Erfüllung dieser Ziele und Aufgaben liegen in der Anwendung eines breit gefächerten Instrumentariums. Vormals ‚wertvernichtende’ Kundenbeziehungen sind zu rentabilisieren, also (wieder) profitabel zu gestalten (Gerth 2002, S. 247). Im Extremfall kann die Auflösung bzw. der Abbruch einer Kundenbeziehung unter Wertmanagementaspekten in Betracht kommen (Rudolf-Sipötz/Tomczak 2001, S. 1; Günter/Helm 2003, S. 61). Schließlich ist die von vielen Unternehmen angestrebte hohe Kundenorientierung nur auf Basis einer Kundenfokussierung erreichbar (Homburg/Daum 1997, S. 394). Damit sind bereits im Vorfeld kostenintensiver Kundengewinnungs- und -bindungsmaßnahmen die richtigen Kunden durch eine wertorientierte Kundenanalyse ausfindig zu machen (Reichheld 1996, S. 63; Gerth 2002, S. 258 ff.).

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

283

Es bietet sich an, eine Auffächerung des Handlungsspektrums nach den Facetten des Kundenmanagements vorzunehmen (vgl. Abb. 5). Dazu gehören – entsprechend den o. a. Bausteinen – folgende Teilziele: ƒ

Verfügbarmachung von Inhalten/Ergebnissen der Markt- und Kundenanalyse, unter anderem zur Steigerung der Kundenorientierung des Anbieterunternehmens,

ƒ

Erreichen eines festgelegten Niveaus der Kundenzufriedenheit,

ƒ

Erreichen eines festgelegten Kundenbindungsgrades, der angestrebten Bindungsqualität und -intensität,

ƒ

Erreichen eines angestrebten Niveaus von Kundenwerten in den verschiedenen Segmenten des relevanten Marktes (auf den gesamten Kundenstamm bezogen: Customer Equity-Ziel),

ƒ

Erreichen eines definierten Beitrags des Kundenmanagements zu den Unternehmenszielen.

Es zeigt sich, dass im Sinne des Marketing-Controlling ein informationsbasierter Zielfindungsprozess die materielle Arbeit des Kundenmanagements begleitet. Dies ist gleichzeitig Gegenstand der informatorischen Bausteine des CRM. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Logik einer Verbindung der Bausteine des Kundenmanagements einen Algorithmus nahe legt, der letztlich von einer angestrebten Kundenwert-Konstellation ausgeht, die die davor liegenden Bausteine ‚rückwärts’ in diese Mechanik einbaut. In einem derartigen Gegenstromverfahren könnten dann – ausgehend von einem ‚optimalen Kundenwert’ – Maßnahmen zur Optimierung der einzelnen Kundenbeiträge entwickelt werden.

3.3

Integration mit Ansätzen des CRM

Es zählt zu den zentralen Aufgaben des CRM, mögliche und tatsächliche Wertbeiträge von Kunden zu ermitteln bzw. zu optimieren. CRM kann in Anlehnung an Link definiert werden als „informationstechnologisch gestützte Herstellung, Aufrechterhaltung und Nutzung von Kundenbeziehungen“ (Link 2001, S. 3). Auch Hippner und Wilde verstehen hierunter eine kundenzentrierte und auf moderner Informations- und Kommunikationstechnologie basierende Unternehmensphilosophie, die darauf ausgerichtet ist, profitable Kundenbeziehungen aufzubauen und zu festigen (Hippner/Wilde 2003, S. 6; ähnlich Wessling 2001, S. 11). Damit baut auch CRM im Sinne des wertorientierten Kundenmanagements auf einer ressourcenorientierten Prioritätssetzung bezüglich bestimmter Kunden auf. Analog benennt Link als Ziel des CRM die Gestaltung erfolgreicher Kundenbeziehungen, als Strategie den Aufbau bestimmter Wettbewerbsvorteile (beides Aspekte, die das Marketing generell kennzeichnen). Auf der Umsetzungsebene des CRM stehen im Mittelpunkt dann der Aufbau eines kundenorientierten Informationssystems sowie des Computer Aided Business. Link erwähnt weiter, dass „CRM

284

Bernd Günter, Sabrina Helm

der Unternehmensführung die Chance bietet, für das Unternehmen neue und zusätzliche Überlegenheitspositionen und darüber wiederum höhere Gewinnpotentiale aufzubauen“ (Link 2001, S. 8). Zu ergänzen bleibt, dass dies allein aus der durch CRM (auf der operativen Ebene) erlangten Transparenz resultiert. CRM schafft keine neuen Wettbewerbsvorteile, sondern liefert den systematischen Background für das Finden und Umsetzen von Wettbewerbsvorteilen. Dies geschieht vor allem durch eine Systematisierung, Vereinheitlichung und Verknüpfung der markt- und kundenbezogenen Informationsbasis, durch Optimierung der Wissensakkumulation und -verteilung sowie durch Steuerungselemente und -methoden bei der Gestaltung der Absatzpolitik, insbesondere der einzelnen Kundenbeziehungen. CRM umfasst zwei zentrale Bereiche. Zum einen integrierte Informationssysteme, zum anderen – nach Auffassung vieler Autoren – eine neue Unternehmensstrategie (Hippner et al. 2001, S. 417), die auf das Relationship Management gerichtet ist. Allerdings ist zum letztgenannten Aspekt einschränkend festzuhalten, dass eine (lediglich) auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtete Unternehmensstrategie aus Perspektive des Marketing nichts Neues ist. Neu an CRM-Konzeptionen sind die heutigen und zukünftig noch zu erwartenden elektronischen ‚Tools’, mit denen das Ziel der Kundenanalyse und selektiven Kundenbindung sehr viel umfassender unterstützt und effizienter erreicht werden kann (Link 2001, S. 3). Von einem durch CRM eingeleiteten oder forcierten ‚Paradigmenwechsel’ (vgl. z. B. Zipser 2001, S. 36), sollte allerdings nicht unbedingt die Rede sein, um die Methodik nicht zu überfordern und um keine zu hohen Erwartungen hervorzurufen. In CRM-Konzeptionen lassen sich grundsätzlich Elemente des wertorientierten Managements und damit auch solche der Kundenbewertung integrieren. Dies darf aber nicht auf Analysekomponenten begrenzt sein, sondern kann und sollte Gestaltungsoptionen einbeziehen. Das wertorientierte Kundenmanagement bleibt nämlich nicht bei der Analyse der Bausteine des Werts von Kundenbeziehungen und deren Messung stehen, sondern repräsentiert einen umfassenderen, entscheidungsorientierten Ansatz. Kundenbeziehungen sind demnach auf Basis ihrer wertorientierten Analyse zu gestalten und die Ursachen für hohe oder zu geringe Wertbeiträge von Kunden systematisch zu untersuchen. Diese Identifizierungsaufgabe kann zum Beispiel über sinnvolle Kennzahlenbildung im Rahmen von CRM-Konzeptionen angegangen werden. Die Gestaltungsaufgabe, die typischerweise planmäßige Kundenbindungsstrategien fokussiert, ist in gleicher Weise Bestandteil von CRM-Systemen. Mit Blick auf die Customer Equity identifiziert Wessling drei Stellschrauben der ‚CRM-Wertschöpfung’: der Lebenszyklus einzelner Kunden muss verlängert werden, deren Profitabilität erhöht sowie die Anzahl der (profitablen) Kunden gesteigert werden (Wessling 2001, S. 17 f.). Kundengewinnung und -bindung sind kein Selbstzweck, sondern in die einzelne Kundenbeziehung ist nur soviel zu investieren, wie es ihr ökonomisches Potenzial rechtfertigt. „In diesem Sinne liegt in der expliziten Ungleichbehandlung der Kunden ein Erfolgsgeheimnis des CRM“ (Link 2001, S. 3). Letzteres gilt nur unter der Voraussetzung, dass die Informationen, die zur korrekten Beurteilung einer Kundenbeziehung (inklusive ihrer Verbundeffekte und qualitativer Komponenten) dem Anbieterunternehmen vorliegen und in Entscheidungen einbezogen werden.

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

285

Kundendatenbanken, die konstitutiver Bestandteil einer CRM-Konzeption sind, enthalten häufig bereits eine Reihe von Daten, welche zur Kundenbewertung herangezogen werden können. Neben den Grund-, Aktions- und Reaktionsdaten sind hier vor allem Potenzialdaten von Interesse (Link 2001, S. 8 f.). Die Merkmalsprofile je Einzelkunde bzw. die so gebildeten Kundenmodelle weisen unter anderem auf Möglichkeiten zur Ausschöpfung des Share of Wallet (Gerth 2002, S. 250 f.) und Cross Selling- oder Up Selling-Chancen hin (Link 2001, S. 10). Hierzu müssen Kundenbedürfnisse frühzeitig erkannt werden, um dem richtigen Kunden zum richtigen Zeitpunkt das richtige Produkt anbieten zu können. Die Produktkombinationen, die der Kunde bereits in Anspruch nimmt, sind zu analysieren, sowie Kundengruppen zu identifizieren, welche sich bezüglich ihres Produktportfolios ähneln (Zipser 2001, S. 51). Churn- bzw. Storno-Analysen oder -Vorhersagen sollen das Eintreten von Kündigungen verhindern, indem frühzeitig Abwanderungstendenzen erkannt werden. Hierzu bieten sich Lost Customer-Analysen an, in deren Mittelpunkt abgewanderte Kunden stehen. Dabei sind Präventionsmaßnahmen auf die profitablen Abwanderungswilligen auszurichten, während unprofitable Kunden an der Abwanderung nicht gehindert werden (‚To be lost-Analyse’). Auch Regain Management-Aktivitäten für abgewanderte Kunden, denen ein akzeptabler Kundenwert beigemessen wird, können als Bausteine in CRM-Systeme integriert werden. Beim Data Mining (Berry/Linoff 2000) wird – anders als beim empirisch-analytischen Forschungsvorgang – nicht von einer Theorie ausgegangen und hypothesengeleitet vorgegangen, sondern Data Mining erfolgt in erster Linie datengeleitet. Das Ziel liegt darin, durch Auswahl, Erklärung und Modellierung großer Datenmengen vorher unerkannte Zusammenhänge wie etwa Verhaltensmuster zu entdecken (Zipser 2001, S. 44). Dies kann im Zusammenhang mit Kundenwertanalysen Informationen über bisher vernachlässigte oder zumindest nicht erkannte Wertbeiträge einzelner Kunden liefern. So lassen sich beispielsweise kundenbezogene Betreuungs- und Auszahlungsmuster identifizieren, eventuell auch übersehene oder unterschätzte Einzahlungsrhythmen, -häufungen oder ähnliche Zusammenhänge, die den Wert eines Kunden in einem veränderten Licht erscheinen lassen. Kundeninformationssysteme dienen auch dazu, das kundenbezogene Wissen im Anbieterunternehmen und innerhalb einer Symbiose mit Kooperationspartnern zu verteilen und zugänglich zu machen. Dabei ist zu bedenken, dass auch typischerweise ‚kundenferne’ Abteilungen letztlich zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen beitragen und insbesondere über die Intensität und Wirksamkeit kundenbezogener Prozesse (Betreuung, Beratung, Service, Logistik, Kundendienst usw.) den Kundenwert beeinflussen können. Auch vermeintlich kundenferne und nur indirekt beteiligte Mitarbeiter im sogenannten Backoffice können nachhaltig die einzelne Kundenbeziehung beeinflussen. So fragt etwa Zipser – unter dem Eindruck differenzierter Kundenbewertung – ob es gerechtfertigt sei, kundenunabhängig einheitliche Mahnzyklen für nicht bezahlte Waren anzuwenden (Zipser 2001, S. 49). In einer tiefer gehenden CRM-Konzeption sind schließlich nicht nur die primären Effekte der Kundenbindung zu erfassen, sondern auch die von Pepels als spekulative Se-

286

Bernd Günter, Sabrina Helm

kundäreffekte bezeichneten Kundenbeiträge (z. B. Weiterempfehlungen und Cross Buying) sowie Tertiäreffekte aus Informations- und Kooperationsnutzen, die jedoch nur schwer zu operationalisieren sind (Pepels 2008, S. 232). Hier zeigen methodische Ansätze (im Überblick Günter/Helm 2006), welche Möglichkeiten der Erfassung und Steuerung solcher Bausteine des Kundenwerts existieren.

3.4

Mehrstufige Kundenbewertung und CRM-Konzeptionen

Eine bisher in der Diskussion um den Kundenwert praktisch vollständig vernachlässigte Fragestellung bezieht sich im Business-to-Business-Bereich auf die Abhängigkeit des Kundenwerts von Kundenwerten der folgenden Abnehmerstufe, also auf ein aus dem mehrstufigen Marketing bekanntes Problem (Helm/Günter 2006, S. 33; Kunschert 2009). Um es an einem abstrakten Beispiel zu verdeutlichen: Anbieter A will neben anderen Kundenbeziehungen die Geschäftsbeziehung zu einem Kunden K1 bewerten und dafür etwa eine Customer Life Time Value-Berechnung anstellen. Es ist evident, dass die Bewertung dieses Kunden K1 von dessen prognostizierter Geschäftstätigkeit abhängt, wie z. B. Analysen der abgeleiteten Nachfrage (‚derived demand’) in der ökonomischen Theorie immer wieder betont haben. Wenn also beispielsweise eine Fracht-Airline ihre Logistik-Kunden bewerten will, so hängt diese Bewertung von deren Absatztätigkeit gegenüber Logistiknachfragern sowie von weiteren Entwicklungen der Folgestufe(n) ab. Abb. 6 veranschaulicht die Systematik mehrstufiger Kundenbewertung anhand einer Customer Lifetime Value-Berechnung. Der Kundenstammwert des Anbieters A setzt sich zusammen aus den (über die Lebensdauer abgezinsten) Ein- und Auszahlungsströmen aus seinen n Kundenbeziehungen. Der Kundenwert des Kunden 1 wiederum setzt sich zusammen aus den abgezinsten Ein- und Auszahlungsströmen seiner m Kunden usw. Diese Überlegungen weisen auf die Begrenztheit vieler Bewertungsmodelle hin, denn eine solche stufenübergreifende Prognoserechnung wird in der Realität kaum durchführbar sein, zumindest nicht für Anbieterunternehmen in frühen Wertschöpfungsstufen. Grundsätzlich jedoch ist eine tiefgehende und möglichst präzise begründete Kundenbewertung verknüpft mit Informationen, Erwartungen und Einschätzungen, die die übernächste Absatzstufe und deren Entwicklungen, Verhalten etc. betreffen. Eine Kundenwertberechnung ist nur so gut und zutreffend, wie das Verständnis des Anbieters vom Geschäft der bewerteten Kunden es zulässt. Daraus sollten sich dann deren Absatzerfolge prognostizieren lassen und die Bedarfe an Zulieferungen von Produkten, Anlagen oder Dienstleistungen projizieren lassen.

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

Anbieter A

287

Kundenstufe 1 Kunde K1

Kunde a von K1

n

et - at t = 0 (1 + i)t

KW K1 = ¦

Customer Equity des Anbieters A

Kundenstufe 2

Kunde K2

n

et - at t = 0 (1 + i)t

n

et - at t = 0 (1 + i)t

n

et - at t = 0 (1 + i)t



Kunde Kn

Kunde m von K1

n

et - at

t = 0 (1 + i)t



KW Kb1 = ¦



KW Kn = ¦



KW Ka1 = ¦

Kunde b von K1

KW K2 = ¦





n

KW Km1 = ¦

et - at



t = 0 (1 + i)t

Abb. 6: Mehrstufige Kundenbewertung Dass dieses Problem der Mehrstufigkeit hinter den existierenden Ansätzen der Kundenbewertung steht, werden Wissenschaftler wie Praktiker anerkennen – es wird allerdings zu wenig explizit gemacht. Methodische Ansätze zum Umgang mit diesem Problem sind infolgedessen bisher weitestgehend ausgespart. Einige Leitlinien für den Umgang mit diesem Problem im Rahmen theoretischer wie auch unternehmenspraktischer Analyse seien nachfolgend gegeben: ƒ

Eine mehrstufige Kundenbewertung besitzt umso größere Chancen, je mehr Kunden tiefergehende Kundenbewertungsmethoden einsetzen.

ƒ

Da kundenübergreifend Daten verglichen und integriert werden müssen, bedarf es eines gewissen Konsenses hinsichtlich der anzuwendenden Bewertungsmethodik sowie entsprechender rechnungswesenbezogener Grundlagen bei den Kunden des Kunden.

ƒ

Mehrstufige Kundenbewertung ist am ehesten durchführbar, wenn ein Anbieter es mit nicht allzu stark verzweigten und nach Verwenderbranchen differenzierten Abnehmern auf den nächsten Stufen zu tun hat.

ƒ

Eine mehrstufige Kundenbewertung verlangt weitgehend kooperatives Vorgehen zwischen dem betrachteten Anbieter und seinen unmittelbaren Kunden (direkte Abnehmerstufe).

288

Bernd Günter, Sabrina Helm

ƒ

Eine mehrstufige Kundenbewertung hat größere Chancen, wenn standardisierte, gegebenenfalls miteinander verknüpfbare CRM-Systeme auf Anbieter- und Kundenebene eingesetzt werden.

Für CRM-Konzeptionen ‚der nächsten Generation’ kann und sollte gerade der letztgenannte Punkt eine bedeutsame Herausforderung sein. Ansätze zur informatorischen Vernetzung in Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen müssten derartige kundenwertorientierte Überlegungen mit enthalten. Dafür müssten allerdings zunächst im Anbieterunternehmen konsolidierte Kundendaten in einer ‚Kunden-ID’ verfügbar sein und nicht – wie bislang die Regel – ungebündelte Kundendaten in verschiedenen Datenformaten und bei mehreren Funktionsbereichen (Gerth 2002, S. 256).

4

Ausblick auf offene Forschungsfelder

Ein Überblick über die bisherige Literatur zum Thema Kundenwert bzw. Customer Equity zeigt, dass viele Fragestellungen noch der näheren Analyse bedürfen – insbesondere auch im Zusammenhang mit CRM-Systemen, Kundendatenbanken und der Kundenanalyse. Im Folgenden wird kurz auf einzelne derartige Forschungsfelder und Diskussionsbereiche hingewiesen und damit zu breiterer und tieferer Behandlung der Thematik angeregt. Über längere Zeit waren Entwicklung und Einführung von CRM-Systemen durch technologische Erwägungen dominiert (Link 2001, S. 22). Verhaltensoptionen und -annahmen gehen eher implizit in die Architektur von CRM-Systemen ein. Gerade die Kundenwertthematik zeigt aber, in welchem Maße Verhaltensaspekte zu integrieren wären. So scheint die subjektive Bewertung von Kunden unter anderem von der Intensität der persönlichen Kundenbeziehung abzuhängen, aber auch von der hierarchischen Position und der Funktion des bewertenden Mitarbeiters. Diese Thematik wäre tiefer zu durchdringen und für CRM-Aspekte nutzbar zu machen. Sie betrifft unter anderem auch den Bereich der wertorientierten Vertriebssteuerung. Ein zweiter, eng verbundener Aspekt ist derjenige der organisatorischen Kompetenz im Zusammenhang mit kundenwertbezogenen CRM-Komponenten. Die Frage nach der Zuständigkeit für Dateninput wie auch den Datenzugriff bedarf intensiverer Analyse. Dabei sind die realen Entscheidungen der Unternehmen ebenso zu eruieren wie die optimale Gestaltung der aufbau- und prozessorganisatorischen Kompetenz zu klären wäre. Eine dritte Frage bezieht sich auf die Nutzung von CRM-Systemen für kundenwertorientiertes Management. Bisher gesammelte Erfahrungen mit dem Nutzen von Daten und Systemen sind für praktische Zwecke der Steuerung von Geschäftsbeziehungen auszuwerten und zu verbreiten. Hier darf in der nächsten Zeit eine Sammlung und Aufbereitung der Erfahrungen ebenso erwartet werden wie der Versuch, Lösungsansätze im Sinne des Kunden- bzw. Geschäftsbeziehungscontrolling zu präsentieren und zu diskutieren.

Kundenbewertung im Rahmen des CRM

289

Viertens ist auf dem Gebiet der Operationalisierung, Quantifizierung oder gar Monetisierung von Kundenwertbausteinen noch Forschungsbedarf evident. Entsprechende Messansätze werden zwar beispielsweise für die Bewertung von Kundenempfehlungen in der Literatur diskutiert (Cornelsen 2000, S. 186 ff.; Helm 2000, S. 354 ff.), jedoch in der Praxis aus Praktikabilitäts- und anderen Gründen eher vernachlässigt. Zur Zeit überwiegen CRM-Systeme, die auf direkt monetäre Kundenwertkomponenten zurückgreifen wie den Umsatz oder im besseren Fall den Kundendeckungsbeitrag (Gerth 2002, S. 249). Qualitative Komponenten wie etwa Referenz- oder Innovationspotenziale des Kunden finden kaum Berücksichtigung. Für ein wertorientiertes Kundenmanagement bieten derartige Tools nicht die notwendige Unterstützung. Als fünfter Punkt dieser – mitnichten abgeschlossenen – Liste offener Fragen ist noch anzuführen, dass die zur Zeit beobachtbare Dominierung des Themas CRM durch Informatiker bzw. Techniker eine bislang recht invariate Schnittstelle zum Marketing bzw. dem Kundenmanagement geschaffen hat. Diese zu überwinden und CRM zu einem für die Entscheider im Kundenkontakt besser dienlichen Instrument zu machen, sollte ein maßgebliches Ziel der weiteren Entwicklung sein.

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Ursula Hansen

Beziehungslos im Dschungel des Beziehungsmarketing oder: Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive 1

Entwicklung und Bedeutung des Beziehungsmarketing

2

Verbraucherbenefits und -kosten des Beziehungsmarketing 2.1 Theoretischer Stand der kundenorientierten Forschung 2.2 Arten von Verbraucherbenefits 2.3 Verbraucherkosten des Beziehungsmarketing

3

Ausgewählte Elemente einer Typologie von Geschäftsbeziehungen

4

Probleme und Grenzen des Beziehungsmarketing aus kundenorientierter Sicht 4.1 Grundsätzliche Probleme 4.1.1 Inflationierung 4.1.2 Missbrauch 4.1.3 Überforderung des personellen Potentials der Anbieter 4.2 Kosten der Markttransparenz 4.3 Einschränkung der mobilitätsbedingten Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs 4.4 Diskriminierungsproblematik 4.5 Sozialpsychische Schäden durch Kommerzialisierung von Beziehungen 4.6 Datenmissbrauch

5

Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

1

Entwicklung und Bedeutung des Beziehungsmarketing

Von den Marketingkonzepten der 90er Jahre hat das Beziehungsmarketing die steilste wissenschaftliche und praktische Karriere durchlaufen. Zahlreiche Anhänger sehen in ihm euphorisch einen Paradigmawechsel, der auf die griffige Formel gebracht wird: Von der Transaktions- zur Beziehungsorientierung. Der Theoriewandel setzt an der Begrenztheit einer kurzfristigen Transaktionsorientierung an. Diese Kurzfristigkeit bezieht sich zum einen auf die Erfolgsperspektive und zum anderen auf die Interaktionsperspektive. Während für die Transaktionsorientierung der Verkauf die Interaktion beendet, sieht die Beziehungsorientierung hierin den Beginn einer längerfristigen Geschäftsbeziehung. Mit dieser soll Kundenorientierung realisiert werden, in der die „Nach-mir-dieSinnflut-Mentalität“ des kurzfristigen transaktionsbezogenen Denkens überwunden werden soll. Es ist in gewisser Weise erstaunlich, wie überzeugend von verschiedenen Autoren die Kundenorientierung als innovative strategische Vision im Rahmen des Beziehungsmarketing gepriesen wird, nachdem das Marketing in den 60er und 70er Jahren genau mit diesem Anspruch angetreten war und seine konstituierende Idee gerade in der marktorientierten und damit vorrangig kundenorientierten Unternehmensführung gesehen wurde. Teilweise handelt es sich sogar um die gleichen Personen. Bei einer Renaissance der Kundenorientierung kann nur neu sein entweder (a) eine Revitalisierung des bisher nicht genügend realisierten, konstitutiven Marketinggedankens oder (b) eine Re-Interpretation im Sinne situativ anders zu gestaltender Marketingaktivitäten. Die methodologische Entwicklung des Beziehungsmarketing ist geprägt von verschiedenen sozialpsychologischen und ökonomischen theoretischen Grundlagen, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen. Für unser Thema relevant erscheint dagegen eine Unterscheidung der Ansätze nach ihrer Wertbasis. Danach ergeben sich einerseits mehr verbraucherzentrierte und andererseits mehr erfolgsstrategische Ansätze, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. Erste Wurzeln für die theoretische Entwicklung des Beziehungsmarketing bestehen in der Bundesrepublik mit dem verbraucherzentrierten Ansatz des Marketing. Dieser resultierte wesentlich aus der Wahrnehmung erheblicher Kritik an dem Marketing und aus einem verbraucherorientierten Interesse an Konsumentenzufriedenheit mit dem Marketing, an gesellschaftlichen Konsumfolgen und an der Entwicklung von Marketingkonzepten zur Verbesserung der Konsumentenzufriedenheit. Der Anspruch des Marketing auf eine markt- und speziell kundenorientierte Unternehmensführung wurde hier also ernst genommen, indem Wege für Interaktionsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern – sei es auf kollektiver oder auf individueller Ebene – für die Gestaltung zufriedenstellender Transaktionsepisoden entwickelt wurden. In diese Richtung weist das Konzept des Beschwerdemanagements (Hansen/Schoenheit 1987; Hansen et al. 1995; Riemer 1986; Stauss/Seidel 2002), das zum umfassenderen Nachkaufmarketing ausgebaut wurde (Hennig-Thurau 1998; Jeschke 1995). In die gleiche Richtung gehen

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Ursula Hansen

strategische Gedanken zur Einrichtung von Verbraucherabteilungen oder Kundenforen (Hansen 1979; Hansen/Stauss 1982; Raabe 1985). Diese Forschungsansätze konnten auf amerikanischen Vorbildern aufbauen, da in den USA sowohl das Complaint Management als auch Consumer Affairs-Departments in Theorie und Praxis bereits weiter entwickelt und stärker anerkannt waren (Andreasen/Best 1977; Fornell 1978). In eher erfolgsstrategischer Absicht entstanden in den 80er Jahren erste Ansätze des Beziehungsmarketing für das Anwendungsfeld des Investitionsgütermarktes. Dies ist insofern naheliegend, als in diesem Bereich die prozessualen Elemente der Kundenbeziehung sehr erfolgsrelevant sind (Diller/Kusterer 1988; Jackson 1985) und Kundenorientierung sich daher auf zufriedenstellende Transaktionsfolgen mit den Kunden beziehen muss. Dabei nimmt die aktive Gestaltung der Nachkaufphase zur Aufrechterhaltung dauerhafter Geschäftsbeziehungen einen besonderen Stellenwert ein (Günter 1992, S. 386 ff.; Vavra 1992, S. 251 ff.). In den 90er Jahren wurde das strategische Erfolgspotential dauerhaft zufriedengestellter und gebundener Kunden für den Dienstleistungs- und Konsumgütersektor entdeckt (Christopher et al. 1991; Grönroos 1994), und es wurde ein differenziertes Instrumentarium der Beziehungsgestaltung mit den Kunden entwickelt. Dieses Interesse an der Gestaltung dauerhaft zufriedenstellender Transaktionsepisoden deckt sich zwar mit dem erst genannten verbraucherzentrierten Ansatz, ist jedoch vor einem anderen theoretischen Hintergrund zu verstehen. Die derzeitige marketingstrategische Aktualität erklärt sich nämlich zu einem wesentlichen Teil situativ als Antwort auf rezessive Marktsättigungserscheinungen, die eine Ursache dafür bilden, dass bestehende Kundenbeziehungen wertvoller werden gegenüber den Möglichkeiten der Kundenneugewinnung. Darüber hinaus haben neue Informations- und Kommunikationstechnologien situativ wichtige Voraussetzungen für die individuelle Gestaltung von Kundenbeziehungen geschaffen. In der derzeitig vorherrschenden Literatur zum Beziehungsmarketing wird der Beziehungserfolg als primäre Zielgröße betrachtet, die durch Kostenwirtschaftlichkeit, Beziehungssicherheit sowie durch die Ergiebigkeit der Geschäftsbeziehung determiniert wird (Diller 1995, S. 445). Diese ökonomischen Zielgrößen werden durch die Beziehungsqualität beeinflusst, die sich ihrerseits aus den psychografischen Komponenten der Kundenzufriedenheit bzw. wahrgenommenen Leistungsqualität, Vertrauen und Commitment zusammensetzt (Bruhn 2009, S. 68 f.; Hadwich 2003, S. 22 ff.). Besondere Beachtung wird unternehmensinternen Zielen gewidmet, wie z. B. dem kundenorientierten Arbeitsverhalten, das als instrumentelle Voraussetzung für den Beziehungserfolg gesehen wird ( Stock 2005, S. 626). Der Maßnahmenkatalog des Beziehungsmarketing wird zunehmend differenzierter. Tab. 1 zeigt die diskutierten Ansätze einer beziehungsorientierten Modifikation des Marketing-Mixes (Bruhn/Bunge 1994, S. 64; Hansen/Bode 1999, S. 304).

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

297

Produktpolitik

Preispolitik

Kommunikationspolitik

Distributionspolitik

Co-Produktion

Kundenwert

Beziehung

Individualisierung

ƒ Qualität ƒ Konsum-

ƒ Treue-

ƒ Kundenindividuelle ƒ Kundenklubs Dialoge ƒ Kooperation ƒ Database-Systeme ƒ Direkt-Marketing

Kompetenz

ƒ Service ƒ Cross-Selling Tab. 1:

/Mengenrabatte

ƒ Monetäre Zusatzleistungen

Beziehungsorientierte Modifikation des Marketing-Mixes Quelle: Hansen/Bode 1999, S. 304

In diesen Handlungsfeldern werden Prinzipien der individualisierten Ausgestaltung von Geschäftsbeziehungen (customization), der Selektion und Priorisierung langfristig ausgelegter erfolgsversprechender Geschäftsbeziehungen (Kundenwert), der Interaktion in einem Kundendialog, wie z. B. in einem Beschwerdeprozess, und der Integration des Kunden in den Wertschöpfungsprozess als Koproduzent verwirklicht. Die Entwicklung des Beziehungsmarketingkonzeptes kann durch folgende Tendenzen charakterisiert werden: ƒ

In den Anfängen des Beziehungsmarketing bildete das unternehmerische Leistungsangebot den Fokus der Beziehungsgestaltung. Dies gilt auch für den zufriedenheitsorientierten Ansatz des verbraucherzentrierten Marketing. Demgegenüber gewinnt nun die leistungsunabhängige Gestaltung von Beziehungen zunehmende Bedeutung.

ƒ

Das Instrumentarium der Beziehungsgestaltung wird ständig differenzierter und führt zu einer Auflösung und Vermischung der klassischen vier „P‘s“. Dadurch erhöht sich die Komplexität der marktlichen Austauschprozesse.

ƒ

Es findet eine zunehmende Integration des Beziehungsmarketing in interne unternehmerische Prozesse statt. So wachsen z. B. die Service- und Marketingabteilungen über dem gemeinsamen Problem einer Gestaltung von Transaktionsepisoden mehr zusammen. Demgegenüber waren bei der Transaktionsorientierung des Marketing die abteilungsspezifischen Ziele oft sogar konfliktär, indem einer Verkaufsorientierung des Marketing im Sinne einer kurzfristigen Umsatzsteigerung die Käuferbetreuung der Serviceabteilung nach dem Kauf oft entgegenstand und hier überzogene Kundenerwartungen abgebaut werden mussten, die durch Verkaufsargumente geweckt worden waren. Insgesamt bewirkt das Beziehungsmarketing eine zunehmende Sensibilisierung für die notwendigen unternehmensinternen Implementationsmaßnahmen und die Perspektivenverschiebung, die den Kunden auch nach dem Kauf im Mittelpunkt unternehmerischer Maßnahmen sieht.

298

Ursula Hansen

ƒ

Entwicklungen in den Kommunikationsmedien geben der erleichterten Aktivierung der Kunden und darauf aufbauenden Interaktionsprozessen (z. B. Web 2.0) zunehmend Bedeutung.

2

Verbraucherbenefits und -kosten des Beziehungsmarketing

2.1

Theoretischer Stand der kundenorientierten Forschung

Die mit dem Beziehungsmarketing verbundene Euphorie hat sich in einer umfangreichen Forschung zu den Vorteilen für Unternehmen niedergeschlagen. Dagegen haben weit weniger Autoren sich mit der kundenorientierten Fragestellung beschäftigt, was das Beziehungsmarketing dem Kunden nützt. Diesen Mangel haben verschiedene Autoren beklagt (z. B. Gwinner et al. 1998, S. 101 f.; Hansen/Bode 1999, S. 308 ff.). Die entscheidende Frage, ob überhaupt und unter welchen Bedingungen die Konsumenten Beziehungen mit Anbietern wollen, wurde bisher relativ selten gestellt. Vielmehr wurde wahrscheinlich als nicht hinterfragte Grundthese und selbstevidente Wahrheit von der Bejahung der Frage nach dem Sinn und dem Nutzen für Kunden ausgegangen. Dieser Forschungsstand weist insofern fast anachronistische Züge auf, weil das Beziehungsmarketing – wie oben festgestellt – angetreten ist zur Korrektur einer vom Transaktionsmarketing nicht genügend berücksichtigten Kundenorientierung. Da diese jedoch nur verwirklicht werden kann, wenn eingehende und differenzierte Kenntnisse über diesbezügliche Interessen und Bedürfnisse der Kunden vorhanden sind, ist zu befürchten, dass auch dieses Konzept nicht immer wirklich kundenorientiert gemeint ist. Besonders heikel ist dabei der Tatbestand, dass gerade eine interaktive Kundenansprache und -betreuung, wie sie mit dem Beziehungsmarketing beabsichtigt wäre, ohne wirkliche diesbezügliche Kundenkenntnis zu einer Pseudoaktion degenerieren muss. Als weitere Quelle für die Aufklärung über Verbraucherinteressen an Geschäftsbeziehungen mit Anbietern könnte die Theorie der Verbraucherpolitik herangezogen werden. Auch hier ist der Befund weitgehend negativ, da sich Theorie und Praxis der Verbraucherpolitik dieser aktuellen Entwicklung des Marketing bisher kaum zugewendet haben (Ausnahme: Rosenberger 2000). Aus einer Durchsicht diesbezüglicher Dokumente und Literaturbeiträge waren kaum Ansätze einer Auseinandersetzung verbraucherpolitischer Interessen bzw. Leitziele mit den Intentionen des Beziehungsmarketing zu entnehmen. Der insofern noch wenig entwickelte Forschungsstand ermutigt, einige kundenorientierte Gedanken und hier insbesondere auch einige kritische Aspekte aus Kundensicht zu formulieren. Dazu sollen zunächst die wenigen Autoren zu Rate gezogen werden, die in diesbezügliche Konsumforschung investiert haben. Es gibt zum einen Beiträge, die sich auf das Konsumentenverhalten in Bezug auf partielle Gestaltungsbereiche des Beziehungsmarketing beziehen. Dazu gehören z. B. Untersuchungen über das mit dem Beschwerdemanagement korrespondierende Beschwerdeverhalten der Konsumenten

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

299

(Homburg/Fürst 2006; Stauss/Seidel 2006) oder über die Konsumkompetenznachfrage im Rahmen des Co-Produzentenansatzes (Hansen/Hennig 1995; Hennig-Thurau 1998). Zum anderen sind in diesem Zusammenhang relevant einige jüngere Arbeiten zu den Verbraucherbenefits aus langfristigen Geschäftsbeziehungen (Fournier et al. 1998; Gwinner et al. 1998; Jeker 2002). Auf sie soll im Folgenden kurz eingegangen werden, weil sie die Grundlage für die Beurteilung der Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbrauchersicht bilden.

2.2

Arten von Verbraucherbenefits

Die Verbraucherbenefits werden in den verschiedenen empirischen Untersuchungen unterschiedlich strukturiert. Relativ konstant erscheinen allerdings ökonomische, soziale und psychologische Arten von Beziehungsbenefits (Tab. 2). Die ökonomischen Benefits entstehen zum einen aus individueller Bevorzugung durch Preisnachlässe und sonstige geldwerte Sonderleistungen. Weiterhin sind Transaktionskostenersparnisse zu berücksichtigen, wie z. B. Zeit- und Wegekosten sowie Informationskosten der Alternativenüberprüfung; diese Aspekte können mit der Transaktionskostentheorie systematisch begründet werden. Eng damit verbunden sind die psychologischen Benefits. Diese entstehen auf der Basis von Vertrauen in eine Beziehung und werden daher in der Literatur auch als Confidence-Benefits bezeichnet. Der Konsument erlebt psychische Entlastung durch verminderte Komplexität von Kaufentscheidungen; er fühlt sich sicherer durch Reduktion seines Risikoempfindens in Hinblick auf mögliche falsche Entscheidungen und ist weniger kognitiver Dissonanz ausgesetzt. Diese Effekte sind für den Konsumenten unterschiedlich hoch je nach situativem Involvement, den Produkteigenschaften und seiner persönlichen Risikoneigung. Die sozialen Benefits resultieren aus dem Kontakt mit Unternehmensangehörigen oder aus den von Unternehmen organisierten Kontakten mit anderen Kunden (Beispiel des Kundenclubs). Sie umfassen soziale Anerkennung, Zugehörigkeitsgefühle (z. B. IKEA„Family“) und sogar Freundschaft oder auch soziale Erlebnisse in Interaktionen. Gwinner et al. (1998) haben in ihren empirischen Untersuchungen soziale und confidence Benefits sowie special treatment Benefits gefunden. Letztere sollen die oben genannten ökonomischen Benefits enthalten. Diese Strukturierung schafft erhebliche Überschneidungsprobleme, da eigentlich alle Benefits ihre Wurzel in special treatments finden. Neben den Beziehungsbenefits erhalten die Kunden auch Benefits aus der angebotenen Leistungsqualität. Diese sind hier themenrelevant, soweit sie durch langfristige Geschäftsbeziehungen und nicht bereits durch eine einmalige Transaktion realisierbar sind. Dies ist der Fall einerseits durch längerfristige Beeinflussung der Qualitätswahrnehmung während der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden und zum anderen durch Verbesserungen der Leistungsnutzung durch den Kunden in der Nachkaufphase, wie sie z. B. durch Betreuung nach dem Kauf oder durch Steigerung der Kompetenz des Kunden im Produktge- und -verbrauch entstehen.

300

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Beziehungsbenefits

Benefits aus angebotener Leistungsqualität

Ökonomisch z. B. Transaktionskostenersparnisse

Längerfristige Beeinflussung der Qualitätswahrnehmung

Psychologisch z. B. Entlastung durch Vertrauen

Verbesserung der Nutzung der angebotenen Leistung

Sozial z. B. soziale Anerkennung

Tab. 2:

2.3

Verbraucherbenefits aus dem Beziehungsmarketing

Verbraucherkosten des Beziehungsmarketing

Zur Bestimmung des aus einer Geschäftsbeziehung für den Kunden resultierenden Nettonutzens sind seine zum Aufbau und zur Erhaltung der Beziehung entstehenden Kosten zu berücksichtigen. Diese sind nicht ganz einfach von den ökonomischen Benefits abzugrenzen, in die ja – wie oben ersichtlich – eingesparte Kosten eingerechnet werden. Dies ist insofern sinnvoll, als die Kunden hier ein Vorteilsempfinden haben. Es verbleiben als Kosten der Beziehung im Bereich der Leistungen alle zusätzlichen Entgelte, die bei einmaligen Transaktionen nicht angefallen wären. Als Beziehungskosten können Entgelte für Mitgliedschaften in Kundenbindungsprogrammen betrachtet werden. Auch der monetäre Kommunikationsaufwand für den Kunden stellt eine nicht zu vernachlässigende Größe dar. So können z. B. Post-, E-Mail- oder Telefonkosten für den angestrebten interaktiven Dialog auch bei dem Kunden entstehen. Bei allen monetären Kosten ist es aus Kundensicht wichtig, zu unterscheiden, ob sie für ihn transparent als zurechenbare Kosten anfallen oder in allgemein zu entgeltenden Beträgen untergehen. Neben den monetären Kosten fallen für die Kunden auch nicht monetäre Kosten an, die mit der Aufwendung von Kraft und Zeit für die Beziehungsgestaltung verbunden sind. Die Zeitbilanz einer Beziehung ist kompliziert, da es weitgehend von dem Empfinden der Kunden abhängt, ob die in eine Beziehung investierte Zeit im Sinne eines Zeitvertreibs als Benefit oder als nicht monetärer Kostenfaktor empfunden wird.

3

Ausgewählte Elemente einer Typologie von Geschäftsbeziehungen

Die Beurteilung von Problemen und Grenzen von Geschäftsbeziehungen aus Verbrauchersicht ist nicht pauschaliert, sondern nur unter Berücksichtung von Unterschieden zwischen Geschäftsbeziehungen zu leisten. Daher sollen im Folgenden einige problemrelevante Typenelemente dargestellt werden.

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

301

Es ist zunächst sinnvoll, das Anwendungsfeld zu berücksichtigen, d. h. also die Art des Kerngeschäftes, an dem die Beziehungsgestaltung anknüpft. Dieses beeinflusst Form und Bedeutung der Beziehungsgestaltung aus Kundensicht erheblich. Grundsätzlich sind hier Dienstleistungen und Sachleistungen zu unterscheiden, da sich Dienstleistungen generell mit dem Prozess der Leistungserstellung wesentlich stärker für den Einsatz des Beziehungsmarketing eignen als Sachleistungen. Die starke Heterogenität von Sachleistungen macht allerdings weitere Differenzierungen notwendig, wie z. B. nach der Beratungs- und Serviceintensität, nach der Wertigkeit der Produkte, ihrem Prestigewert, nach dem von ihnen ausgelösten Involvement und schließlich nach ihren Informationsqualitäten (search-, experience- und credence qualities). Die Beziehungen selbst unterscheiden sich entsprechend der Art der Bindung in Zustände der Gebundenheit oder Verbundenheit beziehungsweise in freiwillige oder zwanghafte Beziehungen (Bliemel/Eggert 1998, S. 39 ff.). Freiwilligkeit heisst, dass der Kunde trotz Alternativen in der Verbindung bleibt, sei es, dass bei rationalem Kalkül der Nettonutzen der Beziehung seinen Ansprüchen genügt oder sei es auch, dass er aus Gewohnheit bleibt (habitualisiertes Verhalten) oder er sich emotional gebunden fühlt. Zwanghaftigkeit entsteht, wenn sich der Kunde abhängig fühlt, d. h. einen „... Zustand eingeschränkter Substituierbarkeit des als wichtig erachteten Gegenstandes der Bindung ...“ (Plinke/Söllner 2008, S. 80) empfindet. Auf Zwang bzw. Abhängigkeit basierende Geschäftsbeziehungen werden in der Regel nicht aufrechterhalten, wenn deren Gründe entfallen (Bendapudi/Berry 1997, S. 18 ff.). Derartige Gründe sind verschiedenartig; sie können marktpolitischer Natur sein (fehlende Alternativen bei Angebotsmonopolen), technisch-funktional (bei produktspezifischen Inkompatibilitäten), ökonomisch (bei hohen Wechselkosten oder „sunk costs“ durch spezifische Investitionskosten) oder rechtlich (bei bindenden vertraglichen Vereinbarungen). Wie aus dieser Aufzählung geschlossen werden kann, werden Bindungszwänge teilweise von den Anbietern geschaffen (z. B. Konditionen in Bezug auf Vertragslaufzeiten), teilweise resultieren sie auch aus allgemeinen situativen Bedingungen (z. B. Monopolsituationen), wobei allerdings das Abhängigkeitsgefühl der Kunden mit der Ausnutzung der Situation durch den Anbieter beeinflusst werden kann. Ein drittes typenbildendes Merkmal ist der inhaltliche Bezug der Beziehungsgestaltung. Hier ist die Unterscheidung in kernleistungsbezogene und kernleistungsunabhängige Beziehungsgestaltung von großer Themenrelevanz. Erstere dient dazu, die angebotene Leistung als Grundlage der Geschäftsbeziehung in faktischer oder wahrnehmungsbezogener Hinsicht zu verbessern. Demgegenüber verschaffen rein beziehungsorientierte Gestaltungsformen soziale oder psychologische Zusatzerlebnisse. Viele Anbieteraktivitäten enthalten gleichzeitig Elemente beider Ausprägungen. Dies gilt insbesondere für den Dienstleistungsbereich, wo oft Prozesse der Leistungserstellung um eine Erlebniskomponente angereichert werden mit leistungsunabhängigen Angeboten (z. B. zeitvertreibende Aktionen in Wartezeiten). Daher kann der inhaltliche Bezug der Beziehungsgestaltung im Einzelnen nur schwerpunktmäßig bestimmt werden. Innerhalb eines Profils von Beziehungsleistungen kann eine horizontale und eine vertikale Dimension unterschieden werden (Abb. 1). In horizontaler Hinsicht werden ver-

302

Ursula Hansen

schiedene Beziehungsleistungen zu einem Angebotsbündel zusammengestellt, während in vertikaler Hinsicht die Maßnahmen auf verschiedene Transaktionen ausgerichtet werden und insofern eine zeitliche Verknüpfung erfolgt (z. B. eine Preisoptimierung über mehrere Transaktionen hinweg).

Anzahl notwendiger Transaktionen in Bezug zur Leistung

5

Beziehungsleistung 2 4

3

Beziehungsleistung 3

Beziehungsleistung 6

2

Beziehungsleistung 1

Beziehungs- Beziehungsleistung 4 leistung 5

1

Beziehungsleistung

Abb. 1: Beispiel eines Profils von Beziehungsleistungen

4

Probleme und Grenzen des Beziehungsmarketing aus kundenorientierter Sicht

4.1

Grundsätzliche Probleme

Wenn in einer Zeit der euphorischen Arbeit an einem neuen Konzept, einer Zeit aktiver Forschung und vielfältiger Publikationen, umfangreicher Implementierungen in der Praxis und begleitender fleißiger Weiterbildung nach Problemen und Grenzen gefragt wird, so kann diese Haltung leicht sauertöpfisch und miesmacherisch wirken. Da ich selber den Einstieg in diese Konzeptentwicklung aktiv in der Bundesrepublik betrieben habe und unter dem Begriff des Nachkaufmarketing zur Förderung des Konzeptes vieles beigetragen habe, mag diese Frage aus meiner Feder um so mehr verwundern. Eine Reflexion der Frage soll aber möglichen Fehlentwicklungen vorbeugen, um die zweifellos zahlreichen positiven Aspekte des Konzeptes zu erhalten. Wie seiner Zeit bei meinen kritischen Überlegungen zum Transaktionsmarketing (Hansen/Stauss 1983), die mich zu ersten Vorschlägen zum Nachkaufmarketing im Sinne einer Verbesserung der

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

303

Verbraucherzufriedenheit geführt haben, soll im folgenden das Konzept des Beziehungsmarketing wiederum an seinem eigenen Anspruch gemessen werden, nämlich zu einer Verbesserung der Kundenorientierung beitragen zu können.

4.1.1 Inflationierung Paradoxerweise scheinen einige gewichtige Probleme des Konzeptes aus seiner begeisterten und vielfältigen Anwendung zu resultieren, die zu einer Inflationierung des Beziehungsangebots führen könnte. Derartige Entwicklungen sind grundsätzlicher Natur und auch in vielen anderen Bereichen des Marketings festzustellen. So hat die starke Differenzierung und Kurzlebigkeit des Markenangebots zu hypertrophen Erscheinungen geführt, die den Markenmanagern das Leben schwer machen und die erstrebten Markenbindungen der Konsumenten verkomplizieren. Nicht anders ist es mit der ständig ansteigenden Flut von Werbebotschaften, die eine Informationsüberlastung der Konsumenten bewirkt hat und die Aufwendungen für Aufmerksamkeitsziele in die Höhe treibt. Inflationierungen in der Anwendung von Marketinginstrumenten bergen mehrere Gefahren in sich: Sie können an Kapazitätsgrenzen bei den Konsumenten stoßen, wie es mit der mentalen Aufnahmekapazität für Informationen im Rahmen der Werbung geschehen ist, sie steigern das Anspruchsniveau, so dass wettbewerbliche Potentiale verloren gehen, und sie führen zu Abnutzungserscheinungen hinsichtlich ihrer Attraktionswirkung. Soweit sind hier also nur marktpolitische Phänomene „as usual“ zu beklagen. Ich möchte nun allerdings die These wagen, dass im Bereich des Beziehungsmarketing Inflationierungen besonders kritisch sind, weil teilweise empfindliche sozial-psychische und emotionale Phänomene angesprochen sind, die eine Übersteigerung nicht vertragen und erhöhte Reaktanzgefährdung (Stahl 2004; Wendlandt 2009) beinhalten. Zu viele Beziehungsangebote, zu viele Freundschaftsofferten werden leicht als unglaubwürdig oder lästig, peinlich oder lächerlich empfunden. Dies gilt insbesondere für den Bereich der leistungsunabhängigen Beziehungsgestaltung.

4.1.2 Missbrauch Eine verwandte Argumentationslinie ist in Bezug auf eine Missbrauchsgefahr aufzubauen. Diese soll in der Ausprägung möglicher Irreführungen und Gefährdungen diskutiert werden. Grundsätzlich kann jede Sozialtechnologie – wie das Marketing sie darstellt – aus Sicht der Betroffenen in positiver oder negativer Weise verwendet werden. So gibt es aus Verbrauchersicht bekanntlich viele Segnungen des Marketingeinsatzes, wie z. B. die innovative Vielfalt der Produkte, der erlebnisreiche Einkauf im Handel oder die schnelle Verfügbarkeit von Konsumkrediten. Jedoch sind natürlich auch die Gefahren des Missbrauchs deutlich, wie sie mit Irreführungen und Verführungen durch manche Werbemaßnahme oder mit Unsicherheits- oder Gesundheitsproblemen bei Produkten bestehen. Je subtiler die verhaltenswissenschaftliche Kenntnis über die Konsumenten ist, um so größer wird auch die Missbrauchsgefährdung. Um diese allerdings

304

Ursula Hansen

richtig einschätzen zu können, wären auf Verbraucherseite konkrete Formulierungen des Verbraucherinteresses notwendig. Bezogen auf das Beziehungsmarketing ist nun wiederum zu diskutieren, ob sich die allgemeinen Missbrauchsgefahren in diesem Bereich anders darstellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der direkten Problematik missbräuchlich gestalteter Beziehungen oder der indirekt wirksamen Schaffung von Voraussetzungen für missbräuchliches Verhalten in anderen Marketingbereichen durch Beziehungen. Die Beziehungsgestaltung kann hinsichtlich ihres emotionalen Gehalts missbräuchlich und für den Verbraucher irreführend gestaltet werden, wie z. B. das Angebot von pseudoindividualisierten Dialogen. Hier ist im einzelnen schwer zu ermitteln, was für den Verbraucher wirklich irreführend ist. Gehen wir von dem gleichen Problem bei der Werbung aus, so muss gefragt werden, wie weitgehend der Verbraucher Botschaften ernst nimmt und dadurch zu bestimmten Verhaltensweisen angeregt wird. Ähnlich wie in der Werbung, wo (hoffentlich!) kein Verbraucher mehr die Aussage der Superlative („das weißeste Weiß Ihres Lebens“) wörtlich nimmt, wird er auch bei einer Inflationierung von Beziehungsangeboten so vielversprechende Worte wie „Anerkennung“ und „Zuneigung“ oder gar „Freundschaft“ nicht mehr ernst nehmen (Hennig-Thurau 1998). Das Beziehungsmarketing wirkt indirekt, wenn mit ihm ein begünstigendes Klima für missbräuchliches Verhalten in anderen Marketingbereichen geschaffen wird und damit opportunistisches Verhalten ermöglicht wird. Dies ist im Prinzip bei allen bindenden und emotionalisierenden Maßnahmen der Fall, die irrationalisierende und die Markttransparenz einschränkende Wirkungen entfalten.

4.1.3 Überforderung des personellen Potentials der Anbieter Bei der Gestaltung des Beziehungsmarketing ist das Personal des Anbieters gefordert, Kundenorientierung zu praktizieren. Dies gilt für das front office-Personal im Kontakt mit den Kunden in besonderem Maße, sollte aber auch im back office-Bereich im Sinne einer unternehmensweiten Philosophie und Konzeptimplementierung gelebt werden. Aus diesem Grunde wird heutzutage im Rahmen des Beziehungsmarketing Sozialkompetenz der Mitarbeiter gefordert, und Konzepte des internen Marketing sollen bei dem Personal kundenorientierte Einstellungen erzeugen. Hier stößt man allerdings an deutliche Grenzen. Versprechen des individualisierten, verständnisvollen und emotional positiven Kundenkontaktes können von dem Personal nur begrenzt eingelöst werden. Gerade in den Call Centers, Beschwerde- und Kundenkontaktabteilungen gibt es burn-outProbleme, die etwas zu tun haben mit dem Ausverkauf an guter Laune, Geduld, menschlicher Zuwendung und allumfassendem Verständnis. Dies sind Eigenschaften des Personals, die – in großen Mengen gebraucht – weder unbegrenzt beschafft noch produziert werden können. Wenn warme, individuelle Kundenkontakte von vielen Firmen sogar durch Outsourcing hergestellt werden sollen (Stauss et al. 2008; vgl. Abb. 2), dann zeigt sich überdeutlich, dass hier Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realisie-

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

305

rung bestehen, und das ist auch ein Problem aus Verbrauchersicht, wie wir es noch in verschiedener Hinsicht konkretisieren wollen.

Abb. 2: Outsourcen individueller Kundenbeziehungen: Das Beispiel arvato Berelsmann

4.2

Kosten der Markttransparenz

Markttransparenz stellt eine wichtige Einflussgröße für die Funktionsfähigkeit des Marktes dar, die auch das bereits von John F. Kennedy propagierte Recht des Verbrauchers auf freie Wahl stark tangiert. Informationsmöglichkeiten über das Marktangebot – und zwar sowohl über Qualitäten wie auch über Preise – bilden die Basis für eine marktgerechte Produktwahl. Zur Beurteilung der Informationsmöglichkeiten sind sowohl die grundsätzlichen Informationszugänge wie die Informationskosten zu berücksichtigen, die monetäre und geldwerte zeitliche sowie psychische und physische Anstrengungen umfassen. Es ist davon auszugehen, dass eine Individualisierung des Marktangebots grundsätzlich die Informationszugänge und Informationskosten für die Verbraucher erhöht, da Vergleichsmöglichkeiten erschwert sind. Dies trifft auch für Aktivitäten des Beziehungsmarketing zu, soweit mit ihnen eine Individualisierung des Angebots intendiert wird, wie z. B. die nach Kundenwert bemessenen Sonderkonditionen und Zusatzleistungen nach dem Kauf.

306

Ursula Hansen

Ein anderer, die Markttransparenz beeinflussender Aspekt betrifft die zunehmende Komplexität durch Beziehungsangebote. Wenn die Kernleistungen in steigendem Maße mit zum Teil völlig kernleistungsfremden Angeboten verknüpft und damit Transaktionsepisoden miteinander verbunden werden, entsteht in horizontaler (Leistungsbündel) und vertikaler Hinsicht (zeitlich sukzessive Leistungsabfolge) ein für die Konsumenten undurchschaubares Paket an Leistungen, das in Bezug auf Konkurrenzangebote wenig oder sogar nicht mehr einschätzbar ist. Diese Komplexität verstärkt sich, wenn die zu bezahlenden Entgelte pauschaliert und nicht zurechenbar sind. Im Sinne ökonomisch-rationaler Kaufentscheidungen müsste der Konsument eine Beziehungsbewertung mit einem Vergleich der einzuzahlenden abgezinsten Entgelte und den bewerteten empfangenen Leistungen vornehmen, da ja einzelne Transaktionen bei längerfristiger Beziehungsgestaltung der Anbieter nicht mehr sinnvoll vergleichbar sind. Dass dies die Entscheidungsfähigkeit des Konsumenten überfordert, ist offensichtlich. Die Argumentation auf der individuellen Ebene einzelner Konsumenten muss ergänzt werden um kollektive, verbraucherpolitische Aspekte der Verbraucherinformation (Hansen 2003). Betrachten wir hier exemplarisch den Warentest als klassisches und für die Markttransparenz zentrales verbraucherpolitisches Instrument, so muss festgestellt werden, dass seine Leistungsfähigkeit und Aussagekraft bei einer steigenden Verbreitung des Beziehungsmarketing nachlässt. Der Warentest ist derzeitig in seiner Anwendung auf den Konsumgütersektor in der Bundesrepublik sehr sachleistungsverhaftet und macht vergleichende Qualitätsaussagen über konkurrierende Produkte. Dazu sind Testverfahren auf ein gewisses Maß an Standardisierung der Testobjekte angewiesen. Die Testarbeit wird daher bereits durch customization in der Produktgestaltung erschwert. Je mehr darüber hinaus Produkte mit Beziehungsleistungen verknüpft werden, die der Intention der Anbieter entsprechend ja gerade zunehmende Kaufrelevanz und damit marktsteuernde Wirkungen entfalten sollen, um so weniger kann der Warentest mit seiner sachleistungsbezogenen Kernkompetenz kaufrelevante vergleichende Informationen für den Konsumenten zur Verfügung stellen und damit Unterstützung für Kaufentscheidungen bieten. Außerdem kann ein Testverfahren immer nur auf Kaufobjekte in einzelnen Transaktionen zugeschnitten sein und erfasst nicht den Wert längerfristiger Transaktionsepisoden. Als Ergebnis müssen wir festhalten, dass mit der Entwicklung des Beziehungsmarketing zunehmend marktsteuernde Elemente des Wettbewerbs der Verbraucherinformation durch Warentests entzogen werden. Dies gilt einerseits für die vertikale Verknüpfung verschiedener Transaktionsepisoden und andererseits für die horizontale Kombination von sachbezogenen Kernleistungen mit Beziehungsleistungen. In horizontaler Hinsicht wird die Testarbeit umso schwieriger, je mehr sich die Beziehungsleistungen von den Sachleistungen entfernen. Eine Überprüfung anderer Instrumente der Verbraucherinformation, wie z. B. der Verbraucherberatung, führt zu ähnlichen Einschätzungen. Zwar kann in face-to-face-Beratungen der Differenziertheit des Beziehungsmarketing besser entsprochen werden, doch bleibt auch hier für die verbraucherpolitischen Institutionen die Problematik der erschwerten Beschaffung von Informationen.

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

4.3

307

Einschränkung der mobilitätsbedingten Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs

Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs basiert neben der Information des Verbrauchers auf dessen Artikulations- und Handlungsmöglichkeiten („exit“ und „voice“ gemäß Hirschman). Im Rahmen des Beziehungsmarketing wurden einerseits die voice-Optionen für die Konsumenten verbessert. In diese Richtung weist der ganze Bereich des Beschwerdemanagements, der in Theorie und Praxis einen großen Aufschwung genommen hat. Die Grundidee besteht hier darin, den Konsumenten in Fällen von Unzufriedenheit erleichterte Artikulationsmöglichkeiten zu verschaffen. Darüber hinaus gibt es im Beziehungsmarketing verschiedene Ansätze, ganz allgemein den Dialog mit den Konsumenten zu verbessern. Demgegenüber ist dem Beziehungsmarketing seiner Intention gemäß inhärent, dass sich die exit-Optionen verschlechtern, wozu verschiedene Mittel der Kundenbindung eingesetzt werden (Pressey/Mathews 2000, S. 274). Damit geht eine Einschränkung der Konsumentenmobilität einher, was sich negativ auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auswirkt. Zur Beurteilung dieses Effektes des Beziehungsmarketing kann auf die oben angelegte Differenzierung nach Art der Kundenbindung in Zustände der Gebundenheit und Verbundenheit beziehungsweise in freiwillige und zwanghafte Beziehungen verwiesen werden. Bei Gebundenheit hat das Festhalten in einer Beziehung eher unfreiwilligen oder zumindest passiven Charakter. Aus verschiedenen Gründen sind die Austrittsbarrieren faktisch sehr hoch oder werden als sehr hoch empfunden. Die Kunden entwickeln Gebundenheits- bzw. Abhängigkeitsgefühle und damit einhergehend Reaktanz, die dazu führen kann, dass sie Ausschau nach Alternativen halten („interest in alternatives“, Bendapudi/Berry 1997, S. 28 f.; Wendlandt 2009, S. 254) und in die Beziehung relativ teilnahmslos einwilligen („acquiescence“, Morgan/Hunt 1994, S. 25 f.). Insofern besteht Mobilitätswille, der aber wegen der Austrittsbarrieren nur beschränkt in Handeln umgesetzt werden kann (z. B. längerfristige Verträge, Austrittsgebühren, spezifische Beziehungsinvestitionen). Beispiele bieten verschiedene Anbieter auf dem deutschen Mobilfunkmarkt (Pieper 1999). Wettbewerber würden bei dieser Beziehungskonstellation mit einem attraktiven Leistungsangebot Aufmerksamkeit erzielen können. Demgegenüber beruht Verbundenheit auf einer hohen Beziehungsqualität und hier auf Vertrauen und dem Willen, an der Beziehung festzuhalten, als Eigenschaft des relationship commitment (Bendapudi/Berry 1997, S. 20; Crosby et al. 1990, S. 70; Wendlandt 2009, S. 61 ff.). Eine Verbundenheitsbeziehung kann über die Bedürfnisbefriedigung in ökonomischem Sinne hinausgehen und mit emotionalen Elementen der Anerkennung, Zuneigung oder Dankbarkeit angereichert sein (Diller/Kusterer 1988, S. 214 ff.; Westbrook 1987, S. 258 ff.). Die faktischen Mobilitätsmöglichkeiten sind hier oft groß, jedoch ist der Mobilitätswille eingeschränkt. Daher findet ein Wettbewerber auf der Sachleistungsebene oft wenig Aufmerksamkeit. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich bei den Beziehungsarten der Verbundenheit und Gebundenheit Mobilitätswille und faktische Möglichkeiten des Mobilitätsverhaltens

308

Ursula Hansen

konträr gestalten. Welche Form der Mobilitätseinschränkung die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs mehr beeinträchtigen, kann generell nicht beurteilt werden.

4.4

Diskriminierungsproblematik

Grundsätzlich entsteht eine Diskriminierungsproblematik durch unterschiedliche Kundenbehandlung, bei der Vorteile nicht gleich verteilt werden. Damit enthält die Idee der Marktsegmentierung dann diskriminierende Elemente, wenn die Differenzierung der Marktbearbeitung im vertikalen Sinne Qualitätsunterschiede beinhaltet. Fraglich ist nun, ob derartige Diskriminierungen im Beziehungsmarketing besondere Ausprägungen haben und damit spezifische Probleme mit sich bringen (Hohm et al. 2006). Ein wichtiges Prinzip des Beziehungsmarketing richtet sich darauf, Kundenloyalität nicht über alle Kunden hinweg anzustreben, sondern am Kundenwert auszurichten, dessen Definition von den Zielen des Beziehungsmarketing abhängt, wie z. B. langfristige Deckungsbeiträge mit einem Kunden, Umsatzsicherheit oder Kundenakquisition durch Mundwerbung. Segmentierung im Beziehungsmarketing bedeutet aus Anbietersicht, je nach Kundenwert in unterschiedlichem Ausmaß in Beziehungen zu investieren. Ein erstes spezifisches Problem entsteht dabei mit der Trennung der Segmente. Unerwünschte Kommunikation zwischen den Segmenten über ungleiche Behandlung ist bei längerfristigen Beziehungsleistungen unter Umständen schlechter zu verhindern als bei einmaligen Transaktionen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kunden auch gegenseitig für die Entwicklung sozialer Identifikation zu Kontakten ermuntert werden. So bieten z. B. Dialoge im Internet nicht nur für die Kommunikation zwischen Unternehmung und Kunden sondern auch zwischen den Kunden untereinander Kommunikationsmöglichkeiten. Ein anderer Aspekt schließt sich hier direkt an und betrifft die Beurteilung differenzierender Marktsegmentierung durch die betroffenen Kunden. Soweit die Beziehungsgestaltung darauf gerichtet ist, mit den Kunden eine Solidargemeinschaft zu bilden, wie es sich u. a. in der Kundenclubidee ausdrückt (z. B. IKEA-„Family“), womit eine Integration der Kunden in die Unternehmenskultur erreicht werden soll, können durch differenzierende Beziehungsmaßnahmen kontraproduktive Effekte entstehen. Ungleichbehandlung wird unter Umständen nicht als gemeinschaftsbildend, sondern als ungerecht empfunden (Stauss 2002). Damit sind mit differenzierender Beziehungspolitik in erhöhtem Maße Probleme moralischer Sensibilität angesprochen. Für sehr komplexe Austauschbeziehungen ist es fraglich, ob wenigstens annäherungsweise ein objektives Gerechtigkeitsurteil zustande kommen könnte. Aufgrund hoher Informationsdefizite und zusätzlicher Wahrnehmungsverzerrungen wird der Kunde lediglich zu subjektiven Fairnessabschätzungen in der Lage sein (Müller 1998, S. 260). Dies könnte zu weitreichenden Konsequenzen für den Verlauf einer Beziehung führen, obwohl die wahrgenommene Gerechtigkeit nicht den Tatsachen entsprechen muss.

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

4.5

309

Sozialpsychische Schäden durch Kommerzialisierung von Beziehungen

Die Erfolgsgeschichte des Beziehungsmarketing hat – abgesehen von oben erwähnten marktwirtschaftlichen Aspekten – motivationale gesellschaftliche Wurzeln. In einer Gesellschaft, die durch zunehmende Anonymität und Technokratisierung gekennzeichnet ist, und in der Einsamkeiten aufgrund sich auflösender Familienstrukturen entstehen, wird die persönliche Beziehung ein knappes Gut, was möglicherweise zu einer Sehnsucht nach Verständigung auf der Basis von persönlichen Kontakten führt. Dialoge werden zur „Wohltat aus vergangenen Zeiten“. Dies gilt dann sogar für Beziehungen und darin stattfindende Dialoge in der Konsumentenrolle, die unter Umständen eine kompensatorische Funktion für private Defizite haben. Wenn also die soziale Situation bei vielen Konsumenten eine Beziehungsbereitschaft bewirkt, so lässt sich gleichzeitig die Frage stellen, ob die erhoffte Kompensation privater Defizite überhaupt funktionieren kann. Es besteht die Gefahr, dass die damit einhergehende Kommerzialisierung privater Lebensbereiche zu Enttäuschungen und Frustrationen führt. Die von Anbietern initiierten Beziehungsgestaltungen dienen letztlich ökonomischen Zielen und es ist zu befürchten, dass auf dieser Grundlage Pseudobeziehungen entstehen können oder sogar Missbrauch mit menschlichen Emotionen und Bedürfnissen betrieben wird (Eckel 1997). Ein Überangebot von beziehungsbezogenen Maßnahmen inflationiert und entleert unter Umständen Begriffe wie Freundschaft und Zuneigung; die versprochene individuelle und persönliche Ansprache und Behandlung kann oft nicht eingehalten werden, weil – wie oben bereits dargestellt – das Personal überfordert ist. Neue individualisierte Kommunikationstechniken können zu Scheinindividualisierungen missbraucht werden, die den Konsumenten in seiner Erwartung unter Umständen irreführen und täuschen. Wenn z. B. eine Mitarbeiterin im Kundenkontaktzentrum die Kunden telefonisch dazu auffordert, sich mit allen Problemen „vertrauensvoll“ an sie zu wenden, dann ist ein derartiges Beziehungsangebot völlig unangemessen, nicht einhaltbar und damit fehlleitend. Man könnte hier zwar einwenden, dass der Kunde, der zunehmend mit derartig übertriebenen Beziehungsangeboten konfrontiert wird, in seiner Wahrnehmung abstumpft und seine Erwartungen anpasst, ähnlich wie gegenüber den Übertreibungen in Werbeversprechungen. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass im sozialen und emotionalen Bereich gesellschaftlicher Beziehungsgestaltung größere Sensibilität herrscht und daher auch die Gefahr sozialpsychischer Schädigungen größer ist.

4.6

Datenmissbrauch

Um Maßnahmen des Beziehungsmarketings individuell auf jeden Kunden ausrichten zu können, benötigen die Unternehmen persönliche Daten. Das Internet stellt aufgrund starker Verbreitung als Informationsquelle und als Einkaufsort eine zunehmend wichtige Determinante der Nutzung persönlicher Kundendaten dar (Dinev/Hart 2006). Die

310

Ursula Hansen

Verbraucher wissen meist nicht, wie mit ihren im Internet eingegebenen Daten umgegangen wird und sind sich dieser Problematik gar nicht bewusst. Viele Verbraucher verhalten sich im Netz sorglos und geben persönliche Daten auch ohne zwingende Gründe preis. Jedoch hinterlässt jeder Besuch einer Webseite, jede Anmeldung bei Portalen, jeder Kauf bei Online-Händlern eine Vielzahl von Datenspuren, deren weitergehende Verwendung kaum noch nachvollzogen werden kann. Eine bewusste Entscheidung über die Preisgabe dieser persönlichen Daten wird nur selten getroffen (Treiblmaier 2007, S. 43). Der Trend zur Individualisierung von Marketingmaßnahmen und stärkeren Kundenbindung vergrößert den Datenhunger der Unternehmen. Die Möglichkeit, automatisiert Daten zu sammeln und diese langfristig zu speichern, sowie die unzureichende Transparenz über Umfang und Zeitpunkt der Datenerhebung und -verwendung sind für die Verbraucher nachteilig und gefährlich. Das Wissen um den möglichen Missbrauch von persönlichen Daten kann zu einer negativen Bewertung des Beziehungsmarketing aus Kundensicht führen (Long et al. 1999, S. 18).

5

Schlussfolgerungen

Die mit diesem Beitrag gestellte Aufgabe besteht darin, Grenzen und Probleme des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive aufzuzeigen und damit den selten diskutierten und angezweifelten Nutzen des Beziehungsmarketing für Verbraucher zu hinterfragen. Um dem Verdacht des unverbesserlichen Nörglers und Zweiflers entgegenzutreten, sei betont, dass die prinzipiellen Vorteile des Beziehungsmarketing keineswegs in Frage gestellt werden sollen. Natürlich ist es grundsätzlich von Vorteil, wenn dem Konsumenten mehr Artikulationsmöglichkeiten eingeräumt werden und er dadurch Chancen erhält, besser verstanden zu werden. Es ist eine ökonomisch sinnvolle Konzeption, die Ge- und Verbrauchsphase des Konsums im Sinne der Co-Produzentenschaft des Konsumenten in den Wertschöpfungsprozess zu integrieren. Auch kann durch Beziehungserlebnisse in positivem Sinn Bedürfnisbefriedigung erzielt werden, und es ist sicherlich ein unschätzbarer Vorteil, wenn die international beschimpfte „Servicewüste Deutschland“ durch Leitprinzipien des Beziehungsmarketing wiederbelebt wird. Zugleich haben die vorangehenden Argumente gezeigt, wo Grenzen und Probleme des Beziehungsmarketing liegen. Sie resultieren im Prinzip aus negativen Effekten einer Inflationierung, die insbesondere dort nachteilig ist, wo die Konsumenten wenig Involvement haben und damit dem Kaufgeschehen wenig Bedeutung beimessen, so dass Beziehungsangebote zur Last fallen können. In qualitativer Hinsicht entstehen Nachteile einer Inflationierung des Beziehungsmarketing durch eine schwerpunktmäßige Umorientierung von kernleistungsabhängigen zu leistungsunabhängigen Beziehungsangeboten und durch übertriebene Beziehungsversprechungen. Hieraus erwachsen insbesondere sozialpsychische Probleme der Beziehungskommerzialisierung. Schwierigkeiten liegen weiterhin in der Gefahr einer missbräuchlichen Beziehungspolitik, die auf Irrationalität des Kaufgeschehens und dadurch gefördertem opportunistischem Verhalten der Anbieter

Grenzen des Beziehungsmarketing aus Verbraucherperspektive

311

beruht. In engem Zusammenhang damit steht das Problem einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs durch Verringerung der Markttransparenz und durch abnehmende Mobilität der Konsumenten. Abschließend ist zu fragen, welche Konsequenzen gezogen werden können und welche Möglichkeiten es gibt, um Gefahren der Fehlentwicklungen des Beziehungsmarketing einzuschränken. Handlungsbedarf besteht auf Verbraucher- und auf Anbieterseite. Über den Markterfolg des Beziehungsmarketing entscheidet der Verbraucher. Insofern erscheint es notwendig, dass die verbraucherpolitischen Organisationen sich des Themas annehmen und das Instrumentarium der Verbraucherpolitik auch auf Phänomene des Beziehungsmarketing lenken. So wird Verbraucherforschung notwendig in Bezug auf Verbraucherinteressen an verschiedenen Gestaltungsformen des Beziehungsmarketing, um dazu grundsätzliche Positionen zu erarbeiten. Es ist zu prüfen, ob in der Verbraucherinformationspolitik zumindest kernleistungsorientierte Beziehungsangebote mehr berücksichtigt werden könnten, wie z. B. Beschwerde- oder Beratungspolitik der Anbieter. Ein geeignetes Instrument stellt unter Umständen der Ansatz des Unternehmenstests dar (Council on Economic Priorities 1994; Hennig 1995; Schoenheit/Hansen 2004). Im Rahmen der Verbraucherbildung könnte eine Sensibilisierung der Verbraucher und Reaktanzstärkung gegenüber Pseudo-Beziehungsangeboten angestrebt werden (Wendlandt 2009, S. 250 ff.). Auf Anbieterseite sind kollektive und einzelbetriebliche Maßnahmen zu unterscheiden. Auf der Ebene kollektiver Marketingpolitik bestehen Möglichkeiten der Selbstregulierung und Selbstbeschränkung zum Schutz vor Auswüchsen und Missbräuchen. Ähnliche Bestrebungen sind z. B. aus der deutschen Werbewirtschaft bekannt mit dem deutschen Werberat, der Beschwerden über unsittliche Werbung entgegennimmt und verarbeitet, um das Problem „schwarzer Schafe“ im Vorfeld rechtlicher Regelung zu mildern. Der Erfolg derartiger kollektiver Regulierungsversuche ist davon abhängig, ob Missstände konkret definiert werden können und ob die Kontrolle auf der betroffenen Nachfrageseite sowie die Missstandsbeseitigung auf Angebotsseite funktioniert. Dies ist angesichts der Vielfalt von Beziehungsmaßnahmen nur für einen kleineren Teil möglich. Viele Praktiken sind in ihrer missbräuchlichen Ausprägung nur schwer konkret greifbar, wie z. B. Pseudoindividualisierung in der Kommunikationspolitik oder fehlleitende emotionalisierende Beziehungsangebote der Freundschaft und Fürsorge. Damit entzieht sich das Problemfeld des Beziehungsmarketing in vielen Bereichen der Möglichkeit kollektiver Regelung. Es verbleiben Überlegungen zu den Konsequenzen auf einzelbetrieblicher Ebene. Hier können auf der Basis empirisch orientierter Konsumverhaltensforschung Empfehlungen erarbeitet werden, um den Bedürfnissen der Konsumenten in diesem Bereich zu entsprechen, wie z. B. zu dem Problem der Autonomiebedürfnisse in Bezug auf Gebundenheit in Beziehungen oder des variety seeking als Barriere der Konsumentenbindung. Hier besteht z. B. die Möglichkeit, das unternehmenseigene Produktangebot zu erweitern, um die Erfüllung des kundenseitigen Bedürfnisses nach Abwechslung durch einen Wechsel innerhalb des eigenen Produktsortimentes befriedigen zu können. Weitere Empfehlungen betreffen das oben angesprochene Problem der Realisierung von Bezie-

312

Ursula Hansen

hungen durch das Personal. Hierzu müssen mitarbeiter- und konsumentenorientierte verhaltenswissenschaftliche Aspekte miteinander verknüpft werden, wie z. B. die gegenseitige Beeinflussung von Personal- und Kundenzufriedenheit. Nicht alle Probleme des Beziehungsmarketing, die oben angesprochen wurden, sind auf verhaltenswissenschaftlicher Basis lösbar, sondern haben eine ethische Dimension und werfen die Frage nach „echten“ Beziehungen auf. Kann das Management überhaupt in kommerzieller Absicht Beziehungen anordnen, die zwischen Mitarbeitern und Konsumenten realisiert werden müssen? Und wo sind moralische Grenzen?

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Ursula Hansen

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Dritter Teil

Kundenorientierte Managementaufgaben im CRM

Bernd Stauss

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus 1

Problemstellung

2

Kundenbeziehungen

3

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus 3.1 Ein Phasenkonzept der Geschäftsbeziehung als Grundlage 3.2 Die Weiterentwicklung in Analogie zum Produkt-Lebenszyklus-Konzept 3.3 Die Nutzung des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus für die inhaltliche Strukturierung des Customer Relationship Management

4

Ausblick

Literaturverzeichnis

1

Problemstellung

Das Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management) als systematischer Aufbau und Ausbau langfristiger, ökonomisch attraktiver Geschäftsbeziehungen hat in den letzten Jahren eine stark zunehmende Bedeutung erlangt. Hierfür ist eine Reihe von Faktoren verantwortlich. Zu ihnen gehört vor allem die Sättigung vieler Märkte mit der Notwendigkeit, anstelle der Konzentration auf Neukundengewinnung das Ertragspotenzial bestehender Kunden auszuschöpfen. Darüber hinaus tragen weitere Trends wie Konzentrationsprozesse auf Kundenseite, die verstärkte Individualisierung der Bedarfe und die Entwicklung neuer Kommunikations- und Datenbanktechnologien zur quasi-individuellen Kundenbearbeitung auf Massenmärkten zum Bedeutungszuwachs des Beziehungsmanagements bei (Diller 2001a, S. 164). Eine planmäßige Gestaltung von Kundenbeziehungen setzt allerdings ein klares Verständnis von den charakteristischen Merkmalen einer Beziehung und ein beziehungsorientiertes Konzept des Management-Instrumentariums voraus. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es daher, zunächst grundsätzliche Merkmale einer Kundenbeziehung zu beschreiben. Darauf aufbauend wird gezeigt, dass sich während der Lebensdauer einer Kundenbeziehung charakteristische Phasen identifizieren lassen, die jeweils einen unterschiedlichen Status der Geschäftsbeziehung aus Kundensicht präsentieren und damit spezifische Anforderungen an das Management stellen. Dies erfolgt anhand des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus-Konzepts, das sich als sinnvolle konzeptionelle Basis erweist, um die Aktivitäten des Kundenbeziehungsmanagements beziehungsorientiert auszurichten und das Handlungsfeld des Customer Relationship Management sinnvoll inhaltlich zu strukturieren.

2

Kundenbeziehungen

Kundenbeziehungen stellen eine aus ökonomischen Motiven heraus aufrechterhaltene Folge von Interaktionen zwischen einem Anbieter von Gütern und Dienstleistungen einerseits und dessen potenziellen und aktuellen Kunden andererseits dar (Diller 2001b, S. 529). Solche Kundenbeziehungen – oder auch Geschäftsbeziehungen – unterscheiden sich von Einzeltransaktionen durch eine Anzahl von Merkmalen (Diller 2001b, S. 529 f.): ƒ

Sie stellen mehrmalige, nicht zufällige Interaktionen (wie Informationsaustausch oder Kaufprozesse) dar,

ƒ

haben eine zeitliche Struktur (durchlaufen typische Phasen),

ƒ

weisen mehrere Ebenen auf (wie eine sachliche und eine emotionale Ebene),

ƒ

lassen aufgrund der Erfahrungen im Zeitablauf Vertrauen entstehen,

ƒ

führen über die Zeit häufig zu spezifischen Investitionen (wie z. B. kundenindividuellen Leistungsentwicklungen) und

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

322

Bernd Stauss

ƒ

sind in Abhängigkeit vom Ausmaß des Vertrauens und vom Umfang der spezifischen Investitionen durch eine bestimmte Beziehungsintensität und -qualität geprägt, die wesentlich die Bindung zwischen den Partnern bestimmt.

Diese Charakterisierung liefert bereits wesentliche Hinweise auf zentrale Herausforderungen für das Kundenbeziehungsmanagement: Es gilt, durch die planmäßige Gestaltung aller Interaktionen mit dem Kunden dafür zu sorgen, dass sich eine Beziehung auf verschiedenen Ebenen entwickelt und durch den Aufbau von Vertrauen und den Einsatz kundenspezifischer Investitionen eine Intensität und Qualität der Beziehung erreicht wird, die zu einer längerfristigen Bindung im gegenseitigen Interesse führt. Ein gezielter Aufbau und eine entsprechende Gestaltung von Kundenbeziehungen setzen aber grundsätzliche Vorstellungen über die Entstehung und die Entwicklung von Beziehungen voraus. Hierfür liefert das Konzept des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus ein fruchtbares Orientierungsmodell.

3

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus stellt ein in Analogie zum Produkt-Lebenszyklus entwickeltes allgemeines Erklärungsmodell eines idealtypischen zeitlichen Verlaufs einer Kundenbeziehung dar (Stauss 2000a; Bruhn 2009, S. 59 ff.). Dieses liefert ein Rahmenkonzept für eine systematische Beziehungsanalyse und einen differenzierten Einsatz von Maßnahmen des Kundenbeziehungsmanagements, das auf den im Zeitablauf variierenden Status der Kundenbeziehung ausgerichtet ist. Die bisherige Diskussion zur Entwicklung des Modells und zu Überlegungen bezüglich seiner Nutzung im Rahmen des Kundenbeziehungsmanagements lässt sich grob drei Stufen zuordnen, die in der Folge kurz charakterisiert werden: Am Anfang steht der verhaltenswissenschaftlich fundierte Entwurf von Phasenkonzepten einer Geschäftsbeziehung. Diese werden dann in einem zweiten Schritt in starker Analogie zum ProduktLebenszyklus-Konzept graphisch dargestellt und weiterentwickelt. In jüngster Zeit steht dabei nicht das Modell des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus selbst, sondern dessen Nutzung für die inhaltliche Strukturierung des Customer Relationship Management im Vordergrund.

3.1

Ein Phasenkonzept der Geschäftsbeziehung als Grundlage

Die wesentliche Basis für die Entwicklung eines Kundenbeziehungs-LebenszyklusKonzepts haben Dwyer et al. (1987) gelegt, indem sie unter Nutzung von austauschtheoretischen Erkenntnissen ein erstes Phasenkonzept der Geschäftsbeziehung entwickelten. Danach lassen sich Geschäftsbeziehungen grundsätzlich durch folgende fünf aufeinander folgende Phasen charakterisieren:

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

323

(1) Die Phase der Kenntnisnahme („Awareness“) ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Marktseite auf einen potenziellen Austauschpartner aufmerksam wird und Überlegungen in Bezug auf die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen anstellt, ohne dass schon Transaktionen abgeschlossen werden. (2) In der „Exploration“-Phase (oder Erkundungsphase) kommt es zu direkten Interaktionen und ersten Käufen, wobei die Prüfung der Leistungsfähigkeit und Bereitschaft des Partners im Vordergrund steht. Die gegenseitige Abhängigkeit steigt in dieser Phase nur graduell. Die Geschäftsbeziehung ist noch relativ instabil und wird bei Unzufriedenheit oder hohem Risikoempfinden schnell beendet. (3) Die Wachstumsphase („Expansion“) ist durch ein hohes Maß gegenseitiger Zufriedenheit geprägt, was zu einer Ausdehnung und Vertiefung der Geschäftsbeziehung führt und zugleich mit einer verstärkten gegenseitigen Abhängigkeit verbunden ist. (4) In der Phase der gegenseitigen Bindung („Commitment“) steigt die Zufriedenheit noch weiter an, sodass die Geschäftspartner nicht nur die aktive Suche nach Alternativen unterlassen, sondern die Aufrechterhaltung einer stabilen Beziehung wünschen. Sie investieren daher in den Erhalt und den Ausbau der Geschäftsbeziehung und institutionalisieren sie gegebenenfalls, z. B. durch den Abschluss vertraglicher Vereinbarungen. (5) Die Lösungsphase („Dissolution“) umfasst die Beendigung einer längerfristig stabilen Beziehung. Diese Phase unterscheidet sich von den vorangegangenen u. a. dadurch, dass der Abbruch der Geschäftsbeziehung nicht das Ergebnis einer gegenseitigen Verabredung darstellen muss, sondern auch in Form eines einseitigen Aktes und sehr kurzfristig erfolgen kann.

Awareness

Exploration

Expansion

Commitment

Dissolution

Abb. 1: Phasenkonzept der Geschäftsbeziehung nach Dwyer et al. 1987 Quelle: Dwyer et al. 1987, S. 15 ff.; in Anlehnung an Preß 1997, S. 71

Mit diesem Phasenmodell der Geschäftsbeziehung eröffnen die Autoren der Marketingwissenschaft und -praxis eine völlig neue Perspektive. Sie machen deutlich, dass es beim Übergang vom traditionellen Transaktionsmarketing zum Beziehungsmarketing nicht nur darauf ankommt, den Bestandskunden stärkere Aufmerksamkeit zu widmen, sondern dass Beziehungen einem Wandlungsprozess in der Zeit unterliegen. Sie zeigen vor allem wissenschaftlich fundiert auf, dass sich verschiedene Phasen der Beziehung

324

Bernd Stauss

unterscheiden lassen, die durch spezifische psychische Zustände und Aktivitäten der Partner gekennzeichnet sind. Insbesondere weisen sie der Konsumentenverhaltensforschung einen neuen Weg, die Bedürfnisse, Erwartungen und Verhaltensweisen der Kunden in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einer der Phasen näher zu untersuchen. Hentschel (1991) gehört zu den ersten, die diese Idee aufgreifen. Er spricht bereits vom Beziehungslebenszyklus und diskutiert, inwiefern sich das Beziehungsverhalten der Kunden in den verschiedenen Phasen verändert. Dabei zeigt er, dass sich das Verhalten der Kunden in der Geschäftsbeziehung in den verschiedenen Phasen durch ein jeweils spezifisches Mix von Verhandlungs-, Bewertungs- und Investitionsaktivitäten sowie durch mehr oder weniger ausgeprägte Aktivitäten der Alternativensuche beschreiben lässt. Wendet man seine Überlegungen leicht modifiziert auf das Phasenmodell von Dwyer et al. (1987) an, dann lässt sich beispielsweise die Erkundungsphase („Exploration“) durch hohe Informations-, Verhandlungs- und Bewertungsaktivitäten und geringe Investitionsaktivitäten kennzeichnen (siehe Tab. 1).

Kundenverhalten

Awareness

Exploration

Expansion

Commitment

Dissolution

Informationsaktivitäten (einschließlich der Suche nach Alternativen)

hoch

hoch

gering

gering

hoch

Verhandlungsaktivitäten

gering

hoch

mittel

mittel

mittel

Bewertungsaktivitäten

mittel

hoch

mittel

gering

hoch

Investitionsaktivitäten

keine

gering

mittel

hoch

gering/keine

Tab. 1:

Typische Kundenaktivitäten in verschiedenen Phasen des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus Quelle: in Anlehnung an Hentschel 1991, S. 27

In weiterer Verfeinerung dieser Überlegungen kann das Lebenszyklus-Konzept dazu genutzt werden, durch eine entsprechende Beobachtung des Kundenverhaltens eine Einschätzung des Kundenstamms hinsichtlich seiner Verteilung über die verschiedenen Phasen vorzunehmen. Man erhält auf diese Weise wichtige Einsichten in die Kundenstruktur unter Beziehungsgesichtspunkten, beispielsweise ob aufgrund eines unausgewogenen Verhältnisses zwischen den Kundengruppen eine strategische Risikoposition besteht. Zudem wird hier die Basis für eine differenzierte Analyse der Phasenübergänge

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

325

gelegt, beispielsweise inwiefern es gelingt, Kunden von der Explorationsphase in die Wachstumsphase zu überführen, bzw. welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass Kunden von einer Phase der empfundenen Bindung („Commitment“) in die Lösungsphase überwechseln. Darüber hinaus erhält man wichtige Ansatzpunkte für den Einsatz der Marketing-, Vertriebs- und Serviceinstrumente, die entsprechend der jeweiligen Zugehörigkeit des Kunden zu einer der Phasen des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus differenziert einzusetzen sind (Hentschel 1991, S. 27). So geht es beispielsweise darum, in der Explorationsphase Nachkaufdissonanzen des Kunden zu vermeiden oder abzubauen, in der Expansions- und Commitmentphase Vertrauen und emotionale Bindung zu entwickeln und in einer sich abzeichnenden Lösungsphase konkrete Maßnahmen zur Verhinderung des Abbruchs einer Geschäftsbeziehung einzusetzen.

3.2

Die Weiterentwicklung in Analogie zum Produkt-Lebenszyklus-Konzept

Das Phasenkonzept der Kundenbeziehung von Dwyer et al. (1987) und darauf aufbauende Varianten beinhalten Elemente, die eine Analogie zu dem seit langem bekannten Produkt-Lebenszyklus-Konzept aufweisen. Dazu gehört zum einen die Vorstellung, dass eine Geschäftsbeziehung durch einen grundlegenden Ablauf gekennzeichnet ist, der mit dem Leben biologischer Organismen vergleichbar ist. Zum anderen liegt eine Analogie in der zentralen Annahme, dass die Existenz einer Beziehung bestimmte Phasen durchläuft, und zwar unabhängig von ihrer absoluten Lebensdauer. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass zum Teil bereits der Begriff des Kundenbeziehungslebenszyklus auf diese Phasenkonzepte angewendet wird. Allerdings fehlen den ersten Phasenkonzepten für eine vollständige Analogie zum Produkt-Lebenszyklus-Modell noch wesentliche Elemente: ƒ

Der Produkt-Lebenszyklus wird primär als Umsatzkurve über die Zeit dargestellt, wobei idealtypisch ein glockenförmiger (normalverteilter) Umsatzverlauf zugrunde gelegt wird. Meist wird diesem Umsatzverlauf eine idealtypische Gewinnkurve zugeordnet (Meffert 2000, S. 339; Becker 2006, S. 724). Demgegenüber machen die Phasenkonzepte der Geschäftsbeziehung keine Aussage darüber, welcher Indikator für die Existenz und den Wandel der Geschäftsbeziehung über die Zeit herangezogen werden soll und welcher Verlauf dieses Indikators erwartet wird.

ƒ

Die bekannten Phaseneinteilungen des Produkt-Lebenszyklus weisen hohe Übereinstimmungen mit den Phasenkonzepten der Kundenbeziehung auf. Angesichts der Tatsache jedoch, dass keine Formalisierung des idealtypischen Beziehungsverlaufs existiert, können auch keine (idealtypischen) Grenzpunkte benannt werden, ab denen eine spezifische Phase endet und eine andere beginnt.

ƒ

Die einzelnen Phasen des Produkt-Lebenszyklus lassen sich durch unterschiedliche Marktsituationen – d. h. vor allem spezifische Nachfrage- und Wettbe-

326

Bernd Stauss werbssituationen – charakterisieren und erlauben daher Schlüsse in Bezug auf phasenbezogene Anforderungen an den Einsatz des Marketinginstrumentariums (Meffert 2000, S. 344 f.; Fischer 2001, S. 1407). In Analogie dazu weisen die Phasenkonzepte auf spezifische Bedürfnisse, Erwartungen und Verhaltensweisen der Kunden in den einzelnen Phasen der Geschäftsbeziehung hin. Es fehlt aber noch an einer systematischen Entwicklung eines auf die einzelnen Phasen ausgerichteten Maßnahmenbündels.

ƒ

Neben der Anpassung des Marketinginstrumentariums an die Phasen des Produkt-Lebenszyklus besteht eine wesentliche marketingpolitische Nutzung des Produkt-Lebenszyklus-Konzepts in der Entwicklung von Maßnahmen zur Beeinflussung des Lebenszyklus, meist im Sinne einer systematischen Ausdehnung der Produktexistenz am Markt (Life Cycle Stretching). Hier wird insbesondere versucht, ökonomisch attraktive Phasen (insbesondere der Wachstums- und Reifephase) zu verlängern und damit die Degenerationsphase zeitlich hinauszuschieben (Becker 2000). Die Phasenkonzepte der Kundenbeziehung bieten zwar die Grundlage, diese Gedanken aufzunehmen, machen dazu aber noch keine systematischen Vorschläge.

In der Diskussion des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus-Konzepts werden einige dieser Punkte aufgegriffen, und es wird versucht, eine stärkere Übertragung des ProduktLebenszyklus-Ansatzes vorzunehmen. Dies erfolgt insbesondere durch die Übernahme der graphischen Zyklusdarstellung, was mit der Wahl eines Indikators für die Intensität der Geschäftsbeziehung verbunden ist. Will man den idealtypischen zyklischen Verlauf einer Kundenbeziehung in Analogie zum Produkt-Lebenszyklus in Form einer Kurve darstellen, dann bedarf es der Wahl eines Indikators, der verlässlich Auskunft über den Zustand der Geschäftsbeziehung gibt. Nahe liegend und in völliger Übereinstimmung mit dem Produkt-LebenszyklusKonzept ist die Wahl des kundenspezifischen Umsatzes als Indikator für die Intensität der Geschäftsbeziehung. Begründen ließe sich die Entscheidung für diesen Indikator damit, dass sich die Anbahnung und Ausweitung der Geschäftsbeziehung ebenso im Umfang der geschäftlichen Transaktionen widerspiegelt wie die Abschwächung und Auflösung. Homburg/Daum (1997a, S. 400 ff.; 1997b, S. 97 ff.) gehen von diesen Überlegungen aus. Sie wählen als Merkmal zur Beschreibung des Verlaufs einer Geschäftsbeziehung das kundenspezifische Umsatzvolumen und machen auch Aussagen zum Kostenverlauf, sodass sich eine korrespondierende Kurve des kundenspezifischen Gewinns im Zeitablauf ableiten lässt. Schulz (1995) schlägt den periodenbezogenen Ergebnisbeitrag als Indikator vor, der die Attraktivität des Kunden im Zeitablauf zum Ausdruck bringt. Legt man den Umsatz als Indikator der Beziehungsintensität zugrunde, dann lässt sich unter Anwendung des Phasenschemas von Dwyer et al. (1987) das in Abb. 2 dargestellte Grundmodell des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus entwickeln.

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

327

Kundenumsatz Kundendeckungsbeitrag

Zeit

Awareness

Exploration

Expansion

Commitment

Dissolution

Abb. 2: Grundmodell des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus in Analogie zum Produkt-Lebenszyklus Der idealtypische Verlauf eines Kundenbeziehungs-Lebenszyklus lässt sich folgendermaßen beschreiben und mit Rückgriff auf die Theorie der Geschäftsbeziehung begründen (Homburg/Daum 1997a, S. 401 f.; Diller 2001c, S. 865): In der Awarenessphase (Kenntnisnahme) erfolgt noch kein Geschäftsabschluss, sondern nur ein Informationsaustausch. Hier stehen den Kosten der Informationsbereitstellung noch keine Umsätze gegenüber, sodass kundenspezifische Verluste entstehen. In der Explorationsphase (Erkundung) werden zwar erste vorsichtige Käufe getätigt, sodass Umsätze generiert werden, aber es ist durchaus möglich, dass hier aufgrund einer erforderlichen hohen Betreuungsintensität die kundenindividuellen Kosten noch im Vergleich zur Awarenessphase ansteigen. Mit der Intensivierung der Geschäftsbeziehung in der Expansionsphase (Wachstum) steigen die Umsätze stark an und zugleich sinken die Kosten der Lieferanten, da sich die Beziehung eingespielt hat und der Kunde die Leistung mit einem geringen Aufwand in Anspruch nimmt. In der Commitmentphase (Bindung) ist mit einem weiteren Anstieg des Gesamtumsatzes des Kunden u. a. durch Cross-Selling zu rechnen. Gleichzeitig können weitere Kostensenkungspotenziale erschlossen werden, sodass hier die kundenspezifischen Deckungsbeiträge am größten sein werden. Mit dem kontinuierlichen Sinken der Umsätze zeigt sich die Erosion der Kundenbeziehung, die in der Lösungsphase zum Ende der Geschäftsbeziehung führt. Diese Darstellung geht von einem idealtypischen Verlauf aus. Dem steht keineswegs entgegen, dass in der Realität große Variationen in Bezug auf die Abfolge und Dauer der Phasen existieren (Hentschel 1991, S. 27; Bruhn 2009, S. 64f.). So ist es bezüglich

328

Bernd Stauss

des Ablaufs der Phasen real keineswegs zwingend, dass alle Phasen durchlaufen werden. Ein Abbruch der Geschäftsbeziehung ist zu jedem Zeitpunkt, insbesondere auch während und nach der Sozialisationsphase möglich. Zudem macht das Modell keine Aussagen über die Dauer der Phasen, die in Abhängigkeit von der Komplexität der Güter, der Ausprägung des Neugiermotivs bei den Kunden („Variety Seeking“), dem unternehmerischen Einsatz von Bindungsinstrumenten sowie weiterer Faktoren variieren (Bruhn 2009, S. 65). Aus diesen Gründen und auch aufgrund des Fehlens der erforderlichen Daten erscheint es auch sehr schwierig, den Kundenbeziehungs-Lebenszyklus empirisch zu bestätigen. Dies mag erklären, warum bisher kaum entsprechende Studien vorliegen. Immerhin konnten Diller et al. (1992) nachweisen, dass 26 % der untersuchten Kundenbeziehungen eines industriellen Produzenten dem idealtypischen Kurvenverlauf nahe kamen. Obwohl es zunächst plausibel erscheint, die Intensität der Kundenbeziehung über den Kundenumsatz bzw. den Kundendeckungsbeitrag zu erfassen, lassen sich dagegen doch gewichtige Einwände vorbringen. Diller (2001c, S. 865) kritisiert die Verwendung dieser Größen, weil sie maßgeblich auch durch Faktoren beeinflusst und überlagert werden, die außerhalb der Kundenbeziehung liegen (z. B. die Konjunktursituation oder Entwicklungen der Produkttechnik). Dazu kommt die Tatsache, dass der Umsatz keinerlei Aussage über die Einschätzung der Beziehung aus Kundensicht ermöglicht bzw. kein exakter Indikator für die phasenbezogenen differenzierten Kundenbedürfnisse, -erwartungen und -verhaltensweisen darstellt. Dementsprechend fordert er den Einsatz von Maßstäben der Kundenbindung, beispielsweise die Kundendurchdringungsrate, die Wiederkaufrate oder die Kundenzufriedenheit. Bruhn (2009, S. 60 f.) weist darauf hin, dass zur Kennzeichnung der Beziehungsintensität neben den ökonomischen Kriterien wie Kundenumsatz oder -deckungsbeitrag auch psychologische und verhaltensbezogene Indikatoren herangezogen werden können. Zu den psychologischen Indikatoren gehören die wahrgenommene Beziehungsqualität aus Sicht des Kunden, dessen Commitment und Vertrauen bzw. seine Beziehungszufriedenheit. Verhaltensbezogene Indikatoren können sich z. B. auf das Kaufverhalten (z. B. Kauffrequenz), das Integrationsverhalten (z. B. Kooperationsbereitschaft in der Leistungserstellung) oder das Kommunikationsverhalten (z. B. Weiterempfehlung) beziehen. Allerdings liegt bisher nur eine solche Systematisierung von Indikatoren vor; es gibt aber noch keine Erkenntnisse darüber, ob sich ein Indikator in isolierter Anwendung als überlegen erweist oder ob eine kombinierte Anwendung mittels eines Beziehungsintensitäts-Scores fruchtbarer ist. Solange diese Erkenntnisdefizite bestehen, bietet es sich an, mehrere Indikatoren aus verschiedenen Indikatorengruppen parallel zu verwenden. Diller (2001c, S. 865) legt diesbezüglich ein interessantes Modell eines Kundenbeziehungs-Lebenszyklus vor, der aus drei Kurvenverläufen in Bezug auf die Kundendurchdringungsrate (Anteil des Anbieters an der gesamten Nachfrage eines einzelnen Kunden), die Beziehungsqualität und das Informationsverhalten besteht. Diese Größen sind allerdings nur schwer und mit großem Aufwand ermittelbar. Insofern besteht eine pragmatische Modifikation dieser Grundidee darin, an der umsatzbezogenen Kundenbeziehungs-Lebenszyklus-Betrachtung festzuhalten, diese aber zu ergänzen durch die parallele Betrachtung von Entwicklungen in Bezug auf psychologische und verhaltensbezogene Kriterien, die regelmäßig

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

329

im Rahmen kontinuierlicher Kundenbefragungen erhoben werden. Dies trifft in vielen Unternehmen z. B. für die Beziehungszufriedenheit des Kunden und sein Weiterempfehlungsverhalten zu. Abb. 3 zeigt eine entsprechend modellhafte Darstellung. Dabei wird unterstellt, dass Beziehungszufriedenheit und Weiterempfehlungsverhalten Frühindikatoren für die Umsatzentwicklung sind. So ist ein Mindestmaß der Zufriedenheit mit dem Informationsaustausch in der Awareness-Phase die Voraussetzung dafür, dass Kunden überhaupt mit der gründlichen Exploration beginnen. Zudem ist zu erwarten, dass das Weiterempfehlungsverhalten überproportional auf Zufriedenheitsveränderungen reagiert und einer entsprechenden Kaufverhaltensänderung vorausgeht. Sollten sich diese Annahmen unternehmensindividuell empirisch bestätigen, kann nachfolgend eine Konzentration der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus-Betrachtung auf den verlässlichsten Frühindikator und damit wieder auf einen Kurvenverlauf erfolgen.

Kundenumsatz Beziehungszufriedenheit Weiterempfehlungsverhalten

Zeit

Awareness

Exploration

Expansion

Commitment

Dissolution

Abb. 3: Beziehungszufriedenheit und Weiterempfehlungsverhalten als ergänzende Frühindikatoren der Beziehungsintensität Mit der dargestellten Weiterentwicklung der frühen Phasenkonzepte in Anlehnung an das bekannte Produkt-Lebenszyklus-Konzept werden die Vorteile der Kunden-Lebenszyklus-Betrachtung als wichtige konzeptionelle Grundlage für Kundenanalyse und Kundenbeziehungsmanagement noch offenkundiger. Diller (2001c) sieht vor allem drei relevante Nutzen: die diagnostische Kraft bei der Analyse der Beziehungsqualität, das heuristische Potenzial für die Ausgestaltung von Beziehungsmarketing und -management und die Verwendung im Rahmen der systematischen Bearbeitung von Wettbewerbskunden.

330

Bernd Stauss

Die diagnostische Kraft einer Analyse des Indikatorenverlaufs ist dann gegeben, wenn Höhe und Veränderungsrichtung des Indikators eine eindeutige Zuordnung zu einer Beziehungsphase gestatten. Dies wird vielfach zumindest schwerpunktmäßig möglich sein. Für eine exakte Analyse sind allerdings weitere Erkenntniszuwächse erforderlich. Insbesondere bedarf es weiterer Forschungsbemühungen im Hinblick auf die Fragen, ob die gewählten (vor allem ökonomischen) Kenngrößen tatsächlich aussagefähige Indikatoren für die Beziehungsintensität bzw. -qualität darstellen und welche Kriterien eine relative Überlegenheit in Bezug auf ihre Diagnosefähigkeit aufweisen. Einen zweiten Vorteil sieht Diller (2001c, S. 866) in den anregenden Hinweisen auf eine phasenbezogene Ausgestaltung von Beziehungsmarketing und -management und führt dies in Bezug auf die von ihm vorgeschlagene Phaseneinteilung aus. Angewendet auf das hier zugrunde gelegte Phasenkonzept von Dwyer et al. (1987) heißt dies u. a., dass in den ersten Phasen der umfassenden Kundeninformation eine besondere Bedeutung zukommt. In der Explorationsphase sind überzeugende Leistungen die entscheidenden Zufriedenheits- und damit Beziehungstreiber. In der Expansionsphase kann Cross Selling zusätzliche Potenziale erschließen. In der Commitmentphase gilt es, die Geschäftsbeziehung vital und für beide Seiten interessant zu halten, z. B. durch gemeinsame strategische Aktivitäten. In der Dissolutionsphase ist gegebenenfalls ein Wechsel in der Person des Kundenbetreuers oder die Erarbeitung neuer Geschäftsmodelle notwendig, um den endgültigen Abbruch der Geschäftsbeziehung zu verhindern. Überlegungen dieser Art nehmen die Grundgedanken der ersten Phasenkonzepte auf und führen sie weiter. Allerdings beschränkt man sich in der Literatur meist auf die beispielhafte und knappe Darstellung einzelner Aktivitäten, ohne dass ein phasenspezifisches Handlungskonzept entwickelt und dieses systematisch in den Kontext des Kundenbeziehungsmanagements eingeordnet würde. Einen dritten Ansatz zur Nutzung des Modells im Management sieht Diller (2001c, S. 866) im Zusammenhang einer gezielten Abwerbung von Kunden anderer Anbieter. Eine Analyse der Lebenszyklen von Kunden der Konkurrenz kann nämlich wettbewerbsstrategische Aufschlüsse hinsichtlich des optimalen Angriffszeitpunkts auf bestimmte Wettbewerbskundenbeziehungen geben. Bisher fehlen aber tiefer gehende Überlegungen und Beispiele, wie die entsprechenden Probleme der Datenbeschaffung und -auswertung gelöst werden können.

3.3

Die Nutzung des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus für die inhaltliche Strukturierung des Customer Relationship Management

Von dem genannten (zum Teil noch hypothetischen) Nutzen der KundenbeziehungsLebenszyklus-Betrachtung ist dessen heuristisches Potenzial für die phasenbezogene Differenzierung des Beziehungsmanagements der weitaus Wichtigste. Die diesbezüglich vorgenommenen Anregungen sind auch plausibel, bewegen sich aber meist auf

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

331

einem relativ abstrakten Niveau. Zudem sind sie geeignet, den Eindruck zu erwecken, als müsste der Kundenmanager mit der Veränderung der Intensität der Geschäftsbeziehung über die Zeit auch nur Art und Intensität des im Prinzip gleichen MarketingInstrumentaleinsatzes variieren. Dies erscheint aber nicht zutreffend. Stattdessen lässt sich zeigen, dass der jeweilige Beziehungsstatus, in dem sich ein Kunde im Rahmen einer Geschäftsbeziehung befindet, teilweise unterschiedliche Managementaufgaben stellt, die nicht alle im herkömmlichen Marketingmix abgebildet sind, sondern eigenständige Aufgaben darstellen und in ihrer Gesamtheit das Customer Relationship Management inhaltlich strukturieren. Im Sinne dieser Zielsetzung befasst sich Stauss (2000a) mit dem Kundenlebenszyklus. Seine Überlegungen basieren auf dem Grundmodell, sehen allerdings einige Modifikationen und Weiterentwicklungen vor. Es wird ein Lebenszyklus vorgeschlagen, das insgesamt folgende Phasen umfasst: Anbahnungsphase, Sozialisationsphase, Wachstumsphase, Reifephase, Gefährdungsphase(n), Kündigungsphase, Abstinenzphase und Revitalisierungsphase. Abb. 4 zeigt dieses Konzept, wobei in der graphischen Darstellung als Indikator der Beziehungsintensität beispielhaft wiederum der ökonomische Indikator des Kundenumsatzes herangezogen wird. In der Anbahnungsphase erkundigt sich der Kunde nach Einzelheiten des Angebots oder reagiert auf eine Kommunikationsmaßnahme des Anbieters. Da keine Transaktionen stattfinden, sind hier noch keine Umsätze zu verzeichnen. Kommt es erstmals zum Kauf und damit zur Aufnahme der Geschäftsbeziehung, tritt der Kunde in die Sozialisationsphase ein und macht erste Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen sowie der unternehmerischen Betreuung. Nimmt der Kunde Folgekäufe vor, indem er beispielsweise dieselbe Leistung wiederholt nachfragt oder er den Nutzungsumfang auf andere Produkte ausdehnt, befindet er sich in der Wachstumsphase. Ist der Wendepunkt der Kundenumsatzkurve erreicht, d. h. steigt der Kundenumsatz nur noch mit sinkenden Wachstumsraten, liegt die Reifephase der Geschäftsbeziehung vor. Der Übergang zur Degenerationsphase erfolgt, wenn kein positives Wachstum mehr stattfindet, sondern die Ergebnisbeiträge im Vergleich zur Vorperiode stagnieren oder sinken. Sofern noch keine Kündigung seitens des Kunden besteht, kann die Degenerationsphase zugleich als Gefährdungsphase bezeichnet werden. Denn häufig ist das Absinken des Kundenumsatzes ein Indikator für eine nachlassende Attraktivität des Anbieters aus Kundensicht. Es kann zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehung kommen, wenn das Unternehmen keine Gegenmaßnahmen einleitet.

Revitalisierungsphase

Abstinenzphase

Kündigungsphase

Degenerationsphase

Gefährdungsphase

Reifephase

Gefährdungsphase

Wachstumsphase

Gefährdungsphase

Sozialisationsphase

Bernd Stauss

Anbahnungsphase

Beziehungsintensität (z.B. Kundenwert)

332

Zeit

Potenzielle Kunden

Aktuelle Kunden

Verlorene Kunden

Interessentenmanagement

Kundenbindungsmanagement

Rückgewinnungsmanagement

Abb. 4: Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus Quelle: Stauss 2000a

Aber nicht nur am Ende, sondern während der Gesamtdauer der Kundenbeziehung können Gefährdungsphasen auftreten, nämlich immer dann, wenn Kunden Anlass zur Unzufriedenheit haben oder sich aus anderen Gründen mit dem Gedanken der Auflösung der Geschäftsbeziehung bzw. der Einschränkung ihres Engagements befassen. In der Kündigungsphase haben die Kunden bereits ihre Entscheidung, die Geschäftsbeziehung zu verlassen, getroffen und gegenüber dem Unternehmen artikuliert. Von den Kunden, die die Kündigung endgültig vollzogen haben und aus der Geschäftsbeziehung ausgeschieden sind, wird ein Teil nie mehr bereit oder in der Lage sein, die Geschäftsbeziehung wieder aufzunehmen. Für sie endet der Beziehungs-Lebenszyklus nach Abschluss der Kündigungsphase. Andere sind nach einer Abstinenzphase zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung bereit, z. B. weil sich ihre Lebens- und Bedürfnissituation wieder verändert hat, weil eine zwischenzeitlich eingegangene anderweitige vertragliche Verpflichtung ausläuft oder weil sie vom Wettbewerbsangebot enttäuscht sind. In dieser Revitalisierungsphase sind ehemalige Kunden wieder ansprechbar, und im Erfolgsfall beginnt ein zweiter Zyklus.

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

333

Dieses Modell unterscheidet sich vom Standardmodell vor allem ƒ

durch eine differenziertere Phaseneinteilung,

ƒ

die Berücksichtigung von Gefährdungen in allen Phasen der Geschäftsbeziehung, was in Abb. 4 durch die Einbrüche im Wachstumsprozess verdeutlicht wird, und

ƒ

durch die Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Auflösung der Geschäftsbeziehung nicht ein endgültiges Ende darstellen muss, sondern dass z. B. nach einer Phase der Kaufabstinenz die Beziehung erneut aufgenommen werden kann. Dies wird in Abb. 4 durch den Beginn eines zweiten KundenbeziehungsLebenszyklus zum Ausdruck gebracht.

Diese Phaseneinteilung ist nun bezüglich ihrer Managementrelevanz zu betrachten. Dabei ist in einem ersten Schritt darauf hinzuweisen, dass unter Beziehungsgesichtspunkten die Kunden in verschiedenen Phasen als unterschiedliche Segmente betrachtet werden können: In der Anbahnungsphase sind sie potenzielle Kunden, mit dem ersten Kauf bis zur vollzogenen Kündigung bzw. zum faktischen Ausscheiden handelt es sich um die aktuellen Kunden, nach Kündigung und Abbruch gehören sie zur Gruppe der verlorenen Kunden. Diesen drei Segmenten können völlig unterschiedliche Teilbereiche des Kundenbeziehungsmanagements zugeordnet werden: Interessentenmanagement, Kundenbindungsmanagement und Rückgewinnungsmanagement (Stauss 2000a, S. 16, 2000b, S. 454; Bruhn 2002, S. 44; Bruhn 2009, S. 60). Diese generelle Zuordnung ist in Abb. 4 bereits vorgenommen. In einem zweiten Schritt lassen sich diese Managementüberlegungen noch differenzieren, indem den Phasen bzw. Teilphasen des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus verschiedene Elemente eines umfassenden Kundenmanagements zugeordnet werden (Abb. 5). Das Interessentenmanagement zielt darauf ab, Aufmerksamkeit und Interesse bei potenziellen Kunden zu wecken und diese zu einem Erstkauf zu bewegen. Diese Aktivität im Rahmen der Anbahnungsphase stellt den Aufgabenschwerpunkt des traditionellen (Transaktions-)Marketing dar, das sich primär der Akquisition neuer Kunden widmet. Das Kundenbindungsmanagement hat grundsätzlich die Aufgabe, die aktuellen Kunden zu halten und die Beziehungen zu ihnen zu gestalten und auszubauen. Diesem Managementbereich kommt insbesondere in verteilten Märkten mit hohen Akquisitionskosten eine große strategische Bedeutung zu. Die Managementaufgaben unterscheiden sich jedoch nach dem Status der Geschäftsbeziehung, d. h. je nachdem, wie lange die Kundenbeziehung bereits etabliert ist und welche Stabilität bzw. welchen Gefährdungsgrad die Kundenbeziehung aufweist.

Kundentyp

Relationship

Potenzielle Kunden

Beziehungsstatus

Customer

Potenziell

Ziel

Bernd Stauss

Initiieren

Aufgabenschwerpunkt

334

Interessentenmanagement

Verlorene Kunden

Aktuelle Kunden

Neu

Stabil

Festigen/stärken

Management Neukundenmanagement

Kundenbindungsmanagement i.e.S.

Gefährdet aufgrund Beschwerdevorfall

Gefährdet aus sonstigen Gründen

Stabilisieren/sichern

Beschwerdemanagement

Kundenbindungsmanagement

Abwanderungspräventionsmanagement

Verloren, aber revitalisierbar

Faktisch verloren

Wieder gewinnen

Kündigungsmanagement

Revitalisierungsmanagement

Rückgewinnungsmanagement

Abb. 5: Beziehungsstatus des Kunden und Aufgaben des Kundenbeziehungsmanagements Quelle: Stauss/Seidel 2007, S. 32

In Bezug auf die Dauer der Kundenbeziehung ist entscheidend, ob eine neue Beziehung vorliegt, d. h. ob der Kunde Erstkäufer ist oder bereits Folgekäufe getätigt hat (Stauss/ Seidel 2007, S. 29 ff.). Erstkäufer, die in eine neue Beziehung mit dem Unternehmen eintreten, sind häufig noch unsicher darüber, ob ihre Entscheidung richtig war und ob sie zukünftig daran festhalten wollen. Deshalb kommt es für Unternehmen in dieser Phase darauf an, die Geschäftsbeziehung zu festigen und im Rahmen des Neukundenmanagements aktiv zu gestalten. Dazu gehört es, Neukunden durch spezifische Informations- und Dialogangebote in der Sozialisationsphase aufmerksam zu betreuen, sie in ihrer Kaufentscheidung zu bestärken und mit ihnen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Ein zweites, den Kundenstatus charakterisierendes Merkmal ist die Stabilität der Kundenbeziehung. Kundenbeziehungen sind stabil, wenn Kunden grundsätzlich zufrieden sind bzw. sich nicht ernsthaft mit dem Gedanken der Einschränkung oder Beendigung der Geschäftskontakte befassen. Die Beziehung zu diesen stabilen Kunden ist zu stärken, d. h. weiterzuentwickeln, auszubauen und zu vertiefen. Dies erfolgt vor allem durch den Einsatz von Instrumenten des Kundenbindungsmanagements im engeren Sinne. Mit ihrer Hilfe sollen Kunden dadurch an das Unternehmen gebunden werden, dass sie eine bevorzugte und individuelle Behandlung erfahren und/oder Wechselbarrieren errichtet werden. Hierfür steht ein umfangreiches Bündel an Maßnahmen zur Ver-

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

335

fügung. Diese können entweder ihren Schwerpunkt darin haben, beim Kunden ein Gefühl der Verbundenheit gegenüber dem Unternehmen zu erzeugen („Commitment“), oder aber ihn vertraglich, ökonomisch oder aufgrund technischer Gegebenheiten zu binden. Zu den diesbezüglichen Aktivitäten gehören u. a. Kundenkontaktprogramme, VielNutzer-Programme, Kundenkarten und Kundenclubs. Gefährdet sind Geschäftsbeziehungen dann, wenn Kunden die Möglichkeit des Beziehungsabbruchs erwägen. Dies ist vor allem der Fall, wenn Kunden mit Produkten, Dienstleistungen oder unternehmerischen Handlungsweisen unzufrieden sind. Denn Unzufriedenheit ist eine zentrale Ursache dafür, dass Kunden ihre Loyalität zum Unternehmen aufkündigen und für Angebote des Wettbewerbs empfänglich werden. Deshalb kommt es für Unternehmen in hohem Maße darauf an, Kundenunzufriedenheit zu entdecken, zu analysieren und mittels gezielter Maßnahmen wieder in Zufriedenheit umzuwandeln. Einen zentralen Ansatzpunkt hierfür stellen Beschwerden dar. Insofern zielt das Beschwerdemanagement auf die Stabilisierung der durch Unzufriedenheit gefährdeten Geschäftsbeziehungen. Kundenbeziehungen können auch gefährdet sein, ohne dass dies in Beschwerden zum Ausdruck kommt. Das ist z. B. der Fall, wenn sich unzufriedene Kunden ohne vorherige Artikulation gegenüber dem Unternehmen zur Abwanderung entscheiden. Aber auch Kunden, die keine besonders negative Erfahrung mit dem Anbieter gemacht und damit keinen Anlass zur Beschwerde haben, können zu der Gruppe der gefährdeten Kunden gehören, etwa weil über die Dauer der Geschäftsbeziehung das Verbundenheitsgefühl verloren geht, der Wunsch nach Abwechslung steigt, Wettbewerber dem Kunden ein attraktives Angebot machen oder die Kunden die Abhängigkeit vom Lieferanten reduzieren wollen. Daher gilt es, Anzeichen für einen Rückgang der Beziehungsintensität frühzeitig zu entdecken, Abwanderungsgefahren durch ein proaktives Monitoring von Kündigern („Churn-Analyse“) zu identifizieren und die betroffenen Kunden durch Maßnahmen des Abwanderungspräventionsmanagements zur Fortführung ihrer Geschäftsbeziehung zu bewegen. Da auch der konsequente Einsatz von Bindungsmaßnahmen Kundenabwanderungen nicht vollständig verhindern kann, ergänzen mehr und mehr Unternehmen das strategische Mix des Kundenbeziehungsmanagements um ein Rückgewinnungsmanagement, mit dessen Hilfe Kunden, die explizit die Geschäftsbeziehung aufgekündigt bzw. diese faktisch verlassen haben, für das Unternehmen zurückgewonnen werden sollen. Die besondere Aktualität und Relevanz dieser Strategie ergibt sich insbesondere aus der zunehmenden Wechselbereitschaft von Kunden. Das Rückgewinnungsmanagement ist ebenfalls phasenspezifisch zu differenzieren. Befinden sich die Kunden in der Kündigungsphase, können sie aus Anlass ihrer Kündigung angesprochen werden (Kündigungsmanagement). Ein anderes Segment und ein anderer Handlungsbereich liegen vor, wenn es sich um Kunden handelt, die bereits vor einer längeren Zeit die Geschäftsbeziehung verlassen haben und zu denen nach einer bestimmten Abstinenzphase die eingeschlafene Geschäftsbeziehung wieder belebt werden soll (Revitalisierungsmanagement). Diese auf das Kundenbeziehungsmanagement bezogene Perspektive integriert wesentliche Elemente der bisherigen Diskussion und beleuchtet den Kundenbeziehungs-Lebens-

336

Bernd Stauss

zyklus unter einer neuen Perspektive. Mit den ersten Phasenkonzepten hat sie gemeinsam, dass sie den Status der Geschäftsbeziehung aus Kundensicht in den Mittelpunkt stellt und daraus Konsequenzen für das Management zieht. Diese können hier aber viel konsequenter und konkreter gezogen werden, da sich eindeutige und eigenständige Handlungsbereiche identifizieren lassen. So ist das Interessentenmanagement beispielsweise ebenso klar vom Beschwerdemanagement abzugrenzen wie das Revitalisierungsmanagement vom Neukundenmanagement. Damit wird eine fokussierte Aufgabenerfüllung im Rahmen des Customer Relationship Management möglich. Von den Weiterentwicklungen des Konzeptes in Analogie zum Produkt-Lebenszyklusmodell übernimmt die neue Variante in modifizierter Form die idealtypische Darstellung des Beziehungszyklus. Doch diese erhält einen ganz anderen Stellenwert. Der Kurvenzug hat nunmehr vor allem „didaktische“ Funktionen. An seinem Verlauf kann auf einleuchtende Weise der Tatbestand der Dynamik in Kundenbeziehungen von der Anbahnung über Wachstum, Reife und Degeneration bis zum Ende und einer möglichen Wiederanbahnung demonstriert werden. Zudem stellt er die konzeptionelle Basis für die Differenzierung in Interessentenmanagement, Kundenbindungsmanagement und Rückgewinnungsmanagement dar. Darüber hinaus bietet diese graphische Darstellung einen konzeptionellen Rahmen für die Gruppierung der Einzelmaßnahmen des Customer Relationship Management entsprechend der Richtung, in der sie den Lebenszyklus beeinflussen. Grundsätzlich lassen sich zwei Beeinflussungsstrategien unterscheiden: die Dehnung (Cycle Stretching) und die Intensivierung (Cycle Leveraging) des KundenbeziehungsLebenszyklus. Cycle Stretching zielt primär darauf an, die Stabilität der Kundenbeziehung aufrechtzuerhalten, eine frühzeitige Erosion der Beziehung zu verhindern und auf diese Weise die Gesamtlebensdauer auszudehnen. Dies gilt insbesondere für die ökonomisch attraktiven Phasen wie die Wachstums- und Reifephase. Hier setzen vor allem das Beschwerdemanagement, das Kündigungspräventionsmanagement und das Kündigungsmanagement an (Abb. 6). Beim Cycle Leveraging steht dagegen vor allem die Vertiefung der Geschäftsbeziehung im Mittelpunkt, d. h. es geht darum, Intensität und Qualität der Beziehung zu steigern. Für diese Zielsetzung sind primär das Neukundenmanagement, das Kundenbindungsmanagement im engeren Sinne und das Revitalisierungsmanagement einzusetzen (Abb. 7). Eine solche Zuordnung von Customer Relationship Management-Instrumenten zu Beziehungs-Lebenszyklus-Strategien kann allerdings nur schwerpunktartig vorgenommen werden, da im Einzelfall durchaus Dehnungs- und Intensivierungsziele gleichermaßen verfolgt werden können.

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

Beziehungsintensität (z.B. Kundenwert)

337

Beschwerdemanagement

Abwanderungspräventionsmanagement

Zeit

Kündigungsmanagement

Beziehungsintensität (z.B. Kundenwert)

Abb. 6: Cycle Stretching

Zeit Neukundenmanagement

Abb. 7: Cycle Leveraging

Kundenbindungsmanagement i.e.S.

Revitalisierungsmanagement

338

Bernd Stauss

Im Vergleich zu dieser „didaktischen“ Funktion des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus verlieren die Vorstellungen eines einzigen Maßstabs für die Beziehungsintensität und eines allein zeitlich determinierten Phasenkonzepts an Gewicht. Auch wenn aus Gründen der graphischen Darstellung ein Indikator für die Beziehungsintensität angeführt wird, so wird doch de facto der Versuch aufgegeben, in Analogie zum Produkt-Lebenszyklus den einen Indikator zu finden, der für jeden Beziehungsstatus in allen Phasen aussagefähig ist. So ist für die Sozialisationsphase beispielsweise weniger entscheidend, dass erstmals Kundenumsätze generiert werden, sondern dass sich der Kunde in einer Unsicherheitssituation befindet, auf die mit risikoreduzierenden Maßnahmen reagiert werden muss. Der Beziehungsstatus eines Beschwerdeführers wird primär durch dessen Unzufriedenheit und Verärgerung geprägt und nicht durch den Umsatzrückgang, auch wenn dieser nach einiger Zeit eintreten kann. Ein alleiniger Blick auf den Umsatzrückgang gibt dem Management keinen Hinweis auf die Kundenunzufriedenheit, auf dessen Ursache oder die zu ergreifenden Maßnahmen. Deshalb geht es nicht darum, einen Indikator bzw. mehrere Indikatoren zu suchen, die empirisch den idealtypischen Verlauf der Beziehungskurve bestätigen, sondern – wie hier vorgenommen – spezifische relevante Beziehungssituationen zu identifizieren, ihnen korrespondierende Aufgaben des Beziehungsmanagements zuzuordnen und für diese jeweils differenziert nicht-monetäre und/oder monetäre Ziel- und Controllinggrößen zu definieren (Köhler 2007). Damit stellt sich auch die herkömmliche Frage bezüglich einer exakten und einander ausschließenden Abgrenzung der einzelnen Phasen in anderer Art. Relevant ist nicht, ob aus dem Kurvenverlauf eindeutig die Phasenzugehörigkeit und der Übergang von der einen in eine andere Phase ablesbar ist, sondern ob sich der jeweilige Beziehungsstatus eines Kunden eindeutig feststellen lässt. Dies ist ganz weitgehend der Fall, und zwar unter Bezug auf variierende Kriterien: ƒ

Die Unterscheidung zwischen Anbahnungs- und Sozialisationsphase ist präzise mit dem Erstkauf festgelegt. Die Zugehörigkeit zur Sozialisationsphase lässt sich unternehmensindividuell auf einen spezifischen Zeitraum festlegen.

ƒ

Ob eine Beziehung als stabil einzuschätzen ist, kann über Zufriedenheitsgrade operationalisiert und mittels Zufriedenheitsbefragung festgestellt werden. Dabei ist es selbstverständlich auch möglich, weitere Indikatoren der Kundenloyalität wie Weiterempfehlungs- und Wiederkaufbereitschaft heranzuziehen.

ƒ

Gefährdete Kundenbeziehungen aufgrund eines Beschwerdefalls werden eindeutig durch das Eintreffen einer Beschwerde signalisiert. Gefährdete Kundenbeziehungen aus anderen Gründen können im Rahmen der Churn-Analyse identifiziert werden.

ƒ

Kündiger artikulieren explizit ihren Wunsch, die Geschäftsbeziehung zu beenden und können damit Maßnahmen des Kündigungsmanagements auslösen. Wenn keine vertraglichen Beziehungen vorliegen, ist unternehmensindividuell festzulegen, ab wann ein Kunde als faktisch verloren gelten soll und wann Er-

Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

339

folg versprechend mit einer Revitalisierung der Geschäftsbeziehung gestartet werden soll. Der Wert eines Kunden (z. B. gemessen am Kundenumsatz oder am Kundendeckungsbeitrag) erhält in diesem Konzept ebenfalls eine andere und komplexere Bedeutung. Als Indikator zur Diagnose einer Beziehungssituation spielt er nur in einzelnen Fällen eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Diagnose von Gefährdungsphasen. Eine sehr viel größere Relevanz erhält das Kriterium des Kundenwertes allerdings in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der verschiedenen Maßnahmen des Kundenbeziehungsmanagements. So ist es denkbar, dass bestimmte Maßnahmen wertvollen Kunden vorbehalten werden, da nur ökonomisch attraktive Kunden gebunden bzw. zurückgewonnen werden sollen, oder aber es erfolgt eine kundenwertspezifische Differenzierung von Maßnahmen. Zudem bietet die Analyse des Kundenwerts die Grundlage für ein weiteres unternehmerisches Handlungsfeld, nämlich ein Beziehungsauflösungsmanagement, mit dessen Hilfe die bewusste Auflösung einer Kundenbeziehung durch das Unternehmen betrieben wird.

4

Ausblick

Das Kundenbeziehungs-Lebenszyklus-Konzept gibt dem Customer Relationship Management eine wertvolle Basis. Es spiegelt nicht nur die generelle Erkenntnis, dass sich Beziehungen im Zeitablauf verändern, sondern liefert auch den Rahmen für eine systematische und differenzierte Beziehungsanalyse. Darüber hinaus kann es zur Ableitung beziehungsorientierter Strategien und Maßnahmenbündel genutzt werden. In Bezug auf die Weiterentwicklung des Konzepts sind zwei unterschiedliche Wege möglich. Auf der einen Seite kann man die Bemühungen verstärken, einen Indikator für die Beziehungsintensität zu finden, der valide Auskunft über den jeweiligen Stand der Beziehungsintensität und die Zugehörigkeit einer individuellen Kundenbeziehung zu einer speziellen Phase gibt. Der zweite Weg führt in die Richtung einer verstärkten Nutzung der „didaktischen Funktion“ des Modells. Hier käme es primär darauf an, zu überprüfen, ob das vorgelegte Konzept alle relevanten Situationen einer Beziehung sinnvoll erfasst, ob das Customer Relationship Management-Instrumentarium somit vollständig benannt ist und wie eine kundenbezogene Integration aller Aktivitäten – auch unter Einbeziehung der traditionellen Marketinginstrumente – erfolgen soll. Gründe der praktischen Relevanz sprechen dafür, sich zunächst für diesen zweiten Weg zu entscheiden.

340

Bernd Stauss

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Alexander Haas

Interessentenmanagement 1

Notwendigkeit des Interessentenmanagements als Element des CRM

2

Gegenstand des Interessentenmanagements

3

Konzeption des Interessentenmanagements als CRM-Element 3.1 Database Marketing als Grundlage des Interessentenmanagements 3.2 Prozess der Neukundengewinnung als Ansatzpunkt 3.3 Identifizierung und Qualifizierung potenzieller Interessenten 3.4 Priorisierung der Interessenten 3.5 Konversion der Interessenten in Neukunden 3.6 Interessentenmanagement als permanente Aufgabe des CRM 3.7 Interessentenmanagement als integraler Bestandteil des CRM

4

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1

Notwendigkeit des Interessentenmanagements als Element des CRM

Neue Kunden zu akquirieren, ist eine der zentralen Aufgaben des Marketing (Tomczak/ Reinecke 1996, S. 5): Zum einen ist die Gewinnung neuer Kunden zur Absicherung der erreichten Marktposition notwendig. Denn vorhandene Kunden gehen kontinuierlich verloren, indem diese zu Wettbewerbern wechseln, mit anderen Unternehmen fusionieren oder sich vom Markt zurückziehen (Dalrymple 1988, S. 98). Zum anderen lassen sich dadurch Marketingziele, wie Wachstum und Ertrag, erreichen. So zeigen empirische Befunde, dass Unternehmen, die die Akquisition neuer Kunden besonders betonen, über alle Branchen hinweg ein vergleichsweise überdurchschnittliches Umsatzwachstum erzielen. Darüber hinaus fällt das Gewinnwachstum solcher Unternehmen speziell auf Konsum- und Industriegütermärkten häufig höher aus als das der Wettbewerber (Tomczak et al. 1998, S. 56, S. 76, S. 90). Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dass Führungskräfte in einer aktuellen Umfrage das Gewinnen neuer Kunden in vorhandenen Märkten als wichtigste Wachstumsquelle einstufen (McKinsey 2005, S. 63). Insofern verwundert es nicht, dass Unternehmen der Akquisition neuer Kunden umfangreiche Ressourcen widmen. Wie eine jüngere US-amerikanische Studie für verschiedene Märkte zeigt, nutzen Verkäufer im Durchschnitt 14 % ihrer Zeit allein dafür, potenzielle Käufer zu identifizieren (Fenemore Group 1998, S. 96). Unternehmen kommen nicht nur durch die eigenen Bemühungen, sondern auch auf Initiative potenzieller Kunden mit zahlreichen Interessenten in Kontakt. So wird beispielsweise von General Electric berichtet, dass ca. ein Drittel der jährlich drei Millionen im Call Center eingehenden Anrufe von Unternehmen und Personen sind, die sich für einen Kauf interessieren (Stern 1991). Trotz der zahlreichen Gelegenheiten bleibt der Erfolg der Neukundenakquise jedoch nicht selten hinter den Möglichkeiten zurück. Sieht man davon ab, dass ein Verkaufsabschluss am Fehlen geeigneter Produkte scheitert, können insbesondere Probleme im Verlauf der pre sales-Kontakte dazu führen, dass potenzielle Kunden ihr Kaufinteresse verlieren: Stehen Interessenten verschiedene Kontaktkanäle zur Verfügung, können ein ungenügendes, insbes. widersprüchliches Informationsangebot, ein von Kanal zu Kanal differierender, insbes. lückenhafter Informationsstand über Inhalt und Ergebnis der Kontakthistorie sowie eine unkoordinierte, insbes. mit den falschen Instrumenten erfolgende Bearbeitung der potenziellen Kunden zu Frustration und Unzufriedenheit bei diesen führen (Gerth 2001, S. 107). Daneben finden sich aber auch innerhalb ein und desselben Kanals immer wieder mangelhafte Kontaktverläufe. Entsprechend legen etwa jüngste Daten aus dem Finanzdienstleistungsbereich offen, dass selbst Anfragen per E-Mail in hohem Maße schlecht (75 % der Fälle), spät (Antwort meist erst nach mehreren Tagen) oder gar nicht (ca. 1/3 der Fälle) beantwortet werden (o. V. 2002). Derartige Erfahrungen dürften auf Seiten der Interessenten ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit den Abbruch des Kaufprozesses nach sich ziehen.

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_12, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Im Rahmen der Neukundengewinnung gilt es nicht nur, die skizzierten Probleme bei der Auftragsgewinnung zu lösen. Vielmehr muss die Auswahl und Bearbeitung der Interessenten auch unter Kostengesichtspunkten erfolgen: Während ein Kontakt über das Internet weniger als 5 Euro und über Call Center ca. 65 Euro kostet, können die durchschnittlichen Kosten eines Außendienstbesuchs in Abhängigkeit von der Branche 400 bis 500 Euro betragen – bei in den vergangenen Jahren steigender Tendenz (Sonntag 2001, S. 67; Marchetti 1999, S. 56). Berücksichtigt man, dass im Durchschnitt sieben Besuche nötig sind, um einen neuen Kunden zu akquirieren (O´Connell/Keenan 1990, S. 38), können allein durch den Außendienst durchschnittliche Kosten in Höhe von bis zu 3.500 Euro pro Neukunde entstehen. Angesichts dieser Kosten ist es unter Ertragsgesichtspunkten von besonderer Bedeutung, möglichst hochwertige Interessenten durch einen möglichst effizienten Einsatz des Marketinginstrumentariums zum Kaufabschluss zu bewegen (Rapp 2000, S. 47). Sowohl die Relevanz als auch die Herausforderungen der Neukundengewinnung lassen es zweckmäßig erscheinen, diese Aufgabe als ein wesentliches Element des CRM zu begreifen. Obwohl dieser Ansicht in der Literatur an verschiedenen Stellen gefolgt wird (Rapp 2000, S. 47; Gerth 2001, S. 104; Rudolph/ Rudolph 2001, Vorwort; Swift 2001, S. 12; Tiwana 2001, S. 23), bleibt dort die konkrete, in sich schlüssige Ausgestaltung dieses Elements innerhalb des CRM-Konzeptes offen. Als Konsequenz besteht im Entwurf einer solchen Ausgestaltung das Ziel des vorliegenden Beitrags. Dabei wird neben den theoretischen Erkenntniszielen mit der Präzisierung der für die Bearbeitung der Interessenten erforderlichen Informationen auch eine Unterstützung der Praxis angestrebt. Denn die Kenntnisse über die zweckmäßige Gewinnung und Analyse relevanter Kundeninformationen scheinen trotz ihrer Relevanz für das CRM bei vielen Unternehmen bisher unzureichend zu sein (Wolf 2002, S. 107).

2

Gegenstand des Interessentenmanagements

Definiert man Interessenten als Wirtschaftssubjekte, die einen spezifischen Bedarf haben, der sich durch die eigenen Produkte und Dienstleistungen decken lässt (Jolson 1988, S. 191; Jolson/Wotruba 1992), und die bisher keine Kunden waren, lassen sich unter Interessentenmanagement alle Aktivitäten subsumieren, die dazu dienen, den Kaufprozess von Neukunden zu initiieren, zu gestalten und mit einem Verkauf zum Abschluss zu bringen (Stauss/Seidel 2002, S. 31). Ausgehend vom englischen Begriff für potenzielle Interessenten („Lead“), hat sich in der Praxis dafür der Name Lead Management eingebürgert (Blake 1999; Steimle 2000). Konzeptionell kann man das Interessentenmanagement dem Kundenmanagement zuordnen, welches nicht nur die Gestaltung und Erhaltung von Geschäftsbeziehungen zu Kunden umfasst, sondern auch all diejenigen Aktivitäten, die nötig sind, um Geschäftsbeziehungen zu initiieren (Diller 1995, Sp. 1363; Diller et al. 2005). Insofern steht es als das auf potenzielle Kunden gerichtete Aufgabenfeld des Kundenmanagements neben dessen weiteren Säulen des Kundenbindungsmanagements und des Recovery Manage-

Interessentenmanagement

347

ments (Homburg/Schäfer 1999, S. 1). Gleichzeitig weist das Interessentenmanagement aber auch eine enge Verbindung zum Verkauf auf: Die Vertriebspolitik zielt im Rahmen der marktgerichteten akquisitorischen Aktivitäten mehr oder minder unmittelbar auf das Erzielen von Verkaufsabschlüssen (Homburg/Krohmer 2003, S. 701). Als Konsequenz wurde die Neukundenakquise innerhalb der Marketingforschung seit jeher als bedeutsame Aufgabe des Verkaufs angesehen und konzeptionell als frühe Phase des Verkaufsprozesses verortet (Johnson et al. 1986, S. 60 f.; Dalrymple 1988, S. 96; Anderson 1987, S. 12 f.). Damit übt das Interessentenmanagement letztlich eine Art Scharnierfunktion aus, indem es die Perspektiven von Kundenmanagement (Aspekt: Neukundengewinnung) und Verkaufsmanagement (Aspekt: Erstauftragsgewinnung) miteinander verzahnt (Diller et al. 2005). Gemäß dem konzeptionellen Ansatz des Marketing (Becker 1998, S. 4 f.) muss eine schlüssige und ganzheitliche Konzeption des Interessentenmanagements die drei konzeptionellen Ebenen Ziel, Strategie und Instrumente umfassen (siehe Abb. 1).

Interessentenmanagement

KonzeptEbene

Profitable Neukundengewinnung

Ziel

Strategie

Instrumente

Interessentengenerierung

Direktmarketing

Interessentenkonversion

Persönlicher Verkauf

Marketing-Mix

Abb. 1: Konzeption des Interessentenmanagements Aus dem Anspruch des Kundenmanagements (Krafft 2001, S. 866) lässt sich als Ziel des Interessentenmanagements ableiten, das Ertragspotenzial bisheriger Nicht-Kunden zu erschließen. Dabei ist es unter ökonomischen Gesichtspunkten allerdings nicht zweckmäßig, das Gewinnen neuer Kunden als Selbstzweck zu betrachten. Denn sowohl das Erlös- und Ertragspotenzial als auch der Bearbeitungsaufwand variieren von Kunde zu Kunde. Als Folge unterscheiden sich die potenziellen Ergebnisbeiträge der Interessenten nicht nur in ihrer Höhe. Vielmehr können diese Ergebnisbeiträge kurz- und/oder

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Alexander Haas

langfristig auch negativ sein. Insofern empfiehlt sich eine differenzierte Behandlung der Interessenten, indem man zunächst auf Interessenten mit einem grundsätzlich negativen Ergebnisbeitrag von vornherein verzichtet. Hinsichtlich der übrigen Interessenten bieten sich zwei einander ergänzende Vorgehensweisen an, um einen positiven Kundenlebenszeitwert sicherzustellen (Gerth 2001, S. 104, S. 106): Man kann sich zum einen auf die Gewinnung der richtigen, d. h. möglichst hochwertigen, Interessenten als Neukunden konzentrieren (Effektivitätsaspekt des Interessentenmanagements). Zum anderen gilt es, die Interessentenbearbeitung – und folglich den damit verbundenen Aufwand – am interessentenspezifischen Potenzial auszurichten (Effizienzaspekt des Interessentenmanagements). Im Ergebnis lässt sich somit als eigentliches Ziel des Interessentenmanagements die profitable Neukundengewinnung präzisieren. Auf der strategischen Ebene lässt sich das Ziel der profitablen Neukundengewinnung in zwei (aufeinander abzustimmende) Aufgaben zergliedern: Mit einer ersten Strategie geht es darum, Interessenten zu generieren. Dazu ist es in bestimmten Fällen sogar nötig, den Kaufprozess potenzieller Kunden zu initiieren (Futrell 2001, S. 253). Um mit den eigenen Verkaufsbemühungen Erfolg zu haben, reicht es dabei allerdings nicht aus, lediglich dafür zu sorgen, dass potenzielle Kunden ihren Bedarf erkennen, ihnen die wietere Bedarfsdeckung aber völlig autonom zu überlassen. Denn damit besteht das Risiko, dass das eigene Angebot vom potenziellen Käufer aufgrund fehlender Informationen oder einer Fehleinschätzung nicht als Problemlösungsalternative angesehen wird und als Folge im weiteren Entscheidungsprozess unberücksichtigt bleibt (Backhaus 1997, S. 56 f.). Insofern muss dem potenziellen Käufer zumindest die Möglichkeit der Bedarfsdeckung durch das entsprechende Angebot deutlich werden. Darüber hinaus muss man die potenziellen Käufer dazu bringen, den Kontakt mit dem potenziellen Lieferanten zumindest zuzulassen oder gar zu suchen. Denn erst dadurch werden die Interessenten einer gezielten weiteren Bearbeitung zugänglich – ganz zu schweigen von den Unternehmen, die einen entsprechenden Kaufprozess von sich aus in Gang gesetzt haben und somit mit der Kontaktaufnahme überhaupt erst als Interessenten sichtbar werden (Dallmer 2002, S. 5). An dieser Stelle setzt schließlich die Interessentenkonversionsstrategie an, die darauf abzielt, die an den eigenen Produkten interessierten Unternehmen tatsächlich zu einem Kaufabschluss zu bewegen (Jolson 1988, S. 190 ff.). Auf der Ebene der Instrumente sind die Mittel zu bestimmen, mit denen man die beiden Strategien des Interessentenmanagements umsetzen kann. Obwohl dabei für beide Strategien grundsätzlich auf das gesamte Marketing-Instrumentarium zurückgegriffen werden kann, lassen deren spezielle Stoßrichtungen einzelne Instrumente besonders geeignet erscheinen. So lässt sich zur Interessentengenerierung insbesondere das Direktmarketing – z. B. in Form des Kampagnenmanagements – einsetzen, da es durch eine gezielte Kontaktaufnahme, häufig in Verbindung mit einer individuellen Ansprache, in besonderer Weise dazu beitragen kann, unmittelbare Informationsbeziehungen zu potenziellen Kunden herzustellen (Dallmer 2002, S. 4 f.; Finsterwalder et al. 2004; Link 2001, S. 308; Wilde et al. 2005). Im Rahmen der Interessentenkonversion nimmt dagegen der persönliche Verkauf eine besondere Stellung ein, da das Verkaufspersonal nicht nur inhaltliche Fragen des potenziellen Käufers unmittelbar klären kann, sondern auch eventuell bestehende Kaufwiderstände durch darauf ausgerichtete, sich an die

Interessentenmanagement

349

Interessentenbedürfnisse anpassende Verkaufsgespräche und -präsentationen effektiv beseitigen kann (Sujan et al. 1988). Die Frage nach der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung des Interessentenmanagements lässt sich nur situations- und unternehmensspezifisch beantworten. Dabei steht die Güte der entsprechenden Entscheidungen in unmittelbarem Zusammenhang mit den dafür verfügbaren Informationen. Insofern besitzt das Interessentenmanagement neben der Aktions- auch eine Informationsseite. Die Informationsproblematik ist für ein schlagkräftiges Interessentenmanagement insofern besonders bedeutsam, als in den frühen Phasen des Neukundengewinnungsprozesses nur sehr wenige Informationen über die potenziellen Käufer vorliegen. Als Konsequenz erscheint es im Hinblick auf eine effektive und effiziente Neukundengewinnung zweckmäßig, das Generieren geeigneter Informationen als eigenständiges Aufgabenfeld des Interessentenmanagements zu begreifen (Anderson 1987, S. 137, S. 142 ff.). Damit wird bereits auf den nächsten Abschnitt verwiesen, in dem die Gewinnung und Nutzung relevanter Interessentendaten für ein in das CRM integriertes Interessentenmanagement diskutiert wird.

3

Konzeption des Interessentenmanagements als CRM-Element

3.1

Database Marketing als Grundlage des Interessentenmanagements

Um potenzielle Käufer gezielt identifizieren, bearbeiten und zu einem Erstkauf bewegen zu können, sind interessentenindividuelle Informationen nötig, die für einen erfolgreichen Einsatz des Marketinginstrumentariums zur Neukundengewinnung relevant sein können. Damit es auf Grundlage dieser Daten möglich ist, die „richtigen“ Interessenten zum „richtigen“ Zeitpunkt mit den „richtigen“ Maßnahmen anzusprechen, bietet es sich an, vier Informationsfelder bei der Datenzusammenstellung zu berücksichtigen (Link/ Hildebrand 1993, S. 34 ff.): ƒ

Die Grunddaten beinhalten im Wesentlichen längerfristig gleich bleibende und produktunabhängige Interessentendaten. Dazu gehören zunächst all jene Daten, die grundsätzlich nötig sind, um einen potenziellen Käufer überhaupt kontaktieren zu können (Adressdaten). Daneben handelt es sich dabei aber auch um solche Daten, die eine segmentspezifische Bearbeitung ermöglichen, also z. B. soziodemografische und psychografische Daten im Falle von Konsumenten bzw. bei Unternehmen Daten über die Branche, die Größe, die Bonität usw. Den Grunddaten von Unternehmen sind schließlich ebenfalls kontaktrelevante Daten über Personen, Strukturen und Prozesse zuzurechnen, die im Zuge der Neukundengewinnung von Bedeutung sind, also etwa Informationen über die Führungskräfte, die Ansprechpartner, das Buying Center etc.

350

Alexander Haas

ƒ

Die Potenzialdaten liefern produkt(gruppen)- und zeitpunktbezogene Anhaltspunkte über das potenzielle Nachfragevolumen des einzelnen Interessenten. Neben der Erfassung des produkt(gruppen)spezifischen Gesamtbedarfs ergeben sich insbesondere aus Art und Anfall der konkreten Bedarfssituationen nützliche Hinweise. Darüber hinaus lässt sich auf den (potenziellen) Bedarf nicht selten aus einer Kombination von Daten über die Pläne der potenziellen Käufer und über Art und Umfang der Käufe bei Wettbewerbern sowie – speziell bei Unternehmen – über Ausstattungsmerkmale schließen. Ergänzende Angaben über das langfristige Potenzial des Interessenten können hilfreiche Zusatzinformationen darstellen.

ƒ

Die Aktionsdaten dokumentieren die interessentenspezifischen Maßnahmen nach Art, Umfang und zeitlichem Anfall.

ƒ

Die Reaktionsdaten halten das Verhalten der Interessenten auf die eingesetzten Marketingmaßnahmen fest und erlauben so Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der eigenen sowie der konkurrenzseitigen Interessentenbearbeitung. Neben Einstellungen und Kenntnissen der Interessenten sind dabei insbesondere Daten von Interesse, die Aufschluss über die Auftragsnähe geben (Brankamp/Hemmer 1984, S. 68; Link/Hildebrand 1993, S. 33), also beispielsweise Daten über Art, Intensität und Zeitpunkt von Anfragen, über die anfragende Person usw.

Im Sinne des Database Marketing lassen sich die für die Neukundengewinnung relevanten Daten bedarfsgerecht in Form einer (relationalen) Datenbank speichern, bei Bedarf durch den Aufbau entsprechender Dateien weiter ausbauen und im konkreten Fall zur Analyse und Bearbeitung der Interessenten heranziehen. Die auf diese Weise systematisch erfassten Daten liefern kombiniert ein plastisches Profil der einzelnen Interessenten, das sich nach und nach verfeinern lässt. Dadurch wird eine maßgeschneiderte Bearbeitung der individuellen Interessenten wie auch der verschiedenen Interessentensegmente möglich (Link 2001a, S. 8 ff.). Da in aller Regel (zunächst) nur wenige Informationen über potenzielle Käufer vorhanden sind, die Informationsbeschaffung aber mit Kosten verbunden ist, ist es zweckmäßig, sich bei der Beschaffung von Informationen speziell auf diejenigen zu konzentrieren, die das Interessentenmanagement in besonderer Weise unterstützen. Welche dies sind, leitet sich aus den Aufgabenfeldern des Interessentenmanagements ab, die nunmehr betrachtet werden.

3.2

Prozess der Neukundengewinnung als Ansatzpunkt

Im Einklang mit der prozessorientierten Ausrichtung des CRM (Wolf 2002, S. 89) lassen sich die Aufgaben des Interessentenmanagements von den verschiedenen „Entwicklungsstufen“ ableiten, die seitens der potenziellen Kunden bis zum Kauf durchlaufen werden. Denn das Interessentenmanagement hat dafür zu sorgen, dass sich der „Übergang“ der Kunden von Entwicklungsstufe zu Entwicklungsstufe möglichst effek-

Interessentenmanagement

351

tiv und effizient vollzieht. Dazu müssen pro Stufe spezifische Informationsbedarfe gedeckt und Aufgaben gelöst werden (siehe Abb. 2): In einem ersten Schritt ist es nötig, potenzielle Interessenten zu identifizieren. Dabei lassen sich als potenzielle Interessenten („Leads“) solche Kunden definieren, die einen Bedarf für die eigenen Produkte und Dienstleistungen haben könnten (Hite/Johnston 1997, S. A-3).

Interessentenmanagement als CRM-Element Informationsseitige Aufgaben

Zielkunden Nicht-Interessenten

Aktionsseitige Aufgaben

Identifizieren

Potenzielle Interessenten Qualifizieren Kaufprozess initiieren Priorisieren

Interessenten Kaufwiderstände beseitigen Kaufanreize schaffen

Neukunden

Database Marketing

Abb. 2: Interessentenmanagement als CRM-Element Den Ausgangspunkt zur strategiekonformen Identifizierung potenzieller Interessenten stellen die im strategischen Marketing festgelegten Zielgruppen dar (Johnston/Marshall 2003, S. 51). Die dadurch beschriebenen Zielkunden sind jedoch nicht deckungsgleich mit der Gruppe der potenziellen Interessenten. Denn zum einen gibt es Unternehmen bzw. Konsumenten, die zwar zu den Zielkunden gehören, für die ein Kauf des fraglichen Produkts jedoch gerade nicht ansteht – etwa weil sie ihren Bedarf bereits anderweitig gedeckt haben. Zum anderen kann es potenzielle Interessenten geben, die aufgrund der strategischen Vorgaben nicht zur Gruppe der Zielkunden gehören. Obwohl man damit Wachstumschancen ausschlägt, sind solche potenziellen Interessenten aus strategischer Sicht zu vernachlässigen. Ansonsten setzt man sich dem Risiko aus, die bewusst gewählte Strategie zu verwässern und die Komplexität durch zunehmende

352

Alexander Haas

Kundenheterogenität zu erhöhen. Gleichwohl implizieren potenzielle Interessenten, die außerhalb der Zielgruppen stehen, die Frage, ob die ursprüngliche Zielgruppendefinition noch zeitgemäß ist oder ob eine Anpassung vorteilhaft wäre. Entsprechend kann deren systematische Analyse zukünftige Marktchancen aufdecken helfen. Sind die potenziellen Interessenten identifiziert, gilt es, eine Informationsbeziehung zu diesen herzustellen. Dabei können interaktive Kontakte zwischen potenziellen Interessenten und dem Unternehmen grundsätzlich auf zwei Arten zustande kommen: Einerseits kann der Kontakt durch das Unternehmen hergestellt werden, indem das eigene Verkaufspersonal den potenziellen Interessenten telefonisch oder persönlich kontaktiert. Andererseits kann die Kontaktaufnahme das Ergebnis einer autonomen Entscheidung des Kunden sein (Jolson 1988, S. 191). Der zuletzt genannte Fall bedeutet dabei nicht, dass die Kontaktaufnahme ohne jedes Zutun des Unternehmens erfolgt. Vielmehr können reaktionsorientierte Instrumente des Direktmarketing, wie etwa Direct Mail-Packages oder Coupon-Anzeigen, gezielt eingesetzt werden, um potenzielle Interessenten zu einer Kontaktaufnahme zu bewegen (Dallmer 2002, S. 5). Insgesamt besteht das Ziel in dieser Phase folglich darin, die potenziellen Käufer dazu zu bringen, den Kontakt mit dem potenziellen Lieferanten zu suchen oder zumindest zuzulassen, um die identifizierten potenziellen Interessenten überhaupt in Richtung eines Verkaufsabschlusses bearbeiten zu können. Neben der Notwendigkeit, die Voraussetzung zur weiteren Bearbeitung der potenziellen Interessenten herzustellen, ergibt sich ebenfalls die Frage, welche der potenziellen Interessenten als tatsächliche Interessenten zu qualifizieren sind – und damit für eine weitere Bearbeitung in Frage kommen. Denn die Menge der identifizierten potenziellen Interessenten übersteigt in der Regel die Anzahl, die man mit dem eigenen Verkaufspersonal bearbeiten kann. Um sich auf die Erfolg versprechenden Neukundengewinnungsprozesse konzentrieren zu können, gilt es somit, im Zuge einer ersten Vorauswahl zu prüfen, inwiefern die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen späteren Verkauf vorliegen: Aus inhaltlicher Sicht ist festzustellen, ob der potenzielle Interessent tatsächlich Bedarf an den Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens hat (Szymanski 1988, S. 66 f.). Das Erkennen eines solchen Bedarfs kann dabei auch auf die Bearbeitung durch das anbietende Unternehmen zurückgehen (Futrell 2001, S. 253). Liegt Bedarf vor, lässt sich der potenzielle Interessent als Interessent einstufen. Auch nach einer derartigen Vorauswahl ist eine differenzierte Bearbeitung der Interessenten zweckmäßig: Interessenten unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer potenziellen Ergebnisbeiträge, sondern auch bezüglich der Abschlusswahrscheinlichkeit. Diese Aspekte gilt es zu beurteilen, um die aus Unternehmenssicht interessanten potenziellen Käufer identifizieren, priorisieren und gemäß ihrer Priorität bearbeiten zu können (Szymanski 1988, S. 67). Für eine derartige Bearbeitung sind abgestimmte Maßnahmenbündel zu entwickeln und umzusetzen, die sich inhaltlich an den spezifischen Interessentenbedürfnissen ausrichten, in ihrem Ausmaß dagegen an der unternehmensseitigen Bewertung des fraglichen Interessenten bemessen. Auf diese Weise wird nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Auftragsabschlusses erhöht, sondern auch dem Gewinnerzielungsziel der Unternehmen Rechnung getragen. Gelingt es im Rahmen der

Interessentenmanagement

353

Bearbeitung schließlich, durch das Ausräumen bestehender Kaufwiderstände und/oder das Setzen geeigneter Kaufanreize einen Verkaufsabschluss herbeizuführen, wird der Interessent mit diesem Abschluss zum Neukunden. Damit endet gleichzeitig der Betätigungsbereich des Interessentenmanagements. Das Lösen der skizzierten informations- und aktionsseitigen Aufgaben wird durch den intensiven Einsatz von Informationstechnologie, auf dem das CRM-Konzept basiert, nicht nur unterstützt. Vielmehr stellen die kontaktkanal- und funktionsübergreifende Datensammlung, -auswertung und -analyse in Verbindung mit der darauf aufbauenden Möglichkeit zur IT-unterstützten, koordinierten und maßgeschneiderten Bearbeitung von (potenziellen) Kunden Eigenschaften des CRM dar (Wolf 2002, S. 89), die ein gleichermaßen effektives wie effizientes Management des Neukundengewinnungsprozesses erst ermöglichen (Steimle 2000). Wie sich dieser Prozess als Element des CRM gestalten lässt, wird nunmehr im Detail vorgestellt.

3.3

Identifizierung und Qualifizierung potenzieller Interessenten

Die Grundproblematik bei der Identifizierung und Qualifizierung potenzieller Interessenten lässt sich durch zwei Aufgabenfelder charakterisieren: Zum einen geht es darum, einen Pool potenzieller Interessenten zusammenzustellen, an dem Bemühungen zur Neukundengewinnung ansetzen können (Futrell 2001, S. 254). Entsprechend stellt sich die Frage, woher man die Namen – genauer: Adressdaten – potenzieller Interessenten bekommt. Zum anderen gilt es, aus der vorhandenen Menge der potenziellen Interessenten diejenigen herauszufiltern, die grundsätzlich für einen Verkaufsabschluss in Frage kommen (Szymanski 1988, S. 66 f.). Aus dieser Perspektive ist es von Interesse, wie man an die Daten gelangt, mit denen man die potenziellen Interessenten als Interessenten qualifizieren kann. Mit Blick auf die erste Fragestellung stehen einem Unternehmen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um an Adressdaten potenzieller Interessenten zu gelangen (Exler 1991, S. 529 ff.; Link/Hildebrand 1993, S. 37 ff.; Futrell 2001, S. 254; Johnston/ Marshall 2003, S. 51 f.): ƒ

Bestehende Kunden sowie weitere persönliche Kontakte können potenzielle Interessenten nennen;

ƒ

Adressen potenzieller Interessenten lassen sich von Adressverlagen oder sog. Listbrokern kaufen;

ƒ

potenzielle Interessenten können von sich aus oder als Folge (unpersönlicher) Kommunikations-, insbes. Direktmarketingmaßnahmen (z. B. Response-Anzeige, Service-Nummern) Kontakt aufnehmen;

ƒ

Events, insbes. Messe-Auftritte, können zu Kontakten mit potenziellen Interessenten führen;

354

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ƒ

das Internet, (Branchen)Telefonbuch usw. stellen weitere Quellen dar, um an Adressen potenzieller Interessenten zu gelangen.

Durch die skizzierten Möglichkeiten kann man jedoch nicht nur Adressdaten erhalten. Vielmehr unterscheiden sie sich mit Blick auf Art und Umfang zusätzlicher qualifizierungsrelevanter Information. So liefert das Telefonbuch im Wesentlichen nur die Adressdaten potenzieller Interessenten, während mit Empfehlungen mehr oder minder genaue weitere Informationen einhergehen können und schließlich Listbroker die reinen Adressdaten sogar um eine Vielzahl qualitativer Informationen ergänzen, die sich zur Qualifizierung potenzieller Interessenten heranziehen lassen (Futrell 2001, S. 254; Link/ Hildebrand 1993, S. 37; Lehr 1991, S. 499).

Weg der Informationsbeschaffung Informationsbedarf

Direct-Mail ResponseAnzeige

Telefon-Marketing aktiv passiv

Personal AdressSelling verlag

Allgemein Adresse ƒ

x

„Auftragsnähe“ - Informationsbedarf - Aktionsbedarf

ƒ

Produkt-Feedback

ƒ

Medien-Feedback

x x

x x

x

x

x x

x x

x x

x

x

x

x

x

x

Consumer ƒ

Familienstruktur

x

ƒ

Life-Style - Aktivitäten - Interessen - Meinungen

x x

x x x

x x x

x x x x

x x x

Business-to-Business ƒ

Unternehmensgröße

ƒ

Branche/Produktprogramm

ƒ

Buying Center - Struktur

Tab. 1:

x

x

z.T. x

x

x

x

z.T. x

x

x

x

z.T. x

Instrumente zur Deckung ausgewählter Informationsbedarfe Quelle: in Anlehnung an Kreutzer/Ernd 1991, S. 610 f.

x

Interessentenmanagement

355

Unabhängig von der quellenspezifischen Informationstiefe lassen sich weitere Aktivitäten zur Beschaffung relevanter Informationen initiieren – und damit die vorhandenen (Adress)Daten im Sinne der Datenqualifizierung ergänzen. Beispielsweise können Instrumente, wie Direct Mail, aktives Telefonmarketing und der persönliche Verkauf, eine Vielzahl an Informationen zutage fördern (s. Tab. 1). Bei dem Einsatz dieser Instrumente gilt es allerdings zu beachten, dass von den Interessenten freiwillig angegebene Informationen auch falsch sein können (Robertshaw/Marr 2006). Zudem findet durch die genannten Instrumente nicht nur der Versuch der Informationsgewinnung, sondern auch eine Informationsvermittlung statt. Diese kann je nach Art der Ansprache in unterschiedlicher Weise dazu beitragen, das Kaufinteresse potenzieller Interessenten zu wecken oder – im anderen Extrem – völlig nutzlose Adressen zu generieren (Kreutzer/Ernd 1991, S. 612 ff.; Jolson 1988, S. 192 f.). Ausgehend von diesen ersten Informationen ist es möglich, die Interessentendatenbank auf- und auszubauen. Diese dient zunächst als Grundlage für die Analyse und weitere Bearbeitung der Interessenten, um dann – im Falle eines späteren Abschlusses – als Kundendatenbank weitergeführt zu werden.

3.4

Priorisierung der Interessenten

Um die verfügbaren Ressourcen in geeigneter Weise zur Bearbeitung der identifizierten Interessenten einsetzen zu können, ist es nötig, die Attraktivität der durch die laufenden Neukundengewinnungsprozesse möglichen Abschlüsse zu beurteilen: Aufgrund der von Interessent zu Interessent verschiedenen potenziellen Ergebnisbeiträge erscheint es unter ökonomischem Blickwinkel wenig zweckmäßig, alle Interessenten mit demselben Aufwand zu bearbeiten. Gleichwohl greift eine allein an der Attraktivität des einzelnen Interessenten orientierte Priorisierung zu kurz. Denn es mag aus Unternehmenssicht zwar sehr wohl attraktiv sein, einen bestimmten Interessenten als Neukunden zu gewinnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Interessent auch tatsächlich einen Kaufabschluss beim eigenen Unternehmen tätigt, kann dagegen eher gering ausfallen (Szymanski 1988, S. 66 f.). Dann schlagen sich die Bemühungen zur Neukundenakquisition selbst im Erfolgsfalle in höheren Kosten nieder, die das Potenzial des Interessenten nicht nur herabsetzen, sondern sogar überkompensieren können. Als Konsequenz gibt die Interessentenattraktivität erst in Verbindung mit der jeweiligen Abschlusswahrscheinlichkeit Auskunft auf die Frage, inwiefern eine Investition in die Neukundengewinnung im konkreten Fall Sinn macht. Analog zum Kundenportfolio (Krafft/Albers 2000, S. 519 ff.) kann man die Bewertung der Abschlussattraktivität folglich in Form eines Interessentenportfolios durchführen, welches sich dann aus den zwei Dimensionen der Interessentenattraktivität und der Abschlusswahrscheinlichkeit zusammensetzt. Die Operationalisierung des Interessentenportfolios erfolgt im einfachsten Fall über jeweils ein Kriterium pro Achse. Dies könnte für die Interessentenattraktivität beispielsweise der (geschätzte) jährliche Bedarf des Interessenten an den eigenen Produkten sein

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(Homburg/Daum 1997, S. 65), während man die Abschlusswahrscheinlichkeit etwa aus der Dringlichkeit des Bedarfs folgern kann. Zur Berücksichtigung mehrerer Kriterien pro Achse kann man formal auf Scoring-Modelle zurückgreifen (Diller 1998): Interessentenattraktivität bzw. Abschlusswahrscheinlichkeit werden anhand der wesentlichen Kriterien auf einer einheitlichen Bewertungsskala beurteilt. Der (unter Umständen gewichtete) Durchschnitt der zugewiesenen Werte ergibt den jeweiligen Gesamtwert pro Achse. Mittels der beiden Gesamtwerte lassen sich die Interessenten innerhalb des Portfolios darstellen. Aufgrund methodischer Probleme, des in der pre sales-Phase in aller Regel rudimentären Informationsstandes sowie des mit der Datenbeschaffung einhergehenden Aufwandes ist es dabei zweckmäßig, die Zahl der Kriterien je Achse gering zu halten. Greift man für das Interessentenportfolio auf einen mehrdimensionalen Ansatz zurück (siehe Abb. 3), kann die Beurteilung der Interessentenattraktivität inhaltlich an der Frage ansetzen, inwiefern der jeweilige Interessent dazu beiträgt, die grundsätzlichen Marketingziele des Unternehmens zu erreichen: Marketingziele lassen sich danach unterscheiden, inwiefern sie die interne Sphäre des Unternehmens („Leistungsziele“), die Stellung im Markt („Marktziele“), die Gewinnsituation („Ertragsziele“) oder die Geschäftsbeziehung („Beziehungsziele“) betreffen (Fritz et al. 1985; Diller 1996).

Interessentenportfolio

hoch Fragezeichen

Stars

Verzichtsinteressenten

Mitnahmeinteressenten

Interessentenattraktivität

niedrig niedrig

hoch

Abschlusswahrscheinlichkeit Beitrag zu • Leistungszielen • Marktzielen • Ertragszielen • Beziehungszielen

Abb. 3: Interessentenportfolio

• Abschlussfähigkeit • Abschlussabsicht

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Zu den Leistungszielen von Unternehmen können potenzielle Käufer positiv beitragen – etwa wenn der Interessent über spezifisches Know-how verfügt, das man sich im Falle einer Belieferung (zumindest in Teilen) aneignen kann. Negativ wirkt sich dagegen eine durch den Interessenten bedingte Komplexitätssteigerung (z. B. durch Sonderwünsche) aus, die nicht selten zu Zeit-, Qualitäts- und letztlich Kostenproblemen führt. Bezüglich der Marktziele können Aspekte wie das erwartete Absatz- bzw. Umsatzpotenzial, aber auch die strategische Bedeutung der Akquisition des Kunden für die weitere Bearbeitung des Marktes (z. B. im Sinne eines Referenzkunden bzw. Meinungsführers) von Bedeutung sein. Das Erreichen angestrebter Ertragsziele hängt wesentlich vom Ausmaß des Preisinteresses und der Preisbereitschaft ab. Schließlich gibt die prognostizierte Dauer der Geschäftsbeziehung Auskunft über die Möglichkeiten zur Amortisation der Investitionen in den Neukundengewinnungsprozess. Zudem sichert eine stabile Geschäftsbeziehung die erreichten Markt- und Ertragsziele dauerhaft ab. Die Abschlusswahrscheinlichkeit lässt sich aus der Kaufabschlussfähigkeit und -absicht der Interessenten ersehen: Tatsächlich vollzogene Kaufabschlüsse basieren darauf, dass die Interessenten, insbesondere aber auch deren Kontaktperson(en), zum einen Kaufabschlüsse tätigen können (Hite/Johnston 1997, S. A-4), zum anderen dieses auch tun wollen (Witte 1976, S. 324 f.). Ansonsten verhindern entweder mehr oder minder ausgeprägte Restriktionen die Durchführung von Kaufhandlungen, oder es handelt sich lediglich um ein Potenzial, das jedoch nicht handlungswirksam wird. Ob der Interessent einen Kaufabschluss tätigen kann, lässt sich etwa aus den verfügbaren finanziellen Mitteln ersehen oder aus bestehenden Verträgen schließen, in denen die Abnahme eines analogen Produktes bei einem anderen Wettbewerber mehr oder minder dauerhaft festgeschrieben ist. Speziell bei Unternehmen stellt sich zudem im Hinblick auf die Organisation des Kaufprozesses die Frage, ob einem Kaufabschluss in formaler Hinsicht keine Gründe entgegenstehen, weil es sich beispielsweise bei der Kontaktperson auch um den Entscheider handelt sowie, falls ein Buying Center existiert, dieses bereits ausreichend einbezogen ist. Um den Abschlusswillen von Interessenten beurteilen zu können, benötigt man dagegen Informationen darüber, inwiefern der Interessent speziell beim eigenen Unternehmen einen Kaufabschluss zu tätigen beabsichtigt (etwa weil der Einkäufer bzw. Konsument eine entsprechende Präferenz hat) oder dies nicht vorhat (z. B. weil man mit dem bisherigen Lieferanten zufrieden ist). Auch Informationen darüber, inwiefern ein Kauf getätigt werden muss (z. B. weil die Ersatzanschaffung eines entsprechendes Produktes ansteht bzw. der bisherige Lieferant nicht die erforderlichen Kapazitäten besitzt) oder nicht getätigt werden darf (etwa aufgrund familieninterner Absprachen bzw. unternehmensinterner Vorgaben), lassen entsprechende Rückschlüsse zu (Backhaus 1997, S. 92). Das Interessentenportfolio unterteilt potenzielle Käufer in vier Typen. Anhand dieser Typologie lassen sich grundsätzliche Aussagen zur Steuerung der Vertriebs- und Marketingaktivitäten treffen. So erhält man zunächst Auskunft darüber, wie und mit welcher Priorität mit den Interessenten zu verfahren ist: Aus Unternehmenssicht am interessantesten sind solche Interessenten, die sowohl eine hohe Attraktivität als auch eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit aufweisen („Stars“). Obwohl damit kein „Abschlussauto-

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matismus“ verbunden ist, stehen die Chancen doch überdurchschnittlich gut, diese hochwertigen Interessenten als Neukunden gewinnen zu können. Entsprechend zielführend ist es, sich auf die Bearbeitung dieser Gruppe zu konzentrieren. Auch die Fragezeicheninteressenten sind als Neukunden interessant. Allerdings impliziert die geringe Abschlusswahrscheinlichkeit, dass eine intensive Bearbeitung nötig ist, um den Kaufentscheidungsprozess der Interessenten voranzutreiben und/oder die eigene Position im interessentenseitigen Alternativenfeld der potenziellen Bezugsquellen zu stärken. Dabei kann eine Analyse der einzelnen Aspekte der Abschlusswahrscheinlichkeit helfen, die grundsätzliche Möglichkeit einer weiteren Bearbeitung zu beurteilen sowie den effektivsten Ansatzpunkt dafür zu bestimmen. Insgesamt lassen sich die Mitglieder dieser Gruppe – wenn überhaupt – nur unter Inkaufnahme höherer Kosten zu einem Abschluss bewegen. Diese werden aber angesichts der hohen Attraktivität der Interessenten zumindest in gewissem Umfang gerechtfertigt. Anders verhält es sich mit den Mitnahmeinteressenten. Deren geringe Attraktivität lassen intensive Bemühungen zur Neukundengewinnung nicht angebracht erscheinen. Diese sind jedoch auch gar nicht nötig, da die Wahrscheinlichkeit, dass man die Interessenten dieser Gruppe zu einem Kaufabschluss bewegen kann, bereits relativ hoch ist. Obwohl also zumindest nichts Grundsätzliches gegen die „Mitnahme“ dieser Interessenten spricht, sind die dafür erforderlichen Maßnahmen aufgrund des fehlenden Potenzials der Interessenten speziell auf kurze Sicht am Rentabilitätskriterium auszurichten: Der durch die Interessentenbearbeitung induzierte Aufwand darf den durch den Erstauftrag möglichen Ertrag nicht übersteigen. Bei der letzten Gruppe („Verzichtsinteressenten“) lässt das geringe Interessentenpotenzial in Verbindung mit den intensiven Bemühungen, die zu diesem Zeitpunkt für einen Abschluss erforderlich wären, eine weitere Bearbeitung (vorerst) nicht angebracht erscheinen. Erst in Ermangelung anderer Interessenten bietet sich eine verfeinerte Analyse an, um solche „Grenzgänger“ zu identifizieren, deren Bearbeitung zumindest noch in akzeptabler Weise möglich ist. Das Interessentenportfolio kann nicht nur zur Planung der Neukundenakquise, sondern auch zur Diagnose eingesetzt werden. In Analogie zu entsprechenden Analysen auf Basis des Kundenportfolios (Homburg/Daum 1997, S. 72 ff.) ermöglicht die Beurteilung der Interessenten hinsichtlich der Abschlussattraktivität etwa ein Urteil darüber, inwiefern die Vertriebsmitarbeiter ihre Bemühungen zur Neukundengewinnung auch auf die richtigen Interessenten fokussieren. Dafür kann man beispielsweise die von den einzelnen Mitarbeitern gewonnenen Neukunden oder das von diesen erzielte Auftragsvolumen den vier Kategorien des Interessentenportfolios zuordnen und vor dem Hintergrund des von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlichen Erfolgs bei der Neukundengewinnung interpretieren. Im Falle einer falschen Schwerpunktlegung lassen sich konkrete Maßnahmen für den betroffenen Mitarbeiter entwickeln, um dessen Produktivität zu erhöhen. Das Interessentenportfolio lässt nicht nur statische Analysen zu. Vielmehr kann man zu einer Zeitraumbetrachtung übergehen, indem man auf Basis neu gewonnener Informa-

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tionen die Position der einzelnen Interessenten regelmäßig aktualisiert und so die jeweiligen Positions- und insbesondere Feldwechsel sichtbar macht (Homburg et al. 2009). Aufbauend auf den erkannten und extrapolierten Trends lässt sich der zweckmäßige Zeitpunkt für eine Anpassung der Akquisitionsmaßnahmen ableiten. Speziell die Analyse der zeitlichen Struktur der Veränderungen lässt erfolgskritische Aspekte und Phasen der Interessentenbearbeitung erkennen und macht diese als Folge frühzeitig einer gezielten Einflussnahme zugänglich. Darüber hinaus erlaubt die Verbindung der Informationen über Art und Umfang der bis dato eingesetzten Maßnahmen mit denen über die Veränderung der Abschlusswahrscheinlichkeit des fraglichen Interessenten Rückschlüsse auf die Effektivität der eingesetzten Instrumente. Alles in allem lassen sich auf Basis dieser Informationen „Positivcluster“ (Link/Hildebrand 1993, S. 62) bilden, die die Charakteristika besonders erfolgreich verlaufener Akquisitionsbemühungen wiedergeben und als solche Hinweise auf den idealtypischen Ablauf erfolgreicher Neukundengewinnungsprozesse liefern. Als Ergänzung können analog gebildete Negativcluster mögliche Ursachen erfolglos verlaufener Versuche der Neukundengewinnung aufdecken und abstellen helfen.

3.5

Konversion der Interessenten in Neukunden

Hat man die aus Unternehmenssicht interessanten Verkaufsabschlüsse identifiziert, stellt sich die Frage, wie man diese auch tatsächlich realisieren kann. Da durch vorherige Prüfung bereits sichergestellt ist, dass ein Verkaufsabschluss in dieser Phase nicht daran scheitern kann, dass der Interessent keine wirkliche Kaufabsicht hegt oder kein für seinen Bedarf adäquates Produkt erwerben kann, können aus formaler Sicht zwei Ursachen einen Kaufabschluss verhindern (Futrell 2001, S. 261 ff.): Zum einen können seitens des Interessenten Widerstände gegen einen Kaufabschluss bestehen; diese gilt es abzubauen. Zum anderen kann selbst bei abgebauten Widerständen der Antrieb, den Kauf tatsächlich zu tätigen, nicht in ausreichendem Maße vorhanden sein; in diesem Fall sind geeignete Kaufanreize nötig, um einen Abschluss zu erzielen. Kaufwiderstände können daraus erwachsen, dass der Interessent entweder Zweifel daran hat, dass die angebotenen Produkte für ihn zweckmäßig sind; dieser Aspekt verweist auf das Fehlen einer adäquaten Beratung. Oder dem Interessenten kommen Zweifel daran, dass das anbietende Unternehmen den eigenen Ansprüchen genügt; ursächlich dafür kann ein nicht adäquater Kontaktverlauf in der pre sales-Phase sein. Im Falle eines Interessentenkontaktes, bei dem der potenzielle Neukunde keinen direkten Kontakt zum Personal hat, kann darüber hinaus auch eine ungenügende Umsetzung des Kontaktes, z. B. des Internet-Auftritts, dazu führen, dass der Interessent den Kaufvorgang abbricht, weil er etwa das für seinen Bedarf passende Produkt schlicht nicht findet oder die Erteilung eines Kaufauftrages als zu umständlich empfindet (Zipser 2001, S. 53). Sieht man von der Umsetzungsproblematik ab, besteht das Ziel der Interessentenbearbeitung im Hinblick auf den Abbau der Kaufwiderstände also darin, das interessentenseitig wahrgenommene Risiko durch eine entsprechende Kontaktgestaltung abzubauen,

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zumindest aber unter den individuellen Schwellenwert zu senken, der einen Kaufabschluss verhindert (Backhaus 1997, S. 113). Aus konzeptioneller Sicht beurteilt der Interessent dabei mehr oder minder bewusst und aus seiner subjektiven Perspektive, ob aus inhaltlicher Sicht die für einen möglichen Kauf erforderlichen Informationen vorliegen. Daneben erfolgt die Beurteilung der Informations- bzw. Kaufquelle, also des anbietenden Unternehmens (siehe Abb. 4).

Ursachen des Nicht-Kaufs (zu) hohe Kaufwiderstände Produktrisiko

Problemlösungsorientierte Informationen

Lieferantenrisiko

Qualität der • Ressourcen • Prozesse • Ergebnisse

Interessentenorientierte Informationsvermittlung

Vertrauensbildende Maßnahmen

Beratung

Kontaktgestaltung

(zu) geringer Kaufantrieb Kaufabsicht

Abschlussabsicht

Präferenz-orientierter Marketing-MixEinsatz

Abschlussorientierter Einsatz geeigneter Marketinginstrumente

Marketing-MixKonzeption

Kaufanreize

Aufgabenfelder der Interessentenbearbeitung

Abb. 4: Nicht-Kauf-Ursachen als Ansatzpunkte zur Interessentenbearbeitung Damit der Kunde hinsichtlich seines Informationsstandes kein Risiko wahrnimmt, das gegen einen Kauf spricht, muss das anbietende Unternehmen im Verlauf der pre salesPhase zum einen das erforderliche Ausmaß an nützlichen Informationen vermitteln. Inhaltlich kann dies geschehen, indem man als Anbieter insbesondere darauf achtet, dass der potenzielle Käufer die gewünschte Funktionalität des Produktes erkennt und das finanzielle Risiko nicht als übermäßig empfindet sowie dass man ein eventuell bei diesem bestehendes psychisches Risiko bzgl. der Kaufentscheidung durch geeignete Maßnahmen, etwa durch Rücknahmegarantien oder den Verweis auf Referenzkunden, entsprechend senkt (Kroeber-Riel/Weinberg 1996; Backhaus 1997, S. 113). Darüber hinaus gilt es, darauf zu achten, dass die Informationen nicht nur nützlich, sondern auch vom Interessenten nutzbar sind, d. h. von diesem nachvollzogen werden können.

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Insbesondere bei anspruchsvolleren Produkten bzw. – im Business-to-Business-Bereich – im Falle eines multi-personalen Kaufentscheidungsprozesses, etwa in Form eines Buying Centers, oder bei „produktfernen“ Kontaktpersonen, etwa wenn technische Produkte durch einen kaufmännisch ausgebildeten Einkäufer beschafft werden, tritt dieser Aspekt besonders deutlich zu Tage. Der Abbau möglicher Vorbehalte gegenüber dem potenziellen neuen Lieferanten basiert auf dem Urteil über dessen Fähigkeiten sowie auf der Einschätzung darüber, inwiefern das fragliche Unternehmen eher kundenorientiert ist oder aber seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellt (Saxe/Weitz 1982; Michaels/Day 1985). Der erste Aspekt bezieht sich auf das fachliche Vermögen des Unternehmens, die seitens des Interessenten gewünschten Produkte und Leistungen erwartungskonform zu erbringen. Die Tatsache, dass der potenzielle Lieferant in der Lage ist, die kundenseitigen Ansprüche zu erfüllen, heißt jedoch noch nicht, dass er sein Handeln auch zwingend am Kundeninteresse ausrichtet. Insofern stellt der zweite Aspekt darauf ab, in grundsätzlicher Weise abzuschätzen, inwiefern man dem potenziellen Lieferanten vertrauen kann oder aber davon ausgehen muss, dass dieser sich opportunistisch verhält, falls die Möglichkeit dazu besteht. Der Versuch, den potenziellen Lieferanten zu beurteilen, gründet darauf, dass die Interessenten im Falle einer erstmaligen Auftragserteilung nicht auf das Wissen und die Erfahrungen zurückgreifen können, die sich im Verlaufe einer bestehenden Geschäftsbeziehung nach und nach entwickeln. Da noch keine gesicherten Erkenntnisse über die Produktqualität des potenziellen Lieferanten vorliegen, besitzt diese Beurteilung eine Absicherungsfunktion und ist insofern in hohem Maße erfolgskritisch. Gleichzeitig kommt damit dem Kontaktverlauf in der pre sales-Phase eine zentrale Bedeutung zu. Denn zum einen können Interessenten auftretende Defizite nicht mit Sicherheit als Ausnahme klassifizieren. Zum anderen bietet sich ihnen in dieser frühen Phase in Ermangelung einer fundierten Informationsbasis die Beurteilung auf Basis sichtbarer Kriterien, insbes. gemachter Erfahrungen, an. Als Folge kann die Urteilsbildung in Form eines indikatorgeleiteten Urteilsprozesses ablaufen (Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 298 f.): Die Ausprägung einzelner Aspekte wird verallgemeinert und ersatzweise herangezogen, um den potenziellen Lieferanten zu beurteilen. Entsprechend schlagen Defizite bei den Ressourcen (z. B. mangelhafte Kompetenz der Verkäufer; unübersichtlicher InternetAuftritt), Prozessen (z. B. nicht abgestimmte Kontaktaufnahme durch verschiedene Kanäle/Personen) oder Ergebnissen (z. B. falsches und/oder verspätetes Angebot) negativ bei der Beurteilung des potenziellen neuen Lieferanten zu Buche – und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch des Kaufprozesses. Selbst wenn der Interessent den potenziellen Lieferanten als grundsätzlich geeignet einstuft, die sich aus einer Zusammenarbeit ergebenden Anforderungen hinreichend zu erfüllen, bleibt zunächst offen, ob er auch darauf vertrauen kann, dass das anbietende Unternehmen sich ernsthaft (und dauerhaft) darum bemüht, ihn zufrieden zu stellen, statt sich opportunistisch zu verhalten. In den entsprechenden Beurteilungsprozess gehen dabei verschiedene Einflüsse ein: Zum Vertrauensaufbau beim Interessenten tragen nicht nur Mitarbeiter mit sozialer Kompetenz bei, sondern auch die generelle Vermeidung opportunistischer, insbes. rein auf den eigenen Verkaufsabschluss zielen-

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der Verhaltensweisen. Darüber hinaus können einseitige vertrauensbildende Maßnahmen den Beurteilungsprozess positiv beeinflussen, speziell wenn sie als Antwort auf critical incidents während der Kontaktphase erfolgen. Schließlich lässt sich das Vertrauen auch dadurch auf- und ausbauen, dass man den Kontaktpersonen auf Anbieterseite solche Mitarbeiter gegenüberstellt, die hinsichtlich ihres Status, ihrer Erscheinung und des Lifestyle interessentenähnlich sind (Plötner 1995, S. 162). Um eine möglichst starke Wirkung entfalten zu können, sollten diese vertrauensbildenden Einflüsse eine starke zeitliche Konsistenz aufweisen. Neben dem Abbau der Kaufwiderstände gilt es, die interessentenseitigen Präferenzen im Rahmen der Bearbeitung und beim Einsatz von Kaufanreizen in adäquater Weise zu berücksichtigen: Hat das anbietende Unternehmen das seitens des Interessenten wahrgenommene Risiko in ausreichendem Maße gesenkt, folgt daraus nicht zwingend ein Kaufabschluss. Vielmehr entscheidet in diesem Fall die Kaufabsicht des Interessenten darüber, ob dieser tatsächlich einen Abschluss tätigt. Insofern geht es bei der Interessentenbearbeitung zunächst grundsätzlich darum, die Kaufabsicht zu steigern. Dazu ist es von Bedeutung, die Präferenzen des Interessenten hinsichtlich des Produktes sowie der Kontaktgestaltung in Erfahrung zu bringen und in die Angebotserstellung und -unterbreitung zu integrieren. So lassen sich auf dieser Basis etwa Art, Anzahl und Reihenfolge der eingesetzten Kontaktkanäle präzise auf den spezifischen Interessenten ausrichten (Link/Hildebrand 1993, S. 65 ff.). Gleichermaßen liefern diese Informationen aber auch dem Außendienst eine konkrete Hilfestellung für den Aufbau der Verkaufspräsentation. Trotz präferenzkonformer Bearbeitung des Interessenten kann es jedoch sein, dass sich dieser nicht (unmittelbar) zu einem Kauf entschließen kann, sich der Verkaufsabschluss damit also nicht „von selbst“ ergibt. Als Konsequenz ist es zweckmäßig zu ermitteln, welche Anreize bei dem jeweiligen Interessenten am wirkungsvollsten sind. Darauf aufbauend kann ein in den verschiedenen Instrumentalbereichen entsprechend modifiziertes Angebot entwickelt werden, welches grundsätzlich zum Einsatz kommt (z. B. Rabatt bei Online-Bestellung) oder bei Bedarf zur Verfügung steht (z. B. interessentenspezifische Produktmodifikation). Diese Informationen lassen sich ebenfalls bei der Vorbereitung und Durchführung der Verkaufsverhandlungen nutzen – etwa um das Ausmaß sinnvoller, d. h. vor dem Hintergrund der Interessentenattraktivität vertretbarer, Preisnachlässe zu bestimmen.

3.6

Interessentenmanagement als permanente Aufgabe des CRM

Um die skizzierten informations- und aktionsseitigen Aufgaben effektiv und effizient erfüllen zu können, muss man systematisches Interessentenmanagement als permanenten Prozess verstehen: Das Ziel des Interessentenmanagements als Baustein des CRM besteht im Kern darin, über den Aufbau interaktiver Beziehungen zu Interessenten diese mit ihren Bedürfnissen zunehmend besser zu verstehen und zu befriedigen. Analog zu

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sog. Kundenorientierten Informationssystemen (Link 2000, S. 36 ff.) bedeutet dies auf der Informationsseite die kontinuierliche IT-gestützte Sammlung, Verarbeitung, Auswertung und entscheidungsorientierte Aufbereitung interessentenspezifischer Informationen. Aktionsseitig unterstützen die im Rahmen des Interessentenmanagements bereitgestellten Informationen die Neukundengewinnung während der gesamten pre salesPhase – sowohl im Hinblick auf die Planung und Umsetzung als auch bzgl. der Kontrolle und Steuerung segmentspezifischer, nicht selten sogar interessentenindividueller Strategien. Die Phasen des Interessentenmanagement-Kreislaufs lassen sich aus den vorgestellten Teilaufgaben ableiten (siehe Abb. 5): Sammlung und Analyse der relevanten Daten bilden den Ausgangspunkt, um Interessenten identifizieren, priorisieren und segmentieren zu können. Das IT-System unterstützt das Interessentenmanagement dabei durch eine integrierte und flexible Datenhaltung (z. B. in Form eines Data Warehouse) sowie durch die Ermittlung interessentenspezifischer Profile und Zuordnungen zu ermittelten Interessentensegmenten, etwa durch Data Mining (Zipser 2001, S. 39 ff.).

Prozess des Interessentenmanagements Lernen, Anpassen, Verfeinern

Datensammlung und -analyse

Individuelle Interessentendaten Response Tracking und Controlling

Grunddaten Potenzialdaten Aktionsdaten

Interessentenidentifizierung, -priorisierung und -segmentierung

Reaktionsdaten DATABASE Kontaktgestaltung; Umsetzung und Koordination der CRM-Maßnahmen

Marketingplanung; Design CRM-Maßnahmen

Abb. 5: Prozess des Interessentenmanagements Aufbauend auf dem Wissen über die Interessenten können in der nächsten Phase spezifische Neukundengewinnungsstrategien entwickelt werden. Im Fokus steht hier die Planung der Interessentenbearbeitung. Dafür muss speziell die Kontaktstrategie (unter

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Integration unterschiedlicher Vertriebs- und Kommunikationskanäle) festgelegt und ein geeignetes Angebot konzipiert werden. In der folgenden Phase erfolgt die über alle Maßnahmen und Kanäle hinweg koordinierte Umsetzung der entwickelten Konzepte unter Berücksichtigung sämtlicher Interessentenschnittstellen. Insbesondere gilt es dabei zu gewährleisten, dass der Dialog mit dem Interessenten genau dort aufgenommen und fortgesetzt wird, wo er (unabhängig vom eingesetzten Kontaktkanal) beim letzten Mal geendet hat (Link 2001a, S. 15). Zudem sind an dieser Stelle speziell Sales Force Automation und Computer Aided Selling von besonderer Bedeutung für die Steigerung von Verkaufseffektivität und -effizienz (Hermanns 2001) und daher möglichst nahtlos in das Interessentenmanagement zu integrieren. Im Falle eines Verkaufsabschlusses erfolgt die Übergabe der Auftrags- und Kundendaten in die bestehenden Auftragsmanagement- und Fakturierungssysteme. Im Anschluss an die Umsetzung der Konzepte erfolgt in der Phase des Response Tracking und Controlling die Kontrolle und Steuerung der eingeleiteten Maßnahmen. Dies ist zum einen auf „klassische“ Art und Weise möglich, indem geeignete Kennzahlen und Ergebnisgrößen, beispielsweise von Kontaktkosten oder Responsekosten und -quoten (Homburg/Sieben 2000, S. 477), ermittelt und als Ausgangspunkt für Steuerungsimpulse und neue Planungen herangezogen werden. Zum anderen lassen sich die Möglichkeiten des Electronic Customer Relationship Management (eCRM) nutzen. Dieses integriert direkte, elektronische Interaktionskanäle, z. B. Online-Angebote, mobile Mehrwertdienste etc., in das „traditionelle“ CRM-Konzept und zeichnet sich durch interessenteninitiierte Interaktionen und eine automatisierte Personalisierung von Inhalten und Produktangebot aus. Dies bedeutet, dass der Einsatz aller Instrumente im Rahmen des eCRM auf der Grundlage eines Informations- und Entscheidungssystems beruht, welches weitgehend automatisiert und selbststeuernd implementiert ist (Pritchard/Cantor 2000, S. 170 ff.; Strauß 2001, S. 351). Die Bündelung aller bei der Interessentenbearbeitung gemachten Erfahrungen erlaubt eine integrierte Informationsrückkopplung, auf deren Basis schließlich sowohl die bis dato genutzten Daten und Analysemethoden als auch die darauf beruhenden Ergebnisse sukzessive überprüft, angepasst und verfeinert werden (Wolf 2002, S. 91). So kann man die besonders effizienten Prozesse der Neukundengewinnung als Benchmark denjenigen gegenüberstellen, bei denen ein erhöhter Ressourceneinsatz erforderlich war, um so Rückschlüsse auf vorhandene Schwachstellen und Effizienzpotenziale ziehen zu können. Ebenfalls kann man die Bearbeitung und die Verlaufsformen der pre salesPhase von späteren Käufern und Nicht-Käufern vergleichen und erhält wertvolle Hinweise auf diskriminierende Merkmale und erfolgsträchtige Bearbeitungsmuster. Auf Basis dieser Informationen lassen sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der pre sales-Phase – nach und nach verfeinerte – Prognosen über den Erfolg der Neukundengewinnungsprozesse aufstellen und geeignete (Gegen-)Steuerungsmaßnahmen ergreifen. Insgesamt führt das Interessentenmanagement damit zu einer permanenten Verbesserung der Neukundengewinnung im Sinne eines lernenden Systems.

Interessentenmanagement

3.7

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Interessentenmanagement als integraler Bestandteil des CRM

Das Interessentenmanagement stellt zwar einen eigenständigen, jedoch keinen isolierten Aufgabenbereich dar. Denn es kann seine Wirkung erst dann voll entfalten, wenn es als integraler Bestandteil des CRM konzipiert und als Konsequenz sowohl mit dem Kundenmanagement als auch mit dem Verkauf möglichst eng verzahnt ist. Betrachtet man die Verzahnung innerhalb des Kundenmanagements, kann das Interessentenmanagement sowohl die Aufgabe der Kundenbindung als auch jene der Kundenrückgewinnung unterstützen (Moutot/Bascoul 2008): Für das Beziehungsmarketing liefert das Interessentenmanagement zunächst die gesamte Informationsbasis, die am Anfang der Kundenbeziehung über den neuen Kunden zur Verfügung steht. Daraus kann man nicht nur inhaltliche Ansatzpunkte für die weitere Bearbeitung identifizieren (z. B. Bedarfszyklus, Komplementärprodukte und -services, Kontaktpräferenzen), sondern auch deren Umfang gemäß der im Rahmen der Interessentenbewertung vorgenommenen (vorläufigen) Attraktivitätsbeurteilung adäquat festlegen. Mit Blick auf das Recovery Management weist die Aufgabe der Kundenwiedergewinnung eine starke Ähnlichkeit zu derjenigen des Interessentenmanagements auf (Büttgen 2003, S. 62 ff., S. 70). Entsprechend kann es die Informationen zur erfolgreichen Erstkundengewinnung unmittelbar für die eigenen Zwecke nutzen. Speziell für einen spezifischen verlorenen Kunden dokumentieren dessen individuelle Daten aus der pre sales-Phase einen bereits schon einmal erfolgreich verlaufenen Kundengewinnungsprozess und zeigen dadurch erfolgsträchtige Maßnahmenbündel für dessen Rückgewinnung auf. Beziehungsmarketing und Recovery Management können aber auch das Interessentenmanagement unterstützen: Bei den vorhandenen Kunden kann man die pre sales-Phase vor Folgeaufträgen analysieren. Insbesondere dann, wenn es sich nicht um reine Wiederholungskäufe handelt, sondern der Versuch des Cross Selling unternommen wird, dürfte die Aufgabenstellung – zumindest in Grundzügen – mit derjenigen des Interessentenmanagements vergleichbar sein. Gleichwohl lassen sich als Folge der bestehenden Geschäftsbeziehung ungleich umfassendere und präzisere Informationen über den Kunden gewinnen. Daraus kann man etwa ersehen, welche Merkmale besonders relevant für eine Aussage über die Abschlusswahrscheinlichkeit sind. Daneben lässt sich anhand des tatsächlichen Beitrags des Kunden zu den Unternehmenszielen bestimmen, inwiefern die Attraktivität des Interessenten korrekt beurteilt wurde. Auf solchen Informationen aufbauend, lässt sich die Interessentenbewertung nach und nach verbessern und verfeinern (z. B. Verfeinerung des Bewertungsansatzes und der Kriteriengewichtung; Aufnahme/Eliminierung von Kriterien). Analoges gilt für die Informationen, die durch das Recovery Management gewonnen werden. Durch die analoge Aufgabenstellung können diese die Wissensbasis des Interessentenmanagements unmittelbar anreichern. Auch Interessentenmanagement und Verkauf profitieren wechselseitig von einer engen Verzahnung: Nicht nur im Business-to-Business-Bereich, sondern auch auf vielen Busi-

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ness-to-Consumer-Märkten ist es häufig der Verkäufer, der letztlich mit dem Interessenten über die Auftragsvergabe verhandelt. Dabei kann das Interessentenmanagement insofern eine hilfreiche Vorarbeit für den Verkäufer leisten, als es Informationen über bestehende Kaufmotive und -widerstände sowie über die interessentenseitig bestehenden Entscheidungsstrukturen systematisch zusammenstellt und analysiert. Diese kann der Verkäufer bei seinen Verkaufsgesprächen berücksichtigen. Durch den persönlichen Kontakt kommt andererseits aber gerade dem Verkaufspersonal eine herausragende Rolle bei der Beschaffung von Interessenteninformationen sowie der Beurteilung von Effektivität und Effizienz der Interessentenbearbeitung zu (Kreutzer/Ernd 1991, S. 617 f.). Somit kann die planvolle Erfassung dieser Daten innerhalb des Interessentenmanagements dessen Wirksamkeit nachhaltig verbessern. Mit Blick auf den konkreten Verkaufsprozess gilt es daran zu denken, dass die Informationen, die das Interessentenmanagement dem Verkäufer zur Verfügung stellen kann, nicht hinreichend sind. Vielmehr benötigen die Verkaufsmitarbeiter noch vielfache andere Informationen zur Aufgabenerfüllung. So erfordert die Planung und Durchführung eines effektiven Verkaufsgesprächs neben den Interessenteninformationen auch situations-, produkt- und wettbewerbsbezogene Informationen sowie die Zielvorgaben der Verkaufsleitung (Link/Hildebrand 1993, S. 104 f.). Entsprechend gilt es, für eine aufgabenadäquate Bereitstellung dieser Daten Sorge zu tragen. Denn Erfolg und Misserfolg bei der Neukundengewinnung – und damit des Interessentenmanagements – lassen sich erst vor dem Hintergrund dieser Informationen wirklich vollständig beurteilen.

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Schlussbetrachtung

Für Unternehmen stellt die Neukundengewinnung eine wichtige, gleichzeitig aber auch kostenträchtige Aufgabe dar. Um diese gleichermaßen effektiv wie effizient zu lösen, bedarf es aussagekräftiger Informationen und einer präzisen interessentenorientierten Bearbeitung, wie sie ein in das CRM eingebundenes Interessentenmanagement ermöglichen kann. Dass dies auch in der Unternehmenspraxis erkannt wurde, dokumentieren die zahlreichen Softwarelösungen (z. B. von SAP, Siebel, Aprimo etc.), die für dieses Betätigungsfeld inzwischen angeboten werden und die über alle Anbieter hinweg dabei helfen sollen, wertvolle Interessenten zu identifizieren, gezielt anzusprechen und als Neukunden zu gewinnen. Allerdings scheinen die Kenntnisse über die zweckmäßige Gewinnung und Analyse relevanter Interessenteninformationen bei vielen Unternehmen bisher unzureichend zu sein. Zudem besteht durch die sich bietenden informationstechnologischen Möglichkeiten die Gefahr, alles zu machen, was man kann, statt sich innerhalb des CRM auf ein zweckmäßiges Konzept des Interessentenmanagements zu konzentrieren. Bei der Frage, wie ein solches Konzept inhaltlich aussehen kann, erfährt die Praxis durch die Wissenschaft bisher allerdings nur wenig Unterstützung.

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Angesichts der praktischen Relevanz und des vorhandenen Forschungsdefizits wurde im vorliegenden Beitrag ein ganzheitliches, in das CRM integriertes Konzept des Interessentenmanagements entwickelt. Demnach ist es aus Praxissicht zum einen ratsam, speziell solche Informationen zu generieren, die Auskunft über die Attraktivität der Interessenten und über deren Abschlusswahrscheinlichkeit geben. Zum anderen sind Informationen über Treiber und Barrieren von Kaufprozess und Abschlussentscheidung nötig. Auf Basis der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse lassen sich die Interessenten priorisieren und gemäß ihrer Priorität effektiv bearbeiten, indem man dabei auf die individuellen oder segmentspezifischen Kaufwiderstände und Präferenzen abstellt. Die Bearbeitung muss sich dabei nicht zwingend auf die hochwertigsten Interessenten beschränken. Denn durch den intelligenten Einsatz informationstechnologischer Lösungen können über den richtigen Grad an „Entpersonalisierung“, d. h. Substitution von Personal durch Technologie, selbst Interessenten mit geringer Attraktivität bzw. Abschlusswahrscheinlichkeit profitabel bearbeitet werden (Brown/Brucker 1987, S. 186; Lichtenthal et al. 1989, S. 15 f.; Gerth 2001, S. 105 f.). Aus wissenschaftlicher Sicht liegt mit dem entwickelten Konzept der Versuch vor, einen Beitrag zum besseren Verständnis der erfolgsrelevanten Aspekte in der pre salesPhase zu leisten. Die Erfolgswirkungen sind bisher jedoch lediglich theoretisch postuliert. Auch sonst existieren kaum empirische Befunde zu Ablauf und Erfolg des Interessentenmanagements. Insofern besteht zunächst weiterer Forschungsbedarf in der Frage, welche Informationen die Unternehmen wie nutzen, um die Aufgabe der Neukundengewinnung möglichst erfolgreich lösen zu können. Von größerem Interesse dürfte allerdings sein, wodurch sich unternehmensseitig unterschiedlicher Erfolg in der Neukundengewinnung erklärt. Die dazu erforderlichen (empirischen) Analysen könnten auf der im vorliegenden Beitrag vorgeschlagenen Systematik aufbauen.

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Matthias H. J. Gouthier

Neukundenmanagement 1

Neukundenmanagement – Eine vernachlässigte Aufgabe des CRM

2

Neukundenmanagement als Teilfunktion des Kundenbindungsmanagements 2.1 Definition eines Neukunden 2.2 Definition und Faktoren der Kundenbindung 2.3 Definition von Neukundenmanagement und dessen Einordnung in das Kundenbindungsmanagement

3

Geschäftsbeziehungen zu Neukunden 3.1 Der Einstieg in eine neue Geschäftsbeziehung 3.2 Besonderheiten von Geschäftsbeziehungen zu Neukunden

4

Das Management von Neukundenbeziehungen 4.1 Notwendigkeit eines Neukundenmanagements 4.2 Ziele des Neukundenmanagements 4.3 Maßnahmen des Neukundenmanagements 4.3.1 Überblick 4.3.2 Aspekte der Produktpolitik und des Qualitätsmanagements im Rahmen des Neukundenmanagements 4.3.3 Zufriedenheitsmanagement bei Neukunden 4.3.4 Signaling-Maßnahmen bei Neukunden 4.4 Kontrollaspekte im Rahmen des Neukundenmanagements 4.4.1 Überprüfung der Zielerreichung des Neukundenmanagements 4.4.2 Identifikation von Neukundenproblemen 4.5 Implementierung des Neukundenmanagements

5

Fazit

Anmerkungen Literaturverzeichnis

1

Neukundenmanagement – Eine vernachlässigte Aufgabe des CRM

Die Grundvoraussetzung für das Überleben eines jeden For-Profit-Unternehmens ist die kontinuierliche Sicherstellung einer genügend großen Anzahl an Käufern des eigenen Produkts bzw. der eigenen Dienstleistung. Dabei kommt es nicht nur auf eine erfolgreiche Akquisition von Neukunden an, sondern die Bindung selbiger spielt gleichermaßen eine zentrale Rolle (Farquhar/Panther 2008, S. 9). Unternehmen legen zwischenzeitlich genauso viel Wert auf die Bindung der aktuellen Kunden als auf die Gewinnung neuer Kunden (Stauss 2000, S. 15), da sich mittels Kundenbindung diverse positive Effekte erzielen lassen. So zeigen Studien, dass die Kosten der Kundenbindung deutlich unter den Akquisitionskosten liegen, der Gewinn eines Kunden mit der Dauer der Kundenbeziehung steigt und sich durch das ständige Feedback neue Marktchancen eröffnen (siehe z. B. Reichheld/Sasser 1991; kritisch äußern sich hierzu u. a. Reinartz/Krafft 2001; Reinartz/Kumar 2000). Daher stellt die Bindung von Kunden ein zentrales (psychographisches) Ziel vieler Unternehmen dar (Bruhn 2009, S. 3; Diller 1996, S. 81; Homburg/Bruhn 2005, S. 17; Meffert 2005, S. 147 ff.). Entsprechend der generellen Unterscheidung von Kundenakquisition und Kundenbindung findet sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft zumeist eine Dichotomisierung des Kundenstatus in Interessenten, die es zu gewinnen gilt, und Stammkunden, die es zu halten gilt, statt. Der Typ des Neukunden, der zum ersten Mal einen Kauf tätigt, und nunmehr in eine neue Geschäftsbeziehung „startet“, wird bislang in den wenigsten Fällen explizit behandelt [1]. Dies ist verwunderlich, da die Neukundenphase einen äußerst kritischen Abschnitt im Lebenszyklus einer Kundenbeziehung darstellt, die einerseits mit Startkosten für das Unternehmen verbunden ist, andererseits im Allgemeinen noch nicht zu kostendeckenden Erlösen führt (Bruhn 2009, S. 63). Kommt es in dieser Phase zu einem Abbruch der Beziehung, ist eine Amortisation der unternehmerischen Investitionen, die bisher in die Kundenbeziehung getätigt wurden, nicht mehr möglich (Homburg/Schnurr 1999, S. 18 f.). In dieser frühen „Phase entscheidet sich, ob es zu einer länger andauernden Kundenbeziehung kommt“ (Homburg/Schnurr 1999, S. 18), weshalb gerade der Einstieg eines Neukunden in eine Geschäftsbeziehung durch das Unternehmen aufmerksam begleitet und gesteuert werden sollte (Kenning 2002, S. 93). Es gilt, den Kunden in der Richtigkeit seiner Entscheidung zu stärken, kognitive Dissonanzen abzubauen bzw. zu beseitigen, Zufriedenheit zu schaffen und den Vertrauensaufbau zu unterstützen (Braekler/Wortmann 2008, S. 765; Holland 2009, S. 609 ff.; Koufaris/Hampton-Sosa 2004; Schrick 2000, S. 479). Letztlich wird hiermit der Grundstock für den Aufbau einer stabilen Geschäftsbeziehung und folglich der Bindung der Kunden gelegt. Da somit das übergeordnete Ziel des Neukundenmanagements darin gesehen werden kann, das Fundament für den Aufbau einer stabilen Geschäftsbeziehung und der Kundenbindung zu legen, lassen sich die diversen theoretischen Forschungsrichtungen und -ansätze, die Erklärungen liefern, wieso es zur Kundenbindung kommen kann, somit

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_13, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

376

Matthias H. J. Gouthier

auch sinnvoll im Kontext des Managements von Neukundenbeziehungen anwenden. Zu diesen zählen u. a. die soziale Austauschtheorie (siehe z. B. Thibaut/Kelley 1959), die Interaktionsansätze, lerntheoretische Ansätze wie Verstärkungslernen, die Risikotheorie (z. B. Jacoby/Kaplan 1972), die Dissonanztheorie (z. B. Festinger 1957), die Transaktionskostentheorie (siehe z. B. Williamson 1979) und das Nachkaufmarketing (siehe z. B. Hansen/Jeschke 1992; 2001). Es stellt sich hierbei die Frage, ob für ein Neukundenmanagement andersartige Überlegungen anzustellen sind als für ein Kundenbindungsmanagement generell bzw. für ein Stammkundenmanagement. Da sich Geschäftsbeziehungen entwickeln, verändern sich im Zeitablauf auch die Anforderungen an ein Kundenbeziehungsmanagement bzw. Kundenbindungsmanagement (Georgi 2000; Diller/ Müllner 1998, S. 1234). So belegen Studien, dass speziell zwischen Neukunden und Stammkunden für ein Bindungsmanagement relevante Unterschiede existieren. Beispielsweise zeigen Mittal/Katrichis (2000) in ihren Studien, dass die Zufriedenheitsurteile von Neukunden auf anderen Kriterien als die von Stammkunden basieren. Zudem weist Bolton (1998) darauf hin, dass die Kundenzufriedenheit bei Stammkunden einen größeren Einfluss auf die Dauer der Geschäftsbeziehung ausübt als bei Neukunden. Diese beiden Studien geben erste Hinweise darauf, dass es einer spezifischen Betrachtung des Neukundenmanagements bedarf. Der Kundenstatus – Interessent, Neukunde und Stammkunde – bzw. die Geschäftsbeziehungsdauer sollte folglich als Segmentierungskriterium herangezogen und entsprechende Implikationen sollten für die Gestaltung des Beziehungsmanagements abgeleitet werden (siehe auch Diller/Müllner 1998, S. 1234). In der Literatur zum Kundenbeziehungsmanagement, Kundenbindungsmanagement und Customer Relationship Management findet jedoch noch immer so gut wie keine konzeptionelle Auseinandersetzung mit der unternehmerischen Aufgabe des Managements von Neukundenbeziehungen statt [2]. So fehlt ein Ansatz, der unter expliziter Berücksichtigung der Besonderheiten von Neukundenbeziehungen, ein Neukundenmanagement mit spezifischen Instrumenten systematisch zusammenstellt und dessen Eignung zum Aufbau einer Geschäftsbeziehung und der erstmaligen Bindung der Neukunden an das Unternehmen diskutiert. Das Ziel dieses Beitrags besteht dementsprechend darin, unter Bezugnahme auf die Besonderheiten von Neukundenbeziehungen, ein systematisches Neukundenmanagement-Konzept zu entwickeln. Dazu wird nach einer Begriffsfassung von Neukunden (Kapitel 2.1) auf die Definition und die Faktoren von Kundenbindung näher eingegangen (Kapitel 2.2). Hieran anknüpfend lässt sich das Management von Neukundenbeziehungen definieren und als spezielle Teilfunktion in das Kundenbeziehungsmanagement und speziell das Kundenbindungsmanagement einordnen (Kapitel 2.3). Um zu erörtern, ob und welche Besonderheiten ein Neukundenmanagement im Vergleich zu einem Bindungsmanagement von Stammkunden aufweisen sollte, ist sodann zu analysieren, welche Spezifika mit dem Aufbau von Geschäftsbeziehungen aus der Perspektive der Kunden verbunden sind. Daher setzt sich Teil 3 mit dem Aufbau von Geschäftsbeziehungen (Kapitel 3.1) und den grundlegenden Besonderheiten von Geschäftsbeziehungen zu Neukunden (Kapitel 3.2) auseinander. Diese Eigenschaften dienen als Grundlage für die Ableitung entsprechender Implikationen für ein Neukundenmanagement. Das Neu-

Neukundenmanagement

377

kundenmanagement spielt jedoch nicht in jedem Falle eine gleich wichtige Rolle für Unternehmen. Daher wird zunächst betrachtet, in welchen Fällen ein Neukundenmanagement besonders von Relevanz ist (Kapitel 4.1). Im Anschluss hieran werden die Ziele (Kapitel 4.2), Maßnahmen (Kapitel 4.3), Kontrollaspekte des Neukundenmanagements (Kapitel 4.4) und Implementierungsüberlegungen (Kapitel 4.5) aufgezeigt. Der Beitrag endet mit einem kurzen Fazit (Teil 5).

2

Neukundenmanagement als Teilfunktion des Kundenbindungsmanagements

2.1

Definition eines Neukunden

Der Begriff des Kunden taucht in Deutschland im 16. Jahrhundert erstmals im kommerziellen Sinne auf. Ein Kunde ist, „wer (regelmäßig) ein Geschäftsangebot wahrnimmt, einen Laden, Dienstleistungsbetrieb (wiederholt) in Anspruch nimmt“ (Pfeifer 1997, S. 744). Er bildet die (potenzielle) Marktpartei auf der Nachfrageseite eines Marktes (Diller 2001a) und zeichnet sich dadurch aus, dass er Geld an das Unternehmen im Tausch gegen dessen Produkte bzw. Leistungen liefert (Simon 1981, S. 59). Dabei stellt der Erstkauf und damit die Aufnahme der Geschäftsbeziehung den Übergang vom Interessenten- zu einem Neukundenstatus dar (Diller/Kusterer 1988, S. 211; Stauss 2000, S. 16; Stauss/Seidel 2002, S. 24) [3]. Von Relevanz ist des Weiteren die Unterscheidung der Begriffe des Käufers und des Kunden. Nötzel (1979, S. 392) sieht den Unterschied zwischen den Begriffen in der Regelmäßigkeit des Vollzugs von Kaufakten. Dementsprechend ist für ihn ein Kunde ein regelmäßiger Käufer im Sinne eines Stammkunden. Folglich werden als Neukunden nur solche Kunden in die Betrachtung mit einbezogen, die eine (mittel- bis langfristige) Geschäftsbeziehung anstreben. Wichtig ist, dass es nicht bei einer einmaligen Transaktion bleibt, sondern dass es zu mehreren, über einen Zeitraum hinweg miteinander verknüpften Transaktionen kommt, die einem planmäßigen und nicht zufälligen Muster folgen, was letztlich als Beziehung bezeichnet wird (Gundlach/Murphy 1993, S. 36; Liljander/Strandvik 1995; Plinke 1989, S. 307). Während die Unterscheidung zwischen einem Interessenten und einem Neukunden hiermit relativ unproblematisch ist, gestaltet sich die Grenzziehung zwischen einem Neukunden und einem Stammkunden sehr schwierig. Stammkunde im Sinne von Nötzel (1979, S. 392) ist wie oben bereits dargelegt ein Käufer, der regelmäßig bei einem Anbieter das Produkt bzw. die Dienstleistung in Anspruch nimmt. Damit ist indes noch nicht geklärt, wie viele Folgekäufe in welchem Zeitraum ein Kunde tätigen muss, um als Stammkunde zu gelten. Diese Frage ist pauschal auch nicht zu lösen, sondern hängt insbesondere vom konkreten Produkt bzw. von der jeweiligen Dienstleistung ab. So kann z. B. ein Käufer, der innerhalb von fünf Jahren zum zweiten Mal ein Auto einer bestimmten Marke erwirbt, und insbesondere in der Zwischenzeit die Serviceleistungen

378

Matthias H. J. Gouthier

des Händlers in Anspruch nimmt, als Stammkunde angesehen werden. Solch ein Verständnis liegt auch dem Relationship Marketing-Ansatz der Firma LOEWE zugrunde. Demnach wird ein Neukunde durch den erstmaligen Wieder- bzw. Folgekauf, der innerhalb von wenigen Tagen oder mehreren Jahren erfolgen kann, zum Stammkunden („Commited Customer“; Hupp 2000, S. 65). Dagegen lässt sich ein Käufer, der zweimal in einem Jahr die gleiche Fernsehzeitschrift gekauft hat, noch lange nicht als Stammkunde bezeichnen. Alternativ zur Kaufhäufigkeit könnte auch ein ökonomischer (Grenz-)Wert definiert werden. Dies wäre in statischer Hinsicht der periodenbezogene Kundendeckungsbeitrag und in dynamischer Hinsicht der Customer Lifetime Value (Bruhn 2009, S. 61). Gerade bei formalisierten Geschäftsbeziehungen, die auf Mitgliedschaften beruhen, wie z. B. im Falle von Fitnessstudios, Kreditinstituten, Lebensversicherungen und Buchclubs, ist es zudem denkbar, statt von der Häufigkeit der Leistungsinanspruchnahme oder einem (monetären) Beziehungsintensitätswert von einer bestimmten Beziehungsdauer auszugehen, nach der ein Neukunde zu einem Stammkunden wird [4]. Auch Diller (2001a) verfolgt diesen Ansatz, wenn er Kunden dann zu den Stammkunden rechnet, wenn diese nicht zufällig bereits seit mehreren Perioden zu den Kunden zu zählen sind. Allerdings geht auch aus dieser Definition keine konkrete Zeitdauer hervor. Generell lässt sich konstatieren, dass die Neukundenphase bei Standardgütern bzw. -leistungen wie Konsumgüterartikeln des täglichen Gebrauchs sehr kurz ausfallen kann, dagegen bei (mitgliedschaftsähnlichen) Individualleistungen wie Bankdienstleistungen von einem ausgedehnten Zeithorizont ausgegangen werden kann. Im Folgenden seien zur Verdeutlichung einige Beispiele aus der Unternehmenspraxis genannt. So setzt der Online-Broker Consors drei Monate für die Neukundenphase an (Fichtel 2002, S. 21). Beim Club Bertelsmann dauert die Neukundenphase dagegen ein Jahr, da nach diesem sich die Mitgliedschaft automatisch um ein Jahr verlängert, wenn keine fristgerechte Kündigung erfolgt (Brosius et al. 2002, S. 267). Mittal/Katrichis (2000, S. 30 f.) berichten im Rahmen einer Studie bei einem Kreditkarten-Unternehmen auch von einer Zeitdauer von einem Jahr. Dieser Zeithorizont wurde gewählt, da im ersten Jahr die Wechselrate der Kunden am höchsten ist. Danach trete eine gewisse Stabilisierung ein (Mittal/Katrichis 2000, S. 32). Die genannten Beispiele zeigen, dass abhängig von der Branche und den Kundenbeziehungen – hierbei spielt insbesondere die Frage, wie schnell sich Kunden gegenüber dem Unternehmen loyal zeigen und gebunden sind, eine wichtige Rolle – sich unterschiedliche Zeiträume finden, die zur Terminierung der Neukundenphase gewählt werden. Im Mittel bewegen sich diese jedoch in einem Zeitrahmen von drei Monaten bis zu einem Jahr.

2.2

Definition und Faktoren der Kundenbindung

Die Liste von Abhandlungen zum Thema der Kundenbindung und des Kundenbindungsmanagements ist lang. Es gibt eine fast unerschöpfliche Zahl an Beiträgen zur Definition von Kundenbindung, zu deren Elementen, beeinflussenden Faktoren und theoretischen Erklärungsansätzen. Bis heute existiert jedoch noch immer keine einheitliche

Neukundenmanagement

379

und allgemeingültige Definition von Kundenbindung. Abhängig vom jeweiligen Kontext, z. B. Business-to-Business-Bereich versus Business-to-Consumer-Bereich oder Anbieter- versus Kundenperspektive, können verschiedenartige definitorische Ansätze durchaus ihre jeweilige Existenzberechtigung haben (Eiriz/Wilson 2006). Da im Mittelpunkt dieses Beitrags die Betrachtung von Besonderheiten eines Neukundenmanagements steht, das auf den Spezifika von Neukundenbeziehungen und des Verhaltens von Neukunden beruht, ist insbesondere die kundenbezogene Perspektive der Kundenbindung von Relevanz, weshalb im Folgenden eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive bzw. eine verhaltenswissenschaftlich geprägte Definition von Kundenbindung gewählt wird. Demnach wird unter Kundenbindung „ein psychisches Konstrukt der Verbundenheit oder Verpflichtung [Hervorhebungen im Original] einer Person gegenüber einer anderen Person oder einem Unternehmen verstanden“ (Weinberg/Terlutter 2005, S. 46) [5]. Die Gebundenheit von Kunden, die vertraglich, technisch oder auch ökonomisch begründet sein kann (siehe Georgi 2000, S. 49; Homburg/Bruhn 2005, S. 10 f.; Meyer/Oevermann 1995), wird folglich aus der weiteren Diskussion ausgeklammert. Damit wird auch der in der Literatur des Öfteren anzutreffenden Empfehlung gefolgt, idealerweise eine freiwillige Bindung zu schaffen bzw. auszubauen (Dick/Basu 1994; Diller 1996, S. 89; Homburg/Bruhn 2005, S. 11). Um bei den Kunden eine derartige Verbundenheit zu erreichen, die sich letztlich in einer zustimmenden Bindung (Loyalität) niederschlägt, bedarf es zum einen der Schaffung von Zufriedenheit, zum anderen von Vertrauen (Bliemel/Eggert 1998, S. 39 ff.) [6]. Neukunden sollen sich damit im Laufe der weiteren Geschäftsbeziehung von einem Erstkäufer („Purchaser“), über einen Klient („Client“), Unterstützer („Supporter“), Advokat („Advocate“) letztlich zu einem Partner des Unternehmens entwickeln [7]. Dementsprechend wird in den folgenden Absätzen auf die Konstrukte der Kundenzufriedenheit und des Vertrauens näher eingegangen. Die Kundenzufriedenheit stellt einen zentralen Einflussfaktor der Kundenbindung dar (Giering 2000; Hermann/Johnson 1999; Homburg/Krohmer 2009, S. 502 f.; Peter 1999) [8]. So einfach jedoch im umgangssprachlichen Sinne der Begriff der Zufriedenheit gehandhabt wird, so schwierig gestaltet sich die inhaltlich-konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der Zufriedenheit. Am stärksten durchgesetzt hat sich in der Forschung zur Kundenzufriedenheit das so genannte Confirmation/DisconfirmationParadigma (CD-Paradigma; siehe z. B. Homburg et al. 1999, S. 175 f.; Stauss 1999, S. 6), weshalb auf dieses kurz eingegangen wird. Die Kernaussage des CD-Paradigmas lautet, dass Individuen bei Produkten bzw. Dienstleistungen einen Soll-Ist-Vergleich durchführen. Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit stellt dementsprechend das Ergebnis eines Vergleichs von wahrgenommener Leistung, d. h. Ist-Standard, und Erwartungen, d. h. Soll-Standard, dar. Wird die Leistung (erheblich) besser wahrgenommen als das, was der Kunde erwartet hat, so tritt Zufriedenheit auf. Bei einer negativen Diskrepanz zwischen wahrgenommener Leistung und der diesbezüglichen Erwartung kommt es dagegen zu Unzufriedenheit. So einleuchtend und nachvollziehbar dieser Kerngedanke auch ist, bleiben bei einer näheren Betrachtung noch viele Fragen offen (siehe hierzu die Ausführungen von Stauss 1999, S. 6). Mehr und mehr setzt sich die Auffassung durch, dass die Zufriedenheit von Kunden nicht unmittelbar aus dem Soll-Ist-Vergleich ent-

380

Matthias H. J. Gouthier

steht, sondern erst, wenn das Ergebnis des kognitiven Soll-Ist-Vergleichs, das in einer Bestätigung oder Nicht-Bestätigung zu sehen ist, einer weiteren Bewertung unterzogen wird (Schütze 1992, S. 179 und S. 263). Damit ist es möglich, zusätzliche Faktoren zur Erklärung des Auftretens von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit heranzuziehen, wie situative und soziodemographische sowie psychographische Faktoren. Durch die Trennung von Diskonfirmation und Zufriedenheit können darüber hinaus emotionale Aspekte berücksichtigt werden. Zufriedenheit ist eben nicht nur das Ergebnis eines rationalen Soll-Ist-Vergleichs, sondern Emotionen spielen gleichermaßen eine wichtige Rolle. Demgemäß handelt es sich bei der Zufriedenheit um ein kognitiv-emotionales Konstrukt (Stauss 1999, S. 9). Des Weiteren findet sich in der einschlägigen Literatur die Unterscheidung zwischen der Zufriedenheit mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung (Transaktionszufriedenheit; siehe Diller 2001c) und der Zufriedenheit mit der Geschäftsbeziehung (Jeker 2002, S. 131; Weinberg/Terlutter 2005, S. 51). Die Produkt- bzw. Leistungszufriedenheit ist eine Voraussetzung für den Aufbau einer stabilen Kundenbindung. Dagegen ist die Geschäftsbeziehungszufriedenheit das Ergebnis einer erfolgreichen Kundenbindung. Durch Konstanz in der Produkt- bzw. Leistungszufriedenheit im Sinne einer wiederholten Transaktionszufriedenheit kann ein Aufbau von Beziehungszufriedenheit erreicht werden. Gerade diese gilt es im Rahmen der Neukundenphase positiv anzulegen (Kirchner 2005, S. 293). Gelingt dies nicht, kommt es zu einer Beendigung der Geschäftsbeziehung (Stauss 2000, S. 16). Zu Beginn einer Beziehung, wenn ein Neukunde noch kein großes Vertrauen bzw. Vertrauenspotenzial aufgebaut hat, besteht daher ein hohes Risiko des Beziehungsabbruchs (Koufaris/Hampton-Sosa 2004, S. 377 f.). Neben der Schaffung von Zufriedenheit ist der Aufbau von Vertrauen als weitere relevante Größe zur Erreichung von Kundenbindung anzuführen (Wesemeier 2002, S. 77 f.). Sie lässt sich als Erwartung eines Kunden auffassen, dass sich der Anbieter hinsichtlich eines bestimmten, bewusst gemachten Ereignisses, wie der Nutzung eines Produktes bzw. einer Dienstleistung, wohlwollend bzw. sich zumindest nicht opportunistisch verhalten wird (Bouncken 2000, S. 5 f.; Diller 2001d, S. 1802 f.; Jeker 2002, S. 110). Unter Vertrauen kann nach Morgan/Hunt (1994, S. 23 f.) auch „confidence in an exchange partner’s reliability and integrity“ verstanden werden. Dabei beinhaltet die Erwartungsbildung affektive, emotionale und kognitive Komponenten. Vertrauen kann nicht rein auf die kognitive Komponente reduziert werden, da ansonsten kein Vertrauen, sondern gesichertes Wissen vorliegt. Allerdings beruht Vertrauen bzw. der Aufbau von Vertrauen auch auf der Abwägung von Informationen, da ansonsten „blinder Glaube“ vorherrscht (Bouncken 2000, S. 6). Ist der Kunde zufrieden und hat gegenüber dem Anbieter Vertrauen aufgebaut, dann führt Kundenbindung im Sinne der Verbundenheit auf der Ebene der Verhaltensintentionen zu einer Loyalität der Kunden (Bliemel/Eggert 1998, S. 41). Loyalität kann im Sinne eines inneren Commitments aufgefasst werden. Diese drückt die Verhaltensbereitschaft aus, die Geschäftsbeziehung im weitesten Sinne (vertrauensvoll) zu pflegen und ihr treu zu bleiben. Zudem entsteht ein Treueverhalten (Kenning 2002, S. 99). Dieses kann sich in der Treue zum Geschäftspartner, dessen Betrieb oder den Angeboten

Neukundenmanagement

381

ausdrücken. Damit führt Kundenbindung sowohl auf Verhaltensebene als auch auf intentionaler Ebene zu diversen Folgewirkungen. Dementsprechend lassen sich zu den Effekten der Kundenbindung das tatsächliche Verhalten in Gestalt des Kaufverhaltens und der Weiterempfehlung sowie die Verhaltensabsichten in Form einer Wiederkaufabsicht, Cross-Buying-Absicht und Weiterempfehlungsabsicht rechnen (Homburg/ Bruhn 2005, S. 8 f.; Homburg/Faßnacht 1998; Homburg et al. 1999, S. 178 f.).

2.3

Definition von Neukundenmanagement und dessen Einordnung in das Kundenbindungsmanagement

Das Neukundenmanagement kann als eine Teilfunktion des Kundenbindungsmanagements und damit des Kundenbeziehungsmanagements angesehen werden (siehe Abb. 1). Dabei ist unter einem Kundenbindungsmanagement die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen zur Bindung von Kunden und damit zur Intensivierung und Stabilisierung von bereits initiierten Geschäftsbeziehungen ergreift (Diller/Müllner 1998, S. 1223; siehe ähnlich Homburg/Bruhn 2005, S. 8). Üblicherweise sollen Kunden dem Unternehmen gegenüber Vertrauen aufbauen und sich dem Unternehmen gegenüber loyal zeigen. Damit verbunden sind die in Kapitel 2.2 beschriebenen Positiveffekte wie Wiederholungskäufe und Weiterempfehlungen. Im Fokus des Neukundenmanagements steht speziell die Gestaltung des Beziehungsaufbaus. Dementsprechend kann unter Bezugnahme auf die Definition des Kundenbindungsmanagements unter Neukundenmanagement die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen verstanden werden, die ein Unternehmen zur Bindung von Neukunden und damit zum Aufbau von neuen Geschäftsbeziehungen ergreift (Gouthier 2004, S. 590). Im Gegensatz zum Neukundenmanagement liegen im Rahmen des Kundenbindungsmanagements i. e. S. bereits mehrere Folgekäufe des Kunden und damit einhergehend eine weitgehend stabile Geschäftsbeziehung vor (Stauss/Seidel 2002, S. 28 f.). Dementsprechend beschäftigt sich das Kundenbindungsmanagement i. e. S. mit der Stärkung der Geschäftsbeziehung im Sinne einer Weiterentwicklung, eines Ausbaus und einer Vertiefung (Stauss/Seidel 2002, S. 29). Während eine Abgrenzung von Neukundenmanagement und Kundenbindungsmanagement i. e. S. über den Kundenbeziehungsstatus bzw. über die Zeitdauer der Geschäftsbeziehung möglich ist (siehe auch Kapitel 2.1) und die systematische Bearbeitung der jeweiligen Kundengruppe durch eine spezifische Kundenbindungsmanagement-Teilfunktion gewährleistet werden kann, trifft dies jedoch nicht für die Teilfunktionen des Beschwerdemanagements und des Abwanderungspräventionsmanagements zu. Hier bedarf das Neukundenmanagement der Ergänzung durch diese beiden Teilmanagementfunktionen. So werden sich auch Neukunden beschweren und in ihrer Geschäftsbeziehung gefährdet sein, so dass es eines Beschwerdemanagements und Abwanderungspräventionsmanagements für Neukunden bedarf [9]. Insgesamt sollte es zu einem koordinierten Vorgehen der verschiedenen Teilfunktionen eines

382

Matthias H. J. Gouthier

Kundenstatus Kaufstatus

Interesse, aber noch kein Kaufakt

Beziehungsstatus

Potenziell

Neu

Innere Verbundenheit

Initiieren

Aufbauen

Ausbauen und stabilisieren

Interessentenmanagement

Neukundenmanagement

Stammkundenmanagement

Managementsysteme AufgabenKundenorientiert orientiert

Potenzielle Kunden

Beziehungsbez. Ziel

Kundenbeziehungsmanagements, insbesondere von Interessentenmanagement, Neukundenmanagement und Kundenbindungsmanagement i. e. S., kommen. Erst dann kann das Potenzial eines Kundenbeziehungsmanagements auch voll ausgeschöpft werden.

Akquisitionsmanagement (z.B. Direktmarketing, Verkaufsmanagement)

Derzeitige Kunden Neukunden

Erstkauf

Folgekauf

Verlorene Kunden

Stammkunden

Kündigung

Weitere Folgekäufe

Gekündigt, aber revitalisierbar

Wiedergewinnen

Kündigermanagement

Ehemaligenmanagement

Rückgewinnungsmanagement

Bindungsmanagement (z.B. Zufriedenheitsmanagement, Beschwerdemanagement, Churn Management)

Faktisch verloren

(Kündigungsmanagement, Revitalisierungsmanagement)

Abb. 1: Einordnung des Neukundenmanagements in das Kundenbeziehungsmanagement bzw. Kundenbindungsmanagement Quelle: Gouthier 2004, S. 591; in Anlehnung an Stauss/Seidel 2002, S. 31

3

Geschäftsbeziehungen zu Neukunden

Soll der Frage nachgegangen werden, welche Besonderheiten ein Neukundenmanagement im Vergleich zu einem Stammkunden- bzw. Kundenbindungsmanagement i. e. S. auszeichnet, so gilt es zu überlegen, wie sich eine Neukundenbeziehung von einer Stammkundenbeziehung unterscheidet. Damit liegt die Zielsetzung des dritten Teils in der spezifischen Betrachtung von Neukundenbeziehungen. Dazu wird in Kapitel 3.1 zuerst dargelegt, wie ein Einstieg in eine neue Geschäftsbeziehung vonstatten geht, be-

Neukundenmanagement

383

vor in Kapitel 3.2 auf Besonderheiten von Geschäftsbeziehungen zu Neukunden näher eingegangen wird.

3.1

Der Einstieg in eine neue Geschäftsbeziehung

Zunächst ist zu betrachten, wie eine Neukundenbeziehung überhaupt zustande kommt und eine Beziehung zwischen Kunde und Anbieter aufgebaut wird. In diesem Kontext kann die Theorie der sozialen Durchdringung (Altman/Taylor 1973), die sich mit dem Entstehen interpersonaler Beziehungen auseinander setzt, zur Erklärung Hilfe leisten. Hiernach hängt die Tätigung von Folgetransaktionen und damit der Aufbau von Beziehungen von der Beurteilung, Prognose und Entscheidung der ersten Interaktion durch das Individuum ab (Bruhn 2009, S. 41 ff.; Georgi 2000, S. 29). Die erste Interaktion wird anhand eines Beurteilungsstandards bewertet, der an den Comparison Level aus der Austauschtheorie angelehnt ist. Im Falle von Neukunden sind dies die normativen Erwartungen, die an die Unternehmensleistungen gestellt werden. Neben der Beurteilung der Interaktion nimmt der Neukunde eine Prognose zukünftiger Interaktionsergebnisse vor (prädiktive Erwartungen; Georgi 2000, S. 30), die ihm durch Interaktionen mit dem Beziehungspartner entstehen. Auf Grundlage dieser Prognose kommt es zur Entscheidung, ob die Beziehung fortgesetzt oder aber abgebrochen wird (Bruhn 2009, S. 41 ff.; Georgi 2000, S. 30). Die Phase des Erstkaufs ist daher für ein Bindungsmanagement als besonders kritisch anzusehen. Im Rahmen der zweiten Interaktion zwischen Neukunde und Anbieter erfolgt wiederum eine Beurteilung derselben. Zudem wird überprüft, inwieweit die zuvor getroffene Prognose auch eingetreten ist. Auf dieser Basis gelangt der Neukunde zu einer neuerlichen Entscheidung. Nun kommt es allerdings neben den grundlegenden Optionen des Beziehungsabbruchs bzw. der Beziehungsfortführung bei letzterer zu einer qualitativen Unterscheidung. Entweder kann die Beziehung gefestigt oder geschwächt werden. Ab der zweiten Interaktion erfolgt die Entscheidung über die Fortführung der Beziehung damit nicht mehr nur rein einzeltransaktionsbezogen, sondern auch immer im Hinblick auf die Beurteilung der gesamten bisherigen Beziehung (Bruhn 2001, S. 41 ff.; Georgi 2000, S. 30).

3.2

Besonderheiten von Geschäftsbeziehungen zu Neukunden

Soll Kundenbindung im Sinne einer inneren Verbundenheit erreicht werden, so bedarf es der Schaffung von Zufriedenheit und Vertrauen (Bliemel/Eggert 1998, S. 41). Gerade bei dem Erstkauf ist die Gefahr des Auftretens von Unzufriedenheit besonders groß. Dafür ursächlich sind zum Ersten die kognitiven Dissonanzen, die nach einem Erstkauf besonders stark auftreten können. Hier ist das Unsicherheitsgefühl bezüglich der Richtigkeit der getroffenen Kaufentscheidung besonders gravierend (Kaas 1990, S. 541 f.).

384

Matthias H. J. Gouthier

Kunden empfinden beim erstmaligen Kauf von Produkten oder Dienstleistungen ein höheres Risiko als bei Folgekäufen. Sie können bei Vorliegen von Erfahrungseigenschaften („experience qualities“) das Produkt oder die Dienstleistung erst nach dem Kauf beurteilen (Zeithaml 1981, S. 186 f.). Gewisse Teilmerkmale können bei Vorliegen von Vertrauenseigenschaften („credence qualities“) selbst nach dem Kauf nicht beurteilt werden. Daher empfindet ein Neukunde aufgrund seiner mangelnden persönlichen Erfahrung tendenziell Unsicherheit und kognitive Dissonanzen sowie hieraus resultierend Unzufriedenheit. Er fragt sich, ob er auch die richtige Kaufentscheidung getroffen hat (Brosius et al. 2002, S. 266). Die sich hiermit auseinander setzende Dissonanztheorie geht nun davon aus, dass ein Individuum ein dauerhaftes Gleichgewicht seines kognitiven Systems anstrebt (Homburg/Bruhn 2005, S. 15). Ziel des Individuums ist es, die entstehenden Dissonanzen abzubauen und somit dieses Gleichgewicht wiederherzustellen. Das bedeutet, dass nach einem Kauf nach dissonanzvermindernden Informationen, die im Nachhinein die Richtigkeit seiner Wahl bestätigen, gesucht und dissonanzerhöhende Informationen gemieden werden (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 186) [10]. Hier können Unternehmen ansetzen und Informationen bieten, die den Neukunden in seiner Kaufentscheidung bestärken, einen Dissonanzabbau und damit Zufriedenheitsaufbau bewirken. Nehmen die kognitiven Dissonanzen und damit auch die Wechselabsicht im Laufe einer Geschäftsbeziehung ab, so kann die Dissonanztheorie einen gewissen Erklärungsbeitrag leisten, weshalb langfristige Geschäftsbeziehungen entstehen (Homburg/Bruhn 2005, S. 15). Zufriedene Kunden befinden sich in einem psychischen Gleichgewicht und werden sich, um dieses zu erhalten, loyal verhalten (Homburg et al. 1999, S. 180). Zudem steigt das Vertrauen in die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung (Georgi 2000, S. 27 f.). Gerade Vertrauen vermag Unsicherheiten aufgrund von mangelhaften bzw. fehlenden Informationen zu kompensieren (Bouncken 2000, S. 9). Unzufriedenheit kann daneben gleichermaßen aus Nutzungsrisiken resultieren (insbesondere bei Investitions- und Konsumgütern wie z. B. Fernsehgeräten und Blu-rayPlayer). Dagegen ist dies bei Dienstleistungen aufgrund des Uno-actu-Prinzips, d. h. Produktion und Konsum sind zeitgleich, eher die Ausnahme. Dass auch in diesem Bereich Fragestellungen zur Nutzung auftreten können, ist jedoch am Beispiel von Software-Anwendungen leicht ersichtlich. Kommt ein Anbieter den bisher genannten Anforderungen nach und schafft es, die kognitiven Dissonanzen zu reduzieren, tritt Zufriedenheit bei den Neukunden auf, die sich bei wiederholter Transaktionszufriedenheit auch positiv in einer Beziehungszufriedenheit niederschlägt. Im Gegensatz zu Stammkunden verfügen Neukunden jedoch nicht über den gleichen Erfahrungsschatz, da sie erst wenige Transaktionen mit dem Anbieter durchgeführt haben. Eine Qualitätsbeurteilung der Produkte bzw. Dienstleistungen des Anbieters dürfte daher im Allgemeinen stark zufriedenheitsorientiert im Sinne des CDParadigmas sein. Dagegen kommen bei Stammkunden verstärkt Lernprozesse zum Tragen, die eine bestimmte Prädisposition beim Kunden schaffen. Eine Qualitätsbeurteilung bei Stammkunden wird daher in einem sehr viel größeren Maße als bei Neukunden durch Einstellungen gegenüber dem Beurteilungsobjekt, d. h. dem Anbieter und dessen Produkten bzw. Dienstleistungen, geprägt sein.

Neukundenmanagement

385

Auch die Kundenerwartungen sind dynamischer Natur und verändern sich im Laufe der Geschäftsbeziehung (Bruhn 2000, S. 1044; Gouthier/Schmid 2001, S. 226). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass sich die Einschätzung der Relevanz der verschiedenen Produkt- bzw. Leistungsmerkmale mit der Zeit verändert. So kann einem Neukunden etwas ganz anderes wichtig sein als einem Stammkunden. Dies belegen z. B. Studien von Mittal/Katrichis (2000) in der Automobil-, Kreditkarten- und Finanzdienstleistungsbranche. Während Neukunden bei Investmentberatern großen Wert legen auf Eigenschaften, die Vertrauen schaffen, wie z. B. Höflichkeit und sich die Zeit nehmen, um ausführlich zu beraten (siehe auch Diederichsen 1995), kommt es Stammkunden zunehmend auf Schnelligkeits- und Effizienzaspekte an, wie z. B. Probleme möglichst im Rahmen eines einzigen Hausbesuches zu lösen (Mittal/Katrichis 2000, S. 31). Beständigkeit im (Leistungs-)Verhalten von Anbietern beeinflusst zudem die Vertrauenskomponente. In der Startphase von Geschäftsbeziehungen wird Vertrauen stark rational durch Konsistenz von Verhaltensweisen verstärkt (Jeker 2002, S. 114). In diesem Fall kann bereits die Nichteinhaltung von gewissen Verhaltensregeln das Vertrauen gefährden. Aufgrund von Erfahrungen mit dem Anbieter und dem Anwachsen der Informationen gelingt es dem Neukunden mit der Zeit immer besser, das Verhalten des Unternehmens vorherzusagen (Georgi 2000, S. 28). Diese Berechenbarkeit führt wiederum zu einem höheren Vertrauen auf Seiten der Kunden (Jeker 2002, S. 115). Dagegen kann ein Missbrauch des Vertrauens, gerade in einer vergleichsweise instabilen Phase wie der Neukundenbeziehung, zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehung führen.

4

Das Management von Neukundenbeziehungen

Die Beziehungen zu Neukunden lassen sich als besonders sensibel und „zerbrechlich“ bezeichnen. Daher bedarf es besonderer Anstrengungen von Seiten der Unternehmen, um diese Geschäftsbeziehungen kurzfristig aufzubauen und letztlich mittel- bis langfristig zu stabilisieren. Die nun folgenden fünf Kapitel beschäftigen sich aus diesem Grunde mit zentralen Aufgaben eines Neukundenmanagements. Kapitel 4.1 geht der Frage nach, von welchen Faktoren die Relevanz des Einsatzes eines Neukundenmanagements abhängig ist. Im Anschluss hieran werden in Kapitel 4.2 die Ziele eines Neukundenmanagements dargestellt, die mittels diverser Instrumente erreicht werden sollen. Letztere stehen im Mittelpunkt von Kapitel 4.3. Kapitel 4.4 präsentiert sodann Ansatzpunkte einer erforderlichen Kontrolle des Neukundenmanagements. Abschließend werden in Kapitel 4.5 Fragen der Implementierung erörtert.

4.1

Notwendigkeit eines Neukundenmanagements

Ein Management von Neukundenbeziehungen ist nicht immer und in gleich starkem Maße erforderlich. Grundvoraussetzung für dessen Einsatz ist der beiderseitige Wunsch nach dem Aufbau von Geschäftsbeziehungen. Barrieren gegen ein Beziehungsmanage-

386

Matthias H. J. Gouthier

ment können sowohl auf Unternehmens- als auch auf Kundenseite auftreten. Zum einen ist es möglich, dass Unternehmen, die sich auf dynamischen innovativen Märkten bewegen, ihren Schwerpunkt absolut auf das Interessentenmanagement legen, ihre Aktivitäten auf die Vorkaufphase konzentrieren und die Kundenbindung (wenn auch oftmals nur zeitweise) vernachlässigen. Zum anderen möchte nicht jeder Kunde in eine Geschäftsbeziehung zu einem Unternehmen eintreten und von diesem gebunden werden (Diller 1996, S. 92; Diller/Müllner 1998, S. 1237; Georgi 2000, S. 64; Söllner 2001). In der Literatur wird auch vom so genannten transaktionalen Kunden gesprochen: „Transactional customers are looking for solutions to their needs at an acceptable price, and they do not appreciate contacts from the supplier or service provider in between purchases” (siehe Grönroos 2000, S. 36). In beiden Fällen, in denen ein Beziehungsmanagement von den Marktpartnern an sich nicht gewünscht ist, wird damit auch der Einsatz eines Neukundenmanagements fraglich. Dagegen gewinnt bei Gütern, die sich durch einen formalisierten und dauerhaften Beziehungscharakter auszeichnen, wie bei Finanzdienstleistungen und beim Versandhandel, ein Kundenbindungsmanagement (Georgi 2000, S. 19) und damit auch ein Neukundenmanagement an Relevanz (Schumacher 2008, S. 114 f.). Neben dieser grundsätzlichen Entscheidung für oder wider ein Neukundenmanagement stellt sich die Frage der Intensität des Einsatzes von Aktivitäten zur Gestaltung von Neukundenbeziehungen. Diese wird u. a. von der Komplexität der Produkte bzw. Dienstleistungen, dem wahrgenommenen Kaufrisiko und den kognitiven Dissonanzen beeinflusst. Gerade zu Beginn einer Geschäftsbeziehung ist es möglich, dass beim Kunden Gefühle der Unsicherheit und damit auch der Unzufriedenheit entstehen. Unsicherheit kann empfunden werden aufgrund des Mangels an persönlicher Erfahrung mit dem Unternehmen und dessen Produkten bzw. Dienstleistungen (Eckert 1994, S. 371). Die Unsicherheit steigt dabei mit dem Grad der Komplexität von Produkten bzw. Dienstleistungen, womit auch ein erhöhtes wahrgenommenes Kaufrisiko (Jeker 2002, S. 156) und das Auftreten kognitiver Dissonanzen einhergehen.

4.2

Ziele des Neukundenmanagements

Aus der Definition des Neukundenmanagements lässt sich dessen zentrales Oberziel ableiten: der Aufbau von Geschäftsbeziehungen zu Neukunden und deren erstmalige Bindung an das Unternehmen. Da die Neukundenbindung im Rahmen dieses Beitrags als die Verbundenheit von Neukunden gegenüber dem Unternehmen angesehen wird, ist diese über die Schaffung von Zufriedenheit und Vertrauen der Neukunden zu erreichen. Darüber hinaus ist gerade beim Erstkauf und den ersten Folgekäufen auf eine Stärkung des Neukunden bezüglich seiner Kaufentscheidung abzustellen. Ziele eines Neukundenmanagements liegen dementsprechend darin, Nachkaufdissonanzen zu reduzieren, Transaktions- und Beziehungszufriedenheit zu erzeugen sowie Vertrauen beim Neukunden aufzubauen. Schließlich soll durch ein Neukundenmanagement das Fundament zur Initialisierung einer stabilen Kundenbindung gelegt werden

Neukundenmanagement

387

(Kirchner 2005, S. 288 f.). Damit können als weitere Ziele eines Neukundenmanagements kundenbezogene intentionale Ziele und Verhaltensziele genannt werden. Neukundenbindung soll sich in einer Wiederkaufabsicht, einer Zusatzkaufabsicht und einer Weiterempfehlungsabsicht widerspiegeln. Zudem soll es zu einem faktischen Wiederkaufverhalten und Weiterempfehlungsverhalten kommen. Wichtig ist eben, dass Neukunden zu einer positiven Einstellung dem Unternehmen und dessen Produkten bzw. Dienstleistungen gegenüber und auf der Verhaltensebene zu ersten Wiederholungskäufen und positivem Weiterempfehlungsverhalten angeregt werden. Dazu sollte der Neukunde sowohl die Qualität der Produkte bzw. Dienstleistungen als auch die Qualität des Neukundenmanagements positiv beurteilen (Stauss et al. 2007). Nur wenn beide Qualitäten erfüllt sind, werden längerfristige Geschäftsbeziehungen entstehen. Damit können die Steigerung des Neukundendeckungsbeitrags und des Customer Lifetime Value als weitere ökonomische Ziele eines Neukundenmanagements angesehen werden. Zusammenfassend können in Anlehnung an die Systematisierung der Zielkategorien des Relationship Marketings nach Bruhn (2001, S. 88) folgende Ziele eines Neukundenmanagements unterschieden werden: ƒ

Neukundenbezogene psychologische Ziele: Schaffung von Neukundenzufriedenheit (Transaktions- und Beziehungszufriedenheit), Aufbau von Vertrauen und Abbau kognitiver Dissonanzen;

ƒ

Neukundenbezogene Intentions- und Verhaltensziele: Intentionale Ziele der Wiederkaufabsicht, der Zusatzkaufabsicht und der Weiterempfehlungsabsicht sowie Verhaltensziele des Wiederkaufs und der Weiterempfehlung;

ƒ

Neukundenbezogene ökonomische Ziele: Steigerung des Neukundendeckungsbeitrags und des Customer Lifetime Value.

Da die neukundenbezogenen psychologischen Ziele den Grundstock und die Voraussetzung zur Erreichung der neukundenbezogenen intentionalen Ziele und Verhaltensziele sowie letztlich der ökonomischen Ziele bilden, konzentriert sich das folgende Kapitel auf den Einsatz von Aktivitäten zur Realisierung der psychologischen Ziele.

4.3

Maßnahmen des Neukundenmanagements

4.3.1 Überblick Um das Oberziel des Neukundenmanagements zu erreichen, bedarf es der Schaffung von Verbundenheit des Neukunden dem Unternehmen gegenüber. Diese Verbundenheit entsteht durch die Kombination von Zufriedenheit und Vertrauen (siehe Bliemel/Eggert 1998, S. 41 und Kapitel 2.2). Dementsprechend sollte ein Neukundenmanagement Maßnahmen umfassen, die sich zum einen mit der Schaffung von Neukundenzufriedenheit beschäftigen, und die sich zum anderen dem Aufbau von Vertrauen widmen. Daneben

388

Matthias H. J. Gouthier

ist bei den ersten Transaktionen gleichermaßen auf den Abbau kognitiver Dissonanzen zu achten. Die Erreichung sämtlicher dieser drei neukundenbezogenen psychologischen Ziele wird durch eine entsprechende Produktpolitik und ein Qualitätsmanagement unterstützt (siehe Abschnitt 4.3.2). Dagegen liegt der Schwerpunkt eines Zufriedenheitsmanagements bei Neukunden auf der Schaffung von Zufriedenheit (Abschnitt 4.3.3). Primär dem Aufbau von Vertrauen und Abbau von kognitiven Dissonanzen dient der Einsatz von Signalen (Abschnitt 4.3.4) [11]. Zwar kann in den letzten beiden Fällen von einer schwerpunktmäßigen Ausrichtung der Maßnahmenbündel gesprochen werden, allerdings existieren aufgrund der starken Interdependenzen zwischen den Zielen auch bei den Maßnahmen Ausstrahlungseffekte. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht. Die Barmer Ersatzkasse führt bei ihren Neukunden sechs Wochen nach Vertragsabschluss und wiederum nach einem Jahr der Mitgliedschaft Zufriedenheitsbefragungen durch. Damit soll jedoch nicht nur die Zufriedenheit gemessen und gegebenenfalls das Serviceangebot verbessert werden, sondern dieses Instrument wird bewusst dazu eingesetzt, um den Neukunden das Signal zu geben, dass man sich um sie kümmert. Letztlich soll damit auch das Vertrauen in das Unternehmen gestärkt werden (Fichtel 2002, S. 73). Während einige der nachfolgend genannten Maßnahmen speziell für Neukundenbeziehungen zu entwickeln und nur bei diesen einsetzbar sind, z. B. Begrüßungspaket und Novizenbefragung, wirken andere Maßnahmen, z. B. Produktpolitik und Qualitätsmanagement, beziehungsphasenübergreifend (siehe Abb. 2).

Erstkauf

z.B. nach 6 Wochen

ƒ Begrüßungspaket, ƒ Willkommensschreiben, ƒ Willkommensabend u.Ä.

z.B. nach 6 Monaten

Übergang zum Stammkunden

Beziehungsdauer

ƒ Novizen- bzw. Honey MoonBefragung

ƒ Generelle ZufriedenheitsEinmalig durchgeführte befragung, aber spezifische Maßnahmen des separate Analyse Neukundenmanagements

Kontinuierliche Neukunden-Hotline, separate Analyse von Neukunden-Beschwerden, spezifische Maßnahmen des Neukunden-Events (z.B. Neukunden-Seminare) Neukundenmanagements

Produktpolitik und Qualitätsmanagement, Kommunikationspolitik, Garantie- und Kulanzpolitik, Service- und Kundenorientierung, Reputation

Abb. 2: Maßnahmen des Neukundenmanagements Quelle: Gouthier 2004, S. 593

Die Neukundenbeziehung beeinflussende allgemeine Maßnahmen

Neukundenmanagement

389

4.3.2 Aspekte der Produktpolitik und des Qualitätsmanagements im Rahmen des Neukundenmanagements Ein Kunde ist dann zufrieden und damit – zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit – auch an das Unternehmen gebunden, wenn das wahrgenommene Produkt bzw. die wahrgenommene Leistung seine Erwartungen erfüllt bzw. übererfüllt. Damit spielen die Produktpolitik und das Qualitätsmanagement zur Beeinflussung der tatsächlich erbrachten Leistung eine wichtige Rolle im Rahmen eines Neukundenmanagements. Letztlich geht es um die Gestaltung des Nettonutzens, den der Neukunde einem Produkt bzw. einer Dienstleistung zuschreibt. Hier kann das Unternehmen den Produktbzw. Leistungsnutzen erhöhen, Nutzen durch Services (wie durch die Auslieferung von Produkten, durch deren Installation, Wartung, Reparatur und durch Kundenschulungen; siehe Jeschke 2001) schaffen (siehe z. B. Meyer/Blümelhuber 2000), Nutzen mehren durch Mitarbeitereinsatz (u. a. Liljander 2000) oder mittels positiver Imageeffekte. Zudem könnten die Kosten des Neukunden, monetärer und nicht-monetärer Art (Zeitaufwand, Energieaufwand, psychischer Aufwand), verringert werden (Bliemel/Eggert 1998, S. 39). Schließlich zeigt sich für den Neukunden im gekauften Produkt bzw. in der Leistung, ob das Vertrauen in den Anbieter berechtigt war. Somit stellen Produktpolitik und Qualitätsmanagement auch zentrale Faktoren dar, die das Vertrauen von Neukunden fördern und kognitive Dissonanzen reduzieren.

4.3.3 Zufriedenheitsmanagement bei Neukunden Ein Zufriedenheitsmanagement kann zum einen am wahrgenommenen Produkt bzw. an der wahrgenommenen Leistung ansetzen, zum anderen an den Erwartungen (Bliemel/ Eggert 1998, S. 39) der Neukunden. Da die Gestaltung der wahrgenommenen Leistung mittels Produktpolitik und Qualitätsmanagement schon im Fokus des vorherigen Abschnittes stand, wird nunmehr die Erwartungskomponente näher erörtert. Die Steuerung der Erwartungen geschieht mittels eines Erwartungsmanagements (Bruhn 2000, S. 1032; Georgi 2000, S. 193). Hierunter lassen sich sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle fassen, die einer Steuerung der Kundenerwartungen vor dem Hintergrund der Unternehmensziele dienen (Bruhn 2000, S. 1041). Damit sind in einem ersten Schritt die Erwartungen der Neukunden zu erheben und zu analysieren. Dies gewinnt vor dem in Kapitel 3.2 geschilderten Hintergrund an Gewicht, dass sich die Einschätzung der Relevanz der verschiedenen Produkt- bzw. Leistungsmerkmale mit der Dauer der Kundenbeziehung verändern kann. Die Wichtigkeit der Produkt- bzw. Leistungsmerkmale kann bei Neukunden im Vergleich zu Stammkunden völlig anders eingeschätzt werden (Mittal/Katrichis 2000, S. 28). Dementsprechend sind bei solch einer dynamischen Veränderung der Kundenerwartungen und damit einhergehend der Kundenzufriedenheit, getrennte Strategien der Neukundenbearbeitung versus der Stammkundenbearbeitung zu entwickeln und zu implementieren.

390

Matthias H. J. Gouthier

So schätzen Neukunden einer Kreditkarte z. B. die Gestaltung und insbesondere die Verständlichkeit der monatlichen Abrechnung als sehr wichtig ein (Knauer 2003, S. 681), während diese Aspekte Stammkunden nicht mehr besonders interessieren. Dagegen spielen Kreditlimit und dessen Adäquanz für die Stammkunden eine wichtigere Rolle (Mittal/Katrichis 2000, S. 29 f.). Vor dem geschilderten Hintergrund ist für ein separates Zufriedenheitsmanagement bei Neukunden zu plädieren. Bei der erstmaligen Befragung von Neukunden zu deren Zufriedenheit (Novizen- bzw. Honey Moon-Befragung) gilt es, zweierlei zu beachten: (1) Im Rahmen einer Novizenbefragung hat ein Unternehmen die Möglichkeit, zusätzlich zu den produktspezifischen Qualitätsmerkmalen die Zufriedenheit mit den verschiedenen Aspekten des Eintritts in die Geschäftsbeziehung zu erheben, z. B. Merkmale wie Schnelligkeit und Bequemlichkeit des Vertragsabschlusses sowie Qualität, Verständlichkeit und Vollständigkeit der Unterlagen. (2) Die Zufriedenheit von Neukunden mit den verschiedenen Qualitätsdimensionen gilt es getrennt von den Urteilen der Stammkunden zu analysieren, um der spezifischen Gewichtung der Teilleistungsmerkmale und den unterschiedlichen Zufriedenheitswerten gerecht zu werden. Durch den erst genannten Aspekt wird eine Verbesserung der Qualität der Eintrittsphase angestrebt. Der zweite Punkt ermöglicht es, mittels Querschnittsanalyse die Unterschiede zwischen den beiden Kundentypen (Neu- und Stammkunden) herauszukristallisieren und die Kundentypen letztlich differenziert zu bearbeiten. Des Weiteren kann eine Längsschnittsanalyse, d. h. bei der die Zufriedenheitswerte der einzelnen Kunden über die Zeitachse hinweg miteinander verglichen werden, helfen, Veränderungen im Zeitverlauf einer Kundenbeziehung abzubilden. So können Kunden z. B. direkt im Anschluss an den Kauf, nach sechs Wochen und schließlich nach einem Jahr zu ihrer Zufriedenheit befragt werden. Als Beispiel lässt sich wiederum die Zufriedenheitsbefragung der Barmer Ersatzkasse anführen, die ihre Neukunden sechs Wochen nach Mitgliedschaftsbeginn unter dem Motto: „Wie gefällt es Ihnen bei uns?“ anschreibt und nach einem Jahr mit der Aufforderung: „Sagen Sie uns Ihre Meinung!“ hieran anknüpft (Fichtel 2002, S. 73). Damit verfügt das Unternehmen grundsätzlich über die notwendigen Daten, um eine longitudinale Beurteilung der Kundenzufriedenheit vornehmen zu können (Mittal/Katrichis 2000, S. 29). In einem weiteren Schritt ist zu überlegen, was die Gründe für eine Veränderung der Kundenerwartungen und Kundenzufriedenheiten über die Beziehungsdauer sind. Hierzu kann – ergänzend zur unternehmensinternen Auffassung – auf Meinungen der Kunden zurückgegriffen werden, die sich z. B. über den Einsatz von Fokusgruppen generieren lassen (Mittal/Katrichis 2000, S. 29). Diese Erkenntnisse dienen dazu, entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Neukunden- und schließlich auch der Stammkundenzufriedenheit und damit zur Gestaltung des Kundenbindungsmanagements an sich abzuleiten. Ergänzend hierzu können auch Zufriedenheits-Wichtigkeits-Diagramme bzw. Stärken-Schwächen-Portfolios gebildet werden, die separat für Neukunden und Stammkunden zu entwickeln sind. Aus diesen lassen sich Empfehlungen zur Priorisie-

Neukundenmanagement

391

rung der Bindungsmaßnahmen für Neu- und Stammkunden deduzieren (siehe ähnlich Kirchner 2005, S. 302 f. und Mittal/Katrichis 2000, S. 32). Um die Erwartungen der Neukunden zu beeinflussen, bieten sich insbesondere kommunikationspolitische Instrumente wie Ankündigungen, Werbeversprechen und Referenzen an (Bliemel/Eggert 1998, S. 39; Diller 2001e; siehe auch den folgenden Abschnitt 4.3.4). Aber auch Qualitätsindikatoren wie der Preis und die bisherigen Erfahrungen mit dem Anbieter prägen die Neukundenerwartungen. Doch nicht nur die eigenen Erfahrungen, sondern ebenso die Erfahrungen anderer Kunden, die dem Neukunden über Word-of-Mouth zugetragen werden, beeinflussen die Erwartungen an den Anbieter und dessen Produkte bzw. Dienstleistungen (Georgi 2000, S. 52; Kaas 1990, S. 544). Von daher sollten sich Unternehmen gleichermaßen Gedanken über Möglichkeiten eines Empfehlungsmanagements machen. So können z. B. Internet-Kundenforen ins Leben gerufen werden, in denen sich Kunden über den Anbieter und dessen Produkte bzw. Leistungen austauschen, oder, wie dies z. B. Amazon betreibt, direkt Empfehlungen auf den Webseiten ausgesprochen werden. Beim Meinungsforum Epinions existiert gar eine Rubrik, in der Mitglieder Ratschläge und Tipps an Neukunden weitergeben (Gouthier 2003, S. 383). Letztlich gilt es, nicht nur auf die Transaktionszufriedenheit, sondern auch auf die Beziehungszufriedenheit bzw. auf deren Aufbau zu achten. Diese kann u. a. durch eine Konstanz in der Transaktionszufriedenheit erreicht werden. Insgesamt beurteilt der Neukunde aus seiner Perspektive die Fähigkeit des Anbieters, innerhalb dieser neuen Beziehung Komplexität und Unsicherheit zu reduzieren sowie Vertrauen aufzubauen (Bruhn 2001, S. 68). Dabei ist zu beachten, dass bei einem Neukunden die Anzahl der Kontakte und damit auch die Anzahl der Transaktionszufriedenheiten sehr beschränkt sind. Interessant wäre dementsprechend zu prüfen, inwieweit überhaupt aus Kundenperspektive zu solch einem frühen Zeitpunkt auch eine Beziehung als solche vorliegt.

4.3.4 Signaling-Maßnahmen bei Neukunden Neben der Schaffung von Zufriedenheit ist in der Neukundenphase insbesondere auf den Aufbau von Vertrauen beim Neukunden und auf die Reduktion der kognitiven Dissonanzen zu achten. Hierzu können diverse Signaling-Maßnahmen vonseiten der Unternehmen eingesetzt werden. Diese „beinhalten die Übermittlung glaubwürdiger Informationen, die sich von reinen Informationen durch die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Aussagen unterscheiden“ (Meffert/Bruhn 2009, S. 59). Gerade bei Neukunden scheint dies ein wichtiger Aspekt zu sein, da diese nicht über die Summe an Erfahrungen mit dem Unternehmen und dessen Produkte bzw. Dienstleistungen verfügen wie Stammkunden. Allerdings liegt nicht nur im Vergleich zu den Stammkunden, sondern zumeist auch zum Anbieter an sich ein Informationsdefizit vor. Folglich vermag ein Unternehmen als die besser informierte Partei bzgl. des eigenen Produkt- bzw. Leistungsangebots Signale an die Neukunden zu versenden. Zu diesen Signalen zählen Pro-

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dukt- bzw. Leistungsqualität (siehe hierzu Abschnitt 4.3.2), neukundenbezogene Kommunikation, Selbstbindung und Reputation. Neukundenbezogene Kommunikation Die Kommunikationspolitik scheint besonders gut geeignet, um bei den Neukunden Vertrauen aufzubauen und kognitive Dissonanzen abzubauen (Bouncken 2000, S. 9; Bruhn 2009, S. 185; Knauer 2003, S. 681), wie im Folgenden anhand von Referenzen, Informations- und Dialoginstrumenten gezeigt wird. Referenzen sind ein erstes mögliches Signal, um auf die Vertrauenswürdigkeit und die Kompetenz des Anbieters hinzuweisen, da er diese bei früheren Transaktionen unter Beweis gestellt hat. Hierbei kommen vorzugsweise Kunden zum Einsatz, die durch ihre Person an sich Glaubwürdigkeit erzeugen, wie z. B. Prominente (Meffert/Bruhn 2009, S. 59). Durch diese Bestätigung können zudem kognitive Dissonanzen bei den Neukunden reduziert werden. Der Abbau von Nachkaufdissonanzen und der Vertrauensaufbau sind daneben durch diverse Informations- und Dialogmedien möglich, die somit auch als zentrale Signale angesehen werden können. Generell bieten sich zum Abbau kognitiver Dissonanzen insbesondere die Nachkauf-Werbung bzw. kommunikationspolitische Maßnahmen im Anschluss an den Kauf an (Knauer 2003, S. 681), da durch diese die nachträgliche Höherschätzung des Produktes bzw. der Dienstleistung ermöglicht wird (Kroeber-Riel/ Weinberg 2003, S. 188). Diese können zum einen die Besonderheiten des Produktes bzw. der Dienstleistung hervorheben, zum anderen Informationen liefern, die auf die Vorteilhaftigkeit des Kaufes hinweisen. So lassen sich beispielsweise im Rahmen von Werbemaßnahmen zufriedene Kunden darstellen. Daneben bieten gerade Hersteller von technischen Geräten, wie Computer, Fernseher und Audio-Anlagen, ihren Neukunden eine Registrierungsmöglichkeit, um sie in Zukunft mit weiteren Informationen zu versorgen. Insbesondere kann dann dem Neukunden ein Brief zugeschickt werden, in dem ihm zum Kauf des hochwertigen Produkts bzw. der Dienstleistung gratuliert wird. Neben den bisher genannten gehören zu den primär einseitig wirkenden Informationsmedien des Weiteren Kundenzeitschriften, schriftliche Instruktionen (z. B. Gebrauchsanleitungen) und Informationsbroschüren. Letzteren kommt aufgrund ihrer produktbegleitenden Dimension im Gebrauchs-, Verbrauchs- und Entsorgungsprozess eine besondere Bedeutung zu (Hansen/Jeschke 1992, S. 94; siehe auch Knauer 2003, S. 681). In ihnen kann zudem auf die hervorragende Qualität der Produkte hingewiesen werden (siehe zu Beispielen Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 188). Gerade die ersten schriftlichen Informationen, die ein Neukunde von seinem Anbieter erhält, sind sehr wichtig, da sie das Bild prägen, das sich ein Kunde von seinem Anbieter macht. So stellt – speziell bei formalisierten Beziehungen – der Versand eines „Begrüßungspakets“ mit einem „Willkommensschreiben“, Imagebroschüren (z. B. Geschäftsbericht und Kundenzeitung) und Leistungsbeschreibungen mittlerweile ein fast klassisches Instrument dar (Fichtel 2002, S. 72). Beispielsweise verschickt der Club Bertelsmann an seine Neukunden ein Begrüßungspaket, das verschiedene Werbemittel

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wie den Hauptkatalog und die als Mitgliedsausweis dienende „Clubkarte“ enthält (Brosius et al. 2002, S. 277). Weitere Beispiele finden sich in der Automobil- und der Telekommunikationsbranche: Unternehmen wie BMW (siehe Braekler/Wortmann 2008, S. 760 ff.), die Deutsche Telekom mit T-Mobile (Knauer 2003, S. 685) und dem Loyalitätsprogramm „HappyDigits“ (Wießmeier/Lischka 2005, S. 719) und E-Plus verschicken an ihre Neukunden entsprechende Willkommens-Pakete bzw. -Broschüren. Neben diesen einseitig orientierten Maßnahmen sollten zweiseitig interaktive Maßnahmen der Kommunikation eingesetzt werden (siehe ähnlich Bruhn 2009, S. 185). So könnte z. B. eine spezielle (Problem-)Hotline für Neukunden eingerichtet werden (z. B. 0800er Nummer), deren Rufnummer diesen bekannt gemacht wird. Beispielsweise werden Neukunden von T-Mobile per Brief und Informations-Flyer über die Dienste der Kunden-Hotline aufgeklärt (Fichtel 2002, S. 73; Knauer 2003, S. 681 und S. 685). Im Dienstleistungsbereich spielen gerade auch persönliche Einführungsaktivitäten eine wichtige Rolle. So können z. B. Neukunden von Finanzdienstleistern wie Investmentfonds-Anbietern als besonderen Willkommensgruß eine Einladung zu einem Kundenseminar erhalten (Krah 1999, S. 62; Marchetti 1992, S. 37). Denkbar ist dies gleichermaßen bei Reisenden, die einen Cluburlaub gebucht haben. Hierbei könnte eine Einführungsveranstaltung am ersten oder zweiten Tag des Urlaubs angeboten werden, wie z. B. eine Party für Neuankömmlinge (Martin/Pranter 1989, S. 14). Beispielsweise wird solch ein „Willkommens-Abend“ für neue Gäste des Robinson Clubs am ersten Abend des Urlaubs veranstaltet (Fichtel 2002, S. 78). Derartige „Einführungsmaßnahmen“ bzw. „Sozialisationsinstrumente“ werden gerade auch im universitären Bereich eingesetzt, indem neuen Studenten diverse Einführungsveranstaltungen offizieller (z. B. Begrüßung durch den Dekan, Führungen über den Campus durch Kommilitoninnen und Kommilitonen sowie Bibliotheksführungen) und inoffizieller Art (z. B. Semesteranfangsparty) angeboten werden. Aber auch internetbasierte Instrumente lassen sich sinnvoll einsetzen. So hat z. B. Lufthansa für Neukunden einen so genannten „Lufthansa Product Showroom“ (http://www. lufthansa-product-showroom.com/) eingerichtet. Differenziert nach Economy Class und Business Class erhalten die Fluggäste per Video einen Überblick über sämtliche von Lufthansa angebotenen Services. Bei Vorliegen eines detaillierteren Informationsbedarfs können die Kunden sich dann mittels Demoversionen zu konkreten Services informieren, wie z. B. zum „Online Check-in“ oder „Automaten Check-in“. Dieses Instrument der so genannten „Geführten Tour“ bzw. „Guided Tour“ wird mittlerweile von vielen Unternehmen eingesetzt, um den Neukunden die zentralen Funktionalitäten zu erläutern. Neben diesen speziell eingerichteten Dialogmaßnahmen können Neukunden aber auch im Rahmen genereller Kundenbindungsmaßnahmen gezielt angesprochen werden. Eine Möglichkeit stellt die Einladung von Neukunden zur Teilnahme an so genannten „Kundenstammtischen“ dar. Kundenstammtische bieten dabei Neukunden die Option, sich in ungezwungener Atmosphäre zu informieren (Fichtel 2002, S. 79). Daneben können bestehende Kundenclubs, die sich durch das kombinierte Angebot unterschiedlicher Bindungsinstrumente auszeichnen (siehe z. B. Diller/Müllner 1998, S. 1227 f.; Homburg/

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Krohmer 2009, S. 905 f.; Tomczak et al. 2005), auch zur Neukundenbindung genutzt werden (siehe ähnlich Bernecker/Hüttl 2001, S. 167 f.). Selbstbindung Zu den Mitteln der Selbstbindung gehören vor allem Garantien sowie ein kundenorientiertes und kulantes Verhalten. Im Rahmen dieses Beitrags wird zudem die Integration von Kunden als weiteres Instrument der Selbstbindung angesehen. An derartigen Signalen kann der Kunde erkennen, dass sich der Anbieter der Qualität seiner Produkte und Leistungen sicher ist (Kaas 1990, S. 545; 1991, S. 361). Dies erzeugt Vertrauen in den Anbieter und reduziert kognitive Dissonanzen. Garantien vermögen das Risiko für den Neukunden zu reduzieren bzw. völlig abzubauen, womit Vertrauen in das Unternehmen geschaffen wird (siehe generell zum Vertrauensaufbau durch Garantien Aleff 2002, S. 99; Bouncken 2000, S. 17; Hogreve 2007). Dieser Effekt lässt sich dadurch erklären, dass sich eine Garantie nur für Anbieter mit einer hohen Qualität lohnt, da für Anbieter mit schlechter Qualität eine Garantie mit hohen Folgekosten verbunden ist (Meffert/Bruhn 2009, S. 59). Das Instrument der Garantie hat entsprechend mittlerweile in der Wirtschaft breiten Einzug gefunden. Beispielsweise offeriert LOEWE seinen Neukunden eine Garantiekarte zu ihren Produkten (Hupp 2000, S. 66). Globus, eine mittelständische Supermarktkette, bietet seinen Kunden diverse Garantien an. Zwei der wichtigsten Garantien sind die Verfügbarkeits- und Wartezeitgarantie. Die Verfügbarkeitsgarantie bezieht sich auf die Verfügbarkeit von Angeboten. Die Wartezeitgarantie gewährleistet Kunden, dass sie maximal zehn Minuten an den Kassen warten müssen, andernfalls erhalten sie 2,50 Euro (Scupin 2008, S. 916). Der Aufbau von Vertrauen und der Abbau kognitiver Dissonanzen werden daneben durch ein faires, kulantes und entgegenkommendes Verhalten des Unternehmens bei kritischen Ereignissen erzeugt. Damit spielen Aspekte wie Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Unterstützung, Wohlwollen, Sympathie und Wertschätzung eine wichtige Rolle (Braekler/Wortmann 2008, S. 769; Jeker 2002, S. 114; Wesemeier 2002, S. 104). Insbesondere ist ein reibungslos funktionierendes Beschwerdemanagement bei Neukunden von Relevanz, um Vertrauen aufzubauen (Georgi 2000, S. 191; Bouncken 2000, S. 11 und S. 17; Wesemeier 2002, S. 116). Dieses sollte bei Neukunden besonders sensibel funktionieren, da hier instabile Geschäftsbeziehungen vorliegen. Der direkte Beschwerdemanagementprozess mit den Teilprozessen der Beschwerdestimulierung, -annahme, -bearbeitung und -reaktion (Stauss/Seidel 2002, S. 82) ist somit als besonders wichtig einzustufen. Ein Vertrauensaufbau und eine Reduktion von Nachkaufdissonanzen sind zudem durch die Integration der Neukunden zu erreichen (Koufaris/Hampton-Sosa 2004; Milmo 2005; zur Kundenintegration als Mittel der Kundenbindung siehe grundsätzlich Kleinaltenkamp 2005). So können ausgewählte Neukunden in Kundenparlamente und Kundenbeiräte eingebunden werden. Kundenintegration zur Schaffung von Vertrauen kann daneben durch Kundenseminare oder Führungen erreicht werden. Beispielsweise

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bietet Globus seinen Kunden die Teilnahme an diversen Kundenseminaren an, z. B. an Weinseminaren oder Seminaren zur hauseigenen Metzgerei. Daneben veranstaltet Globus regelmäßige Kundenführungen, nicht nur durch den Markt, sondern insbesondere auch in den Back-Office-Bereich (Brill 2000, S. 341). Reputation Vertrauen lässt sich neben den bereits genannten Maßnahmen auch durch eine positive Reputation aufbauen (Bouncken 2000, S. 9 und S. 17). Dabei ist Reputation nicht durch den einmaligen Einsatz von Signaling-Maßnahmen, sondern nur durch ein wiederholtes Signaling erreichbar (Kaas 1990, S. 545; Meffert/Bruhn 2009, S. 59). Allein mittels einer anhaltenden Kongruenz von Ankündigungen und Handlungen in der Vergangenheit und den wahrnehmbaren Werthaltungen ist eine Glaubwürdigkeitsschaffung und damit der Aufbau von Reputation möglich (Bouncken 2000, S. 7). Da Neukunden diesen Vergleich aufgrund einer fehlenden gemeinsamen Historie jedoch nur wenig bzw. überhaupt nicht vornehmen können, wird als Surrogat die Reputation herangezogen. Diese wird als öffentlich zugängliche Information über die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens angesehen (Bouncken 2000, S. 7). Vertrauen und Reputation sind insofern interdependent, da die Existenz und Qualität bestimmter Reputationsmechanismen die subjektive Wahrnehmung der Vertrauenswürdigkeit beeinflusst (Bouncken 2000, S. 7).

4.4

Kontrollaspekte im Rahmen des Neukundenmanagements

Das Management von Neukundenbeziehungen ist einer systematischen Bewertung zu unterziehen, um zu sehen, inwiefern die angestrebten Ziele auch tatsächlich erreicht wurden. Diese Abweichungsermittlung bildet den Grundstock zur Analyse diesbezüglicher Ursachen und der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen. Dementsprechend bedarf es zur Optimierung des Neukundenmanagements entsprechender Kontrollaktivitäten. Zu den Kontrollbereichen eines Neukundenmanagements lassen sich insbesondere die Erreichung der Ziele eines Neukundenmanagements (Abschnitt 4.4.1) und die Erhebung von Problemen der Neukunden rechnen (Abschnitt 4.4.2).

4.4.1 Überprüfung der Zielerreichung des Neukundenmanagements Kontrolle bedeutet grundsätzlich den Vergleich einer Normgröße mit einer zu prüfenden Größe (Küpper 1997, S. 165). Dementsprechend müssen bei der Kontrolle des Neukundenmanagements zunächst einmal die Normgrößen bestimmt werden. Dazu werden im Rahmen dieses Beitrags die bisher angesprochenen Zielgrößen des Neukundenmanagements herangezogen.

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Zu den Zielen des Neukundenmanagements gehören (siehe Kapitel 4.2) zum Ersten die neukundenbezogenen psychologischen Ziele im Sinne der Schaffung von Neukundenzufriedenheit (Transaktions- und Beziehungszufriedenheit), des Aufbaus von Vertrauen und des Abbaus kognitiver Dissonanzen, zum Zweiten die neukundenbezogenen Intentions- und Verhaltensziele wie die intentionalen Ziele der Wiederkaufabsicht, der Zusatzkaufabsicht und der Weiterempfehlungsabsicht sowie die Verhaltensziele des Wiederkaufs und der Weiterempfehlung und zum Dritten die neukundenbezogenen ökonomischen Ziele der Steigerung des Neukundendeckungsbeitrags und des Customer Lifetime Value. Dementsprechend sind bezüglich dieser Ziele Indikatoren bzw. quantifizierbare Messgrößen zu ermitteln, anhand derer es möglich wird, die Zielerreichung bzw. -abweichung zu bestimmen (Kotler et al. 2007, S. 40 ff.). Da es sich bei den psychologischen Zielen um nicht direkt beobachtbare Größen handelt, sind diese durch eine Neukundenbefragung zu erheben. Auch die intentionalen Neukundenziele müssen durch eine Befragung ermittelt werden. Dabei sind diese – als zukunftsorientierte Größen – besonders wichtig. Vergangenheitsbezogene Daten wie das Wiederkaufverhalten sind dagegen bei Vorliegen einer Kundendatenbank leicht zu erheben. Hier können Kennziffern wie die Kaufintensität, die Kontaktdichte und die Kundendurchdringungsrate [12] erhoben werden (Diller/Müllner 1998, S. 1231). So nutzt z. B. die DAB Bank die Information, dass ein Neukunde innerhalb der ersten vier Wochen nach Kontoeröffnung noch immer keine Transaktion getätigt hat, zur Nachfrage, ob vielleicht technische oder verständnisbedingte Nutzungsprobleme vorliegen (Fichtel 2002, S. 77). Insbesondere gilt es, die Wechsel- bzw. Migrationsrate (Churn Rate) bei Neukunden zu ermitteln, da diese zentrale Kennziffer den Prozentsatz der Neukunden ausweist, die gerade nicht gehalten werden konnten. Schließlich sind zur Überprüfung der ökonomischen Ziele der Neukundendeckungsbeitrag (Kirchner 2005, S. 301) und der Customer Lifetime Value zu bestimmen (zur Bestimmung des Kundendeckungsbeitrags und des Customer Lifetime Value siehe generell u. a. Cornelsen 1996; Homburg/Daum 1997; Homburg/Schnurr 1999; Köhler 2005 und Krafft/Albers 2000). Anhand dieser Größen können sodann Überlegungen angestellt werden, welche dieser Neukunden gebunden werden sollen bzw. es können die Neukunden ausgewählt werden, bei denen der Einsatz von Kundenbindungsmaßnahmen besonders attraktiv zu sein scheint (Kirchner 2005, S. 301; zu einem konkreten Prognoseverfahren siehe auch Schumacher 2008). Eine Beschränkung der Kontrolle des Neukundenmanagements auf eine reine Vergleichsbeurteilung greift aber zu kurz. Zur systematischen Verbesserung des Managements von Neukundenbeziehungen bedarf es eines umfassenderen Kontrollverständnisses. Neben der Überprüfung des Abweichungsgrads von den Normgrößen beinhaltet Kontrolle insbesondere auch die Analyse möglicher Ursachen der Abweichung (Küpper 1997, S. 27), die Ermittlung eventueller Hemmnisse eines Neukundenmanagements, die Initiierung der Hemmnisbeseitigung, d. h. das Entwickeln sowie Ergreifen von Korrekturmaßnahmen, und gegebenenfalls die Anpassung der Planungsprämissen. Unternehmen sollten im Zuge des Neukundenmanagements nicht nur ihre eigene Zielerreichung kontrollieren, sondern zudem überprüfen, inwiefern der Neukunde seine eige-

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nen Ziele erreicht bzw. inwiefern bei diesem Probleme auftreten. Mit diesem Kontrollaspekt setzt sich der kommende Abschnitt auseinander.

4.4.2 Identifikation von Neukundenproblemen Zur Bestimmung von Problemen, die Neukunden haben, kann zunächst auf bereits im Unternehmen vorhandenes Datenmaterial zurückgegriffen und dieses unter dem speziellen Aspekt der Bestimmung von Neukundenproblemen gesammelt, analysiert und ausgewertet werden. Als mögliche Indikatoren für Probleme von Neukunden lassen sich verschiedenste Kennziffern heranziehen, wie deren Zufriedenheit und die Zahl von Beschwerden. Das erstmalige Auftreten von Unzufriedenheit und eventueller Beschwerden oder eine erstmalige negative Tendenz der Werte liefern erste Hinweise auf Probleme bzw. dienen als Warnsignale. Die Vorteile dieser Dokumentenanalyse liegen in der Kostengünstigkeit, der schnellen Verfügbarkeit der Daten und der Einarbeitung in die Materie im Falle der Durchführung von Primärerhebungen (Hair et al. 2009, S. 114; Hair et al. 2008, S. 60; Malhotra/Birks 2007, S. 96). Der Nachteil der angesprochenen Analyse von Indikatoren ist in deren hohem Aggregationsgrad zu sehen, weshalb lediglich Tendenzaussagen zu Neukundenproblemen möglich sind. Eine Methode, welche die beschriebene Problematik mindert, ist eine Analyse der Beschwerden von Neukunden. Generell umfasst eine Beschwerdeanalyse „die systematische Auswertung der mündlichen und schriftlichen, direkt an das Unternehmen gerichteten Kundenbeschwerden“ (Stauss/Hentschel 1991, S. 241). Im vorliegenden Fall werden die Kundenbeschwerden speziell daraufhin untersucht, inwieweit die Probleme „aus dem Munde“ von Neukunden stammen. Trotz der beschriebenen vielfältigen Möglichkeiten der Sekundärforschung erscheint es unerlässlich, eine zusätzliche Erhebung originärer Daten zum gewünschten und tatsächlichen Kundenverhalten durchzuführen, um zu detaillierten Aussagen zu aktuellen Neukundenproblemen zu gelangen. Folglich ist mittels Primärforschung zu erfassen, welche Probleme bei den Neukunden auftreten (Bowen 1986, S. 381). Zur Gewinnung von Informationen über Neukundenprobleme stehen einem Unternehmen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die sich nach der Art der methodischen Vorgehensweise entweder dem Methodenstrang der Beobachtung oder der Befragung zurechnen lassen (Homburg/Krohmer 2009, S. 254 ff.). Das Befragungsinstrumentarium reicht dabei von mündlichen (telefonischen oder persönlichen) Interviews über schriftliche Fragebogenerhebungen mittels merkmals- und/oder ereignisorientierter Verfahren (z. B. auch im Internet) bis hin zu Gruppendiskussionen (Fokusgruppen; siehe z. B. Kießling/Koch 1999 und Lamnek 1998), bei denen die Sequentielle Ereignismethode oder die Critical Incident-Technique eingesetzt werden. Am häufigsten finden in der Praxis jedoch – wenn überhaupt – schriftliche Zufriedenheitsbefragungen bei Neukunden statt. So legt z. B. BMW dem „Welcome Package“ einen speziellen Dialogbo-

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gen bei, in dem die Neukunden Lob und Kritik frei artikulieren können (Braekler/ Wortmann 2008, S. 765). Bei der Barmer Ersatzkasse werden die Neukunden sechs Wochen nach Mitgliedschaftsbeginn kontaktiert und zu ihrer Zufriedenheit befragt (Fichtel 2002, S. 73). Dagegen erfasst die schweizerische Bank Coop AG (2003, S. 19) erst sechs Monate nach der Eröffnung einer Kundenbeziehung die Zufriedenheit ihrer Neukunden.

4.5

Implementierung des Neukundenmanagements

Schließlich gilt es, das skizzierte Konzept des Managements von Neukundenbeziehungen in Unternehmen ins Leben zu rufen. Dabei ist die besondere Herausforderung darin zu sehen, dass aufgrund der einzusetzenden Instrumente (Maßnahmen im Bereich der Produktpolitik und des Qualitätsmanagements, des Zufriedenheitsmanagements sowie des Signaling) und der spezifischen Prozesse (z. B. Serviceprozesse, die sich von denen bei Stammkunden unterscheiden) ein Neukundenmanagement zwar eigenständig, aber letztlich interfunktional angelegt sein sollte. Die Problematik der Interfunktionalität tritt indes nicht nur im Rahmen der Implementierung eines Neukundenmanagements, sondern generell bei der Realisierung eines Kundenbeziehungsmanagements auf. Zwar wird schon seit längerem in der Literatur die Schaffung eines integrativen Kundenbeziehungsmanagements propagiert, in der Realität stellt die Interfunktionalität aber noch immer eher die Ausnahme dar. Eine Ursache hierfür ist die häufig auftretende aufbauorganisatorische Trennung kundenbezogener Aufgaben in die Bereiche Marketing, Sales und Service. Damit geht einher, dass viele Kundendaten funktionsbezogen erfasst und genutzt sowie in verschiedenen Datenbanken und mit unterschiedlichen Standards gehalten werden (Foss et al. 2002). Dementsprechend wichtig ist der Einsatz entsprechender Software (CRM-Systeme), die die Datenproblematik lösen kann, indem sie die einzelnen, funktional getrennten Datenbestände in eine einheitliche Datenbasis integriert und somit allen Abteilungen eine ganzheitliche Sicht auf den Kunden ermöglicht. In diesem Kontext sind zudem Überlegungen anzustellen, inwiefern sich ausgewählte Prozesse automatisieren lassen. So könnte z. B. der Status eines Kunden nach einer Zeitdauer von 6 Monaten automatisch von Neukunde auf Stammkunde geändert und dieser somit dem Stammkundenmanagement übergeben werden. Neben dieser systembezogenen Integration sind entsprechende kulturelle und organisatorische Voraussetzungen im Unternehmen zu schaffen. Dazu gilt es zum einen, auf Führungs- und Mitarbeiterebene das Bewusstsein zu fördern, dass Neukunden einer gesonderten Betrachtung und Behandlung bedürfen, zum anderen ist die für ein adäquates Handeln notwendige Wissensbasis zu generieren. Daneben ist ein – möglichst crossfunktionales – Projektteam einzuberufen, das die neu zu definierenden Prozesse in die vorliegende Prozess-Landschaft integriert (siehe ähnlich Stoffels 2008, S. 365). Dieses Team könnte nicht nur während des Implementierungsprozesses, sondern darüber hin-

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aus kontinuierlich zusammenarbeiten und sich über wichtige Themen, Abhängigkeiten, Entwicklungen und Investments permanent informieren (Foss et al. 2002, S. 147).

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Fazit

Die Neukundenphase stellt einen ganz besonders sensiblen Abschnitt im Lebenszyklus einer Kundenbeziehung dar. Da sich in dieser Zeit entscheidet, ob der Kunde an der Geschäftsbeziehung festhält und inwieweit die Beziehung gefestigt werden kann, wird durch ein Neukundenmanagement der Grundstein für den Aufbau längerfristiger Kundenbeziehungen und damit des Erfolgs eines Kundenbeziehungsmanagements gelegt (Gouthier 2002; 2004). Erstkäufer eines Produkts bzw. einer Dienstleistung fühlen sich in ihrer neuen Geschäftsbeziehung noch nicht gefestigt und unsicher darüber, ob ihre Kaufentscheidung richtig war und ob sie an dieser Entscheidung auch in Zukunft festhalten wollen (Stauss/ Seidel 2002, S. 28). Daher bedürfen Neukunden einer besonders intensiven Betreuung. Folglich ist es für Unternehmen gerade in dieser kritischen Phase wichtig, die Geschäftsbeziehung zu festigen und im Rahmen des Neukundenmanagements aktiv zu gestalten. Neukunden sind in dieser frühen Phase der Geschäftsbeziehung in der Korrektheit ihrer Kaufentscheidung zu bestärken. Dazu gehören der Einsatz von Produktpolitik und Qualitätsmanagement, eines spezifischen Zufriedenheitsmanagements sowie diverser Signale, um den Neukunden in seiner Kaufentscheidung zu bekräftigen, Zufriedenheit zu schaffen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Allerdings wird erst durch die gezielte Koordination von Interessenten-, Neukunden- und Stammkundenmanagement sowie der Funktionen Marketing, Sales und Service das Potenzial eines Kundenbeziehungsmanagements voll ausgeschöpft.

Anmerkungen [1] Diese Aussage wird tendenziell durch eine explorative Studie von Fichtel (2002) bestätigt, die feststellt, dass im Dienstleistungsbereich nur die wenigsten Unternehmen eine Trennung ihrer aktuellen Kunden in Neukunden und Stammkunden vornehmen. Eine Ausnahme stellt die Versandhandelsbranche dar. Hier verfügen knapp 65 % der Unternehmen über ein spezifisch angelegtes Neukundenmanagement (Zirkler 2004, S. 48). Aber auch die Automobilbranche verfügt über ein systematisches Management von Neukundenbeziehungen (siehe z. B. Braekler/ Wortmann 2008; Holland 2009). [2] Einige der wenigen Ausnahmen im deutschsprachigen Raum, die sich mit Fragestellungen des Neukundenmanagements beschäftigen, sind Bruhn (2001; 2003; 2009) und Gouthier (2004) sowie speziell für den Dienstleistungsbereich Fichtel (2002), Gouthier (2002) und Zirkler (2004).

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[3] Allerdings finden sich in der Literatur abweichende Meinungen von Autoren darüber, inwieweit nicht bereits der Zeitpunkt der Kaufentscheidung als Trennkriterium herangezogen werden sollte. Im Rahmen dieses Beitrags wird sich indes für eine eindeutige Separierung der Interessenten- zur Neukundenphase durch den Kaufakt entschieden (siehe auch Diller 2001a). Dies hat auch für die Praxis den Vorteil, dass eine klare Trennung von Interessenten- und Neukundenmanagement möglich wird. [4] Gemäß einer nicht-repräsentativen Studie im Bankensektor ziehen 60 % der Unternehmen, die eine Unterscheidung von Neukunden und Stammkunden vornehmen, die Mitgliedsdauer als Unterscheidungskriterium heran (Fichtel 2002, S. 21). [5] Diller (2001b) spricht im Falle einer freiwilligen Kundenbindung auch von der Loyalität des Kunden. [6] An dieser Stelle soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Zahl der in der Literatur genannten Ursachen für Kundenbindung, insbesondere bei einer Nichtunterscheidung von Ge- und Verbundenheit, und die sie beeinflussenden Faktoren bzw. Antecedens-Variablen bei Weitem größer ist, als die zwei hier genannten. So finden sich in der Literatur häufig auch die Aspekte des Commitments und Involvements wieder (siehe Diller 1996, S. 87 ff.; Jeker 2002, S. 116 ff.). [7] Diese Unterscheidung basiert auf dem Konzept der Loyalitätsleiter; siehe Peck et al. (1999, S. 45). Dieses weist Kunden abhängig vom Ausmaß ihrer Loyalität verschiedene Sprossen einer Leiter zu (siehe auch Payne/Rapp 1999, S. 8 f.). [8] Allerdings ist die Annahme, dass Kundenzufriedenheit immer zu Kundenbindung führt, in dieser Pauschalität unzutreffend; siehe hierzu insbesondere den Beitrag von Stauss (1997). [9] So verfügen z. B. in der Versandhandelsbranche immerhin 18 % der Unternehmen über ein spezifisches Beschwerdemanagement für Neukunden (Zirkler 2004, S. 58 f.). [10] Daneben werden vorhandene Dissonanzen über eine Umbewertung, Ergänzung oder auch durch Verdrängung reduziert (Balderjahn 2001, S. 1171; Homburg/ Bruhn 2005, S. 15). [11] Wie noch aus den folgenden Abschnitten hervorgeht, stellen Produktpolitik und Qualitätsmanagement sowohl zentrale Elemente eines Zufriedenheitsmanagements als auch vertrauensfördernde Signale dar. Um jedoch Redundanzen im Text zu vermeiden, wurden daher diese beiden Funktionsfelder vorgezogen und in einem eigenen Abschnitt 4.3.2 behandelt. [12] Die Kundendurchdringungsrate gibt an, wieviel Bedarf beim Anbieter und entsprechend wieviel des Bedarfs bei Wettbewerbern gedeckt wird (Diller 1996, S. 85; Diller/Müllner 1998, S. 1232).

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Manfred Bruhn

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement 1

Bedeutung des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements für das CRM 1.1 Kundenbeziehungszyklus als Analysegrundlage des CRM 1.2 Erfolgskette als Steuerungsgrundlage des CRM 1.3 Ziele und Aufgaben des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements

2

Ansätze zur Messung der Zufriedenheit und Kundenbindung 2.1 Klassifikation der Messansätze 2.2 Messung der Kundenzufriedenheit 2.3 Messung der Kundenbindung

3

Instrumente des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements 3.1 Phasenspezifische Instrumente des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements 3.2 Phasenübergreifende Instrumente des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements

4

Organisation und Implementierung des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements 4.1 Aufbauorganisation des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements 4.2 Ablauforganisation des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements 4.2.1 Prozessorientierte Organisationsgestaltung 4.2.2 Schnittstellenmanagement

5

Erfolgsfaktoren des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements

Literaturverzeichnis

1

Bedeutung des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements für das CRM

1.1

Kundenbeziehungszyklus als Analysegrundlage des CRM

In den letzten Jahren hat die Veränderung der wirtschaftlichen und wettbewerblichen Rahmenbedingungen eine Akzentverschiebung des Marketing nach sich gezogen (Meffert 1999; Bruhn 2009b). Die Verstärkung der Wettbewerbsintensität führte in vielen Branchen zu sinkenden Gewinnen. Gleichzeitig wurde es für viele Unternehmen immer schwieriger, die Ergebnisse und Wachstumsraten der Vergangenheit aufrecht zu erhalten. In dieser Situation sahen sich die Unternehmen gezwungen, umzudenken und nach neuen Differenzierungspotenzialen im Wettbewerb sowie Wachstumsmöglichkeiten zu suchen. Angestoßen durch diese Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wandelt sich die Perspektive des Marketing von einer transaktionsorientierten Sicht hin zu einer beziehungsorientierten Perspektive, bei der die Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Unternehmen und nicht einzelne Leistungstransaktionen im Fokus steht (Bruhn 2009a, S. 9 f.). Durch diese Neuorientierung des Marketing wurde der Begriff des Relationship Marketing bzw. Customer Relationship Management (CRM) geprägt (Berry 1983; Gummesson 1987; Plinke 1989; Backhaus/Diller 1993; Bruhn 2009a), das „sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen – insbesondere zu den Kunden – des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen“, umfasst (Bruhn 2009a, S. 10). Das Denken in Kundenbeziehungen und die Verknüpfung von Einzeltransaktionen im Zeitablauf wird durch ein „Denken im Kundenbeziehungszyklus“ unterstützt. Gemäß dem Konzept des Kundenbeziehungszyklus (Stauss 2000b) durchlaufen Anbieter und Nachfrager während einer Kundenbeziehung unterschiedliche Stadien in Abhängigkeit von der Stärke der Kundenbeziehung. Die jeweiligen Phasen lassen sich durch verschiedene Merkmale beschreiben (Dwyer et al. 1987; Hentschel 1991; Stauss 2000b; Bruhn 2009a), die wiederum Schlussfolgerungen für das Management der Kundenbeziehung zulassen (vgl. Abb. 1). Zur Steuerung der Kundenbeziehungen werden daher in den verschiedenen Beziehungsphasen jeweils spezifische Beziehungsziele definiert, die anhand der Erfolgskette des CRM strukturiert werden.

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_14, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

412

Manfred Bruhn

Stärke/Intensität der Kundenbeziehung

Dauer der Kundenbeziehung

Kundenakquisition

Kundenbindung

Kundenrückgewinnung

• Anbahnungsphase • Sozialisationsphase

• Wachstumsphase • Reifephase

• Gefährdungsphase(n) • Auflösungsphase • Abstinenzphase

Abb. 1: Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus Quelle: in Anlehnung an Bruhn 1999, S. 191; Stauss 2000b, S. 16

1.2

Erfolgskette als Steuerungsgrundlage des CRM

Mit Hilfe so genannter Erfolgsketten werden beziehungsorientierte Erfolgsgrößen strukturiert (Heskett et al. 1997, S. 18 ff.; Bruhn 2009a). Sie fungieren als gedankliche Basis für die Planung, Steuerung und Kontrolle des Relationship Marketing. Abb. 2 zeigt eine exemplarische Erfolgskette des CRM. Die Grundüberlegung bei einer Erfolgskette ist die inhaltliche Verknüpfung von Variablen, die miteinander in Zusammenhang stehen. Innerhalb der Kette werden Wirkungen zwischen Variablen dargestellt, um eine strukturierte Analyse und Maßnahmenableitung zu ermöglichen. Im Rahmen des CRM auf Basis der Erfolgskette wird angenommen, dass Kundenbeziehungen verschiedene Phasen durchlaufen, bevor sich Kundenbindung und daraus resultierende ökonomische Effekte ergeben (Homburg/Bruhn 2010, S. 9 f.). Die Grundstruktur der Erfolgskette wird in drei Bereiche untergliedert: (1) Unternehmensaktivitäten (Input auf Unternehmensseite, hier: Aktivitäten des CRM), (2) Wirkungen der Unternehmensaktivitäten beim Kunden (Psychologische Wirkung, z. B. Kundenzufriedenheit, und Verhaltenswirkungen, z. B. Kundenbindung), (3) Ökonomischer Erfolg (Output auf Unternehmensseite).

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

413

Unternehmensexterne moderierende Faktoren • Heterogenität der Kundenerwartungen • Marktbezogene Dynamik • Marktbezogene Komplexität

Relationship Marketing

• Variety-Seeking-Motive • Image • Alternativenzahl • Bequemlichkeit der Kunden

Kundenzufriedenheit

• Individualität der Dienstleistung • Heterogenität des Leistungsspektrums • Leistungskomplexität

• Wechselbarrieren • Möglichkeit vertraglicher Bindungen • Funktionaler Verbund der angebotenen Leistungen

• Ertragspotenzial der Kunden • Leistungsbedürfnis der Kunden • Preisbereitschaft • Kundenfluktuation

Kundenbindung

Ökonomischer Erfolg

• Ausgestaltung des Kundeninformationssystems • Mitarbeiterfluktuation • Restriktionen bei der Preisfestlegung • Breite des Leistungsangebotes

Unternehmensinterne moderierende Faktoren

Abb. 2: Exemplarische Erfolgskette des CRM Quelle: Bruhn 2009a, S. 67

Aufbauend auf diesem Grundverständnis kommen auf der ersten Stufe verschiedene Maßnahmen des Unternehmens zum Einsatz, um einen Erstkontakt mit dem Kunden zu erreichen. Bewertet der Kunde die Interaktion mit dem Anbieter positiv und werden seine Erwartungen übertroffen, entsteht auf einer zweiten Stufe als kundenseitige vorökonomische psychologische Wirkung Kundenzufriedenheit. Vertraut der Kunde in die Leistungsfähigkeit des Anbieters, so ist er geneigt, in der nächsten Konsumsituation wieder die entsprechende Marke, das Produkt, die Dienstleistung oder die Einkaufsstätte auszuwählen. Der Übergang zur Kundenbindung als kundenseitige vorökonomische Verhaltenswirkung ist erreicht, wenn sich diese Überzeugung des Kunden in einem realen Wiederkauf-, Cross-Buying-Verhalten bzw. in Weiterempfehlungen an potenzielle Kunden niederschlägt. In einem letzten Schritt führt eine Steigerung der Kundenbindung unternehmensseitig oftmals zu positiven ökonomischen Wirkungen, z. B. der Steigerung des Kundendeckungsbeitrags oder Umsatzsteigerungen (Homburg/Bruhn 2010, S. 9 f., S. 16 f.). Der Ablauf der Wirkungskette wird von moderierenden externen und internen Faktoren beeinflusst (Homburg et al. 2003; Bruhn/Georgi 2010, S. 646 ff.), die entweder verstärkend oder abschwächend auf die dargestellten Zusammenhänge einwirken (Homburg/Bruhn 2010, S. 9 f.). Dies hat zur Konsequenz, dass nachgelagerte Größen von vorgelagerten nicht zu 100 Prozent beeinflusst werden. So führen beispielsweise

414

Manfred Bruhn

heterogene Kundenerwartungen oftmals dazu, dass trotz hoher Leistungsqualität eine Vielzahl von Kunden nicht zufrieden gestellt wird, weil nicht alle Erwartungen berücksichtigt werden. Weiterhin ist es denkbar, dass ein zufriedener Kunde die Leistungen, z. B. aus Bequemlichkeit oder weil er nach Abwechslung strebt (Variety-Seeking-Verhalten), nicht wiederkauft.

1.3

Ziele und Aufgaben des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements

Als zentrales Element des CRM umfasst das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement die systematische Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteter Maßnahmen mit dem Ziel, die Kundenerwartungen in Bezug auf einzelne Leistungsmerkmale zu erfüllen (Kundenzufriedenheit), damit diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten und intensivieren (Kundenbindung) (Homburg/Bruhn 2010, S. 8). Konkrete Aufgaben für das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement ergeben sich aus der Erfolgskette des CRM. Es gilt, den Zielerreichungsgrad auf einzelnen Stufen der Erfolgskette zu überprüfen, um gegebenenfalls bestehende Engpässe zu identifizieren und Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten. Im Rahmen des Kundenzufriedenheitsmanagements sind die Kundenerwartungen an die Leistung, die Zufriedenheit der Kunden mit relevanten Leistungsmerkmalen sowie der wahrgenommene Wert der Leistung zu erfassen. Ausgangspunkt der Analyse sind die Kundenerwartungen. Sind diese zu hoch, stellt sich trotz guter Leistungsqualität – entsprechend den Annahmen des Confirmation-Disconfirmation-Paradigmas – keine Kundenzufriedenheit ein (Homburg/ Bruhn 2010, S. 5 f.). In diesem Zusammenhang ist das Erwartungsmanagement gefordert, die Anforderungen des Kunden an das Produkt bzw. die Leistung zu reduzieren (Bruhn 2000; 2009, S. 72). Ist die Zufriedenheit mit den Leistungsmerkmalen erhoben, erfordert ein systematisches Zufriedenheitsmanagement die Beseitigung von bestehenden Zufriedenheitsdefiziten. Da Kundenzufriedenheit zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für den zukünftigen ökonomischen Erfolg eines Unternehmens ist, sind im Rahmen des Kundenbindungsmanagements die sich aus der Leistungsbeurteilung und den daraus resultierenden psychologischen Konsequenzen ergebenden Verhaltensmuster genauer zu untersuchen. Neben dem Erhalt der Beziehung durch den Kunden (beziehungserhaltende Kundenbindung) ist es die Aufgabe des Kundenbindungsmanagements, die Beziehung mit dem Kunden auszuweiten (beziehungsintensivierende Kundenbindung). Durch die beziehungserhaltende Kundenbindung wird eine Art „Beziehungssockel“ geschaffen, der die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung zum Ausdruck bringt. Aufbauend auf dieser Basis gilt es, im Rahmen der beziehungsintensivierenden Kundenbindung beispielsweise Cross-Selling-Aktivitäten zu realisieren. Nur auf diese Weise wird ein Ansteigen der Beziehungslebenszykluskurve erreicht. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nur eine Bindung von profitablen Kunden zu den erhofften Erfolgs-

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

415

wirkungen führt. Da nicht jede Kundenbeziehung für das Unternehmen von gleichem Wert ist, sind Kundenbindungsmaßnahmen oftmals ineffizient, wenn sie undifferenziert auf den gesamten Kundenstamm angewandt werden. Zur Überprüfung der Umsetzung sowie zur Fortschrittskontrolle des Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements sind regelmäßige Messungen erforderlich. Trotz zunehmender Verbreitung in der Praxis sind eine Vielzahl an konzeptionellen und methodischen „Mängeln“ festzustellen (Homburg 2003). Deshalb wird im nächsten Abschnitt auf die verschiedenen Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung näher eingegangen.

2

Ansätze zur Messung der Zufriedenheit und Kundenbindung

2.1

Klassifikation der Messansätze

Zur Messung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung werden in der Literatur eine Vielzahl von Ansätzen (Homburg/Stock-Homburg 2008; Bruhn 2008) diskutiert, die sich auf mehreren Ebenen untergliedern lassen (vgl. Abb. 3).

Messung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung

subjektiv

objektiv

integriert

isoliert

merkmalsorientiert

eindimensional

mehrdimensional

ereignisorientiert

reale Kunden

fiktive Kunden

problemorientiert

kundeninitiiert

unternehmensunabhängig

unternehmensgesteuert

unternehmensinitiiert

Abb. 3: Ansätze zur Messung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Quelle: in Anlehnung an Bruhn 2007, S. 40

416

Manfred Bruhn

Zur Messung der Zufriedenheit und Kundenbindung lassen sich jeweils objektive und subjektive Verfahren einsetzen. Erstere stützen sich auf objektive Indikatoren, die nicht durch subjektive Wahrnehmungen verzerrt werden, wohingegen subjektive Messungen individuelle Wahrnehmungen explizit berücksichtigen (Homburg et al. 2003, S. 556 ff.). Die subjektiven Messverfahren lassen sich wiederum untergliedern in isolierte und integrierte Ansätze. Isolierte Verfahren haben hierbei nur die Messung des betrachteten Konstrukts zum Ziel. Bei der integrierten Messung wird der Blick ausgeweitet und die Kundenzufriedenheit bzw. Kundenbindung unter Einbeziehung ihrer Determinanten und Wirkungen erfasst.

2.2

Messung der Kundenzufriedenheit

In der Kundenzufriedenheitsmessung lassen sich zunächst objektive und subjektive Verfahren unterscheiden. Die objektiven Verfahren stützen sich hauptsächlich auf Indikatoren, wie z. B. den Gewinn, den Marktanteil oder den Umsatz eines Unternehmens. Der Nachteil bei der Nutzung dieser Größen ist, dass sie nicht nur von der Kundenzufriedenheit, sondern auch von situativen bzw. marktspezifischen Einflüssen überlagert werden. Die subjektiven Verfahren stellen im Gegensatz zu den objektiven Verfahren auf die Erfassung der vom Kunden subjektiv empfundenen Zufriedenheit ab und werden in Ansätze der isolierten und integrierten Messung unterteilt. Während bei der isolierten Messung lediglich die Kundenzufriedenheit (und teilweise ihre Ursachen) erhoben werden, bezieht die integrierte Messung vor allem auch die Wirkungen der Kundenzufriedenheit mit ein. Die Verfahren der isolierten Messung lassen sich in Abhängigkeit des zufriedenheitsbezogenen Untersuchungsgegenstands in merkmals-, ereignis- sowie problemorientierte Messverfahren untergliedern. Im Rahmen der merkmalsorientierten Messverfahren sind eindimensionale Verfahren, die die Kundenzufriedenheit über einen einzelnen Indikator, z. B. die Gesamtzufriedenheit, erfassen und multiattributive Verfahren zu unterscheiden. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass die Zufriedenheit anhand einer Vielzahl von Produkt-, Service- oder Interaktionsmerkmalen erhoben wird. Hierfür sind die relevanten Leistungsmerkmale im Vorfeld mit Hilfe verschiedener Verfahren der qualitativen Marktforschung, wie z. B. Tiefeninterviews oder Gruppendiskussionen, zu identifizieren. Zu den multiattributiven Verfahren zählen unter anderem der Penalty-Reward-Faktoren-Ansatz, der Willingness-to-Pay-Ansatz sowie der SERVQUAL-Ansatz (Bruhn 2010, S. 163 ff.; Meffert/Bruhn 2009). Ereignisbezogene Ansätze basieren auf der Annahme, dass einzelne Schlüsselerlebnisse das Zufriedenheitsurteil eines Kunden im Hinblick auf ein Unternehmen oder ein Produkt bestimmen. Ereignismessungen erfolgen bei realen und fiktiven Kunden. Zur Ereignismessung bei realen Kunden, durch die eine Bewertung von Interaktionen mit dem Anbieter durch den Kunden erfolgt, werden häufig die sequenzielle Ereignismethode und die Critical-Incident-Technik eingesetzt (Stauss 2000a). Bei der Ereignismessung

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

417

bei fiktiven Kunden wird eine Bewertung von Leistungsprozessen durch Personen durchgeführt, deren Teilnahme am bzw. Beobachtung des Leistungserstellungsprozesses der Leistungsbewertung und nicht der Leistungsinanspruchnahme dient. Hierbei lassen sich die Expertenbeobachtung und das Silent-Shopper-Verfahren einsetzen (Meffert/Bruhn 2009). Den Untersuchungsgegenstand einer problemorientierten Zufriedenheitsmessung stellen aus Kundensicht zufriedenheitsrelevante Problemfelder in Bezug auf das Leistungsangebot eines Unternehmens dar. Die problemorientierte Messung wird einerseits durch den Kunden und andererseits durch das Unternehmen initiiert. Eine kundeninitiierte Problemmessung setzt an den Kundenbeschwerden an (Stauss/Hentschel 1990). Eine systematische Erfassung von Kundenbeschwerden ermöglicht es dem Unternehmen, Leistungsmerkmale zu identifizieren, mit denen die Kunden, die sich beschweren, unzufrieden sind. Bei der unternehmensinitiierten Problemmessung ist es das Ziel, möglichst sämtliche aus Kundensicht relevanten Leistungsprobleme zu erfassen und zu bewerten. Hierzu werden oftmals die Problem-Detecting-Methode und die Frequenz-RelevanzAnalyse für Probleme (FRAP) eingesetzt (Stauss 2000a). Bei der integrierten Messung wird die Kundenzufriedenheit unter Einbeziehung ihrer Determinanten (z. B. Qualität) und Wirkungen (z. B. Kundenbindung) erfasst. Dieser Vorgehensweise liegt die Überlegung zugrunde, dass eine integrierte Messung nicht nur Aussagen über das Zufriedenheitsniveau eines Kunden zulässt, sondern auch die Ableitung von Verbesserungspotenzialen und Aussagen bezüglich der Bedeutung der Kundenzufriedenheit für das Kaufverhalten ermöglicht. Die integrierte Messung erfolgt unternehmensunabhängig und unternehmensgesteuert. Zur unternehmensunabhängigen integrierten Messung der Kundenzufriedenheit werden zunehmend Nationale Kundenbarometer eingesetzt. Durch Nationale Kundenbarometer erfolgt eine branchenübergreifende Messung der Zufriedenheit sowie zentraler Erfolgsfaktoren von Unternehmen und Institutionen einer Nation bzw. eines Wirtschaftsraumes mittels periodischer Kundenbefragungen durch eine neutrale Institution. Seit einigen Jahren werden Nationale Kundenbarometer erfolgreich in Schweden, den USA, Deutschland und der Schweiz eingesetzt. Basierend auf den Erfahrungen mit bestehenden nationalen Barometern wurde im Jahr 1999 der Extended Performance Satisfaction Index (EPSI; früher: European Customer Satisfaction Index/ECSI) als supranationales, paneuropäisches Kundenbarometer implementiert. Den meisten Nationalen Kundenbarometern liegen so genannte Strukturgleichungsmodelle zugrunde, in denen die Beziehungen zwischen der Kundenzufriedenheit, ihren Einflussgrößen und ihren Wirkungen abgebildet werden. Abb. 4 zeigt beispielhaft das EPSI-Modell. Die Methodik Nationaler Kundenbarometer haben sich zunehmend auch Unternehmen zu Eigen gemacht. Sie setzen so genannte unternehmensspezifische Kundenbarometer für eine unternehmensgesteuerte integrierte Zufriedenheitsmessung ein. Unternehmensspezifische Kundenbarometer sind darauf ausgerichtet, ein an die Besonderheiten des betrachteten Unternehmens angepasstes Zufriedenheitsmodell zu entwickeln (Bruhn 2010) und damit noch spezifischere Handlungsschwerpunkte für das Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagement abzuleiten.

418

Manfred Bruhn

Befähiger

Ergebnisse Image

Kundenerwartungen Wahrgenommener Nutzen

Kundenzufriedenheit

Kundenbindung

Wahrgenommene Qualität Produktqualität

Servicequalität

Abb. 4: Strukturgleichungsmodell von EPSI (Grundmodell) Quelle: EPSI 2009

2.3

Messung der Kundenbindung

Ein hohes Zufriedenheitsniveau allein ist nicht ausreichend, um den Erfolg des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements zu beurteilen. Erst wenn sich die Kundenbindung neben der Kundenzufriedenheit positiv entwickelt, ist eine aussagekräftige Tendenz hinsichtlich der Effektivität des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements erkennbar. Das Phänomen Kundenbindung umfasst zum einen das bisherige Kauf- und Weiterempfehlungsverhalten sowie die Preiserhöhungstoleranz und zum anderen die zukünftige Wiederkauf-, Zusatzkauf- (Cross-Buying-) und Weiterempfehlungsabsicht (Goodwill) eines Kunden gegenüber einem Unternehmen, dessen Produkten oder Leistungen (Meyer/Oevermann 1995, S. 1342). Wie aus dieser Begriffsdefinition ersichtlich wird, besteht das Konstrukt Kundenbindung aus zwei grundlegenden Dimensionen (Homburg/Faßnacht 2001, S. 451; Homburg et al. 2003; Bruhn 2007; vgl. Abb. 5): ƒ

dem bisherigen bzw. tatsächlichen Verhalten (ex post-Betrachtung) und

ƒ

der Verhaltensabsicht (ex ante-Betrachtung).

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

419

Kundenbindung

Faktisches Verhalten

Wiederkauf Cross Buying

PreiserWeiterhöhungsempfehlung akzeptanz

Verhaltensabsicht

Wieder kaufabsicht

CrossBuyingAbsicht

PreiserWeiterempfehlungs- höhungsabsicht toleranz

Abb. 5: Konzeptualisierung des Konstrukts Kundenbindung Quelle: in Anlehnung an Homburg/Faßnacht 2001, S. 451; Bruhn 2007, S. 112

Basierend auf der Untergliederung des Konstrukts in zwei Dimensionen ist bei der Kontrolle der Effektivität des Kundenbindungsmanagements auf unterschiedliche Messansätze zurückzugreifen. Kundenbindung in Form von faktischem Verhalten umfasst die Kategorien Wiederkauf, Cross Buying und Weiterempfehlung sowie Preiserhöhungstoleranz. Gemessen werden diese Verhaltenskategorien (direkt oder indirekt) durch die Wiederkaufrate, Kaufintensität, Verbundkäufe u. a. m. Insgesamt sind verhaltensorientierte Messungen aufgrund ihres „Ex-post-Charakters“ nur bedingt als Steuerungsgrößen für das Kundenbindungsmanagement geeignet, denn sie lassen keine Aussage darüber zu, welche Folgeentscheidung ein Kunde in der Zukunft trifft (Meyer/Oevermann 1995, S. 1344). Deshalb werden der verhaltensorientierten Messung ergänzend die Verfahren zur Messung der Verhaltensabsicht gegenübergestellt. Entsprechend wird zwischen der Wiederkauf-, Cross-Buying-, Weiterempfehlungsabsicht sowie Preiserhöhungstoleranz unterschieden. Diese Teilkonstrukte lassen sich durch Befragungen im Rahmen der Marktforschung erheben.

3

Instrumente des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements

3.1

Phasenspezifische Instrumente des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements

Eine reine Ermittlung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung in Form einer Ergebnisbetrachtung mit Hilfe eines Messsystems ist zur dauerhaften positiven Beeinflus-

420

Manfred Bruhn

sung des Unternehmenserfolgs nicht ausreichend. Vielmehr haben Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Gegenstand eines umfassenden Mess- und Managementsystems zu sein mit dem Ziel, bestehende Zufriedenheitsdefizite zu identifizieren und zu beseitigen sowie die Geschäftsbeziehungen mit lukrativen Kunden aufrecht zu erhalten und auszubauen (Bruhn 2007). Um eine stärkere Beziehungsorientierung im Rahmen des Relationship Marketing zu erreichen, ist eine Neustrukturierung der Marketinginstrumente vorzunehmen (Bruhn 1999). Da Maßnahmen aus sämtlichen Marketingmixbereichen in verschiedenen Phasen einer Kundenbeziehung sinnvoll sind, werden die Marketinginstrumente nicht nur nach den Instrumenten des Marketingmixes („4 Ps“), sondern darüber hinaus anhand der Phasen des Kundenbeziehungszyklus als zweite Dimension strukturiert (vgl. Abb. 6). In Bezug auf die Instrumente des Marketingmixes empfiehlt sich im Rahmen des Relationship Marketing, die klassischen 4 Ps um ein weiteres P, die Personalpolitik, zu erweitern. Auf diese Weise wird der Forderung nach einer Neustrukturierung des Marketinginstrumentariums (Bruhn 1999) Rechnung getragen, die sich aus der Akzentverschiebung des Marketing in Richtung einer stärkeren Beziehungsorientierung ergibt. Beziehungsorientierung wiederum lässt sich vor allem im direkten Kontakt zwischen Kundenkontaktmitarbeiter und Kunde durch den Einsatz spezieller Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale wie Vertrauenswürdigkeit, Offenheit oder Kritikfähigkeit umsetzen, auf die im Rahmen der Personalpolitik ein besonderes Augenmerk zu legen ist (Bruhn 2009a). Demnach ergibt sich eine grobe Einteilung in Instrumente des Kundenakquisitions-, Kundenbindungs- und Kundenrückgewinnungsmanagements. Die Kernphase der Kundenakquisition ist aufgeteilt in die Anbahnungs- und Sozialisationsphase (Bruhn 2009a, S. 175): ƒ

In der Anbahnungsphase stehen Unternehmen und Kunde noch nicht miteinander in Kontakt. Damit der Kunde eine Geschäftsbeziehung eingeht, ist er zunächst davon zu überzeugen, dass die Unternehmensleistungen am Besten zu seiner Bedürfnisbefriedigung beitragen. Hierzu lassen sich Versprechen (z. B. in Form von Qualitätsgarantien oder in der Werbung hervorgehobenen Valueadded-Services) und die Förderung von Weiterempfehlungen (z. B. durch Freundschaftswerbungsprogramme) einsetzen. Ist der Kunde vom Unternehmen überzeugt, unterstützt eine Verhaltensstimulierung (z. B. durch Sonderangebote, ein transparentes Preissystem oder eine Leistungsbündelung) die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen des Anbieters.

ƒ

Die Sozialisationsphase beginnt, wenn Anbieter und Nachfrager erstmals in Kontakt treten, d. h., wenn die erste Transaktion abgeschlossen ist. Ziel des Unternehmens ist es in dieser Phase, den Kunden an die Produkte bzw. Leistungen des Unternehmens heranzuführen und ihn mit diesen vertraut zu machen, um einer direkten Abwanderung vorzubeugen. In der Sozialisationsphase werden Instrumente zur Eingewöhnung mit direktem Leistungsbezug (z. B. Kundenschulungen) und solche mit indirektem Leistungsbezug (z. B. Events wie ein „Tag der offenen Tür“) unterschieden (Bruhn 2009a, S. 184 ff.).

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

Kundenakquisition Anbahnung

Sozialisation

421

Kundenbindung Wachstum

Reife

Kundenrückgewinnung Gefährdung

Auflösung

Abstinenz

Leistung

Kommunikation Preis Distribution

Personal

Qualitätsmanagement

Beschwerdemanagement

Servicemanagement

Kundenwertmanagement

Abb. 6: Systematisierung der Instrumente des Relationship Marketing Quelle: Bruhn 2009a, S. 174

Aus Unternehmenssicht ist ein möglichst schnelles Durchlaufen der Eingewöhnungsphase erstrebenswert, um die Phase der Kundenbindung zu erreichen, die sich in die Wachstums- und die Reifephase unterteilt: ƒ

Im Rahmen der Wachstumsphase wird die Kundenbeziehung in profitable Bereiche geführt. Um dies zu erreichen, sind die Leistungen zum einen an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen (Individualisierung der Leistung), beispielsweise durch eine Integration des Kunden bei der Leistungsgestaltung, Valueadded-Services, Kundenclubs oder individuelle Preisdifferenzierungen. Zum anderen wird ein Beziehungswachstum durch eine Ausweitung der Leistungsnutzung durch den Kunden angestrebt. Dieses wird durch Cross-Selling-Maßnahmen (z. B. Angebotserweiterung in Richtung Allfinanz durch Banken, Preisbündelungen oder Rabattkarten) gesteuert.

ƒ

In der Reifephase ist eine weitere Intensivierung der Kundenbeziehung unwahrscheinlich, weil entweder der Kunde die Leistungen des Anbieters bereits in erforderlichem Umfang nutzt oder der Anbieter, z. B. aus Kosten-Nutzen-Erwägungen, nicht zu einer weiteren Bedürfnisbefriedigung des Kunden bereit ist. Daher bauen Unternehmen in der Reifephase Wechselbarrieren für den Kunden auf, beispielsweise durch Verträge (z. B. in der Mobilfunkbranche) oder ein Kompatibilitätsmanagement (z. B. Erschweren der Nutzung von Konkurrenzkomponenten, wie in der Auto- oder Computerbranche). Außerdem wird die Ef-

422

Manfred Bruhn fizienz der Kundenbeziehungen gesteigert, beispielsweise durch die Standardisierung der Marketinginstrumente für die entsprechenden Kunden.

Die Kundenbindungsphase stellt die „Kernphase“ der Kundenbeziehung dar. Deshalb streben Unternehmen im Normalfall eine möglichst lange Kundenbindungsphase an. Allerdings entstehen in einer Kundenbeziehung vielfach Probleme, die zum Übergang in die Phase der Kundenrückgewinnung führen, die sich idealtypisch aus Gefährdungs-, Auflösungs- sowie Abstinenzphasen zusammen setzt (Bruhn 2009a): ƒ

Kommt es aus Kundensicht zu einer Gewöhnung an den Anbieter, dann ist diese durch attraktive Konkurrenzangebote gefährdet. Der Kunde spielt in diesen so genannten Gefährdungsphasen – z. B. aus Gewöhnung an den Anbieter – mit dem Gedanken einer Abwanderung (Stauss 2000b). Dies ist verstärkt der Fall, wenn die Leistung des Anbieters und die Interaktion mit dem Kunden aus Kundensicht Fehler aufweisen (Bruhn/Michalski 2001). Zielsetzung des Relationship Marketing ist es deshalb, in den Gefährdungsphasen den Kunden wieder zufrieden zu stellen und gleichzeitig das alte Bindungsniveau zu erreichen, beispielsweise durch die Fehlerkorrektur und Wiedergutmachungen (Bruhn 2009a).

ƒ

Die Auflösungsphase kennzeichnet den Zeitpunkt bzw. den Zeitraum, in dem der Kunde die Beziehung zum Unternehmen beendet. In der Abstinenzphase ist der Nachfrager zu einem ehemaligen Kunden des Unternehmens geworden. Die beiden Phasen unterscheiden sich durch die Kommunikationsrichtung. In der Phase der Beziehungsauflösung nimmt der Kunde aktiv Kontakt mit dem Anbieter auf, kündigt z. B. den Vertrag oder äußert Unzufriedenheit mit der Leistung des Anbieters. Dahingegen geht die Kommunikation in der Abstinenzphase nur noch vom Anbieter aus. Konzeptionell sind diese Phasen mit der Anbahnungsphase – im Sinne einer Reaktivierung – vergleichbar. Es gilt, den Kunden davon zu überzeugen, dass die Gründe für die Abwanderung (Michalski 2001) nicht mehr opportun sind und den Kunden durch attraktive Rückgewinnungsangebote zu einer Wiederaufnahme der Beziehung zu stimulieren (Bruhn 2009a).

3.2

Phasenübergreifende Instrumente des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements

Neben den Instrumenten, die schwerpunktmäßig in bestimmten Phasen des Kundenbeziehungszyklus zum Einsatz kommen, existieren Elemente des Relationship Marketing, die einen phasenübergreifenden Charakter haben. Diese Instrumente dienen dem Management der Kundenbeziehung unabhängig von der Phase des Kundenbeziehungszyklus und sind losgelöst von einzelnen Kundenbeziehungen zu planen (Bruhn 2009a, S. 173 ff.). Hierzu gehören vor allem das ƒ

Qualitätsmanagement,

ƒ

Beschwerdemanagement,

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement ƒ

Servicemanagement sowie

ƒ

Kundenwertmanagement.

423

Ein systematisches Qualitätsmanagement dient der Schaffung und Aufrechterhaltung einer dauerhaft hohen Güte eines Produktes bzw. einer Leistung im Hinblick auf seine Eignung für den Verwender. Dies stellt die zentrale Vorraussetzung für die Initiierung, den Aufbau und die Intensivierung von Kundenbeziehungen dar. Das Qualitätsmanagement umfasst dabei alle qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen eines Unternehmens, die auf die Sicherstellung einer hohen Qualität ausgerichtet sind (Bruhn 2009a, S. 209). Im so genannten Regelkreis des Qualitätsmanagements werden hierzu die Kundenerwartungen gemessen und in Qualitätsanforderungen übersetzt (Qualitätsplanung), Maßnahmen zur Erfüllung der Anforderungen ergriffen (Qualitätslenkung), die Erwartungserfüllung regelmäßig gemessen (Qualitätsprüfung) und die Bereitschaft zur Qualitätsorientierung nach innen und außen dokumentiert (Qualitätsmanagementdarlegung) (Bruhn 2009a). Sowohl in der Kundenakquisitionsphase (Qualitätsimage eines Produktes/Leistung als kaufentscheidender Faktor) als auch in der Kundenbindungsphase (Leistungsqualität als Determinante von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung) und in der Rückgewinnungsphase (Kundenabwanderung aufgrund Qualitätsmängel) spielt das Qualitätsmanagement eine entscheidenden Rolle. Werden Qualitätsmängel nicht durch das Qualitätsmanagement vermieden, kommt das Beschwerdemanagement zum Tragen. Es beinhaltet sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Beschwerden von Kunden und weiteren Anspruchsgruppen ergreift (Stauss/Seidel 2007). Im Mittelpunkt eines aktiven Beschwerdemanagements steht das Ziel, auf artikulierte Unzufriedenheit so zu reagieren, dass nach Abschluss des Beschwerdeprozesses die Kundenzufriedenheit wiederhergestellt ist, um somit die Voraussetzungen für eine Intensivierung der Kundenbeziehung zu schaffen (vgl. hierzu ausführlich Bruhn 1999; Stauss/Seidel 2007). Das systematische Beschwerdemanagement gliedert sich dabei in die Beschwerdestimulierung, -annahme, -bearbeitung und -reaktion (Stauss/Seidel 2007). Auf die Kundenakquisition wirkt sich das Beschwerdemanagement durch die Reduktion negativer Mund-zu-Mund-Kommunikation und die Schaffung eines kulanten Unternehmensimages aus. In der Phase der Kundenbindung wirkt sich ein konsequentes Beschwerdemanagement auf das Vertrauen der Kunden in den Anbieter aus. In der Rückgewinnungsphase kommt dem Beschwerdemanagement die Aufgabe zu, die aus Kundensicht begangenen Fehler des Unternehmens zu korrigieren und eine Wiedergutmachung zu leisten. Neben dem Beschwerde- und Qualitätsmanagement stellt das Servicemanagement einen weiteren zentralen Bereich phasenunabhängiger Maßnahmen des Relationship Marketing dar. Zentrales Ziel eines Servicemanagements ist die durch den Einsatz von Services – entweder als Zusatzleistung oder auch als eigenständig vermarktbare Dienstleistungen – sich bietende Möglichkeit der Differenzierung im Wettbewerb, der in vielen Branchen von einer zunehmenden Produkthomogenität geprägt ist. Als Formen von Serviceleistungen lassen sich Garantieleistungen (Umfang und Dauer), Lieferleistungen (Lieferbereitschaft, -zuverlässigkeit und -qualität), Kundendienstleistungen (technische

424

Manfred Bruhn

Leistungen wie Installation und Wartung sowie kaufmännische Leistungen wie z. B. Kauffinanzierung) sowie Value Added Services, die in Kombination mit der eigentlichen Primärleistung nutzenstiftend (z. B. Cafeteria in einem Möbelhaus) sind, unterscheiden (Haedrich/Tomczak 1996; Koppelmann 2001; Bruhn/Hadwich 2006). Maßnahmen des Servicemanagements zeigen in jeder Phase des Kundenbeziehungszyklus ihre beziehungsunterstützende Bedeutung. In der Phase der Kundenakquisition lassen sich durch eine kundenorientierte Ausgestaltung der Garantieleistungen die Kaufbarrieren deutlich senken. In der Kundenbindungsphase sind insbesondere Kundendienstleistungen von Bedeutung, die sich auf den Zeitraum nach dem Kauf einer Leistung beziehen (After Sales Services), da von ihnen in der Regel eine starke Bindungswirkung ausgeht. Serviceleistungen lassen sich ebenfalls zur Kundenrückgewinnung einsetzen, wenn sich beispielsweise durch Nachbesserung oder Individualisierung der Serviceleistung einer Kundenabwanderung vorbeugen lässt. Schließlich gehört zu den phasenübergreifenden Instrumenten neben dem Qualitäts- und Beschwerdemanagement sowie dem Servicemanagement noch das Kundenwertmanagement (Bruhn et al. 2006). Das Kundenwertmanagement trägt der zunehmenden Notwendigkeit einer wertorientierten Unternehmensführung Rechnung, deren zentrale Aufgabe es ist, kundenbezogene Wertsteigerungspotenziale zu ermitteln und zu erschließen (Bruhn et al. 2000). Der Grundgedanke des Einsatzes eines Kundenwertmanagements im Relationship Marketing ist es, in allen Phasen des Kundenbeziehungszyklus individuelle Kundenwerte zu ermitteln und zu analysieren und die beziehungsorientierten Aktivitäten an diesen Kundenwerten auszurichten. Auf diese Weise unterstützt ein systematisches Kundenwertmanagement den effizienten Einsatz des Marketinginstrumentariums sowie eine optimale Ausschöpfung von Kundenpotenzialen wie z. B. Cross- oder Up-Selling-Potenziale oder auch Potenziale einer Verlängerung der Kundenbeziehung oder der Weiterempfehlung (Bruhn 2009a, S. 218).

4

Organisation und Implementierung des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements

Bei den vielfältigen Aufgaben des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements sind zahlreiche interne Abteilungen (z. B. Marktforschung, Marketing, Vertrieb, Informatik) und externe Dienstleister (z. B. Kommunikationsagenturen, Marktforschungsinstitute) direkt oder indirekt betroffen. Deshalb ist nach einer Organisationsform (Aufbau- und/oder Ablauforganisation) zu suchen, die in der Lage ist, ein integriertes Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement im eigenen Unternehmen (intern) und im Markt (extern) durchzusetzen.

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

4.1

425

Aufbauorganisation des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements

Die Aufbauorganisation bezeichnet generell die Gliederung des Unternehmens in Aktionseinheiten sowie deren Koordination (Bruhn 2002) und beeinflusst die Organisation des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements hinsichtlich Effektivität und Effizienz. Neben der Netzwerkorganisation und so genannter virtueller Unternehmen sind weit verbreitete Formen der Aufbauorganisation insbesondere die ƒ

Funktionalorganisation,

ƒ

Objektorganisation und

ƒ

Matrixorganisation.

Die Funktionalorganisation wird häufig bei klein- und mittelständischen Unternehmen bestimmter Branchen aber auch bei Großunternehmen angewandt und ist durch die Bildung von Entscheidungseinheiten gekennzeichnet, die idealtypisch alle für eine homogene Gruppe von Handlungen notwendigen Kompetenzen auf sich vereinen (Köhler 1995; Frese 2005; vgl. Abb. 7). Typische funktionale Organisationseinheiten sind Forschung und Entwicklung, Einkauf, Controlling, Finanzen und Marketing. Aufgrund der funktionalen Aufteilung der Aktivitäten obliegt die Koordination dieser Aktivitäten letztendlich der Geschäftsleitung.

Geschäftsleitung

Einkauf

Forschung & Entwicklung

Produktion

Marketing

Personalwesen

Marketing-Services

Vertrieb

Werbung

Verkaufsaußendienst

Sales-Promotion

Kundendienst

Public Relations

Versand + Auslieferungslager

Marktforschung

Verpackungswesen

Absatzplanung Externer Bereich Absatzprognose Absatzkontrolle Produktplanung Produktgestaltung Preisgestaltung

Abb. 7: Exemplarische Funktionalorganisation

Werbeagentur Marktforschungsunternehmen Marktforschungsunternehmen Externer Kundendienst Externe Call-Center Contract Sales Forces

Kaufmännische Verwaltung

426

Manfred Bruhn

Generell werden der Funktionalorganisation in bestimmten Situationen, insbesondere bei kleineren Unternehmen oder schmaler Produktpalette, Vorteile zugesprochen, die sich auch auf das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement auswirken wie z. B. die überschaubare Organisationsstruktur, die Ausnutzung von Spezialisierungs- und Synergieeffekten sowie die Vermeidung von Doppelspurigkeiten (Schreyögg 2003). Allerdings sind durch die funktionale Aufteilung der Unternehmensaktivitäten auch die Aufgaben des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements nicht nur auf unterschiedliche Personen, sondern auf unterschiedliche Unternehmensbereiche verteilt. Damit sind Schnittstellenprobleme vorausprogrammiert (Specht 1995; Schütz 2002), da ein Informationsaustausch und eine Abstimmung der Aktivitäten des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements selten umgesetzt wird. Dabei ist das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement von vier Arten von Schnittstellenproblemen betroffen: (1) Vertikale Schnittstellenprobleme – z. B. zwischen Geschäftsleitung und Marketing bzw. Kundenkontakt – betreffen die Verknüpfung von strategischem und operativem Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement. (2) Horizontale Schnittstellenprobleme – z. B. zwischen F&E und Produktentwicklung/Marketing – betreffen die Abstimmung zwischen strukturell gesehen gleichgestellten Unternehmensabteilungen. (3) Marketinginterne Schnittstellenprobleme – z. B. zwischen den Bereichen Kundenakquisition und Kundenbindung – entstehen innerhalb der Marketingabteilung bei einer starken Differenzierung des Marketingbereichs selbst. (4) Externe Schnittstellenprobleme zu Organisationseinheiten – z. B. zwischen dem eigenen Unternehmen und einem ausgelagerten Call Center oder einer externen Werbeagentur – entstehen dadurch, dass auch im Rahmen des Kundenmanagements Make-or-Buy-Entscheidungen getroffen werden und eine Tendenz zum Outsourcen kundengerichteter Organisationseinheiten anzutreffen ist. Diese Schnittstellenprobleme wirken sich negativ auf den Erfolg des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements aus, d. h., sie sind die Ursache für Folgeprobleme (Bruhn 2002; Schreyögg 2003): ƒ

Abstimmungsprobleme zwischen den Organisationseinheiten (z. B. bei der „Übersetzung“ der durch die Marktforschung gemessenen Kundenerwartungen durch die Geschäftsleitung bei der Definition von Qualitätszielen und Kundenstrategien),

ƒ

Zurechenbarkeitsprobleme bezüglich der kundenorientierten Aktivitäten (z. B. „teilen“ bzw. „streiten“ sich verschiedene Abteilungen, wie z. B. F&E, Marketing und Vertrieb, um den Erfolg beim Kunden),

ƒ

Motivationsprobleme aufgrund mangelnder Kundenverantwortung (z. B. sind Vertriebsmitarbeiter häufig demotiviert, weil sie durch mangelnde Kundenverantwortung das Angebot für den Kunden nur in geringem Maße mit zu beeinflussen vermögen),

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement ƒ

427

Kompetenzlücken (z. B. verfügt der Vertrieb aus dem Kundenkontakt über weit reichende Informationen über den Kunden, die bei der Produktentwicklung oder Festlegung von Kundenstrategien oft vernachlässigt werden).

Während bei der Funktionalorganisation eine tätigkeitsorientierte Organisationsstruktur vorliegt, stellen bei der Objektorganisation verschiedene Objekte (z. B. Leistungen/ Leistungsgruppen, Kundengruppen oder Marktregionen) das gestaltbildende Kriterium für die Aufbauorganisation dar (Bruhn 2002). Eine Strukturierung nach Leistungsgruppen ist beispielsweise häufig im Konsumgüterbereich (z. B. Nahrungsmittel, Pflegeprodukte usw. bei Unilever) und Technologiebereich (z. B. Power, Medical, Transportation usw. bei Siemens) anzutreffen. Kundengruppen werden im Bankenbereich oft als Organisationskriterium verwendet (z. B. Firmenkunden und Privatkunden bei UBS). Im Rahmen einer Würdigung der Objektorganisation in Bezug auf die Organisation des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements sind drei wesentliche Vorteile erkennbar (Bruhn 2002; Schreyögg 2003; Bea/Göbel 2007). Neben einer – im Vergleich zur Funktionalorganisation – besseren Koordination zwischen den Funktionen innerhalb einer Sparte erfolgt durch die Fokussierung auf Objekte eine entsprechende Spezialisierung auf Objekte statt auf die Tätigkeiten. Die weit gehende unternehmerische Selbstständigkeit der Sparten erhöht die Motivation und ermöglicht eine exaktere Erfolgsbeurteilung. Daneben weist die Objektorganisation allerdings verschiedene Nachteile in Bezug auf ein erfolgreiches Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement auf (von der Oelsnitz 1999; Bruhn 2002; Schreyögg 2003; Bea/Göbel 2007). Der wesentliche Nachteil der Objektorganisation ist die Vernachlässigung übergeordneter Gesichtspunkte durch eine Konzentration der Unternehmensaktivitäten auf einzelne Objekte. Eine konsequente Spartenorganisation erhöht außerdem den Koordinationsbedarf der zur Erfüllung der Gesamtaufgabe notwendigen Sachfunktionen und damit ein Mehrbedarf an Leitungsstellen. Gleichzeitig ist durch die Spezialisierung auf Objekte anstatt auf Funktionen in bestimmten Bereichen mit Kompetenzeinbußen zu rechnen. Eine auf der Objekt- und Funktionalorganisation aufbauende Organisationsform stellt die Matrixorganisation dar. In Matrixorganisationen werden mehrere Einlinien-Organisationen – häufig auch Funktional- und Objektorganisationen – auf einer Ebene kombiniert eingesetzt. Zentrales Prinzip ist hierbei, dass bei Abstimmungskonflikten keine organisatorisch bestimmte Dominanzlösung zugunsten der einen oder der anderen Organisationsform geschaffen wird. Der Matrixorganisation werden dadurch verschiedene, oftmals rein theoretische Vorteile mit Relevanz für das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement zugeschrieben, wie ganzheitliche und innovative Problemlösungen, kürzere Kommunikationswege, die flexible Anpassung der Organisation an Marktbedürfnisse oder vielfältige Möglichkeiten der Personalentwicklung (Bruhn 2002). Insbesondere durch die praktische Umsetzung der Matrixorganisation aufgetretene Nachteile sind indes Intransparenz in Folge verkomplizierter Abläufe, eine Verzögerung der Entscheidungen aus der Gegenüberstellung mehrerer Einlinien-Organisationen sowie ein insgesamt erhöhter Koordinationsaufwand (Bruhn 2002; Schreyögg 2003).

428

Manfred Bruhn

Es zeigt sich, dass die drei zentralen Formen der Aufbauorganisation, d. h. die Funktional-, Objekt- und Matrixorganisation, jeweils mit spezifischen Problemen für das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement verbunden sind. Daher setzen Unternehmen oft Koordinationsinstrumente ein, die eine Abstimmung der verschiedenen Organisationseinheiten im Hinblick auf die Ziele des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements zum Gegenstand haben. Hierzu zählen Programme und Pläne, vertikale Weisungen und horizontale Selbstabstimmung (z. B. in Teams oder Task forces). Ein weiteres, bewährtes Instrument zur Bewältigung der aufbauorganisationsbezogenen Barrieren bei der Realisierung von Kundenorientierung stellt das Key Account Management dar (Diller 1993; Senn/Belz 1994; Bruhn 2002). So genannte Key Account Manager betreuen die jeweils wichtigsten Kunden eines Unternehmens ganzheitlich und koordinieren entsprechend sämtliche kundenbezogenen Aktivitäten. Ein wesentlicher Vorteil des Key Account Management ist damit die Koordination der Unternehmensaktivitäten auf der für das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement relevanten Bezugsebene, d. h. dem Kunden, wodurch auch eine Konzentration auf die Kundenbeziehung realisiert wird. Durch die eindeutige Zuordnung von Kundenverantwortung wird außerdem die Abstimmung der Unternehmensprozesse am Maßstab des Kundennutzens sowie eine kundenorientierte Erfolgsbeurteilung ermöglicht. Insgesamt ist das Key Account Management geeignet, zum Abbau der durch die Aufbauorganisation hervorgerufenen Probleme beizutragen. In die gleiche Richtung zielt eine systematische Ablauforganisation.

4.2

Ablauforganisation des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements

Unabhängig von der gewählten Aufbauorganisation dienen Konzepte der Ablauf- bzw. Prozessorganisation dazu, sämtliche Unternehmensaktivitäten an übergreifenden Hauptprozessen auszurichten. Während durch die verschiedenen Formen der Aufbauorganisation in unterschiedlichem Maße eine Zerteilung von Unternehmensprozessen zur Bewältigung von Komplexität angestrebt wird, ist es Aufgabe der Ablauforganisation, die einzelnen Teilprozesse dennoch am unternehmerischen Gesamtprozess und damit den Unternehmenszielen auszurichten. Gleichzeitig wird versucht, die Kooperation innerhalb des Unternehmens zu optimieren. Für die Ablauforganisation des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements bedeutet dies, die Prozesse auf den Kundennutzen auszurichten mit dem Ziel, durch die Schaffung von Kundenzufriedenheit langfristige und profitable Kundenbeziehungen sicherzustellen. Wesentliche Instrumente der Ablauforganisation sind dabei (Bruhn 2002): ƒ

Prozessorientierte Organisationsgestaltung,

ƒ

Schnittstellenmanagement.

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

429

4.2.1 Prozessorientierte Organisationsgestaltung Im Rahmen der prozessorientierten Organisationsgestaltung wird die Realisierung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung durch die Vernetzung verschiedener Abteilungen im Unternehmen mittels konsistenter Abläufe unterstützt. Ein durchgängiger Informationsfluss im gesamten Unternehmen ist die Voraussetzung dafür, dass die erforderlichen Informationen über den Kunden und die angebotenen Leistungen jederzeit an der jeweils richtigen Stelle verfügbar sind. Um Kunden beispielsweise – ohne die Festlegung eines einzigen Ansprechpartners – ganzheitlich zu betreuen, sind die Informationen, die eine Abteilung im Kundenkontakt (z. B. Rücklauf eines Direct Mails im Marketing) aufnimmt, an die übrigen Abteilungen im Kundenkontakt (z. B. Call Center) weiter zu leiten. Abb. 8 zeigt exemplarisch den Client-Management-Prozess eines ITAnbieters, der die Phasen des aktiven Verkaufens und der Kundenbetreuung ordnet und damit die Basis für den standardisierten Ablauf von Projekten liefert.

1. Identifikation

2. Qualifikation

3. Cover-the-BC

4. Angebot

7. Kundenservice & -betreuung

6. Implementierung

5. Entscheidung Phasen des Aktiven Verkaufens Phasen der Kundenbetreuung

Abb. 8: Client-Management-Prozess eines IT-Dienstleisters Quelle: Bruhn/Frommeyer 2002, S. 348

Ein solcher Prozess wird im Rahmen der Organisation des Prozessmanagements von entsprechenden Projektleitern oder -managern gesteuert. Eine prozessorientierte Organisationsgestaltung verdeutlicht auch das Beispiel der Lufthansa (siehe Abb. 9): In diesem Zusammenhang werden die Organisationseinheiten des Unternehmens bzw. die Organisationsstruktur direkt am Kundenprozess bzw. an den Berührungspunkten des Kunden mit dem Unternehmen („Touchpoints“) ausgerichtet. Der prozessorientierten Organisationsgestaltung dienen die Instrumente des Process Reengineering (Kamiske/Füermann 1995), bei dem völlig neue Geschäftsprozesse in-

430

Manfred Bruhn

duktiv entwickelt werden, sowie des Prozessmanagements mit kontinuierlichen Prozessverbesserungen (Bruhn 2002).

Marketing Kommunikation

Vertrieb Call Center Infoflyway

AirportService

KabinenService

GepäckService

Kundenfeedback

Abb. 9: Organisationsstruktur mittels Orientierung an den Touchpoints der Kunden am Beispiel einer Fluggesellschaft Quelle: Papperitz 2003, S. 20

4.2.2 Schnittstellenmanagement Beim Schnittstellenmanagement wird jenen Schnittstellenproblemen begegnet, die in unterschiedlicher Art und unterschiedlichem Ausmaß bei den Varianten der Aufbauorganisation anzutreffen sind. Entsprechend den Arten von Schnittstellenproblemen im Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement werden vertikale, marketinginterne, horizontale und externe Schnittstellenprobleme unterschieden. Im Rahmen des kundenorientierten Schnittstellenmanagements werden Instrumente eingesetzt, die Schnittstellenprobleme, die das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement beeinträchtigen, abschwächen. Hierbei werden Instrumente zur Reduzierung von überflüssigem Koordinationsbedarf sowie Instrumente zum Management des unvermeidbaren Koordinationsbedarfs eingesetzt (Bruhn 2002; Homburg et al. 2008).

4.2.2.1 Instrumente zur Reduzierung von überflüssigem Koordinationsbedarf Aus dem systematischen Schnittstellenmanagement resultiert der primäre Ansatzpunkt, den überflüssigen Koordinationsbedarf abzubauen, der z. B. aus einer zu starken Spezialisierung der verschiedenen Funktionen (z. B. Marketing, Vertrieb, Controlling usw.) resultiert. Instrumente zur Reduzierung von überflüssigem Koordinationsbedarf unterscheiden sich in strukturbezogene und prozessbezogene Instrumente. Strukturbezogene Instrumente sind insbesondere das Zusammenlegen von Abteilungen (z. B. Integration der Marktforschung in die Marketingabteilung). Prozessbezogene Instrumente umfassen die Entkopplung von Abteilungen (z. B. eindeutige Festlegung, dass Direct-MailingAktionen durch das Marketing und nicht durch Marketing/Vertrieb gemeinsam ausgeführt werden), klare Aufgabenverteilung sowie die Definition von Standards und „Management by Exception“.

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

431

Typische Instrumente zur Reduzierung von überflüssigem Koordinationsbedarf sind – am Beispiel der Schweizer Bank „Credit Suisse“ verdeutlicht – Ereignisgesteuerte Programme mittels Data Mining (Ackermann/Nippe 2003, S. 136). Wie in Abb. 10 dargestellt, wird ein vordefiniertes Ereignis im Data Warehouse durch die Datenanalyse automatisch erkannt, das daraufhin eine vordefinierte Reaktion auslöst. Diese erfolgt in Form einer automatischen Avisierung des zuständigen Beraters oder der Information von Mitarbeitern eines spezialisierten Funktionsbereiches. Credit Suisse setzt diese Ereignisgesteuerten Programme außerdem zur Erkennung von Cross-Selling-Potenzialen, zur Identifikation von abwanderungsgefährdeten Kunden oder zur Aufdeckung von Transaktionen, die zu Geldwäschereiverdachtsfällen gehören, ein.

Sa

Fr

Sa

So

Mo

30.000 20.000

LBM

10.000

Sa

So

Mo

Di

Mi

Do

Das Programm selektiert eingehende Geldtransaktionen >20.000 im Data Warehouse, sofern diese im Vergleich zu den üblichen Eingängen überdurchschnittlich hoch sind.

Automatisches Laden der Selektion im Front-End Tool & E-Mail zum Kundenberater.

Der Berater kontaktiert den Kunden (per Telefon) und rapportiert den Kontakt im Contact Reporting Tool.

Abb. 10: Ablauf von Ereignisgesteuerten Programmen am Beispiel von „Incoming Money“ Credit Suisse Quelle: in Anlehnung an Ackermann/Nippe 2003, S. 137

4.2.2.2 Instrumente zum Management des unvermeidbaren Koordinationsbedarfs Für das Management bzw. zur Steuerung des unvermeidbaren Koordinationsbedarfs werden struktur-, personalführungs- und kulturbezogene Instrumente eingesetzt. Strukturbezogene Instrumente schließen die Bildung funktionsübergreifender Teams (z. B. Kundentypenteams mit Vertretern der relevanten Funktionen unter der Leitung eines Kundentypenmanagers, der die Verantwortung für einen Kundentyp hat), die Einrichtung fester Gremien sowie die Verringerung räumlicher Distanzen ein. Unter personalführungsbezogenen Instrumenten sind die Einrichtung kundenorientierter Anreizsysteme (z. B. Kundenzufriedenheit als ein Maßstab der variablen Vergütung), Schulungen und Job Rotation subsummiert. Kulturbezogene Instrumente beinhalten neben der

432

Manfred Bruhn

Schaffung von Möglichkeiten des informellen Informationsaustauschs (z. B. abteilungsübergreifende Veranstaltungen oder die attraktive Gestaltung von Aufenthaltsräumen), die Begrenzung von Subkulturen sowie die Verankerung des „Prinzips des internen Kunden“. Das systematische Schnittstellenmanagement setzt zur Reduktion des Koordinationsbedarfs bei spezifischen Schnittstellen an. Exemplarische Schnittstellen mit Relevanz für das Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement sind Geschäftsleitung – Vertrieb – Marketing, Marktforschung – Marketing, Marketing – Vertrieb sowie Controlling – Marketing, die im Folgenden entsprechend dem Koordinationsproblem erläutert werden. ƒ

Schnittstelle: Geschäftsleitung – Vertrieb – Marketing. Mögliches Koordinationsproblem: Entwicklung und Umsetzung von Kundenstrategien. Die CRM-Kennzahlen (Scorecards) dienen insbesondere der Klärung und der Operationalisierung von CRM-Strategien und des CRM-Zielsystems. Die Verknüpfungen von unterschiedlichen Zielen, Kennzahlen und Initiativen in einem geschlossenen Führungskreislauf sind dabei ein Kernelement für die erfolgreiche Steuerung im Unternehmen und damit dem Management von Schnittstellen mit der Geschäftsleitung (siehe Abb. 11).

Perspektiven Wachstumsstrategie Finanzen

Neue Umsatzquelle

Produktivitätsstrategie

Nachhaltige Wertsteigerung

Steigerung Kundenwert

Verbesserung Kostenstruktur

Verbesserung Kapitalallokation

Erfolgsposition Kundenbindung Operative Effizienz Innovation

Kunde

Innovation

Operative Effizienz

Akquisition

Entwicklung

Kundenorientierung Prozesse

Lernen/ Entwicklung

• Net New Money • Anzahl Neukunden pro Periode • Anteil Kunden am Kundenportfolio • Akquisitionserfolgsquote

Nachhaltige Wertsteigerung

• • • • •

Retention

Kundenzufriedenheit

Kundenwert

Assets under Management Kundenzufriedenheitsindex Anzahl Kundenreklamationen Kundenabwanderungsquote Cross-Selling Ratio

• Customer Lifetime Value • Kundendeckungsbeitrag • Zeitdauer der Kundenbeziehung

Strategische Technologien

Nachhaltige Wertsteigerung

Abb. 11: Entwicklung einer Customer Value Scorecard am Beispiel einer Privatbank Quelle: Brunner 2003, S. 87

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement ƒ

433

Schnittstelle: Marktforschung – Marketing. Mögliches Koordinationsproblem: Umsetzung der Kundenbedürfnisse und -erwartungen in Marketingaktivitäten. Zur Umsetzung der Kundenbedürfnisse und -erwartungen werden oftmals systemgestützte personalisierte Angebote verwendet, wie beispielsweise bei der Deutschen Lufthansa. Während der Erhebung des persönlichen Profils eines Kunden bekundet dieser hierbei u. a. auch sein Interesse an Reisen nach Südostasien. Darauf basierend initiiert Lufthansa eine Kampagne für diejenigen Kunden, die in ihrem Profil Interesse an Reiseangeboten nach Südostasien ausgedrückt haben und einen bestimmten Flugmeilenbestand aufweisen, und unterbreitet ihnen ein spezielles Flugangebot.

ƒ

Schnittstelle: Marketing – Vertrieb. Mögliches Koordinationsproblem: Entwicklung und Umsetzung von kundengerichteten Maßnahmen. Das Beispiel der Schweizer Versicherungsgesellschaft „Basler Versicherung“ verdeutlicht die Unterstützung des Vertriebs mittels eines Außendienst-SupportSystem (ASS). Dies ist ein Instrument, das Außendienstmitarbeiter dezentral mittels Laptop mit Daten vom Zentralrechner versorgt und zur kundenorientierten Vertriebssteuerung sowie zur Umsetzung kundengerichteter Maßnahmen wie z. B. der Erweiterung von Service-Angeboten dient.

ƒ

Schnittstelle: Controlling – Marketing. Mögliches Koordinationsproblem: Kontrolle der Kundenbeziehungen. Die Analyse zentral verwalteter Kundendaten findet im Rahmen der Kontrolle von Kundenbeziehungen oftmals mittels Anwendungen wie OLAP (OnLine Analytical Processing) oder Data Mining statt. In einem „Cockpit“ werden Key Performance Indicators bzw. strategische Kennzahlen (z. B. Kundenloyalität, Kundenwert) und operative Kennzahlen (z. B. Kundennähe, Eventnutzung) aufgezeigt (siehe Abb. 12). Dies ermöglicht die Steuerung und Kontrolle der Kundenbeziehungen auf unterschiedlichen Ebenen sowie über unterschiedliche Abteilungen des Unternehmens.

Im Rahmen der Ablauforganisation – bestehend aus prozessorientierter Organisationsgestaltung und Schnittstellenmanagement – werden folglich Instrumente eingesetzt, die dazu beitragen, die in einer Organisation existierenden Abstimmungsprobleme abzuschwächen und somit die organisationale Basis für die Umsetzung von Kundenorientierung im Rahmen des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements zu schaffen.

434

Manfred Bruhn

CRM-Cockpit Kundenloyalität Assets/Inflow/Outflow Potenzial

Produktenutzung

Kundenwert

Beschwerden

Produktenutzung (Cross-Selling)

Kundenpotenzial

Anzahl Beschwerden

grün

Zeit

Kundenkontakte

Kundenakquisition

Kundenentwicklung

Anteil Neukunden im Zielsegment

Zu-/Abnahme von Kunden

Kunden

Kunden

Kundenprofitabilität Kundennähe Anzahl der Kundenkontaktpunkte

gelb

rot

Kundenwert Kundenverlustrisiko Risiko von AssetVerlusten

Zeit

Zeit

Abb. 12: Beispiel von Key Performance Indicators (Cockpit) im CRM Quelle: Brunner 2003, S. 93

5

Erfolgsfaktoren des Zufriedenheitsund Kundenbindungsmanagements

Bei konsequenter Verfolgung einer kundenorientierten Strategie durch die Nutzung der in diesem Beitrag vorgestellten Ansätze der Analyse, Steuerung und Organisation im Rahmen des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements ist die Basis für erfolgreiche Kundenbeziehungen geschaffen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist in solchen Unternehmen besonders hoch, die bei der Gestaltung des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements die folgenden Erfolgsfaktoren berücksichtigen: (1) Sämtliche Unternehmensaktivitäten sind der Maxime der Wertorientierung unterzuordnen. Gelingt es, Werte für die internen und externen Kunden zu schaffen, wird über zufriedene und gebundene Mitarbeiter sowie Kunden der Unternehmenswert gesteigert. (2) Eine wesentliche Voraussetzung zur Umsetzung von Wertorientierung ist Langfristigkeit im unternehmerischen Handeln. Unternehmenswert wird dann geschaffen, wenn Unternehmensaktivitäten, wie auch die Aktivitäten des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements, weniger als Kostenblöcke, sondern vielmehr als In-

Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement

435

vestitionen aufgefasst werden, die evtl. erst im Folgejahr, dafür aber langfristig ökonomischen Erfolg versprechen. (3) Aus Kundensicht wird langfristig orientiertes Handeln als Kontinuität wahrgenommen. Die konsequente Förderung von Kontinuität wirkt sich positiv auf das Vertrauen der Kunden in den Anbieter aus. (4) Zur langfristigen Erfolgssicherung trägt die Einzigartigkeit der Kundenbehandlung bei. Durch den individualisierten Umgang mit dem Kunden werden über die Kundenloyalität psychologische Wechselbarrieren geschaffen. (5) Vor dem Hintergrund dynamischer Rahmenbedingungen des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements trägt die Flexibilität eines Unternehmens dazu bei, entsprechend auf Änderungen der Kundenerwartungen zu reagieren und somit eine herausragende Wettbewerbsposition aufzubauen. (6) Zur Schaffung von Einzigartigkeit und Flexibilität trägt eine kontinuierliche Förderung von Kreativität im Unternehmen bei. Bei der Entwicklung spezifischer Kundenstrategien oder von Zufriedenheits- und Kundenbindungsmaßnahmen haben gerade jene Unternehmen Erfolg, die innovative Ideen als Erste umsetzen. (7) Bei aller Flexibilität und Wandelbereitschaft stärkt Transparenz gegenüber dem Kunden das Vertrauen in das Unternehmen, während intransparente Leistungs- und Preissysteme Unzufriedenheit oder sogar Misstrauen hervorrufen. (8) Strategien und Maßnahmen scheitern häufig an der Komplexität der unternehmerischen Aktivitäten. Eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagement ist die konsequente Fokussierung sämtlicher Unternehmensaktivitäten, also auch der nicht direkt kundengerichteten, auf die Kundenbedürfnisse und den Kundennutzen. (9) Kunden erwarten zunehmend eine Betreuung „aus einer Hand“, die – gemäß dem Prinzip der Ganzheitlichkeit – beispielsweise durch die organisatorischen Rahmenbedingungen sicher gestellt wird. (10) Zur Sicherung einer langfristigen Profitabilitätsorientierung von Unternehmen trägt eine regelmäßige Prüfung der Aktivitäten des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements auf ihre Wirtschaftlichkeit hin bei. Die Orientierung der Analyse-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaktivitäten des Zufriedenheits- und Kundenbindungsmanagements an diesen Erfolgsfaktoren ist die Grundlage für die Sicherstellung von Kundenzufriedenheit sowie Kundenbindung und damit den langfristigen Erfolg eines Unternehmens am Markt.

436

Manfred Bruhn

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Bernd Stauss

Feedbackmanagement 1

Feedbackmanagement: Begriff und Relevanz 1.1 Zum Begriff: Feedbackmanagement als Management von Kundenbeschwerden und Kundenlob 1.2 Zur unternehmerischen Bedeutung eines Feedbackmanagements

2

Wesentliche Felder und Erkenntnisse der Kundenfeedbackforschung 2.1 Beschwerdeverhaltensforschung 2.1.1 Fokus: Beschwerdeneigung 2.1.2 Fokus: Beschwerdezufriedenheit 2.2 Lobverhaltensforschung 2.2.1 Fokus: Die personelle Wirkung von Lob 2.2.2 Fokus: Motivation für und Wirkung von Kundenlob

3

Grundlagen des Beschwerdemanagements 3.1 Begriff und Ziele des Beschwerdemanagements 3.2 Aufgaben des Beschwerdemanagements 3.2.1 Aufgaben des direkten Beschwerdemanagementprozesses 3.2.2 Aufgaben des indirekten Beschwerdemanagementprozesses

4

Grundlagen des Lobmanagements 4.1 Begriff und Ziele des Lobmanagements 4.2 Aufgaben des Lobmanagements

5

Fazit: Die Notwendigkeit eines integrierten Feedbackmanagements

Literaturverzeichnis

1

Feedbackmanagement: Begriff und Relevanz

1.1

Zum Begriff: Feedbackmanagement als Management von Kundenbeschwerden und Kundenlob

Der Begriff ‚Feedbackmanagement‘ wird zwar im Kontext des Customer Relationship Management viel verwendet (u. a. Beasty 2007; Musico 2009; McCay 2009), aber kaum in begrifflicher und konzeptioneller Hinsicht diskutiert. ‚Feedback‘ ist im Kern ein interpersonales Konstrukt und bezeichnet eine Rückmeldung an eine Person, wie deren Verhalten wahrgenommen bzw. verstanden wird und was dieses Verhalten bewirkt. Mit der Information über die Fremdwahrnehmung der Person geht meist die Absicht einher, eine Reflexion der Selbstwahrnehmung einzuleiten und bestimmte Verhaltensweisen zu stärken, andere zu ändern. In diesem Sinne stellen Feedbacks im innerbetrieblichen Kontext ein wesentliches Element von Mitarbeitergesprächen dar (Mentzel et al. 2009). Überträgt man diesen Grundgedanken auf das Anwendungsfeld des Customer Relationship Managements (Wilde/Hippner 2008), sind einige Festlegungen und Modifikationen erforderlich: (1) Feedbackgeber ist der Kunde; (2) Im Regelfall gibt der Kunde dem Unternehmen darüber Rückmeldung, wie er ein unternehmerisches Angebot (Produkt oder Dienstleistung) bzw. eine unternehmerische Verhaltensweise erlebt hat. Dabei wird diese Artikulation häufig mit einer Forderung verbunden oder mit der Intention, ein bestimmtes Verhalten zu fördern oder abzustellen; (3) Für das Feedback kann der Kunde unterschiedliche Kanäle wählen (mündlich, telefonisch, schriftlich mittels Brief, Fax oder E-Mail). Insofern stellt das persönliche Feedback – und insbesondere die Rückmeldung eines Kunden an den Mitarbeiter über dessen Verhalten in einer Interaktionssituation – nur einen Spezialfall dar; (4) Feedback hat bewertenden Charakter und kann somit negativ und positiv ausfallen. Als wesentliche Feedbackformen sind Kundenbeschwerden und Kundenlob anzusehen. In Beschwerden artikulieren Kunden ihre Unzufriedenheit, um auf ein als kritikwürdig empfundenes Verhalten eines Mitarbeiters bzw. des Unternehmens aufmerksam zu machen, Wiedergutmachung für erlittene Schäden zu erreichen und/oder eine Änderung des kritisierten Verhaltens zu bewirken (Stauss/ Seidel 2007, S. 49). Beim Lob handelt es sich um eine Äußerung von zufriedenen Kunden, in denen sie auf positive Weise das Verhalten eines Mitarbeiters bzw. des Unternehmens würdigen (Stauss 2009). Somit ergibt sich folgende Definition des Feedbackmanagements: Feedbackmanagement umfasst die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Kundenbeschwerden und -lob ergreift. Dementsprechend umfasst es die Teilbereiche des Beschwerde- und des Lobmanagements. Mit diesem Verständnis ist auch eine klare Abgrenzung von anderen Teilbereichen des Customer Relationship Managements bzw. eine eindeutige Einordnung möglich. Im Customer Relationship Management im Sinne eines Kundenbeziehungsmanagements geht es um die Gesamtheit der unternehmerischen Maßnahmen für die systematische Anbahnung, Entwicklung, Aufrechterhaltung und Sicherung, gegebenenfalls auch für

H. Hippner et al. (Hrsg.), Grundlagen des CRM, DOI 10.1007/978-3-8349-6618-6_15, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

444

Bernd Stauss

die Beendigung und die Wiederanbahnung von Kundenbeziehungen. Innerhalb dieses umfangreichen Managementkonzepts stellt das Customer Care einen wichtigen Handlungsbereich dar, das für den planvollen Umgang mit den verschiedenen kundeninitiierten Artikulationen verantwortlich ist. Zu diesen vom Kunden aus eigener Initiative vorgebrachten Kommunikationsformen gehören vor allem Bestellungen, Kündigungen, Änderungsanzeigen, Anfragen und Ideen sowie Beschwerden und Lob. Da hiervon Beschwerden und Lob am stärksten den Charakter negativer bzw. positiver Rückmeldungen haben, sind sie Gegenstand des Feedbackmanagements als Teil des Customer Care (siehe Abb. 1).

Customer Relationship Management

Customer Care Management Feedbackmanagement

Unternehmensinitiierte Aktionen zur aktiven Beziehungspflege

Bestellungen

Kündigungen

Beschwerdemanagement Änderungsanzeigen Beschwerden

Lobmanagement

Kundeninitiierte Kommunikationsformen (Kundenanliegen) Anfragen

Lob Ideen

Abb. 1: Einordnung des Feedbackmanagements in das Customer Relationship Management Quelle: in Anlehnung an Stauss/Seidel 2007, S.37

1.2

Zur unternehmerischen Bedeutung eines Feedbackmanagements

Unzufriedenheit ist einer der wesentlichen Gründe für Kundenabwanderung und damit für den Verlust von aktuellen und zukünftigen Umsätzen und Deckungsbeiträgen. Deshalb ist es von hoher unternehmerischer Bedeutung, Unzufriedenheit zu vermeiden und bereits eingetretene Unzufriedenheit wieder abzubauen bzw. Zufriedenheit wiederherzu-

Feedbackmanagement

445

stellen. Daraus resultiert die besondere Relevanz von Beschwerden. Sich beschwerende Kunden sind gefährdete Kunden, präsentieren somit unmittelbar gefährdete Ertragspotenziale und stellen somit auch die primäre Zielgruppe jeder Kundenbindungsstrategie dar. Beschwerdeführer befinden sich in einer Problemsituation und wünschen dringend eine Lösung. Wenn Unternehmen diese Lösung anbieten, dann zeigen sie, dass nicht nur die Kunden, sondern auch sie eine Beziehung eingegangen sind und Verantwortung in dieser Beziehung übernehmen. Das ist eine hervorragende Basis, Vertrauen und Commitment beim Kunden zu erreichen und damit die Voraussetzung für anhaltende Kundenloyalität zu schaffen. Aus diesem Grunde steht das Beschwerdemanagement im Zentrum des Kundenbeziehungsmanagements. Denn hier muss vom Kundenproblem her gedacht werden, hier werden Beziehungen gesichert und gestärkt, hier ist Bindung erreichbar, die sich auf positive Erfahrungen in einer Problemsituation stützt (Stauss/Seidel 2007, S. 33). Im Vergleich zu Kundenbeschwerden findet Kundenlob bisher nur wenig Aufmerksamkeit. Dies scheint auf den ersten Blick auch verständlich. Beschwerden implizieren immer die Gefahr der Kundenabwanderung und signalisieren damit die Notwendigkeit, diese Gefahr durch ein aktives Beschwerdemanagement und die Beseitigung von Qualitätsmängeln zu reduzieren. Demgegenüber zeigt Lob nur an, dass die Erwartungen des Kunden offenbar weit übertroffen wurden, sodass hohe Kundenzufriedenheit oder sogar Begeisterung vorliegt. Insofern ist anzunehmen, dass sich der lobende Kunde besonders loyal verhalten wird und für das Customer Relationship Management kein Handlungsbedarf besteht. Es existiert daher in der Praxis auch kein Pendant zum Beschwerdemanagement. Kundenlob, das im Vergleich zu Beschwerden sowieso eher selten artikuliert wird, wird in der Regel nicht systematisch erfasst und ausgewertet und kaum im Sinne eines konsistenten Lobmanagements eingesetzt. Diese Sichtweise ist plausibel, doch eine Vernachlässigung von Kundenlob erscheint nicht gerechtfertigt. Es spricht viel dafür, dass Lob ein Verhalten darstellt, dass aufgrund starker Emotionen in Folge sehr positiver Erlebnisse gewählt wird. Kunden nehmen die Mühen einer Lobartikulation nur auf sich, wenn sie sich in besonderem Maße freuen, sehr dankbar oder positiv überrascht sind. Insofern liegt es nahe, dass sich Unternehmen auch mit Kundenlob intensiv befassen, um genau zu ermitteln, welche Verhaltensweisen des Unternehmens oder ihrer Mitarbeiter diese stark positiven Emotionen auslösen. Entsprechende Informationen geben Anlass, über weitere Möglichkeiten zur Förderung der vom Kunden wahrgenommenen Stärken im Angebot nachzudenken. Zudem kann Kundenlob auch intern für die Mitarbeitermotivation und die interne Kommunikation eingesetzt werden. Dennoch stehen Beschwerdemanagement und Lobmanagement nicht auf einer Stufe der unternehmerischen Relevanz. Aufgrund der Gefahr von Kundenverlusten und der Dringlichkeit der Stabilisierung gefährdeter Kundenbeziehungen hat das Beschwerdemanagement einen erheblichen Bedeutungsvorsprung. Aus diesem Grund wird diesem Bereich des Feedbackmanagements auch im Folgenden ein stärkeres Gewicht eingeräumt.

446

2

Bernd Stauss

Wesentliche Felder und Erkenntnisse der Kundenfeedbackforschung

Um das Feedbackmanagement auf ein sicheres Fundament zu stellen, erscheint es notwendig, sich einen Überblick über wesentliche Erkenntnisse der Kundenfeedbackforschung zu verschaffen, wobei zwischen Beschwerde- und Lobverhaltensforschung zu unterscheiden ist.

2.1

Beschwerdeverhaltensforschung

Die sich in den letzten Jahren im Kontext der Kundenzufriedenheitsforschung stark entwickelnde wissenschaftliche Arbeit zum Beschwerdeverhalten hat zwei klare Schwerpunkte: Beschwerdeneigung und Beschwerdezufriedenheit.

2.1.1 Fokus: Beschwerdeneigung In Bezug auf die Beschwerdeneigung geht es um die Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen sich unzufriedene Kunden mit einer Beschwerde an ein Unternehmen wenden bzw. darauf verzichten und eine andere Handlungsweise – meist die Abwanderung – wählen. Ausgangspunkt für die Erforschung dieser Frage ist die empirisch immer wieder bestätigte Erkenntnis, dass sich ein Großteil der unzufriedenen Kunden nicht beschwert. Hinter jeder artikulierten Beschwerde steht somit eine weitaus größere Zahl von „nicht artikulierten“ Beschwerden („unvoiced complaints“). Nach den Erkenntnissen von Goodman et al. (2000) kann man branchenübergreifend grob davon ausgehen, dass im Durchschnitt ca. 50 - 80 Prozent der unzufriedenen Kunden darauf verzichten, ihren Ärger gegenüber dem Unternehmen zum Ausdruck zu bringen. Die Ergebnisse der nationalen Zufriedenheitsstudie ‚Kundenmonitor Deutschland‘ geben genauere branchenspezifische Einblicke. Danach fällt der Anteil der Nicht-Beschwerdeführer unter den enttäuschten Kunden je nach Branche sehr unterschiedlich aus; die Nicht-Artikulationsquote reicht von 28,2 Prozent (Internetanbieter) bis 92,3 Prozent (Tankstellen-Shops) (siehe Abb. 2).

Feedbackmanagement

447

Tankstellen-Shops

92,3

Drogeriemärkte

91,5

Stromversorger

83,8

Bau- und Heimwerkermärkte

82,8

Banken und Sparkassen

69,5

Reiseveranstalter

54,7

Autowerkstätten Internetanbieter

42,1 28,2

Abb. 2: Nicht-Artikulationsquoten enttäuschter Kunden Quelle: Servicebarometer 2009

Der Sachverhalt, dass sich nur ein Teil der unzufriedenen Kunden beschwert, hat erhebliche betriebswirtschaftliche Bedeutung. Zum einen wandert ein Großteil dieser „NichtBeschwerdeführer“ unmittelbar ab, ohne dass das Unternehmen eine Möglichkeit hätte, durch Wiederherstellung von Kundenzufriedenheit die Kundenbeziehung zu retten. Zudem führt eine Orientierung allein an der Zahl der im Unternehmen eingegangenen Beschwerden zu einem verzerrten Bild und einer Unterschätzung des negativen Kundenerlebens. Deshalb kommt es für Unternehmen darauf an, die (Nicht-) Artikulationsquote zu ermitteln und Kenntnisse über die Einflussgrößen der Entscheidung für oder gegen eine Beschwerde zu gewinnen. Die empirische Beschwerdeforschung belegt, dass vor allem folgende Faktoren die Beschwerdeneigung beeinflussen: Beschwerdekosten, Beschwerdenutzen, Produkt- und Problemeigenschaften sowie personenspezifische und situationsspezifische Merkmale. Kunden nehmen eine interne Kosten-Nutzen-Abschätzung vor. Sie machen ihre Entscheidung, ob sie sich beschweren oder nicht, davon abhängig, welche materiellen, zeitlichen und psychischen Kosten sie erwarten und wie hoch dazu im Vergleich der Nutzen einer erwarteten Problemlösung oder Wiedergutmachung ist, wobei sie den Nutzwert noch mit der angenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit gewichten. Auch wählen Kunden die lästige Beschwerdealternative in erster Linie dann, wenn das Produkt für sie eine erhebliche Bedeutung hat, der Schaden hoch ist und das Problem objektiv nachweisbar und eindeutig vom Unternehmen verursacht wurde. Auch Persönlichkeitsmerkmale sind offenbar mit dafür verantwortlich, ob sich ein unzufriedener Kunde beschwert oder nicht, wobei insbesondere psychographische und Verhaltens-Merkmale wie Selbstbewusstsein und Beschwerdeerfahrung eine große Rolle spielen. Nicht zuletzt haben die Umstände einer bestimmten Situation (wie Zeitdruck und die Anwesenheit Dritter) entscheidenden Einfluss auf die Beschwerdeneigung (siehe u. a. Sing/Pandya 1991; East 2000; Susskind 2000). Diese Forschungsergebnisse sind von höchst praktischer Bedeutung für das Beschwerdemanagement. Sie zeigen vor allem, dass Beschwerdeinformationen keinen vollstän-

448

Bernd Stauss

digen Überblick über die von den Kunden wahrgenommenen Probleme geben. Auch können die Beschwerdeinformationen nicht als repräsentativ angesehen werden, weil mit großer Wahrscheinlichkeit spezifische Probleme bestimmter Kundengruppen unteroder überdurchschnittlich vertreten sind. Um mehr Bindungschancen nutzen und zugleich die Datenqualität verbessern zu können, bedarf es daher des Einsatzes gezielter Maßnahmen zur Erhöhung der Artikulationsquote. Dazu gehören Aktivitäten zur Reduzierung der Beschwerdekosten durch den Abbau von Beschwerdebarrieren und zur Erhöhung der wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit. Zudem bedarf es der Ergänzung der Beschwerdeanalyse durch weitere Methoden der Identifikation von Kundenproblemen (wie Zufriedenheits- oder Lost Customer-Befragungen).

2.1.2 Fokus: Beschwerdezufriedenheit Wählt ein unzufriedener Kunde die Handlungsalternative Beschwerde, misst er die unternehmerische Reaktion am Standard seiner Erwartung. Werden die Beschwerdeerwartungen übertroffen, tritt Beschwerdezufriedenheit ein, werden sie erfüllt, ist Indifferenz die Folge, andernfalls tritt Beschwerdeunzufriedenheit ein (Etzel/Silverman 1981; Lewis 1983; Smith/Bolton 1998; Blodgett/Granbois 1992; Kolodinsky 1992; Dellande 1995; Boshoff 1999; Hennig-Thurau 1999; de Ruyter/Wetzels 2000; McCollough et al. 2000). Von besonderer Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung des Beschwerdemanagements ist das Wissen darüber, welche Aspekte der unternehmerischen Reaktion die Beschwerdeführer bewerten und welches Gewicht diese für die Entstehung von Beschwerdezufriedenheit bzw. -unzufriedenheit haben. Die Beschwerdezufriedenheitsforschung hat sich in den letzten Jahren verstärkt dieser Frage angenommen (u. a.Tax et al. 1998; Boshoff 1999; Buttle/Burton 2002; Davidow 2003). Konzeptionell können die Beiträge danach unterschieden werden, ob sie auf dem klassischen Zufriedenheitskonstrukt basieren oder aber das Konstrukt der Gerechtigkeit/ Fairness zugrunde legen. Mit Bezug auf die Beschwerdezufriedenheit lassen sich acht Merkmale der Beschwerdezufriedenheit unterscheiden (Stauss/Seidel 2007), die sich zwei Dimensionen zuordnen lassen: Beschwerdeergebnis-Zufriedenheit und Beschwerdeprozess-Zufriedenheit (siehe Abb. 3). Die Beschwerdeergebnis-Zufriedenheit betrifft die Bewertung dessen, „was“ der Beschwerdeführer als Antwort auf seine Beschwerde erhält. Demgegenüber bezieht sich die Beschwerdeprozess-Zufriedenheit darauf, „wie“ das Unternehmen im Rahmen der Abwicklung mit der Beschwerde umgegangen ist (siehe auch Singh/ Widing 1991; Levesque/McDougall 2000 und Saxby et al. 2000; Stauss 2002).

Feedbackmanagement

449

Erwartete Beschwerdeantwort

In Bezug auf

Qualitätsdimensionen des Beschwerdemanagements Beschwerde-Ergebnis ƒ Angemessenheit/Fairness Beschwerdezufriedenheit Beschwerde-Prozess ƒ Zugänglichkeit ƒ Interaktionsqualität - Freundlichkeit/Höflichkeit - Einfühlungsvermögen/Verständnis - Bemühtheit/Hilfsbereitschaft - Aktivität/Initiative - Verlässlichkeit ƒ Reaktionsschnelligkeit

Vergleich Beschwerdeunzufriedenheit

In Bezug auf

Wahrgenommene Beschwerdeantwort

Abb. 3: Dimensionen und Merkmale der Beschwerdezufriedenheit Quelle: Stauss 2008, S. 383

Beschwerdeergebnis-Zufriedenheit wird charakterisiert durch ƒ

Angemessenheit/Fairness: Angemessenheit der Problemlösung; Fairness der angebotenen Wiedergutmachung.

Beschwerdeprozess-Zufriedenheit umfasst die Zufriedenheit mit folgenden sieben Merkmalen: ƒ

Zugänglichkeit: Leichtigkeit, mit der ein unternehmerischer Ansprechpartner für ein Kundenproblem gefunden wird; Kenntnis der zuständigen Beschwerdeadresse;

ƒ

Interaktionsqualität: kundenorientierte Gestaltung der Interaktionen während der Annahme und Bearbeitung. Diese Dimension lässt sich weiter in einzelne Qualitätsmerkmale differenzieren: o

Freundlichkeit/Höflichkeit: Zuvorkommenheit, mit der der Beschwerdeführer behandelt wird; höflicher Umgangston/Sprachstil;

450

ƒ

Bernd Stauss o

Einfühlungsvermögen/Verständnis: Bereitschaft, die Kundenperspektive einzunehmen; Verständnis für den Ärger des Kunden; individuelle Behandlung des Falls;

o

Bemühtheit/Hilfsbereitschaft: erkennbares Bemühen, das Problem im Kundensinne zu lösen;

o

Aktivität/Initiative: aktive Suche des Kontaktes zum Kunden; Erkundigung nach gewünschten Lösungen; Benachrichtigung über Verzögerungen;

o

Verlässlichkeit: Einhaltung von Zusagen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht;

Reaktionsschnelligkeit: Schnelligkeit, mit der eine Eingangsbestätigung eintrifft; Schnelligkeit, mit der auf Kundenrückfragen reagiert wird; Schnelligkeit, mit der der Fall gelöst wird.

Andere Autoren fußen ihre Analysen auf die Fairness- bzw. Gerechtigkeitstheorie (Tax et al. 1998; McColl-Kennedy/Sparks 2003; Schoefer/Ennew 2005; DeWitt et al. 2008). So unterscheiden Tax et al. (1998) in ihrer gerechtigkeitstheoretischen Betrachtung in Anlehnung an Blodgett et al. (1997) drei wesentliche Dimensionen der wahrgenommenen Gerechtigkeit und beziehen sie auf die Beschwerdeerfahrung des Kunden: ƒ

Distributive Justice (sie bezieht sich auf das Ergebnis der unternehmerischen Entscheidung, also Angemessenheit, Gleichbehandlung, Bedürfnisgerechtigkeit)

ƒ

Procedural Justice (sie betrifft den Entscheidungsprozess, also wahrgenommene Prozess- und Entscheidungskontrolle, Zugänglichkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Flexibilität) sowie

ƒ

Interactional Justice (diese Form der Gerechtigkeit hat das interpersonale Verhalten zum Gegenstand, also Ehrlichkeit, Höflichkeit, Bemühtheit, Einfühlungsvermögen).

Empirische Studien auf der Basis beider Konstrukte belegen übereinstimmend, dass die Zufriedenheit von Beschwerdeführern nicht allein von der angebotenen Lösung, sondern wesentlich auch vom Gesamterleben der Beschwerdehandhabung beeinflusst wird. Auf der Ebene der Einzelmerkmale, die für Beschwerdeführer bei der Bewertung der unternehmerischen Reaktion relevant sind, herrscht auch weitgehende Übereinstimmung, sodass sich aus den alternativen Konzepten keine abweichenden Implikationen für das Beschwerdemanagement ergeben. Von außerordentlicher Bedeutung für die Relevanz des Beschwerdemanagements sind die Ergebnisse der empirischen Beschwerdeverhaltensforschung, da sie übereinstimmend zeigen, dass Beschwerdezufriedenheit bzw. -unzufriedenheit einen großen Einfluss auf die Einstellung bzw. die Zufriedenheit mit der Geschäftsbeziehung sowie auf das Kauf- und Kommunikationsverhalten der Beschwerdeführer haben (Smith/Bolton 1998; Andreassen 1999; Hennig-Thurau 1999; Blodget/Anderson 2000; Durvasula et al. 2000; Maxham 2001).

Feedbackmanagement

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Beschwerdeunzufriedenheit verstärkt die Unzufriedenheit des Kunden mit dem Unternehmen und führt zu negativer Mundkommunikation und Abwanderung. Das bedeutet, dass negative Beschwerdeerfahrungen die Wahrscheinlichkeit der eigentlich zu vermeidenden Kundenabwanderung noch steigert (Spreng et al. 1995; Hofmann/Kelley 2000). Dabei reagieren vor allem die Kunden besonders stark, die sich bisher loyal verhalten haben und durch die negative Beschwerdeerfahrung nun besonders enttäuscht sind (Tax/Brown 1998). Demgegenüber sieht die Wirkungskette bei durch Beschwerdemanagement erzielter Beschwerdezufriedenheit folgendermaßen aus: Kunden, die mit der Beschwerdeantwort zufrieden sind, gewinnen auch ihre Zufriedenheit mit Produkt und Unternehmen wieder zurück. Dies führt zu einer verstärkten Bereitschaft, sich in seinem sozialen Umfeld positiv über Produkt und Unternehmen zu äußern (positive Mundkommunikation) und an der Geschäftsbeziehung festzuhalten (Wiederkauf). Eine Vielzahl empirischer Studien belegt die faktische Gültigkeit dieser Wirkungskette und die Existenz des so genannten „Beschwerde-Paradoxon“ („recovery paradox“), das darin besteht, dass Beschwerdeführer, die eine sehr zufriedenstellende Beschwerdeerfahrung gemacht haben, eine größere Zufriedenheit und Loyalität aufweisen als Kunden, die keinen Anlass zur Beschwerde hatten (Smith/Bolton 1998; McCollough et al. 2000; Michel 2001). Hinsichtlich des Kommunikationsverhaltens der Beschwerdeführer belegen viele Studien den Tatbestand, dass Beschwerdeerfahrungen zum Gegenstand der Mundkommunikation gemacht werden. Sowohl positive als auch negative Erfahrungen werden in großem Umfang weitererzählt und wirken daher weit über den Einzelfall hinaus (Hoffmann 1991; Hennig-Thurau 1999; Hoffmann/Kelley 2000; Maxham 2001; Maxham/Netemeyer 2002). Dabei erweist es sich vielfach, dass die Vorfälle, die zu Beschwerdeunzufriedenheit führen, wesentlich häufiger kommuniziert werden als positive Erlebnisse. Doch Beschwerdezufriedenheit bzw. -unzufriedenheit beeinflusst nicht nur das Kommunikationsverhalten, sondern auch Wiederkaufintentionen und faktisches Wiederkaufverhalten (Gilly/Gelb 1982; Andreassen 1999; Liu et al. 2000; Miller et al. 2000). Angesichts dieser übereinstimmenden Erkenntnisse über den Beitrag der Beschwerdezufriedenheit zur Kundenbindung und damit zur Erreichung ökonomischer Ziele ist es erstaunlich, dass keineswegs alle Unternehmen daraus entsprechende Schlussfolgerungen ziehen. Auch heute noch erlebt ein Großteil der sich beschwerenden Kunden tiefe Enttäuschungen. Nach Ergebnissen des Kundenmonitor Deutschland (Servicebarometer 2009) liegt die Beschwerdezufriedenheit weiterhin auf niedrigem Niveau. Ein Großteil der Branchen hinterlässt mehr als 50 Prozent enttäuschte Beschwerdeführer. Abb. 4 zeigt dies am Beispiel ausgewählter Branchen und macht deutlich, welche unausgeschöpften Bindungsmöglichkeiten im Customer Relationship Management bestehen.

452

Bernd Stauss

Überzeugter Beschwerdeführer

Zufriedener Beschwerdeführer . .

. .

Optiker

71.6

Lebensmittelmärkte

68.5

Gasversorger

Postfilialen

Unzufriedener Beschwerdeführer

Mittelwert

. .

9.7

2.05

18.5 13.0

2.25

18.8

10.6

25.7

63.7

3.85

10.6

26.6

62.7

3.90

Abb. 4: Beschwerdezufriedenheit und -unzufriedenheit in ausgewählten Branchen Quelle: Servicebarometer 2009

2.2

Lobverhaltensforschung

Im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion eines Customer Relation Managements spielt Lob bisher fast keine Rolle. Daher sind Erkenntnisse aus zwei anderen Forschungsfeldern heranzuziehen: der generellen psychologischen Forschung zum Lobverhalten und der marketingwissenschaftlichen Forschung zum Kundenlob. Die generelle psychologische Forschung befasst sich primär mit der Wirkung von Lob auf die gelobte Person, thematisiert aber den Aspekt des Kundenlobs nicht (Reynolds 1968; Skinner 1968; Koestner et al. 1987; Wiley 1997; Gaines et al. 2005; Holloway 2006). Im Fokus der Forschung zum Kundenlob im Kontext des Marketings stehen die Motive lobender Kunden, der Zusammenhang zwischen Lob und Zufriedenheit sowie die unternehmerische Reaktion auf Kundenlob (Cadotte/Turgeon 1988; Martin/Smart 1988, 1989; Swan/ Oliver 1989; Erickson/Eckrich 2001; Kraft/Martin 2001; Payne et al. 2002; Friman/ Edvardsson 2003; Goetzinger et al. 2006). Darüber hinaus gibt es Bemühungen, die bisher unverbundenen Forschungsrichtungen zu verknüpfen, indem theoretisch fundiert die Beziehungen zwischen Kundenerlebnissen, den dadurch ausgelösten positiven Emotionen und den Konsequenzen für Lobverhalten und Loyalität der Kunden aufgezeigt werden (Stauss 2009).

Feedbackmanagement

453

2.2.1 Fokus: Die personelle Wirkung von Lob Die wissenschaftliche Diskussion von Lob hat ihren Ursprung in der psychologischen Lern- und Motivationstheorie. Im Kontext der Lerntheorie ist hier insbesondere die Perspektive der operanten Konditionierung von Skinner (1938; 1968; 1969) relevant. Aus dieser behavioristischen Sicht ist die operante Konditionierung ein Prozess, in dem die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Verhaltens durch die Konsequenzen dieses Verhaltens verändert wird. Wenn die Konsequenzen als positiv wahrgenommen werden, erhöhen diese positiven Verstärker die Wahrscheinlichkeit des Verhaltens in der Zukunft (Reynolds 1968, S. 9; Skinner 1938; Mowen 1995, S. 162 ff.). Im Lichte des lerntheoretischen Ansatzes der operanten Konditionierung enthält Lob Informationen über ein gewünschtes und erfolgreiches Verhalten. Diese Erfolgsinformation dient als positiver Verstärker, d. h. als Stimulus, der die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens des gelobten Verhaltens erhöht. Lob ist dabei das Gegenstück zu einem Tadel, der die Informationen über unerwünschtes, nicht erfolgreiches Verhalten enthält und als Strafreiz wirkt, d. h. als ein Stimulus, dessen Auftreten die Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens des Verhaltens verringert. Aus diesem Grunde sind Lob und Tadel übliche Mittel, die mit der Absicht eingesetzt werden, spezifische Verhaltensweisen von Individuen zu fördern oder zu verringern. Eine Fort- und Weiterentwicklung der Sichtweise tritt ein, wenn die rein behavioristische Perspektive aufgegeben und psychologische Konstrukte als intervenierende Variable in die Betrachtung einbezogen werden. Hier ist in erster Linie die Motivation zu nennen (Koestner et al. 1987; Wiley 1997; Henderlong/Lepper 2002). Es wird dabei zur Kenntnis genommen, dass Lob beim Empfänger eine positive Emotion auslöst, die die Motivation des Individuums erhöht, eine besonders gute Leistung zu erbringen. Auch hier spielt der Verstärkungsaspekt wieder eine Rolle, da man unterstellt, dass Individuen ein starkes Bedürfnis haben, die positiven Emotionen, die mit dem Lob eintreten, zu empfinden und deshalb ihre Leistungsanstrengungen verstärken, um wieder in den Genuss von Lob zu kommen. Es kommt aber ein weiterer Aspekt hinzu. Es wird davon ausgegangen, dass sich Lob auch positiv auf Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy) im Sinne der Erwartung auswirkt, aufgrund eigener Kompetenzen eine gewünschte Handlung erfolgreich ausführen zu können. Die Information über erfolgreiches Verhalten erhöht das Vertrauen eines Individuums hinsichtlich seiner Fähigkeit bestimmte Leistungsniveaus zu erreichen und ermutigt ihn, auch schwierigere Aufgaben anzupacken (Badura 1977; Gaines et al. 2005). Darüber hinaus befriedigt Lob wichtige emotionale Bedürfnisse. Es wird angenommen, dass Lob in besonderer Weise in der Lage ist, die menschlichen Bedürfnisse nach Anerkennung und Selbstverwirklichung zu erfüllen, also gerade die Bedürfniskategorien, die die höchsten Ebenen der Bedürfnispyramide bilden (Maslow 1954; Wiley 1997, S. 275; Holloway 2006; Lussier 2006, S. 432). In der psychologischen Lobforschung stehen somit die Wirkungen von Lob auf psychische Konstrukte und Verhalten im Vordergrund. Dabei wird zunehmend auch unter-

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Bernd Stauss

sucht, wann und in welchen Fällen es nicht zu den unterstellten Wirkungen kommt bzw. sogar nicht intendierte gegensätzliche bzw. paradoxe Effekte eintreten (Barker/ Graham 1987; Meyer et al. 1979; Meyer et al. 1986; Baumeister et al. 1990; Meyer 1992; Möller 2005). Darüber hinaus stehen zwei weitere Fragenkomplexe im Mittelpunkt der Betrachtung. Zum einen wird analysiert, welche Aspekte der Lobartikulation wirksam sind (Delin/Baumeister 1994; Henderlong/Lepper 2002). Hier stehen vor allem die Alternativen einer privaten oder öffentlichen Artikulation im Zentrum der Beachtung. Dabei wird auf der Basis der Theorie des sozialen Vergleichs insbesondere untersucht, inwieweit sich Unterschiede in Bezug auf die ausgelösten Emotionen, Selbstwertgefühl, Motivation und Leistung ergeben (Corpus et al. 2006; Gaines et al. 2005). Zum anderen wird im Detail untersucht, welche Faktoren einen moderierenden Einfluss auf die Wirkung von Lob haben (etwa Alter, Geschlecht oder kulturelle Zugehörigkeit) (Garza/Lipton 1978, Koestner et al. 1987; Corpus et al. 2006). Die beschriebene Forschung wird primär im Kontext pädagogischer Fragestellungen, insbesondere zur Verhaltens- und Leistungsbeeinflussung von Kindern und in Ausbildung befindlichen Personen durchgeführt. Im Managementkontext wird Lob im Zusammenhang von Führungsfragen diskutiert (Levesque 1987, S. 37; Dawson/Dawson 1990, S. 79; Basch/Fisher 2000, S. 39; Koch 1990, S. 72 f.; Stuart 1992, S. 103). Kundenlob wird bisher überhaupt nicht thematisiert; dennoch sind diese Erkenntnisse für ein Lobmanagement von Interesse, da sie wichtige Hinweise darauf geben, was zu beachten ist, wenn man Kundenlob innerbetrieblich im Rahmen der Personalführung einsetzt.

2.2.2 Fokus: Motivation für und Wirkung von Kundenlob Auch in der Marketingforschung spielt das Thema Kundenlob nur eine untergeordnete Rolle. Schon zu Beginn der 90er Jahre wies Hunt darauf hin, dass Lob eine kaum erforschte Form des Kundenfeedbacks darstellt, und rief seine Forscherkollegen zum Handeln auf: „Now is the time to start“ (Hunt 1993, S. 42). In ähnlicher Weise stellen Kraft und Martin 2001 (S. 1) sowie Erickson und Eckrich 2001 (S. 327) fest, dass die Forschung über Lob weit hinter der über Beschwerden zurückbleibt und diese Vernachlässigung nicht gerechtfertigt sei. Die relativ wenigen wissenschaftlichen Beiträge, die sich explizit mit Kundenlob befassen, fokussieren insbesondere auf einen oder mehrere der folgenden Aspekte: Motive der lobenden Kunden, Inhalt von Kundenlob, die Beziehung zwischen kundenseitigem Lobverhalten und Zufriedenheit und die unternehmerische Reaktion auf Kundenlob. Als eine Pionierarbeit zum Kundenlob kann der Artikel „Customer compliments as more than complementary feedback” von Kraft und Martin (2001) angesehen werden. Dieser Beitrag, der sich erstmals grundlegend und ausschließlich mit Kundenlob befasst, gibt eine exzellente Einführung in das Verständnis von kundenseitigem Lobverhalten und seinen Determinanten. Darüber hinaus enthält er wegweisende Überlegungen zu Eigenschaften und Arten von Kundenlob sowie zu den Konsequenzen, die sich daraus für das Management ergeben. Von besonderer Bedeutung sind jedoch die Ergeb-

Feedbackmanagement

455

nisse ihrer explorativen Studie zu den Motiven von Kunden, gegenüber einem Unternehmen Lob auszusprechen. Die Autoren identifizieren acht verschiedene Lobmotive und zeigen auf, wie Unternehmen d