Flugzeug Classic Special 16 [PDF]

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Militärflugzeuge aus Deutschland

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»Geißel des Atlantiks«

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Wie geht es weiter? Wenn ich zufrieden bin und nicht abbestelle, erhalte ich Flugzeug Classic ab dem dritten Heft bis auf Widerruf für € 6,65* (Jahrespreis: € 79,80*) pro Heft monatlich frei Haus. Ich kann das Abo jederzeit kündigen.

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Vorwort

SPEZIAL vereinigt mit www.flugzeugclassic.de Redaktionsanschrift Postfach 40 02 09, D-80702 München Tel. +49 (0) 89.130699.720 Fax +49 (0) 89.130699.700 E-Mail: [email protected] Chefredakteur Markus Wunderlich Herstellungsleitung Sandra Kho Produktion/Herstellung Benedikt Bäumler Redaktion Stefan Krüger Zeichnungen Herbert Ringlstetter Fotos Umschlag Dietmar Hermann, Herbert Ringlstetter, Peter Cronauer, pa-ZB Layout Karin Vierheller Lektorat Michael Suck Gesamtleitung Media Jessica Wygas (verantwortlich für den Inhalt der Anzeigen) [email protected] Senior Mediaberater Armin Reindl [email protected] Anzeigendisposition Flugzeug Classic Rita Necker [email protected] Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 33 vom 1.1.2023 Litho ludwigmedia, Österreich Druck Walstead Central Europe, Poland

Noch bekannter als die diversen deutschen Fliegerasse waren die Maschinen, an deren Steuer sie teils saßen, die Legenden der Lüfte. Flugzeug Classic Spezial möchte in seiner neuen Reihe jeweils fünf besondere Maschinen in den Fokus nehmen und ihre Entwicklugn, die Technik und die Einsatzgeschichte vorstellen. Den Anfang macht die Focke-Wulf Fw 200, die Kurt Tank eigentlich als Passagierflugzeug konstruiert hat, gefolgt von der He 111, dem frühen Standardbomber der Deutschen

Luftwaffe. Diesem schließen sich die Me 323 »Gigant«, die He 219 und die Do 335 »Pfeil« an, die auch den hübschen Suggestivnamen »Ameisenbär« trägt. Die einzelnen Beiträge stammen aus der regulären Flugzeug Classic, die monatlich erscheint, wurden aber speziell für diese Ausgabe durch teils bislang unveröffentlichtes Bildmaterial ergänzt. Erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihre Redaktion

Inhalt

Focke-Wulf Fw 200 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Vom Passagierflugzeug zur »Geißel des Atlantiks« Dreiseiten-Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . 12 Heinkel He 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Standdardbomber der Luftwaffe und Träger für V1-Raketen Dreiseiten-Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . 30 Messerschmitt Me 323 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Der erste Kampfzonentransporter der Welt Dreiseiten-Ansicht . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . 50 Heinkel He 219 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Der erste reine Nachtjäger der Luftwaffe Dreiseiten-Ansicht . . . . . . . . . . . . GeraMond Media GmbH Infanteriestraße 11a, 80797 München, www.geramond.de Geschäftsführung Clemens Schüssler, Gerrit Klein Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel: MZV, Unterschleißheim Händler in Ihrer Nähe finden Sie unter www.mykiosk.com

Leserservice, Kundenservice, GeraMond-Programm +49 (0) 89 46 22 00 01 [email protected]

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Dornier Do 335 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Der »Ameisenbär« revolutionierte den Propellerflugzeugbau Dreiseiten-Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epilog

. . . . . . 86 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Durchstarten: Auch die Fw 200 gehört zu den bekanntesten Flugzeugen des Zweiten Weltkriegs – trotz ihrer Probleme Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

Preise: Einzelheft € 12,90 (D), 14,30 € (A), sFr. 20,70 (CH), € 14,90 (BeNeLux) (bei Einzelversand zzgl. Porto); ISSN 2194-7120 Erscheinen und Bezug: FLUGZEUG CLASSIC SPEZIAL ist eine Sonderausgabe der Zeitschrift FLUGZEUG CLASSIC und erscheint im Jahr einmal. Sie erhalten FLUGZEUG CLASSIC in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz im Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken sowie direkt beim Verlag. © 2023 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Gerichtsstand ist München.Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Markus Wunderlich; verantwortlich für die Anzeigen: Jessica Wygas, beide: Infanteriestraße 11a, 80797 München.

Hinweis § 86/86a: Aufgrund der deutschen Gesetzeslage sind die Hakenkreuze in den Zeichnungen retuschiert, die Symbole auf den historischen Fotos aber belassen. Der Herausgeber distanziert sich ausdrücklich von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung. Der Inhalt dieses Heftes dient ausschließlich zur Berichterstattung über die Vorgänge des Zeitgeschehens sowie der militärhistorischen und wissenschaftlichen Forschung (§ 86 und § 86a StGB). Wer Abbildungen aus diesem Heft kopiert, verpflichtet sich hiermit, diese ausschließlich für oben genannte Zwecke und in keiner Weise propagandistisch im Sinne des § 86 und § 86a StGB zu verwenden!

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IM FOKUS

Focke-Wulf

Fw 200 Nur etwa 260 Fw 200 gingen bis Ende 1943 an die deutsche Luftwaffe. Trotzdem gelang es den Condor-Besatzungen insbesondere in den ersten Kriegsjahren, mit ihren wenigen Maschinen überaus erfolgreich alliierte Versorgungskonvois weit draußen im Atlantik anzugreifen und zu melden. Im Angesicht dieser Gefahr bezeichnete kein Geringerer als der britische Premierminister Winston Churchill die Fw 200 als »Geißel des Atlantiks«

Für Großbritannien eine Plage: 1940/41 herrschten die Fw 200 C der I./KG 40 über den Weiten des Atlantiks Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

4

Ursprung & Geschichte

Menschen

Profil

Im Einsatz

Eigentlich als Verkehrsflugzeug konzipiert, machte die Fw 200 besonders beim Militär Karriere als Fernaufklärer

Hinter der Entwicklung der Condor standen namhafte Männer wie Wilhelm Bansemir und seine Mannschaft

Mitte 1940 nahm die I. Gruppe des KG 40 mit ihren Fw 200 den Kampf gegen die alliierten Geleitzüge im Atlantik auf

Die Fw 200 waren meist für die Alliierten unerreichbar. Erst 1941 fanden sie erste, geeignete Abwehrmaßnahmen

S. 6

S. 8

S. 12

S. 14

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Ursprung & Geschichte

Zwangsrekrutiert

Wenngleich nie dafür ausgelegt, wusste die Fw 200 als Kampfflugzeug durchaus zu überzeugen. Die C-1 war die erste serienmäßig hergestellte rein militärische Ausführung des Condor; sie kam zum Frühjahr 1940 an die Front Fotos (4) DEHLA

Obwohl als modernes Verkehrsflugzeug ausgelegt, blieb der Condor mit Kriegsbeginn vom umfangreichen Militärdienst nicht verschont. Als Zivilist in Uniform machte er vor allem als Fernaufklärer über See von sich reden Von Wolfgang Mühlbauer

D

ie Entwicklung der Fw 200 Condor begann im Frühjahr 1936 als Zivilflugzeug, orientiert an den Vorgaben des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) für die Junkers Ju 90 und gedacht als moderne Ablöse der Junkers Ju 52/3m. Angetrieben von vier BMW132-Sternmotoren, sollte der Condor 25 Fluggästen Platz bieten. Im Eiltempo konstruiert und fertiggestellt, feierte die Fw 200 V1 am 6. September 1937 ihren Erstflug, der zweite Prototyp V2 folgte im Spätherbst. Die darauf anschließende Erprobung bei der Deutschen Lufthansa (DLH) offenbarte allerdings ernsthafte Defizite und man musste nicht unerheblich nachbessern. Die A-0-Serie mit 800 PS starken BMW-132-L/G-Motoren umfasste zehn Maschinen, die 1938 und im darauffol-

genden Jahr ausgeliefert wurden – vier davon an die DLH, zwei für deren brasilianische Tochter Syndicato Condor, zwei an die dänische Fluggesellschaft DDL. Den Rest modifizierte man zu Regierungsflugzeugen, eines davon für Hitler persönlich. 1939 erschien die verbesserte Baureihe Fw 200 B mit BMW-132-D-Motoren (je 850 PS Startleistung), die als künftige Standardversion des Condors gelten sollte. Insgesamt 46 Bestellungen lagen im Spätsommer 1939 vor, darunter zwei aus Finnland (Fw 200 D-1/KB-1), die später die DLH übernehmen konnte, sowie fünf aus Japan (Fw 200 D-2/KC-1).

Im Militärdienst Mit Kriegsbeginn trat die militärische Verwendung der Fw 200 absolut in den

Vordergrund, praktisch kein einziges B-Flugzeug sah seinen ursprünglichen Auftraggeber. Vielmehr vereinnahmte die Luftwaffe den Condor für sich. Das Musterflugzeug der B-1 hatte man bereits kurz vor Ablieferung an die DLH zum Fotoaufklärer umgerüstet. Mangels Alternativen sollte die Fw 200 als Transporter sowie, dank der hohen Reichweite, besonders als bewaffneter Fernerkunder über See zum Einsatz kommen. Focke-Wulf hatte schon vorher einen Auftrag der japanischen Marine für solch eine Aufklärerversion erhalten gehabt. Zügig reifte so die Baureihe C heran; jene Maschinen, die für den Zivilmarkt im Bau standen, änderte man entsprechend ab. Musterflugzeug war die Focke-Wulf Fw 200 V11, ausgelegt als be-

22,7 Tonnen waren das höchstzulässige Startgewicht der Fw 200 C-3/U4 6

Konkurrenzvergleich

Focke-Wulf Fw 200 C-3/U4

Focke-Wulf Fw 200 C-3 Höchstgeschwindigkeit 410 km/h in 4000 m Einsatzhöhe 6600 m Reichweite 3550 km

Junkers Ju 290 A-5 Höchstgeschwindigkeit 455 km/h in 5800 m Einsatzhöhe 8850 m Reichweite 6700 km

Consolidated PB4Y-1

Einsatzzweck Fernaufklärer und Behelfsbomber Besatzung 7 Antrieb vier luftgekühlte BRAMO-323-R-29-Zylinder-Sternmotoren Leistung 4 x 1000 PS (4 X 1200 PS Startleistung mit MW-s50-Einspritzung) Länge 23,85 m Spannweite 32,84 m Höhe 6,30 m Flügelfläche 118 m² Leergewicht 13 080 kg Startgewicht max. 22 700 kg Höchstgeschwindigkeit 405 km/h in 5000 m Reichweite 3550 km (Standardtreibstoffmenge) 4500 km (mit Zusatztreibstoff) Dienstgipfelhöhe 6600 m Abwehrwaffen vier MG 15 – 7,92 mm (A-, C- und F-Stände) ein MG 131 – 13 mm (B-Stand) ein MG 151/20 – 20 mm (D-Stand) Abwurflast bis zu 2100 kg Bomben

Höchstgeschwindigkeit 449 km/h in 8077 m Einsatzhöhe 9693 m Reichweite 4764 km

waffneter Fernaufklärer und Behelfsbomber. Das erhöhte Gewicht glichen Zwillingsräder aus. Wegen ihrer Leichtbaukonstruktion als Zivilflugzeug blieb die Festigkeit der Maschine jedoch stets problematisch. Die Fw 200 C-1, hergestellt in zehn Exemplaren*, trug bis zu 2100 Kilogramm Bomben, den Antrieb lieferten BMW 132 H-1 (je 1000 PS Startleistung). Ihr folgten sieben* Fw 200 C-2 mit geringen Änderungen.

Umrüstsätze Ende 1940 kam die strukturell verstärkte C-3 mit Bramo 323 R-2 (je 1000 PS Startleistung). 72 Stück* fertigte man bis Ende 1941 – eine Anzahl davon als Sondervarianten durch Umrüstsätze. Wichtigste Vertreterin mit 25 Exemplaren war hier die Fw 200 C-3/U4 mit erhöhter Tankkapazität. 1942 entstand die wiederum verbesserte, mit stärkeren Abwehrwaffen bestückte Fw 200 C-4. Angeblich verließen 105 davon die Werkhallen. Erneut gab es Sonderaus-

führungen, unter anderem als Reiseflugzeuge sowie als C-4/U3 mit Funkortungsausrüstung.

Zweithäufigste Militärvariante der Fw 200: die C-3. Hier eine reichweitengesteigerte C-3/U4

Auch nach dem Krieg aktiv Die Fernaufklärer Fw 200 C-5 und C-5/U1 blieben Unikate. Ihnen folgten 1943/44 noch die radarbestückte C-6, welche unter anderem ferngelenkte Gleitbomben mitführen konnte, sowie die weitgehend ähnliche C-8, bevor die Fertigung im Februar 1944 endete. Trotz ihrer baulichen Defizite und der mit insgesamt zirka 260 ausgelieferten Fw 200 C vergleichsweise geringen Zahl hielt die Luftwaffe mit dem Condor ein rentables Kampfflugzeug in der Hand. In der unmittelbaren Nachkriegszeit flogen einige Maschinen im Ausland weiter, unter anderem in der UdSSR sowie im Liniendienst in Dänemark und Brasilien. I *laut Baumusterübersicht vom 20. Februar 1943

Die Fw 200 C-4 stieg zur meistgebauten Ausführung des Condor auf

Letzte Militärversion: Fw 200 C-8, es gab teilweise nachträgliche Umbauten

9310 Liter Kraftstoff führte die Fw 200 C-3/U4 maximal mit flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Menschen Die umgebaute Fw 200 V1, D-ACON, glänzte mit Langstreckenrekorden. Äußerlich zwar dem Aussehen der Lufthansa angeglichen, blieb sie bis zuletzt Eigentum von Focke-Wulf Fotos (3) DEHLA

Ehrgeiziges

Spiel Dass sich die Fw 200 zum Erfolgsmuster mauserte, stand beileibe nicht von vorneherein fest. Focke-Wulf brauchte den Condor zunächst weit eher als die Deutsche Lufthansa. Die Luftwaffe griff dagegen später umso bereitwilliger zu Von Wolfgang Mühlbauer

24 Passagiere sollte der Condor mindestens befördern 8

B

edarf für den Condor sah anfangs nur einer: Kurt Tank, seit 1933 Technischer Geschäftsführer der Focke-Wulf-Flugzeugbau in Bremen. Mit Fug und Recht lässt sich behaupten: Ohne seine ganz persönlichen Ambitionen hätte die elegante Viermotorige nie Gestalt erlangt. Denn einen offiziellen Auftrag, sie zu entwickeln, gab es zunächst nicht – weder vom RLM in Berlin, das einzig und allein die Kontrolle über alle Fertigungskapazitäten der Luftfahrtindustrie ausübte, und noch weniger, wie immer wieder kolportiert,

von der DLH, die als Staatsbetrieb zu nichts dergleichen berechtigt war. Trotzdem versuchten die Flugzeugindustrie und deren Vertreter ihre Spielchen. Kurt Tank bildete keine Ausnahme. Ehrgeizig und energisch, wie er war, sah er Anfang 1936 eine willkommene Gelegenheit, sich wie das Bremer Unternehmen vorteilhaft in Stellung zu bringen. Damals fürchtete die DLH einen erheblichen Ansehensverlust, falls man ihr nicht bald moderneres zweimotoriges Fluggerät zugestand, das mit der amerikanischen Douglas DC-3 mithalten konnte. Kurt Tank erfuhr davon, als er zufällig mit dem Technischen Direktor der DLH ins Plaudern kam.

Risikoloses Engagement In jenen Zeiten hemmungsloser Aufrüstung hatten neue Passagiermaschinen keinen Vorrang. Dennoch wies das RLM, nach Absprache mit der DLH, Junkers im Februar 1936 offiziell an, aus dem viermotorigen Fernbomber Ju 89 V3 ein passendes Verkehrsflugzeug, die Ju 90, abzuleiten … schließlich waren Entwicklung wie Bau bereits bezahlt, die Sache risikolos. Dass die DLH ursprünglich gar keine viermotorige Maschine erwartete, verbarg man unter dem Deckmantel der Betriebssicherheit. Ohne Auftrag aus Berlin verfolgte hingegen Tank, der den kaufmänni-

und studierte Ingenieur u zuvor mehrere Jahre in seiz ner n Heimatstadt Augsburg bei b den Bayerischen Flugzeugwerken (BFW) gearz beitet. Dort waren er und b Tank, der 1930/31 in AugsT burg tätig gewesen war, b sich erstmals begegnet. s

Kapazitätsfrage K

Kurt Tank trieb die Fw 200 mit allergrößtem Ehrgeiz voran Foto DEHLA

schen Vorstand in Bremen auf seiner Seite wusste, tatkräftig eigene Vorstellungen. Das Parkett, auf dem er sich bewegte, war ihm von Junkers und der DLH freilich vorbereitet worden. Es war in erster Linie Entwurfsleiter Andreas von Faehlmann, im Rahmen dieser Reihe in Flugzeug Classic 10/2019 schon näher vorgestellt, der Tanks Konzept ästhetische Gestalt verlieh. Ihm zur Seite stand Ludwig Mittelhuber (1904–1966), der sich gleichermaßen durch feines aerodynamisches Formgefühl wie schnelle Auffassungsgabe auszeichnete. Seit Mitte 1931 in Bremen, hatte der gelernte Werkzeugmacher

Wilhelm Bansemir, verantwortlicher Konstruktionsleiter für den Condor

In ihrer ursprünglichen Form tat sich die Fw 200 V1 schwer, die Lufthansa zu überzeugen. Der extreme Zeitdruck, den Kurt Tank seinen Mitarbeitern in Bremen aufgebürdet hatte, tat den Flugeigenschaften zunächst nicht gut

M Mittelhuber folgte ihm bald nach zu Focke-Wulf. Dort n machte er prompt seinen m Weg. W Beispielsweise verhalf er e der Fw 44 Stieglitz zur Serienreife, nahm Einfluss auf die Fw 190 und stieg auf bis zum Chefingenieur. Der Zwangspause nach Kriegsende folgten zwei Jahre Arbeit bei Turbomeca in Frankreich, ehe ihn Tank 1948 erneut als Projektingenieur in sein Umfeld holte, diesmal nach Argentinien, um unter anderem den Strahljäger Pulqii II zu realisieren. Beide blieben dort bis 1956 tätig, ehe es nach Indien weiterging, wo Mittelhuber bis 1966 als Chefprojektingenieur den zweistrahligen Jagdbomber Hindustan Aeronautics HF 24 Marut begleitete. Kurz vor seinem Tod fand er als Leiter des Entwurfsbüros beim Hamburger Flugzeugbau eine letzte Anstellung. Mittelhuber hielt sich im Gegensatz zu Tank stets bescheiden im Hintergrund – vielleicht ist es deshalb nicht gelungen, für diesen Beitrag ein Bild von ihm beizusteuern.

4 BMW-132-Sternmotoren trieben die Fw 200 V1 an flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Menschen Trotz anfänglicher Probleme wusste die DLH den Condor bald im Liniendienst zu schätzen. Die hier abgebildete Fw 200 A-0, D-AHMC, »Nordmark« stieß am 29. August 1938 zur Flotte. Im September 1939 musste man sie der Luftwaffe überlassen Foto DLH

Am 9. Juli 1936 lag der Entwurf des Condors beim RLM. Dass dieses sechs Wochen später tatsächlich Entwicklung und Bau zweier V-Muster absegnete, lag wohl an den freien Kapazitäten, die sich in Bremen mit dem baldigen Ende der Fw-56-Serie abzeichneten. Tank und der übrige Vorstand hatten wenig Interesse, danach von Lizenzaufträgen blockiert zu werden. Ergo musste dringend eine zukunftsträchtige Eigenentwicklung her. Doch den Condor zu verwirklichen, blieb ein Wagnis. Die DLH war keineswegs zur Übernahme beider Flugzeuge verpflichtet – war die Bauaufsicht beim RLM unzufrieden, konnten die Bremer sehen, wo

sie blieben. Davon abgesehen, stand man dort vor der Herausforderung, die bisher übliche Gemischtbauweise zugunsten des modernen Ganzmetallbaus aufzugeben. Einschlägige Praxiserfahrung hatte hier keiner der Verantwortlichen – auch nicht, wie oft behauptet, Kurt Tank. Noch hinderlicher war der zusätzliche Zeitdruck, den die-

Die F.d.F. (Fliegerstaffel des Führers) nutzte mehrere Fw 200 in speziellen Unterausführungen als persönliche Reise- oder Begleitflugzeuge für Hitler Foto SA-kuva

16 Schalen bildeten zusammen die Rumpfstruktur 10

ser mit dem vollmundigen Versprechen vom Erstflug bis zum 1. August 1937 aufbaute. Das war nicht einmal ein Jahr nach Auftragserteilung und drei Monate früher als vom RLM geplant.

Herber Nachgeschmack Nicht nur Konstruktionsleiter Wilhelm Bansemir und seine Mannschaft durften sich deshalb förmlich zerreißen. Der diplomierte Schiffsmaschinenbauer Bansemir (1901–1968) stammte aus Tilsit und war 1927 zu Focke-Wulf gestoßen. Hier bewies er rasch sein Geschick als Konstrukteur und war bald in verantwortlicher Position. 1944 wurde er Leiter des Musterbaus. Ähnlich wie Mittelhuber arbeitete er nach Kriegsende erst in Frankreich, dann für Tank in Argentinien. Bansemir kehrte 1956 zurück nach Bremen zur Weser Flugzeugbau GmbH als Entwicklungsleiter, wo er nicht zuletzt wichtige Arbeiten für das C-160-Transall-Programm leistete. 1961 ging die Firma in den Vereinigten Flugtechnischen Werken VFW auf, zu

Ungewöhnlicher Kompromiss: das komplexe Gitterfahrwerk der Fw 200 V1 Fotos (2) Airbus Heritage

Die Kabinenausstattung der zivilen Fw 200 war vorbildlich. Allerdings verlangte der Hauptholm, der quer durch den Rumpf verlief, eine Stufe zwischen dem vorderem und dem großem Fluggastraum Foto DLH

deren Geschäftsführer Bansemir zwei Jahre später aufstieg. In den letzten Berufsjahren wirkte er unter anderem am VFW-Anteil des zweistrahligen Airliners Fokker F.28 mit. Die Fw 200 V1 startete am 6. September 1937 zum Erstflug – eine äußerst bemerkenswerte Leistung, mit herbem Nachgeschmack. Denn tadellos, wie von Tank so gern vorgebracht, flog sie seinerzeit keineswegs. Der Zeitdruck rächte sich: Die Gewichtsaufstellung passte nicht, die Maschine war schwanzlastig. Das ließ sich zwar durch entsprechende Einstellung des Höhenleitwerks ausgleichen, allerdings zu Lasten des Luftwiderstands und damit von Verbrauch und Geschwindigkeit. Focke-Wulf blieb nichts anderes übrig, als dem Außenflügel eine Pfeilung zu verleihen und die Leitwerke zu vergrößern.

Veritables Verkehrsflugzeug Davon mal abgesehen, brachte die ausgeprägte Leichtgewichtskonstruktion Nachteile wie Zugeständnisse mit sich.

Interessanterweise hatte Tank seinerzeit Messerschmitt angeblich deshalb verlassen, da ihm der hier praktizierte Leichtbau zu extrem war. Um wiederum bei der Focke-Wulf Fw 200 Gewicht zu sparen, setzte Tank trotz aller fehlender Erfahrung großzügig auf Elektron statt des bewährten Duraluminiums … deutlich weniger vorteilhaft als erwartet und bald mit erheblichen Nacharbeiten verbunden. Zu den augenscheinlichsten Kompromissen am Flugzeug gehörte das Hauptfahrwerk. Laut Bansemir, und ohne näher ins Detail zu gehen, war dessen Gitterbauweise mit Knick- und Schwenkverband sowie vorgelagertem Laufrad dem eigenwilligen Gesamtaufbau des Tragwerks geschuldet. Trotz holpriger Anfänge während der DLH-Erprobung 1937/38 wurde aus dem Condor bekanntermaßen ein veritables Verkehrsflugzeug mit hohem Reisekomfort. Die Propagandaflüge der umgebauten V1 über den Nordatlantik Mitte Au-

Doppelte Bereifung glich bei den Fw-200-Kampfflugzeugen das Mehrgewicht aus

gust 1938 oder nach Tokio Ende November – übrigens reine Privatangelegenheiten von Tank und Focke-Wulf – halfen, die Vermarktung anzukurbeln, begründeten zugleich jedoch den persistenten Irrglauben, die Fw 200 sei als Transozeanflugzeug geplant gewesen.

Verlegenheitslösung In jedem Falle weckte der Condor bei Kriegsausbruch umfassende Begehrlichkeiten beim Militär. Focke-Wulf tat sein Möglichstes, die Fw 200 dem harten Alltag bei der Luftwaffe anzupassen. Kein leichtes Unterfangen, war die gesamte Konstruktion doch den auftretenden Belastungen mehr schlecht als recht gewachsen. Letztlich blieb die Focke-Wulf Fw 200 im Tarnkleid eine pure Verlegenheitslösung – zwar mit erstaunlichem Erfolg, doch erschreckend hohem Blutzoll. I

22,3 Quadratmeter Gesamtfläche hatten die Fluggasträume flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Focke-Wulf Fw 200 Profil

Siegreiche Jahre Besonders die Erfolge während des Einsatzes bei der I. Gruppe des Kampfgeschwaders 40 in den Jahren 1940/41 bescherten der Fw 200 ihre kriegshistorische Bedeutung. Zumal, da es sich nur um verhältnismäßig wenige Maschinen handelte, die dem Feind schmerzliche Verluste zufügten

Focke-Wulf Fw 200 C-1, F8+DH, der 1./KG 40, Bordeaux-Mérignac 1940/41 Lackiert war die Maschine mit dem üblichen Anstrich aus den RLM-Farben 72/73/65 für über See eingesetzte Flugzeuge. Seitlich am Rumpf ist das Emblem der I./KG 40 aufgemalt Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter

Von Herbert Ringlstetter

D

ie I. Gruppe des Kampfgeschwaders 40, das sich später einen großen Namen machen sollte, bestand zunächst lediglich aus einer Staffel. Anfang Mai 1940 waren es bereits zwei Staffeln und der Gruppenstab. Ausgerüstet mit Fw 200 C, flog die Einheit von Dänemark aus hauptsächlich Aufklärung entlang des norwegischen Küstenstreifens. Im Juni 1940 kam die 3. Staffel hinzu, und das Geschwader verlegte Mitte des Monats auf den gut ausgebauten Einsatzplatz in Bordeaux-Mé-

rignac im mittleren Westen des besiegten Frankreichs. Um die Kampfaufträge im näheren Umfeld weiter abdecken zu können, ergänzte man die Gruppe im Januar 1941 um die 4. Staffel, ausgerüstet mit Heinkel He 111. Bis Anfang Februar 1941 hatten die Fw 200 der I./KG 40 bereits 363 000 Bruttoregistertonnen Schiffsraum versenkt, Tendenz steigend. Im selben Monat unterstützten fünf Condor-Kampfaufklärer den Kreuzer Admiral Hipper und das U-Boot U 37 im Kampf gegen

7 alliierte Frachter versenkten Fw 200 am 26. Februar 1941 12

den von Gibraltar Richtung Großbritannien fahrenden Konvoi HG 53 und schickten alleine fünf Schiffe in die Tiefe. Sieben alliierte Frachter folgten am 26. Februar, versenkt von nur wenigen Focke-Wulf Fw 200.

Fotos (2) Sammlung Herbert Ringlstetter

Entspanntes Treiben während der Vorbereitungen für den nächsten Einsatz einer Fw 200 C-3 der I./KG 40

Von Anfang 1941 an flogen Fw-200Fernerkunder für die U-Boot-Waffe als Fühlungshalter (mehr dazu ab Seite 51) unter dem Kommando von Vizeadmiral Karl Dönitz. Die Wochenschau berichtete bereits am 3. Oktober 1940 über die I./KG 40: »Eine Gruppe eines Kampfgeschwaders unter der Führung von Major Petersen, die sich schon im Norwegen-

Erfolgsbilanz am Seitenruder einer Fw 200 C-3 des KG 40: zehn versenkte Schiffe in 13 Einsätzen gegen England

Feldzug besonders auszeichnete, hat in den letzten Wochen auf langen, bei jeder Witterung durchgeführten Feindflügen, die oft bis weit in den Atlantik hineinführten, rund 90 000 Brutoregistertonnen feindlichen Handelsschiffraum versenkt und über 40 000 Bruttoregistertonnen schwer beschädigt, oft im Tiefangriff auf stark gesicherte Geleitzüge.« I

90 000 Bruttoregistertonnen Handelsschiffraum fielen den Fw 200 bis September 1941 zum Opfer flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Im Einsatz

Einsame Jäger Im zivilen Dienst hatte die Fw 200 bereits Herausragendes geleistet, bei der Luftwaffe musste sich die Viermotorige ab 1939 völlig neuen Aufgaben stellen. Seine formidable Reichweite prädestinierte den Condor für Fernaufklärungsflüge über See – auf der Jagd nach feindlichen Schiffskonvois Von Herbert Ringlstetter

4 250-kg-Bomben führte die Fw 200 gewöhnlich mit 14

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it Ausbruch des Krieges begann für Focke-Wulfs Condor eine gänzlich neue Einsatzkarriere: Die Luftwaffe griff nach der Fw 200 und setzte sie entsprechend umgebaut während der Feldzüge gegen Polen, Dänemark und Norwegen als Transporter ein. Im Herbst 1939 beauftragte die Luftwaffenführung Hauptmann Edgar Petersen mit der Aufstellung einer Fernerkunderstaffel, um Aufklärung weit draußen über See zu fliegen. Mit Blick auf die vorhandenen Flugzeugtypen zeigte sich Petersen rasch ernüchtert, denn die auch für Langstreckenaufgaben vorgesehene Heinkel He 177 befand sich noch in der Entwicklung, und von der Junkers Ju 90, ebenfalls ein viermotoriges Verkehrsund Transportflugzeug, waren nur wenige Exemplare vorhanden. Ihre Weiterentwicklung zur Ju 290 war damals noch nicht einmal angedacht. Einzig die mit enormer Reichweite glänzende Fw 200 schien für die gestellten Aufgaben geeignet. Zumal Focke-

250-kg-Bomben an Trägern unter der äußeren linken Motorgondel und Fläche. Die Aufhängungen ließen sich auch für Zusatztanks nutzen

Der Fw 200 fiel 1939/40 zwangsläufig die Rolle des bewaffneten Fernaufklärers zu – im Bild Maschinen der I./KG 40 und ihre Besatzungen

Wulf von der japanischen Marine-Luftwaffe 1939 bereits den Auftrag für eine Aufklärerversion der Fw 200 erhalten hatte und daher ein militärisches Muster vorweisen konnte. Der daraus entstandene Fernerkunder Fw 200 C war nicht nur als Fernaufklärer, sondern auch als Behelfsbomber ausgelegt. In der Boden-

wanne ließen sich bis zu 1100 Kilogramm und unter den Tragflächen und äußeren Motorgondeln weitere 1000 Kilogramm an Abwurflast befördern. Neben unterschiedlichen Bomben gehörten auch Seeminen zum Waffensortiment der Fw 200. Zwei Abwehrstände mit 7,92-mm-MG 15 in der Bo-

6 Abwehrstände dienten der Fw 200 zur Verteidigung flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Im Einsatz biet bis weit hinaus über den Nordatlantik abdecken.

Geleitzüge im Visier

Weit über dem Nordatlantik Während die spezielle, von Oberstleutnant Rowehl geführte Fernaufklärungsgruppe (AufklGr(F)ObdL) die mit einem Abwehrstand weniger versehene V10 erhielt, gingen die ersten Serienmaschinen Fw 200 C-1 an Hauptmann Petersen. Bereits im Vorfeld hatte er umgebaute Fw 200 B bekommen, die zur Schulung von Besatzungen für den Einsatz gegen alliierte Geleitzüge dienten. Doch dauerte es bis Frühjahr 1940, ehe Petersen die Staffel einsatzklar meldete, die inzwischen als 1./KG 40 fungierte und weitere sechs Maschinen erhielt. Bis Ende April 1940 wuchs die Condor-Einheit zu einer Gruppe an. Später verfügten auch die II. und III. Gruppe des KG 40 über etliche Fw 200 C. Stationiert war die I./KG 40 zunächst auf den norwegischen Einsatzplätzen Trondheim und Stavanger-Sola. Nach der

Das Innenleben einer Fw 200 C mit Ladeplan. Beim Start mussten die vorderen und bei der Landung die hinteren Plätze besetzt sein

Niederlage Frankreichs nutzten die Fw 200 des KG 40 von Ende Juni 1940 an vor allem auch den gut ausgebauten Einsatzplatz in Bordeaux-Mérignac im Westen Frankreichs. So konnten die Kampfaufklärer mit ihrer Reichweite von bis zu 3500 Kilometern (mit Zusatztanks 4500) ein enorm weites Seege-

Wegen der größtenteils sehr langen Einsatzdauer ließen sich an Bord für die normalerweise siebenköpfige Besatzung warme Speisen und Getränke zubereiten

900 Meter betrug die maximale Einsatzhöhe beim Aufspüren eines Konvois 16

Fotos Sammlung Herbert Ringlstetter

denwanne sowie zwei weitere Stände auf dem Rumpfrücken dienten dazu, feindliche Jäger abzuwehren. Die C-1Serienflugzeuge erhielten außerdem zwei MG 15 links und rechts in den hinteren Rumpffenstern.

Erkundungsflüge und verlustreiches Minenlegen beherrschten zunächst die Einsatztätigkeit der I./KG 40. Die im Sommer 1940 aufkommenden Kämpfe um die Luftherrschaft über Englands Süden rückten den eigentlichen Auftrag der Condor-Maschinen in den Mittelpunkt: das Aufspüren und Vernichten alliierter Konvois, deren Frachtschiffe für Großbritannien lebenswichtige Güter an Bord hatten. Wenngleich die Fw 200 wesentlich mehr tragen konnte, führten die Maschinen zugunsten einer großen Reichweite meist nur 1000 Kilogramm in Form von vier 250-kg-Bomben mit sich. Für die deutsche Seite ging die Rechnung 1940 auf, die Fw 200 des KG 40 operierten mit Erfolg vor allem über dem Nordatlantik. Die in die Luftkriegsgeschichte eingegangenen Erfolge der Fw 200 des KG 40 basierten 1940/41 auch auf den zunächst sehr eingeschränkten Abwehrmöglichkeiten der Geleitzüge, die über weite Strecken außerhalb der Reichweite alliierter Jäger fuhren. Ein bemerkenswerter Sieg gelang am 26. Oktober 1940 mit der Versenkung des als Truppentransporter ein-

gesetzten 42 348-BruttoregistertonnenPassagierschiffs Empress of Britain II. Nachdem eine Fw 200 den riesigen Dampfer nordwestlich von Irland aufgespürt und schwer beschädigt hatte, versetzte das herangeführte U-Boot U 32 dem Schiff mit zwei Torpedotreffern den Todesstoß. Die 1941 geordnet begonnene Einsatztaktik, als Fühlungshalter für U-Boote zu fungieren, war von wechselnden Erfolgen gekennzeichnet. Dabei hatten die Fw 200 keinen direkten Kontakt zu den U-Booten, die Verbindung lief über den Fliegerführer Atlantik beziehungsweise den Befehlshaber der U-Boote, Vizeadmiral Dönitz.

Fw 200 C-4 mit HDL 151 als A-Stand, bestückt mit einem schweren MG 151/15, Kaliber 15 mm. Nachteil der erhöhten Feuerkraft: Der hohe Drehturm kostete merklich Geschwindigkeit Foto Sammlung Ringlstetter

Einsatzablauf Wurde ein Schiffskonvoi gemeldet, folgte die Einsatzbesprechung beim KG 40 und – falls mehrere Maschinen beteiligt waren – die Aufteilung des Suchgebiets. Nach dem Start von Bordeaux-Mérignac ging es oft stundenlang über den Atlantik, meist nach Nordwesten in Richtung Hauptkonvoirouten. Für die Besatzung stellte der Hinflug einen in der Regel langweiligen, einzig für die beiden Navigatoren anspruchsvollen Teil der Mission dar. Im Suchgebiet angekommen, durchkämmte der Condor den Einsatzraum schematisch in 600 bis 900 Meter Höhe, wobei so viele Mannschaftsmitglieder wie möglich mit dem Fernglas Ausschau hielten. Die relativ geringe Flughöhe hatte den Vorteil, dass sich Schiffe am Horizont abzeichneten. Die Sichtweite betrug dabei oft nur 20 Kilometer und weniger. Schlechte Wetterverhältnisse im Einsatzgebiet erschwerten die Suche häufig zusätzlich. Grundsätzlich herrschte die ganze Zeit über Funkstille, die man erst brach, wenn die Sichtung des Feindes den Kontakt zu weiteren in der Nähe fliegenden Fw 200 oder zur U-Boot-Führung erforderte. War ein Geleitzug entdeckt, verschaffte sich die Besatzung aus sicherer Höhe einen genauen Überblick, was bis zu einer Stunde in Anspruch nehmen konnte. Besonderes Augenmerk galt dabei den begleitenden Sicherungsschiffen mit ihrer starken Flugabwehr. Die Zielauswahl folgte der Abwägung zwischen größt-

möglicher Vernichtung von Frachtgut und dem eigenen Risiko. Abgeschlagene oder zumindest am Rand eines Geleitzugs fahrende Frachter stellten selbstredend eine leichtere Beute dar. Transportschiffe verfügten, wenn überhaupt, meist in der Nähe des Bugs über ein oder auch mehrere Flugabwehrgeschütze.

Im Tiefangriff Mangels Bombenzielgerät in den frühen Einsatzmaschinen versprach der Horizontalwurf mit den wenigen Bomben sehr geringe Erfolgsaussichten. Die Fw-

200-Besatzungen griffen die Frachter daher bevorzugt im Tiefflug an. Der Condor-Pilot ging auf etwa 45 bis 50 Meter hinunter und flog das auserkorene Frachtschiff direkt von der Seite an. Dieses Angriffsverfahren versprach die höchste Trefferwahrscheinlichkeit, galt jedoch auch als das gefährlichste. Bestenfalls schlugen die in rund 300 bis 400 Meter Entfernung ausgelösten Bomben dicht über der Wasseroberfläche im Schiffsrumpf ein. Meist griffen Fw 200 allerdings von hinten an, was wesentlich gefahrloser, aber auch weni-

45–50 Meter betrug die Flughöhe der Fw 200 im Tiefangriff flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Im Einsatz Der gut ausgestattete Führerraum einer Fw 200 C wurde den Einsatzanforderungen umfänglich gerecht. Dazu gehörten unter anderem eine gute Blindund Schlechtwetterflugausrüstung sowie Enteisungsanlagen

wies sich die unzureichende Festigkeit der Zelle, die den hohen Anforderungen mit belastenden Flugmanövern während des Kampfeinsatzes im Grunde nicht gewachsen war. So kam es immer wieder zu teils erheblichen Schäden insbesondere am Rumpf, bis hin zu Brüchen. Zwar erhielt die Version C-3 deshalb Verstärkungen, wirklich lösen konnte FockeWulf das Problem jedoch nie. Befand sich die Fw 200 nach erfülltem Auftrag weit oben im Nordwesten, steuerte der Condor-Pilot Richtung Norwegen, um in Trondheim zu landen. Anschließend ging es zurück nach Bordeaux-Mérignac. Standen Reparaturen an, landete die Maschine zuvor noch bei Focke-Wulf in Bremen.

Immer gefährlicher ger erfolgversprechend war. Je Anflug warf der Condor eine oder zwei Bomben, drehte nach Überfliegen des Frachters scharf ab und gewann an Höhe. Nachdem die Besatzung die Bombenwirkung begutachtet hatte, griff sie dasselbe Schiff erneut an, oder wählte ein weiteres lohnendes Ziel aus.

Schwachpunkt der Fw 200 Am 10. Januar 1941 holte der Bordschütze des Schleppers HMS Seaman mit einer 20-mm-Kanone eine Fw 200 herunter. Es war der erste Abschuss eines Condors von einem Schiff aus. Bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 290 km/h füllte der Condor ab einer Ent-

fernung von etwa 685 Metern das Visier einer 20-mm-Hispano-Bordkanone aus und der Schütze begann zu feuern. Immerhin sieben Sekunden blieben ihm von da an, um seine Garbe mit Blick auf die Leuchtspur in den deutschen Bomber zu lenken. Aus dem D-Stand der Fw 200 züngelte das MG-Feuer gleichzeitig Richtung Schiffsdeck, um vorrangig die mögliche Flak niederzuhalten. Der Beschuss aus dem zunächst verwendeten MG 15 zeigte sich jedoch wenig effektiv. Das etwas später installierte 20-mm-MG/FF oder MG 151/20 hatte einen ungleich stärkeren Effekt. Als größter Schwachpunkt der als Verkehrsflugzeug ausgelegten Fw 200 er-

2 Stände mit 7,92-mm-MG 15 saßen in der Bodenwanne 18

Eine frühe Fw 200 C tief über dem Wasser. Der Angriff in niedriger Höhe stellte sich 1940/41 zunächst als die aussichtsreichste Angriffsmethode heraus

Die Angriffe im Tiefflug gingen allerdings im Laufe des Krieges zurück, da die Einsätze wegen der gesteigerten Abwehr der Alliierten für die Besatzungen der Focke-Wulf Fw 200 immer mehr zur Gefahr wurden. Eine von alliierter Seite ersonnene Maßnahme stellte der Einsatz von einmotorigen, speziellen Hurricane-Jägern dar. Hierfür rüstete man 1941 eine Reihe von Mk.I zu Sea Hurricanes mit Katapultbeschlägen um und stattete ehemalige Handelsschiffe mit Katapultanlagen aus. Eine Landung war nicht vorgesehen, der Pilot sprang nach erfüllter Mission in der Nähe des Startschiffs mit dem Fallschirm ab.

Als große Schwachstelle stellte sich die für den Kampfeinsatz zu schwache Zelle heraus. Rumpfbrüche wie an der Fw 200 C-4, F8+FW, während der Stalingrad-Versorgungsflüge Anfang 1943 kamen immer wieder vor

Auf die Maßnahmen der Alliierten reagierten die Condor-Besatzungen mit dem Angriff aus großer Höhe – meist aus 3000 Metern. Zum Anvisieren des Ziels befand sich hierfür im D-Stand ein Bombenzielgerät Lotfe 7 (Lotfernrohr). Auch die Abwehrstände rüstete man bereits 1941 mit wirkungsvolleren Waffen aus, die Feindjägern den Angriff gegen die Viermot merklich erschwerten.

Glück im Unglück am 23. Juli 1941 nach dem Abschuss durch eine Hudson westlich von Irland: Sechs der sieben Besatzungsmitglieder der Fw 200 C, F8+BB, überlebten und gerieten in Gefangenschaft

Später schickten die Alliierten kleine, zu Begleitflugzeugträgern umgebaute, ehemalige Frachtschiffe mit den Konvois auf Feindfahrt. Der erste dieser Träger, die Audacity, stach im September 1941 mit sechs Martlet-Jagdflugzeugen (britische Grumman F4F Wildcat) an Deck in See. Für die Jagdflieger der Royal Navy stellte die Fw 200 jedoch keineswegs eine leichte Beute dar, im-

Wechselvolle Karriere

merhin verfügte der Condor über bis zu sechs Abwehrstände, die kaum eine Lücke zum Angriff ließen. Heftige Ausweichmanöver galten aufgrund der geringen Festigkeit der Fw 200 als keine gute Idee. Von der geringen Festigkeit der Fw 200 wussten die Briten jedoch nichts. In der Regel versuchte der Condor-Pilot in Wolken einzutauchen und so den Jäger abzuschütteln.

Fw 200 C-8 mit FuG 200 Hohentwiel Mitte 1943, das es ermöglichte, feindliche Schiffe zu orten. Aus dem D-Stand ragt das verkleidete Lotfe 7 für den horizontalen Bombenwurf heraus

Ab 1943 gingen die Einsätze mit der Fw 200 immer mehr zurück und man zog die leistungsfähigeren Typen Heinkel He 177 und Junkers Ju 290 für diese Langstreckenaufgaben heran. Neben den Kampfeinsätzen kamen Fw 200 auch weiterhin in geringem Umfang als Transportmaschinen zum Einsatz, darunter auch, soweit noch vorhanden, ehemalige Lufthansa-Maschinen. Um die 6. Armee in Stalingrad Anfang 1943 zu versorgen, flogen Fw-200Transporter neben zahlreichen anderen Mustern verlustreiche Missionen. Neben dem nordatlantischen Operationsraum flogen sie vor allem auch im Mittelmeerraum. So durchlebte die als Verkehrsflugzeug geglückte Focke-Wulf 200 eine unvorhergesehene und überaus wechselvolle militärische Einsatzkarriere bei der Luftwaffe, die dem Condor immerhin den eingangs erwähnten, von Premierminister Winston Churchill ersonnenen Namen »Geißel des Atlantiks« einbrachte. I

4490 Kilometer betrug die maximale Reichweite der C-3 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Focke-Wulf Fw 200 Galerie

Die Fw 200 C-1, W.Nr. 0013, trägt noch das Stammkennzeichen BS+AJ und kam zum KG 40 Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Fw 200 C-2, F8+KH, der 1. Staffel des KG 40, Mitte 1940, die für Nachteinsätze vorübergehend mit abwaschbarer Rußfarbe geschwärzt war

Fw 200 C-3 des KG 40 im Juni 1943, die nach einer Bauchlandung leidlich repariert und ohne Rumpfwanne blieb. Der folgende Flug endete mit einer weiteren, dieses Mal desaströsen Notlandung und teils schwer verletzter Besatzung

Die Fw 200 C, F8+KH, der 1./KG 40, hier wahrscheinlich während eines Überführungsfluges – siehe auch Grafik oben

6 Mann Besatzung hatte die Fw 200 20

Auf Fotoflug mit der Fw 200 C-3/U2 (ex C-1), SG+KS, W.Nr. 0043, im Januar 1941. Der Condor ließ sich einwandfrei fliegen, allerdings verlangte der Start in der Anfangsstartphase eine gefühlvolle Gashebelhand. Die »KS« flog 1941 aufgerüstet zu einer C-3 als F8+AB im Stab der I./KG 40 und ging am 18. Juli samt Besatzung nach schweren Flaktreffern verloren Fotos (2) Sammlung Ringlstetter

3000 Meter betrug die Angriffshöhe beim Horizontalbombenwurf flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Optimiert für den Nachteinsatz: He 111 H-11 der III. Gruppe des KG 53 mit stark abgedunkelten Tarnanstrichen an der Ostfront Foto Sammlung H. Ringlstetter

Ursprung & Geschichte

Menschen

Profil

Im Einsatz

Die Anfänge der He 111 reichen bis ins Jahr 1932 zurück. Ab 1936 flog das Kampfflugzeug in der Luftwaffe

Siegfried und Walter Günter sind eng mit dem Entstehen der He 111 verbunden, ihre Besatzungen führten sie zum Erfolg

Mit nur einer Bombe, dem FZG 76, unter dem rechten Flügel starteten die He 111 des KG 53 zum Feindflug

Im Tiefflug, verborgen für die britischen Radare, flogen die He-111-Besatzungen mit ihren V 1 über das Meer

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Heinkel He 111 Bereits 1936 als Standard-Kampfflugzeug der deutschen Luftwaffe eingeführt, bewährte sich Heinkels He 111 über die Jahre. Unterlegene Flugleistungen und mangelnde Defensivbewaffnung zwangen die Besatzungen bereits 1940, in den Schutz der Nacht auszuweichen. So auch 1944, als He 111 des KG 53 mit einer Flugbombe Fi 103 unter der Fläche Richtung England starteten

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IM FOKUS

Heinkel He 111 Ursprung & Geschichte Heinkels He 111 flog erstmals 1934 und durchlief, stetig technisch aufgewertet, bis 1945 eine wechselhafte Einsatzgeschichte – im Bild eine He 111 H-16, die zu den meistgebauten Varianten gehört

Eine lange Geschichte Bereits geraume Zeit vor Kriegsbeginn flog Heinkels He 111 in den Kampfgeschwadern der Luftwaffe und stand 1944/45 immer noch im Fronteinsatz. Erst 1944 lief die Serienfertigung des Standardbombers aus Von Herbert Ringlstetter

Z

u Kriegsbeginn war das Gros der deutschen Kampfgeschwader mit den Typen He 111 H und P ausgerüstet. Und obwohl technisch längst überholt, befanden sich 1944 nach wie vor zahlreiche He 111 in den Reihen der Kampfverbände. Als Transporter sowie vorwiegend bei Nacht eingesetzter Bomber leistete das markante Flugzeug noch immer gute Dienste. Die Anfänge der Heinkel He 111 reichen bis in das Jahr 1932 zurück, als das Reichsverkehrsministerium insgeheim nach einem schnellen zweimotorigen Kampfflugzeug verlangte. Nach außen galt der Auftrag einer rein zivilen Schnellverkehrsmaschine. Angelehnt an die aerodynamisch herausragende einmotorige He 70 bestach auch die im November 1934 erstmals geflo-

gene He 111 durch ihre auffallend aerodynamische Formgebung. Der radikale Umbau des Führerraums ab den Versionen He 111 P mit und H gab der Zweimotorigen das besonders ausgeprägte Erscheinungsmerkmal: die auch »Gewächshaus« genannte, großteils verglaste Kanzel. Die Massenproduktion der He 111 stellte die Heinkel-Akteure vor zahlreiche Schwierigkeiten und Herausforderungen, die man letztlich meisterte. Denn immerhin verließen bis weit ins dritte Quartal des Jahres 1944 hinein mindestens rund 7600 Exemplare der unterschiedlichen He-111-Versionen die Produktionshallen der Firmen Dornier (NDW), Arado, Junkers, Allgemeinen Transportanlagen Gesellschaft (ATG) sowie der Heinkel-Werke in Oranien-

7600 He 111 sind mindestens entstanden 24

burg und Rostock-Marienehe. Am häufigsten produziert wurde die Version H-6 mit etwa 1800 Stück, gefolgt von den späten Ausführungen H-16 (zirka 1100) und H-20 (rund 770). Von der zivilen He 111 entstanden dagegen nur wenige Exemplare. Ursprünglich sollte die sturzkampffähige Junkers Ju 88 die He 111 bereits 1940 ablösen, doch erwies sich die schnellere und wendigere »88« in mancherlei Hinsicht als schwierig. Auch änderten sich immer wieder die Rahmenbedingungen, weshalb die He 111 ihre Position nie räumen musste. Den Vergleich mit anderen mittleren Kampfflugzeugen brauchte die He 111 trotz ihres fortgeschrittenen Alters nicht zu scheuen. Gute Flugeigenschaften, wozu auch – anders als bei der

Konkurrenzvergleich

Heinkel He 111 H-16

Heinkel He 111 H-16

Einsatzzweck Mittlerer Bomber Besatzung 5 Antrieb 2 x Jumo 211 F-2 hängender V-12-Zylindermotor Startleistung 2 x 1340 PS, 2680 PS gesamt Kampfleistung 2 x 1060 PS in 5300 m Spannweite 22,50 m Länge 16,40 m Höhe 3,93 m Flügelfläche 86,50 m² Rüstgewicht 8320 kg Startgewicht 14 000 kg Höchstgeschwindigkeit *405/435 km/h in 6000 m Marschgeschwindigkeit 385 km/h in 5000 m Anfangssteigleistung 4,4 m/s Reichweite max. 2900 km, 1270 km bei max. Beladung Dienstgipfelhöhe *6700 / 8500 m Abwehrbewaffnung 1 x MG FF, 20 mm, in A-Stand (Standard) 1 x MG 131, 13 mm, in B-Stand 1 x MG 81 Z, 7,92 mm, in C-Stand 2 x MG 15/MG 81 Z, 7,92 mm, in Seitenständen Abwurflast 2000 kg 3000 kg Überlast bei 740 km Reichweite *mit/ohne Abwurflastlast Etwa 7600 He 111 wurden bis Herbst 1944 gebaut Rund 1250 Kilometer Reichweite schaffte eine H-16 mit 2000 Kilogramm Abwurflast

Höchstgeschwindigkeit 405 km/h Abwurflast 3000 kg Reichweite 2900 km

Vickers Wellington B Mk X Höchstgeschwindigkeit 408 km/h Abwurflast 2720 kg Reichweite 2125 km

Iljuschin Il-4 Höchstgeschwindigkeit 410 km/h Abwurflast 2500 kg

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Ringlstetter

Reichweite 3800 km

Junkers Ju 88 – der unproblematische Einmotorenflug gehörte, stimmten mit hoher Zuverlässigkeit und gediegener Leistungsfähigkeit überein. Die spanischen Luftstreitkräfte ließen die Heinkel He 111 H-16 bis 1956 in Form der CASA 2.111 in etwa 250 Exemplaren produzieren und nutzten diese teilweise bis Anfang der 1970erJahre, sodass die Macher des britischen Films Battle of Britain 1968 auf ein paar dieser Maschinen – wenngleich mit britischen Merlin-Motoren – zurückgreifen konnten.

Durchgehend in Einsatz Ständig optimiert und den Einsatzerfordernissen so gut wie möglich angepasst, blieb die He 111 folglich praktisch den ganzen Krieg hindurch im Einsatz. Und dieser gestaltete sich vielfältig. Zur ursprünglichen Bomberrolle nutzte die Luftwaffe die Zweimot vielfach auch als Transporter, Torpedobomber und Fernaufklärer.

Bereits während der Luftschlacht um England 1940/41 verlegten die deutschen Kampfverbände aufgrund der starken britischen Jagdabwehr ihre Angriffe in die Nachtstunden. Gleiches geschah später auch an der Ostfront, nachdem die sowjetischen Jägerkräfte zusehends stärker in Erscheinung traten. Noch 1944/45 gegen England gerichtete Angriffe fanden grundsätzlich im – vermeintlichen – Schutze der Nacht statt, denn die britische Nachtjagd und Flugabwehr arbeitete effektiv. Besonders erwähnenswert sind die speziellen wie spektakulären Kampfeinsätze von Heinkel He 111 mit untergehängten Fi-103-Flugbomben ab Mitte 1944 (mehr dazu ab Seite 42). I

Ebenfalls vielfältig einsatzfähig und bis Kriegsende in Produktion: Vickers setzte bei der Wellington auf eine stoffbespannte, besonders beschussresistente Gitterstruktur. Von 1936 bis 1945 entstanden fast 11 500 Wellington

Die Iljuschin Il-4 der Roten Armee befand sich von 1939 bis 1945 in Produktion (5256 Stück) und flog erfolgreich als Horizontal- und Torpedobomber. Bereits Mitte 1941 warfen Il-4 Bomben auf Berlin

250 He 111 bauten die Spanier unter dem Namen CASA 2.111 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Menschen

Heinkel He 111 H-16 mit 20-mm-MG-FF im A-Stand vom Stab der II./KG 53 über der Ostfront, wo mit dem Erstarken der sowjetischen Jagdabwehr Kampfeinsätze, wenn möglich, in der Nacht stattfanden. Zu den guten Flugeigenschaften der He 111 gehörte auch der problemlose Einmotorenflug

Standardbomber Heinkels He 111 gehört zu den meistgebauten und bekanntesten Bombern des Zweiten Weltkriegs. Die markante, von den Brüdern Günter entworfene »111« diente annähernd neun Jahre in der Luftwaffe Von Herbert Ringlstetter

U

m den Bedarf an modernem Gerät zu decken, beauftragte das Reichsverkehrsministerium 1932 Dornier, Junkers und Heinkel mit der Entwicklung eines modernen Kampfflugzeugs für die noch im Geheimen operierende, stetig wachsende deutsche

Luftwaffe. Zwar sollten die Flugzeuge auch eine zivile Variante für die Deutsche Lufthansa abliefern, doch galt das Hauptaugenmerk klar dem Kampfflugzeug, weshalb auch die Verkehrsmaschinen im Bedarfsfall rasch für den Militäreinsatz umrüstbar sein mussten.

Frühe He 111 D mit DB 600, der jedoch nicht in ausreichender Stückzahl zur Verfügung stand

Bis zu 26

2900 Kilometer betrug die Reichweite der He 111 H-16

Federführend beim Entwurf des neuen Musters waren die Zwillingsbrüder Günter. Der Ingenieur Siegfried Günter verstärkte seit Januar 1931 Heinkels Entwurfsbüro. Im Juli war Bruder Walter gefolgt, der zwar sein Ingenieurstudium abgebrochen hatte, jedoch mit seinem ausgezeichneten Sinn für Formen glänzte, während Siegfried als klarer Rechner galt. Zusammen ergänzten sich die beiden in idealer Weise. Siegfried Günter hatte in Abstimmung mit Firmenchef Ernst Heinkel 1931/32 ein halbes Jahr in den USA verbracht, wo er aufschlussreiche Erkenntnisse hinsichtlich des industriellen modernen Schnellflugzeugbaus gewann. Mit dem modernen WettbewerbsSportflugzeug He 64 von 1932 zeigten

Firmenchef Ernst Heinkel (rechts) und Ingenieur Siegfried Günter, Chef des Heinkel-Entwurfsbüros, am Reißbrett im Gespräch über die He 111. Am 21. September 1937 verunglückte Walter Günter bei einem Autounfall. Für Ernst Heinkel ein schwerer Verlust, noch mehr für seinen Bruder Siegfried, der daraufhin die Leitung des Entwurfsbüros allein übernahm

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Ringlstetter

die Brüder erstmals ihr Potenzial. Die noch 1932 folgende Entwicklung der einmotorigen Verkehrsmaschine He 70 führte auf direktem Wege zur zweimotorigen He 111. Chefkonstrukteur Karl Schwärzler übernahm die praktische Umsetzung des von Firmenchef Ernst Heinkel genehmigten Günter-Entwurfs. Schwärzler hatte bereits bei den Caspar-Werken mit Ernst Heinkel zusammengearbeitet und begleitete diesen Ende 1922 zu den neu gegründeten Ernst Heinkel Flugzeugwerken in Rostock-Warnemünde. Mit Schwärzler wechselten auch Erich Kleinemeyer und weitere bewährte Mitarbeiter zu Heinkel, sodass sich eine erprobte eingespielte Mannschaft ergab.

Auffallend aerodynamisch Mit der He 111 entstand ein stromlinienförmig gezeichneter, freitragender Ganzmetall-Tiefdecker mit überwiegend ovalem Rumpfquerschnitt in moderner Schalenbauweise. Durch die versenkten Nieten ergab sich eine äußerst glatte Außenhaut mit bündig eingelassenen Fenstern, sämtliche überstehenden Teile waren aerodynamisch sauber verkleidet. Besondere Aufmerksamkeit widmete man den Übergängen zwischen Rumpf und Flügeln. Am 17. November 1934 steuerte Flugkapitän Gerhard Nietschke, Chefpi-

Taktweise Serienfertigung der He 111. Mit dem Großserienbau betrat man bei Heinkel Neuland

Je nach Wetterlage konnte die Sicht aus dem »Gewächshaus« gut oder auch miserabel sein, da die gewölbten Scheiben zum Spiegeln neigten. In jedem Falle aber war die Sicht für den lot bei Heinkel, das erste He-111-VerPiloten einge- suchsflugzeug, eine militärische Varianschränkt te, auf dem neuen Werksflugplatz in Rostock-Marienehe zum Jungfernflug. Die Zweimotorige zeigte dabei überwiegend gute Flugeigenschaften, einzig die Längsstabilität überzeugte noch nicht und forderte Veränderungen. Im Einmotorenflug ließ sich die He 111 problemlos handhaben. Kurven in beide Richtungen, ohne dabei an Höhe zu verlieren,

stellten keine Schwierigkeit dar. Die Landefähigkeiten der Maschine galten sogar als außerordentlich gut. Besonders markant fiel das Tragwerk mit elliptischem Grundriss aus, dass jedoch ab der F-Serie von 1938 zugunsten einer vereinfachten Fertigung großteils gerade Vorder- und Hinterkanten erhielt. Deutlich auffälliger wirkte die veränderte Frontpartie. Der abgestufte

3000 Kilogramm Bomben waren bei Überlast mit einer H-16 machbar flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Menschen

Fahrgestellsbruch an einer He 111 H-16 mit Kutonase, zum Durchtrennen von Sperrballonkabeln. Die Kanzelverglasung war ab der H-16 erweitert und verbessert. Die großen Propellerhauben kamen ab der H-6 zum Anbau

1943 an der Ostfront eingesetzte He 111 H-11 der 9./KG 53 mit geschwärzten Unterseiten und abgedunkelten Balkenkreuzen Zchg. H. Ringlstetter/Aviaticus

Für den Nachteinsatz gegen alliierte Truppen in der Normandie hat man die Unterseiten dieser He 111 H mit Rußfarbe versehen. An den Außenträgern hängen zwei 250-kg-Bomben und eine 500-kg-Bombe

3-5 Mann bildeten die Besatzung einer He 111 28

Windschutz der Flugzeugführerkabine wich einer nahezu vollverglasten Kanzel, in der der Flugzeugführer sowie der Bombenschütze Platz fanden. Zwischen den anschließenden VertikalBombenmagazinen führte ein schmaler Gang zum Funkerschützenraum. Im Gefechtsfall bediente der Funker das im C-Stand installierte MG 15, das Maschinengewehr des B-Standes im Rumpfrücken führte der Bordwart. Ab 1940 rüstete man teils schwerere MG nach, um Feindjäger besser abwehren zu können. Speziell zum Beschuss von Bodenzielen kam in der Folge ein 20-mm-MG FF zum Einbau. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse für den Piloten stellte dieser seinen Sitz zur Landung in der Regel nach oben und sah durch die geöffnete Dachluke, wobei automatisch eine kleine, sehr wirksame Windschutzscheibe hochklappte. Ab der Ausführung Heinkel He 111 H-11 war die Instrumententafel zur Verbesserung Frontsicht verlegt und die Verglasung neu gestaltet, um Reflexionen zu minimieren. Im Kanzeldach sorgten zusätzliche Gläser für bessere Pilotensicht. Den Sitz anzuheben, war nicht mehr nötig. Grundsätzlich ließen sich bei den Baureihen P und H neben den üblichen, internen Bombenmagazinen zusätzlich auch schwere, große Lasten an Außenträgern mitführen.

Überwiegend Jumo 211 Bei der Motorenwahl fuhr man zunächst mehrgleisig: Die anfänglich verwendeten BMW-V12-Motoren der wenige Exemplare umfassenden A-Serie wichen bei der B- und D-Variante DB 600 von Daimler-Benz. Für die He 111 E und F entschied man sich stattdessen für zwei jeweils 1100 PS starke Jumo 211 von Junkers. Die »Gewächshaus«-Typen He 111 P und H flogen dagegen mit DB 601 (P) und Jumo 211. Letzterer blieb der He 111 bis in die späten Varianten erhalten, nachdem der »601« in hoher Stückzahl für die Produktion der Messerschmitt Bf 109 und Bf 110 vonnöten war. Mit stetig leistungsgesteigerten Jumo-Motoren passte man die He 111

den Frontbedürfnissen so gut wie möglich an. Rüstsätze erlaubten den unterschiedlichen Einsatz der He 111 als Horizontal- und Torpedobomber, Minenleger, Transporter, Fernaufklärer, Schleppflugzeug und mehr. Die fünfmotorige Doppelrumpf-Version He 111 Z diente vor allem dazu, den Großlastensegler Me 321 zu schleppen. Zu den meistgebauten He-111-Varianten gehört die 1943 erschienene, auf den Nachteinsatz ausgelegte H-16. Ein Teil der H-16-Maschinen erhielt eine Drehringlafette DL 131 mit Kopfpanzer. Der Drehturm war um 360 Grad schwenkbar, nur in Richtung des Seitenleitwerks störte eine elektrische Schusssperre den Betrieb. Die Panzerung der H-16 war insgesamt verbessert und im Notfall zum Teil während des Fluges zur Gewichtserleichterung abwerfbar. Die letzte Serienausführung der Heinkel He 111 stellte die Version H-20 dar, die standardmäßig über den Drehturm verfügte. Ein spezieller Rüstsatz ermöglichte 1944 den Einsatz der He 111 als V-1Bomber (mehr dazu ab Seite 32).

Fronterfahrungen Ab Ende 1936 als schnelles StandardKampfflugzeug neben der Dornier Do 17 und Junkers Ju 86 in Dienst gestellt, verdiente sich die He 111 während des Spanischen Bürgerkrieges 1937 erste Einsatzsporen. Die »Gewächshaus«Versionen kamen erst mit Beginn des Zweiten Weltkriegs zum scharfen Einsatz. Dabei bewährte sich die He 111 als zuverlässiges, unkompliziertes Frontflugzeug, das auch von durchschnittlich begabten Flugzeugführern gut beherrschbar war und trotz schwerer Beschädigungen so manche Besatzung wieder nach Hause brachte. Unter den Ritterkreuzträgern der Luftwaffe befanden sich nicht wenige He-111-Piloten. Zu ihnen gehörte Walter Grasemann vom KG 27, der die hohe Auszeichnung am 9. Oktober 1943 für seine Einsatzleistungen an der West- und Ostfront erhielt. Hierzu zählen 200 zerstörte Eisenbahnwaggons, eine schwere Artilleriebatterie sowie

Staffelkapitän der 9./KG 27, Ritterkreuzträger Oberleutnant Walter Grasemann, vor der He 111 H-20, 1G+BT

Oberleutnant Johann Dreher, Oberleutnant Dietrich Kornblum und Hauptmann Heinz Zöllner (von links nach rechts) auf einer He 111 H-20 des KG 53 im Juni 1944 an der Ostfront. Keiner der drei Piloten überlebte den Krieg

zahlreiche Industrieanlagen und Flugplatzeinrichtungen. Oder auch Oberleutnant Dietrich Kornblum, Staffelkapitän der 4./KG 53, dem das Ritterkreuz am 9. Juni 1944 nach 400 erfolgreichen Frontflügen verliehen wurde. Der 22-Jährige wechselte bald darauf zu den Nachtjägern und fiel dann am 27. November 1944 in einer Ju 88 C-6 des NJG 2 bei der Versenkung eines britischen Minenlegers durch die Explosion des Schiffes. Oberleutnant Dreher, Ritterkreuzträger seit April 1944, flog ebenfalls beim KG 53 und schulte im August zum

Nachtjäger um. Dreher kam am 4. März 1945 mit 24 Jahren als Pilot des NJG 3 ums Leben. Ritterkreuzträger Hauptmann Heinz Zöllner flog lange He 111 beim KG 53 und gehörte 1944 zu den »alten Hasen« des Geschwaders. Am 5. November 1944 kehrten Heinz Zöllner und seine Besatzung nach einem V-1-Einsatz gegen London nicht zum Liegeplatz in Bad Zwischenahn zurück. Im Januar 1945 endeten diese äußerst gefährlichen und verlustreichen Einsätze, bald darauf hatte die He 111 ausgedient, blieb die Luftwaffe besiegt am Boden. I

2120 PS brachten die beiden Jumo 211 F an Kampfleistung flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Profil

Mit nur einer

Im Sommer 1944 begannen speziell geschulte He-111-Besatzungen ihre re Angriffsflüge Angriffssflüge gegen England. Das Besondere daran: Sie führten nur ei eine ine Bombe mit – die Flugbombe FZG 76, besser bekannt als V 1 Von V Vo n Herbert Herbert Ringlstetter

S

eit 13. Juni 1944 starteten von Frankreich aus merkwürdig klingende Fluggeräte Richtung England. Bei der neuartigen Waffe handelte es sich um die Flugbombe Fieseler Fi 103, auch Flakzielgerät 76 (FZG 76) genannt oder laut Propagandaminister Goebbels: Vergeltungswaffe 1. Neben den Bodenfeuerstellen war auch der Abschuss per Flugzeug vorgesehen, was man zunächst noch hinauszögerte, mit dem raschen Vorrücken der Alliierten in der Normandie jedoch forcierte. Nach der Erprobung und Übungsphase starteten in der Nacht des 9. Juli 1944 die ersten He 111 der III./KG 3 mit untergehängten V 1, Zielort war London (siehe Seite 44 und folgende). Als Basen dienten die niederländischen Plätze Venlo und Gilze-Rijen. In der Zeit von

Bis zu 30

9. Juli bis 6. September verschossen He 111 der III./KG 3 etwa 300 V 1. Im September/Oktober ktober übten in Karlshagen bei Peenemünde auch h die Besatzungen der II. und III./KG 53 den Einsatz nsatz mit der neuen Waffe, während man die III./KG 3 zur I./KG 53 umformierte. Noch h im Oktober begann die II./KG 53 von Bad Zwiwischenahn, Wittmundhafen und Jever aus mit miit dem scharfen V-1-Einsatz. Anfang November ber 1944 stand auch die III./KG 53 aktiv zur Verfüügung. Am 20. November meldete das KG 53 3 insgesamt 58 He 111 einsatzbereit, am 20. Janu-ar 1945 standen 79 von 101 Maschinen zur Verfügung. Die V-1-Angriffe mit der He 111 endeten am 26. Januar auf Befehl von SS-Gruppenführer Hans Kammler. 77 He 111 gingen dabei verloren. I

8500 Meter betrug die Gipfelhöhe einer He 111 H-16

Bombe

Heinkel He 111 H-20 der II./KG II./ . KG 53 im im Oktober 1944. Lackiert La ackiert war die Maschine Ma ascchine in den RLM-Farben und RLM M-Farben 70/71/65 70 0/71 1/65 un nd feldmäßigen feldm mäß ßigen Aufhellungen Au ufhe ellungen in RLM 65 oder 76. Die Maschinen des Mascchinen de es KG G 3 und KG 53 flogen teils te eilss mit geschwärzten gescchwärzten Unterseiten, Unterseiten n, doch doch beließ man aufgrund d der der geringen Einsatzhöhe oft oft den de en hellen helllen RLM-65-Anstrich RLM M-65-A - nstrich

Einsatzklare, E insatzkla are e, zum m V-1-Bomber V-1-B Bomber umgerüstete umgerüstete He der 9./KG He 111 111 H-16 H-16 d er 9 ..//KG 3 mit mit Fi Fi 103 10 03 (FZG (FZG 76) 76) am am Träger Träger PVC PVC 1006 1006 FFoto oto Sammlung Sammluung Herbert Herbberrt Ringlstetter Ringlstetttter

ZZeichnungen eichnunnge g n (3) (3 3) Herbert r Ringlstett Ringlstetter/Aviaticus t er/ r Aviaticus

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770 HHee 111111 H-20 H-2 20 entstanden enttsttand den

flugzeugclassic.de fl u

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IM FOKUS Heinkel He 111 Im Einsatz

»Wie ein

2200 Kilogramm wog die Flügelbombe 32

beleuchteter Bus« Nach der Landung in der Normandie nahmen die nach Osten vorrückenden alliierten Truppen eine V-1-Abschussstellung nach der anderen ein. Dadurch versiegte allmählich der Angriff der »Doodlebugs« vom Boden aus, doch die deutsche Seite ersann eine Alternative Von Peter Cronauer

DIe V 1 war bei den Briten gefürchtet. Sie musste auch nicht zwingend von Land aus starten, sondern konnte von einer He 111 an ihr Ziel fliegen wie in dieser Illustration. Die Einsätze der Mannschaften waren allerdings äußerst riskant Grafik Anastasios Polychronis

Noch aus

25 Kilometern Entfernung war die abgefeuerte V 1 sichtbar

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Im Einsatz

Eine einsatzbereite Fieseler Fi 103 wog mehr als zwei Tonnen. Knapp die Hälfte des Gewichts entfiel auf den Sprengkopf

Eine einsatzklare Heinkel He 111 H-16 der 3. Staffel des KG 53. Die Fi 103 hängt fertig angeschlossen am Träger PVC 1006, so nah wie möglich an der Längsachse des Kampfflugzeugs Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

A

ls im Juni 1944 Mechaniker des KG 3 an den Heinkel He 111 der III. Gruppe Bombenschlösser für das Kaliber 2000 Kilogramm montierten, war das zunächst Routine. Für die Maschinen gab es unterschiedliche »Rüstsätze«, hin und wieder hat man umgebaut. Dass sie darüber hinaus jedoch auch noch Teile des rechten Höhen- und Seitenleitwerks mit Stahlblech hitzebeständig zu verkleiden und Anschlusskästen am Rumpf zu befestigen

Nur 34

hatten, war hingegen mehr als außergewöhnlich. Kaum jemand ahnte, wofür das gut sein sollte, denn nur wenige Eingeweihte wussten, dass die »schwarzen Männer« der III./KG 3 Trägermaschinen für den Abwurf von V-1-Flugbomben vorbereiteten. Die zweimotorigen Heinkel He 111 sollten jeweils eine Fieseler Fi 103 als Außenlast zwischen Steuerbordmotor und Rumpf tragen, sie in die Nähe ihrer Ziele transportieren und im Flug abfeu-

ern. Dabei dienten die bereits erwähnten Anschlusskästen dazu, das ArgusTriebwerk vorzuwärmen und den Abwurf ausführen, während das feuerfest mit Stahlblech verkleidete Leitwerk mehrere Sekunden lang dem Feuerstrahl des Pulso-Triebwerks standzuhalten hatte. Die auch als FZG 76 bezeichnete Flügelbombe war knapp acht Meter lang, hatte rund fünf Meter Spannweite und wog beinahe 2200 Kilogramm. Diese sperrige Fracht reduzierte die Höchstgeschwindigkeit der ohnehin langsamen und jetzt auch noch überladenen He 111 und verschlechterte ihre Flugeigenschaften zusätzlich, weil die V 1 hinter dem Schwerpunkt des Flugzeugs seitlich und unter dem Rumpf untergehängt wurde. Im Flug hatte die »111« zwei Grad Seitentrimmung, die ungewöhnliche Kombination war langsam und schwerfällig.

Strenge Prozedur Zudem musste man am Boden einen weitaus größeren Aufwand treiben, als bei einem herkömmlichen Kampfgeschwader üblich. Zwar waren die Flugzeugmechaniker wie gehabt für den Umbau der Maschinen und die üblichen Wartungsarbeiten zuständig, während sich die Waffenwarte weiterhin um die Bewaffnung der Heinkel kümmerten, doch für den Einsatz der Fi 103 verstärkten zusätzliche Fachleute das Bodenpersonal. Jeder Staffel wies man einen mehrköpfigen FZG-Rüstzug zu, der die F 103 von der Industrie übernahm und für die Aufgabe vorbereitete. Dazu gehörte neben dem Betanken auch das »Ausklopfen«: »Wegen der sensiblen Kompasssteuerung musste das Gerät vor dem Beladen auf den späteren Kurs gelegt und an einem magnetisch ruhigen Ort längere Zeit erschüttert werden (Vibrator oder Gummikammer), um die Eisenmoleküle auszurichten.« Daneben erhielten die Staffeln auch noch als Log-Offiziere bezeichnete Navigationsexperten, die den genauen Flugweg »nach Ziellage, Wetter- und Windverhältnissen« sekundengenau und bis ins kleinste Detail ausarbeiteten. Auf der Basis meteorologischer Da-

25 »111« mit V 1 durften nach einer gewissen Zeit pro Nacht fliegen

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Peter Cronauer

ten errechneten sie den Ablaufkurs jeder einzelnen Träger-He-111 vom Start des Flugzeugs bis zum Abfeuerungspunkt der V 1 und schließlich den Kurs und Weg der abgeworfenen Flügelbombe bis ins Zielgebiet. Ein solcher Flugweg lautete zum Beispiel: »Start in Ahlhorn um 20:45 Uhr. Flug bis zum Funkfeuer Den Helder. Von dort aus dem Funkleitstrahl bis zur Themsemündung folgen. 70 Kilometer vor dem Ziel Abschuss des FZG Richtung London.« Jede Flugstrecke und Richtungsänderung wurde mittels Grad- und Sekundenangaben exakt vorgegeben und die jeweiligen Besatzungen hatten sich penibel daran zu halten. Schon bei der geringsten Kursabweichung konnte die Flügelbombe ihr Ziel verfehlen. Das eigentliche Abfeuern der V 1 war weitgehend automatisiert. Ein rückwärts laufendes Log an Bord der Heinkel maß die zurückgelegte Flugstrecke bis zum errechneten Abwurfpunkt und veranlasste, dass das Argus-Triebwerk rechtzeitig elektrisch vorgeheizt, angelassen und schließlich abgefeuert wurde. Die Reichweite der jetzt selbstständig fliegenden Fi 103 war von ihrem Tankinhalt bestimmt, per Selbststeuerung folgte sie ihrem zuvor festgelegten Kurs und in ihr lief ein weiteres rückwärts laufendes Log, das, von dem kleinen Propeller am Bug angetrieben, die zurückgelegte Wegstrecke abmaß. Mit jeder Umdrehung dieser kleinen Luftschraube legte die Flügelbombe drei Meter zurück. War der Tank leergeflogen, befand sich das Geschoss idealerweise direkt über seinem Zielgebiet, lief das Log auf Null, zündete eine Sprengpatrone, die zwei Klappen an der Höhenflosse nach unten stellte und die Bombe zum Absturz brachte. Die III./KG 3 probte das Prozedere mit Übungs-V-1 über der Ostsee, ab Mitte Juli 1944 flogen dann erfahrene Besatzungen von Flugplätzen in Norddeutschland, Holland und von Jütland aus die ersten scharfen Einsätze.

He 111 H-16, W.Nr. 161600, A1+HK, der 2./KG 53 mit FZG 76 im Oktober 1944. Unten: Während der Erprobungsphase an einer He 111 H – hier auf der linken Seite untergehängt Fotos (2) Sammlung Herbert Ringlstetter

Im Tiefflug nach England Im Abstand von 20 Sekunden hoben die schwer beladenen Bomber im Schutz der Nacht ab und flogen in Hö-

Heinkel He 111 mit Fi 103 auf einem norddeutschen Flugplatz nach der Kapitulation. Der Sprengkopf der V 1 ist bereits entfernt

hen zwischen 50 und 90 Metern über dem Meeresspiegel in Richtung England. Sie hofften, im Tiefflug das britische Radar zu unterfliegen und den gegnerischen Nachtjägern zu entgehen. Die Seitenruder der Heinkel waren stark linksgetrimmt, der Luftwiderstand des untergehängten Flugkörpers verringerte die Geschwindigkeit des Trägerflugzeuges um knapp 20 km/h. 20 Maschinen überquerten mit einer Geschwindigkeit von 275 km/h die Nordsee dicht über der Wasseroberfläche und folgten ihrem vorgeschriebenen Kurs. 100 Kilometer vor dem Ziel beschleunigten sie auf 320 km/h und stiegen auf 400 Meter Höhe. Kurz vor dem Abwurfpunkt griff der Mechanismus, das Triebwerk der fliegenden Bombe wurde elektrisch vorgeheizt und schließlich gezündet. Der Triebwerkstrahl der V 1 erleuchtete die He 111 weithin sichtbar hell, noch aus 25 Kilometern Entfernung war sie nicht zu übersehen. Zehn Sekunden lang hielt die Trägermaschine ihre gefährliche Last mit laufendem Pulso-Triebwerk noch bei sich, dann klinkte sich die Bombe automatisch aus, sank im Gleitflug 100 Meter in die Tiefe, beschleunigte, stieg schnell wieder nach oben und verschwand schließlich in einer Höhe von 1200 bis 1500 Metern am Horizont. Die Besatzungen hatten keine Zeit, um den schnellen Steigflug der V 1 durch die verglaste Kanzel zu verfolgen, denn sie hatten ihren Auftrag er-

50–90 Meter über dem Meeresspiegel flogen He-111-Besatzungen mit V 1 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Im Einsatz

füllt. Jetzt ging es für sie nur noch darum, schnellstmöglich zu ihren Absprunghäfen zurückzukehren. Unmittelbar nach dem Abwurf kippten die jetzt erheblich leichter gewordenen Heinkel nach unten ab und machten sich auf den Weg nach Hause. Auch beim Rückflug blieben die He 111 möglichst dicht über dem Wasser. Nach wie vor ging es darum, die Funkmessstrahlen der Engländer zu unterfliegen und keine Nachtjäger anzulocken.

Die Briten reagierten Der britischen Seite fielen diese aus der Luft abgefeuerten »Doodlebugs« zunächst gar nicht auf, weil die entlang der Kanalküste noch in deutscher Hand befindlichen Abschussstellungen nach wie vor rund um die Uhr feuerten – auf zusätzliche 20 Stück kam es da nicht an. Allerdings meldeten in den folgenden Tagen zunehmend mehr Radarstatio-

nen nächtliche Einflüge von V 1, die aus Belgien und Holland zu kommen schienen. Dafür hatte die Flugbombe normalerweise nicht genügend Reichweite. Hatten die Deutschen sie verbessert? Dass sie neuerdings im Flug abgefeuert wurden, fanden ihre Gegner erst dann heraus, als der britische Geheimdienst einen deutschen Funkspruch entschlüsselte, der sich in der Nacht vom 30. auf den 31. Juli 1944 an die in Belgien und Holland stationierten Flakeinheiten richtete. Danach sollten zehn Heinkel-Bomber gegen 21:30 Uhr in nur 100 Metern Höhe die belgische Küste bei Blankenberge in Richtung England überfliegen und kaum eine halbe Stunde später schon wieder zurückkehren. Und nach Mitternacht sollten weitere Maschinen in gleicher Weise folgen. Daraufhin verglich der britische Intelligence Service die Einschlagstellen der über die Nordsee ein-

Die Aufnahme entstand kurz nach dem Ausklinken der Flugbombe Fi 103 – für die Besatzung ein erlösender wie spannender Moment Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

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Bei den Maschinen war man nicht wählerisch. Beim KG 53 wurden He 111 H-11, H-16 und H-20 zu V-1-Trägern umgerüstet

geflogenen V 1 mit den Radarmeldungen im gleichen Zeitraum und von nun an patrouillierten mit de Havilland Mosquito ausgerüstete Nachtjagdverbände der RAF engmaschig über der belgisch-holländischen Küste. Diese hatten jedoch alles andere als leichtes Spiel. Die deutschen Bomber flogen nachts, bei schlechtem Wetter und ihre Besatzungen nutzten jede sich bietende Wolke. Zudem waren sie im extremen Tiefstflug nur schwer zu fassen, weder für die britischen Radarstationen noch für die Bordradare der Mosquitos. Nur während eines kurzen Moments, dann, wenn die Heinkel für den Abschuss der V 1 hochzogen, erschienen sie auf den Radarschirmen auf dem britischen Festland. Und wenn das Pulso-Triebwerk zündete und die He 111 weithin sichtbar hell erleuchtete, waren sie auch für die Nachtjäger nicht zu übersehen. Trotz-

Diese Aufnahme entstand am 15. Juni 1944 und zeigt eine V 1, die gerade auf London stürzt. Diese Fieseler Fi 103 startete allerdings nicht von einer Heinkel He 111, sondern vom Boden aus

von Flugzeugen verschossene V 1 überquerten die englische Küste

dem gelang einem von ihnen erst Ende September 1944 der erste Abschuss eines Trägerflugzeugs.

Aufgabe für das KG 53 Knapp drei Wochen zuvor war aus der III./KG 3 die I./KG 53 geworden. Das Anfang Mai 1939 aufgestellte Kampfgeschwader 53 »Legion Condor« war vom ersten Kriegstag an im Einsatz, zunächst im Westen, dann an der Ostfront und im Sommer 1944 wieder im Westen. Noch im August führte das Geschwader verlustreiche Versorgungsflüge für eingekesselte Wehrmachtsteile in der Normandie durch, dann wurde es komplett für den Einsatz mit V 1 umgeschult. Schließlich machte man das KG 53 zum einzigen deutschen Kampfgeschwader, das man der neuen Einsatzart vollständig verschrieb. Allerdings hatte sich der Gegner zwischenzeitlich auf die neue Angriffsweise eingestellt, wie Überlebende berichteten: »Der Engländer hatte überall in der Nordsee Flakkreuzer und noch mehr Nachtjäger im Einsatz. Nach einigen Flügen mit Einsatz aller klaren Flugzeuge und erheblichen Verlusten durfte nur noch bei monddunkler Nacht und zugleich schlechtem Wetter und alsbald auch wegen Kraftstoffmangels nur noch bis zur Höchstzahl von 25 Flugzeugen pro Nacht geflogen werden, um der starken Nachtjagdabwehr zu entgehen. Die englischen Nachtjäger waren oft schon beim Start, besonders aber bei der Landung an unseren Plätzen, sodass vom Anlassen bis zum Abstellen nach der Landung von allen Besatzungsmitgliedern konzentrierte Mitarbeit und Luftraumbeobachtung gefordert war. Der Flug über See sollte nicht höher als 50 Meter durchgeführt werden, um nicht von Nachtjägern oder vom Boden aus angepeilt werden zu können, sodass sicher besonders jüngere Besatzungen nicht nur durch Abschuss, sondern auch durch Wasserberührung verloren gingen. Nur wer bei Tage länger tief über See geflogen ist, kann ermessen, was das bei Nacht und bei schlechtem Wetter bedeutet, in höchster innerer An-

Ballonsperren gehörten zum tief gestaffelten britischen Verteidigungssystem gegen die V 1

Von rund 1200 aus der Luft abgefeuerten V 1 erreichten nur 66 ihr Ziel London

spannung, dazu im Kälteschutzanzug und mit Schwimmweste.«

Hohe Verluste – für was? Die drei Gruppen des KG 53 erlitten hohe Verluste, auch altgediente Besatzungen mit der Erfahrung von mehreren Hundert Kampfeinsätzen fielen Flak und Nachtjägern zum Opfer. Daran änderte auch nichts, dass man in den He 111 Heckradar oder zusätzliche Höhenmesser für den Tiefstflug einbaute. Besonders groß war die Gefahr bei Start und Landung und vor allem am Abwurfpunkt, dann, wenn die Heinkel im Feuerstrahl der startenden V 1 wie »ein beleuchteter Bus« weithin sichtbar am Himmel hing. Die V-1-Einsätze des KG 53 fanden unregelmäßig statt, der erste am 16. September 1944, der finale am 5. Januar 1945. Die letzte von einem

Flugzeug überhaupt gestartete Fi 103 explodierte am Morgen des 14. Januar am Nordrand Londons. Vom Erfolg oder Misserfolg dieser Einsätze erfuhren die Besatzungen wenig bis nichts. Erst viele Jahre später gelangten die mageren Ergebnisse an die Öffentlichkeit: »Im Zeitraum des Geschwadereinsatzes wurden 1200 V 1 von Flugzeugen aus gestartet. Davon überquerten 638 die englische Küste, 72 wurden von Jägern, 331 von Flak abgeschossen; 235 blieben unzerstört, und hiervon erreichten nur 66 ihr Ziel London.« Zur Abwehr der von Flugzeugen aus abgefeuerten V 1 bot England etwa 2800 Flakgeschütze, rund 2000 Sperrballone und elf Jagdgeschwader auf. Dass sie an der Front fehlten, hatte jedoch keinen Einfluss auf den allgemeinen Kriegsverlauf. I

11 Jagdgeschwader boten die Engländer zur Abwehr der von He 111 abgefeuerten V 1 auf flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Galerie

Die gewichtige Panzung im Rumpf einer He 111 H-20 bot der Besatzung nur teilweise Schutz

He 111 H-20 der II./KG 53 mit stark verändertem Tarnanstrich im Sommer 1944. Die Einheit flog ab Herbst 1944 V-1-Angriffe

5 bewegliche 7,92-mm-MG 15 und ein 20-mm-MG/FF schützten die H-6 38

Der Pilot einer für Nachteinsätze auf den Unterseiten geschwärzte He 111 H wartet auf die Startfreigabe. Unter dem Rumpf hängen Transportbehälter zur Versorgung von Frontverbänden Fotos (4) Sammlung Ringlstetter

Eine He 111 H-6 der 4./KG 27 »Boelcke« im harten Wintereinsatz an der Ostfront

14 000 Kilogramm betrug die Startmasse einer H-16 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 111 Galerie

Eine He 111 H-6 mit provisorischem, abwaschbaren Wintertarnanstrich. Aus dem Bug ragt ein MG/FF, darüber ein zusätzliches MG 15

Aus dem Seitenfenster dieser He 111 H-20 mit untergehängter V 1 des KG 3 ragen die Läufe eines MG 81 Z (Zwilling) Fotos (3) Sammlung Ringlstetter

Winter 1942/43 an der Ostfront: Die Kennung 6N+AA weist diese He 111 H-6 als Kommodore-Maschine (AA) des Kampfgeschwader 100 (6N) »Wiking« aus

42 Minuten benötigte die He 111, um auf 6000 Meter zu steigen 40

Heinkel He 111 H-16 der 7./KG 53 »Legion Condor« 1944 an der Ostfront Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

He 111 H-16, A1+EP, der 6./KG 53, stationiert in Piastov im Juni 1944

He 111 H-20, A1+MP, der II./KG 53, Frankreich 1944 – siehe auch Foto auf Seite 28, unten

385 Stundenkilometer betrug die Marschgeschwindigkeit einer H-16 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Die Me 323 machte ihrem Beinamen »Gigant« alle Ehre: Sie war das größte landgestützte Transportflugzeug des Zweiten Weltkriegs. Darüber hinaus diente sie als Inspiration für spätere Flugzeugkonstruktionen. Während ihre Piloten die Wehrmacht mit lebensnotwendigem Nachschub versorgten und Menschenleben auf Verwundetenflügen retteten, mussten sie selbst bei jedem Einsatz ihr Leben riskieren

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Me 323

Macht Platz da! Fast wie ein prähistorischer Vogel schwebt diese Me 323 D-1 mit ihrer gewaltigen Spannweite ein. Die Me 323 war Respekt einflößend. Doch war das ihre Leistung auch? Foto Slg. P. Schmoll

Ursprung & Geschichte

Menschen

Profil

Im Einsatz

Aus einem Segelflugzeug entstanden, war die Me 323 der erste Kampfzonentransporter

Die Me 323 war nicht einfach zu fliegen, schließlich war sie ein »motorisiertes Segelflugzeug«

Ein ganzes Geschwader für ein Flugzeugmuster, die Me 323 hatte das mit dem KG z.b.V. 323

Sowohl über dem Mittelmeer als auch an der Ostfront waren die Giganten aktiv

S. 44

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S. 52

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Ursprung & Geschichte

Revolutionär Der erste Kampfzonentransporter der Welt, die Me 323, war eine wegweisende Konstruktion. Bis heute lassen Flugzeugbauer Merkmale des Giganten in ihre Transporter einfließen Von Peter Schmoll

F

ür das geplante Unternehmen »Seelöwe«, die Invasion Englands, konstruierte Willy Messerschmitt einen Lastensegler zum Transport schwerer Waffen mit der Bezeichnung Me 321. Nach dem Erstflug des Seglers am 13. März 1941, gab das Reichsluftfahrtministerium (RLM) auch grünes Licht für die motorisierte Version mit der Typennummer 323. Messerschmitt selbst hatte die Pläne dafür erstellt. Aus einem Lastensegler ein Transportflugzeug zu machen, hört sich zunächst einfach an: einen Antrieb einbauen und fertig. So einfach ist das aber ganz und gar nicht. Das Unternehmen musste die gesamte Konstruktion überarbeiten. So waren Motoraufhängungen sowie Treibstoff- und Ölbehälter vonnöten. Das zusätzliche Gewicht der Triebwerke und der vollen Tanks erforderten außerdem ein verstärktes Tragflächenmittelteil und Rumpfgerüst. Die Me 323 avancierte dadurch zum Urvater aller späteren Transportflugzeuge. Sie wies viele wegweisende Konstruktionsmerkmale auf, die für al-

Statt 44

le folgenden Flugzeuge noch heute Gültigkeit besitzen. Moderne Transportflugzeuge haben Folgendes mit der Me 323 gemeinsam: Schulterdecker, einen großen, fast rechteckigen Laderaum, das Fahrwerk seitlich am Rumpf in Radkästen untergebracht und große Tore für die Beladung. Das Fahrwerk ermöglichte es zudem, auf Feldflugplätzen zu landen. Damit gilt die Messerschmitt Me 323 auch als erster Kampfzonentransporter der Luftfahrtgeschichte.

Hilfe von außen Im Technischen Amt suchte man umgehend nach einem geeigneten Motor für dieses Projekt. Bei der Besetzung von Frankreich erbeuteten die Deutschen eine große Anzahl von 1180 PS starken 14-Zylinder-Doppelsternmotoren vom Typ Gnome-Rhône 14 N 48/49, die für die Bomber vom Typ Bloch und Leo vorgesehen waren. Die Me 321 B erhielt vier Gnome-Rhône-Antriebe. Aber mit einer Zuladung von zehn Tonnen konnte die Maschine nicht mehr starten. Stär-

4 benötigte der Gigant sechs Motoren

Sorgte für genug Power: einer von sechs Gnome-Rhône 14 N 48/49 in einer Me 323 Fotos (3) Slg. P. Schmoll

Die Me 323 war eine herausragende Symbiose mehrerer Flugzeugwelten – Merkmale des Segelund Motorflugs verschmolzen in ihr genauso wie deutsche Rumpfkonstruktion und französische Motorentechnik

kere Motoren waren nicht verfügbar, sodass man sich bei Messerschmitt entschloss, es mit sechs Antrieben zu versuchen. Auch das anfänglich geplante Fahrwerk erhielt statt acht nun insgesamt zehn Räder. Skoda zeichnete dafür verantwortlich. Die Firma hatte auf jeder Seite drei Doppelbremsräder und vorne zwei hintereinander angeordnete Räder angebracht. Die Rumpfgerüste kamen vom Mannesmann-Werk Rath bei Düsseldorf. Die Tragflächennasen und die Rippen produzierte die Möbelfabrik May in Stutt-

Konkurrenzvergleich

Messerschmitt Me 323 E

Messerschmitt Me 323 3

Einsatzzweck Besatzung Antrieb Leistung Länge Spannweite Höhe Flügelfläche Leergewicht Startgewicht Höchstgeschwindigkeit Reichweite Dienstgipfelhöhe Bewaffnung

Höchstgeschwindigkeit 285 km/h Reichweite 800–1095 km Nutzlast nominal 11 000 kg

Junkers Ju 52 Höchstgeschwindigkeit 264 km/h Reichweite 1280 km Nutzlast nominal 1500 kg

Produktion der Me 323

Douglas Corporation C-47

Me 323 Leipheim Obertraubling Gesamt

Höchstgeschwindigkeit 368 km/h Reichweite 2160 km

V 9 7 16

D-1 21 32 53

D-2 1 33 34

D-6 25 30 55

E-1 46 10 56

Gesamt 102 112 214

Oberkommando der Luftwaffe Lieferplan 226 mit Stand vom 15.5.1944

Nutzlast nominal 2995 kg

gart. Das komplette Leitwerk des Giganten lieferte die Firma Hirth aus Nabern/Teck. Im Sommer 1942 begann der Serienbau der Me 323 D-1 in Leipheim und in Regensburg. Das RLM erweiterte seinen Auftrag auf 200 Me 323.

Schwankende Fertigung Im Herbst 1942 lief die Produktion der Version D-1 auf Hochtouren. Von ihr entstanden in Leipheim 21 und in Obertraubling 32 Flugzeuge. Bei der D-2 verschwanden die elektrischen Verstell-Luftschrauben von Ratier und stattdessen waren feste zweiflügelige Holzpropeller der Firma Heine verbaut. Die D-2 war für Tiefflugeinsätze geplant. Sie vibrierte jedoch derart stark in der Luft, dass Messerschmitt den weiteren Flugbetrieb ablehnen musste. Eine Erprobung in der E-Stelle Rechlin kam zum gleichen Ergebnis. Erst als Messerschmitt eine weichere Motorlagerung konstruierte, konnte die Version ab Februar 1943 in Herstellung gehen.

Großlast-Transporter 5–7 Mann 6 x Sternmotoren Gnôme-Rhône 14R 6 x 1180 PS 28,15 m 55 m 8m 300 m2 29 600 kg 45 000 kg 285 km/h 800–1095 km 4800 m 5 x 13-mm-MG 131, zwei Waffentürme auf den Tragflächen mit 20-mmMG 151/20 oder 13-mm-MG 131

Geplant waren 50 Me 323 D-2, am Ende liefen 34 aus den Werkhallen. Ein ständiges Problem war der Mangel an Arbeitskräften. Um dieses in den Griff zu bekommen, leitete das RLM für Augsburg zugesagte 1000 kriegsgefangene sowjetische Offiziere kurzerhand nach Regensburg um. In Leipheim kam die Produktion der Messerschmitt Me 323 am 26. September 1942 sogar total zum Erliegen, da man sämtliche Wehrmachtsstrafgefangenen abgezogen hatte. Diese vorher im Flugzeugbau beschäftigten Männer mussten jetzt in Wildflecken und Klagenfurt Erdarbeiten verrichten, damit dort Exerzierplätze entstehen konnten. Die Gesamtbeleg-

Die »323« entstand aus dem Lastensegler Me 321

schaft in Regensburg-Obertraubling umfasste zum Jahresende 3811 Personen, davon 2756 Kriegsgefangene. Das RLM-Fertigungsprogramm 222 sah vor, dass maximal zwölf Me 323 ab dem Mai 1943 je Monat in Regensburg die Werkhallen verlassen sollten. Von der Version D-6 sollten zehn in Leipheim und 29 in Obertraubling gebaut werden. Letztendlich entstanden 50 Maschinen von diesem Typ. Die Flugzeuge der Version D-6 verfügten über eine stärkere Bewaffnung mit MG 131. Der D-6 folgte dann die Me 323 E, welche einen Drehturm mit MG 151 auf jeder Tragfläche erhielt. Von der Me 323 E sind bis zum Jahresende 1943 von Leipheim 20 und von Obertraubling nur sieben an die Luftwaffe gegangen. Bis man die Produktion im April 1944 stoppte, lieferte Leipheim weitere 19 und Obertraubling nur noch drei Me 323 E-1 an die Luftwaffe ab. In Regensburg hatte mittlerweile die Messerschmitt Bf 109 absoluten Vorrang. I

34 Me 323 D-2 verließen die Werkhallen flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Menschen

Sechs Triebwerke, ein wuchtiger Rumpf und eine riesige Spannweite – die Me 323 hatte sich den Suggestivnamen »Gigant« redlich verdient Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

Geflügelte Chimäre Ab Sommer 1942 kamen die ersten Me 323 zu ihren Einheiten. Sie zu fliegen, war nicht immer einfach, schließlich war sie ein Hybrid aus Segel- und Motorflugzeug. Bei der Landung schwebte sie lange und dann reichte oft die Landebahn nicht mehr aus … Von Peter Schmoll

15 Giganten standen für den Einsatz nach Stalingrad bereit 46

I

Im August 1942 begann die heiße Phase für die Me 323. Ab da formierte sich in Leipheim unter dem Kommando von Hauptmann Günther Mauss die I. Gruppe des Kampfgeschwaders 323 zur besonderen Verwendung (I./KG 323 z.b.V.). Die sollte insgesamt 21 Me 323 erhalten: die Stabstaffel drei Flugzeuge und die 1., 2. und 3. Staffel je sechs Maschinen. Oberleutnant Wilhelm Seidel führte dazu zahlreiche Erprobungs- und Einweisungsflüge durch. Auch in Obertraubling war die Produktion der Me 323 D in vollem Gang. Die erste Messerschmitt Me 323 aus Obertraubling mit dem Stammkennzeichen DT+IA fand am 9. September 1942 ihren Weg zur I./KG 323 z.b.V. nach Leipheim und diente dazu, Flugzeugführer zu schulen. Ausweislich des Kriegstagebuchs des Fliegerhorsts Obertraubling kamen bis Ende 1942 17 Messerschmitt Me 323 nach Leipheim. 15 Flugzeuge sollten nach dem Willen des Oberkommandos der Luftwaffe (OKL) die Truppen in Stalingrad versorgen. Zumindest ein Teil dieser Messerschmitt Me 323 musste auf dem Weg zur Ostfront gewesen sein, bevor

Rund

über die hinteren Räder zum Pendeln zu bringen, dann passte auch der Schwerpunkt.

Erprobte die Me 323: Oberleutnant Wilhelm Seidel

Landeunfall

Foto Slg. P. Schmoll

Im Cockpit des Giganten. Hier hält der Co-Pilot das Steuer Foto Archiv Flugzeug Classic

sie schlussendlich doch in den Mittelmeerraum verlegten. Alle Flugzeugführer der Me 323 nahmen an einem Sonderlehrgang teil, wie man den Giganten richtig belädt. Um den Schwerpunkt zu berechnen, bekamen die Besatzungen sogar entsprechende Rechenschieber. Nach Aussagen ehemaliger Flugzeugführer konnte man sich die Berechnung des Schwerpunktes sparen, wenn sich ein zirka 75 Kilogramm schwerer Mann an den Notsporn hing, um die Maschine

Bei einem der Einweisungsflüge gab es einen Unfall, bei der eine Me 323 total zu Bruch ging. Unteroffizier Heinz Powilleit erinnert sich an das damalige Geschehen: »Es war der 14. April 1943. Für uns Me-321-Piloten stand Leistungsfliegen mit kleinen Segelflugzeugen auf dem Dienstplan. Wir hatten dabei auch Zeit, den Einflugbetrieb bei den Messerschmitt-Leuten zu beobachten. Eine Me 323 wurde für einen Einflug vorbereitet und unweit der Startbahn bereitgestellt. Von der Flugleitung her sahen wir einen hochdekorierten Major kommen. Er eilte auf die Me 323 zu, setzte sich auf den Pilotensitz und startete einwandfrei. Nach einer Platzrunde setzte er zur Landung an. Beim Anflug kam die Me 323 zu hoch an. Sie schwebte weit über das ausgelegte Landekreuz ein. Für eine Landung auf dem Platz hätte es aber immer noch gereicht. Er startete die Maschine durch und flog eine weitere Platzrunde, die etwas kleiner ausfiel. Als er wiederum zu hoch anschwebte, startete er erneut durch, flog wieder eine Runde und setzte nun zum dritten Mal an. Auch bei diesem Versuch flog er den Platz zu hoch an. Die Entscheidung durchzustarten, kam zu spät. Die Me 323 war schon zu langsam und viel zu niedrig. Der Major gab trotzdem Vollgas. Durch die Zugkraft der Propeller und aufgrund der geringen Geschwindigkeit wurde die Maschine kopflastig. Die ›323‹ bekam Bodenberührung, sprang aber wieder hoch. Der Major gab nochmals Vollgas auf alle sechs Triebwerke, doch die Geschwindigkeit war weg. Das Flugzeug stieß nun in einem stumpfen Winkel auf dem Boden auf, hob aber nochmals ab. Beim dritten brutalen Aufschlag ging die ›323‹ total zu Bruch. Das Ende war schaurig! Der Major wurde blutend und schwer verletzt aus der total zertrümmerten Maschine gezogen. Der ganze Ablauf, vom Verlassen der Flugleitung mit drauf-

75 Kilogramm schwer musste der Mann sein, der für den »Schwerpunkt-Trick« vonnöten war

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Menschen Die verschiedenen Versionen Me 323 A Laut Quellen nur in Versuchs- und Nullserie gebaut, und zwar mit zweiflügeligen Heine-Schrauben. Genaue Daten liegen nicht vor.

Me 323 D-6 Transporter mit sechs Gnome-Rhône-Triebwerken und dreiflügeligen Ratier-Verstellschrauben. Bewaffnung: Bodenstände in den Torhälften, oben in den Torhälften, über der Kanzel Waffenstand und Seitenstände im Rumpf vorgesehen.

Me 323 B Laut Quelle nur in Versuchs- und Nullserie gebaut. Auch hier gibt es keine weiteren Informationen. Me 323 C Transporter mit vier Motoren und unterschiedlicher Bewaffnung. Me 323 D-1 Transporter mit sechs Motoren, Bloch-Triebwerke mit dreiflügeligen Ratier-Verstellschrauben. Bewaffnung: Bodenstände in den Torhälften und Stände oben in den Torhälften. Ferner zwei Stände auf dem Rumpfrücken sowie vorgesehne Seitenstände im Rumpf, die man nach Bedarf besetzen konnte. Me 323 D-2 Transporter mit sechs Gnome-Rhône-Triebwerken und zweiflügeligen Heine-Luftschrauben. Bewaffnung verschieden.

gängerischem Schritt bis zur Krankentrage, dauerte höchstens 20 Minuten. Die Me 323 war halt ein motorisierter Lastensegler und schwebte bei einem Landeanflug viel weiter als ein normales Motorflugzeug.« Bei der verunglückten Me 323 handelte es sich um die VM+IF mit der Werknummer 1258, die dabei zu 90 Prozent zerstört wurde. Bei der Bruchlandung starben der Bordfunker Heinz Funk, der Bordmechaniker Max Gurkasch und Major Zeidler kamen schwer verletzt davon.

Riskanter Ausstieg Bericht des ehemaligen Bordmechanikers Erwin Walther: »An Bord jeder Me 323 gab es zwei Warte. Einer saß in der linken Tragfläche zwischen Motor zwei und drei, der zweite Wart saß zwi-

Beschädigte Betonpiste: Bei Überlast konnte die Me 323 schon mal Spuren hinterlassen

schen Motor vier und fünf in der rechten Tragfläche. Die Bordwarte waren für das Anlassen der Motoren und die Überwachung im Fluge zuständig. Hatten wir die Motoren am Laufen und die Piloten rollten zum Start, dann meldeten die sich über die Bordsprechanlage

Bei einem Absturz konnten die Bordmechaniker die »323« über eine Notausstiegsluke auf der Tragfläche verlassen

2 Bordmechaniker saßen in den Tragflächen der Me 323 48

Me 323 E-1 Transporter mit sechs verschiedenen, jedoch stärkeren Motoren. Bewaffnung: Bodenstände in den Torhälften, Waffenstände mit MG 131 in der Mitte der Torhälften, auf dem Rumpf zwei Waffenstände für tragbares MG, kleine Seitenstände im Rumpf und großer hinterer Seitenstand, meist Erker (MG 131). Me 323 E-2 Motoren und Waffen teilweise wie E-1, aber zusätzlich Waffenstand für tragbares MG über der Kanzel, hinterer Seitenstand teilweise auch mit MG 151, zwei Waffenstände in EDL mit MG 151/20.

mit: ›Wir übernehmen!‹ Von da an hatten wir nur noch eine reine Überwachungsfunktion für die jeweils drei Motoren zu erfüllen. Auf Drehzahl, Öltemperatur und Öldruck hatten wir besonders zu achten. Bei Motorausfall mussten wir die Luftschraube auf Segelstellung fahren. In der Maschine unmittelbar hinter den Motoren war es natürlich sehr laut und eine Verständigung nur durch die Bordsprechanlage möglich. Wir besaßen dazu die üblichen Netzkopfhauben mit einem eingebauten Kehlkopfmikrofon und Kopfhörern, die den Lärm etwas dämpften. Auf der Vorderseite der Tragfläche war ein kleines Fenster für die Sicht nach vorne unten eingebaut. Ein weiteres Fenster war in der Notausstiegsluke vorhanden, die sich auf der Oberseite der Tragfläche befand. Die Luke für den

durchführen zu müssen. Mit einer normalen Me 323 war ich im Mittelmeerraum im Einsatz und flog sechsmal nach Tunesien mit rund fünfzig 200-l-Benzinfässern an Bord. Das Afrika Korps brauchte Sprit und Munition. Wir flogen bis zur Erschöpfung und wurden reihenweise von den alliierten Jägern abgeschossen. Es ist schon ein kleines Wunder, dass ich diese Zeit überlebt habe.«

Produktionserfolg

Notausstieg war klein bemessen. Die Bordwarte hatten deshalb einen Brustfallschirm, der immer in ihrer Reichweite lag. Bei einem Fallschirmabsprung war folgende Prozedur einzuhalten: Zuerst die Kopfhaube ausstöpseln, Fallschirm einhängen und anschließend die Aus-

Obwohl man die angehenden Me-323-Piloten intensiv schulte, kam es immer wieder zu Unfällen Fotos (4) Slg. P. Schmoll

stiegsklappe öffnen. Man befand sich da schon mit dem Oberkörper im Freien oberhalb der Tragfläche, um über die Fläche auszusteigen. Anschließend musste man nur noch am Leitwerk verbeikommen. Zum Glück kam ich nie in Verlegenheit, diese Prozedur im Ernstfall

Karl Schmid (mit Hut) trieb die Me-323Produktion voran. Hier im Sommer 1943

In Obertraubling lief die Produktion der Me 323 im Jahr 1943 auf vollen Touren. Für den Bau der Me 323 war seit dem 1. Januar 1943 in Obertraubling Karl Schmid von der Messerschmitt GmbH Regensburg zuständig. Karl Schmid war als Erstes mit dem Mangel an Arbeitskräften konfrontiert. Aber anstatt zusätzliches Personal anzufordern, welches er sowieso nicht bekommen hätte, ging Schmid einen ganz anderen Weg. Er organisierte die Produktionsabläufe neu. Dadurch erreichte er mit den vorhandenen Mitarbeitern einen fünfmal höheren Ausstoß je Monat an Me 323 als vorher. Für diese Leistung erhielt er 1943 in Berlin – übrigens als Einziger aus der Luftfahrtindustrie – das Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz. I

Der Gigant war um eine Stahlrohrkonstruktion herum aufgebaut Foto Archiv Flugzeug Classic

5 Mal höher war die monatliche Me 323-Produktion in Obertraubling ab 1943 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Profil

Giganten-Geschwader Eigens für den Einsatz der Me 323 entstand 1942 das Kampfgeschwader zur besonderen Verwendung 323, aus dem 1943 das Transportgeschwader 5 unter Oberst Damm hervorging. Mitte 1944 hatte der Gigant weitestgehend ausgedient Von Herbert Ringlstetter

E

rprobt und für einsatzfähig befunden, galt es 1942, Messerschmitts Giganten an die Front zu schicken, wo man den Großraumtransporter dringend benötigte. Dafür stellte man im August 1942 die I. Gruppe des Kampfgeschwaders zur besonderen Verwendung 323 (KG z.b.V. 323) auf. Im November 1942 folgte die II. Gruppe, die aus der Kampfgruppe z.b.V. 104 entstanden war. Aus der KGr. z.b.V. 900 bildete man im Februar 1943 die III./KG z.b.V. 323. Wie der Name es schon andeutet, flog das gesamte Geschwader Messerschmitt Me 323. Einen Geschwaderstab gab es nicht, sondern lediglich die Führungsstäbe der einzelnen Gruppen mit je vier Staffeln. Erst im Mai 1943 stellte man einen Geschwaderstab auf und entschloss sich, die Einheit in Transportgeschwader 5 umzubenennen. Es blieben aber weiterhin drei Gruppen á vier Staffeln. Als Kommodore fungierte zunächst Oberst Gustav Damm, ab 1944 dann Oberst Guido Neundlinger. Neben den Me 323 flogen ab 1944 einzelne Junkers Ju 52/3m im TG 5 sowie von März bis Mai 1944 in der II. Gruppe auch fünf Arado Ar 232.

Aufgrund der stark verschlechterten Kriegslage löste sich die III. Gruppe im Januar 1944 auf. Die I. und II./TG 5 blieben noch bis August 1944 im Einsatz, während der Geschwaderstab bereits im Juli 1944 die Führung einstellte. Die verbliebenen Me 323 gingen an die 15. und 16. Staffel des TG 4, das bis Kriegsende bestand und zudem an einem Abschuss beteiligt war. I

3 Gruppen besaß das KG z.b.V. 323, später TG 5 50

Messerschmitt Me 323 D-1, C8+FN, »Mücke«, der 5./TG 5, die im Winter 1943/44 an der Ostfront flog. Der Gigant gehörte zur II. Gruppe, die im Januar 1944 über 20 Me 323 und eine Ju 52/3m verfügte Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Die Besatzungt lässt die Motoren der Me 323 D der II./TG 5 warmlaufen. Als man ihr den Namen verliehen hatte, machte man aus einem Elefanten eine »Mücke« Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

2 Kommodore befehligten das TG 5 bis zu seiner Auflösung flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Im Einsatz

Hochrisiko-Flüge

Um Engpässe beim Nachschub für die Fronttruppen zu beheben, kam die Me 323 schon bald als Transporter im Mittelmeer und später auch an der Ostfront zum Einsatz. Ein Versorgungsflug mit ihr war wie der Ritt auf einer Kanonenkugel – besonders, wenn Benzin geladen war Von Peter Schmoll

A

nfang November 1942 begannen sich die Kriegsereignisse im Mittelmeerraum zu überschlagen. Die britische 8. Armee startete ihre Offensive bei El Alamein. Aufgrund der Lage sah sich Generalfeldmarschall Erwin Rommel am 2. November 1942 gezwungen, den Rückzugsbefehl für alle deutschen und italienischen Truppen zu erteilen. Damit begann ein langer und verlustreicher Marsch von über 1500 Kilometern, der in Tunesien enden sollte. Am 8. November landeten alliierte Truppen in Algerien. Das Afrikakorps war damit einer strategischen Zangenbewegung der Alliierten ausgesetzt. Um dem Afrikakorps den Rücken freizuhalten,

landeten am 9. November 1942 deutsche und italienische Verbände im französisch besetzten Tunesien. Deutsche Elitefallschirmjäger bildeten im Raum Bizerta und Tunis einen Brückenkopf. Den deutschen Truppen in Tunesien fehlten aber vor allem schwere Waffen und Fahrzeuge. Für Seetransporte war kaum noch Schiffsraum verfügbar.

Riskante Mittelmeer-Einsätze Jetzt kam die Stunde der Me 323. Sie sollte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Rommels Männer in Tunesien mit dem nötigen Material und Kriegsgerät zu versorgen. Mitte November 1942 verlegte die I./KG 323

z.b.V. nach Lecce in Italien. Erste Transportflüge nach Tunesien fanden von hier aus statt. Der Flugplatz von Campo di Cino bei Neapel diente als Absprungbasis für die Flüge nach Afrika, war aber für den Giganten mit einer nur 1000 Meter langen Grasstartbahn eigentlich viel zu klein. So mancher Start mit einem voll beladenen Giganten war mehr als haarsträubend. Es folgten auch Transportflüge in den ägäischen Raum. So flog Leutnant Ernst Peter von der Stabsstaffel der I./KG 323 z.b.V. am 22. November 1942 einen Einsatz nach Kreta. Der Flug führte von Neapel zum Flughafen Athen/Eleusis. Hier hob die Me 323, beladen mit 50 Fäs-

82 Einsätze führte das I./KG 323 z.b.V. vom 1. November bis 10. Dezember 1942 durch 52

Ob in der Gluthitze Afrikas oder in der Eiseskälte über der UdSSR: Die Me 323 brachte alles, was die Truppen an der Front benötigten – auf eigene Gefahr Fotos (3) Slg. P Schmol

Benzinfässer gehörten zu den wichtigsten Frachten der Me 323. Sehr zum Leidwesen …

… der Piloten, denn was bei einer Bruchlandung dann passieren konnte, sieht man hier

sern Benzin und zehn Fässern Motoröl sowie zehn Soldaten, nach Thymbakion im Süden von Kreta mit einem Ladegewicht von 13 Tonnen ab. Nach der Rückkehr von Kreta am 24. November 1942 führte die gleiche Besatzung nur zwei Tage später bereits einen weiteren Sondereinsatz durch: Dabei flog sie den ersten Panzer nach

Schweres Transportgut: Ein Panzerjäger II rollt aus dem Rumpf Foto Slg. P. Schmoll

Tunesien. Die Me 323 nahm daraufhin einen Panzerjäger samt Besatzung und Ausrüstung mit einem Gewicht von 12,5 Tonnen auf. Nachdem Leutnant Peter den ersten Startversuch abbrechen musste, gelang im zweiten Anlauf der riskante Start, wobei kurz nach dem Abheben die linke Tragflächenstrebe noch einige Pinien streifte! Weil der Kommandeur des KG 323 z.b.V. beim Transportführer Mittelmeer intervenierte, wies man der Einheit Mitte Dezember 1942 dann den AlfaRomeo-Werkflugplatz in Neapel/Pomigliano d’Arco als Einsatzplatz zu. Dieser verfügte über eine 1200 Meter lange betonierte Startbahn. Der Flug von Neapel nach Tunis betrug zirka 650 Kilometer und dauerte 3,5 Stunden. Er führte zur Westspitze von Sizilien, um den Jagdschutz aufzunehmen.

Dann ging es die restlichen 250 Kilometer zum Ziel mit den langsameren Ju 52. Den Jagdschutz übernahmen Bf 109 der Jagdgeschwader 27, 53 und 77. Die Jäger waren oft hoffnungslos überfordert, da sich ein großer Pulk über 50 Kilometer hinzog. Nach der Landung in Tunis oder Bizerta wurde schnell entladen. Sehr unbeliebt waren bei den Besatzungen Benzinfässer und Munitionskisten im Frachtraum. Erstens saß man förmlich auf einer Bombe und zweitens dauerte es länger, diese zu entladen. Auf den Rückflügen brachte man Verwundete und leere Treibstofffässer fort. Leere Fässer, dass hört sich relativ ungefährlich an, war es aber nicht. In den Fässern befanden sich Restmengen an Benzindämpfen, die durch Beschuss explodieren konnten. Die Me 323 hatten 5400 Liter Sprit in den Tanks, und das reichte, nachdem alles in Tunesien entladen war, gerade so zum Rückflug nach Sizilien. Dort tankte man auf und trat den Rückflug nach Neapel an. Wenn alles glatt ging, waren die Besatzungen nach zehn Stunden zurück.

Die Katastrophe vom 22. April Nach Hilferufen des Deutschen Afrika Korps – die Treibstoffreserven gingen zu Ende – flog am 22. April 1943 das TG 5 mit 14 Me 323 einen Versorgungseinsatz nach Tunis. Jede hatte rund 13 Tonnen Benzin an Bord, alle 14 transportierten insgesamt 700 Fässer (140 000

15 000 Tonnen Nachschub brachten die Me 232 nach Tunesien flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Im Einsatz

Drama über dem Mittelmeer im Juli 1943: Nach dem Beschuss einer zweimotorigen Marauder musste diese Me 323 an der korsischen Küste notlanden, wobei sie schwer beschädigt wurde Foto Sammlung Ringlstetter

Liter). In Sichtweite der afrikanischen Küste, wenige Flugminuten vor dem Ziel, dann der Schock: Auf einmal schlugen alliierte Jäger zu. Sie schossen alle 14 Me 323 ab. Von den 138 Fliegern überlebten nur 19 Mann und 119 gingen mit ihren Flugzeugen im Mittelmeer unter. Eine Katastrophe. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen? Wo waren die Begleitjäger?

Ein Gemetzel

Blick in den Frachtraum der Me 323. Deutlich ist die Stahlrohrkonstruktion des Rumpfes zu erkennen. Der Boden bestand aus Eichenbohlen Foto Slg. P. Schmoll

Me 323-Verluste im Mittelmeerraum, Stand 30. April 1943 Personal Gefallen Vermisst Schwer verwundet Leicht verwundet Total

42 204 28 52 326

Me 323 Zerstört Vermisst Schwer beschädigt Leicht beschädigt Total

39 29 21 12 101

Ein Auszug aus dem Bericht von Major Heynen von der Luftflotte 2 gibt Aufschluss: »Der Befehl für den 22.4.1943 ordnete an, dass der Ju-52- und Me-323Pulk unter stärkstem Jagdschutz um 8:30 Uhr über Trapani sammelte. Flugweg Richtung Porto Farina, also außerhalb der bisher gefährdeten Zone am Kap Bone. Landung Tunis. Begleitschutz durch Jagdführer Sizilien mit mindestens 40 Jagdflugzeugen. Aufnahme vor der tunesischen Küste durch 40 Jagdflugzeuge des Fliegerkorps Tunis, sodass im gefährdeten Gebiet mindestens 80 Jäger zum unmittelbaren Schutz am Geleit sein mussten. Weiterhin war die italienische Luftwaffe gebeten worden, dass sie von Pantelleria aus gegen Kap Bone einen Jagdvorstoß mit stärksten Kräften unternehme. Lage: einsatzbereite Jagdflugzeuge bei II. Fliegerkorps 59 und beim Fliegerkorps Tunis 102. Verlauf: Der Ju- und Me-323-Pulk war befehlsgemäß über Trapani und

14 Me 323 fielen alliierten Jägern am 23. April 1943 zum Opfer 54

flog um 8:30 Uhr mit Kurs auf Maritimo ab. 39 Me 109 flogen von Sizilien aus den unmittelbaren Begleitschutz. 65 Jäger kamen von Tunis aus auf dem befohlenen Flugweg entgegen, sodass in dem hauptsächlich gefährdeten Gebiet 104 Jäger den unmittelbaren Schutz übernehmen konnten. Aus bisher ungeklärten Gründen trennte sich entgegen dem wiederholt gegebenen Befehl jedoch auf halben Weg zwischen Sizilien und Tunesien der Me-323-Pulk und flog nicht wie befohlen die Nordspitze von Tunesien an, sondern die besonders gefährdete Gegend um Kap Bone. Grund ist nicht feststellbar, da Oberstleutnant Stephan vermisst wird. In der Flugbesprechung am Vortag, ist ausdrücklich auf den neuen Kurs hingewiesen worden, da der Ju-Pulk auf dem befohlenen Flugweg weiterflog, folgten zunächst nur einige Jäger dem Me-Pulk. Erst als die Jäger von Tunis den Ju-Pulk erreichten, flogen die von Sizilien mitgekommenen Jäger dem Me-Pulk nach. So kam es, dass an dem Me-323-Pulk nur 36 Jäger waren, als er von etwa 80 Curtiss, 40 Kittyhawk und Spitfires angegriffen wurde. 36 Me 109 versuchten die Angriffe der feindlichen Jäger zu binden. 14–20 im Tiefflug angreifende Spitfire konnten nicht wirksam bekämpft werden. Deswegen gelang es diesen Spitfires, 14 Giganten abzuschießen. Die 10 Ju 52, die den befohlenen Kurs flogen, erreichten ohne Feindberührung ihr Ziel. Das pünktliche Eintreffen der feindlichen Jagdverbände in dieser großen Zahl zu einem Zeitpunkt, der von dem früheren abwich, dürfte auf Verrat zurückzuführen sein. So wurde am 22.4. in Trapani im Beichtstuhl eines Geistlichen ein Agentensender ausfindig gemacht. Dem Duce ist dies gemeldet.« Offenbar hatten die Alliierten Kenntnis vom Anflug der Transporter. Denn zum fraglichen Zeitpunkt waren zirka 100 alliierte Jäger über Kap Bone in weit auseinandergezogenen Formationen unterwegs. Somit konnten sie Textfortsetzung auf Seite 56

Sonderversionen Waffenträger (WT) RL+UE. Er sollte mit anderen »323« fliegen und Jäger abwehren Foto Slg. P. Schmoll

Innerer Drehturm in der Me 323 WT Fotos (2) Archiv Flugzeug Classic

Der Werkstattgigant Von der Me 323 gab es auch Sonderversionen. Mindestens zwei davon fungierten zumindest 1943 als fliegende Werkstatt. An Bord befanden sich fest eingebaute Schränke, Werkbänke, Dreh- und Fräsmaschine, Luftkompressoren und Stromerzeuger sowie Werkstattzelte und ein Lkw. Zur Besatzung von 18 bis 20 Mann gehörten Motorenschlosser, Elektriker, Schweißer, Flugzeugmechaniker, ein Schreiner und ein Segelmacher. Letzterer musste die Stoffbespannung reparieren. An Bord befand sich auch ein Ersatzmotor. Die Giganten dienten dazu, beschädigte Me 323 in Frontnähe zu reparieren oder soweit wieder flugfähig zu machen, dass diese zur Werft fliegen konnten.

Eins der vier MG 151/20 in der Tragfläche des Waffenträgers

Das hier ist keine Werkhalle, sondern das Innere einer Me 323! Foto Slg. P. Schmoll

Der Waffenträger Außerdem gab es zwei bis an die Zähne bewaffnete Me 323. Über die berichtet Bordmechaniker Erwin Walther: »Die Me 323 WT war mit Bordwaffen gespickt wie ein stachliger Igel. Die

Nur flugzeugclassic.de

Aufgabe dieser als Waffenträger (WT) bezeichneten Me 323 war der Begleitschutz von normalen Me-323-Transportern. Von dieser Version gab es meines Wissens nach nur zwei Maschinen, ich flog in der RL+UE als Bordwart mit. Die Me 323 WT verfügte neben der regulären Besatzung über einen Kampfkommandanten und elf Bordschützen sowie zwei Waffenmechaniker. In der Regel betrug die Anzahl der Besatzung 18 bis 20 Mann. Kampfkommandant meiner Maschine war Oberleutnant Römer. Während des Fluges befand er sich in der Pilotenkanzel neben dem Funker und lenkte von hier aus den Einsatz der Bordschützen über die Sprechanlage. Die Bewaffnung bestand aus je zwei Waffentürmen HDL 151 mit MG 151/20 auf jeder Tragfläche und im Bug war ein fünfter Drehturm eingebaut. In Summe waren neun 20-mm-Geschütze und drei schwere MG Kaliber 13 Millimeter eingebaut. Eröffneten die Bordschützen mit den Kanonen in den Tragflächen auf Kommando das Feuer, bebte die gesamte Maschine. Die Ab-

schussgeräusche der vier MG 151 übertönten sogar das Dröhnen der Motoren. Die Me 323 WT konnten keine Fracht transportieren, da sich im Laderaum ein großes Stromaggregat befand. Dieser Stromerzeuger war für die Steuerung der Waffenstände und die elektrische Abfeuerung der Waffen erforderlich. Als die Rumänen die Seiten wechselten und zu den Russen überliefen, erhielten wir im August 1944 den Befehl, eingeschlossene Nachrichtenhelferinnen und anderes Wehrmachtspersonal aus der Nähe von Bukarest abzuholen. Wir starteten mit den letzten einsatzbereiten Giganten aus Kecskemet nach Bukarest. Vier Transporter und unser Waffenträger dröhnten gen Osten. Es war geplant, dass die vier Giganten dort landen sollten, während wir über dem Platz kreisten, um die Verladung abzusichern. Als wir dort ankamen, standen die Russen schon am Platz und wir mussten ohnmächtig mit ansehen, wie sie unsere Leute zu den Fahrzeugen prügelten und nach Osten abtransportierten. Am liebsten hätten wir mit unseren Bordkanonen da reingehalten, aber dabei wären auch die Unseren gefährdet gewesen (…) Unser Bordfunker setzte einen Funkspruch ab und als Antwort erhielten wir den Befehl, die Aktion abzubrechen und umzukehren. Schweren Herzens (…) traten wir den Rückflug an. Wie sollte dieser Krieg für uns noch enden?« I

10 Minuten dauerte der ungleiche Luftkampf bei der tunesischen Insel Zembra 55

IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Im Einsatz Im Winter 1943/44 übernahm das TG 5 eine wichtige Funktion im Bereich Nachschub an der Ostfront. Hier entlädt man gerade ein 15-cm-Infanteriegeschütz aus der Me 323 C8+CP Fotos (5) Slg. P. Schmoll

den Luftraum in diesem Gebiet lückenlos überwachen. Auf Höhe der Insel Zembra machten sie die Me 323 aus. Die Giganten sind geradewegs in das Spinnennetz getappt … Auszüge aus den Gefechtsberichten der eingesetzten Verbände der South African Air Force (SAAF) geben das Geschehen wie folgt wieder: »Als die Spitfire V der 1. SAAF den Großverband der Me 323 mit Kurs Cap Bone entdeckten, war auf der Funkfrequenz der SAAF der Teufel los. Nach den ersten Sichtmeldungen drehten alle verfügbaren Jäger in diese Richtung. Als sechs Spitfire der 1. SAAF den Deckungsschirm der deutschen Jäger von der II./JG 27 durchstießen und ihren ersten Angriff auf die mächtigen Transporter flogen, erreichten auch die 2., 4. und 5. SAAF das Schlachtfeld mit insgesamt 35 Jagdmaschinen. Während elf P-40 der 2. SAAF den Höhenschutz bildeten, griffen die anderen 24 Jäger die Transporter frontal an. Es war kurz nach 9:30 Uhr, als das Gemetzel begann. Die Geschossgarben fraßen sich in Tragflächen und Rümpfe. Aus allen Richtungen kam es zu Angriffen der Jagdflugzeuge auf die langsamen Transporter. Was sich dann abspielte, glich einem Massaker in der Luft. Bei einer Me 323 brach durch den Beschuss eine Tragflä-

che ab. Sie endete im Sturzflug ins Meer. Andere Giganten kurvten mit brennenden Motoren aus dem Verband und versuchten noch eine Notwasserung. Beim Aufsetzen brachen die Giganten auseinander und nur wenigen Besatzungsmitgliedern gelang es, sich zu retten. Eine der unter Beschuss geratenen Me 323 explodierte mit einem grellen Blitz in der Luft. Die Einzelteile trudelten wie welke Blätter ins Meer. Die südafrikanischen Piloten berichteten, dass sie Salven von bis zu vier Sekunden auf die Transporter aus circa 250 Metern Entfernung abfeuerten, dabei bis auf 50 Meter an die Me 323 heranflogen. Eine Me 323 wurde voll in den Führerraum getroffen. Der Gigant berührte mit einer Flächenspitze das Wasser und rollte sich wie ein Flügelrad auseinanderbrechend auf. Ein anderer Gigant

Lebensretter: Mit der »323« konnten Verwundete schnell aus Kampfgebieten ausgeflogen werden

Viele Teile der Wehrmacht waren nicht motorisiert, sondern auf Pferde angewiesen. Auch diese brachte die Me 323 an die Ostfront

drehte nach Westen ab und schien zu entkommen. Der Höhenschutz hatte dies beobachtet und alle in der Nähe verfügbaren Jäger stürzten sich auf den einzeln fliegenden Transporter. Über Rumpf und Flächen brennend, versuchte die Besatzung der Me 323 eine Notlandung, als kurz vor dem Aufsetzen der Rumpf hinter den Tragflächen abbrach. Nach circa zehn Minuten war das Gemetzel beendet.«

An die Ostfront Weil die Verluste über dem Mittelmeer ständig anstiegen, verlegte das TG 5 im September 1943 nach Leipheim, um die Reihen der gefallenen Kameraden aufzufüllen, neue Me 323 aufzunehmen und an die Ostfront zu verlegen. Von Warschau und Biala-Podlaska aus

3000 Stunden lang flogen die Giganten des TG 5 allein im April/Mai 1944 56

flog das Geschwader Transportflüge an die hart ringende Ostfront. Die sowjetischen Armeen stießen in dieser Zeit mit massierten Panzerverbänden zum Dnjepr in Richtung Kiew, Dnjepropetrowsk, Saporoschje und nach Perekop zum Ausgang der Krim vor. Die Krim war damit für die Deutschen abgeschnitten. Den Brennpunkt aber bildeten die Städte Kirowograd und Schitomir. Nördlich davon gelang den sowjetischen Panzerverbänden am 1. April 1944 ein operativer Durchbruch, der erst 100 Kilometer vor Lemberg zum Stehen kam. Die Angriffsspitzen der Roten Armee standen damit im Rücken der Heeresgruppe Süd. Mit Schitomir verloren die deutschen Truppen eine ihrer Hauptversorgungsbasen. Diese Lücke mussten die Giganten nun füllen.

Es ist vorbei: Als die Alliierten an den Reichsgrenzen standen, waren strategische Lufttransporter wie die Me 323 nicht mehr vonnöten. Hier durch Tiefflieger zerstörte und ausgebrannte Me 323 D-2

Die letzten Einsätze Das TG 5 war laut Aufzeichnungen des Generalquartiermeisters von Januar bis September 1944 insgesamt 7120 Stunden in der Luft, wobei allein für April/Mai 1944 fast 3000 Stunden eingetragen sind. In diesen beiden Monaten erreichte jeder eingesetzte Gigant im Durchschnitt 83,2 Flugstunden. Daraus ergeben sich mindestens 27 000 Tonnen Fracht, die die Einheit in dieser Zeit an die Front schaffte. Über die Einsätze der Giganten Ende 1943 von Warschau aus berichtet Kurt Dürpisch: »Es ist noch früher Nachmittag, aber es beginnt schon schummerig zu werden. Auf dem großen Flugplatz in Warschau flammt die rote Hindernisbefeuerung von Flugzeughallen und Schornsteinen auf und auch die Landebahnbefeuerung ist eingeschaltet. Fernes Dröhnen von vielen Flugzeugmotoren kündet die Landung von Maschinen an. Es sind dies die Me 323 des TG 5, die heute Morgen mit Nachschub an die Ostfront gestartet waren und jetzt zurückkehren. Im Tiefflug donnern die Giganten über den Flugplatz. Fünf sind gestartet und fünf kehren auch zurück. Einige feuern rote Leuchtkugeln ab, als Zeichen für die am Boden: ›Wir ha-

ben Verwundete an Bord, wir landen als Erste!‹ Nacheinander reihen sie sich zum Landeanflug ein. Der erste Gigant kommt zur Landung herein, setzt auf und wird sofort zu seinem Abstellplatz gewunken. Die von der Front zurückkehrenden Maschinen haben zahlreiche Schwerverwundete an Bord. Kurz nachdem die Motoren abgestellt sind, werden die großen Bugtore geöffnet und zur Seite geklappt. Der Blick fällt in den riesigen Laderaum des Flugzeuges und hier liegt das ganze Elend des Krieges. Am Boden, auf Strohsäcken gelagert, liegen die verwundeten Soldaten. Vorsichtig werden sie von der Besatzung und den Sanitätern ausgeladen und auf Tragen gelegt. Ein Arzt nimmt sich noch vor Ort der dringlichsten Fälle an. Nach und nach fahren die Sankas ab, kehren wieder zurück und holen die Nächsten zum Transport in die Lazarette ab. So mancher schwer verwundete Soldat hat den Rücktransport nicht überlebt und stirbt an Bord. Aber Hunderte gelangen mithilfe dieser Luftbrücke schnell in ärztliche Obhut und verdanken ihr Leben der Me 323.«

Keczkemet in Ungarn war der letzte Standort des Me-323Geschwaders TG 5, bevor es sich auflöste

Die I./TG 5 flog ihre Versorgungseinsätze in den Südabschnitt nach Odessa und Foscani, während die II./TG 5 im Nordabschnitt ihre Fracht nach Kirowograd und Riga brachte. Die letzten Giganten erlitten noch einmal herbe Verluste. So stürzte eine Me 323 bei Odessa mit 70 Mann an Bord ab, 63 Soldaten fanden den Tod. Bei Riga schossen vier sowjetische Jäger eine Me 323 ab. Aber auch Erfolge gab es. Mit einer Me 323 wurden in einem Nachteinsatz 100 Soldaten von der eingeschlossenen Krim ausgeflogen und 140 Nachrichtenhelferinnen aus Rumänien evakuiert. Zuletzt war das Transportgeschwader 5 im Juni 1944 auf dem Flugplatz von Keczkemet in Ungarn stationiert. Da die Fronten immer näher an die Reichsgrenzen heranrückten, war ein strategischer Lufttransport nicht mehr erforderlich. Am 23. August 1944 löste sich das Transportgeschwader 5 deshalb auf und die Giganten verschwanden für immer vom Himmel. Was noch an flugfähigen Maschinen vorhanden war, verlegte als IV./TG 4 auf die Flugplätze von Chrudim und Skutec (im heutigen Tschechien). I

100 Soldaten flog eine Me 323 aus der eingeschlossenen Krim aus flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Messerschmitt Me 323 Galerie

Me 323 D des KGzbV 323. Das weiße Rumpfband kennzeichnet den Transporter als Einsatzmaschine im Mittelmeerraum

Me 323 E der 6./TG 5 an der Ostfront im Frühjahr 1944. Am Rumpf prangt das Emblem der II. Gruppe des TG 5

Me 323 E der 3./TG 5, die am 26. Juli 1943 verloren ging – Aussehen fikiv. Der Transporter trägt den Standard-Sichtschutzanstrich aus den RLMFarben 70/71/65 Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

245 Stundenkilometer betrug die Höchstgeschwindigkeit des Giganten 58

Me 323 D im Fünfmotorenflug. Auf dem Rumpfrücken hinter der Fläche sind zwei MG-Stände zu erkennen, die man in späteren Ausführungen in die hinteren Rumpfseiten verlegte

Einsatzvorbereitungen an einer Me 323, deren Bugwaffenstände mit zwei 13-mm-MG 131 bestückt sind

Eine von vielen möglichen Beladevarianten einer Me 323 Fotos (4) Sammlung Ringlstetter

Selbst in den harten Wintermonaten an der Ostfront bewährte sich der »Gigant«

11 Tonnen Nutzlast konnte die Me 323 tragen flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Heinkel He 219

Ursprung & Geschichte

Menschen

Profil

Im Einsatz

Der »Uhu« war stark bewaffnet und konnte weit und schnell fliegen. Doch es gab auch ein großes Manko

Heinkel entwarf mit der He 219 einen modernen Nachtjäger. Doch das Projekt hatte mächtige Fürsprecher wie Gegner

Im Juni 1940 entstand mit der NJG 1 das erste Nachtjagdgeschwader der Luftwaffe, das später auf die He 219 umrüstete

Major Werner Streib begann mit dem Prototyp des »Uhu« eine Siegesserie, die andere He-219Asse fortsetzen konnten

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Der »Uhu« war in mehrerlei Hinsicht ein Pionierflugzeug: Einerseits war er der erste und einzige reine Nachtjäger der Luftwaffe, zum anderen waren in ihm erstmals serienmäßig Schleudersitze verbaut. Als die He 219 Anfang 1944 in größeren Stückzahlen an die Front kamen, versetzten sie die schweren britischen Bomber in Angst und Schrecken

Die Luftwaffe besaß ab 1944 mit der He 219 eine starke Waffe gegen britische Bomber. Die Variante A-6 konnte es sogar mit der gefürchteten de Havilland Mosquito aufnehmen. Die Aufnahme zeigt Hauptmann Förster, den Kommandeur der I./NJG 1, vor einer Einsatzmaschine der I. Gruppe. Förster stürzte am 1. Oktober 1944 nach 65 Luftsiegen während eines Instrumenten-Erprobungsfluges tödlich ab Foto Sammlung Ringlstetter

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Heinkel He 219 Ursprung & Geschichte leitwerk wurde schlank gehalten, wobei die Kabine für die Besatzung direkt vorn angeordnet blieb. So sollte sich die Höchstgeschwindigkeit nur wenig verringern. Heinkel legte dem Ministerium dann im Januar 1942 den überarbeiteten Nachtjäger mit Einzelmotoren vor und erhielt einen Bauauftrag für die ersten VMuster. Im gleichen Monat begann der Bau der ersten He 219. Am 6. November 1942 hob die He 219 V1 vom Werkflugplatz Rostock-Marienehe mit Flugkapitän Gotthold Peter zum Erstflug ab.

Beim »Uhu« setzte man auf neueste Erkenntnisse. Telefunken nutzte diese He 219 V33 beispielsweise als Versuchsträger für die Geräte- und Antennenerprobung

LuftwaffenUnikat

Die He 219 war das einzige speziell nur als Nachtjäger konzipierte Flugzeug der Luftwaffe. Schnell, stark bewaffnet und mit großer Reichweite war sie ideal für diese Einsatzrolle Von Dietmar Hermann

D

ie Planungen für einen modernen zweimotorigen Nachtjäger begannen zu einer Zeit, als noch niemand in der Führungsetage der Luftwaffe einen Bedarf dafür sah. Weitblick war gefragt und die Heinkelwerke hatten ihn. Auf Basis der He 119 reichte das Werk am 20. April 1940 die Projektentwürfe für einen Nachtjäger ein. Diverse Varianten entstanden unter der Projektnummer P 1055, die am 11. Januar 1941 offiziell die neue RLM-Typennummer He 219 bekam. Um ihr Leistung zu ver-

Mindestens 62

Ausgangspunkt für die He-219Entwicklung war die He 119

schaffen, sollte die Maschine den starken DB 613 erhalten, der aus zwei gekoppelten 1750-PS-DB-603-Motoren bestand. Die geforderten sechs Kanonen, die durch eine sechsflügelige Luftschraube nach vorn hätten feuern müssen, waren jedoch unmöglich zu realisieren. Um die He 219 zu retten, gab es nur noch einen Weg: Man musste sie mit Außenmotoren ausrüsten. So entstand im Herbst 1941 erstmals eine Variante mit DB-603-Einzelmotoren in den Tragflächen. Der neue Rumpf mit Doppel-

274 Heinkel He 219 verließen die Werkhallen

Wegen der Gefährdungslage sollten die Versuchsjäger dort die Werkhallen verlassen und nach Wien ziehen. Bis März 1943 waren vier Nachtjäger fertig. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Testergebnisse da waren. Die He 219 war etwas langsamer als berechnet. Bei bestimmten Flugzuständen schüttelten der Rumpf und das Leitwerk und die Stabilität um die Hochachse war schwach. Um die Eigenschaften zu verbessern, U wurde der Rumpf um 94 Zentimeter w verlängert und das Seitenleitwerk verv größert. Die Besatzung bestand aus zwei g Mann, die Rücken an Rücken saßen. M Pressluftgetriebene Schleudersitze sollP tten sie im Notfall retten. Neben zwei MG 151/20 in den Flügelwurzeln fanM den in einer Rumpfwanne nochmals d vier MG 151/20 Platz. Als die schweren v 33-cm-Bordkanonen verfügbar waren, kamen ab Frühjahr 1944 zwei Rüstsätze k mit vier MK 108 (M2) und mit vier MK 103 (M3) dazu. Im Rumpf waren 2600 Liter Kraftstoff untergebracht, ausreichend für fast fünf Stunden Flug. Anfang Juli 1943 entstand mit der He 219 A-0/R3 die erste A-2-Mustermaschine für den Großserienbau. Die Schnellbomberversion A-1 blieb Projekt, nur der Nachtjäger war gefragt. Deren Fronterprobung lief beim NJG 1 in Venlo. In die Serie floss auch die Schrägbewaffnung mit zwei MK 108 ein. Wegen ihrer geringen Schussweite überzeugte sie im Einsatz nicht vollständig. Die Gefahr war groß, bei Treffern aus kurzer Distanz Trümmerteile des Gegners abzubekommen. Gleich-

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Dietmar Hermann

Umzug nach Wien

Konkurrenzvergleich

Heinkel He 219 A-2

Heinkel He 219 A-2 Höchstgeschwindigkeit 560 km/h in 6300 m (mit Flammenvernichtern und Suchantennen)

Einsatzhöhe 8900 m Reichweite 1950 km

de Havilland Mosquito NF Mk. XIX Höchstgeschwindigkeit 612 km/h in 3960 m Einsatzhöhe 10 516 m Reichweite 1940 km

Einsatzzweck Nachtjäger Besatzung 2 Antrieb zwei flüssiggekühlte DB-603-A-12-Zylinder-Reihenmotoren Leistung 2 x 1750 PS Startleitung Länge 15,54 m Höhe 5 m Flügelfläche 44,5 m² Leergewicht 8120 kg Startgewicht 12 500 kg Höchstgeschwindigkeit 560 km/h in 6,3 km Höhe Reichweite 1950 km Dienstgipfelhöhe 8,9 km Schusswaffen je zwei MG 151/20 in den Flügelwurzeln und in der Waffenwanne, zwei 3-cm-MK 108 schräg im Rumpf

Northrop P-61 B Black Widow Höchstgeschwindigkeit 585 km/h in 6100 m Einsatzhöhe 10 090 m Reichweite 1625 km

zeitig mussten zwei Kanonen aus der Bodenwanne verschwinden. Im Sommer 1943 geriet die deutsche Nachtjagd in eine Krise, da die Aliierten herausfanden, dass man durch den Massenabwurf von Aluminiumstreifen das Bordradargerät FuG 212 Lichtenstein C-1 nahezu wirkungslos machen konnte. Diese Schnipsel erzeugten so massive Störungen, dass die Nachtjäger ihre Ziele nicht mehr fanden – mit verheerenden Folgen für die angegriffenen deutschen Städte. Ingenieure entwickelten daraufhin das FuG 220 Lichtenstein SN-2, das aber erst im Spätherbst 1943 in Serie ging. Wie alle anderen Nachtjäger auch, benötigte die He 219 für das neue Suchgerät größere Antennen.

Schlechte Höhenleistung Für spätere Versionen gab es viele Rüstsatzvarianten. Größter Knackpunkt bei der He 219 war die schlechte Höhenleistung. Parallel zur A-0 lief die verbesserte A-2 mit dem DB 603 AA vom Band. Die-

Nur

ser Motor besaß einen größeren Lader, der die Volldruckhöhe von 5,7 auf 7,3 Kilometer steigerte. Erste Motoren lieferte DB ab Oktober 1944 aus. Die A-5 mit 780-l-Treibstoffbehälter in den Triebwerkgondeln, stärkerem Antrieb und Drei-Mann-Kanzel ging nicht in Serie. Kurz vor Kriegsende folgte die A-7 mit 1800 PS starken DB-603-E-Motoren. Anfangs in kleinen Mengen, war Ende 1944 dann auch der Jumo 213 E mit einer gesteigerten Volldruckhöhe auf über neun Kilometern verfügbar. Damit schien eine Jagd auf die de Havilland Mosquito aussichtsreicher. Jedoch lieferte Heinkel nur noch fünf He 219 mit diesen Höhenmotoren als D-1 aus. Bis zum 1. Dezember 1944 gingen noch 104 A-0 und 85 A-2 an die Luftwaffe. Bis März 1945 entstanden nochmals 85 He 219. Das waren insgesamt nur 274 Serienmaschinen. Auf dem Reißbrett blieb die A-6 als schneller Mosquitojäger ohne Triebwerks- und Munitionspanzerung. Versionen wie die B-1 als Nachtjäger, die

Als Versuchsträger für schwere 3-cmKanonen erprobten die Deutschen die He 219 V5 mit der MK 108 und MK 103

Für erfolgreiche Schleudersitzversuche kam die He 219 V6 bei der E-Stelle Rechlin zum Einsatz Foto Rege

C-1 als Vier-Mann-Jäger mit Heckstand und die C-2 als Jagdbomber hätte man nur mit stärkeren Jumo 222 realisieren können. Eine Variante mit zusätzlichem TL-Triebwerk von BMW unter dem Rumpf wurde nur erprobt. I

5 He 219 D-1 mit Jumo-213-E-Höhenmotoren sind entstanden

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 219 Menschen

Bevor sie erstmals abhob, war die He 219 im RLM bereits heftig umstritten. Hier die V1, VG+LW, im Flug

Die He 219 war nach den neuesten Erkenntnissen ihrer Zeit konstruiert. Der Erfolg des ersten Einsatzes sprach für das Konzept. Doch das Flugzeugmuster hatte einen einflussreichen Kritiker … Von Dietmar Hermann

I

m Projektbüro von Heinkel begannen Ende 1935 die Heinkel-Konstrukteure Siegfried und Walter Günter eine der ungewöhnlichsten deutschen Vorkriegsflugzeuge zu entwerfen. Der ursprüngliche Auftrag war, ein Rekordflugzeug für den Weltrundflug zu schaffen. Dieser Aspekt rückte aber schnell in den Hintergrund. Im Juni 1936 hieß dieses Projekt bereits He 119 und ging als Schnellbomber in die Entwicklung. Mithilfe aller damals

bekannten aerodynamischen Kenntnisse und neuester Motorentechnik sollte ein leistungsstarkes Kampfflugzeug entstehen. Damit konkurrierte es gegen die Bf 162 und Ju 88. Die Frage war nur, ob sich Heinkel gegen diese Kontrahenten durchsetzen konnte. Revolutionär war das Motorenkonzept der He 119. Zwei DB-601-Motoren, DB 606 genannt, wurden mit einer Neigung von 44 Grad zusammengekoppelt und trieben gemeinsam eine Langwelle

an. Die wiederum brachte durch das vorn im Rumpf liegende Cockpit hindurch eine 4,3 Meter große Vierblattluftschraube zum Drehen. Die zweiköpfige Besatzung saß rechts und links direkt neben der Welle. Das war auch gleich der größte Nachteil, denn das schränkte die Sichtverhältnisse für die Besatzung stark ein. Mit der Oberflächen-Verdampfungskühlung wollte man die Zelle widerstandsarm halten. Das neue Kühlverfahren funktio-

4 Mal bombardierten die Alliierten die Heinkel-Werke in Rostock Ende April 1942 64

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Dietmar Hermann

Spezialnachtjäger

nierte aber nur zum Teil und so blieb ein zusätzlicher Kühler unter dem Rumpf unerlässlich. Im Juni 1937 begannen die ersten Testflüge der He 119 V1. Bereits da stand schon fest, dass die He 119 aus dem Schnellbomber-Programm gefallen war und nur noch als Studienflugzeug verblieb. Das RLM erteilte keinen Bauauftrag. Trotz dieser Absage arbeitete Heinkel an weiter verbesserten Projekten auf Basis der He 119. 1940 entstand der Aufklärer-Entwurf P.1055 und in Folge dann P.1065 als Arbeitsflugzeug. In vergrößerter Form wollte man die Maschine so zum Schnellbomber machen. Erstmals sollte nun auch ein Bugrad zum Einbau kommen. All diese Grundsätze flossen später in den neuen Nachtjäger He 219 ein.

Vier schwere Luftangriffe der RAF sollten im April 1942 die Heinkel-Werke zerstören. Das Konstruktionsbüro und das erste Versuchsmuster der He 219 blieben aber verschont

Fast schon das Aus Ende April 1942 bombardierte die RAF gleich viermal die Heinkel-Werke in Rostock. Für die Briten war die Entwicklung des Fernbombers He 177 und des Strahljäger He 280 eine Bedrohung. In der Nacht zum 27. April 1942 verbrannte ein großer Teil der Konstruktionsunterlagen der He 219. Der Werksteil mit dem begonnenen Bau des ersten Versuchsmusters blieb allerdings verschont, ebenso das Konstruktionsbüro. Das Ganze zeigte aber, wie gefährdet man selbst im scheinbar weiter entfernten Osten von Deutschland war. Ursprünglich hatte Heinkel vorgeschlagen, die drei Versuchsmuster und die Nullserie noch in Rostock zu bauen und bei der Großserie dann zweigleisig zu fahren und das polnische Werk Mie-

Ernst Heinkel und sein Chefkonstrukteur Siegfried Günter glaubten an ihre Konstruktion für einen Spezialnachtjäger

lec mit in die Produktion einzubeziehen. Beides akzeptierte das RLM nicht. Heinkel war gezwungen, zu verlegen. Die Versuchs- und Entwicklungsabteilung musste notgedrungen nach WienSchwechat umziehen. Der Bau der weiteren Versuchsflugzeuge und der

Nullserie mussten ab jetzt dort N sstattfinden. Die Baukapazitäten vor Ort reichten aber nur für mov natlich geringe Stückzahlen aus. n

Kammhuber contra Milch Noch nicht einmal geflogen, war die He 219 ständig Thema in RLM-Besprechungen, so auch am 18. August 1942. General der Nachtjäger Josef Kammhu-

Noch ist sie nur ein erster Prototyp. He 219 V1, VG+LW, als Nachtjäger in Rostock

50 He 219 sollten monatlich maximal aus den Werkhallen rollen flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Heinkel He 219 Menschen & Entwicklung Generalluftzeugmeister Erhard Milch, rechts neben Rüstungsminister Albert Speer, war die He 219 ein Dorn im Auge. Er hätte lieber die Ju 88 als Nachtjäger gehabt und versuchte die He 219 zu »töten«

Weiterführende technische Angaben zur He 219 A-2

Ab Sommer 1943 machte der Einsatz von Aluminium-Düppel die bisherigen Bordradargeräte der Deutschen nutzlos. Aus diesem Grund folgte das FuG 220 SN-2, das auf einer niedrigeren Frequenz operierte und auch bei der He 219 Standard wurde

Foto Archiv Flugzeug Classic

Fotos (2) Archiv Hafner

Es war der Großserienbau der He 219, der den Verantwortlichen Sorgen bereitete

30 He 219 forderte Kammhuber bereits 66

Der General der Nachtjäger Josef Kammhuber war Befürworter eines speziellen, stark bewaffneten Kampfflugzeugs und forderte die He 219 in großer Anzahl als schnellen Nachtjäger

ber, als großer Befürworter der He 219, verlangte bereits eine vollständige Einsatzgruppe mit 20 bis 30 Maschinen bis zum 1. April 1943 aufzustellen. Wegen Triebwerksschwierigkeiten sollten sie anfänglich die schwächeren DB 603 A statt der vorgesehenen starken DB 603 G erhalten. Obwohl das Reichsluftfahrtministerium im März 1943 die He 219 als eine vordringliche und wichtige Maschine forderte, war noch völlig unklar, wo sie denn entstehen sollte. Ein Großserienbau des Nachtjägers He 219 blieb umstritten und widerstrebte vielen Entscheidungsträgern im RLM. Gegenüber den Gegnern hinkte man ohnehin schon hinterher, wenn es darum ging, Kampfflugzeuge an die Truppe zu liefern. Nur indem man Flugzeugmuster vereinheitlichte und sich auf wenige konzentrierte, ließe sich die Produktivität überhaupt noch weiter steigern. Und in der Rolle des Nachtjägers hatte man sich eigentlich auf die Junkers Ju 88 festgelegt. Damit konkurrierte sie direkt mit der He 219. Als entschiedenster Gegner der Heinkel He 219 zeigte sich Generalfeldmarschall Erhard Milch, der als Generalluftzeugmeister der zweitwichtigste Mann hinter Göring war. Direkt nach Major Werner Streibs herausragender Luftsiegserie in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1943 mit dem Prototyp einer He 219 (siehe Seite 48 und folgende) sagte er: »Die He 219 ist gut, bei einem Einsatz hat sie fünf abgeschossen … Mehr kann ich nicht verlangen. Vielleicht hätte

Streib aber auch mit einer anderen Maschine so viel Erfolg gehabt.« Damit wertete er die Heinkel He 219 sofort ab. Im werksinternen Entwicklungsablauf schrieb Heinkel: »15. Juni 1943, GL Besprechung. Milch versucht die He 219 zu ›töten‹«. So ganz Unrecht hatte Milch nicht, weil es nicht unüblich war, dass einzelnen Nachtjagdpiloten immer wieder gleich mehrere Abschüsse in einer Nacht gelangen. Die He 219 stand trotz des ersten Erfolges weiter auf wackeligen Füßen.

Hickhack Im September lief, trotz der Gefährdungslage, in Rostock die Produktion der He 219 an, die dort neben dem Bomber He 111 H-20 entstehen sollte, ebenso wie im polnischen Mielec, wo bisher nur der Teilebau für die He 177 stattfand. Die Arbeiten waren noch gar nicht richtig angelaufen, als am 3. Dezember 1943 eine Besprechung im Technischen Amt festhielt: »He 219 Fertigung soll zum Auslaufen kommen, damit Heinkel Nord in die Ju 88 G Seri-

Selbstdichtende Tanks sollten dabei helfen, dass bei einem Treffer nicht das ganze Benzin der He 219 auslief Foto Archiv Flugzeug Classic

enfertigung eingeschaltet werden kann und Heinkel Süd entsprechend in die Do 335 Fertigung.« Als Vorserie konnte Heinkel nur beschränkt die He 219 in Wien bauen. Dieses Hin und Her verhinderte eine größere Produktion. Sicherlich ganz im Sinne von Milch. Für Heinkel waren das Vertröstungszahlen. Ende Mai 1944 stand die Luftwaffe bereits mit dem Rücken zur Wand. Man beschloss eine umfangreiche Typenbeschränkung. Die He 219 sollte endgültig nicht weiter gebaut werden. Heinkel stemmte sich gegen das Aus und verfasst eine umfangreiche Denkschrift zur He 219. Am 13. Juni hob man die Entscheidung auf und behielt den Nachtjäger im Programm. Allerdings weiter auf Sparflamme. Erst im November 1944 rollten 50 Stück aus den Werkhallen. I

5 alliierte Maschinen schoss Werner Streib mit einem He-219-Prototyp ab flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 219 P Profil rofil

NachtjagdPioniere Beereeitts 1940 Bereits 19 940 0 war war de der er deutschen Luftwaffe sie d eutschen L uftw waffe klar, dasss si ie benötigte einee kampfstarke ka ampfsta arke Nachtjagd d benöt tigte und u nd sstellte teelltee deshalb deshalb b das NJG G 1 auf. Von an flog die Gruppe 11943 943 a nfl og d ie I. G rupp pe des NJG NJ JG 1 die 219 d ie Hee 2 19 9 Von V Vo n Herb Herbert r ert Ringlstetter rb

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Von die V Vo on n Mitte 1944 erhielt l auch di ie Gruppe IIV.. Gr IV ruppe He 219 und setzte sie zzuuden Typen und Junssammen sa mmen mit mm i d e T en y en Bf 1100 un yp u d Ju unkers Neben den nächtlichen k ke r Ju 88 ein. Nebe rs b n de d n näch n nä äch htlliche h n das verJJagdeinsätzen Ja agd ag gd deinsätzen flog d ass NJG G 1 aauch uch uc h ve v rMissionen bei Tag gellustreiche lu ust s reicche Missi sion si o een nb ei T ag g ssowie ow o wiee g egen zunehmend g ge n Ende des Krieges e zuneh hme m nd d aauch uch uc Nachtschlachteinsätze. Nachtschlachtein in nsätze.

3 Kommodore führten das Nachtjagdgeschwader 1 von 1940 bis 1945 68

He 219 A-2, G9+TH, W.Nr. 290123, der 1./NJG 1 im Sommer 1945 bei Westerland auf Sylt. Im Hintergrund sind weitere He 219 zu sehen. Um die Maschinen flugunfähig zu machen, montierten britische Techniker die Luftschrauben ab Foto Sammlung Ringlstetter

Heinkel He 219 A-2, W.Nr. 290070, G9+CH, der 1. Staffel des NJG 1, stationiert in MünsterHandorf Anfang Februar 1945. Besatzung: Pilot Hauptmann Alexander Graf Rességuier de Mieremont und Bordfunker Feldwebel Fritz Habicht. Lackiert war die He 219 in RLM 75/76/22. Die grauen Oberseiten waren typisch feldmäßig mit Lichtblau RLM 76 aufgehellt Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

In der Nacht vom 3. auf den 4. Februar 1945 befanden sich Hauptmann Alexander Graf Rességuier de Miremont und Bordfunker Feldwebel Fritz Habicht in der G9+CH auf Feindflug. Auch gelang Rességuier de Miremont der Abschuss einer Lancaster, doch kamen die beiden nicht ungeschoren davon: g

Schwerwiegende Treffer vom Abwehrfeuer des britischen Bombers zwangen die deutschen Nachtjäger zum raschen Handeln – selbst verletzt, gaben sie die stark beschädigte He 219 auf und retteten sich mit dem Fallschirm. Einer anderen Quelle nach kamen die vernichtenden Treffer von einer Mosquito. q I

4 FlFlugzeugtypen flogen fl im i NJG 1: 1 Bf 109 und d 110, 110 Do D 215 und d die di He H 219 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 219 Im Einsatz

Albtraum für die RAF

In kürzester Zeit gelangen wenigen »Uhu«Piloten viele Abschüsse. Diese A-2, W.Nr. 290068, trägt einen ungewöhnlichen Tarnanstrich aus hellen und dunklen Flecken

E

s war die Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1943. Der Gruppenkommandeur der I./NJG 1, Major Werner Streib, hob mit seiner He 219 V9, G9+FB, vom Platz in Venlo ab. Hinter ihm saß Unteroffizier Helmut Fischer als Bordfunker und beobachtete die Zacken auf den Bildröhren seiner Nachtsichtgeräte. Die Maschine, in der sie flogen, war nur ein Prototyp – entsprechend hoch war das Risiko für ihren Einsatz. Ohne Schwierigkeiten fanden sie einen Bomberstrom der RAF, der auf dem Weg nach Düsseldorf war. Bei 783 gestarteten Bombern waren schließlich genügend Ziele in dieser Nacht unterwegs. Fischer führte Streib mit seinem LichtensteinRadar immer wieder bis auf Sichtweite an die Feindbomber heran. Mit der enormen Feuerkraft aus sechs Kanonen reichte ein kurzer Feuerstoß aus, um selbst eine robuste viermotorige Handley Page Halifax zum Absturz zu bringen. Die He 219 war so

wendig, dass die Abwehr-MG der Bomber sie nicht trafen. Streib hatte einen enormen Vorteil. Seine feuernden Kanonen lagen unter dem Rumpf und in den Flügelwurzeln hinterm Cockpit. Das aufblitzende Mündungsfeuer vertrieb so nämlich die sonst übliche kurze Nachtblindheit. Um kurz nach ein Uhr trafen seine Kanonen die erste Halifax. Innerhalb kürzester Zeit kam er immer wieder an die Feindbomber heran und schoss sie mit konzentrierten Feuerstößen gezielt ab. Gleich fünfmal hörte man in dieser Nacht den Erfolgsruf »Pauke, Pauke« des Nachtjägers. Zuletzt um 2:22 Uhr. Dann flogen sie mit leergeschossenen Magazinen und nur noch wenig Sprit im Tank zurück. Doch kurz vor dem Ziel beschlugen alle Scheiben und Streib musste blind landen. Dann fuhr er die Landeklappen und das Fahrwerk aus. Ihm entging, dass die Klappen wieder einfuhren. Mit viel zu hoher Wucht und zu hoher Ge-

7 He 219 A-0 befanden sich Anfang Dezember 1943 in Venlo 70

schwindigkeit setzte die He 219 auf dem Platz in Venlo auf. Es kam, was kommen musste: Die nagelneue He 219 brach auseinander und Streib rutschte zusammen mit Fischer in der vorn abgebrochenen Kanzel noch mehrere Meter weit über die Rollbahn. Sicherlich herrschte Staunen, als beide nahezu unverletzt aus der abgebrochenen Kanzel stiegen. Bis auf die völlig zerstörte V9 war die Feuertaufe der He 219 mehr als gelungen. Sie hatte bewiesen, dass sie genau der dringend gebrauchte Nachtjäger für die Luftwaffe sein könnte.

Startschuss für die He 219 General Josef Kammhuber forderte direkt nach Streibs erfolgreicher Einsatzerprobung noch Ende Juli 1943 den Bau von 2000 He 219 A-2 für seine Nachtjäger. Aber eine Frage blieb zunächst noch unbeantwortet. Könnten andere Nachtjagdpiloten an seinen Erfolg anknüpfen oder war Streibs Erfolg eine Ausnahme?

Fotos, soweit nicht anders angegeben, Sammlung Dietmar Hermann

Major Werner Streibs einmaliger Abschusserfolg mit dem Prototypen V9 verhalf der He 219 zum Durchbruch. Im Anschluss gelang es ihren Besatzungen, die britische Bomberwaffe 1944 noch einmal in schwere Bedrängnis zu bringen Von Dietmar Hermann

Foto Archiv Marcel Hogenhuis Venlo

Das ließ sich nur klären, wenn die Fronterprobung beim NJG 1 weiterlaufen konnte. Im Oktober 1943 waren vier He 219 in Venlo. Neben der V7 und V12 bereits die ersten zwei Vorserienflugzeuge A-01 und A-03. Zusammen mit der zerstörten V9 schossen diese bis zum 30. September 19 Feindmaschinen ab. Gleich sieben Abschüsse gelangen Hauptmann Hans-Dieter Frank zwischen dem 26. Juli und 6. September. Ohne Feindeinwirkung kehrte Frank mit seinem Funker Feldwebel Erich Gotter dann am 28. September nicht vom Einsatz zurück. Eine Bf 110 hatte im Flug mit ihren Luftschrauben Franks He 219 A-03 berührt. Das ganze Leitwerk brach ab und die He 219 stürzte senkrecht in den Boden. Frank hatte erstmals den eingebauten Schleudersitz benutzt, der soweit auch funktionierte. Aber Frank wurde dabei durch das EiV-(Eigenverständigungs)Halsband stranguliert. Er hatte vergessen, es zu lösen. Das Misstrauen der Besatzungen gegenüber dem neuartigen Schleudersitz schien sich zu bestätigen. Die weitere Einsatzerprobung übernahm dann Hauptmann Manfred Meurer, dem bis zum 21. Januar 1944 mit der He 219 fünf weitere Luftsiege gelangen. Doch in dieser Januarnacht kollidierte Meurer mit einer Lancaster und riss dabei beide Flugzeuge in die Tiefe. Es gab keine Überlebenden. Nun war Hauptmann Paul Förster Meurers Nachfolger als Gruppenkommandeur. Nur langsam tröpfelten weitere Nachtjäger bei der I./NJG 1 ein. Bis Anfang Dezember 1943 hatte sich die Anzahl in Venlo zwi-

Vom niederländischen Venlo aus flogen die He-219-Nachtjäger bei der I./NJG 1 zu ihren Einsätzen

Eine He 219 mit FuG-220LichtensteinSN-2-Radar, schräg gestellten Antennen und reduzierter Bewaffnung in der Rumpfwanne auf dem Liegeplatz MünsterHandorf

schenzeitlich auf sieben He 219 A-0 erhöht. Die He 219 blieb bei der Gruppe aber weiterhin eine Rarität. Erst im Januar 1944 erreichte man bei der He 219 erstmals nahezu Staffelstärke.

1000 Reichsmark Beim Besuch einer Heinkel-Delegation Mitte Oktober 1943 in Venlo hielt der Technische Direktor Carl Francke fest: »Die Besatzungen haben kein Vertrauen auf den Katapultsitz. Es hat sich bei der He 219 noch keine Besatzung durch Abschießen gerettet. Es werden im Moment Katapultversuche in Rechlin gemacht.« Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis eine Besatzung in verzweifelter Lage dennoch versuchen würde, sich mit dem neuartigen System zu retten. Zum ersten erfolgreichen Ausstieg kam es in der Nacht des 11. April 1944. Von Venlo aus startete Unteroffizier

Herter mit seinem Bordfunker Werner Perbix zur Nachtjagd gegen feindliche RAF-Bomber. Doch sie gerieten an den Falschen: Eine de Havilland Mosquito griff sie im Raum Aachen erfolgreich an. Herter und Perbix blieb keine andere Möglichkeit, als ihre schwer beschädigte He 219 aufzugeben und zu verlassen. Sie nutzen dabei zum ersten Mal das neue Schleudersitz-System und beide überlebten so den Absturz ihrer Maschine. Dieser erste gelungene Schleudersitzausstieg während eines Einsatzes aus der He 219 war so spektakulär, dass Heinkel die Besatzung mit je 1000 Reichsmark belohnte. Parallel dazu erprobte man das Rettungssystem ausgiebig in Rechlin. Am 19. Mai 1944 kam es zum ersten bemannten Abschuss. Mit dem dritten und letzten erfolgreichen Ausstieg am 13. Juni 1944 galt die Anlage als serienreif.

Die He 219, ausgerüstet mit zwei 1750 PS starken DB-603-Motoren, war das erste Flugzeug, das serienmäßig mit Schleudersitzen ausgestattet war

1000 Reichsmark erhielten Besatzungsmitglieder für den ersten gelungenen Schleudersitzausstieg flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 219 Im Einsatz

Fotos (2) Archiv Marcel Hog enhuis Venlo

Rückansicht des neuen Nachtjägers mit Doppelseitenleitwerk

Im Spätsommer 1944 aufgenommene He 219 A-0, G9+BA, vom NJG 1 in Münster-Handorf Übersicht der Schusswaffenanlage. Die He 219 war mit sechs 20-mm-Kanonen extrem stark bewaffnet

Hauptmann Heinz Eicke katapulHauptmann Manfred Meurer tierte sich am 4. Juni 1944 mit war seit September 1943 der dem Schleudersitz hinaus. Sein Gruppenkommandeur der I./NJG 1. Bis zum seinem tödli- Bordfunker Oberfeldwebel Gall chen Zusammenstoß mit einer wurde später mit ungeöffnetem Lancaster am 21. Januar 1944 Schirm tot aufgefunden schoss er fünf Gegner mit der He 219 ab In der schweren Endphase des Luftkriegs rettete er einigen He-219-Besatzungen das Leben. Der Schleudersitz war aber noch kein perfektes Rettungssystem. Es kam immer wieder zu Todesfällen, besonders, wenn er in niedriger Flughöhe zum Einsatz kam. Bis Ende 1944 benutzen mindestens 14 Besatzungen ihren Schleudersitz, rund zehn davon verliefen erfolgreich.

Aderlass für die RAF Im Frühjahr 1944 schien die deutsche Nachtjagdwaffe endlich stabil genug zu sein, um effektiv gegen die britischen Bomberströme zuzuschlagen. Die RAF Textfortsetzung auf Seite 74

Es gab mindestens 72

14 Schleudersitzausstiege mit der He 219 bis Ende 1944

Die Konkurrenten

B

ei Kriegsbeginn im September 1939 gab es auf deutscher Seite noch keine eigenständige Nachtjagdwaffe. Als britische Bomber der Royal Air Force erstmals nächtliche Einsätze über deutschem Gebiet flogen, wurde diese Lücke offensichtlich. Ein spezielles Nachtjagdflugzeug gab es ebenfalls nicht, deshalb setzte die Luftwaffe zunächst Messerschmitt Bf 110 in dieser Rolle ein. Um erfolgreich in der Nacht feindliche Bomber auffinden zu können, benötigte es jedoch immer mehr Spezialgerät. Dazu kam die Forderung nach möglichst großer Reichweite. Mit dem Einbau des FuG 202 mit vier Suchantennen am Bug und sperrigen 300-l-Zusatztanks unter der Tragfläche war die Bf 110 bald zu schwer und zu langsam. Viel Spielraum für eine leistungsgesteigerte Variante gab es bei ihr nicht mehr. Deshalb legte die Luftwaffe ihren Fokus nun auf die Ju 88. Junkers hatte aus seinem mittelschweren Kampfflugzeug mittlerweile auch einen Nachtjäger abgeleitet. In den ersten Versionen diente noch der schwächere Jumo 211 als Antrieb. Aber mit dem 1750 PS starken BMW 801 machte der Nachtjäger einen deutlichen Leistungssprung nach vorn. Die Ju 88 R lief 1943 in Kleinserie

Die He 219 war flugzeugclassic.de

Die deutsche Nachtjagd stützte sich zunächst auf den umfunktionierten Zerstörer Messerschmitt Bf 110

aus den Hallen. Später löste die verbesserte Ju 88 G-1 sie im Frühjahr 1944 ab. Wie Junkers leitete auch Dornier aus seinem Bomber Do 217 einen Nachtjäger ab. Ebenso wie die He 219 war die Do 217 N mit zwei DB-603-Motoren ausgerüstet. Trotz starker Bewaffnung blieben ihre Leistungen aber nur mittelmäßig. Heinkels He 219 stand damit in direkter Konkurrenz zur Junkers Ju 88 und Do 217. Eine Chance hatte sie nur, wenn sie durch deutlich bessere Leistungen punkten konnte. Das zeigte sie eindrucksvoll bei einem Vergleichsfliegen zwischen den Nachtjagdkonkurrenten He 219, Ju 88 S und Do 217 N am 25. und 26. März 1943

Aus dem Kampfflugzeug Ju 88 leitete Junkers erfolgreich einen Nachtjäger ab

bei der Erprobungsstelle der Luftwaffe in Rechlin. Der erfahrene Oberst Viktor von Loßberg flog die Ju 88 S, während in der He 219 V1 Major Werner Streib saß. Die He 219 zeigte sich wendiger und war zudem um 25 km/h schneller. Das Ganze fand unter den Augen von Generalfeldmarschall Erhard Milch statt, dem die He 219 eigentlich nicht ins Konzept passte. Im Gegensatz zu General Kammhuber, der den Bedarf für einen hochspezialisierten Nachtjäger sah, blieb Milch, trotz der gezeigten besseren Leistungen, ein Verfechter von abgeleiteten Nachtjägervarianten aus Mehrzweckkampfflugzeugen wie der Junkers Ju 88. I

Auch die Do 217 musste als Nachtjäger herhalten. Ihre Stückzahl blieb gering

25 km/h schneller als die Ju 88 73

IM FOKUS Heinkel He 219 Im Einsatz

Mit der Heinkel He 219, DV+DI, erprobte man Schleudersitze in Rechlin. Um die Testabschüsse besser auszuwerten, waren rot-weiße Messstreifen am oberen Rumpf angebracht

Die Waffenwanne der He 219 unter dem Rumpf mit vier eingebauten 30-mm-MK 108. Dank großer Wartungsklappen waren die Waffen gut zu erreichen Cockpit der He 219. Das Gerätebrett bestand aus Lignofol (Pressschichtholz) Foto Archiv Hafner

wollte Fakten schaffen und flog im Januar neun Großangriffe, allein sechs davon gegen Berlin. Der Preis dafür war hoch: 268 Maschinen, 5,3 Prozent ihrer Bomberflotte, kehrten nicht mehr zurück. In der gleichen Zeit verlor die Luftwaffe 59 ihrer Nachtjäger. Der Februar sah ähnlich aus: Wieder kehrten 225 britische Bomber nicht nach England zurück. Im März verlor die RAF mit 256 Maschinen wieder rund fünf Prozent ihrer Bomberflotte, die Luftwaffe büßte 87 Nachtjäger ein. Auf Dauer konnte das für die Briten nicht gutgehen. Im April änderte die RAF ihre Taktik und flog parallel in der Nacht mit mehreren Bomberverbänden ein. So verdeckten sie das wahre Hauptangriffsziel und zerstreuten damit die anfliegenden Nachtjäger. Das wirkte: Die Briten verloren nur

noch 143 Bomber, die Luftwaffe dagegen 76 Nachtjäger. Doch die Luftwaffe stellte sich schnell auf diese Täuschungsmanöver ein. Im Mai stiegen die britischen Verluste wieder an, 163 Bomber gingen auf das Konto der Nachtjäger, 19 verursachte die Flak. Selbst verlor man nur 41 Maschinen. Im Juni wirkte sich bei den Angriffen der RAF die Invasion vom 6. Juni noch nicht aus. Noch stand die Bodenorganisation mit den Funkmessanlagen in Frankreich. Wieder verlor die RAF in diesem Monat 189 ihrer Bomber, die Luftwaffe hingegen nur 36 Nachtjäger.

He-219-Asse Heinkel legte nicht nur Wert auf eine gute Betreuung der He 219 vor Ort, sondern ließ auch die Luftkämpfe der letz-

5,3 Prozent ihrer Bomberflotte verlor die RAF im Januar 1944 74

ten Monate genau beobachten. Am 25. Juli 1944 gab er selbst eine geheime Mitteilung heraus. Sie enthielt einen Überblick über die bis zum 17. Juli tatsächlich erzielten Abschüsse mit der He 219: Insgesamt waren es 111. Für diese Zahl waren lediglich 20 Piloten verantwortlich. Der erfolgreichste unter Ihnen war Hauptmann Ernst-Wilhelm Modrow. Er allein bezwang bis dahin 25 Feindflugzeuge in der Nacht. An zweiter Stelle lag Hauptmann Heinz Strüning mit 14 bestätigten Luftsiegen. Beiden gelangen je vier Abschüsse am 21. Juni 1944, als die RAF mit 361 Bombern einen schweren Luftangriff auf die Raffinerieanlagen von Wesseling und Gelsenkirchen-Scholven flogen. Für die deutschen Nachtjäger war das eine erfolgreiche

Auf einem Hallenvorfeld steht dieser He-219-Nachtjäger. Sein FuG 220 arbeitete mit Streuwellen, worauf sich die römische VI auf dem Bug bezieht (siehe roter Kreis)

Diese He 219, G9+FK, flog Modrow im April 1944 von Venlo aus. Die Tragfläche war zur Identifizierung teils geschwärzt Bei Kriegsende erbeuteten die Alliierten eine Vielzahl an He-219Nachtjägern. Im dänischen Grove wählten sie vier für weitergehende Tests aus. Hier die A.M. 22, die laut ihrer Kennung D5+CL zur 3./NJG 3 gehörte

Die He 219 A-2 war mit MG 151/20 ausgestattet Foto Archiv Hafner

Nacht, denn 46 Bomber kehrten von dem Angriff nicht mehr zurück. Auch Oberleutnant Josef Nabrich traf in dieser Nacht zwei Gegner. Er verzeichnete in Summe elf Luftsiege, darunter auch Mosquitos. Die Abschüsse der besonders »verhassten« Mosquito wurden extra aufgeführt. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit war es nicht einfach, an sie heranzukommen. Besonders die mit technischen Geräten vollgepackten Nachtjäger mussten alles aus ihren Maschinen herausholen, um sie jagen zu können. Nur wenige schafften es überhaupt. Nabrich sogar gleich zweimal. Heinkels Mitteilung weißt in toto neun Mosquito-Abschüsse aus. Die meisten Luftsiege mit der He 219 gelangen erst im zweiten Quartal 1944.

Zwischen Ende März und Juli waren das allein 93. Das ist damit zu erklären, dass erst in dieser Zeit eine nennenswerte Einsatzstärke an He 219 erreicht war. Im April konnte die I./NJG 1 mit 24 neuen Maschinen eine Einsatzstärke von 35 He 219 vorweisen. Die Abschusserfolge gingen weiter. Oberfelwebel Wilhelm Morlock schoss in der Nacht des 2. November 1944 sieben Gegner ab. Nur drei Tage später, am 5. November, mussten er und sein Funker, Unteroffizier Alfred Soika, ihre He 219 verlassen. Morlock verlor dabei sein Leben.

Das Ende Mit sechs He 219 aus Venlo im Mai 1944 begann das NJG 1 die II. Gruppe auf dem Liegeplatz Saint-Trond auszurüs-

ten. Das scheiterte jedoch bereits drei Monate später. Es entstanden nicht genug Maschinen für zwei Gruppen. Daneben erhielt die NJGr. 10 im April 1944 ihre erste He 219 A-0. Der Bestand wuchs kurzzeitig bis Juli 1944 auf zehn Stück an. Weil aber keine neuen mehr nachkamen, nahm der Bestand bei der 2./NJGr. 10 laufend ab. Ende 1944 war nur noch eine He 219 übrig. Der Liegeplatz Venlo wurde durch den schnellen Vormarsch der Alliierten zusehends unsicherer. Das zwang die I. Gruppe, sich Anfang September 1944 nach Münster-Handorf zurückzuziehen. Von dort aus flog die Gruppe bis Anfang April 1945 ihre Einsätze. Kurz vor Kriegsende verlegte man noch ein letztes Mal nach Westerland. I

111 Luftsiege erzielten He 219 bis zum 17. Juli 1944 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Heinkel He 219 Galerie

He 219, W.Nr. 190113, während der SchleudersitzErprobung 1943/44 – siehe auch Foto Seite 74

He 219 A-0, G9+FB, geflogen von Major Werner Streib. Der Nachtjäger wurde am 12. Juni 1943 bei einem Landeunfall zerstört

He 219 A-2 der 2. Staffel des NJG 1 1944 im typischen Sichtschutzanstrich Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Die Führersichtscheibe, das Reflexvisier und die nach unten geklappte Panzerblende

2 Mann Besatzung 76

Die bei Kriegsende von den Alliierten unter einem Tarnnetz vorgefundene He 219, W.Nr. 290112. Die Kabine ist zerstört, am Seitenruder sind Einschusslöcher zu erkannen Fotos (5) Sammlung Ringlstetter

Die Kabine bot der Besatzung hervorragende Sichtverhältnisse. Seitlich am Rumpf ist ein Wartungsblech abgenommen, wodurch Teile der Steuerung sichtbar sind

Die linke Innenfläche einer He 219 A mit MG 151/20, Kaliber 20 mm, in der Flügelwurzel. An Munition kamen 400 Schuss unter

Die Zeichnung zeigt die Lage und Füllmengen der Flüssigkeitsbehälter in der He 219

1545 Kilometer Reichweite in der Version A-2 flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Dornier Do 335 Der unorthodoxe »Pfeil« war schnell und für ein zweimotoriges Flugzeug außergewöhnlich wendig. Das Flugzeug sollte als Schnellbomber, schneller Aufklärer und Zerstörer dienen. Die zweisitzige Schulungsvariante, die aufgrund ihrer kuriosen Silhouette den Spitznamen »Ameisenbär« erhielt, sollte zum Nachtjäger werden. Zu ihrer Zeit verkörperte die Dornier Do 335 Spitzentechnologie im kolbengetriebenen Propellerflugzeugbau, zum Einsatz kam sie jedoch nie

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Die Do 335 war sicherlich eines der ungewöhnlichsten und innovativsten Muster der Luftwaffe – schneller als sie waren damals nur die ersten Jets. Im Bild eine Do 335 A-0 (siehe auch Seite 96/97) Foto Sammlung Ringlstetter

Ursprung & Geschichte

Menschen

Profil

Im Einsatz

Die Dornier Do 335 sollte die Vorteile von ein- und zweimotorigen Maschinen vereinen

Dornier zählte zu den innovativsten Köpfen seiner Zeit. Er ging auch unkonventionelle Wege

Jedes V-Muster der Do 335 war ein Einzelstück mit unverwechselbaren Merkmalen

Über das Erprobungsstadium kam die »335« nie hinaus, trotzdem beeindruckte sie nachhaltig

S. 80

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S. 88

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Dornier Do 335 Ursprung & Geschichte

Die Vorserien maschine A-0 mit der Werknummer 240 107 zählt zu den meistfotografierten Exemplaren der Do 335. Mit einer MK 103 und zwei MG 151/20 war sie schwer bewaffnet. Ihre beiden Motoren vom Typ DB 603 A-2 leisteten in Bodennähe gemeinsam bis zu 3500 PS Foto Sammlung Peter Cronauer

Außergewöhnlich Die exotische Konstruktion der Do 335 vereinte die Kraft einer zweimotorigen Maschine mit den aerodynamischen Vorteilen und der günstigeren Gewichtsverteilung einer Einmot Von Peter Cronauer

A

m 26. Oktober 1943 rollte auf einem süddeutschen Flugplatz ein ungewöhnlich aussehendes Flugzeug an den Start. Den Tiefdecker trieben zwei jeweils dreiblättrige Luftschrauben an, eine am Bug des Rumpfes, eine am Heck. Das Flugzeug war für einen Einsitzer ungewöhnlich groß: Der Rumpf ragte fünf Meter hoch auf und war knapp 14 Meter lang, und die Spannweite maß nur wenige Zentimeter weniger. Darüber hinaus war das Leitwerk der neuen Maschine kreuzförmig angeordnet, so wie man es von Luftschiffen her kannte, und nicht zuletzt besaß das massige Flugzeug ein für damalige deutsche Luftfahrzeuge unübliches Bugfahrwerk.

Die offizielle Bezeichnung dieses Unikums lautete Dornier Do 335 V1, wobei das V als Abkürzung für Versuchsmuster stand, das damalige deutsche Wort für Prototyp.

Nicht auf den ersten Blick Die Hülle der unkonventionellen Maschine verbarg komplexe und innovative Technik. Man erkannte nicht auf den ersten Blick, dass es sich um ein zweimotoriges Flugzeug handelte. Die Triebwerke der gängigen Zweimots waren zu jener Zeit an oder in den Tragflächen positioniert, meistens rechts und links vom Rumpf; bei der Do 335 befanden sie sich hintereinander in deren Inneren. Eines

14 Meter lang war der Rumpf der einsitzigen Do 335 80

im Bugmotor trieb die vordere Luftschraube an. Dahinter folgten das Cockpit, der Lastenraum und der zweite Motor, der seine Leistung mittels einer drei Meter langen Fernwelle auf den Druckpropeller am Rumpfende übertrug. Dieses unübliche Konzept schlug gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Jeder der beiden Daimler-Benz-603A-2-Motoren leistete 1750 PS, die Do 335 verfügte über insgesamt 3500 Pferdestärken. Dabei entsprach ihr Luftwiderstand nur demjenigen einer einmotorigen Maschine, denn die beiden hintereinander im Rumpf untergebrachten Triebwerke boten deutlich weniger Stirnwiderstand als herkömmlich aus-

Konkurrenzvergleich

Dornier Do 335 A-1

Dornier Do 335 A-1 Höchstgeschwindigkeit 763 km/h Einsatzhöhe 11 400 m Reichweite 1400 km

de Havilland Mosquito PR Mk XVI Höchstgeschwindigkeit 668 km/h Einsatzhöhe 11 700 m Reichweite 4540 km

Einsatzzweck Besatzung Antrieb Startleistung Länge Spannweite Höhe Flügelfläche Leergewicht Startgewicht max. Höchstgeschwindigkeit Reichweite Dienstgipfelhöhe Schusswaffen Abwurflasten

Zerstörer, Schnellbomber 1 2 x Daimler-Benz DB 603 A-2 (oder E) 2 x 1800 PS (A-2) oder 2000 PS (E) 13,85 m 13,80 m 5m 38,50 m² 7400 kg 9600 kg 763 km/h 1400 km 11 400 m 2 x MG 151/20 und 1 x MK 103 Bis zu 500 kg im internen Bombenschacht, alternativ Zusatztank

Lockheed P-38J/P-38L Höchstgeschwindigkeit 677,5 km/h Einsatzhöhe 13 411 m Reichweite 3379,5 km

gelegte Zweimotorige. Zugleich versprach die Konzeption stabile Lande-, Start- und Flugeigenschaften, weil die gegenläufig rotierenden Luftschrauben den berüchtigten Torque-Effekt aufhoben und das Flugzeug beim Ausfall eines Motors nicht ins »Schieben« geriet, wie das bei gängigen Zweimots der Fall war, sobald ein Triebwerk streikte. Die unorthodoxe Maschine verschmolz das Leistungspotenzial eines zweimotorigen Flugzeugs mit den aerodynamischen Vorzügen eines einmotorigen.

Zu unkonventionell Bereits 1937 ließ sich Claude Dornier das Konzept für ein Kampfflugzeug mit zwei Motoren in Tandemanordnung patentieren – der Entwurf hatte eine lange Vor- und Entwicklungsgeschichte. Schon damals sollten zwei im Rumpf eingebaute Triebwerke jeweils einen Zug- und Schubpropeller in Bug und Heck antreiben und der Pilot zwischen den Motoren sitzen. Allerdings

traf das Konzept bei den Verantwortlichen des Deutschen Luftfahrtministeriums (RLM) zunächst auf taube Ohren. Dorniers Schnellbomberprojekt mit der internen Bezeichnung P.59-04 war zu unkonventionell, zu gewagt, zu kühn. Die Firma Dornier gab jedoch nicht auf, sondern entwickelte das Konzept auf eigene Kosten weiter. Ende 1942 schrieb das RLM einen neuen Schnellbomber aus, der eine Höchstgeschwindigkeit von 750 km/h erreichen, wenigstens 500 Kilogramm Bomben tragen und eine Mindestreichweite von 2000 Kilometern haben sollte. Namhafte Unternehmen bewarben sich, Dorniers Entwurf bekam den Zuschlag. Doch bald sollte der Schnellbomber auch noch Aufklärer, schwerer Tag- und Nachtjäger werden. Darüber verzettelte sich die Entwicklung, technische Probleme und die schlechter werdende allgemeine Lage kamen hinzu. Über einen Kleinserienbau kam die Do 335 nicht hinaus, zum Einsatz kam sie nie. I

Die Do 335 V1 erkennt man am Lufteinlass unter dem Bug und an den großen tellerförmigen Radabdeckungen

Diese Do 335 A-0 ist das einzige heute noch erhaltene Exemplar (siehe Seite 53) Fotos (3) Sammlung Peter Cronauer Zwei Do 335 wurden an Bord der HMS Reaper in die USA verschifft

3500 PS leisteten die beiden DB-603-A-2-Motoren der Do 335 zusammen flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Dornier Do 335 Menschen

Neuland

Die Do 335 hatte mehrere Väter: Claude Dornier und seine Mitarbeiter und auch Wolfgang Hütter vom Schempp-Hirth Flugzeugbau hatten einen Anteil an der Entwicklung. Der vorübergehend »schnellste Mann der Welt« Hans Dieterle durfte die Maschine testen. Was hielt er von ihr? Von Peter Cronauer

Seine Erbauer versammelten sich vor dem zweisitzigen Schulflugzeug Do 335 A-12, das erstmals im Frühjahr 1945 flog. Bei Kriegsende kam das Flugzeug nach England, wo es am 17. Januar 1946 brennend abstürzte Foto Sammlung Peter Cronauer

D

ie außergewöhnliche Maschine trug den Firmennamen Claude Dorniers, der schon vor dem Ersten Weltkrieg als Quereinsteiger zum Flugzeugbau kam. Der 1884 in Süddeutschland Geborene mit französischen Wurzeln studierte an der Technischen Hochschule in München Maschinenbau und arbeitete dann zunächst für mehrere luftfahrtfremde Firmen, bevor er im Jahr 1910 eine Anstellung im Unternehmen des Grafen Zeppelin fand. In dessen Firmensitz am Bodensee befasste er sich intensiv mit Luftschiffund Flugzeugbau und erwies sich in der Folge als einer der kreativsten und innovativsten Köpfe seiner Zeit. Während des Ersten Weltkriegs entwickelte er gemeinsam mit Kollegen Land- und vor

allem Wasserflugzeuge in Ganzmetallbauweise, und in den 1920er-Jahren erlangten Dornier-Konstruktionen schlussendlich Weltruhm. Vor allem die Dornier Do X erregte rund um den Globus Aufsehen; auch dieses riesige Flugboot aus dem Jahr 1929 wies Dornier-typische Konstruktionsmerkmale auf wie zum Beispiel das Prinzip der tandemartig hintereinander angeordneten Motoren mit Zug- und Schubpropeller, das auch andere Dornier-Entwicklungen antrieb. Bei der Do X waren die Triebwerke noch in abgestrebten Gondeln über dem Tragdeck platziert, jeder Motor trieb in herkömmlicher Weise jeweils eine Luftschraube an. In der ersten Hälfte der 1930er-Jahre entstand dann als Weiterentwicklung

der nicht minder berühmten »Wale« das Flugboot Dornier Do 18. Bei diesem Hochdecker war die abgestrebte Tragfläche samt Tandemmotorgondel bereits stromlinienförmig verkleidet, wobei man die Druckschraube zugunsten einer besseren Aerodynamik weiter nach hinten verlegte und den Propeller auch schon hier mittels einer ein Meter langen Fernwelle mit dem dazugehörenden Motor verband. Somit war der Heckantrieb mit Fernwelle und Druckpropeller für Dornier und seine Konstrukteure nicht gänzlich neu, die Idee reifte über viele Jahre hinweg, doch bis zu der drei Meter langen Fernwelle der Do 335 war es noch ein langer Weg. Um theoretische Erkenntnisse in der Praxis überprüfen zu können, beauf-

3 Meter lang war die Fernwelle der Do 335, die Heckantrieb und Druckpropeller verband 82

tragte Dornier den ebenfalls in Süddeutschland ansässigen SchemppHirth Flugzeugbau mit dem Bau eines entsprechenden Erprobungsträgers. Unter der Leitung Wolfgang Hütters entstand dort das Versuchsflugzeug Göppingen Gö 9, ein im Maßstab 1:2,5 verkleinertes Modell des bereits bekannten zweimotorigen Bombers Dornier Do 17. Im Unterschied zum großen Vorbild baute man die Gö 9 aus Holz und platzierte in deren Rumpfmitte einen 80 PS (59 KW) leistenden Reihenmotor vom Typ Hirth HM 60 R, der mittels einer vier Meter langen Fernwelle den vierblättrigen hölzernen Schubpropeller am Heck antrieb. Im Prinzip verlängerte die Fernwelle die Kurbelwelle des Motors, doch die Entwicklung dieser Verlängerung erforderte reichlich Hirnschmalz und Fleiß. Es verging viel Zeit, bis nach der Methode Versuch und Irrtum die optimale Lagerung des Verlängerungsrohrs ermittelt war. Und auch ihr Leitwerk unterschied die Gö 9 deutlich von der Do 17. Die vier kreuzweise angeordne-

Schöpfer vieler genialer Flugzeugkonstruktionen, unter anderem auch der Do 335: Claude Dornier Foto Archiv Flugzeug Classic

ten Höhen- und Seitenflossen nahmen ein wesentliches Konstruktionsmerkmal der Do 335 vorweg, wobei die untere Seitenflosse nicht nur der Steuerung diente, sondern vor allem den Propeller im Falle einer Bodenberührung schützen sollte. Bei der Do 335 besaß die untere Seitenflosse später sogar

Die zwei Motoren benötigten auch eine Kühlund Schmierstoffanlage an beiden Enden Foto Sammlung Peter Cronauer

einen gefederten Schleifsporn. In beiden Fällen handelte es sich vor allem um eine Vorsichtsmaßnahme, denn eigentlich sollten sowohl die Gö 9 als auch die Do 335 auf ihrem einziehbaren Fahrwerk mit Bugrad landen. Auf dem Flugplatz bei Mengen, wo später auch die Do 335 zum ersten Mal fliegen sollte, absolvierte die Gö 9 im Juni 1941 ihren Erstflug. Am Steuer saß »Iwan« Quenzler, ein erfahrener Testpilot der Erprobungsstelle der Luftwaffe in Rechlin, und die Maschine erwies sich von Anfang an als so ausgeglichen, flugstabil und zuverlässig, dass er bereits den Jungfernflug außerplanmäßig in Kunstflug gipfeln ließ. Die Erprobung der Gö 9 bestätigte in der Praxis, was Claude Dornier und seine Mitarbeiter theoretisch entworfen und berechnet hatten, wenngleich es ein großer Unterschied ist, ob 80 PS an einer Fernwelle zerren oder 1750.

Weit überlegen Schließlich endete auch die jahrelange Reißbrettphase der Dornier Do 335 mit dem Bau der V1 im Frühjahr 1943. Den Rumpf baute man in einer Baracke in Manzell, die Tragflächen in einer Werkstatt südlich von Ravensburg, in Mengen fügte man die Einzelteile zusammen. Am 26. Oktober 1943 rollte das Unikum dann erstmals an den Start. Am Steuer der Maschine saß der damals nicht nur in Fachkreisen bekannte Testpilot Hans Dieterle, der unter anderem Ende März 1939 mit der Heinkel He 100 einen neuen absoluten Geschwindigkeitsweltrekord erflogen hatte. Der vorübergehend »schnellste Mann der Welt« hatte also reichlich Erfahrung mit schnellem Fluggerät und beurteilte auch die Do 335 V1 nach ihrem Erstflug überwiegend positiv. Er habe sich auf diesem Flugzeug »gleich wohl« gefühlt, die Maschine besäße »keine unangenehmen Eigenschaften bzw. Eigenarten«. Dank der »besonderen Fahrwerksanordnung« seien Start und Landung »einfach«, die Lastigkeitsunterschiede im Flug »nicht stark ausgeprägt« und die Steuerbarkeit »im Großen und Ganzen brauchbar«. Einzig

4 kreuzweise angeordnete Höhen- und Seitenflossen besaß die »335« flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Dornier Do 335 Menschen

Dornier verlagerte nach den durch die alliierten Luftangriffe verursachten schweren Zerstörungen in Friedrichshafen …

… die gesamte Do-335-Produktion nach Oberpfaffenhofen Fotos (2) Archiv Dornier

Der Rumpf im Rohbau. In der Mitte ist Platz für den Rumpftank, rechts für den Heckmotor Rechts sind die Schienen für den Schleudersitz zu sehen Fotos (2) Sammlung Peter Cronauer

In Manzell gefertigter Rumpf der Do 335, W.Nr. 230 001, vorbereitet für den Transport zum Erstflug nach Mengen Foto Sammlung Hans-Heiri Stapfer

Rund 84

Als die Amerikaner einmarschierten, war die Produktion der B-Serie der Do 335 in Oberpfaffenhofen in vollem Gang Foto Archiv Dornier

9 Monate vor dem Erstflug der Do 335 kam der Schleudersitz erstmals zum Einsatz

um die Querachse sei die Flugstabilität »zu schwach« ausgeprägt, und am Querruder seien die Steuerdrücke zu hoch. Nachbesserungen seien notwendig, stellten aber das Konzept als Ganzes nicht infrage. Die unkonventionelle Triebwerkanordnung lobte Dieterle in den höchsten Tönen. Noch Jahrzehnte nach dem Erstflug erinnerte er sich an die gemischten Gefühle, mit denen er der Do 335 anfangs begegnete: »Das war Neuland, man war skeptisch oder zumindest argwöhnisch, weil eine hinter dem Leitwerk arbeitende Luftschraube Wirbel oder Schwingungen erzeugen kann, die ein Flugzeug sehr schnell zum Bruch bis hin zum Absturz bringen können.« Die Befürchtungen erwiesen sich aber als unbegründet: »Das Flugzeug zeigte keinerlei derartige Anzeichen«, auch gab es keine »Beeinflussung der Ruder durch die Heckschraube«. Und selbst im Einmotoren- Das Maschinchen hatte keinen Anlasser flug war die Maschine »der Fotos (3) Sammlung Peter Cronauer üblichen Triebwerkanordnung weit überlegen«. senflugzeugs vom Typ Heinkel He 280 mit dessen Schleudersitz aus der abBegehrte Beute stürzenden Maschine rettete … doch Allerdings barg diese Auslegung für dies ist eine andere Geschichte. Der Werdegang der Do 335 war geden Insassen auch ein großes Risiko, denn falls der Pilot mit dem Fallschirm prägt von zahlreichen technischen Proabspringen musste, wurden das Leit- blemen. Insbesondere die Hydraulik, werk und der Schubpropeller am Heck das Bugrad und die Kühlung des hintefür ihn zur tödlichen Gefahr. Dem begegneten die Konstrukteure der Do 335 durch den Einbau eines Schleudersitzes, mit dem sich der Flugzeugführer aus der Maschine hoch hinaus und über das Leitwerk hinweg katapultieren konnte. Zusätzlich konnte er die hintere Luftschraube samt besonders gefährlichen Teilen des Leitwerks absprengen. Auch der Schleudersitz war eine verhältnismäßig neue Erfindung, wenngleich keine exklusive Neuerung der Do 335. Rund ein Dreivierteljahr vor deren Erstflug kam das neuartige Rettungssystem sogar erstmals zum Einsatz, als sich ein Werkpilot der Firma Argus bei der Erprobung eines Dü-

Bis zu

Leistete wichtige theoretische Vorarbeit für die Do 335: Im Juni 1941 absolvierte die Gö 9 ihren Erstflug

Rumpf und Tragwerk der Gö 9 entsprachen einer im Maßstab 1:2,5 verkleinerten Do 17

ren Motors verursachten ständiges Kopfzerbrechen. Dennoch ging das unorthodoxe Flugzeug als eines der schnellsten Propellerflugzeuge in die Annalen ein, wurde bei Kriegsende zur begehrten Beute der Alliierten und eingehend untersucht. Dabei war es schon zu diesem Zeitpunkt bereits in mehrfacher Hinsicht überholt. Einerseits zeichnete sich schon längst ab, dass dem Strahltriebwerk die Zukunft gehören würde, und andererseits bekam die Do 335 auch schon in den eigenen Reihen starke Konkurrenz. Beispielsweise reichten die Flugleistungen der Tank Ta 152 durchaus an jene der Do 335 heran, das einmotorige Flugzeug bot jedoch noch ganz andere klare Vorteile: Der Bau dieses Flugzeugs verschlang weitaus weniger Zeit und Rohstoffe, und der spätere Wartungsaufwand war deutlich geringer. I

775 hm/h schnell war die Do 335 (je nach Version)

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Dornier Do 335 Profil

Einsatzbereit? Im Sommer 1944 baute Dornier die Versuchsflugzeuge Do 335 V1 und V3 zu Behelfsaufklärern um und überstellte sie der 1./Versuchsverband OKL. Die schnellen Maschinen sollten das Invasionsgebiet und Südengland ablichten Von Herbert Ringlstetter

N

ach der alliierten Invasion in der Normandie bemühte sich die deutsche Militärführung, möglichst genaue Kenntnisse von den Vorgängen im Invasionsgebiet in der Normandie zu erlangen. Selbstverständlich waren zudem die in England zusammengeführten, zur Ausschiffung bereitgehaltenen weiteren alliierten Einsatzkräfte von großem Interesse für die Wehrmacht. In Anbetracht der absoluten alliierten Luftüberlegenheit in den betreffenden Kampfräumen bot sich ein neuer, den Feindjägern an Geschwindigkeit überlegener Aufklärer für diese Aufgabe an. Infrage kam hierfür auch Dorniers schnelle Do 335. So erhielten die beiden Versuchsflugzeuge Do 335 V1 und V3 zu diesem Zweck im Juli 1944 versuchsweise zwei im Bombenschacht installierte, für stereoskopische Aufnahmen verwendbare Reihenbildner

Rb 50/18 samt Bediengeräten. Wenigstens die Do 335 V3 flog vom 20. August 1944 an als Behelfsfotoaufklärer mit der Einheitskennung T9+ZH in der 1. Staffel/Versuchsverband des Oberkommandos der Luftwaffe (OKL) in Oranienburg. Zu den Flugzeugführern, die diesen außergewöhnlichen »Spionagevogel« testeten, gehörte Leutnant Wolfgang Ziese, ein äußerst erfahrener Erprobungspilot. Zu tatsächlichen Aufklärungseinsätzen über Feindgebiet kam es jedoch vermutlich nicht, da die Zweimotorige fortwährend durch Überhitzungsprobleme am hinteren Daimler-Benz DB 603 für Unmut sorg-

te. Überdies erschwerten Fahrwerkprobleme die Erprobung, sodass die Do 335 V3 am 10. September 1944 mit einer schlechten Beurteilung wieder an Dornier zurückging. I

Die Do 335 V3 mit der Kennung T9+ZH während der Erprobung. Außergewöhnlich und einzigartig unter den Do 335 war das hellblau gehaltene untere Seitenleitwerk der V3 Foto Sammlung Herbert Ringlstetter

2 Reihenbildner Rb 50/18 wurden im Juli 1944 in die V1 und V3 eingebaut 86

Das dritte Versuchsflugzeug Do 335 V3, W.Nr. 230003, wie es bei der 1./Versuchsverband OKL flog. Das Flugzeug war in den RLM-Farben Schwarzgrün 70, Dunkelgrün 71 sowie Hellblau RLM 65 lackiert, die Propellerhauben in RLM 22 Schwarz Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

0 belegbare Aufklärungseinsätze führte die Do 335 tatsächlich durch flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Dornier Do 335 Im Einsatz

Nachhaltiger Eindruck

Das kuriose Profil der zweisitzigen Do 335 verschaffte ihr den Spitznamen »Ameisenbär«

B

88

Foto Archiv FFlugzeug Classic

Im »scharfen« Einsatz war die Do 335 zwar nie, doch die wenigen Begegnungen, die es gab, verschafften ihr einen legendären Ruf bei den Alliierten. Kurz vor Kriegsende erlebte Testpilot Hans-Werner Lerche zudem einen abenteuerlichen Flug mit der Maschine Von Peter Cronauer is zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieb die Do 335 eine Dauerbaustelle in Erprobung, zum Einsatz kam sie nie. Zwar schildern manche Quellen, dass die zum Fotoaufklärer umgerüstete V3 beim Versuchsverband des Oberkommandos der Luftwaffe über Korsika und Sizilien und später auch über England im Ein-

Zirka

Do-335Do Testpilot Te Hans-WerH ner n Lerche

satz gewesen sei (siehe Seite 46), belegbar ist das jedoch nicht. Aber auch ohne Einsätze hinterließ die Do 335 einen nachhaltigen Eindruck bei jenen, die mit dem Typ in Kontakt kamen. Manchen wurde die Maschine zum Verhängnis. Wiederholt führten technische Probleme zu Pannen, Bruchlandungen und Abstürzen. Oft blieb es bei

40 flugfähige Do 335 wurden gebaut

Sachschäden, es ging aber nicht immer glimpflich aus. So unternahm Flugkapitän Altrogge am 15. April 1944 mit dem zweiten Prototyp der Do 335 einen Erprobungsflug. Kaum in der Luft, meldete er starke Vibrationen, dann brach die Funkverbindung zwischen Flugzeug und Bodenstelle ab. Augenzeugen berichteten später, dass der hintere Mo-

tor Feuer gefangen habe, dass das Kabinendach abgeworfen wurde, der Pilot jedoch nicht mit dem Fallschirm absprang, sondern in der Maschine sitzen blieb, bis diese in der Ortschaft Buxheim in der Nähe eines Kinderheims aufschlug und verbrannte. Man fand heraus, dass Altrogge gar nicht mehr dazu in der Lage war, das abstürzende Flugzeug zu verlassen. Die abgeworfene Haube hatte ihn schwer am Kopf verletzt, der Bewusstlose konnte den Schleudersitz nicht mehr betätigen.

Pulle rein und weg! Piloten der zumeist unbewaffneten Do 335 hatten die strikte Anweisung, Konflikte zu meiden. Im Fall einer »Feindberührung« hieß es: »Pulle rein und weg!« Zu den prominentesten alliierten Fliegern, die eine solche Erfahrung machten, zählt der französische Jagdflieger Pierre Clostermann. In der Schlussphase des Krieges begegnete er einer Do 335, sah sie für einen kurzen Moment von oben, erkannte die Balkenkreuze und versuchte, ihr den Weg abzuschneiden. Doch obwohl Clostermanns Hawker Tempest nach eigenen Angaben bereits mehr als 800 km/h Sachen draufhatte, gab die deutsche Maschine Gas und flog ihm mühelos davon. Clostermann und seine Kameraden hatten das Nachsehen, feuerten frustriert aufs Geratewohl hinterher und bezeichneten das exotische Flugzeug mit dem Kreuzleitwerk später als »Phänomen«. Sein anschließender Bericht trug dazu bei, dass das exotische Flugzeug für die Siegernationen nach dem Krieg zur heiß begehrten Beute wurde. Einer der anschaulichsten Flugberichte zur Do 335 beschreibt den womöglich letzten Flug, den ein deutscher Pilot während des Krieges mit einer Do 335 machte. Der spätere Patentrichter Hans-Werner Lerche flog als Testpilot in Diensten der Erprobungsstelle der Luftwaffe Rechlin vor allem erbeutete ausländische Maschinen. Mit »Sonderdringlichkeit« erprobte er sogar noch Mitte April 1945 alliierte Beuteflugzeuge, als angesichts der näher rückenden Roten Armee die Anweisung

Rund flugzeugclassic.de

Jeder Prototyp der Do 335 besaß einmalige Merkmale. Die tellerförmigen Klappen des Hauptfahrwerks und der Lufteinlauf unter dem Bug machten die V1 unverwechselbar

erging, dass man deutsche Erprobungsflugzeuge nach Möglichkeit von Rechlin zu den Herstellerwerken überführen solle. Die Schnelligkeit der Do 335 veranlasste Lerche, eine von zwei noch in Rechlin stehenden Do 335 nach Oberpfaffenhofen zu fliegen. Bei Kriegsende erbeuteten französische Truppen mehrere unvollendete Do 335 wie hier die V17. Später setzten sie diese in ihren Luftstreitkräften ein (siehe Profil Seite 53) Fotos (3) Sammlung

Zu viele Bombensplitter »Den ersten Startversuch musste ich abbrechen. Als ich zum Start rollen wollte, bekam das Flugzeug einen ›Plattfuß‹. Die Ursache war wahrscheinlich einer der zahlreichen Bombensplitter auf dem Platz. Eine Reifenreparatur war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich. So überließ ich die Do 335 (VG +PI, W. Nr. 103) ihrem Schicksal und bereitete die zweite noch vorhandene Do 335 (VG+PH, W. Nr. 102) für die Überführung vor. Erst am Abend des 20. April

1945 kam ich wegen der dauernden Luftangriffe zum Start. In der Nacht vorher hatte ich noch von Radio London gehört, dass die Einschließung Berlins durch russische Truppen im Osten und Nordosten rasch voranging. So hatte ich vor, im Südwesten an Berlin vorbeizufliegen. Um möglichst nicht von fremden Jägern und der Flak behelligt zu werden, entschloss ich mich zum Tiefstflug. Dass dabei die Orientierung mit einem so schnellen Flugzeug wie der Do 335 bei ca. 550 km/h im Drosselflug nicht einfach sein würde, war mir klar. Aber wozu gab es Eisenund Autobahnen, die ich in meine Flugvorbereitungen einkalkulieren konnte? Meine Maschine war nicht munitioniert, ich hatte auch keine Schießerfahrung und war nicht über die funktechnischen und navigatorischen Möglichkeiten die-

Peter Cronauer

550 km/h flog die »335« im Drosselflug 89

IM FOKUS

Dornier Do 335 Im Einsatz

Die Dornier Do 335 V1 beim Erstflug am 26. Oktober 1943 Foto Sammlung Peter Cronauer

ses Flugzeuges informiert. Blindanflüge war ich nur mit Funker gewöhnt. Es war zu dieser Zeit ohnehin fraglich, ob die Bodenorganisation noch intakt war und ob man nicht durch Funkverkehr erst Feindjäger auf sich aufmerksam machte.

Ohne Kompass geht es auch

US-Soldaten besichtigen einen bei Kriegsende unvollendeten Do-335-Doppelsitzer Fotos (4) Sammlung Peter Cronauer

Auf

8000 Meter konnte die Do 335 in rund 14 Minuten steigen

90

Nun war es so weit. Der Start verlief einwandfrei. Fahrwerk einfahren, Drosseln der Motoren, Luftschraubenverstellung, Klappeneinfahren, Austrimmen der Maschine hatte ich schnell hinter mir, die Motoren liefen beruhigend gleichmäßig. Auch die AnzeigeInstrumente hatten die vorgeschriebenen Werte. Die ersten Seen und Wälder um Rechlin, die ich natürlich von unzähligen Flügen – auch mit Segelflugzeugen – bestens kannte, boten mir eine zuverlässige Orientierung; auf jeden Fall sicherer als die Kompassanzeige, die zu meiner Überraschung in eine andere Richtung wies, als ich wirklich flog. Der Grund für diese Unstimmigkeit wurde mir erst später klar.« Normalerweise wurde der Mutterkompass im hinteren Flugzeugrumpf eingebaut, möglichst weit weg von den Triebwerken, da diese die Anzeige stören. Bei der Do 335 saß dort jedoch der

hintere Motor, weshalb man den Mutterkompass bei diesem Typ in der linken Tragfläche platzierte, wo er jedoch durch zusätzliche Beschleunigungen abgefälscht wurde und ein willkürliches Eigenleben führte.

Der Arbeitsplatz des Piloten einer Do 335

Versagende Technik Auf den Kompass der Do 335 konnte man sich also nicht verlassen; stattdessen vertraute Lerche auf seine Ortskenntnis: »Ich kam schnell voran. Bald tauchten die Funktürme von Nauen seitlich über mir auf. Der Kurs stimmte also. Berlin war auch nicht zu übersehen. Jetzt fiel mir erst auf, dass es schon dämmerte. Der Start in Rechlin hatte sich doch hinausgezögert. Da meine Do nicht voll betankt war, schaltete ich probe- und sicherheitshalber die Umpumpanlage ein, die Kraftstoff aus den Flächenbehältern in den Entnahmebehälter im Rumpf umpumpen soll. Die 3600 PS suppten immerhin an die 900 Liter Sprit in der Stunde. Nach kurzer Zeit musste ich aber leider feststellen, dass die Pumpen nicht arbeiteten. Diese Tatsache und die zunehmende Dämmerung machten mir rasch klar, dass es unmöglich war, in einem Streifen nach Lager-Lechfeld südlich Augsburg zu fliegen. Dort befand sich jetzt der Kommandeur der Erprobungsstellen, dem ich noch wichtige Dokumente zu überbringen hatte.

150 Meter pro Sekunde Kurzentschlossen flog ich Richtung Prag, wo ich den großen Flugplatz Rusin kannte. Dort hatte ich mit einer erbeuteten B-17 ›Flying Fortress‹ Einweisungsflüge für deutsche Jagdgruppen durchgeführt. Südwestlich von Berlin huschten Beelitz-Heilstätten unter mir weg und schon flog ich am südlichen Autobahnring entlang. Die Abzweigung nach Dresden durfte ich auf keinen Fall verfehlen – und da war sie schon. Plötzlich sah ich – immer im Tiefstflug – an der Autobahn Gestalten, die sich vor meinem mit ca. 150 Metern in der Sekunde über sie hinbrausenden Flugzeug in Sicherheit zu bringen suchten. Das waren klar erkennbar schon

Ungefähr

Diese Do 335 A-0 flog HansWerner Lerche bei seinem letzten Flug, sie ist das einzige noch heute erhaltene Exemplar. Sie gelangte an Bord der HMS Reaper in die USA

900 Liter Flugbenzin verbrauchte der Einsitzer pro Stunde

flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Dornier Do 335 Im Einsatz

Russen neben ihren Fahrzeugen. Bei dieser Geschwindigkeit und Bodennähe ist man zwar auch für die leichte Flak kein einfaches Ziel, aber ich sagte mir ›Wozu sitze ich auf einem so schnellen Bock‹ und legte noch einige Briketts zu.

Nur keine Maulwurflandung! Nun hatte ich wieder etwas Zeit – die Autobahn war nicht zu übersehen – nur die Dämmerung nahm zu. Ich schaltete die Positionslichter lieber nicht ein. Kurz darauf brauste ich an Dresden vorbei, verließ die Autobahn und nach kurzer Frist tauchte das beleuchtete Prag vor mir auf. Ich fand auch sofort den

Platz, der schon nachtbefeuert war. Also Fahrwerk raus und schnell herunter! Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Das Fahrwerk ließ sich nicht ausfahren. Gottlob gab es ja noch die NotausfahrVorrichtung. […] Die Kurbel dazu ertastete ich schließlich unter dem Führersitz. Gerade ein Bugrad-Flugzeug hat hinsichtlich des Ausfahrens und Verriegelns, insbesondere des Bugrades, seine Gefahren. Ist nämlich das Hauptfahrwerk ausgefahren, das Bugrad aber nicht oder nicht verriegelt, sind die Folgen unangenehmer als bei einer ›normalen‹ Bauchlandung. Eine Bauchlandung mit der Do 335 hätte aber ihre

1740 PS betrug die Leistung in 6000 Metern Höhe 92

Nach dem Krieg vereinten US-Truppen auf dem Flugplatz von Oberpfaffenhofen mehrere unvollendete Do 335 in unterschiedlichen Bauzuständen Foto Sammlung Peter Cronauer

besonderen Tücken gehabt, da das nach unten stehende Seitenleitwerk keine normale Bauchlandung zugelassen, sondern einen Schaufel- bzw. Maulwurfeffekt mit dem vorderen Motor ergeben hätte. Das sind bei einer Aufsetzgeschwindigkeit von ca. 200 km/h schlechte Chancen – doch für diesen Fall war bei der Do 335 das untere Seitenleitwerk absprengbar. Trotzdem war ich froh, dass ich diese Finessen einschließlich des Schleudersitzes meiner Do nicht ausprobieren musste, denn ich hatte inzwischen im Dunkeln den Griff für das Notausfahren mit Pressluft gefunden. Die typischen leich-

Nachtjäger Do 335 M17 der französischen Luftstreitkräfte in komplett kakifarbenem Tarnanstrich Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

ten Schläge, die das Einrasten der Fahrwerkbeine im Flug anzeigen, und das Aufleuchten der drei grünen Lämpchen am Armaturenbrett zeigten mir, dass nun einer glatten Landung auf der befeuerten, langen Landebahn nichts mehr im Wege stand. Es war inzwischen immerhin 20:20 Uhr und dunkle Nacht.«

Mit Gottvertrauen Trotz des »dringlichen Flugauftrags« war der benötigte hochoktanige Sprit angeblich nicht verfügbar. Nach einigem Hin und Her und für einige Schachteln Zigaretten wurde Lerches Do dann doch »bis zum Stehkragen« betankt. Auf die elektrische Umpumpanlage wollte und konnte er sich nicht mehr verlassen, und auch für »das nur widerwillig funktionierende Fahrwerk« musste er über Nacht in der Werfthalle eine Lösung finden. Der Fehler war rasch behoben, Lerche führte ihn auf mangelhafte Wartung in den letzten Kriegswochen zurück. Doch dann verhinderte höhere Gewalt den Weiterflug: Tiefe Wolken und strömender Regen ließen »die Spatzen zu Fuß gehen«, wie es in der Fliegersprache heißt, es galt »QBI« (Schlechtwettervorschriften in Kraft), an Fliegen war vorerst nicht zu denken. Lerche spürte die unruhige Atmosphäre in Prag, Wehrmachtsstäbe und Truppen zogen durch, er wollte möglichst bald weiter. Am dritten Tag wagte er trotz ungünstiger Vorhersage den Weiterflug. »Ich stand früh gegen vier Uhr auf, um mit dem ersten Büchsenlicht zu starten. Es regnete immer noch, aber die Wolken waren etwas höher. Inzwischen war es der 23. April 1945 geworden. Alle

Startvorbereitungen verliefen planmäßig, der Start machte keine Schwierigkeiten. Zunächst flog ich etwas höher, um mich – auch ohne Kompass und Ortskenntnis – orientieren zu können. Wer sollte mir auch in dieser Herrgottsfrühe und bei diesem schlechten Wetter nach dem Leben trachten? Ich flog ›FreiSchnauze‹ und mit Gottvertrauen, fand auch unter den Wolken im Bayrischen Wald ein freies Tal und dachte, den schwierigsten Teil des Fluges hinter mir zu haben. Auch das Wetter besserte sich. Plötzlich überholten mich rechts und links vom Rumpf Leuchtspurgeschosse. Mir war nicht klar, ob dieser Segen vom Boden oder von feindlichen Jagdflugzeugen kam. Unwillkürlich machte ich heftige Ausweichbewegungen, schob alle Gase hinein und ging wieder auf Tiefstflug, also fast in Baumhöhe. Als ich mich von meinem Schrecken etwas erholt hatte, drosselte ich die Motoren wieder und begann nach den Instrumenten, insbesondere den Temperaturen des hinteren Motors, zu sehen, denn bei einem Treffer im Öl-

Die einzige erhaltene Do 335 steht heute im Steven F. Udvar-Hazy Center am Dulles Flughafen bei Washington D.C. Foto Joe Picarella

oder Kühlkreislauf hätte dieser nach etwa 30 Sekunden seinen Geist aufgegeben. Bei intakten Motoren bestand hingegen keine Gefahr, dass mich ein fremder Jäger einholen konnte.

Linkes Rad – rechte Schiene! Inzwischen steuerte ich Südkurs, überflog die Donau, und das allmählich bei guter Sicht auftauchende Alpenpanorama ermöglichte mir noch vor München die Orientierung. So flog ich am Bahnhof Pasing in Mastenhöhe vorbei auf Westkurs. Die Eisenbahn war schon immer ein ideales Orientierungsmittel für Flieger. Getreu dem alten Fliegerspruch ›linkes Rad – rechte Schiene‹ musste ich nur noch aufpassen, dass die Weichen hinter Pasing richtig gestellt waren. Den Flugplatz Fürstenfeldbruck mied ich – dort scheute ich nicht nur feindliche Jäger, sondern auch die deutsche Flak. Zum Flugplatz Lager-Lechfeld zu finden, war nun kein Problem mehr. Eine enge Platzrunde, das Fahrgestell kam auf Anhieb heraus, und die Erde hatte mich wieder.« I

500 Kilogramm Bombenlast konnte die Do 335 intern mitführen flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Dornier Do 335 Galerie

Do 335 A-0: Die Bugrad-Konfiguration war damals noch kaum verbreitet und bei der Do 335 der Tandemauslegung geschuldet Fotos (5) Sammlung Ringlstetter Reger, aber entspannter Erprobungsbetrieb bei Dornier. Die abgenommenen Motorhauben geben den Blick auf den vorderen DB 603 frei. Am Rumpf sind starke Rußspuren zu sehen

Do 335 V3: Die vordere VDM-VerstellLuftschraube hatte einen Durchmesser von 3,50, die hintere von 3,30 Metern

Pflicht in der Do 335: Der Katapultsitz funktionierte mit Pressluft – hier in der V3

2 20-mm-MG 151/20 saßen oberhalb des Frontmotors 94

Versuchsmuster Do 335 V1 in den Tarnfarben RLM 71/65 Zeichnungen (3) Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Serienmaschine Do 335 A-1, W.Nr. 240162, im April 1945

Fiktiv: Die Do 335 als zweisitziger Nachtjäger der Luftwaffe

Vor dem Balkenkreuz ragt der Lufteinlass für den Lader des hinteren DB 603 aus dem Rumpf der V3

1 30-mm-MK 103 feuerte durch die Propellernabe flugzeugclassic.de

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IM FOKUS Dornier Do 335 Galerie

Zwar von zahlreichen Splittern getroffen, fanden alliierte Truppen die Werknummer 240105 weitestgehend intakt vor − siehe auch Foto auf Seite 79 Foto Sammlung Ringlstetter

1 Mann Besatzung hatte die Do 335 96

9600 Kilogramm betrug die maximale Startmasse flugzeugclassic.de

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IM FOKUS

Epilog

Verwundbare Vögel Die bekanntesten deutschen Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs waren keine »Wunderwaffen«. Sie alle, auch die in diesem Heft vorgestellten Typen, hatten ihre Macken und Tücken. Sei es die He 219, der im Wettflug mit der Mosquito rasch die Puste ausging, oder die Fw 200, die eigentlich dafür gedacht war, betuchte Passagiere durch die Gegend zu fliegen. Wie so oft gilt auch in diesem Fall am Ende die Binse: Das Gerät ist nur so gut wie der Mann, der es bedient.

Auch dies gehört zum Mythos deutsche Flugzeuge: Der »Gigant« konnte eine schwere Feldhaubitze samt Zugmaschine verfrachten – einmalig für diese Zeit! Foto Sammlung Schmoll

Fw 200 des legendären KG 40, dem deutschen Atlantikgeschwader. Der Einsatz über dem Atlantik brachte den Fw 200 Churchills berühmte Zuschreibung »Geißel des Atlantiks« ein Foto Sammlung Ringlstetter

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