Fallstudien zum Produktionsmanagement
 9783409142991, 3409142991 [PDF]

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Zitiervorschau

Klaus Bellmann/Frank Himpel Fallstudien zum Produktionsmanagement

Klaus Bellmann/Frank Himpel

Fallstudien zum Produktionsmanagement

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Univ.-Prof. Dr. Klaus Bellmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionswirtschaft und Direktor des Center of Market-Oriented Product and Production Management der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dr. Frank Himpel ist Habilitand am Lehrstuhl für Produktionswirtschaft der Johannes GutenbergUniversität Mainz.

1. Auflage 1984 1. Auflage 1977 .

1. Auflage September 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Susanne Kramer / Renate Schilling Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-409-14299-1 ISBN-13 978-3-409-14299-1

Vorwort

Allein im Jahr 2005 erschienen im deutschsprachigen Raum rund 150 neue Lehrbücher zum Themenfeld Produktionsmanagement. Dies zeigt, wie breit dieses Gebiet in die (außer-)universitäre Ausbildung diffundiert ist. Ein größerer Teil der Lehrbücher fokussiert auf operativ-quantitative Optimierungsmethoden, ein weiterer Teil beschäftigt sich schwerpunktmäßig durchaus auch mit strategisch-qualitativen Inhalten und Zugängen. Und nun gibt es auch ein neues Fallstudienbuch zu diesem Thema! Unsere Absicht ist in erster Linie, Studierende mit diesem Arbeitsbuch zum eigenen diskursiven Denken anzuregen, ihre Problemlöse- und Entscheidungskompetenz zu verbessern sowie das in formalisierten, theoriebeladeneren Lehrveranstaltungen dargebotene Wissen konkret "am Fall" anwenden zu lassen. Wir können und wollen mit unserem Buch also kein grundständiges Fachlehrbuch ersetzen. Betriebswirtschaftliche Ausbildung ist nicht nur graue Theorie und modellbeladene Abstraktion. Sie ist genauso auch Anwendung am realen Fall, damit das relevante Handwerkszeug umfassender erlernt werden kann. Und: Die Gestaltung eines Fallstudienbuchs vollzieht sich nicht ohne zahlreiche Kompromisse. Eine Fallstudie fokussiert immer auf einen spezifischen Situations- bzw. Problemausschnitt. Dieser kann dem einen Betrachter bzw. Bearbeiter zu eng, dem anderen zu weit gefasst sein. Dem Einen sind die dargebotenen Informationen zu ausdifferenziert, dem Anderen viel zu aggregiert. Gerade in der Findung einer für die eigene Problemlösung als geeignet erscheinenden "Systemgrenze" sowie eines als relevant erachteten Aggregationsniveaus liegt aber bereits eine lernbezogene Durchmusterungsleistung, die wir dem Bearbeiter bewusst nicht abnehmen möchten. Denn: Praxisprobleme sind selten vorstrukturiert, geordnet und auf dem "richtigen" Aggregationsniveau in der "richtigen" Systemgrenze formuliert. Praxisprobleme sind häufig nur durch eine "Milchglasscheibe" erfassbar, und die genaue Analyse von Ursache-Wirkungs-Beziehungen sowie die präzise Formulierung von Entscheidungen zur Problemlösung läuft oftmals nicht geradlinig und auf den ersten Blick auch nicht unmittelbar überschaubar ab. Wir erinnern hier an die Metapher des Schachspielers von Dietrich Dörner und das von ihm aufgezeigte Problemlöseverhalten in komplexen Situationen. Der Umgang mit solchen Problemen tut anfänglich vielleicht sogar weh. Weil die Problemlösung aufwendig, schwierig zu erarbeiten und mühsam zu begründen ist. Aber gerade in dem Prozess des "Sich-Durchbeißens" durch einen Fall in kritisch-diskursiver Argumentation und in der Erarbeitung von Lösungszugängen sehen wir eine wichtige Kompetenz für zukünftige Führungskräfte. Wir glauben durchaus, dass die Arbeit mit diesem Buch Mühe bereitet und in gewisser Weise auch anstrengend sein sollte. Wobei das US-amerikanische Prinzip des "work hard'n play hard" andererseits aber auch V

Vorwort

nicht zu vernachlässigen ist. Soll heißen: Wir hoffen, dass Ihnen die Arbeit mit den skizzierten Unternehmensstories aber auch Spaß macht. Das sollte unseres Erachtens zumindest so sein. Um beim Stichwort Praxis zu bleiben: Dieses Buch ist nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm entstanden. Es haben daran zahlreiche wissenschaftsnahe Praktiker mitgearbeitet bzw. uns Einblicke in ihre realen Gegenstandsbereiche gewährt. Ebenso wurden wir von praxisnahen Personen aus der Welt der Wissenschaft unterstützt. Bedanken möchten wir uns besonders bei Dr.-Ing. René Haak, Werner Neunzig, Frank Sieren und Dr. Jochen Wittmann. Wir bedanken uns in diesem Kontext ebenso herzlich bei Nadine Bischof, Cordula Blank, Christopher Blümlein, Matthias Brechtel, Florence Buscke, Ruth Evers, Kim Fehlinger, Jana Flemke, Thomas Fredenhagen, Jessica Gepel, Sascha Glees, Nina Gottesleben, Annika Heep, Oliver Langner, Jörn Laufersweiler, Tiantian Li, Dirk Christian Marschall, Alexander Mazur, Tanja Metz, Matthias Schweikhard, Silke Steiner, Martin Tag, Florian Winter und Jiaonan Zhu. Unser besonderer Dank gilt Thiemo Kohlsdorf und Jan Wirsam vom Mainzer Lehrstuhl - nicht nur für ihre Mitwirkung an diesem Lehrbuch, sondern auch für ihre Betreuung im Rahmen der Fallstudienseminare, die wir regelmäßig für unsere Seminaristen in Mainz veranstalten. Mit diesem Punkt haben wir es schon angesprochen: Sämtliche Fallstudien sind bereits im Markt "an Studierenden" und "durch Studierende" auf Bachelor-, Master- und Diplomniveau getestet und bearbeitet. Wir haben unsere Studierenden in Mainz, aber auch internationale Studierende im Rahmen diverser Gastaufenthalte an der SGH Warsaw School of Economics in Warschau und an der DUFE - Dongbei University of Finance and Economics in Dalian in der Volksrepublik China mit unseren Unternehmensstories konfrontiert. Die zum Teil doch immer wieder lebhaft geführten Diskussionen um Lösungszugänge in Mainz, Warschau und Dalian geben uns die Zuversicht, dass unsere Cases nicht nur Arbeit verursachen, sondern auch Spaß - wir haben das bereits angesprochen. Seien Sie also ob unserer Forderung nach anspruchsvollen Cases nicht verschreckt und lassen Sie es einfach einmal auf sich zukommen. Und: An dieser Stelle ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass es nicht "die" Lösung für eine Fallstudie gibt. Das kann und sollte auch gar nicht so sein. Wir werden im Rahmen des Einführungsteils noch genauer formulieren, warum das unseres Erachtens so ist. Noch ein technischer Hinweis: Die Fallstudien selbst sind zwar kapitelweise nummeriert. Das bedeutet aber nicht, dass sich aus der Nummerierung irgendeine Rangreihung, etwa von leicht nach schwer (oder umgekehrt) ableiten ließe. Ganz im Gegenteil. Wir setzen bewusst auf den Mix von leichteren und schwereren Fallstudien in bunter Sequenzierung. Insofern verstehen Sie die Nummern also bitte als Ordnungsmerkmal, das Ihnen insbesondere die Arbeit mit dem Lehrbuch und das Handling der Fallstudien erleichtern soll. Das Lehrbuch ist in vier Abschnitte unterteilt. Im Einführungsteil wird das Arbeiten mit Fallstudien thematisiert und exemplifiziert. In den nachfolgenden drei AbschnitVI

Vorwort

ten stehen die einzelnen Fallstudien jeweils in einem speziellen, primären Fokus. Das Wort "primär" zeigt es bereits: Im Grundsatz berühren die Cases überwiegend sowohl Fragestellungen zum Prozess- als auch zum Programm- und/oder zum Ressourcenmanagement. Diese Sichten sind idealtypisch nicht zu separieren. Sie sind vielmehr unterschiedliche Zugänge zu ein und demselben "Managementwürfel". Unser Arbeitsbuch versteht sich als Angebot an Sie. Über Ihre Nachfrage freuen wir uns. Wir wissen zudem aber auch, dass ein statisches Festhalten an einmal Bewährtem langfristig nicht angezeigt ist. Die Zeiten ändern sich, die Bedürfnisse von Menschen und die Anforderungen an Ausbildungsformate und -inhalte auch. Insofern bitten wir Sie um Ihre Rückmeldung. Wenn Ihnen beim Arbeiten mit den Unternehmensstories Aspekte auffallen, die Ihrer Meinung nach einer Verbesserung bedürfen, ganz gleich ob inhaltlicher oder didaktischer Art, so lassen Sie uns dieses bitte wissen. Wir sind dankbar für Ihren Input - und Ihre Meinung ist uns wichtig. Für Anregungen und Ähnliches erreichen Sie uns am besten per E-Mail. Unsere Kontaktkoordinaten lauten: Univ.-Prof. Dr. Klaus Bellmann [email protected] Dr. Frank Himpel [email protected] Johannes Gutenberg-Universität Mainz Professur für Produktionswirtschaft Jakob Welder-Weg 9 D-55128 Mainz www.produktionswirtschaft.bwl.uni-mainz.de Claudia Splittgerber und Susanne Kramer haben unser Projekt von Seiten des Verlags von Anfang an begleitet und unterstützt. In durchaus kritischer, diskursiver Diskussion haben wir dabei um das geeignete Format für dieses Buch gerungen. Wir sind letztlich für die Erfahrungen dankbar, welche von beiden eingebracht wurden - und wir sind beiden dankbar für die Realisierung dieses Projekts in dieser Form. Am Ende dieses "Vorspanns" möchten wir den Spannungsbogen nicht noch weiter dehnen. Wir wünschen Ihnen für Ihre Ausbildung einen guten Wirkungsgrad und für die Arbeit, die nun folgt, zunächst einmal kreativen "Biss" und Durchhaltevermögen. Wenn Sie nach dem Bearbeiten der Fallstudien einen verbesserten individuellen Zugang zum Umgang mit komplexen Problemsituationen entwickelt haben und daraus vielleicht auch erkennen, dass viele Probleme unserer Zeit sich eben gerade nicht isoliert, nicht sequentiell, nicht monokausal und nicht unidirektional lösen lassen (und das geht dann auch weit über das Thema Produktionsmanagement hinaus), dann haben wir unser persönliches Ziel mit dieser Veröffentlichung erreicht.

Mainz, im August 2006

Klaus Bellmann und Frank Himpel

VII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ......................................................................... IV Teil A Einführung in das Arbeiten mit Fallstudien 1

Fallstudien als Analyseinstrument ............................ 3

2

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement.11

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel ................19

Teil B Prozessmanagement 1

Einführung zum Prozessmanagement .......................43

2

Die chinesische Spieltheorie..................................55

3

Reorganisation Reader’s Digest Switzerland ...............61

4

Köpfe zum Lesen und Schreiben .............................67

5

Einführung von Gruppenarbeit ...............................75

6

Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan..........................................................85

7

Champagne......................................................97

8

Château Imperiale en Pauillac ............................. 113

9

Coffea .......................................................... 129

10

Nie mehr 2. Liga.............................................. 149

11

National preiswertes Markenbier .......................... 159

IX

Inhaltsverzeichnis

Teil C Programmmanagement 1

Einführung zum Programmmanagement .................. 167

2

Automobilhersteller ohne eigene Marke.................. 177

3

Sorgenfall Smart.............................................. 187

4

Handysparte in Not .......................................... 193

5

Generikahersteller unter Druck ............................ 203

6

So fühlt sich Pflege an....................................... 209

7

Gegenwind für Windkraft ................................... 215

8

Auf allen Feldern zu Hause ................................. 223

9

LifeFood AG ................................................... 231

10

Controlling im Produktionsverbund........................ 243

Teil D Ressourcenmanagement 1

Einführung zum Ressourcenmanagement.................. 255

2

Automobile made in Uusikaupunki.......................... 265

3

Die Brüder Tang oder eine Blase platzt .................... 273

4

Pharmaceuticals ............................................... 281

5

Luftfahrtbranche im Umbruch .............................. 289

6

Highnoon im Kampf der Antriebs-Systeme ................ 295

7

Der gesättigte Gipsmarkt .................................... 301

8

Biotechnologie 2000 - Zwerge und Big Pharma ........... 307

9

Produktionslogistik Airbus A380 ............................. 311

10 Logistik in Brasiliens Hinterland ............................ 317 11 Privatjets in Europa ........................................... 321 12 Personalmanagment mit Schmerzen ....................... 327

X

Teil A Einführung in das Arbeiten mit Fallstudien

1

1.1

Fallstudien als Analyseinstrument

Das Wesen von Fallstudien

Eine Fallstudie stellt eine kurze, sorgfältig arrangierte, realistische Unternehmensstory mit allen für einen bestimmten Sachverhalt relevanten qualitativen und quantitativen Informationen dar. Der wiedergegebene Sachverhalt lehnt sich im Allgemeinen an eine authentische Situation an und kann aktueller oder historischer Art und sehr unterschiedlichen Inhalts sein. Die Story ist gewöhnlich nicht nur beschreibend aufgebaut. Häufig werden zur lebendigen Darstellung besondere Stilelemente wie namentlich personalisierte Aussagen, Befunde oder Meinungen sowie Gespräche, Berichte aus Zeitungen oder anderer Medien aufgenommen. Die Darstellung führt meist auch nicht geradewegs auf das Problem hin. Deshalb ist der Fall fast immer mit vielen, auch nebensächlichen oder nebensächlich erscheinenden Informationen angereichert. Die Fallstudie kann auf einen oder mehrere Funktionsbereiche in einer Organisationseinheit fokussieren (bspw. Produktion, Marketing, Finanz, etc.) und rollt dann meist ein taktisch-operatives Entscheidungs-, Gestaltungs- und Handlungsfeld auf. Andererseits kann eine Fallstudie auch aus der Vogelperspektive von Vorstand, mittlerem Management (z.B. Produktionsleiter) oder auch einer externen Perspektive eine Unternehmenssituation beleuchten und wirft dann primär strategisch-taktische Problemstellungen auf. Fallstudien können hinsichtlich des geschilderten Sachverhalts und der geforderten Bearbeitung sehr unterschiedlicher Gattung sein. Sieht man von den weniger verbreiteten Arten ab, so lassen sich die Fallstudien in den meisten Fällen drei wesentlichen Klassen zuordnen:

Die problemorientierte Fallstudie Dieser Typus von Fallstudie stellt eine Problemsituation aus Sicht des mittleren oder oberen Managements mehr oder weniger differenziert dar. In der gegebenen Konstellation sind dann meist eine oder mehrere Entscheidungen im Sinne einer Problemlösung gefordert. 3

1

Fallstudien als Analyseinstrument

Manchmal liegen die Problemstellungen auf der Hand. In anderen Fällen lassen sich die Kernprobleme erst nach einer gründlichen Analyse der Sachlage identifizieren. Eventuell wird auch nach alternativen Lösungen gefragt. Eine problemorientierte Fallstudie kann jedoch auch so angelegt sein, dass die Problemlösung bereits Teil der Darstellung ist. Andererseits kann die Fallstudie auch lösungsoffen sein, so dass die Bearbeitung erfordert, ein oder mehrere Handlungsoptionen zu erarbeiten. In allen Fällen geht es jedoch darum, die Wirkungsspektren von Handlungen oder Handlungsoptionen analysieren und diskursiv aufzuzeigen, um Entscheidungsalternativen nachfolgend zu bewerten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es nicht nur eine "richtige" Problemlösung gibt. Gewöhnlich erscheinen mehrere Entscheidungen sinnvoll und realisierbar. Der Wert der Problemlösung liegt auf der Ebene von Argumentation und Begründung. Das Lernziel besteht darin, die (vielfach taktisch-strategischen) Problemstellungen aus den Ausführungen zu erkennen oder herauszuarbeiten, Handlungsoptionen sowie -strategien in einem theoretischen oder konzeptionellen Bezugsrahmen zu entwickeln, zu begründen und zu bewerten.

Die informationsorientierte Fallstudie Typ I (Managementperspektive) Fallstudien dieses Typs präsentieren Informationen aus einer internen Organisationsperspektive wie bspw. aus Sicht des Vorstands oder einer mittleren Leitungsebene. Gewöhnlich wird eine spezifische Situation dargestellt, in der es darum geht, Unternehmenskultur und -organisation, Personalpolitik und -führung, Markt und Technologie, Methoden und Praktiken u.a.m. mehr oder weniger radikal zu verändern. Eine Problemlösung ist hier nicht gefordert. Das Lernziel besteht darin, die Unternehmensstrategie und -politik zu analysieren und herauszuarbeiten, wie die Organisationseinheit organisiert ist und wie diese operiert. Die dargestellten Handlungen und Strategien im Kontext sind anhand der angestrebten Organisationsziele und -stärken zu erkennen und zu verstehen. Hierzu sind Strategien und Entscheidungen zu analysieren und zu erklären. Im Kontext eines geeigneten theoretischen Bezugsrahmens sind Begründungen zu suchen, Wirkungsfelder von Entscheidungen zu identifizieren sowie Wirkungen in ihrer Breite aufzuzeigen.

4

Das Wesen von Fallstudien

Die informationsorientierte Fallstudie Typ II (Vogelperspektive) Im Unterschied zum vorgenannten Typus vermitteln Fallstudien dieser Art aus einer externen Beobachtungsperspektive Informationen über das Agieren eines Unternehmens. Hierzu werden aus einer Top-Down-Perspektive bspw. Geschäfte und Märkte, Unternehmensorganisation und -prozesse, finanzielle und technologische Ressourcen, Führungsstil und Unternehmenskultur eines Unternehmens oder einer Strategischen Geschäftseinheit sowie allgemeine Entwicklungstrends (z.B. Globalisierung, Fokussierung, Outsourcing, etc.) beschrieben. Es wird dargestellt, welche Entscheidungen getroffen und welche Managementpraktiken verfolgt wurden. Eine Problemlösung steht hier ebenfalls nicht in Diskussion. Das Lernziel besteht darin, Unternehmensorganisation und -prozesse aus ganzheitlicher Sicht und in ihrer Verflechtung mit dem Umfeld zu erkennen und zu verstehen. Zu diesem Zweck sind die Unternehmensprozesse, -aktivitäten und strategien zu analysieren und zu erklären. Vor einem theoretischen Hintergrund ist nach Gründen zu suchen, warum die Organisationseinheit gerade so gehandelt hat, wie sie gehandelt hat. Anhand der realistischen, spezifischen Unternehmenssituation sollen Studierende eigene Analysefähigkeiten entfalten und diese schärfen. So sollen sie lernen, eine geeignete Analysemethode zu suchen oder zu entwickeln. Nachfolgend ist dann die Methode anzuwenden, um Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, den Fall in geeigneter Weise zu strukturieren und in einen theoretischen Bezugsrahmen einzuordnen. Hierbei sollen sie lernen, die erworbenen theoretischen Kenntnisse auf reale Situationen anzuwenden und Lösungen für reale Probleme zu finden. Gewöhnlich ist das Ergebnis der Fallstudienbearbeitung in geeigneter Weise schriftlich oder in einem Vortrag zu präsentieren. Dies erfordert die strukturierte Darstellung der Analyseergebnisse mit essentiellen Zusammenhängen und soliden Argumenten. Obwohl gemeinhin von dem Lösen von Fallstudien gesprochen wird, ist diese Adjunktion in vielen Fällen nicht angebracht. Vielmehr geht es um die tief greifende Analyse eines Falls im Hinblick auf die Lernziele. Allein bei problemorientierten Fallstudien kann die Lösung für eine Problemstellung gefordert sein

5

1.1

1

Fallstudien als Analyseinstrument

1.2

Das Arbeiten mit Fallstudien

Die Analyse eines Falls erfordert gewöhnlich das mehr als einmalige, intensive Lesen des Textes. Der Bearbeiter sollte erkennen, warum der Autor gerade diesen Fall darstellt und welches Lernziel er damit verfolgt (s.o.). Als Leitfäden für die Analyse resp. das Lösen von Fallstudien bietet sich der in Tabelle 1-1 dargestellte Leitfaden an. Fallstudien stellen i.d.R. genügend Informationen zur Verfügung, um den Fall zu bearbeiten. Es ist ein Fehler, "kreativ" weitere Informationen hinzuziehen, die nicht in der Fallstudie vorgetragen werden, es sei denn, dies wird explizit gefordert. Ebenso ist das Bewerten von Sachverhalten, die nicht in der Fallstudie wiedergegeben sind, zu vermeiden. Der Bearbeiter sollte normative Aussagen vermeiden und nicht annehmen, dass allein seine Lösung die einzige "richtige Lösung" ist. Zur Analyse von Stärken und Schwächen als interne Variable einer Organisationseinheit sowie von Chancen und Risiken als externe Determinanten ist häufig die SWOTAnalyse (Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats) eine geeignete Methode. Sie fußt darauf, dass die interne und externe Situation systematisch im Hinblick auf Potenziale hinterfragt werden. Tabelle 1-2 und Tabelle 1-3 zeigen beispielhaft Fragestellungen zur Fallanalyse in Form von Checklisten auf. Diese dürfen jedoch nicht als allgemeingültig gesehen werden. Vielmehr muss der Bearbeiter die Fragestellungen situativ anpassen und auch ergänzen. Das Lernziel beim Bearbeiten von Fallstudien liegt nicht nur im Analysieren und Strukturieren der dargestellten Sachverhalte und Geschehnisse, sondern insbesondere auch in der Herstellung des Bezugs zu einem theoretischen Hintergrund. Dieser Schritt soll den Bearbeiter dahin führen, den Fall auf einer theoretischen Metaebene zu abstrahieren, um den Wert theoretischer Konzeptionen und Methoden als entscheidungs- und handlungsleitende Instrumente im Kontext der Problemstellung zu begreifen. Aus der Vielzahl an Theorien, Ansätze und Konzeptionen, die einen theoretischen Bezugsrahmen aufspannen können, werden einzelne im Kontext der Einführungen zum Prozess-, Programm- und Ressourcenmanagement vorgestellt. Zur Vertiefung sei auf die einschlägige Literatur und die dort ausgewiesenen Quellen verwiesen.

6

Das Arbeiten mit Fallstudien

Tabelle 1-1:

Leitfaden zum strukturierten Vorgehen beim Bearbeiten von Fallstudien

Problemorientierte Fallstudie

Informationsorientierte Fallstudie Typ I (Managementperspektive)

Informationsorientierte Fallstudie Typ II (Vogelperspektive)

1. Situation verstehen

1 Situation verstehen

1. Situation verstehen

Informationen strukturieren und bewerten

Informationen strukturieren, relevante Informationsobjekte identifizieren

Informationen strukturieren, relevante Informationsobjekte identifizieren

2. Probleme diagnostizieren

2. Informationen analysieren

2. Informationen analysieren

Problem- u. Handlungsfelder separieren nach Wichtigkeit; Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken analysieren

Entscheidungen, Strategien, Handlungen erkennen und im Kontext verstehen, Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken analysieren

Unternehmensorganisation und -prozesse erkennen und im Kontext verstehen, Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken analysieren

3. Alternative Lösungsvorschläge entwerfen

3. Erklärungszusammenhänge aufsuchen

3. Erklärungszusammenhänge aufsuchen

Alternativen suchen und Lösungen entwickeln

Entscheidungen und Handlungen in einen theoretischen Bezugsrahmen einordnen

Entscheidungen und Handlungen in einen theoretischen Bezugsrahmen einordnen

4. Konsequenzen projizieren

4.Vorgehen und Verhalten begründen

4. Vorgehen und Verhalten begründen

Entscheidungen und Handlungen im Kontext von Zielen und vor theoretischem Hintergrund begründen

Prozesse und Aktivitäten im Kontext von internen und externen Faktoren vor theoretischem Hintergrund begründen

5. Alternativen/ Entscheidungen/Verhalten evaluieren

5. Wirkungsfelder identifizieren

5. Analyseergebnisse präsentieren

Pro- und Contra-Argumente sammeln, nach Möglichkeit (monetär) quantifizieren

(Potenzielle) Wirkungsfelder von Entscheidungen und Handlungen identifizieren und diskutieren

Erkenntnisse strukturieren, essentielle Zusammenhänge mit soliden Argumenten klar herausstellen

6. Abrunden der Analyse

6. Analyseergebnisse präsentieren

Wirkungen für alle Alternativen abschätzen

Ergebnis der Analyse in Form essentieller Punkte strukturiert darstellen und Aussagen mit soliden Argumenten klar herausstellen

Erkenntnisse strukturieren, essentielle Zusammenhänge mit soliden Argumenten klar herausstellen

7

1.2

1

Fallstudien als Analyseinstrument

Tabelle 1-2:

Fragestellungen zur Analyse organisationaler Stärken und Schwächen

Potenzielle (interne) Stärken

Potenzielle (interne) Schwächen

í Fertigungskompetenz?

í Steigende Fertigungskosten?

í Geeignete Fertigungslogistik?

í Sinkende Produktivität?

í F&E-Fähigkeiten und -führerschaft?

í Schlechte Fertigungslogistik?

í Breite Marktabdeckung?

í Sinkende Innovationsrate?

í Viele Produktlinien?

í Obsolete, enge Produktlinien?

í Fähigkeiten im Portfoliomanagement?

í Schlechter Marketingplan?

í Markenreputation?

í Schlechtes Logistiksystem?

í Gute Vermarktungsfähigkeiten?

í Verlust an Markenreputation?

í Differenzierungsvorteile?

í Verlust an Kundenvertrauen?

í Geeignetes Warenwirtschaftssystem?

í Schlechtes Portfoliomanagement?

í Erfahrungen im Aufbau eines neuen Geschäftsbereichs?

í Ungeeignetes Warenwirtschaftssystem?

í Kompetenz im Informationssystem? í Kompetenz im Personalmanagement? í Angemessener Führungsstil? í Angemessene Organisationsstruktur?

í Ungeeignetes Personal? í Ungeeignetes Informationssystem? í Richtungsloses Wachstum? í Verlust der Organisationsstruktur?

í Angemessenes Controlling-System?

í Rivalitäten zwischen Unternehmensbereichen?

í Gutes Finanzmanagement?

í Verlust der Unternehmenssteuerung?

í Fähigkeit zum Managen eines strategischen Richtungswechsels?

í Unangemessene Organisationsstruktur und unangemessenes Controllingsystem?

í Überzeugende Unternehmensstrategie? í Sonstige

í Hohes Konfliktpotenzial? í Schlechtes Finanzmanagement? í Sonstige

8

Das Arbeiten mit Fallstudien

Tabelle 1-3:

Fragestellungen zur Analyse umfeldbezogener Chancen und Risiken

Potentielle (externe) Chancen

Potentielle (externe) Risiken

í Kerngeschäft ausweiten?

í Angriff auf das Kerngeschäft?

í Neue Marktsegmente besetzen?

í Zunehmende Wettbewerbsintensität im Inland?

í Produktprogramm ausweiten? í Kosten- oder Differenzierungsvorteile nutzen? í In neues Geschäftsfeld diversifizieren? í In ausländische Märkte gehen? í F&E-Fähigkeiten in neuen Anwendungsfeldern einsetzen? í Markenwert in neuen Geschäftsfeldern einsetzen?

í Zunehmende Wettbewerbsintensität im Ausland? í Änderung der Kundengewohnheiten ? í Steigende Eintrittsbarrieren? í Konkurrenz durch neue oder Substitutionsprodukte? í Zunehmende Rivalität? í Neue Formen des Wettbewerbs?

í Neue Geschäftsverbindungen eingehen?

í Potenzial zur Übernahme?

í Vertikale Vorwärtsintegration?

í Gefahr für feindliche Übernahme?

í Vertikale Rückwärtsintegration?

í Zunahme des regionalen Wettbewerbs?

í Ausweiten des Unternehmensportfolios?

í Veränderungen in der Demografie?

í Eintrittsbarrieren überwinden?

í Veränderungen der Produktionsfaktoren?

í Wettbewerbsrivalitäten reduzieren? í Profitable Akquisitionen realisieren? í Schnell wachsende Märkte suchen? í Sonstige

í Drohender Konjunktureinbruch? í Steigende Arbeitskosten? í Verringertes Marktwachstum? í Sonstige

9

1.2

2

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

Die in einem Unternehmen gewachsene Kultur und die von einem Unternehmen entfaltete eigene Sicht der Welt prägen immanent die Unternehmenspolitik. Die Unternehmenspolitik verkörpert somit eine konsensual entwickelte und gewachsene Grundorientierung, aus der sich globale Unternehmensziele für die nachhaltige Existenzsicherung im Wettbewerb ableiten. Das Erreichen der angestrebten Position im Markt bedingt, eine zielwirksame Wettbewerbsstrategie als Weg zum angestrebten Erfolg zu entwickeln. Die Umsetzung der Strategie vollzieht sich zum einen in den Funktionsbereichen des Unternehmens durch eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsprozesse, die zu konzipieren, zu strukturieren und aufeinander abzustimmen sind. Zum anderen erfordert der hohe Grad der internationalen Wertschöpfungsvernetzung erfahrungsgemäß auch die Integration von vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen in die strategische Planung. Die Aufgabe des strategischen Managements besteht darin, zunächst die Dimension des Gestaltungsfelds zu erfassen und in diesem Kontext sowohl die innerhalb des Zeithorizonts nicht beeinflussbaren exogenen Faktoren als auch die gestaltbaren Elemente zu erkennen. Die Managementaufgabe bezieht sich nicht allein auf die strategische Ebene, sondern wirkt auch auf taktischer und operativer Ebene. Typische Aufgabenfelder betreffen das Entwickeln zukunftsträchtiger Erfolgspotentiale, das Positionieren gegenüber Wettbewerbern und Unternehmensumfeld und das Suchen nach geeigneten Strategien unter Fokussierung auf die nutzbaren Potentiale und Ressourcen. Letztlich ist die ausgewählte Strategie als gedanklich ausgearbeiteter Weg in die Zukunft programmatisch festzuschreiben, die Umsetzung zu veranlassen, die Durchführung zu kontrollieren und die Zielerreichung zu sichern.

Dimension des Gestaltungsfelds Nach Porter determinieren die Elemente Absatzmarkt, Beschaffungsmarkt, Innovationen und Konkurrenz den Wettbewerb. Die vier Elemente unterliegen bezüglich ihrer Eigenschaften einer permanenten Entwicklung und haben insbesondere in den letzten Jahrzehnten erhebliche Veränderungen erfahren. Wenn auch in vielen Märkten und Branchen ähnlich verlaufene Entwicklungen zu konstatieren sind, so haben sich nicht in allen ökonomischen Sektoren die Veränderungen in gleicher Weise vollzogen, weshalb fallweise zu differenzieren ist. Insbesondere ist auf Unterschiede in den Konstel-

11

2

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

lationen zwischen Konsum- und Industriegüterbranchen achten. Die nachfolgend aufgezeigten Entwicklungsstände der Determinanten in den Industrieländern vermitteln lediglich intertemporär vergleichend statische Ausschnitte aus dem Veränderungsprozess. Viele Absatzmärkte haben sich von vormals Verkäufermärkten in den vergangenen 40 bis 50 Jahren zu Käufermärkten gewandelt. Zeichneten sich früher Verkäufermärkte durch lokale Begrenztheit der Transaktionen und Massenprodukte für anonyme Kunden aus, so sind Käufermärkte aktuell von Globalität und vielfach der Forderung nach individueller Leistungsdifferenzierung geprägt. Die Entwicklung in den Lieferantenmärkten hat sich – induziert durch den Wandel in den Absatzmärkten – in ähnlicher Weise vollzogen. Prägte früher die Macht der Lieferanten durch Bestimmung über Liefermengen und -termine in Märkten mit weitgehend standardisierten Gütern und Katalogpreisen die Beziehung, dominieren heute überwiegend die Abnehmer mit der Forderung von spezifischen, individuell zugeschnittenen Leistungen bei ausgehandelten Preisen. Infolge der Individualisierung der Vorleistungsnachfrage mit kleinen Liefermengen an spezifischen Gütern und häufigeren Anlieferungen hat sich der Fokus vom dem Bestandsmanagement für Güter auf das Prozessmanagement (bspw. Supply Chain Management) und das Zeitmanagement (bspw. Just in Time) verlagert. Mit sinkender Wertschöpfungstiefe in den Herstellunternehmen änderte sich auch der Rolle der Lieferanten. Ehemals Teile- und Komponentenlieferanten haben in Vorwärtsintegration sich zu Modul- und Systemlieferanten oder Systemintegratoren weiterentwickelt und auf die Erfüllung der spezifischen Kundenwünsche eingestellt. Ein Teil des Wandels in den Beschaffungsmärkten manifestiert sich auch in neuen beschaffungsstrategischen Ansätzen. Wurden standardisierte Güter früher vorwiegend auf lokalen Märkten beschafft, so dominiert heute die globale Beschaffung (Global Sourcing). Gleiche spezifische Güter hingegen werden nur von wenigen Lieferanten (Dual Sourcing) oder lediglich von einem (Single Sourcing) beschafft. Erfahrungsgemäß erwirtschaften erfolgreiche Unternehmen etwa 60 % ihres Umsatzes mit neuen, innovativen Produkten, so dass der Innovationstätigkeit und insbesondere dem Innovationserfolg eine hohe Bedeutung zukommt. Der forcierte Innovationswettbewerb in globaler Dimension zwingt Unternehmen zugleich zur Verkürzung des Zyklus von Produkt- und Prozessinnovationen, worauf der Einsatz der CAD- und IuK-Technologien sowie die Anwendung spezieller Managementmethoden (bspw. Simultaneous Engineering) abzielen. Die Verkürzung des Innovationszyklus induziert in der Tendenz auch die Kontraktion des Marktzyklus. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in technische Forschungs- und Produktionseinrichtungen expandieren hingegen. Infolgedessen geraten innovative Unternehmen zwischen die Schere aus sinkender Produktlebenszeit und steigender Amortisationszeit.

12

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

In vielen Märkten der Industrieländer besteht nur noch ein geringes Wachstum. Infolge der Sättigungstendenzen ist die Konkurrenzsituation durch Rivalität mit einem globalen Verdrängungswettbewerb zwischen den bestehenden Unternehmen geprägt. Weiterhin erwächst Konkurrenz durch Unternehmen, die neu in den Markt eintreten. Das können neu gegründete Unternehmen sein oder Unternehmen, die bisher in anderen Märkten aktiv waren und ihre angestammten Tätigkeiten weiterführen oder auch aufgeben. Beide Effekte führen zu einer Marktbereinigung. Durch Akquisitionen und Fusionen sowie enge Zusammenschlüsse in Netzwerken, Kooperationen und Allianzen versuchen Unternehmen Marktmacht zu gewinnen, um ihre Position zu festigen und einem Ausscheiden aus dem Markt zu entgehen. Beide Effekte führen zur Konzentration von Unternehmen und zur Quasikonzentration durch Unternehmensverbünde sowohl auf Lieferanten- als auch auf Abnehmerseite.

Entfaltung von Erfolgspotentialen Zukunftsträchtige Erfolgspotentiale sichern den Unternehmenserfolg durch komparative Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz. Bei bestehenden Erfolgspotentialen geht es darum, diese für die Zukunft zu sichern. Da Erfolgspotentiale gewöhnlich nur für eine gewisse Zeitspanne einen kompetitiven Vorteil gewähren können und infolge Aufholens der Konkurrenz das Halten des Vorteils bedroht ist, sind neue Erfolgspotentiale aufzubauen. Managementpotential, Kundennutzen, Prozesskontrolle und Soft Skills gelten als vier essentielle Erfolgspotentiale. Die Fähigkeiten des Unternehmensmanagements zeichnen sich dadurch aus, in wie weit es gelingt, die Verfügung über wichtige Ressourcen, wie bspw. Forschungskapazität, Patente, Humankapital, Lieferquellen u.a.m., zu sichern. Von Bedeutung ist, dass die Ressourcen nicht in jedem Fall von einem Unternehmen zu akquirieren sind. Vielfach ist es ausreichend, mittels enger Kooperationsbeziehungen über deren Nutzung zu verfügen. Das Ziel besteht in jedem Fall darin, durch den gebündelten Einsatz der Ressourcen einen beträchtlichen Anteil an innovativen Produkten und mit diesen Produkten einen hohen Marktanteil zu realisieren. Das letztgenannte Ziel wird durch eine auffällige Kundenzufriedenheit erreicht, ein Zeichen dafür, dass es dem Management gelungen ist, eine Leistung mit überragendem Kundennutzen hervorzubringen. Dieser manifestiert sich bspw. in überlegener Technologie und konkurrenzloser Qualität sowie in der Schnelligkeit ('Time to Market') und der Flexibilität, auf Marktforderungen zu antworten sowie Forschungs- und Entwicklungsergebnisse in innovative Marktleistungen umzusetzen. Prozesskontrolle bedingt, dass die Prozesse entlang der Wertschöpfungskette (Supply Chain, Fertigung, Montage, Vertrieb) sicher gesteuert und beherrscht werden, damit keine Unregelmäßigkeiten, Störungen oder Fehler auftreten. Sollten dennoch Prozesse

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2

den vorgegebenen Pfad verlassen, so sind schnell wirksam Sicherungsmaßnahmen einzuleiten, um die Abweichungen zu korrigieren. Unternehmenskultur, -image, -organisation und -vernetzung sind weiche Faktoren, die über das Verhalten der Organisationsmitglieder in hohem Maße auf den Unternehmenserfolg einwirken. Diese so genannten Soft Skills haben sich in einem organisationalen Sozialisierungsprozess entwickelt, verkörpern quasi das genetische Gut eines Unternehmens. Selbst die Mitarbeiter als Träger der Werte und Eigenschaften können die Eigenheiten und die Besonderheiten des Wesens einer Organisation nur selten explizieren. Infolgedessen sind diese organisationseigenen Fähigkeiten von Außenstehenden kaum erkennbar und nicht oder zumindest nicht kurzfristig zu imitieren.

Positionierung im Wettbewerb Die Unternehmenspolitik prägt das Auftreten von Unternehmen im Wettbewerb, wobei charakteristische Verhaltensweisen erkennbar sind. Die strategische Positionierung kann sich im Spektrum von Defensive bis Offensive und in der Bandbreite von Innovation bis Imitation bewegen (vgl. Tabelle 2-1).

Tabelle 2-1:

Strategische Positionierung Bereitschaft zu Veränderungen

Strategische Positionierung

2

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

progressiv

moderat

Folger

Innovationsfolger Kreativer Imitator

Technologiefolger Kopierender Imitator

Pionier

Innovationsführer

Technologieführer

Defensives Verhalten zeichnet sich durch das Verteidigen der bisherigen Position, durch Festhalten an Paradigmen und traditionellen Handlungsweisen aus. Charakteristisch ist häufig das Ausruhen auf den Erfolgen der Vergangenheit. Mitunter erfolgt reaktiv eine Orientierung am Verhalten des Wettbewerbers durch Benchmarking oder auch Nachahmung. Offensive Unternehmen suchen hingegen proaktiv nach Optionen für neue Geschäftsfelder oder der Sicherung einmaliger Ressourcen. Sie loten Adaptionspotentiale der Organisationsstruktur aus und ändern prospektiv die tradierten Verhaltensweisen.

14

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

Innovationsführer wollen im Wettbewerb um Innovationen durch innovative Leistungen bestehen bspw. im Leistungsprogramm, in den funktionalen Prozessen, in der Unternehmensorganisation oder den Kooperationsbeziehungen. Pionierunternehmen versuchen Wettbewerbsvorteile durch einen frühen Markteintritt – und eventuell auch einen frühen Marktaustritt – zu erlangen, können somit Barrieren für Wettbewerber setzen. Technologieführer zeigen im Vergleich zu Innovationsführern eine eher moderate Bereitschaft zu Veränderungen. Sie positionieren sich als Pioniere in der Technologieentwicklung, zögern jedoch, Entwicklungsergebnisse schnell in innovative Leistungen umzusetzen. Vielfach verfolgen diese eher die Strategie, technologische Leistungen durch Patente abzusichern und diese zu vermarkten. Beide strategischen Positionierungen im Wettbewerb – Innovations- und Technologieführer – bergen erhebliche Risiken. Innovations- oder Technologiefolger hingegen streben eine sichere Position mit geringem Risiko an. Eintritt in und Austritt aus einem Markt bzw. einer Technologie erfolgen deshalb verzögert. Allerdings kann sich das Problem, Wettbewerbsbarrieren überwinden zu müssen, als ganz erheblich herausstellen. Hinsichtlich des imitativen Verhaltens von Verfolgern ist zwischen kreativer und kopierender Imitation zu unterscheiden. Kopierendes Verhalten zeugt gewöhnlich von einer gewissen Hilflosigkeit und ist vermehrt bei Technologiefolgern als Organisationen mit moderater Bereitschaft zu Veränderungen zu finden, wenn diese versuchen, für eine bekannte Problemlösung eine anders geartete Lösung (zur Umgehung von Patenten) zu finden. Kreativ imitierendes Verhalten kann insbesondere bei einem Innovationsfolger mit tendenziell progressivem Verhalten zum Erfolg führen und den Pionier sogar überflügeln. Erfahrungsgemäß wird etwa die Hälfte der Pionierunternehmen durch Innovationsfolger verdrängt. Demzufolge gibt es zahlreiche Beispiel für erfolglose Pioniere und erfolgreiche kreative Imitatoren (s. Tabelle 2-2). Auch ist es keineswegs sicher, dass der erfolgreiche Pionier sich auf Sicht einen größeren Marktanteil als der frühe Marktfolger sichern kann.

Strategieentwicklung im Produktionsmanagement Prozess-, Programm- und Ressourcenmanagement stehen als die drei wesentlichen Managementperspektiven im Fokus der Fallstudien. Die drei Sichten stellen keine Alternativen im Sinne eines "Entweder – Oder" dar, sondern sie ergänzen sich. Sie zeigen komplementäre Sichten auf einen Managementkubus aus drei unterschiedlichen Perspektiven, wobei jeweils die eine Sicht gegenüber den beiden anderen Sichten hervorgehoben wird, um das Themenfeld einzugrenzen und das Problemfeld herauszustellen. Bei der Entwicklung der Wettbewerbsstrategie, ausgerichtet auf eine angestrebte Wettbewerbsposition, erlangt der Fit von Prozess-, Programm- und Ressour-

15

2

2

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

cenmanagement in Verzahnung von Produktions- und Absatzbereich eine hohe Relevanz.

Tabelle 2-2:

Erfolglose Innovatoren, erfolgreiche Imitatoren Produkt

Pionier

Kreativer Imitator

Light-Brause

Royal Crown

Coca Cola

Videorecorder

Ampex

Sony, Matsushita

Walkman

Andreas Pavel

Sony

Höschenwindel

Chux

Procter & Gamble

Faxgerät

Rudolf Hell

Canon, Sharp, Matsushita

Computer

Konrad Zuse

IBM

Wankelmotor

Felix Wankel/NSU

Mazda

Computerspiele

Nintendo

Sony/Microsoft

Anhand mehrerer empirischer Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Strategie und Markterfolg fand Porter heraus, dass Unternehmen mit einem sehr großen Markanteil und Unternehmen mit einem sehr kleinen Marktanteil signifikant erfolgreicher sind als Unternehmen mit einem mittleren Marktanteil. Daraus lassen sich unter Erweiterung des Konzepts von Porter vier generische Strategien für Unternehmen ableiten: Innerhalb einer Branche mit einem breitem Markt stehen kostenorientierte Differenzierung mit dem Ziel der umfassenden Kostenführerschaft oder leistungsorientierte Differenzierung mit dem Streben der Einzigartigkeit als Erfolgsstrategien für Marktführer zur Wahl. In Beschränkung auf ein engeres Marktsegment sind kostenorientierte Fokussierung mit Rückzug auf das Kerngeschäft oder leistungsorientierte Fokussierung auf Alleinstellungsmerkmale die Erfolg versprechenden Alternativen für Spezialisten (vgl. Tabelle 2-3). Porter sah lange Zeit hybride Strategien aus der Kombination von Kostenführerschaft und Differenzierung als miteinander unvereinbar, als ein "Sitzen zwischen den Stühlen". Dass auch ein Strategiemix zum Erfolg führen kann belegen bspw. die hybriden Strategien Mass Customization und Mass Differentiation. Porter schloss aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen, dass Unternehmen mit einem mittleren Marktanteil zu klein sind, um mit Marktführern mitzuhalten, und zu groß, um mit Spezialisten zu konkurrieren. Unternehmensnetzwerke unterschiedlicher Art belegen hingegen, dass Unternehmen in mittlerer Position durch die Strategie der Wertschöpfungsvernetzung durchaus erfolgreich operieren können.

16

Einführung zum Strategischen Produktionsmanagement

Tabelle 2-3:

Generische Strategien für Unternehmen

Strategisches Zielobjekt

Strategischer Vorteil beim Käufer Kostenvorsprung

Einzigartigkeit

Branche

Kostenorientierte Differenzierung Risikostreuer

Leistungsorientierte Differenzierung Prospektor

Segment

Kostenorientierte Fokussierung Verteidiger

Leistungsorientierte Differenzierung Innovator

Literaturhinweise Kaluza, B. und Blecker, Th.: Wettbewerbsstrategien – Markt- und ressourcenorientierte Sicht der strategischen Führung. Konzepte – Gestaltungsfelder – Erfolgreiche Umsetzungen, TCW-report Nr. 16, München 2000. Porter, M. E.: Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance, Free Press, New York et al. 2004. Porter, M. E.: Competitive Strategy, Free Press, New York et al. 2004. Welge, M.K. und Al-Laham, A.:Strategisches Management: Grundlagen – Prozess – Implementierung, 4. aktualisierte Auflage, Nachdruck Wiesbaden 2005.

17

2

3

3.1

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Fallstudienbeschreibung

Fallstudie Katharina Mönckenberg gründete vor drei Jahren das Unternehmen "Backblitz.de", mit dem sie i.S.e. Internet-Brokers diverse Torten und Kuchen über das Internet an Kunden verkauft. Unter der Internetadresse ihres Unternehmens können die Kunden aus einer vglw. eng umrissenen Vielfalt an diesbezüglichen Backwaren auswählen. Ein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb stellt aus Sicht von "Backblitz.de" dar, dass Katharina Mönckenberg ihren Kunden die Auslieferung der Torten und Kuchen nicht beliebig im Laufe eines Tages in Aussicht stellt; vielmehr bietet sie ihren Kunden über die Maßgabe einer Internetbestellung an, die Backwaren innerhalb von plus/minus einer Stunde zu einem vereinbarten Zeitpunkt ausliefern zu lassen. Hierbei kann die Auslieferung über Logistikpartner von "Backblitz.de" zu jedem vereinbarten Zeitpunkt zwischen 7:30 Uhr morgens und 18:30 abends erfolgen. Damit diese Logistikdienstleistung für die Kunden erbracht werden kann, arbeitet "Backblitz.de" mit drei Lieferanten zusammen, welche die Auslieferung der Backwaren an die Internetbesteller übernehmen. Eine im vergangenen Jahr durchgeführte Analyse der Auslieferungspünktlichkeit über die drei Auslieferungspartner hinweg ergab, dass der durchschnittliche Auslieferungszeitpunkt 29,5 Minuten nach dem zwischen "Backblitz.de" und seinen Kunden vereinbarten Zeitpunkt erfolgt (Standardabweichung 13,3 Minuten). In ihrem ersten Geschäftsjahr verzeichnete Katharina Mönckenberg einen Umsatz von rund 30.000 Euro, mittlerweile – in ihrem dritten Geschäftsjahr – sind dies bereits 150.000 Euro. Sie beschäftigt gegenwärtig eine Büroangestellte, welche ihr u.a. dabei hilft, die über das Internet oder per E-Mail bzw. Telefon eingehenden Bestellungen von Torten und Kuchen anzunehmen. Diese Tätigkeit umfasst u.a. auch das Verfassen eines (i.d.R. elektronischen) Antwortschreibens an die Auftraggeber sowie das Auswählen eines geeigneten Bäckers, der die eigentliche physische Wertschöpfung zur Herstellung der bei "Backblitz.de" bestellten Torten und Kuchen vollzieht. Insgesamt arbeitet "Backblitz.de" mit mehreren Bäckereien zusammen. Die dort – aufgrund der 19

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

räumlichen Nähe zum Kunden quasi "vor Ort" produzierten Backwaren werden dann von einem der drei Logistikpartner des Unternehmens abgeholt und – i.S.e. Kuriertransportdienstleistung – direkt zum Kunden verbracht. Vor dem Hintergrund eines Deckungsbeitrags von weniger als 10 % besitzt Katharina Mönckenberg derzeit noch nicht über die finanziellen Möglichkeiten, eine weitere Angestellte zu beschäftigen. Ein Großteil ihrer Arbeitszeit verbringt Katharina dennoch damit, Kundenbeschwerden über unpünktliche – das heißt nicht innerhalb des vereinbarten Zeitkorridors ausgelieferten – Backwarenzustellungen zu bearbeiten. Häufig sind die Auslieferungen durch die drei Logistikpartner verspätet, in Einzelfällen auch verfrüht. In einer Analyse der Verspätungen stellt sie fast, dass die von den drei Partnern "CargoCake", "Delight" und "Express" ausgelieferten Backwaren mit Blick auf die Zustellungszeitfenster große zeitliche Schwankungen aufweisen. Trotz der teilweise stark angestiegenen Beschwerden von Kundenseite hat Katharina Mönckenberg es bislang vermieden, sich ihrerseits bei den drei Logistikpartnern zu beschweren, da sie die Liefer- und Zahlungskonditionen zwischen "Backblitz.de" und den Partnern jeweils noch immer auftragsindividuell verhandeln muss. Die Alternativlösung der Versendung der Torten und Kuchen per etabliertem Kurierdienstleister wäre sehr viel teurer für "Backblitz.de". Katharina Mönckenberg hat zur Ursachenanalyse einen Kunden, zu dem sie bereits längere Geschäftsbeziehungen unterhält, exemplarisch nach der Auslieferungszeit befragt. Dieser Kunde erhielt in den vergangenen zwei Wochen an jedem Tag (außer Sonntags) jeweils eine Auslieferung von jedem der drei Logistikpartner. Die Abweichungen – notiert in Minuten – lauten wie folgt (negative Werte indizieren eine verfrühte Anlieferung): Mo CargoCake

Di

Mi

Do

Fr

Sa

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

60

45

40

70

60

50

60

65

40

20

40

70

Delight

-15

45

70

80

0

-20

50

50

0

-20

40

70

Express

20

30

15

20

30

25

30

15

80

40

20

40

Fragen zur Fallstudienbearbeitung: 1. Evaluieren Sie die Lieferungsperformanz der drei Logistikpartner von "Backblitz.de". 2. Welche Empfehlungen geben Sie Katharina Mönckenberg zur Verbesserung der Geschäftssituation von "Backblitz.de" vor dem Hintergrund Ihrer Analyse?

20

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

3.2

Fallstudienbearbeitung

Disposition 1.

Themenöffnung

2.

Grundlagen der Qualitätsplanung und -verbesserung

3.

4.

2.1.

Stellenwert des Qualitätsmanagements für Serviceunternehmen

2.2.

Einordnung von Qualitäts- und Lieferantenmanagement in den Bezugsrahmen der Fallstudie

Darstellung der Kontextfaktoren von "Backblitz.de" 3.1.

Skizzierung der Ausgangssituation

3.2.

Identifizierung der wesentlichen Problemfelder

Formulierung eines Lösungszugangs für "Backblitz.de" 4.1.

Konzeptualisierung eines Portfolios alternativer Lösungsmöglichkeiten

4.2. Priorisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen 5.

1.

Zusammenfassung

Themenöffnung

Der Markterfolg von Dienstleistungen ist zu einem nicht unerheblichen Teil an die von den Leistungsempfängern wahrgenommenen Kerncharakteristika des nachgefragten Service gekoppelt. Dabei spielt insbesondere die zeitliche Komponente, also die "Zeitkritizität" bzw. "Zeitadäquanz" einer Leistungserbringung, eine große Rolle im Hinblick auf die Ausprägung eines Zufriedenheitsurteils von Konsumenten.1 Am Beispiel der Fallstudie "Backblitz.de" lässt sich exemplifizieren, dass die zeitkonforme Erbringung einer Dienstleistung – im anliegenden Beispiel verdichtet auf die Herstel-

1

Die spezifische Zeitkritizität einer Dienstleistung resultiert nicht zuletzt auch daraus, dass die Herausbildung von Zufriedenheitsurteilen der Nachfrager im Gegensatz zur Evaluierung von industriellen Produkten bspw. dadurch besonders prominent beeinflusst wird, dass bei einer Dienstleistung der Zeitpunkt der Leistungserbringung und der Zeitpunkt der Leistungsnachfrage faktisch zusammenfallen, d.h. es besteht für den Leistungserbringer keine Möglichkeit zu einer "Nachbesserung" bzw. "Nachbearbeitung" seiner angebotenen Leistung. Für die Herausbildung von Zufriedenheitsurteilen hat diese Charakteristik der Dienstleistungserbringung besondere Bedeutung.

21

3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

lung und Auslieferung von Torten – einen signifikanten Stellenwert für den Bestand und den Erfolg eines Unternehmens aufweist. Während Maßnahmen zur Qualitätsplanung und -verbesserung in der Industrie, bzw. in Unternehmen welche eine physische Leistungserstellung generieren, primär auf die Gewährleistung einer – aus Kundensicht wahrgenommenen und zu eruierenden – Produktqualität mit Blick auf einwandfreie physikalisch-chemisch-technische Produkteigenschaften abhebt, rückt bei Serviceunternehmen der Aspekt der zeitkonformen Leistungserstellung verstärkt in den Blickpunkt von Qualitätsmanagementbemühungen. Im Fall des Unternehmens "Backblitz.de" ist dieser Aspekt doppelt kritisch, da die Auslieferung der Torten nicht vom Unternehmen selbst, sondern von Lieferanten bzw. Logistikpartnern übernommen wird. Insofern fokussiert die vorliegende Fallstudie also einerseits auf die Akzentuierung des besonderen Stellenwerts von Qualitätsplanung und -verbesserung bei zeitkritischen Dienstleistungen, andererseits auf die spezifischen Anforderungen, die daraus erwachsen, dass ein signifikanter Teil des Leistungsangebots von Lieferanten i.S.v. Wertschöpfungspartnern erbracht wird. In Kapitel 2 werden i.d.S. die Grundlagen zur Qualitätsplanung und -verbesserung herausgearbeitet; die Ausführungen haben hier den Charakter eines "Bezugsrahmens" inhaltlicher Art. Während die Ausführungen in Kapitel 2 nicht umfassend auf die Spezifika von "Backblitz.de" zugeschnitten sind, sondern eher generischen Charakter aufweisen, fokussieren die Überlegungen in Kapitel 3 in extenso auf die Kontextfaktoren des im Blickpunkt stehenden Unternehmens. In Kapitel 4 werden darauf aufbauend Lösungsmöglichkeiten skizziert, um den qualitativen Aspekt der Serviceerbringung durch "Backblitz.de" fallstudienbezogen auszubauen. Die Überlegungen werden in Kapitel 5 zusammengefasst.

2.

Grundlagen der Qualitätsplanung und -verbesserung

2.1. Stellenwert des Qualitätsmanagements für Serviceunternehmen Qualitäts(management-)bemühungen haben für Unternehmen der leistungserstellenden Industrie bereits seit längerem einen wichtigen Stellenwert. Ausgehend von Ansätzen und Konzepten wie bspw. dem "House of Quality" und dem "Quality Function Deployment" werden seit einigen Jahrzehnten Qualitätsbemühungen in derartigen leistungserstellenden Systemen etabliert und laufend kalibriert.2 Mit anderen Worten, in Industrieunternehmen kann bei der Qualitätsplanung und -verbesserung auf eine längere Tradition zurückgeblickt werden. Doch der Qualitätssicherungsaspekt ist nicht nur für physisch greifbare Produkte erforderlich; bei der heute vorherrschenden weitgehenden Substituierbarkeit der angebotenen Produkte liegt ein Marktvorteil von

2

22

Zum Konzept des Quality Function Deployment und des House of Quality vgl. stellvertretend Herrmann / Huber (2000), S. 27ff.

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

industriellen Anbietern auch bereits wesentlich im Bereich des Service3. Somit ergibt sich die Situation, in der sowohl Unternehmen, deren originäres Kerngeschäft primär auf die Hervorbringung von physisch umschreibbaren Produkten fokussiert, als auch Leistungsanbieter, deren wesentliches Geschäftsmerkmal die Bereitstellung eines Serviceangebots umfasst, auf Qualitätsplanung und -verbesserung in besonderem Umfang achten sollten. Für Unternehmen des Dienstleistungsgewerbes wird ein Qualitätsmanagementsystem erforderlich, wenn zur Hervorbringung des Services mehrere Leistungspartiale – und ggf. entsprechende Anbieter – gekoppelt werden müssen, da die Nachfrager auf den Absatzmärkten die Priorisierung ihrer jeweiligen Leistungs- bzw. Servicenachfrage ganz wesentlich von der von ihnen wahrgenommenen Servicequalität abhängig machen.4 Insbesondere die Transportkomponente vermag einen signifikanten Beitrag zur Generierung von als positiv perzipierten Qualitätsempfindungen leisten. Dieser Aspekt ist ebenso bedeutsam für die Herausbildung von subsequenten Zufriedenheitsurteilen durch die Servicenachfrager. Zu betrachten und gegebenenfalls zu optimieren sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich alle Stufen eines Qualitätsmanagementsystems, von der Qualitätsplanung über Qualitätslenkung und Qualitätssicherung bis hin zur Qualitätsverbesserung. Aufgabe der Qualitätsplanung ist es, die Bedürfnisse der Kunden in Anforderungen an das Produkt oder auch an eine Dienstleistung und seine Komponenten umzusetzen. Qualitätsplanung umfasst über diese Produktplanung hinaus auch die Planung der Verfahren und der Prozesse, die zu den gewünschten Produktmerkmalen führen sollen. Neben der Planung der Merkmalsausprägungen stehen bei der Qualitätsplanung, zumindest bei physischen Produkten, die Festlegung von Prozess- und Prüfablaufplänen sowie detaillierter Arbeits- und Prüfanweisungen im Vordergrund. Im Bereich der (immateriellen) Dienstleistungen ist es möglich, Prozessablaufpläne aufzustellen. Diese würden dann einen idealtypischen Ablauf der Dienstleistungserstellung darstellen. Ziel ist es, eine Optimierung der Prozesse zu erreichen; d.h. Unternehmen können eine Supply Chain bilden, bei der von der Ebene der Lieferanten bis hin zur Ebene der Endkunden die gesamte Produktionskette optimiert wird.5 Hiervon versprechen sich die Unternehmen vor allem eine bessere Position in einem globalen Wettbewerb, wobei das Hauptaugenmerk auf kürzeren Lieferzeiten, und mithin insbesondere auf der Pünktlichkeit der erbrachten Leistung, liegt. Der Kunde hat im Allgemeinen sehr spezifische Vorstellungen und Wünsche bzgl. der Leistung eines Distributionsmodells bzw. Lieferantenservices, welche sich jeweils

3

4 5

Industrielle Dienstleistungen arrondieren i.d.S. die von einem Industrieunternehmen angebotenen Produkte und generieren für die Konsumenten damit einen Zusatznutzen, der das Produktspektrum des Industrieanbieters sinnvoll ergänzt. Vgl. Pfohl (1990), S. 25. Vgl. zu diesem Aspekt Anschütz / Friedrich ( 2002), S. 15ff.

23

3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

einem der Erfolgsparameter6 zuordnen lassen. Erfolgsparameter des Lieferservice7 sind Lieferzeit8, Lieferzuverlässigkeit9, Lieferungsbeschaffenheit und Lieferflexibilität10. Diese Parameter erlauben auf einfache Art und Weise eine qualitative und quantitative Beschreibung oder Beurteilung einer Logistikleistung. Der Kunde fordert – etwas vereinfacht formuliert – in Bezug auf Servicedienstleistungen damit in erster Linie Qualität und Service bei der (Zeit-) Logistik. Qualität und Service aus der Sicht der Kunden implizieren damit primär Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Lieferung.11 Der Endkunde hat, wie oben genannt, verschiedene Präferenzen bzgl. der Erfolgsparameter, welche sich nach Qualitäts- und Serviceaspekten aufteilen lassen. Eine geringe Lieferzeit zum Beispiel bietet einen Ansatzpunkt zur Präferenzbildung bei den Kunden und dient somit zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen gegenüber den Konkurrenten. In der vorliegenden Arbeit werden Lieferzeit und Lieferflexibilität als Bestandteile des Service angesehen. Unter der Voraussetzung, dass eine Warensendung den Kunden erreicht, ist die Lieferzeit ein Grundcharakteristikum der Zustellung. Eine Optimierung dieses Parameters (z.B. Verkürzung der Lieferzeit) stellt damit einen Mehrwert (Service) für den Kunden dar, der originär in Bezug auf die "Ursprungsleistung" nicht zwingend zu erbringen ist – und damit potentiell zusatznutzenstiftend und begeisterungsanforderungserfüllend ist.12 Ähnlich sieht es mit der Lieferflexibilität aus. Hier entscheiden die verschiedenen Modalitäten über das Leistungsspektrum, das dem Kunden angeboten wird. Grundsätzlich kann damit alles, was über die erfolgreiche Zustellung der Sendung hinausgeht, als zusätzliche Serviceleistung betrachtet werden.

6

Der Terminus Erfolgsparameter rekurriert hier darauf, dass die zeitnah-pünktliche Erbringung einer Leistung durch die Maßgabe ihres Einflusses auf die Kundenzufriedenheit letztlich auch den Unternehmenserfolg einer Operation beeinflusst. 7 Lieferservice ist eine Dienstleistung, die die organisierte Auslieferung von Produkten des eigenen oder eines fremden Unternehmens betreibt. 8 Die Lieferzeit beschreibt die Zeit zwischen Auftragsübermittlung vom Kunden zum Lieferanten und Ankunft der bestellten Ware beim Abnehmer. 9 Die Lieferzuverlässigkeit gibt an, ob der zugesagte Liefertermin eingehalten werden kann. Außer der Termintreue, also der Übereinstimmung zwischen Kundenwunschtermin und realisiertem Liefertermin, (d.h. sie ist ein Maß für den Grad der Einhaltung der zwischen Lieferant und Kunde abgestimmten Termine) enthält die Lieferzuverlässigkeit auch eine Aussage zur Lieferbereitschaft eines Distributionssystems. Sie drückt die Wahrscheinlichkeit aus, mit der eine Bestellung aus dem Lagerbestand bedient werden kann. 10 Zur Lieferungsbeschaffenheit wird zum einen die Liefergenauigkeit, das heißt die Genauigkeit hinsichtlich Art und Menge der bestellten Artikel einer Lieferung, und zum anderen der Zustand der Lieferung gezählt. Die Lieferflexibilität eines Distributionssystems hängt von den festgelegten Auftrags- und Liefermodalitäten, dem Grad des Informationsaustauschs und der Kompatibilität der Logistiksysteme der Partner ab. 11 Vgl. Pfohl (1990), S. 25ff. 12 Vgl. ebenda, S. 26ff.

24

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Anders verhält es sich mit den Parametern Lieferzuverlässigkeit und Lieferungsbeschaffenheit. Werden bspw. zugesagte Lieferzeitpunkte nicht eingehalten, dann werden den Kunden garantierte Leistungen nicht vollständig erbracht. Diese Parameter entscheiden also über die Qualität der Logistikleistung. Zusammenfassend bedeutet dies, dass ein reibungsloser Servicegenerierungsprozess nur dann realisiert werden kann, wenn kurze Lieferzeiten bei gleichzeitig hoher Liefertreue gewährleistet sind. Mit anderen Worten, Lieferzuverlässigkeit13 und Lieferungsbeschaffenheit14 determinieren majorell die Qualitätswahrnehmung einer Dienstleistung, wohingegen die Lieferzeit und die Lieferflexibilität15 zentrale Charakteristika eines Service als solchem darstellen.

Abbildung 3-1:

Qualität-Service-Tabelle Qualität

Lieferzuverlässigkeit

Service Lieferzeit

Lieferbereitschaft Zuverlässigkeit der Arbeitsabläufe Lieferungsbeschaffenheit

Lieferflexibilität

Liefergenauigkeit

Auftragsmodalitäten

Zustand der gelieferten

Liefermodalitäten

Produkte

Informationsverfügbarkeit

Wird innerhalb eines Logistiksystems ein Erfolgsparameter verändert, so ist es nicht zu vermeiden, dass auch andere Parameter von dieser Manipulation beeinflusst werden. Aufgrund dieser umfassenden Interdependenzen zwischen den einzelnen Parametern und Charakteristiken spricht man oftmals auch von einem sog. Wirkungsdreieck zwischen Service, Qualität und Kosten. Der Zusammenhang zwischen Lieferzeit und Kundentreue ist demnach insgesamt nicht zu unterschätzen. Dass besondere Leistungsfähigkeit auf dem Gebiet des Logistikservice die Attraktivität eines Angebots zu erhöhen vermag, unterliegt nach den oberen Ausführungen keinem Zweifel. Wird allerdings das Verhältnis der Anzahl der qualitätsrelevanten Kundenanforderungen zu der Anzahl der servicerelevanten Kundenanforderungen betrachtet, so ist festzustellen, dass hier eindeutig die Anzahl der Forderungen an den Serviceaspekt, sprich 13

Lieferbereitschaft und die Zuverlässigkeit der im Serviceunternehmen ablaufenden Arbeitsprozesse sind hier wesentliche Gestaltungsfelder für ein betriebliches Qualitätsmanagement. 14 Hierin sind insbesondere die Liefergenauigkeit und der Zustand der gelieferten Serviceprodukte zu subsumieren. 15 Diese findet ihren Niederschlag in adäquaten Auftrags-, Liefer- und Zahlungsmodalitäten sowie der grundsätzlich gewährten Informationsverfügbarkeit.

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3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Schnelligkeit der Lieferung und mit Blick auf die Auslieferung ein verhältnismäßig eng umrissenes Zeitfenster, überwiegt.16 Die Pünktlichkeit einer Lieferung ist demnach maßgebliches Kriterium, um den Endkunden bei der Warenzustellung zufrieden zu stellen. Die Endkunden betrachten die Qualität einer Lieferung vielmehr als Grundvoraussetzung einer Zustelleistung. Wird diese nicht erfüllt, so werden zukünftige Bestellungen generell in Frage gestellt. Folgekäufe bzw. Shop- und Anbietertreue sind kaum zu erwarten, wenn auch das sog. "Fulfillment"17 misslingt. Entscheidend ist vielmehr, ob bestellte bzw. gekaufte Waren tatsächlich rechtzeitig und in der richtigen Beschaffenheit ausgeliefert werden.18 Gerade wenn ein Webshop Waren anbietet, die in gleicher Form im Sortiment anderer Webshops enthalten sind, kann man über den reinen Preiswettbewerb hinaus eine solche zuverlässige Information über Lieferbarkeit und Liefertermin als Kaufargument etablieren. Die Akquisition eines Auftrags hängt in diesem Fall oftmals weniger von der Preiswürdigkeit und Qualität eines Angebots ab, die man gewissermaßen als selbstverständlich voraussetzt, als vielmehr von der Schnelligkeit und Termintreue, mit der das betrachtete Unternehmen seine Waren liefert oder eine Leistung erbringt. Die Logistik, insbesondere der Serviceaspekt der Logistik, wird damit zum zentralen Erfolgsfaktor im eCommerce19. Nur Anbieter, denen es gelingt, die von den Nachfragern bestellten Waren in kürzester Zeit zuverlässig und ohne Beschädigungen an den richtigen Ort zu liefern, können ihre Kunden von einem Wiederkauf überzeugen. Hierzu müssen eCommerce-Anbieter entweder über die entsprechenden Ressourcen oder Fähigkeiten verfügen oder aber entsprechende strategische Partnerschaften mit Logistikdienstleistern eingehen, um Lieferzeit und -zuverlässigkeit sicherzustellen. Somit kommt für Unternehmen mit derartigen Geschäftsmodellen der Liefer- und Servicebereitschaft (der kontraktierten Lieferanten) als absatzpolitisches Instrument eine Vorrangstellung zu.20

2.2. Einordnung von Qualitäts- und Lieferantenmanagement in den Bezugsrahmen der Fallstudie In einigen Wirtschaftszweigen existiert ein so hoher Wettbewerb, dass eine auch nur geringfügige Überschreitung der branchenüblichen Lieferzeit erhebliche Umsatzein16 17

Vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen (1997), S. 504. Verstanden als Gesamtheit aller Aktivitäten, die nach dem Vertragsabschluß der Belieferung des Kunden dienen. 18 Vgl. Zsifkovits ( 1993), S. 49. 19 Als eCommerce wird die Form der Geschäftsbeziehungen bezeichnet, bei der über das Internet eine unmittelbare Handels- oder Dienstleistungsbeziehung zwischen Anbieter und Abnehmer abgewickelt wird. Hier werden standardisierte Produkte in Form eines Kataloges auf der Webseite platziert und es besteht die Möglichkeit, diese auch online zu kaufen. 20 Vgl. Hochlehnert ( 2001), S. 97ff.

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Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

bußen zur Folge hat.21 Die betroffenen Unternehmen sollten daher bemüht sein, die "kritische Grenze" keinesfalls zu verletzen. Welche Zeitvorstellungen sich damit verbinden hängt von der jeweiligen Branche ab. So erwartet man bspw. im Backwarengeschäft, dass die Unternehmen eine am Vormittag eingehende Bestellung noch an demselben Tag ausführen, während die Kunden bei der Lieferung von industriellen Großanlagen u.U. bis zu fünf Jahre "Wartezeit" in Kauf nehmen.22 Da die meisten Unternehmen zwischen 50–70% ihres Nettoumsatzes für Fremdleistungen in Form von Gütern oder Dienstleistungen ausgeben,23 übersteigt der wertmäßige Beitrag der Lieferanten zur Gesamtleistung des Unternehmens fast immer die eigene Wertschöpfung. Die Performance und Qualität der Lieferanten bestimmen somit signifikant Leistungsfähigkeit und Qualität der von einem Anbieter an seine Absatzmärkte dislozierten Produkte. Die Zuverlässigkeit der Produkte ist ein wichtiger Baustein der Kundenzufriedenheit. "Defektraten" spielen eine entscheidende Rolle in der Kundenbeurteilung. Viele "Defekte" sind lieferanteninitiiert.24 "Perfekte" Lieferanten, sog. Null-Fehler-Lieferanten steigern damit unmittelbar die Kundenzufriedenheit. Diese Art von Lieferanten fallen, salopp formuliert, nicht vom Himmel. Im Gegenteil: Sie sind das Ergebnis eines langen, und das Verhältnis zum Lieferanten stark verändernden Prozesses im Lieferantenmanagement. Daher sind Lieferantenbeziehungen auch kein Selbstzweck. Sie sollten vielmehr den Zielen des Unternehmens dienen und mit ihnen kompatibel sein. Beziehungsmanagement ist besonders wichtig, weil die Lieferantenbeziehungen einen so starken Einfluss auf die Unternehmensziele wie kontinuierliche Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Profitabilität und langfristige Unternehmensentwicklung haben.25 Da sich das in der Fallstudie betrachtete Unternehmen "Backblitz.de" nur auf wenige Kernkompetenzen konzentriert, ist es mit Blick auf die Agglomeration und Bündelung seines eigenen Leistungsspektrums stark von der Performance seiner vorwertschöpfenden und transportdienstleistenden Lieferanten abhängig.

21 22 23 24 25

Vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen (1997), S. 504. Vgl. ebenda, S. 505. Vgl. Simon / Homburg ( 1995), S. 78. Vgl. ebenda, S. 84. Vgl. Fritz ( 2001), S. 391ff.

27

3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Abbildung 3-2: Kriterien für die Auswahl von Lieferanten Rangfolge Auswahlkriterien sehr wichtig

1. Qualitätsstandard 2. Preise 3. Termintreue 4. Lieferzeit 5. Service 6. Flexibilität bei Bestelländerungen 7. Integrationswilligkeit bzgl. Qualitäts- und

weniger wichtig

Prozesskontrolle

ŹQualitätsstandards, Preise und Termintreue sind oberste Auswahlkriterien für Lieferanten.

3.

Darstellung der Kontextfaktoren von "Backblitz.de"

3.1. Skizzierung der Ausgangssituation Das Unternehmen "Backblitz.de" ist zum Zeitpunkt der in der Fallstudie beschriebenen Analysesituation erst seit wenigen Jahren im Markt existent. Es hat sich auf den Bereich des "elektronischen Backwarenvertriebs" spezialisiert, und in diesem Segment in den vergangenen drei Jahren ein Umsatzwachstum von über 400% realisiert. Im gleichen Zeitraum verharrte die Umsatzrendite bzw. der Deckungsbeitrag jedoch bei weniger als 10%. Der Headcount verzeichnet außer der Inhaberin eine weitere Humanressource, wobei die Tätigkeit und das Aufgabenfeld der Mitarbeiterin nicht näher skizziert ist. Mit Blick auf die Auftragsannahme ist lediglich gegeben, dass die Kunden von "Backblitz.de" ihre jeweiligen Orders auf unterschiedlichen Wegen (Telefon, EMail usw.) an das Unternehmen herantragen. "Backblitz.de" alloziert dann in Bezug auf spezifische Torten- und Kuchenwünsche Bäckereien, welche die Backwaren physisch hervorbringen. I.S.e. Informationsbrokers im eCommerce koordiniert "Backblitz.de” dabei also die Leistungserstellung und kontraktiert mehrere Logistikdienstleister, welche die Auslieferung der Torten und Kuchen vom Geschäft an den Endkunden realisieren. Über das Internet können Kunden bei "Backblitz.de" ihre Backwarenwünsche formulieren, und sie an sich ausliefern lassen. Mit Blick auf die Absatzstruktur des Unternehmens ist ebenso keine besonders umfangreiche Information gegeben. Es ist nur skizziert, dass eine vglw. überschaubare Anzahl an unterschiedlichen Backwaren im Internet von "Backblitz.de" angeboten wird, und dass das Produktsortiment somit verhältnismäßig eng umrissen ist. Auf der anderen Seite eigenen sich die angebotenen Produktbouquets für eine Vielzahl von unterschiedlichen

28

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Verwendungszwecken, was die Produktapplikabilität und die Etablierung eines umfangreichen Leistungsspektrums sicher arrondieren dürfte. "CargoCake", "Delight" und "Express" sind die drei Logistikdienstleister, die von der Inhaberin des Unternehmens majorell ausgewählt werden, um die Torten und Kuchen von den Bäckereien zu den Endkunden zu transportieren. Über die reale Auslieferungszeit ist in der Fallstudie keine Angabe gemacht, aber die Backwaren werden innerhalb eines Zeitkorridors von plus/minus einer Zeitstunde zum vereinbarten Auslieferungszeitpunkt an den Endkunden übergeben. Die Inhaberin vermerkt zum in der Fallstudie gegenwärtigen Zeitpunkt eine Zunahme der Unregelmäßigkeiten in der Auslieferung der Backwaren an die Endkunden. Um Maßnahmen zu formulieren, die der "Standardisierung" und "Verpünktlichung" der Auslieferung an die Kunden entgegenkommen, werden in der Fallstudie Daten zur Lieferpünktlichkeit von drei ausgewählten (Haupt-)Auslieferern präsentiert. Die in der Fallstudie formulierte Aufgabenstellung befasst sich schwerpunktmäßig mit der Analyse der Lieferunregelmäßigkeiten der drei oben angeführten Auslieferungsunternehmen, "CargoCake", "Delight" und "Express" sowie der Formulierung eines Vorschlags, wie diese Unregelmäßigkeiten eingeebnet werden können. Dieser Vorschlag soll dabei im Wesentlichen in Form einer Handlungsanweisung formuliert werden. Mit Blick auf diese Aufgabenstellung ist jedoch bereits an dieser Stelle zu bemerken, dass eine Reihe an für die umfassende bzw. eine weitgehend zielführende Antwort erforderlichen Informationen in der vorliegenden Fallstudie nicht gegeben sind.

3.2.

Identifizierung der wesentlichen Problemfelder

"CargoCake", "Delight" und "Express" zeichnen sich in der vorliegenden Fallstudie durch jeweils ganz unterschiedliche Lieferperformancen aus. Auf der Grundlage einer empirischen Erhebung bei einem Kunden von "Backblitz.de" ergibt sich die in Abb. 3-3 dargestellte Tabelle hinsichtlich der Termintreue bzw. Pünktlichkeit der Auslieferungen der Torten und Kuchen. Die in Abb. 3-3 als "pünktlich" bezeichneten Torten- und Kuchenauslieferungen werden dann als zielkonform interpretiert, wenn sie innerhalb des Zeitkorridors von plus/minus einer Zeitstunde des zwischen "Backblitz.de" und dem Kunden vereinbarten Auslieferungszeitpunkts an diesen ausgeliefert werden. In einer ersten Annäherung an das generierte Tableau zeigt sich, dass alle drei (Haupt-)Lieferanten von "Backblitz.de" keine durchgängig hohe Liefertreue bzw. Pünktlichkeit – und damit keine hinreichend gute Servicequalität in Bezug auf die Auslieferung der Backwaren – hervorzubringen vermögen. Diese Situation ist insoweit unbefriedigend, als dass die Kundenzufriedenheit bei Auslieferung durch alle drei angeführten Lieferanten sehr wahrscheinlich nicht in längerer Frist auf einem für "Backblitz.de" zufrieden stellenden

29

3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Niveau verbleiben dürfte, da Lieferungen regelmäßig nicht innerhalb des vereinbarten Zeitkorridors ausgeführt werden. In einer weiterführenden Betrachtung lassen sich die folgenden Erkenntnisse deduzieren:

Abbildung 3-3: Analyse der Termintreue und Pünktlichkeit von Hauptlieferanten Lieferungen insgesamt

Lieferungen pünktlich

Lieferungen pünktlich

(absolut)

(absolut)

(relativ)

Mittelwert

Standardabweichung

Standardabweichung

Spannweite

(gewichtet)

(in Minuten)

CargoCake

12

9

75%

51,67

14,48

15,13

50

Delight

12

9

75%

29,17

36,1

37,71

100

Express

12

11

92%

30,42

17,01

17,77

65

Untersuchung

29,50

13,30

„ Das Auslieferunternehmen "CargoCake" weist in der Analyse die relativ zu den beiden anderen Lieferanten "beste" Standardabweichung seiner Auslieferungszeitschwankungen auf. Dies ist einerseits ein Indikator dafür, dass "CargoCake" nur vglw. niedrige Schwankungen in seinen Auslieferungszeiten aufweist. Demgegenüber ist hier jedoch zu bemängeln, dass das Unternehmen konstant bzw. regelmäßig nicht innerhalb des zwischen "Backblitz.de" und seinen Kunden vereinbarten Zeitfensters liefert; "CargoCake" liefert regelmäßig zu spät. So sind auch nur 75% der in die Analyse aufgenommenen Lieferungen akzeptabel. Die Kombination einer relativ niedrigen Standardabweichung mit einer vglw. häufig verspäteten Auslieferungszeit durch "CargoCake" könnte ein Indiz dafür sein, dass das Unternehmen die Teilschritte seines Lieferprozesses zwar weitgehend standardisiert und "unter Kontrolle" hat, andererseits jedoch der Gesamtprozess der Auslieferung schlicht zu lange dauert.

„ Das Auslieferunternehmen "Delight" weist mit einer Maßzahl von 37 Minuten die höchste Standardabweichung mit Blick auf die Auslieferungszeitschwankungen auf. Auch hier werden ebenfalls nur 75% der analysierten Lieferungen innerhalb des akzeptablen Zeitfensters ausgeliefert. "Delight" nimmt unter den drei analysierten Lieferanten in der vorgetroffenen Untersuchung auch deshalb die schlechteste Position ein, da die Spannweite hier – verstanden als Maßzahl für die Schwankungen der Auslieferungszeiten um den akzeptablen Zeitkorridor – mit Abstand den höchsten Wert aufweist (100). Dieses ist durchaus als Indiz dafür zu

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Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

werten, dass bei "Delight" die meiste Prozessarbeit zur Kalibrierung und Verbesserung der Auslieferungszeiten erforderlich wäre.

„ Obgleich das Auslieferunternehmen "Express" ebenfalls beträchtliche Abweichungen vom als akzeptabel interpretierten Zielkorridor für die Auslieferungszeiten aufweist, erscheint es in der Analyse der drei Unternehmen noch als der "bestgeeignetste" Lieferant. In gewisser Weise ist die Situation von "Express" mit der von "CargoCake" vergleichbar; dies in der Form, dass der Lieferprozess einerseits zwar weitgehend unter Kontrolle und standardisiert zu sein scheint, andererseits aber noch immer Defizite im Hinblick auf die Termintreue der Auslieferungen vorliegen. Im direkten Vergleich zu "CargoCake" liefert "Express" schneller bzw. "termintreuerer" aus, was seine Spitzenposition definiert. Abb. 3-4 vermittelt einen graphischen Eindruck der oben vorgenommenen Analyse und zeigt die Abweichungsschwankungen entsprechend auf. Die Darstellung ist dabei so gewählt, dass nicht diskrete Zeitpunkte der einzelnen Datenerhebung aufgezeigt werden, sondern dass i.S.e. stetigen Zeitverlaufs ein Kurvenverlauf "zwischen" die einzelnen Messpunkte gelegt wird.

Abbildung 3-4: Darstellung der Zeitabweichungen der drei Logistikdienstleister

Interflower

Min

CargoCake Fleuro

Delight

70

60

50 BloomsUSA

Express

40

30

20

10

t -10

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

Mo

Di

Mi

Do

Fr

Sa

-20

31

3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

4.

Formulierung eines Lösungszugangs für "Backblitz.de"

4.1. Konzeptualisierung eines Portfolios alternativer Lösungsmöglichkeiten Mit Blick auf die vorzuschlagenden Maßnahmen zur Lösung des Lieferantendilemmas von "Backblitz.de" zeigt sich, dass die drei bislang im Fokus stehenden Auslieferunternehmen allesamt Verbesserungspotential hinsichtlich der Termintreue und Pünktlichkeit der Backwarenauslieferungen aufweisen. Bevor konkrete Anregungen für "Backblitz.de" formuliert werden, erscheint es jedoch zweckmäßig, dass auf folgende Situiertheiten hingewiesen wird:

„ Die Datengrundlage zur Analyse der Lieferabweichungen beruht auf einer empirischen Erhebung, bei der lediglich ein Kunde von "Backblitz.de" herangezogen wird. Dieser Kunde mag zwar eine Reihe an Produkten aus dem Sortiment von "Backblitz.de" nachgefragt haben, gleichwohl stellt sich hier die Frage, inwieweit die Bezugnahme auf einen einzigen Kunden überhaupt repräsentativ zur Beurteilung von Lieferantenabweichungen ist. Mit einem Umsatzvolumen von derzeit 150.000 Euro ist anzunehmen, dass – mit der Einbeziehung von lediglich einem Kunden in die empirische Untersuchung – wahrscheinlich noch nicht einmal ein Prozent des Umsatzvolumens von "Backblitz.de" in der Analyse abgebildet wird.

„ Darüber hinaus vermag auch die bereits zuvor erhobene Referenzzahl bezüglich der Lieferantenpünktlichkeit nur schwer in den Kontext der Analyse von "CargoCake", "Delight" und "Express" einzubeziehen sein, da über die Struktur des Lieferanten in der Referenzuntersuchung keine Angaben in der Fallstudie gemacht werden. Damit ist eine Kommensurabilität, wenn überhaupt, nur bedingt gegeben.

„ Für weiterführende Analysen und Empfehlungen an "Backblitz.de" wäre es in summa grundlegend wichtig, auch Informationen über die qualitativen Komponenten der Lieferantentätigkeit zu erfahren. Mit anderen Worten, in die Analyse fließen bislang auf der Grundlage der in der Fallstudie angegebenen Informationen lediglich Daten über die Termintreue und Pünktlichkeit der Torten- und Kuchenauslieferungen ein. Es ist jedoch nicht möglich, zu berücksichtigen, in welchem qualitativen Zustand die Backwaren bei ihren jeweiligen Empfängern ankommen. Gerade bei einem "verderblichen" Produkt wie Torten und Kuchen erscheint es als kritisch zur Beurteilung der Auslieferungsqualität, in welchem Zustand die Backwaren ihre jeweiligen Empfänger erreichen. Da diese Information in der Fallstudie fehlt, können darüber keine tiefergehenden Überlegungen angestellt werden.

„ Bezüglich des Verhältnisses von "Backblitz.de" zu "CargoCake", "Delight" und "Express" ist lediglich die Information in der Fallstudie formuliert, wonach alternative Lieferanten teurer seien und es für die Inhaberin von "Backblitz.de" erheblich vorteilhafter sei, dass sie die Beziehungen zu den drei Lieferanten aufrecht erhalte. Mit Blick auf mögliche Maßnahmen zum Lieferantenaufbau bzw. zur Etablierung

32

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

eines Lieferantenentwicklungsprogramms von Seiten "Backblitz.de" fehlen Angaben bezüglich der Leistungs- und Finanzverflechtung der drei Lieferanten mit dem im Blickpunkt stehenden Unternehmen.

„ Gleichsam wären in der Fallstudie Informationen bzw. Angaben darüber wünschenswert, in welchen geographischen Regionen die überhaupt in Frage kommenden Lieferanten in corpore sowie "CargoCake", "Delight" und "Express" hauptsächlich aktiv werden könnten. Mit anderen Worten, eine geographische Allokation der logistischen Lieferantenkapazität erscheint auf der Grundlage der Tatsache, dass "Backblitz.de" einen vglw. weiten geographischen Radius abdeckt, unabdingbar für eine effektive und letztlich effiziente Kundenbelieferung. Darüber fehlen jedoch auch bezügliche Angaben in der Fallstudie. In diesem Kontext wäre es auch wichtig zu erfahren, inwieweit die logistischen Kapazitäten der drei fokussierten Unternehmen kommensurabel sind. Auf der Grundlage der Analyse der Zeitabweichungen und unter Rekurs auf die in der Fallstudie formulierten Sachverhalte lassen sich mehrere Kernkontexte herausarbeiten. Dabei wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur umfassenden Formulierung von Lösungsvorschlägen für "Backblitz.de" Informationen der vorbezeichneten Art als erforderlich angesehen werden.

„ "Backblitz.de" sollte u.E. versuchen, die Geschäftsbeziehungen zu "Express" und "CargoCake" zu intensivieren. Dieses kann bspw. dadurch geschehen, dass längerfristige Partnerschaftsverträge abgeschlossen werden, auf deren Grundlage "Express" und "CargoCake" i.S.e. Lieferantenentwicklung ihre Auslieferungsprozesse auf das Geschäft von "Backblitz.de" verbessert "zuschneiden" und inhaltlich prozessorientiert ausrichten. "Backblitz.de" verfügt über ein erhebliches Wachstumspotential, was sich auch durch die in der Vergangenheit beobachtete Entwicklung mit einem Wachstum von rund 400% in den ersten Geschäftsjahren illustriert. Für "Backblitz.de" wird es deshalb wichtig, Strukturebenen in das eigene Geschäft einzuziehen, auf deren Grundlage mit "CargoCake" und "Express" i.S.v. Preferred Suppliers längerfristig zusammengearbeitet wird.

„ Die Strategie des Lieferantenaufbaus bedingt aber auch, dass Backblitz.de" nicht unerhebliche finanzielle Mittel und zeitliche Ressourcen in den Aufbau und die Intensivierung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung investiert. Es erscheint hier zunächst fraglich, inwieweit "Backblitz.de" mit einer noch immer verhältnismäßig "bescheidenen" Marge von rund 10% die Finanzkraft und mit bislang nur zwei Mitarbeiter(-inne)n zum Lieferantenaufbau aufweist. Um deshalb die Strategie der Intensivierung auf zwei (Haupt-)Lieferanten abzusichern, erscheint es sinnvoll, sich mit der (Absatz-)Marktsituation von "Backblitz.de" zu beschäftigen.

„ "Backblitz.de" verzeichnet ein hohes Umsatzwachstum von rund 400% seit Bestehen der Operation. Im Hinblick auf die Ergebniswirksamkeit des Umsatzes ist nichts ausgesagt, es ist jedoch anzunehmen, dass für "Backblitz.de" ein weiteres

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3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Wachstum erforderlich sein dürfte, um den gegenwärtig bei 10% verharrenden Deckungsbeitrag der Operation mittel- bis längerfristig noch zu steigern. Insofern bietet sich aus dieser Sicht für das Unternehmen eine grundsätzliche Wachstumsstrategie an. Sie könnte bspw. fokussiert sein auf die Erschließung neuer Kundenfelder, indem das bislang eher stark zugeschnittene Produktangebot sukzessive erweitert wird. Auch wären hier Maßnahmen denkbar wie bspw. die zusätzliche (Mit-) Auslieferung arrondierender Produkte, die zu Backwaren komplementär sind (z.B. Grußkarten für besondere Anlässe u.ä.).

„ Andererseits erscheint die gegenwärtige Situation von "Backblitz.de" insofern auch nicht als unkritisch, da der Deckungsbeitrag der Operation bei rund 10% liegt, und die Inhaberin von "Backblitz.de" u.a. deshalb nicht auf – vermeintliche zuverlässige Lieferanten – zurückgreift, da diese teurer sind. Wertet man diese Informationen in Kombination als Indikator für eine gewissermaßen "angespannte" Kostensituation, dann erscheint es zunächst relevant, dass das Unternehmen sein Wachstum verlangsamt und zunächst seine internen Prozesse und Abläufe (so insbesondere auch die Zusammenarbeit mit den Auslieferungslieferanten) ordnet und konsolidiert und im Hinblick auf Kostengesichtspunkte optimiert. In summa stehen somit in einer Analyse u.E. zwei wesentliche Strategiefelder zur Disposition; entweder "Backblitz.de" verfolgt eine Strategie des weiteren konsequenten Ausbaus seines Wachstums oder aber das Unternehmen fokussiert zunächst "nach innen" auf die Optimierung seiner Kostenstrukturen und Prozessabläufe. Beide Alternativen stehen dabei aber in einem gewissen antinomischen Verhältnis zueinander, da sich die beiden Alternativen nicht gleichzeitig realisieren lassen. Insofern erscheint es aber auch so, dass eine Konsolidierung der Kostensituation und ein weiterer Ausbau des (Umsatz-) Wachstums sich wie in Abb. 3-5 dargestellt zueinander verhalten. Wird das Ziel des Wachstums priorisiert, nimmt entsprechend das Kosten(optimierungs-) ziel eine minorelle Rolle ein und umgekehrt. Mit Blick auf die Auswirkungen der beiden herausgearbeiteten Strategiealternativen zeigt sich, dass "Backblitz.de" mithin auch leicht unterschiedliche Strategien mit Blick auf das Handling der Lieferantenunregelmäßigkeiten applizieren sollte. Während bei einer Wachstumsstrategie potentiell mehrere Lieferanten benötigt werden (schon allein wegen der geographischen Allokation der Lieferanten über mehrere Absatzmärkte), und sich deshalb eine Strategie der Konzentration auf wenige Lieferanten nicht zwingend anbietet (Informationen über eventuelle Fähigkeiten und räumliche Dispersionskapazitäten von Lieferanten fehlen in der Fallstudie), erfährt das Instrument der Konzentration auf wenige Auslieferer bei einer Kosten(optimierungs-)strategie Gewicht.

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Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Abbildung 3-5: Strategiealternativen für "Backblitz.de" Kosten(optimierungs-)strategie Fokus: Optimierung interner Abläufe und der Kosten Lieferantenstrategie: Fokussierung auf kostengünstigste, wenige Lieferanten Wachstumsstrategie Fokus: mehr Marktwachstum Liefernatenstrategie: mehrere Lieferanten, Lieferantenwickltung

Mit Blick auf die Entscheidung darüber, welcher der bislang verwendeten drei (Haupt-)Auslieferer aus dem Lieferantenportfolio eliminiert werden sollte, gibt es im Grunde keine eindeutige Antwort (nicht zuletzt, weil die qualitativen Dimensionen – wie oben angeführt – nicht berücksichtigt werden können). Auch eine analytische Untersuchung hinsichtlich der "absoluten" Vorziehenswürdigkeit von Lieferanten liefert kein einheitliches Bild (vgl. Abb. 3-6). Nichtsdestotrotz erscheint von den bislang existierenden Lieferanten "Delight" als derjenige, der am unzuverlässigsten die Auslieferungsprozesse abarbeitet.

Abbildung 3-6: Box-Plot-Diagramm zur Lieferantenbeurteilung

µ

51,67

CargoCake 30,42 29,17

Express

Delight

σ² 207,36 289

1303,21

35

3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

4.2.

Priorisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen

"Backblitz.de" sollte u.E. versuchen, folgende Arbeitsschritte mit Blick auf die Selektion der zukünftigen Strategie im Umgang mit den Auslieferungslieferanten abzuarbeiten: 1. Die Kundenzufriedenheit der Leistungsempfänger von "Backblitz.de" stellt für das Unternehmen die oberste Priorität dar. Damit diese gewährleistet werden kann, erscheint es erforderlich, die Qualität der Dienstleistung von "Backblitz.de" – die zu einem nicht unerheblichen Teil auch durch die Pünktlichkeit der Backwarenauslieferung beeinflusst werden dürfte – entsprechend zu gestalten. Für "Backblitz.de" erfährt Qualitätsplanung und -verbesserung damit den Charakter eines Lieferantenmanagements. In diesem Zusammenhang sollte das Unternehmen auch eine Befragung bei seinen Kunden durchführen, inwiefern Unpünktlichkeit als "negativ" wahrgenommen und empfunden wird. Darüber hinaus sollte eine derartige Untersuchung Aufschluss darüber geben, welches Ausmaß an Unpünktlichkeit von den Nachfragern toleriert wird. Anhand einer solchen Befragung könnte bspw. auch ermittelt werden, wie viel Geld den Kunden eine nahezu pünktliche Auslieferung "wert" ist – bzw. um wie viel ein Verkaufspreis reduziert werden müsste, damit die Nachfrager den Preisnachlass i.V.m. Unpünktlichkeit kompensieren. 2. Damit das Unternehmen eine valide und repräsentative Datengrundlage für allfällige Analysen zur Lieferantensituation erhält, sollte "Backblitz.de" zunächst eine repräsentative empirische Untersuchung initiieren, in der versucht wird, die Ergebnisse der bislang vorliegenden Analyse zu verifizieren. Erst auf dieser breiteren Grundlage erscheint es u.E. sinnvoll, umfassende Empfehlungen abzuleiten. 3. Gleichwohl kann bereits an dieser Stelle aufgezeigt werden, dass "Backblitz.de" sich Gedanken darüber machen sollte, inwieweit primär auf Wachstum oder primär auf die Kostenoptimierung i.V.m. interner Konsolidierung abgehoben wird. Dieser normative Meinungsbildungsprozess innerhalb des Unternehmens ist hier als ergebnisoffen zu interpretieren und von daher sind für die weiteren Empfehlungen beide Alternativen einzubeziehen. 4. Sofern sich "Backblitz.de" für eine weitere Wachstumsstrategie entscheidet, bietet es sich an, auch die bislang nicht in Erwägung gezogenen Lieferanten einem "Markttest" zu unterziehen. Die Performance der bislang kontraktierten drei Hauptauslieferungspartner verlief nicht notwendigerweise in jedem Punkt erfolgreich, so dass – selbst bei höheren Transportkosten – vielleicht Lieferanten, die bislang nicht berücksichtigt wurden, hier zu einer Verbesserung und "Verpünktlichung" der Backwarenauslieferung beitragen können. 5. Sofern sich "Backblitz.de" für eine Konsolidierung seiner Prozesse und seiner Abstimmungsschnittstellen mit den mit der Auslieferung der Backwaren befassten Wertschöpfungspartner entscheidet, was u.E. einhergehen sollte mit einer Kostenoptimierung, dann wären Lieferanten zu selektieren, die möglichst zuverlässig die 36

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Torten und Kuchen ausliefern. Unterstellt man hierbei, dass die qualitative Auslieferungskompetenz ceteris paribus bei den im Fokus stehenden Alternativen identisch bzw. kommensurabel ist, dann sind vor allem "Express" und "CargoCake" i.S.e. Lieferantenentwicklung aufzubauen. Bei beiden Lieferanten wären vglw. minimale Kalibrierungen an der Lieferprozessen erforderlich, um eine weitgehende Erfüllung der Zeitkorridorvorgaben zu erfüllen. 6. Sofern sich "Backblitz.de" für den Aufbau einer intensiveren Geschäftsbeziehung bspw. zu "Express" entschließt, wären Maßnahmen zu formulieren, wie die beiderseitigen Prozesse bei "Backblitz.de" und "Express" besser miteinander verzahnt werden können, um Schnittstellenprobleme – bspw. aufgrund von Kommunikations- und/oder Koordinationshürden – verbessert in den Griff zu bekommen. Diese Maßnahmen würden vermutlich aufwands- und zeitintensiv, es erscheint jedoch als unabdingbar, dass auch von Seiten von "Backblitz.de" entsprechende Anstrengungen unternommen werden, um die Lieferpünktlichkeit insgesamt zu verbessern.

5.

Zusammenfassung

"Backblitz.de" erfährt das Problem, wonach ein Großteil der von dem Unternehmen kontraktierten Backwarenauslieferungen an seine Kunden nicht innerhalb des vereinbarten Zeitkorridors ausgeliefert werden. Im Fokus der Analyse stehen die drei derzeitigen (Haupt-) Auslieferer, welche die Zustellung der Torten und Kuchen übernehmen. Es zeigt sich auf der Grundlage einer quantitativen Analyse, dass im Kern keiner der kontraktieren Lieferanten eine weitgehend zufrieden stellende Performance aufweist. Insofern stellt sich für "Backblitz.de" das Problem, Lieferanten zu selektieren und aufzubauen. Das impliziert, dass die Abstimmungsprozesse zwischen "Backblitz.de" und seinen selektierten Wertschöpfungspartnern ggf. überarbeitet werden, um so die Reaktionsqualität – und die Servicequalität von "Backblitz.de" in den Augen seiner Kunden – zu verbessern. Hier sind eine Reihe von Maßnahmen denkbar, die im Rahmen dieser Ausführungen weitgehend skizziert und priorisiert wurden. Auf der Grundlage des zur Verfügung stehenden Datenmaterials zeigt sich bspw., dass insbesondere die Zusammenarbeit mit "Express" und "CargoCake" unter den gegebenen Randbedingungen ausgebaut werden sollte. Daneben sollten aber auch weitere, bislang nicht kontraktierte Lieferanten in eine engere Auswahl kommen. Insgesamt weist die Qualitätsplanung und -verbesserung des angebotenen Services von "Backblitz.de" einen erfolgskritischen Charakter auf, da davon ausgegangen werden kann, dass die Kunden des Unternehmens Unpünktlichkeit auf Dauer wohl kaum tolerieren werden, und mithin bei Nichtabänderung der gegenwärtigen Verspätungstendenzen mit einem Umsatzrückgang zu rechnen sein müsste.

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3

3

Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Literaturhinweise Verwendete Literatur Anschütz, S.; Friedrich, S.: Supply Chain Management in der Prozessindustrie. Ergebnisse einer bundesweiten Branchenstudie, Berlin 2002. Fritz, W.: Internet Marketing - Marktorientiertes eBusiness in Deutschland und den USA, Stuttgart 2001. Herrmann, A./Huber, F.: Determinanten des Erfolges von quality function deploymentProjekten, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 70 (2000) 1, S. 27-53. Hochlehnert, B.: Internet Selling- Integrierte Online-Verkaufslösungen mit SAP, Bonn 2001. Nieschlag, R.; Dichtl, E.; Hörschgen, H.: Marketing, 18. Auflage, Berlin 1997. Pfohl, H.-Ch.: Logistiksysteme – Betriebswirtschaftliche Grundlagen, 4. Auflage, Berlin 1990. Simon, H.; Homburg, C.: Kundenzufriedenheit – Konzepte, Methoden, Erfahrungen, Wiesbaden 1995. Zsifkovits, H.: Qualitätsmanagement aktuell Erfolgsfaktor Servicequalität - Total Quality Management (TQM) im Dienstleistungsbereich, Köln 1993.

Weiterführende Literatur Bogaschewsky, R.: Informations- und Kommunikationssysteme zur Unterstützung des Beziehungsmanagements, in: Hildebrandt, H.; Koppelmann, U. (eds.): Beziehungsmanagement mit Lieferanten. Konzepte, Instrumente, Erfolgsnachweise, Stuttgart 2000, S. 137. Glaser, J.: Citylogistik für Kuriere. Bündelungspotential bei KEP-Diensten; in: KEP aktuell, ETM Euro Transport Media, Stuttgart 1999. Hoffmann, R.; Lumbe, H.J.: Lieferantenbewertung – der erste Schritt zum Lieferantenmanagement, in: Hildebrandt, H.; Koppelmann, U. (eds.): Beziehungsmanagement mit Lieferanten. Konzepte, Instrumente, Erfolgsnachweise, Stuttgart 2000, S. 87. Ossadnik, V.; Froschmayer, A. : eChain Logistics – Bündelung von Informationstechnologie und Logistikdienstleistungen, in: Buchholz, W.; Werner, H. (Hrsg.): Supply Chain Solutions, Stuttgart 2001, S. 61.

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Bearbeitung einer Fallstudie - ein Beispiel

Weinke, K.: Management von internationalen Lieferantenbeziehungen, in: Hildebrandt, H.; Koppelmann, U. (eds.): Beziehungsmanagement mit Lieferanten. Konzepte, Instrumente, Erfolgsnachweise, Stuttgart 2000, S. 69. Werner, H.: e-Supply Chains: Konzepte und Trends, in: Buchholz, W.; Werner, H. (Hrsg.): Supply Chain Solutions, Stuttgart 2001, S. 14.

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3

Teil B Prozessmanagement

1

Einführung zum Prozessmanagement

Das Erlangen einer Wettbewerbsposition erfordert die Entwicklung einer geeigneten Strategie, zu verstehen als der gedanklich vorweggenommene Weg aus zielführenden, aufeinander abgestimmten Maßnahmen. Neben den aus Porter's elementaren Wettbewerbspositionen ableitbaren Branchen- und Segmentstrategien sind hybride Strategien als Mix von elementaren Wettbewerbsstrategien einzelner Unternehmen sowie Wertschöpfungsvernetzung als kooperative Wettbewerbsstrategie darstellbar. Die Aufgaben des Prozessmanagements umfassen in diesem Kontext die Konkretisierung von Maßnahmen hinsichtlich der Durchführung einzelner Aktivitäten zur Erreichung einer geplanten Wettbewerbsposition. Die einzuleitenden und zu steuernden Aktivitäten, auch als Prozesse bezeichnet, bilden in ihrer Vielzahl eine Prozesskette (nach Porter) bzw. ein Prozessnetzwerk. Aus der funktionalen und zeitlichen Interdependenz der zielwirksam zu managenden Prozesse begründet sich der Begriff "Prozessmanagement", von Porter jedoch in Betonung der Marktsicht als Wettbewerbsstrategie bezeichnet. Aufgrund der vorwiegend produktionswirtschaftlichen Sicht sollen als Teilaufgaben des Prozessmanagements "Technologiemanagement", "Kostenmanagement" und "Personalmanagement" im Vordergrund der Darstellungen stehen. Unter dem Aspekt "Organisationsmanagement" werden sonstige funktionale Aufgaben zusammengefasst, die im Einzelfall von hervorzuhebender Bedeutung sind. Die Herausforderung für das Prozessmanagement besteht darin, alle Teilprozesse auf die gewählte Strategie auszurichten und zielführend zu koordinieren.

Branchenstrategien • Kostenorientierte Differenzierung Unter dem Streben nach Kostenführerschaft ist die Minimierung der Stückkosten bei angemessener Qualität und Service das taktisch dominierende Leistungsziel. Diese Strategie stellt im Hinblick auf den angestrebten Marktpreis höchste Ansprüche an eine effiziente Produktion (incl. Montage) mit strenger Kostenkontrolle. Ein hoher Marktanteil in Verbindung mit Standardisierung von Produkten und Prozessen lässt degressionsbedingte Kosteneinsparungen realisieren (Größendegression, Lern- und Erfahrungskurven). IKEA sei hier als Beispiel für einen Möbelhersteller

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1

Einführung zum Prozessmanagement

oder OETTINGER als Brauereibetrieb genannt. Häufig umfasst das Produktionsprogramm aus Gründen der Risikostreuung eine Vielzahl gleichartiger Produkte, wie dies bspw. bei brauner Ware (Elektronikgeräte) und weißer Ware (Küchengeräte) vielfach zu beobachten ist. Die grundlegende strategische Haltung ist defensiv, indem versucht wird, eine einmal aufgebaute Position gegen die Konkurrenz nachhaltig zu verteidigen. Eine erhebliche Bedeutung liegt darin, dass es im Rahmen des Technologiemanagements gelingt, durch geeignete Prozess- und Produkttechnologien die Fixkosten zu senken und so weit wie möglich zu proportionalisieren. Demzufolge kommt der Rationalisierung von Abläufen, Stellen und Erzeugnissen eine hohe Relevanz zu. Overengineering ist zu vermeiden, Produkte werden vorzugsweise modular gestaltet. Die Montage wird dadurch ebenso vereinfacht wie Entscheidungen über die Wertschöpfungstiefe. Die Tendenz führt deshalb weg von Fertigungsprozessen hin zur Konzentration auf Montageprozesse, was die Gestaltung kundenaher Produktionsprozesse begünstigt und diese als industrielle Serviceleistung erscheinen lässt. Das Kostenmanagement fokussiert auf die kostengünstige Gestaltung der Erzeugnisse bei vorgegebener Leistung (Minimumprinzip). Die Kostenstrukturanalyse zur Ermittlung der Entstehung und zur Zurechnung von Kosten (bzpw. Grenzplankostenrechnung, Prozesskostenrechnung) in Verbindung mit Kosten gestaltenden Verfahren (bspw. Target Costing) ist deshalb eine fundamentale Aufgabe. Hinsichtlich einer intensiven Kostenkontrolle ist auch der Kostenvergleich mit der Konkurrenz (bspw. Benchmarking) von Relevanz, um permanent die relative Kostenpositionierung zur verfolgen. Aufgrund des Minimumprinzips zielt das Personalmanagement insbesondere auf den Abbau nicht benötigten Personals und auf die Flexibilisierung des Personaleinsatzes. Einfach gestaltete Montageprozesse stellen nur geringe Anforderungen an die Arbeitsqualifikation, so dass geschulte Mitarbeiter in niedrigen Lohngruppen eingesetzt werden können. Vorteilhaft ist vielfach Gruppenarbeit in klar definierten Verantwortungsbereichen in Verbindung mit Prämienlohn als Anreizsystem. Wird im Rahmen von Rationalisierung der Weg der Prozessautomatisierung gegangen, so erfordert dies hingegen den Einsatz von qualifiziertem Personal mit entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen unter modifizierten Anreizsystemen. Im Entwicklungsbereich müssen ausreichend Ressourcen verfügbar sein, um Detailinnovationen bei Produkten und Prozessen voranzutreiben, was den Einsatz von qualifiziertem Personal sowie laufende Qualifizierungsmaßnahmen verlangt. Das Organisationsmanagement sollte über die vorgenannten Fähigkeiten und Anforderungen hinaus über besondere Kompetenzen im Einkauf und im Vertrieb verfügen, um alle Kostensenkungspotenziale zu nutzen. Marketingkompetenzen sind hingegen von nachgeordneter Bedeutung. Wesentlich ist ferner, dass der Zugang zu Kapital gegeben ist, um die erforderlichen Investitionen in Sachmittel und qualifiziertes Personal in Produktion sowie Entwicklung zu leisten. 44

Einführung zum Prozessmanagement

Es darf nicht übersehen werden, dass die Strategie der Kostenführerschaft neben Chancen auch erhebliche Risiken birgt, die die Zielerreichung verhindern können. Diese mögen zum einen intern bedingt sein, weil die Umsetzung aufgrund fehlender Kompetenzen oder Ressourcen nicht gelingt. Gefahren drohen jedoch auch aus dem Umfeld, wenn neue Konkurrenten aus dem In- und Ausland auftreten und Eintrittsbarrieren errichten, wenn unerwartet die Faktorkosten steigen oder die Preise verfallen oder wenn aufgrund von technologischen, politischen und marktlichen Einflüssen sich die Präferenzen der Abnehmer verändern. Die Dynamik der Umwelt verdeutlicht auch, dass die einmal eingeschlagene Strategie den Erfolg nicht auf Dauer sichern kann, wie Ford, Sharp, Commodore u.a.m. beispielhaft darlegen. Deshalb ist periodisch zu überprüfen, ob die eingeschlagene Strategie in einem veränderten Umfeld weiterhin verfolgt werden sollte.

• Leistungsorientierte Differenzierung Die Strategie der Leistungsdifferenzierung stellt auf einen Vorsprung oder die Einzigartigkeit der erbrachten Leistung ab. Das Vorgehen soll zu einer deutlichen Differenzierung führen, um damit Eintrittsbarrieren für die Konkurrenz zu setzen. Infolgedessen steht bei dieser Strategie der Qualitätswettbewerb im Vordergrund. Zum einen betrifft dieser das absolute (technische) Qualitätsniveau als Erfüllungsgrad technischer Spezifikationen (bspw. DIN, EC-Norm, etc.), um, abgesehen von Kosten, Image schädigende Reklamationen und Garantiefälle zu vermeiden, was entsprechende Qualität sichernde Maßnahmen in Produktentwicklung und Produktion erfordert. Zum anderen ist das relative Qualitätsniveau als Erfüllungsgrad des Kundenbedürfnisses (technisch, ökonomisch, metaökonomisch) in Relation zur Konkurrenz von hoher Relevanz. Dies zwingt insbesondere im Entwicklungsprozess zu Einsatz von Maßnahmen zur umfassenden Qualitätssicherung. Im Rahmen des Technologiemanagements ist deshalb die erfolgreiche Produktdifferenzierung von grundlegender Bedeutung. Der Erfolg hängt davon ab, dass es gelingt, Leistungen mit Merkmalen zu entwickeln, die Kundenpräferenzen bewirken. Die hohe Relevanz der Qualitätsniveaus bedingt die umfassende Kontrolle der gesamten Prozesskette sowohl upstream als auch downstream von Fertigung und Montage. Das Paradigma der Differenzierung verfolgt das Maximumprinzip, die beste Leistung bei vorgegebenem Aufwand. Im Fokus des Kostenmanagements steht deshalb die Optimierung von Herstellkosten. Dies erfordert gleichermaßen die Analyse und Gestaltung von Kostenstrukturen. Kostensteuerung und Kostenkontrolle ist im Vergleich zur Strategie der Kostenführerschaft ein etwas geringeres Gewicht beizumessen. Bei hohen Absatzvolumina können Degressionseffekte und Kostenproportionalisierung aber nicht unbeachtet bleiben.

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1

1

Einführung zum Prozessmanagement

Aufgabe des Personalmanagements ist die Bereitstellung von Arbeitskräften mit hoher Qualifikation. Mitarbeiterkreativität ist insbesondere in der Grundlagen- und angewandten Forschung erfolgsrelevant. Einen hohen Anspruch an die Kompetenz von Mitarbeitern stellt auch die zielorientierte Koordination von Entwicklung, Marketing und Produktion. Das Halten des Qualifikationsniveaus der Mitarbeiter erfordert Investitionen in Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Mit dem Ziel eines innovativen Klimas sind subjektive Anreizsysteme zu entwickeln, die die Motivation der Mitarbeiter fördern. Entwicklung und Vermarktung innovativer Leistungen erfordern in beachtlichem Umfang Investitionen. Das Organisationsmanagement hat deshalb dafür zu sorgen, dass in ausreichendem Maß Sach- und Personalmittel für F&E, Marketing und Produktion zur Verfügung stehen und koordiniert eingesetzt werden. Neben der engen Kooperation mit den Beschaffungs- und Vertriebskanälen kommt einem exzellenten Marketing eine hohe Relevanz zu. Es muss gelingen, mittels der Leistungsdifferenzierung ein dauerhaft differenzierendes Unternehmensimage aufzubauen. Im Idealfall wird das Produkt zur Marke, wie dies bspw. Intel gelungen ist ("Intel inside") oder auch Mercedes anhaftet. In der Strategie der Leistungsdifferenzierung vereinen sich offensives und innovatives Verhalten. Risiken werden in prospektiver Suche nach Marktchancen bis zu einem gewissen Grad in Kauf genommen. Insbesondere im Fall des Verdrängungswettbewerbs mit Preiskämpfen, wie bei Konkurrenz um die Preisführerschaft, ist diese Strategie häufig Erfolg versprechender. Dennoch können die Risiken der Differenzierung nicht unterschätzt werden. So kann bei hohen Differenzierungskosten der Preisunterschied im Markt zu groß werden oder der Bedarf an differenzierten Produkten schwinden. Auch durch Produktveralterung und Imitation drohen Gefahren. Grundig, AEG, IBM und auch Unternehmen der europäischen Automobilindustrie können als Negativbeispiele aufgeführt werden, weil diese zu lange auf dem Durchhalten ihrer Differenzierungsstrategie beharrten.

Segmentstrategien • Leistungsorientierte Fokussierung Mit dem Ziel, Marktnischen zu nutzen, um diese zu besetzen und damit Eintrittsbarrieren für Konkurrenten zu setzen, repräsentiert die leistungsorientierte Fokussierung ebenfalls eine innovative und offensive Grundhaltung. Dies setzt eine gründliche Marktanalyse hinsichtlich Erfolg versprechender Segmente voraus. Die Konzentration auf ein Branchensegment führt letztlich zu einer mehr oder weniger engen Spezialisierung auf einen Schwerpunkt.

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Einführung zum Prozessmanagement

Ähnlich wie bei der Differenzierung hängt der strategische Erfolg davon ab, dass es dem Technologiemanagement gelingt, Erzeugnisse mit attraktiven Alleinstellungsmerkmalen zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten. Der Produktvariation, verstanden als Veränderung primär technischer und funktionaler Produkteigenschaften im Zeitablauf zur Wahrung der Nischenbesetzung, kommt eine größere Bedeutung zu. Von besonderer Relevanz sind deshalb die Art der Gestaltung von Produkten und Wertschöpfungsprozessen. Bei begrenzten Ressourcen erlangen vertrauensvolle Kooperationen in Forschung, Entwicklung und Produktion eine besondere Bedeutung. Dem Kostenmanagement liegt ebenfalls das Maximumprinzip zugrunde. Der Aufgabenfokus gleicht deshalb dem der Differenzierung, jetzt jedoch bezogen auf das besetzte Segment. Bei geringem Produktionsvolumen kommt dem Abbau von Fixkosten und der Proportionalisierung von Herstellkosten eine hohe Bedeutung zu. Degressionseffekte hingegen sind gewöhnlich nur in geringem Ausmaß realisierbar. Im Fall von Kooperationsprojekten können jedoch auch hier für beide Seiten sich nutzbare Potenziale eröffnen. Analog zur Differenzierungsstrategie obliegt dem Personalmanagement die Bereitstellung gut bis hoch qualifizierter Mitarbeiter in F&E, Produktion, Marketing und Beschaffung, die laufend zu schulen und weiterzubilden sind. Die schnell wechselnden, vielfältigen Aufgaben fordern den Mitarbeitern die Übernahme von Verantwortung, hohe Flexibilität und eine überdurchschnittliche Belastbarkeit ab. Andererseits ist Abbau einfacher Arbeitsplätze im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen zur Kosteneinsparung (Automatisierung, Outsourcing, Kooperation) nicht zu umgehen. Wesentliche Aufgaben des Organisationsmanagements sind die zielgerichtete und schnelle Umsetzung von Entscheidungen in Maßnahmen und die Bereitstellung von investiven Mitteln. Denn die Fokussierung bedingt einerseits Investitionen in Sach- und Humankapital, andererseits werden durch Desinvestionen auch Mittel freigesetzt, vergleichsweise jedoch meist in einem geringeren Umfang. Investitionen erfordert auch der Aufbau von Kooperationen, Allianzen oder Netzwerken in F&E, Produktion, Beschaffung und Absatz, die zur Verbreiterung der Ressourcenbasis einzugehen sich gewöhnlich als vorteilhaft erweist. Diese bedürfen nach dem Aufbau jedoch der laufenden Beziehungspflege. Das Unternehmen Porsche kann als positives Paradebeispiel für eine Differenzierungsstrategie genannt werden. Die Negativbeispiele der deutschen Uhrenindustrie und der deutschen Fotoindustrie veranschaulichen, dass diese Strategie keineswegs risikolos ist: So können sich die Unterschiede zwischen Segment und Markt als Ganzem im Zeitablauf verlieren, Imitatoren können auftreten und unterlassene technische Fortschritte können Know-How-Defizite verursachen. Besonders problematisch wird es jedoch dann, wenn das Management in Ignoranz der veränderten Umfeldsituation und Verkennung der Notwendigkeit eines rechtzeitigen Stra47

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tegiewechsels versucht, die vergangenheitlich erfolgreiche Strategie weiter durchzuziehen.

• Kostenorientierte Fokussierung Bei Rückzug auf das Kerngeschäft beschränkt sich ein Unternehmen auf die Nutzung meist nur weniger, ganz spezieller Fähigkeiten ("Kernkompetenzen") in einem schmalen Segment. Spezialisierung mit enger Schwerpunktsetzung unter Aufgabe von Rand- und Nebenkompetenzen ist deshalb als ein ausgeprägt defensives Verhalten einzustufen. Wie bei jeder Segmentierung ist eine gründliche und vorausschauende Marktanalyse die unabdingbare Vorraussetzung für den Erfolg. Im Vordergrund des Technologiemanagements stehen deshalb Produktelimination und Rationalisierung. Technologische Kompetenzen, die keinen Mehrwert mehr erbringen, sind deshalb zu veräußern oder aufzugeben. Spiegelbildlich dazu sind die verbleibenden Kompetenzen zu vertiefen und komplementäre Kompetenzen in einem dynamischen Prozess aufzubauen und zu Kernkompetenzen weiter zu entwickeln. Denn nur die in den Leistungen manifest gewordene Kompetenz ist das Alleinstellungsmerkmal, das der Kunde honoriert und damit den Erfolg sichert. Das Kostenmanagement ist vom Minimumprinzip geprägt: Auf der Grundlage analytischer Kostenuntersuchungen sind Kostensenkungspotentiale zu auszuloten, um die angestrebte Leistung unter Ausnutzung aller Einsparmöglichkeiten zu realisieren. Gleichwohl darf der Minimierungsansatz, verbunden mit intensiver Kostenkontrolle, die technologische Fortentwicklung nicht beeinträchtigen. Beim Personalmanagement steht der Abbau obsoleter Arbeitsplätze aufgrund der Produkteliminationen dem Aufbau von Arbeitsplätzen in F&E, Produktion, Beschaffung und Absatz zur Sicherung des Kompetenzvorsprungs gegenüber. Hierfür müssen hoch qualifizierte, belastbare Mitarbeiter und Spezialisten akquiriert werden, die auf dem aktiven Kompetenzgebiet geschult und weiter gebildet werden. Das Organisationsmanagement steht vor der Herausforderung, Entscheidungen zielgerichtet und schnell umzusetzen und einen ausbalancierten Weg in der Kombination von Investition und Desinvestition zu finden. Die enge Spezialisierung erfordert mehr noch als bei der Fokussierung komplementäre Partnerschaften in Form von Kooperationen, Allianzen oder Netzwerken. Die Risiken des Rückzugs in die Spezialisierung bestehen im Verlust der geschäftstragenden Kompetenzen durch Verteidigung bis zum Letzten. Häufig sind technologische Stagnation und fehlender technischer und organisatorischer Fortschritt hierfür ursächlich, was letztlich zur Geschäftsaufgabe zwingt. Beispiele für Unternehmen, die den Rückzug auf Kernbereiche vollzogen haben sind ehemals breit

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aufgestellte Unternehmen der deutschen Foto-, Optik- und elektrischen Bauelementeindustrie.

Hybride Strategien Massenproduktion als Produktion standardisierter Güter in großen Mengen ist gewöhnlich nur in Märkten erfolgreich, in denen das Angebot an begehrten Gütern knapp, die Nachfrage danach hingegen hoch ist, so dass die Hersteller den Preis setzen können. Die Preiskalkulation kann deshalb progressiv nach dem Schema "Selbstkosten plus Profit gleich Marktpreis" erfolgen. Dem "Gesetz der Massenproduktion" unterliegt die Kausalität, dass in Verkäufermärkten wachsende Produktionsvolumina die Ausnutzung von Degressions- und Lerneffekten erlauben, so dass die Selbstkosten sinken und somit auch die Preise gesenkt werden können, was wiederum die Nachfrage und via Kostendegressionen die Gewinne steigen lässt. Der Erfolg der Massenproduktion liegt also darin, unter Orientierung auf die eigenen Leistungsbereiche mittels hoher Produktionsvolumina von standardisierten Gütern profitable Preise fordern zu können. Betrachtet man die Kostenführerschaft aus Sicht der Potentialorientierung, so liegt auch hier die Fokussierung primär auf den eigenen Leistungsbereichen um die Selbstkosten standardisierter Güter niedrig zu halten. Da bei intensiver Konkurrenz der Güterpreis unter Wettbewerbsbedingungen durch den Markt jedoch vorgegeben wird, ist für den Erfolg, gemessen am Profit, das Niveau der Selbstkosten ausschlaggebend. Somit bestimmt die Relation "Marktpreis minus Profit gleich Selbstkosten" regressiv das Kostenziel. Aus gleicher Perspektive betrachtet bildet die Differenzierung quasi das Komplement dazu. Im Markt eröffnet sich aufgrund der Leistungsdifferenzierung ein konkurrenzarmer Markt mit hohem Absatzpotential, so dass ein profitabler Marktpreis verlangt werden kann. In progressiver Rechnung kann – wie im Fall der Massenproduktion – der Marktpreis deshalb durch die Gleichung "Marktpreis gleich Selbstkosten plus Profit" festgelegt werden. Sollen Kostenführerschaft und Differenzierung zu einer hybriden Strategie verschmelzen, so ergeben sich aus den vorgenannten Überlegungen zwei Optionen (s. Tabelle 1-1): Mass Customization: Erbringung kundenindividuell differenzierter Leistungen nach den Gesetzen der Massenproduktion in einem Markt mit standardisierten Gütern zu einem Preis, der gleich oder geringfügig höher als der Preis für Standardprodukte ist. Mass Differentiation: Erstellung differenzierter Leistungen nach den Gesetzen der Massenproduktion in einem Markt mit wenig differenzierten Leistungen zu einem Premiumpreis.

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Tabelle 1-1:

Hybride Startegien: Mass Customization and Mass Differentiation Potentialorientierung auf …

Erfolgsorientierung

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… Leistungsbereiche

… Markt

niedrige Selbstkosten

Kostenführer

Mass Customization

profitabler Marktpreis

Mass Differentiation

Differenzierung

• Mass Customization Der Gedanke der kundenindividuellen Variantenvielfalt geht auf Davis als theoretisch-konzeptionellen Vordenker und auf Pine als Pragmatiker zurück. Im deutschsprachigen Raum wird die Idee von seinem Schüler Piller propagiert. Unter dem Begriff Agile Manufacturing geht das Konzept von Maskell in die gleiche Richtung. Das Ziel des Ansatzes besteht darin, kleine Lose bis zu Losgröße 1 mit hoher Varietät ohne wesentliche Kostensteigerungen zu produzieren. Die Erwartungen der Kunden hinsichtlich Qualität, Kosten und Service sollen übertroffen werden. Der Wettbewerbsvorteil liegt demzufolge in der individuellen Produktdifferenzierung bei nahezu gleichem Preis. Dies erfordert einerseits eine hohe Kundenorientierung mit intensiver Interaktion, andererseits aber ebenso eine hohe Lieferantenorientierung auf der Grundlage kooperativer Beziehungen, um die Varietätsanforderungen ohne wesentliche Lagerbestände schnell und flexibel zu erfüllen. Die informations- und produktionstechnische Ausstattung sowie das Potential der Mitarbeiter sind die Schlüssel zum Erfolg. Organisatorische Vorraussetzung ist die flexible Spezialisierung auf der Basis flexibler Produktionseinrichtungen. Informationstechnisch muss eine sowohl Kunden als auch Lieferanten übergreifende Datenbasis vorhanden sein, um mittels agiler Software eine schnelle Kommunikation und Ausführung zu realisieren. Multifunktionale und funktionsübergreifende Mitarbeiterteams, die für schnelle und durch ständige Verbesserung für die Beschleunigung der Geschäftsprozesse sorgen, sind die Voraussetzung für den Erfolg. Das nachfolgende, verkürzt wiedergegebene Beispiel illustriert die Anwendung. Ein Kunde will Jeans in einem individuellen Design mit perfektem Sitz. Hierzu begibt er sich zu einer Servicestation, die seine Körpermaße mit einem 3D-Scanner ermittelt. Anhand von Stoff- und Designmustern sowie modularisierten Designelementen stellt der Kunde seine Wunschhose zusammen. Der Kundenauftrag wird unverzüglich in Schnittmuster umgesetzt und zu einer Schneiderei übertra-

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gen. Nach maschinellem Zuschneiden und Vernähen der Teile werden die Jeans wenige Tage später an den Kunden geliefert. Generische und hybride Strategien können in einem Unternehmen nebeneinander in demselben Segment oder in unterschiedlichen Segmenten verfolgt werden. Generellen Lösungen existieren für diesen Ansatz jedoch nicht, sondern lediglich situative. Außer der Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie (bspw. Land's End, Levi Strauss & Co., Dolzer, Otto), sind die Elektronik- und Computerbranche (bspw. Dell) oder der Bauindustrie (bspw. Streit) Anwendungsbeispiele für diese Strategie. Mit dieser Entwicklung vollzieht die Industrie einen Wandel von der Sachgüterproduktion hin zu einem industriellen Service.

• Mass Differentiation Dieser Ansatz kann als eine Kombination von Kosten- und Innovationsführerschaft perzipiert werden, wobei Innovationen das Differenzierungsmerkmal verkörpern. Wie im vorgenannten Ansatz sind kooperative Beziehungen mit den Lieferanten gleichermaßen von Bedeutung. Die Innovationsführerschaft bezieht sich selbst erstellte Produkte, Systeme, Komponenten u.a.m., deren Eigenschaften von Kunden in besonderem Maße wahrgenommen und mit der Leistungsfähigkeit und Kompetenz des Herstellers assoziiert werden. Dieses Alleinstellungsmerkmal erlaubt Premiumpreise auf der Basis progressiver Preiskalkulation. Kostenführerschaft hingegen wird beim Herstellungsprozess sowie bei fremdbezogenen Leistungen verfolgt, also bei Prozessen und Objekten, die vom Kunden nicht direkt wahrgenommen oder als weniger bedeutend angesehen werden. Als Beispiel hierfür können die Premiumhersteller in der Autoindustrie wie Audi, BMW oder Mercedes angeführt werden. Die eingesetzten Mittel sind innovative Detailleistungen unter Fokussierung auf die eigenen Kompetenzen wie bspw. bei Design, Karosse, Motor, Fahrwerk, elektronische Assistenten u.a.m.. Die Produkttechnologie der Modularisierung in Verbindung mit Automatisierung der Fertigung und Montage ermöglicht Variantenfertigung unter Nutzung der Vorteile der Großserienfertigung. Modell- und markenübergreifend trägt die Verwendung von Gleichteilen und Baukastenelementen auf der Basis gemeinsamer Plattformen zur Kostensenkung bei. Spezialisierte Komponenten- und Systemlieferanten erbringen in enger Kooperation Leistungen, die unter dem "Hut" für Kunden nicht von primärer Bedeutung sind. Für Standardteile und -komponenten werden kostengünstige Bezugsquellen erschlossen.

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Wertschöpfungsvernetzung Die vorgenannten hybriden Strategien erfordern eine enge Kooperation der Akteure und verdeutlichen, dass angesichts der gesunkenen und der weiter sinkenden Wertschöpfungstiefe nicht mehr Unternehmen mit Unternehmen konkurrieren, sondern Wertschöpfungsnetzwerke miteinander im Wettbewerb stehen. Bei Allianzen, JointVentures, strategischen Netzwerken in Forschung, Entwicklung, Produktion, Logistik und bei anderen Erscheinungsformen von Netzwerkarrangements gewinnen vertrauensvolle Kooperationsbeziehungen eine hervortretende Bedeutung. Die Kooperationspartner bleiben in der Wertschöpfungsvernetzung rechtlich selbständig und ökonomisch weitgehend autark. Zwei grundsätzliche Ausrichtungen von Netzwerken lassen sich unterscheiden: Zum einen Wertschöpfungsverbunde, die grundsätzlich auf Dauer angelegt sind und gewöhnlich als "Allianzen" bezeichnet werden (bspw. Star Alliance); zum anderen temporäre, projektbezogene Kooperationen, vielfach als "Virtuelle Unternehmen" charakterisiert. Der Kundennutzen besteht darin, dass der Kunde nicht selbst die einzelnen Teilleistungen bei entsprechenden Anbietern erfragen, erwerben und koordinieren muss, sondern ein Netzwerkpartner das Netzwerk nach außen hin repräsentiert (one face to the customer), als Ansprechpartner die Leistung als Gesamtpaket anbietet und die Akteure diese in komplementärer Partnerschaft und interner Koordination erbringen. Die Netzwerkkooperation vollzieht sich im Wesentlichen auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens ohne umfassende Vertragswerke und führt somit zur Senkung der Transaktionskosten. Die Fokussierung der Akteure auf ihre speziellen Kompetenzen erlaubt eine flexible Spezialisierung zum Nutzen des Kunden. Die komplementäre Leistungsabstimmung ermöglicht im Innenverhältnis eine verbesserte Kapazitätsauslastung. Innerhalb des Netzwerks stehen die Partner zugleich in Kooperation und Wettbewerb (Coopetition). Infolge des Wettbewerbsdrucks werden die Netzwerkakteure gezwungen, ihre Kompetenzen dynamisch weiter zu entwickeln und sich weiter zu qualifizieren, um ein wertvoller Partner zu bleiben. Einerseits ist nicht zu vermeiden, dass Partner in enger Kooperation voneinander lernen, so dass die Gefahr besteht, dass jeweils der andere Akteur sich Kompetenzen seines Partners aneignet. Für Kompetenzen, die verlustig gehen, muss deshalb ein Ausgleich durch den Erwerb neuer Kompetenzen gesucht werden. In ähnlicher Weise besteht auch eine Substitutionsbedrohung eines Netzwerkakteurs durch externe Konkurrenten, die aufgrund ihrer Kompetenzen als Netzwerkpartner eventuell zweckmäßiger erscheinen. Wertschöpfungsarrangements in interorganisationaler Vernetzung können durch Kombination komplementärer Einzelleistungen - meist mittlerer Spezifität - eine Gesamtleistung anbieten, die ein Unternehmen allein nicht effizient erstellen könnte. Zudem kommt die zunehmende Wertschöpfungsmodularisierung in Entwicklung, Herstellung und Logistik dieser Organisationsform entgegen. Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik ermöglicht auch die Kooperation räum52

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lich weit verteilter Unternehmen. So vergeben bspw. Automobilhersteller Entwicklungs- und Fertigungsaufträge für Systeme und Module häufig komplett an ein Unternehmen, das als verantwortlicher Systemführer das Netzwerk aus verteilten Zulieferunternehmen organisiert und die Einzelprozesse der Partner koordiniert.

Literaturhinweise Biervert, B.: Unternehmensvernetzung: Konzepte und Fallstudien, Wiesbaden 1992. Bellmann, K. (Hrsg.): Kooperations- und Netzwerkmanagement: Festgabe für Gert v. Kortzfleisch zum 80. Geburtstag, Berlin2001. Maskell, B. H.: Software and the Agile Manufacturer, Computer systems and world class manufacturing, Portland 1994. Piller, F.: Kundenindividuelle Massenproduktion: Die Wettbewerbsstrategie der Zukunft, München [u.a.] 1998. Pine, B. J.: Mass Customization: The New Frontier in Business Competition, Harvard 1993. Porter, M. E.: Wettbewerb und Strategie, München 1999. Porter, M. E.: Wettbewerbsstrategie : Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, 5. Aufl., Frankfurt [u.a.] 1988.

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Werkseröffnung in Shenyang "Was wissen Sie?", entfuhr es Helmut Panke. Der Tonfall des BMW-Chefs war aggressiv und zerriss die fröhliche Stimmung, mit der das Unternehmen die Eröffnung seines Werkes im nordchinesischen Shenyang feierte. Eine kurze Frage zu BMWs Problemen in China hatte dem Vorstandschef des Münchner Konzerns die Laune verdorben. Stocksteif und mit eingefrorener Miene saß er auf dem Podium. Sein feines Gespür und die düstere Vorahnung haben Panke nicht getrogen. Das Autogeschäft in China entpuppt sich immer mehr als kaum kalkulierbares Wagnis. Gerade erst musste Konkurrent Volkswagen erfahren, wie rasend schnell sich das Marktumfeld im Reich der Mitte verändert. Den Wolfsburgern, die 2003 in China operativ noch rund 560 Millionen Euro verdienten, droht in diesem Jahr nach einer Analyse der Investmentbank Goldman Sachs ein Verlust von rund 400 Millionen Euro. So hart wird es BMW nicht treffen. Dennoch: Ein Jahr nach Produktionsbeginn jagt in China ein Problem das nächste: Weil BMW zunächst zu sehr auf die 3er-Reihe, statt auf den 5er setzte und seine Autos zudem noch in den falschen Farben anbot, in den Kaderfarben schwarz und dunkelblau statt weiß oder silbern, wie es die Kunden wollten, stehen sich die dunklen Fahrzeuge die Reifen platt. Auf Grund des kleinen Produktionsvolumens ist es schwieriger und teurer als erwartet, Zulieferer nach Shenyang zu locken. Weil die lokal produzierten BMW im Vergleich zu etablierten Rivalen wie Audi aber auch Toyota zu teuer waren, musste BMW im Januar die Preise um bis zu 15 Prozent, je nach Fahrzeug bis zu 10.000 Euro, senken. Seitdem läuft die 5er-Reihe besser, wirft aber weniger ab. Den 3er bezeichnen Händler nach wie vor als Ladenhüter. Am meisten leidet BMW darunter, dass die Regierung schon kurz nach Aufnahme der Produktion die Staatsbanken anwies, weniger Kredite an Autokäufer zu vergeben, um

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Quelle: Sieren, Frank: "Geld und Ärger", WirtschaftsWoche Nr. 17/ 21.04.2005. Frank Sieren ist seit zehn Jahren Bürochef der WirtschaftsWoche in Peking und Autor des Wirtschaftsbestsellers "Der China Code - Wie das boomende Reich der Mitte Deutschland verändert". Im Kapitel "Konkubinenwirtschaft" beschreibt er ausführlich weitere Fälle der chinesischen Spieltheorie.

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so die Konjunktur abzukühlen. Seitdem hat das Wachstum des chinesischen Automarkts um 75 Prozent nachgelassen. Das trifft alle Hersteller, doch BMW besonders hart. Wenn es im Markt eng wird, sind routinierte Verkäufer ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. BMW hat jedoch als Spätankömmling sein Vertriebsnetz nicht voll ausgebaut. Zuerst wurde die Überproduktion des Werks in Shenyang zum Teil in den Hallen des Autozulieferers Dräxlmaier zwischengeparkt. Schon in der zweiten Hälfte 2004 wurde dann auch dem letzten Optimisten klar, dass die ohnehin vorsichtig geplanten Absatzzahlen unerreichbar waren. Statt für das Jahr avisierte 18.000 Wagen baute BMW in Shenyang ganze 10.000 - in einer Fabrik, die auf 30.000 Fahrzeuge ausgelegt ist. Zu allem Unglück kamen auch noch Probleme mit dem chinesischen Zoll hinzu. Wie viele Wettbewerber importiert BMW einen Großteil der Teile und Komponenten. Doch die aus Deutschland gelieferten Komponentensätze mussten wie fertige Importautos voll verzollt werden, solange BMW keine Bescheinigung hatte, dass es sich nur um Zulieferteile handelte. Dagegen sperrte sich der Zoll mit der Begründung, im Zuge der WTO-Vereinbarung würde bald eine neue Regelung in Kraft treten, die abzuwarten sei. BMW wollte und konnte jedoch nicht warten. Inzwischen ist das Problem zwar entfallen, doch erst nachdem BMW um einen hohen Millionenbetrag ärmer war.

Chaosjahr 2004 Vier Spitzenmanager der Brilliance China Automotive Holdings und die Provinzregierung von Liaoning verbrachten den größten Teil des Jahres damit, miteinander zu streiten. Stein des Anstoßes waren Aktienoptionen der Manager, die diese nach Ansicht von Yang Baoshan, Präsident des größten staatlichen Brilliance-Aktionärs und gleichzeitig Chef der Industrieaufsichtsbehörde von Liaoning, zu Unrecht bekommen haben. Die Manager hielten empört dagegen, die Optionen seien ihnen just von jenen angeboten worden, die sie jetzt für unrechtmäßig erklärten. Im November riss eine knappe Mitteilung der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) den Kurs des in Hongkong und New York notierten Unternehmens endgültig in die Tiefe: "PwC legt sein Mandat nieder." Der Aktienkurs sackte ab - ebenso wie die Verkäufe der 5er- und 3er-BMWs sowie des Brilliance-Mittelklassewagens Zhonghua. Wenig später kam für drei der vier umstrittenen BrillianceManager das Aus, darunter den Präsidenten und CEO Su Qiang. Das Joint Venture, in dem die Chinesen auch das Finanz- und Personalressort kontrollieren, war gelähmt. Panke zog die Notbremse. Als neuer China-Chef der Bayern wurde Christoph Stark von DaimlerChrysler abgeworben. Ein Mann mit erheblicher Landeskenntnis: Unter seiner Führung fuhr DaimlerChryslers Bus-Joint-Venture Yaxing-Benz gegen die Wand. Am 1. Februar 2005 wurde auch der deutsche Joint-Venture-Chef Heinz Jürgen Preissler in Pension geschickt. Ihm folgte in Shenyang Eberhard Schrempf nach. Der

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47-Jährige war zuvor Leiter Vertrieb Niederlassungen Deutschland und hat keine Chinaerfahrung.

Rückblende Horst Teltschik wird 1993 BMW-Vorstandsmitglied für Wirtschaft und Politik. Zuvor war er als Abteilungsleiter in der Regierung von Helmut Kohl lange für die Außenund Sicherheitspolitik zuständig. Auf der Suche nach einem chinesischen Produktionspartner für BMW rät ihm die Pekinger Planungskommission, mit einem der großen staatlichen Autohersteller zusammenzugehen. Der Manager Teltschik ignoriert den Rat. Er will lieber mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeiten. Das passt besser zum Image von BMW. Außerdem erhoffte Teltschik sich davon mehr Kontrolle, weniger Bürokratie und niedrigere Kosten. Ein Partner ist schnell gefunden: Brilliance, der führende Minibushersteller aus Shenyang. Brilliance war vom ehemaligen Staatsmanager Yang Rong aufgebaut und stramm marktwirtschaftlich geführt worden. Wegen seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung für die rückständige Provinz Liaoning hatte sich das Unternehmen den Regulierungsversuchen der Staatsplaner weit gehend entziehen können. Doch die Pekinger Planungsbehörde hat keineswegs die Absicht, Brilliance auch bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen Sonderkonditionen zu genehmigen. Bei einem Treffen mit Teltschik sagt Planungschef Zhang Guobao, einer der erfahrensten und klügsten Wirtschaftsplaner: "Wir haben Ihnen mehrfach zu verstehen gegeben, dass dies der falsche Partner ist. Den wollen wir nicht.” Doch Teltschik hat sich in den Kopf gesetzt, den besten China-Deal aller Zeiten zu machen und macht unbeirrt weiter. Er setzt darauf, dank seiner hervorragenden Kontakte aus seiner Zeit als Kohl-Helfer, das Joint Venture mit Brilliance auch an der Planungskommission vorbei genehmigt zu bekommen. Die Zeit läuft Teltschik davon. Während er noch mit BMW verhandelt, vereinbart Manager Yang Rong eine Zusammenarbeit mit General Motors und Toyota. Die klassische Methode, die chinesische Staatsunternehmen gegenüber ausländischen Partnern einsetzen, um sie unter Druck zu setzen. Im Juni 2000 scheidet Teltschik aus dem BMW-Vorstand aus - ohne die politischen Probleme, die er für BMW lösen sollte, wirklich gelöst zu haben. Schließlich werden sich die Münchner und Yang Rong doch noch handelseinig. Die Deutschen versprechen, Brilliance bei der Entwicklung eines eigenen Fahrzeugs der oberen Mittelklasse zu unterstützen. Für die Herstellung von BMW-Limousinen verständigen sich beide Seiten darauf, nur die relativ geringe Stückzahl von 30.000 Fahrzeugen der 3er- und 5er-Reihe zu bauen.

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Ein Abendessen Dass sich BMW und Brillance einig wurden, änderte jedoch nichts an der ablehnenden Haltung der Pekinger Planungskommission. Eine Produktionslizenz wollte sie weiter nicht erteilen. Auf der Suche nach politischen Verbündeten bekommen BMW und Brilliance jedoch Schützenhilfe von Liaonings Provinzgouverneur Bo Xilai. Bo, Sohn eines einflussreichen kommunistischen Altkaders, der den Langen Marsch mit Mao mitgemacht hatte, war erpicht darauf, BMW in seine rückständige Provinz zu holen. Und er weiß, dass es in der chinesischen Führungsriege nur einen gibt, der das Projekt gegen den Widerstand des Staatsapparats durchdrücken kann: der damalige Premierminister Zhu Rongji. Im Herbst 2001 sieht Bo seine Chance. Zhu hat Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einem Abendessen im kleinen Kreis in die nordchinesische Hafenstadt Dalian eingeladen. Bo ist einer der Gäste. Vor seiner Gouverneurszeit hatte er in den Neunzigern als Bürgermeister die seinerzeit heruntergekommene Hafenstadt zu einem Vorzeigeort aufgepäppelt. Bo erklärt, mit BMW könne Liaoning an den Erfolg von Dalian anknüpfen. Zhu, ein Mann der Tat und Freund der Deutschen, gibt dem Joint Venture seinen Segen.

Spieltheorie – die chinesische Variante Doch Zhus Machtwort führt erst einmal zu gar nichts. Die düpierte Planungskommission ist stinksauer. Ihre Laune wird auch nicht besser, als der damalige BMWVorstandschef Joachim Milberg sie wenige Monate später, im März 2002, in Peking versetzt. Er sagt ein geplantes Treffen "wegen Staus” einfach ab und fährt stattdessen zu Premierminister Zhu. Die Planungsdirektoren verschleppen den Vorgang monatelang, ehe sie das Projekt schließlich dem Staatsrat zur offiziellen Genehmigung vorlegen. Mit kühlem Machtgespür hilft Gouverneur Bo dem Joint Venture schließlich über die Hürde und gibt den Pekinger Wirtschaftsplanern, was diese für ihre Zustimmung brauchen: Bo erklärt dem Unternehmensgründer und -manager Yang Rong, dass Brilliance künftig mehr Steuern zu zahlen habe. Außerdem stellt er Yangs Beteiligung an dem Unternehmen infrage. Dieser wehrt sich nach Kräften und droht damit, in eine Nachbarprovinz umzuziehen. Die Provinzregierung macht ihm ein letztes Angebot zur Güte, doch "unglücklicherweise wollte er mehr, als wir zu geben bereit waren”, fasst Regierungsvertreter Yang Baoshan den Ausgang zusammen. Im Juni 2002 bekommt Brilliance-Chef Yang, Besitzer eines Hongkonger Passes, den Tipp, sich schnell aus dem Staub zu machen, wenn er nicht verhaftet werden wolle. Yang flieht in die USA. Keinen Tag zu früh. Denn es existiert bereits ein auf seinen

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Namen ausgestellter Haftbefehl, in dem ihm unter anderem Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Der Handel der Brilliance-Aktie in Hongkong und New York wird gestoppt. Mit dem Argument, Yang habe das Unternehmen nur als staatlicher Manager geführt, übernimmt die Provinzregierung von Liaoning die Kontrollmehrheit - zu einem Bruchteil des Marktwerts. Seitdem versucht Yang, inzwischen im Besitz einer amerikanischen Green Card, mithilfe eines prominenten Washingtoner Anwalts, dem ehemaligen US-Kongressabgeordneten Jim Slattery, seine konfiszierten Anteile im Wert von 690 Millionen USDollar vor internationalen Gerichten einzuklagen. Gleichzeitig sät er Zwietracht zwischen BMW und den neuen Herren bei Brilliance: "Herr Panke sollte sich in Acht nehmen, wenn er mit Leuten Geschäfte macht, die das Gesetz mit Füßen treten”, so Yang. "Solange ich nicht mein Recht bekomme, müssen auch andere Unternehmer davon ausgehen, dass ihre Investitionen nicht sicher sind.” Doch der BMW-Chef ließ ihm knapp ausrichten, dass die Eigentümerfrage aus Sicht von BMW geklärt sei. Anfang März 2003 weist ein amerikanisches Gericht Yangs Klage gegen die Provinzregierung von Liaoning zurück.

Die Lizenz zum Fertigen BMW ist nach vielen Irrungen und Wirrungen, viel Ärger und Geld schließlich da angekommen, wo man anfangs nicht ankommen wollte: bei einem staatlichen Unternehmen. Brilliance ist inzwischen ein ganz normaler Staatsbetrieb und voll unter der Kontrolle der Planungskommission, die dem neuen BMW-Chef Panke im Juli 2003 endlich eine Lizenz ausstellte. Die Arbeitsteilung im Joint-Venture-Vertrag ist ungünstig für BMW: Die beiden wichtigsten Funktionen, Personal und Finanzen, müssen die Bayern den Chinesen überlassen. Seitdem haben die Autobauer mit Gegenwind zu kämpfen. Bei der offiziellen Eröffnung des Produktionsstandorts im Mai 2004 ist - anders als üblich - weder ein hoher Vertreter der Zentralregierung noch der Provinzgouverneur anwesend. Geburtshelfer Bo ist Anfang 2004 zum chinesischen Handelsminister befördert worden. Nach so vielen Enttäuschungen sind Pankes Ausblicke inzwischen extrem vorsichtig. Er halte es durchaus für möglich, dass die chinesische BMW-Fabrik "erst 2010 ihre volle Auslastung von 30 000 Stück erreichen wird”, sagte er kürzlich. Panke freut sich inzwischen über kleinste Fortschritte. Auf der jüngsten Pressekonferenz von BMW Asien in Singapur gab er bekannt, dass die Regierung von Shenyang zum ersten Mal in ihrer Stadt produzierte BMW gekauft habe. Die Anzahl: 15 Stück.

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Derweil plant sein chinesischer Partner, das Modell Zhonghua demnächst für unter 20.000 Euro auch in Deutschland auf den Markt zu bringen. Anfang des Monats stellten die Chinesen das Modell bei der Auto Mobil International in Leipzig vor.

Aufgabenstellung 1. Analysieren Sie die Markteintrittstrategie von BMW. 2. Beurteilen Sie das Interesse von Brilliance an dem Gemeinschaftsunternehmen mit BMW. 3. Charakterisieren Sie das Taktieren der BMW-Manager. 4. Nehmen Sie Stellung zu der Rolle der Pekinger Planungskommission. 5. Erläutern Sie den chinesischen Weg der Zielerreichung.

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Ausgangslage und Zielsetzung Das unternehmerische Umfeld der Verlags- und Medienbranche hat sich in den beiden letzten Jahrzehnten wesentlich verändert. Nach Jahren enormer Zuwachsraten brachten die Jahre 2001 und 2002 einen umfassenden Paradigmenwechsel. Fortschreitende Technologisierung, Globalisierung, zusätzliche Wettbewerber, Verkürzung von Lieferzeiten und Innovationszyklen sind nur einige der wesentlichen Einwirkungsfaktoren auf die Verlagswelt und andere Medien-Branchen. Die Auswirkungen der Werbe- und Anzeigenflaute sind insbesondere in den Verlagshäusern zu spüren, die ihre üppigen Anzeigenerlöse in Multimedia und Internetinvestments riskierten. Die Verlagsbranche steht inmitten eines Umbruchs, der durch Konzentrationsprozesse, Reorganisation und strategische Neuausrichtungen gekennzeichnet ist. Veränderungsdruck entsteht insbesondere durch gewandelte Verbraucher- und Konsumgewohnheiten, verändertes Mediennutzungsverhalten, zunehmende Verdrängung der Off-line durch On-line Medien sowie durch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der gesamtwirtschaftliche Trend diktiert den Verlagen die Strategie zur Konzentration auf das Kerngeschäft mit den Maßnahmen zu Kostensenkung und Personalreduktion. Jedes Unternehmen muss sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit der Einschätzung von Krisen auseinandersetzen. Es gilt zu bewerten, ob es sich um eine konjunkturelle (das heißt zeitlich begrenzte) Krise handelt, oder ob diese Krise zu nachhaltigen Veränderungen der Branche führen wird. Das Unternehmen Reader’s Digest Switzerland, mit Sitz in Zürich, ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des weltweit operierenden Konzerns Reader’s Digest (RD) mit Sitz in den USA. Reader’s Digest ist ein Medienunternehmen, das seine Produkte Zeitschriften, Bücher, Musikprodukte und Videosammlungen hauptsächlich über den Weg des Direktmarketings bewirbt und auf dem Postweg zum Kunden bringt.

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Unter Mitarbeit von Werner Neunzig, Geschäftsführer von Reader's Digest Deutschland, Schweiz, Österreich.

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RD Switzerland war eine eigenständige Gesellschaft und mit allen zur Geschäftsabwicklung notwendigen Funktionen ausgestattet. Durch Abkopplung vom weltweiten Informationsaustausch, durch zu starke lokale Konzentration sowie durch den Weggang wichtiger Leistungsträger wurde die Effizienz der gesamten Gesellschaft stark beeinträchtigt. Eine Überpenetrierung der Märkte und teure, nicht marktgerechte Produktentwicklungen ließen die Betriebsergebnisse in erheblichem Maße schrumpfen. Eine positive Entwicklung war nicht abzusehen und wurde von der lokalen Gesellschaft mittelfristig nicht prognostiziert. Die Zielsetzung des Konzerns war: Komplette Übernahme der Verantwortung für die Gesellschaft RD Switzerland durch die Gesellschaft RD Deutschland. Gemeinkosten und direkte Kosten sollten um Größenordnungen gesenkt, die Durchlaufzeiten (time to customer) für Werbematerial- und Produktentwicklung signifikant reduziert werden. Eine Einbindung der Mitarbeiter der Schweizer Gesellschaft in den weltweiten Informationsaustausch war sicherzustellen, damit eine operative Umsetzung der "Best Practices" gewährleistet werden konnte. Synergien, günstige Konditionen und Bedingungen, die von RD Deutschland bereits genutzt wurden, sollten auch im Schweizer Markt angewandt werden können. Durch die Zielsetzung war klar, dass eine grundlegende Hinterfragung aller bisherigen betrieblichen Abläufe notwendig wurde. Die Kostensenkungen in Größenordnungen sowie die signifikante Reduzierung der Durchlaufzeiten ließen eine inkrementelle Vorgehensweise als nicht zielführend erscheinen. Durch das Hinterfragen aller Abläufe und durch die bewusste Nutzung von Synergien mit der deutschen RD Gesellschaft wurde das gesamte Schweizer Unternehmen vom Reengineering erfasst. Die Verantwortung des Projektes lag beim deutschen Management.

Ansätze des Reengineering Im Mittelpunkt des Business Reengineering steht die grundlegende Neugestaltung von Prozessen eines Unternehmens zur Wertsteigerung für den Kunden. Im Gegensatz zu Business Process Reengineering umfasst Business Reengineering nicht nur die Neugestaltung der Geschäftsprozesse, sondern schließt auch die Neudefinition des Geschäftszweckes ein. Mit dem Konzept des Business Reengineering wird beabsichtigt, die Geschäftsprozesse zu vereinfachen, zu standardisieren und somit zu beschleunigen, die Kostensituation zu verbessern sowie die Handlungsgeschwindigkeit des Unternehmens zu erhöhen, um den Unternehmenswert (shareholder value) und den Nutzen für den Kunden zu steigern. Hammer/Champy definieren Business Reengineering als "...fundamentales Überdenken und radikales Redesign von Unternehmen oder wesentlichen Unternehmensprozessen. Das

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Reorganisation Reader’s Digest Switzerland

Resultat sind Verbesserungen um Größenordnungen in entscheidenden heute wichtigen und meßbaren Leistungsgrößen in den Bereichen Kosten, Qualität, Service und Zeit."1 Das Konzept des Total Quality Management zielt darauf ab, den Qualitätsgedanken über alles zu stellen und auf alle Abläufe, Vorgehensweisen und Leistungen auszudehnen, um in kleinen Schritten innerhalb der bestehenden Prozesse Verbesserungen zu erzielen.2 Die Philosophie des Total Quality Management Konzeptes ist die absolute Qualitätsorientierung, die sich dynamisch verändert, indem sie stetig an die Kundenwünsche angepasst wird und dadurch zu höherer Kundenorientierung führt. Die Qualitätsorientierung erstreckt sich auf Produkt-, Prozess-, Service- und Kommunikationsqualität in allen Unternehmensbereichen.3 Ebenso wie das Total Quality Management Konzept, stellt der Ansatz des Lean Management ein Konzept dar, das sich auf die strategischen Erfolgsfaktoren Qualität, Kosten und Zeit konzentriert. Der Lean Management Ansatz, aus dem Ansatz der Lean Production entstanden, strebt präzise Kundenorientierung an, um eine Zielübererfüllung, die vom Kunden nicht honoriert wird, zu vermeiden. Die qualitäts- und kostenorientierte Erfüllung des Kundenwunsches soll über schlanke Denkweisen, schlanke Prinzipien, schlanke Maßnahmen, schlanke Strategien und schlanke Organisationen erfolgen. Dem Konzept liegt zugrunde, das alle Prozesse effektiver und effizienter gestaltet werden können, was zu einer überwiegend organisatorischen Betrachtung der Prozesse führt.4 Davenport stellt mit seinem Ansatz der Process Innovation die analytische Überprüfung und Weiterentwicklung der wichtigsten Unternehmensprozesse in den Mittelpunkt seiner Betrachtung.5 Dabei werden Prozesse hierarchisch strukturiert und in Gesamtprozesse, Teilprozesse und Aktivitäten gegliedert. Nach Festlegung der quantifizierbaren Prozessziele erfolgt die Umsetzung in fünf Stufen. Im Gegensatz zu anderen Reengineering Konzepten beschränkt sich Harrington mit der Methode des Business Process Improvement auf die signifikante Steigerung der Effektivität und der Effizienz von Geschäftsprozessen.6 Er baut auf den bestehenden Abläufen auf und entwickelt sie weiter. Infolgedessen Durch bleiben auch die funktionalen Strukturen weitgehend erhalten.

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Hammer, M.; Champy, J.: Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen. Frankfurt/M., München 1994, S. 52. Vgl. Ischikawa, K.: What is Total Quality Control?, New York 1985, S. 91. Vgl. Keuper, F.; Burchert, H.; Hering, T. (Hrsg.): Strategisches Management. München, Wien 2001, S. 102f. Vgl. Womack, J.P.; Jones, D.T.: Lean Solutions: How Companies and Customers Can Create Value and Wealth Together von James P., Daniel T. Vgl. Davenport, T.: Process Innovation – Reengineering Work through Information Technology, Boston 1993, S. 5. Vgl. Harrington, H. J.: Business Process Improvement. The Breakthrough Strategy for Total Quality, Productivity, and Competiveness. New York 1991, S. 20ff.

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Reorganisation Reader’s Digest Switzerland

Das Konzept des Business Process Reengineering greift den Ansatz der kontinuierlichen Prozessverbesserung auf und überprüft die Einbettung in die Aufbauorganisation ohne jedoch die gesamte Organisation eines Unternehmens zu verwerfen. Ein Vertreter dieses Ansatzes ist Johansson, der sein Konzept in drei Phasen (Discover, Redesign, Realize) gliedert. Dabei handelt es sich um einen Top-Down-Ansatz, der die Strategieals auch Prozessgestaltung berücksichtigt und sich dabei auf wenig identifizierte Kernprozesse konzentriert.7

Change Management Change Management (auch strategic change oder organzational change genannt) bezeichnet die Planung, Koordination und Steuerung von tief greifenden Veränderungsprozessen im Unternehmen, die die kontinuierliche Entwicklung des Unternehmens unterbrechen. Change Management bezeichnet auch den Vorgang, durch den Mitarbeiter eines Unternehmens, die Veränderung der Unternehmensstrategie mit den Veränderungen von Systemen, Prozessen, der Organisationsstruktur sowie der Unternehmenskultur in Einklang bringen.8 Häufig folgen auf evolutionäre Wachstumsphasen revolutionäre Krisen, die zu einem hohen Veränderungsdruck führen Alle Prozesse der globalen Veränderung, sei es durch Evolution oder Revolution, fallen in das Aufgabengebiet des Change Management. Grundlegende und tief greifende Restrukturierungsmaßnahmen gehen stets mit einer Überprüfung oder Neuausrichtung der Unternehmensstrategie, einer Veränderung der Unternehmenskultur sowie einer Anpassung der eingesetzten Technologie und Systeme einher. Daher ist es eine essentielle Aufgabe des Change Management, zwischen den vier Handlungsfeldern Strategie, Organisation, Kultur und Technologie einen unternehmensoptimalen ‚fit’ herzustellen. Der Erfolg von Transformationsprozessen kann jedoch nur durch die simultane Betrachtung des Gesamtzusammenhangs erreicht werden.9 Bei der Umsetzung des Change Management lassen sich vier wesentliche Veränderungsstrategien unterscheiden.

„ Top-Down-Ansatz: Das Vorgehen setzt bei der obersten Führungsebene an, und die initiierten Veränderungen werden nach ‚unten’ in die Organisation getragen. Mit diesem Ansatz wird am ehesten die nötige Unterstützung durch das TopManagement erreicht.

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Vgl. Johansson H.J.et al.: Business Process Reengineering. Breakpoint Strategies for Market Dominance. Chichester 1993, S. 80ff. Vgl. Reiß, M.: Change Management. Programme, Projekte und Prozesse, Stuttgart 1997, S. 9. Vgl. Vahs, D.; Leiser, W.: Change Management in schwierigen Zeiten. Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Veränderungsprozessen, Wiesbaden 2003, S. 273.

Reorganisation Reader’s Digest Switzerland

„ Bottom-Up-Ansatz: Veränderungsanstrengungen gehen von der untersten Hierarchiestufe aus und sollen sich bis zur Führungsspitze durchsetzen. Entscheidend dabei ist, die notwendige Unterstützung sowohl vom Top- als auch vom Middlemanagement zu bekommen.

„ Center-Out-Ansatz: Hier bildet die mittlere Führungsebene den Ausgangspunkt des Veränderungsprozesses. Die Führungskräfte dieser Ebene verfügen über genügend Handlungsspielraum, um die Veränderungen nach oben und unten durchsetzten zu können.

„ Multiple-Nucleus-Ansatz: Meist entstehen Veränderungsanstöße gleichzeitig an verschiedenen Stellen im Unternehmen. Hierbei entsteht die Schwierigkeit, die unabhängigen Aktivitäten der verschiedenen Interventionsebenen miteinander in Einklang zu bringen.

Aufgabenstellung 1. Arbeiten Sie die Unterschiede der Reorganisationsansätze anhand geeigneter Merkmale und Prinzipien heraus. 2. Klassifizieren Sie die Reorganisationsansätze nach der Art der angestrebten Veränderung (evolutionärer vs. revolutionärer Prozess). 3. Zwecks Aufbaus einer strategischen Erfolgsposition ist die Verzahnung der Unternehmensstrategie mit den Strategien zur Prozessgestaltung (Prozessstrategien) ein entscheidender Schritt vor der Implementierung von Reorganisations-Projekten. Erörtern Sie, wie strategisch relevante Prozesse ermittelt und mit der Unternehmensstrategie verzahnt werden können. 4. Bei Reorganisations-Projekten erscheint es wenig sinnvoll, die Unternehmensstrategie völlig losgelöst von der Unternehmensstruktur und -kultur zu betrachten. Arbeiten Sie die wechselseitigen Interdependenzen zwischen Strategie, Struktur und Kultur, die einer ausgewogenen Abstimmung bedürfen, heraus. 5. Entwickeln Sie eine Konzeption (Vorgehen, Methodik, Maßnahmen) für das Change Management-Projekt "Reader’s Digest Switzerland". 6. Diskutieren Sie die Chancen und Risiken eines Change Management-Projekts.

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Köpfe zum Lesen und Schreiben *

Ausgangssituation Sie sind Mitarbeiter in einem Halbleiterwerk der US-amerikanischen Firma IBM, die weltweit Standorte für Produktion und Vertrieb unterhält. Am Standort Mainz, an welchem Sie beschäftigt sind, werden Festplatten produziert und montiert. Diese werden in eigenen Laptops und Großrechnersystemen oder in Produkten von OEMKunden verbaut. Der Markt für Festplatten ist gekennzeichnet durch die Forderung nach kurzen Lieferzeiten und immer kürzer werdende Produktlebenszyklen. Dem gegenüber stehen die Bemühungen Ihres Unternehmens, die Kapazität der sehr teuren Fertigungsanlagen möglichst hoch auszulasten. Indes sind die Halbleitererzeugnisse auch bei IBM von den branchenüblichen hohen Ausschussraten in den einzelnen Produktionsstufen betroffen.

Die Mitarbeiterzeitschrift Im Werk Mainz erscheint in regelmäßigen Abständen eine Mitarbeiterzeitschrift. Diese enthält Informationen über Werk, Produkte, Prozesse, Kunden und Kollegen. Aus den letzten Ausgaben liegen Ihnen auszugsweise verschiedene Beiträge vor:

Dürfen wir vorstellen: Der Speicher-Riese Unser Mainzer Werk ist um eine Attraktion reicher: die Terabyte-Festplatte kommt auf den Markt. Darauf haben nicht nur wir gewartet, sondern vor allem auch unsere OEM- Kunden. Diese werden den Speicher-Riesen in ihren Produkten weiterverkaufen, aber auch im Direktvertrieb und in unseren eigenen Produkten soll die leistungsstarke Festplatte eingesetzt werden. Dass die erwartete Nachfrage nicht falsch eingeschätzt wurde, zeigt das Erreichen der Limited Availability (begrenzte Lieferfähigkeit). Von diesem Zwischenziel lässt sich die Produktion nun wie geplant bis zur General Availability ausweiten. In vier verschiedenen Ausführungen wird dieses Laufwerk nun produziert. Dabei ist zu beachten, dass die Unterschiede vor allem in der Anzahl der Platten liegen. Die Platten werden in *

Unter Mitarbeit von Kim Fehlinger

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Köpfe zum Lesen und Schreiben

der fünften und letzten Montagestufe zusammen mit der Komponente 2 in das Gehäuse eingebaut. Dies geschieht nur, wenn ein Kundenauftrag vorliegt. Zum Verständnis: die Komponente 2 entsteht in der vierten Montagestufe: dort wird die Komponente 1 auf die mit der elektronischen Steuereinheit verbundenen Zugriffskämme aufgesetzt. Die Komponente 1 wird aus der vorgelagerten Montageeinheit gezogen. Hier werden Flyer an die Schreib-Lese-Köpfe angebracht. Zu der Entscheidung, das Produkt in Mainz zu produzieren, bemerkt unser Manager Jochen Häußer: "Durch die Konzentration aller Produktions-Abschnitte vom Wafer, Köpfen, Flyer, Steuereinheit und über die Platte bis zum Gehäuse haben wir in Mainz die Verantwortung für das komplette System. Wir erwarten daraus selbstverständlich Kosten- und auch Qualitätsvorteile, da die Kommunikationswege kürzer werden."

Abbildung 4-1: Der Speicher-Riese

Die Ära des 320X geht zu Ende Wie bereits in unserer letzten Mitarbeiterzeitschrift berichtet, wird zu Ende dieses Jahres die 320X Festplattenproduktion nach fast 10 Jahren in Mainz auslaufen. In dieser Zeit wurden fast 200.000 Festplatten dieses Typs verschiedener Generationen installiert. Weltweit wird nun nur noch in San Jose/Kalifornien/USA produziert, die auch die restlichen auf Lager liegende Festplatten aus Mainz übernehmen. Werden in Zukunft also noch 320Xer benötigt, müssen sie aus USA importiert werden. Dies kostet nicht nur Zeit, sondern auch den dreifachen Preis. Eine Arbeitsgruppe wurde in Mainz gegründet, die sich mit diesem Problem und auch der Weiternutzung der vorhandenen Reinräume und Maschinen beschäftigt. Ein Teil der Mitarbeiter wird nun für die Produktion der neuen Terabyte-Festplatte geschult. Für 10 Kollegen mit besonders großem Know-how über die 320X ist noch kein neues Aufgabengebiet gefunden. Es

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Köpfe zum Lesen und Schreiben

wird nun überlegt, dass diese Kollegen einen Teil der vorhandenen Betriebsmittel zur Reparatur von alten 320X nutzen. Dass man mit Reparaturleistungen Geld verdienen kann, hat eine Studie nun erwiesen. Besonders wichtig ist dies im Bereich von Großrechnersystemen. Hintergrund In Großrechnersystemen sind, wie die Grafik zeigt, mehrere Platten zu einem so genannten RAID (Redundant Array of Independent Discs) verbunden. Fällt nun eine Platte aus, sind wir unseren Kunden verpflichtet, ihnen Ersatz zu liefern. Haben wir die Platten noch auf Lager, werden sie einfach ausgetauscht. Ist dies nicht der Fall, der Plattentyp wird z.B. nicht mehr produziert, tritt der Reparaturdienst in Aktion. Es wird versucht aus defekten Feldrückläufern eine funktionierende Einheit zusammenzusetzen. Im Moment liegt die Rate bei 3 zu 1. Ist dies nicht möglich, wird dem Kunden ein kompatibles Modell geliefert, wenn möglich wird die Platte ausgetauscht, ansonsten das ganze RAID. In diesem Fall muss dann die CU (Control Unit) neu programmiert werden und unser Kunde kann wie gewohnt arbeiten.

Abbildung 4-2: RAID

Control-Unit

Aus Schrott mach neu Wird eine fehlerhafte Festplatte z.B. in der letzten Montagestufe identifiziert, wird sie im Reworkbereich wieder demontiert und die einzelnen Teile werden getestet, nachbearbeitet und gegebenenfalls wieder in die Bevorratungsebene eingefügt. Auf diese greift die Endmontage nach Eingang des Kundenauftrags zu. Aber nicht alles kann repariert werden, und es bleiben Schrottteile übrig. Aus Dünnfilmplatten wurde nun ein neues Produkt geschaffen: eine außergewöhnliche Tischuhr. Die 5 ¼ Zoll-Platte ist darüber hinaus noch mit echten Slidern anstelle der Ziffern versehen. Beide Ausführungen kosten € 15,00 und können bei Horst See unter Tel. 5543 bestellt werden.

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Köpfe zum Lesen und Schreiben

Abbildung 4-3: Zwei Modelle – ein Preis

Machen wir uns selbst Konkurrenz? In den letzten Mitarbeiterzeitungen war immer wieder über OEM zu lesen. In diesem Artikel möchten wir Ihnen einige Hintergründe zum besseren Verständnis aufzeigen. OEM bedeutet: Original Equipment Manufacturer und heißt, dass Kunden wie z.B. Dell und Siemens unsere Produkte in ihre Geräte einbauen und unter ihrem Namen weiterverkaufen. Dadurch entsteht eine Wettbewerbssituation, in der wir mit unseren eigenen Produkten in Konkurrenz treten. Auf den ersten Blick scheint dies nicht von Vorteil, aber trotzdem gewinnt das OEM Geschäft immer mehr an Bedeutung und immer mehr Produktteile werden dem Kunden angeboten. So z.B. neuerdings auch Schreib-Lese-Köpfe, die direkt aus den produzierten Wafern gesägt und gearbeitet werden (aus einem Wafer entstehen ca. 6.400 Köpfe). Der Grund für das OEM-Geschäft liegt im Volumen. Mainz wird noch in diesem Jahr ca. 500.000 Speicherplatten an OEM Kunden verkaufen und die Verhandlungen für das nächste Jahr laufen schon. Mit Vertragszusagen in dieser Größenordnung kann die Waferproduktion langfristig geplant und die Auslastung sichergestellt werden. Generell geht ca. die Hälfte der europäischen Plattenproduktion in das OEM-Geschäft. Für unsere Kunden sind Produktqualität und unsere Liefertreue besonders wichtig. Der Preis spielt nicht mehr die Hauptrolle. Kommt es dann zum Vertragsabschluß, werden die Produkte in der Endmontage kundenindividuell zusammengesetzt. Durch einen engen Kontakt zu den OEM Kunden erfahren wir viel über die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte und können frühzeitig auf Marktveränderungen und zu erwartende Entwicklungen reagieren. 70

Köpfe zum Lesen und Schreiben

Ein verrücktes Jahr für die Produktgruppe Speichersysteme Die Mitarbeiterzeitschrift (MZ) sprach mit Kerstin Lipp (KL), Leiterin der Produktgruppe Speichersysteme. MZ: Frau Lipp, ein turbulentes Jahr liegt hinter Ihnen. Was ist alles passiert? KL: Im Grunde war das letzte Jahr auch nicht viel turbulenter als die Jahre zuvor. Allerdings waren die Auslastungsschwankungen der vorhandenen Kapazitäten bei Mitarbeitern, Fertigungsstraßen und Testmaschinen ungewöhnlich hoch. In der Regel garantieren uns die Absatzprognosen eine gleich bleibende Auslastung der Produktion. Zu Jahresbeginn waren die Kapazitäten jedoch nicht voll ausgelastet und zum Jahresende hin mussten wir Sonderschichten fahren, da die aufgebauten Bestände nicht genügten. Kundenwünsche konnten nur mit vereinten Kräften aller beteiligten Funktionen, interner und externer Lieferanten, sowie Lieferungen aus San Jose erfüllt werden. MZ: Auf was führen Sie diese Probleme zurück? KL: Leider ist dies nicht so einfach zu sagen. Unsere Produktion wird wie bereits erwähnt anhand einjähriger Absatzprognosen geplant. Diese kommen durch Marktbeobachtungen, Erfahrungswerte, "offene Ohren" bei unseren OEM Kunden, den erwarteten irreparablen Feldrückläufern und eventuell vorhandene Lagerbestände zustande. Auf Grundlage dieser Daten wird die erwartete Stückzahl an benötigten Festplatten bestimmt und der Produktionsplan erstellt. Dieser beinhaltet unter anderem Vorgaben für das Produktions- und Verkaufsvolumen, Personalbedarfszahlen und Platzbedarf. Jeden Monat machen wir dann einen Plan-/ IstVergleich. MZ: Bei diesen Gesprächen geht es ja bekanntermaßen hitzig zu... KL: Oh ja! Die Leute vom Vertrieb möchten natürlich die Wünsche des Kunden so schnell wie möglich zufrieden stellen. Oft wird eine hohe Stückzahl an Festplatten mit einer Lieferzeit von zwei bis drei Wochen gefordert. Es kommt aber auch vor, dass wir Laufwerke innerhalb von 48 Stunden liefern. Bedenken Sie aber, dass wir allein für unseren ersten Fertigungsschritt, die Waferproduktion, ca. 80 Tage benötigen. Da treffen immer wieder verschiedene Interessen aufeinander. MZ: Also die Waferproduktion als Flaschenhals? KL: Auch dies ist so zu einfach. Die Waferproduktion ist ein hochtechnischer teurer Prozess, der seine Zeit benötigt, die wir im Moment nicht weiter reduzieren können. Das Problem ist, dass man Wafer nicht einfach schnell nachbauen kann und der Vertrieb Kunden auch mal Ersatzprodukte anbieten muss, wenn ein bestimmter Wafer nicht mehr vorhanden wird. Natürlich könnten wir auch Neustarts der Produktion machen, aber bei einem durchschnittlichen Produktlebenszyklus von drei Quartalen wäre das Produkt bereits überholt. Außerdem rüsten wir direkt nach Durchlauf des geplanten Volumens für die nächste Generation um. MZ: Frau Lipp, vielen Dank für das informative und interessante Gespräch.

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Köpfe zum Lesen und Schreiben

Wir wollen, dass der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt Unser Ziel kann daher nur sein, 100% fehlerfreie Produkte auszuliefern. Um dies zu erreichen, werden die Testkriterien in allen Simulationsstufen verschärft. Dadurch sollen mögliche Fehler möglichst frühzeitig entdeckt und behoben werden. Der 48 Stunden dauernde InstallationsSimulations Test ist die letzte Hürde, die unsere Produkte nehmen müssen. Tritt dort ein Fehler auf, so wird das Teil in der Montagestufe nicht einfach ausgetauscht, sondern direkt in die Fertigung zurückgesendet. Dieser Test bedeutet für unsere Kunden maximale Qualitätssicherheit, aber auch eine Mindestlieferzeit von zwei Tagen. Die Erfahrung was es heißt, wenn trotzdem fehlerhafte Teile ausgeliefert werden, machte im letzten Jahr die Produktgruppe Speichersysteme. Herr Rüdiger Lau dazu: "Ein Teil unserer Plattenspeicher verhielt sich im Betrieb bei unseren Kunden anders als erwartet. Der Aufwand zur Bereinigung dieser Situation und zur Betreuung unserer Kunden war erheblich und kostenträchtig." Aufgrund dieser Erfahrung muss der Anteil an fehlerhaften Teilen, der durch die Prüfstellen hindurchschlüpft, ständig reduziert werden. Aber nicht nur unsere Speicherplatten müssen der ständigen Kontrolle unterliegen, auch die Simulationsmaschinen selbst müssen zuverlässig arbeiten. Daher werden auch diese ständig gewartet. Lässt ihre Leistung auch nur minimal nach, werden Teile ausgetauscht. Dies ist immer ein Bestandteil der Verträge mit unseren Maschinenlieferanten. Es werden vor der Auftragserteilung Vereinbarungen über die Schulung des Wartungspersonals, Ersatzteile und Service-Leistungen getroffen, um im Reparaturfall kurze Stillstandzeiten sicherzustellen. Aber um unser Ziel 100% fehlerfreier Produkte zu erreichen, ist das Unternehmen vor allem auf Sie, die Mitarbeiter angewiesen, denn auch Sie haben eine Qualitätsverantwortung und zwar an Ihrem Arbeitsplatz. Aus diesem Grund möchte die Geschäftsleitung Sie nochmals dazu animieren, an unserer Aktion DU-Punkt ("Denken und Umsetzen") teilzunehmen. Teilen Sie Ihre Verbesserungsvorschläge mit, um so zu einer ständigen Verbesserung unserer Produktionsabläufe, zu Kosteneinsparung aber auch zur Verbesserung unseres Arbeitsklimas beizutragen.

Einführung des "VENDOR PULL" Systems geglückt Mit der Einführung des "VENDOR PULL" Systems ist eine der letzten Lücken in der Materialabrufsteuerung geschlossen. Mit Hilfe dieses Systems werden die Bedarfsmengen direkt an die Lieferanten elektronisch übermittelt. Auf Grundlage der Bedarfsrechnung wird eine voraussichtliche Bedarfsmenge für 24 Monate errechnet und den Lieferanten mitgeteilt. Die nun vorhandene Menge an Teilen kann täglich mit der Anzahl der benötigten abgeglichen werden. Gegebenfalls können Nachbestellungen direkt aus der Fertigung an den Lieferanten verschickt werden. Dadurch wird eine genaue und effektive Materialversorgung gewährleistet, ohne unnötig große Lager aufzubauen. Ziel ist es nun, vor allem die Lieferanten für Produktionsteile von den Vorteilen unseres Systems zu überzeugen und sie zu einem EDI-Anschluss (Electronic Data Interchange) zu bewe-

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Köpfe zum Lesen und Schreiben

gen. Denn nur so ist eine effektive Übermittlung der Daten zu gewährleisten und eine erhebliche Verbesserung der Reaktionszeit möglich. Dies bedeutet für uns: Schnellere Zufriedenstellung der Wünsche unserer Kunden. Als Vorlage diente unsere interne Produktionssteuerung. Einzelne Fertigungsteile werden nicht mehr automatisch in eine nachgelagerte Produktionsstufe gegeben, sondern von dieser angefordert. Dies bedeutet allerdings, dass nach jeder der fünf Stufen des Herstellungsprozesses von Festplatten Zwischenlager eingerichtet werden müssen. Vor allem bei der Meldung von Fehlteilen aus der Montage (d.h. einzelne benötigte Komponenten sind nicht vorhanden) haben wir gute Erfahrungen mit diesem System gemacht, denn die Fertigungsdauer konnte verkürzt werden und dies ist von strategischer Bedeutung.

Abbildung 4-4: VENDOR PULL

EPRG Bedarfsermittlung

PICS Bestandsführung

VENDOR PULL

POCS Auftragsführung

EDI / FAX

Lieferant

Was noch zu sagen wäre... í Holger Seidel ist nach einem Jahr im Werk San Jose nach Mainz zurückgekehrt. Er über-

nimmt den Verantwortungsbereich Gehäuse. "Der Glaube, das Gehäuse sei nur eine Verpackung der Technologie, ist durch die Realität komplexer Testverfahren und Funktionszusammenhänge längst überholt" so Seidel. Der Einbau des Magnetplattenstapels in das Gehäuse ist der letzte Montageschritt der Festplattenproduktion. In dieser Stufe können spezielle Kundenwünsche noch berücksichtigt werden. Danach müssen die Festplatten den Finaltest bestehen, bevor sie nach 109 bis 229 Tagen Produktion (die Produktionsdauer hängt von der Anzahl der eingebauten Platten ab) dem Kunden ausgeliefert werden können. Wir wünschen ihm viel Erfolg in seinem neuen Aufgabengebiet. 73

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Köpfe zum Lesen und Schreiben

í Eigentlich sollten die Plattenspeicher 665X verschrottet werden. Sie waren dafür vorgese-

hen, Ausfälle bei Erstinstallationen beim Kunden abzudecken. Nachdem Sie nun 1 Jahr eingelagert waren, werden sie nicht mehr benötigt. Da sie nicht mehr den neusten technischen Standards entsprechen, können sie nicht mehr am Markt verkauft werden. Die Produktionsmanager haben sich darauf hin zu einem einmaligen Mitarbeiterkaufprogramm entschlossen und die voll funktionsfähigen Festplatten allen IBM-Mitarbeitern zu einem Vorzugspreis angeboten. Keiner hatte jedoch mit einem solchen Andrang gerechnet. Innerhalb weniger Stunden waren alle Speichereinheiten verkauft. í Im Bereich der Schreib-Lese-Kopfproduktion ist ein Projekt zur Senkung des Ausschuss

angelaufen, denn mit 29,9% Ausschuss, ist dieser der fünf Fertigungsbereiche trauriger Spitzenreiter.

Aufgabenstellung 1. Welche Managementstrategie wird im Artikel "Wir wollen, dass der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt" angesprochen, und warum ist diese für das Unternehmen von großer Bedeutung? 2. Stellen Sie die Bedeutung des Reparaturdienstes im Artikel "Die Ära des 320X geht zu Ende" heraus. 3. Analysieren Sie die verschiedenen Probleme und Herausforderungen, vor denen das Management steht. Beachten Sie dabei auch die Erwartungen des Kunden an das Unternehmen. 4. Betrachten Sie den Fertigungsprozess von Festplatten. a. Zeigen Sie die einzelnen Fertigungsstufen auf. b. Wo liegen die kritischen Faktoren? c. Welchen Schwierigkeiten und Unsicherheiten ist die Fertigungsplanung ausgesetzt? d. Wie könnte diese Unsicherheit verringert werden? 5. In welchen Branchen treten vergleichbare Probleme auf?

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Einführung von Gruppenarbeit*

Das Unternehmen Die YMOS AG ist seit ihrer Gründung 1926 zu einem bedeutenden Entwickler und Hersteller von Komponenten aus Metall und Kunststoff aufgestiegen. Ihr Kerngeschäft ist die Produktion von hochwertigen Außenteilen (z. B. Stoßfängern), komplexen Innenraumteilen (z. B. Instrumententafeln), Türrahmenteilen und Schließsystemen für die Automobilindustrie. Außerdem beliefert die YMOS AG die Hausgeräteindustrie und den Schienenbau mit Verriegelungssystemen sowie die Sanitärarmaturenindustrie mit Zinkdruckgussprodukten. Vier deutsche und sechs europäische Standorte versorgen Kunden in der ganzen Welt. Gerade die Automobilzulieferbranche steht unter einem enormen Konkurrenzdruck, da die Automobilhersteller höchste Anforderungen an ihre Lieferanten stellen: Hohe Qualität, niedrige Preise, hohe Lieferbereitschaft und die Fähigkeit der Just-in-Time Anlieferung bei stetig steigenden Produktvarianten. Dies erfordert höchste Produktivität und Flexibilität seitens der Zulieferer. Folgendes Beispiel verdeutlicht die komplexen Anforderungen an die Organisation des Produktionsprozesses der YMOS AG: Alle 1,5 Minuten geht im Werk Obertshausen online die Information ein, welcher Stoßfänger der Mercedes C-Klasse, in welcher Farbe und mit welchen Nebelleuchten gefertigt und sechs Stunden später in Sindelfingen angeliefert werden muss. Ende der 80er Jahre sah sich die YMOS AG daher vor dem Problem, dass ihre bisherige verrichtungsorientierte Organisationsform zu starr war und an die Grenzen ihres Rationalisierungspotentials stieß. Gerd Brusius, Leiter der Kunststoffproduktion der YMOS AG stellt fest: "An der Notwendigkeit des Überdenkens der Gestaltung industrieller Produktion kann angesichts der wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen kein Zweifel bestehen, denn die üblichen Formen der hierarchischen Aufbau- und Ablauforganisation haben die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Wir müssen umdenken und die Maschine nicht weiterhin als Selbstzweck, sondern als technische Hilfe für den Mitarbeiter verstehen und den Menschen im Mittelpunkt der Arbeit sehen. Dazu ist die Umwandlung der bestehenden verrichtungsorientierten Produktionsorganisation in eine produktorientierte Prozessorganisation nötig. "

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Unter Mitarbeit von Cordula Blank

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Einführung von Gruppenarbeit

Von der Verrichtungsorientierung zur Produktorientierung 1988 entschied sich die YMOS AG zur Einführung von Gruppenarbeit in ihrem Werk in Idar-Oberstein. Bereits seit etwa einem Jahr bereitete eine Projektgruppe des Unternehmens in Zusammenarbeit mit dem Kölner Institut für angewandte Arbeitswissenschaft die Einführung von Fertigungsinseln vor, betreute und steuerte den Einführungsprozess. In der Kunststoffproduktion wurde eine Pilotinsel, bestehend aus acht Jungfacharbeitern, die zeitgleich ihre Ausbildung beendet hatten und sich somit auf dem gleichen Bildungsstand befanden, eingeführt. Ihnen wurde die Fertigung einer Schutzzierleiste übertragen, die zuvor an einem anderen Standort in herkömmlicher, verrichtungsorientierter Produktionsweise nicht mehr kostendeckend hergestellt werden konnte. Bereits nach kurzer Zeit wurde festgestellt, dass die Produktivität, Qualität und Kundenzufriedenheit stiegen. Die Entwicklung der Vorgabezeiten in Tabelle 5-1 zeigt die Steigerung der Produktivität dieser ersten Fertigungsinsel. 1

Tabelle 5-1:

Entwicklung der Vorgabezeiten der Pilotinsel Kunststoff in Prozent

Jan.

Feb.

März

April

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sept.

Okt.

Nov.

Dez.

100

96

93

81

78

75

72

70

66

51

46

40

Kritiker im Unternehmen sahen diesen Fortschritt skeptisch. Ein Bandarbeiter merkt an: "Das sind doch alles bloß frisch Ausgelernte, im ganzen Betrieb kann man das so nicht machen. Warum auch, hat doch bisher ganz gut geklappt." Um dieser Kritik zu begegnen wurde 1989 eine zweite Pilotinsel in der Kunststofffertigung eingeführt. Dazu wurden Mitarbeiter zusammengestellt, die in der herkömmlichen, verrichtungsorientierten Produktion arbeiteten und über unterschiedliche Qualifikationen verfügten. Unter diesen 13 Mitarbeitern waren sowohl Facharbeiter als auch angelernte Arbeiter vertreten. Diese Insel arbeitete ebenfalls mit großem Erfolg. Daraufhin wurden 1991 die gesamte Kunststofffertigung und 1992 auch die Zinkdruckgussfertigung organisatorisch auf Fertigungsinseln umgestellt. Die räumliche Zusammenfassung der Inseln war jedoch aufgrund technischer, logistischer und finanzieller Bedingungen vorerst noch nicht möglich, da die Produktionsmittel, für die verrichtungsorientierte Produktion geplant und gebaut, teilweise nicht verlagert werden konnten und außerdem von mehreren Gruppen zur Produktion benötigt wurden. Im Laufe der Zeit wurden die Inseln jedoch im Zuge von Produktwechseln und damit verbundenen Investitionen auch räumlich integriert. Die Fertigungsinseln wurden um ein Produkt herum gebildet, so dass die Verantwortung für das gesamte Erzeugnis bei einer Gruppe lag, die es möglichst vollständig fertigte und auch mit dem Kunden in 1

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Quelle: Antoni, C. H./ Eyer, E.: Kunden- und prozessorientierte Arbeitsorganisation bei der YMOS AG, in: Antoni, C. H./ Eyer, E./ Kutscher, J.: Das flexible Unternehmen, Düsseldorf 1997, Kapitel 8.1.

Einführung von Gruppenarbeit

direktem Kontakt stand. Im Rahmen der Übernahme der Aktienmehrheit der YMOS AG durch den belgischen Stahlkonzern Cockerill Sambre 1991 wurde das gesamte Unternehmen umstrukturiert. Die bestehende funktionale Organisation mit strikt getrennten Abteilungen und Verantwortungsbereichen wurde durchbrochen und produktorientierte Geschäftsbereiche eingeführt. Diese wurden in Profit-Center gegliedert, die jeweils für ein Produkt oder eine Produktgruppe die volle Kostenverantwortung tragen sollten. Somit wurden Material- und Verantwortungsfluss in die gleiche Richtung gelenkt. Während vorher der Materialfluss entlang eines Produktes, der Verantwortungsfluss aber innerhalb einer Abteilung lag, führte die produktorientierte Fertigung zu einem Verantwortungsfluss entlang des Materialflusses (s. Abb. 5-1 und 5-2).

Abbildung 5-1: Material- und Verantwortungsfluss bei Verrichtungsorientierter Produktionsstruktur (Quelle: Antonioni et. al., a.a.O.) Produkte Abteilungen

A

B

C

Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung Qualitätssicherung

Materialfluss

Gießerei

Mechanik

Verantwortung

Vormontage

Montage

Organisation der Fertigungsinseln Den Fertigungsinseln wurde die gesamte Verantwortung für ihr Produkt übertragen. Die Arbeitsgruppe ist nun dafür zuständig, "ihre" Kunden zufrieden zu stellen und ihnen den bestmöglichen Service zu liefern. Dazu wurde der Gruppe ein gewisser Handlungs- und Entscheidungsspielraum eingeräumt. So konnten sie von Anfang an die Schichtpläne erstellen und selbständig entscheiden, welche Gruppenmitglieder welche Tätigkeiten übernehmen und ob und in welchem Rhythmus die Arbeitsplätze gewechselt werden. Auch die Qualitätssicherung, Materialbereitstellung, Transportaufgaben und die Reinigung der eigenen Arbeitsplätze fallen in den Verantwortungs-

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Einführung von Gruppenarbeit

bereich der Mitglieder der Fertigungsinseln (s. Abb. 5-3). Zur Koordination finden wöchentlich Sitzungen statt, bei denen möglichst alle Gruppenmitglieder anwesend sein sollten. In ihnen werden der Ablauf der nächsten Woche, aktuelle Fragen und Probleme erörtert und ggf. Verbesserungsvorschläge erarbeitet und diskutiert. Eines der Gruppenmitglieder, der Gruppenleiter oder Koordinator, moderiert die Gruppensitzungen und dient als interner und externer Ansprechpartner der Gruppe. In Konfliktsituationen besteht seine Aufgabe darin, Gespräche zu moderieren und gemeinsam mit der Gruppe Lösungen zu erarbeiten. Der Gruppenleiter sorgt für die Organisation der Zusammenarbeit mit anderen Funktionsbereichen wie Instandhaltung, Einkauf und Logistik und ist direkter Ansprechpartner für den Meister. Anfangs wurde er durch den Betriebsrat und das Management aufgrund von Qualifikation und Einschätzung der Akzeptanz durch die Gruppe bestimmt und erst nach einer Anlaufphase von den Inselmitarbeitern selbst gewählt. Seine intensive Kommunikation innerhalb und außerhalb der Gruppe war ein wichtiger Faktor des Erfolgs der Neuorganisation und spielt auch für die weitere Verbesserung der Prozesse eine wichtige Rolle.

Abbildung 5-2: Material- und Verantwortungsfluss bei Produktorientierter Prozessstruktur (Quelle: Antonioni et. al., a.a.O.) Produkte und Fertigungsinseln Tätigkeitsbereiche

A

B

C

Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung Qualitätssicherung Gießerei

Mechanik

Vormontage

Materialfluss und Verantwortung

Montage

Wie bereits an der Rolle des Gruppen-Koordinators zu erkennen ist, mussten die Werker neue Tätigkeiten und ungewohnte Verantwortung übernehmen. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Funktionen in den Aufgabenbereich der Fertigungsinseln verlagert. Gerade durch die Integration indirekter Funktionen aus den Bereichen des Personalwesens, der Arbeitsvorbereitung, Instandhaltung, Planung, Logistik und der Qualitätssicherung gewannen die Aufgaben der Gruppe an Vielseitigkeit und Ab-

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Einführung von Gruppenarbeit

wechslung. Letztendlich verblieben nur noch wenige zentrale Funktionsbereiche, die zunehmend die Rolle von Dienstleistern und Beratern für die Inseln übernahmen. Abb. 5-3 verdeutlicht die Verteilung der Aufgaben auf zentrale Bereiche und auf die teilautonomen Arbeitsgruppen.

Abbildung 5-3: Aufgaben der Gruppe und zentrale Funktionen (Quelle: Antonioni et. al.) Führung Personalwesen • Personal - Einstellungen - Versetzungen

• Mitsprache bei einstellungen • Qualifizierung

• • • • •

Zielvereinbarung Feedback Koordination Beurteilen Arbeitseinteilung

• Urlaubsplanung • Schichtplanung

Fertigungssteuerung • Programmplanung

Arbeitsvorbereitung • Ablaufplanung

• Feinplanung

• Personaleinsatzplanung • Rationalisierungsprojekte

Teilautonome Arbeitsgruppe • Störbeseitigung • Wartung • Vorbeugende Instandhaltung

• Instandhaltung • Elektrowerkstatt

Instandhaltung

• Fertigungsleitstand • Materialumschlag • Transport

• Fertigungskontrolle • SPC

• Logistikplanung

• Audit • Prüfplanung

Logistik

• Serienbetreuung • Serienoptimierung • Mitsprache bei Serienplanung

• Neuplanung • Serienplanung

Planung

Qualitätssicherung

Vorraussetzung für die Umgestaltung der Arbeitsplätze war und ist die umfassende Qualifizierung der Mitarbeiter. Diese erfolgt bei der YMOS AG teilweise innerhalb der Gruppe durch Anlernen, sodass möglichst mehrere Arbeiter pro Schicht den gleichen Arbeitsplatz übernehmen können, um Ausfälle durch Urlaub oder Krankheit zu kompensieren. Außerdem vermitteln Kollegen indirekter Bereiche die nötigen Kenntnisse für die neuen Anforderungen. Anhand einer Qualifikationsmatrix (s. Abb. 5-4) werden für jeden Mitarbeiter die vorhandenen und erwünschten Kenntnisse festgehalten. Insbesondere die Gruppenleiter werden zudem durch Schulungen in sozialen Kompetenzen wie Kommunikationstechniken, Problemlöseverhalten, Konfliktlösung und Teamentwicklung qualifiziert. Durch diese Maßnahmen wird erreicht, dass die Mitarbeiter flexibel einsetzbar sind, wodurch die Anpassung der Produktion an Nachfrageschwankungen und Produktumstellungen vereinfacht wird.

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Einführung von Gruppenarbeit

Abbildung 5-4: Schema einer Qualifikationsmatrix (Quelle: Antonioni et. al.) Mitarbeiter

Tätigkeiten Spritzgießen

A B …. …. Z

Aktivieren

Rollen

X X

X /

X L

X

L

/

SMrüsten

Transport

XYZ

/ X

Disposition L

X

X = beherrscht Tätigkeit; / = wird angelernt; L = will angelernt werden

Die Fertigungsinseln der YMOS AG organisieren sich weitgehend autonom. Um trotz dieser zunehmenden Selbstregulation die Unternehmensziele durchsetzen zu können, werden seit 1993 mit den Gruppen durch die Vorgesetzten Ziele vereinbart. Diese Gruppenziele sind das Ergebnis einer kaskadenförmigen Verteilung der obersten Unternehmensziele auf die jeweils nächst untere Organisationsebene. Zur Erleichterung der Einhaltung und Kontrolle der Gruppenziele wird ein für die jeweilige Insel maßgeschneidertes, PC-gestütztes Informations- und Produktionssteuerungssystem eingesetzt. Dieses ermöglicht es den Teammitgliedern, die spezifischen Kennzahlen für ihre Gruppe, wie z.B. Fehlerteile, Soll- und Ist-Produktion, Auftragbestand, usw., visuell aufgearbeitet, tages-, wochen- oder monatsgenau zu verfolgen. Sie erhalten so Zugang zu Informationen, die früher nur höheren Mitarbeitern der Produktion und dem Management zugänglich waren, aber prinzipiell eine große Rolle für die Fertigung spielen und einen Motivationsfaktor darstellen. Zu dieser neuen Art der Organisation ist ein neues Verständnis von Führung notwendig. So müssen Vorgesetzte eine Balance zwischen aktiver Führung und Akzeptanz von Handlungsspielräumen finden und jeweils situationsbedingt entscheiden, ob ihr Eingreifen erforderlich ist. Wenn eingegriffen wird, soll dies möglichst nicht in Form von Problemlösungen des Vorgesetzten erfolgen, sondern dieser sollte vielmehr als Berater die Gruppe dazu bringen das jeweilige Problem selbständig zu bewältigen. Außerdem müssen die Vorgesetzten bereit sein, ihre Aufgaben teilweise an die Gruppe zu delegieren und dafür andere Pflichten zu übernehmen. Seitens der Mitglieder der teilautonomen Arbeitsgruppen erfordert diese Führungsstruktur Selbstkontrolle und gegenseitige Regulation, da keine direkte Überwachung durch einen Meister o. a. mehr erfolgt. Vorraussetzung zum Erfolg des kooperativen Führungsstils ist eine gute Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern und den Vorgesetzten.

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Einführung von Gruppenarbeit

Rolle des Betriebsrates Ohne die Initiative des Betriebsrates und die enge Zusammenarbeit der Unternehmensleitung mit dessen Vertretern wäre eine Umstrukturierung des Betriebes in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen. Bereits seit Anfang der 80er Jahre wurde Kritik an der tayloristischen Arbeitsorganisation geübt und beobachtet, dass Arbeiter mit ihren eintönigen Tätigkeiten nicht zufrieden waren und es an Motivation fehlte. Es mangelte an Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten in der bestehenden Massenproduktion. Daher sah der Betriebsrat der YMOS AG in einer Umstrukturierung eine Chance für die Belegschaft und unterstützte die Einführung von Gruppenarbeit als Beitrag zur Humanisierung der Arbeit. Der Betriebsrat übernahm die Rolle als Mittler zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung, vor allem bei kritischen Punkten wie der Anpassung der Löhne an das neue Organisationsmodell. Das traditionelle Lohnsystem der YMOS AG sah einen individuellen Grundlohn kombiniert mit einem ebenfalls individuellen Akkordlohn vor. Dieses Entgeltmodell war für die Gruppenarbeit nicht mehr geeignet, da der hohe Akkordanteil es für die Arbeiter unattraktiv machte, dispositive und andere nicht produktive Arbeiten zu übernehmen. Es hemmte außerdem die Bereitschaft zur Fortbildung während der Arbeitszeit, da während der Zeit der Qualifizierung kein oder nur ein geringer Akkordlohn erzielt werden konnte. 1991 einigte sich der Betriebsrat, in Zusammenarbeit mit der IG Metall, mit der Unternehmensleitung auf eine Betriebsvereinbarung, die zusätzlich zu den bestehenden Grund- und Akkordlöhnen noch eine Gruppenerfolgsprämie vorsah. Diese berücksichtigte die Produktivität der Insel, sowie die Qualität der erstellten Produkte. 1994 wurde dieses neue Entgeltsystem weiterentwickelt und der Akkordanteil fiel weg. Seitens des Unternehmens wird darauf vertraut, dass die Arbeiter weiterhin genauso viel arbeiten, daher wird als Grundlohn der Tarifecklohn gezahlt. Hinzu kommt eine individuelle Leistungszulage, die die zeitliche, räumliche und qualifikative Flexibilität des einzelnen Mitarbeiters berücksichtigt. Dazu werden die Kollegen in der Gruppe zweimal jährlich gebeten, die anderen Gruppenmitglieder zu bewerten. Mit dem neuen Entlohnungsmodell ging auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit einher. Um den Kundenwünschen entsprechen und Auslastungsschwankungen ausgleichen zu können, war es notwendig, das Arbeitszeitsystem an die individuellen Bedürfnisse der Arbeitsgruppen anzupassen. Die Regelarbeitszeit beginnt am Sonntag 19:30 Uhr und endet Samstag 18:00 Uhr. Alle Mitarbeiter arbeiten in Gleitzeit ohne Kernzeit, der maximale Stundensaldo darf +/- 50 Stunden betragen. Die Gruppen können in diesem System ihre Arbeitszeiten also individuell gestalten und optimal an die jeweiligen Marktanforderungen anpassen. Die Mitarbeiter haben den Vorteil, dass sie, unabhängig von den geleisteten Stunden, monatlich ein gleich bleibendes Gehalt bekommen. YMOS profitiert von dieser Regelung, da sie so auch kurzfristige Aufträge termingenau liefern kann und dafür keine Mehrkosten für Überstunden in Kauf nehmen muss.

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Einführung von Gruppenarbeit

Um eine möglichst hohe Akzeptanz der Neuorganisation bei den Mitarbeitern zu erreichen, wurden diese von Anfang an in den Umstrukturierungsprozess eingebunden. Sie sind als Mitglieder von Projektteams vertreten und werden bei wichtigen Entscheidungen konsultiert. Georg Wolf, Standortleiter der YMOS AG Idar-Oberstein, beschreibt die Bedeutung der Kenntnisse der Fertigungsmitarbeiter folgendermaßen: "Die Werker sind täglich direkt mit der Produktion beschäftigt, sie wissen am Besten, welche Probleme bestehen, wie man sie vermeiden oder beheben kann und wo Potential zur Verbesserung der Prozesse vorhanden ist. Daher ist es für den Erfolg unseres Unternehmens wichtig, sie in Entscheidungen mit einzubeziehen und Verbesserungsvorschläge ihrerseits ernst zu nehmen und zu fördern." Demzufolge wurde 1992 das betriebliche Vorschlagswesen (BVW) attraktiver gestaltet. Die eingereichten Vorschläge wurden schneller bearbeitet und die Prämien erhöht. So erhielten die Mitarbeiter für jeden Vorschlag sofort 20 DM, gleichgültig ob er realisiert werden konnte oder nicht. Bei Umsetzung der Vorschläge erhielten die Einreicher außerdem 25 Prozent der Einsparung in den nächsten drei Jahren, also insgesamt 75 Prozent der jährlichen Ersparnis. Weiterhin erhielten Gutachter Prämien für eine schnelle Bearbeitung oder Verbesserung der Vorschläge und Vorgesetzte einen Bonus für die rasche Umsetzung. Dadurch wurde erreicht, dass die Beteiligung am BVW sprungartig von 13 % 1992 auf 78 % 1995 stieg und auch die Umsetzungsquote um 10 % auf ca. 50% gesteigert wurde. In den Jahren 1991 bis 1995 konnten durch realisierte Vorschläge von Mitarbeitern allein im Werk Idar-Oberstein durchschnittlich 1 Mio. DM pro Jahr eingespart werden. Eine weitere Beteiligungsmöglichkeit der Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens besteht in der Mitarbeit in Gruppen des "Permanenten Verbesserungsprozesses". Getreu nach dem Motto "Stillstand ist Rückschritt" sollen in diesen Teams gezielt Verbesserungsvorschläge erarbeitet und umgesetzt werden. Allerdings findet hier keine finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter statt. Die Motivation zur Mitarbeit ist der eigene Anteil am Erfolg des Unternehmens und die damit verbundene Sicherung von Arbeitsplätzen.

Erfolge der Gruppenarbeit Durch die Einführung der Gruppenarbeit und der fortwährenden Weiterentwicklung ist es der YMOS AG gelungen ihre Konkurrenzfähigkeit zu sichern. Die Kosten sind durch die Integration indirekter Tätigkeiten in die Gruppe und das Selbstverständnis der Gruppen als "Subunternehmer" gesunken, während die Kundenzufriedenheit durch die höhere Qualität der Produkte und kürzere Lieferzeiten gestiegen ist. So sanken die Kundenreklamationen von absolut 100 im Jahr 1989 auf 1 im Jahr 1994 (vgl. Tab. 5-2). Fast um 50 % konnte auch die Arbeitsproduktivität gesteigert werden (s. Tabelle 5-3).

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Einführung von Gruppenarbeit

Tabelle 5-2:

Entwicklung der Kundenreklamationen von 1989 bis 1994 in Absolutzahlen (Quelle: Antonioni et. al.)

1989

1980

1991

1992

1993

1994

100

113

19

1

2

1

Tabelle 5-3:

Entwicklung der Gesamtleistung je Arbeitsstunde von 1988 bis 1994 (1988 = 100) (Quelle: Antonioni et. al.)

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

100

108

111

122

140

145

148

Allerdings wurde im Verlauf der Einführung der Gruppenarbeit deutlich, dass sich die Erfolge schneller eingestellt hätten, wenn manche Aspekte, wie beispielsweise die Entgeltregelung oder die Flexibilisierung der Arbeitszeit, anhand eines langfristigen Strategieplanes früher bedacht und eingeführt worden wären.

Aufgabenstellung 1. Die Akzeptanz durch die Mitarbeiter ist bei dieser Form der Umstrukturierung besonders wichtig. Welche Rolle spielen sie und warum kann stiller und aktiver Widerstand weder bei Vorgesetzten noch bei Arbeitern toleriert werden? 2. Welche sozial-psychologische Problematik ergibt sich aus der produktorientierten Prozessorganisation und der damit verbundenen Reduktion hierarchischer Strukturen bei der YMOS AG? Was kann dagegen getan werden bzw. wie kann dem vorgebeugt werden? 3. Kennzahlen spielen insbesondere bei der Umstrukturierung von Organisationen eine wichtige Rolle. Welcher Zweck wird durch ihren Einsatz verfolgt? 4. Bei vorliegendem Beispiel wurde Business Reengineering mit einer kontinuierlichen Vorgehensweise unter Einbezug der Mitarbeiter verbunden. Welche Alternative(n) hätte(n) gewählt werden können und welche Vor- und Nachteile sind mit den verschiedenen Möglichkeiten verbunden?

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5

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Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan *

Einführung Der Entwicklungs- und Durchsetzungsprozess der Automatisierungstechnologie in Japan war mit entscheidend für den rasanten Aufstieg der japanischen Industrie in den ersten Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch Steigerung von Produktivität und Flexibilität sowie durch Verbesserung der Fertigungsqualität von Produktionseinrichtungen bildete die Automatisierungstechnologie Grundlage und Motor des japanischen Wirtschaftswunders. Noch heute ist der hohe Stand der japanischen Prozesstechnologie zentraler Wettbewerbsvorteile vieler Unternehmen auf internationalen Märkten. Das Engagement der japanischen Techniker und Ingenieure in den Betrieben der Elektrotechnik und des Maschinenbaus sowie in den Laboratorien produktionswissenschaftlicher Forschung um die Verbesserung des Vorgefundenen und die Anstrengungen zur Umsetzung der Erkenntnisse in praktische Anwendungen charakterisierten diesen frühen Entwicklungsprozess der Automatisierungstechnologie. Die marktgerechte industrielle Integration innovativer Automatisierungstechnologie und neuer Formen der Arbeitsorganisation kennzeichnen noch heute das Technologiemanagement erfolgreicher japanischer Unternehmen. Die produktionswissenschaftliche Forschung in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs seit den frühen fünfziger Jahren, wurde durch die fortschreitende Automatisierung des Fabrikbetriebes bestimmt. Der Einsatz innovativer Automatisierungstechnologie in den sich wandelnden Produktionsprozess prägte nachhaltig die Arbeit des Produktionsmanagements und der Werkzeugmaschinenkonstrukteure. Dabei bereitete der rasche wirtschaftliche Aufschwung der japanischen Industrie den Boden für einen systematischen Übergang von der automatisierten Werkzeugmaschine, der Einzelmaschine oder auch Sondermaschine, zur Automatisierung des gesamten Fertigungsprozesses.

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Unter Mitarbeit von Dr.-Ing. René Haak, Bundesministerium für Bildung und Forschung, vormals stellvertretender Institutsdirektor Deutsches Institut für Japanstudien (DIJ), Tokyo.

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Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan

Wirtschaftlicher Aufschwung Japans Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war Japan mit dem Aufbau und Gestaltung neuer Wirtschaftsstrukturen beschäftigt. In wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht stand zunächst die Rekonstruktion der Wirtschaft im Vordergrund. Preiskontrollen, Subventionen und Rohstoffzuteilungen zählten kurz nach dem Krieg zu den wichtigsten industriepolitischen Instrumenten, mit denen die Regierung zunächst die Förderung der Kohle und Stahlproduktion unterstützte. Der wichtigste Faktor für die rasante Wirtschaftsentwicklung Japans war der rapide industrielle Aufschwung bis in die frühen siebziger Jahre, der im Kern durch Massenproduktion und Automatisierungstechnologie getragen wurde. Für die weitere dynamische Entwicklung der japanischen Wirtschaft hatten vor allem die Reformen im Verlauf der amerikanischen Besatzungszeit Bedeutung. Darüber hinaus stimulierte und beschleunigte vor allem die ausländische Nachfrage nach japanischen Gütern die wirtschaftliche Entwicklung der frühen fünfziger Jahren. Beeinflusst wurde die Entwicklung der japanischen Werkzeugmaschinenindustrie durch ein dramatisches weltpolitisches Ereignis, den Ausbruch des Koreakrieges am 25. Juni 1950, der im Spannungsfeld des Kalten Krieges zu einer weltweiten Nachfragesteigerung führte. Als besonders durchschlagend wirkte er sich für den japanischen Maschinenbau aus, da er über mehrere Jahre hinweg zu umfangreichen USamerikanischen Aufträgen führte. Dieser Nachfrageboom trug zur Erholung der japanischen Wirtschaft bei, die sich noch zu Beginn der fünfziger Jahre in einem labilen Zustand befand. Nach einer kurzen Phase, in der sich nach dem Korea-Boom die Wachstumsrate etwas verringerte, vor allem bedingt durch die nachlassenden privaten Anlageinvestitionen, begann von 1956/57 an die Periode des so genannten Investitionsbooms, der das kôdo seichô (rapides Wachstum) brachte. Die hohen Investitionssummen waren auf die Entwicklung der Schwerindustrie ausgerichtet. Die Produktionskapazitäten sollten gesteigert, die Modernisierung und Rationalisierung der Produktionsanlagen weiter vorangetrieben werden. Die Wirtschaftspolitik war auf Wachstum festgelegt. Bis in die fünfziger Jahre hinein überwogen im verarbeitenden Gewerbe jene Zweige, die auch in der Vorkriegszeit vorherrschend waren beispielsweise die Textilindustrie. Doch zu den Hauptträgern der Hochwachstumsphase entwickelten sich neben den Grundstoffindustrien vor allem die Montageindustrien, wie der Automobilbau, die Elektrotechnik, der Maschinenbau, besonders der Werkzeugmaschinenbau, und die Feinmechanik. In diesen Industriezweigen waren die Anforderungen an die Automatisierungstechnik besonders hoch. Diese Branchen wurden durch den wechselseitigen Austausch mit der nationalen und internationalen fertigungstechnischen Forschung zum Träger und Motor der japanischen Automatisierungsanstrengungen.

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Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan

Der japanische Staat förderte bestehende und neue Industriezweige durch steuerliche Vergünstigungen und durch die Vergabe günstiger Kredite. Für den Import von Rohstoffen und fortschrittlicher Maschinentechnologie wurden gezielt Devisen zugeteilt. In der japanischen Industrie dienten die Investitionsmittel in erster Linie der Rationalisierung und Modernisierung von Produktionsanlagen mit entsprechenden Anforderungen an die Werkzeugmaschinenindustrie. Als Produktionsmittellieferant stellte der Werkzeugmaschinenbau die technologischen Entwicklungsgrundlagen für andere Industriebereiche bereit. So profitierte vor allem die japanische Automobilindustrie von den technologischen Fortschritten in der Werkzeugmaschinenbranche. Für die japanische Werkzeugmaschinenindustrie kamen Wachstumsimpulse sowie spezifische produktionstechnische Anforderungen an das System Werkzeugmaschine in den 50er und 60er Jahren zum großen Teil aus der nationalen Industrie. Erst später, mit dem Beginn der siebziger Jahre bildeten allmählich westeuropäische und amerikanische Unternehmen für japanische Werkzeugmaschinen größere Kundengruppen. Doch zunächst mussten in den fünfziger und sechziger Jahren durch die Einfuhr fortschrittlicher Werkzeugmaschinentechnologie grundlegende technologische Lücken geschlossen werden. Interessant ist die Tatsache, dass ab 1957 die japanische Industrie als Nachfragefaktor für den deutschen Werkzeugmaschinenbau an Bedeutung gewann. Sie bildete sogar kurzzeitig in den Jahren 1961 und 1962 die weltweit größte Käuferfraktion deutscher Werkzeugmaschinen. Die Einkäufer der großen japanischen Handelshäuser trafen in der Bundesrepublik Deutschland auf eine breite Angebotspalette. Anwendungsorientierte konstruktive Lösungen in Verbindung mit solider fertigungstechnischer Forschung und ein hoher Qualitätsstandard bildeten grundlegende Stärken des bundesdeutschen Werkzeugmaschinenbaus. Von der japanischen Industrie erkannt, richteten sie Ende der fünfziger Jahre und zu Beginn der sechziger Jahre ihre Einkaufsstrategien auf den bundesdeutschen Werkzeugmaschinebau aus. Zu den wichtigsten Stimuli für die Inangriffnahme und Durchsetzung produktionstechnischer Innovationen im Werkzeugmaschinenbau zählte die durch die wirtschaftliche Entwicklung Japans bedingte zunehmende Nachfrage an Werkzeugmaschinen. Aufgrund der Einfuhr modernster Werkzeugmaschinentechnologie, vor allem aus Westeuropa und den USA, engen Kooperationen zwischen japanischen Werkzeugmaschinenbetrieben und ihren Zulieferern, und einer langfristigen Zusammenarbeit mit der produktionswissenschaftlichen Hochschulforschung verfügte die japanische Werkzeugmaschinenindustrie Ende der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre über die technologischen Grundlagen, um den gestiegenen nationalen und internationalen Markterfordernissen entsprechen zu können. Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jener Jahre konzentrierten sich die Bemühungen zur Automatisierung der Fertigung in Japan mittels konventioneller Werkzeugmaschinen überwiegend auf Anwendungen im Bereich der Großserien- und Massenfertigung. Die Automatisierung des Fertigungsprozesses bei den Anwendern 87

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Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan

von Werkzeugmaschinen, insbesondere in der Automobilindustrie, wurde durch Entwicklung und Durchsetzung des Baukastensystems im Zuge des wirtschaftlichen Booms mit seiner enormen Nachfrage vorangetrieben. In so genannten Maschinenfließstraßen wurden mehrere Werkzeugmaschinen, im wesentlichen hochproduktive Sondermaschinen, nach dem Fließprinzip miteinander verkettet und bei automatisierter Werkstückhandhabung mehrere Fertigungsvorgänge in einer Station zusammengefasst. In den fünfziger und sechziger Jahren dominierte in der japanischen Industrie zunächst die starre Verkettung von Fertigungseinrichtungen, die dadurch charakterisiert war, dass der automatische Transport des Werkstückes durch gemeinsam gesteuerte Zubringeinrichtungen in einem festgelegten Takt erfolgte, der durch die längsten Arbeitszyklen festgelegt war. Der Einsatz starrer Maschinenfließstraßen fand aufgrund der großen Stückzahlen der jeweiligen Werkstücke in erster Linie in der Kraftfahrzeugindustrie statt. Kurbel- und Nockenwellen, Ventile, Achsschenkel und Getriebegehäuse, um nur einige Beispiele zu nennen, wurden in dieser Zeit bereits auf starren Maschinenfließstraßen produziert. Seit den späten fünfziger Jahren wurden elektrische Steuerungen, die das Kernstück einer Transferstraße bildeten, eingesetzt, so dass die Entwicklung von Maschinenfließstraßen auch von Fortschritten in der Elektroindustrie abhängig wurde. Technologische Innovationen der japanischen Werkzeugmaschinenzulieferer wurden damit für den technologischen Stand der Werkzeugmaschinen zu einer dominierenden Einflussgröße. Das grundlegende Element einer jeden Maschinenfließstraße war die Steuerung, die zum Gegenstand vertiefter Forschungsanstrengungen amerikanischer, westeuropäischer und japanischer Ingenieure wurde. Unterstützt und ermöglicht wurde die technologische Realisierung starrer und später flexibler Maschinenfließstraßen durch die sich rasch entwickelnde Zulieferindustrie, die in Japan durch die spezifischen Formen der Keiretsu wichtige Impulse erhielt. Aus dem Bereich der Elektrotechnik kamen in Japan grundlegende innovative Anstöße. Während die Einführung und Verbreitung der Maschinenfließstraße in erster Linie durch die Anforderungen der Massen- und Großserienfertigung bedingt waren, diente die numerische Steuerung der Werkzeugmaschinen in den späten fünfziger und sechziger Jahren vorwiegend der Einzel- und Kleinserienfertigung. Zuvor hatte man für die Einzel- und Kleinserienfertigung mechanische, elektrische und hydraulische Kopiersteuerungen mit Schablonen als starren Programmträger benutzt. Der Einfluss der numerischen Steuerungstechnologie auf den Werkzeugmaschinenbau führte in Japan im Verlauf von wenigen Jahren zu völlig neuen Maschinentypen. Neue konstruktive Lösungen wurden von den Konstrukteuren und Fertigungsingenieuren gefordert. Die numerische Steuerungstechnik, welche die technologische Weiterentwicklung der Werkzeugmaschine grundlegend bestimmte, wurde zum Motor in der gesamten Produktionstechnik.

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Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan

Die Anfänge der rechnergeführten automatisierten Fertigung gehen auf die Entwicklung der numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine in den USA zurück, die ausführlich dokumentiert ist. Die numerische Steuerung als erfolgreiche Innovation und grundlegendes technologisches Paradigma basiert auf dem von Parsons erdachten und mit dem MIT entwickelten System einer digitalen Werkzeugmaschinensteuerung. Die grundsätzliche Idee zur Steuerung einer Werkzeugmaschine nach Zahlen, also die numerische Steuerung, reifte im Zusammenhang mit dem Herstellungsprozess von Rotorblättern heran.

Japan und die Anfänge der NC-Technologie Einschneidend für die Gestaltung des japanischen Fabrikbetriebes seit den späten sechziger Jahren und war die Entwicklung der numerischen Steuerung von Werkzeugmaschinen, die sich hauptsächlich auf die schnell fortschreitende Entwicklung der Rechnertechnik und der Elektronik in den USA und Japan stützte. Im Jahre 1952 wurde das technologische Konzept der numerischen Steuerung in Japan erstmals bekannt. Über die Entwicklung von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen in den Vereinigten Staaten berichtete Professor Takahashi von der Tôkyô Universität. Kurze Zeit später begann eine intensive Forschung in den japanischen Werkzeugmaschinenbetrieben und in der Elektroindustrie sowie an Universitäten und staatlichen Institutionen auf diesem neuen Gebiet der Produktionstechnik. Erstes Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen war eine 1956 von der Firma Fujitsu vorgestellte numerisch gesteuerte Werkzeugmaschine, eine Revolverlochstanzmaschine.

Tôkyô Institute of Technology In schneller Folge ergaben sich weitere Entwicklungen auf dem Gebiet der NCTechnologie. Das Tôkyô Institute of Technology gab schon 1957 den Aufbau einer numerisch gesteuerten Drehmaschine für Versuche und weiterführende Untersuchungen bekannt. Der Werkzeugmaschinenhersteller Makino Milling Machine entwickelte bald darauf die erste japanische Vertikalfräsmaschine mit numerischer Steuerung in Kooperation mit Fujitsu. In den Anfängen der japanischen NC-Technologieentwicklung waren die numerisch gesteuerte Drehmaschine der Firma Ikegai und ein vom Mechanical Engineering Laboratory des MITI im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojektes konstruiertes Lehrenbohrwerk weitere wichtige Entwicklungsschritte. Im Jahre 1958 hatte Hitachi Seiki eine hydraulisch getriebene numerisch gesteuerte Fräsmaschine konstruiert, ebenfalls in Kooperation mit Fujitsu, von der zwei Stück an die Heavy Industries Nagoya Aircraft Plant geliefert wurden.

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Hitachi Seiki, gegründet 1936 unter dem Namen Kokusan Seiki in Tôkyô, gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Werkzeugmaschinenproduzenten Japans. Das Unternehmen begann mit der Herstellung von Revolverdrehbänken und wurde schnell zum Technologieführer in diesem Geschäftsfeld. Ende der dreißiger Jahre gelangte das Unternehmen unter die Leitung von Hitachi Ldt. und wurde im Verlauf des Zweiten Weltkrieges durch zahlreiche Fusionen zum größten Hersteller von Werkzeugmaschinen in Japan. Die sechs Fabriken des Unternehmens produzierten gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mit etwa 10 000 Mitarbeitern in erster Linie Drehund Fräsmaschinen. Im Zuge der Entflechtungspolitik verblieb dem nun wieder selbständigen und 1953 an der Börse notierten Unternehmen nur noch eine Fabrik. Zwischen 1953 und den frühen siebziger Jahren konzentrierte sich Hitachi Seiki, wie so viele andere japanische Werkzeugmaschinenhersteller auch, auf die Fertigung von preiswerten Standard- und Allzweckwerkzeugmaschinen zur Massenfertigung im Schiffsbau, von Haushaltsgeräten, von Dieselmotoren und für den Einsatz von Maschinenfließstraßen besonders im Automobilbau. Seine konstruktiven Anstrengungen richtete das Unternehmen besonders auf die serienmäßige Herstellung von Standardmaschinen. Hierzu zählten automatische Fräsmaschinen und Revolverdrehmaschinen, Technologiefelder, die das Unternehmen schon lange beherrschte und auf vielfältige wirtschaftliche und produktionstechnologische Erfolge zurückblicken konnte. Neben den eignen konstruktiven Werkzeugmaschinenlösungen nahm Hitachi Seiki ab 1963 die Lizenzfertigung für Mehrspindeldrehautomaten von Gildemeister auf, in jener Zeit deutscher Technologieführer. Hitachi Seiki konnte in den sechziger und siebziger Jahren schnell wachsen, nicht zuletzt aufgrund der dauerhaft hohen Nachfrage nach hochwertige und produktiven Werkzeugmaschinen. Mit 2200 Beschäftigten gehörte das Unternehmen 1970 zum Spitzenfeld des japanischen Werkzeugmaschinenbaus, der sich anschickte weitere internationale Märkte zu durchdringen. Die Fertigung von Revolverdrehmaschinen und Fräsmaschinen bildete doch weiterhin das Kerngeschäft. Schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich Hitachi Seiki dem Bau von Sondermaschinen für Transferstraßen, die vor allem in der japanischen Lastwagen- und PKW-Produktion zum Einsatz kamen. Getragen von den besonderen Nachfragebedingungen im Verlauf des Koreakrieges schuf sich das Unternehmen ein weiteres produkt- und produktionstechnologisches Standbein: die Herstellung großer Werkzeugmaschinen und die Bereitstellung von Sondermaschinen für Transferlinien. Hitachi Seki zählte, und dies macht das Unternehmen besonders interessant, in den sechziger Jahren zu den Pionieren der numerischen Steuerungstechnologie im Werkzeugmaschinenbau. Angesichts hoher Entwicklungskosten und der unzureichenden Leistungsfähigkeit der ersten numerischen Steuerungen sah man von weiteren Entwicklungsanstrengungen in diesem Technologiefeld jedoch ab. Diese Entscheidung führte in den späten siebziger Jahren in dem Unternehmen zu erheblichen Problemen. Hitachi Seiki konnte mit der schnellen Entwicklung nicht Schritt halten. Der Boom der 90

Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan

NC-Technologie, getragen von dynamischen Unternehmen wie Yamazaki Mazak oder Mori Seiki, überforderte die halbherzigen Anstrengungen von Hitachi Seiki. Erst in den späten siebziger Jahren gelang es Hitachi Seiki sich eine führende Position im Markt für NC-gesteuerte Drehmaschinen zu sichern. Betrachtet man den Fall Mori Seki so konnte sich dieses Unternehmen anders als Hitachi Seiki schon frühzeitig als Spezialist für numerische Steuerungen durchsetzen. Gegründet im Jahre 1948 wurde zunächst der Bau von Textilmaschinen forciert. Rund eine Dekade später gab der Familienbetrieb das Textilmaschinengeschäft auf und konzentrierte sich von nun an auf die Herstellung konventioneller Werkzeugmaschinen. Zu Beginn der sechziger Jahre konnte sich das Unternehmen mit seinen Produkten schon gut im Markt behaupten, Drehmaschinen mit hoher Fertigungsgenauigkeit bildeten das Kerngeschäft. Als Mori Seiki dann im Jahre 1968 eine numerisch gesteuerte Drehmaschine auf den Markt brachte, gehörte es neben den Werkzeugmaschinenherstellern Makino Milling, Okuma, Hitachi Seiki, Ikegai und Yamazaki Mazak zu den japanischen Vorreitern der numerischen Steuerungstechnologie. Obwohl sich die japanischen Hersteller von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen zu Beginn der sechziger Jahre noch mit erheblichen Entwicklungskosten und enormen Qualitätsproblemen kämpfen mussten trat doch Ende der sechziger Jahre eine Trendwende ein. Die Marktwiderstände wurden allmählich gebrochen, die schnell wachsenden Märkte verlangten nach flexibler Fertigungstechnik, und der japanische später vor allem der amerikanische und westeuropäische Markt wurden für numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen aus Japan aufnahmefähig.

Fujitsu und FANUC Eine der zentralen Innovationen für die japanische NC-Maschinenindustrie war die Entwicklung des elektrischen und elektrohydraulischen Schrittmotors durch die Firmen Fujitsu und FANUC (Fujitsu Automatic Numerical Control). Der große Vorteil der Schrittmotoren gegenüber konventionellen Antriebstechniken bestand darin, dass sie die Konstruktion präziser, zuverlässiger, leistungsstarker und in erster Linie vergleichsweise preiswerter numerisch gesteuerter Maschinen, die auch in größeren Serien herstellbar waren und nicht zuletzt den großen wirtschaftlichen Erfolg der japanischen Werkzeugmaschinenindustrie begründeten, ermöglichten. Aber nicht nur auf dem für die Produktionstechnik so wichtigem Gebiet der Antriebstechnik erarbeiteten sich die japanischen Ingenieure in kurzer Zeit schnell ein eigenes Know-how. Auch in der Steuerungskonstruktion gewannen sie sehr schnell Anschluss an die USamerikanischen und westeuropäische Entwicklung. So stellten japanische Werkzeugmaschinenbetriebe zwischen 1965 und 1969 erste NC-Steuerungen mit eingebautem Minicomputer vor. Der Aufstieg der Firma FANUC kann als Beispiel für eine japanische Erfolgsgeschichte in der Entwicklungslinie der Automatisierungstechnologie angesehen werden. FANUC entstand 1972 als Ausgründung aus der Mutterfirma Fujitsu. Das Unternehmen 91

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Fujitsu hatte wesentlichen Anteil an der Entwicklung und Verbreitung der NCTechnologie in Japan. Bereits im Jahre 1956, als Folge einer Strategieentscheidung der Geschäftsführung von Fujitsu, konzentrierte sich die Firma auf das Geschäftsfeld Rechner und Steuerungen. Das Unternehmen begann damit eine langfristig angelegte produktionswissenschaftliche Entwicklung zu forcieren, die erst eine Dekade später zu geschäftlichen Erfolgen führte. Auch heute noch gehört FANUC zu den Technologieführern der Automatisierungstechnik. Neben CNC-Steuerungen fertigt das Unternehmen Schrittmotoren, Industrieroboter, Präzisionsmaschinen wie Drahterodiermaschinen, CNC-Bohrmaschinen, Kunststoffformmaschinen und Laserbearbeitungsmaschinen. Die Unternehmensstrategie der Firma ist darauf ausgerichtet, einen Technologievorsprung zu erarbeiten und gleichzeitig ein moderates Preisniveau zu halten. Ein wesentliches Ziel der Unternehmensstrategie ist die weltweite Vermarktung von Produkten der Fertigungsautomatisierung, in weiterer Perspektive der Fabrikautomatisierung, um so zum globalen Technologieführer im Markt für Fabrikautomatisierung zu werden. Die Idee zur Entwicklung einer NC-Steuerung wurde in der Firma Fujitsu in erster Linie von Dr. Inaba propagiert, der auch im Wesentlichen mit der Ausführung beauftragt wurde. Die Entwicklung der Steuerung warf für das Forschungs- und Entwicklungsteam erhebliche technische Probleme auf. An erster Stelle ist hierbei der Aufbau von Rechnerschaltkreisen zu nennen. Es gelang jedoch nach zehnjähriger Entwicklungszeit, eine kostengünstige, leistungsfähige numerische Steuerung herzustellen. Die NC-Steuerung FANUC 260 für die Punkt- und Streckensteuerung war mit drei elektrohydraulischen Motoren gekoppelt. Ihre Vorstellung Ende der sechziger Jahre in Japan löste einen erheblichen Verkaufsboom aus.

Anwendungsforschung In den späten sechziger und frühen siebziger Jahren konzentrierten sich die japanischen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vor allem auf die Anwendungsforschung und den Transfer der neuen numerischen Steuerungstechnologie in die industrielle Praxis der verarbeitenden Industrie. Im Werkzeugmaschinenbau, in der Automobilproduktion und der Elektroindustrie gelangten erste numerisch gesteuerte Maschinen zum Einsatz. Jedoch erst mit der wachsenden Erfahrung gewann die eigene Erschließung neuer Technologien an Bedeutung für die Produktionstechnik. Der Technologietransfer aus Westeuropa und den USA vollzog sich in den frühen Jahren der NC-Technologie sehr unterschiedlich. So nutzte die japanische Maschinenbauindustrie recht intensiv die Möglichkeit, Patente und Lizenzen zu erwerben sowie Kooperationsverträge mit technologisch führenden Unternehmungen des Maschinenbausektors und der Elektroindustrie abzuschließen. Die Kooperation mit europäischen

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und amerikanischen Unternehmungen erleichterte nicht nur den Technologietransfer, sondern vereinfachte zusätzlich die Erschließung fremder Märkte.

Human Resource Management Die japanischen Unternehmen zeigten sich für die NC-Technik sehr aufnahmebereit. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der mit der Einführung der neuen NCTechnologie in den Fertigungsprozess verbundene Fort- und Weiterbildungsbedarf in den japanischen Unternehmungen ein geringeres Hindernis als in den deutschen Betrieben darstellte. Dies resultierte einerseits aus der Tatsache, dass die japanischen Fertigungsingenieure zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn zunächst im Unternehmen im Bereich der Fertigung eingesetzt wurden und damit auch auf der Benutzerebene eine oft hohe Qualifikation erwarben. Darüber hinaus führten die Steuerungs- und Maschinenhersteller zu Beginn der NC-Entwicklung intensive Schulungs- und Betreuungsprogramme durch, im Rahmen derer die Mitarbeiter der Kunden über den Zeitraum eines halben Jahres geschult und betreut wurden. Vor allem in der Einführungsphase standen dem Kunden Ingenieure des Herstellers zur Unterstützung der ersten Anwendungsschritte sowie bei der Problemanalyse zur Seite. In produktionstechnischer und arbeitsorganisatorischer Hinsicht leisteten die Japaner vor allem seit den siebziger Jahren erhebliche Beiträge zur Automatisierung des Produktionsprozesses, die sich in der Weiterentwicklung der numerischen Steuerungstechnologie manifestieren. So lässt sich festhalten, dass seit Mitte der sechziger Jahre der Einfluss von Automatisierung, Rechnertechnik (NC-Technologie), Flexibilisierung und Dezentralisierung der Fertigungsprozesse, zu einem grundlegenden Wandel des betrieblichen industriellen Arbeitssystems und seiner wissenschaftlichen Reflexion führte. Neue Formen der Arbeitssystemgestaltung gewannen in jenen Jahren in der japanischen Industrie an Bedeutung, die durch integrativen Aufgabenzuschnitt auf eine Verringerung funktionaler Arbeitsteilung zielten. Durch die Rechnerunterstützung in der Fabrik, insbesondere durch den Einsatz von CNC gesteuerten Maschinen, ergaben sich seit dem Ende der siebziger Jahre und mit Beginn der achtziger Jahre neue Möglichkeiten einer soziotechnischen Arbeitssystemgestaltung. Verschiedene Formen und Spielarten der Gruppenarbeit konnten sich in der Fabrik, genauer im automatisierten Fertigungsprozess, erst mit der Verbreitung rechnerunterstützter Produktionsmittel als rationale arbeitsorganisatorische Alternative behaupten. Festhalten lässt sich, dass die sozio-technische Arbeitssystemgestaltung seit den siebziger Jahren nicht nur durch innovative Fortschritte in den USA und Westeuropa geprägt, sondern nachhaltig durch die eigenständigen japanischen Entwicklungen in der Fertigungstechnologie, in Produktions- und Personalmanagement sowie in der Unternehmensführung.

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Heute sind Entwicklung und Einsatz moderner Produktionsmittel in der japanischen und deutschen Industrie durch die Integration mit der Informationstechnik geprägt, die in erster Linie auf amerikanische Basisentwicklungen und auf japanische und westeuropäische produkt- und prozessorientierte Anwendungen zurückzuführen sind. Aus dieser Entwicklung resultierten einschneidende Veränderungen der herkömmlichen Organisationsweise. Die verschiedenen Möglichkeiten fertigungstechnischer und organisatorischer Gestaltung des automatisierten oder teilautomatisierten Fertigungsprozesses sind eine Herausforderung an die produktionswissenschaftliche Forschung und an die industrielle Praxis. Es gilt, unter dem Blickwinkel der gestiegenen Anforderungen im Zuge der Globalisierung, internationale Wettbewerbsvorteile durch die marktgerechte und integrative Gestaltung von Arbeitsorganisation und Automatisierungstechnik zu realisieren. Seit den sechziger Jahren erweitern neue rechnerunterstützte Produktionsmittel den arbeitsorganisatorischen Spielraum. Es galt, die Arbeitsorganisation in Abstimmung mit der Produktionstechnik, dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit folgend, so zu gestalten, dass sich technische, wirtschaftliche und personelle Potentiale im Fabrikbetrieb entfalten konnten. Die verschiedenen Möglichkeiten fertigungstechnischer und arbeitsorganisatorischer Gestaltung des Fertigungsprozesses stellen Herausforderungen an Forschung und industrielle Praxis dar, um die in Zukunft zu lösenden Probleme industrieller Produktion erfolgreich zu bewältigen.

Aufgabenstellung 1. Welche wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen förderten den Wiederaufstieg der japanischen Werkzeugmaschinenindustrie in den 1960er und 1970er Jahren? 2. Woher kamen die Impulse für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen im Bereich der Automatisierungstechnologie? 3. Welche Bedeutung hatte die nationale und internationale produktionswissenschaftliche Forschung für die Durchsetzung der NC-Technologie in Japan? 4. Welche Rolle kam dem Technologietransfer bei der Entwicklung und Verbreitung der NC-Technologie in Japan zu?

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Entwicklungslinien der Automatisierungstechnologie in Japan

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Champagne*

Anbau des Champagne Champagne kommt aus dem Herzen Frankreichs. Die Champagne ist das Gebiet, in dem der Champagne seine Heimat hat. Ihr Zentrum liegt etwa auf halbem Weg zwischen Lothringen und Paris, rund 130 km östlich von Paris. Hier, um den großen Bogen der Marne, dehnen sich auf sanften Hängen die Weingärten der Champagne. Obwohl eine der berühmtesten Weingegenden der Welt, ist die Champagne die kleinste Weinregion Frankreichs: Mit rund 34.000 Hektar Fläche – wovon rund 31.000 Hektar als Anbaufläche gelten – umfasst sie nur rund 3 % der Weinanbaufläche des Landes. Die Menschen in der Champagne pflegen seit mehr als 300 Jahren das Kulturgut Champagnewein. Genauer gesagt sind hier rund 15.000 Winzer, rund 150 Genossenschaften und rund 120 Champagne-Häuser mit der Herstellung des Champagne befasst. Der Vierklang aus besonderem Boden, speziellem Klima, ausgesuchten Rebsorten und der besonderen Kultivierung sowie des handwerklichen Geschicks in der Weinbereitung machen dabei das Besondere des Champagne aus. Der Ruhm des Champagne ist auf Kreide gebaut: Vor 100 Millionen Jahren war am geographischen Ort der heutigen Champagne ein Meer. Seine Ablagerungen liegen heute als Sedimentgestein an der Oberfläche und bilden den Boden der Champagne. Auf diesem Belemnit-Kreidegrund aus der Sekundärzeit (Mesozoikum) lagert eine lockere, fruchtbare 20 bis 50 cm dicke Humus- und Lehmschicht, die einen hohen Mineralienreichtum aufweist. Die Rebwurzeln durchdringen sie und tauchen tief in den kreidigen Untergrund ein. Dieses begünstigt das Gedeihen der Reben außerordentlich. Denn die Kreide hält die Feuchtigkeit, verhütet aber stehende Nässe, speichert die Tageswärme und gibt sie Nachts langsam frei. Zudem verteilt der Kreideboden das Regenwasser gleichmäßig auf die Reben. Die Kreide kann dabei bis zur Hälfte ihres Eigengewichts an Wasser speichern (bis zu rund 300 Liter Wasser pro Kubikmeter Kreide). Damit bildet der Kreideboden eine einzigartige Bodenklimaanlage, und in dieser Eigenschaft die Basis für den einzigartigen Charakter des Champagne. Um den Wert einer Weinbaufläche zu ermitteln, wurde 1952 ein Klassifizierungssystem eingeführt, welches maximal werthaltige Flächen mit einem Wert von 100 versieht. Auf diesen Lagen müssen Bodenfläche, Himmelsrichtung, Ausrichtung zur Sonne, Höhe und Neigungswinkel der Rebflächen in einem perfekten Zusammenspiel zueinander stehen. Weine von diesen Lagen dürfen als Grand Crus (Catégorie hors classe) be*

Unter Mitarbeit von Florence Buscke

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Champagne

zeichnet werden. Wenn die Werthaltigkeitsbestimmung einen Indexwert zwischen 90 und 99 für eine zu untersuchende Lage ergibt, dürfen Weine dieser Lage als Prémiers Crus bezeichnet werden. Sofern die Lagenwerthaltigkeit einen Index unter 60 ergibt, dürfen die Weine dieser Lage nicht zu Champagne ausgebaut werden. Nach diesem Klassifizierungsindex werden die über 320 Lagen (Crus) der Champagne bewertet.

Herstellung des Champagne Der Herstellungsprozess des Champagne ist durch eine Vielzahl an strengen Vorschriften reglementiert, es gibt weltweit keinen Wein, dessen Herstellung einer ähnlichen Vielzahl und einer ähnlichen Stringenz an Vorschriften und Gesetzen unterliegt. Die Einhaltung der strengen Qualitätsregeln werden vom französischen Landwirtschaftsministerium (Ministère de l'Agriculture), der staatlichen Weinkontrolle und Gewerbeaufsicht (La Direction Générale de la Concurrence, de la Consommation et de la Répression des Fraudes), vom Nationalen Institut für Ursprungsbezeichnungen (Institut National des Appellations d'Origine, kurz INAO), von Zoll- und Steuerbehörden (La Direction Générale des Douanes et des Droits Indirects) sowie vom Champagne-Gesamtverband (CIVC) kontrolliert. Diese Qualitätsnormen wurden im Lauf der Zeit immer weiter ausgedehnt und haben mittlerweile Gesetzeskraft erlangt. Für das Wachsen und Werden des Champagne gilt demnach ein besonders strenges Prinzip, vergleichbar einer Art von Grundgesetz: Qualität vor Quantität. Das heißt der Ertrag an Qualität, Feinheit, Rasse und Eleganz hat immer Vorrang vor dem Ertrag an Menge. Deshalb ist die Anbaufläche für Champagne seit 1927 durch Gesetz auf die besten Böden und Lagen begrenzt – die sog. Zone Délimitée. Außerhalb dieser gesetzlich festgelegten Grenzen darf kein Champagne hergestellt werden. Innerhalb der Zone Délimitée bildet der Champagne-Anbaubereich keine einheitliche Fläche, sondern gliedert sich in fünf verschieden große Gebiete: Die Reimser Berge (Montagne de Reims), das Marnetal (Vallée de la Marne), den Weißen Hang (Côte des Blancs), das Gebiet der Aube (Côte de l'Aube) sowie das Gebiet Rosé de Riceys (Côte de Sezanne). Im Marnetal liegen die Städte Epernay und Châlons-sur-Marne (heute Châlons-enChampagne), in der Montagne de Reims die dritte wichtige Stadt der Champagne, Reims. Das Wetter in der Champagne ist veränderlich und abwechslungsreich, doch insgesamt weder zu kalt noch zu heiß – die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei rund 10 Grad Celsius. Gleichwohl pflegen die Winzer ihre Rebstöcke besonders intensiv. Die Sonneneinstrahlung in der Champagne ist mit rund 1.700 Stunden pro Jahr relativ gering. Der Boden mit seinem Kreidegrund sorgt für gute Drainage und bestes Bodenklima. Die Wälder auf den Höhen halten harte Winde ab und gleichen Schwankungen der Luftfeuchtigkeit aus. So reifen die Trauben in der Champagne auf vollendete Weise. Allerdings können durch die Witterungsbedingungen im gleichen Jahr die Trauben einer Lage besser sein als die einer anderen. Und bei derselben Lage können die Trauben des einen Jahres besser sein als die eines anderen Jahres.

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Champagne

Das Typische des Champagne ist, dass er durch das sog. Vermählen verschiedener Gewächse und Jahrgänge bereitet wird. Diese Vermählung der unterschiedlichen Jahrgänge und Gewächse zielt darauf ab, eine möglichst gleichbleibend hohe Qualität im Champagne zu erzielen. Deshalb werden die einzelnen Champagne-Stillweine aus verschiedenen Lagen und verschiedenen Jahrgängen zu besonderen Kreszenzen (Cuvées) kombiniert. Die Assemblage von Weinen aus verschiedenen Lagen und Jahrgängen gilt nicht zuletzt als Besonderheit des Champagne, weil je nach Art und Umfang des vertikalen (Vermählung von Reserveweinen verschiedener Jahrgänge) und horizontalen (Vermählung von Weinen aus den rund 320 Lagen) Verschnitts – sowie ihrer Kombinationen hieraus – zwischen 10, 20, 30 oder gar im Einzelfall mehr als 100 oder gar 200 Stillweine entsprechend kombiniert werden. Als einzige Ausnahme hiervon gelten die Millésimés oder Vintages, die Jahrgangschampagne, welche aus Trauben von Lagen nur eines einzigen, besonders guten Jahrgangs entstehen. Allerdings machen die Jahrgangschampagne nicht einmal 10 % des gesamten Produktionsvolumens aus. Voraussetzung für beste Ergebnisse bei der Vermählung sind natürlich Trauben, deren Sortencharakteristika so gut miteinander harmonieren und deren Eigenschaften sich gegenseitig dabei noch so steigern, dass das Ergebnis miteinander noch besser ist als das Ergebnis einer Einzelsorte. Gemäß dem sog. Champagne-Grundgesetz sind daher nur drei Traubensorten zugelassen, aus denen Champagne gekeltert werden darf: Spätburgunder (Pinot Noir) und Schwarzriesling (Pinot Meunier), zwei blaue bzw. rote Sorten, und Chardonnay, eine weiße Sorte. Die beiden blauen Sorten werden weiß gekeltert und ergeben weißen Wein. Sie verleihen dem Champagne Körper, Fülle und Lebensdauer. Champagne aus überwiegend blauen Trauben schmeckt daher eher kräftig und füllig. Der weiße Chardonnay gibt dem Champagne seine Frische, Feinheit und Rasse. Etwa drei Viertel der Rebfläche sind mit blauen Trauben, etwa ein Viertel mit Chardonnay bestockt. Diese Aufteilung entspricht dabei auch der Zusammensetzung des Champagne: In der Regel wird ein Champagne aus etwa drei Vierteln blauen Trauben und etwa einem Viertel weißen Trauben erzeugt. Eine Spezialität sind die Champagne Blanc de Blancs, nur aus Chardonnaytrauben; diese sind besonders edel, fein und elegant. Während die Blanc de Blancs nur aus weißen Trauben gekeltert werden, entstehen die Blanc de Noirs im Umkehrschluss nur aus blauen Trauben, also nur aus Pinot Noir und/oder Pinot Meunier. Roter Champagne ist verboten, das heißt, selbst die Blancs de Noirs stellen sich in einer weißen Farbe vor. Rosé-Champagne entsteht, etwas vereinfacht formuliert, durch die Zugabe von Rotwein zu herkömmlichem, weißem Champagne. Das Prinzip Qualität vor Quantität fordert auch, dass die Reben mehrmals im Jahr gestutzt werden. Dadurch sollen weniger Trauben hervorgebracht werden, die aber dafür umso bessere Qualitätseigenschaften aufweisen; alle Kraft des Bodens soll in die Traube gehen, nicht ins Grüne. Hierbei sind nur vier verschiedene Schnittmethoden zugelassen (Taille Guyot, Taille Cordon de Royat, Taille Vallée de la Marne und Taille Chablis). Das Champagne-Grundgesetz beschränkt aber nicht nur die Anbaufläche, limitiert die Anzahl der Traubensorten auf drei sowie die Anzahl der Schnittmethoden 99

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Champagne

auf vier, sondern es greift auch bei Lese und Kelterung der Trauben streng ein: Nicht alle Trauben, die heranreifen, dürfen auch zu Champagne werden. Die Traubenmenge pro Hektar, die zur Champagne-Herstellung verwendet werden darf, wird jedes Jahr vor der Ernte gesetzlich reglementiert. Jeder Ertrag über das gesetzliche Limit hinaus darf nicht mehr zu Champagne ausgebaut werden. Dazu bestimmt der ChampagneGesamtverband (Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne, kurz CIVC) in Epernay vor jeder Lese den Mindestalkoholgehalt im Wein, den der Most erbringen muss. Was dieses Minimum nicht erreicht, darf auch nicht zu Champagne werden. Die Höchstmenge für den Hektarertrag ermittelt man durch eingehende Prüfung der Ernteaussichten und wiederholte Probeuntersuchungen. Sie beträgt in der Regel rund 10.000 kg pro Hektar, variiert aber von Jahr zu Jahr – im Jahr 2003 wurden bspw. 11.400 kg Trauben pro Hektar erlaubt. Die Mindestmenge für den Alkoholgehalt im Wein wird durch genaue Labortests auf Zucker- und Säuregehalt bestimmt. Der potentielle Alkoholgehalt im Most musste im Jahr 2003 bspw. 9 Volumenprozent betragen. Das Jahr 2003 war allerdings für die Champagne kein sehr gutes Jahr, da zu Beginn des Jahres Frostverluste auftraten, und dann im Sommer die sehr hohen Temperaturen die Lese schon Mitte August erforderlich machte. Die Stillweine als Ausgangsgrundlage zur Herstellung von Champagne sind schon von Haus aus Ausleseweine. Nur reife, gesunde und unbeschädigte Trauben dürfen in die Kelter. Deshalb wird bei der Ernte – übrigens immer per Hand – nicht nur mit strenger Sorgfalt gelesen, sondern auch ohne Rücksicht auf Verluste ausgelesen. Die optimale Reife wird in der Champagne dabei in der Regel Ende September – also in etwa 100 Tage nach der Blüte – erreicht. Alle zur Kelterung für hinreichend geeignet befundenen Trauben werden in große Körbe (Mannequis) gelegt, und auf weichgefederten Wagen vorsichtig in die immer nahe gelegene Kelter gefahren, wo sie sofort in die Presse kommen. Auch beim Pressen der Trauben gilt der Grundsatz Qualität vor Quantität. Aus rund 160 kg Trauben dürfen höchstens rund 102 Liter Most gepresst werden, woraus nicht mehr als 100 Liter Wein entstehen dürfen. Das entspricht also einem Anteil von rund zwei Dritteln. So verlangt es das Gesetz. Der Druck beim Pressen muss relativ gering sein, damit der Saft aus den Beeren gekeltert wird, ohne dass die Haut ihren roten Farbstoff abgibt. Damit die reifen Beeren am besten gepresst werden, ist nur die Ganztraubenpressung erlaubt, das heißt, die Trauben dürfen nicht entrappt werden. In den Pressen mit einem Fassungsvermögen von 4.000 kg Trauben (ein Marc) dürfen nur 2.550 Liter Most gepresst werden, von denen die ersten 2.050 Liter die Cuvée-Bestandteile (1. Pressung; Tête de Cuvée) und die letzten 500 Liter die Taille (2. Pressung; Première Taille) darstellen. Das Pressen der Beeren geht dabei so sachte wie möglich vor sich. Kommt es doch bei drei Vierteln der ganzen Ernte darauf an, weiß zu keltern – also aus blauen Trauben weißen Most zu erhalten. Das vorsichtige und sanfte Verfahren des Pressens beeinflusst zu etwa 70 % die Endqualität des Champagne. Ebenso wenig wie Farbpigmente aus den Schalen dürfen Gerb- und andere (Bitter-)Stoffe in den Most geraten und die Feinheit des Weins beeinflussen. Deshalb sind die Keltern in der Champagne großflächig und flach. So kann der Most die

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Champagne

Pressmasse schnell durchfließen und nichts Falsches mitnehmen. Nach dem Keltern ruht der Most eine Nacht in Tanks, damit sich Schwebeteilchen absetzen können. Der frisch gekelterte Most kommt danach sofort in die Champagne-Kellerei zur ersten Gärung – vom Most zum stillen Wein. Sie läuft entweder in den traditionellen Holzfässern oder in modernen Stahltanks ab. Nach drei Wochen etwa ist ein stiller junger Wein durch alkoholische Gärung entstanden. Im ersten Abstich wird er von der Hefe getrennt und im Laufe des Winters noch mehrmals umgefüllt und gefiltert. Er wird solange abgezogen, bis er vollständig geläutert ist. Danach hat sich der neue Wein geklärt und seine spezifischen Eigenschaften können bestimmt werden. Diese Phase kann sich bis in den Frühling des auf das Lesejahr folgenden Jahres erstrecken. Bis zu diesem Prozessschritt unterscheidet sich der Ausbau im Prinzip nicht von den Arbeitsgängen in anderen Weinbaugebieten. Ab diesem Prozessschritt jedoch beginnt die Méthode Champenoise, das Champagne-Verfahren im engeren Sinn. Die Méthode Champenoise umfasst fünf Arbeitsschritte. Die Vermählung (auch Cuvée, Assemblage oder Verschnitt genannt) von Stillweinen unterschiedlicher Sorte, von unterschiedlichen Lagen und unterschiedlichen Jahrgängen soll Champagne hervorbringen, die ein reiches Bouquet aufweisen. Das Ziel ist es, eine gleichbleibend hohe Qualität des Champagne sowie – und das ist aus vermarktungstechnischer Sicht kritisch – einen weitgehend gleichbleibenden, markentypischen Charakter eines Champagne eines Hauses zu erzeugen. Über die Jahre hinweg soll so sichergestellt werden, dass Champagne eines Anbieters einen möglichst gleichbleibenden Grundcharakter aufweist. Der ausgewogene Markencharakter eines Champagne resultiert aus dem Verschnitt von mehreren Stillweinen, wobei die Kunst und das handwerkliche Ge-schick bzw. das Gespür darin bestehen, Jahre voraus den Geschmacksverlauf eines Verschnitts zu antizipieren; eine Aufgabe, die neben Talent und Erfahrung auch reichlich Zungenspitzengefühl erfordert. Die Kunst der ChampagneHerstellung geht maßgeblich zurück auf Dom Pérignon (Pierre Pérignon; 1638 bis 1715), der als Prokurator der Abtei Hautvillers oberhalb von Epernay den ersten klaren weißen Wein aus blauen Trauben kreierte, dabei spanischen Kork als Verschluss verwendete und das englische Glas als Füllbehältnis. Dom Pérignon erfand die Kaltlese (also den Vorläufer der heutigen Nachtlese), das Prinzip der Vertikalpressung und gilt als Begründer der Assemblage. Nach dem Verschnitt wird die Cuvée durch Kälte stabilisiert und mehrfach gefiltert. Champagne wird durch zwei Gärungen erzeugt, wobei die zweite Gärung grundsätzlich in der Flasche erfolgt. Was im Labor bereits zuvor im Kleinen zusammengestellt wurde, kommt im Weinkeller in große Fuder und wird großvolumig miteinander vermischt. Dann wird der Grundweinmischung eine kleine Menge Fülldosage beigegeben. Diese besteht aus Hefe und in Wein aufgelöstem Zucker. Sie dient dazu, eine zweite Gärung einzuleiten. Die Fülldosage wird der Cuvée vor dem Abziehen auf Flaschen zugesetzt, und wandelt sich während des zweiten Gärprozesses – jetzt in der Flasche – langsam in Alkohol und Kohlensäure um. Das Abziehen der Cuvée auf Fla-

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Champagne

schen darf dabei nicht vor dem 1. Januar des auf die Lese folgenden Jahres vorgenommen werden. Der Gasdruck im Innern der Flasche steigt dabei auf bis zu 6 Bar bzw. Atmosphären an. Während die erste Gärung rund drei Wochen dauert, erfordert die zweite Gärung in etwa drei bis vier Monate Prozesszeit (Prise de Mousse). Durch die langsame Gärung unter hohem Druck verbindet sich die Kohlensäure mit dem Wein besonders gut. Dieses ist eine Ursache für den besonders feinen Schaum und das lang anhaltende Perlen eines Champagne. Die zweite, und vielleicht wichtigere, Ursache liegt in der besonderen Form der Lagerung des Champagne. Die Kombination von Druck- und Lagerungsbedingungen lässt sich vier unterschiedliche Ausprägungen von cremiger Kohlensäure emergieren: Perlant, Pétillant, Crémant und Mousseux. Nur die beiden Letztgenannten sind dabei für Champagne angestrebt. Nach Abschluss der zweiten Gärung ist der Wein hell und klar. Auf der Innenwand der Flasche hat sich ein Satz aus Gärungsrückständen gebildet. Auf diesem Satz lagert der Champagne noch mehrere Monate. Laut Gesetz müssen die Flaschen mindestens 15 Monate (davon mindestens 12 Monate auf dem Satz) gelagert werden (ReserveChampagne). Durchschnittlich sind es jedoch rund zweieinhalb bis fünf Jahre Lagerzeit. Das Gesetz schreibt darüber hinaus für die Millésimés vor, dass diese mindestens drei Jahre in den Kellern gelagert werden. Das langsame Altern und Reifen durch Lagerung in der Flasche ist eine der signifikantesten Voraussetzungen für die unvergleichliche Feinheit des Champagneweins. Zur weiteren Verarbeitung muss der Satz aus Gärungsrückständen aus der Flasche hinaus. Dafür muss er sich zunächst im Flaschenhals ansammeln. Deshalb werden die Flaschen am Ende der Reifezeit horizontal in schräge Rüttelpulte gesetzt. Jeden Tag wird jede Flasche leicht geschüttelt und gedreht, so dass sie immer steiler fast vertikal im Rüttelpult steht. So gleitet der Satz langsam von der Innenwand in Richtung Flaschenhals, wo er sich nach rund 6 bis 12 Wochen angesammelt hat. Die Flaschen stehen nach dieser Zeit auf der Spitze, sie sind bereit für den fünften und letzten Arbeitsgang. Der Prozessschritt des Rüttelns auf Rüttelpulten von 1805 geht dabei zurück auf die damals 27-jäh-rige Witwe Nicole-Barbe Clicquot-Ponsardin. Das Rüttelpult besteht aus zwei gegeneinander gestellten Holzladen mit einer Reihe an ausgeklügelten Bohrungen. Hier werden die Flaschen allmählich von der waagrechten in eine senkrechte Position gebracht. Beim Degorgieren (Dégorgement) wird der Satz aus dem Flaschenhals entfernt, und zwar ohne das er viel Champagne mitnimmt. Dazu wird der Flaschenhals in eine Gefrierlösung getaucht, und bei minus 25 Grad Celsius gefriert der Satz zu einem Eisklotz. Die Flasche wird geöffnet und der Druck jagt den gefrorenen Satzklotz hinaus; der Champagne ist jetzt vollkommen klar und rein. Dabei geht insgesamt nur wenig Champagne verloren; der geringe Verlust wird durch die Versand-Dosage wieder ersetzt. Sie besteht aus demselben Grundwein, in dem allerdings Rohrzucker gelöst ist. Das Mischungsverhältnis der Dosage richtet sich nach der Geschmacksrichtung, die der Champagne haben soll: Brut Nature (naturherb; unter 3 g Restzucker pro

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Champagne

Liter), Extra Brut (extra herb; zwischen 0 g und 6 g Zuckergehalt pro Liter), Brut (herb; weniger als 15 g Zuckergehalt pro Liter), Extra Dry (extra trocken; zwischen 12 g und 20 g Zuckergehalt pro Liter), Sec (trocken; zwischen 17 und 35 Zuckergehalt pro Liter), Demi Sec (halbtrocken; zwischen 33 g und 50 g Zuckergehalt pro Liter) oder Doux (mild; mehr als 50 g Zuckergehalt pro Liter). Mit anderen Worten, das Einbringen der Dosage bestimmt, welchen Charakter der fertige Champagne ausprägen soll – eher trocken oder eher lieblich. Als nächste Takte in demselben Arbeitsgang folgen das Verkorken, welches grundsätzlich mit Naturkork erfolgt, sowie das Anbringen der Agraffe zur Korksicherung. Portugiesischer und spanischer Kork wird häufig zum verkorken der Flaschen verwendet, da die mühsam gewonnenen Aromen und Geschmacksnuancen optimal erhalten werden müssen. An der Form eines Korkens lässt sich auch das Alter einer Cuvée ablesen: Eine nach unten breiter werdende Form (Juponne) weist auf eine erst kürzlich erfolgte Enthefung hin, während bei nach unten spitzer zulaufenden Korkformen (Cheville) darauf geschlossen werden kann, dass die Enthefung länger zurückliegt. Die Agraffe dient zur Sicherung des Korkens auf der Flasche, so dass dieser sich durch den Innendruck nicht eigenständig lösen kann. Die Technik des Verkapselns in der heutigen Form geht zurück auf Adolphe Jacqueson und wird seit gut 150 Jahren angewendet. Letztlich werden die Flaschen etikettiert und der Champagne ist fertig. Nach einigen Wochen Ruhezeit kann er zum Versand kommen. Diese Ruhezeit ist dabei einzuhalten, damit sich der Champagne mit dem zugesetzten Dosierungslikör optimal verbinden kann. Die Standardgröße der 1/1-Flaschen für den Champagne beträgt 0,75 Liter (Imperial oder La Champenoise). Daneben haben sich aber auch eine Reihe an weiteren Größen etabliert: 1/4-Flasche mit 0,2 Liter (Piccolo oder Le Quart), 1/2-Flasche mit 0,375 Liter (Demi), 2/1-Flasche mit 1,5 Liter (Magnum), 4/1-Flasche mit 3 Liter (Jéroboam), 6/1Flasche mit 4,5 Liter (Rehoboam), 8/1-Flasche mit 6 Liter (Mathusalem), 12/1-Flasche mit 9 Liter (Salmanazar), 16/1-Flasche mit 12 Liter (Balthasar) und 20/1-Flasche mit 15 Liter (Nabuchodonozor). Das Grundgesetz der Champagne regelt auch das weitgehende Produktionsverbot für andere Schaumweine als Champagne in Anlehnung an die Méthode Champenoise in der Champagne. Sofern Ausnahmsweise Sekte produziert werden, dürfen dann allerdings nicht die Herkunftsbezeichnung sowie der eigentliche Name Champagne auf die Flasche aufgebracht werden. Der Champagne wird ausschließlich in Räumlichkeiten erzeugt, in denen nur Weine aus der Zone Délimitée lagern dürfen. Der fertige Champagne darf das Weinbaugebiet der Champagne nur abgefüllt in Flaschen, also ausdrücklich nicht in Fässern und/oder Tanks, verlassen. Somit soll die Verarbeitung von Champagne-Grundweinen außerhalb des umrissenen Gebiets unmöglich gemacht werden.

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Champagne

Vertrieb des Champagne Im Jahr 2003 wurden mehr als 293 Millionen Flaschen zu je 0,75 Liter weltweit abgesetzt. In den Export gelangten davon mehr als 119 Millionen Flaschen (rund 40 %). Großbritannien, die USA und Deutschland bildeten die drei Hauptabnehmerländer für den Champagne, mit respektive rund 29 %, rund 16 % und rund 10 % des Exportabsatzes. Damit der Champagne auch nach seiner Fertigstellung für Qualitätskontrollen zugänglich bleibt, sind zwei zusätzliche Kontrollmöglichkeiten auf den Flaschen vorgeschrieben: Einerseits muss die Bezeichnung Champagne auf dem Teil des Naturkorkens, welcher in der Flasche steckt, vorhanden sein; zweitens sind die Etiketten außen mit einer Erzeuger-Nummer versehen. Diese enthält jeweils zwei Buchstaben, welche die Herkunft des Champagne aufzeigt. Dabei gelten die Buchstaben NM (NégociantManipulant) für ein Champagnehaus, welches in der Rechtsform einer natürlichen oder juristischen Person Trauben, Most oder Grundwein ankauft und die weitere Verarbeitung in seinem Betrieb vornimmt. Die Buchstaben RM (Récoltant-Manipulant) stehen für einen Champagnewinzer, der ausschließlich aus eigenen Grundweinen im eigenen Betrieb Champagne herstellt. Die Buchstaben RC (Récoltant-Cooperateur) indizieren, dass ein Genossenschaftswinzer die Trauben seiner Ernte an seine Genossenschaft liefert und von dieser im Umkehrschluss verkaufsfertigen Champagne geliefert bekommt; dabei darf er auch Champagne erhalten, der noch auf der Hefe liegt und noch zu degorgieren und zu dosieren ist. Das Buchstabenpaar CM (CoopérativeManipulante) weist auf eine Genossenschaft hin, die in ihrem Betrieb Trauben ihrer Mitglieder vinifiziert, zu Champagne verarbeitet und ihn unter ihrer eigenen Marke vertreibt. Die Buchstaben ND (Négociant-Distributeur) deuten an, dass eine Vertriebsgesellschaft die verkaufsfertigen Champagne-Flaschen nach Durchlaufen der Méthode Champenoise ankauft und sie im eigenen Betrieb mit Etiketten versieht. Champagne wird insgesamt in Form von rund 8.000 unterschiedlichen Markenbezeichnungen angeboten, weshalb es Champagne praktisch in unüberschaubarer Sortenvielfalt und zahlreichen Variationen gibt. Allerdings stehen nur wenige große Anbieter hinter dieser ausgeprägten Markenvielfalt. Im Hinblick auf das Wechselspiel zwischen Anbau der Weinreben, Herstellung sowie Vertrieb des Champagne gilt, dass die großen Champagne-Häuser nur rund 15 % der Anbaufläche besitzen, aber mehr als 90 % des Exportabsatzvolumens von Champagne bewegen. Den weitaus größten Teil ihrer Trauben müssen die Champagne-Häuser deshalb von den rund 15.000 Winzern zukaufen. Ein Großteil dieser Winzer besitzt dabei oftmals weniger als einen Hektar Anbaufläche und betreibt den Weinbau in Nebentätigkeit; nur wenige Betriebe haben mehr als fünf ständige Mitarbeiter. Nach der Ernte erwerben die großen Häuser Anfang Oktober die Trauben von den Winzern, wobei ein spezieller Richtpreis berücksichtigt wird. Je nach dem, ob und wie viel der Rebfläche eines Winzers als Grand Cru oder Premier Cru ausgezeichnet sind, bekommt der Winzer einen besseren Preis. 100 % des ausgehandelten Preises erhält demgemäß nur derjenige Winzer, der ausschließlich über Grand Cru-Lagen verfügt. Der Mindestpreis für alle Winzer ist allerdings bei 80 % dieses Preisniveaus taxiert. 104

Champagne

Etwas mehr als 32.000 Menschen arbeiten in der Champagne an der Herstellung der Schaumweine, aber nur rund 6.000 davon sind im engeren Sinn mit dem Weinbau befasst. Einer der traditionsreichen Récoltant-Manipulants, also der Winzerbetriebe, ist das Unternehmen Laurence Leroc et Fils im Örtchen Bouzy, welches in der Montagne de Reims im Dreieck zwischen den Städten Reims, Epernay und Châlons-enChampagne liegt. Der Betrieb existiert seit fast 230 Jahren, und die Tradition der Weinerzeugung geht von Generation auf Generation über. Die Weinberge des Betriebs Laurence Leroc et Fils erstrecken sich über rund 10 Hektar und liegen zur Gänze im berühmten Anbaugebiet von Bouzy, welches zu 100 % Grand Cru-Lagen aufweist (Côtes de Bouzy). Bouzy gilt als Domäne des Pinot Noir, und die Assemblage mit Chardonnay – der auf eigenen Parzellen angebaut wird – ermöglicht die Herstellung eines sehr ausdrucksstarken Champagne. Das Unternehmen kennt keine Absatzschwierigkeiten, mehr als drei Viertel der Jahresproduktion werden in den Export – hauptsächlich an Kunden in Deutschland – geliefert. Laurence Leroc et Fils verfügt seit 1869 über einen eigenen Gärkeller, 1958 wurde eine eigene Coquard-Presse angeschafft. Der Betrieb erwirtschaftet seit 1994 jedes Jahr etwas mehr als eine Million Euro Umsatz, Tendenz steigend.

Aufgabenstellung 1. Stellen Sie den Prozess der Champagne-Herstellung möglichst präzise in Makround Mikrosequenzierung dar. Welche Arbeitsschritte sind dabei besonders kritisch für das spätere Qualitätsergebnis? Kennzeichnen Sie (soweit möglich) die Zeiterfordernisse für die einzelnen Arbeitsschritte. 2. Wie beurteilen Sie den Herstellungsprozess von Champagne allgemein mit Blick auf die ökonomischen Aspekte Kapitalbindung, Lagerhaltung, Fixkosten sowie Nutz- und Leerkosten für die Produktion? Wie beurteilen Sie den Herstellungsprozess in dieser Sicht konkret am Beispiel des Betriebs Laurence Leroc et Fils?

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Champagne

Glossar Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne Das CIVC ist eine quasi halböffentliche Organisation unter der Aufsicht und Entscheidungshoheit der französischen Regierung mit Sitz in Epernay. Sie gilt als Interessenvertretung der Winzer (Vignerons) und der Kellereien (Négociants, Maisons) in der Champagne. Ihre Hauptaufgabe ist die Formulierung und Überwachung der qualitätsorientierten Vorschriften und Richtlinien zur Herstellung von Champagne. Vignerons und Maisons sind dabei paritätisch sowohl im Präsidium als auch in der Comission Consultative der CIVC vertreten. Coquardpresse Die traditionelle Coquardpresse gilt als das standardmäßige Werkzeug zur Traubenkelterei in der Champagne. Die Presse ist großflächig rund, und hat ein Fassungsvermögen von 4.000 kg Trauben. Das Eigengewicht der Maschine beträgt dabei zwischen 3.500 kg und 6.000 kg, so dass das Bruttogewicht einer gefüllten Coquardpresse zwischen 7.500 und 10.000 kg liegt. Cru Cru steht für Gewächs und für Lage sowie für die auf einer Lage wachsenden Weine. In Anlehnung daran existieren Klassifizierungssysteme, die in Abhängigkeit der Qualität der Lage einen Wein bspw. in Grand Cru, Premier Cru und Cru Classé differenzieren. In der Champagne werden die Lagen dabei mit Weinbaugebieten von ganzen Orten gleichgesetzt.

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Anhang Tabelle 7-1:

Übersicht über die Erzeugerstrukturen in den Jahren 1995 bis 2003*

Maisons – Négotiant Manipulant

Winzer – RécoltantManipulant

Jahr

in Stück

in %

in Stück

in %

Genossen-schaften – RécoltantCooperateur in Stück

Gesamter Absatz

1995

179.477.700

71,99

51.459.140

20,64

18.357.348

7,36

249.294.188

1996

183.669.546

71,80

51.973.701

20,32

20.157.982

7,88

255.801.226

1997

192.697.902

71,65

54.256.845

20,17

21.985.224

8,17

268.939.971

in %

in Stück

1998

204.975.456

70,09

60.671.102

20,75

26.811.534

9,17

292.458.092

1999

221.862.638

67,82

79.156.299

24,20

26.102.524

7,98

327.121.461

2000

168.056.621

66,42

65.784.323

26,00

19.190.016

7,58

253.030.960

2001

172.250.744

65,59

67.111.786

25,56

23.250.920

8,85

262.613.450

2002

195.114.444

67,83

67.839.635

23,58

24.697.296

8,59

287.651.375

2003

197.779.350

67,43

68.357.860

23,31

27.171.559

9,26

293.308.769

* gemessen in Stück 1/1-Flaschen

Tabelle 7-2:

Übersicht über die Nachfrage in den Jahren 1993 bis 2003*

Jahr

Gesamter Absatz in Stück

Exportnachfrage in Stück

in %

Absatz in Frankreich in Stück

1993

229.089.728

76.420.634

in %

33,36

152.669.094

66,64

1994

241.582.563

84.435.029

34,95

157.147.534

65,05

1995 1996

249.294.188

91.386.052

36,66

157.908.136

63,34

255.801.226

95.205.653

37,22

160.595.573

62,78

1997

268.939.971

103.833.858

38,61

165.106.113

61,39

1998

292.458.092

113.453.686

38,79

179.004.406

61,21

1999

327.121.461

136.591.291

41,76

190.530.170

58,24

2000

253.030.960

103.533.945

40,92

149.497.015

59,08

2001

262.613.450

98.240.890

37,41

164.372.560

62,59

2002

287.651.375

112.743.584

39,19

174.907.791

60,81

2003

293.308.769

119.274.922

40,67

174.033.847

59,33

* gemessen in Stück 1/1-Flaschen

107

7

7

Champagne

Tabelle 7-3:

Übersicht über den Exportanteil der Nachfrage in Deutschland in den Jahren 1993 bis 2003*

Jahr

Gesamter Absatz in Stück

Exportnachfrage in Stück

in % vom gesamten Absatz

Absatz in Deutschland in Stück

in % der Exportnachfrage

1993

229.089.728

76.420.634

33,36

15.190.000

19,88

1994

241.582.563

84.435.029

34,95

18.845.000

22,32

1995

249.294.188

91.386.052

36,66

17.748.000

19,42

1996

255.801.226

95.205.653

37,22

18.405.000

19,33

1997

268.939.971

103.833.858

38,61

19.458.000

18,74

1998

292.458.092

113.453.686

38,79

19.313.000

17,02

1999

327.121.461

136.591.291

41,76

17.497.000

12,81

2000

253.030.960

103.533.945

40,92

14.236.000

13,75

2001

262.613.450

98.240.890

37,41

12.825.000

13,05

2002

287.651.375

112.743.584

39,19

11.387.000

10,10

2003

293.308.769

119.274.922

40,67

12.053.665

10,11

* gemessen in Stück 1/1-Flaschen

Tabelle 7-4:

Anbaufläche und Weinernte in der Champagne

Jahr

Anbaufläche in Hektar

Weinernte in Hektoliter

Weinernte in Hektoliter/Hektar

Weinernte in Liter/Quadratmeter

1993

29.109

1.925.958

66,16

0,66

1994

30.012

1.793.403

59,76

0,60

1995

30.659

2.103.782

68,62

0,69

1996

30.717

2.023.402

65,87

0,66

1997

30.544

1.798.852

58,89

0,59

1998

30.216

2.492.093

82,48

0,82

1999

30.147

2.495.560

82,78

0,83

2000

30.396

2.389.260

78,60

0,79

2001

30.590

2.091.209

68,36

0,68

2002

30.911

2.357.042

76,25

0,76

2003

31.198

1.608.842

51,57

0,52

108

Champagne

Tabelle 7-5:

Übersicht über die von den französischen Behörden erlaubten Obergrenzen für den Ernteertrag der Weintrauben*

Zeitraum bzw. Jahr

behördlich erlaubter Ertrag in kg Trauben/Hektar

behördlich erlaubter Ertrag in Liter Wein/Hektar

behördlich erlaubter Ertrag in Liter Wein/Quadratmeter

1970-1979

10.400

6.500

0,65

1980-1989

11.675

7.297

0,73

1990-1999

11.450

7.156

0,72

2000

12.600

7.875

0,79

2001

11.000

6.875

0,69

2002

12.200

7.625

0,76

2003

11.400

7.125

0,71

* jeweils als Durchschnittswert für die angegebenen Zeiträume

Tabelle 7-6:

Übersicht über die Entwicklung der Absatzzahlen des Champagne in Deutschland sowie des Durchschnittspreises für eine 1/1-Flasche Champagne*

Jahr

Absatz in Deutschland in Stück

Realwert (inflationsbereinigt) insgesamt in EUR

Durchschnittspreis (frei deutsche Grenze) in EUR/Stück

Durchschnittspreis frei deutsche Grenze) in EUR/Liter

1993

15.190.000

153.260.000

10,09

13,45

1994

18.845.000

178.660.000

9,48

12,64

1995

17.748.000

172.410.000

9,71

12,95

1996

18.405.000

172.410.000

9,37

12,49

1997

19.458.000

178.980.000

9,20

12,26

1998

19.313.000

193.300.000

10,01

13,35

1999

17.497.000

201.630.000

11,52

15,36

2000

14.236.000

167.880.000

11,79

15,72

2001

12.825.000

143.130.000

11,16

14,88

2002

11.387.000

130.430.000

11,45

15,27

2003

12.053.665

139.370.000

11,56

15,42

* Realwerte und Durchschnittspreise sind jeweils inflationsbereinigt und gelten ohne Steuern

109

7

7

Champagne

Tabelle 7-7:

Übersicht über die Aufteilung der Champagne-Nachfrage in Deutschland in Abhängigkeit von der Flaschengröße in den Jahren von 1993 bis 2003*

Maßeinheit

Absatz insgesamt

Absatz Imperial (1/1)

Absatz Magnum (2/1)

Absatz Demi (1/2)

Absatz Piccolo (1/4)

in Stück

15.190.000

14.005.180

136.710

637.980

2.107.613

in Liter

11.392.500

10.503.885

205.065

239.243

421.523

in Stück

18.845.000

17.751.990

122.493

640.730

1.908.056

in Liter

14.133.750

13.313.993

183.739

240.274

381.611

in Stück

17.748.000

16.505.640

133.110

674.424

2.329.425

in Liter

13.311.000

12.379.230

199.665

252.909

465.885

1996

in Stück

18.405.000

17.300.700

119.633

588.960

2.070.563

in Liter

13.803.750

12.975.525

179.449

220.860

414.113

1997

in Stück

19.458.000

18.387.810

136.206

661.572

1.678.253

in Liter

14.593.500

13.790.858

204.309

248.090

335.651

in Stück

19.313.000

18.289.411

125.535

695.268

1.448.475

in Liter

14.484.750

13.717.058

188.302

260.726

289.695

in Stück

17.497.000

16.289.707

244.958

769.868

1.049.820

in Liter

13.122.750

12.217.280

367.437

288.701

209.964

in Stück

14.236.000

13.481.492

106.770

569.440

800.775

in Liter

10.677.000

10.111.119

160.155

213.540

160.155

in Stück

12.825.000

12.081.150

115.425

564.300

769.500

in Liter

9.618.750

9.060.863

173.138

211.613

153.900

in Stück

11.387.000

10.703.780

68.322

546.576

982.129

in Liter

8.540.250

8.027.835

102.483

204.966

196.426

in Stück

12.053.665

11.438.928

90.402

458.039

723.220

in Liter

9.040.249

8.579.196

135.604

171.765

144.644

Jahr 1993

1994

1995

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Absatz Jéroboam und >

22.785

14.134

13.311

13.804

14.594

28.970

39.368

21.354

19.238

8.540

9.040

* die Größe "Absatz insgesamt" ist umgerechnet auf 1/1-Flaschen; die Angaben für die Größe "Absatz Jéroboam und >" sind umgerechnet auf Flaschen, die von der Größe Jéroboam oder größer sind

110

Champagne

Tabelle 7-8:

Übersicht über die Aufteilung der Champagne-Nachfrage in Deutschland in Abhängigkeit von der Sortencharakterstik des Champagne (eher trocken oder eher lieblich) in den Jahren von 1993 bis 2003 * Brut Nature; Extra Brut; Brut in Stück

Extra Dry

Sec

Demi Sec

Doux

Jahr

Absatz in Deutschland insgesamt in Stück

in Stück

in Stück

in Stück

in Stück

1993

15.190.000

14.871.010

0

136.710

167.090

15.190

1994

18.845.000

18.468.100

0

150.760

207.295

18.845

1995

17.748.000

17.357.544

17.748

230.724

141.984

0

1996

18.405.000

17.981.685

18.405

220.860

184.050

0

1997

19.458.000

18.874.260

19.458

389.160

165.393

9.729

1998

19.313.000

18.849.488

19.313

289.695

144.848

9.657

1999

17.497.000

17.217.048

17.497

122.479

139.976

0

2000

14.236.000

13.709.268

71.180

284.720

170.832

0

2001

12.825.000

12.671.100

51.300

38.475

51.300

12.825

2002

11.387.000

11.102.325

56.935

148.031

74.016

5.694

2003

12.053.665

11.860.806

12.054

108.483

60.268

12.054

* gemessen in Stück 1/1-Flaschen

Tabelle 7-9:

Ertragsstruktur von Laurence Leroc et Fils in Bouzy

Jahr

Anbaufläche in Hektar

Ertrag in Liter Wein/Hektar

Ertrag in Liter Wein/Quadratmeter

Gesamter Ertrag in Liter

1996

9,20

6.190

0,62

56.948

1997

9,20

5.870

0,59

54.004

1998

9,20

6.250

0,63

57.500

1999

9,20

7.090

0,71

65.228

2000

10,30

7.670

0,77

79.001

2001

10,30

6.420

0,64

66.126

2002

10,30

6.890

0,69

70.967

2003

10,30

6.550

0,66

67.465

111

7

7

Champagne

Tabelle 7-10: Vertriebsstruktur von Laurence Leroc et Fils in Bouzy*

Jahr

Gesamter Ertrag in Liter

Gesamter Ertrag in Stück

Absatz insgesamt in Stück

Absatz Frankreich in Stück

in %

Absatz Export in Stück

in %

1995

53.295

71.060

64.967

17.541

27

47.426

73

1996

56.948

75.931

73.295

20.523

28

52.772

72

1997

54.004

72.005

71.993

17.998

25

53.995

75

1998 1999

57.500

76.667

69.893

15.376

22

54.517

78

65.228

86.971

79.998

15.200

19

64.798

81

2000

79.001

105.335

89.395

16.091

18

73.304

82

2001

66.126

88.168

87.943

17.589

20

70.354

80

2002

70.967

94.623

92.385

21.249

23

71.136

77

2003

67.465

89.953

80.832

19.400

24

61.432

76

* gemessen in Stück 1/1-Flaschen

Tabelle 7-11: Übersicht über die Kapazitätsauslastung unterschiedlicher Anlagen von Laurence et Fils in Bouzy* Monat

Coquardpresse

Filteranlage

Flaschenabfüllanlage

Weinbergbearbeitung

Januar

0%

10 %

10 %

35 %

Februar

0%

20 %

70 %

35 %

März

0%

10 %

70 %

45 %

April

0%

15 %

40 %

50 %

Mai

0%

0%

40 %

85 %

Juni

0%

0%

40 %

80 %

Juli

0%

0%

30 %

90 %

August

0%

0%

25 %

95 %

September

75 %

75 %

10 %

100 %

Oktober

75 %

100 %

10 %

85 %

November

0%

75 %

10 %

5%

Dezember

0%

85 %

5%

5%

* Angaben jeweils im Monatsdurchschnitt über die Jahre von 1993 bis 2003

112

8

Château Imperiale en Pauillac*

Rotweinanbau in der Haut-Médoc Das Château Imperiale ist ein traditionsreicher Erzeuger von französischem Rotwein. Die bearbeitete und genutzte Weinanbaufläche liegt in und um Pauillac, welches sich im Haut-Médoc in der Region um die Stadt Bordeaux – zwischen dem Fluss Garonne und der französischen Atlantikküste an der Gironde – im Südwesten Frankreichs befindet. Die vom Château Imperiale hervorgebrachten Rotweine zählen regelmäßig zu den weltweit angesehensten und meistbeachteten Rotweinen. Thierry Marquis de Fleur führt das Château nach erwerbswirtschaftlichen und traditionellen Grundsätzen seit 1961 und wird im laufenden Tagesgeschäft bereits seit einigen Jahren von seiner heute achtundzwanzigjährigen Tochter Madeleine unterstützt. Damit sich das Problem der Unternehmensnachfolge für den Marquis de Fleur nicht stellt, soll seine Tochter in etwa zwei bis drei Jahren die Verantwortung für das Château Imperiale übernehmen. Madeleine weist langjährige, extensive praktische Erfahrungen im Weinanbau auf, die sie sowohl auf dem Château ihres Vaters sowie durch eine Reihe an Praktika in Weinanbaugebieten Frankreichs (u.a. im Languedoc im Süden Frankreichs, einem Gebiet, welches die älteste Weinbautradition Frankreichs aufweist und das hauptsächlich – auf "Masse" produzierte – Tafelweine hervorbringt), Deutschlands (u.a. im Rheingau, einem Gebiet westlich von Frankfurt am Main, das zu den besten und weltweit bekanntesten Anbaugebieten Deutschlands zählt und in dem hauptsächlich Rieslingweine kultiviert werden) und Kalifornien (u.a. im Napa Valley, welches als "das" Weinbaugebiet der USA gelten kann und in dem intensive Cabernet Sauvignon und Chardonnay angebaut werden) gesammelt hat. Zusätzlich zu ihrer praktischen Erfahrung hat Madeleine Weinbau studiert. Als Diplom-Önologin hat sie in der Appellation Contrôlée von Pauillac auch bei den anderen Chateaux des Haut-Médoc Anerkennung für ihre Arbeit gefunden. Madeleine erläutert Grundsätzliches zur herausgehobenen Stellung des Weinbaus in Frankreich: "Frankreich gilt als das bedeutendste Weinbauland der Welt. Im internationalen Maßstab existieren nur zwei Weinstile, die weltweit Beachtung finden, die nicht aus Frankreich stammen. Das eine ist der gespritete Dessertwein aus Spanien, das andere der Rieslingwein aus Deutschland. Überall in der Welt, wo Weinerzeuger nach internationaler Anerkennung streben, versuchen sie, die "klassischen" Weine aus Bordeaux – aber auch der Champagne und der Bourgogne – zu kopieren. Die geographischen und klimatischen Bedingungen für *

Unter Mitarbeit von Florence Buscke

113

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Château Imperiale en Pauillac

den Weinanbau sind in weiten Teilen Frankreichs nahezu ideal. Die in großen Teilen Frankreichs kultivierten überregionalen und lokalen Rebsorten holen nahezu aus jedem Weinberg harmonische Weine mit einem ausgewogenen Verhältnis von Süße und Säure hervor. Die französischen Weinbaugebiete liegen so in etwa zwischen dem 42. und 50. Grad nördlicher Breite – ganz grundsätzlich lässt sich der Wein auf der nördlichen Erdhalbkugel in etwa zwischen dem 30. und dem 50. Breitengrad kultivieren. Eine kleine Anmerkung: Nahezu drei Viertel aller französischen Weine sind Rotweine, nur etwa ein Viertel Weißweine – auch der Champagner wird zum überwiegenden Teil aus roten Trauben hergestellt. Oder in Zahlen einmal anders ausgedrückt: In Frankreich werden derzeit in etwa 900.000 Hektar Gesamtrebfläche bestellt; davon sind rund 600.000 Hektar mit Rotweinreben bestockt. Von den 900.000 Hektar französischer Rebfläche stehen in etwa 100.000 Hektar in der Region Bordeaux. Frankreich produziert insgesamt pro Jahr in etwa so um die 60 Millionen Hektoliter des leckeren Rebensafts." Der Weinbau hat in Frankreich zudem eine lange Tradition. Die Erfahrung beim Weinbau ist an vielen Stufen des Herstellungsprozesses oftmals entscheidend. Thierry Marquis de Fleur erläutert hierzu: "Unter dem Einfluss der Römer begannen die Gallier vor knapp 2000 Jahren in der Provincia Gallia Narbonensis in größerem Umfang Wein anzubauen. Vor allem an den warmen Tälern von Flussläufen begannen die Römer dann auch nach und nach, Weinreben zu kultivieren. Schon bald hatte der in Frankreich angebaute Wein einen besseren Ruf als die Weine aus Rom. Aber nicht nur die Römer verhalfen dem Weinbau in unserem Land und in unserer Region zu einem starken Impuls, nein, auch die Benediktiner- und Zisterziensermönche bauten im 12. und 13. Jahrhundert weitere wichtige Anbaugebiete Frankreichs aus. Wenn ich dann konkret in die Region Bordeaux schaue, so möchte ich sagen, dass vor allem die verkehrsgünstige Lage der Anbaugebiete an den Flussläufen sowie das für den Weinbau so wichtige Klima als zwei wichtige Ursachen für die frühe Kultivierung von Weinbau im Bordeaux gelten. Ach ja, noch etwas zum Thema Wetter und Klima: Wir in Frankreich sind der Ansicht, dass vor allem die lokalen geographischen Verhältnisse und das lokale Kleinklima entscheidend für die Qualität und den Charakter eines Weins sind; deshalb sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von einem Terroir. Wo ich gerade dabei bin: Ein Terroir wird im Wesentlichen bestimmt durch geographische und geologische Faktoren, wie bspw. Neigung eines Hanges, seine Lage zur Sonne, seine Ausrichtung zu kalten und warmen Luftströmungen, seine Drainage, seine Belüftung und viele weitere, andere Faktoren. Diese haben ihrerseits einen Einfluss auf die kleinklimatischen Bedingungen in diesem Terroir. Das ganze Weinbaugeschäft ist somit ein äußerst kompliziertes und vielschichtiges Thema. Nur ein Beispiel: Die Farbe bzw. die strukturelle Beschaffenheit – und da spreche ich noch gar nicht einmal über weitere Eigenschaften – eines Bodens auf einem Hang entscheidet mit über seine Fähigkeit, Wärme zu speichern und wieder abzustrahlen – und somit letztlich auch über die Traubenreife."

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Eine weitere Komponente beim Weinbau, die den Geschmack eines Weines wesentlich beeinflusst, ist der "Ausbau" in geeigneten Behältnissen. Hierzu verwendet man grundsätzlich entweder – modern – Edelstahltanks oder – traditionell – Holzfässer. Madeleine erläutert diesen Sachverhalt etwas genauer: "Wenn wir davon sprechen, dass der Geschmack eines Weins bspw. in Bezug auf die Traubenreife unter anderem von der Farbe des Bodens, auf dem die Rebe bestellt wird, abhängig ist, dann ist natürlich stark zu unterstreichen, dass es eine ganze Reihe an weiteren Faktoren gibt, die ebenfalls entlang des Herstellungsprozesses von Wein seinen Geschmack ganz wesentlich beeinflussen können. Dazu gehört auch der Ausbau in Barriquefässern. Wir im Château Imperiale bauen unseren Cabernet Sauvignon grundsätzlich nur im Barrique aus. Wir beherrschen die Vergärung und den Ausbau des Rotweins in Eichenholzfässern perfekt. Auch dadurch festigen wir unsere Markstellung als Erzeuger von hochwertigsten Rotweinen. Unsere Weine schmecken so gut wie nie vordergründig nach Eichenholz, das die Frucht des Weins eventuell überlagern oder sogar – im schlimmsten Fall – erschlagen könnte. Unser Kellermeister François hat eine sehr lange Erfahrung im Umgang mit dem Eichenholz. Unser eigener Küfer Charles-Philippe gibt die Küferei-Tradition auch an unsere Lehrlinge – und diejenigen von befreundeten Chateaux im Haut-Médoc sowie in Sauternes – weiter. Während die meisten unserer Konkurrenten ihre Barrique-Fässer drei Jahre lang nutzen, erneuern wir jährlich unsere Fässer. Dadurch erzielen wir regelmäßig Spitzenergebnisse für unsere Rotweine. Die Qualität ist uns das wert. Die jährlich aufgebrauchten Fässer verkaufen wir an kleinere Châteaux in der Nähe." Der französische Bordeaux gilt – insbesondere in den höheren Klassifikationsstufen – wegen einer Reihe an Eigenschaften als ein weltweit angesehenes Spitzenprodukt. Der Marquis de Fleur skizziert in diesem Zusammenhang die Besonderheiten der Rotweinproduktion in der Region um Bordeaux: "Die Anfänge des Weinbaus im Bordelais gehen zurück in das 1. Jahrhundert. Heute ist das Anbaugebiet sicherlich das bemerkenswerteste der Welt. Nirgendwo sonst entstehen in einer so nennenswerten Anzahl herausragende Rotweine sowie trockene und edelsüße Weißweine wie in unserer Region. Unser Château kultiviert nur Rotwein auf der Grundlage der Rebsorte Cabernet Sauvignon. Doch zurück zur Region Bordelais. Da unsere Region hier um Bordeaux nahezu genauso groß ist wie alle deutschen Rebflächen zusammengenommen, ist das Bordelais kein einheitliches Gebiet; wir unterscheiden hier in rund 50 Teilappellationen. In unterschiedlichen Teilen unserer Region unterscheiden wir darüber hinaus in unterschiedliche CruKlassifizierungen. Wenn ich das anführen darf: Wir bei Château Imperiale sind stolz darauf, zu den Premiers Crus Classés zu zählen. Diese Klassifizierung halten wir seit dem Jahr 1855. Wir haben vorhin über die Bedeutung des Klimas für den Wein gesprochen. Nun, hier im Bordelais gilt dazu folgendes: Der Golfstrom im Atlantik ist für uns so etwas wie eine Heizung: Die warme Meeresströmung mildert im Winter die Temperaturen, während die Nähe zum Atlantik und der riesigen Wassermenge klimatisch im Sommer mäßigend und kühlend wirkt. Durchschnittlich haben wir hier rund 900 mm Niederschlag pro Jahr. Das kann problematisch sein, muss es aber nicht. Außerdem haben wir hier im Bordelais ausgeprägte Kiefernwälder, die 115

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unsere Weinberge vor heftigen Winden und Stürmen schützen. Als dritter Faktor gilt, dass die Wasserfläche der Flüsse Garonne und Dordogne insgesamt für ein geeignetes Kleinklima sorgt. Die Rebe benötigt insgesamt ein mildes Klima; sie mag es weder zu warm – dann sind die Trauben zwar süß, aber es fehlt dem Wein an Fruchtaromen, noch zu kalt – dann reifen die Trauben nämlich nicht richtig aus und der Wein ist zu säurereich. Scheint zuwenig Sonne, reifen die Trauben ebenfalls nicht richtig heran. Ach ja, wir haben ja auch schon über die Weinberge und die Hänge gesprochen. Nun, hier in der Region um Bordeaux haben wir eigentlich keine richtigen Berge. Es sind allenfalls Hügel mit ein paar Metern Höhenunterschied. Mehr oder weniger flaches Land, also. Wichtig für Art, Charakter und Qualität unserer Weine sind aber die Böden, auf denen unsere Reben wachsen. In Anbetracht der großen Regenmenge haben wir bei Château Imperiale große Anstrengungen gemacht, um unsere Flächen entwässern zu können und wir haben die Gewinne der 90er Jahre mitgenommen, um neue Technik einzukaufen. Die Natur ist aber nach wie vor ein wesentlicher Qualitätsgarant, denn Kiesschichten bieten bspw. eine perfekte Drainage und sorgen dafür, dass unsere Trauben keine nassen Füße bekommen." Madeleine ergänzt seine Ausführungen zu den Besonderheiten der Weinproduktion in und um Bordeaux mit Bezug auf die Arten an Rebsorten, die angebaut werden: "Die meisten der Winzer im Bordelais bauen aufgrund der geologischen und klimatischen Besonderheiten zumeist mehrere Rebsorten auf ihren Flächen an; insgesamt haben sie also mehrere Weinberge mit jeweils unterschiedlich bestockten Reben. Dieser Rebsortenmix ist für viele Winzer deshalb sehr wichtig, da so Einbußen in der Ernte bei einer Sorte durch Risikostreuung auf mehrere Sorten vermindert werden können. Also zum Beispiel, in Jahren, in denen der Merlot durch seinen frühen Austrieb Frostschäden erleidet, kann der Cabernet Sauvignon trotzdem noch sehr gut heranreifen und die Frostschäden des Merlot mindern. Andererseits, ein anderes Beispiel, kann die Gefahr, dass der Cabernet Sauvignon aufgrund des insgesamt doch etwas kühleren Wetters nicht voll zur Reife gelangt – was zu Ernteertragseinbußen führt, dadurch gemindert werden, dass man auf Cabernet Franc setzt und den Cabernet Sauvignon lediglich als Zusatzsorte verwendet. Also die Zusammensetzung der in den einzelnen Châteaux im Bordelais angebauten Rebsorten ist individuell, und immer auch von der individuellen Einschätzung von ganzjährigem Wetterverlauf im Verhältnis zu Kleinklima und Boden abhängig. Grundsätzlich sind bei uns im Bordelais nur die Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Malbec, Petit Verdot und Carmenère zugelassen. Petit Verdot und Carmenère werden allerdings kaum noch angebaut. Aus diesem Rebsortenmix resultiert letztlich aber auch ein weiterer, wichtiger Punkt: die Assemblage. Der Verschnitt der verschiedenen Rebsorten wird bei uns als Assemblage bezeichnet. Dabei steht eine Rebsorte im Vordergrund, eine oder mehrere andere werden als Zusatzsorten beigemischt. Unsere Rotweine im Château Imperiale basieren auf dem Cabernet Sauvignon, und sie gelten als fest im Kern und gerbstoffbetont. Wir bauen 85% der Fläche unseres Bodens mit Cabernet Sauvignon an. Bei mittlerem Körper und moderatem Alkoholgehalt sind unsere Weine wohl nie schwer und auch nahezu immer elegant. Unsere Roten besitzen aufgrund dieser Assemblage ein betörendes Bukett mit Johannisbeer- und Kräuteraromen."

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Was auf den ersten Blick vermeintlich wie eine unregulierte, von individuellen Usançen abhängige "Durchmischung" verschiedener Rebsorten zu einem Rotwein aussieht, ist in Wirklichkeit ein streng behördlich reglementiertes Verfahren. Madeleine erläutert zum Kontext der Assemblage noch Folgendes: "Neben der Beschränkung auf die von mir ja schon genannten Rebsorten gibt es für jede einzelne Appellation exakt festgelegte Höchstertragsgrenzen. Der einfachste im Bordelais hervorgebrachte Rotwein trägt die Bezeichnung Appellation Bordeaux. Beim Bordeaux Supérieur werden bei niedrigeren Erträgen höhere Anforderungen an das Traubengut gestellt. Von den Weinen im Bordelais liefern die aus den Anbaugebieten Haut-Médoc, Graves, St.-Emilion, Pomerol und Sauternes die Leistungsspitzen. Wir im Château Imperiale liegen in Pauillac, einem Ort in der Region Haut-Médoc, und gehören – nicht ohne Stolz – zu den Spitzenweingütern. Ein Großteil der Premiers Crus Classés des Haut-Médoc ist in Pauillac beheimatet. Unser Ort ist für viele die Weinbaugemeinde der Welt schlechthin. Wir haben hier 1.000 Hektar Rebfläche in und um den Ort. Der gute Ruf unserer Weine – also sowohl die vom Château Imperiale wie auch der von unseren beiden benachbarten Weingütern, dem Château de Villeneuve und dem Château Foufour et Fils, ist auch darin begründet, dass unsere Weine – ich habe es oben ja schon einmal gesagt – kernig, kraftvoll und sehr elegant sind. Unsere Weine sind extrem langlebig, und die besten Weine aus den guten Jahrgängen können bis zu 25 Jahre reifen, um ihr volles geschmackliches Potential zu entfalten." Thierry Marquis de Fleur schließt die Bemerkungen seiner Tochter mit einem Kommentar zur Rebsorte Cabernet Sauvignon ab: "Cabernet Sauvignon ist die wichtigste Rebsorte für Rotweine der Welt, da die Sorte unter nahezu allen Umständen ihre individuelle Sortencharakteristik beibehält. Sie ist unter allen Rotweinen am leichtesten zu identifizieren. Die Kombination von Cabernet Sauvignon, seiner Vergärung im Holzfass und dem Barriqueausbau ist vom Ergebnis des Weins her konkurrenzlos. Weine aus dem Cabernet Sauvignon sind zumeist gut strukturiert und straff. Im Weinberg ist die Sorte nicht problematischer als andere Sorten auch. Allerdings reift sie erst verhältnismäßig spät, so dass der Cabernet Sauvignon in kühleren Jahren regelmäßig Reifeprobleme bekommt. Ein Verwandter des Cabernet Sauvignon ist der Cabernet Franc. Diese Sorte treibt rund zwei Wochen früher aus, und auch die Traubenreife setzt ein bis zwei Wochen früher ein als beim Cabernet Sauvignon. Ampelographen gehen davon aus, dass der Cabernet Franc eine alte Mutation des Cabernet Sauvignon darstellt, die speziell an feuchtere Böden und kühleres Klima angepasst ist. Der Cabernet Franc wird auch als Bouchet bezeichnet und eigentlich hauptsächlich in Kalifornien sortenrein gekeltert. Wir im Bordelais nehmen ihn eigentlich nur als Zusatzsorte." Damit Madeleine in einigen Jahren die eigenverantwortliche Leitung des Château Imperiale übernehmen kann, ist der Marquis de Fleur bestrebt, ihren Kenntnisstand über ökonomische Gegenstandsbereiche aufzubessern. Madeleine hat zwar einen hervorragenden Abschluss als Diplom-Önologin, aber den Erwerb von betriebswirtschaftlichem Wissen hat sie bislang eher gescheut. François Térreur, der langjährige Kellermeister des Château Imperiale, ist ebenfalls kaum mit wirtschaftsbezogenen Fachkenntnissen befasst – allerdings gilt er als einer der besten Önologen Frankreichs.

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In dieser Situation beschließen der Marquis de Fleur und der Kellermeister, die grundlegenden Prozesse für die Hervorbringung von Rotwein zu skizzieren und niederzuschreiben. Der Kellermeister bespricht dabei mit Thierry Marquis de Fleur folgendes: "Grundsätzlich läuft die Kelterung von Rotwein nach anderen Prioritäten ab als die Kelterung von Weißwein. Wir im Château stellen nur Rotwein her, so dass im Weiteren auch nur der Prozess der Hervorbringung von Rotwein zu betrachten ist. Neben der Erzeugung eines geeigneten Aromas ist auch die Farbe des Rotweins als Ziel des Erzeugungsprozesses zu nennen. Die Farbstoffe sind ja auch nur in den Trauben-schalen zu finden, also müssen diese extrahiert werden. Darüber hinaus ist auch der Charakter des Weins vorab zu skizzieren, also ob man einen leichten oder schweren Wein möchte. Wir im Château Imperiale bringen dabei überwiegend Weine mit einem schweren Charakter hervor. Der Vollständigkeit halber erwähne ich die Aspekte für die leichten Weine gleich mit. Der Prozess, den ich hier beschreibe, beginnt mit der Lese der Trauben im Weinberg. Das machen wir immer im Herbst eines jeden Jahres. Möchte man einen leichten Rotwein kreieren, ist es wichtig, die Gerbstoffe zu begrenzen; dazu sind die gelesenen Trauben zunächst einmal zu entrappen, so dass nur die Beeren übrig bleiben. Möchte man jedoch einen schweren, lange lagerfähigen Rotwein, dann bleiben die Stiele nach der Lese am Traubengut dran. Die Beeren – für den leichten Rotwein – oder die kompletten Trauben – für den schweren Rotwein – werden dann jeweils getrennt gemahlen; das Ergebnis ist die Maische. Sie ist ein Brei aus Fruchfleisch, Beerenschalen und Kernen sowie unter Umständen – also wenn wir einen schweren Rotwein wollen – den Stielen. Die Trauben gelangen derart behandelt nach der Lese in die Gärfässer, die bei uns ausschließlich aus Barrique bestehen. In modernen Massenproduktionen werden dazu oftmals Edelstahltanks eingesetzt. Dort wird die Maische mit Hefe versetzt, der Gärprozess setzt ein. Sobald im Gärfass die Gärung einsetzt, steigen die Beerenschalen an die Oberfläche. Das dabei entstehende Gebilde nennt man Tresterhut. Der Tresterhut wird immer wieder untergetaucht, bei uns im Château nach einem ganz ausgeklügelten Verfahren und in einem bestimmten Rhythmus. Der sich bildende Alkohol sorgt dafür, dass die Farbstoffe aus den Beerenschalen gelöst werden. Der zentrale Prozess-Schritt bei der Umwandlung von Traubensaft in Wein ist die alkoholische Gärung. Die für den Prozess der alkoholischen Gärung verwendeten Barriques sind speziell für diesen Zweck hin behandelt, insbesondere was den Sauerstoffaspekt angeht. Ich will an dieser Stelle nicht die Geheimnisse unseres Château herausplaudern, aber die Umwandlung von Traubenzucker in Äthylalkohol und Kohlendioxid verläuft bei uns auf einem qualitativ ausnehmend hohen Niveau. Bei der Zugabe der Hefe wollen wir nämlich gewährleisten, dass die Hefen in einem sauerstofffreien, anaeroben Milieu arbeiten können; daraus entsteht letztlich der Alkohol. Wenn man einen leichten Rotwein haben möchte, wird die so genannte Maischegärung dabei nur ein paar Tage lang durchgeführt. Die Maische wird in diesem Fall abgepresst und gärt im Gärbehälter dann weiter. Will man jedoch einen gehaltvolleren, schweren Wein erhalten, gärt der Most bis zum Schluss auf der Maische und wird erst dann abgepresst. Der so entstandene Jungwein muss – egal ob leicht oder schwer im Charakter – anschließend jeweils im Barriquefass reifen. Hierfür wird er vom Gärfass in das Ausbaufass umgelegt. Wir

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im Château verwenden für Gärung und Ausbau zwei unterschiedliche Arten von Barriquefässern. Eine Besonderheit unserer Rotweine ist die zweite Gärung, auch malolaktische Gärung oder biologischer Säurebau genannt. Hierbei wird die im Wein enthaltene aggressive Apfelsäure von Bakterien in Milchsäure umgewandelt, die weitaus milder ist. Sobald der Ausbau des Rotweins in diesem Sinn beendet ist, wird er filtriert und mit Schwefel versetzt, um übergebliebene Hefe bzw. Essigbakterien abzutöten. Schließlich erfolgt die Abfüllung in Flaschen. Grundsätzlich ist hier noch anzumerken, dass die Frage danach, die lange ein Wein letztlich im Fass oder in der Flasche reift, eine Preisfrage ist. Da unsere Weine regelmäßig Spitzenpreise erzielen, können wir uns diesen aufwendigen Prozess in dieser Form in vollem Umfang leisten, wir lagern unsere guten Rotweine zwischen 4 und 15 Jahren. Welche Weine genau als Lagerweine ausgebaut werden, und welche für den baldigen Verzehr bestimmt sind, wird zwar unter anderem durch den Tanningehalt schon vorzeitig vorbestimmt, die letztliche Entscheidung darüber treffe ich aber immer im Keller." Der Marquis de Fleur weist in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Umstand hin, der die Interdependenz der Prozesse bei der Weinerzeugung noch betont: "Es ist wichtig zu wissen, dass der Geschmack und der Charakter eines Weins von vielen einzelnen Einflussfaktoren abhängt, im Großen gesehen vom Wetterverlauf über das gesamte Jahr hinweg, von der Rebsorte, von den Bedingungen auf dem Boden, auf dem die Rebe steht, von der Drainage des Bodens, den Sonnenscheinstunden und anderen Faktoren, im Kleinen gesehen von der Art der Vergärung und des Ausbaus des Rotweins wie von François ja geschildert. Keiner der Prozessschritte kann dabei einen anderen Prozessschritt ersetzen bzw. ein Fehlfunktionieren eines Prozessschritts durch eine Übererfüllung eines anderen Prozessschritts wieder gutgemacht werden. Wenn also bspw. der Boden feucht war, der Wein dadurch zu säurehaltig geworden ist, und das Süß-Sauer-Verhältnis nicht mehr stimmt, dann kann man diese Eigenschaft des Rebensafts nicht durch einen nachgelagerten Prozessschritt, also bspw. durch besondere intensive Wiedereinbringung des Tresterhuts oder durch besondere Variationen von Maische- und malolaktischer Gärung wieder ausgleichen. Wenn der Boden zu feucht gewesen ist, wird man diese Tatsache dem Wein später immer anmerken und es geschmacklich herausschmecken. Man wird es dem Wein aber auch immer anmerken, wenn im Prozess im Weinkeller Arbeitsschritte so oder so ablaufen. Also wenn an einem Prozessschritt etwas nicht richtig funktioniert, besteht keine Möglichkeit dieses zu einem späteren Zeitpunkt im Sinne einer Geschmackskorrektur abzuändern. Damit ist der Wein, so wie Sie ihn im Glas stehen haben, ein Produkt der Arbeit im Weinberg und im Weinkeller, sowie der unterschiedlichen Arbeitsschritte, die dort jeweils lücken- und reibungslos aufeinander abgestimmt ablaufen müssen. Und, ehrlich gesagt, letztlich sind es verschiedene Charakteristika der Sensorik, also Geschmack und Geruch, sowie der Optik die über die Qualität eines Weins und die Akzeptanz beim Kunden entscheiden. Lassen wir den Preis heraus aus diesen Überlegungen, unsere Kunden sind preisinsensitiv." Zusätzlich zum dargestellten Prozess der Weinerzeugung im Weinkeller, der einsetzt nachdem die Trauben im Herbst eines Jahres gelesen sind, stellt sich natürlich auch die Frage nach der "strategischen Ausrichtung" eines Weinguts im Hinblick auf die Bestel-

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lung der vorhandenen Flächen mit selektierten Rebsorten, der Aufbereitung des Bodens sowie der laufenden Pflege der heranwachsenden Reben an den Stöcken über das Jahr hinweg. François Térreur erläutert hierzu kurz: "Unser Arbeitsjahr beginnt im Januar mit dem Rebschnitt. Damit meine ich, dass wir im Januar mit einer Schere das im vergangenen Jahr gewachsene Rebholz zurück. In diesem Punkt spielen drei Faktoren eine ganz wichtige Rolle, und stehen in einem engen Wechselspiel zueinander: Die unterschiedlichen Pflanzendichten, die Erziehungssysteme und die Formen des Rebschnitts müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Wichtig in dieser Phase der Weinerzeugung ist folgender Punkt: Wir können mit der Art des Rebschnitts Einfluss darauf nehmen, wie ertragreich die einzelnen Rebstöcke in diesem Jahr werden. Lassen wir bspw. viele Fruchtansätze stehen, dann ist davon auszugehen, dass die Pflanze viele Fruchttriebe entwickelt und einen entsprechend hohen mengenmäßigen Ertrag liefert. Schneiden wir das einjährige Holz aber weiter zurück, können sich entsprechend weniger Fruchttriebe ausbilden und der mengenmäßige Ertrag der Rebe wird geringer. Dafür erhält die Rebe aber die Möglichkeit, ihre Kraft voll und ganz auf die wenigen Fruchttriebe zu konzentrieren und diese gezielt auszutreiben. Diese Arbeit reicht oft bis in den Februar hinein. Im März pflanzen wir gegebenenfalls an notwendigen Stellen neue Weinreben ein. Darüber hinaus renovieren wir die Weinberge. Umzäunungen und schützende Gitter halten Tiere von den heranwachsenden Rebstöcken fern, zudem müssen wir Wege, Treppen und Mauern wieder in Stand setzen für die kommende Saison. Im April beginnen wir im Château Imperiale mit den Arbeiten am Boden der Weinbaufläche. Wir lockern den Boden auf, und sofern wir das für notwendig achten, düngen wir ihn auch. Die jung austreibenden Reben befestigen wir mit kleinen Drähten an den Pfählen, um sie gleich in die richtige Form zum weiteren Wachstum zu bringen. Wir verwenden dazu die Technik von Flach- und Pendelbogen als Erziehungssystem für unsere Reben. Im Mai versuchen wir, die Gescheine zu pflegen, und vor Spätfrost zu schützen. Im Juni schließlich gipfeln wir unsere Reben das erste Mal, wobei wir stark wachsende Einzeltriebspitzen manuell zurückschneiden. Hierzu setzen wir – wie andernorts üblich – keine Maschinen ein. Im Juni und Juli können zudem umfangreiche Laubauslichtungsmaßnahmen erforderlich sein. Auf unseren Lagen haben wir damit jedoch eigentlich nicht so große Probleme. Im August schließlich stoppen wir das Wachstum der Reben vollständig durch Abschneiden aller Triebspitzen. Diese Phase ist für uns besonders kritisch, da von nun an unsere volle Konzentration der Gesundheit des Traubengutes gilt. In dieser Phase entscheide ich manuell vor Ort, ob wir aus unseren Reben weiteres Trauben-gut herausschneiden oder nicht. Das erscheint kontraintuitiv. Ich will Ihnen aber eine alte Bauernregel mit auf den Weg geben, die besagt, dass je niedriger die Menge der Trauben an einem Rebstock ist, desto höher ist ihre Güte. Und da wir qualitativ nur das Beste akzeptieren, kann es schon sein, dass wir im August noch Traubengut herausschneiden. Im September naht schließlich die Zeit der Lese der Trauben. Wir im Château Imperiale verteilen das auf die Monate September und Oktober. Kritisch in dieser Phase ist, dass mit der Weinbereitung unverzüglich begonnen werden muss, nachdem das Traubengut gelesen wurde. Etwas salopp formuliert, die Weinlese ist so etwas wie die Schnitt-

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stelle und das Scharnier zwischen Weinberg und Weinkeller. Da ich für den Weinkeller verantwortlich bin, übernehme ich deshalb die Verantwortung für die Arbeiten im Weinberg gleich mit. Ich achte auch darauf, dass die Weinlese von Hand vorgenommen wird. Lediglich in einigen wenigen Lagen unseres Château setzen wir mechanische Hilfsmittel ein. Ich kann der Technik von heute noch immer nicht so viel abgewinnen." Diese Aussage – wonach François Térreur der modernen Technik nicht so viel abgewinnen könne – geht einher mit einer grundsätzlichen Verhaltensantezedenz im Château Imperiale, wonach die international erfahrene Madeleine als progressiv gilt, die gerne bereit ist, neue Ideen einzubringen und neue Konzepte und neue Anbaumethoden auszuprobieren. Ihr Vater hingegen sowie der Kellermeister – neben einem Großteil der rund dreißigköpfigen Mannschaft – gelten als Traditionalisten, die von den früheren Erfolgen des Château Imperiale nahezu unreflektiert auf den zukünftigen Erfolg schließen – vollkommen ungeachtet der Konkurrenz aus Kalifornien, Chile und Australien. Besonders stolz ist der Kellermeister auf den weiteren "Lebenslauf" seiner Rotweine, also den Prozess der Flaschenweinreife: "Nun, unsere Jungweine werden nach der Gärung und dem Ausbau auf den Barriques auf Flaschen gezogen und in unseren Kellern weiter gelagert. Hier bringen wir in die Weine eine Reifeentwicklung hinein. Unsere durchschnittliche Kellerlagerung zur weiteren Ausreifung beträgt fünf Jahre. Bedingt durch die Herkunft unserer Weine, unsere Vinifikation und den Ausbau sowie durch die hervorragenden Lagerbedingungen hier in unseren Kellern führt die Flaschenreife nach vier bis 25 Jahren zur vollen Entfaltung des Geschmacks unserer BordeauxRotweine. Hierzu werden die jungen Rotweine, nachdem wir sie auf Flaschen gezogen haben, in unseren ersten Keller gebracht. Dieser liegt rund 30 Meter unter der Erde, und bietet Sommer wie Winter immer dieselben Temperaturbedingungen für die Lagerung. Auch die Luftfeuchtigkeit und weitere Parameter werden hier ständig optimal gehalten. Nach ein bis zwei Jahren lagern wir die Besten in ihren Flaschen noch einmal um in unseren zweiten Keller. Dort sind die temperatur- und luftfeuchtigkeitsbezogenen Bedingungen noch ein wenig optimaler, aber der Platz dort ist begrenzt. Deshalb kommen dort nur die allerbesten Gewächse hinein. Unsere besten Rotweine zerfallen auch nach mehreren Jahrzehnten der Flaschenreifung nicht. Das macht uns weltweit so leicht niemand nach." Um sich auf die Übernahme der Gesamtverantwortung für das Château vorzubereiten, reflektiert Madeleine auch darüber, welche Optimierungspotentiale der oben beschriebene Prozessablauf bietet. Da der logische Ablauf der Weinerzeugung auf dem Château nicht wesentlich verändert werden kann, da nach wie vor der traditionsbewusste Vater die Verantwortung inne hat, beschließt Madeleine, sich zumindest die ökonomischen Optimierungspotentiale einmal genauer anzuschauen. Dieser Vorschlag findet den Gefallen von Thierry Marquis de Fleur, da er wie eingangs erwähnt Madeleine’s Verständnis über die ökonomische Seite des Geschäfts stärken möchte. Gemeinsam arbeiten sich beide durch die kaufmännischen Unterlagen des Château und konsultieren dabei Chantal Valrose, die als Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin in Bordeaux arbeitet und regelmäßig die Jahresabschlüsse – sowie interne be-

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triebswirtschaftliche Berichte – für das Château Imperiale ausarbeitet. Chantal berichtet über die wirtschaftlichen Begleitumstände der Weinproduktion des Châteaus: "Unsere Weine stehen von zwei Seiten unter Druck. Robert P. Arker, der US-amerikanische Weinguru – der mit nahezu orakelartiger Finesse das Kaufverhalten unserer nordamerikanischen Kunden durch seine Empfehlungen lenken kann – hat einen Großteil der Grand Crus Classés nicht in seinem Empfehlungsportfolio. Und entsprechend können wir mit diesen hochwertigen und hochklassigen Weinen gar nicht erst auf den umsatzbezogen so wichtigen nordamerikanischen Markt gehen. Wie gesagt, dieses Problem betrifft nicht nur unsere hochwertigen Produkte, auch die Grand Crus Classés anderer Bordeaux-Châteaux sind davon massiv betroffen. Qualität zählt halt nicht mehr. Lange Lagerfähigkeit auch nicht. Von der zweiten Seite kommen wir immer mehr durch die Billigweine à la Beaujolais Primeur unter Marktdruck. Fassverkauf und Billigproduktion dieser Weine setzen uns quasi von unten her unter Druck weil die Masse der potentiellen Käufer unserer Weine sich vom Etikett Bordeaux-Wein in Ermangelung besonderer Sachkenntnis ganz einfach blenden lässt – dazu trägt nicht zuletzt das aggressive Vermarktungssystem der Primeurs bei. Hier geht Quantität vor Qualität. Bei allem." Auf Rückfrage von Madeleine erläutert Chantal Valrose weiterführend das Vermarktungssystem der "Primeurs": "Bei den Primeurs kaufen die Abnehmer den Jahrgang im Voraus ohne vorherige Probe – sie kaufen ihn quasi blind. Die Hersteller liefern erst einige Monate später den Jahrgang an die Abnehmer, was für diese aber den ökonomischen Vorteil hat, dass sie sofort über Cash verfügen. Der Abnehmer zahlt nämlich bei Vertragsabschluß. Die breite Einführung eines solchen Vermarktungssystems und das tiefere Eindringen in den Primeur-Markt könnte unsere Kundenbasis – und damit auch unsere finanzielle Situation – mehr und mehr angreifen und gar gefährden, Madeleine. Aber auch der Abnehmer profitiert von diesem System: Er realisiert aus seiner Sicht Einkaufspreise, die in etwa 20 bis 30 % unterhalb seiner Endverkaufspreise liegen. Das ist ein netter Deckungsbeitrag für ihn, nicht? Daraus erklärt sich der ökonomische Druck von unten, der durch die Billigweine ausgeübt wird. Also noch mal kurz zur Wiederholung, Madeleine: Wir stehen einerseits von oben unter Druck, weil wir die Grand Crus Classés nur noch sehr schwer auf den Exportmärkten absetzen können, und andererseits von unten, weil die Primeurs dafür sorgen, dass die Wertschätzung für unsere hoch stehenden Produkte bei den breiten Käuferschichten stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Was können wir tun? Was sollten wir tun? Nun, meine eigene Einschätzung ist, dass die Châteaux im Haut-Médoc zu lange ein Einzelkämpferdasein geführt haben. So etwas wie zum Beispiel Allianzenbildung und gemeinschaftliches Vorgehen kannten und kennen viele gar nicht. Jeder bastelt und vermarktet seine Weine nach eigenem Ermessen. Dabei ist die eigene Nase immer die Orientierungsrichtschnur. Aber viele haben halt kurze Nasen. Und jetzt merken sie, dass der Markt ihre hochqualitativen Weine nicht mehr von alleine abnimmt. Werbung ist hier ein Zauberwort, Madeleine. Wir im Château Imperiale können maximal rund eine Million US-Dollar für solche Maßnahmen investieren. Pro Jahr. Das hört sich viel an, aber ist es zur Finanzierung von Exportkampagnen ganz und gar nicht. Hier müssten wir eigentlich 122

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mit anderen Châteaux aus Haut-Médoc sinnvollerweise zusammenarbeiten und unsere – finanziellen – Ressourcen poolen. Doch nicht nur Finanzen könnten wir poolen. Auch die Bearbeitung der Weinberge, die gemeinsame Anschaffung von Technik und vieles mehr. Na ja, aber das funktioniert irgendwie nicht. Jedes der einzelnen Châteaux kocht wie schon gesagt sein eigenes Süppchen – und anstatt konsolidiert auf dem Exportmarkt in den USA aufzutreten, verzetteln wir uns in Einzelkämpfen – jeder kämpft für sich. Aber so verlieren wir einer nach dem anderen immer häufiger Marktanteile und ..." Thierry Marquis de Fleur fällt Chantal ins Wort: "... in die Niederungen der PrimeursPanscherei begeben wir uns aber keinesfalls herab. Für wahre Kenner und Weinexperten gibt es zu unseren edlen Tropfen keine Alternative. D'accord?!"

Aufgabenstellung 1. Skizzieren Sie die angesprochenen Prozesse der Erzeugung von Rotwein im Detail. Gehen Sie dabei insbesondere auf den beschriebenen Prozess im Weinberg (vor der Weinlese), auf den Prozess im Weinkeller (nach der Weinlese) sowie auf den Prozess der Flaschenreife ("Lebenslauf") ein. Stellen Sie die Ergebnisse Ihrer Analyse in einem Prozessablaufdiagramm dar, aus dem die Interdependenzen der einzelnen Teilschritte ersichtlich werden. Verknüpfen Sie drei Teilprozesse in einem einheitlichen, übergeordneten Prozessschema. 2. Welches sind aus produktionswirtschaftlicher Sicht die strategisch-taktischen, langfristigen Gestaltungsparameter im Weinbau und an welchen Stellen in den skizzierten Prozessen schlagen diese an? Welches sind demgegenüber die eher operativ, kurzfristig planbaren Gestaltungsparameter im Weinerzeugungsprozess und an welchen Stellen in den skizzierten Prozessen schlagen diese an? Welches Wechselspiel besteht zwischen den eher strategisch-taktischen Eingreifpunkten und den eher operativen Aufgabenfeldern? 3. Welche Auswirkungen hätte die Ausdehnung des Anbaus der Rebsorte Cabernet Franc auf den bisherigen Produktionsprozess des Château Imperiale? Wie würde sich dieses Ihrer Meinung nach auf die Absatzmarktsituation auswirken? Wie aufwendig wäre die Umbestückung des Großteils der Rebstöcke des Château Imperiale mit Cabernet Franc anstelle des Cabernet Sauvignon? In welchem Verhältnis sehen Sie in diesem Kontext grundsätzlich ökonomischen Aufwand und ökonomischen Ertrag? 4. Welches ökonomische Optimierungspotential bietet sich in Anlehnung an die von Madeleine angestrengte Analyse der ökonomischen Prozessperformanz unter Berücksichtigung der von Chantal Valrose skizzierten Situation? In welchem Zusammenhang sehen Sie hier Möglichkeiten, durch Kooperationen zwischen den

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einzelnen Châteaux zu einer Verbesserung der Situation zu kommen? Welche Arten der Kooperation bieten sich Ihrer Meinung nach besonders an?

Glossar Ampelographie Die Ampelographie ist die wissenschaftliche Lehre von den Rebsorten, ihren individuellen Unterscheidungsmerkmalen sowie ihrer Deskription und Klassifizierung. Appellation (d’Origine) Contrôlée Die kontrollierte Ursprungsbezeichnung Appellation (d’Origine) Contrôlée für französische Qualitätsweine wird vom Pariser Institut National des Appellations d’Origine des Vins et Eaux-de-Vie (INAO) festgelegt. Heute gibt es in Frankreich rund 400 Weine dieser Klassifizierung. Weine der Appellation Contrôlée nehmen rund 45 % der in Frankreich bebauten Rebflächen in Anspruch, liefern – aufgrund von mit dem Status und einem Qualitätsdenken verbundenen Ertragsbegrenzungen – nur rund 35 % der französischen Weinerzeugung. Das Bordelais mit 100.000 Hektar Fläche gilt als größte Appellation Contrôlée, die 3 Hektar große Appellation Contrôlée Château-Grillet an der Rhône als die kleinste. Assemblage Der Verschnitt verschiedener Weinsorten zum gewünschten Endprodukt wird als Assemblage bezeichnet. Weine aus unterschiedlichen Rebsorten können untereinander vermischt werden, aber auch unterschiedliche Partien von Weinen aus einer einzigen Rebsorte. Während die Assemblage überwiegend in der Schaumweinherstellung durchgeführt wird, findet sie unter anderem auch bei den Weinen aus dem Bordelais ihre Anwendung. Die Assemblage gilt als hochwertige Form des Verschnitts. Alle Grundweine stammen aus demselben Keller und wurden von Anfang an konsequent für den Zweck ihrer späteren Vermischung geschaffen. Ausbau Als Sammelbezeichnung für eine Reihe an Weinkellerarbeiten, die aus einem frisch vergorenen Jungwein einen marktfertigen Wein machen, gilt der Ausbau des Weins. Klärung und Filterung, Azidifikation, Schönung, Schwefelung, Verschneiden und andere Tätigkeiten fallen in diese Rubrik. Dieser Prozessschritt bezeichnet die Phase zwischen der Gärung eines Weins und seiner Abfüllung in Flaschen. Der Ausbau nimmt erheblichen Einfluss auf die spätere Entwicklung eines Weines. Grundsätzlich kann er in Edelstahltanks oder in Barrique-Fässern erfolgen. Barrique Das Barrique stammt ursprünglich aus Bordeaux. Es ist genormt und hat ein Fassungsvermögen von 225 Litern. Barriques können grundsätzlich aus verschiedenen Holzsorten hergestellt werden, jedoch hat sich heutzutage vor allem das Holz der

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Amerikanischen Weißeiche durchgesetzt. Beim so genannten Barrique-Ausbau nimmt der Wein Gerbstoffe aus dem Eichenholz auf, was den Geschmack des Weins günstig beeinflussen soll. In den Anfangsjahren ist das Barrique sauerstoffdurchlässig, wodurch sich die Tannine verfeinern und die Farbe des Weins sich intensiviert. Cabernet Sauvignon Eine der wichtigsten roten Rebsorten der Welt ist der Cabernet Sauvignon. In Frankreich werden rund 40.000 Hektar und in Kalifornien rund 25.000 Hektar mit dieser Rebsorte bestockt. Cru Besitzt ein (französischer) Wein das Gütesiegel "Cru", dann benötigt er keine aufwendige Verarbeitung oder einen raffinierten Verschnitt, um markante Qualität hervorzubringen. Die wesentlichen Charaktereigenschaften werden durch den i.e.S. durch den Weinberg und i.w.S. durch das Terroir geprägt. Ertrag Als Ertrag bezeichnet man die Menge der von einer landwirtschaftlichen Nutzpflanze in einem Jahr hervorgebrachten Frucht. Es ist üblich, den Ertrag eines Weinbergs in Tonnen/Hektar oder in Hektoliter/Hektar anzugeben. Erziehung Damit eine Weinrebe nicht die Form einer wild wuchernden Schlingpflanze annimmt, werden im Rahmen ihrer Erziehung verschiedene Verfahren angewendet, um den Wuchs der Rebe gezielt steuern zu können. Das Erziehungssystem ist wichtig für den späteren Ertrag, da es gleichzeitig ein Stützsystem für die Rebe und ihr Laub anlegt, an dem sich die Pflanze so ausbreitet, dass sie einerseits leicht im Weinberg bearbeitet werden kann, und andererseits die Trauben optimal zur Sonne ausgerichtet sind. Gärung Der chemische Prozess der Gärung beschreibt die Umwandlung von Traubenzucker in Äthylalkohol, Kohlensäure, Glycerin, Bernsteinsäure, flüchtige Säuren und Acetaldehyd. Diese Umwandlung wird hervorgerufen durch die von Hefezellen erzeugten Enzyme/Stoffwechselprodukte. Beim Gärprozess wird Energie in Form von Wärme freigesetzt. Das Temperatur-Optimum für die Gärung von Rotweinen liegt üblicherweise bei 28 bis 32 Grad Celsius. Wird die Gärung unkontrolliert vorgenommen, können hingegen Temperaturen bis rund 40 Grad Celsius entstehen. Hieraus resultiert im Weinerzeugungsprozess die Notwendigkeit zur Gärführung, bei der nicht nur die Temperatur, sondern auch die Gärungsgeschwindigkeit kontrolliert wird. Grand Cru / Grand Cru Classés Die Bezeichnung eines Weins als Grand Cru bzw. (insbesondere im Bordelais) Grand Cru Classés gilt als höchste Stufe der Klassifikation.

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Klassifizierung von 1855 Napoleon III befahl im Jahr 1855 seinem Landwirtschaftsminister anlässlich der Pariser Weltausstellung, die besten Weine – unter anderem aus dem Haut-Médoc – in eine offizielle Rangliste – die Klassifizierung von 1855 – zu bringen. Grundlage für diese Rangreihung waren jedoch nicht qualitativ-organoleptisch bewertbare Eigenschaften der Weine, sondern die Marktpreise, welche die einzelnen zu bewertenden Weine in den Jahren vor 1855 erzielen konnten. Im Grunde ist die Klassifizierungsliste von 1855 damit eine Rangreihung der 63 teuersten Weine des Haut-Médoc sowie von Sauternes und Barsac. Die Klassifizierung differenziert in Premiers Crus Classés, Deuxièmes Crus Classés, Troisièmes Crus Classés, Quatrièmes Crus Classés sowie Cinquièmes Crus Classés. Lebenslauf Mit dem Lebenslauf eines Weins wird auf die Tatsache rekurriert, dass ein Wein ein lebendiges Erzeugnis ist, welches im Zeitablauf verschiedene Phasen durchläuft. Nach dem Abklingen des Gärprozesses ist ein Jungwein entstanden, der noch instabil ist und – im Fall von Rotwein – zumeist im Barrique ausgebaut wird. Danach wird er auf Flaschen gezogen. Diese Phase kann zwischen einigen Monaten und einigen Jahren in Anspruch nehmen. In der Flasche entwickelt sich der Wein jedoch noch weiter und strebt seinem geschmacklichen Höhepunkt entgegen. Insbesondere verändern sich im Lauf der Zeit Farbe, Bukett und Geschmack des Weins, da der Wein oxidiert und allmählich firn wird. Am Ende seines Lebenslaufes zersetzen sich alle charakterbestimmenden Inhaltsstoffe. Maische Die Traubenmasse vor ihrer Kelterung – aber nach dem Maischen oder Mahlen – wird als Maische bezeichnet. In ihr befinden sich die zerriebenen Trauben und gegebenenfalls auch die Kämme. Diese können mitunter ein für den geschmacklichen Ausbau des Weins bedeutendes Problem darstellen, wenn sie aufgrund ihres hohen Gerbstoffgehalts Geschmack und Färbung eines Weins verfälschen. Diesen Prozess kann der Kellermeister durch die Länge der Standzeit beeinflussen. Malolaktische Gärung Durch den Fermentierungsprozess der malolaktischen Gärung wird die aggressivere Apfelsäure in die mildere Milchsäure umgewandelt. Sie setzt häufig im Frühjahr ein, wenn sich die Keller erwärmen. Dieser Prozessschritt verlangt besondere Beobachtung, weil während des Fermentierungsprozesses dieser Art ein Geruch entstehen kann, der stark an den von Sauerkraut erinnert. Pauillac Der Ort Pauillac gilt als weltberühmter Weinbauort im Haut-Médoc. Mehr als die Hälfte aller Premiers Crus Classés kommen aus diesem Ort. In und um den Ort wachsen auf rund 1.000 Hektar vor allem rote Reben der Sorte Cabernet Sauvignon. Die Kiesböden werden hier bis zu 3 Meter dick und garantieren beste Drainage und Tem-

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peraturausgleich. Weine aus Pauillac können oftmals 15 bis 25 Jahre lagern, um ihren vollen Geschmack zu entfalten. Terroir Die Kombination der Einflüsse von den Weinbergböden, der Topographie und den kleinklimatischen Verhältnissen sowie die lokal gebräuchlichen Formen der Weinbergspflege bestimmen von Anfang an die Qualität eines Weines. Das Terroir, also das genaue Wechselspiel dieser Einflussfaktoren und ihre letztliche Auswirkung auf die Weinqualität, ist dabei in der Fachwelt des Weins nicht endgültig und nicht einheitlich interpretiert.

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Plantagenproduktion in den Erzeugerländern Die reife, rote Frucht von Sträuchern der Pflanzenfamilie Coffea enthält typischerweise zwei Samen: die Kaffeebohnen. Nach der botanischen Systematik gehört die Gattung Coffea zu den Rötegewächsen (Rubiazeen). In diese Gattung sind zahlreiche mehrjährige Sträucher und Bäume subsumiert, wobei für die Produktion von Kaffee nur vier Kaffeevarietäten in Frage kommen: Coffea Arabica, Coffea Canephora (auch Robusta genannt), Coffea Liberica und Coffea Excelsa. Alle Coffea-Arten haben ihren Ursprung in Afrika (Coffea Arabica im äthiopischen Hochland um Addis Abeba und Coffea Canephora in der Nähe des Victoriasees in Uganda); volkswirtschaftliche Relevanz weisen lediglich die Sorten Arabica und Robusta auf, die zusammen mehr als 98 % der Weltkaffeeproduktion ausmachen (Arabica rund 60 % und Robusta rund 38 %). Coffea Arabica wächst baumartig wild bis zu 4 m hoch. Durch ständigen Rückschnitt wird die Pflanze in den Kaffeeplantagen aber in Strauchform gehalten, was u.a. auf Erntearbeitseffektivitätserfordernisse und Ertragsvorteile zurückzuführen ist. Die Pflanze reicht voll ausgewachsen bis zu 2,5 m in den Boden, wobei sich zahlreiche Nährwurzeln nahe der Oberfläche ausbilden. Bereits die Blütephase der Kaffeepflanze hat für die Preisbildung von Kaffee erhebliche Bedeutung: vom Blüten- und Fruchtansatz lassen sich erste Einschätzungen über den zukünftigen Ernteertrag ableiten; diese Approximation wiederum spielt gerade in den großen Erzeugerländern eine tragende Rolle für die Markteinschätzung und damit auch für die Preisbildung auf diesen Märkten. Coffea Arabica ist nicht auf Fremdbestäubung angewiesen, alle anderen Coffea-Arten schon. Nach der Befruchtung bilden sich in einem Zeitraum von sieben bis neun Monaten die elliptischen, zwei Samenkerne enthaltenden, Steinfrüchte der Coffeapflanze aus, die kirschenähnlichen Charakter aufweist. Aufgrund der langen Blütezeit erstreckt sich die Ernte über ein Zeitfenster von mehreren Monaten pro Jahr in einigen Fällen kann eine Pflanze gleichzeitig Blüten und Früchte tragen. Der erste systematisch vorangetriebene Anbau von Coffea Arabica wurde im 15. Jahrhundert im Südjemen etabliert. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde die Monopolstellung der Araber im Arabica-Anbau gebrochen und die Nutzung der Kaffeepflanze verbreitete sich sukzessive nach Asien und Südamerika. Heutzutage wird Coffea-Arabica nahezu überall in Amerika, Afrika, Asien und Ozeanien angebaut, dessen Anbaugebiete zwischen dem 23. Grad nördlicher und 25. Grad südlicher Breite liegen. Vor allem Brasi*

Unter Mitarbeit von Nadine Bischof

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lien (75 % Arabica, 25 % Robusta), Kolumbien (100 % Arabica) und Vietnam (95 % Robusta, 5 % Arabica) gelten als Haupterzeugerländer. Coffea Canephora ist noch kälteempflindlicher als die ohnehin schon kältesensible Arabica-Sorte, so dass Robusta nur zwischen dem 10. Grad nördlicher und dem 10. Grad südlicher Breite kultiviert wird. Vor allem in Vietnam und Indonesien (hier insbesondere Java; 90 % Robusta, 10 % Arabica) werden dabei relativ große Mengen Robusta hervorgebracht. Arabica gedeiht am Besten auf Plantagen in 600 bis 1.200 m Höhe über dem Meeresspiegel; Robusta hingegen erzielt optimale Ergebnisse in Höhenlagen von 300 bis 800 m über dem Meeresspiegel. Besonders wertvoll sind aber Hochlandkaffees (ausschließlich Arabicas), die auf Höhen von mehr als 1.500 m wachsen. Die weltweiten Anbauflächen für Arabica und Robusta sind auf rund 80 Länder verteilt, wovon allerdings nur 50 Länder Kaffee in wirtschaftlich zweckmäßigen Größenordnungen hervorbringen. Insgesamt werden rund 11 Millionen Hektar bearbeitet, und auf dieser Fläche stehen rund 15 Milliarden Kaffeepflanzen (Arabica 10,5 Milliarden, Robusta 4,5 Milliarden). Die bedeutendsten Anbauflächen der Welt liegen mit 4 Millionen Hektar in Südamerika. In Nord- und Mittelamerika sowie in Afrika wird auf jeweils 2 Millionen Hektar Kaffee produziert; in Asien und Ozeanien auf 3 Millionen Hektar. In den letzten zehn Jahren wurden pro Jahr jeweils zwischen 100 und 115 Millionen Sack zu je 60 kg Kaffee hervorgebracht. Rund ein Viertel der Kaffeeproduktion der Erzeugerländer wird als Eigenverbrauch in diesen Ländern vermarktet, rund drei Viertel der Weltkaffeeproduktion gehen in den Export. Allerdings werden in den Erzeugerländern nicht immer die guten bzw. hohen Qualitäten vermarktet; diese gehen wegen der auf dem Weltmarktparkett erzielbaren höheren Preisspannen überwiegend in den Export.

Anbauvoraussetzungen Arabica und Robusta unterscheiden sich jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer geographischen Dispersion und ihrer Blüten- und Fruchtentwicklung, sondern bspw. auch im Hinblick auf ihre jeweiligen Ansprüche an die Beschaffenheit und die Eigenschaften des Bodens. Die geographischen Bedingungen, die Temperatur, die Anzahl der Sonnenscheinstunden, die Niederschlagsmenge, die Bodenzusammensetzung sowie die Windverhältnisse beeinflussen in subtil aufeinander wirkender Weise die Qualität und Ertragslage für die beiden großen Coffea-Sorten. Arabica gedeiht am Besten bei Durchschnittstemperaturen zwischen 18 und 25 Grad Celsius (Temperaturminimum bei 13 Grad, Temparaturmaximum bei 30 Grad), wohingegen Robusta durchschnittlich höhere Temperaturen verträgt. Beide Coffea-Sorten sind in hohem Maß kälte- und frostempfindlich: schon bei Temperaturen von etwas über dem Gefrierpunkt von Wasser können irreparable Schäden an den Kaffeepflanzen auftreten, was nicht nur die laufende, sondern auch zukünftige Ernteerträge beeinträchtigt. Wenngleich die Coffea-Sorten warme Temperaturen bevorzugen, werden zu viel Sonneneinstrahlung und

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zu große Hitze kaum von ihnen toleriert. Deswegen werden auf großen Kaffeeplantagen in der Regel Schattenbäume gepflanzt, in deren Schatten die Coffeapflanzen unter optimalen Bedingungen heranwachsen können. Für das Wachstum der Kaffeepflanze sind darüber hinaus die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge, deren zeitliche Dispersion sowie der Grad an Luftfeuchtigkeit von hohem Stellenwert. Jede Kaffeepflanze fordert einen Wasserbedarf von 250 bis 300 mm Niederschlag pro Quadratmeter pro Jahr ein. Dieser Bedarf schöpft sich optimalerweise aus einer Jahresniederschlagsmenge von 1.500 bis 2.000 mm. Die künstliche Bewässerung von Kaffeeplantagen ist bereits ab einem Niederschlagsdurchschnitt von weniger als 1.000 mm pro Jahr erforderlich. Während Arabica eine gemäßigte Niederschlagsmenge und eine gemäßigte Verteilung der Wasserzufuhr bevorzugt, gedeiht Robusta auch in regenreicheren Regionen. Der Mindestjahresniederschlag liegt für die Robusta bei 2.000 mm pro Quadratmeter. Der Boden sollte tief, locker, gut belüftet, durchlässig und mit einem neutralen bis leicht sauren ph-Wert ausgestattet sein. Die obere Bodenschicht sollte dabei einen relativ hohen Humusgehalt aufweisen; dieses aus Gründen des Nährstoffangebots, der Feuchtigkeitsbewahrung und zur Verhinderung von Bodenabschwemmung bei tropischen Regengüssen. Damit eine Kaffeepflanze auf diesem Grund einen optimalen Ertrag hervorbringt, sind nach der Anpflanzung der kleinen Kaffeebäumchen drei bis fünf Jahre erforderlich; dafür produzieren sie in den folgenden 10 bis 20 Jahren maximale Ernteerträge. Dazu muss der Boden um die Pflanzen herum regelmäßig sorgsam gejätet werden. Darüber hinaus ist auf einen geeigneten Pflanzenschutz zu achten, da die Coffea-Arabica und Robusta im (sub-)tropischen Klima vermehrt Schädlingen und Krankheiten (bspw. Kaffeerost, einer Mikropilzart) ausgesetzt sind. Aus produktionswirtschaftlicher Sicht sind hier biologische, chemische und anbautechnische Maßnahmen zum Schutz der Pflanzen angezeigt.

Flächenbedarf Nur knapp 0,8 % der weltweit kultivierten Flächen von 1.500 Millionen Hektar werden für den Kaffeeanbau verwendet. Damit steht der relativ niedrige Flächenbedarf für die Coffea-Pflanze in einem verhältnismäßig starken Gegensatz zur hohen (sozio-) ökonomischen Bedeutung, da die Kaffeeanpflanzung (insbesondere auf Plantagen) für die Erzeugerländer wichtige Exportgüter generieren, deren Herstellung hohe Beschäftigungseffekte induziert. Neben Kaffee zählen insbesondere Tee, Kakao, Bananen, Kautschuk, Palmöl, Kokosöl, Kopra, Zucker und Jute zu den Plantagenkulturpflanzen. Innerhalb dieser Gruppe ist die Anpflanzung von Kaffee nach Tee in Bezug auf den erforderlichen Arbeitseinsatz pro Quadratmeter am arbeitsintensivsten. Gleichwohl stehen gestiegener Ertrag an Kaffeebohnen, Flächenproduktivität und Flächenausdehnung in einem nicht notwendigerweise linearen Zusammenhang, da die Produktion in

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den neu ausgewiesenen Plantagenkulturgebieten oftmals stark mechanisiert wird, weshalb dort menschliche Arbeit von Maschinen übernommen wird. Während zum Beispiel zwischen 1970 und 1980 der Kaffeeertrag um mehr als ein Drittel gesteigert wurde, stieg die Flächenproduktivität in diesem Zeitfenster nur um ein Fünftel, die Flächenausdehnung hingegen nur um ein Siebtel. Mit Blick auf den Ernteertrag liegt der Weltdurchschnitt bei etwas weniger als 700 kg pro Hektar, wobei große Spannweiten länder- und plantagenübergreifend existieren: während in Angola bspw. nur etwas mehr als 30 kg pro Hektar geerntet werden, sind im brasilianischen Bahia Plantagen angelegt worden, auf denen mehr als 4.000 kg je Hektar Ertrag realisiert werden. Der Landesdurchschnitt in Brasilien liegt bei rund 1.000 kg je Hektar, in Kolumbien bei rund 800 kg je Hektar, in Vietnam bei etwa 1.500 kg je Hektar (bezogen auf das Jahr 2003). Um dabei einen Sack Rohkaffee der Sorte Arabica mit 60 kg zu füllen, müssen rund 100 gut tragende Coffea Arabica-Sträuche geerntet werden, da jeder strauchförmig zurückgeschnittene Baum nicht mehr als ein bis zwei Pfund Rohkaffee pro Jahr hervorbringt.

Ökonomische Implikation des Preis-Ertrag-Zusammenhangs Die Produktion auf den Plantagen wird durch verbesserte Düngemethoden, den Anbau ertragreicherer Sorten, höheren Arbeitseinsatz pro Flächeneinheit, höheren Pflegeund Pflanzenschutzaufwand tendenziell stetig gesteigert. Während so der mengenmäßige Ertrag sukzessive ausgebaut werden kann, verfällt dadurch der Weltmarktpreis für Kaffee: bei zunehmendem Angebot geht der Preis auf den Weltmärkten zurück. Durch den sinkenden Preis können viele Kaffeebauern aber letztlich die aufwendiger gewordene Produktion nicht mehr hinreichend finanzieren, was seinerseits unter Umständen zur Einstellung der Produktion in den Erzeugerländern führen kann. Durch diesen Prozess werden in den Erzeugerländern einerseits Konzentrationstendenzen in der Anbieterstruktur offensichtlich, die sich in kooperativen Genossenschaftsstrukturen manifestieren. Mit anderen Worten, die Zeiten großer Einzelplantagen, die direkt an internationale Händler verkaufen, sind mehr oder weniger vorbei. Demgegenüber entstehen immer mehr kleinbäuerliche Betriebe, die in einer immer arbeitsteiliger werdenden Wirtschaftsstruktur in komplizierte, vielschichtige Produktions- und Vermarktungssysteme über Genossenschaften oder Kooperativen eingebunden sind, in denen dann den Pflanzern wertschöpfungsseitig nachgelagert Verarbeiter, Händler und Exporteure längere Vermarktungswege etablieren. Die Kultivierung von Kaffee ist sehr arbeitsintensiv, weshalb in den Erzeugerländern zwischen 20 und 25 Millionen Menschen ihren Lebensunterhalt mit dem Kaffeeanbau verdienen; weltweit sind es rund 100 Millionen Menschen. Mit dem Export von Kaffee erwirtschaften die Exportländer wichtige Devisenerlöse, die sie für den Import von Investitions- und Konsumgütern benötigen oder für den Schuldendienst aufbrauchen.

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Aus Sicht eines Kaffeeerzeugers werden in Einzelfällen bis zu 20 Jahre benötigt, ehe sich die Anfangsinvestitionen zur Kaffeeanpflanzung amortisiert haben. Die Höhe der anfänglichen Investitionskosten werden hierbei vor allem von der angebauten Kaffeesorte (Arabica oder Robusta), der Art der Anpflanzung (Großplantage mit entsprechenden Economies of Scale oder kleinbäuerlicher Betrieb), der grundsätzlichen Bodenbeschaffenheit sowie den Ernte- und Bearbeitungsmethoden (nasse oder trockene Aufbereitung) bestimmt. Für Baumbeschnitt, Düngung, Pflanzenschutz, Jätarbeiten, Bewässerung, Ernte und Verarbeitung fallen darüber hinaus jährliche, laufende Produktionskosten an. Diese sind beim Coffea Arabica deutlich höher als beim Robusta, da dieser regelmäßig mit dem aufwendigeren Verfahren der Nassaufbereitung exportfertig gemacht wird. Mit Blick auf die Kostenstruktur zum Kaffeeanbau ist eine einheitliche Aussage zu den durchschnittlich anfallenden Kosten nur schwer formulierbar. Von Land zu Land, von Region zu Region innerhalb eines Landes, von Plantage zu Plantage innerhalb einer Region bestehen mitunter große Unterschiede. Vor allem die Farmgröße, der Mechanisierungsgrad sowie die Pflanztechnologie, die Art der Kultivierung (Schattenpflanzung oder Monokultur), das eingebrachte Material und die erforderliche Arbeit, die Arbeits- und Finanzierungskosten sowie ein allfälliger Verschuldungsgrad sind maßgeblich dafür, dass die Kostenstrukturen von Farm zu Farm praktisch stark heterogen ausgeprägt sind. Cum grano salis lässt sich jedoch ableiten, dass die Kaffeeerzeuger in Ländern mit niedrigen Lohnkosten und höherem Mechanisierungsgrad im Anbau Kostenvorteile realisieren können. Benachteiligt sind hingegen diejenigen Kaffeepflanzer, die keine hinreichenden staatlichen Finanz(bei-)hilfen erhalten, nur mit hohem Fremdkapitaleinsatz produzieren können und durch ungünstige Wechselkurse teure Importzahlungen für ihre aus dem Ausland beschafften Düngemittel finanzieren müssen. Insgesamt gilt, dass der Rohkaffeehandel ein nur wage kalkulierbares Geschäft darstellt, da bspw. nicht vorhersehbare Frosteinbrüche in einem Jahr komplette Ernteerträge zunichte machen können. Auch werden in den Erzeugerländern teilweise Ernteerträge absichtlich vernichtet, um in Zeiten von Überproduktion die Marktpreise nicht sukzessive erodieren zu lassen. Die Internationale Kaffee-Organisation (ICO) mit Sitz in London ist ursprünglich damit beauftragt gewesen, die zum Ausgleich von Produktions- und Preisschwankungen abgeschlossenen Kaffeeabkommen zu verwalten. Partner der Abkommen sind Anbau- und Verbraucherländer, welche das Ziel verfolgen, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage zu stabilisieren. Das Herzstück dieser Abkommen waren entsprechend regulierbare Exportquoten.

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Prozess der Plantagenproduktion von Kaffee Am Beginn der Kaffeeproduktion steht in einer übergeordneten Betrachtung zunächst die Anpflanzung von Coffea-Bäumen. Nach in etwa drei bis vier Jahren bringen diese die ersten Erträge, wobei die maximalen Erträge erst nach etwa acht Jahren realisiert werden. Nach 20 Jahren gehen die Ernteerträge der angepflanzten Coffea-Bäumchen zurück; sie werden durch neue ersetzt. Bei Bäumen, die ihr volles Ausreifungspotential erreicht haben, benötigt die Frucht mehrere Monate (Arabica sechs bis acht Monate; Robusta neun bis elf Monate), bis nach der Befruchtung eine erntereife Frucht gewachsen ist. Die reifen Früchte werden in der Regel einmal pro Jahr abgeerntet (nur in ausgewählten Tropenregionen kann es eine Haupt- und eine Nebenernte geben), wobei die Erntezeit sich über eine Periode von 10 bis 12 Wochen erstreckt (Hauptanteil des Ernteanfalls innerhalb eines Zeitfensters von sechs bis acht Wochen). Da in der Regel große Mengen der Kaffeepflanzungen auf einer Plantage zur selben Zeit erntereif werden, bedeutet die Ernte einen hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand, da ggf. zusätzliche Erntearbeiter befristet eingestellt werden müssen. In den Gebieten nördlich des Äquators wird in der Regel im Zeitraum zwischen September und Dezember geerntet, südlich des Äquators demgegenüber im Zeitraum zwischen Mai und August. Nur in Gebieten, die sich unmittelbar um den Äquator gruppieren, kann praktisch das ganze Jahr hinüber auf unterschiedlichen Plantagen mit eigenen Erntereifezyklen geerntet werden. Die Zeit der optimalen Ernte unterscheidet sich bei Arabica und Robusta. Damit hohe Qualitätsansprüche in den Abnehmerländern erfüllt werden, erfolgt die Ernte der reifen Kaffeekirschen per Hand. Das selektive Pflücken, bei dem nur die besten, reifen Kirschen geerntet werden, wird in dem Erntezeitfenster in etwa einmal pro Woche solange wiederholt, bis alle Kaffeekirschen abgeerntet sind. Neben der Ernte per Hand, die vor allem bei der Coffea Arabica Anwendung findet, wird, insbesondere bei der Coffea Canephora, auch die Strip-Pflückung vorgenommen: hier werden alle Kaffeekirschen in einem Arbeitsvorgang von den Zweigen abgestreift, unabhängig vom konkreten Reifegrad der Früchte. Die derart abgetragenen Früchte werden dann auf große Tücher gebreitet und luftgetrocknet. Die unausgelesene Durchmischung des Ernteertrags mit unreifen, reifen und überreifen Kaffeekirschen bei der Strip-Pflückung wirkt sich unkorrigiert negativ auf die Qualität des Endprodukts aus; dieser Faktor kann jedoch durch nachträgliche Sortierung auf der Plantage ausgeglichen werden. Nach der Ernte müssen die Kaffeekirschen vor ihrer Weiterverarbeitung von losem Schmutz, Blättern und Zweigteilen gesäubert werden. Dabei ist zu beachten, dass die frisch geernteten Kaffeekirschen nur äußerst kurze Zeit lagerfähig sind und so schnell wie möglich weiterverarbeitet werden müssen. Die Samen bzw. die eigentlichen Kaffeebohnen machen dabei weniger als 40 % des Volumengewichts einer Kaffeekirsche aus: rund 40 % sind Pulpe und knapp 20 % Fruchtschleim und Pergamenthaut.

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Der sich anschließende Prozessschritt erstreckt sich auf das Entfernen der kompletten Umhüllung der Kaffeekirschen. Bei diesem Aufbereitungsverfahren werden Fruchthaut, -fleisch und -schleim, Pergamenthaut, Silberhäutchen sowie ein großer Teil des Wassers in den Samen entfernt, so dass am Ende des Aufbereitungsprozesses die saubere, trockene Kaffeebohne übrig bleibt. Der Aufbereitungsprozess kann dabei in trockener, nasser oder halbtrockener Form durchgeführt werden. Bei der trockenen Aufbereitung werden die Kaffeekirschen von der Sonne so lange getrocknet, bis die in ihnen enthaltenen Samen bzw. Kaffeebohnen rückstandsfrei herausschälbar sind. Diese Methode ist die ältere Form der Kaffeeaufbereitung. Vor allem der Robusta-Kaffee wird auf diese Art getrocknet und aufbereitet. In Brasilien wird der Arabica aufgrund der trockenen, hohen Temperaturen aber auch trocken aufbereitet. Zum Trocknen werden die Kaffeekirschen ausgebreitet, wobei die ausgebreitete Schicht nicht zu dick sein darf, denn ansonsten faulen die Kirschen durch Übereinanderlagerung. Die Früchte müssen ständig gewendet werden und vor Regen und Temperaturschwankungen geschützt werden. Nach drei bis fünf Wochen sind die geernteten Kaffeekirschen getrocknet; sie weisen eine Restfeuchtigkeit von etwas mehr als 10 % auf (eine reife, frische Kaffeekirsche besteht bis zu 60 % aus Wasser). Der Prozess der Trocknung könnte auch maschinell unterstützt werden (maschinelle Schnelltrocknung), doch ist dieser Arbeitsvorgang sehr kapitalaufwendig und arbeitsmaschinenintensiv. Bei der nassen Aufbereitung, die hauptsächlich für Coffea Arabica angewendet wird, benötigt man in etwa 150 Liter Quellwasser zur Aufbereitung von einem Kilo marktfertigen Rohkaffee. Die frischen Kaffeekirschen werden in Wassersilos oder Schwemmkanälen vorsortiert und durch den Trommelentpulper geschickt; dieses sollte optimalerweise spätestens 12 Stunden nach der Ernte erfolgen. Mit einem Entpulper wird das Fruchtfleisch dergestalt von den Samen abgequetscht, dass diese unbeschädigt in ihrer noch von einer Fruchtschleimschicht umgebenen Pergamenthaut verbleiben. Nach der Entpulpung gelangen die Fruchtkerne im Schwemmkanal durch weitere Siebung in spezielle Fermentationsbehälter. Hier wird der an der Pergamenthaut haftende Fruchtschleim in einem Gärungsprozess (Fermentationsvorgang) gelöst und abwaschbar gemacht. Dieser Vorgang benötigt zwischen 12 und 36 Stunden. Insbesondere an diesem Prozessschritt ist auf absolute Sauberkeit von Anlagen und Aggregaten zu achten, denn durch überfermentierte Bohnen können ganze Kaffeepartien unbrauchbar gemacht werden. Nach der Fermentation wird der Kaffee gewaschen, um alle Reste von der Pergamenthaut zu entfernen. Danach wird der Kaffee bis auf rund 12 % Feuchtigkeitsgehalt heruntergetrocknet. Dies geschieht typischerweise in Patios oder Trockenhorden und dauert in der Regel zwischen 10 und 15 Tage. Die halbtrockene Aufbereitung ist als Mischform beider zuvor beschriebenen Prozessvarianten auf einigen Plantagen und in einigen Regionen sehr beliebt; hier werden durch einen maschinellen Arbeitsvorgang das Fruchtfleisch im Entpulper abgetrennt, wobei keine Fermentation durchgeführt wird. Anstelle dessen trocknet der Perga-

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mentkaffee, in der Regel nach einer Waschung, zusammen mit den an ihm haftenden Fruchtfleischresten und wird entsprechend der trockenen Prozessvariante weiterbearbeitet. Alle bis hierher verbliebenen Umhüllungen um die eigentlichen Kaffeebohnen werden im Schälgang entfernt. Eventuell verbliebenes Fruchtfleisch, die Pergamenthülle sowie das Silberhäutchen werden von den Kaffeebohnen durch Schälmaschinen getrennt. Das Schälgut wird dabei entweder durch hohen Druck aufgebrochen oder innerhalb einer Schältrommel gegen einen Widerstand geschleudert. An den Schälgang schließen sich zahlreiche weitere Reinigungs- und Sortierarbeiten an, wobei nach dem Schälgang eine Endklassifizierung des Kaffees vorgenommen wird. Liegt der Coffea schließlich in ausdifferenzierten Qualitätsabstufungen vor, wird er in Säcke abgefüllt oder kommt als Schüttgut in entsprechende Transportcontainer. Nach diesem Prozessgang ist der Coffea vorbereitet für seine Reise zur Rösterei, die sich in den Abnehmerländern befindet. Die Hauptexportländer für Rohkaffee sind Brasilien, Kolumbien und Vietnam. Um einen Teil löslichen Kaffee zu erhalten, werden etwas mehr als zweieinhalb Teile Rohkaffee benötigt; um entsprechend ein Teil Röstkaffee zu erhalten, müssen rund eineinfünftel Teile Rohkaffee eingesetzt werden. Die im Vergleich zu den produzierenden Exportländern verbesserte Technik, die Vermarktungssysteme und die insgesamt leistungsfähigere Verarbeitungsinfrastruktur führt aus Sicht der importierenden Konsumländer dazu, dass so gut wie kein löslicher und Röstkaffee importiert wird, sondern weit überwiegend Kaffee in seiner Rohform, der in den Konsumländern weiterverarbeitet wird. Der Rohkaffee wird als Bulkware in Containern für loses Schüttgut in die Abnehmerländer transportiert, oftmals über mehrere tausende Kilometer. Von Südamerika bis nach Europa beispielsweise dauert die Reise per Schiff drei bis sechs Wochen.

Industrielle Verarbeitung in den Abnehmerländern Die kaffeeverarbeitenden Betriebe in den Abnehmerländern kaufen den Rohkaffee in der Regel beim Importeur, der eine verhältnismäßig große Angebotspalette unterschiedlicher Rohkaffees aus unterschiedlichen Ländern täglich vorhält. Die Einkäufer der Röstereien kaufen stets mehrere Sorten aus unterschiedlichen Rohkaffeeprovenienzen, da durch die Mischung ein in Bezug auf die aus Vermarktungsgründen wichtige Markencharakteristik ein stets gleichbleibendes Geschmacksbild und eine kontinuierliche Qualität in Entsprechung der Rezepturen und Tassenprofile der industriellen Verarbeiter gewährleistet werden soll. Eine Röstkaffeemischung besteht meistens aus drei bis acht verschiedenen Kaffeeprovenienzen. Durch das Mischen soll eine standardisierte Markenqualität hervorgebracht werden, die markentypische und endnachfragerbezogene Geschmacksmustererwartungen im Sinne eines im Zeitablauf

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identischen, gleichbleibenden Tassenprofils erfüllt. Der Einbrand der gerösteten Bohnen bestimmt wesentlich das spätere Tassenprofil des Kaffees. Dabei können die unterschiedlichen Provenienzen jede für sich zunächst geröstet werden, und die einzelnen Röstungen anschließend markentypisch gemischt werden. Oder die Rohkaffeeprovenienzen werden zuerst entsprechend gemischt, und die Mischungsgebinde dann geröstet. Dieses ist bei löslichem Kaffee das häufiger angewendete Verfahren. Vermehrt ist es neuerdings auch möglich, dass sortenreine, nicht vermischte, Kaffees angeboten werden. Im Hinblick auf die industrielle Verarbeitung wird nachfolgend unterschieden in die Produktion von Röstkaffee und von löslichem Kaffee. Beide Kaffeevariationen erfordern unterschiedliche industrielle Verarbeitungsprozesse, bspw. in Bezug auf Entkoffeinierung, weitere Trocknung usw.; von der Ernte an werden die Kaffeebohnen dabei immer wieder an einzelnen Prozessschritten umfangreichen Qualitäts- und sensorischen Geschmacksüberprüfungen unterzogen. Die Qualitätskontrolle erstreckt sich dabei sowohl auf technische überprüfbare Eigenschaften als auch auf Artefakte, die von menschlichen Sinnesorganen wahrnehmbar sind (bspw. Geschmack, Geruch, Haptik).

Röstkaffee In einem exemplarisch skizzierten Produktionsprozess für Röstkaffee werden die vom Importeur gekauften Kaffeebohnen zunächst gereinigt, und sämtliche Fremdstoffe und -körper, Steine, Staub und sonstige Zusätze entfernt. Die Zwischenlagerung erfolgt in Silobehältern, wobei die für die Lagerhaltung üblichen Grundsätze gelten. Der Rohkaffee wird aus den Silobehälterzellen den Röstanlagen zugeführt. Das Rösten ist der Prozess des trockenen Erhitzens der Kaffeebohnen. Durch den Prozessschritt des Röstens entsteht das kaffeetypische Aroma und der von den Nachfragern markenbezogen geschätzte Geschmack und die Farbe. Temperatur und Dauer der Röstung müssen mit Blick auf Einbrand und Röstgrad dabei unbedingt exakt aufeinander abgestimmt sein. Die Austarierung und Wahl von Temperatur und Dauer der Röstung richten sich dabei nach den eingebrachten Rohkaffees bzw. Rohkaffeemischungen sowie den Geschmacksvorstellungen, die die gerösteten Gebinde erfüllen sollen. Bei Temperaturen zwischen 400 und 600 Grad Celsius werden die Kaffeebohnen geröstet, wobei die Bohnen selbst dabei eine Temperatur zwischen 200 und 260 Grad Celsius erreichen. Durch den Röstvorgang ändern Kaffeebohnen ihre Farbe in dunkelbraun, verlieren den größten Anteil an Feuchtigkeit, und werden größer (bis zum doppelten Volumen). Die Röstwärme wird durch Kontakt- oder Konvektionsprinzip übertragen: bei der Kontaktröstung erfolgt die Wärmeübertragung von der Wandung auf die Kaffeebohnen nur an der Berührungsstelle, während bei der Konvektionsröstung das Röstgut mit heißer Luft ganzflächig umspült wird. Gegenüber der Kontaktröstung weist die Konvektionsröstung den Vorteil auf, dass die Röstzeit bei unbeeinträchtiger Produktqualität verringert werden kann. Nach Ablauf des Röstprozesses wird das Röstgut heruntergekühlt; dies geschieht entweder durch Zuführung von kalter Luft oder von Wasser. Danach erfolgen eine nochmalige Reinigung sowie eine Qualitäts-

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Coffea

kontrolle. Hiernach werden die gerösteten Kaffeebohnen in Silos zwischengelagert. Sofern der Röstkaffee sortenrein abgegeben wird, erfolgt keine weitere Mischung; sofern der Markenkaffee jedoch als Mischung aus verschiedenen Sorten zusammengestellt wird, was üblicherweise der Fall ist, erfolgt vor dem Abpacken noch die markentypische Mischung unterschiedlicher Provenienzen. Anschließend wird differenziert, ob der Röstkaffee in Form von ganzen Kaffeebohnen oder in Form von gemahlenem Kaffee vertrieben werden soll. Die Art der Mahlung bestimmt das spätere Geschmackserlebnis nicht unerheblich: zu fein gemahlener Kaffee ist tendenziell stärkervoller im Geschmack, zu grob gemahlener Kaffee ist tendenziell dünner-leerer schmeckend. Das fertige Kaffeegut, entweder ungemahlen in Form ganzer Bohnen oder gemahlen in Form eines Kaffeepulvers, wird anschließend verpackt, wobei heutzutage üblicherweise die Folien-Vakuum-Verpackung eingesetzt wird. Entscheidend bei der Verpackung ist, dass das fertige Kaffeeprodukt vor Sauerstoff und Feuchtigkeit geschützt wird, da der Sauerstoff dem Kaffee die Sekundäraromen durch Oxidation entzieht. Bei unbeschädigten Vakuumverpackungen ist eine Haltbarkeit und volle Genusstauglichkeit von bis zu eineinhalb Jahren technisch realisierbar. Die Haltbarkeit von Kaffeebohnen, die in Papierverpackungen vertrieben werden, ist mit eineinhalb Monaten viel kürzer. Über Handel oder Direktvertrieb werden die Packungen an Konsumenten abgegeben.

Löslicher Kaffee Der lösliche Kaffee wird aufgrund seiner schnellen Zubereitung in den Endverbraucherhaushalten, seiner vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten sowie seiner guten Haltbarkeit in vielen Konsumentenländern nachgefragt. In Japan gehört rund 50 % des getrunkenen Kaffees zur Variation löslicher Kaffee, in den USA rund 33 %. Der Markt für löslichen Kaffee in Deutschland ist ausbaufähig, da derzeit nur gut 10 % des Gesamtkaffeemarkts durch löslichen Kaffee abgedeckt werden. Der Impuls zur Produktinnovation von löslichem Kaffee basierte ursprünglich auf der Erkenntnis, dass gerösteter Kaffee in Zeiten von Überangeboten auf den Weltmärkten aufgrund seiner begrenzten Haltbarkeit unnötigerweise verkommt und somit nach einer Alternative gesucht wurde, den Kaffee noch länger haltbar zu machen. In einem exemplarisch skizzierten Produktionsprozess für löslichen Kaffee erfolgt als erster Prozessschritt zunächst eine gründliche Reinigung der frisch gerösteten Kaffeebohnen. Analog der Darstellung des Röstkaffeeproduktionsprozesses wird auch hier angenommen, dass die Mischung der Provenienzen nach erfolgter sortenreiner Röstung vorgenommen wird (wenngleich die sortenreine Röstung im industriellen Verfahren eher eine Ausnahme darstellt). Die zur Herstellung von löslichem Kaffee vorgesehenen Röstkaffeebohnen werden anschließend gemahlen und aufgebrüht. Bei löslichem Kaffee kommt das Extraktionsverfahren zur Anwendung, bei dem im Gegenstromprinzip ein industriell hergestellter Aufguss angereichert wird. Bei löslichem Kaffee wird also in einem Extraktionsverfahren dem grob gemahlenen Kaffeekorn durch heißes, perkolierendes Wasser die löslichen Inhaltsstoffe entzogen und 138

Coffea

dabei das Kaffeekonzentrat hergestellt. Löslicher Kaffee besteht zu 100 % aus reinem, gemahlenem Bohnenkaffee. Damit aus dem Konzentrat schließlich Pulver gewonnen wird, können zwei Verfahren eingesetzt werden: bei der Sprühtrocknung wird der konzentrierte flüssige Kaffee in einem Sprühturm fein zerstäubt. Heißluft verwirbelt die Kaffeetröpfchen, wobei das Wasser sekundenschnell verdampft und trockene, warme Kaffeepartikel übrig bleiben. Diese werden anschließend gekühlt und in der Regel in einem weiteren Prozessschritt agglomeriert. Agglomerierter löslicher Kaffee hat den Vorteil, dass er bei der späteren Zubereitung in den Endverbraucherhaushalten sich noch schneller in Wasser löst und noch leichter dosierbar ist. Aus technischer Sicht ist das Verfahren der Sprühtrocknung insofern ausgesprochen anspruchsvolldiffizil, da die Temperatur der Heißluft, die Höhe des Kühlturms, die Fallgeschwindigkeit der Kaffeetröpfchen, der Druck, mit dem die Kaffeelösung durch die Einspritzdüse im oberen Teil des Kühlturms eingebracht wird und weitere Parameter fein aufeinander abgestimmt sein müssen, damit die Kaffeepartikelchen in erforderlicher Qualität emergieren. Sofern dieses Verfahren allerdings gut beherrscht wird, besteht kein qualitativer Unterschied zur Gefriertrocknung. Bei der Gefriertrocknung wird das Kaffeekonzentrat aufgeschäumt und bei minus 40 Grad Celsius schockgefroren. Anschließend wird die gefrorene Kaffeemasse zerkleinert. Im Kältevakuum werden durch Übergang vom festen, gefrorenen in den gasförmigen Zustand die Wasserteilchen sublimiert, übrig bleibt ein besonders schonend getrockneter löslicher Kaffee mit grober Körnung. Auch von dem löslichen Kaffee muss der Sauerstoff und eventuell einwirkende Feuchtigkeit ferngehalten werden. Das fertige Produkt wird entweder in Gläser oder in Folien-Vakuum-Verpackungen abgepackt. Auch hier wird eine Haltbarkeit von rund eineinhalb Jahren bei ungeöffneten Verpackungen erreicht. Über die Handelspartner der Hersteller oder im Direktvertrieb werden die Packungen schließlich an die Endnachfrager abgegeben.

139

9

9

Coffea

Aufgabenstellung 1. Stellen Sie den Prozess der Kaffeeproduktion von der Anpflanzung in den Erzeugerländern bis zur Verschiffung in die Nachfragerländer graphisch in einem Ablaufdiagramm dar. Versehen Sie die einzelnen Prozessschritte mit einer Zeitleiste. Stellen Sie gleichsam den Prozess der Herstellung von Röstkaffee und von löslichem Kaffee in jeweils einem Diagramm dar (Anmerkung: von der tassenprofilgerechten Mischung bis zur Trocknung vergehen im Fall der Herstellung von löslichem Kaffee rund 6 bis 8 Stunden Prozesszeit, also in etwa eine Schicht). Welche zeitlichen Flexibilitätspotentiale bietet die gesamte Prozesssequenz in produktionswirtschaftlicher Interpretation? 2. Welche Arbeitsschritte auf den Plantagen und in den Werken sind dabei für die spätere Qualität des Kaffeegetränks besonders bedeutsam? Welchen Stellenwert weist der produktionswirtschaftliche Parameter Qualität in dem gesamten Prozess auf? An welchen Stellen im Prozess greift bzw. liegt er an? 3. Diskutieren Sie aus Sicht der Plantagenbetreiber und aus Sicht der industriellen Verarbeiter die ökonomischen Kontexte, die mit der Kaffeeproduktion verbunden sind. Gehen Sie dabei auch auf das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage ein. 4. Gehen Sie davon aus, dass in einem modernen industriellen Verarbeitungsprozess mindestens 50.000 Tonnen Rohkaffee pro Jahr verarbeitet werden müssen, damit die industrielle Verarbeitung ökonomisch sinnvoll durchgeführt werden kann. Aus jedem Kilogramm verkauften löslichem Kaffee entsteht ein Deckungsbeitrag von weniger als einem Euro, der in Summe zur Deckung der Kosten für die ökologische Nachhaltigkeit, für die gesamte Transportlogistik, die Vermarktungskette und den Handel sowie für die industrielle Wertschöpfung ausreichen muss. Welche Implikationen hat diese Situiertheit für die Kostensituation bereits existierender industrieller Verarbeiter? Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Möglichkeiten für neue industrielle Anbieter, mit eigener Produktionskapazität auf den Markt für Kaffeeprodukte einzutreten?

140

Coffea

Anhang Abbildung 9-1: Prozess der industriellen Herstellung von löslichem Kaffee

Rohkaffee Reinigung

Qualitätsprüfung

Silolagerung Tassenprofilgerechte Mischung und Röstung Waage

Qualitätsprüfung

Silolagerung Mahlvorgang Waage Extraktion Konzentration

Qualitätsprüfung

Kühlung und Separation Flüssigkaffeelagerung Einfrierband Mühle Trockner Waage

Qualitätsprüfung

Abfüllung und Bulkwarenlager Geftriergetrocknet-löslicher Kaffee

141

9

9

Coffea

Tabelle 9-1:

Übersicht über Anbauflächen und Ertragssituationen auf dem Kaffeeweltmarkt*

Land

Anbaufläche in Hektar

in %

Ertrag in kg

in %

2.615.000

24

2.105.075.000

29

805

0,08

107.000

1

165.850.000

2

1.550

0,16

1.215.000

11

188.325.000

3

155

0,02

El Salvador

178.000

2

88.110.000

1

495

0,05

Guatemala

263.000

2

238.015.000

3

905

0,09

Indien

347.000

3

312.300.000

4

900

0,09

Indonesien

1.110.000

10

388.500.000

5

350

0,04

Kolumbien

805.000

7

696.325.000

9

865

0,09

Mexiko

730.000

7

328.500.000

4

450

0,05

Uganda

300.000

3

180.000.000

2

600

0,06

Vietnam

520.000

5

702.000.000

10

1.350

0,14

10.828.900

100

7.363.652.000

100

680

0,07

Brasilien Costa Rica Elfenbeinküste

Welt

Ertrag Ertrag in kg/Hektar in kg/Quadratmeter

* Werte gerechnet auf das Jahr 2002

Tabelle 9-2:

Ökonomische Parameter der Kaffeeproduktion auf Plantagen in ausgewählten Erzeugerländern (Kostensituation)* Herstellkosten in US$/kg

Verwaltungs- und Vertriebskosten in US$/kg

0,8 bis 1

0,2 bis 0,4

1 bis 1,4

Arabica

1,1 bis 1,8

0,15 bis 0,4

1,25 bis 2,2

Arabica

1 bis 1,1

0,15 bis 0,5

1,15 bis 1,6

Arabica

Uganda

0,3 bis 0,4

0,15 bis 0,35

0,45 bis 0,75

Robusta

Vietnam

0,3 bis 0,5

0,15 bis 0,4

0,45 bis 0,9

Robusta

Land El Salvador Mexiko Nicaragua

* Werte gerechnet auf das Jahr 2002 auf die angegebene Sorte

142

Selbstkosten in US$/kg

Sorte

Coffea

Tabelle 9-3:

Ökonomische Parameter der Kaffeeproduktion auf Plantagen in ausgewählten Erzeugerländern (Ertrags- und Erlössituation)* Exporterlöse in 1.000.000 US$

Land Brasilien

Ertrag in kg

Exporterlöse pro kg Ertrag in US$

1.271

2.105.075.000

0,60

Costa Rica

159

165.850.000

0,96

Elfenbeinküste

147

188.325.000

0,78

El Salvador

101

88.110.000

1,15

Guatemala

252

238.015.000

1,06

Indien

211

312.300.000

0,68

Indonesien

285

388.500.000

0,73

Kolumbien

871

696.325.000

1,25

Mexiko

249

328.500.000

0,76

Uganda

86

180.000.000

0,48

Vietnam

266

702.000.000

0,38

* Werte gerechnet auf das Jahr 2002; aggregiert über die Sorten Arabica und Robusta

Tabelle 9-4: Jahr

Übersicht über Kaffeeangebot und -nachfrage in den Jahren von 1994 bis 2003* Kaffeeangebot Kaffeenachfrage Überangebot Übernachfrage in Säcken zu 60 kg in Säcken zu 60 kg in Säcken zu 60 kg in Säcken zu 60 kg

1994

91.783.250

98.405.200

6.621.950

1995

86.846.500

96.892.825

10.046.325

1996

98.432.750

99.816.750

1.384.000

1997

98.432.750

102.337.375

3.904.625

1998

106.996.500

103.446.450

3.550.050

1999

115.459.500

105.059.650

10.399.850

2000

113.142.250

105.866.250

7.276.000

2001

110.422.000

108.487.700

1.934.300

2002

119.791.750

108.790.175

11.001.575

2003

101.000.500

111.950.000

10.949.500

* gerechnet auf weltweitem Maßstab

143

9

9

Coffea

Tabelle 9-5:

Übersicht über Exporte ausgewählter Erzeugerländer im Zeitraum 2000 bis 2003* Exportierte Hauptsorte

Juli 2000 - Juni 2001

in %

Juli 2001 - Juni 2002

Juli 2002 in % - Juni 2003

Brasilien

Arabica

19.549.000

22

24.547.000

29

29.307.000

33

Vietnam

Robusta

14.195.000

16

11.756.000

14

11.534.000

13

Kolumbien

Arabica

9.727.000

11

10.412.000

12

10.353.000

12

Indonesien

Robusta

5.538.000

6

4.983.000

6

4.097.000

5

Elfenbeinküste

Robusta

4.927.000

5

3.766.000

4

2.607.000

3

Guatemala

Arabica

4.703.000

5

3.162.000

4

4.000.000

4

Mexiko

Arabica

3.850.000

4

2.848.000

3

2.508.000

3

Indien

Arabica

3.846.000

4

3.423.000

4

3.277.000

4

Robusta

2.837.000

3

3.163.000

4

2.992.000

3

Honduras

Arabica

2.666.000

3

2.296.000

3

2.745.000

3

Peru

Arabica

2.333.000

3

2.701.000

3

2.771.000

3

Costa Rica

Arabica

2.078.000

2

1.913.000

2

1.759.000

2

El Salvador

Arabica

1.844.000

2

1.510.000

2

1.463.000

2

Äthiopien

Arabica

1.612.000

2

1.802.000

2

2.114.000

2

Kenia

Arabica

1.385.000

2

800.000

1

870.000

1

8.633.000

10

6.464.000

8

6.651.000

7

89.723.000

100

85.546.000

100

89.048.000

100

Land

Uganda

Rest-of-World Weltexport

in %

* jeweils gerechnet ohne Eigenverbrauch in den Erzeugerländern; jeweils angegeben in Stück Säcken zu 60 kg

144

Coffea

Tabelle 9-6:

Lieferländer für die Kaffeeverarbeitung in der Bundesrepublik Deutschland*

Jahr

Gesamtimport

Brasilien

in %

Kolumbien

in %

Vietnam

in %

1996

11.975.000

922.889

7,71

2.476.980

20,68

747.656

6,24

1997

12.438.333

2.299.546

18,49

1.954.786

15,72

914.765

7,35

1998

12.326.667

2.456.777

19,93

1.189.465

9,65

935.765

7,59

1999

12.963.333

3.339.176

25,76

1.697.003

13,09

1.189.564

9,18

2000

12.910.000

2.674.900

20,72

1.376.847

10,66

1.354.879

10,49

2001

13.865.000

3.513.786

25,34

1.602.867

11,56

1.954.879

14,10

2002

14.281.667

4.789.002

33,53

1.516.784

10,62

1.850.962

12,96

* jeweils angegeben in Stück Säcken zu 60 kg

Tabelle 9-7:

Land

Rohkaffeepreise, die die Plantagen bzw. die Kaffeebauern in den Erzeugerländern als Durchschnittspreise in US$/kg in den Jahren von 1998 bis 2003, erhalten* Sorte

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Arabica

1,959

1,710

1,414

0,868

0,608

0,928

Robusta

1,585

1,161

0,844

0,389

0,406

0,617

Robusta

1,712

1,090

0,628

0,355

0,427

0,604

Kolumbien

Arabica

2,178

1,961

1,613

1,236

1,182

1,032

Guatemala

Arabica

2,665

1,818

1,591

1,124

1,070

1,130

Mexiko

Arabica

2,190

1,833

1,412

1,221

0,794

1,565

Indien

Arabica

2,014

1,516

1,466

1,063

0,864

0,930

Robusta

1,818

1,269

0,851

0,520

0,559

0,755

Honduras

Arabica

1,970

1,302

1,160

0,768

0,912

0,879

Peru

Arabica

1,791

1,378

1,225

0,849

0,661

0,730

Costa Rica

Arabica

2,101

1,750

1,704

1,021

0,964

1,105

El Salvador

Arabica

1,681

1,316

1,008

0,416

0,389

0,514

Äthiopien

Arabica

1,925

1,466

1,231

1,082

0,564

0,747

Kenia

Arabica

3,473

1,953

1,389

1,663

1,391

1,035

Brasilien

Vietnam

Uganda

* gerechnet als gewichtete Durchschnittswerte pro Erzeugerland

145

9

9

Coffea

Tabelle 9-8:

Absatzmarktpreise für Kaffee in der Bundesrepublik Deutschland* Jahr

Absatzpreise in EUR pro kg

1993

6,82

1994

7,84

1995

8,22

1996

7,12

1997

7,84

1998

8,08

1999

7,14

2000

6,92

2001

6,52

2002

6,14

2003

6,02

* Werte aggregiert gemittelt für Röstkaffee und löslichen Kaffee als Durchschnitt

Tabelle 9-9: Land

Übersicht über die Nachfrage nach Rohkaffee in den Jahren 1997 bis 2000* 1997

in %

1998

in %

1999

in %

2000

in %

USA

17.771.000 17,37

18.549.000 17,93

19.204.000 18,28

18.560.000 17,53

Deutschland

12.438.333 12,15

12.326.667 11,92

12.963.333 12,34

12.910.000 12,19

Japan

6.095.000 5,96

6.122.000 5,92

6.343.000 6,04

6.693.000 6,32

Frankreich

5.550.000 5,42

5.291.000 5,11

5.437.000 5,18

5.361.000 5,06

Italien

4.866.000 4,75

4.952.000 4,79

4.936.000 4,70

5.163.000 4,88

Spanien

3.035.000 2,97

3.070.000 2,97

3.385.000 3,22

3.058.000 2,89

Kanada

2.229.000 2,18

2.317.000 2,24

2.303.000 2,19

2.377.000 2,25

Niederlande

2.390.000 2,34

1.979.000 1,91

1.504.000 1,43

1.911.000 1,81

Polen

2.274.000 2,22

1.797.000 1,74

1.768.000 1,68

1.765.000 1,67

163.000 0,16

190.000 0,18

168.000 0,16

186.000 0,18

Neuseeland Weltweit

102.337.375

* in Stück Säcken zu 60 kg

146

100 103.446.450

100 105.059.650

100 105.866.250

100

Coffea

Tabelle 9-10: Importe von Rohkaffee in die Bundesrepublik Deutschland* Jahr

Rohkaffee-Importe in Säcken zu 60 kg

1991

9.835.000

1992

10.370.000

1993

12.338.333

1994

11.940.000

1995

11.646.667

1996

11.975.000

1997

12.438.333

1998

12.326.667

1999

12.963.333

2000

12.910.000

2001

13.865.000

2002

14.281.667

* aggregiert über Arabica und Robusta und unterschiedliche Provenienzen

Tabelle 9-11: Distributionsallokation von industriell verarbeitetem Kaffee in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2003* Gesamtabsatzvolumen

Vertriebsfähiger Kaffee in Tonnen

Rohkaffee in Tonnen

Röstkaffee, entkoffeiniert

42.500

51.000

Röstkaffee, koffeinhaltig

369.500

443.400

löslicher Kaffee, entkoffeiniert

1.000

2.600

löslicher Kaffee, koffeinhaltig

14.750

38.350

Summe

535.350

* 1 kg Röstkaffee = 1,2 kg Rohkaffee; 1 kg löslicher Kaffee = 2,6 kg Rohkaffee; bei den löslichen Kaffees geht lediglich der Kaffeeanteil in die Berechnung ein

147

9

10 Nie mehr 2. Liga*

Heimspiel im Bruchweg-Stadion Es ist Samstag, der 16.10.2004 und der 1.FSV Mainz 05 hat heute ein schwieriges Heimspiel gegen den amtierenden Deutschen Meister SV Werder Bremen. Der Geschäftsführer J. Zimmerer, der Leiter des Referats Presse/ Medien A. Müller und der Leiter der Marketingabteilung, F. Weiß, geben einen Einblick in ihren Tagesablauf.

8.35 Uhr Zimmerer (Z): Das Stadion wird heute ausverkauft sein. 20.300 Menschen wollen das Spiel sehen, darunter knapp 2.000 Fans von Werder Bremen. Die Verantwortlichen von Werder haben signalisiert, dass ein Großteil ihrer Fans mit dem Bus anreisen wird. Der Parkplatz unmittelbar vor dem Stadion ist seit 6 Uhr morgens für den öffentlichen Verkehr gesperrt, aber die knapp 500 Plätze reichen nicht einmal für alle VIP-Gäste und Angestellten aus. Zusätzlich stellt unter anderem die Universität ihr Gelände zur Verfügung, da die Parkplätze am Bruchweg rar gesät sind. In Verbindung mit ortsunkundigen Gästen führt dies in der Regel zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen rund um das Stadion. Den Plan mit den Busparkplätzen erhält der Fanbeauftragte der Bremer rechtzeitig vor dem Spieltag. Es lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass die gegnerischen Fans noch eine gute Wegstrecke zurücklegen müssen, um zum Stadion zu gelangen. Die Polizei ist deswegen an jedem Spieltag mit rund 300 Mann im Einsatz um Ausschreitungen zu verhindern. Müller (M): Heimspieltag bedeutet immer Hektik und Stress. Die letzten Neuigkeiten müssen noch gesammelt werden und die Daten, die der Presse dann zugänglich gemacht werden, müssen noch aufbereitet werden. Die Vertreter der Fernseh- und Hörfunkstationen erreichen in Kürze das Stadion am Bruchweg und positionieren sich. Mit dem Aufstieg in die Erste Bundesliga ist das Interesse am 1.FSV Mainz 05 enorm gestiegen. Premiere sendet umfassender und die ARD ist sowohl mit Fernseh- als auch mit Hörfunkreporter vor Ort. Interessierten sich letztes Jahr vorwiegend die lokalen Medien, wie z.B. der SWR und die Allgemeine Zeitung, für den Verein, sind es in dieser Saison auch überregionale Medien, wie z.B. der Spiegel, die FAZ und die Zeit, die in regelmäßigen Abständen berichten. Die gestiegene Bekanntheit erfreut bestimmt den Leiter des Marketings. *

Unter Mitarbeit von Christopher Blümlein, Oliver Langner und Jan Wirsam

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9.30 Uhr Z: Anruf eines entfernten Bekannten mit der Frage, ob es noch Eintrittskarten für das Spiel heute gibt. Leider nicht der Einzige, der enttäuscht wird. Auch wenn die Eintrittskartenpreise um 10 – 15% erhöht wurden, hätten doppelt so viele Dauerkarten abgesetzt werden können. Aber das kleine Stadion setzt dem eben Grenzen. Dennoch wurden diese Saison 15.000 Dauerkarten abgesetzt, 8.000 mehr als in der Zweiten Liga. Die restlichen knapp 3.000 Tageskarten werden nur an Mitglieder vergeben. Dies sorgt zum einen bei den restlichen Fans für Ärger und zum anderen können damit die knapp 5.000 Mitglieder auch nicht ausreichend bedient werden. Bei den Dauerkarten war alleine die Nachfrage fast doppelt so hoch wie das Angebot, es hätten ohne Probleme 25.000 Karten abgesetzt werden können. Manche übernachteten am Tag vor der Vergabe sogar vor dem Kartenhaus und demnach erschien es am fairsten, die Dauerkarten nach Eingang zu vergeben und nicht auszulosen. Auch wenn dies viel Kritik einbrachte, besonders von all denen, die werktätig sind und sich somit nicht anstellen konnten.

Tabelle 10-1: Zuschauerzahlen

Saison 1991/1992 1992/1993 1993/1994 1994/1995 1995/1996 1996/1997 1997/1998 1998/1999 1999/2000 2000/2001 2001/2002 2002/2003 2003/2004 2004/2005

Schnitt 3994 3907 5500 3958 4271 7124 7959 7255 7515 6042 9866 12977 14809 20100

maximal 5500 5500 9500 6783 12000 13551 14638 14730 15600 11834 15500 18700 18700 20300

minimal 2500 2000 1932 2896 2500 3346 4638 4060 4558 4115 6258 9000 12000 18700

Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 2. Liga 1. Liga

Platz 7. 12. 13. 14. 11. 4. 10. 7. 9. 14. 4. 4. 3. 11.

M: Kurzfristiger Anruf von der Allgemeinen Zeitung Mainz mit der Frage, ob noch eine weitere Akkreditierung für einen ihrer Journalisten möglich sei. Für diese Fälle hält der Verein Arbeitskarten zurück, um solche Wünsche kurzfristig noch decken zu können. Der Vergabe dieser Akkreditierungen sind durch die DFL enge Grenzen gesetzt. So dürfen, bis auf wenige

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Ausnahmen, die Karten nur für eine ganze Saison vergeben werden, nicht spieltagsweise. Auch wenn dies allen Journalisten bekannt ist, kommt es immer wieder zu Enttäuschungen, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden können. Dabei wird gerne vergessen, dass durch die Veränderungen in der Medienwelt auch in diesem Bereich die Nachfrage nach Zugang das Angebot an Arbeitsplätzen im Stadion überschreitet. Denn die Spiele der Bundesliga werden im Vergleich zur Zweiten Liga ausschnittsweise im Radio und im Internet übertragen, was zwangsweise zu einer Ausweitung der Medienvertreter führt. Heute müssen ca. 100 Pressevertreter versorgt werden. Im Vergleich zur zweiten Liga ist das knapp das Doppelte.

10.00 Uhr Z: Letzte Rücksprache mit den Sicherheitskräften. Zu den 300 Einsatzkräften der Polizei kommen noch zwei Ordnungsdienste. 150 Mann stellt Seco, 150 Mann stellt der FSV. Sie sollen für den reibungslosen Ablauf am Spieltag sorgen, was in der Vergangenheit auch immer funktioniert hat. Zu Beginn einer neuen Saison setzen sich Vertreter des Vereins mit den Sicherheitskräften zusammen und diskutieren Maßnahmen und Vorgehensweisen, so dass am Spieltag die Abläufe festgelegt sind. Falls es dennoch einmal zu Problemen kommt, ist unser Fanbeauftragter der richtige Ansprechpartner. Jedoch gilt es zu beachten, dass in der letzten Zweitligasaison das Stadion insgesamt nur zweimal ausverkauft war, am 10. Spieltag gegen Cottbus und am 34. Spieltag gegen Trier. Ausverkauftes Stadion – in dieser Saison ist das die Regel!

11.00 Uhr Weiß (W): Anruf von Hilton Mainz; das Hilton ist für das Catering der VIP-Gäste zuständig und ist am Spieltag mit 30 Einsatzkräften vertreten. Es wird sehr professionell gearbeitet, aber es kann dennoch zu Problemen kommen. Ein Kühlaggregat ist über Nacht ausgefallen und ein Teil der belegten Brote sieht wohl sehr mitgenommen aus. Die Mitarbeiter von Hilton geben aber ihr Bestes. Dennoch wird es zu einer Verzögerung bei der Lieferung kommen.

13.15 Uhr Z: Das Stadion – ein wahres Schmuckkästchen, aber etwas zu klein. Zwar wurde es in den letzten Jahren kontinuierlich umgebaut und die DFL-Auflagen werden weitestgehend erfüllt. Die Pflege des Rasens unterliegt dem Grünamt der Stadt Mainz, aber es gibt noch keine Rasenheizung. Die muss nach der jetzigen Spielzeit eingebaut werden, noch mal gestattet die DFL eine Saison ohne Rasenheizung nicht. Und der Winter steht noch bevor. Die Kosten von knapp 650.000 Euro wird die Stadt nicht aufbringen, vielmehr ist der Verein dafür verantwortlich. Ähnlich verhält es sich mit den beiden Zusatztribünen, durch die die Kapazität um je 800 weitere Sitzplätzen erweitert werden konnte. Diese erforderten ein hohes Maß an Flexibilität, mussten sie doch kurzfristig geplant werden und eng mit der Stadt und der DFL abgesprochen und genehmigt werden. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass die Kosten durch die Eintrittspreise gedeckt werden können.

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Tabelle 10-2: Stadionkapazität

Tribüne

Block

Kapazität

Haupttribüne

A-E

3500 Sitzplätze, überdacht

Nordtribüne

F-J

3400 Sitzplätze, überdacht

Osttribüne

M-O

1800 Sitzplätze, überdacht

Gästeblock

3300 Stehplätze, überdacht

Südtribüne

P-S

6700 Stehplätze, überdacht

Zusatztribüne 1

SW

800 Sitzplätze, nicht überdacht

Zusatztribüne 2

NW

800 Sitzplätze, nicht überdacht

W: Durch den Aufstieg und das gestiegene Zuschauerinteresse ist klar, dass es zu Enttäuschungen auf Seiten der Fans kommen musste, wenn nicht alle eine Eintrittskarte erhalten. Die Zusatztribünen mussten gebaut werden, um den Fans ein Zeichen zu geben und um die Euphorie um die Dauerkarten weiter zu beflügeln. Der Ausbau ist für das Image sehr wichtig – so können 1.600 weiteren Fans Karten für die Heimspiele angeboten werden. Zum Leidwesen einiger versperren die Flutlichtmasten teilweise die Sicht auf das Spielfeld, aber dennoch werden die Zusatztribünen von einem Großteil der Zuschauer positiv aufgenommen. Der Verein hat diese Tribünen auch nur gemietet, so dass die Flexibilität bei geringerem wirtschaftlichem Risiko gewährleistet ist.

13.30 Uhr Z: Die Stadiontore werden zwei Stunden vor Spielbeginn für die Fans geöffnet. Der Ansturm ist noch relativ gering, aber innerhalb der nächsten Stunde wird sich das ändern.

13.45 Uhr Z: Der Andrang vor den Stadiontoren nimmt nun zu, besonders im Bereich der Stehplätze. Ein großes Problem ist der Schwarzmarkt vor dem Stadion. Eben kam die Nachricht, dass einer der verdeckten Ermittler, die wir an jedem Heimspieltag um das Stadion einsetzen, einen Händler entdeckt hat, der seine Stehplatzkarte für 60 Euro verkaufen wollte. Über die Konsequenzen wird nach dem Spiel noch zu sprechen sein - die Restriktionen reichen dabei bis zu einem Entzug der Dauerkarte oder einem Stadionverbot. Der Schaden, insbesondere für das Image des Vereins, ist dabei immens.

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14.10 Uhr Z: Vor den Stadiontoren stehen die Fans nun Schlange. In den nächsten dreißig Minuten wird ein Großteil der heute anwesenden Zuschauer die Tore passieren. Gerade in diesen Kernzeiten, unmittelbar vor dem Spiel, in der Halbzeitpause und nach Abpfiff, herrscht ein reges Durcheinander. Ein Großteil der Fans strömt zu diesen Zeitpunkten in Richtung Verpflegungsstände, sanitäre Einrichtungen oder Fanshop. Mit dem gewachsenen Zuschauerinteresse war die Notwendigkeit gegeben, die sanitären Einrichtungen aufzustocken und zusätzliche Imbissstuben einzurichten. Dem Unternehmen Gauls Gastronomie, das für die Imbissstuben verantwortlich ist, kam dies sehr entgegen. Auch sie haben ihre Kapazitäten ausgebaut und sind nun mit knapp 100 Beschäftigten am Bruchweg vertreten. Dennoch berichtet unser Fanbeauftragter von manch unzufriedenem Fan, der in der Halbzeitpause so lange anstehen muss, dass er den Wiederanpfiff verpasst. Leider setzt auch hier die Stadionkapazität mit dem limitierten Stadionareal enge Grenzen. Insgesamt stehen nun auf dem Stadionareal 15 Toilettenanlagen zur Verfügung, was schon einmal eine Milderung der Umstände brachte. Dennoch ist auch hier der Prozess der Modernisierung noch nicht abgeschlossen. W: Für die Marketingabteilung des 1. FSV Mainz 05 ist das gestiegene Interesse an dem Verein natürlich enorm wichtig. Auf dem Gelände des Stadions wurden zusätzlich zwei Fanshops aufgebaut, die am Spieltag geöffnet haben. Auch ein Fanmobil ist an Spieltagen auf dem Gelände positioniert. Das war mit dem vorhandenen Personal aus Zweitligazeiten nicht mehr zu bewerkstelligen und neue Mitarbeiter mussten eingestellt werden. Aber die Resonanz rechtfertigt diesen Schritt: So besitzen mittlerweile 93 % aller Dauerkartenbesitzer heute schon einen Schal. Trotzdem muss überlegt werden, wie die Aktivitäten im Bereich Fanartikel verbessert werden können. Es wurde z.B. herausgefunden, dass 22 % aller Dauerkartenbesitzer keine Ausgaben mehr im Stadion tätigen und weitere 33 % Ausgaben in einer Höhe von nur 5 Euro tätigen. Wer schon einmal einen Schal gekauft hat, wird sich in der Regel keinen zweiten mehr zulegen. Hinzu kommt, dass 90% aller Dauerkartenbesitzer aus Mainz oder der Region Rheinhessen kommen, so dass der Markt regional und somit auch schnell gesättigt ist. Bayern München hat seine Fans im gesamten Bundesgebiet – davon kann ein Verein wie der FSV nur träumen.

15.00 Uhr M: 30 Minuten vor Spielbeginn herrscht eine gewisse Hektik. Die anwesenden Journalisten von Presse, Funk und Fernsehen, müssen, ebenso wie der Stadionsprecher, mit den Mannschaftsaufstellungen versorgt werden. Es gab in letzter Zeit vermehrt den Wunsch, zusätzliche Informationen aufzubereiten. Jedoch gibt es vor den Spieltagen donnerstags immer eine Pressekonferenz, wo umfassend informiert wird. Hinzu kommt, dass der 1.FSV Mainz 05 ein "Verein zum Anfassen" ist. Das bedeutet auch, dass es relativ einfach für Journalisten ist, an die handelnden Personen wie Präsident Harald Strutz, Manager Christian Heidel oder aber auch Trainer Jürgen Klopp heranzukommen. Leider brachte uns dies in letzter Zeit häufig den Vorwurf ein, der interne Kommunikationsfluss müsse effizienter gestaltet werden, und zwar dahingehend, dass die einzelnen Informationen besser gebündelt werden. Eine Alternative wäre 153

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täglich ein Bulletin für die Presse zu veröffentlichen. Das wird in den nächsten Tagen noch zu besprechen sein. W: Das Hilton ist noch mit einem Kleintransporter mit Essen für das Catering angekommen. So kurz vor dem Spiel ist das sehr schwer zu koordinieren, da viele Menschen nun in ihre Blöcke wollen. Der Transporter muss jedoch unmittelbar vor die Haupttribüne gefahren werden, um das Essen von dort direkt in den VIP Bereich zu bringen. Der Sicherheitsbeauftragte wurde angewiesen, dies zu koordinieren und die Sicherheit zu gewährleisten.

Tabelle 10-3: Kapazitäten der Bundesligastadien

Verein

Stadion

Kapazität

Sitzplätze

Logenplätze

Borussia Dortmund

Westfalenstadion

82.208

55.749

162

Hertha BSC Berlin

Olympiastadion

76.000

76.000

1.303

FC Bayern München

Olympiastadion

69.466

58.066

k.A.

FC Schalke 04

Arena AufSchalke

61.524

45.217

k.A.

Hamburger SV

AOL Arena

55.989

46.351

580

Borussia Mönchengladbach

Borussia-Park

53.466

36.846

k.A.

Hannover 96

AWD Arena

49.000

42.000

k.A.

VfB Stuttgart

Gottlieb Daimler-Stadion

48.600

45.200

675

1. FC Kaiserslautern

Fritz Walter-Stadion

46.615

27.982

k.A.

SV Werder Bremen

Weserstadion

43.087

32.187

720

1. FC Nürnberg

Frankenstadion

42.500

34.700

124

VfL Bochum

Ruhrstadion

32.645

15.889

k.A.

VfL Wolfsburg

Volkswagen Arena

30.000

22.000

384

Hansa Rostock

Ostseestadion

29.000

20.500

k.A.

DSC Arminia Bielefeld

Schüco Arena

26.601

15.451

k.A.

SC Freiburg

Badenova Stadion

25.000

14.000

k.A.

Bayer Leverkusen

BayArena

22.500

22.500

130

1. FSV Mainz 05

Stadion am Bruchweg

20.300

10.300

80

45.250

34.497

Bundesliga durchschnitt

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Nie mehr 2. Liga

Tabelle 10-4: Sponsoren der Saison 2004/05

Verein

Sponsor

Euro

Deutsche Telekom

bis zu 20 Mio.

Borussia Dortmund

E.ON

bis zu 12 Mio.

Bayer 04 Leverkusen

RWE

9,5 Mio.

Bayern München

Hertha BSC Berlin

Arcor

bis zu 8 Mio.

Victoria Versicherungen

7,5 Mio.

Volkswagen AG

bis zu 7 Mio.

SV Werder Bremen

KiK Textildiscount

bis zu 5 Mio.

Hamburger SV

ADIG Investment

4,5 Mio.

Borussia Mönchengladbach

Jever

3,5 Mio.

VfB Stuttgart

debitel

3,5 Mio.

Schalke 04 VfL Wolfsburg

1. FC Kaiserslautern

DVAG

3 Mio.

SC Freiburg

Suzuki

3 Mio.

Thüringer Waldquell GmbH

2,7 Mio.

Hansa Rostock Hannover 96

TUI

2,5 Mio.

VfL Bochum

DWS Investmentfonds

2,5 Mio.

DBV Winterthur

2 Mio.

Krombacher

1,5 Mio.

mister+lady jeans

???

1. FSV Mainz 05 DSC Arminia Bielefeld 1. FC Nürnberg

15.30 Uhr Z: Anstoß. Das organisatorische Prozedere ist soweit abgeschlossen. Jetzt gilt es, dass die Mannschaft punktet.

16.17 Uhr W: Halbzeit. Es steht noch 0:0. Jetzt beginnt das Halbzeitprogramm der Sponsoren. Die Sponsoren sind auch ein Indikator für die gestiegene Attraktivität des Vereins. Erstaunlicherweise hat kein Bundesligist mehr Sponsoren als der 1. FSV Mainz 05, nämlich annähernd 70. Einschränkend jedoch muss angeführt werden, dass diese oftmals regionale Vertreter sind. Aber dies entspricht voll und ganz der Philosophie des Vereins, für jeden offen zu sein. Und für die Sponsoren lohnt sich der Einsatz allemal: So nennen 98% aller Dauerkartenbesitzer die DBV Winterthur als Hauptsponsor, 75% erinnern sich an Telco und 90% nennen Media Markt als Sponsor des Halbzeitprogramms. Telco konnte seinen Bekanntheitsgrad bei den Dauerkartenbesitzern um 575% erhöhen, bei den VIPs immerhin noch um 227%. Das zahlt sich natürlich 155

10

10

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auch für den Verein aus – die Einnahmen durch das Sponsoring stiegen im Vergleich zur Zweiten Liga um etwa 60%. Die Einnahmen aus dem Sponsoring sind in Anbetracht der erstmaligen Bundesligazugehörigkeit marktgerecht, jedoch würde ein Verbleib in der ersten Liga auf eine dynamische Entwicklung hoffen lassen, so dass es gilt, Potentiale aufzubauen und auch auszuschöpfen. Schließlich sind die Spielergehälter im Vergleich zur Vorsaison auch um 3040% gestiegen.

Tabelle 10-5: Etats der Bundesligavereine

Etat 04/05 in Mio €

Etat 03/04 in Mio €

60

60

0,00%

54,7

49,2

11,18%

VFL Wolfsburg

50

50

0,00%

Werder Bremen

45

35,5

26,76%

40,1

35,9

11,70%

39

57

-31,58%

38,5

40

-3,75%

VfB Stuttgart

38

32,5

16,92%

VfL Bochum

27

24

12,50%

Bayer Leverkusen

26

30

-13,33%

1. FC Nürnberg

26

8,4

209,52%

Hansa Rostock

26

25

4,00%

Hamburger SV

25

23

8,70%

SC Freiburg

25

25

0,00%

Hannover 96

25

22

13,64%

Arminia Bielefeld

24

11

118,18%

1. FSV Mainz 05

20

8,6

132,56%

1. FC Kaiserslautern

15

22

-31,82%

Verein Bayern München Hertha BSC Berlin

Borussia Mönchengladbach Borussia Dortmund Schalke 04

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Änderung

Nie mehr 2. Liga

17.18 Uhr M: Abpfiff. Das Spiel endet 2:1 für den FSV. Drei sehr wichtige Punkte. Unmittelbar nach dem Spiel gehen die Spieler und das Betreuerteam in die so genannte "Mixed-Zone", wo sie den Journalisten Rede und Antwort stehen müssen. Nach den Statuten der DFL muss gewährleistet sein, dass die Erstverwerter der Übertragungsrechte (ARD, Premiere) Zugang zu Spielern und Trainer haben. Darauf folgen dann die Zweitverwerter, z.B. der Hörfunk und andere Fernsehanstalten. Im letzten Schritt muss noch die Presse versorgt werden. Die Mainzer Allgemeine Zeitung wünscht sich, dass sie schnelleren und auch längeren Zugriff auf die Spieler hat, aber das Prozedere ist von der DFL vorgeschrieben und ein Verein kann nicht so handeln, wie er es am liebsten hätte, auch wenn er damit einen Sponsor verärgern muss. Auch ist es schwierig, so unmittelbar nach dem Spiel die Spieler dazu zu bringen, allen Medienvertretern Rede und Antwort zu stehen. Aber sie sind nun mal die Hauptakteure. Z: Das Stadion leert sich nun wieder schnell. In spätestens dreißig Minuten haben auch die letzten Fans ihre Plätze geräumt und ein weiterer Spieltag ist abgeschlossen. Es ist zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen und was die Organisation betrifft, wird an jedem Spieltag hinzugelernt. Fehler müssen identifiziert und am nächsten Spieltag abgestellt werden. Oder, um es mit Sepp Herberger zu halten: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Aufgabenstellung 1. Innerhalb der Fallstudie können mehrere Parteien identifiziert werden, mit denen der 1. FSV Mainz 05 in Kontakt steht. Welche Art von Beziehungen liegt dabei vor? Kennzeichnen Sie die charakteristischen Merkmale dieses Systems. 2. Was "produziert" der 1. FSV Mainz 05? Kennzeichnen Sie, was als Input in den Produktionsprozess eingeht, was innerhalb des Produktionsprozesses im Rahmen des Throughput umgewandelt wird und worin zu guter Letzt der Output liegt. 3. Identifizieren Sie wesentliche Geschäftsprozesse und zeigen Sie auf, welche Möglichkeiten es gibt, diese zu verbessern. Gehen Sie dabei vom Ist – Zustand aus und entwickeln Sie Alternativen. 4. Vergleichen und diskutieren Sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen einem Profifußballverein und einem typischen Unternehmen. Gehen Sie dabei auf die Tatsache ein, dass immer mehr Vereine ihre Fußballabteilung aus dem Verein ausgliedern.

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11 National preiswertes Markenbier *

Der Tradition verpflichtet Die Tradition der Oettinger Brauerei kann weit zurückverfolgt werden. Nach der Gründung durch die Grafenfamilie wurde das Brauhaus in Oettingen bereits im Jahre 1333 erstmals urkundlich genannt. Die Stadt Oettingen wurde von den Brüdern Ludwig XI. und Friedrich III. von Oettingen in zwei Herrschaftsbereiche aufgeteilt. Diese Teilung ist bis heute an den architektonischen Besonderheiten, wie Barockgiebeln und Fachwerkbauten des Marktplatzes deutlich erkennbar. Selbst Johann Wolfgang von Goethe und Spitzweg kamen in den Genuss des Oettinger Bieres. Johann Wolfgang von Goethe trank es auf seiner zweiten Italienreise in Oettingen und Spitzweg genoss sein Oettinger Bier während er im Hofgarten den Herkulesbrunnen zeichnete. Im 20.Jahrhundert wurde das >>Fürstliche Brauhaus zu Oettingen, Oettinger Bier