Erbschaftsteuerrecht : Grundlagen für Studium und Steuerberaterprüfung [1. Aufl] 9783834901866, 3834901865 [PDF]


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Erbschaftsteuerrecht : Grundlagen für Studium und Steuerberaterprüfung [1. Aufl]
 9783834901866, 3834901865 [PDF]

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Zitiervorschau

Christiana Djanani/Gernot Brähler/Christian Lösel Erbschaftsteuerrecht

Christiana Djanani/Gernot Brähler/ Christian Lösel

Erbschaftsteuerrecht Grundlagen für Studium und Steuerberaterprüfung Unter Mitarbeit von: Philipp Brune

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Prof. Dr. Dr. Christiana Djanani ist Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine BWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dr. Gernot Brähler und Dr. Christian Lösel sind niedergelassene Steuerberater und Kanzleiinhaber in München und Ingolstadt.

1. Auflage April 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Jutta Hauser-Fahr / Walburga Himmel Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0186-5 ISBN-13 978-3-8349-0186-6

Vorwort zur 1. Auflage Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist ebenso wie die Vermögensteuer in der Vergangenheit stets im Mittelpunkt sozialpolitischer Überlegungen gewesen. Einerseits wurden Forderungen nach einer Änderung und Erhöhung dieser Substanzsteuer immer dann gestellt, wenn vermutet wurde, man könne hier „verborgene Schätze“ zum Wohle der Allgemeinheit heben. Umgekehrt jedoch war sie stets im Mittelpunkt der Kritik, wenn Fragen der Arbeitsplatzgefährdung bei Betriebsübergängen auf die nächste Generation diskutiert wurden. Auch die ungleichmäßige Bewertung einzelner Vermögensarten durch das Bewertungsgesetz trug zur Umstrittenheit bei. Letzteres gipfelt derzeit sogar in Klagen vor Bundesgerichten, auf deren Klärung schon seit langem gewartet wird. In der Steuerberaterprüfung hat sich der Steuerberateranwärter bereits am ersten Tag der Prüfung mit Problemstellungen aus dem „Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht“ zusammen mit den Fächern „Abgabenordnung“ und „Umsatzsteuer“ auseinander zu setzen. Dabei sollte der Bereich der Erbschaftsteuer und des Bewertungsrechts keinesfalls vernachlässigt werden, da es hier möglich ist, mit vergleichsweise geringem Aufwand Sachverhalte zu erfassen und zu lösen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, durch das Einsammeln von „Fußgängerpunkten“ auf einfache Weise dem Bestehen der Klausur näher zu kommen. Elementare Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das „Ablaufschema“ des Erbschaftsteuerrechts strikt angewandt wird und der Prüfungsteilnehmer gewisse Schwerpunktthemen sicher beherrscht. Unser Ziel war es daher, durch zahlreiche Beispiele, Abbildungen und Übersichten Zusammenhänge und komplexere Themengebiete vereinfacht darzustellen. Zudem haben wir uns bemüht, durch die in Kapitel IV abgebildete Tabelle die Schwerpunkte der Steuerberaterprüfungen der letzten Jahre darzustellen und dem Leser damit ein gewisses Gefühl für die Relevanz verschiedener Themengebiete zu geben. Für wertvolle Hinweise und Anregungen sowie für die Mitarbeit bedanken wir uns herzlich bei Herrn Dipl.-Kfm. Philipp Brune, Herrn Dipl.-Kfm. Dr. Martin Lösel, Herrn Dipl.-Kfm. Benedikt Brauch, Frau Dipl.-Kffr. Bettina Wagner und Herrn Dipl.-Kfm. Konrad Berger. Für Verbesserungsvorschläge, Hinweise auf Schreibfehler und Anregungen sind wir dankbar und verweisen auf folgende E-Mail-Adressen: [email protected] [email protected] [email protected] Das Buch basiert auf dem Rechtsstand 01. Januar 2006. Christiana Djanani / Gernot Brähler / Christian Lösel

Inhaltsverzeichnis Vorwort .............................................................................................................................. V Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................... VII Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. XVI Abkürzungs- und Symbolverzeichnis ........................................................................ XXII

KAPITEL I:

EINFÜHRENDER FALL IN DIE ERBSCHAFTSTEUER

1

Angaben........................................................................................................................1

2

Lösungshinweise ..........................................................................................................1

3

Falllösung .....................................................................................................................2

4

Zwischenergebnis.......................................................................................................12

KAPITEL II:

ZIVILRECHTLICHE GRUNDLAGEN

1

Erbrecht und Erbschaftsteuer ..................................................................................13

2

Grundbegriffe des Erbrechts ....................................................................................16 2.1 2.2 2.3 2.4

3

Erbfall, Erblasser und passive Erbfähigkeit ........................................................16 Erbe und aktive Erbfähigkeit...............................................................................16 Erbschaft, Nachlass und Nachlassverbindlichkeiten ...........................................17 Gesamtrechtsnachfolge, Erbengemeinschaft und Erbteil ....................................19

Gesetzliche Erbfolge ..................................................................................................20 3.1 Verwandtenerbrecht ............................................................................................21 3.1.1 Blutsverwandtschaft ......................................................................................21 3.1.2 Gleichstellung nichtehelicher Kinder ............................................................22 3.1.3 Rechtliche Verwandtschaft............................................................................24 3.1.4 Erbfolge nach Ordnungen..............................................................................25 3.1.4.1 Einteilung der Verwandten in Ordnungen (Parentelen) ............................25 3.1.4.2 Vorrang der vorhergehenden Ordnung......................................................28 3.1.5 Erbfolge nach Stämmen (insbesondere bei den Erben der 1. Ordnung) ........29 3.1.5.1 Stamm .......................................................................................................30

Inhaltsverzeichnis

VIII

3.1.5.2 Repräsentations- und Eintrittsprinzip........................................................31 3.1.5.3 Gleichmäßige Aufteilung auf die Stämme ................................................32 3.1.5.4 Abschlussfall zur Erbfolge nach Stämmen................................................33 3.1.5.4.1 Angaben .............................................................................................33 3.1.5.4.2 Falllösung ...........................................................................................34 3.1.6 Erbfolge nach Linien und Stämmen (bei der 2. und 3. Ordnung)..................35 3.1.6.1 Gesetzliche Erben der 2. Ordnung ............................................................35 3.1.6.2 Gesetzliche Erben der 3. Ordnung ............................................................37 3.1.7 Zusammenfassende Übersicht: Ermittlung der gesetzlichen Erbfolge innerhalb der ersten drei Ordnungen..............................................................39 3.1.8 Erbfolge nach dem Gradualsystem (ab der 4. Ordnung)................................40 3.1.9 Abschlussfall zum Verwandtenerbrecht ........................................................43 3.1.9.1 Angaben ....................................................................................................43 3.1.9.2 Falllösung..................................................................................................43 3.2 Ehegattenerbrecht................................................................................................46 3.2.1 Voraussetzungen des Ehegattenerbrechts ......................................................46 3.2.2 Höhe des Ehegattenerbteils im Allgemeinen .................................................47 3.2.3 Höhe des Ehegattenerbteils in Abhängigkeit vom ehelichen Güterstand ......49 3.2.3.1 Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft ................................50 3.2.3.1.1 Die Zugewinngemeinschaft................................................................50 3.2.3.1.2 Zugewinnausgleich beim Tod eines Ehegatten ..................................52 3.2.3.1.2.1 Erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs .........................52 3.2.3.1.2.2 Güterrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs......................55 3.2.3.2 Güterstand der Gütertrennung...................................................................63 3.2.3.3 Güterstand der Gütergemeinschaft............................................................66 3.2.3.4 Zusammenfassende Übersicht: Höhe des Ehegattenerbteils in Abhängigkeit vom Güterstand ..................................................................69 3.2.4 Der Voraus.....................................................................................................69 3.3 Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners ........................................................72 3.3.1 Höhe des Erbteils des Lebenspartners im Allgemeinen.................................72 3.3.2 Der Voraus.....................................................................................................73 3.3.3 Höhe des Erbteils des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Güterstand (Vermögensstand)..........................................................................................73 3.3.3.1 Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft ..........................................74 3.3.3.2 Vermögensstand der Vermögenstrennung ................................................75 3.3.3.3 Vermögensstand der Vermögensgemeinschaft .........................................75 3.3.3.4 Zusammenfassende Übersicht: Höhe des Erbteils des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Vermögensstand .....................................................75 3.4 Erbrecht des Fiskus .............................................................................................77 4

Gewillkürte Erbfolge .................................................................................................78 4.1 4.2

Testierfreiheit ......................................................................................................78 Formen der gewillkürten Erbfolge ......................................................................79

Inhaltsverzeichnis

IX

4.2.1 Testament ......................................................................................................80 4.2.1.1 Testierfähigkeit .........................................................................................80 4.2.1.2 Persönliche Errichtung des Testaments.....................................................82 4.2.1.3 Verschiedene Testamentsformen ..............................................................83 4.2.1.3.1 Ordentliche Testamentsformen...........................................................84 4.2.1.3.1.1 Testament zur Niederschrift eines Notars (Öffentliches Testament) .................................................................................84 4.2.1.3.1.1.1 Vor- und Nachteile eines öffentlichen Testaments ..............84 4.2.1.3.1.1.2 Mögliche Mitteilungsarten des Erblassers ...........................84 4.2.1.3.1.1.3 Errichtungsverfahren des öffentlichen Testaments..............85 4.2.1.3.1.2 Eigenhändiges Testament ..........................................................86 4.2.1.3.1.2.1 Muss-Vorschriften für ein eigenhändiges Testament ..........86 4.2.1.3.1.2.2 Soll-Vorschriften für ein eigenhändiges Testament.............87 4.2.1.3.1.2.3 Abschlussfunktion der Unterschrift .....................................87 4.2.1.3.1.2.4 Verwahrung eines eigenhändigen Testaments.....................88 4.2.1.3.2 Außerordentliche Testamentsformen .................................................89 4.2.1.3.2.1 Nottestamente ............................................................................90 4.2.1.3.2.2 Seetestament ..............................................................................91 4.2.1.4 Widerruf eines Testaments........................................................................91 4.2.1.4.1 Formen des Widerrufs ........................................................................92 4.2.1.4.2 Widerrufstestament ............................................................................92 4.2.1.4.3 Neues Testament, das früherem Testament widerspricht ...................93 4.2.1.4.4 Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde.............................................................................93 4.2.1.4.5 Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung .......................................94 4.2.1.5 Inhaltliche Ausgestaltung von Testamenten..............................................95 4.2.1.5.1 Erbeinsetzung .....................................................................................96 4.2.1.5.2 Vor- und Nacherbschaft .....................................................................96 4.2.1.5.3 Ersatzerbschaft ...................................................................................98 4.2.1.5.4 Teilungsanordnung.............................................................................99 4.2.1.5.5 Vermächtnis .....................................................................................101 4.2.1.5.5.1 Vermächtnisarten nach der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers................................................................103 4.2.1.5.5.2 Vermächtnisarten nach dem Vermächtnisgegenstand..............105 4.2.1.5.6 Auflage .............................................................................................107 4.2.1.5.7 Enterbung .........................................................................................108 4.2.1.5.8 Testamentsvollstreckung ..................................................................108 4.2.2 Gemeinschaftliches Testament ....................................................................109 4.2.2.1 Form des gemeinschaftlichen Testaments...............................................110 4.2.2.1.1 Öffentliches Testament.....................................................................110 4.2.2.1.2 Eigenhändiges Testament.................................................................110 4.2.2.2 Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament .....111 4.2.2.3 Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament........................................112 4.2.2.3.1 Widerruf nicht wechselbezüglicher Verfügungen ............................112

Inhaltsverzeichnis

X

4.2.2.3.2 Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen .....................................112 4.2.2.4 „Berliner Testament“ als Sonderform des gemeinschaftlichen Testaments ..............................................................................................114 4.2.2.4.1 Einheits- und Trennungsprinzip im Berliner Testament...................114 4.2.2.4.2 Pflichtteile im Berliner Testament....................................................117 4.2.2.4.3 Wiederverheiratungsklausel im Berliner Testament.........................119 4.2.3 Erbvertrag ....................................................................................................119 4.2.3.1 Erblasser und Vertragspartner; einseitiger und zweiseitiger Erbvertrag................................................................................................120 4.2.3.2 Persönliche Voraussetzungen des Vertragsabschlusses ..........................121 4.2.3.3 Form des Erbvertrags ..............................................................................123 4.2.3.4 Inhalte von Erbverträgen.........................................................................123 4.2.3.4.1 Vertragsmäßige Verfügungen ..........................................................124 4.2.3.4.2 Einseitige Verfügungen ....................................................................125 4.2.3.5 Beseitigung von vertragsmäßigen Verfügungen .....................................126 4.2.3.5.1 Einverständliche Aufhebung ............................................................127 4.2.3.5.2 Rücktritt............................................................................................128 4.2.3.5.3 Besonderheiten bei Ehegatten und Lebenspartnern..........................128 4.3 Pflichtteilsrecht..................................................................................................129 4.3.1 Pflichtteilsberechtigte Personen...................................................................129 4.3.2 Pflichtteilsrechte bei Entererbung................................................................131 4.3.3 Pflichtteilsrechte von Erben und Vermächtnisnehmern...............................131 4.3.4 Struktur und Schuldner des Pflichtteilsanspruchs........................................133 4.3.5 Pflichtteilsquote ...........................................................................................134 4.3.6 Der Wert des Nachlasses .............................................................................138 4.3.7 Anrechnungen und Ausgleichungen ............................................................139 4.3.8 Pflichtteilsergänzungsanspruch ...................................................................140 4.3.9 Entziehung des Pflichtteils ..........................................................................142

KAPITEL III: ERBSCHAFTSTEUER- UND SCHENKUNGSTEUERGESETZ (ERBSTG) 1

Erbschaft- und Schenkungsteuer im Gesamtkontext des Steuersystems............145 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

2

Vorbemerkungen...............................................................................................145 Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer...............................................145 Einordnung der Erbschaftsteuer ........................................................................149 Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungshoheit ............................................150 Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer...........................................151

Aufbau des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ...............................152

Inhaltsverzeichnis

XI

3

Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen ............................................................................................154

4

Steuerpflicht .............................................................................................................164 4.1 Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG ...............................164 4.1.1 Erwerb von Todes wegen – § 3 ErbStG.......................................................168 4.1.1.1 Erwerb durch Erbanfall – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG.......................173 4.1.1.2 Erwerb auf Grund Erbersatzanspruchs – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG.....................................................................................................175 4.1.1.3 Erwerb durch Vermächtnis – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG .................176 4.1.1.4 Erwerb auf Grund geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 ErbStG ......................................................................182 4.1.1.5 Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall – § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG.....................................................................................................188 4.1.1.6 Übergang eines Gesellschaftsanteils durch Tod eines Gesellschafters – § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 ErbStG ..................................................192 4.1.1.7 Vermächtnisgleicher Erwerb – § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ........................197 4.1.1.8 Erwerb auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages – § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ..........................................................................198 4.1.1.9 Weitere Erwerbstatbestände von Todes wegen – § 3 Abs. 2 ErbStG......205 4.1.1.9.1 Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung – § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG...................................................205 4.1.1.9.2 Erwerb aufgrund Vollziehung einer Auflage oder Eintritt einer Bedingung – § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG ..............................................207 4.1.1.9.3 Erwerb im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Zuwendung – § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG ............................................207 4.1.1.9.4 Erwerb als Abfindung für Verzicht oder Ausschlagung – § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG .........................................................................208 4.1.1.9.5 Erwerb aufgrund Abfindung noch nicht fälliger Vermächtnisse – § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ...................................................................210 4.1.1.9.6 Entgelt für die Nacherbenanwartschaftsübertragung – § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG.....................................................................................210 4.1.1.9.7 Herausgabeanspruch des Vertragserben – § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG..............................................................................................212 4.1.2 Schenkung unter Lebenden – § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ...............................212 4.1.2.1 Freigebige Zuwendung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG .................................214 4.1.2.2 Kettenschenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG...........................................218 4.1.2.3 Gemischte Schenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG...................................220 4.1.2.4 Schenkung unter Auflage – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG..............................226 4.1.2.5 Mittelbare Schenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ...................................233 4.1.2.6 Einzelfälle der Schenkung unter Lebenden § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis 10 ErbStG.....................................................................................................237

XII

Inhaltsverzeichnis

4.1.2.6.1 Erwerb infolge der Vollziehung einer Auflage oder Erfüllung einer Bedingung – § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG .....................................237 4.1.2.6.2 Erwerb im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Schenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG..............................................239 4.1.2.6.3 Bereicherung nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft – § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG .........................................................................239 4.1.2.6.4 Abfindung für einen Erbverzicht – § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG............244 4.1.2.6.5 Abfindung bei vorzeitigem Erbausgleich – § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG..............................................................................................245 4.1.2.6.6 Vorzeitiger Erwerb vom Vorerben – § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG.........245 4.1.2.6.7 Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäftes unter Lebenden – § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG.......................................248 4.1.2.6.8 Abfindung bei Aufhebung einer Stiftung oder Auflösung eines Vereins – § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ...................................................248 4.1.2.6.9 Abfindung für aufschiebend bedingte Ansprüche – § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG...................................................................................249 4.1.2.7 Sondertatbestände zur Gesellschafternachfolge unter Lebenden – § 7 Abs. 5 bis 7 ErbStG.................................................................................250 4.1.2.7.1 Schenkungen von Personengesellschaftsanteilen mit Buchwertklauseln – § 7 Abs. 5 ErbStG............................................250 4.1.2.7.2 Ausstattung von Personengesellschaftsanteilen mit überhöhten Gewinnbeteiligungen – § 7 Abs. 6 ErbStG ......................................254 4.1.2.7.3 Übergänge von Anteilen oder Anteilsteilen an Personen- oder Kapitalgesellschaften zu einem unter dem steuerlichen Wert liegenden Abfindungsanspruch – § 7 Abs. 7 ErbStG .......................255 4.1.3 Zweckzuwendungen – § 8 ErbStG ..............................................................256 4.1.4 Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen in Zeitabständen von dreißig Jahren – § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ....................................................259 4.1.5 Fortgesetzte Gütergemeinschaft – § 4 ErbStG.............................................261 4.1.6 Zugewinngemeinschaft – § 5 ErbStG ..........................................................263 4.1.7 Vor- und Nacherbschaft – § 6 ErbStG.........................................................271 4.2 Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht – § 2 ErbStG................................276 4.2.1 Unbeschränkte Steuerpflicht........................................................................277 4.2.2 Beschränkte Steuerpflicht............................................................................278 4.2.3 Erweitert beschränkte Steuerpflicht.............................................................280 5

Ermittlung des Bewertungsstichtages als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld .............................................................................................................284 5.1 Entstehung der Steuer – § 9 ErbStG..................................................................284 5.1.1 Entstehung der Steuer bei Erwerben von Todes wegen – § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ................................................................................................285 5.1.2 Entstehung der Steuer bei Schenkungen unter Lebenden – § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ................................................................................................287

Inhaltsverzeichnis

XIII

5.1.3

Entstehung der Steuer bei Zweckzuwendungen – § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG .........................................................................................................289 5.1.4 Entstehung der Steuer bei Familienstiftungen und Familienvereinen – § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG...............................................................................289 5.2 Bewertungsstichtag – § 11 ErbStG....................................................................290 6

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls .........................................................291 6.1 Grundzüge des Bewertungsgesetzes..................................................................291 6.1.1 Aufbau des Bewertungsgesetzes..................................................................292 6.1.2 Das Bewertungsgesetz zur Wertermittlung .................................................293 6.1.3 Anwendungsbereich des Bewertungsgesetzes .............................................295 6.1.4 Bewertungsgegenstand ................................................................................296 6.1.4.1 Wirtschaftsgut .........................................................................................297 6.1.4.2 Wirtschaftliche Einheit............................................................................297 6.1.5 Bewertungsmaßstäbe und -verfahren...........................................................302 6.1.5.1 Gemeiner Wert – § 9 BewG....................................................................304 6.1.5.2 Teilwert – § 10 BewG .............................................................................308 6.1.5.3 Ertragswert ..............................................................................................309 6.1.5.4 Steuerbilanzwert......................................................................................310 6.2 Bewertung von inländischem Vermögen ..........................................................311 6.2.1 Bewertungsgrundsatz...................................................................................311 6.2.2 Bewertung von Wertpapieren und Anteilen ................................................312 6.2.2.1 Bewertung von notierten Wertpapieren ..................................................313 6.2.2.2 Bewertung von nicht notierten Wertpapieren..........................................315 6.2.2.2.1 Ableitung aus Verkäufen..................................................................316 6.2.2.2.2 Stuttgarter Verfahren........................................................................318 6.2.2.2.2.1 Ermittlung des Vermögenshundertsatzes .................................320 6.2.2.2.2.2 Ermittlung des Ertragshundertsatzes........................................322 6.2.2.2.2.3 Ermittlung des gemeinen Wertes .............................................324 6.2.3 Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden......................................329 6.2.4 Bewertung von Nutzungen und Leistungen.................................................338 6.2.4.1 Bewertungsschema für Nutzungen und Leistungen ................................339 6.2.4.2 Der Vervielfältiger ..................................................................................339 6.2.4.3 Der Jahreswert.........................................................................................342 6.2.5 Bewertung von Grundbesitz ........................................................................345 6.2.5.1 Umfang des Grundbesitzes......................................................................346 6.2.5.1.1 Gebäude............................................................................................347 6.2.5.1.2 Sonstige Bestandteile .......................................................................347 6.2.5.1.3 Zubehör ............................................................................................347 6.2.5.2 Gesonderte Feststellung durch das Lagefinanzamt .................................347 6.2.5.3 Unbebautes Grundstück ..........................................................................348 6.2.5.4 Bebautes Grundstück ..............................................................................350 6.2.5.4.1 Berechnungsformel für bebaute Grundstücke ..................................351

XIV

Inhaltsverzeichnis

6.2.5.4.2 Die maßgebende bzw. übliche Jahresmiete ......................................352 6.2.5.4.3 Der Multiplikator..............................................................................354 6.2.5.4.4 Die Alterswertminderung .................................................................355 6.2.5.4.5 Zuschlag für Ein- und Zweifamilienhäuser ......................................357 6.2.5.5 Sonderfälle der Grundvermögensbewertung...........................................358 6.2.5.5.1 Bewertung nicht vermieteter Gebäude .............................................358 6.2.5.5.2 Bewertung von Erbbaurechten .........................................................360 6.2.5.5.2.1 Wert des belasteten Grundstücks .............................................361 6.2.5.5.2.2 Wert des Erbbaurechts .............................................................362 6.2.5.5.3 Gebäude auf fremdem Grund und Boden.........................................363 6.2.5.5.4 Gebäude im Zustand der Bebauung..................................................364 6.2.5.5.4.1 Wertermittlung von Gebäuden im Zustand der Bebauung.......365 6.2.5.5.4.2 Wertgrenzen für Grundstücke im Zustand der Bebauung........367 6.2.5.6 Mittelbare Grundstücksschenkung ..........................................................369 6.2.6 Bewertung von Betriebsvermögen...............................................................372 6.2.6.1 Begriff Gewerbebetrieb...........................................................................372 6.2.6.2 Vermögensaufstellung.............................................................................373 6.2.6.2.1 Bestandsidentität (Aktivseite) ..........................................................374 6.2.6.2.2 Ausnahmen von der Bestandsidentität (Aktivseite)..........................377 6.2.6.2.3 Bewertungsidentität (Aktivseite)......................................................378 6.2.6.2.4 Ausnahmen von der Bewertungsidentität (Aktivseite).....................379 6.2.6.2.5 Bestandsidentität (Passivseite) .........................................................380 6.2.6.2.6 Ausnahmen von der Bestandsidentität (Passivseite) ........................382 6.2.6.2.7 Bewertungsidentität (Passivseite).....................................................383 6.2.6.2.8 Ausnahmen von der Bewertungsidentität (Passivseite)....................383 6.2.6.3 Wert des Betriebsvermögen ....................................................................383 6.2.6.4 Besonderheit bei Mitunternehmerschaften..............................................384 6.3 Bewertung von ausländischem Vermögen ........................................................387 7

Ermittlung der Bereicherung .................................................................................388 7.1 Nachlassverbindlichkeiten.................................................................................388 7.2 Nachlassverbindlichkeiten im Erbfall ...............................................................389 7.3 Verbindlichkeiten bei der Schenkung ...............................................................392 7.3.1 Gemischte Schenkung .................................................................................394 7.3.2 Schenkung unter Leistungsauflage ..............................................................397 7.3.3 Schenkung unter Nutzungs- und Duldungsauflage......................................398 7.3.4 Kombinationen von Schenkungen mit Gegenleistung.................................399 7.3.5 Erwerbsnebenkosten bei Schenkungen........................................................400 7.4 Sachliche Freibeträge ........................................................................................401 7.4.1 Begünstigung von einzelnen Wirtschaftsgütern ..........................................401 7.4.2 Begünstigung vom Produktivvermögen ......................................................407

8

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld .......................408

Inhaltsverzeichnis

XV

8.1 Steuerklassen.....................................................................................................408 8.2 Hinzurechnung früherer Erwerbe ......................................................................410 8.3 Persönliche Steuerbefreiung..............................................................................414 8.4 Besonderer Versorgungsfreibetrag....................................................................414 8.5 Ermittlung der Steuerschuld..............................................................................416 8.5.1 Steuertarif ....................................................................................................416 8.5.2 Härteausgleich .............................................................................................417 8.5.3 Tarifbegrenzung...........................................................................................420 8.5.4 Übernahme der Steuer .................................................................................423 8.6 Zahlungsformen für die Steuerschuld ...............................................................425 8.6.1 Renten, Nutzungen und Leistungen.............................................................425 8.6.1.1 Aufzehrungsmethode ..............................................................................426 8.6.1.2 Kürzungsmethode ...................................................................................428 8.6.1.3 Ablösung der Jahressteuer.......................................................................430 8.6.2 Besteuerung bei Nutzungs- und Rentenlasten .............................................430 8.6.3 Mehrfacherwerb...........................................................................................434 8.6.4 Stundung der Steuer auf Produktivvermögen ..............................................437 8.7 Erlöschen der Steuer..........................................................................................440 9

Abschlussfall.............................................................................................................440 9.1 9.2

Angaben ............................................................................................................440 Lösung...............................................................................................................442

KAPITEL IV: ÜBERSICHT ÜBER DIE PRÜFUNGSINHALTE DER VERGANGENEN STEUERBERATERPRÜFUNGSKLAUSUREN

Stichwortverzeichnis ...................................................................................................... 455

Abbildungsverzeichnis

XVI

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38:

Ermittlung der Erbschaftsteuer....................................................................2 Einordnung des Erbrechts in das deutsche Recht......................................13 Aufgaben von Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht.....................................14 Grundsatz der Maßgeblichkeit des BGB...................................................15 Aktive und Passive Erbfähigkeit ...............................................................16 Auf den Erben übergehendes Vermögen des Erblassers ...........................18 Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge bei einer Erbengemeinschaft ............19 Gesetzliche Erbfolge im Erbrecht .............................................................21 Verwandtschaftliche Beziehungen ............................................................22 Nichteheliche Kinder des Vaters und ihre Stellung im Erbrecht..............23 Gesetzliches Erbrecht von Adoptivkindern..............................................24 Gesetzliche Erben der 1. Ordnung ...........................................................25 Gesetzliche Erben der 2. Ordnung ...........................................................26 Gesetzliche Erben der 3. Ordnung ...........................................................26 Ordnungs-/Parentelsystem im Verwandtenerbrecht.................................27 In den Beispielen verwendete Symbolik..................................................29 Stämme innerhalb der 1. Ordnung ...........................................................30 Erbfolge nach Linien und Stämmen in der 2. Ordnung............................35 Erbfolge nach Linien und Stämmen in der 3. Ordnung............................37 Ermittlung der Erbfolge innerhalb der ersten drei Ordnungen.................40 Ermittlung der Erbfolge durch Gradualsystem ab der 4. Ordnung...........41 Höhe des Ehegattenerbteils im Allgemeinen ...........................................48 Verschiedene eheliche Güterstände .........................................................50 Zugewinngemeinschaft als Gütertrennung mit Zugewinnausgleich ........51 Arten des Zugewinnausgleichs beim Tod eines Ehegatten ......................52 Erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs .......................................53 Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (erbrechtliche Lösung).......................................54 Tatsächlicher Zugewinnausgleich bei der güterrechtlichen Lösung ........57 Güterrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs....................................59 Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (güterrechtliche Lösung)....................................60 Kein Zugewinnausgleich beim Güterstand der Gütertrennung ................63 Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Gütertrennung ............65 Das Gesamtgut beim Güterstand der Gütergemeinschaft ........................67 Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Gütergemeinschaft .....68 Höhe des Ehegattenerbteils in Abhängigkeit vom Güterstand.................69 Der Umfang des Voraus...........................................................................70 Höhe des Erbteils des Lebenspartners im Allgemeinen ...........................72 Verschiedene Vermögensstände bei der Lebenspartnerschaft .................74

Abbildungsverzeichnis Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: Abbildung 45: Abbildung 46: Abbildung 47: Abbildung 48: Abbildung 49: Abbildung 50: Abbildung 51: Abbildung 52: Abbildung 53: Abbildung 54: Abbildung 55: Abbildung 56: Abbildung 57: Abbildung 58: Abbildung 59: Abbildung 60: Abbildung 61: Abbildung 62: Abbildung 63: Abbildung 64: Abbildung 65: Abbildung 66: Abbildung 67: Abbildung 68: Abbildung 69: Abbildung 70: Abbildung 71: Abbildung 72: Abbildung 73: Abbildung 74: Abbildung 75: Abbildung 76: Abbildung 77: Abbildung 78: Abbildung 79: Abbildung 80:

XVII

Höhe des Erbteils des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Vermögensstand.......................................................................................75 Vorrang der gewillkürten Erbfolge vor der gesetzlichen Erbfolge ..........79 Formen der gewillkürten Erbfolge ...........................................................80 Testierfähigkeit und Testierunfähigkeit ...................................................81 Prinzip der Höchstpersönlichkeit bei der Testamentserrichtung..............83 Verschiedene Testamentsformen .............................................................83 Mögliche Mitteilungsarten des Erblassers beim öffentlichen Testament.................................................................................................85 Das eigenhändige Testament....................................................................88 Außerordentliche Testamentsformen .......................................................90 Formen des Widerrufs eines Testaments .................................................92 Inhaltliche Ausgestaltung von Testamenten.............................................95 Gesamtrechtsnachfolge bei Vor- und Nacherbschaft ...............................97 Einzelrechtsnachfolge bei der Teilungsanordnung ................................100 Einzelrechtsnachfolge beim Vermächtnis ..............................................101 Verschiedene Vermächtnisarten.............................................................103 Einzelrechtsnachfolge beim Vorausvermächtnis ...................................104 Verschiedene Vermächtnisarten im Überblick.......................................107 Das eigenhändige gemeinschaftliche Testament....................................111 Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament.......................................113 Trennungsprinzip im Rahmen des Berliner Testaments ........................115 Einheitsprinzip im Rahmen des Berliner Testaments ............................116 Pflichtteilsrecht beim Einheitsprinzip ....................................................118 Ein- und zweiseitiger Erbvertrag ...........................................................120 Persönliche Voraussetzungen des Vertragsabschlusses .........................122 Inhalte von Erbverträgen........................................................................124 Beseitigung vertragsmäßiger Verfügungen............................................126 Einverständliche Aufhebung von vertragsmäßigen Verfügungen..........127 Rücktritt von vertragsmäßigen Verfügungen .........................................128 Pflichtteilsberechtigte Personen .............................................................129 Pflichtteilsrechte ....................................................................................132 Struktur des Pflichtteilsanspruchs ..........................................................133 Pflichtteilsquoten von Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft................137 Ermittlung des Nachlasswertes und des Pflichtteilsanspruchs ...............138 Vermögensverteilung in Deutschland ....................................................146 Zusammensetzung des Vermögens in Deutschland ...............................147 Entwicklung des Erbschaft- und Schenkungsteueraufkommens............148 Erbschaftsteuerliche Planungsinstrumente.............................................149 Gesetzgebungs-, Ertrags-, Verwaltungshoheit .......................................151 Unterschied zwischen Erbanfall- und Nachlasssteuer............................152 Aufbau des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ..................153 Berechnung des Härteausgleichs............................................................162 Aufbau des Erbschaftsteuergesetzes ......................................................164

XVIII Abbildung 81: Abbildung 82: Abbildung 83: Abbildung 84: Abbildung 85: Abbildung 86: Abbildung 87: Abbildung 88: Abbildung 89: Abbildung 90: Abbildung 91: Abbildung 92: Abbildung 93: Abbildung 94: Abbildung 95: Abbildung 96: Abbildung 97: Abbildung 98: Abbildung 99: Abbildung 100: Abbildung 101: Abbildung 102: Abbildung 103: Abbildung 104: Abbildung 105: Abbildung 106: Abbildung 107: Abbildung 108: Abbildung 109: Abbildung 110: Abbildung 111: Abbildung 112: Abbildung 113: Abbildung 114: Abbildung 115: Abbildung 116: Abbildung 117: Abbildung 118: Abbildung 119: Abbildung 120: Abbildung 121: Abbildung 122:

Abbildungsverzeichnis Erbschaftsteuerpflichtige Vorgänge.......................................................165 Abgrenzung steuerbarer und nicht steuerbarer Erwerbe ........................166 Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen..........................167 Tatbestände des § 3 ErbStG ...................................................................169 Noch nicht vollständig erfüllte Grundstückskaufverträge......................171 Zeitstrahl für „noch nicht vollständig erfüllte“ Grundstückskaufverträge .......................................................................171 Ansprüche beim Kauf eines Grundstücks ..............................................173 Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 1922 BGB............................................175 Erwerb durch Vermächtnis ....................................................................177 Steuerliche Auswirkung eines Vermächtnisses......................................178 Unterschiedliche Höhe von Kaufrechtsvermächtnissen.........................181 Anteil des Pflichtteils am Gesamtnachlass.............................................183 Zeitpunkte der Berechnung und Besteuerung des Pflichtteils................185 Unterscheidung von Schenkungen.........................................................189 Steuerliche Behandlung beim Übergang eines Gesellschaftsanteils ......194 Höhe der Schenkung auf den Todesfall .................................................195 Besteuerung der Anteile der Schenkung auf den Todesfall ...................197 Erwerb aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages ...........199 Steuerfreie Versorgungsansprüche gem. R 8 ErbStR ............................202 Behandlung von Versorgungsansprüchen nach dem Tod von Gesellschaftern.......................................................................................203 Verträge zugunsten Dritter.....................................................................205 Vermögensübergang auf eine Stiftung...................................................206 Abfindung bei Verzicht oder Ausschlagung ..........................................208 Nacherbenanwartschaftsübertragung .....................................................211 Nacherbenanwartschaftsübertragung auf den Vorerben ........................212 Übertragungsvorgänge i.S.d. Schenkung unter Lebenden .....................213 Kettenschenkung....................................................................................218 Gemischte Schenkung............................................................................221 Gemischte Schenkung vs. Schenkung unter Auflage.............................226 Schenkungen unter Auflage ...................................................................228 Unterscheidung unmittelbare/ mittelbare Schenkung ............................233 Mittelbare Grundstücksschenkung.........................................................234 Mittelbare Grundstücksschenkung/ unmittelbare Geldschenkung .........236 Auflagenschenkung................................................................................238 Güterstände von Ehegatten ....................................................................239 Güter der Gütergemeinschaft .................................................................240 Besteuerung nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft .......................241 Abfindung für Erbverzicht .....................................................................244 Vorzeitiger Erwerb vom Vorerben.........................................................246 Berliner Testament.................................................................................247 Übergang von Vermögen auf eine Stiftung............................................248 Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit Buchwertklausel ....251

Abbildungsverzeichnis Abbildung 123: Abbildung 124: Abbildung 125: Abbildung 126: Abbildung 127: Abbildung 128: Abbildung 129: Abbildung 130: Abbildung 131: Abbildung 132: Abbildung 133: Abbildung 134: Abbildung 135: Abbildung 136: Abbildung 137: Abbildung 138: Abbildung 139: Abbildung 140: Abbildung 141: Abbildung 142: Abbildung 143: Abbildung 144: Abbildung 145: Abbildung 146: Abbildung 147: Abbildung 148: Abbildung 149: Abbildung 150: Abbildung 151: Abbildung 152: Abbildung 153: Abbildung 154: Abbildung 155: Abbildung 156: Abbildung 157: Abbildung 158: Abbildung 159: Abbildung 160: Abbildung 161: Abbildung 162: Abbildung 163: Abbildung 164:

XIX

Zweckzuwendungen...............................................................................257 Besteuerungszeitpunkt von Familienstiftungen .....................................260 Fortgesetzte Gütergemeinschaft.............................................................261 Zugewinngemeinschaft ..........................................................................264 Durchführung der Zugewinngemeinschaft.............................................265 Beendigung der Zugewinngemeinschaft................................................266 Berechnung des Zugewinnausgleichs ....................................................267 Erbrechtlicher und güterrechtlicher Zugewinnausgleich........................271 Vor- und Nacherbschaft .........................................................................272 Nacherbschaft bei Tod des Vorerben .....................................................275 Persönliche Steuerpflicht .......................................................................276 Beschränkte Steuerpflicht ......................................................................280 Erweitert beschränkte Steuerpflicht .......................................................281 Übersicht persönliche Steuerpflicht .......................................................282 Die verschiedenen Vermögen ................................................................283 Sonderfälle nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG .............................................286 Zeitpunkt einer genehmigungspflichtigen Grundstücksschenkung........289 Entstehung der Steuer ............................................................................290 Bedeutung des Bewertungsgesetzes für die einzelnen Steuerarten ........292 Aufbau des Bewertungsgesetzes ............................................................293 Transformationsfunktion des § 12 ErbStG i.V.m. dem Bewertungsgesetz...................................................................................294 Normenhierarchie der Bewertungsvorschriften .....................................296 Bildung von wirtschaftlichen Einheiten.................................................298 Eigentümerstellung bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Einheiten ................................................................................................300 Bewertungsmaßstab im Innen- und Außenverhältnis ............................302 Überblick über die Bewertungsmaßstäbe...............................................303 Gewöhnliche und ungewöhnliche Umstände .........................................306 Persönliche Verhältnisse bei der Wertermittlung...................................307 Vergleich des Teilwerts mit dem gemeinen Wert ..................................309 Ertragswertverfahren..............................................................................309 Arten von Wertpapieren.........................................................................313 Marktsegmente der deutschen Börse......................................................314 Bewertungsschema für Wertpapiere und Anteile...................................316 Ableitung des Wertes aus zurückliegenden Verkäufen..........................317 Anknüpfungspunkte der Unternehmensbewertung ................................319 Komponenten des Stuttgarter Verfahrens ..............................................320 Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens........................................321 Anpassung der Vermögenspositionen....................................................322 Ermittlung des Durchschnittertrags........................................................324 Methodik des Stuttgarter Verfahrens .....................................................325 Übersicht zum Stuttgarter Verfahren .....................................................326 Bewertungsgegenstand des § 12 BewG .................................................329

XX

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 165: Korrekturbetrag bei niedriger Verzinsung einer Forderung ...................332 Abbildung 166: Abzinsung von unverzinslichen Forderungen bzw. Darlehen mit Ratentilgung...........................................................................................333 Abbildung 167: Die lineare Interpolation ........................................................................335 Abbildung 168: Lineare Interpolation..............................................................................335 Abbildung 169: Bewertungsschema für Wertpapiere und Kapitalforderungen ...............337 Abbildung 170: Nutzungen und Leistungen ....................................................................338 Abbildung 171: Ermittlung der Multiplikatoren ..............................................................341 Abbildung 172: Übersicht Grundbesitzarten und Bewertungsverfahren..........................346 Abbildung 173: Wirtschaftliche Einheit „Grundbesitz“...................................................346 Abbildung 174: Wertermittlungsschema für unbebaute Grundstücke (§ 145 BewG)......349 Abbildung 175: Wertermittlungsschema für bebaute Grundstücke .................................351 Abbildung 176: Der Wertermittlungszeitraum.................................................................353 Abbildung 177: Jahr der fiktiven Fertigstellung ..............................................................356 Abbildung 178: Wertermittlungsschema für bebaute Grundstücke (§ 146 BewG)..........357 Abbildung 179: Wertermittlung für nicht vermietete Grundstücke .................................360 Abbildung 180: Wertermittlungsschema für Erbbaurechte..............................................363 Abbildung 181: Gebäudebewertung in Abhängigkeit des Bebauungszustandes..............365 Abbildung 182: Wertermittlung für Grundstücke im Zustand der Bebauung ..................366 Abbildung 183: Wertermittlung für Gebäude im Zustand der Bebauung ........................368 Abbildung 184: Aufteilung einer Geldschenkung............................................................370 Abbildung 185: Mittelbare Grundstücksschenkung.........................................................371 Abbildung 186: Ableitung der Vermögensaufstellung.....................................................374 Abbildung 187: Übersicht über die Einordnung von Vermögen......................................376 Abbildung 188: Ansatzvorschriften für Betriebsgrundstücke (= 50 %-Regel) ................377 Abbildung 189: Durchbrechung der Bewertungsidentität................................................380 Abbildung 190: Wert der Mitunternehmerschaften .........................................................385 Abbildung 191: Aufteilung des Unternehmenswerts auf die Mitunternehmer.................386 Abbildung 192: Ermittlungsschema der Bereicherung ....................................................388 Abbildung 193: Bereicherungsschema des § 7 ErbStG ...................................................392 Abbildung 194: Arten von Schenkungen mit Gegenleistung...........................................393 Abbildung 195: Anpassung der steuerfreien Ausgleichsforderung..................................395 Abbildung 196: Steuerliche Behandlung der Leistungen an den Pfleger.........................404 Abbildung 197: Begünstigtes Vermögen des § 13a ErbStG ............................................407 Abbildung 198: Maßnahmen zur Sicherung des Familienvermögens..............................409 Abbildung 199: Die Steuerklassen gem. § 15 ErbStG .....................................................409 Abbildung 200: Berücksichtigung früherer Erwerbe .......................................................410 Abbildung 201: Hinzurechnung bei einer Kettenschenkung............................................412 Abbildung 202: Abstufung des besonderen Versorgungsfreibetrags bei Kindern ...........415 Abbildung 203: Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ..............................................416 Abbildung 204: Auswirkung des Härteausgleichs ...........................................................418 Abbildung 205: Ermittlung der Steuerschuld bei Übernahme der Steuer ........................424 Abbildung 206: Jahresversteuerung einer wiederkehrenden Leistung.............................425

Abbildungsverzeichnis

XXI

Abbildung 207: Methoden der Berücksichtigung der Freibeträge bei wiederkehrenden Leistungen..............................................................................................426 Abbildung 208: Aufzehrungsmethode .............................................................................427 Abbildung 209: Kürzungsmethode ..................................................................................429 Abbildung 210: Anwendungsbereich des § 25 ErbStG....................................................432 Abbildung 211: Ermittlung des Steuerbetrags auf die Auflage........................................432 Abbildung 212: Ermäßigungsbetrag bei mehrfachem Erwerb .........................................435 Abbildung 213: Steuerstundung auf das Betriebsvermögen ............................................438 Abbildung 214: Übersicht zur Ermittlung der festzusetzenden Erbschaftsteuer..............440

XXII

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis a.a.O. Abs. AG AGB Allgem. Alt. AO ARAP Art. AStG Aufl. BauGB BeurkG BewG BFH BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHZ BMF BMG BMW bspw. Bst. BStBl. BT-Drucks. BV BVerfG BW BWL bzw. ca. d.h. DB DBA DDR Dipl.-Kffr. Dipl.-Kfm. Dr.

am angegebenen Ort Absatz Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemein Alternative Abgabenordnung Aktiver Rechnungsabgrenzungsposten Artikel Außensteuergesetz Auflage Baugesetzbuch Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesminister(ium) der Finanzen Bemessungsgrundlage Bayrische Motorenwerke beispielsweise Buchstabe Bundessteuerblatt Bundestag-Drucksache Betriebsvermögen Bundesverfassungsgericht Buchwert Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise circa das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen (ehemalige) Deutsche Demokratische Republik Diplom-Kauffrau Diplom-Kaufmann Doktor (in)

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis E e.V. EFG EFH EGBGB ErbbauVO ErbSt ErbStG ErbStH ErbStR EStG EStR etc. evtl. ff. FG FinMin GBO gem. GewSt GewStG GG ggf. GmbH GrESt GrS GrSt HeimG HGB Hs. i.d.R. i.H.v. i.S. i.S.d. i.S.v. i.V.m. J. KapGes Kfz KG KStG lat. LKW LPartG

Ertragshundertsatz eingetragener Verein Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Einfamilienhaus Einführung zum Bürgerlichen Gesetzbuche Erbbauverordnung Erbschaftsteuer Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuer-Hinweise Erbschaftsteuer-Richtlinien Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien et cetera eventuell fortfolgende Finanzgericht Finanzministerium Grundbuchordnung gemäß Gewerbesteuer Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Grunderwerbsteuer Großer Senat Grundsteuer Heimgesetz Handelsgesetzbuch Halbsatz in der Regel in Höhe von im Sinne im Sinne des/r im Sinne von in Verbindung mit Jahr Kapitalgesellschaft Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Körperschaftsteuergesetz lateinisch Lastkraftwagen Lebenspartnerschaftsgesetz

XXIII

XXIV LStDV lt. max. Mio. NJW Nr. OHG p.a. PC PersG PKW PRAP PV RL-Anteil Rz. S. SBV sog. SoPo StB StKl. T Tz. u.a. u.U. usw. V v.H. vgl. VKW vs. VW wg. z.B. ZFH ZPO ZugA

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Lohnsteuer-Durchführungsverordnung laut maximal Million (en) Neue Juristische Wochenschrift Nummer offene Handelsgesellschaft per annum Personal Computer Personengesellschaft Personenkraftwagen Passiver Rechnungsabgrenzungsposten Privatvermögen Rücklagen-Anteil Randziffer Seite Sonderbetriebsvermögen sogenannt (e, en, er, es) Sonderposten Steuerberater (in) Steuerklasse Tausend Teilziffer unter anderem unter Umständen und so weiter Vermögenshundertsatz von Hundert vergleiche Verkehrswert versus Volkswagen wegen zum Beispiel Zweifamilienhaus Zivilprozessordnung Zugewinnausgleich

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

XXV

In den Beispielen verwendete Symbolik: bzw.

Beim Erbfall lebende weibliche bzw. männliche Person

1/2 bzw. 1/2 R

bzw.

R

Erbteil einer weiblichen bzw. männlichen Person Weiblicher bzw. männlicher Repräsentant eines Stammes

bzw.

Weibliche bzw. männliche Personen ohne Erbteil

bzw.

Vorverstorbene weibliche bzw. männliche Person

bzw.

Weiblicher bzw. männlicher Erblasser Ehe Eingetragene Lebenspartnerschaft Geschiedene Ehe

bzw.

Leibliche Abkömmlinge

bzw.

Adoptierte Abkömmlinge

1

Lösungshinweise

Kapitel I:

Einführender Fall in die Erbschaftsteuer

Beispiel

1 Angaben Else Kling, wohnhaft in Ingolstadt, verstirbt am 01.01.2005. Alleinerbe ist ihr in Köln lebender Neffe Freddy. Diesem hinterlässt Else folgendes Vermögen: x

x

Ihr Einfamilienhaus Rathausplatz 1 in Ingolstadt, das im Jahr 1980 auf einem 1.500 qm großen Grundstück errichtet und von ihr selbst am 01.09.1980 bezogen wurde. Die Anschaffungskosten beliefen sich damals auf 250.000 €. Der heutige Verkehrswert des Einfamilienhaus-Grundstücks beträgt lt. Gutachten eines Immobilienmaklers 500.000 €. Für ein vergleichbares Grundstück ergäbe sich ein jährlicher Mietzins in Höhe von 25.000 €. Der Bodenrichtwert der Grundstücksfläche beläuft sich auf 200 €/qm. Ein Sparguthaben bei einer Bank in Nürnberg i.H.v. 100.000 €. Wie hoch ist die von Freddy zu entrichtende Erbschaftsteuer?

2 Lösungshinweise Anhand dieses einführenden Falls soll gezeigt werden, dass die in der Praxis und in Klausuren zu berechnende Erbschaftsteuer häufig auch ohne tiefgehende Kenntnisse der Materie ermittelt werden kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich der Klausurbearbeiter den klaren und übersichtlichen Aufbau des Erbschaftsteuergesetzes zu Nutzen macht. Das Erbschaftsteuergesetz besteht aus fünf Teilen: Teil I regelt die Steuerpflicht (§§ 1 bis 9), Teil II die Wertermittlung (§§ 10 bis 13a), Teil III die Berechnung der Steuer (§§ 14 bis 19a) und Teil IV die Steuerfestsetzung und Erhebung der Steuer (§§ 20 bis 35). Teil V enthält die Ermächtigungs- und Schlussvorschriften. Aus dem Aufbau des Gesetzes wird ersichtlich, dass für die Ermittlung der Erbschaftsteuer die Beachtung der §§ 1 bis 19a ausreichend ist. Eine zusätzliche Einschränkung erfährt die bereits begrenzte Anzahl relevanter Paragraphen dadurch, dass einige von diesen (z.B. §§ 4, 5, 6, 8, 13a, 14, 18, 19a ErbStG) Sonderfälle regeln. Diese Paragraphen müssen deshalb bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer, in Abhängigkeit vom jeweiligen Klausursachverhalt, nur selten berücksichtigt werden. Neben der begrenzten Anzahl an relevanten Paragraphen ist es bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer von großem Vorteil, dass auch im Bereich der Erbschaftsteuer gilt: „Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Dies bedeutet, dass der Klausurbearbeiter, der die

2

Falllösung

relevanten §§ 1 bis 19a ErbStG systematisch der Reihe nach durcharbeitet, vom Gesetzestext beinahe automatisch zur gesuchten Erbschaftsteuer und damit Falllösung geführt wird.

ErbStG

§ 1 § 2 § 3 § 9 § 10 § 11 § 12 § 13 § 15 § 16 § 17 § 19

Steuerpflichtige Vorgänge Persönliche Steuerpflicht Erwerb von Todes wegen Entstehung der Steuer BewG Steuerpflichtiger Erwerb Bewertungsstichtag Bewertung Steuerbefreiungen Steuerklassen Freibeträge Besonderer Versorgungsfreibetrag Steuersätze

• Allgem. Vorschriften (§§ 1 – 16) • Grundbesitz (§§ 138 – 150) • Betriebsvermögen • (§§ 95 – 99, 103, 104, 109, 137)

Erbschaftsteuer

Abbildung 1:

Ermittlung der Erbschaftsteuer

Zu erwähnen bleibt, dass neben dem Erbschaftsteuergesetz auch einzelne Abschnitte des Bewertungsgesetzes bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer zu beachten sind. Auf die relevanten Abschnitte des Bewertungsgesetzes verweist § 12 ErbStG.

3 Falllösung Zuerst gilt es zu klären, ob der Vermögenserwerb von Freddy überhaupt der Erbschaftsteuer unterliegt. Dazu ist ein Blick in den § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ErbStG notwendig, der sämtliche unter das Erbschaftsteuergesetz fallende Vorgänge abschließend aufzählt. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: „Der Erbschaftsteuer unterliegen der Erwerb von Todes wegen; (...)“ Was im Erbschaftsteuergesetz als „Erwerb von Todes wegen“ gilt, wird in § 3 Abs. 1 und 2 ErbStG spezifiziert.

3

Falllösung

§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: „Als Erwerb von Todes wegen gilt der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des BGB), auf Grund Erbersatzanspruchs (§§ 1934a ff. des BGB), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. des BGB) oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. des BGB).“ x

Damit unterliegt der Vermögenserwerb von Freddy durch Erbanfall gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer.

Daraufhin ist zu prüfen, in welchem Umfang der Vermögenserwerb von Freddy der Erbschaftsteuer unterliegt. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ErbStG. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: „Die Steuerpflicht tritt ein in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9) ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall.“ Wer als Inländer gilt, regelt § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Bst. a bis d ErbStG. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Bst. a ErbStG: „Als Inländer gelten natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.“ x

Da sowohl die Erblasserin Else zum Zeitpunkt ihres Todes als auch der Erwerber Freddy zur Zeit der Entstehung der Steuer ihren Wohnsitz im Inland (Ingolstadt und Köln) haben und damit Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Bst. a ErbStG sind, unterliegt der gesamte Vermögenserwerb von Freddy (Sparguthaben bei einer Nürnberger Bank und Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz 1) gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer.

Hinweis:

Auf die §§ 4 bis 6 ErbStG ist an dieser Stelle nicht einzugehen, da sie sich mit Sonderproblemen beschäftigen. So sind in den §§ 4 und 5 ErbStG Besonderheiten der Erwerbe von Ehegatten geregelt, während § 6 ErbStG sich mit den besonderen Fällen der Vor- und Nacherbschaft befasst. Auch die §§ 7 und 8 ErbStG können hier unberücksichtigt bleiben. § 7 ErbStG definiert die Steuertatbestände von Schenkungen unter Lebenden, § 8 ErbStG die Steuertatbestände von Zweckzuwendungen.

4

Falllösung

Nachdem der gesamte Vermögenserwerb von Freddy erbschaftsteuerpflichtig ist, gilt es, den maßgebenden Zeitpunkt für die Entstehung der Steuer zu bestimmen. Dieser ergibt sich aus § 9 ErbStG. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG: „Die Steuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, (...).“ x

Damit entsteht die von Freddy zu entrichtende Erbschaftsteuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG am 01.01.2005, dem Todestag der Erblasserin Else.

Fraglich ist jedoch, was die maßgebende Bemessungsgrundlage für die Berechnung der von Freddy zu entrichtenden Erbschaftsteuer darstellt. Die maßgebende Bemessungsgrundlage ist der in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbstG definierte steuerpflichtige Erwerb. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG: „Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§§ 5, 13, 13a, 16, 17 und 18).“ Eine Definition der „Bereicherung“ liefert in einem nächsten Schritt § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG: „In den Fällen des § 3 gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach den Absätzen 3 bis 9 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 zu ermittelnden Wert abgezogen werden.“ Was bei Erwerben von Todes wegen (§ 3 ErbStG) abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten sind, darüber gibt § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG Aufschluss. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG: „Von dem Erwerb sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Für diese Kosten wird insgesamt ein Betrag von 10.300 € ohne Nachweis abgezogen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind nicht abzugsfähig.“

Falllösung x

5

Da keine Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG vorliegen, kann Freddy lediglich für die Kosten der Bestattung und Nachlassabwicklung einen Betrag von 10.300 € ohne Nachweis gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von seinem Vermögensanfall abziehen.

Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt der Vermögensanfall von Freddy zu bewerten ist. Dies regelt § 11 ErbStG. § 11 ErbStG: „Für die Wertermittlung ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend.“ x

Da die Steuer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG am 01.01.2005, dem Todestag von Else, entsteht, ist gem. § 11 ErbStG an diesem Tag auch die Bewertung des Vermögensanfalls von Freddy vorzunehmen.

Unklar ist allerdings, wie der Vermögensanfall von Freddy zu bewerten ist. Dies ergibt sich aus § 12 ErbStG unter Zugrundelegung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes. § 12 Abs. 1 ErbStG: „Die Bewertung richtet sich, soweit nicht in den Absätzen 2 bis 6 etwas anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).“ Dementsprechend stellt § 12 ErbStG die Öffnungsklausel des Erbschaftsteuergesetzes für das Bewertungsgesetz dar. Als Ausnahme von der Bewertung nach den Allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 1 bis 16 BewG) wird in § 12 Abs. 2 bis 6 ErbStG die Bewertung von Grundbesitz, von Betriebsvermögen und von ausländischem Grundbesitz bzw. Betriebsvermögen gesondert geregelt. § 12 Abs. 3 ErbStG: „Grundbesitz (§ 19 des Bewertungsgesetzes) ist mit dem Grundbesitzwert anzusetzen, der nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes (Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 1996 (...)) auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer festgestellt wird.“ x

Damit ergibt sich für den Vermögensanfall von Freddy folgende Bewertung gem. § 12 ErbStG i.V.m. dem BewG:

6

Falllösung (1) Bewertung des Einfamilienhaus-Grundstücks am Rathausplatz 1 Der Wert des Einfamilienhaus-Grundstücks Rathausplatz 1 ist gem. § 12 Abs. 3 ErbStG nach den Vorschriften des Vierten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes (§§ 138 bis 150 BewG) auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, d.h. auf den 01.01.2005, festzustellen. Dabei stellt sich die Frage, ob der nach den Vorschriften der §§ 138 bis 150 BewG festzustellende Grundbesitzwert für das Einfamilienhaus-Grundstück mit dessen heutigem Verkehrswert in Höhe von 500.000 € identisch ist. Dies ist (regelmäßig) nicht der Fall. Auch die Herstellungskosten (250.000 €) stimmen (in der Regel) nicht mit dem festzustellenden Grundbesitzwert überein. Der festzustellende Grundbesitzwert eines bebauten Grundstücks, ensprechend dem Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz 1, ergibt sich vielmehr aus dem in § 146 BewG normierten Ertragswertverfahren: § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG: „Der Wert eines bebauten Grundstücks ist das 12,5fache der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes (Absatz 4).“ Ist die Durchschnittsmiete der letzten drei Jahre nicht zu ermitteln, da z.B. Selbstnutzung oder unentgeltliche Nutzung des Gebäudes vorliegt, regelt § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG das weitere Vorgehen. § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG: „Wurde ein bebautes Grundstück oder Teile hiervon nicht oder vom Eigentümer oder dessen Familie selbst genutzt, anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen oder Angehörigen (§ 15 der Abgabenordnung) oder Arbeitnehmern des Eigentümers vermietet, tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete.“ x

Das Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz 1 hat somit einen Ausgangswert von:

x =

Übliche Jahresmiete Vervielfältiger Ausgangswert

25.000 € 12,5 312.500 €

Hiervon ist gem. § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG die Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes abzuziehen. Die Höhe der Alterswertminderung bestimmt § 146 Abs. 4 Satz 1 BewG.

7

Falllösung

§ 146 Abs. 4 Satz 1 BewG: „Die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes beträgt für jedes Jahr, das seit Bezugsfertigkeit des Gebäudes bis zum Besteuerungszeitpunkt vollendet worden ist, 0,5 vom Hundert, höchstens jedoch 25 vom Hundert des Werts nach den Absätzen 2 und 3.“ x

Nach Abzug der Alterswertminderung vom Ausgangswert ergibt sich für das Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz 1 folgender Zwischenwert:

./. =

Ausgangswert Alterswertminderung: 0,5 % x 24 Jahre = 12 % (max. 25 %) 12 % von 312.500 € Zwischenwert

312.500 €

37.500 € 275.000 €

Dieser Wert erhöht sich gem. § 146 Abs. 5 Satz 1 BewG bei Grundstücken mit nicht mehr als zwei Wohnungen um einen Pauschalzuschlag. § 146 Abs. 5 Satz 1 BewG: „Enthält ein bebautes Grundstück, das ausschließlich Wohnzwecken dient, nicht mehr als zwei Wohnungen, ist der nach den Absätzen 1 bis 4 ermittelte Wert um 20 vom Hundert zu erhöhen.“ x

Nach der Erhöhung des Zwischenwerts um einen Zuschlag von 20 % gem. § 146 Abs. 5 Satz 1 BewG beträgt der Grundbesitzwert des Einfamilienhaus-Grundstücks Rathausplatz 1:

+ =

Zwischenwert Zuschlag 20 % von 275.000 € Grundbesitzwert

275.000 € 55.000 € 330.000 €

Dieser nach § 146 Abs. 2 bis 5 ermittelte Grundbesitzwert ist gem. § 139 BewG abzurunden. § 139 BewG: „Die Grundbesitzwerte werden auf volle fünfhundert Euro nach unten abgerundet.“

8

Falllösung

Klausurtipp: Um die Abrundung im Eifer des Gefechts nicht zu vergessen, ist es sinnvoll, sich zwischen den Abs. 5 und den Abs. 6 (§ 146 BewG) einen Bleistiftstrich (sofern die jeweilige Prüfungsordnung dies erlaubt) zu ziehen. Dieser weist stets daraufhin, dass hier unerwartet abgerundet werden muss. Der soeben ermittelte und abgerundete Grundbesitzwert ist allerdings lediglich vorläufiger Natur, da noch der Mindestwert des Grundstücks gem. § 146 Abs. 6 bestimmt werden muss. § 146 Abs. 6 BewG: „Der für ein bebautes Grundstück nach den Absätzen 2 bis 5 anzusetzende Wert darf nicht geringer sein als der Wert, mit dem der Grund und Boden allein als unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 zu bewerten wäre.“

§ 145 Abs. 3 Satz 1 BewG: „Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich nach ihrer Fläche und den um 20 vom Hundert ermäßigten Bodenrichtwerten.“ x

Der Mindestwert des Einfamilienhaus-Grundstücks Rathausplatz 1 beträgt demnach gem. § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG:

x = ./. =

Fläche des Grundstücks Bodenrichtwert Zwischenwert 20 % von 300.000 € Mindestwert des Grundstücks (Beachte Abrundung gem. § 139 BewG)

1.500 qm 200 €/qm 300.000 € 60.000 € 240.000 €

Da der Mindestwert niedriger ist als der oben ermittelte vorläufige Grundbesitzwert, ist das Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz 1 am 01.01.2005 mit einem Grundbesitzwert in Höhe von 330.000 € festzusetzen. Von dem nach § 146 Abs. 2 bis 6 ermittelten Grundbesitzwert kann allerdings gem. § 146 Abs. 7 im Rahmen einer sog. Öffnungsklausel nach unten abgewichen werden.

9

Falllösung

§ 146 Abs. 7 BewG: „Ein niedrigerer Grundstückswert ist festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach den Absätzen 2 bis 6 ermittelte Wert ist.“ x

Da kein niedrigerer gemeiner Wert nachgewiesen werden kann, ist das Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz am 01.01.2005 mit dem oben ermittelten Grundbesitzwert in Höhe von 330.000 € festzusetzen.

(2) Bewertung des Sparguthabens bei einer Nürnberger Bank Da in § 12 Abs. 2 bis 6 ErbStG nichts anderes bestimmt ist, erfolgt die Bewertung des von Freddy geerbten Sparguthabens bei einer Nürnberger Bank, im Gegensatz zum Einfamilienhaus-Grundstück Rathausplatz 1, gem. § 12 Abs. 1 ErbStG nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 1 bis 16 BewG). Der am 01.01.2005 (= Steuerentstehungszeitpunkt) für das Sparguthaben festzustellende Wert ergibt sich dabei aus § 12 BewG. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG: „Kapitalforderungen, die nicht in § 11 (Wertpapiere und Anteile) bezeichnet sind, und Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen.“ x

Das Sparguthaben bei einer Nürnberger Bank ist am 01.01.2005 gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG mit seinem Nennwert in Höhe von 100.000 € anzusetzen.

Damit hat der von Freddy erworbene und gem. § 12 ErbStG i.V.m. dem BewG bewertete Vermögensanfall am 01.01.2005 folgenden Gesamtwert: Wert des Einfamilienhaus-Grundstücks am Rathausplatz 1 + Wert des Sparguthabens bei einer Nürnberger Bank = Wert des gesamten Vermögensanfalls

330.000 € 100.000 € 430.000 €

Nach der Wertermittlung des Vermögensanfalls und der Nachlassverbindlichkeiten ergibt sich aus deren Gegenüberstellung die Bereicherung gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.

10

Falllösung x

Die Bereicherung von Freddy beträgt damit:

./. = Hinweis:

Wert des gesamten Vermögensanfalls Wert der Nachlassverbindlichkeiten Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG)

430.000 € 10.300 € 419.700 €

Als steuerpflichtiger Erwerb (und damit maßgebende Bemessungsgrundlage) gilt gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 5, 13, 13a, 16, 17 und 18). § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zählt dabei in der Klammer alle Steuerbefreiungen des Gesetzes auf. Diese müssen deshalb nicht zwingend auswendig gelernt werden, da bereits ein kurzer Blick in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG Gewissheit verschafft, ob alle bei der Klausurlösung berücksichtigt worden sind. Die sachlichen Steuerbefreiungen sind in den §§ 5, 13, 13a und 18 ErbStG, die persönlichen Steuerbefreiungen in den §§ 16, 17 ErbStG geregelt. Sachliche Steuerbefreiungen können von Freddy in diesem Fall allerdings nicht in Anspruch genommen werden.

Unabhängig vom Abzug sachlicher Steuerbefreiungen kann Freddy einen persönlichen Steuerfreibetrag gem. § 16 ErbStG von seiner Bereicherung absetzen. Die Höhe dieses Freibetrags bestimmt sich nach der Steuerklasse von Freddy. Gem. § 15 ErbStG existieren drei verschiedene Steuerklassen. Für den vorliegenden Fall ist Steuerklasse II relevant. § 15 Abs. 1 ErbStG: „Nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker werden die folgenden drei Steuerklassen unterschieden (...) Steuerklasse II: 1. die Eltern und Voreltern, soweit sie nicht zur Steuerklasse I gehören, 2. die Geschwister, 3. die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern, 4. die Stiefeltern, 5. die Schwiegerkinder, 6. die Schwiegereltern, 7. der geschiedene Ehegatte; (...).“ x

Freddy gehört als Neffe von Else zur Gruppe der „Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern“ und fällt somit gem. § 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr. 3 ErbStG in Steuerklasse II.

§ 16 Abs. 1 ErbStG: „Steuerfrei bleibt in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Erwerb (...) 4. der Personen der Steuerklasse II in Höhe von 10.300 €; (...)“

11

Falllösung x

Damit steht Freddy als Angehörigem der Steuerklasse II ein persönlicher Steuerfreibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Höhe von 10.300 € zu.

Hinweis:

Über den persönlichen Steuerfreibetrag gem. § 16 ErbStG hinaus gewährt § 17 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen Ehegatten und Kindern einen besonderen persönlichen Versorgungsfreibetrag. Freddy als Neffe kann diesen jedoch nicht in Anspruch nehmen, da er nicht zum begünstigten Personenkreis gehört.

Der Abzug sämtlicher Steuerbefreiungen von der zuvor ermittelten Bereicherung ergibt den steuerpflichtigen Erwerb gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. x

Freddy hat somit einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von:

./. ./. =

Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) Persönliche Steuerbefreiungen (§ 16 ErbStG) Besonderer Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG) Steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG)

419.700 € 10.300 € — 409.400 €

Nach der Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs ist dieser noch gem. § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG abzurunden. § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG: „Der steuerpflichtige Erwerb wird auf volle 100 Euro nach unten abgerundet.“ x

Eine Abrundung gem. § 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG ist in diesem Fall jedoch nicht notwendig, da der steuerpflichtige Erwerb von Freddy bereits auf volle 100 Euro lautet.

Abschließend stellt sich die Frage, welcher Steuersatz auf den steuerpflichtigen Erwerb als maßgebende Bemessungsgrundlage anzuwenden ist, um die zu entrichtende Erbschaftsteuer zu ermitteln. Der anzuwendende Steuersatz ergibt sich aus § 19 ErbStG und richtet sich dabei nach der Steuerklasse des Erben und dem Wert seines steuerpflichtigen Erwerbs. § 19 Abs. 1 ErbStG: „Die Erbschaftsteuer wird nach folgenden Vomhundertsätzen erhoben:“

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Zwischenergebnis

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10) bis einschließlich ... Euro 52.000 256.000 512.000 5.113.000 12.783.000 25.565.000 über 25.565.000 x

Vomhundertsatz in der Steuerklasse I 7 11 15 19 23 27 30

II 12 17 22 27 32 37 40

III 17 23 29 35 41 47 50

Bei Freddy als Angehörigem der Steuerklasse II beträgt der Steuersatz bei einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 409.400 € gem. § 19 Abs. 1 ErbStG 22 %. Die von Freddy zu entrichtende Erbschaftsteuer beläuft sich demnach auf:

x =

Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz Zu entrichtende Erbschaftsteuer

409.400 € 22 % 90.068 €

4 Zwischenergebnis Anhand dieses Falls sollte ersichtlich geworden sein, dass die Erbschaftsteuer auch ohne tiefgreifende Kenntnisse der Materie ermittelt werden kann, wenn man sich der Hilfestellung durch den Gesetzestext bedient. Das Bearbeiten der relevanten Paragraphen in der vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge führt im Bereich der Erbschaftsteuer zwangsläufig zur richtigen Klausurlösung. Merke: Die strikte Orientierung an den Paragraphen des Gesetzes ist vor allem deshalb zu empfehlen, da durch diese Vorgehensweise in den einzelnen Paragraphen enthaltene „Fußgängerpunkte“ eingesammelt werden können. Auf diese Punkte sollte in keinem Fall verzichtet werden, da sie in Erbschaftsteuerklausuren, im Gegensatz zu Klausuren anderer Steuergebiete, einen nicht unerheblichen Anteil der zu erreichenden Gesamtpunktzahl ausmachen und damit entscheidend zum Erfolg oder Misserfolg in einer Klausur beitragen.

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Erbrecht und Erbschaftsteuer

Kapitel II: Zivilrechtliche Grundlagen 1 Erbrecht und Erbschaftsteuer Als Privatrecht werden innerhalb des deutschen Rechts alle Normen bezeichnet, welche die Rechtsbeziehungen der Menschen untereinander regeln. Sie legen fest, welche Rechte und Pflichten die Menschen im Verhältnis zueinander haben (Gleichordnungsverhältnis). Neben dem Privatrecht kennt das deutsche Recht das öffentliche Recht, das alle Normen umfasst, welche die staatliche Organisation und das hoheitliche Handeln des Staates regeln (Über-/ Unterordnungsverhältnis). Innerhalb des Privatrechts wird wiederum zwischen dem allgemeinen Privatrecht und den Sonderprivatrechten (z.B. Arbeitsrecht, Wertpapierrecht, Urheberrecht) unterschieden. Das Bürgerliche Recht als allgemeines Privatrecht regelt dabei die wichtigsten allgemeinen Rechtsbeziehungen der Menschen untereinander im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in seinen Nebengesetzen (z.B. AGB-Gesetz, Verbraucherkreditgesetz). Dabei verfolgt das BGB das Ziel der Gesamtkodifikation des Bürgerlichen Rechts.

Deutsches Recht

Privatrecht

Öffentliches Recht

regelt Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen

regelt hoheitliches Handeln des Staates

Allgemeines Privatrecht

Sonderprivatrechte z.B. • Arbeitsrecht • Urheberrecht

1. Buch: Allgemeiner Teil (§§ 1-240)

BGB

2. Buch: Schuldrecht (§§ 241-853) 3. Buch: Sachenrecht (§§ 854-1296) 4. Buch: Familienrecht (§§ 1297-1921) 5. Buch: Erbrecht (§§ 1922-2385)

Abbildung 2:

regelt das rechtliche Schicksal des Vermögens beim Tod einer Person

Einordnung des Erbrechts in das deutsche Recht

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Erbrecht und Erbschaftsteuer

Das Erbrecht ist in den §§ 1922 bis 2385 BGB geregelt. Es ist Teil der allgemeinen Privatrechtsordnung und hat in diesem Zusammenhang die spezielle Aufgabe, das rechtliche Schicksal des Vermögens eines Verstorbenen für die Zeit nach seinem Tod zu regeln. Dies bedeutet, dass das Erbrecht zu bestimmen hat, wer das Vermögen einer Person nach deren Tod erhält. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass sich Bestimmungen von erbrechtlicher Bedeutung nicht nur im 5. Buch des BGB (§§ 1922 bis 2385) finden, sondern im Rahmen des Erbrechts auch auf Regelungen aus anderen Büchern des BGB zurückgegriffen wird. So bestehen z.B. zwischen dem Erbrecht und dem im 4. Buch des BGB (§§ 1297 bis 1921) enthaltenen Familienrecht zahlreiche Berührungspunkte. Merke: Das Erbrecht regelt, wer zu welchem Teil das von einer verstorbenen Person hinterlassene Vermögen erhält. Dem Erbschaftsteuerrecht dagegen kommt die Aufgabe zu, denjenigen Teil des Vermögens zu besteuern, den eine Person aus dem Nachlass einer verstorbenen Person erhält. Grundtatbestand des Erbschaftsteuerrechts ist allerdings nicht nur der Erwerb von Todes wegen, sondern sind auch Schenkungen unter Lebenden. Dies ist deshalb notwendig, damit die Erbschaftsteuer für künftige Erbübergänge nicht durch vorweg vorgenommene Schenkungen unter Lebenden umgangen werden kann. Daher werden Schenkungen unter Lebenden in der Regel denselben Besteuerungsmaßstäben unterworfen wie ein Erwerb von Todes wegen. Merke: Das Erbschaftsteuerrecht regelt, wie hoch die auf einen steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen (bzw. auf steuerpflichtige Schenkungen unter Lebenden) zu entrichtende Steuer ist.

Aufgabe Erbrecht: Aufteilung des Vermögens eines Erblassers auf die Erben

Ehegatte 1/2

Kind 1/2

Aufgabe Erbschaftsteuerrecht: Besteuerung des Vermögensteils, der jedem Erben aus dem Nachlass des Erblassers zufällt

Abbildung 3:

Aufgaben von Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht

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Erbrecht und Erbschaftsteuer

Das Erbschaftsteuerrecht baut auf dem Erbrecht des BGB auf. So nennt § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als steuerpflichtige Erwerbe von Todes wegen den Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs, ohne diese Begriffe selbst zu erklären. Hierzu verweist das ErbStG auf die Vorschriften des BGB, wie die jeweils in Klammern gesetzten Verweise auf die §§ 1922, 2147 ff. und 2303 ff. BGB in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verdeutlichen.

ErbStG

BGB

Besteuerungstatbestände 5. Buch: Erbrecht Erwerbe von Todes wegen § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

§§ 1922 bis 2385 BGB Verweis

•Erbanfall

Verweis

•Vermächtnis •Pflichtteilsanspruch

Verweis

§§ 1922 BGB §§ 2147 ff. BGB §§ 2303 ff. BGB

Grundsatz der Maßgeblichkeit des BGB

Abbildung 4:

Grundsatz der Maßgeblichkeit des BGB

Das Erbschaftsteuerrecht lehnt sich damit in starkem Maße an das BGB und somit an das Zivilrecht an. In diesem Zusammenhang wird zuweilen auch vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuerrecht gesprochen. Für den Bereich der Schenkungen unter Lebenden gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts nur eingeschränkt, da die freigebige Zuwendung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) kein Begriff des bürgerlichen Rechts, sondern ein Begriff des Steuerrechts ist. Etwas anderes gilt, soweit § 7 ErbStG Tatbestände erwähnt, die ihre Regelung im bürgerlichen Recht finden (z.B. Abfindung für den Erbverzicht, § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG).

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Erbe und aktive Erbfähigkeit

2 Grundbegriffe des Erbrechts 2.1 Erbfall, Erblasser und passive Erbfähigkeit Die regelungsbedürftige Situation, mit der sich das Erbrecht befassen muss, ist also der Tod eines Menschen. Mit diesem tritt der Erbfall ein (Legaldefinition in § 1922 Abs. 1 BGB). Die verstorbene Person, um deren Vermögen es geht, bezeichnet das Gesetz als Erblasser. Erblasser kann nur eine natürliche Person sein, d.h. nur diese alleine besitzt die Eigenschaft der passiven Erbfähigkeit. Juristische Personen und rechtsfähige Gesellschaften dagegen sterben nicht, sondern werden vielmehr nach besonderen Regeln, die im Vereins- und Gesellschaftsrecht bestimmt sind, aufgelöst.

2.2 Erbe und aktive Erbfähigkeit Als Erben bezeichnet das Gesetz diejenige Person, auf die beim Tod des Erblassers dessen Vermögen übergeht (§ 1922 Abs. 1 BGB). Erbe kann dabei nur derjenige werden, der rechtsfähig ist und damit die Eigenschaft der aktiven Erbfähigkeit besitzt. Diese Voraussetzung ist bei allen natürlichen oder juristischen Personen erfüllt. Bei juristischen Personen ist es dabei unerheblich, ob es sich um Personen des Privatrechts (z.B. AG, GmbH, eingetragener Verein, rechtsfähige Stiftung) oder des öffentlichen Rechts (Bund, Länder, Gemeinden, Universitäten usw.) handelt. Auch Personenvereinigungen und Vermögensmassen (z.B. PersG) sind rechtsfähig und damit aktiv erbfähig.

Erblasser

Vermögen

Passive Erbfähigkeit

Erbe

Aktive Erbfähigkeit

Nur Natürliche Person

Natürliche Personen

Abbildung 5:

Juristische Personen

Personenvereinigungen

Aktive und Passive Erbfähigkeit

Die aktive Erbfähigkeit muss zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorliegen. Dies setzt bei natürlichen Personen voraus, dass der Erbe zu diesem Zeitpunkt bereits lebt (§ 1923 Abs. 1 BGB) oder zumindest gezeugt ist (sog. nasciturus) und später lebend gebo-

Grundbegriffe des Erbrechts

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ren wird (§ 1923 Abs. 2 BGB). Ein bestimmtes Mindestalter des Erben zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ist für die Erlangung der aktiven Erbfähigkeit nicht erforderlich. Eine juristische Person erlangt die aktive Erbfähigkeit dann, wenn sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers als Rechtssubjekt existiert. Von diesem Prinzip macht allerdings § 84 BGB für Zuwendungen an eine rechtsfähige Stiftung eine Ausnahme. Eine Stiftung gilt für Zuwendungen des Stifters schon vor dessen Tod als entstanden.

Beispiel

Elvira Ullmann, die bis zur ihrem Tod erfolgreich eine Bäckerei betrieben hat, verfügt in einem formgültigen Testament, dass ihr Vermögen auf die Brezelbub GmbH übergehen soll. Ihre Nichte Gisela Ullmann dagegen geht davon aus, dass sie selbst – trotz formgültigem Testament – Erbin des Vermögens ihrer Tante wird, da sie die Brezelbub GmbH für nicht erbfähig hält. Liegt Gisela Ullmann in ihrer Einschätzung richtig?

Lösung

Erlangt eine Person das gesamte Vermögen des Erblassers, so heißt sie Alleinerbe. Erlangt eine Person jedoch nur einen quotalen Teil des hinterlassenen Vermögens, so heißt sie Miterbe. Alle Miterben zusammen bilden dabei eine Erbengemeinschaft nach Maßgabe der §§ 2032 ff. BGB.

Infolge formgültigen Testaments geht das Vermögen der Elvira Ullmann auf die Brezelbub GmbH über, wenn diese rechtsfähig und damit auch aktiv erbfähig ist. Rechtsfähigkeit besitzen juristische Personen dann, wenn sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits als Rechtssubjekt existieren. Da die Brezelbub GmbH als juristische Person schon lange vor dem Tod der Elvira Ullmann gegründet wurde, ist sie rechtsfähig und damit auch aktiv erbfähig. Die Brezelbub GmbH wird somit Erbin des gesamten Vermögens der verstorbenen Elvira Ullmann.

2.3 Erbschaft, Nachlass und Nachlassverbindlichkeiten Das vererbliche Vermögen des Erblassers nennt das Gesetz entweder (aus Sicht des Erblassers) Nachlass oder (aus Sicht des Erben) Erbschaft, ohne damit einen sachlichen Unterschied auszudrücken. Es umfasst grundsätzlich die vermögenswerten (= geldwerten) Rechte des Erblassers (z.B. Eigentum an Bargeld, Bankguthaben, Grundstückseigentum, Gesellschaftsanteile usw.), nicht jedoch seine höchstpersönlichen Rechte. Zu diesen gehören u.a. die Ehe, das elterliche Sorgerecht, die Mitgliedschaft in einem eingetragenen Verein und das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Höchstpersönliche Rechte gehen nicht auf den Erben über, sondern erlöschen mit dem Tod des Erblassers und Rechtsinhabers. In beiden Fällen gibt es aber Ausnahmen (vgl. auf der einen Seite den nichtvererblichen vermögensrechtlichen Nießbrauch, und auf der anderen Seite die Vererblichkeit der persönlichkeitsbezogenen Urheberrechte). Zu den vererblichen vermögenswerten (= geldwerten) Rechten des Erblassers gehört neben dem Aktiv- auch sein Passivvermögen (z.B. Schulden, Verbindlichkeiten). Die Passiva, für

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Erbschaft, Nachlass und Nachlassverbindlichkeiten

welche der Erbe nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet, werden dabei gesondert als Nachlassverbindlichkeiten bezeichnet.

vererbliches Vermögen Erblasser

Erbe

Höchstpersönliche Rechte

Geldwerte Rechte

erlöschen Aktivvermögen • Grundstück • Bargeld usw.

Passivvermögen • Schulden

Erbschaft = Nachlass

Beispiel

Auf den Erben übergehendes Vermögen des Erblassers

Der Unternehmer Bernhard Sänger verstirbt. Bernhard gehören zwei Häuser, ein Wertpapierdepot, ein Wohnmobil sowie mehrere Sportwagen. Darüber hinaus besitzt er eine Motorjacht, für die aber noch 25.000 € Restkaufpreis an die Herstellerfirma zu zahlen sind. Zum Zeitpunkt seines Todes ist Bernhard sowohl Mitglied im Golfclub als auch im Tennisverein seiner Heimatstadt. Was gehört alles zum vererblichen Vermögen des Erblassers?

Lösung

Abbildung 6:

Zum vererblichen Vermögen gehören die geldwerten Rechte des verstorbenen Bernhard Sänger. Diese geldwerten Rechte setzen sich neben den Aktiva auch aus den Passiva (Schulden) des Erblassers zusammen. Damit gehören zur Erbschaft die beiden Häuser, das Wertpapierdepot, das Wohnmobil, die Sportwagen und die Sportjacht des Verstorbenen. Daneben gehen aber auch die Kaufpreisschulden des Erblassers gegenüber der Herstellerfirma der Motorjacht auf den Erben über. Für diese Kaufpreisschulden haftet dieser nach § 1967 Abs. 1 BGB. Die Mitgliedschaften von Bernhard Sänger im Golfclub und im Tennisverein gehen dagegen als höchstpersönliche Rechte des Erblassers nicht auf den Erben über. Die Mitgliedschaften erlöschen vielmehr mit dem Tod Bernhards.

19

Grundbegriffe des Erbrechts

2.4 Gesamtrechtsnachfolge, Erbengemeinschaft und Erbteil Das Erbrecht beruht auf dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession): Das vererbliche Vermögen des Erblassers geht als Ganzes auf den Erben über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Damit gehen die gesamten geldwerten Rechte des Erblassers, d.h. sein gesamtes Aktiv- wie auch Passivvermögen, auf den Erben über. Diese Rechtsfolge tritt unabhängig von der Art der erbrechtlichen Berufung als gesetzlicher oder gewillkürter Erbe – kraft Gesetzes – ein. Eines Rechtsaktes (z.B. Übertragung der Vermögensgegenstände, vertragliche Schuldenübernahme) bedarf es somit nicht. Merke: Im Rahmen des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge geht – kraft Gesetzes – das vererbliche Vermögen des Erblassers als Ganzes auf den Erben über. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB gilt auch, wenn bei einem Erbfall Miterben vorhanden sind. Diese bilden eine Erbengemeinschaft (§ 2032 Abs. 1 BGB), auf die das vererbliche Vermögen des Erblassers – kraft Gesetzes – als Ganzes übergeht. Die einzelnen Miterben erhalten dagegen nur Anteile am vererblichen Gesamtvermögen (= Erbteil, § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Einzelrechtsnachfolge eines Miterben in bestimmte Vermögensgegenstände des Erblasser kann auch rechtsgeschäftlich (z.B. durch ein Testament) nicht herbeigeführt werden. Es ist daher unmöglich, einen einzelnen Vermögensgegenstand mit dinglicher (absoluter) Wirkung einem einzelnen Miterben zuzuwenden.

Vermögen des Erblassers Grundstück

Sparbuch

PKW

Darlehen

§ 1922 BGB Übergang als „Ganzes“ auf

einzelner Miterbe erhält nicht einzelne Vermögensgegenstände, sondern nur Anteile am gesamten Vermögen des Erblassers (= Erbteil)

Erbengemeinschaft Ehegatte (Erbteil = 1/2)

Abbildung 7:

Sohn (Erbteil = 1/4)

Tochter (Erbteil = 1/4)

Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge bei einer Erbengemeinschaft

20

Gesamtrechtsnachfolge, Erbengemeinschaft und Erbteil

Beispiel

Das Vermögen von Winfried Händler besteht aus zwei ungefähr gleichwertigen Grundstücken in Ingolstadt und Regensburg. Winfried Händler bestimmt in seinem Testament, dass seine Tochter Susanne das Grundstück in Ingolstadt und sein Sohn Holger das Grundstück in Regensburg erhalten soll. Wird nach dem Tod von Winfried Händler seine Tochter Susanne unmittelbar Eigentümerin des Grundstücks in Ingolstadt, oder muss hierzu erst ein Rechtsgeschäft unter Lebenden stattfinden?

Lösung

Allerdings kann der Erblasser eine testamentarische Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) treffen, nach der ein einzelner Miterbe bei der Auseinandersetzung des Vermögens einen bestimmten Vermögensgegenstand erhalten soll. Eine solche Teilungsanordnung besitzt jedoch keine dingliche (absolute), sondern nur eine verpflichtende Wirkung im Verhältnis der einzelnen Miterben zueinander. Die Teilungsanordnung tritt somit nicht unmittelbar – kraft Gesetzes – ein, sondern muss von der Erbengemeinschaft erst durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden (z.B. Übertragung des zugewandten Vermögensgegenstandes) erfüllt werden.

Mit dem Tod von Winfried Händler wird dessen Tochter Susanne nicht unmittelbar Alleineigentümerin des Grundstücks in Ingolstadt, da dem deutschen Erbrecht die Einzelrechtsnachfolge eines Miterben in einen bestimmten Vermögensgegenstand des Erblassers unbekannt ist. Vielmehr gehen die beiden Grundstücke in Ingolstadt und Regensburg beim Erbfall nach dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) als Ganzes auf die aus Susanne und Holger bestehende Erbengemeinschaft über. Die testamentarische Teilungsanordnung des Erblassers Winfried Händler, dass Susanne das Grundstück in Ingolstadt erhalten soll, tritt erst dann ein, wenn sie von der Erbengemeinschaft durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden erfüllt wird. Demnach wird Susanne dadurch Alleineigentümerin des Grundstücks in Ingolstadt, wenn die Erbengemeinschaft es an Susanne auflässt, und sie im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen wird.

3 Gesetzliche Erbfolge Die gesetzliche Erbfolge nach den §§ 1924 ff. BGB tritt dann ein, wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen, d.h. keine rechtsgeschäftliche Anordnung (Testament, Erbvertrag) über die Erbfolge hinterlassen hat. Die gewillkürte Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen hat also Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge. Merke: Die gesetzliche Erbfolge ist gegenüber der gewillkürten Erbfolge subsidiär. Darüber hinaus kommt die gesetzliche Erbfolge auch dann zur Anwendung, wenn eine Verfügung von Todes wegen zwar vorliegt, diese den Nachlass aber nicht vollständig ver-

21

Gesetzliche Erbfolge

teilt. Hinsichtlich der übrigen Bruchteile des Nachlasses tritt in diesem Fall die gesetzliche Erbfolge ein (§ 2088 BGB). Schließlich kommt es zur gesetzlichen Erbfolge, wenn ein vom Erblasser eingesetzter Erbe die Erbschaft ausschlägt (§ 1953 Abs. 1 BGB), für erbunwürdig erklärt (§ 2344 Abs. 1 BGB) oder wenn seine Erbeinsetzung erfolgreich angefochten wird (§ 142 Abs. 1 BGB). Charakteristisch für die gesetzliche Erbfolge ist die Familienerbfolge. Danach sind nur die Verwandten des Erblassers (§§ 1924 bis 1930 BGB), sein Ehegatte (§ 1931 BGB) bzw. sein Lebenspartner (§ 10 LPartG) zu gesetzlichen Erben berufen. Grund hierfür sind zum einen die persönlichen Beziehungen, zum anderen die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Erblasser und dem Ehegatten bzw. dem Lebenspartner sowie den Verwandten. Nicht selten sind Verwandte, vor allem die Eltern, und der Ehegatte bzw. der Lebenspartner nicht unwesentlich am Vermögensaufbau des Erblassers beteiligt. Zudem findet die Familienerbfolge in der Versorgungsfunktion der Familie eine weitere Begründung. Dies gilt insbesondere für das gesetzliche Erbrecht der Abkömmlinge des Erblassers. Ist allerdings weder ein Verwandter noch ein Ehegatte bzw. ein Lebenspartner vorhanden, oder haben diese vorrangig Erbberechtigten die Erbschaft ausgeschlagen, erbt an letzter Stelle der Staat (Fiskus, § 1936 BGB). Dieser hat keine Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen.

Gesetzliche Erbfolge

Familienerbfolge

Verwandtenerbrecht §§ 1924 bis 1930 BGB

Abbildung 8:

Ehegattenerbrecht § 1931 BGB

Fiskus § 1936 BGB

Erbrecht des Lebenspartners § 10 LPartG

Gesetzliche Erbfolge im Erbrecht

3.1 Verwandtenerbrecht 3.1.1

Blutsverwandtschaft

Das Verwandtenerbrecht wird vom Prinzip der Blutsverwandtschaft bestimmt. Danach wird grundsätzlich nur gesetzlicher Erbe, wer mit dem Erblasser gem. § 1589 BGB verwandt ist. Derart verwandt sind Personen, die entweder voneinander (§ 1589 Satz 1 BGB; Verwandtschaft in gerader Linie) oder von derselben dritten Person abstammen (§ 1589

22

Verwandtenerbrecht

Satz 2 BGB; Verwandtschaft in der Seitenlinie). Demnach sind mit dem Erblasser in gerader Linie seine Kinder und Kindeskinder sowie seine Eltern und Voreltern verwandt. In der Seitenlinie sind mit ihm seine Geschwister, Onkel und Tanten 1., 2., 3. usw. Grades sowie deren Abkömmlinge verwandt. Gesetzliche Erben stellen nur die mit dem Erblasser i.S.d. § 1589 BGB verwandten Personen dar, nicht jedoch die gem. § 1590 BGB mit dem Erblasser verschwägerten Personen (z.B. Schwiegersohn/-tochter oder Schwager/Schwägerin). Der Ehegatte sowie der Lebenspartner gehören ebenfalls nicht zu den Verwandten im Rechtssinne. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten und das des Lebenspartners gilt es daher systematisch vom gesetzlichen Erbrecht der Verwandten zu unterscheiden.

Verwandte in der Seitenlinie

Verwandte in gerader Linie

Großeltern

Tante / Onkel

Cousine / Cousin

Eltern

Geschwister

Nichte / Neffe

Erblasser Keine Verwandten:

Kinder

Enkel

Abbildung 9:

3.1.2

Ehegatte, Lebenspartner und verschwägerte Personen

Verwandtschaftliche Beziehungen

Gleichstellung nichtehelicher Kinder

Nichteheliche Kinder sind ebenso wie eheliche Kinder gem. § 1589 Satz 1 BGB mit ihrem Vater blutsverwandt und damit voll berechtigte gesetzliche Erben. Von diesem Grundsatz sind allerdings die Vorschriften der §§ 1934a bis 2338a BGB lange Zeit erheblich abgewichen. Danach wurde nichtehelichen Kindern beim Tode des Vaters neben ehelichen Kindern kein den ehelichen Abkömmlingen völlig gleichwertiges Erbrecht (d.h. keine Aufnahme in die Erbengemeinschaft der engeren Familie), sondern lediglich ein Erbersatzanspruch (Geldanspruch in Höhe des gesetzlichen Erbteils) gewährt.

23

Gesetzliche Erbfolge

Diese Benachteiligung hat das Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16.12.1997 aufgehoben, in dem es die §§ 1934a bis 2338a BGB ersatzlos gestrichen hat. Nichteheliche Kinder sind somit in seit dem 1.4.1998 eingetretenen Erbfällen ehelichen Kindern des Vaters völlig gleichgestellt. Nur für Erbfälle vor dem 1.4.1998 bleiben die alten benachteiligenden Bestimmungen über den Erbersatzanspruch und den vorzeitigen Erbausgleich weiterhin relevant. Die neuen Regeln des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes gelten für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Einzige Ausnahme bilden nichteheliche Kinder in den alten Bundesländern, die vor dem 1.7.1949 geboren sind. Diese besitzen auch weiterhin keinerlei Erbrecht und keinerlei erbrechtliche Ansprüche. Die erbrechtlichen Vorschriften für nichteheliche Kinder des Vaters in den alten und neuen Bundesländern weisen dementsprechend folgende Unterschiede auf:

Kinder, die vor dem 01.07.1949 geboren sind

Alte Bundesländer

Neue Bundesländer

Kein Erbanspruch

Keine Besonderheit

Nur Geldanspruch gegen die Erben Für Erbfälle vor dem 03.10.1990 in Höhe des gesetzlichen ErbanDDR-Recht maßgebend spruchs (= Erbersatzanspruch) Für nichteheliche Kinder, die vor Möglichkeit, zwischen dem 21. und dem 03.10.1990 geboren sind, gelten 27. Lebensjahr einen vorzeitigen die gleichen Vorschriften wie für Erbfälle bis Erbausgleich zu verlangen eheliche Kinder zum 31.03.1998 Für nichteheliche Kinder, die nach dem 03.10.1990 geboren sind, gelten die Vorschriften, die das BGB bis dahin für nicht-eheliche Kinder und ihre Väter enthielt (vorzeitiger Erbausgleich, Erbersatzanspruch) Erbfälle ab Gleiches gesetzliches Erbrecht wie zwischen ehelichen Kindern und ihren dem Vätern gültig 01.04.1998 Abbildung 10: Nichteheliche Kinder des Vaters und ihre Stellung im Erbrecht Im Verhältnis zur Mutter sind nichteheliche und eheliche Kinder dagegen im gesamten Bundesgebiet schon immer erbrechtlich gleichgestellt.

24

Verwandtenerbrecht

3.1.3

Rechtliche Verwandtschaft

Als mit dem Erblasser verwandt gelten auch Adoptivkinder, obwohl sie weder gem. § 1589 BGB von ihm selbst noch von derselben dritten Person abstammen, da sie die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes des Annehmenden erhalten (§ 1754 BGB). Adoptivkinder können somit als gesetzliche Erben berufen werden. Allerdings ist zwischen der Adoption eines Minderjährigen und der eines Volljährigen zu unterscheiden. Die Adoption eines Minderjährigen begründet sowohl vollwertige verwandtschaftliche Beziehungen mit dem Annehmenden als auch mit dessen Verwandten, während gleichzeitig die Verwandtschaft mit den bisherigen Verwandten erlischt (§ 1755 BGB, Ausnahmen allerdings in § 1756 BGB bei der Verwandten- und Stiefkindadoption) – Grundsatz der Volladoption. Der adoptierte Minderjährige ist damit gesetzlicher Erbe des Annehmenden und dessen Verwandter. Dagegen hat die Adoption eines Volljährigen die Wirkung einer Volladoption nur in Ausnahmefällen (§ 1772 BGB). In der Regel beschränken sich die Rechtsfolgen auf die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses mit dem Annehmenden. Mit den Verwandten des Annehmenden entsteht keine Verwandtschaft (§ 1770 Abs. 1 BGB). Dafür bleiben die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den bisherigen Verwandten bestehen (§ 1770 Abs. 2 BGB). Der adoptierte Volljährige ist damit gesetzlicher Erbe des Annehmenden und seiner bisherigen Verwandten.

Verwandtschaft

Verwandtschaft

nicht verwandt

verwandt

Leibliche Eltern nicht verwandt Minderjähriges Adoptivkind

Leibliche Eltern verwandt voller kinderrechtlicher Status mit gesetzlichem Erbrecht

Volljähriges Adoptivkind

verwandt Annehmende(r) verwandt Verwandtschaft

verwandt Annehmende(r) nicht verwandt Verwandtschaft

Abbildung 11: Gesetzliches Erbrecht von Adoptivkindern

voller kinderrechtlicher Status mit gesetzlichem Erbrecht

25

Gesetzliche Erbfolge

3.1.4

Erbfolge nach Ordnungen

Wesentlicher Bestandteil des Verwandtenerbrechts ist die Erbfolge nach Ordnungen. Dazu werden die Verwandten des Erblassers in verschiedene Ordnungen eingeteilt. Zu einer Ordnung gehören jeweils diejenigen Personen, die vom Erblasser selbst bzw. den Voreltern einer Stufe (Eltern, Großeltern, Urgroßeltern usw.) abstammen. Daher werden die Ordnungen auch als Parentelen (von lat. parentes = Eltern) bezeichnet. Sie haben ihren Ursprung in den verschiedenen „Etagen“ des Stammbaumes.

3.1.4.1 Einteilung der Verwandten in Ordnungen (Parentelen) Die 1. Ordnung besteht aus den Abkömmlingen des Erblassers (§ 1924 Abs. 1 BGB).

Erblasser - eheliche - nichteheliche - adoptierte

Kinder

Enkel

Urenkel usw.

Erben der 1. Ordnung

Abbildung 12: Gesetzliche Erben der 1. Ordnung Die 2. Ordnung wird von den Eltern des Erblassers und deren Abkömmlingen gebildet (§ 1925 Abs. 1 BGB).

26

Verwandtenerbrecht

Erblasser

Eltern

Geschwister

Nichten / Neffen usw.

Erben der 2. Ordnung

Abbildung 13: Gesetzliche Erben der 2. Ordnung Die 3. Ordnung umfasst die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1926 Abs. 1 BGB).

Erblasser

Großeltern

Tanten / Onkel

Cousinen / Cousins usw.

Erben der 3. Ordnung

Abbildung 14: Gesetzliche Erben der 3. Ordnung Die Einteilung der Verwandten in Ordnungen (Parentelen) lässt sich grafisch im Überblick wie folgt darstellen (die Verwandtschaftsbezeichnungen beziehen sich auf den Erblasser):

27

Gesetzliche Erbfolge

Großeltern

Großeltern

Tante

3. Ordnung

Onkel

Cousin

Cousine

Eltern

Schwester

Bruder

2. Ordnung

Nichte

Neffe

Erblasser

Sohn

Tochter 1. Ordnung Enkelin

Enkel

Beispiel

Winfried Huber verstirbt und hinterlässt folgende Verwandte: Seine Tochter Ursula, seine Enkel Willi und Leopold, seine Mutter Renate, seinen Bruder Hugo, seine Großmutter Maria sowie Stefanie, die Tochter seines vorverstorbenen Patenonkels Erwin. Welchen Ordnungen sind die Verwandten des Winfried Huber zugehörig?

Lösung

Abbildung 15: Ordnungs-/Parentelsystem im Verwandtenerbrecht

Tochter Ursula ist als Abkömmling des Erblassers gesetzliche Erbin der 1. Ordnung. Dies gilt auch für Willi und Leopold, die Enkel des Erblassers (§ 1924 Abs. 1 BGB). Renate als Mutter des Erblasser gehört der 2. Ordnung an; ebenso Bruder Hugo als Abkömmling der Eltern des Erblassers (§ 1925 Abs. 1 BGB). Großmutter Maria ist gesetzliche Erbin der 3. Ordnung (§ 1926 Abs. 1 BGB). Cousine Stefanie gehört als Abkömmling der Großeltern des Erblassers ebenso zur 3. Ordnung.

28

Verwandtenerbrecht

3.1.4.2 Vorrang der vorhergehenden Ordnung Vor dem Hintergrund des Ordnungs-/Parentelsystems fixiert § 1930 BGB die Grundregel, dass ein Verwandter solange nicht als gesetzlicher Erbe berufen ist, als ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist, d.h. Vorrang der jeweils numerisch kleineren Ordnung (Vorrangprinzip).

Beispiel

Merke: Verwandte einer vorhergehenden Ordnung schließen Verwandte einer nachfolgenden Ordnung generell von der gesetzlichen Erbfolge aus („Das Gut fließt nach unten wie das Blut“).

Die alleinstehende Anneliese Koch verstirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben. Ihr Sohn Maximilian Koch sowie ihr Vater Sebastian Koch leben noch. Wie ist die gesetzliche Erbfolge zu beurteilen?

Vater Sebastian 2. Ordnung

Anneliese Koch

Sohn Maximilian 1. Ordnung

Lösung

1/1

Da Anneliese Koch kein Testament errichtet hat, regelt das Gesetz, wer erbberechtigt ist. Danach erbt ihr Sohn Maximilian Koch als gesetzlicher Erbe der 1. Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB), nicht etwa ihr Vater Sebastian Koch, der gesetzlicher Erbe der 2. Ordnung ist (§ 1925 Abs. 1 BGB). Er wird von seinem Enkel Maximilian Koch als Verwandtem einer vorhergehenden Ordnung von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1930 BGB).

29

Gesetzliche Erbfolge

In den folgenden Beispielen verwendete Symbolik: bzw.

Beim Erbfall lebende weibliche bzw. männliche Person

1/2 bzw. 1/2 R

bzw.

R

Erbteil einer weiblichen bzw. männlichen Person Weiblicher bzw. männlicher Repräsentant eines Stammes

bzw.

Weibliche bzw. männliche Personen ohne Erbteil

bzw.

Vorverstorbene weibliche bzw. männliche Person

bzw.

Weiblicher bzw. männlicher Erblasser Ehe Eingetragene Lebenspartnerschaft Geschiedene Ehe

bzw.

Leibliche Abkömmlinge

bzw.

Adoptierte Abkömmlinge

Abbildung 16: In den Beispielen verwendete Symbolik

3.1.5

Erbfolge nach Stämmen (insbesondere bei den Erben der 1. Ordnung)

Die Einteilung der Verwandten in Ordnungen und die Anwendung des Vorrangprinzips der vorhergehenden Ordnung kann die Frage nach den gesetzlichen Erben allerdings nicht immer abschließend klären, da die Möglichkeit besteht, dass innerhalb einer Ordnung mehrere auf unterschiedliche Weise mit dem Erblasser verwandte Personen vorhanden sind.

30

Verwandtenerbrecht

In solchen Fällen wird die Erbschaft nicht gleichmäßig nach Köpfen auf die in der Ordnung vorhandenen Personen aufgeteilt, sondern das Ordnungs-/Parentelsystem wird durch den Grundsatz der Erbfolge nach Stämmen ergänzt. Dieser Grundsatz besagt, dass das einer Ordnung zufallende Erbrecht gleichmäßig auf die in ihr existierenden Stämme aufgeteilt wird. Merke: Innerhalb einer erbberechtigten Ordnung erfolgt keine Vererbung nach Köpfen, sondern nach Stämmen.

3.1.5.1 Stamm Einen Stamm bilden jeweils diejenigen Abkömmlinge des Erblassers, die durch ein und denselben Abkömmling mit dem Erblasser verwandt sind (§ 1924 Abs. 3 BGB). Anders ausgedrückt: Jedes Kind des Erblassers ist ein sog. Stammvater und bildet zusammen mit seinen jeweiligen Abkömmlingen einen eigenen Stamm. Merke: Zusammen mit seinen jeweiligen Abkömmlingen bildet jedes Kind des Erblassers als sog. Stammvater einen eigenen Stamm. Die Einteilung in Stämme innerhalb der 1. Ordnung kann grafisch wie folgt dargestellt werden:

Erblasser

Kinder

1

2

3

•Stamm 2

•Stamm 3

Enkel

Urenkel •Stamm 1

Abbildung 17: Stämme innerhalb der 1. Ordnung

Gesetzliche Erbfolge

31

3.1.5.2 Repräsentations- und Eintrittsprinzip Innerhalb eines jeden Stammes gelten das Repräsentations- und das Eintrittsprinzip. Das Repräsentationsprinzip besagt, dass der am nächsten mit dem Erblasser verwandte Abkömmling eines jeden Stammes andere durch ihn mit dem Erblasser verbundene Abkömmlinge dieses Stammes von der Erbfolge ausschließt (§ 1924 Abs. 2 BGB). Der mit dem Erblasser am nächsten verwandte Abkömmling repräsentiert also seinen Stamm bzw. seine Abkömmlinge in der Erbfolge. Damit wird die ältere Generation der jüngeren Generation vorgezogen und schließt diese von der Erbfolge aus. Das Eintrittsprinzip bedeutet, dass an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings eines Stammes die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge treten (§ 1924 Abs. 3 BGB). Die Eintretenden erhalten dabei den Erbteil, der sonst auf den vorverstorbenen Abkömmling des Erblassers entfallen wäre.

Beispiel

Merke: xRepräsentationsprinzip: Stämme werden durch den am nächsten mit dem Erblasser verwandten Abkömmling repräsentiert. xEintrittsprinzip: Ist der am nächsten mit dem Erblasser verwandte Abkömmling vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge in die Erbfolge ein.

Beim Tod des verwitweten Joachim Kranz leben von seinen Abkömmlingen noch seine Kinder Lothar und Silvia, sowie vier Enkel, nämlich die Kinder von Silvia, Wolfgang und Rudolf, sowie die Kinder Horst und Harald seines bereits vorverstorbenen Sohnes Torsten. Wer bildet mit wem einen Stamm und wer repräsentiert die Stämme in der Erbfolge?

32

Verwandtenerbrecht

Joachim Kranz

Tochter Silvia

Sohn Lothar

R

R

Ehefrau

Sohn Torsten

1. Ordnung Enkel

Wolfgang

Rudolf

Lösung

Stamm Silvia

Stamm Lothar

Horst

Harald

R

R

Stamm Torsten

Jedes Kind des Erblassers Joachim Kranz bildet mit seinen jeweiligen Abkömmlingen einen eigenen Stamm (§ 1924 Abs. 3 BGB). Damit gilt es drei verschiedene Stämme zu unterscheiden, nämlich den Stamm Silvia, der aus Silvia, Wolfgang und Rudolf besteht, den Stamm Lothar sowie den Stamm Torsten, zu dem Torsten, Horst und Harald gehören. Nach dem Repräsentationsprinzip wird jeder der drei Stämme durch den am nächsten mit dem Erblasser verwandten Angehörigen des Stammes in der Erbfolge repräsentiert (§ 1924 Abs. 2 BGB). Somit sind Silvia, Lothar und Torsten als Kinder des Erblassers die Repräsentanten ihres jeweiligen Stammes und schließen ihre eigenen Kinder (sofern vorhanden) von der Erbfolge aus. Da Torsten allerdings vorverstorben ist, sind nach dem Eintrittsprinzip seine Söhne Horst und Harald anstelle ihres Vaters als Erben berufen (§ 1924 Abs. 3 BGB). Sie repräsentieren nun den Stamm ihres Vaters Torsten und sind an seiner Stelle als Erben berufen.

3.1.5.3 Gleichmäßige Aufteilung auf die Stämme Die Kinder des Erblassers erben zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB). Daraus ergibt sich zugleich, dass die Stämme zu gleichen Teilen erben. Ist ein Kind des Erblassers vorverstorben, so treten gem. § 1924 Abs. 3 BGB dessen Abkömmlinge in seinen Erbteil ein und zwar entsprechend dem Prinzip des § 1924 Abs. 4 BGB ebenfalls zu gleichen Teilen. Nur gänzlich erloschene Stämme werden bei der Aufteilung des Erbteils nicht berücksichtigt.

33

Gesetzliche Erbfolge

Merke: Stämme erben zu gleichen Teilen, wenn sie nicht erloschen sind. Der in einem Stamm befindliche Erbteil geht stets zu gleichen Teilen auf die nachrückenden Abkömmlinge über.

Joachim Kranz

Tochter Silvia

Sohn Lothar

1/3

1/3

Sohn Torsten

1. Ordnung Enkel

Wolfgang

Rudolf

Lösung

Stamm Silvia

Stamm Lothar

Horst

Harald

1/6

1/6

Stamm Torsten

Im vorangegangenen Beispiel „Joachim Kranz“ würden die Kinder des Erblassers Silvia, Lothar und Torsten, falls sie noch am Leben wären, als Repräsentanten ihres Stammes zu gleichen Teilen erben, also zu je 1/3 (§ 1924 Abs. 4 BGB). Bezüglich der noch lebenden Kinder Silvia und Lothar bleibt es bei diesem Erbteil. Der Erbteil des vorverstorbenen Sohnes Torsten entfällt aufgrund der Erbfolge nach Stämmen an seine beiden Söhne Horst und Harald und zwar zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 3 und 4 BGB). Sie erben damit beide zu je 1/6.

3.1.5.4 Abschlussfall zur Erbfolge nach Stämmen 3.1.5.4.1

Angaben

Der verwitwete Heinz Becker verstirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben. Sein Sohn Stefan Becker sowie seine Mutter Erna Müller sind noch am Leben. Sein zweiter Sohn Martin Becker ist bereits vorverstorben. Er hinterließ bei seinem Ableben die Töchter Monika, Manuela und Martina sowie die beiden Söhne Tim und Sammy, allesamt Enkel des Erblassers. Wie ist die gesetzliche Erbfolge geregelt?

34

Verwandtenerbrecht

3.1.5.4.2

Falllösung

Vater

Mutter Erna 2. Ordnung

Heinz Becker

Sohn Stefan

Ehefrau

Sohn Martin

1/2 1. Ordnung Enkel

Sammy

Tim

Manuela

Martina

Monika

1/10

1/10

1/10

1/10

1/10

Heinz Becker hat kein Testament errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Da seine Ehefrau vorverstorben ist, kommen als gesetzliche Erben nur seine Verwandten in Betracht. Dies sind seine Mutter Erna Müller, seine Söhne Stefan und Martin sowie seine Enkel Manuela, Monika und Martina sowie Sammy und Tim. Stefan und Martin als Söhne des Erblassers sowie seine fünf Enkel gehören zur 1. Ordnung der gesetzlichen Erben (§ 1924 Abs. 1 BGB). Erna Müller als Mutter des Erblassers ist gesetzliche Erbin der 2. Ordnung (§ 1925 Abs. 1 BGB). Sie ist von der Erbfolge somit ausgeschlossen (§ 1930 BGB). Innerhalb der 1. Ordnung sind Stefan und Martin als Söhne des Erblassers zur Erbfolge berufen (§ 1924 Abs. 1 BGB). Sowohl Stefan als auch Martin (zusammen mit seinen fünf Abkömmlingen) bilden dabei einen eigenen Stamm. Innerhalb dieses Stamms schließt Martin seine fünf Abkömmlinge von der Erbfolge aus (§ 1924 Abs. 2 BGB). Da Martin allerdings vorverstorben ist, treten seine fünf Abkömmlinge an seine Stelle (§ 1924 Abs. 3 BGB). Gesetzliche Erben sind damit Stefan als lebender Sohn des Erblassers sowie die fünf Enkel des Erblassers Monika, Manuela und Martina sowie Sammy und Tim. Die beiden Söhne des Erblassers, Stefan und Martin, würden, falls Martin noch am Leben wäre, als Repräsentanten ihres Stammes zu gleichen Teilen erben, also zu je 1/2 (§ 1924 Abs. 4

35

Gesetzliche Erbfolge

BGB). Bezüglich des noch lebenden Sohnes Stefan bleibt es bei diesem Erbteil. Der Erbteil des vorverstorbenen Sohnes Martin entfällt aufgrund der Erbfolge nach Stämmen nun auf seine fünf Kinder und zwar zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 3 und 4 BGB). Damit sind Monika, Manuela und Martina sowie Sammy und Tim gesetzliche Erben zu jeweils 1/10, während Stefan 1/2 erbt.

3.1.6

Erbfolge nach Linien und Stämmen (bei der 2. und 3. Ordnung)

3.1.6.1 Gesetzliche Erben der 2. Ordnung Sind keine Erben der 1. Ordnung vorhanden oder aus anderen Gründen (z.B. infolge Enterbung (§ 1938 BGB), Erbverzicht (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder Ausschlagung (§ 1953 Abs. 1 BGB)) nicht Erben geworden, bestimmt sich die gesetzliche Erbfolge nach der 2. Ordnung. Erben der 2. Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Schwestern und Brüder, Nichten und Neffen des Erblassers (§ 1925 Abs. 1 BGB). Leben zur Zeit des Erbfalls die Eltern des Erblassers, erben diese allein und zu gleichen Teilen, d.h. zu jeweils 1/2 (§ 1925 Abs. 2 BGB). Lebt zur Zeit des Erbfalls lediglich ein Elternteil des Erblassers, erbt dieser den ihm zustehenden hälftigen Erbteil. Die Hälfte des vorverstorbenen Elternteils geht auf dessen Abkömmlinge über (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Vater

Mutter

Bruder

Schwester

Erbfolge nach Stämmen Väterliche Linie (1/2)

Mütterliche Linie (1/2) Erblasser

Erbfolge nach Linien

Abbildung 18: Erbfolge nach Linien und Stämmen in der 2. Ordnung

36

Verwandtenerbrecht

Man spricht hierbei von der Erbfolge nach Linien, da das Erbe des Erblassers zu gleichen Teilen an die mütterliche und die väterliche Linie fällt. Die mütterliche Linie besteht dabei aus der Mutter des Erblassers und ihren Abkömmlingen, die väterliche Linie aus dem Vater des Erblassers und seinen Abkömmlingen. Gemeinsame Kinder von Vater und Mutter (Vollgeschwister des Erblassers) sind damit in beiden Linien, halbbürtige Geschwister des Erblassers dagegen nur in einer Linie erbberechtigt. Halbgeschwister sind aber auf jeden Fall Mitglieder der 2. Ordnung und gehen damit Angehörigen der 3. Ordnung in der Erbfolge vor. Hinsichtlich des Eintritts von Abkömmlingen eines vorverstorbenen Elternteils in die Erbfolge gelten die für die Beerbung in der 1. Ordnung maßgebenden Vorschriften (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Damit erfolgt die Erbfolge innerhalb der mütterlichen und der väterlichen Linie nach Stämmen, d.h. die Kinder eines vorverstorbenen Elternteils erben zu gleichen Teilen; darüber hinaus gilt es das Repräsentations- und das Eintrittsprinzip zu beachten.

Beispiel

Erst wenn eine der Linien vollständig ausfällt, wechselt die ursprünglich für diese Linie vorgesehene Hälfte des Erbes auf die andere Linie über. Der überlebende Elternteil des Erblassers erbt in diesem Fall alleine (§ 1925 Abs. 3 Satz 2 BGB). Ist auch dieser Elternteil nicht mehr vorhanden, fällt die gesamte Erbschaft an seine Abkömmlinge. Der kinderlose und ledige Willi Müller verstirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben. Er hinterlässt seinen Vater Rudi Müller. Neben diesem sind noch Axel und Andreas Müller, die Söhne des vorverstorbenen Bruders des Erblassers, am Leben. Wie gestaltet sich die Erbfolge? Vater Rudi

Mutter

1/2

Bruder 2. Ordnung

Neffen

Willi Müller

Axel

Andreas

1/4

1/4

37

Lösung

Gesetzliche Erbfolge

Willi Müller hat kein Testament hinterlassen, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Da Willi Müller ledig ist, kommen als gesetzliche Erben nur seine Verwandten in Betracht. Dies sind sein Vater Rudi und seine Neffen Axel und Andreas. Damit sind keine Erben der 1. Ordnung vorhanden und Vater Rudi sowie die Neffen Axel und Andreas sind als Angehörige der 2. Ordnung (§ 1925 Abs. 1 BGB) zur Erbfolge berufen (§ 1930 BGB). Wäre die Mutter des Erblassers noch am Leben, würde auf sie ebenso wie auf den Vater Rudi jeweils die Hälfte der Erbschaft entfallen (§ 1925 Abs. 2 BGB). Bezüglich des noch lebenden Vaters Rudi bleibt es bei diesem Erbteil; denn der Erbteil der vorverstorbenen Mutter bleibt innerhalb der mütterlichen Linie, da noch Abkömmlinge von ihr (Enkel Axel und Andreas) vorhanden sind. Diese treten an ihre Stelle nach den für die Beerbung in der 1. Ordnung geltenden Vorschriften (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Axel und Andreas, die Neffen des Erblassers, treten danach zu gleichen Teilen in den Erbteil ihrer vorverstorbenen Großmutter (Mutter des Erblassers) ein (§ 1924 Abs. 3 und 4 BGB), also zu je 1/4.

3.1.6.2 Gesetzliche Erben der 3. Ordnung Erben der 3. Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Tanten und Onkel sowie Cousinen und Cousins des Erblassers (§ 1926 Abs. 1 BGB). Sie sind kraft Gesetzes nur dann zur Erbfolge berufen, wenn weder Erben der 1. noch der 2. Ordnung vorhanden sind oder aus anderen, bereits genannten Gründen nicht Erben geworden sind. Wie in der 2. Ordnung bestimmt sich die Erbfolge auch hier nach Linien und Stämmen.

1/4

1/4

Großvater

Großmutter

Onkel

1/4

1/4

Großmutter

Tante

Tante

Großvater

Onkel

Erbfolge nach Stämmen Väterliche Linie (1/2)

Mütterliche Linie (1/2) Erblasser

Erbfolge nach Linien

Abbildung 19: Erbfolge nach Linien und Stämmen in der 3. Ordnung

38

Verwandtenerbrecht

Leben zur Zeit des Erbanfalls die vier Großelternteile, so erben diese allein und zu gleichen Teilen, d.h. zu jeweils 1/4 (§ 1926 Abs. 2 BGB). Fällt einer der Großelternteile zur Zeit des Erbfalls aus, so treten seine Abkömmlinge (Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen des Erblassers) an seine Stelle (§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB). Fehlen solche Abkömmlinge des vorverstorbenen Großelternteils, fällt dessen Erbteil dem anderen Teil desselben Großelternpaares zu. Ist auch dieser Großelternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge an die Stelle beider Teile des Großelternpaares (§ 1926 Abs. 3 Satz 2 BGB). Man spricht auch hier von der Erbfolge nach Linien, da das Erbe des Erblassers gleichmäßig auf die mütterliche und die väterliche Linie aufgeteilt wird. Die mütterliche Linie besteht dabei aus den Großeltern des Erblassers mütterlicherseits und deren Abkömmlingen, die väterliche Linie aus den Großeltern der Erblassers väterlicherseits und deren Abkömmlingen. Erst wenn eine der Linien vollständig ausfällt, wechselt die ursprünglich für diese Linie vorgesehene Hälfte des Erbes auf die andere Linie über: In diesem Fall erbt das Großelternpaar der anderen Linie und dessen Abkömmlinge (§ 1926 Abs. 4 BGB).

Beispiel

Treten Abkömmlinge an die Stelle ihrer vorverstorbenen Eltern oder Voreltern, finden auch in der 3. Ordnung die für die Beerbung in der 1. Ordnung maßgebenden Vorschriften Anwendung (§ 1926 Abs. 5 BGB). Damit bestimmt sich die Erbfolge innerhalb der großelterlichen Linien nach Stämmen, d.h. die Kinder (Tanten und Onkel des Erblassers) des vorverstorbenen Elternteils (Großelternteils des Erblassers) erben zu gleichen Teilen. Darüber hinaus gilt auch hier das Repräsentations- und das Eintrittsprinzip. Die kinderlose und verwitwete Olivia Möller verstirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben. Folgende Verwandte von ihr sind noch am Leben: Ihre Großmutter in der väterlichen Linie sowie zwei Onkel in der mütterlichen Linie. Wie ist die Erbfolge zu beurteilen?

39

Gesetzliche Erbfolge Großvater

Großmutter

Großmutter

Großvater

1/2 3. Ordnung

Onkel

Onkel

1/4

1/4

Vater

Mutter

Lösung

Olivia Möller

Ehemann

Olivia Möller hat kein Testament errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Da Olivia Möller kinderlos und verwitwet ist, kommen als gesetzliche Erben nur ihre Verwandten in Betracht. Dies sind ihre Großmutter in der väterlichen und ihre beiden Onkel in der mütterlichen Linie. Damit sind weder Erben der 1. noch der 2. Ordnung vorhanden, und die Großmutter sowie die beiden Onkel sind als Angehörige der 3. Ordnung (§ 1926 Abs. 1 BGB) zur Erbfolge berufen (§ 1930 BGB). Wären alle Großelternteile noch am Leben, würde auf jeden von ihnen jeweils ein Viertel der Erbschaft entfallen (§ 1926 Abs. 2 BGB). Da der Großvater in der väterlichen Linie vorverstorben ist und keine Abkömmlinge hinterlassen hat, fällt sein Erbteil von 1/4 der noch lebenden Großmutter in der väterlichen Linie zu (§ 1926 Abs. 3 Satz 2 BGB). Sie erbt damit insgesamt 1/2. In der mütterlichen Linie fällt der Erbteil von 1/2, den das vorverstorbene Großelternpaar zusammen bekommen hätte, an deren Abkömmlinge, nämlich die beiden Onkel der Erblasserin (§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB). Diese erben dabei zu gleichen Teilen, also zu je 1/4 (§ 1926 Abs. 5 i.V.m. § 1924 Abs. 3 und 4 BGB).

3.1.7

Zusammenfassende Übersicht: Ermittlung der gesetzlichen Erbfolge innerhalb der ersten drei Ordnungen

Nachdem die Einteilung der gesetzlichen Erben in die ersten drei Ordnungen, die Erklärung des Verhältnisses der einzelnen Ordnungen zueinander und die Erläuterung der Erbfolge innerhalb der einzelnen Ordnungen bereits in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich erfolgt ist, sollen die genannten Punkte an dieser Stelle zur Wiederholung noch einmal im Überblick dargestellt und miteinander verknüpft werden.

40

Verwandtenerbrecht

1. Schritt: Einteilung der Verwandten in Ordnungen 1. Ordnung

2. Ordnung

3. Ordnung

Abkömmlinge des Erblassers

Eltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge

Großeltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge

(§ 1924 Abs. 1 BGB)

(§ 1925 Abs. 1 BGB)

(§ 1926 Abs. 1 BGB)

2. Schritt:

Ermittlung der erbberechtigten Ordnung

Vorrangprinzip: Vorrang der jeweils numerisch kleineren Ordnung (§ 1930 BGB) 3. Schritt: Ermittlung der Erbfolge innerhalb der erbberechtigten Ordnung Erbfolge nach Stämmen

Erbfolge nach Linien

Jeder Stamm erbt gleich

Mütterliche und väterliche Linie erben gleich

(§ 1924 Abs. 4 BGB)

(§§ 1925 Abs. 2, 1926 Abs. 2 BGB)

Repräsentationsprinzip: Stamm / Linie wird von der am nächsten mit dem Erblasser verwandten Person repräsentiert (§§ 1924 Abs. 2, 1925 Abs. 2, 1926 Abs. 2 BGB) Eintrittsprinzip: Bei Tod der am nächsten mit dem Erblasser verwandten Person treten dessen Abkömmlinge in die Erbfolge ein (§§ 1924 Abs. 3, 1925 Abs. 3, 1926 Abs. 3 BGB)

Abbildung 20: Ermittlung der Erbfolge innerhalb der ersten drei Ordnungen

3.1.8

Erbfolge nach dem Gradualsystem (ab der 4. Ordnung)

Erben der 4. Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also Großonkel, Großtanten usw., § 1928 Abs. 1 BGB). Gesetzliche Erben der 5. Ordnung und der ferneren Ordnungen sind die entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (§ 1929 Abs. 1 BGB). Damit sind die Erbordnungen nach dem BGB unbegrenzt.

41

Gesetzliche Erbfolge

Ab der 4. Ordnung findet innerhalb der Ordnungen weder eine Erbfolge nach Stämmen noch nach Linien statt, vielmehr wird auf das Gradualsystem umgestellt. Zugunsten dessen entfallen dabei sowohl das Repräsentations- als auch das Eintrittsprinzip.

1. Schritt: Einteilung der Verwandten in Ordnungen 1. - 3. Ordnung

ab 4. Ordnung

Kinder, Eltern und Großeltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge

Urgroßeltern und entferntere Voreltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge

(§§ 1924 Abs. 1, 1925 Abs. 1, 1926 Abs. 1 BGB)

(§§ 1928 Abs. 1, 1929 Abs. 1 BGB)

2. Schritt: Ermittlung der erbberechtigten Ordnung Vorrangprinzip: Vorrang der jeweils numerisch kleineren Ordnung (§ 1930 BGB)

3. Schritt: Ermittlung der Erbfolge innerhalb der erbberechtigten Ordnung Erbfolge nach Stämmen und Linien Jeder Stamm/ jede Linie erbt gleich, Repräsentations- und Eintrittsprinzip (§§ 1924 Abs. 2, 3 und 4, 1925 Abs. 2 und 3, 1926 Abs. 2 und 3 BGB)

Erbfolge nach dem Grad der Verwandtschaft Vorrang des niedrigeren Verwandtschaftsgrades (§§ 1928 Abs. 3, 1589 Satz 3 BGB)

Abbildung 21: Ermittlung der Erbfolge durch Gradualsystem ab der 4. Ordnung Demnach erben lebende Urgroßelternteile, wenn Erben einer vorhergehenden Ordnung nicht vorhanden sind, jeweils allein, unter Umständen zu gleichen Teilen, ohne dass dabei die Zugehörigkeit zu verschiedenen Linien von Bedeutung wäre (§ 1928 Abs. 2 BGB). Ein lebender Urgroßelternteil schließt damit nicht nur seine, sondern auch die Abkömmlinge eines anderen Urgroßelternteils von der Erbfolge aus (sog. unbedingtes Schoßfallrecht). Leben zur Zeit des Erbfalls die Urgroßeltern nicht mehr, so sind diejenigen Abkömmlinge

42

Verwandtenerbrecht

Beispiel

der Urgroßeltern zur Erbfolge berufen, die dem Grade nach am nächsten mit dem Erblasser verwandt sind (§ 1928 Abs. 3 Hs. 1 BGB). Der Grad der Verwandtschaft wird dabei durch die Zahl der Geburten (Abstammungsstriche) bestimmt, welche die Verwandtschaft vermitteln (§ 1589 Satz 3 BGB). Unabhängig von der Zugehörigkeit zu Stämmen erben mehrere gleich nahe Verwandte zu gleichen Teilen (§ 1928 Abs. 3 Hs. 2 BGB). Für die 5. Ordnung sowie die ihr folgenden Ordnungen finden diese Regeln entsprechend Anwendung (§ 1929 Abs. 2 BGB). Der unverheiratete Frederik Schäfer verstirbt ohne Errichtung eines Testaments. Als einzige Verwandte leben noch der Enkel eines Urgroßelternpaares in der mütterlichen Linie (Onkel 2. Grades des Erblassers) und die Tochter eines Urgroßelternpaares in der väterlichen Linie (Großtante des Erblassers). Wie gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge? Urgroßeltern

Großtante

Urgroßeltern

Großeltern

Großeltern

Vater

Mutter

Großtante

4. Ordnung

1/1

Onkel 2. Grades

Lösung

Frederik Schäfer

Frederik Schäfer hat kein Testament errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Da Frederik Schäfer unverheiratet ist, kommen als gesetzliche Erben nur seine Verwandten in Betracht. Dies sind der Enkel eines Urgroßelternpaares in der mütterlichen und die Tochter eines Urgroßelternpaares in der väterlichen Linie. Damit fehlen Erben der 1. bis 3. Ordnung, und die noch lebenden Verwandten sind als Angehörige der 4. Ordnung (§ 1928 Abs. 1 BGB) zur Erbfolge berufen (§ 1930 BGB).

Gesetzliche Erbfolge

43

Da zur Zeit des Erbfalls die Urgroßelternpaare des Erblassers nicht mehr leben, erben diejenigen Abkömmlinge, die mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt sind (§ 1928 Abs. 3 BGB). Der Grad der Verwandtschaft wird durch die Zahl der Geburten bestimmt, welche die Verwandtschaft vermitteln (§ 1589 Satz 3 BGB). Die Tochter eines Urgroßelternpaares in der väterlichen Linie ist damit im vierten Grad (Erblasser – Vater – Großeltern – Urgroßeltern – Tochter der Urgroßeltern = vier Abstammungsstriche), der Enkel eines Urgroßelternpaares in der mütterlichen Linie im fünften Grad (Erblasser – Mutter – Großeltern – Urgroßeltern – Tochter der Urgroßeltern – Enkel der Urgroßeltern = fünf Abstammungsstriche) mit dem Erblasser Frederik Schäfer verwandt. Zum gesetzlichen Erben ist damit alleine die Tochter eines Urgroßelternpaares in der väterlichen Line (Großtante des Erblassers Frederik Schäfer) aufgrund ihres niedrigeren Verwandtschaftsgrades berufen.

3.1.9

Abschlussfall zum Verwandtenerbrecht

3.1.9.1 Angaben Der verwitwete Großunternehmer Max Bellheim, der kein Testament errichtet hat, kommt bei einem tragischen Autounfall ums Leben. Bei der kriminaltechnischen Untersuchung des Unfallwagens entdecken die Polizeibeamten, dass an den Bremsleitungen des Wagens von Max Bellheim vor dem Unfall vorsätzlich manipuliert worden ist. Da auch auf Gabriela, die Adoptivtochter von Max Bellheim, bereits ein Mordanschlag verübt worden ist, vermutet der zuständige Kriminalkommissar Horst Schimanski den Mörder im Verwandtenkreis des verstorbenen Max Bellheim. Er bittet Sie daher um ihren Rat. Sie sollen ihm aufzeigen, welcher Verwandte von Max Bellheim in der gesetzlichen Erbfolge an welcher Stelle steht und damit ein mehr oder weniger großes Tatmotiv für den Mord an Max Bellheim bzw. den Mordanschlag auf Gabriela Bellheim besitzt. Bei seinem Ableben hinterlässt Max Bellheim folgende Personen: Gabriela Bellheim, die Max im Alter von 15 Jahren aus einem peruanischen Waisenhaus adoptiert hat, seinen schwerkranken Vater Karl Bellheim sowie Brutus, den Sohn seiner vorverstorbenen Schwester Ingrid. Weiter sind noch der Großvater Max Bellheims in der väterlichen Linie sowie dessen Sohn Andi Bellheim, der Onkel des Erblassers am Leben. Im Haushalt des Erblassers Max Bellheim lebt zudem noch Rüdiger Kohl, der Sohn seiner vorverstorbenen Ehefrau Patricia Bellheim aus erster Ehe.

3.1.9.2 Falllösung Max Bellheim hat kein Testament errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Da seine Ehefrau Patricia Bellheim vorverstorben ist, kommen als gesetzliche Erben nur die Verwandten des Erblassers in Betracht. Um die gesetzliche Erbfolge zu bestimmen, gilt es zunächst, die Verwandten von Max Bellheim in Ordnungen einzuteilen.

44

Verwandtenerbrecht Großvater

Großmutter

Großvater

Großmutter

3. Ordnung

Onkel Andi

Vater Karl

Mutter Susanne

Schwester Ingrid 2. Ordnung

Neffe Brutus

Max Bellheim

Patricia

Ehefrau Adoptivtochter Gabriela

Stiefsohn Rüdiger 1. Ordnung

Adoptivtochter Gabriela, die bei ihrer Annahme durch Max Bellheim minderjährig war, ist zwar nicht gem. § 1589 BGB mit dem Erblasser verwandt, hat allerdings durch die Adoption die Stellung eines Kindes des Annehmenden erlangt (§ 1754 BGB). Sie ist somit als Abkömmling des Erblassers der 1. Ordnung der gesetzlichen Erben (§ 1924 Abs. 1 BGB) zugehörig. Stiefsohn Rüdiger Kohl ist ebenfalls nicht gem. § 1589 BGB mit dem Erblasser Max Bellheim verwandt. Er ist damit auch nicht, im Gegensatz zu Gabriela, zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Die Tatsache, dass er im Haushalt seines Stiefvaters (Erblassers) sowie seiner Mutter gelebt hat, spielt erbrechtlich keine Rolle. Der Vater des Erblasser, der schwerkranke Karl Bellheim, ist ebenso wie sein Enkel Brutus gesetzlicher Erbe der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge, § 1925 Abs. 1 BGB). Max Bellheims Großvater in der väterlichen Linie und dessen Sohn (Onkel des Erblassers) gehören der 3. Ordnung der gesetzlichen Erben an (Großeltern des Erblassers und ihre Abkömmlinge, § 1926 Abs. 1 BGB).

Gesetzliche Erbfolge

45

Nachdem die Verwandten in Ordnungen eingeteilt worden sind, gilt es nun die jeweils erbberechtigte Ordnung zu ermitteln. Dabei ist die Grundregel zu beachten, dass Verwandte einer früheren Ordnung Verwandte einer späteren Ordnung von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, d.h. Vorrang der jeweils numerisch kleineren Ordnung (§ 1930 BGB). Demnach würde Gabriela Bellheim als einzige Angehörige der 1. Ordnung die anderen Verwandten der späteren Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen und das gesamte Vermögen ihres verstorbenen Adoptivvaters Max Bellheim erben. Erst wenn keine Erben der 1. Ordnung vorhanden wären, d.h. Gabriela tot wäre, könnten die Erben der 2. Ordnung (§ 1925 BGB) zum Zuge kommen. In diesem Fall würde die eine Hälfte der Erbschaft auf die väterliche Linie (Vater des Erblassers und seine Abkömmlinge), die andere Hälfte der Erbschaft auf die mütterliche Linie (Mutter des Erblassers und ihre Abkömmlinge) entfallen (§ 1925 Abs. 2 BGB). Bezüglich des noch lebenden Vaters Karl Bellheim, der allerdings schwer erkrankt ist, bliebe es bei diesem Erbteil. Der hälftige Erbteil der vorverstorbenen Mutter Susanne Bellheim entfiele an deren Abkömmlinge, d.h. an deren Tochter Ingrid, die Schwester des Erblassers Max Bellheim (§ 1925 Abs. 3 Satz 1 BGB). Da allerdings auch Ingrid vorverstorben ist, würde an deren Stelle ihr Sohn Brutus, der Neffe des Erblassers, treten (§ 1924 Abs. 3 BGB). Brutus würde somit 1/2 des Nachlasses des verstorbenen Max Bellheim erben. Erst wenn weder Erben der 1. noch der 2. Ordnung vorhanden wären, könnten die Erben der 3. Ordnung in die gesetzliche Erbfolge eintreten. In diesem Fall würden sowohl die väterliche Linie (Großeltern väterlicherseits und ihre Abkömmlinge) als auch die mütterliche Linie (Großeltern mütterlicherseits und ihre Abkömmlinge) zu je 1/2 erben. Dabei entfiele auf jeden Großelternteil, wenn alle von ihnen noch leben würden, ein Erbteil von 1/4 (§ 1926 Abs. 2 BGB). Da die Großmutter in der väterlichen Linie des Max Bellheim vorverstorben ist, würde ihr Erbteil von 1/4 an ihren einzigen Abkömmling, nämlich Andi Bellheim, fallen (§ 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB). Da die gesamte mütterliche Linie (Großeltern mütterlicherseits und ihre Abkömmlinge) nicht vorhanden ist, würde der für diese Linie vorgesehene Erbteil von 1/2 auf die väterliche Linie überwechseln, so dass die Großeltern väterlicherseits und ihre Abkömmlinge alleine erbten (§ 1926 Abs. 4 BGB). Damit würden sowohl der noch lebende Großvater väterlicherseits als auch Andi Bellheim als dessen Abkömmling einen zusätzlichen Erbteil von je 1/4 erhalten und insgesamt je 1/2 des Nachlasses erben. ¾

Ratschlag an Hauptkommissar Schimanski

Nach dem Tod von Max Bellheim erhält dessen Adoptivtochter Gabriela als einzige Erbin der 1. Ordnung das gesamte Vermögen. Da sie allerdings als Mordverdächtige aufgrund des Mordanschlags auf ihre eigene Person ausscheidet, ist Hauptkommissar Horst Schimanski zu raten, seine Ermittlungen auf Brutus, den Neffen Max Bellheims, zu konzentrieren. Dieser würde beim Ableben von Gabriela zunächst die eine Hälfte des Vermögens von Max Bellheim erben und beim voraussehbaren Tod seines schwer erkrankten Großvaters Karl

46

Ehegattenerbrecht

Bellheim, dem Vater des Erblasser Max Bellheim, auch noch die andere Hälfte des Vermögens.

3.2 Ehegattenerbrecht Die vorstehenden Regelungen zum gesetzlichen Verwandtenerbrecht sind für den überlebenden Ehegatten nicht maßgebend, da dieser nicht gem. § 1589 BGB mit dem Erblasser verwandt ist. Das BGB gewährt dem überlebenden Ehegatten allerdings neben den Verwandten ein eigenständiges gesetzliches Erbrecht (§ 1931 BGB). Dieses gesetzliche Ehegattenerbrecht gilt es vorrangig zu beachten, da sich die Erbteile innerhalb des gesetzlichen Verwandtenerbrechts nur dann ermitteln lassen, wenn die Erbteile des Ehegatten bekannt sind. Nur die nicht auf den Ehegatten entfallenden Erbteile können unter den erbberechtigten Verwandten entsprechend ihren Erbquoten aufgeteilt werden. Merke: Hat der Erblasser sowohl einen Ehegatten als auch Verwandte hinterlassen, so gilt es zunächst den Erbteil des Ehegatten zu ermitteln. Nur der ihm gesetzlich nicht zustehende Erbteil wird anschließend auf die Verwandten aufgeteilt. Vorgehensweise, wenn Ehegatte und Verwandte als Erben vorhanden sind: 1. Bestimmung des Erbteils des Ehegatten 2. Bestimmung der Erbteile der Verwandten.

3.2.1

Voraussetzungen des Ehegattenerbrechts

Das gesetzliche Ehegattenerbrecht ist nur unter der Voraussetzung anzuwenden, dass der überlebende Ehegatte und der Erblasser beim Erbfall in einer gültigen Ehe gelebt haben. War die Ehe bereits vorher durch Aufhebung (§§ 1313 ff. BGB) oder durch Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) rechtskräftig aufgelöst, so besteht kein gesetzliches Ehegattenerbrecht. Dieses ist bereits vor der Rechtskraft des Urteils ausgeschlossen, wenn beim Erbfall die Voraussetzungen einer Ehescheidung gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 1933 Satz 1 BGB). Die Scheidungsvoraussetzungen ergeben sich aus den §§ 1565 bis 1568 BGB. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht ist auch dann ausgeschlossen, wenn dem Erblasser ein Aufhebungsgrund (§ 1314 BGB) zustand und er die Aufhebungsklage bereits erhoben hatte (§ 1933 Satz 2 BGB).

Gesetzliche Erbfolge

47

Die Voraussetzungen für die Anwendung des Ehegattenerbrechts sind kumulativ: 9 Bestehende Ehe (d.h. weder Scheidung noch Aufhebung der Ehe), 9 keine Beantragung der Scheidung durch den Erblasser, 9 keine Zustimmung zur Scheidung durch den Erblasser, 9 keine Aufhebungsklage durch den Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls. Überlebenden Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steht kein gesetzliches Ehegattenerbrecht zu. Ihre Berufung zu Erben ist nur im Wege einer Verfügung von Todes wegen möglich. Ein überlebender Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zweier Personen des gleichen Geschlechts ist dagegen gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG zum gesetzlichen Erben berufen und zwar im gleichen Umfang wie ein Ehegatte (siehe Kapitel II 3.3).

3.2.2

Höhe des Ehegattenerbteils im Allgemeinen

Sind die Voraussetzungen des gesetzlichen Ehegattenerbrechts erfüllt, regelt § 1931 Abs. 1 und 2 BGB die Höhe des dem überlebenden Ehegatten zufallenden Erbteils zunächst unabhängig vom ehelichen Güterstand. Die Höhe des Erbteils richtet sich vielmehr danach, zu welcher Ordnung die erbenden Verwandten des Erblassers gehören. Neben Verwandten der 1. Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers) beträgt der Erbteil des überlebenden Ehegatten 1/4, neben Verwandten der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers bzw. deren Abkömmlingen) und neben Großeltern 1/2 (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB). Treffen in der 3. Ordnung Großeltern mit Abkömmlingen weggefallener Großeltern zusammen, erhält der überlebende Ehegatte zusätzlich zu seiner Hälfte auch den Anteil, der nach den Vorschriften der 3. Ordnung den Abkömmlingen der weggefallenen Großeltern zustehen würde (§ 1931 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1926 BGB). Sind weder Verwandte der 1. noch der 2. Ordnung noch Großeltern vorhanden, sondern lediglich entferntere Verwandte, erbt der überlebende Ehegatte alleine (§ 1931 Abs. 2 BGB). Zusammenfassend lassen sich die jeweiligen Erbteile des Ehegatten im Allgemeinen wie folgt darstellen:

48

Ehegattenerbrecht

Erbteil des Ehegatten unabhängig vom ehelichen Güterstand

Miterben 1. Ordnung

= 1/4 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB

2. Ordnung

= 1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB neben Großeltern 1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB +

3. Ordnung

?

Abkömmlingsanteil weggefallener Großeltern (§ 1931 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1926 BGB)

= 1/2 wenn alle Großeltern leben (sonst mehr wg. Abkömmlingsanteil) wenn keine Großeltern mehr leben = 1/1 aus § 1931 Abs. 2 BGB

Beispiel

Abbildung 22: Höhe des Ehegattenerbteils im Allgemeinen Karl Wolf stirbt kinderlos, ohne ein Testament errichtet zu haben. Er hinterlässt seine Ehefrau Maria Wolf, mit welcher der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung vereinbart war. Zudem sind von seinen Verwandten noch seine Großmutter in der mütterlichen Linie, sein Großvater in der väterlichen Linie sowie dessen beiden Söhne (Onkel des Erblassers Karl Wolf) am Leben. Wie gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge?

Großvater

Großmutter

Großvater

Großmutter 1/4

1/8

3. Ordnung

Onkel

Onkel

Vater

Mutter

Karl Wolf

Maria Wolf 5/8 = 1/2 + 1/8 Abkömmlingsanteil

Ehefrau

Lösung

Gesetzliche Erbfolge

49

Karl Wolf hat kein Testament errichtet, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Zu dieser sind seine überlebende Ehefrau Maria Wolf (§ 1931 Abs. 1 BGB) und seine Verwandten, d.h. seine Großmutter in der mütterlichen Linie, sein Großvater in der väterlichen Linie sowie dessen Söhne als Angehörige der 3. Ordnung (§ 1926 Abs. 1 BGB) berufen. Zunächst gilt es, den Erbteil der Ehefrau Maria Wolf zu bestimmen, um den verbleibenden Teil der Erbschaft auf die Verwandten aufteilen zu können. Maria Wolf erbt als Ehefrau des Erblassers neben den Großeltern 1/2 (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die verbleibende Hälfte der Erbschaft würde zu gleichen Teilen an die vier Großelternteile von Karl Wolf fallen, d.h. zu je 1/8, wenn diese noch am Leben wären (§ 1926 Abs. 2 BGB). Der Erbteil des vorverstorbenen Großvaters in der mütterlichen Linie fällt aufgrund fehlender Abkömmlinge an die noch lebende Großmutter in der mütterlichen Linie (§ 1926 Abs. 3 BGB), so dass diese 1/4 (= 1/8 + 1/8) erbt. Der noch lebende Großvater in der väterlichen Linie erhält seinen Erbteil von 1/8 (§ 1926 Abs. 2 BGB). Der Erbteil der vorverstorbenen Großmutter in der väterlichen Linie von 1/8 würde normalerweise an deren Söhne (Onkel des Erblassers) als noch lebende Abkömmlinge fallen (§ 1926 Abs. 3 BGB). Dieser Erbteil wird allerdings als „Abkömmlingsanteil weggefallener Großeltern“ dem Ehegatten des Erblassers zugeschlagen (§ 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit erbt die überlebende Ehefrau Maria Wolf ihren eigenen Erbteil von 1/2 sowie zusätzlich den Abkömmlingsanteil von 1/8, insgesamt also 5/8.

3.2.3

Höhe des Ehegattenerbteils in Abhängigkeit vom ehelichen Güterstand

Neben der Grundregel des § 1931 Abs. 1 und 2 BGB ist die Höhe des dem überlebenden Ehegatten zufallenden Erbteils vom ehelichen Güterstand abhängig. Die verschiedenen ehelichen Güterstände sind in den §§ 1363 ff. BGB geregelt. Es gilt dabei, zwischen dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 bis 1390 BGB), der Gütertrennung (§ 1414 BGB) und der Gütergemeinschaft (§§ 1415 bis 1421 BGB) zu unterscheiden.

50

Ehegattenerbrecht

Eheliche Güterstände

Zugewinngemeinschaft §§ 1363 bis 1390 BGB

Gütertrennung § 1414 BGB

Gütergemeinschaft §§ 1415 bis 1421 BGB

gesetzlicher Güterstand, wenn nicht durch Ehevertrag andere Vereinbarung

nur durch Ehevertrag möglich

nur durch Ehevertrag möglich

Gütertrennung, Zugewinnausgleich bei Beendigung

Gütertrennung, kein Zugewinnausgleich bei Beendigung

Vermögen der Ehegatten wird gemeinschaftliches Vermögen

Abbildung 23: Verschiedene eheliche Güterstände

3.2.3.1 Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft 3.2.3.1.1

Die Zugewinngemeinschaft

Beispiel

Ist durch Ehevertrag nichts anderes vereinbart worden, gilt die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand (§ 1363 Abs. 1 BGB). Bei der Zugewinngemeinschaft handelt es sich nicht um eine Vermögensgemeinschaft der Ehegatten, d.h. die Zugewinngemeinschaft führt nicht dazu, dass die Vermögensmassen von Mann und Frau gemeinschaftliches Vermögen werden. Dies gilt im Übrigen auch für solches Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt (§ 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Vermögen von Mann und Frau bleiben getrennt, sog. Trennungsprinzip. Damit erlangt ein Ehegatte durch Eheschließung keinen automatischen Zugriff auf das Vermögen des anderen Ehegatten. Auch haftungsrechtlich hat weiterhin der Grundsatz Gültigkeit, dass jeder Ehegatte nur für die von ihm eingegangenen Verpflichtungen haftet. Bei der Eheschließung zwischen Christa Springer und Robert Faulstich besitzt Christa Wertpapiere im Wert von 50.000 €. Robert gehört zu diesem Zeitpunkt ein Mercedes SLK im Wert von 90.000 €. Während der Ehe erwirbt Robert ein Grundstück im Wert von 200.000 €. Die Wertpapiere von Christa erreichen einen Wert von 75.000 €. Aufgrund des sog. Trennungsprinzips ist Christa nach wie vor alleinige Eigentümerin ihrer Wertpapiere, Robert alleiniger Eigentümer seines Mercedes und des Grundstücks.

51

Gesetzliche Erbfolge

Vermögen

Vermögen

Mann

Frau Eheschließung Trennungsprinzip

Ehemann

Ehefrau Zugewinn

Zugewinn

Zugewinngemeinschaft

Beendigung Mann

Frau Zugewinn

Zugewinn

Basis für den Zugewinnausgleich

Erbrechtliche Lösung (siehe Abbildung 27)

Güterrechtliche Lösung (siehe Abbildung 30)

Abbildung 24: Zugewinngemeinschaft als Gütertrennung mit Zugewinnausgleich Allerdings findet bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft (durch z.B. Scheidung, Aufhebung oder Tod) ein Ausgleich des beiderseitigen Zugewinns statt, den die Eheleute während ihrer Ehe erzielt haben (§ 1363 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Zugewinngemeinschaft wird daher auch als „Gütertrennung mit Zugewinnausgleich“ bezeichnet. Dem Zugewinnausgleich liegt die Erwägung zugrunde, dass der von einem Ehegatten (z.B. dem berufstätigen Ehegatten) während der Ehe erzielte Vermögenszuwachs (= Zugewinn) ebenso auf den Leistungen des anderen Ehegatten (z.B. des nicht-berufstätigen und den Haushalt führenden Ehegatten) beruht und demzufolge auch beiden Ehegatten zusteht.

52

Ehegattenerbrecht

Beispiel

Bei ihrer Eheschließung besitzen die beiden BWL-Studenten Max Lange und Barbara Fröhlich kein nennenswertes Vermögen. Als Barbara, mittlerweile hochbezahlte Unternehmensberaterin, auf einer Geschäftsreise tödlich verunglückt, hinterlässt sie ein beträchtliches Vermögen. Ihr überlebender Ehemann hat dagegen zu diesem Zeitpunkt immer noch kein Vermögen aufgebaut, da er sich seit mehreren Jahren als „Hausmann“ um die Erziehung der gemeinsamen Tochter der Eheleute kümmert. In diesem Fall steht Max ein Ausgleich des während der Ehe erzielten Zugewinns seiner Ehefrau Barbara zu.

3.2.3.1.2

Zugewinnausgleich beim Tod eines Ehegatten

Bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten unterscheidet § 1371 BGB zwischen zwei Arten des Zugewinnausgleichs.

Zugewinnausgleich beim Tod eines Ehegatten

Erbrechtliche Lösung § 1371 Abs. 1 BGB

Güterrechtliche Lösung § 1371 Abs. 2 BGB

Regelfall

Abbildung 25: Arten des Zugewinnausgleichs beim Tod eines Ehegatten Der Zugewinnausgleich kann zum einen durch die erbrechtliche Lösung (§ 1371 Abs. 1 BGB), die den Regelfall darstellt, zum anderen durch die güterrechtliche Lösung (§ 1371 Abs. 2 BGB) erfolgen.

3.2.3.1.2.1

Erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs

Die erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs (§ 1371 Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass der überlebende Ehegatte als gesetzlicher Erbe berufen ist und die Erbschaft nicht ausschlägt.

53

Gesetzliche Erbfolge Die Voraussetzungen für die erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs: 9Überlebender Ehegatte ist gesetzlicher Erbe und 9Überlebender Ehegatte schlägt die Erbschaft nicht aus.

Der Zugewinnausgleich erfolgt bei der erbrechtlichen Lösung allerdings nicht durch Ermittlung des beiderseits erzielten Zugewinns und Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs, sondern in pauschalierter Form. Der Erbteil des überlebenden Ehegatten wird dabei um 1/4 erhöht (§ 1371 Abs. 1 BGB). Dieses sog. Ausgleichsviertel wird dem Erbteil, den der überlebende Ehegatte bereits nach § 1931 Abs. 1 BGB erhält, hinzugerechnet (§ 1931 Abs. 3 BGB). Diese erbrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB greift unabhängig davon ein, ob vom verstorbenen Ehegatten überhaupt ein Zugewinn erzielt worden ist, oder ob sein Zugewinn den des überlebenden Ehegatten tatsächlich übersteigt (§ 1371 Abs. 1 Hs. 2 BGB). Auch das Vermögen, das der verstorbene Ehegatte bereits in die Ehe eingebracht hat oder das er während der Ehe geerbt bzw. geschenkt bekommen hat, wird bei der erbrechtlichen Lösung aufgrund der Pauschalierung in den Zugewinnausgleich eingerechnet. Merke: Bei der erbrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs – dem Regelfall – wird der Erbteil des überlebenden Ehegatten pauschal um 1/4 erhöht.

Erbrechtliche Lösung

Überlebender Ehegatte = Gesetzlicher Erbe

Erbteil

aus § 1931 Abs. 1 BGB +

1/4

aus § 1371 Abs. 1 BGB

pauschaler Zugewinnausgleich

Abbildung 26: Erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs Der Pauschalausgleich des Zugewinns ist vom Gesetzgeber aus Gründen der Einfachheit und Klarheit geschaffen worden. Die schwierige Frage nach dem tatsächlichen Bestehen einer Ausgleichsforderung und die damit verbundene Vergleichsberechnung sollten somit umgangen werden; zumal es in den meisten Fällen nahezu unmöglich sein dürfte, nach 20

54

Ehegattenerbrecht

oder 30 Ehejahren das Anfangsvermögen des verstorbenen Ehegatten zu ermitteln, da Ehegatten bei der Eheschließung nur sehr selten ein Verzeichnis ihres Vermögens erstellen. Der überlebende Ehegatte erhält bei der erbrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs neben Erben der 1. Ordnung (Abkömmlingen des Erblassers) 1/2 (= 1/4 + 1/4), neben Erben der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers oder deren Abkömmlingen) oder neben Großeltern 3/4 (= 1/2 + 1/4) des Nachlasses. Die Erbteile der Verwandten, die neben dem Ehegatten zum Zuge kommen, vermindern sich entsprechend. So erben z.B. die Kinder des Erblassers insgesamt nur noch die Hälfte des Nachlasses, während sie nach § 1931 Abs. 1 BGB (Ehegattenerbteil im Allgemeinen) noch 3/4 erhalten hätten. Unter Berücksichtigung des pauschalen Zugewinnausgleichs lassen sich die Erbteile des Ehegatten beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (erbrechtliche Lösung) zusammenfassend wie folgt darstellen.

Erbteil des Ehegatten beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (erbrechtliche Lösung)

Miterben

1. Ordnung

1/4 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB + 1/4 pauschaler Zugewinnausgleich aus § 1371 Abs. 1 BGB = 1/2 1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB

2. Ordnung

+ 1/4 pauschaler Zugewinnausgleich aus § 1371 Abs. 1 BGB = 3/4 neben Großeltern 1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB +

3. Ordnung

?

Abkömmlingsanteil weggefallener Großeltern aus § 1931 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1926 BGB

+ 1/4 pauschaler Zugewinnausgleich aus § 1371 Abs. 1 BGB = 3/4 wenn alle Großeltern leben (sonst mehr wg. Abkömmlingsanteil) alle Großeltern verstorben = 1/1 aus § 1931 Abs. 2 BGB

Abbildung 27: Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (erbrechtliche Lösung)

55

Beispiel

Gesetzliche Erbfolge

Heinz Becker verstirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben. Er hinterlässt seine Ehefrau Hilde Becker und seine drei Söhne Stefan, Dieter und Udo. Die Ehegatten lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Wie gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge?

Heinz Becker

Hilde Becker 1/2

Lösung

Ehefrau

Stefan

Dieter

Udo

1/6

1/6

1/6

Da Heinz Becker kein Testament errichtet hat, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Zu dieser sind seine Ehefrau Hilde Becker (§ 1931 Abs. 1 BGB) sowie seine drei Söhne Stefan, Dieter und Udo als Erben der 1. Ordnung berufen (§ 1924 Abs. 1 BGB). Zunächst gilt es, den Erbteil der Ehefrau zu bestimmen, um den verbleibenden Teil der Erbschaft auf die drei Söhne des Erblassers aufteilen zu können. Hilde Becker erbt als Ehefrau des Erblassers neben ihren Söhnen (Erben der 1. Ordnung) 1/4 (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, erhöht sich der Erbteil der Hilde Becker allerdings noch um das sog. Ausgleichsviertel (§ 1371 Abs. 1 BGB), so dass ihr insgesamt ein Erbteil von 1/2 (= 1/4 + 1/4) zufällt. Die verbleibende Hälfte der Erbschaft verteilt sich auf die drei Söhne des Erblassers Heinz Becker zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB). Damit erben Stefan, Dieter und Udo neben ihrer Mutter zu je 1/6.

3.2.3.1.2.2

Güterrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs

Ist der überlebende Ehegatte durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und ist ihm auch kein Vermächtnis hinterlassen worden, so scheidet der pauschale Zugewinnausgleich nach der erbrechtlichen Lösung (§ 1371 Abs. 1 BGB) aus. In diesem Fall kann der überlebende Ehegatte den Zugewinnausgleich allerdings nach der güterrechtlichen Lösung (§ 1371 Abs. 2 BGB) verlangen. Gleiches gilt, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft bzw. das Vermächtnis ausschlägt.

56

Ehegattenerbrecht

Die Voraussetzungen für die güterrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs: 9Überlebender Ehegatte ist kein gesetzlicher Erbe und auch kein Vermächtnisnehmer oder 9Überlebender Ehegatte schlägt die Erbschaft bzw. das Vermächtnis aus. Bei der güterrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs hat der überlebende Ehegatte Anspruch auf Ausgleich des tatsächlich während der Ehe erzielten Zugewinns (§ 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB). Um den tatsächlichen Zugewinnausgleichsanspruch zu ermitteln, ist allerdings eine in der Praxis aufwendige Berechnung notwendig. Diese erfolgt nach den §§ 1373 ff. BGB: Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten sein Anfangsvermögen übersteigt (§ 1373 BGB). Beim Anfangsvermögen handelt es sich um das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Eintritt in den Güterstand gehört; ein negativer Wert des Anfangsvermögens wird dabei nicht berücksichtigt (§ 1374 Abs. 1 BGB). Schenkungen und Erbschaften eines Ehegatten während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft stellen keine ausgleichspflichtigen Vermögensmehrungen dar und dürfen am Zugewinnausgleich nicht teilhaben; sie werden daher dem Anfangsvermögen hinzugerechnet (§ 1374 Abs. 2 BGB). Endvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes gehört (§ 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist der auf diese Weise ermittelte Zugewinn (= Endvermögen ./. Anfangsvermögen) des verstorbenen Ehegatten höher als der Zugewinn des überlebenden Ehegatten, so hat dieser einen Ausgleichsanspruch in Höhe des halben Zugewinnunterschieds der beiden Ehegatten (§ 1378 Abs. 1 BGB). Bei diesem handelt es sich um einen unmittelbar zahlungsfälligen, gegen die Erben des verstorbenen Ehegatten gerichteter Geldanspruch; er stellt damit eine Nachlassverbindlichkeit dar (§ 1967 BGB).

57

Gesetzliche Erbfolge

Verstorbener Ehegatte Anfangsvermögen

Zugewinn = 4€

1€

Überlebender Ehegatte

Endvermögen

5€

Anfangsvermögen

Zugewinn = 2€

Endvermögen

3€

1€

Tatsächlicher Zugewinnausgleich = 1/2 des Zugewinnunterschieds 1/2 x (4 € ./. 2 €) = 1 €

Abbildung 28: Tatsächlicher Zugewinnausgleich bei der güterrechtlichen Lösung

Beispiel

Hat der überlebende Ehegatte während der Ehe selbst den höheren Zugewinn erzielt, so besitzt er bei der güterrechtlichen Lösung keinen Anspruch auf einen Zugewinnausgleich beim Tod des Ehegatten. Einen Anspruch auf den Zugewinnausgleich gegen den überlebenden Ehegatten besitzen in diesem Fall allerdings auch die Erben des verstorbenen Ehegatten nicht. Bei der Eheschließung zwischen Laura Meier und Leo Maier (Zugewinngemeinschaft) hat Laura Schulden in Höhe von 20.000 €. Leo verfügt über ein Anfangsvermögen in Höhe von 100.000 €. Bei Beendigung der Ehe durch den Tod der Laura beträgt ihr Vermögen 400.000 € und das Vermögen ihres Ehemannes Leo 300.000 €. Da Leo testamentarisch von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und ihm auch kein Vermächtnis zugewandt worden ist, kann er den pauschalen Zugewinnausgleich nach der erbrechtlichen Lösung nicht beanspruchen. Allerdings hat er Anspruch auf den Ausgleich des tatsächlichen Zugewinns nach der güterrechtlichen Lösung. Wie hoch ist der tatsächliche Zugewinnausgleichsanspruch von Leo?

Lösung

58

Ehegattenerbrecht Berechnung des tatsächlichen Zugewinnausgleichsanspruchs von Leo: Laura Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) Endvermögen (§ 1375 BGB) Zugewinn (§ 1373 BGB) Zugewinnunterschied der Ehegatten 1/2 des Zugewinnunterschieds als tatsächlicher Zugewinnausgleichsanspruch von Leo (§ 1378 Abs. 1 BGB)

Leo

0€ 400.000 €

100.000 € 300.000 €

400.000 € + 200.000 € ./. 100.000 €

200.000 € + 100.000 €

Damit hat der überlebende Ehegatte Leo einen Geldanspruch auf den Ausgleich des tatsächlichen Zugewinns in Höhe von 100.000 € gegenüber den Erben seiner verstorbenen Ehefrau Laura. Zusätzlich zum tatsächlichen Zugewinnausgleich kann der überlebende Ehegatte, der durch Testament oder Erbvertrag enterbt und dem auch kein Vermächtnis hinterlassen worden ist, oder der die Erbschaft bzw. das Vermächtnis ausgeschlagen hat, den kleinen Pflichtteil verlangen. Der Anspruch auf den kleinen Pflichtteil leitet sich beim enterbten Ehegatten aus den §§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und 2303 Abs. 2 BGB ab. Beim Ehegatten, der die Erbschaft ausschlägt, ergibt sich der Anspruch auf den kleinen Pflichtteil aus § 1371 Abs. 2 Hs. 2 und Abs. 3 BGB. Für den Fall der Ausschlagung eines Vermächtnisses resultiert das Recht auf den kleinen Pflichtteil aus den §§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Mit dem Anspruch auf den kleinen Pflichtteil will das Gesetz sicherstellen, dass der überlebende Ehegatte als nahestehende Person des Erblassers nicht unberücksichtigt bleibt und ihm eine gewisse Mindestbeteiligung am Nachlass gesichert wird. Merke: Wird der tatsächliche Zugewinnausgleich im Rahmen der güterrechtlichen Lösung durchgeführt, kann der überlebende Ehegatte neben dem Ausgleich des Zugewinns noch den kleinen Pflichtteil verlangen. Der kleine Pflichtteil besteht in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils, der sich aus § 1931 Abs. 1 und 2 BGB ergibt (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für seine Berechnung ist damit der nicht um das pauschalierte Ausgleichsviertel gem. § 1371 Abs. 1 BGB erhöhte gesetzliche Erbteil des Ehegatten maßgebend. Merke: Der kleine Pflichtteil beträgt 1/2 des Wertes des nicht erhöhten gesetzlichen Erbteils nach § 1931 Abs. 1 und 2 BGB. Demnach beträgt der kleine Pflichtteil, der vom überlebenden Ehegatten zusätzlich zum tatsächlichen Zugewinnausgleich verlangt werden kann, z.B. 1/8 des Nachlasses (der ge-

59

Gesetzliche Erbfolge

setzliche Erbteil nach § 1931 Abs. 1 BGB wäre 1/4), wenn Erben der 1. Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers) zur gesetzlichen Erbfolge des verstorbenen Ehegatten berufen sind. Bei der Berechnung des exakten (in Euro ausgedrückten) Wertes des Pflichtteilsanspruchs sind zuvor allerdings noch die Nachlasspassiva, zu denen auch der tatsächliche Zugewinnausgleichsanspruch gehört, von den Nachlassaktiva abzuziehen (§ 2311 Abs. 1 Satz 1, § 1967 BGB).

Güterrechtliche Lösung Überlebender Ehegatte = kein gesetzlicher Erbe +

tatsächlicher Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB) +

kein Vermächtnisnehmer

oder

kleiner Pflichtteil (§§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und Abs. 3, 2303 Abs. 2, 2307 Abs. 1 BGB)

Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses

1/2 des Wertes des nicht erhöhten Erbteils nach § 1931 Abs. 1 oder 2 BGB (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB)

Abbildung 29: Güterrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zugewinnausgleichs und der Inanspruchnahme des kleinen Pflichtteils lassen sich die Erbteile des Ehegatten beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (güterrechtliche Lösung) zusammenfassend wie folgt darstellen:

60

Ehegattenerbrecht

Erbteil des Ehegatten beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (güterrechtliche Lösung)

Erben ? 1. Ordnung

+ 1/8 die Hälfte von 1/4 nach § 1931 Abs. 1 BGB als kleiner Pflichtteil (§§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und Abs. 3, 2303 Abs. 1 und 2, 2307 Abs. 1 BGB) ?

2. Ordnung

tatsächlicher Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB)

tatsächlicher Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB)

+ 1/4 die Hälfte von 1/2 nach § 1931 Abs. 1 BGB als kleiner Pflichtteil (§§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und Abs. 3, 2303 Abs. 1 und 2, 2307 Abs. 1 BGB) neben Großeltern ?

3. Ordnung

tatsächlicher Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB)

+ 1/4 die Hälfte von 1/2 nach § 1931 Abs. 1 BGB als kleiner Pflichtteil (§§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und Abs. 3, 2303 Abs. 1 und 2, 2307 Abs. 1 BGB) alle Großeltern verstorben ?

tatsächlicher Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB)

+ 1/2 die Hälfte von 1/1 nach § 1931 Abs. 2 BGB als kleiner Pflichtteil (§§ 1371 Abs. 2 Hs. 2 und Abs. 3, 2303 Abs. 1 und 2, 2307 Abs. 1 BGB) Abbildung 30: Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft (güterrechtliche Lösung) Die Möglichkeit der Ausschlagung und die damit verbundene Inanspruchnahme der güterrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs eröffnet dem zum Erben oder Vermächtnisnehmer berufenen Ehegatten stets eine Wahlsituation. Dies ist umso interessanter, da die güterrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs unter Umständen einen höheren Wert hat als die erbrechtliche Lösung. Die Entscheidung zwischen den Lösungen stellt damit ein Rechenexempel dar. Dabei ist aber zu beachten, dass bei der güterrechtlichen Lösung dem Ehegatten der sog. Voraus nicht gewährt wird (siehe Kapitel II 3.2.4). Merke: Ausschlagung von Erbschaft bzw. Vermächtnis und die damit verbundene Möglichkeit der Inanspruchnahme der güterrechtlichen statt der erbrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs kann im Einzelfall vorteilhaft sein.

61

Beispiel

Gesetzliche Erbfolge

Marius Schmidt verstirbt und hinterlässt seine Ehefrau Ulrike, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, sowie die Kinder Kai und Rolf. Marius Schmidt hat kein Testament errichtet. Sein Nachlass besteht im wesentlichen aus einem Bankguthaben in Höhe von 200.000 €, das er während der Ehe erworben hat. Ulrike besaß bei Eheschließung kein Vermögen und hat während der Ehe auch keinen Zugewinn erzielt. Welche erbrechtliche Lage ergibt sich, wenn Ulrike die Erbschaft ausschlägt? Ist eine Ausschlagung im Vergleich zu erbrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs wirtschaftlich sinnvoll?

Marius Schmidt

Ulrike Schmidt

Ehefrau

Lösung

Kai

Rolf

Wenn Ulrike Schmidt die Erbschaft ausschlägt, wird sie nicht gesetzliche Erbin. Demnach kann sie weder den gesetzlichen Erbteil gem. § 1931 Abs. 1 BGB noch den pauschalen Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1 BGB (erbrechtliche Lösung) verlangen. Ihre beiden Söhne Kai und Rolf erben deshalb als gesetzliche Erben zu je 1/2 (§ 1924 Abs. 4 BGB). Allerdings steht Ulrike Schmidt in diesem Fall gegen ihre beiden Söhne gem. § 1371 Abs. 2 Hs. 1 BGB ein Geldanspruch auf den tatsächlichen Zugewinnausgleich nach den §§ 1373 ff. BGB zu, da ihr eigener Zugewinn nicht größer als der Zugewinn ihres verstorbenen Ehemannes Marius Schmidt ist (§ 1378 Abs. 1 BGB). Der tatsächliche Zugewinnausgleichsanspruch von Ulrike errechnet sich damit wie folgt: Marius Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) Endvermögen (§ 1375 BGB) Zugewinn (§ 1373 BGB) Zugewinnunterschied der Ehegatten 1/2 des Zugewinnunterschieds als tatsächlicher Zugewinnausgleichsanspruch von Ulrike (§ 1378 Abs. 1 BGB)

Ulrike

0€ 200.000 €

0€ 0€

200.000 € + 200.000 € ./. 100.000 €

0€ + 100.000 €

Damit hat Ulrike einen Anspruch auf den Ausgleich des tatsächlichen Zugewinns in Höhe von 100.000 € gegen ihre beiden Söhne Kai und Rolf.

62

Ehegattenerbrecht Zusätzlich zum tatsächlichen Zugewinnausgleich kann Ulrike bei Ausschlagung der Erbschaft den Pflichtteil verlangen (§ 1371 Abs. 3 BGB). Dieser ist auf Basis des nicht erhöhten Erbteils, der sich aus § 1931 Abs. 1 oder 2 BGB ergibt, zu bestimmen (kleiner Pflichtteil, § 1371 Abs. 2 Hs. 2 BGB). Der kleine Pflichtteil besteht dabei in der Hälfte des Wertes des nicht erhöhten Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da zur gesetzliche Erbfolge die beiden Söhne des Erblassers als Erben der 1. Ordnung berufen sind, beträgt der nicht erhöhte Erbteil von Ulrike gem. § 1931 Abs. 1 BGB 1/4. Folglich beläuft sich ihr Pflichtteilsanspruch auf 1/8 (= 1/2 von 1/4) des Nachlasswertes. Bei der wertmäßigen Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs ist zu beachten, dass der tatsächliche Zugewinnausgleich als Nachlassverbindlichkeit vom Nachlasswert abzuziehen ist (§ 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Wert des Pflichtteilsanspruchs errechnet sich also wie folgt:

./. = x =

Nachlassaktiva Nachlasspassiva (inkl. tatsächlichem Zugewinnausgleich) Wert des Nachlasses (Kleiner) Pflichtteilsanspruch Wert des (kleinen) Pflichtteilsanspruchs

200.000 € 100.000 € 100.000 € 1/8 12.500 €

Ulrike hat also einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 12.500 €. Insgesamt kann sie damit bei Ausschlagung der Erbschaft 112.500 € (= tatsächlicher Zugewinnausgleich 100.000 € + kleiner Pflichtteil 12.500 €) von ihren beiden Söhnen Kai und Rolf als gesetzliche Erben des Erblassers verlangen. Auf die beiden entfallen dementsprechend die restlichen 87.500 € des Nachlasses ihres Vaters zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB), d.h. zu je 43.750 €. Schlägt Ulrike hingegen die Erbschaft nicht aus, bleibt es bei der erbrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs nach den §§ 1931 Abs. 1 Satz 1, 1371 Abs. 1 BGB. Danach erbt Ulrike neben ihren Söhnen (Erben der 1. Ordnung) 1/2 (= 1/4 + 1/4) des Nachlasses in Höhe von 200.000 €. Daraus ergibt sich ein Erbteil für Ulrike von 100.000 €. Erbrechtliche Lösung Güterrechtliche Lösung 1/4 gesetzlicher Erbteil tatsächlicher ZugA 100.000 € + 1/4 pauschaler ZugA + Kleiner Pflichtteil 12.500 € = 1/2 des Nachlasses i.H.v. 200.000 € ĺ Erbteil in Höhe von 100.000 € ĺ Erbteil in Höhe von 112.500 €

Aus wirtschaftlicher Sicht ist somit die Ausschlagung der Erbschaft und die Inanspruchnahme des Zugewinnausgleichs nach der güterrechtlichen Lösung sinnvoll. Allerdings bleibt zu bedenken, dass Ulrike bei der güterrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs der Voraus des überlebenden Ehegatten nicht zusteht.

63

Gesetzliche Erbfolge

3.2.3.2 Güterstand der Gütertrennung Im vertraglichen Güterstand der Gütertrennung (§ 1414 BGB) gilt, dass die jeweiligen Vermögensmassen der Ehegatten bei der Eheschließung und vor allem im Verlauf der Ehe getrennt bleiben. Diese Regelung entspricht dem sog. Trennungsprinzip beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Anders als die Zugewinngemeinschaft kennt die Gütertrennung jedoch bei Beendigung des Güterstandes keinen Ausgleich des beiderseitigen Zugewinns, den die Eheleute während der Ehe erzielt haben. Damit bleibt der von einem Ehegatten während der Ehe erwirtschaftete Vermögenszuwachs im Falle der Beendigung des Güterstandes von einem Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten unberührt. Merke: Bei der Gütertrennung werden Ehemann und Ehefrau vermögensrechtlich behandelt, als ob sie nicht verheiratet wären.

Vermögen

Vermögen

Mann

Frau Eheschließung Trennungsprinzip

Ehemann

Ehefrau Gütertrennung

Zugewinn

Zugewinn

Beendigung Mann

Frau

Zugewinn

Zugewinn

Zugewinnausgleich

Abbildung 31: Kein Zugewinnausgleich beim Güterstand der Gütertrennung

64

Ehegattenerbrecht

Da bei Beendigung der Gütertrennung ein Zugewinnausgleichsanspruch fehlt, findet auch § 1371 BGB keine Anwendung. Demnach erhält der überlebende Ehegatte lediglich den allgemeinen, nicht erhöhten Erbteil, der sich aus § 1931 Abs. 1 oder 2 BGB ergibt. Es gilt jedoch, die Besonderheit zu beachten, dass der überlebende Ehegatte neben einem oder zwei Kindern des Erblassers zur Erbfolge berufen wird (§ 1931 Abs. 4 BGB). In diesem Fall erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind des Erblassers zu gleichen Teilen. Damit erbt der überlebende Ehegatte neben einem Kind oder dessen Abkömmlingen zu 1/2 und neben zwei Kindern oder deren Abkömmlingen zu 1/3. Neben drei oder mehr Kindern oder deren Abkömmlingen bleibt es bei der Grundregel des § 1931 Abs. 1 BGB, nach welcher der überlebende Ehegatte zu 1/4 gesetzlicher Erbe ist. Merke: Bei der Gütertrennung wird der überlebende Ehegatte hinsichtlich des ihm zufallenden Erbteils wie ein Kind des Erblassers behandelt.

Die Regelung des § 1931 Abs. 4 BGB stellt den überlebenden Ehegatten besser als die Regelung des § 1931 Abs. 1 BGB, wonach der überlebende Ehegatte auch neben einem oder zwei Kindern des Erblassers nur zu jeweils 1/4 erbberechtigt wäre und folglich weniger als das Kind bzw. die beiden Kinder erhalten würde. Durch § 1931 Abs. 4 BGB will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die unentgeltliche Mitarbeit des Ehegatten, die oft zum Vermögenserwerb des Erblassers beigetragen hat, auch beim Güterstand der Gütertrennung berücksichtigt wird. Sind keine Erben der 1. Ordnung vorhanden, bleibt es bei der Grundregel des § 1931 Abs. 1 und 2 BGB, die dem überlebenden Ehegatten neben Erben der 2. Ordnung und neben Großeltern die Hälfte des Nachlasses und ansonsten die gesamte Erbschaft zuteilt. Zusammenfassend lassen sich die jeweiligen Erbteile des Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung wie folgt darstellen:

65

Gesetzliche Erbfolge

Erbteil des Ehegatten beim Güterstand der Gütertrennung (§ 1414 BGB)

Miterben

aus § 1931 Abs. 4 BGB = 1/2 neben einem Kind oder dessen Abkömmlingen

1. Ordnung

= 1/3 neben zwei Kindern oder deren Abkömmlingen = 1/4 neben drei oder mehr Kindern oder deren Abkömmlingen = 1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB

2. Ordnung

neben Großeltern

1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB + 3. Ordnung

?

Abkömmlingsanteil weggefallener Großeltern (§ 1931 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1926 BGB)

= 1/2 wenn noch alle Großeltern leben (sonst mehr) alle Großeltern verstorben = 1/1 aus § 1931 Abs. 2 BGB

Beispiel

Abbildung 32: Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Gütertrennung Ludwig und Luisa Backes, die per Ehevertrag im Güterstand der Gütertrennung leben, haben zwei Töchter, Elvira und Miriam. Als Ludwig, ohne ein Testament errichtet zu haben, verstirbt, ist Miriam bereits vorverstorben. Sie hinterlässt allerdings ihre beiden Söhne Axel und Claudius. Wie gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge?

Ludwig Backes

Luisa Backes 1/3 Ehefrau

Elvira

Miriam

1/3

Axel

Claudius

1/6

1/6

66

Ehegattenerbrecht

Lösung

Da Ludwig Backes kein Testament errichtet hat, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Zu dieser sind seine Ehefrau Luisa Backes (§ 1931 Abs. 1 BGB) sowie seine Abkömmlinge (die beiden Töchter und die beiden Enkel) als Erben der 1. Ordnung berufen (§ 1924 Abs. 1 BGB). Zunächst gilt es, den Erbteil der Ehefrau zu bestimmen, um den verbleibenden Teil der Erbschaft auf die Abkömmlinge des Erblassers aufteilen zu können. Da der eheliche Güterstand der Gütertrennung bestand, würden Luisa als Ehefrau und die beiden Töchter des Erblassers, Elvira und Miriam, zu gleichen Teilen, d.h. zu je 1/3 erben (§ 1931 Abs. 4 BGB). Da Miriam allerdings vorverstorben ist, treten ihre Söhne Axel und Claudius (die Enkel des Erblassers) an ihre Stelle (§ 1931 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1924 Abs. 3 BGB). Sie erben den auf ihre Mutter entfallenden Erbteil von 1/3 zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB). Daher erben Axel und Claudius als Enkel des Erblassers zu je 1/6, während Luisa Backes als Ehefrau und Elvira als noch lebende Tochter des Erblassers je 1/3 des Nachlasses erhalten.

3.2.3.3 Güterstand der Gütergemeinschaft Für den vertraglichen Güterstand der Gütergemeinschaft ist kennzeichnend, dass bei deren Entstehung das Vermögen des Ehemannes und das Vermögen der Ehefrau zu gemeinschaftlichem Vermögen (Gesamtgut) werden. Jedem Ehegatten, unabhängig vom Umfang seines in die Gütergemeinschaft eingebrachten Vermögens, gehört damit die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens (Gesamtguts). Dies gilt auch für das Vermögen, das die Ehegatten während der Ehe erwerben (§ 1416 Abs. 1 BGB). Beim Tod eines Ehegatten wird die Gütergemeinschaft in der Regel aufgelöst (Ausnahme: Sonderfall der fortgesetzten Gütergemeinschaft, die später noch erläutert wird), und der hälftige Anteil des verstorbenen Ehegatten am gemeinschaftlichen Vermögen (Gesamtgut) fällt in seinen Nachlass (§ 1482 Satz 1 BGB). Merke: Bei Beendigung der Gütergemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten wird lediglich die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens (Gesamtgutes) vererbt.

Die andere Hälfte dagegen fällt nicht in den Nachlass, da diese nach güterrechtlichen Regeln dem überlebenden Ehegatten als sein eigener Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen (Gesamtgut) unabhängig vom eingetretenen Erbfall zusteht.

67

Gesetzliche Erbfolge

Vermögen

Vermögen

Mann

Frau Eheschließung

Gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut)

Mann (50 %)

Frau (50 %) Gütergemeinschaft

Beendigung durch z.B. Tod des Ehemanns

Mann (50 %)

Frau (50 %)

fällt in den Nachlass des Ehemannes

Abbildung 33: Das Gesamtgut beim Güterstand der Gütergemeinschaft Die Erbfolge richtet sich in einem solchen Fall der Gütergemeinschaft nach den allgemeinen Vorschriften (§ 1482 Satz 2 BGB). Dies bedeutet, dass für den überlebenden Ehegatten uneingeschränkt die Reglungen des § 1931 Abs. 1 und 2 BGB anzuwenden sind. Danach erbt der überlebende Ehegatte neben Erben der 1. Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers) 1/4, neben Erben der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge) oder Großeltern 1/2, ansonsten den gesamten Nachlass. In den Nachlass eines verstorbenen Ehegatten fallen neben der ihm gehörenden Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens (Gesamtgutes) auch das Sondergut (§ 1417 BGB) und das Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB), wenn sie vorhanden sind. Das Sondergut umfasst diejenigen Vermögensgegenstände, die durch Rechtsgeschäft nicht übertragbar sind (z.B. unpfändbare Gehaltsforderungen, Schmerzensgeldanspruch). Zum Vorbehaltsgut zählen diejenigen Vermögensgegenstände, über die jeder Ehegatte aufgrund von entsprechenden Vereinbarungen im Ehevertrag frei verfügen kann oder die durch Erbschaft bzw. Schenkung erworben wurden.

68

Ehegattenerbrecht

Gesamtgut (§ 1416 BGB)

Sondergut (§ 1417 BGB) des Mannes bzw. der Frau

Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB) des Mannes bzw. der Frau

Gemeinschaftsvermögen beider Ehegatten

Vermögensgegenstände, die nicht durch Rechts-geschäft übertragbar sind

Vermögensgegenstände, über die aufgrund Ehevertrag frei verfügt werden kann

bei Erbfall: hälftiger Nachlass des jeweiligen Ehegatten

bei Erbfall: vollständiger Nachlass des jeweiligen Ehegatten

bei Erbfall: vollständiger Nachlass des jeweiligen Ehegatten

Nachlass

andere Hälfte des Gesamtgutes gehört dem überlebenden Ehegatten und fällt daher nicht in den Nachlass

Miterben

Erbteil des überlebenden Ehegatten beim Güterstand der Gütergemeinschaft

1. Ordnung

1/4 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB

2. Ordnung

1/2 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB

3. Ordnung

1/2 (neben Großeltern) aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB; beachte aber Abkömmlingsanteil weggefallener Großeltern 1/1 (ohne Großeltern) aus § 1931 Abs. 2 BGB

Abbildung 34: Höhe des Ehegattenerbteils beim Güterstand der Gütergemeinschaft Eine Sonderform der Gütergemeinschaft stellt die fortgesetzte Gütergemeinschaft dar, bei der die Ehegatten durch Ehevertrag vereinbaren, dass der Güterstand über den Tod eines Ehegatten hinaus zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen, die bei gesetzlicher Erbfolge als Erben berufen sind, fortgeführt wird (§ 1483 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Die fortgesetzte Gütergemeinschaft führt dazu, dass der hälftige Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut nicht in seinen Nachlass fällt (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB) und deshalb nicht vererbt wird. Vererbt wird lediglich etwaiges Sonder- und Vorbehaltsgut des verstorbenen Ehegatten. Für die Erbfolge und die Höhe der Erbteile gelten dabei wiederum die allgemeinen Vorschriften (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB).

69

Gesetzliche Erbfolge

3.2.3.4 Zusammenfassende Übersicht: Höhe des Ehegattenerbteils in Abhängigkeit vom Güterstand Erbteil des Ehegatten in Abhängigkeit vom Güterstand

Miterben

Zugewinngemeinschaft

erbrechtliche Lösung

güterrechtliche Lösung

1. Ordnung

1 Kind

Gütergemeinschaft

1/2

2 Kinder

1/3 1/2

1/8*

3 Kinder oder mehr

1/4 1/4

3/4

1/4*

1/2

1/2

neben Großeltern

3/4**

1/4*

1/2**

1/2**

wenn Großeltern verstorben

1/1

1/2*

1/1

1/1

2. Ordnung

3. Ordnung

Gütertrennung

* zuzüglich des tatsächlichen Zugewinnausgleichs ** zuzüglich des Abkömmlingsanteils weggefallener Großeltern Abbildung 35: Höhe des Ehegattenerbteils in Abhängigkeit vom Güterstand

3.2.4

Der Voraus

Der Voraus des überlebenden Ehegatten (§ 1932 BGB) ist ein vom ehelichen Güterstand unabhängiger Anspruch auf die zum Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit diese nicht Grundstückszubehör sind, und die Hochzeitsgeschenke. Zum ehelichen Haushalt gehören alle die Gegenstände, die dem gemeinsamen häuslichen Leben der Ehegatten dienen (z.B. Möbel, Geschirr, Küchengerät, Bücher, usw.). Die Haushaltsgegenstände müssen dabei nicht lebensnotwendig sein, so dass auch Luxusgegenstände (z.B. wertvolle Teppiche, Gemälde, eine Bibliothek) dem Voraus zugerechnet werden. Auch ein zum größten Teil für familiäre Zwecke genutzter PKW gehört als Haushaltsgegenstand zum Voraus.

70

Ehegattenerbrecht

Dagegen stellen alle die Gegenstände, die ausschließlich dem beruflichen oder persönlichen Gebrauch eines Ehegatten dienen (z.B. beruflich notwendige Fachbibliothek), keine Haushaltgegenstände dar und zählen damit auch nicht zum Voraus. Die Voraussetzung des Anspruchs auf den Voraus: 9Überlebender Ehegatte ist als gesetzlicher Erbe zur Erbfolge berufen. Der Anspruch auf den Voraus setzt voraus, dass der überlebende Ehegatte als gesetzlicher Erbe zur Erbfolge berufen ist. Der Anspruch auf den Voraus besteht dagegen nicht, wenn der Ehegatte testamentarischer oder erbvertraglicher Erbe ist. Darüber hinaus steht dem Ehegatten der Voraus dann nicht zu, wenn er die Erbschaft als gesetzlicher Erbe ausschlägt oder durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Folglich entfällt der Voraus auch bei der güterrechtlichen Lösung des Zugewinnausgleichs, da der überlebende Ehegatte in diesem Fall nicht gesetzlicher Erbe wird.

Unabhängig vom ehelichen Güterstand Zugewinngemeinschaft (erbrechtliche Lösung)

Gütertrennung

Gütergemeinschaft

Anspruch, wenn gesetzlicher Erbe Voraus (§ 1932 BGB)

Haushaltsgegenstände

zusätzlich zum Erbteil

Hochzeitsgeschenke

z.B. Möbel, Geschirr, Bilder usw.

Miterben

Umfang des Anspruchs auf die Gegenstände des Voraus

1. Ordnung

Anspruch nur insoweit, wie diese zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt werden (§ 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB)

2. Ordnung

Anspruch in vollem Umfang (§ 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB)

Abbildung 36: Der Umfang des Voraus

Gesetzliche Erbfolge

71

Der Umfang des Voraus, den der überlebende Ehegatte beanspruchen kann, hängt davon ab, mit welchen Verwandten als Erben er zusammentrifft. Neben Verwandten der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers und deren Abkömmlingen) oder Großeltern steht dem überlebenden Ehegatten der „volle Voraus“ zu (§ 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Erbt er gemeinsam mit Verwandten der 1. Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers), so kann er die Gegenstände des ehelichen Haushalts und die Hochzeitsgeschenke nur insoweit verlangen, wie er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt (sog. kleiner Voraus, § 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Beispiel

Der Rechtsanwalt Johann Schulze und seine Ehefrau Dagmar leben im gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung. Sie haben keine Kinder. Als Johann verstirbt, leben noch seine Eltern (Erben der 2. Ordnung). Dagmar Schulze beansprucht beim Tod ihres Ehemannes folgende Gegenstände als Voraus: die Möbel, die Perserteppiche, die Picasso-Gemälde, sämtliche Schallplatten und CDs, die Bibliothek (bestückt mit ausschließlich rechtswissenschaftlicher Literatur), den gemeinsamen Audi A4 Avant sowie die Harley Davidson ihres verstorbenen Ehemannes. Beansprucht Dagmar Schulze die Gegenstände zu Recht als Voraus?

Lösung

Der Voraus steht dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zu seinem Erbteil zu. Er erhält damit zunächst einen Anspruch auf die genannten Gegenstände und darüber hinaus seinen normalen gesetzlichen Anteil an dem (reduzierten) Nachlass. Beim Voraus handelt es sich um ein gesetzliches (Voraus-)Vermächtnis (§ 1932 Abs. 2 BGB). Der überlebende Ehegatte besitzt also gegenüber den Erben einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übereignung der genannten Gegenstände.

Die Möbel, die Teppiche und die Gemälde (unabhängig von ihrem Wert) sowie die Schallplatten und CDs gehören zweifelsfrei zu den Gegenständen des ehelichen Haushalts. Sie können deshalb von Dagmar Schulze in vollem Umfang als Voraus neben ihrem Erbteil beansprucht werden (§ 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die ausschließlich mit rechtswissenschaftlicher Literatur bestückte Bibliothek stellt dagegen kein Gegenstand des ehelichen Haushalts dar, weil sie einzig und allein dem beruflichen Gebrauch des verstorbenen Johann Schulze diente (Fachbibliothek). Folglich kann sie von Dagmar Schulze nicht neben ihrem Erbteil als Voraus beansprucht werden. Gleiches gilt für die Harley Davidson ihres Mannes, die ausschließlich dem persönlichen Gebrauch von Johann Schulze diente. Dagegen ist der gemeinsam und somit überwiegend zu familiären Zwecken genutzte Audi A4 Avant den Gegenständen des ehelichen Haushalts zuzurechnen. Er kann also von Dagmar Schulze in vollem Umfang als Voraus neben ihrem Erbteil beansprucht werden (§ 1932 Abs. 1 Satz 1 BGB).

72

Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners

3.3 Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners Das am 1. August 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) gibt zwei Personen gleichen Geschlechts die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen, wenn die Lebenspartner vor der jeweils zuständigen Behörde (länderspezifisch verschieden) erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Das gesetzliche Erbrecht der Lebenspartner hat der Gesetzgeber aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit nicht in das BGB aufgenommen, sondern in § 10 LPartG gesondert geregelt. Voraussetzung für das gesetzliche Erbrecht des Lebenspartners ist das Bestehen der Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dieses ist jedoch entsprechend dem Ehegattenerbrecht bereits dann ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für die Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegeben waren, und der Erblasser die Aufhebung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

3.3.1

Höhe des Erbteils des Lebenspartners im Allgemeinen

Die Lebenspartner werden erbrechtlich ähnlich einem Ehepaar behandelt. So beträgt das gesetzliche Erbrecht der Lebenspartner neben Verwandten der 1. Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers) 1/4, neben Verwandten der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge) und Großeltern 1/2 des Nachlasses (§ 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG). Hinterlässt der Erblasser weder Verwandte der ersten beiden Ordnungen noch Großeltern, so erbt der überlebende Lebenspartner alleine (§ 10 Abs. 2 LPartG). Zusammenfassend lassen sich die jeweiligen Erbteile des Lebenspartners im Allgemeinen wie folgt darstellen:

Miterben

Erbteil des Lebenspartners unabhängig vom Güterstand (Vermögensstand)

1. Ordnung

= 1/4 aus § 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG

2. Ordnung

= 1/2 aus § 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG neben Großeltern = 1/2 aus § 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG

3. Ordnung wenn keine Großeltern mehr leben = 1/1 aus § 10 Abs. 2 LPartG

Abbildung 37: Höhe des Erbteils des Lebenspartners im Allgemeinen Einzige Abweichung dieser erbrechtlichen Regelungen vom gesetzlichen Ehegattenerbrecht nach § 1931 Abs. 1 und 2 BGB stellt der Umstand dar, dass § 10 LPartG keine dem

Gesetzliche Erbfolge

73

§ 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechende Vorschrift enthält. Dies hat zur Folge, dass dem überlebenden Lebenspartner der sog. Abkömmlingsanteil weggefallener Großeltern nicht zusteht, sondern dieser Erbteil vielmehr bei den Abkömmlingen der vorverstorbenen Großeltern verbleibt. Hieraus ergibt sich die eigenartige Konsequenz, dass Abkömmlinge vorverstorbener Großeltern neben dem überlebenden Lebenspartner zu gesetzlichen Erben berufen sind, solange noch Großeltern am Leben sind, sie allerdings dann, wenn keine Großeltern mehr leben, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind.

3.3.2

Der Voraus

Neben dem gesetzlichen Erbteil hat der überlebende Lebenspartner Anspruch auf den Voraus (§ 10 Abs. 1 Satz 2 LPartG). Diese Vorschrift ist dem § 1932 BGB nachgebildet. Danach umfasst der Voraus alle zum lebenspartnerschaftlichen Haushalt gehörende Gegenstände, sofern diese nicht Grundstückszubehör sind, und die Geschenke zur Begründung der Lebenspartnerschaft. Neben Verwandten der 2. Ordnung (Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge) steht der Voraus dem überlebenden Lebenspartner in vollem Umfang zu, neben Verwandten der 1. Ordnung (Abkömmlinge des Erblassers) nur insoweit, wie der Voraus zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt wird (§ 10 Abs. 1 Satz 3 LPartG).

3.3.3

Höhe des Erbteils des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Güterstand (Vermögensstand)

Dem Güterstand im Rahmen der Ehe entspricht bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft der Vermögensstand. Allerdings kennt das LPartG keinen Vermögensstand, der kraft Gesetzes eintritt. Deshalb müssen die Lebenspartner vor Begründung der Lebenspartnerschaft entweder den Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft (ähnlich der ehelichen Zugewinngemeinschaft) vereinbaren (§ 6 Abs. 1 LPartG) oder in einem Lebenspartnerschaftsvertrag (§ 7 LPartG) festlegen, ob der Vermögensstand der Vermögenstrennung (ähnlich der ehelichen Gütertrennung) oder der Vermögensgemeinschaft (ähnlich der ehelichen Gütergemeinschaft) gelten soll.

74

Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners

Vermögensstände

Ausgleichsgemeinschaft

Vermögenstrennung

Vermögensgemeinschaft

kein gesetzlicher, sondern vereinbarter Vermögensstand

nur durch Lebenspartnerschaftsvertrag möglich

nur durch Lebenspartnerschaftsvertrag möglich

Vermögenstrennung, Überschussausgleich bei Beendigung

Vermögenstrennung, kein Überschussausgleich bei Beendigung

Vermögen der Lebenspartner wird gemeinschaftliches Vermögen

Abbildung 38: Verschiedene Vermögensstände bei der Lebenspartnerschaft

3.3.3.1 Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft Die Ausgleichsgemeinschaft entspricht inhaltlich der ehelichen Zugewinngemeinschaft, so dass es nicht zu einer Bildung von gemeinschaftlichem Vermögen der Lebenspartner kommt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 LPartG). Wie beim Zugewinnausgleich nach § 1363 Abs. 2 Satz 2 BGB im Rahmen der ehelichen Zugewinngemeinschaft ist auch bei Beendigung der Ausgleichsgemeinschaft der Überschuss auszugleichen, den die Lebenspartner während der Dauer des Vermögenstandes erzielt haben (§ 6 Abs. 2 Satz 3 LPartG). Hinsichtlich der Einzelheiten für den „Überschussausgleich“ wird auf die §§ 1371 bis 1390 BGB verwiesen, die den Zugewinnausgleich bei der Zugewinngemeinschaft regeln (§ 6 Abs. 2 Satz 4 LPartG). Damit finden die zuvor erläuterten Regelungen zur erbrechtlichen (siehe Kapitel II 3.2.3.1.2.1) und zur güterrechtlichen Lösung (siehe Kapitel II 3.2.3.1.2.2) des Zugewinnausgleichs auch beim „Überschussausgleich“ im Rahmen der Ausgleichsgemeinschaft Anwendung. Ist also der überlebende Lebenspartner zum gesetzlichen Erben berufen, erhöht sich sein gesetzlicher Erbteil, der sich aus den allgemeinen Vorschriften des § 10 Abs. 1 und 2 LPartG ergibt (siehe Abbildung 37), um das sog. Ausgleichsviertel (erbrechtliche Lösung). Ist der überlebende Lebenspartner dagegen aufgrund einer Verfügung von Todes wegen nicht zum gesetzlichen Erben berufen, so hat er Anspruch auf den Ausgleich des tatsächlichen Überschusses. Zusätzlich kann er, da auch Lebenspartner bei Enterbung einen Pflichtteilsanspruch besitzen (§ 10 Abs. 6 LPartG), den kleinen Pflichtteil verlangen (güterrechtliche Lösung). Gleiches gilt bei Ausschlagung der Erbschaft durch den überlebenden Lebenspartner (§ 6 Abs. 2 Satz 4 LPartG i.V.m. § 1371 Abs. 3 BGB).

75

Gesetzliche Erbfolge

3.3.3.2 Vermögensstand der Vermögenstrennung Wird ein Lebenspartnerschaftsvertrag mit Vermögenstrennung abgeschlossen, so richtet sich das gesetzliche Erbrecht ausschließlich nach den allgemeinen Vorschriften des § 10 Abs. 1 und 2 LPartG (siehe Abbildung 37). Eine dem § 1931 Abs. 4 BGB entsprechende Vorschrift, die bei der Vermögenstrennung das Zusammentreffen des überlebenden Lebenspartners mit einem oder zwei Kindern des Erblassers besonders regelt, existiert im LPartG nicht und kommt daher auch nicht zur Anwendung.

3.3.3.3 Vermögensstand der Vermögensgemeinschaft Beim Abschluss eines Lebenspartnerschaftsvertrages mit Vermögensgemeinschaft können sich die Lebenspartner an die Vorschriften über die eheliche Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB) anlehnen (siehe Kapitel II 3.2.3.3). Daher fällt auch bei der Vermögensgemeinschaft der hälftige Anteil des verstorbenen Lebenspartners am Gesamtgut (neben dem Sonder- und Vorbehaltsgut) in seinen Nachlass. Die Beerbung des verstorbenen Lebenspartners erfolgt wie bei der ehelichen Gütergemeinschaft nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. bei der Vermögensgemeinschaft nach § 10 Abs. 1 und 2 LPartG (siehe Abbildung 37).

3.3.3.4 Zusammenfassende Übersicht: Höhe des Erbteils des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Vermögensstand Erbteil des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Vermögensstand Miterben

Ausgleichsgemeinschaft

Vermögenstrennung

Vermögensgemeinschaft

1/8*

1/4

1/4

3/4

1/4*

1/2

1/2

neben Großeltern

3/4

1/4*

1/2

1/2

wenn Großeltern verstorben

1/1

1/2*

1/1

1/1

güterrechtliche Lösung

1. Ordnung

1/2

2. Ordnung 3. Ordnung

erbrechtliche Lösung

* zuzüglich des tatsächlichen Überschussausgleichs Abbildung 39: Höhe des Erbteils des Lebenspartners in Abhängigkeit vom Vermögensstand

76

Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners

Beispiel

Sylvia Miller war mit Max Miller verheiratet; die Ehe wurde aber am 01.03.1999 geschieden. Aus der Ehe stammt eine Tochter, Andrea Miller. Seit ihrer Scheidung lebte Sylvia Miller mit Eva Hut zusammen, mit der sie am 14.09.2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft einging. Das Paar vereinbarte als Vermögensstand die Ausgleichsgemeinschaft. Andrea Miller lebte im gemeinsamen Haushalt des Paares. Sylvia Miller verstarb am 31.12.2004, ohne ein Testament errichtet zu haben. Wie gestaltet sich die gesetzliche Erbfolge? Max Miller

Sylvia Miller

Eva Hut 1/2

geschieden

+ Voraus

eingetragene Lebenspartnerschaft

Andrea

Lösung

1/2

Da Sylvia Miller kein Testament errichtet hat, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Zu dieser sind ihre Lebenspartnerin Eva Hut, da eine eingetragene Lebenspartnerschaft besteht, sowie ihr Abkömmling Andrea Miller als Erbin der 1. Ordnung berufen. Ihr geschiedener Ehemann Max Miller ist kein gesetzlicher Erbe. Zunächst gilt es, den Erbteil der Lebenspartnerin Eva Hut zu bestimmen, um den verbleibenden Teil der Erbschaft auf Andrea Miller als Abkömmling der Verstorbenen aufteilen zu können. Neben Andrea Miller als Erbin der 1. Ordnung beläuft sich der gesetzliche Erbteil der Lebenspartnerin Eva Hut auf 1/4 (§ 10 Abs. 1 Satz 1 LPartG). Da allerdings der Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft vereinbart war, erhöht sich dieser gesetzliche Erbteil im Rahmen der erbrechtlichen Lösung pauschal um das sog. Ausgleichsviertel (§ 6 Abs. 2 Satz 4 LPartG i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB). Damit erbt Eva Hut als Lebenspartnerin insgesamt 1/2 des Nachlasses. Dementsprechend entfällt auf die Tochter Andrea Miller ein gesetzlicher Erbteil von ebenfalls 1/2 des Nachlasses. Darüber hinaus erhält Eva Hut als überlebende Lebenspartnerin neben der Tochter der Verstorbenen den Voraus insoweit, wie sie ihn zur Führung eines angemessenen Haushaltes benötigt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 LPartG).

Gesetzliche Erbfolge

77

3.4 Erbrecht des Fiskus Hat der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen getroffen und ist weder ein Verwandter noch ein Ehegatte bzw. ein Lebenspartner vorhanden, so ist der Fiskus des Bundeslandes, in dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen Wohnsitz hatte, gesetzlicher Erbe (§ 1936 BGB). Nicht vorhanden i.S.d. § 1936 BGB bedeutet, dass ein gesetzlicher Erbe entweder zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt, die Erbschaft ausschlägt (§ 1953 Abs. 1 BGB), für erbunwürdig erklärt wird (§ 2344 Abs. 1 BGB) oder auf sein Erbrecht verzichtet (§ 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB). In der Praxis wird der Fiskus meist dann gesetzlicher Erbe, wenn alle anderen Erben wegen der Überschuldung des Nachlasses ausschlagen. Bevor der Fiskus allerdings erbt, hat das zuständige Nachlassgericht durch öffentliche Aufforderung nach gesetzlichen Erben zu suchen. Erst wenn diese Suche erfolglos bleibt, ergeht ein Feststellungsbescheid des Nachlassgerichts mit dem Inhalt, dass ein anderer gesetzlicher Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist (§§ 1964 bis 1966 BGB). Merke: Der Fiskus (Wohnsitzbundesland des Erblassers) ist letzter gesetzlicher Erbe. Er kann die Erbschaft nicht ausschlagen. Damit haftet er auch (beschränkt) für die Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers.

Beispiel

Fabian Reinke, der in Eichstätt gelebt und keine Verfügung von Todes wegen getroffen hat, verstirbt. Er hinterlässt seine von ihm geschiedene Ehefrau Sarah Reinke. Wer erbt in diesem Fall das Vermögen von Fabian Reinke?

Lösung

Da der Fiskus die Funktion des Zwangserben besitzt, kann er selbst die Erbschaft weder ausschlagen (§ 1942 Abs. 2 BGB) noch auf sein Erbrecht verzichten (§ 2346 Abs. 1 BGB). Auch für erbunwürdig kann der Fiskus nicht erklärt werden, da niemand existiert, der die Erbunwürdigkeit geltend machen könnte (vgl. § 2341 BGB). Als (letzter) gesetzlicher Erbe haftet der Fiskus auch für die Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers (§ 1967 BGB). Der Fiskus kann die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten jedoch auf den Nachlasswert beschränken (z.B. durch Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren). Damit laufen alle über den Nachlasswert hinausgehende, noch nicht beglichene Nachlassverbindlichkeiten ins Leere. Eine Inventarfrist kann gegenüber dem Fiskus nicht bestimmt werden (§ 2011 BGB).

Da keine anderen gesetzlichen Erben (Verwandte, Ehegatte oder Lebenspartner) vorhanden sind, und Fabian sein Vermögen auch nicht durch eine Verfügung von Todes wegen anderweitig (z.B. an einen Verein oder eine Stiftung) vererbt hat, wird der Fiskus als letzter gesetzlicher Erbe berufen. Träger des Erbrechts ist dabei der Fiskus des Bundeslandes, in dem Fabian zum Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz hatte, d.h. der Fiskus des Freistaates Bayern.

78

Testierfreiheit

4 Gewillkürte Erbfolge Hinterlässt der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen, d.h. eine rechtsgeschäftliche Anordnung hinsichtlich seines Vermögens, die erst mit seinem Tod wirksam werden soll, so tritt die gewillkürte Erbfolge ein. Die gewillkürte – also vom Erblasser gewählte – Erbfolge geht der gesetzlichen Erbfolge stets vor. Merke: Die gewillkürte Erbfolge ist gegenüber der gesetzlichen Erbfolge vorrangig.

4.1 Testierfreiheit Der Vorrang der gewillkürten Erbfolge vor der gesetzlichen Erbfolge ist Ausfluss der grundgesetzlich garantierten Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG). Die Testierfreiheit ist Teil der Privatautonomie, also des Rechts einer natürlichen Person, über sich und sein Vermögen frei zu verfügen, auch über den Tod hinaus. Demnach kann eine natürliche Person ohne Grund in beliebiger Weise von der gesetzlichen Erbfolgeordnung abweichen. Dabei können sogar die nächsten Angehörigen von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Der Erblasser kann von der Testierfreiheit nur persönlich Gebrauch machen. Merke: Der Vorrang der gewillkürten Erbfolge vor der gesetzlichen Erbfolge ergibt sich aus dem Grundsatz der Testierfreiheit einer natürlichen Person.

Nächste Angehörige, die vom Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen werden, sind jedoch durch das Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB) geschützt. Dieses schafft also einen Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Prinzipien der gesetzlichen Familienerbfolge und der privatautonomen Testierfreiheit und stellt insofern eine Schranke der Testierfreiheit dar. Zweitens wird der Grundsatz der Testierfreiheit dadurch eingeschränkt, dass Verfügungen von Todes wegen nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen dürfen. Liegt ein solcher Verstoß vor, ist die betroffene Verfügung von Todes wegen nach § 134 BGB nichtig. Erhebliche praktische Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang § 14 HeimG, der Verfügungen eines Heimbewohners zu Gunsten des Heimträgers oder zu Gunsten von Mitarbeitern des Alten- oder Pflegeheimes untersagt. Hierdurch sollen Heimbewohner vor Ausnutzung bewahrt und das Heimklima vor Störungen geschützt werden. Drittens erfährt der Grundsatz der Testierfähigkeit eine Einschränkung dadurch, dass eine Verfügung von Todes wegen dann nichtig ist, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB). Dies ist der Fall, wenn eine Verfügung gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstößt. Hiermit sind die moralischen Anschauungen des „anständigen Durchschnittsmenschen“ gemeint. Die Sittenwidrigkeit kann sich dabei bereits

79

Gewillkürte Erbfolge

aus dem objektiven Inhalt der letztwilligen Verfügung des Erblassers ergeben. Dementsprechend sind Auflagen des Erblassers sittenwidrig, mit denen ein zu missbilligender Zweck (z.B. die Veröffentlichung eines beleidigenden Zeitungsartikels über eine bestimmte Person) verfolgt wird. Meist ergibt sich die Sittenwidrigkeit einer Verfügung allerdings nicht bereits aus ihrem objektiven Inhalt, sondern erst aus dem damit verfolgten Zweck, der aus der Testamentsurkunde nicht zu entnehmen ist. Als sittenwidrig sind daher z.B. Zuwendungen einzustufen, durch die ein verheirateter Mann eine Frau für ehebrecherischen Verkehr belohnen oder zur Fortsetzung desselbigen bestimmen möchte (sog. Mätressentestament). Dies muss allerdings der ausschließliche oder wenigstens der ausschlaggebende Zweck für die Zuwendung gewesen sein (BGH v. 31.03.1970, III-ZB-23/68, BGHZ 53, S. 369; v. 29.06.1973, V-ZR-187/71, NJW 1973, S. 1645; v. 12.01.1984, III-ZR-69/83, NJW 1984, S. 2150).

Gesetzliche Erbfolge Testierfreiheit beachte aber:

Gewillkürte Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen

Schranken der Testierfreiheit - Pflichtteilsrecht - gesetzliche Verbote - gute Sitten

Abbildung 40: Vorrang der gewillkürten Erbfolge vor der gesetzlichen Erbfolge

4.2 Formen der gewillkürten Erbfolge Die gewillkürte Erbfolge umfasst das Testament (§§ 1937, 2064 ff. BGB) als einseitige und den Erbvertrag (§§ 1941, 2274 ff. BGB) als zweiseitige (vertragliche) Verfügung von Todes wegen. Ein Erbvertrag kann dabei zwischen beliebigen Personen abgeschlossen werden. Eine Zwischenform des Testaments und Erbvertrags bildet das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten (§§ 2265 ff. BGB). Dieses gehört grundsätzlich zur Kategorie der Testamente, da die Ehegatten zwar gemeinsam in ihm verfügen, jeder dabei aber einseitig. Enthält ein gemeinschaftliches Testament jedoch wechselbezügliche Verfügungen der Ehegatten, so steht es aufgrund der Bindungswirkung dieser wechselbezüglichen Verfügungen zwischen dem Erbvertrag und Testament.

80

Formen der gewillkürten Erbfolge

Formen der gewillkürten Erbfolge

Testament §§ 1937, 2064 ff. BGB

Gemeinschaftliches Testament §§ 2265 ff. BGB

Erbvertrag §§ 1941, 2274 ff. BGB

als einseitige Verfügung von Todes wegen

als letztwillige Verfügung von Ehegatten

als zweitseitige Verfügung von Todes wegen beliebiger Personen

Abbildung 41: Formen der gewillkürten Erbfolge

4.2.1

Testament

Ein Testament ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Verfügung von Todes wegen. Dies bedeutet, dass eine Erklärung gegenüber einer anderen Person bei der Errichtung eines Testaments nicht erforderlich ist. Voraussetzung für die grundsätzliche Wirksamkeit eines Testaments ist allerdings, dass der Erblasser testierfähig war und das Testament persönlich errichtet hat. Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Testaments: 9Erblasser war testierfähig und 9Erblasser hat Testament persönlich errichtet.

4.2.1.1 Testierfähigkeit Testierfähig ist jede natürliche Person mit Eintritt der Volljährigkeit, d.h. der Vollendung des 18. Lebensjahres. Ab diesem Zeitpunkt kann sie von allen Testamentsformen Gebrauch machen (volle Testierfähigkeit). Ebenfalls testierfähig sind Minderjährige über 16 Jahren (§ 2229 Abs. 1 BGB), ohne dass sie dabei die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters (Eltern bzw. Vormund) benötigen (§ 2229 Abs. 2 BGB). Allerdings gelten hierbei wichtige Einschränkungen bezüglich der erlaubten Testamentsformen (beschränkte Testierfähigkeit). Demnach können testierfähige Minderjährige kein eigenhändiges Testament errichten (§ 2247 Abs. 4 BGB). Auch die Errichtung eines Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift an einen Notar (§ 2232 Satz 2 BGB) im Rahmen des öffentlichen Testaments ist ihnen verwehrt. Um sie vor unüberlegten letztwilligen Verfügungen zu schützen, können testierfähige Minder-

81

Gewillkürte Erbfolge

jährige ihr Testament vielmehr nur in solchen Formen errichten, bei denen ihnen ein Notar beratend zur Seite steht. Dies sind das Testament durch mündliche Erklärung vor dem Notar oder durch Übergabe einer offenen Schrift an diesen (§ 2233 Abs. 1 BGB). Nicht testierfähig sind Minderjährige unter 16 Jahren (§ 2229 Abs. 1 BGB); auch ihrem gesetzlichen Vertreter ist es nicht möglich, für sie stellvertretend zu testieren, da das Testament nur vom Erblasser persönlich errichtet werden kann (§ 2064 BGB).

Die Testierfähigkeit ist außerdem ausgeschlossen bei Vorliegen geistiger Gebrechen, d.h. wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen (z.B. Alkoholrausch, Drogeneinfluss und Altersdemenz) nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 2229 Abs. 4 BGB). Wechseln solche Zustände, so ist es entscheidend, in welchem Augenblick testiert wurde, da ein lichter Augenblick (lucidum intervallum) den Erblasser testierfähig macht. Entscheidend ist in diesen Fällen meist die Stellungnahme behandelnder Ärzte.

Testierfähigkeit

Testierunfähigkeit

Volljährige

Minderjährige über 16 Jahren

Minderjährige unter 16 Jahren

volle

beschränkte

möglich:

möglich:

nicht möglich:

alle Formen des Testaments

Testamente mit notarieller Beratung

Testamente ohne notarielle Beratung

Personen mit geistigen Gebrechen beachte aber: lucidum intervallum

offene Schrift an Notar

verschlossene Schrift an Notar

mündliche Erklärung

eigenhändiges Testament

Abbildung 42: Testierfähigkeit und Testierunfähigkeit

82

Formen der gewillkürten Erbfolge

Beispiel

Der 18-jährige Christian Spiegel und seine 17-jährige Freundin Clara Haas suchen den Rechtsanwalt und Notar Albert Kübel auf. Während Clara Haas eine verschlossene Schrift überreichen möchte, will Christian Spiegel sein Testament durch mündliche Erklärung errichten. Beim Gespräch mit den beiden Mandanten stellt Notar Albert Kübel fest, dass Christian Spiegel unter erheblichem Alkoholeinfluss steht. Worauf hat Notar Albert Kübel bezüglich der Gültigkeit der Testamente seine Mandanten hinzuweisen?

Lösung

Beide können, da sie über 16 Jahre sind, ohne Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter (Eltern) ein Testament errichten (§ 2229 Abs. 1 und 2 BGB) und sind somit testierfähig. Da Clara Haas allerdings noch nicht volljährig ist, kann ihr Testament nur als öffentliches Testament (§ 2231 Nr. 1 BGB) durch eine Erklärung gegenüber dem Notar oder durch Übergabe einer offenen Schrift an denselben errichtet werden (beschränkte Testierfähigkeit, § 2233 Abs. 1 BGB). Die Abgabe einer verschlossenen Schrift würde folglich nicht dazu führen, dass Clara Haas ein gültiges Testament errichtet. Christian Spiegel dagegen kann als Volljähriger alle Testamentsformen in Anspruch nehmen (volle Testierfähigkeit). Dementsprechend würde seine mündliche Erklärung vor dem Rechtsanwalt und Notar Albert Kübel zu einem gültigen Testament führen, wenn bei ihm zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Störung des Bewusstseins (geistiges Gebrechen) vorläge. Diese ist aber gegeben, da Christian Spiegel beim Aufsuchen von Albert Kübel unter erheblichem Alkoholeinfluss steht. Dementsprechend ist seine mündliche Testamentserrichtung nicht gültig.

4.2.1.2 Persönliche Errichtung des Testaments Das Testament muss vom Erblasser persönlich errichtet werden (§ 2064 BGB). Jede Form der Stellvertretung ist bei der Testamentserrichtung ausgeschlossen. Deshalb kann der Erblasser ein Testament weder durch einen Bevollmächtigten noch durch einen gesetzlichen Vertreter oder einen Boten errichten. Testamente, die hiergegen verstoßen, sind endgültig nichtig (§ 134 BGB), d.h. es besteht auch keine Genehmigungsmöglichkeit für den Vertretenen. Im Verbot der Stellvertretung spiegeln sich die Bedeutung und der persönliche Charakter eines Testaments wider. Dem Erblasser soll nicht die Möglichkeit gegeben werden, seine sittliche Verantwortung für die Ausgestaltung der Erbfolge von sich selbst abzuwälzen. Darüber hinaus würde die Zuziehung eines Stellvertreters nicht die zuverlässige Wiedergabe des wirklichen Erblasserwillens gewährleisten. Beratung und Beistand durch andere Personen sind bei der Testamentserrichtung dagegen zulässig.

83

Gewillkürte Erbfolge

Bevollmächtigter

Gesetzlicher Vertreter

Stellvertretung nicht zulässig

Bote

Erblasser

Beratung zulässig

persönliche Errichtung

Testament

Abbildung 43: Prinzip der Höchstpersönlichkeit bei der Testamentserrichtung

4.2.1.3 Verschiedene Testamentsformen Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Testamentsformen. Auf der einen Seite stehen die ordentlichen Formen, von denen in jedem Fall Gebrauch gemacht werden kann, auf der anderen Seite die außerordentlichen Formen, die dem Erblasser nur in besonderen Situationen zur Verfügung stehen. Zu den ordentlichen Testamentsformen gehören nach § 2231 BGB das Testament zur Niederschrift eines Notars (öffentliches Testament, § 2232 BGB) und das eigenhändige Testament (§ 2247 BGB). Außerordentliche Testamentsformen stellen die in den §§ 2249 und 2250 BGB geregelten Nottestamente sowie das Seetestament (§ 2251 BGB) dar.

Testamentsformen

ordentliche

Öffentliches Testament § 2232 BGB

Eigenhändiges Testament § 2247 BGB

außerordentliche

Nottestamente §§ 2249, 2250 BGB

Abbildung 44: Verschiedene Testamentsformen

Seetestament § 2251 BGB

84

4.2.1.3.1

Formen der gewillkürten Erbfolge

Ordentliche Testamentsformen

Das öffentliche und das eigenhändige Testament als ordentliche Testamentsformen stehen gleichwertig nebeneinander, da in jeder dieser Formen alle zulässigen Verfügungen von Todes wegen getroffen werden können. Zudem zeigt sich die Gleichwertigkeit darin, dass ein Testament in der einen Form (ein eigenhändiges Testament) durch ein Testament in der anderen Form (ein öffentliches Testament) abgeändert oder widerrufen werden kann. Merke: Das öffentliche und das eigenhändige Testament sind gleichwertig.

4.2.1.3.1.1

Testament zur Niederschrift eines Notars (Öffentliches Testament)

4.2.1.3.1.1.1 Vor- und Nachteile eines öffentlichen Testaments Die Einschaltung eines Notars bei der Testamentserrichtung bietet die Möglichkeit, durch rechtskundige Beratung sowohl Formfehler als auch spätere Zweifel zu vermeiden, ob überhaupt ein Testament vorliegt, ob es echt ist und wie es auszulegen ist. Darüber hinaus besitzt ein öffentliches Testament den Vorteil, dass es nach seiner Errichtung in der Regel unverzüglich in besondere Verwahrung beim Amtsgericht gegeben wird. Hierdurch wird die Gefahr der Verfälschung, der unbefugten Vernichtung sowie der Unauffindbarkeit des Testaments beim Tod des Erblassers weitgehend gebannt. Nachteilig bei einem öffentlichen Testament ist allerdings, dass es bei seiner Errichtung – im Gegensatz zum eigenhändigen Testament – Kosten in Form der Notargebühr verursacht.

4.2.1.3.1.1.2 Mögliche Mitteilungsarten des Erblassers Seine letztwilligen Verfügungen kann der Erblasser bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments dem Notar auf drei verschiedene Arten mitteilen (§ 2232 BGB): 1. durch mündliche Erklärung, 2. durch Übergabe einer offenen Schrift mit der Erklärung, dass diese Schrift seinen letzten Willen enthalte, 3. durch Übergabe einer verschlossenen Schrift mit der Erklärung, dass diese Schrift seinen letzten Willen enthalte. Die an einen Notar übergebene Schrift braucht nicht vom Erblasser selbst, sondern kann auch von einer anderen Person angefertigt worden sein (§ 2232 Satz 2 BGB). Daraus ergibt sich gleichwohl, dass es unerheblich ist, ob die Anfertigung der übergebenen Schrift handoder maschinenschriftlich erfolgt ist. Zudem spielt es keine Rolle, ob die übergebene Schrift vom Erblasser unterschrieben worden ist. Erforderlich ist allerdings, dass der Erblasser den Inhalt der Schrift kennt und bei ihrer Übergabe vor dem Notar erklärt, sei es mündlich, schriftlich oder durch Zeichensprache, dass die Schrift seinen letzten Willen enthalte (§ 2232 Satz 1 BGB).

85

Gewillkürte Erbfolge

Testament zur Niederschrift eines Notars (öffentliches Testament)

Mitteilungsarten für den Erblasser

durch mündliche Erklärung

durch Übergabe einer offenen Schrift

durch Übergabe einer verschlossenen Schrift

mit der Erklärung, dass diese Schrift den letzten Willen des Erblassers enthalte

Abbildung 45: Mögliche Mitteilungsarten des Erblassers beim öffentlichen Testament

4.2.1.3.1.1.3 Errichtungsverfahren des öffentlichen Testaments Das genaue Verfahren, das der Notar bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments zu beachten hat, ist in all seinen Einzelheiten (z.B. Ausschluss eines Notars von der Testamentserrichtung, notwendige Zuziehung von Zeugen oder einer Vertrauensperson des Erblassers) im Beurkundungsgesetz geregelt. Danach muss der Notar über die Errichtung des Testaments eine Niederschrift anfertigen (§ 8 BeurkG). Diese hat entweder die mündliche Erklärung des letzten Willens des Erblassers oder die Feststellung der Übergabe einer Schrift durch den Erblasser zu enthalten (§§ 9 Abs. 1, 30 BeurkG). Die Niederschrift muss in Gegenwart des Notars dem Erblasser vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig vom Erblasser und vom Notar unterschrieben werden (Einzelheiten: § 13 BeurkG). Anschließend sollte der Notar das Testament (also die Niederschrift des Notars sowie gegebenenfalls die vom Erblasser übergebene Schrift) unverzüglich in besondere amtliche Verwahrung beim zuständigen Amtsgericht (§§ 2258a, 2258b BGB) bringen (§ 34 Abs. 1 BeurkG).

86

Formen der gewillkürten Erbfolge

Merke: Ein öffentliches Testament kann nur von einem Notar errichtet werden. Der Notar muss über die Errichtung des Testaments eine Niederschrift aufnehmen. Diese muss in Gegenwart des Erblassers vorgelesen, von diesem genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden. Anschließend sollte der Notar dafür sorgen, dass das Testament in amtliche Verwahrung gelangt.

4.2.1.3.1.2

Eigenhändiges Testament

4.2.1.3.1.2.1 Muss-Vorschriften für ein eigenhändiges Testament Wie ein gültiges eigenhändiges Testament auszusehen hat, ist in § 2247 BGB geregelt. Reduziert man die Angaben des § 2247 BGB auf die für die Gültigkeit eines eigenhändigen Testaments erforderlichen Muss-Vorschriften, bleibt nur, dass es durch den Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein muss (§ 2247 Abs. 1 BGB). Dies bedeutet, dass nicht nur die Unterschrift, sondern vielmehr die Niederschrift des gesamten Testamentstextes vom Erblasser eigenhändig vorgenommen werden muss. Die Muss-Vorschriften für ein gültiges eigenhändiges Testament: 9Eigenhändig geschrieben und 9Eigenhändig unterschrieben.

Die Eigenhändigkeit soll einen sicheren Schriftvergleich ermöglichen und damit die Echtheit des Testaments bestätigen. Zu einem ungültigen Testament führt daher die Testamentserrichtung mit mechanischen Schriftarten wie Maschinen- oder Blindenschrift sowie Stempel, Drucke und Fotokopien, da es in diesen Fällen an der Eigenhändigkeit, d.h. den erforderlichen individuellen Zügen des Erblassers, fehlt. Unerheblich für die Gültigkeit eines eigenhändigen Testaments ist dagegen, mit welchem Schreibgerät (z.B. Kreide, Bleistift, Tinte), auf welcher Schreibunterlage (z.B. Papier, Karton, Tafel), in welcher Schriftart (z.B. lateinische Buchstaben, Druckbuchstaben, Stenografie) und in welcher Sprache das Testament errichtet ist, solange die Schriftzeichen lesbar sind. Ebenso unerheblich für die Gültigkeit ist, ob das Wort „Testament“ explizit in der Urkunde vorkommt. Es genügt vielmehr, wenn aus dem Text der Urkunde hervorgeht – im Notfall durch Auslegung –, dass hiermit eine letztwillige Verfügung von Todes wegen getroffen werden sollte. Außerdem ist es für die Gültigkeit ohne Bedeutung, in welchem Zusammenhang ein Testament steht. Dieses kann somit in einer gesonderten Urkunde, aber genauso im Rahmen einer anderen Aufzeichnung (z.B. Tagebuch, Brief oder Postkarte) errichtet werden.

Gewillkürte Erbfolge

87

4.2.1.3.1.2.2 Soll-Vorschriften für ein eigenhändiges Testament Neben den genannten Muss-Vorschriften erwähnt § 2247 BGB weitere Punkte, die nicht erfüllt sein müssen, sondern lediglich erfüllt sein sollten (Soll-Vorschriften). Hierzu zählen Angaben über den Ort und das Datum der Testamentserrichtung (§ 2247 Abs. 2 BGB). Durch das Fehlen dieser Angaben ist ein eigenhändiges Testament nicht ungültig; es können jedoch erhebliche Zweifel an seiner Gültigkeit entstehen. So kann z.B. fraglich sein, ob ein undatiertes Testament jünger oder älter ist als eine andere Verfügung von Todes wegen desselben Erblassers – bei sich widersprechenden Verfügungen hat stets die jüngere den Vorrang (§ 2258 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus gehört zu den SollVorschriften die Unterzeichnung des Testaments durch den Erblasser mit seinem Vornamen und seinem Familiennamen (§ 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Unterschrift in einer anderen Weise führt aber nicht zur Ungültigkeit des Testaments, wenn die Person des Erblassers trotzdem festzustellen ist, d.h. die Identitätsfrage geklärt werden kann (§ 2247 Abs. 3 Satz 2 BGB). Unter diesen Voraussetzungen kann es also ausreichend sein, mit dem Vornamen oder dem Familiennamen, mit einem Künstlernamen, mit einem Pseudonym oder mit einer Verwandtschaftsbezeichnung (z.B. „Euer Vater“ oder „Eure Schwester“) zu unterschreiben. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass solche Arten der Unterschrift unter Umständen Zweifel an der Ernstlichkeit der Erklärung hervorrufen können.

4.2.1.3.1.2.3 Abschlussfunktion der Unterschrift Da die Unterschrift die Echtheit und Vollständigkeit eines Testaments feststellen und dieses von Entwürfen abgrenzen soll, muss sie die letztwillige Verfügung abschließen. Merke: Die Unterschrift des Erblassers muss räumlich am Ende des Testaments stehen.

Enthält das Testament zu Beginn den Namen des Erblassers (z.B. „Ich, Willi Dechant, vererbe ...“), fehlt aber eine abschließende Unterschrift, so ist dieses Testament ungültig (Oberschrift ist keine Unterschrift). Wird die Unterschrift allerdings aus Platzmangel nicht am Ende des Testamentstextes gesetzt, sondern etwa quer an den Rand geschrieben, so scheitert daran nicht die Gültigkeit eines Testaments. Denn entscheidend ist eine derartige räumliche Beziehung der Unterschrift zum Text, dass sie diesen der äußeren Erscheinung nach deckt, räumlich abschließt und gegen spätere Zusätze schützt. Nach diesem Grundsatz hat auch die Beurteilung weiterer Zweifelsfälle (z.B. die Unterschrift bei einem Testament, das aus mehreren losen Blättern besteht; die Unterschrift auf den Umschlag, in dem sich ein Testament befindet; die Unterschrift bei Zusätzen, die der Erblasser dem Testament später beifügt) zu erfolgen.

88

Formen der gewillkürten Erbfolge

4.2.1.3.1.2.4 Verwahrung eines eigenhändigen Testaments Der Erblasser kann ein eigenhändiges Testament selbst verwahren. Er kann es aber auch, um es vor Verfälschung und Verlust zu schützen sowie sein späteres Auffinden zu sichern, in besondere amtliche Verwahrung bei einem beliebigen Amtsgericht geben (§ 2248 BGB). Dadurch wird ein eigenhändiges Testament nicht zu einem öffentlichen, sondern bleibt weiterhin ein privates Testament. Die Rückgabe des Testaments aus der amtlichen Verwahrung kann vom Erblasser jederzeit verlangt werden (§ 2256 Abs. 2 BGB).

Fähigkeit zur Errichtung - Volljährigkeit (§ 2247 Abs. 4 BGB) - Schreib- und Lesevermögen (§ 2247 Abs. 4 BGB)

Muss-Vorschriften

Soll-Vorschriften Testament

9eigenhändig geschrieben

Hiermit vererbe ich, Willi Dechant, meiner Ehefrau Natalie Dechant mein gesamtes Vermögen. Ingolstadt, 1.1.05

9eigenhändig unterschrieben am Ende des Testaments

• Ort und Datum der Testamentserrichtung Willi Dechant

Verwahrung

privat

Abbildung 46: Das eigenhändige Testament

amtlich

• Unterschrift mit Vorund Familienname

89

Beispiel

Gewillkürte Erbfolge

Anton Merk erkrankt auf einer Reise durch Afrika an Malaria. In einem Krankenhaus in Nairobi verfasst er für seine Tochter Franziska unter Zuhilfenahme eines Bleistiftes folgenden Brief: Hallo Franzi, die Ärzte halten meine Erkrankung für lebensbedrohlich. Daher will ich zur Sicherheit eine Anordnung treffen. Sollte ich versterben, sollst Du, als meine Tochter und einzige Angehörige, mein gesamtes Vermögen erhalten. Nairobi, 1.1.2005

Gruß, Dein Vati

Lösung

Handelt es sich hierbei um ein gültiges eigenhändiges Testament? Anton Merk hat ein gültiges eigenhändiges Testament errichtet, wenn er die MussVorschriften des § 2247 Abs. 1 BGB beachtet hat. Dazu muss er sowohl den Text des Testaments als auch die Unterschrift eigenhändig geschrieben haben. Das Erfordernis der Eigenhändigkeit ist von Anton Merk erfüllt worden, da er sowohl Text als auch Unterschrift eigenhändig unter Benutzung eines Bleistiftes geschrieben hat. Die Benutzung des Bleistiftes als Schreibgerät spielt für die Gültigkeit des Testaments keine Rolle. Da das Gesetz für die äußere Erscheinungsform eines eigenhändigen Testaments keine besonderen Anforderungen stellt, ist für dessen Gültigkeit darüber hinaus unerheblich, dass Anton Merk seine letztwillige Verfügung in Briefform niedergelegt hat. Ebenso ohne Einfluss auf die Gültigkeit ist, dass Anton Merk seine Anordnungen nicht als Testament oder letztwillige Verfügung bezeichnet hat, da sich anhand des Wortlautes des Briefes („Du erhältst mein gesamtes Vermögen“) ergibt, dass Anton Merk durch diesen Vorsorge für den Fall seines Ablebens treffen wollte. Neben den genannten Muss-Vorschriften des § 2247 Abs. 1 BGB bedarf es zur Gültigkeit eines Testaments jedoch einer räumlich am Ende des Testamentstextes stehenden Unterschrift. Auch dieses Erfordernis hat Anton Merk erfüllt. Allerdings entspricht seine Unterschrift nicht der Soll-Vorschrift des § 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB, da Anton Merk nicht mit seinem Vor- und Nachnamen, sondern nur mit einer Verwandtschaftsbezeichnung („Dein Vati“) unterschrieben hat. Dies spielt für die Gültigkeit des Testaments jedoch insoweit keine Rolle (§ 2247 Abs. 3 Satz 2 BGB), da sich aus dem Testamentstext eindeutig erschließen lässt, dass das Testament von Anton Merk stammt („Hallo Franzi ... Du als meine Tochter“) und auch ernst gemeint ist („lebensbedrohliche Erkrankung“). Damit hat Anton Merk alle Erfordernisse erfüllt und ein gültiges eigenständiges Testament errichtet.

4.2.1.3.2

Außerordentliche Testamentsformen

Neben den beiden ordentlichen Testamentsformen existieren auch drei außerordentliche Testamentsformen. Hierzu gehören das Testament vor dem Bürgermeister (§ 2249 BGB), das Testament vor drei Zeugen (§ 2250 BGB) und das Seetestament (§ 2251 BGB). Die

90

Formen der gewillkürten Erbfolge

beiden zuerst genannten Testamente sind nur zulässig, wenn eine im Gesetz näher beschriebene Notlage vorliegt. Sie werden daher auch als sog. Nottestamente bezeichnet. Das Seetestament dagegen ist zwar ebenfalls ein außerordentliches, aber kein Nottestament, da für dessen Errichtung keine konkrete Notlage vorausgesetzt wird.

Außerordentliche Testamente

Nottestamente

Testament vor dem Bürgermeister § 2249 BGB

Testament vor drei Zeugen § 2250 BGB

Seetestament § 2251 BGB

Abbildung 47: Außerordentliche Testamentsformen

4.2.1.3.2.1

Nottestamente

Bei den Nottestamenten hat der Gesetzgeber an Ausnahmesituationen gedacht, in welchen ein Erblasser den Wunsch hat, sofort ein öffentliches Testament zu errichten, ihm dies aber aufgrund äußerer Lebensumstände, insbesondere bei Todesgefahr für seine Person oder bei Absperrung seines Aufenthaltsortes (z.B. einer Insel wegen Sturmflut oder Hochwasser), nicht möglich ist. Die Nottestamente ersetzen damit in Eilfällen das öffentliche Testament. Sie sind möglich x

zur Niederschrift des Bürgermeisters der Gemeinde, in der sich der Erblasser gerade befindet, bei gleichzeitiger Anwesenheit von zwei Zeugen (§ 2249 BGB) oder

x

durch mündliche Erklärung in Anwesenheit von drei privaten Zeugen bei Aufnahme einer Niederschrift über die Erklärung des Erblassers (§ 2250 Abs. 1 BGB). Das sog. Dreizeugentestament kommt dann zur Anwendung, wenn sich der Erblasser an einem abgesperrten Ort oder in so naher Todesgefahr befindet, dass auch die Errichtung eines Testaments vor dem Bürgermeister nicht mehr rechtzeitig möglich ist.

Die Bedeutung der Nottestamente ist jedoch gering, da in den meisten Fällen vom Erblasser in Ausnahmesituationen ein eigenhändiges Testament errichtet wird. Demnach besteht ein praktisches Bedürfnis für ein Nottestament nur in den seltenen Fällen, in denen der Erblas-

Gewillkürte Erbfolge

91

ser, z.B. durch Unfall oder Krankheit, nicht schreiben und daher ein eigenhändiges Testament nicht errichten kann. Merke: Nottestamente sind zulässig, wenn in Ausnahmesituationen vom Erblasser kein ordentliches öffentliches Testament errichtet werden kann.

Um der Gefahr des Missbrauchs von Nottestamenten vorzubeugen, ist ihre Gültigkeit beschränkt. Ein Nottestament gilt demnach als nicht errichtet, wenn seit seiner Abfassung drei Monate verstrichen sind, und der Erblasser noch lebt (§ 2252 Abs. 1 BGB). Beginn und Lauf dieser Frist sind jedoch solange gehemmt, wie der Erblasser außerstande ist, z.B. weil er im Koma liegt, ein Testament vor einem Notar zu errichten (§ 2252 Abs. 2 BGB). Damit kann ein Erblasser die Fortgeltung von Anordnungen, die er in einem Nottestament getroffen hat, nur dadurch sichern, dass er dieses Nottestament durch ein ordentliches Testament (eigenhändiges oder öffentliches Testament) ersetzt. Merke: Die Gültigkeit der Nottestamente ist zeitlich auf drei Monate beschränkt.

4.2.1.3.2.2

Seetestament

Das Seetestament stellt ein Dreizeugentestament dar, das – auch ohne Vorliegen einer Notlage – errichtet werden kann, wenn sich der Erblasser während einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb eines inländischen Hafens befindet (§ 2251 BGB). Hinsichtlich der Formerfordernisse verweist § 2251 BGB auf das oben angesprochene Dreizeugentestament. Die Gültigkeitsfrist eines Seetestaments ergibt sich aus § 2252 BGB. Merke: Anders als das Bürgermeistertestament und das Dreizeugentestament kann das Seetestament nicht als Nottestament bezeichnet werden, da seine Anwendung keine konkrete Notlage voraussetzt.

4.2.1.4 Widerruf eines Testaments Da ein Testament erst mit dem Tod des Erblassers Wirkungen entfaltet und der in einem Testament Bedachte bis zum Erbfall keinerlei Rechte erwirbt, kann der Erblasser ein Testament sowie einzelne in einem Testament enthaltene Verfügungen jederzeit und grundlos widerrufen (§ 2253 BGB). Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der bereits erwähnten Testierfreiheit. Diese besagt, dass jede natürliche Person grundsätzlich eine eigene Verfügung von Todes wegen errichten darf. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass es jede natürliche Person aber ebenso unterlassen kann, eine eigene Verfügung von Todes wegen zu errichten. Daraus folgt wiederum, dass der Widerruf eines Testaments möglich sein muss.

92

Formen der gewillkürten Erbfolge

Da der Widerruf eines Testaments selbst eine letztwillige Verfügung ist, kann er nur durch einen nach § 2229 BGB testierfähigen Erblasser erfolgen. Merke: Ein testierfähiger Erblasser kann ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung jederzeit und grundlos widerrufen.

4.2.1.4.1

Formen des Widerrufs

Der Erblasser kann beim Widerruf zwischen verschiedenen Formen wählen. Danach kann der Widerruf durch ein Widerrufstestament (§ 2254 BGB), durch ein neues Testament, das mit dem früheren Testament in Widerspruch steht (§ 2258 BGB), durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB) und beim öffentlichen Testament auch durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) erfolgen.

Formen des Widerrufs eines Testaments

Widerrufstestament (§ 2254 BGB)

neues Testament, das früherem Testament widerspricht (§ 2258 BGB)

Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB)

beim öffentlichen und eigenhändigen Testament

Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) nur beim öffentlichen Testament

Abbildung 48: Formen des Widerrufs eines Testaments

4.2.1.4.2

Widerrufstestament

Mit dem Widerrufstestament ist eine letztwillige Verfügung gemeint, die sich inhaltlich auf den Widerruf eines früheren Testaments beschränkt (§ 2254 BGB). Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Widerruf ausdrücklich formuliert oder durch Auslegung feststellbar ist. Hinsichtlich der Form des Widerrufstestaments sind die allgemeinen Anforderungen an die Form eines Testaments zu beachten. Nicht erforderlich ist, dass das Widerrufstestament in derselben Form errichtet wird wie das zu widerrufende Testament (Gleichwertigkeit der Testamentsformen). Nimmt der Erblasser nach dem Widerrufstestament keine neue Erbeinsetzung vor, so ist bei dessen Tod die gesetzliche Erbfolge maßgebend.

Gewillkürte Erbfolge

4.2.1.4.3

93

Neues Testament, das früherem Testament widerspricht

Errichtet der Erblasser ohne ausdrücklichen Widerruf des früheren Testaments ein neues Testament, das mit dem früheren Testament inhaltlich in Widerspruch steht, so gilt das frühere Testament als widerrufen (§ 2258 Abs. 1 BGB). Ein Widerrufswille beim Erblasser ist dabei nicht erforderlich, so dass die Wirkung des § 2258 Abs. 1 BGB auch dann eintritt, wenn der Erblasser bei Errichtung des neuen nicht mehr an die Existenz des früheren Testaments gedacht hat.

Beispiel

Hansi Blume hat am 01.01.2004 ein Testament errichtet, in dem er seinen Sohn Holger Blume als Alleinerben eingesetzt hat. Am 01.01.2005 ist von Hansi Blume ein weiteres Testament errichtet worden, in dem er seinen Sohn Holger Blume als Erbe zu 2/3 bestimmt hat. Die restlichen 1/3 hat Hansi Blume seiner neuen Freundin Victoria Becker vererbt. Inwieweit ist das frühere durch das neue Testament des Hansi Blume widerrufen worden?

Lösung

Die Formulierung „insoweit“ im § 2258 Abs. 1 BGB führt jedoch dazu, dass nur der Teil des früheren Testaments von dem neuen Testament widerrufen wird, der den Verfügungen des neuen Testaments inhaltlich widerspricht. Der andere Teil des früheren Testaments bleibt dagegen weiterhin gültig.

Da Holger Blume vom Erblasser Hansi Blume in dessen neuem Testament als Erbe zu 2/3 bestimmt wurde, gilt das frühere Testament, in dem Holger Blume als Alleinerbe genannt ist, insoweit als widerrufen, als es mit dem neuen Testament inhaltlich in Widerspruch steht. In Widerspruch steht hier die frühere Erbeinsetzung des Holger Blume zu 1/3. Sie ist dementsprechend vom neuen Testament widerrufen worden. Der andere Teil des früheren Testaments, d.h. die Erbeinsetzung des Holger Blume zu 2/3, ist dagegen vom neuen Testament nicht widerrufen worden. Sie bleibt weiterhin gültig.

Bestehen zwischen den im früheren und den im neuen Testament getroffenen Verfügungen keine inhaltlichen Überschneidungen, ist ein Widerruf des früheren Testaments nach § 2258 Abs. 1 BGB nur anzunehmen, sofern im neuen Testament der Wille erkennbar ist, die Erbfolge sei ausschließlich nach dem neuen Testament zu bestimmen.

4.2.1.4.4

Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde

Den Willen, ein Testament zu widerrufen, muss der Erblasser jedoch nicht in der Form eines Testaments erklären. Es reicht aus, wenn er die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, aus denen auf seinen Willen geschlossen werden kann, die schriftliche Verfügung aufzuheben (§ 2255 Satz 1 BGB). Hierbei kommen Verbrennen, Zerreißen oder Zerschneiden der Testamentsurkunde ebenso in Betracht wie Ausradieren,

94

Formen der gewillkürten Erbfolge

Schwärzen, Durchstreichen, Einklammern oder Herausschneiden einzelner Wörter und Sätze aus der Testamentsurkunde. Außerdem gelten auf eine Testamentsurkunde gesetzte Entwertungsvermerke (z.B. „ungültig“ oder „aufgehoben“) als Widerruf nach § 2255 BGB. Da für einen solchen Widerruf die Testamentsform nicht eingehalten werden muss, ist es auch nicht erforderlich, dass ein Entwertungsvermerk unterschrieben ist. Die Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde muss vom Erblasser selbst vorgenommen werden. Ein Dritter kann die Vernichtung und Veränderung der Urkunde allerdings dann übernehmen, wenn er lediglich als Werkzeug des Erblassers und nicht als gesetzlicher Vertreter oder Bevollmächtigter des Erblassers mit eigener Entschlussfreiheit handelt. Abgesehen von der genannten Ausnahme, führt die Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde durch einen Dritten niemals zu deren Ungültigkeit; es existiert nämlich keine gesetzliche Vermutung, dass die Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde tatsächlich vom Erblasser vorgenommen worden ist. Neben der Vernichtung oder Veränderung der Urkunde ist die Widerrufsabsicht des Erblassers erforderlich. Für deren Nachweis stellt § 2252 Satz 2 BGB eine erhebliche Erleichterung dar: Steht fest, dass der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in bezeichneter Weise verändert hat, so wird seine Widerrufsabsicht vermutet. Die Vermutung nach § 2252 Satz 2 BGB ist jedoch widerlegbar (§ 292 ZPO), wenn der Erblasser z.B. nachweist, dass er das Testament versehentlich vernichtet hat.

4.2.1.4.5

Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Die vom Erblasser verlangte Rückgabe eines öffentlichen Testaments (und auch die eines Nottestaments vor dem Bürgermeister) aus der amtlichen Verwahrung gilt nach § 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB als Widerruf (unwiderlegbare Vermutung). Dabei ist es unerheblich, welche Motive den Erblasser dazu bewogen haben, sich sein öffentliches Testament aus der amtlichen Verwahrung zurückgeben zu lassen. Die versehentliche Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung hat dagegen auf die Gültigkeit eines Testaments keinen Einfluss. Beim eigenhändigen Testament (und auch beim Dreizeugentestament), das sich ebenfalls in amtlicher Verwahrung befinden kann (§ 2248 BGB), führt die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung – anders als beim öffentlichen Testament – nicht zum Widerruf des Testaments (§ 2256 Abs. 3 BGB). Der Erblasser kann die Rückgabe jederzeit verlangen (§ 2256 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Testament darf dabei allerdings nur persönlich an den Erblasser zurückgegeben werden (§ 2256 Abs. 2 Satz 2 BGB). Deshalb führt die Rückgabe an einen Bevollmächtigten oder eine Übersendung mit der Post dazu, dass keine Widerrufswirkung eintritt. Ist der Erblasser persönlich nicht mehr in der Lage, bei der amtlichen Verwahrungsstelle zu erscheinen,

95

Gewillkürte Erbfolge

so kann der Widerruf nur erfolgen, indem der Verwahrungsbeamte dem Erblasser die Testamentsurkunde persönlich überbringt.

4.2.1.5 Inhaltliche Ausgestaltung von Testamenten Der Erblasser ist bei der Ausgestaltung des Testamentsinhalts frei, sofern die von ihm getroffenen erbrechtlichen Anordnungen gesetzlich zulässig sind. So ist der Erblasser z.B. aufgrund des Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge nicht in der Lage, einem Miterben einen einzelnen Vermögensgegenstand mit dinglicher (absoluter) Wirkung zuzuwenden. Sind Anordnungen jedoch gesetzlich zulässig, so kann der Erblasser nach eigenem Ermessen entscheiden, welche und wie viele er von ihnen in sein Testament aufnimmt. Von den zahlreichen erbrechtlichen Anordnungen, die gesetzlich zulässig sind, sollen die Wichtigsten im Folgenden vorgestellt werden. Zu ihnen gehören z.B. die Erbeinsetzung, die Vor- und Nacherbschaft, die Ersatzerbschaft, eine Teilungsanordnung, ein Vermächtnis, eine Auflage, die Enterbung oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.

Testamentsformen

ordentliche öffentliches Testament § 2232 BGB

außerordentliche

eigenhändiges Testament § 2247 BGB

Nottestamente §§ 2249, 2250 BGB

Testamentsinhalte Anordnung z.B. von: • Erbeinsetzung, • Vor- und Nacherbschaft, • Ersatzerbschaft, • Teilungsanordnung, • Vermächtnis, • Auflage, • Enterbung oder • Testamentsvollstreckung

Abbildung 49: Inhaltliche Ausgestaltung von Testamenten

Seetestament § 2251 BGB

96

Formen der gewillkürten Erbfolge

4.2.1.5.1

Erbeinsetzung

Da nach dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) das Vermögen einer Person mit deren Tod als Ganzes auf einen einzigen Erben (Alleinerben) oder auf mehrere Erben (Erbengemeinschaft) übergeht, ist unter Erbeinsetzung die Bestimmung eines Erben oder einer Erbengemeinschaft zum Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers zu verstehen. Über diese Erbenbestimmung hinaus kann der Erblasser die Anteile des einzelnen (Mit-)Erben an dem von ihm hinterlassenen Vermögen festlegen (§ 1937 BGB). Sofern der Erblasser lediglich über einen Teil seines Vermögens eine Anordnung getroffen hat, gilt für den übrigen Teil seines Vermögens die gesetzliche Erbfolge (§ 2088 Abs. 1 BGB). Merke: Durch die Erbeinsetzung bestimmt der Erblasser, wer Erbe sein soll und zu welchem Beteiligungsverhältnis der einzelne (Mit-)Erbe erben soll.

4.2.1.5.2

Vor- und Nacherbschaft

Beispiel

Bei der Vor- und Nacherbschaft kann jemand vom Erblasser zum Erben in der Weise eingesetzt werden, dass er erst dann Erbe (Nacherbe) wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist (§ 2100 BGB). Kathrin Krah schreibt in ihrem Testament: „Alleiniger Vorerbe soll mein Ehemann Sven sein. Nach dessen Tod sollen unsere gemeinsamen Kinder Matthias, Alexandra und Julia mein Vermögen zu gleichen Teilen als Nacherben erhalten.“

Die Motive des Erblassers für eine solche Regelung liegen meist darin, dass er auf der einen Seite die Versorgung des Vorerben sichern und auf der anderen Seite den Weg seines Vermögens möglichst lange bestimmen möchte. Vorerbe und Nacherbe sind beide Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, jedoch nicht nebeneinander (als Miterben), sondern zeitlich nacheinander. Damit wird der Vorerbe zum Zeitpunkt des Erbfalls Erbe des Erblassers, während der Nacherbe eine Anwartschaft erwirbt. Er wird erst bei Eintritt der Nacherbfolge Erbe des Erblassers, während die Rechte des Vorerben zu diesem Zeitpunkt erlöschen. Merke:

Erbfall:

Vorerbe wird Erbe des Erblassers (Gesamtrechtsnachfolger), während Nacherbe Anwartschaft erwirbt; Nacherbfall: Nacherbe wird Erbe des Erblassers (Gesamtrechtsnachfolger), während die Rechte des Vorerben erlöschen.

Hat der Erblasser einen Nacherben eingesetzt, ohne aber festzulegen, mit welchem Ereignis die Nacherbfolge eintreten soll, so wird diese Lücke durch § 2106 Abs. 1 BGB geschlos-

97

Gewillkürte Erbfolge

sen. Danach fällt dem Nacherben die Erbschaft stets mit dem Tod des Vorerben zu. Der Erblasser ist jedoch in der Festlegung des Ereignisses, das den Eintritt der Nacherbfolge auslösen soll, völlig frei. So kann der Eintritt der Nacherbfolge vom Erblasser z.B. auch für den Fall angeordnet werden, dass der überlebende Ehegatte und Vorerbe erneut heiratet. Die Erbschaft wird grundsätzlich (Ausnahmen enthält § 2109 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu freiem Vermögen des Vorerben, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre vergangen sind, ohne dass die Nacherbfolge eingetreten ist (§ 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Vermögen des Erblassers

Erblasser

(Vor-)Erbfall Erwerb einer Anwartschaft auf Vermögen des Erblassers durch den Nacherben

Gesamtrechtsnachfolge

Vermögen des Erblassers

Nacherbfall

Vorerbe

Rechte des Vorerben am Vermögen des Erblassers erlöschen

z.B. Tod oder Wiederheirat des Vorerben Gesamtrechtsnachfolge

Vermögen des Erblassers

Nacherbe

Abbildung 50: Gesamtrechtsnachfolge bei Vor- und Nacherbschaft Der Vorerbe ist vom Erbfall bis zum Eintritt der Nacherbfolge Inhaber der vererblichen Rechte des Erblassers und kann daher grundsätzlich über die von diesem hinterlassenen Vermögensgegenstände verfügen (§ 2112 BGB). Um den Bestand des Vermögens für den

98

Formen der gewillkürten Erbfolge

Nacherben zu sichern, unterliegt der Vorerbe jedoch einigen Beschränkungen dieses Verfügungsrechts (§§ 2113 bis 2115 BGB). So ist es dem Vorerben insbesondere nicht möglich, über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte ohne Zustimmung des Nacherben zu verfügen. Sollte dies trotzdem geschehen, sind die Verfügungen des Vorerben bei Eintritt der Nacherbfolge unwirksam (§ 2113 Abs. 1 BGB). Zudem sind alle unentgeltlichen Verfügungen des Vorerben über die Erbschaftsgegenstände unwirksam, soweit es sich nicht um Schenkungen handelt, die einer sittlichen Pflicht oder Anstandsrücksichten entsprechen (§ 2113 Abs. 2 BGB). Nach dem bereits erläuterten Grundsatz der Testierfreiheit kann der Erblasser den Vorerben jedoch von der gesetzlichen Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB freistellen (sog. befreite Vorerbschaft, § 2136 BGB), nicht jedoch von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB. Im Rahmen der befreiten Vorerbschaft ist es dem Vorerben erlaubt, über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte entgeltlich zu verfügen; er darf sie aber weiterhin nicht verschenken. Möchte der Erblasser den Vorerben auch von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB befreien, so muss er den Vorerben zum Vollerben einsetzen. Dem Vorerben, dem bis zum Eintritt der Nacherbfolge auf jeden Fall die Nutzungen der vererblichen Rechte des Erblassers zustehen, obliegt nach § 2124 BGB gegenüber dem Nacherben die Pflicht, die gewöhnlichen Erhaltungskosten für die Erbschaftsgegenstände zu tragen. Darüber hinaus ist er bei Eintritt der Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaftsgegenstände in ordnungsgemäßem Zustand herauszugeben (§ 2130 BGB).

4.2.1.5.3

Ersatzerbschaft

Beispiel

Bei der Ersatzerbschaft kann der Erblasser für den Fall, dass ein zunächst berufener Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfällt, einen anderen Erben (Ersatzerben) berufen (§ 2096 BGB). Dieser tritt an die Stelle des zunächst berufenen Erben. Als Wegfall des zunächst berufenen Erben im Sinne des § 2096 BGB gelten dabei alle Gründe, die zur Folge haben, dass dieser kein Erbe wird. Vor dem Erbfall kann dies durch Vorversterben oder Erbverzicht des zunächst berufenen Erben der Fall sein, nach dem Erbfall durch z.B. Ausschlagung, Widerruf oder Nichtigkeit. Karl Schindler schreibt in seinem Testament: „Mein gesamtes Vermögen soll mein Sohn Markus erben. Sollte dieser allerdings bei meinem Tod selbst nicht mehr leben oder die Erbschaft ausschlagen, so soll mein Vermögen meinem Bruder Christoph zufallen.“

Die Ersatzerbschaft gilt es von der Vor- und Nacherbschaft zu unterscheiden. Während der Nacherbe erst dann Erbe des Erblassers wird, wenn zuvor bereits ein anderer Erbe war, wird der Ersatzerbe unmittelbarer Erbe des Erblassers, indem er an die Stelle des zunächst berufenen Erben tritt. Aus diesem Grund geht der Ersatzerbe auch leer aus, wenn der

Gewillkürte Erbfolge

99

zunächst berufene Erbe nach dem Erbfall verstirbt (und keine gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge zu Gunsten des Ersatzerben vorliegt).

4.2.1.5.4

Teilungsanordnung

Um spätere Streitigkeiten bei der Erbauseinandersetzung zu vermeiden, aber auch um sicherzustellen, dass die Erben den Aufteilungsvorstellungen des Erblassers nachkommen, kann dieser im Wege einer Teilungsanordnung nach § 2048 BGB in seinem Testament einzelne Nachlassgegenstände unter den Erben ganz oder teilweise aufteilen, indem er bindende Anordnungen für die Erbauseinandersetzung trifft. Dies hat zur Folge, dass die Erben die Anordnungen später nur noch vollziehen müssen. Sind sich alle Erben einig, können sie sich allerdings über eine Teilungsanordnung des Erblassers hinwegsetzen. Die Beanspruchung eines durch Teilungsanordnung zugedachten Nachlassgegenstandes ist nur möglich, wenn der Begünstigte Erbe wird. Zudem muss ein durch Teilungsanordnung zugedachter Nachlassgegenstand auf den Erbteil des Begünstigten angerechnet werden, so dass dessen Erbteilshöhe davon unberührt bleibt. Aus diesem Grund kann auch ein zugedachter Nachlassgegenstand, dessen Wert den Erbteil des Begünstigten übersteigt, nur dann durch Teilungsanordnung zugewiesen werden, wenn dem Begünstigten zugleich eine Ausgleichspflicht gegenüber den anderen Miterben auferlegt ist, da sich ansonsten die Erbteilshöhe des Begünstigten zu seinen Gunsten verschieben würde. Merke: Grundsätzlich treten durch Teilungsanordnungen keine Wertverschiebungen gegenüber den Erbteilen ein, da der zugedachte Gegenstand auf den Erbteil des Begünstigten anzurechnen ist.

Hierin liegt auch der Unterschied zum Vorausvermächtnis, bei dem sich ein begünstigter Erbe (Vermächtnisnehmer) den ihm vermachten Gegenstand nicht auf seinen Erbteil anzurechnen lassen braucht, und damit eine Wertverschiebung gegenüber den Erbteilen zu seinen Gunsten eintritt (siehe Kapitel II 4.2.1.5.5.1). Bestehen Zweifel hinsichtlich der Frage, ob der Erblasser in seinem Testament eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis angeordnet hat, so muss durch Auslegung eine Lösung herbeigeführt werden. Hinweis: Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der Frage, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis vorliegt, sollte der Erblasser im Testament stets ausdrücklich bestimmen, ob und gegebenenfalls zu welchem Wert die Zuweisung eines einzelnen Nachlassgegenstandes auf den Erbteil angerechnet werden soll (eindeutiger Hinweis auf Vorliegen einer Teilungsanordnung).

100

Formen der gewillkürten Erbfolge

Beispiel

Frank Winter schreibt in seinem Testament: „Ich bestimme meine Ehefrau Renate und meinen Sohn Hugo zu gleichen Teilen zu meinen Erben. Renate erhält dabei das Mietshaus in Köln und Hugo die Ferienwohnung auf Sylt. Die unterschiedlichen Verkehrswerte der zugewendeten Gegenstände müssen die Erben untereinander in Geld ausgleichen.“ Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf das Vorliegen einer Teilungsanordnung. Das Mietshaus in Köln hat laut unabhängigem Gutachter einen Wert von 600.000 € und die Ferienwohnung einen Wert von 200.000 €. Welcher Erbe hat gegenüber dem anderen Erben eine Ausgleichspflicht und in welcher Höhe?

Lösung

Da Frank Winter seine Ehefrau Renate und seinen Sohn Hugo zu gleichen Teilen als Erben einsetzt, sollen die beiden Erben letztlich vom Gesamtnachlass in Höhe von 800.000 € je 1/2, also 400.000 €, erhalten. Aufgrund der Teilungsanordnung bekommt damit Sohn Hugo die Ferienwohnung auf Sylt im Wert von 200.000 € und zusätzlich 200.000 € in Geld, die von der Ehefrau Renate als Ausgleich an ihn zu zahlen sind.

Eine Teilungsanordnung besitzt keine dingliche (absolute) Wirkung. Hat der Erblasser z.B. angeordnet, dass ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung seinen Ferrari Testarossa erhalten soll, so ändert diese Anordnung nichts daran, dass beim Erbfall das Eigentum an dem Ferrari auf alle Miterben, d.h. die gesamte Erbengemeinschaft übergeht. Diese ist allerdings verpflichtet, den Ferrari bei der Erbauseinandersetzung dem vom Erblasser ausgewählten Miterben zuzusprechen und auf ihn zu übertragen. Eine Teilungsanordnung hat damit lediglich einen sog. erbrechtlich begründeten schuldrechtlichen Charakter. Sie muss erst durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden erfüllt werden. Vermögen des Erblassers Teilungsanordnung Grundstück

Sparbuch

PKW

des Erblassers

Begünstigter (muss Erbe sein)

1.

2.

Gesamtrechtsnachfolge

Einzelrechtsnachfolge

Übergang als „Ganzes“ mit dinglicher (absoluter) Wirkung auf

schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des zugedachten Gegenstands (PKW) bei gleichzeitiger Anrechnung des zugedachten Gegenstands (PKW) auf den Erbteil des Begünstigten

Erbe bzw. Erbengemeinschaft

Abbildung 51: Einzelrechtsnachfolge bei der Teilungsanordnung

101

Gewillkürte Erbfolge

4.2.1.5.5

Vermächtnis

Unter einem Vermächtnis versteht man die vom Erblasser angeordnete Zuwendung eines Vermögensgegenstandes an einen Dritten, ohne diesen Dritten dabei als Erben einzusetzen (§ 1939 BGB). Während bei der Erbeinsetzung der Erbe (Miterbe, Vorerbe, Nacherbe, Ersatzerbe) als Gesamtrechtsnachfolger, ohne dass es rechtsgeschäftlicher Übertragungsakte bedarf, in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt, wird der durch das Vermächtnis bedachte Dritte (= Vermächtnisnehmer) Rechtsnachfolger im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Der vermachte Gegenstand geht bei Eintritt des Erbfalls nicht unmittelbar, d.h. mit dinglicher (absoluter) Wirkung auf den Vermächtnisnehmer über, sondern dieser erlangt lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den mit dem Vermächtnis beschwerten Erben oder die Erbengemeinschaft auf Leistung des vermachten Gegenstands (§ 2174 BGB). Der Anspruch des Vermächtnisnehmers muss also erst durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden erfüllt werden. Ist der mit dem Vermächtnis beschwerte Erbe nicht willens, den Anspruch des Vermächtnisnehmers zu erfüllen, so kann dieser seinen Anspruch auf den ihm vermachten Gegenstand ggf. im Klagewege geltend machen. Vermögen des Erblassers Vermächtnis Grundstück

Sparbuch

PKW des Erblassers

Vermächtnisnehmer (grundsätzlich kein Erbe)

1.

2.

Gesamtrechtsnachfolge

Einzelrechtsnachfolge

Übergang als „Ganzes“ mit dinglicher (absoluter) Wirkung auf

schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des vermachten Gegenstands (PKW)

Erbe bzw. Erbengemeinschaft

Abbildung 52: Einzelrechtsnachfolge beim Vermächtnis

102

Formen der gewillkürten Erbfolge

Beispiel

Xaver Baumann setzt folgendes Testament auf: „Philipp und Lukas, meine beiden Söhne aus erster Ehe, sollen meine gesamten vererblichen Vermögenswerte zu gleichen Teilen erben. Meine zweite Ehefrau Birgit Fiedler-Baumann soll mein Sparguthaben bei einer Bank in Eichstätt als Vermächtnis erhalten.“

Lösung

Da Xaver Baumann seine beiden Söhne Philipp und Lukas als Erben eingesetzt hat, erhalten diese bei Eintritt des Erbfalls zu gleichen Teilen das gesamte vererbliche Vermögen ihres Vaters. Die beiden werden, ohne dass es dazu eines Rechtsaktes bedarf, zu gleichen Teilen Eigentümer z.B. des Grundstücks und des Motorrads ihres Vaters, haften allerdings auch gegenüber den Gläubigern ihres Vaters auf Rückzahlung seiner Schulden. Dagegen erhält Birgit Fiedler-Baumann als Vermächtnisnehmerin nur eine abgegrenzte Einzelposition, nämlich das Sparguthaben, aus dem Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes. Das Eigentum an dem Sparguthaben geht bei Eintritt des Erbfalls allerdings nicht unmittelbar, d.h. mit dinglicher (absoluter) Wirkung auf Birgit Fiedler-Baumann über, sondern sie muss ihren Anspruch auf das Sparguthaben erst gegen die Erben Lukas und Philipp, die durch das Vermächtnis beschwert sind, durchsetzen. Sie muss also von diesen beiden verlangen, dass sie das Sparguthaben im Rahmen eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden auf sie übertragen.

Vermächtnisnehmer kann jede natürliche oder juristische Person sein. Lebt der Vermächtnisnehmer zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr, ist das Vermächtnis unwirksam (§ 2160 BGB). Der Vermächtnisnehmer besitzt die Möglichkeit, das Vermächtnis durch formlose Erklärung gegenüber dem in der Regel durch das Vermächtnis beschwerten Erben auszuschlagen, ohne hierbei eine bestimmte Frist beachten zu müssen. Allerdings kann der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis dann nicht mehr ausschlagen, wenn er es – sei es nur durch schlüssiges Handeln – angenommen hat (§ 2180 BGB).

Neben dem in der Regel mit dem Vermächtnis beschwerten Erben, kann auch ein Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis belastet werden (sog. Untervermächtnis, § 2147 BGB). Darüber hinaus kennt das BGB zahlreiche weitere Vermächtnisarten, die sich nach der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers und dem Vermächtnisgegenstand unterscheiden lassen. Zudem gibt es gesetzliche Vermächtnisse wie den Voraus nach § 1932 BGB (siehe Kapitel II 3.2.4) oder den Dreißigsten nach § 1969 BGB, wonach der Erbe verpflichtet ist, den Familienangehörigen, welche zum Hausstand des Erblassers gehörten, 30 Tage lang nach Eintritt des Erbfalls Unterhalt und die Benutzung der Wohnung zu gewähren.

103

Gewillkürte Erbfolge

Vermächtnisarten

Vermächtnisse kraft Gesetz

Vermächtnisse nach der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers

Vermächtnisse nach dem Vermächtnisgegenstand

„Voraus“ der Ehegatten (§ 1932 BGB)

Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB)

Stückvermächtnis (§ 2169 BGB)

„Dreißigster“ (§ 1969 BGB)

Ersatzvermächtnis (§ 2190 BGB)

Wahlvermächtnis (§ 2154 BGB)

Nachvermächtnis (§ 2191 BGB)

Gattungsvermächtnis (§ 2155 BGB) Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 BGB) Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB)

Abbildung 53: Verschiedene Vermächtnisarten

4.2.1.5.5.1

Vermächtnisarten nach der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers

Hinsichtlich der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers ergeben sich Besonderheiten beim Voraus-, Ersatz- und Nachvermächtnis: a) Vorausvermächtnis Neben dem Regelfall, in dem der Vermächtnisnehmer nicht gleichzeitig (Mit-)Erbe ist, besteht für den Erblasser die Möglichkeit, auch einem (Mit-)Erben ein Vermächtnis zuzuwenden – Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB). Durch das Vorausvermächtnis erhält der (Mit-)Erbe zusätzlich zu seinem Erbteil einen bestimmten Vermögensgegenstand, den er sich auf seinen Erbteil bei der Auseinandersetzung der Miterben nicht anzurechnen lassen braucht. Hierin liegt auch der Unterschied zwischen dem Vorausvermächtnis und der Teilungsanordnung, bei der ein Wertausgleich zu erfolgen hat.

104

Formen der gewillkürten Erbfolge

Merke: Die Doppelstellung als Erbe und Vermächtnisnehmer begünstigt den mit dem Vermächtnis Bedachten, insbesondere gegenüber seinen Miterben, da er zusätzlich zu seinem Erbe etwas vom Erblasser zugewandt bekommt, ohne dass hierfür ein Ausgleich vorgenommen werden muss.

Vermögen des Erblassers Vermächtnis Grundstück

Sparbuch

PKW des Erblassers

Vermächtnisnehmer (ist ausnahmsweise Erbe)

1.

2.

Gesamtrechtsnachfolge

Einzelrechtsnachfolge

Übergang als „Ganzes“ mit dinglicher (absoluter) Wirkung auf

schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des vermachten Gegenstands (PKW) ohne Anrechnung auf den Erbteil des Vermächtnisnehmers = Erbe

Erbe bzw. Erbengemeinschaft

Beispiel

Abbildung 54: Einzelrechtsnachfolge beim Vorausvermächtnis Karl Fischer schreibt in seinem Testament: „Ich setze als Erben je zur Hälfte meine Ehefrau Luisa und meinen Sohn Edmund ein. Darüber hinaus soll Edmund als Vorausvermächtnis meine Schallplattensammlung erhalten. Der Nachlass von Karl Fischer besteht aus einem Grundstück im Wert von 300.000 € sowie der genannten Schallplattensammlung im Wert von 20.000 €. Welchen Wert des Nachlasses erhält Edmund in seiner Doppelstellung als Erbe und Vermächtnisnehmer?

Lösung

Gewillkürte Erbfolge

105

Ehefrau Luisa und Sohn Edmund bilden eine Erbengemeinschaft. Diese ist dazu verpflichtet, das Vorausvermächtnis des Erblassers durch Eigentumsübertragung der Schallplattensammlung an den Vermächtnisnehmer Edmund zu erfüllen. Danach ist das restliche Vermögen des Erblassers unter den Mitgliedern der Erbengemeinschaft entsprechend ihrem Erbteil aufzuteilen. Somit erhält Sohn Edmund in seiner Doppelstellung als Erbe und Vermächtnisnehmer die Schallplattensammlung im Wert von 20.000 € zusätzlich zu seinem hälftigen Erbteil im Wert von 150.000 € (= 1/2 von 300.000 €). Edmund erhält insgesamt also einen Nachlasswert in Höhe von 170.000 €, während er ohne Vorausvermächtnis lediglich einen Nachlasswert von 160.000 € (= 1/2 von 320.000 €) geerbt hätte.

b) Ersatzvermächtnis Ein Ersatzvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser für den Fall, dass der zunächst Bedachte das Vermächtnis nicht erwirbt, den Gegenstand des Vermächtnisses ersatzweise einem anderen Vermächtnisnehmer zuwendet (§ 2190 BGB).

c) Nachvermächtnis Merkmal eines Nachvermächtnisses (§ 2191 BGB) ist, dass der Erblasser den vermachten Gegenstand zeitlich nacheinander verschiedenen Vermächtnisnehmern in der Form zuwendet, dass bei Eintritt eines bestimmten Zeitpunktes oder Ereignisses der erste Vermächtnisnehmer den vermachten Gegenstand an den zweiten Vermächtnisnehmer übertragen muss.

4.2.1.5.5.2

Vermächtnisarten nach dem Vermächtnisgegenstand

Neben den Vermächtnisarten, die sich nach der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers unterscheiden lassen, können weitere Vermächtnisarten gebildet werden, je nach Art des Vermächtnisgegenstands:

a) Stückvermächtnis Beim Stückvermächtnis vermacht der Erblasser einen bestimmten zum Nachlass gehörenden Gegenstand. Als Gegenstand des Vermächtnisses kommt dabei jeder Vermögensvorteil in Betracht. Damit kann das Vermächtnis unter anderem auf Übereignung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache, auf Bestellung eines dinglichen Rechts (z.B. Wohnrecht, Nießbrauch) an einem Nachlassgegenstand gerichtet sein, aber ebenso auf Abtretung einer Forderung oder auf Erlass einer Verbindlichkeit des Vermächtnisnehmers. Darüber hinaus kann das Vermächtnis darin bestehen, dass es dem Vermächtnisnehmer den Anspruch auf Kauf eines Nachlassgegenstands einräumt. Gegenstand des Vermächtnisses können auch mehrere Gegenstände eines bestimmten Sach- und Vermögens-

106

Formen der gewillkürten Erbfolge

begriffs sein (z.B. eine Briefmarkensammlung). Das Vermächtnis eines bestimmten Gegenstands ist jedoch in der Regel unwirksam, soweit der Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört (§ 2169 Abs. 1 BGB).

b) Wahlvermächtnis Ein Wahlvermächtnis liegt vor, wenn der Erblasser ein Vermächtnis in der Art anordnet, dass der Vermächtnisnehmer von mehreren bestimmten Gegenständen nur den einen oder den anderen erhalten soll (§ 2154 Abs. 1 BGB). So kann der Erblasser z.B. verfügen, dass der Vermächtnisnehmer eine seiner wertvollen chinesischen Vasen erhalten soll.

c) Gattungsvermächtnis Beim Gattungsvermächtnis hat der Erblasser den vermachten Gegenstand nur nach der Gattung und der Menge bestimmt (§ 2155 Abs. 1 BGB). Anders als beim Wahlvermächtnis bezieht sich das Gattungsvermächtnis nicht auf verschiedene, sondern auf gleichartige Gegenstände. Es liegt ein Gattungsvermächtnis z.B. vor, wenn der Erblasser verfügt, dass der Vermächtnisnehmer zehn Sack Zement bekommen soll. Der häufigste Unterfall des Gattungsvermächtnisses ist das Geldvermächtnis. Dieses kann auf eine bestimmte Summe, aber auch auf einen Bruchteil des Nachlasswertes (Quotenvermächtnis) lauten.

d) Verschaffungsvermächtnis Wendet der Erblasser dem Vermächtnisnehmer einen Gegenstand zu, der sich zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht in seinem Nachlass befindet (z.B. ein Baugrundstück), so spricht man von einem Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 Abs. 1 BGB). In diesem Fall ist der durch das Vermächtnis Beschwerte verpflichtet, dem Vermächtnisnehmer den Gegenstand aus den Mitteln des Nachlasses zu verschaffen, indem er ihn z.B. ankauft und anschließend auf den Vermächtnisnehmer übereignet. Ist der Beschwerte nicht in der Lage, den Gegenstand zu verschaffen, so hat er den Verkehrswert zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn dem Beschwerten die Verschaffung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist (§ 2170 Abs. 2 BGB).

e) Zweckvermächtnis Beim Zweckvermächtnis drückt der Erblasser nur den Zweck des Vermächtnisses aus, überlässt aber die Bestimmung der Leistung dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten (§ 2156 Satz 1 BGB), nicht jedoch dem Ermessen des Bedachten. Auf die Ermessensentscheidung finden die §§ 315 bis 319 BGB entsprechende Anwendung (§ 2156 Satz 2 BGB). Ein Zweckvermächtnis liegt z.B. vor, wenn der Erblasser verfügt, dass sein Neffe ein Geldvermächtnis „zur Einrichtung seiner Wohnung“ erhalten soll.

107

Gewillkürte Erbfolge

Die zahlreichen verschiedenen Vermächtnisarten werden in der nachfolgenden Übersicht noch einmal abschließend zusammengefasst:

Vermächtnisarten 1. Vermächtnisse kraft Gesetz x

„Voraus“ der Ehegatten

§ 1932 BGB

x

„Dreißigster“

§ 1969 BGB

2. Vermächtnisse nach der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers x

Vorausvermächtnis

§ 2150 BGB

x

Ersatzvermächtnis

§ 2190 BGB

x

Nachvermächtnis

§ 2191 BGB

3. Vermächtnisse nach dem Vermächtnisgegenstand x

Stückvermächtnis o

Sachvermächtnis

o

Nießbrauch-/Wohnrechtsvermächtnis

o

Forderungsvermächtnis

o

Befreiungsvermächtnis

o

Kaufrechtsvermächtnis

§ 2169 BGB

x

Wahlvermächtnis

§ 2154 BGB

x

Gattungsvermächtnis

§ 2155 BGB

o

Geldvermächtnis

x

Verschaffungsvermächtnis

§ 2170 BGB

x

Zweckvermächtnis

§ 2156 BGB

Abbildung 55: Verschiedene Vermächtnisarten im Überblick

4.2.1.5.6

Auflage

Eine Auflage ist die Verpflichtung des Erben oder auch eines Vermächtnisnehmers durch den Erblasser zu einer Leistung, ohne einem Begünstigten ein Recht auf diese Leistung

108

Formen der gewillkürten Erbfolge

zuzuwenden (§ 1940 BGB). Der Auflagenbegünstigte, der allerdings nicht zwingend vorhanden sein muss (z.B. bei einer Auflage über die Grabpflege), erhält damit – anders als beim Vermächtnis – keinen Rechtsanspruch gegen den durch die Auflage Beschwerten (Erben oder Vermächtnisnehmer). Trotz des fehlenden Rechtsanspruchs des Auflagenbegünstigten, steht die Erfüllung der Auflage nicht im Belieben des Beschwerten. Dieser ist vielmehr zur Erfüllung der Auflage rechtlich verpflichtet; dementsprechend können nach § 2194 BGB auch bestimmte dritte Personen (z.B. der Erbe (falls ein Vermächtnisnehmer beschwert ist), jeder Miterbe bei einer Erbengemeinschaft oder der Testamentsvollstrecker) die Vollziehung der Auflage vom Beschwerten verlangen. Typische Auflagen stellen z.B. Anordnungen des Erblassers über die Grabpflege, die Betreuung eines Haustieres oder die Verwendung eines Vermögensteils für wohltätige Zwecke dar.

4.2.1.5.7

Enterbung

Die Enterbung ist der Ausschluss bestimmter Verwandter, des Ehegatten oder des Lebenspartners von der gesetzlichen Erbfolge, ohne einen Erben einzusetzen (sog. „Negativtestament“, § 1938 BGB). Die gesetzliche Erbfolge ist in einem derartigen Fall so zu beurteilen, als ob die enterbte Person nicht vorhanden wäre. Die Enterbung bezieht sich nur auf die enterbte Person selbst, nicht jedoch auf ihre Abkömmlinge. So tritt z.B. der Enkel des Erblassers an die Stelle seines enterbten Vaters (Sohn des Erblassers), wenn nicht aus dem Testament des Erblassers (ausdrücklich oder im Wege der Auslegung) hervorgeht, dass auch der Enkel enterbt werden soll. Merke: Durch die Enterbung bestimmt der Erblasser, wer nicht gesetzlicher Erbe sein soll.

Einziger gesetzlicher Erbe, dem sein gesetzliches Erbrecht nicht entzogen werden kann, ist der Fiskus, da das vom Erblasser hinterlassene Vermögen ansonsten unter Umständen ohne Rechtsträger wäre (§§ 1936, 1938 BGB).

4.2.1.5.8

Testamentsvollstreckung

Zur Testamentsvollsteckung kommt es, wenn der Erblasser durch Testament einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennt (§ 2197 Abs. 1 BGB), wobei er die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers einem Dritten überlassen kann (§ 2198 BGB). Testamentsvollstrecker können nur Personen werden, die bei Antritt des Amts voll geschäftsfähig sind (§ 2201 BGB). Weitere Beschränkungen sind bei der Auswahl des Testaments-

Gewillkürte Erbfolge

109

vollstreckers nicht zu beachten. Somit kann eine neutrale Person, aber ebenso ein Miterbe oder auch ein Vermächtnisnehmer zum Testamentsvollstrecker ernannt werden. Das Amt des Testamentsvollstreckers beginnt nicht bereits mit dem Erbfall, sondern erst mit dem Zeitpunkt, zu dem er sein Amt annimmt (§ 2202 Abs. 1 BGB). Eine Pflicht zur Annahme des Amtes besteht grundsätzlich nicht. Das Amt des Testamentsvollstreckers endet von selbst, wenn er alle ihm übertragenen Aufgaben erfüllt hat. Ausnahmen bilden die in den §§ 2225 bis 2227 BGB genannten Fälle (z.B. Tod, Kündigung oder Verlust der vollen Geschäftsfähigkeit). Sofern der Erblasser nicht etwas anderes bestimmt hat, erhält der Testamentsvollstrecker für seine ausgeführte Tätigkeit eine angemessene Vergütung (§ 2221 BGB). Die Aufgabe des Testamentsvollstreckers besteht darin, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers (z.B. Vermächtnisse und Auflagen) auszuführen (§ 2203 BGB), die gerechte Auseinandersetzung unter den Miterben zu bewirken (§ 2204 BGB) und den Nachlass zeitweilig zu verwalten (§ 2205 Satz 1 BGB). Darüber hinaus kann der Erblasser auch anordnen, dass die Nachlassverwaltung andauert, wenn die sonstigen Aufgaben des Testamentsvollstreckers bereits erledigt sind (Dauervollstreckung, § 2209 Satz 1 BGB). Eine Dauervollsteckung endet grundsätzlich, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre vergangen sind (§ 2210 Satz 1 BGB). Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein minderjähriger Erbe oder ein Erbe, in dessen wirtschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten der Erblasser keine großen Erwartungen setzt, vorhanden ist; denn über diejenigen Nachlassgegenstände, die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen, kann der Erbe nicht verfügen (§ 2211 Abs. 1 BGB).

4.2.2

Gemeinschaftliches Testament

Ein gemeinschaftliches Testament liegt vor, wenn mehrere Erblasser über ihren letzten Willen gemeinschaftlich verfügen. Trotz der Gemeinschaftlichkeit der Errichtung handelt es sich dabei jedoch um zwei Verfügungen von Todes wegen. Die Erblasser verfügen zwar gemeinsam, aber jeder einseitig. Im Gegensatz zum Erbvertrag hat das gemeinschaftliche Testament damit keine Doppelnatur (Verfügung von Todes wegen und Vertrag) und bleibt seinem Wesen nach ein Testament. Folglich sind alle Vorschriften über testamentarische (letztwillige) Verfügungen auch auf gemeinschaftliche Testamente anzuwenden, sofern in den §§ 2266 ff. BGB keine Sonderregelungen enthalten sind. Ein gemeinschaftliches Testament kann nach § 2265 BGB nur von Ehegatten errichtet werden. Darüber hinaus können Lebenspartner (einer eingetragenen Lebenspartnerschaft) von dieser Testamentsform Gebrauch machen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 LPartG), wobei nach § 10 Abs. 4 Satz 2 LPartG die §§ 2266 bis 2273 BGB bei ihnen entsprechende Anwendung finden. Anderen als den erwähnten Personen ist es dagegen nicht möglich, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten.

110

Formen der gewillkürten Erbfolge

Merke: In einem gemeinschaftlichen Testament erklären Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner ihren letzten Willen gemeinschaftlich.

Die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments hängt in der Regel davon ab, ob die Ehe beim Tod des ersten Ehegatten noch Bestand hat (§§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB). Ist die Ehe zuvor geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt worden, oder lag zumindest ein begründeter Scheidungsantrag vor, so wird das gesamte gemeinschaftliche Testament im Zweifelsfall unwirksam. Allerdings wird ein gemeinschaftliches Testament nicht dadurch unwirksam, dass die Ehegatten dauerhaft getrennt leben. In einem solchen Fall ist die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments nur zu erreichen, indem es widerrufen wird.

4.2.2.1 Form des gemeinschaftlichen Testaments Ein gemeinschaftliches Testament kann als öffentliches, aber ebenso als eigenhändiges Testament errichtet werden. Damit gelten für die Form grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften über die Errichtung von öffentlichen und eigenhändigen Testamenten auch hinsichtlich der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, jedoch mit einigen Besonderheiten.

4.2.2.1.1

Öffentliches Testament

Beim öffentlichen gemeinschaftlichen Testament resultieren Besonderheiten einzig und alleine daraus, dass zwei Erblasser vorhanden sind. Diese müssen beide testierfähig sein und in einer einheitlichen Verhandlung vor einem Notar das gemeinschaftliche Testament errichten, worüber eine Niederschrift anzufertigen ist. Weiter verlangt die Gemeinschaftlichkeit, dass jeder Ehegatte über die Verfügungen des anderen Ehegatten informiert sein muss.

4.2.2.1.2

Eigenhändiges Testament

Ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament ist nach den Vorschriften § 2247 Abs. 1 BGB zu errichten. Danach muss jeder Ehegatte seine Erklärung eigenhändig schreiben und unterschreiben. Die Errichtung eines eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments wird allerdings durch § 2267 BGB dahingehend erleichtert, dass es genügt, wenn der eine Ehegatte die Erklärung eigenhändig schreibt und unterschreibt (§ 2247 Abs. 1 BGB), und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Hierbei soll der mitunterzeichnende Ehegatte angeben, zu welcher Zeit und an welchem Ort er seine Unterschrift beigefügt hat. Weiter empfiehlt es sich, dass der mitunterzeichnende Ehegatte sein Einverständnis mit dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments zum Ausdruck bringt, indem er z.B. schreibt: „Der vorstehende Text ist auch mein Wille.“

111

Gewillkürte Erbfolge

Muss-Vorschriften

Soll-Vorschriften Gemeinschaftliches Testament

9eigenhändig geschrieben von einem der Ehegatten

Wir, die Eheleute Willi und Renate Dechant, setzen uns wechselseitig zu Alleinerben ein.

• Ort und Datum der Testamentserrichtung

Ingolstadt, 1.1.2005

9eigenhändig unterschrieben vom Testamentsschreiber

Willi Dechant

Der vorstehende Text ist auch mein Wille. Ingolstadt, 2.1.2005

9eigenhändig mitunterschrieben vom anderen Ehegatten

Renate Dechant

• Unterschrift mit Vorund Familiennamen • Ausdruck des Einverständnisses mit Inhalt des Testaments • Ort und Datum der Mitunterzeichnung • Unterschrift mit Vorund Familiennamen

Abbildung 56: Das eigenhändige gemeinschaftliche Testament Ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament wird in der Regel in der Form einer einzigen Urkunde errichtet, was aber nicht unbedingt notwendig ist. Die Ehegatten können auch in verschiedenen Urkunden gemeinschaftlich verfügen, wenn aus ihren Erklärungen ersichtlich wird, dass nicht zwei getrennte Testamente, sondern ein untereinander abgestimmtes, in Kenntnis der Verfügungen des anderen Ehegatten errichtetes gemeinschaftliches Testament gewollt war.

4.2.2.2 Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament Alle erbrechtlichen Verfügungen, die in einem einzelnen Testament getroffen werden können, sind auch in einem gemeinschaftlichen Testament zulässig (siehe Kapitel II 4.2.1.5). Den Kern eines gemeinschaftlichen Testaments bilden jedoch in der Regel die wechselbezüglichen Verfügungen. Das sind solche Verfügungen, von denen angenommen werden kann, dass sie von dem einen Ehegatten nicht getroffen worden wären, wenn nicht der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hätte (§ 2270 Abs. 1 BGB). Nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen können wechselbezügliche Verfügun-

112

Formen der gewillkürten Erbfolge

gen sein (§ 2270 Abs. 3 BGB). Andere Verfügungen (z.B. Teilungsanordnungen oder Testamentsvollstreckungen) können zwar im gemeinschaftlichen Testament getroffen werden, sind aber nicht wechselbezüglich. Merke: Wechselbezügliche Verfügungen sind meist der Kern eines gemeinschaftlichen Testaments. Lediglich Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen können als wechselbezügliche Verfügungen getroffen werden.

Beispiel

Zwischen welchen Verfügungen Wechselbezüglichkeit gegeben ist, muss im Rahmen einer Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ermittelt werden. Auslegungsregeln dazu enthält § 2270 Abs. 2 BGB. Danach besteht Wechselbezüglichkeit im Zweifel dann, wenn sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzen oder wenn mit der Erbeinsetzung des Ehegatten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm nahe steht. Ralf Schäfer bestimmt: „Mein gesamtes Vermögen soll meine Ehefrau Gertrud als Alleinerbin erhalten.“ Gleichzeitig bestimmt Gertrud Schäfer: „Für den Fall, dass ich meinen Ehemann Ralf überlebe, verfüge ich bereits heute, dass nach meinem Tod ein Viertel meines Nachlasses Felix Schäfer, dem Sohn meines Ehemannes Ralf aus erster Ehe, zufallen soll.“

4.2.2.3 Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament 4.2.2.3.1

Widerruf nicht wechselbezüglicher Verfügungen

Nicht wechselbezügliche Verfügungen in Form eines gemeinschaftlichen Testaments können jederzeit frei widerrufen werden (§§ 2253 ff. BGB). Damit ist es jedem Ehegatten möglich, seine nicht wechselbezüglichen Verfügungen mit Hilfe der gewöhnlichen Widerrufsformen (z.B. durch Widerrufstestament) rückgängig zu machen.

4.2.2.3.2

Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen

Liegen wechselbezügliche Verfügungen vor, können die Ehegatten diese stets gemeinsam widerrufen, allerdings nur durch ein neues gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag, gemeinschaftliche Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung oder gemeinschaftliche Vernichtung der Testamentsurkunde. Zu Lebzeiten des Ehegatten kann der Erblasser einseitig seine wechselbezüglichen Verfügungen widerrufen (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn auch nur nach den für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden Vorschriften des § 2296 BGB. Erforderlich ist nach § 2296 Abs. 2 BGB also eine notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegat-

113

Gewillkürte Erbfolge

ten, die diesem noch zu Lebzeiten zugeht. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass dieser von dem Widerruf erfährt und daraus Konsequenzen ziehen kann.

Beispiel

Nach dem Tod seines Ehegatten erlischt das Widerrufsrecht des überlebenden Ehegatten hinsichtlich seiner wechselbezüglichen Verfügungen (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BGB). Er ist nun, sofern es sich um wechselbezügliche Verfügungen handelt, an die gemeinsame Entscheidung gebunden. Allerdings können die Ehegatten gemeinsam bestimmen, dass es dem überlebenden Ehegatten auch nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten erlaubt ist, seine wechselbezüglichen Verfügungen durch Testament einseitig zu ändern oder aufzuheben (Änderungsvorbehalt).

Die Ehegatten Ralf und Gertrud Schäfer bestimmen in ihrem Testament: „Derjenige von uns, der den anderen überlebt, ist berechtigt, die in diesem Testament enthaltenen Verfügungen auch von Todes wegen zu ändern.“

Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament

nicht wechselbezügliche Verfügungen • durch gewöhnliche Widerrufsformen jederzeit frei widerrufbar durch einzelnen Ehegatten

wechselbezügliche Verfügungen

zu Lebzeiten beider Ehegatten

gemeinsam durch

einseitig durch

• neues gemeinschaftliches Testament • Erbvertrag • gemeinschaftliche Rücknahme aus amtlicher Verwahrung • gemeinschaftliche Vernichtung der Testamentsurkunde

• notariell beurkundete Widerrufserklärung gegenüber dem anderen Ehegatten

Abbildung 57: Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament

nach dem Tod eines Ehegatten • Erlöschen des Widerrufsrechts Ausnahmen: - Änderungsvorbehalt - Ausschlagung - Verfehlung

114

Formen der gewillkürten Erbfolge

Darüber hinaus kann sich der überlebende Ehegatte von der Bindungswirkung der wechselbezüglichen Wirkungen dadurch befreien, dass er das ihm Zugewendete ausschlägt (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 BGB). Ein Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen ist nach § 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB zudem möglich, wenn der Bedachte sich einer Verfehlung schuldig gemacht hat, die eine Pflichtteilsentziehung begründet (§§ 2294, 2336 BGB).

4.2.2.4 „Berliner Testament“ als Sonderform des gemeinschaftlichen Testaments Besondere praktische Bedeutung besitzt das sog. „Berliner Testament“ (§ 2269 BGB), da es die am häufigsten vorkommende Form des gemeinschaftlichen Testaments von Ehegatten darstellt. Durch ein solches Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und legen gleichzeitig fest, dass nach dem Tod des überlebenden Ehegatten der beiderseitige Nachlass an einen Dritten (zumeist die Kinder) fallen soll.

Beispiel

Merke: Im Berliner Testament setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein.

Die Ehegatten Ralf und Christa Herber verfügen in ihrem gemeinsamen Testament: „Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Todes des Überlebenden von uns soll der gesamte Nachlass an unsere gemeinsamen Söhne Benedikt und David fallen.“ (Den folgenden Ausführungen wird als Annahme zugrunde gelegt, dass Ehemann Ralf Herber als erster der Ehegatten verstirbt)

4.2.2.4.1

Einheits- und Trennungsprinzip im Berliner Testament

Die Auslegung einer derartigen Formulierung führt immer wieder zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage, was die Ehegatten mit ihr genau gemeint haben, denn zwei verschiedenen Möglichkeiten sind denkbar. a) Beim Tod eines Ehegatten (Erbfall 1) wird der überlebende Ehegatte hinsichtlich des Nachlasses des zuerst verstorbenen Ehegatten Vorerbe, und der Dritte Nacherbe. Der Dritte erbt also zunächst nichts, sondern erwirbt lediglich eine Anwartschaft. Damit kann der überlebende Ehegatte mit dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten nicht beliebig verfahren, da dieser im Wesentlichen für den Nacherben erhalten bleiben muss. Erst mit dem Tod des überlebenden Ehegatten (Erbfall 2) tritt der Nacherbfall ein. Der Dritte erhält dann als Nacherbe den Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten und als uneingeschränkter Erbe (Vollerbe) den Nachlass des überlebenden Ehegatten. Da der Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten und der des überlebenden Ehegatten rechtlich voneinander getrennt sind und folglich in zwei verschiedenen Erbgängen auf den Dritten übergehen, wird diese Lösung auch Trennungsprinzip genannt.

115

Gewillkürte Erbfolge

Ehemann Vermögen

Ehefrau Berliner Testament (§ 2269 BGB) gegenseitige Alleinerbeneinsetzung

Erbfall 1 = Vorerbfall

Vermögen

„Trennungsprinzip“

überlebende Ehefrau wird Vorerbin des zuerst verstorbenen Ehemanns Nacherbfall „Dritter“ wird Nacherbe des zuerst verstorbenen Ehemanns

Erbfall 2 „Dritter“ wird Vollerbe der überlebenden Ehefrau

Abbildung 58: Trennungsprinzip im Rahmen des Berliner Testaments b) Beim Tod eines Ehegatten (Erbfall 1) wird der überlebende Ehegatte hinsichtlich des Nachlasses des zuerst verstorbenen Ehegatten nicht Vorerbe, sondern uneingeschränkter Erbe (Vollerbe). Er kann dementsprechend mit dem Nachlass beliebig verfahren. Der Dritte hat demgegenüber nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten noch keine Erbenstellung inne. Erst wenn der überlebende Ehegatte verstirbt (Erbfall 2), erhält der Dritte den gesamten Nachlass des überlebenden Ehegatten als uneingeschränkter Erbe (Vollerbe). Da der Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten mit dem des überlebenden Ehegatten zu einer rechtlichen Einheit verschmilzt, die beim Tod des überlebenden Ehegatten (Erbfall 2) in einem Erbgang auf den Dritten übergeht, wird diese Lösung auch als Einheitsprinzip bezeichnet.

116

Formen der gewillkürten Erbfolge

Ehemann Vermögen

Berliner Testament (§ 2269 BGB) gegenseitige Alleinerbeneinsetzung

Ehefrau Vermögen

„Einheitsprinzip“

überlebende Ehefrau wird Vollerbin des zuerst verstorbenen Ehemanns

Erbfall 1

Erbfall 2

„Dritter“ wird Vollerbe der überlebenden Ehefrau

Abbildung 59: Einheitsprinzip im Rahmen des Berliner Testaments Nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB gilt im Zweifel, dass der überlebende Ehegatte uneingeschränkter Erbe (Vollerbe) des zuerst verstorbenen Ehegatten sein soll und der Dritte für den gesamten Nachlass des überlebenden Ehegatten als uneingeschränkter Erbe (Vollerbe) eingesetzt ist („Einheitsprinzip“).

Lösung

Merke: Nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB ist im Zweifel stets das Einheitsprinzip anzunehmen.

Bereitet die Auslegung einer Formulierung, wie sie von den Ehegatten Ralf und Christa Herber verwendet worden ist, Schwierigkeiten, so greift die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB ein. Danach wird die überlebende Ehefrau Christa Herber uneingeschränkte Erbin (Vollerbin) ihres verstorbenen Ehemannes Ralf Herber. Stirbt Christa Herber, erben ihre Söhne Benedikt und David (Dritte) als uneingeschränkte Erben (Vollerben) ihren gesamten Nachlass.

Gewillkürte Erbfolge

4.2.2.4.2

117

Pflichtteile im Berliner Testament

Auch hinsichtlich des Pflichtteilsrechts ist die Unterscheidung zwischen Trennungs- und Einheitsprinzip von Bedeutung. Ist der Dritte gem. § 2303 BGB pflichtteilsberechtigt (z.B. als Kind der Ehegatten), so kann er nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten beim Trennungsprinzip den Pflichtteil nur dann verlangen, wenn er (wegen der Anwartschaft) seine Einsetzung zum Nacherben ausschlägt (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB). Beim Einheitsprinzip entsteht dem Dritten nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten sofort – ohne Ausschlagung – ein Pflichtteilsrecht, da er in diesem Fall völlig enterbt würde (§ 2303 Abs. 1 BGB). Der Pflichtteilsanspruch (siehe Kapitel II 4.3.4) ist ein sofort fälliger Geldanspruch, dessen Höhe sich nach dem Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils bestimmt. Er kann die den Ehegatten vorschwebende Nachfolgregelung durchkreuzen, wenn durch ihn bei gebundenem Vermögen (z.B. bei Unternehmensanteilen) die Verflüssigung des Vermögens erzwungen wird.

Beispiel

Das Pflichtteilsrecht führt bei der Einheitslösung zu einer völlig unbefriedigenden Lösung: Das Kind der Ehegatten, das nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten den ihm zustehenden Pflichtteil geltend macht, wird nach dem Tod des überlebenden Ehegatten dessen Erbe. Im Nachlass des überlebenden Ehegatten ist aber auch der Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten enthalten. Dementsprechend ist das betreffende Kind am Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten zweimal beteiligt. Um diesen Effekt zu vermeiden, wird von Ehegatten beim Einheitsprinzip häufig eine Pflichtteilsstrafklausel in ihr Testament aufgenommen. Eine solche Klausel bestimmt, dass ein Kind, das nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten den ihm zustehenden Pflichtteil geltend macht, nach dem Tod des überlebenden Ehegatten von der Erbfolge ausgeschlossen sein und somit auch dann nur seinen Pflichtteil erhalten soll. Die Ehegatten Ralf und Christa Herber erweitern ihr gemeinschaftliches Testament um folgenden Zusatz: „Für den Fall, dass einer unserer Söhne nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten den Pflichtteil verlangen sollte, wird er nach dem Tod des überlebenden Ehegatten auf den Pflichtteil gesetzt.“

Die Effizienz einer Pflichtteilsstrafklausel ist jedoch gering. Dadurch, dass der Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten in den Nachlass des überlebenden Ehegatten einfließt, erhält das den Pflichtteil fordernde Kind diesen aus dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten praktisch zweimal; einmal nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten und zum zweiten Mal nach dem Tod des überlebenden Ehegatten. Zur Verhinderung eines solchen doppelten Pflichtteils ist die Jastrowsche Klausel entwickelt worden. Danach sollen für den Fall, dass ein Kind nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten den ihm zustehenden Pflichtteil geltend macht, die anderen Kinder, die ihren Pflichtteil nicht verlangen, aus dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten ein Geldvermächtnis in Höhe des Betrags erhalten, der dem Wert ihres gesetzlichen Erbteils entspricht. Dieses Geldver-

118

Formen der gewillkürten Erbfolge

Beispiel

mächtnis soll jedoch bis zum Tod des überlebenden Ehegatten gestundet bleiben. Somit kann erreicht werden, dass sich nach dem Tod des überlebenden Ehegatten – durch die Berücksichtigung des nun auszuzahlenden Geldvermächtnisses – der Nachlass weiter verringert und damit nur noch ein geringer Betrag für das zuvor pflichtteilsfordernde Kind zur Verfügung steht. Die Ehegatten Ralf und Christa Herber ergänzen die in ihrem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Pflichtteilsstrafklausel um folgende Formulierung (Jastrowsche Klausel): „Derjenige unserer Söhne, der nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten seinen Pflichtteil nicht verlangt, erhält ein Geldvermächtnis in Höhe seines gesetzlichen Erbteils. Das Vermächtnis ist mit jährlich 4 % zu verzinsen und wird nach dem Tod des überlebenden Ehegatten fällig.“

Berliner Testament (§ 2269 Abs. 1 BGB)

Einheitsprinzip

Kinder nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten völlig enterbt

aber

Pflichtteilsanspruch

Nachteile: • unter Umständen ungewollte Verflüssigung des Nachlasses notwendig • pflichtteilforderndes Kind am Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten zweimal beteiligt 1. Gegenmaßnahme

Inhalt: • pflichtteilforderndes Kind auch nach dem Tod des überlebenden Ehegatten völlig enterbt

Pflichtteilsstrafklausel

Nachteil: • pflichtteilforderndes Kind erhält Pflichtteil zweimal aus dem Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten

2. Gegenmaßnahme Inhalt: • nicht pflichtteilfordernde Kinder erhalten nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatte gestundetes Geldvermächtnis

Jastrowsche Klausel

Abbildung 60: Pflichtteilsrecht beim Einheitsprinzip

Vorteil: • auszuzahlendes Geldvermächtnis verringert Nachlass nach dem Tod des überlebenden Ehegatten, so dass sich auch Pflichtteil verringert

Gewillkürte Erbfolge

4.2.2.4.3

119

Wiederverheiratungsklausel im Berliner Testament

Viele Ehegatten sehen ein Problem darin, dass nach ihrem Tod der überlebende Ehegatte erneut heiratet. In diesem Fall besteht nämlich das Risiko, dass das gemeinsam erarbeitete Familienerbe ganz oder zum Teil auf eine neue Familie übergeht, und zwar auf die des neuen Ehegatten des Überlebenden oder dessen Abkömmlinge. Um dies zu verhindern, werden gemeinschaftliche Testamente, insbesondere Berliner Testamente, häufig mit einer Wiederverheiratungsklausel gekoppelt. Darin wird bestimmt, dass der überlebende Ehegatte für den Fall, dass er erneut heiratet, den ihm zugefallenen Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten sofort an Dritte (meist die Kinder) übergeben muss. Auch bei der Auslegung einer Wiederverheiratungsklausel ist zwischen dem Trennungsund dem Einheitsprinzip zu unterscheiden. Relativ einfach gestaltet sich die Sachlage, wenn die beiden Ehegatten unabhängig von der Wiederverheiratungsklausel Vor- und Nacherbfolge in ihrem Testament vereinbart haben (Trennungsprinzip). Die Wiederheirat stellt in diesem Fall lediglich einen vorgezogenen Grund für den Eintritt der Nacherbfolge dar. Haben die Ehegatten jedoch keine Vor- und Nacherbfolge in ihrem Testament vereinbart, sondern soll der überlebende Ehegatte nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten Vollerbe werden (§ 2269 Abs. 1 BGB, Einheitsprinzip), so ist eine derartige Klausel als Bestimmung einer auflösend bedingten Vollerbschaft (§ 158 Abs. 2 BGB) und zugleich als Anordnung einer aufschiebend bedingten Vor- und Nacherbfolge (§ 158 Abs. 1 BGB) auszulegen. Der überlebende Ehegatte ist also bis zu seiner Wiederheirat Voll-, danach nur noch Vorerbe des zuerst verstorbenen Ehegatten. Hierbei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der überlebende Ehegatte die Stellung eines befreiten Vorerben (§ 2136 BGB) inne hat. Stirbt der überlebende Ehegatte, ohne zuvor erneut geheiratet zu haben, wird er als Vollerbe seines zuvor verstorbenen Ehegatten von den Kindern beerbt. Hinweis:

4.2.3

Auch wenn Fragen der Erbschaftsteuer erst später erörtert werden, soll bereits an dieser Stelle kurz daraufhingewiesen werden, dass das in der Praxis häufig verwendete Berliner Testament große steuerliche Nachteile in sich birgt. So wird der Nachlass des zuerst verstorbenen Ehegatten zweimal versteuert. Zunächst beim Erwerb des überlebenden Ehegatten und später beim Erwerb der Kinder, wenn der überlebende Ehegatte verstorben ist. Gleichzeitig verschenken die Kinder ihren persönlichen Freibetrag in Höhe von 205.000 € nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten. Darüber hinaus ist es nachteilig, dass das gesamte Vermögen der Ehegatten auf den zweiten Erbfall (Tod des überlebenden Ehegatten) kumuliert wird und damit einer höheren Besteuerung unterliegt.

Erbvertrag

Erbrechtliche Anordnungen können nicht nur durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament) vorgenommen werden, sondern auch durch zweiseitige Verfügungen von To-

120

Formen der gewillkürten Erbfolge

des wegen, d.h. durch einen Erbvertrag, den der Erblasser mit einer anderen Person abschließt (§ 1941 Abs. 1 BGB). Während testamentarische Anordnungen jederzeit frei widerruflich sind (§ 2253 BGB), besteht in einem Erbvertrag die Möglichkeit, bindende Anordnungen zu treffen, die der Erblasser grundsätzlich einseitig nicht mehr aufheben kann. In dieser Bindungswirkung, die nur die vertragsmäßigen Verfügungen betrifft, ist der eigentliche Zweck des Erbvertrages als Rechtsinstitut zu sehen.

4.2.3.1 Erblasser und Vertragspartner; einseitiger und zweiseitiger Erbvertrag In der Regel trifft der Erblasser in einem Erbvertrag Verfügungen zugunsten des Vertragspartners, setzt ihn z.B. als Erben ein. Diese Konstellation ist allerdings keine zwingende Voraussetzung für den Abschluss eines Erbvertrages, denn der Bedachte muss mit dem Vertragspartner nicht identisch sein. So kann der Erblasser im Erbvertrag auch eine andere Person als den Vertragspartner zum Erben oder Vermächtnisnehmer machen (§ 1941 Abs. 2 BGB). Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der Vertragspartner in einem Erbvertrag selbst Verfügungen von Todes wegen trifft. Seine notwendige Mitwirkung am Erbvertrag besteht lediglich darin, dass er die Erklärungen des Erblassers annimmt. Man spricht in diesem Fall von einem einseitigen Erbvertrag, da nur von einem Vertragspartner (= Erblasser) Verfügungen von Todes wegen getroffen werden. Nehmen dagegen beide Vertragspartner in einem Erbvertrag Verfügungen von Todes wegen vor, was nach § 2278 Abs. 1 BGB möglich ist, so sind sie beide als Erblasser nach den §§ 2274 ff. BGB anzusehen. Man spricht dann von einem zweiseitigen oder gemeinschaftlichen Erbvertrag.

Erblasser

Vertragspartner

Vertragspartner

der nur Erklärungen des Erblassers annimmt

der selbst Verfügungen von Todes wegen vornimmt = selbst Erblasser ist

einseitiger Erbvertrag

zweiseitiger Erbvertrag

Abbildung 61: Ein- und zweiseitiger Erbvertrag

Gewillkürte Erbfolge

121

4.2.3.2 Persönliche Voraussetzungen des Vertragsabschlusses Im Gegensatz zum gemeinschaftlichen Testament, das nur Ehegatten und Lebenspartner (einer eingetragenen Lebenspartnerschaft) zur Verfügung steht, können einen Erbvertrag beliebige Personen miteinander abschließen. Merke: Einen Erbvertrag können beliebige Personen miteinander abschließen.

Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen zum Abschluss eines Erbvertrags gilt es zwischen dem Erblasser (also demjenigen, der auf jeden Fall Verfügungen von Todes wegen trifft) und dem Vertragspartner zu unterscheiden. Der Erblasser kann einen Erbvertrag nur persönlich abschließen (§ 2274 BGB). Die Stellvertretung durch einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter ist ausgeschlossen. Beim Vertragsabschluss genügt die Testierfähigkeit des Erblassers – anders als bei der Testamentserrichtung – nicht. Der Erblasser muss vielmehr, da er eine vertragsmäßige Bindung eingeht, unbeschränkt geschäftsfähig sein (§ 2275 Abs. 1 BGB). Bei Erbverträgen zwischen Ehegatten oder Verlobten reicht für den Erblasser jedoch das Vorliegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit aus, sofern sein gesetzlicher Vertreter zustimmt (§ 2275 Abs. 2 BGB).

122

Formen der gewillkürten Erbfolge

Erblasser Voraussetzungen:

9 persönlicher Vertragsabschluss 9 Vorliegen unbeschränkter Geschäftsfähigkeit (Ausnahme: bei Ehegatten oder Verlobten)

Vertragspartner

Vertragspartner

der nur Erklärungen des Erblassers annimmt

der selbst Verfügungen von Todes wegen vornimmt = selbst Erblasser ist

Voraussetzungen:

Voraussetzungen:

9 persönlicher Vertragsabschluss oder durch Stellvertreter 9 Vorliegen von mindestens beschränkter Geschäftsfähigkeit

einseitiger Erbvertrag

9 persönlicher Vertragsabschluss 9 Vorliegen unbeschränkter Geschäftsfähigkeit (Ausnahme: bei Ehegatten oder Verlobten)

zweiseitiger Erbvertrag

Abbildung 62: Persönliche Voraussetzungen des Vertragsabschlusses Für den Vertragspartner, der lediglich Erklärungen des Erblassers annimmt, gelten dagegen die allgemeinen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit. Für ihn kann damit ein gesetzlicher oder gewillkürter Vertreter handeln. Ferner kann er auch als beschränkt Geschäftsfähiger mit dem Erblasser selbst einen Erbvertrag schließen, da es sich bei den angenommenen Erklärungen um für ihn rechtlich neutrale Geschäfte handelt, für die er keiner Zustimmung bedarf. Dies gilt aber nur solange, wie der Vertragspartner selbst keine Verfügungen von Todes wegen in einem Erbvertrag vornimmt. Ist dies der Fall, so benötigt der Vertragspartner wie der Erblasser die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit nach § 2275 Abs. 1 BGB, da er in diesem Fall selbst zum Erblasser wird.

Gewillkürte Erbfolge

123

4.2.3.3 Form des Erbvertrags Ein Erbvertrag kann nur vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit der beiden Vertragsparteien geschlossen werden (§ 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Vertragsabschluss vollzieht sich dabei in der gleichen Form wie die Errichtung eines öffentlichen Testaments (§ 2276 Abs. 1 Satz 2 BGB), also durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift an den Notar. Ausgeschlossen sind Erbverträge in der Form einer privatschriftlichen oder mündlichen Vereinbarung der beiden Vertragsparteien ohne Hinzuziehung eines Notars. Sind die Erfordernisse des § 2276 Abs. 1 BGB nicht gewahrt, ist ein Erbvertrag nichtig (§ 125 BGB), und es tritt, falls keine andere gültige Verfügung von Todes wegen vorhanden ist, die gesetzliche Erbfolge ein. Die Einzelheiten des Beurkundungsverfahrens vor dem Notar richten sich – wie beim öffentlichen Testament – nach dem Beurkundungsgesetz. Nach Vertragsabschluss sollte ein Erbvertrag in besondere amtliche Verwahrung beim zuständigen Amtsgericht (§§ 2300, 2258a BGB) gegeben werden, sofern die Vertragsparteien dies nicht zugunsten einer Verwahrung durch den Notar ausschließen (§ 34 Abs. 2 und 3 BeurkG). Merke: Der Vertragsabschluss kann nur zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit der beiden Vertragsparteien erfolgen. Nach Vertragsabschluss sollte der Erbvertrag in amtliche Verwahrung gegeben werden.

4.2.3.4 Inhalte von Erbverträgen Alle erbrechtlichen Anordnungen, die in einem Testament getroffen werden können (siehe Kapitel II 4.2.1.5), sind auch in einem Erbvertrag zulässig. Dabei gilt es jedoch genau zwischen vertragsmäßigen und einseitigen Verfügungen der Vertragsparteien zu differenzieren.

124

Formen der gewillkürten Erbfolge

Inhalte von Erbverträgen •erbvertragliche •Verfügungen

•keine erbvertraglichen Verfügungen

vertragsmäßige Verfügungen

einseitige Verfügungen

• Erbeinsetzungen • Vermächtnisse • Auflagen

beachte: Auslegung

• übrige Verfügungen (z.B. Teilungsanordnung)

mindestens eine vertragsmäßige Verfügung erforderlich, sonst liegt kein Erbvertrag vor

Abbildung 63: Inhalte von Erbverträgen

4.2.3.4.1

Vertragsmäßige Verfügungen

Die Bindungswirkung eines Erbvertrags umfasst lediglich vertragsmäßig getroffene Verfügungen (§ 2278 Abs. 1 BGB). Vertragsmäßig getroffene Verfügungen können nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen sein (§ 2278 Abs. 2 BGB). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass andere Verfügungen (z.B. eine Teilungsanordnung) vertragsmäßig nicht getroffen werden können und somit auch keine erbvertraglichen Verfügungen darstellen. Allerdings sind nicht alle Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen zwingend als vertragsmäßige Verfügungen anzusehen, sondern nur diejenigen von ihnen, bei denen der Wille der Vertragschließenden erkennbar ist, eine Verfügung von vertraglicher Bindung zu treffen. Ist in einem Erbvertrag nicht ausdrücklich gesagt, welche Verfügung vertragsmäßig und welche einseitig ist, so muss dies durch Auslegung ermittelt werden. Dabei werden grundsätzlich Zuwendungen an den Vertragspartner als vertragsmäßig eingestuft. Darüber hinaus gelten Verfügungen als vertragsmäßig, bei denen der Vertragspartner selbst an der Verfügung zugunsten eines Dritten interessiert war (z.B. aufgrund verwandtschaftlicher Beziehung). Wird dagegen im Erbvertrag ein Dritter bedacht, der mit dem Vertragspartner in keiner Verbindung steht, so ist von einer einseitigen, testamentarischen Verfügung auszugehen. In jedem Erbvertrag muss mindestens eine vertragsmäßige Verfügung enthalten sein, da sonst der Rechtsnatur nach kein Erbvertrag vorliegt.

Gewillkürte Erbfolge

125

Merke: Ein Erbvertrag liegt nur vor, wenn mindestens eine vertragsmäßige Verfügung getroffen ist. Vertragsmäßige Verfügungen können lediglich Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen sein.

Aufgrund ihrer bindenden Wirkung unterliegen vertragsmäßige Verfügungen nicht den für Testamente geltenden Widerrufsvorschriften. Stattdessen findet das Verhältnis von vertragsmäßigen Verfügungen und inhaltlich abweichenden Verfügungen von Todes wegen eine besondere Regelung in § 2289 BGB. Danach wird eine frühere letztwillige Verfügung des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine spätere Verfügung von Todes wegen ist nicht in der Lage, frühere vertragsmäßige Verfügungen aufzuheben. Sie ist vielmehr unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB). Erst durch eine wirksame Beseitigung der vertragsmäßigen Verfügungen (siehe Kapitel II 4.2.3.5) wird es dem Erblasser wieder möglich, über sein Vermögen anderweitig zu verfügen. Merke: Vertragsmäßige Verfügungen vernichten das Recht des Erblassers, über sein Vermögen anderweitig von Todes wegen zu verfügen. Durch den Abschluss eines Erbvertrags, d.h. durch das Treffen von vertragsmäßigen Verfügungen, wird der Erblasser zwar grundsätzlich in seiner Testierfreiheit eingeschränkt, nicht aber daran gehindert, Verfügungen unter Lebenden zu treffen (§ 2286 BGB). Er kann also zu Lebzeiten noch frei über sein Vermögen verfügen. Allerdings darf der Erblasser mit seinen Verfügungen unter Lebenden nicht bezwecken, den Vertragserben zu benachteiligen oder in seinen Erwartungen zu beinträchtigen. Ist dies trotzdem der Fall, räumt § 2287 BGB dem benachteiligten Vertragserben einen Ausgleichsanspruch gegen den Beschenkten auf Herausgabe bzw. Wertersatz für den ihm entgangenen Vermögenswert ein.

4.2.3.4.2

Einseitige Verfügungen

Neben vertragsmäßigen Verfügungen können die Vertragspartner in einem Erbvertrag auch einseitige Verfügungen von Todes wegen treffen (§ 2299 BGB). Dies sind stets alle Verfügungen, die nicht Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auflagen betreffen (§ 2278 Abs. 2 BGB). Da solche einseitigen Verfügungen keinen erbvertraglichen Charakter haben, werden sie auch nicht von der Bindungswirkung eines Erbvertrages erfasst. Deshalb gelten für einseitige Verfügungen dieselben Regelungen wie für testamentarische Anordnungen (§ 2299 Abs. 2 Satz 1 BGB). Sie können somit frei widerrufen werden (§ 2253 BGB), z.B. durch ein Widerrufstestament (§ 2254 BGB).

126

Formen der gewillkürten Erbfolge

Beispiel

Die Ehegatten Franz und Erika Günther schließen einen Erbvertrag, in welchem Franz seine Ehefrau Erika zur Erbin einsetzt und gleichzeitig seinen Neffen Holger Günther zum Testamentsvollstrecker ernennt. Später möchte Franz Günther die gesamte Verfügung, zumindest aber die Ernennung des Holgers zum Testamentsvollstrecker widerrufen. Ist dies möglich?

Lösung

Merke: Einseitige Verfügungen können frei widerrufen werden.

Franz Günther kann die Erbeinsetzung seiner Frau nur dann widerrufen, wenn es sich dabei nicht um eine vertragsmäßige (§ 2278 Abs. 1 BGB), sondern um eine einseitige Verfügung (§ 2299 Abs. 1 BGB) von Todes wegen handelt; denn vertragsmäßige Verfügungen besitzen, wie sich aus der Natur des Erbvertrags und aus § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, Bindungswirkung für den Erblasser. Die Erbeinsetzung der Ehefrau Erika kann nach § 2278 Abs. 2 BGB eine vertragsmäßige Verfügung darstellen. Da der Erbvertrag aber nicht ausdrücklich klärt, ob es sich bei der Erbeinsetzung um eine vertragsmäßige oder einseitige Verfügung handelt, ist dies durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist die Erbeinsetzung als vertragsmäßige Verfügung anzusehen, denn durch sie erfolgt eine Zuwendung des Erblassers an den Vertragspartner, d.h. die Ehefrau Erika. Damit kann der Erblasser Franz Günther die Erbeinsetzung seiner Ehefrau Erika nicht einseitig widerrufen. Die Ernennung des Neffen Holger zum Testamentsvollstrecker ist dagegen als einseitige Verfügung von Todes wegen ebenso wie eine testamentarische Verfügung widerrufbar (§§ 2299 Abs. 2 Satz 1, 2253 ff. BGB), also z.B. durch ein Widerrufstestament (§ 2254 BGB).

4.2.3.5 Beseitigung von vertragsmäßigen Verfügungen Die Bindungswirkung von vertragsmäßigen Verfügungen kann nur im Einverständnis mit dem Vertragspartner aufgehoben werden. Eine einseitige Aufhebung durch den Erblasser ist allerdings dann möglich, wenn ihm ein Rücktritts- oder Anfechtungsgrund vorliegt.

Beseitigung vertragsmäßiger Verfügungen möglich durch Einverständliche Aufhebung

Rücktritt

Abbildung 64: Beseitigung vertragsmäßiger Verfügungen

Anfechtung

127

Gewillkürte Erbfolge

4.2.3.5.1

Einverständliche Aufhebung

Die Personen, die einen Erbvertrag geschlossen haben, können einzelne vertragsmäßige Verfügungen oder den gesamten Erbvertrag durch einen Aufhebungsvertrag jederzeit beseitigen (§ 2290 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser Aufhebungsvertrag, an dem der Erblasser persönlich mitwirken muss (§ 2290 Abs. 2 Satz 1 BGB) und der nach dem Tod einer der am Erbvertrag beteiligten Personen nicht mehr geschlossen werden kann (§ 2290 Abs. 1 Satz 2 BGB), bedarf der Form des Erbvertrages (§§ 2290 Abs. 4, 2276 BGB). Vertragsmäßige Vermächtnisse und Auflagen können außerdem vom Erblasser im Wege eines Testaments aufgehoben werden, wenn der Vertragspartner dazu in notariell beurkundeter Form seine Zustimmung erteilt (§ 2291 BGB). Die Zustimmung bedachter Dritter ist dagegen nicht erforderlich, da ein Erbvertrag Bindungswirkung nur zwischen den Vertragspartnern entfaltet, nicht jedoch gegenüber einem bedachten Dritten. Ferner können Ehegatten oder Lebenspartner, die einen Erbvertrag geschlossen haben, diesen ganz oder teilweise durch gemeinschaftliches Testament aufheben (§ 2292 BGB). Ein Erbvertrag kann auch dadurch aufgehoben werden, dass sich die Vertragspartner den Erbvertrag auf gemeinsamen Wunsch aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgeben lassen (§ 2300 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 2256 Abs. 1 BGB).

Beseitigung vertragsmäßiger Verfügungen durch einverständliche Aufhebung

Aufhebungsvertrag (§ 2290 BGB)

Testament (§ 2291 BGB)

mit dem Vertragspartner in Form des Erbvertrages

des Erblassers beim Vorliegen von Vermächtnissen und Auflagen, wenn Vertragspartner in notarieller Form zustimmt

gemeinschaftliches Testament (§ 2292 BGB) von Ehegatten oder Lebenspartnern, wenn diese Vertragspartner sind

Rückgabe aus Verwahrung auf gemeinsamen Wunsch der Vertragspartner

Abbildung 65: Einverständliche Aufhebung von vertragsmäßigen Verfügungen

128

Formen der gewillkürten Erbfolge

4.2.3.5.2

Rücktritt

Der Erblasser kann von vertragsmäßigen Verfügungen in einem Erbvertrag auch durch einseitige Erklärung zurücktreten, allerdings nur dann, wenn x

er sich den Rücktritt im Erbvertrag ausdrücklich vorbehalten hat (Rücktritt bei Vorbehalt, § 2293 BGB),

x

sich der Bedachte solcher Verfehlungen schuldig gemacht hat, die den Erblasser nach den §§ 2333 bis 2335 BGB zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen würden (Rücktritt bei Verfehlungen des Bedachten, § 2294 BGB) oder

x

die vertragsmäßige Verfügung nur getroffen wurde, weil sich der Bedachte seinerseits verpflichtete, dem Erblasser auf Lebenszeit bestimmte wiederkehrende Leistungen zu erbringen (z.B. Unterhalt oder Pflege) und diese Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird (Rücktritt bei Aufhebung der Gegenverpflichtung, § 2295 BGB).

Beseitigung vertragsmäßiger Verfügungen durch Rücktritt (einseitige Erklärung)

bei Vorbehalt (§ 2293 BGB)

bei Verfehlungen des Bedachten (§ 2294 BGB)

bei Aufhebung der Gegenverpflichtung (§ 2295 BGB)

Abbildung 66: Rücktritt von vertragsmäßigen Verfügungen Der Rücktritt kann nur zu Lebzeiten des Vertragspartner durch eine persönliche (§ 2296 Abs. 1 Satz 1 BGB), notariell beurkundete Erklärung des Erblassers gegenüber dem Vertragspartner erfolgen (§ 2296 Abs. 2 BGB). Nach dem Tod des Vertragspartners kann der Erblasser durch Testament zurücktreten (§ 2297 BGB).

4.2.3.5.3

Besonderheiten bei Ehegatten und Lebenspartnern

Darüber hinaus verlieren Erbverträge zwischen Ehegatten und Verlobten automatisch ihre Wirksamkeit, wenn vor dem Erbfall das Verlöbnis gelöst, die Ehe geschieden bzw. für nichtig erklärt worden ist oder wenn zumindest ein begründeter Scheidungsantrag vorlag (§§ 2279 Abs. 2, 2077 BGB). Dieselben Regeln gelten nach § 10 Abs. 5 LPartG für Le-

129

Gewillkürte Erbfolge

benspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Ist der Erbvertrag allerdings zwischen nichtehelichen Lebensgemeinschaften geschlossen worden, dann ist der Vertrag auch dann noch wirksam, wenn sich die Partner längst getrennt haben. Um diese unerwünschte Rechtsfolge zu vermeiden, empfiehlt sich die Aufnahme eines Rücktrittsvorbehalts in den Erbvertrag.

4.3 Pflichtteilsrecht Aufgrund der gesetzlich garantierten Testierfreiheit kann der Erblasser seine gesetzlichen Erben von der Erbfolge ausschließen. Gleichzeitig stellt das Gesetz jedoch sicher, dass die Erben, die vom Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden sind, nicht völlig leer ausgehen. Ihnen wird durch das Pflichtteilsrecht (§§ 2303 bis 2338 BGB) eine Mindestbeteiligung am Nachlasswert gesichert. Damit schränkt das Pflichtteilsrecht faktisch die Testierfreiheit des Erblassers in gewissem Rahmen ein.

4.3.1

Pflichtteilsberechtigte Personen

Pflichtteilsberechtigt sind nicht alle gesetzlichen Erben des Erblassers, sondern nur ganz bestimmte Personen. Dies sind die Abkömmlinge (§ 2303 Abs. 1 BGB), die Eltern und der Ehegatte (§ 2303 Abs. 2 BGB) oder der Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 Satz 1 LPartG) des Erblassers, so dass z.B. die Geschwister des Erblassers schon nicht mehr zu den pflichtteilsberechtigten Personen zählen.

Pflichtteilsberechtigte

§ 2303 BGB

Abs. 1

Abkömmlinge

§ 10 Abs. 6 LPartG

Abs. 2

Eltern

Ehegatte

Beachte: § 2309 BGB „Repräsentationsprinzip“

Abbildung 67: Pflichtteilsberechtigte Personen

Lebenspartner

130

Pflichtteilsrecht

Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind allerdings insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling des Erblassers pflichtteilsberechtigt ist, der die entfernteren Abkömmlinge nach § 1924 Abs. 2 BGB bzw. die Eltern nach § 1930 BGB von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde (Repräsentationsprinzip, § 2309 BGB).

Beispiel

Merke: Beim Pflichtteilsrecht schließen nach dem Repräsentationsprinzip Kinder die Enkel und Abkömmlinge insgesamt die Eltern aus. Eltern sind also niemals pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser Abkömmlinge hinterlässt.

Willi Schulze hat seine Nichte Lara zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Bei seinem Tod hinterlässt Willi Schulze seine Ehefrau Gerda, seinen Sohn Marc, seinen Vater Herbert und seinen Bruder Matthias. Welche der Personen sind pflichtteilsberechtigt?

Vater Herbert

Mutter

Bruder Matthias

Willi Schulze

Gerda

1/1 Nichte Lara = Alleinerbin

Ehefrau

pflichtteilsberechtigte Personen

Sohn Marc

Lösung



Pflichtteilsberechtigt sind Sohn Marc als Abkömmling des Erblassers (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB) und Gerda, die Ehefrau des Erblassers (§ 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB). Nicht pflichtteilsberechtigt ist dagegen Herbert als Vater des Erblassers, da er nach § 1930 BGB bei der gesetzlichen Erbfolge vom pflichtteilsberechtigten Erblassersohn Marc ausgeschlossen würde (Repräsentationsprinzip, § 2309 BGB). Matthias als Bruder des Erblassers ist nicht pflichtteilsberechtigt, da Geschwister überhaupt nicht zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören.

131

Gewillkürte Erbfolge

4.3.2

Pflichtteilsrechte bei Entererbung

Das Pflichtteilsrecht greift nur dann, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (enterbt) worden ist (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es findet keine Anwendung, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person z.B. ihren Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht erklärt hat (§ 2346 BGB), erbunwürdig ist (§§ 2344, 2345 BGB) oder den Pflichtteil entzogen bekommen hat (§§ 2333 bis 2337 BGB). Merke: Die Enterbung einer pflichtteilsberechtigten Person durch eine Verfügung von Todes wegen ist Voraussetzung für das Pflichtteilsrecht.

4.3.3

Pflichtteilsrechte von Erben und Vermächtnisnehmern

Beispiel

Pflichtteilsansprüche besitzt eine pflichtteilsberechtigte Person allerdings nicht nur, wenn sie vollständig von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden ist, sondern auch, wenn ihr ein Erbteil zugewendet worden ist, der nicht dem Pflichtteil (also der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB) entspricht. In diesem Fall kann die pflichtteilsberechtigte Person vom Erben einen Zusatzpflichtteil (Pflichtteilsrestanspruch) in Höhe des fehlenden Teils verlangen (§ 2305 BGB). Der verwitwete Friedhelm Schuhmann setzt in seinem Testament, da seine beiden Söhne Peter und Michael Schuhmann bereits verstorben sind, seine sechs Enkelkinder als Erben zu gleichen Teilen (zu je 1/6) ein. Dies sind Michael, Dieter, Rainer, Sascha und Willi als Abkömmlinge des Peter Schuhmann sowie Renate als Abkömmling des Michael Schuhmann. Wie hoch ist der Zusatzpflichtteil, den Renate verlangen kann? Friedhelm Schuhmann

Sohn Michael

Sohn Peter

Renate

Michael

Dieter

Rainer

Sascha

Willi

1/6

1/6

1/6

1/6

1/6

1/6

132

Pflichtteilsrecht

Lösung

Nach der gesetzlichen Erbfolge würde Renate die Hälfte des Nachlasses erben (§ 1924 Abs. 3 und 4 BGB). Damit beläuft sich ihr Pflichtteilsanspruch auf 1/4 = 3/12 (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da sie als gewillkürte Erbin allerdings nur 1/6 = 2/12 des Nachlasses erbt, kann sie einen Zusatzpflichtteil in Höhe von 1/12 (= 3/12 ./. 2/12) verlangen (§ 2305 BGB).

Liegen bei einem als Erben berufenen Pflichtteilsberechtigten Beschränkungen (durch eine Nacherbeneinsetzung, eine Testamentsvollstreckung oder eine Teilungsanordnung) oder Beschwerungen (Vermächtnisse oder Auflagen) vor, die den Wert seines Erbteils weiter mindern würden, so gelten diese als nicht angeordnet, wenn der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt (§ 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB). Übersteigt der hinterlassene Erbteil trotz einer der erwähnten Beschränkungen oder Beschwerungen die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wurde einem Pflichtteilsberechtigten kein Erbteil, sondern ein Vermächtnis zugewandt, so hat der Pflichtteilsberechtigte die Wahl, ob er das Vermächtnis ausschlägt und stattdessen seinen Pflichtteil begehrt, oder ob er das Vermächtnis annimmt und, wenn es dem Wert nach hinter seinem Pflichtteil zurückbleibt, einen Zusatzpflichtteil in Anspruch nimmt (§ 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Pflichtteilsrechte bestehen, wenn § 2303 BGB

§ 2305 BGB

§ 2306 BGB

eine pflichtteilsberechtigte Person durch eine Verfügung von Todes wegen enterbt ist.

eine pflichtteilsberechtigte Person zwar Erbe ist, der Erbteil aber nicht den Wert des Pflichtteils erreicht.

eine pflichtteilsberechtigte Person einen Erbteil ausschlägt, der mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet ist.

(Regelfall)

Zusatzpflichtteil

Abbildung 68: Pflichtteilsrechte

§ 2307 BGB eine pflichtteilsberechtigte Person, die nicht als Erbe eingesetzt worden ist, ein ihr zugewandtes Vermächtnis ausschlägt.

eine pflichtteilsberechtigte Person, die kein Erbe ist, ein Vermächtnis zugewandt bekommt, dessen Wert nicht den des Pflichtteils erreicht. Zusatzpflichtteil

133

Gewillkürte Erbfolge

4.3.4

Struktur und Schuldner des Pflichtteilsanspruchs

Das Pflichtteilsrecht führt zu einem Geldzahlungsanspruch, der mit dem Erbfall entsteht (§ 2317 Abs. 1 BGB) und eine Nachlassverbindlichkeit darstellt (§ 1967 Abs. 2 BGB). Damit gewährt das Pflichtteilsrecht im Gegensatz zum Erbrecht keine dingliche Beteiligung am Nachlass des Erblassers, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch. Dieser richtet sich ausschließlich auf Geld, so dass eine pflichtteilsberechtigte Person vom Erben oder der Erbengemeinschaft nicht die Herausgabe von bestimmten Nachlassgegenständen verlangen kann. Der Pflichtteilsanspruch ist vererblich und übertragbar (§ 2317 Abs. 2 BGB) und kann somit auch gepfändet werden (§§ 1273 ff. BGB), sobald er geltend gemacht worden ist (§ 852 Abs. 1 ZPO). Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat, ansonsten erst nach dreißig Jahren (§ 2332 BGB).

Nachlassverbindlichkeit

mit dem Erbfall entstehender (schuldrechtlicher) Geldzahlungsanspruch

Struktur des Pflichtteilsanspruchs

vererblich, übertragbar und verpfändbar

Abbildung 69: Struktur des Pflichtteilsanspruchs

verjährt in 3 Jahren vom Zeitpunkt des Erbfalls und Kenntnis der enterbenden Verfügung an, spätestens aber nach 30 Jahren

134

Pflichtteilsrecht

Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen den Erben (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB). Miterben haften für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs in Außenverhältnis als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB), während nach innen derjenige Miterbe haftet, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher (§ 2320 Abs. 1 BGB) oder testamentarischer Erbe (§ 2320 Abs. 2 BGB) geworden ist. Hat der Erblasser z.B. das gesetzliche Erbrecht seiner beiden Söhne in Kraft gelassen, aber anstelle seiner Tochter deren Kinder in die Erbfolge eingesetzt, so haften diese im Innenverhältnis alleine für den Pflichtteilsanspruch ihrer enterbten Mutter. Die gesamtschuldnerische Haftung im Außenverhältnis kann nach der Teilung des Nachlasses zur Folge haben, dass einem Miterben durch die Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs weniger verbleibt, als er selbst als Pflichtteil beanspruchen könnte. In diesem Fall kann der Miterbe die Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs verweigern (§ 2319 Satz 1 BGB). Für den Ausfall haften die übrigen Miterben (§ 2319 Satz 2 BGB). Merke: Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen den Erben bzw. die Miterben, die im Außenverhältnis als Gesamtschuldner haften.

4.3.5

Pflichtteilsquote

Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es muss also zunächst die Höhe des gesetzlichen Erbteils der pflichtteilsberechtigten Person ermittelt werden. Dabei sind nach § 2310 Satz 1 BGB alle diejenigen Personen mitzuzählen, die durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen (enterbt) worden sind, die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt sind. Nicht mitgezählt werden dagegen diejenigen Personen, die vor dem Erblasser verstorben oder durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind (§ 2310 Satz 2 BGB).1

1

Der Erbverzicht (§§ 2346 ff. BGB) ist ein notariell zu beurkundender Vertrag zwischen dem Erblasser und einem künftigen Erben, durch den dieser auf sein Erbrecht verzichtet. Der Verzichtende wird behandelt, als ob er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat auch kein Pflichtteilsrecht. Die Wirkung des Erbverzichts erstreckt sich – falls nichts anderes vereinbart ist – auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden. Meistens ist der Erbverzicht mit einer Gegenleistung des Erblassers (Abfindung zugunsten des Verzichtenden) verbunden. Während der Erbverzicht vor dem Anfall der Erbschaft stattfindet, erfolgt die Ausschlagung (§§ 1942 ff. BGB) nach dem Anfall der Erbschaft. Mit der Ausschlagung steht dem Erben das Recht zu, sich gegen den (unerwünschten) Anfall der Erbschaft zur Wehr zu setzen. Das Recht ist innerhalb von sechs Wochen nach Kenntniserlangung vom Anfall der Erbschaft durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht auszuüben. Der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden gilt dann als nicht erfolgt, und die Erbschaft fällt an denjenigen, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte.

135

Beispiel

Gewillkürte Erbfolge

Helga Fischer hinterlässt bei ihrem Tod ihren Ehemann Franz sowie ihre Söhne Torsten, Daniel und Christian sowie ihre Tochter Petra. Ehemann Franz hat auf sein Erbrecht verzichtet, Sohn Torsten die Erbschaft ausgeschlagen und Sohn Daniel ist für erbunwürdig erklärt worden. Darüber hinaus wurde Tochter Petra von Helga Fischer enterbt. Wie hoch ist die Pflichtteilsquote der enterbten Tochter Petra? Franz

Helga Fischer

Erbverzicht Ehemann

Sohn Torsten

Sohn Daniel

Sohn Christian

Tochter Petra

1/1 =

Lösung

Ausschlagung

Erbunwürdigkeit

Alleinerbe

Enterbung

Sohn Christian ist durch Erbteilserhöhung (§ 1935 BGB) Alleinerbe seiner Mutter. Ohne die Enterbung wären Tochter Petra und Sohn Christian Miterben ihrer Mutter zu je 1/2 geworden. Daraus ergibt sich jedoch für die enterbte Tochter Petra kein Pflichtteilsquote in Höhe von 1/4 (als die Hälfte des Wertes des Erbteils von 1/2), da zwar bei der Feststellung des für die Berechnung der Pflichtteilsquote maßgeblichen Erbteils nicht der auf sein Erbe verzichtende Ehemann Franz (§ 2310 Satz 2 BGB), wohl aber die Söhne Torsten und Daniel, die ihr Erbe ausgeschlagen haben bzw. für erbunwürdig erklärt worden sind, mitgezählt werden müssen (§ 2310 Satz 1 BGB). Dementsprechend wäre die enterbte Tochter Petra nur gesetzliche Erbin zu 1/4 geworden (§ 1924 Abs. 4 BGB). Die Pflichtteilsquote der enterbten Tochter Petra beträgt damit 1/8 (= die Hälfte des Wertes des Erbteils von 1/4).

Bei der Ermittlung der Pflichtteilsquote ist die Regelung des § 1371 BGB, die nach § 2303 Abs. 2 Satz 2 BGB unberührt bleibt, zu beachten. Danach ist die Höhe der Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten, der mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, und damit auch die Höhe der Pflichtteile der anderen pflichtteilsberechtigten Personen davon abhängig, ob der Ehegatte am Nachlass als Erbe oder Vermächtnisnehmer beteiligt ist. Wird der Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer (§ 1371 Abs. 2 BGB), oder schlägt er eine Erbeneinsetzung oder ein Vermächtnis aus (§ 1371 Abs. 3 BGB), dann hat

136

Pflichtteilsrecht

Beispiel

er Anspruch auf den kleinen Pflichtteil. Dieser beträgt 1/2 des Wertes des nicht erhöhten gesetzlichen Erbteils nach § 1931 BGB. Daneben kann der überlebende Ehegatte noch den tatsächlichen Zugewinnausgleich verlangen (güterrechtliche Lösung). Rainer Huber hinterlässt bei seinem Tod seine Ehefrau Manuela und seine Töchter Sylvia, Doris und Carola. Er hat seine Ehefrau Manuela und seine Töchter Sylvia und Doris per Testament enterbt, so dass Tochter Carola Alleinerbin wird. Wie hoch sind die Pflichtteilsquoten der enterbten Ehefrau Manuela und in Abhängigkeit davon die enterbten Töchter Sylvia und Doris? Rainer Huber

Manuela Enterbung Ehefrau

Tochter Sylvia

Tochter Doris

Tochter Carola 1/1 =

Lösung

Enterbung

Enterbung

Alleinerbe

Ehefrau Manuela kann, da sie weder Erbin noch Vermächtnisnehmerin ist, den tatsächlichen Zugewinnausgleich verlangen. Diese Forderung richtet sich als Nachlassverbindlichkeit gegen die Alleinerbin Carola und mindert den Nachlasswert. Daneben hat Ehefrau Manuela Anspruch auf den kleinen Pflichtteil. Da ihr nicht erhöhter Erbteil neben ihren drei Töchtern 1/4 betragen hätte (§ 1931 Abs. 1 BGB), beläuft sich ihre Pflichtteilsquote auf 1/8 vom Nachlasswert. Die enterbten Töchter Sylvia und Doris wären gesetzliche Erbinnen zu je 1/4 geworden (§ 1924 Abs. 4 BGB), so dass ihre jeweilige Pflichtteilsquote ebenso 1/8 des Nachlasswertes beträgt.

Ist der Ehegatte dagegen am Nachlass als Erbe oder Vermächtnisnehmer beteiligt, so stellt der große Pflichtteil die Bezugsgröße da. Der große Pflichtteil ist daher zugrunde zulegen z.B. bei der Berechnung des Pflichtteilsrestanspruchs nach den §§ 2305, 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB, bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach den §§ 2325 ff. BGB oder im Rahmen der Anrechnungs- (§ 2315 BGB) und Ausgleichspflicht (§ 2316 BGB). Der große Pflichtteil bestimmt sich dabei nach dem erhöhten Erbteil des § 1371 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1931 BGB (erbrechtliche Lösung). Die Pflichtteilsquote des Ehegatten beträgt also neben Abkömmlingen des Erblassers 1/4 (= die Hälfte des Wertes des erhöhten gesetzlichen Erbteils: 1/4 nach § 1931 BGB + 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB =

137

Gewillkürte Erbfolge

1/2) und neben Eltern des Erblassers 3/8 (= die Hälfte des Wertes des erhöhten gesetzlichen Erbteils: 1/2 nach § 1931 BGB + 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB = 3/4).

Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft

Ehegatte Erbe oder Vermächtnisnehmer

Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer

erbrechtliche Lösung

güterrechtliche Lösung

großer Pflichtteil

kleiner Pflichtteil Pflichtteilsquoten

1/2 von

1/2 von

Erbteil aus § 1931 BGB

Erbteil aus § 1931 BGB

+

Beachte: zusätzlich Anspruch auf tatsächlichen Zugewinnausgleich

1/4 aus § 1371 Abs. 1 BGB

Pflichtteile anderer pflichtteilsberechtigter Personen unterschiedlich, je nachdem welche Lösung bei Ehegatten zum Zuge kommt

Abbildung 70: Pflichtteilsquoten von Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft Demnach sind die Pflichtteile der anderen pflichtteilsberechtigten Personen, insbesondere der Abkömmlinge des Erblassers, unterschiedlich, je nachdem, ob für den Ehegatten die güterrechtliche oder die erbrechtliche Lösung eingreift.

138

4.3.6

Pflichtteilsrecht

Der Wert des Nachlasses

Zur Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist die Pflichtteilsquote mit dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu multiplizieren. Um den Wert des Nachlasses zu erhalten, ist zunächst der Wert der Aktiva zu ermitteln, von dem anschließend der Wert der Passiva abzuziehen ist. Für die Aktiva und Passiva sind dabei die Verkehrswerte zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend. Zu den abzuziehenden Passiva gehören vor allem die Erblasserschulden, der tatsächliche Zugewinnausgleich des überlebenden Ehegatten sowie alle Verbindlichkeiten, deren Rechtsgrund beim Erbfall bereits bestand. Nicht abzuziehen sind dagegen Passiva, die mit dem Erbfall entstehen (Erbfallschulden), wie z.B. Vermächtnisse, Auflagen oder Pflichtteilsansprüche.

Nachlassaktiva

./.

Nachlasspassiva - Erblasserschulden - Tatsächlicher Zugewinnausgleich - Schulden, deren Rechtsgrund beim Erbfall bereits bestand - nicht aber Schulden, die erst mit dem Erbfall entstehen (Erbfallschulden)

=

Wert des Nachlasses

x

Pflichtteilsquote

=

Pflichtteilsanspruch

Abbildung 71: Ermittlung des Nachlasswertes und des Pflichtteilsanspruchs

139

Beispiel

Witwer Jürgen Bloch hat seine einzige Tochter Miriam enterbt und seinen Vater Alfons Bloch als Alleinerben berufen. Der Nachlass hat insgesamt einen Aktivwert in Höhe von 200.000 €. Seinem Neffen Klaus Schiller vermacht Jürgen Bloch seine Uhrensammlung im Wert von 50.000 €. Darüber hinaus schuldet er bei seinem Tod dem Autohaus Mercedes & Benz noch 10.000 €. Auf welche Summe beläuft sich der Pflichtteilsanspruch, den die pflichtteilsberechtigte Tochter Miriam vom Alleinerben Alfons Bloch verlangen kann?

Lösung

Gewillkürte Erbfolge

Die pflichtteilsberechtigte Tochter Miriam (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB) wäre bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin ihres Vaters Jürgen Bloch geworden (§§ 1924 Abs. 1, 1930 BGB). Folglich beläuft sich ihre Pflichtteilsquote auf die Hälfte des Nachlasswertes. Zieht man von den Nachlassaktiva die Schulden beim Autohaus Mercedes & Benz als Erblasserschulden ab, so ergibt sich ein Nachlasswert von insgesamt 190.000 € (= 200.000 € ./. 10.000 €). Dementsprechend kann Tochter Miriam vom Alleinerben Alfons Bloch die Zahlung von 95.000 € (= 190.000 € x 1/2) verlangen. Das Vermächtnis für den Neffen Klaus Schiller sowie der Pflichtteilsanspruch der Tochter Miriam selbst können nicht als Passiva vom Nachlasswert abgezogen werden, da es sich um Erbfallschulden handelt.

4.3.7

Anrechnungen und Ausgleichungen

Der Pflichtteilsanspruch kann geringer ausfallen, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten dem Pflichtteilsberechtigten freiwillig etwas zugewendet und dabei bestimmt hat, dass diese Zuwendung auf den Pflichtteil angerechnet werden soll (§ 2315 Abs. 1 BGB). Der Wert der Zuwendung darf aber nicht einfach vom Pflichtteilsanspruch abgezogen werden, sondern muss vielmehr zunächst dem Nachlasswert hinzugerechnet werden (§ 2315 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es ist damit folgende Berechnung durchzuführen, um in einem solchen Fall den tatsächlichen Pflichtteilsanspruch zu ermitteln:

+ = x = ./. =

Nachlasswert Wert der Zuwendung Summe Pflichtteilsquote vorläufiger Pflichtteilsanspruch Wert der Zuwendung tatsächlicher Pflichtteilsanspruch

140

Pflichtteilsrecht

Beispiel

Die Witwe Frederike Lauer hat ihren Sohn Bernhard als Alleinerben eingesetzt. Bei ihrem Tod hinterlässt sie ihm einen Nachlass im Wert von 300.000 €. Drei Jahre vor ihrem Tod hat Frederike Lauer ihrer Tochter Martina in einem nach § 2315 BGB anrechnungspflichtigen Vorempfang einen Geldbetrag von 20.000 € geschenkt. Wir hoch ist der Pflichtteilsanspruch, den die pflichtteilsberechtigte Tochter Martina vom Alleinerben Bernhard verlangen kann?

Lösung

Die pflichtteilsberechtigte Tochter Martina (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB) wäre bei gesetzlicher Erbfolge zur Hälfte Erbin ihrer Mutter Frederike Lauer geworden (§ 1924 Abs. 1 und 4 BGB). Dementsprechend beläuft sich ihre Pflichtteilsquote auf 1/4 des Nachlasswertes. Tochter Martina muss sich aber ihren anrechnungspflichtigen Vorempfang nach § 2315 BGB anrechnen lassen. Nach § 2315 Abs. 2 BGB ist der Wert der jeweiligen Zuwendung dem Nachlasswert hinzuzurechnen. Es ergibt sich somit folgender Pflichtteilsanspruch für Tochter Martina:

+ = x = ./. =

Nachlasswert Wert der Zuwendung Summe Pflichtteilsquote vorläufiger Pflichtteilsanspruch Wert der Zuwendung tatsächlicher Pflichtteilsanspruch

300.000 € 20.000 € 320.000 € 1/4 80.000 € 20.000 € 60.000 €

Der Pflichtteilsanspruch der Tochter Martina beläuft sich somit auf 60.000 €. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs kann darüber hinaus auch durch Ausgleichspflichten der Abkömmlinge des Erblassers untereinander beeinflusst werden (§ 2316 BGB). Damit soll deren Gleichbehandlung erreicht werden. Zuwendungen des Erblassers i.S.d. §§ 2050 ff. BGB (insbesondere Ausstattungen zur Begründung der selbständigen Existenz eines Abkömmlings) haben in diesem Zusammenhang mindernde Wirkung, besondere Leistungen eines Abkömmlings zugunsten des Erblassers (z.B. Pflege und Mitarbeit i.S.d. § 2057a BGB) erhöhende Auswirkungen auf den Pflichtteilsanspruch.

4.3.8

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Um zu verhindern, dass der Erblasser den Pflichtteilsanspruch durch Schenkungen zu Lebzeiten an spätere Erben oder Dritte schmälert, steht dem Pflichtteilsberechtigten bei Schenkungen, die in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall gemacht worden sind (§ 2325 Abs. 3 BGB), ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben bzw. Dritten zu (sog. außerordentlicher Pflichtteil, § 2325 Abs. 1 BGB). Dieser Ergänzungsanspruch beläuft sich auf den Betrag, um den sich der Pflichtteilsanspruch erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Um die Berechnung zu vereinfachen, kann fol-

Gewillkürte Erbfolge

141

gende Faustformel genutzt werden (allerdings nur dann, wenn der Nachlass nicht überschuldet ist).

Beispiel

Der verwitwete Erblasser Werner Baier hat 7 Jahre vor dem Erbfall seinem Gärtner Theo Blume eine Schenkung im Wert von 20.000 € gemacht. Der Wert des Nachlasses beläuft sich auf 100.000 €. Pflichtteilsberechtigt ist Werner Baiers einziger Sohn Christopher, den er enterbt hat. Wie hoch ist dessen Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Lösung

Pflichtteilsergänzungsanspruch = Wert der Schenkung x Pflichtteilsquote

Der pflichtteilsberechtigte Christopher Baier (§ 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB) wäre als einziger Abkömmling des Erblassers bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe geworden (§ 1924 BGB). Damit beträgt seine Pflichtteilsquote 1/2 des Nachlasswertes. Dieser ergibt sich, indem der Wert der Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet wird. Der Nachlasswert beläuft sich folglich auf 120.000 € (= 100.000 € + 20.000 €), so dass Christopher einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 60.000 € besitzt. Zur Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist die Differenz des soeben ermittelten Pflichtteilsanspruchs (60.000 €) zum Pflichtteilsanspruch des Christopher Baier vor Hinzurechnung des Wertes der Schenkung (50.000 € = 1/2 x 100.000 €) zu bilden. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch beträgt damit 10.000 € (= 60.000 € ./. 50.000 €), oder einfacher: 1/2 (Pflichtteilsquote des Christopher Baier) x 20.000 € (Wert der Schenkung) = 10.000 €.

Beispiel

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, der nicht mit dem Pflichtteilsrestanspruch (§ 2305 BGB) verwechselt werden darf, kann nach § 2326 BGB auch einem Erben zustehen, selbst wenn dieser weder einen Pflichtteils- noch einen Pflichtteilsrestanspruch besitzt. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch setzt nämlich nur voraus, dass die entsprechende Person zum Kreis der in § 2303 BGB genannten Pflichtteilsberechtigten gehört und nicht, dass diese Person auch durch Verfügung von Todes wegen enterbt worden ist und tatsächlich einen Pflichtteilsanspruch hat. Danach besitzt ein pflichtteilsberechtigter Erbe, wenn ihm die Hälfte des gesetzlichen Erbteils oder weniger hinterlassen ist, einen Ergänzungsanspruch in der sich aus § 2325 BGB ergebenden Höhe (§ 2326 Satz 1 BGB). Hiermit soll gewährleistet werden, dass der pflichtteilsberechtigte Erbe wertmäßig nicht schlechter steht, als wenn er nur pflichtteilsberechtigt wäre. Witwer Rudi Möller hat in seinem Testament seinen Sohn Axel als Erben zu 1/10 eingesetzt. Den Rest des Nachlasses soll an seine Tochter Dagmar fallen. Als Rudi Möller verstirbt, beträgt der Nachlasswert 100.000 €. Drei Jahre vor seinem Tod hat Rudi Möller seiner langjährigen Haushälterin Traudel Berghammer ein Sparguthaben in Höhe von 20.000 € geschenkt. Wie hoch ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch, den Sohn Axel verlangen kann?

142

Pflichtteilsrecht

Lösung

Im Falle ihrer Enterbung wären Sohn Axel und Tochter Dagmar zu je 25.000 € (= Nachlasswert = 100.000 € x Pflichtteilsquote (= 1/4, da Hälfte des gesetzlichen Erbteils)) pflichtteilsberechtigt gewesen. Wegen der Schenkung hätten sie außerdem als Pflichtteilsergänzung je 5.000 € (= Wert der Schenkung = 20.000 € x Pflichtteilsquote (= 1/4)) verlangen können (§ 2325 Abs. 1 BGB), so dass sie in Summe je 30.000 € als Pflichtteilsberechtigte erhalten hätten. Als Erbin erwirbt Tochter Dagmar wertmäßig 90.000 € (Nachlasswert = 100.000 € x Erbquote (= 9/10)), Sohn Axel dagegen nur 10.000 €. Während Tochter Dagmar damit keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat, kann Sohn Axel noch 20.000 € als Ergänzungsanspruch verlangen, da ihm die Hälfte des gesetzlichen Erbteils zusteht (§§ 2325 Abs. 1, 2326 Satz 1 BGB).

4.3.9

Entziehung des Pflichtteils

Beim Vorliegen bestimmter Gründe, die in den §§ 2333 bis 2335 BGB abschließend aufgezählt sind, ist es dem Erblasser erlaubt, einer pflichtteilsberechtigten Person das Pflichtteilsrecht zu entziehen. Die Entziehungsgründe sind bei Abkömmlingen (§ 2333 BGB), Eltern (§ 2334 BGB) und Ehegatten (§ 2335 BGB) unterschiedlich ausgestaltet. Bei Abkömmlingen gelten folgende Entziehungsgründe: § 2333 BGB: „Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen: 1. wenn der Abkömmling dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers oder einem anderen Abkömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet, 2. wenn der Abkömmling sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers oder des Ehegatten des Erblassers schuldig macht, im Falle der Misshandlung des Ehegatten jedoch nur, wenn der Abkömmling von diesem abstammt, 3. wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten schuldig macht, 4. wenn der Abkömmling die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt, 5. wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblassers führt.“

Der Pflichtteil der Eltern kann entzogen werden (§ 2334 BGB) entsprechend § 2333 Nr. 1, 3 und 4 BGB. Beim Ehegatten bestehen folgende Gründe, um den Pflichtteil zu entziehen:

Gewillkürte Erbfolge

143

§ 2335 BGB: „Der Erblasser kann dem Ehegatten den Pflichtteil entziehen: 1. wenn der Ehegatte dem Erblasser oder einem Abkömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet, 2. wenn der Ehegatte sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers schuldig macht, 3. wenn der Ehegatte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser schuldig macht, 4. wenn der Ehegatte die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt.“

Die Entziehung des Pflichtteilsrechts kann nur durch Verfügung von Todes wegen erfolgen. Der Grund für die Entziehung muss zur Zeit der Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden (§ 2336 Abs. 1 und 2 BGB). Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt durch Verzeihung (§ 2337 Satz 1 BGB). In diesem Fall wird die Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser die Entziehung angeordnet hatte, gar nicht erst wirksam (§ 2337 Satz 2 BGB).

Erbschaft- und Schenkungsteuer im Gesamtkontext des Steuersystems

145

Kapitel III: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) 1 Erbschaft- und Schenkungsteuer im Gesamtkontext des Steuersystems 1.1 Vorbemerkungen Die Erbschaftsteuer hat ihren entstehungsgeschichtlichen Anknüpfungspunkt in Deutschland am Erbschaftszehnt. Diese Abgabe war im Mittelalter zu entrichten, wenn die fränkischen Könige eine Entscheidung über eine Erbstreitigkeit fällen sollten. Das heutige Erbschaftsteuergesetz knüpft nicht mehr an das Fällen eines Urteils an. Der Anknüpfungspunkt ist vielmehr in den zivilrechtlichen Vorschriften zur Übertragung von Vermögen zu sehen. Anlass ist zum Beispiel ein Erbfall (§ 1922 BGB), in dem das Vermögen des Erblassers als Ganzes (Universalsukzession) auf einen oder mehrere Erben übergeht (§ 1922 Abs. 1 BGB). Aufbauend auf diesem zivilrechtlichen Sachverhalt regelt das Erbschaftsteuergesetz, ob dieser Vorgang der Besteuerung unterliegen soll und wie gegebenenfalls die Steuer festzusetzen ist. Aus der Anknüpfung der erbschaftsteuerrechtlichen an die zivilrechtlichen Regelungen lässt sich allerdings keine Deckungsgleichheit der Normen ableiten. In einigen Bereichen muss das Erbschaftsteuergesetz von den zivilrechtlichen Vorschriften abweichen, um Steuergerechtigkeit zu gewährleisten und das Steueraufkommen für den Staat zu sichern. Rechtsgrundlage für die Erhebung der Erbschaftsteuer ist das seit dem 1.1.1996 gültige Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. I 1997, S. 378; BStBl. 1997 I, S. 298) unter Beachtung späterer Änderungen.

1.2 Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer In Deutschland hat das Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte zu einer Anhäufung enormer Vermögenswerte geführt. So verteilen sich heute ca. 16,5 Billionen € Nettovermögen auf 37,5 Mio. Haushalte. Dabei ist die Anzahl der vermögenden Haushalte in den letzten Jahren deutlich gestiegen; rund 365.000 Deutsche sind Euro-Millionäre. In den kommenden 10 Jahren werden voraussichtlich Werte von rund 2 Billionen € im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder von Todes wegen auf die nächste Generation übertragen.2 Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich das Gros des Vermögens in den Händen Weniger befindet. 0,5 % der Bevölkerung halten ca. 25 % des Vermögens. 2

Vgl. German Wealth Report 2000, http://www.capgemini.com, abgerufen am 07.03.2005.

146

Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Vermögen in Prozent 100 4 % der Bevölkerung besitzen knapp die Hälfte des Vermögens 80 74,3 % 60 54 % 40

gleichmäßige Vermögensverteilung

20

20

40

tatsächliche Vermögenskonzentration Bevölkerung in Prozent 100 60 80 96 % 99,5 %

Abbildung 72: Vermögensverteilung in Deutschland3 Dies ist zu berücksichtigen, wenn Aussagen über die erbschaftsteuerliche Belastung der Steuerpflichtigen in Deutschland bzw. über die Bemessung von Freibeträgen getroffen werden. Dabei spielt die Zusammensetzung des Volksvermögens eine entscheidende Rolle. Hierüber gibt folgende Abbildung Aufschluss:

3

Vgl. Gemini Lorenzkurven-Modell, German Wealth Report 2000, http://www.capgemini.com, abgerufen am 07.03.2005.

Erbschaft- und Schenkungsteuer im Gesamtkontext des Steuersystems

• Bargeld, 40 % Geldvermögen • Guthaben, • Geldanlagen, • Rentenwerte, • Aktien u.ä. 42 % Grund- und 10 % Immobilienvermögen

8%

147

Gebrauchsvermögen • Hausrat, • Fahrzeuge, • Privatsammlungen (Bilder, Münzen, ...) Sachanlagevermögen • Betriebsvermögen

Abbildung 73: Zusammensetzung des Vermögens in Deutschland4 Abbildung 74 zeigt einen kontinuierlichen Anstieg des Steueraufkommens aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Deutschland in den letzten Jahren. Während beispielsweise 1990 ca. 1.550 Mio. € Erbschaftsteuer vereinnahmt wurden, waren es im Jahr 2003 ca. 3.370 Mio. €:

4

Vgl. http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/mba/2002/200201mba_wohnungsmarkt.pdf, abgerufen am 19.01.2005.

148

Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Millionen Euro 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

Abbildung 74: Entwicklung des Erbschaft- und Schenkungsteueraufkommens Im Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland kommt der Erbschaftsteuer jedoch eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Ihr Beitrag zum Gesamtsteueraufkommen belief sich im Jahr 2003 auf weniger als 1 %. Dieser Anteil wird allerdings in den nächsten Jahren, ausgelöst durch die hohe Summe an erwarteten Vermögensübertragungen, voraussichtlich steigen. Schätzungen zufolge könnte mit entsprechender Planung die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Hälfte reduziert werden. Ursache hierfür ist neben der steuerlichen Unkenntnis oft die mangelnde Bereitschaft, sich frühzeitig mit der Thematik zu befassen. Fragen nach Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Reduzierung der durch Übertragung von Vermögenswerten entstehenden steuerlichen Belastung beschäftigen neben Privatpersonen insbesondere auch Unternehmen. Die erbschaft- und schenkungsteuerliche Beratung gewinnt demnach zunehmend an Bedeutung. Insbesondere durch sachgemäße Zusammensetzung des Vermögens und Ausnutzung von Freibeträgen lässt sich häufig eine nochmalige Vermögensbesteuerung – nach Aufbau dieses Vermögens aus versteuerten Mitteln – vermeiden bzw. reduzieren. Dabei geht es nicht darum, Vermögen vorzeitig zu übergeben und den Zugriff zu verlieren, sondern durch die geschickte Zusammensetzung und Strukturierung des Vermögens eine Reduzierung der steuerlichen Belastung bei der späteren Übertragung auszulösen. Abbildung 75 gibt einen Überblick über das Gestaltungspotenzial, welches zur Erzielung einer möglichst geringen Erbschaftsteuer-Zahllast berücksichtigt werden kann:

Erbschaft- und Schenkungsteuer im Gesamtkontext des Steuersystems

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Erbschaftsteuerliches Gestaltungspotenzial Ausnutzung von Zeiträumen

Einbringung von Vermögen in Betriebsvermögen

Ausnutzung von Freibeträgen

Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland

Verteilung von Vermögen auf mehrere Personen

Wählen eines günstigen Güterstandes bei Ehegatten

Übertragung auf Personen mit günstigeren Steuerklassen

Vorweggenommene Erbfolge gegen Versorgungsleistungen

Änderung der Zusammensetzung des Vermögens

Rechtsformwahl eines Unternehmens

Testamentsgestaltung

Betriebsverlagerung in Niedrigsteuerländer

Übertragung von Vermögen auf Stiftungen

Abbildung 75: Erbschaftsteuerliche Planungsinstrumente

1.3 Einordnung der Erbschaftsteuer Die Systematisierung der Einzelsteuern kann anhand verschiedener Kriterien erfolgen: Bezüglich des Besteuerungstatbestandes können Besitz-, Verkehr-, Verbrauchsteuern und Zölle unterschieden werden. Die Erbschaftsteuer wird nicht laufend veranlagt, sondern tritt aperiodisch bei der unentgeltlichen Übertragung von Vermögen auf. Sie knüpft somit an einen Übertragungsakt an, wodurch sie zu den Verkehrssteuern zu zählen ist.

150

Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungshoheit

Bei Kategorisierung anhand der Bemessungsgrundlage unterscheiden sich die Steuern grundsätzlich in Ertrag-, Verkehr- und Substanzsteuern. Ungeachtet etwaiger zukünftiger Erträge aus dem zugewendeten Vermögen knüpft die steuerliche Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer an den Wert der Bereicherung an. Somit ist die Erbschaftsteuer eine reine Substanzsteuer. Als Besonderheit ist, wie bei den meisten Substanzsteuern, eine Bewertung von Vermögen notwendig. Die Wertermittlung erfolgt in der Regel anhand der Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG). Des Weiteren werden Personen- (Subjektsteuern) und Sachsteuern (Objektsteuern) unterschieden, je nachdem, ob eine Person oder eine Sache der Besteuerung unterliegt. Im deutschen Erbschaftsteuerrecht ist die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Empfängers Auslöser für die Erhebung der Steuer. Die Erbschaftsteuer ist also eine Personensteuer.

1.4 Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungshoheit Gem. Art. 105 Abs. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungshoheit über Zölle und Finanzmonopole und gem. Art. 105 Abs. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungshoheit – Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz zwischen dem Bund und den Ländern – über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungshoheit sind die Länder zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Demgegenüber liegt das Gesetzgebungsrecht beim Bund, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 GG). Mit Formulierung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes hat der Bund von diesem Gesetzgebungsrecht i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht. Bei der Erbschaftsteuer handelt es sich dennoch um eine Ländersteuer. Dementsprechend steht den Ländern das Steueraufkommen zu (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG). Die Verwaltung der Erbschaftsteuer obliegt gem. Art. 108 Abs. 2 GG den Landesfinanzbehörden unter Bundesaufsicht.

Erbschaft- und Schenkungsteuer im Gesamtkontext des Steuersystems

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Gesetzgebungshoheit

Ertragshoheit

Verwaltungshoheit

Bund

Länder

Länder

Art. 105 Abs. 2 GG

Art. 106 Abs. 2 GG

Art. 108 Abs. 2 GG

Abbildung 76: Gesetzgebungs-, Ertrags-, Verwaltungshoheit

1.5 Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist als Erbanfallsteuer ausgestaltet. Besteuert wird nicht der Nachlass oder die Schenkung selbst, sondern die Bereicherung, die der Erwerb von Erblasservermögen beim Empfänger bewirkt. Haupttatbestand der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist daher der Übergang von Vermögen infolge des Todes einer Person oder aufgrund einer Schenkung, die einer Person auf Kosten einer anderen noch lebenden Person ohne Gegenleistung zugewendet wird. Grundgedanke ist dabei die Besteuerung der erhöhten finanziellen Leistungsfähigkeit, die der begünstigten Person durch den Vermögenszugang zukommt. Anders als im angelsächsischen Rechtsraum, in dem das hinterlassene Vermögen des Erblassers letztmalig der Besteuerung unterliegt (Nachlasssteuer)5, stellt die deutsche Erbschaftsteuer auf den Reinvermögenszugang ab. Besteuert werden alle dem Erwerber zukommenden Vermögensgegenstände. Mit ihrer Ausgestaltung knüpft sie als Bereicherungssteuer unter Beachtung der verwandtschaftlichen Beziehungen zum Erblasser an die Vermögensmehrung des Erwerbers an (Bereicherungsprinzip).

5

Vgl. Wassermeyer, W., Das US-amerikanische Erbschaftsteuerrecht, Köln 1996, Satz 148 ff., Rz. 2.

152

Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Erblasser

Nachlasssteuer 9 Erblasser ist steuerpflichtig 9 hinterlassenes Vermögen 9 unterliegt letztmalig der Besteuerung

Erbe

Erbe

Erbe

Erbanfallsteuer 9 einzelne Erben sind steuerpflichtig 9 Vermögensmehrung unterliegt der 9 Besteuerung

Abbildung 77: Unterschied zwischen Erbanfall- und Nachlasssteuer Schenkungsteuer und Erbschaftsteuer beruhen auf den selben Grundsätzen. Der durch Schenkung Begünstigte hat, nicht anders als der Erbe, einen unentgeltlichen Mittelzuwachs erhalten. Die Schenkung wird daher als vorweggenommene Erbschaft gesehen („Erbschaft mit der warmen Hand“). Der Gesetzgeber hat Erbschaft- und Schenkungsteuer gleichgestellt. Andernfalls könnte die Entstehung eines erbschaftsteuerpflichtigen Tatbestandes durch Schenkung vermieden werden. Die Schenkungsteuer soll daher Steuerumgehungen vermeiden. Die Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes gelten demnach für Schenkungen unter Lebenden sinngemäß. Das heißt, alle infolge einer Zuwendung begünstigten Personen unterliegen dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz. Merke: Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer wurden vom Gesetzgeber gleichgestellt. Das bedeutet, die Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes gelten auch für Schenkungen unter Lebenden.

2 Aufbau des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz ist in fünf Teile gegliedert. Während der erste Abschnitt die Tatbestände der steuerlichen Erwerbe festlegt und Regelungen zur Steuerpflicht beinhaltet, umfasst Abschnitt zwei Vorschriften zur Wertermittlung steuer-

Aufbau des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes

153

pflichtiger Vermögensgegenstände. Dabei bildet der „Bewertungsparagraph“ (§ 12 ErbStG) die Schnittstelle zum Bewertungsgesetz. Teil drei des Gesetzes regelt die für die Berechnung der Steuerschuld notwendigen Steuerklassen, Freibeträge und Steuersätze. Abschnitt vier enthält Einzelregelungen zur Steuerfestsetzung und Erhebung, im fünften Teil des Gesetzes finden sich Ermächtigungs- und Schlussvorschriften. Merke: Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz normiert das Verfahren der Besteuerung. Die Bewertung der Vermögensgegenstände regelt das Bewertungsgesetz.

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Erster Teil Steuerpflicht

9 Steuersubjekt 9 Besteuerungstatbestände

§ 1 bis § 9 ErbStG Zweiter Teil Wertermittlung § 10 bis § 13a ErbStG Dritter Teil Berechnung der Steuer § 14 bis § 19a ErbStG

9 Steuerpflichtiger Erwerb 9 Bewertungsstichtag 9 Bewertung der Vermögensgegenstände i.V.m. BewG 9 Steuerbefreiungen 9 Frühere Erwerbe 9 Steuerklassen 9 Freibeträge 9 Steuersätze

Vierter Teil Steuerfestsetzung und Erhebung § 20 bis § 35 ErbStG

9 Vorschriften zur Durchführung der Steuerveranlagung und Steuerentrichtung

Fünfter Teil Ermächtigungs- und Schlussvorschriften § 36 bis § 39 ErbStG

9 Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen 9 Gesetzesanwendung

Abbildung 78: Aufbau des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes

154

Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer

3 Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaftund Schenkungsteuerfällen Erbschaft- und schenkungsteuerliche Fälle können anhand schematischer Abläufe bearbeitet werden. Nachfolgend dargestelltes Bearbeitungsschema ermöglicht es, Problemstellungen der Erbschaft- und Schenkungsteuer geordnet und zielsicher zu lösen. Im weiteren Verlauf des Buches werden die einzelnen Teilschritte dargestellt und die einschlägigen Paragraphen näher erläutert. Vorläufig soll das Augenmerk jedoch auf die sich immer wiederholenden Teilschritte gelegt werden. Ausgangspunkt jeder erbschaft- und schenkungsteuerlichen Falllösung im Rahmen einer Klausuraufgabenstellung ist immer die Klärung der Steuerpflicht. Diese ist – wie nachfolgend auf der ersten der vier Karteikarten zu sehen – mittels dreier Schritte abzuhandeln. Festsetzung und Erhebung Berechnung der Steuer Wertermittlung Steuerpflicht

1. Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs

§ 1 ErbStG i.V.m. §§ 3 bis 8 ErbStG

2. Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht

§ 2 ErbStG i.V.m. R 3 ErbStR

3. Ermittlung des Bewertungsstichtages als dem Zeitpunktes der Entstehung der Steuerschuld

§ 9 ErbStG i.V.m. § 11 ErbStG

Beispiel

Werden die einzelnen Paragraphen, die auf dieser ersten Karteikarte aufgeführt sind, durchgearbeitet, ist die schriftlich zu Papier zu bringende Lösung bereits gefunden. Dies soll an folgendem einfachen Beispiel verdeutlicht werden: Steuerpflicht Emil Koschmidder, geboren am 4.4.1950, wohnhaft in Hamburg, am Hafen 3, verstarb am 10.5.2005 in Hamburg. In seinem rechtsgültigen Testament hat er seinen langjährigen Freund Werner, der ebenfalls in Hamburg wohnt, als Alleinerben eingesetzt.

Lösung

Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen

155

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs: Der Übergang des Nachlasses auf den Erben Werner aufgrund Testaments unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht: Der Vermögensanfall unterliegt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (R 3 Abs. 1 ErbStR) der unbeschränkten persönlichen Steuerpflicht, weil sowohl der Erblasser (Emil) zum Zeitpunkt seines Todes als auch der Erwerber (Werner) zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ihren Wohnsitz im Inland haben und damit Inländer sind. Ermittlung des Bewertungsstichtages als dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld: Die Erbschaftsteuer entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG am 10.5.2005 als Todestag des Erblassers. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgebend für die Ermittlung des Wertes des Nachlasses und der Nachlassverbindlichkeiten (§ 11 ErbStG).

Wie zu erkennen ist, lässt sich die Klausurlösung wörtlich aus dem Gesetzestext abschreiben! Nachdem geklärt ist, dass ein bestimmter Vorgang der deutschen Erbschaftsteuerpflicht unterliegt, wer erbschaftsteuerpflichtig ist, zu welchem Zeitpunkt der Nachlass zu bewerten ist und wann die Steuer entsteht, kann man sich der Wertermittlung zuwenden. Hierbei ist auf den bereits in § 10 ErbStG enthaltenen „Fahrplan“ für die Ermittlung des steuerpflichtigen Wertes des Nachlasses einzugehen. Dieser teilt sich in folgende „Haltestellen“:

156

Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer Festsetzung und Erhebung Berechnung der Steuer Wertermittlung Steuerpflicht

1. Ermittlung des steuerpfl. Erwerbs (Vermögensanfall ./. abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten)

§ 10 ErbStG

2. Bewertung der Zuwendungsund Nachlassgegenstände

§ 12 ErbStG i.V.m. BewG

3. Bewertung der abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten

§ 12 ErbStG i.V.m. BewG § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG: Erblasserschulden § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG: Erbfallschulden § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG: Erbfallkosten

4. Berücksichtigung sachlicher Steuerbefreiungen (Freibeträge)

§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a, c ErbStG: Hausrat § 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG: Sonstige bewegliche Gegenstände § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG: Bewertungsabschlag Betriebsvermögen

Achtet man auf diese „Haltestellen“, so lässt sich die Wertermittlung jedes Erbschaftsteuerfalls nach dem immer gleichen Schema abarbeiten. Dies soll an folgendem Beispiel demonstriert werden:

Beispiel

Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen

157

Wertermittlung Der Nachlass von Emil setzt sich zusammen aus: x einem bebauten Grundstück in Hamburg „Am Hafen 3“ mit aufstehendem Einfamilienhaus (Jahresnettokaltmiete / übliche Miete 12.000 €, Größe 1.000 qm, Bodenrichtwert 150 €/qm, bezugsfertig am 20.4.1980), x einem Sparbuch mit einem Guthaben i.H.v. 20.000 €, x einem PKW „Opel Manta“ mit einem Verkehrswert von 10.000 €, x einem Gemälde des berühmten Malers Karl Auer, x Hausrat im Wert von 50.000 €.

Lösung

Des Weiteren bestehen Erblasserschulden i.H.v. 20.000 €. Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs: Als steuerpflichtiger Erwerb gilt gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§§ 5, 13, 13a, 16, 17 und 18 ErbStG). In den Fällen des § 3 ErbStG gilt gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG als Bereicherung die Differenz aus dem nach § 12 ErbStG i.V.m. dem BewG zu ermittelnden Wert des Vermögensanfalls und den nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen und ebenfalls nach § 12 ErbStG i.V.m. dem BewG zu bewertenden Nachlassverbindlichkeiten. Bewertung der Zuwendungs- und Nachlassgegenstände: Grundstück: Das Grundstück „Am Hafen 3“ stellt inländischen Grundbesitz dar und ist eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (§§ 68 Abs. 1 Nr. 1, 70 Abs. 1 BewG). Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs zur Erbschaftsbesteuerung ist das Grundstück gem. § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem Grundbesitzwert anzusetzen, der nach den §§ 138 ff. BewG auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer festgestellt wird (sog. Bedarfswert). Gem. § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG liegen den neuen Grundbesitzwerten die tatsächlichen Verhältnisse vom Besteuerungszeitpunkt, d.h. gem. § 9 ErbStG der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, und grundsätzlich die Werteverhältnisse vom 1.1.1996 zugrunde, die gem. § 138 Abs. 4 BewG noch bis zum 31.12.2006 maßgebend sind. Gem. § 138 Abs. 5 BewG wird der Grundbesitzwert vom entsprechenden Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO) gesondert festgestellt. Gem. § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG gelten für diese Feststellungen die Vorschriften der AO über die Feststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes sinngemäß, d.h. die §§ 179 ff. AO. Der Feststellungsbescheid ist ein Grundlagenbescheid, d.h. das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt ist an das Ergebnis der Bedarfsbewertung gebunden (§ 182 AO).

158

Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer Der Grundbesitzwert wird für bebaute Grundstücke nach § 146 BewG festgestellt: § 146 Abs. 2 BewG: Jahresnettokaltmiete (übliche Miete) 12.000 € x 12,5 § 146 Abs. 4 BewG: abzüglich Alterswertminderung (0,5 v.H. pro Jahr) 0,5 % x 25 Jahre = 12,5 % Zwischensumme § 146 Abs. 5 BewG: Zuschlag 20 % (nicht mehr als 2 Wohnungen) Grundbesitzwert § 139 BewG: Abrundung auf volle 500 €

150.000 €

18.750 €

131.250 € 26.250 € 157.500 € 157.500 €

Lösung

Da ein häufiger Fehler das Vergessen der Abrundung (§ 139 BewG) ist, sollte man sich im Gesetzestext zwischen § 146 Abs. 5 und Abs. 6 einen Strich als Gedankenstütze machen. So wird die Abrundung nicht vergessen. Ermittlung des Mindestwertes gem. § 146 Abs. 6 BewG: 80 % des Bodenrichtwertes 1.000 qm x 150 €/qm

120.000 €

Da der nach § 145 Abs. 3 BewG ermittelte Wert (120.000 €) niedriger als der oben nach § 146 Abs. 1 bis 5 BewG festgestellte Wert von 157.500 € ist, kommt kein niedrigerer Wertansatz gem. § 146 Abs. 6 BewG zur Anwendung. Gem. § 146 Abs. 7 BewG wurde kein niedrigerer Wert nachgewiesen. Daher wird das Grundstück „Am Hafen 3“ mit 157.500 € angesetzt. Sonstiger Vermögensanfall: Das Sparbuch ist gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG mit dem Nennwert am Todestag zu bewerten, d.h. 20.000 €.

Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen

159

Der „Opel Manta“ und der Hausrat sind gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen, d.h. für den PKW sind 10.000 € und für den Hausrat sind 50.000 € anzusetzen. Zum Hausrat i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. c ErbStG gehört auch das Gemälde. Demnach ergibt sich ein sonstiger Vermögensanfall von 80.000 €. Bewertung der abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten: Erblasserschulden: Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten zählen gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG die Erblasserschulden i.H.v. 20.000 €. Erbfallschulden: Erbfallschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG bestehen nicht. Erbfallkosten: Unter Erbfallkosten fallen Aufwendungen für die Bestattung und die Grabpflege. Da keine höheren Kosten nachgewiesen wurden, erfolgt ein Ansatz der Pauschale gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG i.H.v. 10.300 €. In Summe ergeben sich abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten von 30.300 €. Berücksichtigung sachlicher Steuerbefreiungen: § 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. c ErbStG sieht eine sachliche Steuerbefreiung für Hausrat i.H.v. 10.300 € vor. Das der Erbschaftsteuer unterliegende Vermögen ergibt sich aus dem gesamten positiven Vermögensanfall abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten und der Steuerbefreiungen. Positives Vermögen 157.500 € x Grundstück 80.000 € x sonstiges Vermögen ./. Nachlassverbindlichkeiten x Erblasserschulden x Erbfallkosten

20.000 10.300

€ €

./. Steuerbefreiungen x Hausrat

10.300



196.900



= der Erbschaftsteuer unterliegendes Vermögen

160

Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Wie auch hier zu sehen ist, lässt sich der Fall zu einem großen Teil durch reines Abschreiben des Gesetzestextes lösen. Dies ist insbesondere bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes sehr deutlich erkennbar. Der vor der eigentlichen Berechnung aufgeführte Text ist jedes Mal mit den hervorgehobenen Schlüsselbegriffen hinzuschreiben. Er bringt in Klausuren i.d.R. genauso viele Punkte wie die Berechnung des Grundbesitzwertes selbst. Auch hier lassen sich in Klausuren die notwendigen Punkte i.d.R. durch reines Abschreiben des Gesetzestextes erlangen. Dies soll nochmals in dem folgenden Beispiel aufgezeigt werden. Ist die Höhe des Wertes der Vermögensgegenstände und Schulden ermittelt, kann im nächsten Schritt die Steuer berechnet werden. Dazu ist wie folgt vorzugehen: Festsetzung und Erhebung Berechnung der Steuer Wertermittlung Steuerpflicht

1. Bestimmung der Steuerklasse 2. Berücksichtigung persönlicher Freibeträge

3. Bestimmung des Steuersatzes

§ 15 ErbStG § 16 ErbStG: Persönlicher Freibetrag § 17 ErbStG: Besonderer Versorgungsfreibetrag § 19 Abs. 1 ErbStG

4. Berechnung der Steuerschuld 5. Rundung

§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG

6. Härteausgleich

§ 19 Abs. 3 ErbStG i.V.m. H 75 ErbStH

7. Tarifbegrenzung

§ 19a ErbStG

Lösung

Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen

161

Bestimmung der Steuerklasse: Gem. § 15 Abs. 1 ErbStG richtet sich die Steuerklasse nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers (Werner) zum Erblasser (Emil). Da Werner nicht verwandt mit Emil ist, ergibt sich für ihn die Steuerklasse III. Berücksichtigung persönlicher Freibeträge: Da Werner der Steuerklasse III angehört, hat er einen persönlichen Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 i.H.v. 5.200 €. Dieser wird von der zuvor ermittelten Bereicherung i.H.v. 196.900 € abgezogen. Es ergibt sich somit ein steuerpflichtiger Erwerb i.H.v. 191.700 €. Besonderer Versorgungsfreibetrag: Da Werner weder Ehegatte noch Abkömmling von Emil ist und demzufolge auch nicht der Steuerklasse I angehört, steht ihm auch kein besonderer Versorgungsfreibetrag gem. § 17 ErbStG zu. Bestimmung des Steuersatzes: Die Erbschaftsteuer wird nach den in § 19 Abs. 1 ErbStG aufgeführten Steuersätzen erhoben. Sie richtet sich zum einen nach der Steuerklasse des Erwerbers des Vermögens und zum anderen nach der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs (= doppelt progressiver Steuertarif). Daraus ergibt sich für Werner ein Steuersatz i.H.v. 23 % (Steuerklasse III, steuerpflichtiger Erwerb: 191.700 €). Berechnung der Steuerschuld: Der sich aus § 19 Abs. 1 ErbStG ergebene Steuersatz wird auf den Vermögensanfall angewendet. Demnach ergibt sich eine zu zahlende Erbschaftsteuer von: 23 % von 191.700 € = 44.091 €. Härteausgleich: Der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG (H 75 ErbStH) ist fester Bestandteil der Tarifvorschrift. Es empfiehlt sich den Härteausgleich wie folgt zu errechnen: Vermögensanfall 1. Tatsächlicher steuerpflichtige Erwerb

Steuersatz

Steuer

191.700 €

23 %

44.091 €

17 %

./. 8.840 €

>

= 35.251 €

2. vorhergehende Wertgrenze gem. § 19 Abs. 1 ErbStG

./.

52.000 €

= Differenz zwischen 1 und 2 hiervon ½

= =

139.700 € 69.850 €

kein Härteausgleich In diesem speziellen Beispiel ist kein Härteausgleich nötig.

162

Qualifikation der Erbschaft- und Schenkungsteuer Tarifbegrenzung: Da kein Erwerb von Betriebsvermögen vorliegt, ist auch die Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG nicht zu berücksichtigen.

Bei Betrachtung der vorherigen Karteikarte zur Berechnung der Steuer ist ersichtlich, dass sich auch hier die Lösung durch reines Abarbeiten der relevanten Paragraphen ergibt. Merke: Der Härteausgleich ist unabhängig davon, ob er tatsächlich zur Anwendung gelangt, immer zu überprüfen, um sich in den Klausuren Punkte zu sichern.

Vermögensanfall Tatsächlicher Vermögensanfall ./. vorhergehende Wertgrenze gem. § 19 Abs. 1 ErbStG

Steuersatz gem. § 19 Abs. 1 ErbStG

Steuer tatsächlicher Vermögensanfall

gem. § 19 Abs. 1 ErbStG

./. Steuer vorhergehende Wertgrenze

= Differenz

hiervon 1/2 = (wenn Steuersatz d 30 %)

hiervon 3/4 = (wenn Steuersatz > 30 %)

Steuer

= Differenz

1/2 bzw. 3/4 < rechte Differenz Ÿ Härteausgleich 1/2 bzw. 3/4 t rechte Differenz Ÿ kein Härteausgleich

Abbildung 79: Berechnung des Härteausgleichs

Steuer vorhergehende Wertgrenze + 1/2 bzw. 3/4 linke Differenz = endgültige Zahllast

Prüfungsschema zur Bearbeitung von Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen

163

Festsetzung und Erhebung Berechnung der Steuer Wertermittlung Steuerpflicht

1. Bestimmung des Steuerschuldners

§ 20 ErbStG

2. Sonderfälle

§§ 23, 25, 27 ErbStG

3. Verfahrensfragen

Lösung

Der letzte Teil des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes umfasst die Steuerfestsetzung und Erhebung. Auch hier ist der Lösungsweg durch das Gesetz aufgezeigt. Steuerfestsetzung und Erhebung Gem. § 20 Abs. 1 ErbStG ist Steuerschuldner der Erwerber des Vermögens, im Beispiel also Werner. Er hat die Erbschaftsteuer dem Finanzamt zu überweisen.

Wie bereits zu Beginn des Buches dargestellt, ist das ErbStG so aufgebaut, dass sich die Musterlösung nahezu jedes Sachverhaltes durch chronologisches Abarbeiten der einzelnen hintereinander gestaffelten Paragrafen erarbeiten lässt. Dies soll nochmals anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht werden:

Bewertungsgesetz

Steuersätze

Entstehung der Steuer

Versorgungsfreibetrag

Schenkung unter Lebenden

Persönliche Freibeträge

Erwerb von Todes wegen

Steuerklassen

§ 9 § 10 § 11 § 12 § 13 § 15 § 16 § 17 § 19 Sachliche Steuerbefreiungen

§ 7

Bewertung

§ 3

Bewertungsstichtag

§ 2

Steuerpflichtiger Erwerb

§ 1

Persönliche Steuerpflicht

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Steuerpflichtige Vorgänge

164

Erbschaftsteuer

• Allgemeine Vorschriften (§§ 1 bis 16) • Grundbesitz (§§ 138 bis 150) • Betriebsvermögen (§§ 95 bis 99, 103, 104, 109, 137)

Abbildung 80: Aufbau des Erbschaftsteuergesetzes

4 Steuerpflicht 4.1 Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG § 1 ErbStG zählt sämtliche Tatbestände taxativ auf, die dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen. Andere Vorgänge als die in dieser Vorschrift genannten, sind nicht erbschaftsteuerpflichtig (Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung – § 38 AO). § 1 ErbStG hat somit abschließende Wirkung. Die steuerpflichtigen Tatbestände gem. § 1 ErbStG sind: x der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), x die Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), x die Zweckzuwendungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), x Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen in Zeitabständen von dreißig Jahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).

Steuerpflicht

165

Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG erfassten Tatbestände werden durch die §§ 3 bis 8 ErbStG umfassend konkretisiert. Lediglich § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG regelt den Besteuerungstatbestand des Vermögens von Familienstiftungen und -vereinen abschließend.

Erbschaftsteuerliche Vorgänge gem. § 1 ErbStG

Erwerb von Todes wegen § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Schenkung unter Lebenden § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG Zweckzuwendungen § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Familienstiftungen § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

Abbildung 81: Erbschaftsteuerpflichtige Vorgänge Der Übergang von Vermögenswerten kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Einerseits kann eine Zuwendung ohne Gegenleistung des Empfängers erfolgen. Dieser Vermögensübergang ist steuerpflichtig i.S.d. Erbschaftsteuergesetzes, da das Gesetz an den Vorgang der Bereicherung des Empfängers anknüpft. Wird Vermögen auf den Begünstigten übertragen und muss dieser dafür eine nicht gleichwertige Gegenleistung erbringen, ist nur der unentgeltliche Teil des Vermögenserwerbs steuerbar. Der durch den Begünstigten erworbene entgeltliche Teil des Erwerbs bleibt erbschaftsteuerfrei. Er kann allenfalls von ertragsteuerlichen Vorschriften erfasst sein. Vollständig entgeltlich erworbene Vermögensgegenstände unterliegen nicht dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz. Das heißt, es ist nicht möglich, die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu umgehen, indem eine Schenkung mit einem Kaufvertrag verbunden wird. Beispielsweise ist ein Grundstück, das nicht geschenkt, sondern für 1 € verkauft wird, nicht deshalb ein nicht steuerbarer Vorgang, weil ein Kaufvertrag vorliegt. In diesem Fall ist lediglich der käuflich erworbene Teil (1 €) steuerfrei und der unentgeltlich erworbene Teil steuerbar i.S.d. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes.

166

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Erbschaft, Schenkung, Zweckzuwendung

entgeltlicher Erwerb

nicht erbschaftsteuerbar

teils entgeltlicher Erwerb teils unentgeltlicher Erwerb

teilweise erbschaftsteuerbar

unentgeltlicher Erwerb

erbschaftsteuerbar

Abbildung 82: Abgrenzung steuerbarer und nicht steuerbarer Erwerbe Merke: Vollständig unentgeltliche Erwerbe und unentgeltliche Teile teilentgeltlicher Erwerbe unterliegen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf das Konstrukt der „Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen“ aufmerksam zu machen. Es handelt sich dabei um die Übertragung von Vermögen (zumeist von Eltern auf ihre Kinder) gegen Unterhalt (Leibrente) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.6 Typischerweise werden Grundstücke oder Betriebe durch diese Gestaltungsvariante übergeben. EXKURS: Gegenstand der Vermögensübergabe muss eine die Existenz des Vermögensübernehmers wenigstens teilweise sichernde Wirtschaftseinheit sein. Gleichzeitig muss auch die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen wenigstens teilweise sichergestellt sein. Dabei behält sich der Übergeber typischerweise vom Übernehmer zu erwirtschaftende Erträge seines Vermögens vor.7

6

Vgl. BMF v. 23.12.1996, IV B 3-S-2257-54/96, BStBl. I 1996, S. 1508, geändert am 26.08.2002, IV-C-3-S-2255-420/02, BStBl. I 2002, S. 893 und Rechtsprechung BFH v. 23.11.1992, XI-R-6/87, BStBl. II 1992, S. 526.

7

Vgl. BMF v. 26.08.2002, IV C 3-S-2255-420/02, BStBl. I 2002, S. 893, Tz. 5.

Steuerpflicht

167

Einkommensteuerlich gilt die Übertragung des Wirtschaftsgutes als unentgeltlich, da die durch das Vorbehalten der Erträge durch den Überträger ausgelöste Zahlungsverpflichtung des Übernehmers nicht als Gegenleistung (Entgelt) für die Übertragung des Wirtschaftsgutes zu verstehen ist.8 Schenkungsteuerlich ist dies jedoch anders. Das Schenkungsteuerrecht trennt den Vorbehalt der Erträge aus dem Wirtschaftsgut und die Übertragung des Wirtschaftsgutes nicht in zwei Bestandteile auf, sondern betrachtet diesen Vorgang als entgeltlich. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass für Zwecke der Schenkungsteuer (und nur hier) der Barwert der Leibrente als Gegenleistung für die Vermögensübertragung zu sehen ist. Demnach erwirbt der Übernehmer des Wirtschaftsgutes das Vermögen teilentgeltlich. Vorweggenommene Erbfolge Erbe

Erblasser

unentgeltlich Vermögensübertragung mit Vorbehalt der erwirtschaftenden Erträge aus seinem Vermögen

steuerbar i.S.d. ErbStG entgeltlich

Versorgungsleistung Entgeltlich, aber nicht steuerbar i.S.d. EStG

daher nicht steuerbar i.S.d. ErbStG

Abbildung 83: Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen

8

Vgl. BMF v. 26.08.2002, IV C 3-S-2255-420/02, BStBl. I 2002, S. 893, Tz. 2 und BFH v. 05.07.1990, GrS-4-6/89, BStBl. II 1990, S. 847.

168

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Teilentgeltlicher Erwerb Andreas Frankmann überträgt ein selbständig ertragbringendes Mietshaus (Wert 1.000.000 €) im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge an seinen Sohn Michael. Michael verpflichtet sich, an seinen Vater eine monatliche Leibrente i.H.v. 2.000 € (Barwert der Leibrente = 300.000 €) zu zahlen, die sich aus dem Ertrag des übergegangen Mietshauses speisen lässt („ausreichend ertragbringendes Wirtschaftsgut“). Die Übertragung des Mietshauses gilt einkommensteuerlich als unentgeltlich, da die ausgelöste Zahlungsverpflichtung von Michael i.H.v. 2.000 € (durch den Vorbehalt der Mieterträge durch Andreas) kein Entgelt für die Übertragung des Mietshauses darstellt.9 Erbschaftsteuerlich ist die Situation jedoch anders zu beurteilen. Michael erhält das Grundstück im erbschaftsteuerlichen Sinne teilentgeltlich, da er seinem Vater eine Leibrente i.H.v. 2.000 € zu zahlen hat. Der durch den Barwert der Leibrente (300.000 €) begründete entgeltliche Teil ist aber nicht erbschaftsteuerbar, da von der Erbschaftsteuer ausschließlich unentgeltliche Vermögensübertragungen erfasst werden. Somit ist lediglich der unentgeltlich erworbene Teil (1.000.000 € ./. 300.000 € = 700.000 €) erbschaftsteuerbar.

Merke: Zur Bestimmung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage muss der unentgeltliche Erwerb eines teilentgeltlichen Erwerbs genau bestimmt werden. Nur unentgeltliche Vermögensübergänge unterliegen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. ENDE DES EXKURSES

4.1.1

Erwerb von Todes wegen – § 3 ErbStG

Der Erwerb von Todes wegen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG stellt den Haupttatbestand des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes dar. Was als Erwerb von Todes wegen anzusehen ist, regelt – wenn auch mit Modifikationen durch die in den §§ 4 bis 6 ErbStG aufgeführten Sonderfälle – § 3 ErbStG abschließend.10 Dabei enthält § 3 Abs. 1 ErbStG Grundfälle und § 3 Abs. 2 ErbStG Ersatz- und Ergänzungstatbestände. Dies hat zur Folge, dass andere durch den Erbfall ausgelöste Besteuerungstatbestände nicht der Erbschaftsteuer unterliegen.

9

Vgl. BMF v. 26.08.2002, IV C 3-S-2255-420/02, BStBl. I 2002, S. 893, Tz. 2 und BFH v. 05.07.1990, GrS-4-6/89, BStBl. II 1990, S. 847.

10

Vgl. BFH v. 06.03.1991, II-R-69/87, BStBl. II 1991, S. 412.

Steuerpflicht

169

Der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgeführte erste Grundtatbestand des Erwerbs von Todes wegen setzt sich aus vier einzelnen Tatbeständen zusammen, die nachfolgend unabhängig voneinander betrachtet werden: x Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), x Erwerb aufgrund Erbersatzanspruchs, x Erwerb durch Vermächtniss (§§ 2147 ff. BGB), x Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB).

Tatbestände des § 3 ErbStG

Grundtatbestände

Ergänzungstatbestände

§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Erwerb: - durch Erbanfall - auf Grund Erbersatzanspruchs - durch Vermächtnis - auf Grund geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG Vermögensübergang auf eine Stiftung

§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall

§ 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG Erwerb infolge einer Zuwendung

§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Sonstige Erwerbe § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter

§ 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG Erwerb infolge Vollziehung einer Auflage oder Eintritt einer Bedingung

§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG Abfindung bei Verzicht auf Erwerbe von Todes wegen § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG Abfindung für noch unwirksame aber nicht mehr ausschlagbare Vermächtnisse § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG Entgelt für die Übertragung der Anwartschaft eines Nacherben § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG Herausgabeanspruch des Vertragserben

Abbildung 84: Tatbestände des § 3 ErbStG

170

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Erbschaftsteuerfreier Erbvorgang Günther Dahlmann ist langjähriges Mitglied des Golfclubs „Grüner Platz“. Kurz vor seinem Tod teilt er den Mitgliedern des Golfclubs mit, dass sein Freund Bernhard Kurzer, nach seinem Tod sowohl Anrecht auf seinen ihm eingeräumten Parkplatz am Golfplatz als auch auf seinen Stammplatz im Golfrestaurant hat. Der Erwerb persönlicher Rechte durch Bernhard fällt unter keinen Besteuerungstatbestand des § 3 ErbStG. Daher ist die Übernahme des Parkplatzes am Golfplatz und des Stammplatzes im Golfrestaurant auch erbschaftsteuerfrei.

Gleichzeitig grenzt die Regelung des § 3 ErbStG den Erwerb von Todes wegen gegenüber Schenkungen unter Lebenden ab. Während der Erwerb von Todes wegen auf die Übergabe von Vermögen mit dem Tod des Erblassers abstellt („Übergabe mit der kalten Hand“), erfolgt bei der Schenkung unter Lebenden die Zuwendung von Vermögen zu Lebzeiten („Übergabe mit der warmen Hand“). Bei Erwerben von Todes wegen ist auf die zivilrechtliche Eigentümerstellung des Erblassers abzustellen. Eine wirtschaftliche Eigentümerstellung ist dem Erbschaftsteuerrecht fremd.11 Merke: Die Zurechnung der Wirtschaftsgüter zum Eigentümer i.S.d. § 39 AO ist für Fälle der Erbschaft- und Schenkungsteuer irrelevant. Hier ist die zivilrechtliche Eigentümerstellung entscheidend. Bedeutung erlangt diese Sichtweise beispielsweise in Fällen, in denen kurz vor dem Tod des Erblassers ein Grundstück erworben wurde. Die Nutzen und Lasten sind auf den Käufer bereits übergegangen, der Grundbucheintrag erfolgte jedoch noch nicht. Entscheidend für die Zurechnung des Grundstücks zum Nachlass ist gem. R 36 Abs. 1 ErbStR der Übergang des Eigentums nach dem zivilgesetzlichen Eigentumsbegriff. Nicht maßgeblich ist hingegen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, insbesondere nicht der Zeitpunkt des Übergangs des Besitz- und Lastenwechsels. Da gem. Zivilrecht (§ 873 BGB) das Eigentum erst mit der Eintragung in das Grundbuch auf den Erwerber übergeht, fällt nur der Sachleistungsanspruch dem Erwerber zu, nicht aber das Grundstück selbst. Das heißt, bis zur Eintragung in das Grundbuch obliegt dem Käufer und damit seinen Erben, nur ein Anspruch auf das Grundstück.

11

Vgl. BFH v. 10.11.1982, II-R-111/80, BStBl. II 1983, S. 116 und v. 15.10.1997, II-R-68/95, BStBl. II 1997, S. 820.

Steuerpflicht

171

Hauserwerb kurz vor Tod des Erblassers

zum Todeszeitpunkt noch keine Grundbucheintragung

noch nicht vollständig erfüllter Grundstückskaufvertrag

gem. Zivilrecht (§ 873 BGB) Eigentumsübergang erst mit Eintragung ins Grundbuch

lediglich Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (bis zur Grundbucheintragung)

Abbildung 85: Noch nicht vollständig erfüllte Grundstückskaufverträge Fälle in denen es an einem vollständig erfüllten Grundstückskaufvertrag mangelt, lassen sich – auch in Klausuren – am besten mit einem Zeitstrahl darstellen. Hauserwerb durch Erblasser

Tod des Erblassers

Eintragung ins Grundbuch

lediglich Anspruch auf Übereignung des Grundstücks

Zeit

Abbildung 86: Zeitstrahl für „noch nicht vollständig erfüllte“ Grundstückskaufverträge

172

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuerrecht Kurz vor seinem Tod am 22.08.01 hat Peter Kienbaum eine Eigentumswohnung in München käuflich erworben. Der durch einen Notar beurkundete Kaufvertrag über einen Kaufpreis i.H.v. 250.000 € ist auf den 01.07.01 datiert. Peter hat am 15.08.01 200.000 € vereinbarungsgemäß gezahlt. Die restlichen 50.000 € werden erst mit Eintragung in das Grundbuch fällig. Hauserwerb durch Peter

Tod des Peter

Eintragung ins Grundbuch

Zahlung von 200.000 €

01.07.01

15.08.01 22.08.01

Zeit

lediglich Anspruch auf Übereignung des Grundstücks geht auf die Erben über

Da Peter zum Zeitpunkt seines Todes nicht in das Grundbuch eingetragen war, liegt ein im Erbfall noch nicht vollständig erfüllter Grundstückskaufvertrag vor. Gem. R 36 ErbStR gilt bei im Erbfall noch nicht vollständig erfüllten Grundstückskaufverträgen die Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuerrecht. Somit ist der Übergang des Eigentums nach dem zivilrechtlichen Eigentumsbegriff für die Zurechnung der Wohnung zum Nachlass entscheidend. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht maßgeblich. Insbesondere ist nicht auf den Zeitpunkt des Übergangs des Besitz- und Lastenwechsels abzustellen. Gem. § 873 BGB fällt die Wohnung Peter erst mit der Eintragung in das Grundbuch zu. Da der Grundbucheintrag erst nach dem Tod des Peter erfolgt, geht lediglich der Anspruch auf Übereignung der Wohnung auf die Erben über. Der Anspruch ist gem. R 36 Abs. 2 Satz 4 ErbStR nicht mit dem Steuerwert der Wohnung anzusetzen, sondern gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG mit dem gemeinen Wert, d.h. dem Wert, der bei Veräußerung erzielt werden könnte. Dieser Wert umfasst weder Maklerprovision noch Grunderwerbsteuer. Die Restkaufpreisschuld ist nicht abzuziehen. Daher ist der Sachleistungsanspruch mit 250.000 € anzusetzen.

Steuerpflicht

173

Beispiel

Merke: Das Zivilrecht ist maßgeblich für das Erbschaftsteuerrecht (R 36 ErbStR). Wirtschaftliches Eigentum ist irrelevant. Hitch Hitchens kauft ein Einfamilienhaus in München und begleicht den Kaufpreis am 12.01.2005. Da noch einige Renovierungsarbeiten vorgenommen werden müssen, will Hitch das Haus erst am 24.02.2005 beziehen. Zur Eintragung ins Grundbuch kommt es am 27.03.2005. Hitch erlebt die Eintragung allerdings nicht mehr, da er bereits am 10.03.2005 verstirbt.

Begleichung des Kaufpreis

Eintragung ins Grundbuch t

zivilrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Grundstücks

zivilrechtliches Eigentum am Grundstück

Gemeiner Wert § 9 BewG

Grundstückswert §§ 138 ff. BewG

Lösung

Abbildung 87: Ansprüche beim Kauf eines Grundstücks Die Erbschaftsteuer entsteht mit dem Vermögensübergang des Erblassers Hitch auf seine Erben am 10.03.2005. Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer im Todesfall bildet das Vermögen, woran Hitch zivilrechtliches Eigentum hält. Das wirtschaftliche Eigentum, welches er mit dem Bezug des Einfamilienhauses am 24.02.2005 begründet, ist unbeachtlich. Zivilrechtliches Eigentum am Grundstück erlangt Hitch mit der Eintragung ins Grundbuch. Da zum Zeitpunkt des Todes die Eintragung noch nicht vollzogen war, Hitch aber den Kaufpreis für das Einfamilienhaus bereits gezahlt hat, steht im ein Anspruch auf Übertragung des Grundstücks zu. Diese Forderung ist mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG zu bewerten. Wäre Hitch nach der Eintragung ins Grundbuch gestorben, wäre er zivilrechtlicher Eigentümer des Hauses gewesen. Somit wäre das Haus mit dem (üblicherweise niedrigeren) Grundstückswert für ein bebautes Grundstück (§§ 138 ff. BewG) zu bewerten gewesen.

4.1.1.1 Erwerb durch Erbanfall – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG knüpft mit dem Tatbestand des Erwerbs durch Erbanfall an die zivile Rechtslage des § 1922 BGB an. Es kommt hier stets „von selbst“ zum Erwerb von

174

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Vermögen, ohne das eine Erwerbshandlung des Erwerbers vorausgegangen ist (sog. erbrechtlich bedingter Übergang von Vermögen). Im Erbfall gehen alle Rechte und Pflichten in einem Akt (uno actu) auf den Erben über (Gesamtrechtsnachfolge = Universalsukzession)12. Dies schließt sämtliche vermögensrechtlichen Positionen (positive und negative Vermögensgegenstände) des Erblassers ein. Trotz Gesamtrechtsnachfolge ist es dem Erben allerdings nicht möglich, in die persönlichen Rechte des Erblassers einzutreten. Ebenfalls nicht möglich ist die Beschränkung einer Erbschaft auf die positiven Vermögensgegenstände bei gleichzeitiger Ablehnung der negativen Vermögensgegenstände. Häufig wird daher der Erbe eine Erbschaft nur annehmen, falls die Summe aus positiven und negativen Vermögenswerten ihn tatsächlich bereichert. Andernfalls hat er die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen.

Beispiel

Merke: Mit der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) (Universalsukzession) gehen sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassens in einem Akt (uno actu) auf den Erben über.

Gesamtrechtsnachfolge Dipl.-Kffr. StB Dr. Christina Maier verstirbt aufgrund einer schweren Krankheit und hinterlässt ein Aktienpaket im Wert von 150.000 € und Bankverbindlichkeiten i.H.v. 50.000 €. Einziger Erbe ist ihr Sohn Dipl.-Kfm. Gerd Maier. Da Gerd einziger Erbe ist, kommt es „von selbst“ zum Erwerb von Vermögen. Gerd tritt durch Universalsukzession in einem Akt in sämtliche Rechte und Pflichten seiner Mutter ein. Demnach übernimmt er das Aktienpaket, muss jedoch auch die Schulden übernehmen. Gerd ist allerdings nicht berechtigt, den Doktor oder den StB-Titel zu führen.

Unbeachtlich für den Erwerb durch Erbanfall ist, ob der Erwerb auf gesetzlicher (§§ 1924 ff. BGB) oder gewillkürter Erbfolge (Testament gem. §§ 1937, 2064 ff. BGB, Erbvertrag gem. §§ 1941, 2274 ff. BGB) beruht, wobei die gewillkürte Erbfolge immer Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge hat. Ist das Testament oder der Erbvertrag formnichtig, so ist dies gem. § 41 AO für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäftes gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Das heißt: § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist anwendbar.13

12

Der Gesamtrechtsnachfolger tritt durch Universalsukzession materiell- und verfahrensrechtlich voll in die Rechtsstellung seines Rechtsvorgängers ein. Er setzt die Person seines Rechtsvorgängers fort. Vgl. BFH v. 21.03.1969, VI-R-208/67, BStBl. II 1969, S. 520.

13

Vgl. BFH v. 02.12.1969, II-120/64, BStBl. II 1970, S. 119.

Steuerpflicht

175

Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)

aufgrund gesetzlicher Erbfolge

aufgrund gewillkürter Erbfolge

Testament Erbvertrag (§§ 1937, 2064 ff. BGB) (§§ 1941, 2274 ff. BGB)

Abbildung 88: Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 1922 BGB Erwerber aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge kann gem. § 1923 BGB nur werden, wer: x zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gelebt hat (§ 1923 Abs. 1 BGB) oder x zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits gezeugt war (§ 1923 Abs. 2 BGB).

4.1.1.2 Erwerb auf Grund Erbersatzanspruchs – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ErbStG Nichteheliche Kinder mit Geburtsdatum nach dem 01.07.1949 sind seit dem 01.04.1998 ehelichen Kindern gleichgestellt und demnach voll berechtigte gesetzliche Erben. Nichtehelichen Kindern wurde davor im Gegensatz zu ehelichen Kindern beim Tode des Vaters kein gleichwertiges Erbrecht eingeräumt, sondern ein Erbersatzanspruch – ein auf Geld gerichtetes Forderungsrecht gegen den Erben – in Höhe des Wertes des gesetzlichen Erbteils gewährt. Diese Benachteiligung wurde durch Streichung der §§ 1934 Bst. a bis 1934 Bst. e BGB durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16.12.199714 mit Wirkung vom 01.04.1998 aufgehoben. Gem. Art. 224 Erbrechtsgleichstellungsgesetz findet die Regelung nur noch Anwendung, wenn der Erblasser vor dem 01.04.1998 verstorben ist. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – Erwerb aufgrund eines Erbersatzanspruchs – ist demzufolge nur noch für Altfälle maßgeblich.15

14

Vgl. Art. 8 Erbrechtsgleichstellungsgesetz v. 16.12.1997, BGBl. I 1997, S. 2968.

15

Vgl. Erlass FinMin Baden-Württemberg v. 20.02.1998, 3-S-3802/16, in: DB 1998, S. 498.

176

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Erwerb auf Grund Erbersatzanspruch I Helmut Lackmeier ist am 30.04.1995 gestorben und hat seine Frau Maria und den gemeinsamen nichtehelichen Sohn Tobias, der am dem 8.7.1976 geboren wurde, hinterlassen.

Beispiel

Da der nichteheliche Sohn Tobias zu diesem Zeitpunkt einem ehelichen Kind noch nicht gleichgestellt war, hatte er lediglich Anspruch auf einen Erbersatzanspruch gegen seine Mutter Maria. Dieser Erbersatzanspruch war nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erbschaftsteuerpflichtig. Erwerb auf Grund Erbersatzanspruch II Helmut Lackmeier ist am 30.04.2000 gestorben und hat seine Frau Maria und seinen nichtehelichen Sohn Tobias, der am dem 8.7.1976 geboren wurde, hinterlassen.

Beispiel

Durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16.12.1997 wurden nichteheliche Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. Daher war Tobias Erbe seines Vaters Helmut und hatte den Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – Erwerb durch Erbanfall – der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Erwerb auf Grund Erbersatzanspruch III Der nichteheliche Holger, der am 20.5.1975 geboren wurde, ist am 27.05.1995 sehr jung gestorben und hat lediglich seine Mutter und seinen Vater hinterlassen. Da der Vater nicht der Erzeuger von Helmut war, wurde dieser auch kein Erbe. Der Vater erhielt lediglich einen Erbersatzanspruch und musste diesen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer unterwerfen.

4.1.1.3 Erwerb durch Vermächtnis – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG normiert den Erwerb durch Vermächtnis, also den Zuspruch von Vermögen an Nichterben aufgrund letztwilliger Anordnung des Erblassers. Das Vermächtnis kann mittels Testament oder Erbvertrag angeordnet sein. Die vom Vermächtnis erfassten Vermögensgegenstände gelangen in den Nachlass des Erblassers und gehen daher durch die Erbfolge zunächst auf den Erben über. Zur Erfüllung des Vermächtnisses bedarf es der gesonderten Übertragung der Gegenstände durch den Erben (Beschwerter gem. § 2147 BGB) auf den Begünstigten. Dem Vermächtnisnehmer wird ein Vermögensvorteil zugewendet, ohne als Erbe eingesetzt worden zu sein. Er ist nicht direkt am Nachlass beteiligt, sondern hat auf Grund des Vermächtnisses Anspruch auf Herausgabe des Vermächtnisgegenstandes gegenüber dem bzw. den Erben. Die Forderung entsteht mit

Steuerpflicht

177

Eintritt des Erbfalls (§ 2176 BGB), sofern sie nicht vom Begünstigten ausgeschlagen wurde oder im Testament oder Erbvertrag etwas anderes bestimmt ist. Das Vermächtnis ist beim Vermächtnisnehmer mit dem Wert anzusetzen, mit dem der Gegenstand anzusetzen wäre, befände er sich im Nachlass. Daher erfolgt der Ansatz mit dem erbschaftsteuerlichen Wert. Die entstandene Vermögensmehrung unterliegt der Erbschaftsteuer. Der Vermächtnisanspruch hat den Charakter eines einseitigen Sachleistungsanspruchs, den der Erbe erfüllen muss. Erbschaftsteuerlich nicht maßgeblich ist dabei, wie der Vermächtnisanspruch getilgt wird.16 Die daraus resultierende Verbindlichkeit kann vom Erben gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Erbfallschuld abgezogen werden, so dass der gesamte Rechtsvorgang in der Gesamtbetrachtung keine erbschaftsteuerliche Auswirkung beim Erben begründet.

Testament

Erbvertrag Anordnung des Erblassers Vermächtnis Zugesprochene Gegenstände fallen in den Nachlass Erbe Erbe hat Verpflichtung zur Erfüllung

Begünstigter hat Anspruch auf Erfüllung Begünstigter Begünstigter ist kein direkter Erbe

Begünstigter ist kein direkter Erbe

Abbildung 89: Erwerb durch Vermächtnis Zum Vermächtnis kann alles bestimmt werden, was Gegenstand einer Leistung aus einem Schuldverhältnis sein kann. Dazu zählen: x Geldvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer hat Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme,

16

Vgl. BFH v. 21.06.1995, II-R-62/93, BStBl. II 1995, S. 783.

178

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG x x x x x x

Nießbrauchsvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer hat ein Nießbrauchsrecht an einem Wirtschaftsgut des Nachlasses, Vorausvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer hat neben seinem Erbteil Anspruch auf ein Wirtschaftsgut aus dem Nachlass, Sachvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer hat Anspruch auf ein Wirtschaftsgut aus dem Nachlass, Rentenvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer hat Anspruch auf Rentenzahlungen, Kaufrechtsvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer erhält das Recht, einen Nachlassgegenstand zu kaufen (meist günstiger), Verschaffungsvermächtnisse: der Vermächtnisnehmer hat Anspruch auf einen Gegenstand der nicht zum Nachlass gehört. Der Gegenstand ist durch den Beschwerten erst zu beschaffen und dann dem Begünstigten das Eigentum daran zu verschaffen.

Erblasser Vermächtnisgegenstand fällt dem Erben zu

Erbe

Übertragung des Anspruchs

Zurechnung des Vermächtnisgegenstandes rechtliche Behandlung

wirtschaftliche Behandlung

Vermächtnisgegenstand geht nicht direkt über Begünstigter Versteuerung des Vermächtnisgegenstandes

Vermächtnisverbindlichkeit als Erbfallschuld abziehbar (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG)

keine erbschaftsteuerliche Auswirkung des Rechtsvorgangs

Abbildung 90: Steuerliche Auswirkung eines Vermächtnisses

erbschaftsteuerpflichtig (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)

Beispiel

Steuerpflicht

179

Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses Der verwitwete Familienvater Bruno Koslowski hat durch Testament bestimmt, dass seine langjährige Haushälterin Erna Schabulski 50.000 € von seinem Vermögen (600.000 €) erhalten soll. Der verbleibende Nachlass unterliegt der gesetzlichen Erbfolge. Da Bruno vier Kinder hat, sind diese zu je einem Viertel gesetzliche Erben. Die Erben haben das ihren Vermögenszuwachs (600.000 €) mindernde Vermächtnis i.H.v. 50.000 € gegenüber der Haushälterin zu realisieren. Daraus ergibt sich für die Haushälterin Erna eine Bereicherung von Todes wegen i.H.v. 50.000 €. Für die Kinder ist der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG als Erwerb durch Erbanfall, für die Haushälterin der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG als Erwerb durch Vermächtnis gegeben. Die Erben können die Vermächtnisschuld i.H.v. 50.000 € als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von ihrem Erbe abziehen. Demnach werden sie nur um 600.000 € ./. 50.000 € = 550.000 € bereichert.

Von den forderungsbezogenen Vermächtnissen (einseitige Sachleistungsansprüche) ist das Kaufrechtsvermächtnis abzugrenzen, da es einen Anspruch auf den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages begründet. Das Kaufrechtsvermächtnis berechtigt den Vermächtnisnehmer, einen Gegenstand aus dem Nachlass (z.B. ein Grundstück), meist zu besonders günstigen Bedingungen, zu erwerben. Da Gegenstand des Vermächtnisses das Erwerbsrecht ist – der Übereignungsanspruch bzw. die Gegenleistungsverbindlichkeit – und nicht der Gegenstand selbst, ergibt sich die Bemessungsgrundlage für den Begünstigten aus dem gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG). Dieser ist grundsätzlich der Wert, um den der Verkehrswert des Gegenstandes, den Wert der zu erbringenden Gegenleistung übersteigt.17

Verkehrswert des Gegenstandes ./. Wert der Gegenleistung (festgelegter Kaufpreis) = Gemeiner Wert des Erwerbsrechtes

Besteuerungsgrundlage

Der Erbe hat das durch Kaufrechtsvermächtnis in den Nachlass gefallene Wirtschaftsgut mit dem Steuerwert zu bewerten (R 92 Abs. 2 Satz 1 ErbStR), kann aber die Vermächtnisverbindlichkeit als Erbfallschuld gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG in Höhe dieses Wertes ansetzen. Dieser Rechtsvorgang wirkt sich beim Erben erbschaftsteuerlich nicht aus. 17

Vgl. Erlass FinMin Baden-Würtemberg v. 26.01.1993, in: DVR 1993, S. 125.

180

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Kaufrechtsvermächtnis Wolfgang Reinhard hat in seinem Testament ein Kaufrechtsvermächtnis zugunsten seines langjährigen Freundes René auf Übernahme eines Grundstücks festgeschrieben. Einzig noch lebende Verwandte ist die Tochter Heike.

Lösung

Verkehrswert des Grundstücks: Steuerwert des Grundstücks: Kaufpreis des René: I.

1.000.000 600.000 500.000

€ € €

Das Kaufrechtsvermächtnis berechtigt René, das Grundstück aus dem Nachlass zu besonders günstigen Bedingungen zu erwerben. René wird dadurch ein Vermögensvorteil zugewendet, ohne als direkter Erbe eingesetzt worden zu sein. Der steuerpflichtige Erwerb des René – das Erwerbsrecht und nicht der Gegenstand selbst – bestimmt sich gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG aus dem Verkehrswert des zu kaufenden Grundstücks, vermindert um den von René zu zahlenden Kaufpreis:

./. =

Verkehrswert des Grundstücks: Kaufpreisverpflichtung: steuerpflichtiger Erwerb

1.000.000 500.000 500.000

€ € €

René hat demzufolge 500.000 € der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. II.

Da Heike einzig noch lebende Verwandte des Wolfgang ist, wird sie Alleinerbin des gesamten Vermögens. Aufgrund des Kaufrechtsvermächtnisses ist sie jedoch verpflichtet, René das Grundstück zum Preis von 500.000 € zu verkaufen. Heike erwirbt zunächst den gesamten Nachlass einschließlich des Grundstücks (Ansatz mit Steuerwert gem. R 92 Abs. 2 Satz 1 ErbStR), kann aber ihre aus dem Vermächtnis entstandenen Kosten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Erbfallschuld abziehen. durch Erbschaft erworbenes Grundstück: + Kaufpreisforderung gegenüber René: ./. Nachlassverbindlichkeit durch Erfüllung des Vermächtnisses (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG): = steuerpflichtiger Erwerb:

600.000 500.000

€ €

1.000.000 + 100.000

€ €

Steuerpflicht

181

Heike hat das durch Vermächtnis in den Nachlass gefallene Wirtschaftsgut mit dem für den Vermächtnisgegenstand maßgeblichen Steuerwert i.H.v. 600.000 € zu versteuern. Alsdann erfolgt der Abzug der Vermächtnisverbindlichkeit i.H.v. 1.000.000 € als Erbfallschuld nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG. Im Ergebnis wirkt sich der Rechtsvorgang bei Heike erbschaftsteuerlich insoweit aus, als das sie lediglich die über die Nachlassverbindlichkeit hinausgehende Summe aus Steuerwert des Grundstücks und Kaufpreisforderung (100.000 €) zu versteuern hat. Ein in anderen Fallkonstruktionen möglicherweise auftretender Schuldenüberhang bei dem Erben kann mit weiteren Nachlasswerten verrechnet werden. Bei nachfolgender Betrachtung des Beispiels wird ersichtlich, dass in der Summe der gesamte Steuerwert i.H.v. 600.000 € (= 500.000 € René + 100.000 € Heike) des Grundstücks der Besteuerung unterliegt. Dies ist vom Gesetzgeber so geregelt, da jeglicher unentgeltlicher Vermögenserwerb dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen soll. Folglich ist es nicht möglich, durch findige Wahl der Höhe des Kaufrechtsvermächtnisses die Erbschaftsteuer zu verringern. Der dem Begünstigten zukommende unentgeltliche Vermögensteil unterliegt ebenso der Erbschaftsteuer (bei ihm selbst), wie der die Nachlassverbindlichkeit übersteigende Gesamtbetrag aus Steuerwert des Grundstücks und Kaufpreisforderung (bei dem Erben). Denkbar ist lediglich die geschickte Ausnutzung der bei den beteiligten Personen vorhandenen Freibeträge.

Verkehrswert des Grundstücks

1.000.000 €

1.000.000 €

1.000.000 €

10.000 €

300.000 €

950.000 €

+ 990.000 €

+ 700.000 €

+ 50.000 €

600.000 €

600.000 €

600.000 €

10.000 €

300.000 €

950.000 €

./. Nachlassverbindlichkeit

1.000.000 €

1.000.000 €

1.000.000 €

= steuerpflichtiger Erwerb/ Schuldenüberhang (Erbe)

./. 390.000 €

./. 100.000 €

+ 550.000 €

600.000 €

600.000 €

600.000 €

./. Kaufpreisverpflichtung = steuerpflichtiger Erwerb (Vermächtnisnehmer) durch Erbschaft erworbenes Grundstück + Kaufpreisforderung gegenüber dem Begünstigten

Ergibt immer den Steuerwert des Grundstücks

Abbildung 91: Unterschiedliche Höhe von Kaufrechtsvermächtnissen

182

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.1.4 Erwerb auf Grund geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs – § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 ErbStG Nach bürgerlichem Recht besitzt der Erblasser unbeschränkte Testierfreiheit (§ 2302 BGB). Danach hat er die Freiheit, letztwillige Verfügungen über sein Vermögen zu treffen. Diese Testierfreiheit ist zugunsten der nächsten Verwandten und des überlebenden Ehegatten von Gesetzes wegen eingeschränkt. Ihnen steht gem. § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils zu, sofern sie von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden. Pflichtteilsberechtigte Personen gem. § 2303 BGB sind: x die Abkömmlinge des Erblassers, x die Eltern des Erblassers, x der Ehegatte des Erblassers. Andere Personen als die in § 2303 BGB Genannten fallen nicht in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Entfernte Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind gem. § 2309 BGB nicht pflichtteilsberechtigt, wenn ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. Voraussetzungen für einen Pflichtteilsanspruch: 9pflichtteilsberechtigte Person gem. § 2303 BGB, 9von gesetzlicher Erbfolge durch Testament oder Erbvertrag ausgeschlossen. Pflichtteilsberechtigte Personen sind keine Erben und daher auch nicht am Nachlass beteiligt. Sie haben lediglich einen erbrechtlich begründeten schuldrechtlichen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch gegen die Erben. Ein Pflichtteil steht den nächsten Verwandten auch zu, wenn sie zwar zum Kreis der durch gewillkürte Erbfolge bestimmten Personen gehören, ihr Erbteil jedoch weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. In derartigen Fällen können sie einen Zusatzpflichtteil bis zur Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils geltend machen. Die Höhe des Geldanspruchs ist erbschaftsteuerlich nach den Bewertungsbestimmungen der §§ 2311 bis 2313 BGB und nicht nach steuerlichen Bewertungsvorschriften zu bestimmen.

Steuerpflicht

183

Gesamter Nachlass des Erblassers Pflichtteil gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB (1/2 des Wertes des gesetzlichen Erbteils)

Anspruch auf Geldzahlung

Abbildung 92: Anteil des Pflichtteils am Gesamtnachlass Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall (§ 2317 BGB), führt allerdings erst zu einem steuerpflichtigen Vorgang, wenn dieser Anspruch „geltend gemacht“ wurde. Mit der Voraussetzung der Geltendmachung des Anspruchs würdigt der Gesetzgeber Gründe, die den Begünstigten im Interesse der Erben oder aus Pietät gegenüber dem Erblasserwillen bewogen haben, von der Einforderung des Anspruchs abzusehen. Ohne die Regelung der Geltendmachung würde auch ein nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch der Erbschaftsteuer unterliegen. Demnach ist kein steuerbarer Tatbestand verwirklicht, solange der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil nicht geltend gemacht hat. Es ist weder möglich, den Begünstigten zu besteuern, noch eine Nachlassschuld i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG bei den Erben abzuziehen. Zur Geltendmachung genügt es, wenn der Anspruchsberechtigte gegenüber den Erben erkennen lässt, dass er seinen Anspruch verfolgt. Merke: Der Pflichtteilsanspruch führt erst zu einem steuerpflichtigen Tatbestand, wenn dieser geltend gemacht wurde.

184

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Erwerb aufgrund Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs Strolch erliegt einer schweren Krankheit und hinterlässt seine von ihm getrennt lebende Ehefrau Susi und zwei Kinder. Durch Testament hat Strolch seine langjährige Pflegerin Annegret als Alleinerbin eingesetzt. Der Ehefrau und den zwei Kindern stehen Pflichtteilsansprüche i.S.d. § 2303 BGB zu, welche die Pflegerin Annegret zu erfüllen hat. Die Kinder machen ihren Pflichtteilsanspruch geltend, die Ehefrau Susi verzichtet jedoch. Die Pflegerin erwirbt von Todes wegen durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Kinder erwerben von Todes wegen aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und zwar in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Ehefrau Susi macht ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend. Bei ihr ist somit kein steuerbarer Tatbestand verwirklicht.

Gem. § 2310 Satz 1 BGB sind bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblichen Erbteils Personen mitzuzählen, die wegen: x Enterbung, x Erbausschlagung oder x Erbunwürdigkeit nicht erben. Nicht mitzuzählen sind nach § 2310 Satz 2 BGB Personen, die: x durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind. Gem. § 2311 Abs. 1 BGB wird zur Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls herangezogen. Der maßgebliche Wert des Nachlasses ergibt sich aus dem Aktivbestand, der in Geld umzurechnen ist, vermindert um den Wert der Passiva. Von diesem Betrag sind Erblasserschulden und Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) abzusetzen. Nicht abzuziehen sind dagegen Verbindlichkeiten (z.B. Vermächtnisse, Auflagen), die den Pflichtteilsberechtigten nicht betreffen. Der Wertberechnung sind die gemeinen Werte zugrunde zu legen. Grundstücke sind demnach mit ihrem Verkehrswert im Zeitpunkt des Erbanfalls anzusetzen. Für die Besteuerung des Pflichtteils ist der Wert des errechneten Pflichtteils zum Zeitpunkt seiner Geltendmachung maßgeblich (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG).

Steuerpflicht

185

Berechnung des Pflichtteils

Besteuerung des Pflichtteils

Zeitpunkt des Erbanfalls ist entscheidend

Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils ist entscheidend

Tod des Erblassers

Geltendmachung des Pflichtteils

Zeit

Beispiel

Abbildung 93: Zeitpunkte der Berechnung und Besteuerung des Pflichtteils Erwerb aufgrund Pflichtteilsanspruch Michael Schneider ist begeisterter Motorradfahrer. In seinem Testament bestimmt er, dass der örtliche Motorradclub „Fahren macht Freude e.V.“ alleiniger Erbe seines Vermögens sein soll. Seinen einzigen Sohn Heinz-Harald schließt er von der Erbfolge aus. Als Michael stirbt, werden folgende Nachlassgegenstände ermittelt: ein Auto: ein Motorrad: sonstige Gegenstände: Bankschulden:

100.000 20.000 10.000 15.000

€ € € €

Lösung

Außerdem fallen Beerdigungskosten i.H.v. 12.000 € an. Der Motorradclub „Fahren macht Freude e.V.“ ist alleiniger Erbe geworden. Die gesetzliche Erbfolge wäre ohne Existenz des Testaments eingetreten und Heinz-Harald hätte als alleiniger Erbe Anspruch auf den gesamten Nachlass. Da Heinz-Harald Abkömmling des Erblassers ist, steht ihm gem. § 2303 BGB ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils des Erbes zu, den er jedoch geltend machen muss. Zur Berechnung des Pflichtteils wird der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls herangezogen. Dabei sind die gemeinen Werte zugrunde zu legen. Der Wert des Nachlasses muss in Geld umgerechnet sein, da Heinz-Harald lediglich Anspruch auf eine Geldzahlung hat.

186

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG Auto + Motorrad + sonstige Gegenstände ./. Bankschulden ./. Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) = Wert des Nachlasses

100.000 20.000 10.000 15.000 12.000 103.000

€ € € € € €

Der Pflichtteil des Heinz-Harald beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Anteils, also 51.500 €, welchen der Motorradclub auf Verlangen auszahlen muss. Der Kapitalanspruch des Pflichtteilsberechtigten kann gem. § 364 BGB mit einem Sachwert aus dem Nachlass an Erfüllungs Statt abgefunden werden.18 Wird zur Befriedigung eines Pflichtteilsanspruchs ein Grundstück an Erfüllungs Statt übertragen ist es fraglich, ob bei der Besteuerung der Geldanspruch mit dem Nennwert oder der Grundbesitzwert des Grundstücks heranzuziehen ist. Der BFH hat in älterer Rechtsprechung19 den Grundbesitzwert des Grundstücks zugrunde gelegt und stützte seine Auffassung auf eine Zusammenschau von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Da § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG die Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch selbst zur Besteuerung heranzieht – also das mit dem Grundbesitzwert anzusetzende Grundstück – behandelte der BFH Fälle des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ebenso.

Beispiel

Diese Sichtweise wurde vom BFH aufgegeben. Der Pflichtteilsanspruch ist nach neuerer Rechtsprechung20 auch dann mit dem Nennwert anzusetzen, wenn er durch Übertragung eines Nachlassgrundstücks an Erfüllungs Statt erfüllt wird. Übertragung eines Grundstücks an Erfüllungs Statt Der verwitwete Erblasser Franz bestimmt seinen Sohn Rudi durch Testament zu seinem rechtmäßigen Erben. Sein zweiter Sohn Jürgen wurde nicht bedacht. Franz hinterlässt neben anderen Nachlassgegenständen im Gesamtwert von 900.000 € ein Grundstück (Grundbesitzwert 200.000 €, Verkehrswert 300.000 €). Jürgen macht seinen Pflichtteilsanspruch sofort geltend. Die Geschwister einigen sich darauf, dass zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs das Grundstück an Jürgen übertragen werden soll.

18

Vgl. BFH v. 25.10.1995, II-R-5/92, BStBl. II 1996, S. 97.

19

Vgl. BFH v. 17.02.1982, II-R-160/80, BStBl. II 1982, S. 350; v. 21.06.1989, II-R-135/85, BStBl. II 1989, S. 731.

20

Vgl. BFH v. 07.10.1998, II-R-52/96, BStBl. II 1999, S 23.

Lösung

Steuerpflicht

187

Gem. § 2303 BGB ist Jürgen pflichtteilsberechtigt, da er Abkömmling des Erblassers ist und von der gesetzlichen Erbfolge auf Grund des Testaments ausgeschlossen wurde. Sein Pflichtteilsanspruch ist ein schuldrechtlicher Geldanspruch gegen den Erben Rudi in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, den er geltend gemacht hat. Die Höhe des Geldanspruchs ist auch erbschaftsteuerlich nach den Bewertungsbestimmungen der §§ 2311 bis 2313 BGB, und nicht nach steuerlichen Bewertungsvorschriften zu bestimmen. Jürgens Geldanspruch errechnet sich aus: Nachlassgegenstände: + Grundstück (Verkehrswert): = Nachlasswert

900.000 € 300.000 € 1.200.000 €

½ (zwei gesetzliche Erben) von 1.200.000 € = 600.000 € (gesetzlicher Anspruch); ½ (Hälfte des gesetzlichen Anspruchs) von 600.000 € = 300.000 € (Pflichtteil). Ohne Berücksichtigung der zwischen den Geschwistern getroffenen Vereinbarung hat Jürgen einen Geldanspruch i.H.v. 300.000 € gegen Rudi. Da sich beide auf die Übertragung des Grundstücks an Erfüllung Statt geeinigt haben, ist der Pflichtteilsanspruch erfüllt.

Beispiel

Wird dem Pflichtteilsberechtigten ein Grundstück an Erfüllungs Statt hingegeben, dessen Wert über dem Pflichtteilsanspruch liegt und verpflichtet sich der Pflichtteilsberechtigte zu Leistungen aufgrund des seinen Anspruch übersteigenden Wertes des Grundstücks, so ist nur der Wert des Grundstücks dem Erwerb aufgrund Pflichtteilsanspruch zugrunde zu legen, der für die Abgeltung des Anspruches erforderlich ist. Es gilt die gleiche für gemischte Schenkungen entwickelte Wertermittlungsmethode (ausführliche Erläuterung siehe Kapitel III 4.1.2.3). Übertragung eines über den Pflichtteilsanspruch hinausgehenden Wertes eines Grundstücks Erblasser Franz bestimmt seinen Freund Rudi zu seinem rechtmäßigen Erben. Sein Sohn Jürgen hat Anspruch auf einen Pflichtteil i.H.v. 500.000 €. Daraufhin überträgt Rudi an Jürgen an Erfüllung Statt ein Grundstück, und Jürgen zahlt an Rudi einen Wertausgleich: Steuerwert: Verkehrswert: Wertausgleich: (Verkehrswert ./. Pflichtteilsanspruch)

300.000 € 600.000 € 100.000 €

188

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Lösung

Jürgen hat das Grundstück einerseits aufgrund des von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch i.H.v. 500.000 € und andererseits aufgrund seiner geleisteten Ausgleichszahlung i.H.v. 100.000 € erworben. Der Wert des Grundstücks kann nicht in vollem Umfang der Besteuerung bei Jürgen unterliegen, da dieser nur 500.000 € unentgeltlich erworben hat. Die von Jürgen geleisteten 100.000 € können allerdings nicht in voller Höhe vom steuerlichen Wert des Grundstücks i.H.v. 300.000 € abgezogen werden, da sonst steuermindernde Ausgleichszahlungen zu Verkehrswerten, das steuererhöhende Vermögen aber zu niedrigeren Bedarfswerten anzusetzen wäre. Es kann daher nur eine verhältnismäßige Berücksichtigung der Schuld erfolgen. Da der Steuerwert (300.000 €) im Verhältnis zum Verkehrswert (600.000 €) 50 % beträgt, dürfen auch nur 50 % der Ausgleichszahlung (= 50 % von 100.000 € = 50.000 €) geltend gemacht werden. Jürgen hat demnach (300.000 € ./. 50.000 € =) 250.000 € der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.

Nach Geltendmachung des Pflichtteils unterliegt der gesamte Anspruch der Steuer, auch wenn der Begünstigte seinen Pflichtteil nur ratenweise erhält oder zunächst nur eine Teilleistung fordert. Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG fällt keine Erbschaftsteuer bei Verzicht auf Durchsetzung des rechtmäßigen Pflichtteilsanspruchs an. Wird dem Anspruchsberechtigten für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch eine Abfindung zugewendet, greift für diese Art der Bereicherung der Besteuerungstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.

4.1.1.5 Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall – § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG normiert den Tatbestand des Erwerbs durch Schenkung auf den Todesfall. Sinn und Zweck dieser Regelung, ebenso wie die Vorschriften zur Schenkung unter Lebenden, ist die Verhinderung von Umgehungsgeschäften auf den Todesfall, die auf eine Verringerung der Erbschaftsteuer abzielen. In Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht (§ 2301 BGB) wird erbschaftsteuerlich auf den Zeitpunkt der Vollziehung der Schenkung abgestellt.21 Bei Vollzug der Schenkung vor dem Tod des Schenkers handelt es sich um eine Schenkung unter Lebenden (§ 2301 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 ErbStG). Eine zu Lebzeiten abgeschlossene Schenkung, deren Rechtsfolgen jedoch erst mit dem Tode des Schenkers eintreten, gilt als Erwerb von Todes wegen (§ 2301 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Das heißt, die Schen21

Vgl. BFH v. 05.12.1990, II-R-109/86, BStBl. II 1991, S. 181.

Steuerpflicht

189

kung auf den Todesfall ist ein Schenkungsversprechen mit der Bedingung des Überlebens des Beschenkten gegenüber dem Schenker. Erbschaftsteuerlich sind die unterschiedlichen Rechtsfolgen der Schenkungen von Bedeutung. Während beim Erwerb von Todes wegen die Erbschaftsteuer erst mit dem Erbfall (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) entsteht, ist bei der Schenkung unter Lebenden der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) entscheidend.

Unterscheidung von Schenkungen

Vollzug der Schenkung vor dem Tod des Schenkers

Vollzug der Schenkung mit dem Tod oder nach dem Tod des Schenkers

Schenkung unter Lebenden § 7 ErbStG

Schenkung auf den Todesfall § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

Steuer entsteht im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG)

Steuer entsteht mit dem Erbfall (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)

Abbildung 94: Unterscheidung von Schenkungen Ungeachtet der Zuordnung zu den Erwerben von Todes wegen erfordert die Schenkung auf den Todesfall gem. R 6 ErbStR die Tatbestandsmerkmale einer freigebigen Zuwendung der R 14 ErbStR. Die Grundsätze der Bereicherungsermittlung bei gemischten Schenkungen sowie bei Schenkungen unter Leistungsauflage (R 17 ErbStR) sind jedoch nicht anzuwenden. R 14 ErbStR unterscheidet zwischen steuerlichem und zivilrechtlichem Schenkungsbegriff. Während sich zivilrechtlich gem. § 516 BGB Schenker und Beschenkter über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sein müssen, ist das Tatbestandsmerkmal der Einigkeit steuerlich nicht erforderlich. Eine freigebige Zuwendung i.S.v. R 14 ErbStR setzt lediglich voraus, dass sie unentgeltlich erfolgt und der Empfänger objektiv auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Zuwendende muss diese Unentgeltlichkeit subjektiv gewollt haben.

190

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Tatbestandsmerkmale der freigebigen Zuwendung gem. R 14 ErbStR: 9Unentgeltlichkeit des Erwerbs, 9objektive Bereicherung des Erwerbers, 9Wille zur Unentgeltlichkeit des Zuwendenden.

Beispiel

Der Beschenkte wird nicht selbst Erbe, sondern erwirbt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers lediglich einen Sachleistungsanspruch gegen den Erben. Ist dieser Anspruch nicht auf Geld, sondern auf die Übertragung einer Sache gerichtet, ist – wie beim Sachvermächtnis – der Steuerwert der Sache maßgebend.

Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall Bilbo schließt mit Frodo einen Erbvertrag ab, nach dem Frodo für den Fall, dass er Bilbo überlebt, seinen Siegelring erhalten soll. Es handelt sich um ein Schenkungsversprechen unter der Bedingung, dass Frodo Bilbo überlebt. Gem. § 2301 Abs. 1 BGB ist das Versprechen wie eine Verfügung von Todes wegen zu werten, da die Schenkung erst mit dem Tode Bilbos tatsächlich ausgeführt wird. Die für eine Schenkung auf den Todesfall erforderlichen Tatbestandsmerkmale gem. R 14 ErbStR sind zu prüfen. Frodo erwirbt den Ring unentgeltlich und wird objektiv bereichert. Bilbo hat mit dem Erbvertrag seinen Willen zur unentgeltlichen Übertragung des Ringes bekundet. Die erforderlichen Tatbestandsmerkmale sind erfüllt, so dass bei Frodo ein steuerbarer Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG vorliegt.

Der bedeutendste erbschaftsteuerliche Unterschied zwischen Schenkungen auf den Todesfall und Schenkungen unter Lebenden besteht in der Behandlung der durch den Erwerber übernommenen Verbindlichkeiten: a) Schenkungen auf den Todesfall: x Behandlung als Nachlassverbindlichkeiten, die nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG vom steuerlichen Wert des Erwerbsgegenstandes voll abziehbar sind (R 6 ErbStR), b) Schenkungen unter Lebenden: x Behandlung als gemischte Schenkungen, die zu einer Beschränkung des Schuldenabzugs führen (R 17 Abs. 2 ErbStR). Aus diesem Umstand ist ersichtlich, dass es steuerlich vorteilhafter ist, ein schuldenbehaftetes Wirtschaftsgut durch Schenkung auf den Todesfall zu übertragen als durch Schenkun-

Steuerpflicht

191

gen unter Lebenden. Dies gilt aber nur insoweit, als der Verkehrswert und der Steuerwert des schuldenbehafteten Wirtschaftsgutes auseinander fallen.

Beispiel

Merke: Fallen Verkehrswert und Steuerwert eines schuldenbehafteten Wirtschaftsgutes auseinander, ist es steuerlich vorteilhafter, das Wirtschaftsgut durch Schenkung auf den Todesfall als durch Schenkung unter Lebenden zu übertragen.

Behandlung von Verbindlichkeiten bei einem Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall I. Bilbo schließt mit Frodo einen Erbvertrag ab, nach dem Frodo für den Fall, dass er Bilbo überlebt, seine Eigentumswohnung (Verkehrswert 150.000 €, Steuerwert 100.000 €) erhalten soll. Die Wohnung ist zum Zeitpunkt des Todes mit einer Schuld i.H.v. 50.000 € belastet. Die erbschaftsteuerlichen Folgen sind äquivalent zu denen im vorigen Beispiel. Die Höhe der Schenkung auf den Todesfall beträgt nach vollem Abzug der durch Frodo übernommenen Verbindlichkeit gem. R 6 Satz 3 ErbStR i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG: Steuerwert des Grundstücks ./. Nachlassverbindlichkeit = Bereicherung

100.000 50.000 50.000

€ € €

Somit liegt bei Frodo ein Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) i.H.v. 50.000 € vor (R 6 ErbStR). II.

Nico Niederberger schenkt Jörg Jörgens, seine Eigentumswohnung (Verkehrswert 150.000 €, Steuerwert 100.000 €) zu Lebzeiten. Die Wohnung ist zu diesem Zeitpunkt mit einer Schuld i.H.v. 50.000 € belastet. Die Voraussetzungen für eine Schenkung unter Lebenden sind erfüllt. Der für die Schenkungsteuer maßgebliche Wert der Wohnung ergibt sich nicht wie bei der Schenkung auf den Todesfall durch vollen Abzug der Verbindlichkeit i.H.v. 50.000 €. Bei dieser Schenkung unter Lebenden handelt es sich vielmehr um eine gemischte Schenkung, die zu einer Beschränkung des Schuldenabzugs führt (ausführliche Erläuterung der gemischten Schenkung siehe Kapitel III 4.1.2.3). Im vorliegenden Fall ist der Wert der Wohnung nur in dem Verhältnis der Besteuerung zugrunde zu legen, in dem der Wert der Schenkung (150.000 €) zu der von Jörg übernommenen Verbindlichkeit (50.000 €) steht.

192

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG Also: 2/3 des Steuerwertes (100.000 €) = 66.667 €. Die Besteuerungsgrundlage der Schenkung unter Lebenden i.H.v. 66.667 € ist um 16.667 € höher als bei der Schenkung auf den Todesfall.

Beispiel

Sind Verkehrswert und Steuerwert des Wirtschaftsgutes gleich, ergeben sich für die Schenkung unter Lebenden und die Schenkung auf den Todesfall gleiche Ergebnisse, da bei gemischten Schenkungen der Wert des Wirtschaftsgutes nur in dem Verhältnis der Besteuerung zugrunde liegt, in dem die Schenkung zu der Ausgleichszahlung steht.

Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall Angaben wie im vorangegangenen Beispiel mit dem Unterschied, dass Steuerwert und Verkehrswert der Eigentumswohnung gleich (100.000 €) sind. Der Wert der Wohnung ist in dem Verhältnis der Besteuerung zugrunde zu legen, in dem der Wert der Schenkung (100.000 €) zu der von Jörg übernommenen Verbindlichkeit (50.000 €) steht: 1/2 des Steuerwertes (100.000 €) = 50.000 €. Die Besteuerungsgrundlage der Schenkung unter Lebenden ist gleich der Besteuerungsgrundlage der Schenkung auf den Todesfall.

4.1.1.6 Übergang eines Gesellschaftsanteils durch Tod eines Gesellschafters – § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 ErbStG Wird eine Personengesellschaft bei Tod eines Gesellschafters kraft Gesetzes oder kraft Gesellschaftsvertrags ohne Eintritt eines Erben des Verstorbenen unter den Altgesellschaftern fortgesetzt (sog. Fortsetzungsklausel), entsteht nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ein durch die Erwerbenden zu tilgender Ausgleichsanspruch für den übergehenden Anteil am Gesellschaftsvermögen. Hierbei wird fingiert, dass der Ausgleichsanspruch zunächst dem ausscheidenden Gesellschafter zufällt und dann durch dessen Tod auf die Erben als Geldanspruch übergeht. Ist der Wert der Abfindung, den die Altgesellschafter aufgrund des Anwachsungserwerbs22 den Erben zu zahlen haben, geringer als der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert des 22

Der Anteil des verstorbenen Gesellschafters geht nicht auf die verbleibenden Gesellschafter über, sondern er wächst den Altgesellschaftern an (§ 738 Abs. 1 BGB, § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB).

Steuerpflicht

193

Anteils, gilt die insoweit eintretende Bereicherung der Gesellschafter als Schenkung auf den Todesfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. Dies betrifft sowohl Anteile an einer Personengesellschaft als auch Anteile an einer Kapitalgesellschaft (R 7 Abs. 1 ErbStR). Der Wille zur Unentgeltlichkeit (R 14 ErbStR) seitens des verstorbenen Gesellschafters ist hierbei nicht erforderlich.23 Merke: Als Schenkung auf den Todesfall gilt der Wert der Abfindung, den die Altgesellschafter aufgrund ihres Anwachsungserwerbs den Erben zu zahlen haben, sofern dieser Wert geringer ist als der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG stellt insbesondere auf den Anwachsungserwerb bei Personengesellschaften ab. Die Vorschrift umschließt ebenfalls den Übergang von Gesamthandseigentum in das Alleineigentum eines übernehmenden Gesellschafters im Fall einer zweigliedrigen Personengesellschaft (R 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStR). Der Gesetzestext bezieht den Übergang eines Anteils oder Teils eines Anteils auf die Gesellschaft in den Regelungsbereich ein. Da jedoch eine Personengesellschaft mangels eigener Rechtspersönlichkeit selbst keinen Anteil übernehmen kann, gilt § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG seinem Wortlaut nach auch für Kapitalgesellschaften (R 7 Abs. 1 Satz 2 ErbStR). Merke: § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG gilt auch für Kapitalgesellschaften. Dabei ist gem. R 7 Abs. 3 ErbStR eine Anwachsung auf die verbleibenden Gesellschafter bei Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht möglich, und die Vererblichkeit eines Geschäftsanteils kann nicht durch Gesellschaftsvertrag abbedungen werden (§ 15 GmbHG). Die Regelung betrifft aber bei Kapitalgesellschaften solche gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen, durch die die Erben verpflichtet werden, den durch Erbfall erworbenen Geschäftsanteil auf die Gesellschafter oder die Gesellschaft gegen eine Abfindung zu übertragen, die geringer ist als der sich nach § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG ergebende steuerliche Wert des Anteils (R 7 Abs. 3 ErbStR).

23

Vgl. BFH v. 01.07.1992, II-R-20/90, BStBl. II 1992, S. 912.

194

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

A

B

D 25 %

C

Tod des Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft Übergang des Anteils an: 9 die übrigen Gesellschafter 9 die Kapitalgesellschaft

Steuerwert Wert der Abfindung, die Wert der Abfindung, die Steuerwert = < (§ 12 ErbStG) für Anteil zu zahlen ist für Anteil zu zahlen ist (§ 12 ErbStG)

keine Schenkung auf den Todesfall

Schenkung auf den Todesfall § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, 3 ErbStG, R 7 ErbStR

Abbildung 95: Steuerliche Behandlung beim Übergang eines Gesellschaftsanteils § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG bezieht sich vor allem auf die in vielen Gesellschaftsverträgen vereinbarte sog. Buchwertklausel. Sie bestimmt, dass bei Tod eines Gesellschafters dessen Erben nur eine nach dem Buchwert des Gesellschaftsanteils bemessene Abfindung erhalten, eine Beteiligung an den stillen Reserven also ausgeschlossen ist. Daher erfasst die Vorschrift den Vermögenswert, der sich bei Tod des Gesellschafters dadurch ergibt, dass sein Anteil am Vermögen der Gesellschaft auf die verbleibenden Gesellschafter bzw. die Gesellschaft und nicht auf seine Erben übergeht und die Abfindung, die diese dafür an die Erben zu zahlen haben, geringer ist als der nach § 12 ErbStG zu ermittelnde Steuerwert des Anteils. Folglich unterliegt der Vermögensunterschied zwischen Steuerwert und Buchwert – die stillen Reserven des Geschäftsanteils – der Besteuerung bei den verbleibenden Gesellschaftern bzw. der Gesellschaft.

Steuerpflicht

195

Verkehrswert keine Erfassung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG Steuerwert (Ermittlung nach § 12 ErbStG) Schenkung auf den Todesfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG Abfindung 9 Buchwert bei Buchwertklausel 9 jede andere Abfindung 9 keine Abfindung

Abbildung 96: Höhe der Schenkung auf den Todesfall Merke: Tatsächlich steuerfrei ist bei der Schenkung auf den Todesfall nur die Differenz zwischen Verkehrswert und Steuerwert des Vermögensgegenstandes. Die Differenz zwischen Steuerwert und Abfindung muss hingegen bei den verbleibenden Gesellschaftern bzw. der Gesellschaft versteuert werden. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG ist auch auf alle anderen Fälle einer Abfindung unter Steuerwerten anzuwenden. Dies gilt selbst dann, wenn eine Abfindung gänzlich ausgeschlossen ist. Ein steuerpflichtiger Vorgang ist demzufolge nicht verwirklicht, sofern der Gesellschaftsvertrag eine Abfindung der Erben in Höhe des Steuerwertes vorsieht. Da der nach § 12 ErbStG zu ermittelnde Steuerwert eines Anteils oder Teils eines Anteils häufig unter seinem Verkehrswert liegt, – vor allem wenn im Gesellschaftsvermögen Grundstücke vorhanden sind – die Vorschrift jedoch nur den Vermögensunterschied zwischen Steuerwert und Abfindung erfasst, sind Geschäftsanteile mit hohen Verkehrswerten steuerlich begünstigt.

196

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Erwerb aufgrund einer Schenkung auf den Todesfall – Tod eines Gesellschafters Im Gesellschaftsvertrag der „Fanta Vier OHG“ mit den Gesellschaftern Christoph, Franz, Matthias und Steffen ist vereinbart, dass nach dem Tod eines Gesellschafters die OHG unter den übrigen Gesellschaftern fortgeführt werden soll (Fortsetzungsklausel § 736 BGB, § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB). Den Erben des Verstorbenen soll eine Abfindung in Höhe des Buchwertes (Buchwertklausel) des Kapitalkontos zukommen. Franz stirbt durch einen Autounfall, Alleinerbin ist seine Frau Verena. Vermögen zum Zeitpunkt des Todes des Franz:

Lösung

Buchwert des Anteils: Steuerwert des Anteils:

600.000 900.000

€ €

I.

Verena ist Alleinerbin und erwirbt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ihr Abfindungsanspruch i.H.v. 600.000 € (Buchwertklausel) fällt in seiner gesamten Höhe in ihren Nachlass und gehört zum steuerpflichtigen Erwerb.

II.

Da die OHG gem. gesellschaftsvertraglicher Regelung fortgeführt wird (Fortsetzungsklausel), scheidet Franz zum Zeitpunkt des Todes aus der Gesellschaft aus, und die „Fanta Vier OHG“ wird durch die übrigen Gesellschafter fortgeführt. Der Gesellschaftsanteil des Verstorbenen wächst den verbleibenden Gesellschaftern an (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Abfindungsanspruch (§§ 105 Abs. 2 HGB, 738 Abs. 1 Satz 2 BGB) des ausscheidenden Gesellschafters Franz steht der Alleinerbin Verena zu und bemisst sich nach der Regelung des Gesellschaftsvertrages24, hier 600.000 € (Buchwertklausel). Der Steuerwert des Anteils beträgt gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. BewG jedoch 900.000 €. Der Steuerwert des Anteils, den die Altgesellschafter erhalten, übersteigt somit die von ihnen an Verena zu zahlende Abfindung. Steuerwert des Gesellschaftsanteils ./. an Verena zu zahlende Abfindung = Bereicherung der Gesellschafter

900.000 600.000 300.000

€ € €

Der Erwerb der verbleibenden Gesellschafter Christoph, Matthias und Steffen beträgt 300.000 €. Jeder Gesellschafter ist objektiv um 100.000 € bereichert. Diese Bereicherung unterliegt als Schenkung auf den Todesfall gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG der Erbschaftsteuer.

24

Vgl. BGH v. 22.11.1956, II-ZR-222/55, BGHZ 22, S. 186 ff.

Steuerpflicht

197

Gesamtwert des Anteils

nicht erfasste stille Reserven

steuerfrei

Bereicherung

zu versteuern beim Gesellschafter bzw. bei der Gesellschaft

Abfindung

zu versteuern beim Erben

Abbildung 97: Besteuerung der Anteile der Schenkung auf den Todesfall

4.1.1.7 Vermächtnisgleicher Erwerb – § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG umfasst alle sonstigen Erwerbe, auf die die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung finden. Unter § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG fallen: x der Voraus des Ehegatten gem. § 1932 BGB: Recht des überlebenden Ehegatten, die zum Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke ohne Anrechnung auf den Erbteil im Voraus zu übernehmen (Beachtung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a und b ErbStG: Steuerfreiheit von Hausrat und anderen beweglichen körperlichen Gegenständen), x der Dreißigste gem. § 1969 BGB: Anspruch der Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstand gehörten und von ihm Unterhalt bezogen haben, auf Unterhalt und Weiterbenutzung der Wohnung und des Hausrates in den ersten dreißig Tagen nach Eintritt des Erbfalls (gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerfrei), x der Anspruch aus einer letztwilligen Verfügung im Bereich der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1514 BGB), x der Anspruch der Stiefkinder bzw. ihrer Abkömmlinge auf Ausbildungskosten nach § 1371 Abs. 4 BGB.

198

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.1.8 Erwerb auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages – § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG Der Erblasser kann durch einen zu Lebzeiten abgeschlossenen Vertrag bestimmen, dass nach seinem Tod eine bestimmte Leistung an eine dritte Person zu erbringen ist. Wird der bezugsberechtigte Dritte direkt in dem Vertrag genannt, entsteht sein Anspruch gem. §§ 328 ff. BGB unmittelbar mit dem Erbfall, und er ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig. Zivilrechtlich werden solche Verträge zugunsten Dritter als vor dem Tod vollzogene Schenkungen behandelt. Demgegenüber wird erbschaftsteuerlich von Erwerben von Todes wegen gesprochen. Diese unterschiedliche Behandlung hat zur Folge, dass Verträge zugunsten Dritter, in denen ein Begünstigter direkt genannt wird, nicht in den Nachlass des Erblassers fallen. Der Erblasser hat den Anspruch auf die Leistung bereits zu Lebzeiten dem Nachlass entzogen. Der Begünstigte erhält die vertragliche Leistung demnach nicht aus dem Nachlass, sondern erwirbt unmittelbar in eigener Person. Er ist, unabhängig davon, ob es sich um einen Anspruch auf eine einmalige Leistung oder um einen Anspruch auf eine wiederkehrende Leistung handelt, aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bereichert und daher gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erbschaftsteuerpflichtig. Merke: Verträge zugunsten Dritter, in denen ein Begünstigter direkt genannt wird, fallen nicht in den Nachlass des Erblassers. Dies hat zur Folge, dass die Leistung schon zu Lebzeiten dem Nachlass entzogen ist und der Begünstigte unmittelbar in eigener Person erwirbt. Dieser Erwerb unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Wird demgegenüber vom Erblasser zu Lebzeiten ein Vertrag abgeschlossen, der keinen Bezugsberechtigten benennt, fällt der Vertrag wie jedes andere Wirtschaftsgut in den Nachlass des Erblassers und folgt der gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge.

Steuerpflicht

199

Abgeschlossener Vertrag

direkter Begünstigter genannt 9 Leistung fällt nicht in den Nachlass 9 Begünstigter ist steuerpflichtig gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

kein direkter Begünstigter genannt 9 Leistung fällt in den Nachlass 9 Erwerber ist steuerpflichtig gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

Abbildung 98: Erwerb aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages

Beispiel

Verträge zugunsten Dritter können in jeglicher Form geschlossen werden. Beispiele dafür sind: x Lebensversicherung oder Leibrente, bei der eine bestimmte Person bezugsberechtigt sein soll (R 9 ErbStR), x Vereinbarungen mit einer Bank oder Bausparkasse, dass nach dem Tod der Begünstigte eine Spareinlage oder ein Bausparguthaben erhalten soll (R 10 ErbStR).

Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter Sandra hatte zehn Jahre vor ihrem Tod mit einem Versicherungsunternehmen einen Lebensversicherungsvertrag auf den Todesfall abgeschlossen. Ihr Mann Peter ist Alleinerbe. I. II.

Lösung

III. IV.

I.

Sandras langjährige Freundin Nicole ist in dem Versicherungsvertrag als Begünstigte eingetragen. Sandra hat keine bezugsberechtigte Person in dem Versicherungsvertrag angegeben. Sandra hat ihren Mann Peter als bezugsberechtigte Person angegeben. Sandra hat ihren Mann Peter als bezugsberechtigte Person angegeben, lässt sich jedoch von ihm scheiden und heiratet Heinz. Sandra hat den Anspruch auf die Leistung bereits zu Lebzeiten dem Nachlass entzogen und Nicole begünstigt. Da Nicole direkt als Bezugsberechtigte in dem Vertrag genannt wird, entsteht ihr Anspruch gem. §§ 328 ff. BGB unmittelbar mit dem Tod Sandras. Nicole ist durch die Versicherungsleistung bereichert und hat die Versicherungssumme nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Erwerb von Todes wegen zu versteuern.

200

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG II.

Sandra hat keine Person im Versicherungsvertrag angegeben. Folglich fällt die Versicherungssumme in den Nachlass und ihr Mann Peter erwirbt diese als Alleinerbe. Peter hat den Erwerb aufgrund seiner erbrechtlichen Stellung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern.

III.

Die Versicherungssumme ist dem Nachlass entzogen, da Sandra ihren Mann als bezugsberechtigte Person angegeben hat. Peter hat den Erwerb aus dem Versicherungsvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu versteuern. Daneben ist Peter mit seinem restlichen Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtig.

IV.

Die Versicherungssumme ist dem Nachlass entzogen, da Sandra ihren früheren Mann Peter als bezugsberechtigte Person angegeben hatte. Nach ihrer Scheidung wurde die bezugsberechtigte Person in dem Versicherungsvertrag durch sie nicht geändert. Da der Versicherungsvertrag ein zivilrechtlicher Vertrag ist, bleibt Peter trotz der Scheidung weiterhin Bezugsberechtigter. Er hat also den Erwerb aus dem Versicherungsvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu versteuern. Um einen solchen Fall zu vermeiden, ist es ratsam, als erbberechtigte Person den Ehegatten, mit dem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Todes in gültiger Ehe verheiratet ist, einzusetzen. Mit dieser Formulierung wäre Heinz Bezugsberechtigter des Versicherungsvertrages.

Für Ehegatten ist es erbschaftsteuerlich von Vorteil, eine sog. verbundene Lebensversicherung – eine Versicherung auf das Leben des zuerst versterbenden Versicherungsnehmers (R 9 Abs. 1 Satz 3 ErbStR) – abzuschließen. Der überlebende Ehegatte erhält bei Tod seines Partners den einen Teil der Versicherungssumme erbschaftsteuerfrei, da er selbst Versicherungsnehmer ist, und den verbleibenden Teil der Versicherungssumme erbschaftsteuerpflichtig, da er insoweit bereichert wurde. Bei Ehegatten ist wegen: x der engen persönlichen Bindung untereinander und x aufgrund gleichberechtigter Interessen grundsätzlich von einer im Innenverhältnis vereinbarten hälftigen Zahlungsverpflichtung auszugehen (R 9 Abs. 3 ErbStR). Diese Verpflichtung schlägt sich gem. R 9 Abs. 2 Satz 4 ErbStR auch auf die Leistung nieder. Das heißt, jeder Ehegatte hat die Hälfte des Versicherungsanspruchs in eigener Person verwirklicht. Im Ergebnis fällt also nur die Hälfte der Versicherungsleistung unter § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (R 9 Abs. 2 und 3 ErbStR). Die zweite Hälfte erhält der Ehegatte in seiner Eigenschaft als Versicherungsnehmer. Eine Vertragskonstruktion i.S.d. verbundenen Lebensversicherung ist nicht auf Eheleute beschränkt (R 9 Abs. 1 Satz 3 ErbStR). Vielmehr gilt neben den Privatvereinbarungen das allgemeine bürgerliche Recht. Die Vertragspartner haften gesamtschuldnerisch für die Ver-

Steuerpflicht

201

Beispiel

sicherungsprämie (§ 427 BGB), haben aber auch anteilig – entsprechend ihrem Anteil an dem Versicherungsvertrag – Anspruch auf Erfüllung in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmer (R 9 Abs. 2 ErbStR).

Verbundene Lebensversicherung Die Eheleute Sandra und Peter haben vor Jahren eine Versicherung auf das Leben des zuerst versterbenden Partners i.H.v. 100.000 € abgeschlossen (verbundene Lebensversicherung – R 9 Abs. 1 Satz 3 ErbStR). Sandra stirbt aufgrund natürlichen Todes, Peter wird Alleinerbe. Mit dem Tod von Sandra zahlt die Versicherung die Versicherungssumme aus. Peter erhält einen Anteil i.H.v. 50.000 € erbschaftsteuerfrei, da er zu 50 % in eigener Person anteilsberechtigt an dem Vertrag ist. Die verbleibenden 50 % der Versicherungssumme i.H.v. 50.000 € fallen in den Nachlass Sandras und sind von Peter – er ist Alleinerbe – der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.

Von den nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erbschaftsteuerpflichtigen Verträgen zugunsten Dritter sind kraft Gesetzes entstehende Versorgungsansprüche Hinterbliebener abzugrenzen. Diese Versorgungsansprüche unterliegen gem. R 8 Abs. 1 Satz 1 ErbStR nicht der Erbschaftsteuer. Hinterbliebene i.S.d. R 8 Abs. 1 Satz 2 ErbStR sind dabei: x der rechtsgültig verheiratete Ehegatte, x die Kinder des Erblassers. Merke: Kraft Gesetzes entstehende Versorgungsansprüche unterliegen nicht dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (R 8 Abs. 1 Satz 1 ErbStR).

202

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Steuerfreie Versorgungsansprüche Hinterbliebener Arbeiter und Angestellte 9 Hinterbliebenenrenten und Versorgungsbezüge der Sozialversicherung 9 Versorgungsbezüge aus Tarifverträgen, Betriebsordnungen, Betriebsvereinbarungen

Angehörige freier Berufe 9 Versorgungsbezüge aus einer berufsständischen Pflegeversicherung mit Zwangsmitgliedschaft

Beamte 9 Gesetzliche Versorgungsbezüge nach Beamtengesetz

Abgeordnete 9 Versorgungsbezüge nach Diätengesetz

Soldaten 9 gesetzliche Versorgungsansprüche.

Abbildung 99: Steuerfreie Versorgungsansprüche gem. R 8 ErbStR Soweit steuerfreie Versorgungsbezüge vorliegen, kürzt der Kapitalwert dieser Rente den Versorgungsfreibetrag für Ehegatten (§ 17 Abs. 1 ErbStG) und den Versorgungsfreibetrag für Kinder bis zum vollendeten 27. Lebensjahr (§ 17 Abs. 2 ErbStG).25 Kraft Gesetzes entstehende Versorgungsansprüche sind steuerfrei gestellt (R 8 Abs. 1 Satz 1 ErbStR), privatrechtliche Verträge zugunsten Dritter erfüllen jedoch den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Demnach müssten auch individuell-arbeitsrechtlichen Vereinbarungen, die aufgrund eines zwischen dem Erblasser und seinem Arbeitgeber geschlossenen Einzelvertrages beruhen, der Erbschaftsteuer unterliegen. Gem. R 8 Abs. 3 ErbStR 25

Vgl. BFH v. 20.05.1981, II-33/78, BStBl. II 1982, S. 27.

Steuerpflicht

203

sind allerdings auch solche individuell-arbeitsrechtliche Verträge i.S.d. Gleichheitsgedankens nicht steuerbar, soweit sie „angemessen“ sind. Als „angemessen“ gelten Hinterbliebenenbezüge, die 45 v.H. des Brutto-Arbeitslohnes des verstorbenen Ehegatten nicht übersteigen (R 8 Abs. 3 Satz 2 ErbStR).26 Bei Hinterbliebenenbezügen nach dem Tod von Gesellschaftern ist zwischen dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter einer Personengesellschaft zu unterscheiden. Nicht steuerbar sind Versorgungsbezüge von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter eine arbeitnehmerähnliche Stellung innehatte.27 War er demgegenüber ein herrschender Geschäftsführer, unterliegen die Versorgungsbezüge der Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (R 8 Abs. 3 Satz 4 ErbStR). Versorgungsbezüge persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft sind in der Regel steuerbar (R 8 Abs. 4 Satz 1 ErbStR). Lag jedoch eine arbeitnehmerähnliche Stellung des Gesellschafters vor, sind Versorgungsbezüge steuerfrei (R 8 Abs. 4 Satz 2 ErbStR). Eine arbeitnehmerähnliche Stellung kann ausschließlich durch Einschränkung im Innenverhältnis der Gesellschaft möglich werden, wenn unbeschränkte Außenhaftung des Gesellschafters vorliegt. Behandlung von Versorgungsansprüchen nach dem Tod von Gesellschaftern Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft

Gesellschafter einer Personengesellschaft

arbeitnehmerähnliche Stellung

herrschender Geschäftsführer

persönlich haftender Gesellschafter

arbeitnehmerähnliche Stellung

nicht steuerbar

steuerbar

steuerbar

nicht steuerbar

R 8 Abs. 3 Satz 3 ErbStR

§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG R 8 Abs. 3 Satz 4 ErbStR

§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG R 8 Abs. 4 Satz 1 ErbStR

R 8 Abs. 4 Satz 2 ErbStR

Abbildung 100: Behandlung von Versorgungsansprüchen nach dem Tod von Gesellschaftern 26

Vgl. BFH v. 20.05.1981, II-R-11/81, BStBl. II 1981, S. 715.

27

Vgl. BFH v. 13.12.1989, II-R-23/85, BStBl. II 1990, S. 323.

204

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Versorgungsanspruch nach dem Tod eines GmbH Geschäftsführers Günther Meier war alleiniger Geschäftsführer der „Atlanten-GmbH“ und gleichzeitig zu 70 % an ihr beteiligt. Er hat mit der GmbH vertraglich vereinbart, dass im Falle seines Todes seine Frau Siglinde 45 % des ihm zuletzt zugestandenen Geschäftsführergehaltes als lebenslange Versorgungsleistung erhalten soll. Günther stirbt an den Folgen eines Taucherunfalls.

Lösung

Siglinde hat auf Grund des Todes ihres Mannes einen Vermögensvorteil erlangt, der auf den durch Günther zu Lebzeiten mit der GmbH geschlossen Vertrag beruht. Somit liegt ein Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vor. Gem. R 8 Abs. 1 ErbStR sind gesetzliche Versorgungsbezüge Hinterbliebener grundsätzlich nicht erbschaftsteuerpflichtig. Auf Vertrag beruhende Hinterbliebenenbezüge sind ebenfalls steuerfrei, soweit sie „angemessen“ sind. Da Günther in dem Vertrag 45 % seiner letzten Bezüge als Hinterbliebenenbezüge festgelegt hat, gilt die Höhe der Versorgungsbezüge als angemessen (R 8 Abs. 3 Satz 2 ErbStR; BFH v. 20.05.1981, II-R-11/81, BStBl. II 1981, S. 715). Die Hinterbliebenenbezüge sind trotzdem steuerpflichtig, da Günther keine arbeitnehmerähnliche Stellung innehatte, sondern durch seine 70 %ige Beteiligung an der „Atlanten-GmbH“ den Status eines herrschenden Gesellschafters ausfüllte (R 8 Abs. 3 Satz 4 ErbStR). Hätte Günther als Geschäftsführer nur eine arbeitnehmerähnliche Stellung innegehabt, wären die Versorgungsbezüge nicht steuerbar (R 8 Abs. 3 Satz 3 ErbStR).

Versorgungsansprüche, die nicht kraft Gesetzes entstehen, insbesondere Versorgungsansprüche, die aufgrund eines zwischen dem Erblasser und seinem Arbeitgeber geschlossenen Einzelvertrages beruhen und nicht als „angemessen“ gelten, sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig. Dazu zählen Ansprüche wie: x Bezüge aus einer Lebensversicherung zur Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, x freiwillige Höher- und Weiterversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung, x Leistungen von Selbsthilfeeinrichtungen freier Berufe, x Versorgungsansprüche Hinterbliebener, die auf einem zwischen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft und seinem Arbeitgeber geschlossenen Einzelvertrag beruhen, x Versorgungsansprüche Hinterbliebener eines Gesellschafters einer Personengesellschaft aus Gesellschaftsverträgen, soweit der Gesellschafter keine arbeitnehmerähnliche Stellung innehatte.

Steuerpflicht

205

Verträge zugunsten Dritter

Versorgungsansprüche aus privatrechtlich geschlossenen Verträgen

kraft Gesetzes entstehende Versorgungsansprüche

durch individuellarbeitsrechtliche Verträge entstehende Versorgungsansprüche, soweit: 9 angemessen, 9 arbeitnehmerähnliche Stellung

steuerpflichtig § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

nicht steuerpflichtig

nicht steuerpflichtig

Abbildung 101: Verträge zugunsten Dritter Der durch Vertrag begünstigte Dritte hat die Möglichkeit, die erhaltene Leistung zurückzuweisen (§ 333 BGB). Gem. R 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStR greift § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in diesem Fall nicht. Da ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorliegt, sind eventuell ergangene Steuerbescheide aufzuheben.

4.1.1.9 Weitere Erwerbstatbestände von Todes wegen – § 3 Abs. 2 ErbStG § 3 Abs. 2 ErbStG erfasst Ergänzungstatbestände des Erwerbs von Todes wegen, die nicht in den Grundtatbeständen des § 3 Abs. 1 ErbStG normiert wurden, aber auch als vom Erblasser zugewendet gelten.

4.1.1.9.1

Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung – § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ordnet den Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung den Erwerben von Todes wegen zu. Dem steht gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG die vom Erblasser angeordnete Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, gleich. Nicht steuerbar nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ist demgegenüber der Übergang von Vermögen auf eine bereits bestehende rechtsfähige Stiftung oder gleichgestellte ausländische Vermögensmasse. Handelt es sich in diesem Zusammenhang um eine Zuwendung von

206

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Todes wegen, greift § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Geht Vermögen an eine bestehende Stiftung durch freigebige Zuwendung unter Lebenden, ist der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG deckt die erstmalige Ausstattung mit Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäftes unter Lebenden ab. Merke: Der Übergang von Vermögen auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung ist erbschaftsteuerpflichtig (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Dies gilt auch für eine vom Erblasser angeordnete Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG).

Vermögensübergang auf eine

bereits bestehende rechtsfähige Stiftung bzw. gleichgestellte ausländische Vermögensmasse

durch Testament oder Erbvertrag errichtete rechtsfähige Stiftung (§ 83 BGB)

Zuwendung von Todes wegen: § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG

aufgrund freigebiger Zuwendung unter Lebenden: § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgrund eines Stiftungsgeschäftes unter Lebenden oder bei Bildung oder Ausstattung einer gleichgestellten ausländischen Vermögensmasse: § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG

Abbildung 102: Vermögensübergang auf eine Stiftung Der Vermögenserwerb von Stiftungen ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Bst. b ErbStG steuerfrei, soweit sie nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer sonstigen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen. Bei Vorliegen einer Familienstiftung ist der Vermögensübergang gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG begünstigt.

Steuerpflicht

4.1.1.9.2

207

Erwerb aufgrund Vollziehung einer Auflage oder Eintritt einer Bedingung – § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG

Der Erblasser kann durch Testament den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne dem Begünstigten ein Recht auf diese Leistung zuzuwenden (Auflage gem. § 1940 BGB). Gem. § 1941 kann die Auflage auch durch Erbvertrag angeordnet werden. Was der Auflagenbegünstigte infolge Vollziehung der vom Erblasser angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung der vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt, ist erbschaftsteuerpflichtig i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG, es sei denn, dass eine Zweckzuwendung vorliegt. Um eine Zweckzuwendung handelt es sich, wenn der Personenkreis, dem die Auflage zugute kommen soll, nicht näher bestimmt ist (siehe § 8 ErbStG – Zweckzuwendungen).

Beispiel

Der Auflagenbegünstigte erwirbt keinen Anspruch gegenüber dem Erben (§ 1940 BGB). Daher entsteht die Erbschaftsteuer erst mit Vollziehung der Auflage und kann vom Erben, sofern sie nicht ihm selbst zugute kommt, als Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 und Abs. 9 ErbStG abgezogen werden. Verpflichtung in Form einer Auflage Peter ist verstorben und hat seinem Erben Tobias durch Auflage bestimmt, 10.000 € an den Bekannten Matthias zu zahlen. Der Begünstigte Matthias hat keinen Anspruch auf die 10.000 €, erhält diese aber von Tobias in Erfüllung der Auflage. Bei Matthias liegt ein Erwerb i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG vor. Die Steuerschuld des Matthias entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. d ErbStG erst mit Vollziehung der Auflage. Die Auflage des Peter i.H.v. 10.000 € mindert den Erwerb des Tobias gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.

4.1.1.9.3

Erwerb im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Zuwendung – § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG

Eine Zuwendung an juristische Personen verlangt unter bestimmten Voraussetzungen der Genehmigung (Art. 86 EGBGB). Diese Zuwendung ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG ein Erwerb von Todes wegen. Die Steuer entsteht mit dem Zeitpunkt der Genehmigung, d.h. mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes der Genehmigung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. e ErbStG).

208

4.1.1.9.4

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Erwerb als Abfindung für Verzicht oder Ausschlagung – § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG

Abfindungen für: x Pflichtteilsverzichte, x Erbverzichte, x Erbausschlagungen und x Ausschlagungen von Vermächtnissen sind steuerpflichtig nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, sofern diese Zahlungen im Zusammenhang mit dem Erbfall durch den Erben oder von einer dritten Person getätigt werden. Merke: Verzichte erfolgen üblicherweise gegen Abfindungen. Eine durch Abfindung erzielte Bereicherung beruht jedoch nicht auf einer Zuwendung des Begünstigten des Verzichtes oder der Ausschlagung, sondern auf der erbrechtlich erlangten Rechtsposition als Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter. Dementsprechend wird die Abfindung auch als Erwerb vom Erblasser behandelt, obwohl der Begünstigte des Verzichtes oder der Ausschlagung sie zahlt.

Erblasser Bereicherung erfolgt als Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter (gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG steuerbar) Erbe oder Pflichtteilsberechtigter

9 Pflichtteilsverzicht 9 Erbverzicht 9 Erbausschlagung 9 Ausschlagung eines Vermächtnisses

Zahlung einer Abfindung

Begünstigter

Abbildung 103: Abfindung bei Verzicht oder Ausschlagung

Steuerpflicht

209

Gründe für eine Ausschlagung sind die im Verhältnis zum ausschlagenden Erben günstigere Steuerklasse oder höhere Freibeträge des Begünstigten.

Beispiel

Die geleisteten Zahlungen sind bei dem Zuwendenden als Kosten für die Erlangung des Erwerbs gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig. Die Steuer für den Verzichtenden bzw. Ausschlagenden entsteht im Zeitpunkt des Verzichts oder der Ausschlagung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. f ErbStG). Ausschlagung einer Erbschaft Alexander lebt mit seiner Ehefrau Heike im Güterstand der Gütertrennung und wird nach seinem Tod von Heike und seinem einzigen Sohn Florian beerbt. Der gesamte Nachlass Alexanders hat einen Verkehrswert von 500.000 € und einen Steuerwert von 400.000 €. Heike schlägt die Erbschaft gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 200.000 € aus. Im Falle der Ausschlagung gegen Abfindung ist der Erwerb Heikes i.H.v. 200.000 € gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig. Die durch die Abfindung erzielte Bereicherung erfolgte dabei durch die erbrechtlich erlangten Rechtsposition als Erbe. Der Erwerb von Florian ist gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen steuerbar. Dabei hat Florian die gesamte Erbschaft im Steuerwert von 400.000 € erhalten, kann aber die an Heike gezahlte Abfindung i.H.v. 200.000 € gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG vom Erwerb abziehen. Von den nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG erfassten Abfindungen, die nach dem Tod des Erblassers gezahlt werden, sind gewährte Abfindungen zu Lebzeiten als Schenkungen unter Lebenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG abzugrenzen. Ebenfalls nicht den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG erfüllen Abfindungen für Zurückweisungen eines aufgrund Vertrages des Erblassers mit einem Dritten (§ 333 BGB) zugewendeten Vermögensvorteils. Merke: Zu Lebzeiten des Schenkers gewährte Abfindungen werden, anders als Abfindungen, die nach dem Tod des Erblassers gezahlt werden, den Schenkungen unter Lebenden zugeordnet. Wird als Abfindung Vermögen der in § 13a Abs. 4 ErbStG aufgeführten Art zugewendet, kommt eine Begünstigung des Abfindungserwerbs nach §§ 13a und 19a ErbStG nicht in Betracht, da der zur Abfindung erworbene Vermögensgegenstand zwar als vom Erblasser zugewendet gilt, der Erwerb jedoch nicht auf einer erbrechtlichen Zuwendung des Erblassers fußt.

210

4.1.1.9.5

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Erwerb aufgrund Abfindung noch nicht fälliger Vermächtnisse – § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG

Die Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG wird durch § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG ergänzt. Auf Vermächtnisse, die: x aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB), x befristet (§ 163 BGB) oder x betagt28 sind, kann nach ihrer Annahme und vor ihrem Anfall verzichtet werden. Der Verzicht erfolgt dabei vor Entstehung der Steuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a ErbStG). Wird dem Verzichtenden daraufhin eine Abfindung gezahlt, gilt diese als vom Erblasser zugewendet und unterliegt nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG der Erbschaftsteuer. Während Abfindungen, die unter § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG fallen, im Zeitpunkt des Verzichts oder der Ausschlagung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. f ErbStG) entstehen, fällt die Steuer hier im Zeitpunkt der Vereinbarung über die Abfindung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. g ErbStG) an.

4.1.1.9.6

Entgelt für die Nacherbenanwartschaftsübertragung – § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG

Gem. § 2100 BGB kann der Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem bereits eine andere Person Erbe geworden ist (Nacherbschaft). Während der erste Erbe Vorerbe ist, handelt es sich bei dem zweiten Erben um den Nacherben. Im Gegensatz zum Vorerben erlangt der Nacherbe mit dem Erbfall nur ein zukünftiges Erbrecht (Anwartschaft), welches: x vererblich (§ 2108 Abs. 2 BGB) und, x veräußerlich ist. Der durch Übertragung dieser Nacherbenanwartschaft neue Erwerber erhält die gleiche Rechtsstellung wie der bisherige Nacherbe und erlangt somit auch bei Eintritt des Nacherbfalls einen erbschaftsteuerbaren Vermögenszuwachs. Erhält der veräußernde Nacherbe, der nicht mehr Erbe wird, eine Abfindung für die Übertragung der Nacherbanwartschaft, so gilt dieser Erwerb als vom Erblasser zugewendet und ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG steuerbar.

28

Der Anspruch oder die Verpflichtung ist bereits entstanden, nur die Fälligkeit ist hinausgeschoben.

Steuerpflicht

211

Der durch Übertragung der Nacherbenanwartschaft neue Erwerber erlangt den Status des Nacherben und kann die Kosten des Erwerbs gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Erwerbskosten29 abziehen.

Erblasser Erbschaft Vorerbe Erbanwartschaft

Erbanwartschaft

Kosten des Erwerbs gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehbar

Abfindung

Nacherbe

Abfindung für die Übertragung der Nacherbanwartschaft steuerpflichtig gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG

Erwerber der Nacherbanwartschaft

Abbildung 104: Nacherbenanwartschaftsübertragung Der Nacherbfall kann nicht mehr eintreten, wenn der Erwerber des Nacherbschaftsrechts der Vorerbe ist. In dieser Konstellation wird der Vorerbe zum unbeschränkten Vollerben. Das für die Übertragung des Rechts geleistete Entgelt ist von dem die Zahlung erhaltenden Nacherben nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG zu versteuern, jedoch bei dem Zahlung leistenden Vollerben nicht als Nachlassverbindlichkeit anzusetzen.30

29

Vgl. BFH v. 28.10.1992, II-R-21/92, BStBl. II 1993, S. 158.

30

Vgl. BFH v. 23.08.1995, II-R-88/92, BStBl. II 1996, S. 137.

212

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Erblasser Erbschaft Erwerber der Nacherbanwartschaft (Vorerbe wird unbeschränkter Vollerbe)

Kosten des Erwerbs nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar

Abfindung

Erbanwartschaft

=

Erbanwartschaft

Vorerbe

Abfindung für die Übertragung der Nacherbanwartschaft steuerpflichtig gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG

Nacherbe

Abbildung 105: Nacherbenanwartschaftsübertragung auf den Vorerben

4.1.1.9.7

Herausgabeanspruch des Vertragserben – § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG

Der durch Erbvertrag eingesetzte Erbe ist gem. § 2287 BGB gegen beeinträchtigende Schenkungen des Erblassers geschützt und hat einen Anspruch auf Herausgabe des Schenkungsgegenstandes. Dieser Anspruch unterliegt als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG und entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. j ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs.

4.1.2

Schenkung unter Lebenden – § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

Der Gesetzgeber hat die Schenkung der Erbschaft gleichgestellt, da andernfalls die Entstehung eines erbschaftsteuerpflichtigen Tatbestandes durch Schenkung vermieden werden könnte. Demgemäß unterliegt die Schenkung unter Lebenden ebenso wie der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Merke: Eine Schenkung unter Lebenden unterliegt ebenso dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz wie ein Erwerb von Todes wegen.

Steuerpflicht

213

Die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG normierte Schenkung unter Lebenden wird in § 7 ErbStG ausführlich konkretisiert. § 7 Abs. 1 ErbStG regelt in Nr. 1 den Grundtatbestand und in Nr. 2 bis Nr. 10 Einzelfälle der Schenkung unter Lebenden.

Grundtatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 9 Freigebige Zuwendung unter Lebenden

Einzelfälle § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 10 ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 9 Erwerb auf Grund Vollziehung einer Auflage oder Erfüllung einer Bedingung § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 9 Erwerb im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Schenkung § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 9 Bereicherung bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG 9 Abfindung für Erbverzicht § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG 9 Vorzeitiger Erbausgleich § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG 9 Vorzeitige Herausgabe an den Nacherben § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG 9 Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäftes unter Lebenden § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 9 Erwerb bei Aufhebung einer Stiftung, Auflösung eines Vereins oder einer Vermögensmasse ausländischen Rechts § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG 9 Erwerb auf Grund der Gewährung von Abfindungen

Abbildung 106: Übertragungsvorgänge i.S.d. Schenkung unter Lebenden In § 7 Abs. 5 bis 7 ErbStG sind Sondertatbestände zur Gesellschafternachfolge unter Lebenden enthalten. Dabei regelt: x § 7 Abs. 5 ErbStG: Schenkungen von Personengesellschaftsanteilen mit Buchwertklauseln, x § 7 Abs. 6 ErbStG: Ausstattung von Personengesellschaftsanteilen mit überhöhten Gewinnbeteiligungen, x § 7 Abs. 7 ErbStG: Übergänge von Anteilen oder Anteilsteilen an Personen- oder Kapitalgesellschaften zu einem unter dem steuerlichen Wert liegenden Abfindungsanspruch.

214

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

R 18 ErbStR unterwirft zusätzlich zu § 7 ErbStG die Fälle der Erbschaftsteuer, in denen es bei Leistungsbeziehungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern bzw. nahe stehenden Dritten zu schenkungsteuerpflichtigen Tatbeständen kommen kann.

4.1.2.1 Freigebige Zuwendung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Der Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG definiert eine Schenkung unter Lebenden als freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Beispiel

Dabei muss zwischen dem steuerlichen Schenkungsbegriff und dem zivilrechtlichen Schenkungsbegriff unterschieden werden (R 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStR). Während eine Einigung zwischen Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung im Steuerrecht nicht erforderlich ist, wird dieses Tatbestandsmerkmal im Zivilrecht verlangt (§ 516 Abs. 1 BGB). Schenkungsbegriff im Zivilrecht und im Steuerrecht I Benjamin Klingmann überlässt seinem langjährigen Geschäftsfreund Sören ein wertvolles Gemälde. Das Zivilrecht verlangt, dass Benjamin und Sören über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des Gemäldes einig sein müssen (§ 516 Abs. 1 BGB). Da es aber an der Einigkeit der Unentgeltlichkeit fehlt, ist das Gemälde nicht an Sören i.S.d. Zivilrechts übergegangen. Gem. § 516 Abs. 2 BGB kann Benjamin Sören unter Bestimmung einer angemessenen Frist auffordern, die Annahme des Gemäldes zu erklären. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Schenkung des Gemäldes durch Sören als angenommen, sofern er nicht vorher abgelehnt hat. Während das Zivilrecht die Einigkeit über die unentgeltliche Übertragung des Gemäldes verlangt, reicht es für das Steuerrecht, wenn lediglich bei Benjamin der Wille vorhanden ist, Sören das Gemälde unentgeltlich zuzuwenden. Demnach liegt eine freigebige Zuwendung i.S.d. Erbschaftsteuerrechts vor. In diesem Fall handelt es sich zwar um eine freigebige Zuwendung i.S.d. Steuerrechts aber eine Schenkung i.S.d. Zivilrechts ist vor Ablauf der Frist zur Annahmeerklärung nicht gegeben. Eine freigebige Zuwendung ist demnach nicht nur eine Schenkung i.S.d. § 516 Abs. 1 BGB, nach der jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert und bei der sich beide Personen darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Durch § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wird ebenfalls jede freigebige unentgeltliche (R 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStR) Zuwendung erfasst, die auf Kosten des Zuwendenden zu einer objektiven Berei-

Steuerpflicht

215

Beispiel

cherung (R 14 Abs. 2 ErbStR) des Bedachten führt und bei der der Zuwendende sich deren Unentgeltlichkeit bewusst (R 14 Abs. 3 ErbStR) ist. Schenkungsbegriff im Zivilrecht und im Steuerrecht II Benjamin Klingmann überlässt seinem langjährigen Geschäftsfreund Sören ein wertvolles Buch als Werbegeschenk. Benjamin hat das Buch nicht in der Absicht übertragen, Sören zu bereichern, es ihm also ohne Gegenleistung zukommen zu lassen. Als Gegenleistung erwartet Benjamin eine Intensivierung der Geschäftsbeziehungen: Kaufleute haben nichts zu verschenken. Eine freigebige Zuwendung ist deshalb nicht gegeben.

Tatbestandsmerkmale der freigebigen Zuwendung gem. R 14 Abs. 1 Satz 2, 3 ErbStR: 9die Zuwendung muss unentgeltlich erfolgen, 9der Erwerber muss objektiv auf Kosten des Zuwendenden bereichert werden, 9der Zuwendende muss die Unentgeltlichkeit subjektiv gewollt haben. Eine objektive Bereicherung des Empfängers liegt vor, wenn der ihn bereichernde Vermögensgegenstand unentgeltlich übergeht. Dies ist der Fall, wenn weder ein Rechtsanspruch seitens des Erwerbers auf die Leistung besteht noch ein Anspruch des Schenkers auf einen die Zuwendung ausgleichende Gegenleistung vorhanden ist. Die durch den Bereicherten zu erfüllende Gegenleistung kann sich sowohl aus einem gegenseitigen Vertrag als auch aus Auflagen und Bedingungen ergeben.

Beispiel

Folglich liegt keine freigebige Zuwendung vor, wenn der Begünstigte einen privatrechtlichen oder gesetzlichen Anspruch auf sie hat, wie bei Unterhaltszahlungen von Eltern an ihre Kinder oder Zahlungen eines Zugewinnausgleichs durch Auflösung der Zugewinngemeinschaft. Unentgeltlichkeit des Erwerbs Steffi König vereinbart mit ihrem Mann Boris den Güterstand der Gütertrennung. Es wird der bisherige Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet. Für Boris ergibt sich eine Zugewinnausgleichsforderung i.H.v. 200.000 €, welche Steffi sofort erfüllt. Boris ist durch die Geldzahlung unentgeltlich bereichert worden, da seine Frau Steffi keinen rechtlichen Anspruch auf eine die Zuwendung ausgleichende Gegenleistung erlangt hat. Es liegt jedoch keine Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor, denn Boris verwirklicht seinen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung des Zugewinnausgleichs.

216

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Bereicherung kann jede Vermögensmehrung und jede Minderung von Schulden oder Belastungen beim Bedachten sein (R 14 Abs. 2 Satz 1 ErbStR). Das Vorliegen einer Bereicherung ist anhand der Verkehrswerte der Zuwendungsgegenstände des Schenkers und der gegebenenfalls vom Bedachten zu erfüllenden Gegenleistungen und Auflagen zu beurteilen, wobei persönliche Wertschätzungen bei der Ermittlung der Verkehrswerte unbeachtlich sind. Bei der Prüfung der objektiven Bereicherung dürfen Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, nicht berücksichtigt werden (§ 7 Abs. 3 ErbStG). Bereicherung des Erwerbers I Boris schenkt seinem langjährigen Freund André ein neues Auto im Wert von 30.000 €. Dafür erklärt sich André bereit, Boris Sohn des öfteren zum Golfunterricht zu fahren. Die von André zu erbringende Gegenleistung kann nicht in Geld veranschlagt werden. Daher ist nur die Schenkung des Autos i.H.v. 30.000 € zu beurteilen, die objektiv bei André zu einer Bereicherung führt.

Beispiel

Die Bereicherung des Bedachten ist insbesondere bei Schenkungen zu prüfen, deren Wert aus Verkehrswert des Zuwendungsgegenstandes abzüglich der vom Bedachten zu erfüllenden Gegenleistung ein Negativsaldo oder ein Saldo von Null ergibt. Ist dies der Fall, liegt keine Schenkung unter Lebenden vor. Bereicherung des Erwerbers II Steffi König überträgt auf ihren Sohn Noah ein Grundstück mit einem Verkehrswert von 200.000 €. Als Gegenleistung verpflichtet sich Noah, seiner Mutter eine monatliche Rente i.H.v. 2.000 € zu zahlen, deren Kapitalwert 280.000 € beträgt. Steffi hat ihrem Sohn zwar das Grundstück übertragen, dennoch liegt keine Schenkung vor. Noah wurde nicht objektiv bereichert, da der Saldo aus Schenkung des Grundstücks und Gegenleistung in Form des Kapitalwertes der Rente negativ ist. Allerdings ist Steffi aufgrund der Rentenzahlung von Noah bereichert. Sie erhält eine höhere Zuwendung durch die Rente, als sie durch Hingabe des Grundstücks geleistet hat. Gem. R 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStR muss sich der Schenker seiner unentgeltlichen Übertragung des Zuwendungsgegenstandes bewusst sein, d.h. sie subjektiv gewollt haben. Dabei ist eine Bereicherungsabsicht des Zuwendenden nicht erforderlich (R 14 Abs. 3 Satz 2 ErbStR). Er muss jedoch in dem Bewusstsein handeln, dass er zu der Vermögenshingabe rechtlich nicht verpflichtet ist, er also seine Leistung ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung erbringt. Der Wille zur Unentgeltlichkeit ist auf Grundlage der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen festzustellen. Folglich genügt die Kenntnis des Zuwendenden über Tatsachen und Umstände, aufgrund derer seine Zuwendung als objektiv unentgeltlich zu qualifizieren ist.

Beispiel

217

Subjektive Freigebigkeit Christian Harrer nimmt seinen Sohn Heinrich in sein Geschäft für Outdoorbekleidung als Teilhaber auf. Heinrich wird im ersten Jahr zu 30 % und ab dem zweiten Jahr zu 50 % am Gesellschaftervermögen beteiligt.

Lösung

Steuerpflicht

Vater Christian und Sohn Heinrich haben eine BGB-Gesellschaft gegründet, in die Christian sein Einzelunternehmen eingebracht hat. Durch die Beteiligung des Sohnes wurde von ihm anteilig Gesamthandsvermögen erworben. Er war nicht verpflichtet, als Gegenleistung für seinen Gesellschaftsanteil eine Einlage zu erbringen. Die Verpflichtung des Sohnes, in dem Geschäft mitzuarbeiten, sowie die Übernahme des Haftungsrisikos stellen keine Gegenleistung für seinen Anteilserwerb dar,31 da die übernommenen Verpflichtungen mit der Anteilsübernahme nicht in einem Gegenleistungsverhältnis stehen. Die Gesellschafterverpflichtung des Sohnes basiert auf dem Gesellschaftsverhältnis und folglich auf einem anderen Rechtsgrund als die Zuwendung. Heinrich ist auf Kosten seines Vaters unentgeltlich bereichert worden, da nur der Vater eine Einlage in die neue Gesellschaft getätigt hat. Fraglich ist in diesem Fall, ob der Vater den Willen zur unentgeltlichen Übertragung der Geschäftsanteile hatte. Im kaufmännischen Verkehr zwischen Gesellschaftern ist davon auszugehen, dass es am subjektiven Bereicherungswillen fehlt. Im Hinblick auf das familiäre Verhältnis der beiden Gesellschafter besteht allerdings die Vermutung, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgen sollte. Demnach handelt es sich um eine unentgeltliche Vermögensübertragung des Vaters auf seinen Sohn, die der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt.

Zuwendender bzw. Erwerber von freigebigen Zuwendungen können alle: x natürlichen Personen und x juristischen Personen sein, nicht jedoch: x Personengesellschaften, da ihnen eine eigene Rechtspersönlichkeit fehlt.32

31

Vgl. BFH v. 01.07.1992, II-R-108/88, BStBl. II 1992, S. 923.

32

Vgl. BFH v. 14.09.1994, II-R-95/92, BStBl. II 1995, S. 81.

218

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.2.2 Kettenschenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Die Zuwendung eines Vermögensgegenstandes über eine Durchgangsperson wird als Kettenschenkung oder Durchgangsschenkung bezeichnet. Dabei erhält der Ersterwerber zunächst eine Schenkung, um sie dann auf den Letzterwerber zu übertragen. Die Rechtsfolge ist ein einheitlicher Schenkungsvorgang, bei dem der Letzterwerber steuerpflichtig ist.

Zuwendender

1. Schenkung

Ersterwerber „Durchgangsperson“

2. Schenkung

Letzterwerber

Abbildung 107: Kettenschenkung

Beispiel

Kettenschenkung Der vermögende Buchhändler Michael Dull schenkt seiner Tochter Miriam 200.000 € und gleichzeitig seiner Enkelin Mirabella 20.000 €. Da Miriam nicht auf das Geld angewiesen ist, schenkt sie ihren Betrag sofort ihrer Tochter weiter.

Lösung

Durch diese Gestaltungsvariante der Vermögensübertragung können sich persönliche Freibeträge (§ 16 ErbStG) mehrfach zur Steuerersparnis nutzen lassen. Man könnte die Situation fälschlicherweise so betrachten:

Die Schenkung Michaels an seine Tochter ist bis zur Höhe des persönlichen Freibetrages von Miriam i.H.v. 205.000 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) steuerfrei. Die Schenkung Michaels an seine Enkelin ist ebenfalls steuerfrei, weil der Wert der Schenkung nicht über den persönliche Freibetrag von Mirabella i.H.v. 51.200 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) hinausgeht. Die Weiterschenkung der 200.000 € von Miriam an ihre Tochter ist ebenso steuerfrei, da der persönliche Freibetrag von Mirabella in diesem Fall 205.000 € beträgt. Hätte der Großvater Michael auch die der Miriam zugegangenen 200.000 € an seine Enkelin übertragen, wäre Schenkungsteuer angefallen, denn der persönliche Freibetrag der Mirabella in Beziehung zu ihrem Großvater Michael beträgt lediglich 51.200 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Letztlich sind der Enkelin 220.000 € zugegangen, ohne dass dafür Schenkungsteuer gezahlt werden muss.

Steuerpflicht

219

Diese Sichtweise ist jedoch falsch! Der Gesetzgeber sieht in dieser Ausformung einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO gestützt auf das BFH v. 13.10.1993, II-R-92/91, BStBl. II 1994, S. 128. Danach handelt es sich um einen Gestaltungsmissbrauch, wenn: x ein zeitlicher Zusammenhang von Schenkung und Weiterschenkung besteht, x in der Kette der Schenkungen ein und derselbe Vermögensgegenstand weitergegeben wird, x die Schenkung über eine Durchgangsperson nur erfolgt um persönliche Freibeträge mehrfach zu nutzen und gleichzeitig die Steuerprogression zu mildern, x die Durchgangsperson zur Weitergabe des Zuwendungsgegenstandes aufgrund einer Auflage verpflichtet ist. Die Entscheidung, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, kann folglich nur nach einer sorgfältigen Prüfung des jeweils vorliegenden Vertragswerks getroffen werden (§ 157 BGB). Ist beispielsweise der Bedachte in der Verfügung über den ihm zugewendeten Vermögensgegenstand frei, so kann aus der tatsächlichen Weiterleitung der Schenkung kein Schluss auf einen Gestaltungsmissbrauch des § 42 AO gezogen werden. Dies gilt selbst dann nicht, wenn dem Zuwendenden bewusst war, dass der Bedachte seinerseits eine Schenkung mit Mitteln der Zuwendung ausführen will.33 Merke: Gem. § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Demnach ist die Beurteilung, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, nur nach sorgfältiger Prüfung des vorliegenden Sachverhaltes zu treffen.

Beispiel

Liegt ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO vor, wird die Kettenschenkung so behandelt, als wenn das zugewendete Vermögen unmittelbar vom Zuwendenden auf den letzten Bedachten übergegangen ist. Demnach ist die mehrfache Ausnutzung persönlicher Freibeträge (§ 16 ErbStG) zur Steuerersparnis nicht zulässig.

33

Richtigstellung der Kettenschenkung In dem oben erläuterten Beispiel liegt ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor. Die verschiedenen Teilverträge sind zeitlich und inhaltlich abgestimmt und verfolgen das gemeinsame Ziel der Vermeidung der Schenkungsteuer durch mehrmalige Ausnutzung persönlicher Freibeträge.

Vgl. BFH v. 14.03.1962, II-218/59-U, BStBl. III 1962, S. 206.

220

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG Die Kettenschenkung über die Durchgangsperson Miriam wird behandelt, als wenn der gesamte Geldbetrag i.H.v. 220.000 € unmittelbar von dem Großvater Michael an seine Enkelin Mirabella übertragen wurde. Der zu berücksichtigende persönliche Freibetrag Mirabellas in Beziehung zu ihrem Großvater Michael beträgt lediglich 51.200 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Demnach sind 220.000 € abzüglich 51.200 € Freibetrag, also 168.800 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

Um dennoch in den Genuss der Vorzüge einer Kettenschenkung zu gelangen, ist zu empfehlen, dass die Durchgangsperson nicht verpflichtet ist, die Schenkung in vollem Umfang an den Letzterwerber zu übertragen. Außerdem sollte der geringere Betrag erst nach wenigstens einem Jahr weitergegeben werden. Besteht die Verpflichtung, eine Schenkung erst nach Eintritt einer Bedingung an den Letzterwerber weiterzugeben (bedingte Schenkung), ist der Erwerb bei der Durchgangsperson zunächst als Schenkung zu erfassen. Bei Eintritt der Bedingung erhält der Letzterwerber die Zuwendung von der Durchgangsperson und die bereits erfasste Schenkung ist nach §§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 2, 7 Abs. 2, 14 Abs. 2 BewG zu berichtigen. Schließlich wird die Schenkung beim Letzterwerber erfasst, der wiederum direkt vom Ausgangsschenker erworben hat.

4.1.2.3 Gemischte Schenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Die gemischte Schenkung zählt ebenfalls zum Grundtatbestand der Schenkung unter Lebenden und ist von der freigebigen Zuwendung abzugrenzen. Während für die freigebige Zuwendung der Tatbestand der Unentgeltlichkeit entscheidende Bedeutung zukommt, liegt eine gemischte Schenkung vor, wenn ein Teil eines Wirtschaftsgutes unentgeltlich, ein weiterer Teil entgeltlich übereignet wird. Der unentgeltlich erworbene Vermögensteil unterliegt als freigebige Zuwendung der Schenkungsteuer (R 17 Abs. 1 ErbStR). Demgegenüber bleibt der durch eine Gegenleistung entgeltlich erworbene Vermögensteil bei der Schenkungsteuer außer Ansatz, da dieser nicht unentgeltlich übertragen wird (R 17 ErbStR).34 Folglich ergibt sich die schenkungsteuerbare Bereicherung aus dem Unterschiedsbetrag von Verkehrswert der Leistung des Schenkers und Verkehrswert der Gegenleistung des Bedachten.

34

Vgl. BFH v. 21.10.1981, II-R-176/78, BStBl. II 1982, S. 83; v. 14.07.1982, II-R-125/79, BStBl. II 1982, S. 714.

Steuerpflicht

221

Gemischte Schenkung

unentgeltlicher Teil

entgeltlicher Teil

freigebige Zuwendung

Gegenleistung des Bedachen

steuerbar gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

nicht steuerbar

Beispiel

Abbildung 108: Gemischte Schenkung Gemischte Schenkung I. Karl Schnitzer überträgt ein Grundstück (Verkehrswert 1.000.000 €, Steuerwert 500.000 €) auf seinen langjährigen Bekannten Erik für 0 € Gegenleistung. Erik muss daher 500.000 € der Schenkungsteuer unterwerfen, da er um 500.000 € bereichert wurde. II.

Karl Schnitzer überträgt das Grundstück auf Erik und erhält dafür 500.000 € als Gegenleistung. Erik ist der Meinung, dass nun keine Steuer anfällt, da er ja 500.000 € gezahlt hat. Erik ist trotz der von ihm getätigten Gegenleistung objektiv bereichert. Diese Bereicherung unterliegt der Schenkungsteuer. Er kauft eine Hälfte des Grundstücks, bekommt jedoch die andere Hälfte geschenkt. Das heißt, der unentgeltlich übertragene Anteil des Vermögenswertes unterliegt stets der Schenkungsteuer während der entgeltlich übertragene Anteil des Vermögenswertes steuerfrei bleibt. Wäre dies nicht so, könnte die Belastung einer Vermögensübertragung mit Schenkungsteuer leicht vermieden werden. Nachfolgende Tabelle macht deutlich, dass es nicht zu einer Umgehung der Erbschaft- und Schenkungsteuer kommen kann:

222

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Verkehrswert

1.000.000 €

1.000.000 €

1.000.000 €

1.000.000 €

Steuerwert

500.000 €

500.000 €

500.000 €

500.000 €

Erik zahlt

0€

100.000 €

500.000 €

900.000 €

500.000 €

450.000 €

250.000 €

50.000 €

Steuerliche Bemessungsgrundlage

Diese Berechnung der Bemessungsgrundlage für die gemischte Schenkung wird in R 17 Abs. 2 ErbStR erläutert. Sie ist zu ermitteln, indem der Steuerwert der Leistung des Schenkers in dem Verhältnis aufgeteilt wird, in dem der Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten zu dem Verkehrswert des geschenkten Vermögens steht.

Steuerwert der freigebigen = Zuwendung

Steuerwert der Leistung des Schenkers

x

Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten

Verkehrswert der Leistung des Schenkers

Das heißt, der Steuerwert des übertragenen Vermögensgegenstandes multipliziert mit dem unentgeltlich übertragenen Anteil des Vermögensgegenstandes ergibt den zu versteuernden Wert der Zuwendung. Die Notwendigkeit der Berechnung der Bemessungsgrundlage über diese Formel fußt auf dem Auseinanderfallen von Verkehrswert und Steuerwert eines Vermögensgegenstandes – insbesondere bei Grundstücken. Der Zuwendungsempfänger wird dem Verkehrswert nach bereichert, eine Besteuerung erfolgt jedoch auf Grundlage der Steuerwerte. Daher muss das in Verkehrswerten angegebene Verhältnis aus Bereicherung und gesamter Zuwendung in Steuerwerte übertragen werden. Dies erfolgt rechnerisch durch:

Steuerwert Schenkungsteuerliche = der gesamten x Bemessungsgrundlage Schenkung

Verkehrswert der tatsächlichen Bereicherung Verkehrswert der gesamten Schenkung

Steuerpflicht

223

Folglich wird der unentgeltlich übertragene Anteil des Vermögensgegenstandes mit dem Steuerwert der Zuwendung multipliziert und ergibt die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage.

Beispiel

Vorgehensweise:

1. Ermittlung des Verkehrswertes der entgeltlichen und der unentgeltlichen Vermögensübertragung. 2. Ermittlung des unentgeltlichen Vermögensanteils. 3. Multiplizierung des unentgeltlichen Vermögensanteils mit dem Gesamtsteuerwert des Vermögensgegenstandes.

Gemischte Schenkung Karl Schnitzer überträgt ein Grundstück auf seinen langjährigen Bekannten Erik. In dem Übertragungsvertrag wird bestimmt, dass Erik eine auf dem Grundstück lastende Hypothek übernehmen muss.

Lösung

Verkehrswert des Grundstücks: Verkehrswert der Hypothek: Steuerwert des Grundstücks:

1.000.000 € 200.000 € 500.000 €

Es liegt eine gemischte Schenkung vor, da Erik einen Teil des Grundstücks entgeltlich und einen weiteren Teil unentgeltlich erworben hat. Durch die Übertragung erlangt er 1.000.000 €, wird allerdings nur durch den Grundstücksteil i.H.v. 800.000 € tatsächlich bereichert. Der unentgeltliche Vermögenszuwachs beträgt demnach acht Zehntel des gesamten Verkehrswertes des Grundstücks. Da sich die Besteuerungsgrundlage auf den Steuerwert des Grundstücks bezieht, wird der Anteil der unentgeltlichen Bereicherung mit dem Steuerwert multipliziert: 500.000 € x

8 = 400.000 € 10

500.000 € x

800.000 € = 400.000 € 1.000.000 €

oder anders:

Erik hat demnach 400.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

224

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Merke: Der unentgeltlich erworbene Anteil des Vermögensgegenstandes multipliziert mit seinem Gesamtsteuerwert ergibt die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage. Der bei einer gemischten Schenkung unentgeltlich übertragene Vermögensteil ergibt zusammen mit dem entgeltlich übertragen Vermögensteil den Gesamtwert der Schenkung.

Verkehrswert der Verkehrswert des Verkehrswert des = + gesamten Schenkung entgeltlichen Teils unentgeltlichen Teils Dies gilt ebenfalls für die Steuerwerte des Vermögensgegenstandes: Steuerwert der Steuerwert des Steuerwert des = + gesamten Schenkung unentgeltlichen Teils entgeltlichen Teils Ein Vermögensteil wird entgeltlich erworben. Der verbleibende unentgeltlich übergehende Vermögensteil unterliegt der Schenkungsteuer. Ändert sich ein Anteil in seiner jeweiligen Höhe, ändert sich auch die Höhe des anderen Anteils. Ein geringerer unentgeltlich übertragener Teil führt zwar auf der einen Seite: x zu einer geringeren schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage, aber auf der anderen Seite: x ist ein höherer entgeltlicher Betrag für den verbleibenden Vermögensteil aufzuwenden.

Steuerpflicht

225

gemischte Schenkung

Verkehrswert Anteile Steuerwert Verkehrswert Anteile Steuerwert Verkehrswert Anteile Steuerwert Verkehrswert Anteile Steuerwert

gesamte Schenkung

unentgeltlicher Teil

entgeltlicher Teil

1.000.000

900.000

100.000

9 10

1 10

10 10 500.000

mit iert z i l ltip mu ergibt

450.000

50.000

(Bemessungsgrundlage)

(Gegenleistung)

1.000.000

700.000

300.000

10 10

7 10

3 10

500.000

350.000

150.000

(Bemessungsgrundlage)

(Gegenleistung)

1.000.000

500.000

500.000

10 10

5 10

5 10

500.000

250.000

250.000

(Bemessungsgrundlage)

(Gegenleistung)

1.000.000

200.000

800.000

10 10

2 10

8 10

500.000

100.000

400.000

(Bemessungsgrundlage)

(Gegenleistung)

Bei der Wahl der Höhe der Aufteilung des Vermögensgegenstandes in den entgeltlichen und den unentgeltlichen Teil ist demnach lediglich die geschickte Ausnutzung vorhandener Freibeträge denkbar.

226

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.2.4 Schenkung unter Auflage – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Von der gemischten Schenkung ist die Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB) zu unterscheiden.35 Während die gemischte Schenkung aus einem unentgeltlichen und einem entgeltlich Vermögensteil besteht, ist bei der Schenkung unter Auflage ein unentgeltlicher Vermögensteil mit einer Bestimmung verbunden. Die Bestimmung verpflichtet den Bedachten nach Erhalt der Schenkung zu einer vorher vom Schenker bestimmten Leistung bzw. Nutzung oder Duldung.

Gemischte Schenkung

unentgeltlicher Teil

entgeltlicher Teil

Schenkung unter Auflage

unentgeltlicher Teil

Bestimmung

Leistungsauflage Nutzungs- oder Duldungsauflage

Abbildung 109: Gemischte Schenkung vs. Schenkung unter Auflage Die Schenkung unter Auflage unterscheidet daher zwei Fälle: x die Leistungsauflage und x die Nutzungs- oder Duldungsauflage. Bei der Leistungsauflage wird dem Bedachten eine Verpflichtung zu einer Leistung auferlegt, welche in Form von Geld- oder Sachleistungen aus seinem persönlichen Vermögen oder aus der Schenkungsmasse zu erbringen ist. Für diesen Fall wendet der Gesetzgeber die selben Grundsätze an wie für die gemischte Schenkung.36 Das heißt, es besteht kein erbschaftsteuerlicher Unterschied zwischen einer gemischten Schenkung und der Schenkung unter Leistungsauflage. Demnach ermittelt sich der für die Besteuerung maßgebliche Wert der Schenkung unter Leistungsauflage nach der gleichen Formel wie der Wert der gemischten Schenkung (R 17 Abs. 2 ErbStR). Es wird der unentgeltlich übertragene Anteil des Vermögensgegenstandes mit dem Steuerwert der gesamten Zuwendung multipliziert, um die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage zu erhalten.

35

Vgl. BFH v. 12.04.1989, II-R-37/87, BStBl. II 1989, S. 524.

36

Vgl. BFH v. 12.04.1989, II-R-37/87, BStBl. II 1989, S. 524.

Steuerpflicht

227

Merke: Die Formel für die Leistungsauflage ist mit der Formel für die gemischte Schenkung identisch (R 17 Abs. 2 ErbStR). Bei der Nutzungs- oder Duldungsauflage ist der Bedachte zu einer beschränkten Duldung verpflichtet, ohne das bei ihm eigener Aufwand entsteht. Die Duldung besteht meist in einem fremden Nutzungsrecht an dem zugewandten Vermögensgegenstand, durch das der Bedachte in der eigenen Nutzung zeitlich befristet eingeschränkt ist (R 17 Abs. 1 Satz 8 ErbStR). Die Belastung durch die Duldungsauflage ist gem. R 17 Abs. 3 ErbStR von dem als Bereicherung geltenden gesamten Vermögensanfall abzuziehen, soweit § 25 ErbStG dem nicht entgegensteht (R 17 Abs. 7 ErbStR). Dabei setzt die Anwendung des § 25 ErbStG ein entsprechend belastetes Vermögen voraus. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, soweit es sich um gemischte Schenkungen und Schenkungen unter Leistungsauflage handelt. Dabei gilt als Erwerb des Bedachten nicht der gesamte Vermögensanfall einschließlich der Belastung. Der Besteuerungstatbestand ist vielmehr auf die Bereicherung des Bedachten beschränkt. Demzufolge ist für die Anwendung des § 25 ErbStG bei der gemischten Schenkung und der Schenkung unter Leistungsauflage kein Raum (R 17 Abs. 7 ErbStR).37 Merke: § 25 ErbStG ist bei der gemischten Schenkung und der Schenkung unter Leistungsauflage nicht anwendbar (R 17 Abs. 7 Satz 2 ErbStR). Die Vorschriften des § 25 ErbStG sind jedoch anzuwenden, soweit es sich um Schenkungen unter Nutzungs- oder Duldungsauflage handelt (R 17 Abs. 7 Satz 5 ErbStR).38

37

Vgl. BFH v. 21.10.1981, II-R-176/78, BStBl. II 1982, S. 83.

38

Vgl. BFH v. 12.04.1989, II-R-37/87, BStBl. II 1989, S. 524; v. 07.06.1989, II-R-183/85, BStBl. II 1989, S. 814; v. 16.12.1992, II-R-114/89, BFH/NV 1993, S. 298.

228

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Schenkungen unter Auflage

Schenkung unter Leistungsauflage

Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage

Verpflichtung zu einer Leistung, die Geld- oder Sachaufwand verursacht

Verpflichtung zu einer beschränkten Duldung, da ein fremdes Nutzungsrecht an dem Gegenstand besteht

R 17 Abs. 2 ErbStR Verkehrswert der tatsächlichen ErbschaftBereicherung steuerliche Steuerwert = x Bemessungsder Schenkung Verkehrswert grundlage der gesamten Schenkung

R 17 Abs. 3 ErbStR

Erbschaftsteuerliche Steuerwert (Kapital-) Wert = ./. Bemessungsder Leistung der Auflage grundlage

Abbildung 110: Schenkungen unter Auflage

Beispiel 1

Als Schenkungen unter Auflage kommen vornehmlich in Betracht: 9Grundstücks- oder Betriebsübertragungen unter Übernahme von Versorgungsleistungen; 9Grundstücks- oder Betriebsübertragungen unter Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalt; 9Grundstücks- oder Betriebsübertragungen unter der Auflage, eine Verbindlichkeit zu übernehmen. Schenkung unter Leistungsauflage Forrest Gump schenkt seiner Freundin Jenny ein Grundstück (Verkehrswert 800.000 €, steuerlicher Wert 500.000 €) mit der Verpflichtung, seiner Mutter ein Gleichstellungsgeld i.H.v. 100.000 € zu zahlen. Jenny hat das Grundstück unter einer Leistungsauflage erhalten. Sie ist also nur um die Differenz zwischen Verkehrswert des Grundstücks (800.000 €) und Wert der Leistungsauflage (100.000 €) = 700.000 € bereichert. Das heißt, sie erhält sieben Achtel des Grundstücks unentgeltlich und ein Achtel des Grundstücks entgeltlich. Da Jenny dem Verkehrswert nach bereichert wird, eine Besteuerung allerdings (genau wie bei der gemischten Schenkung) auf Grundlage der u.U. viel niedrigeren Steuerwerte erfolgt, muss der ihr unentgeltlich zukommende Vermögensteil in den Steuerwert umgerechnet werden.

Steuerpflicht

229

Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage errechnet sich daher aus dem Anteil der unentgeltlichen Bereicherung (7/8) multipliziert mit dem Steuerwert der gesamten Zuwendung (500.000 €): 437.500 € = 500.000 € x

7 8

Beispiel 2

Jenny hat 437.500 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage Forrest Gump schenkt seiner Freundin Jenny ein Grundstück (Verkehrswert 800.000 €, steuerlicher Wert 500.000 €), das mit einem lebenslangen Wohnrecht zugunsten seiner Mutter (Kapitalwert des Wohnrechts 100.000 € – näher dazu siehe Bewertungsteil) belastet ist. Jenny hat das Grundstück unter der Nutzungsauflage, der Mutter ein lebenslanges Wohnrecht zu gewähren, erhalten. Der Kapitalwert des Wohnrechts ist bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage vom Steuerwert des Grundstücks abzuziehen. 400.000 € = 500.000 € ./. 100.000 € Jenny hat 400.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

Nach Betrachtung der Beispiele wird ersichtlich, das eine Auflage i.S. einer Nutzungs- oder Duldungsauflage gegenüber einer Leistungsauflage die günstigere Gestaltungsvariante darstellt. Dies gilt jedoch nur, sofern Verkehrswert und Steuerwert des Vermögensgegenstandes auseinander fallen (vornehmlich bei Grundstücken). Während bei der Leistungsauflage lediglich der Steuerwert der Auflage abzuziehen ist, wird bei der Nutzungs- oder Duldungsauflage der Verkehrswert der Auflage steuermindernd angerechnet. Sind Steuerwert und Verkehrswert des zu übertragenden Gegenstandes allerdings gleich, entfällt die verhältnismäßige Berechnung. Im Ergebnis ergibt sich dann kein Unterschied zwischen Leistungsauflage und Nutzung- oder Duldungsauflage.

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Vergleich: Schenkung unter Leistungsauflage – Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage Forrest Gump schenkt seiner Freundin Jenny ein Grundstück (Verkehrswert 800.000 €, Steuerwert 800.000 €):

Lösung

230

I.

mit der Verpflichtung seiner Mutter ein Gleichstellungsgeld i.H.v. 100.000 € zu zahlen.

II.

das mit einem lebenslangen Wohnrecht zugunsten seiner Mutter (Kapitalwert des Wohnrechts 100.000 €) belastet ist.

I.

Vorüberlegungen wie in Beispiel 1. Jenny wird dem Verkehrswert nach um sieben Achtel bereichert. Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage errechnet sich aus dem Anteil der unentgeltlichen Bereicherung (7/8) multipliziert mit dem Steuerwert der gesamten Zuwendung (800.000 €). Da sich in diesem Beispiel Verkehrswert dem Steuerwert entsprechen ergibt sich: 700.000 € = 800.000 € x

7 8

Jenny hat 700.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen. II.

Vorüberlegungen wie in Beispiel 2. Jenny hat das Grundstück unter Nutzungsauflage, dem lebenslangen Wohnrecht der Mutter, erworben. Der Kapitalwert des Wohnrechts ist bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage vom Steuerwert des Grundstücks abzuziehen. 700.000 € = 800.000 € ./. 100.000 € Jenny hat 700.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

Da § 25 ErbStG bei Schenkungen unter Nutzungs- oder Duldungsauflage anzuwenden ist (R 17 Abs. 7 Satz 5 ErbStR), hat die Prüfung der Vorschrift hier zu erfolgen. Demnach ist

Steuerpflicht

231

Beispiel

die Besteuerung in diesem Fall ohne Abzug der Belastung vorzunehmen, sofern das Nutzungsrecht zugunsten des Schenkers oder seines Ehegatten besteht (§ 25 Abs. 1 ErbStG).39

Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage Wie Beispiel 2, wohnberechtigt ist jedoch nicht die Mutter, sondern der Schenkende Forrest Gump selbst. Es handelt sich ebenfalls um einen Erwerb unter Nutzungsauflage, da Jenny die Nutzung des Forrest aus dem Grundstück dulden muss. Gem. § 25 Abs. 1 ErbStG wird die Auflage in diesem Fall steuerlich nicht als Last berücksichtigt, denn die Nutzung steht dem Schenker Forrest selbst zu. Die auf den Kapitalwert der Belastung entfallende Steuer ist gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden.

Schenkungen, die sowohl Elemente einer gemischten Schenkung bzw. Schenkung unter Leistungsauflage als auch einer Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage enthalten, werden als Mischfälle bezeichnet (R 17 Abs. 4 ErbStR). In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass sich die Nutzungs- oder Duldungsauflage auf den gesamten übertragenen Vermögensgegenstand bezieht. Da der Schenkungsteuer nur der unentgeltliche Teil der Zuwendung unterliegt, kann ausschließlich der darauf entfallende Anteil am Kapitalwert abgezogen werden. Dabei bemisst sich dieser Anteil nach dem Verhältnis der tatsächlichen Bereicherung des Bedachten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers. Vorgehensweise: 1. Schritt 2. Schritt: 3. Schritt:

39

Ermittlung des Steuerwertes der unentgeltlichen Bereicherung ohne Berücksichtigung der Nutzungs- oder Duldungsauflage, Ermittlung des anteiligen abzugsfähigen Steuerwertes der Nutzungs- oder Duldungsauflage, Abzug des Steuerwertes der Nutzungs- oder Duldungsauflage vom Steuerwert der unentgeltlichen Bereicherung (Schritt 1 ./. Schritt 2).

Gegen dieses Abzugverbot bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.; Vgl. BVerfG v. 15.05.1984, 1-BvR-464/81, BStBl. II 1984, S. 608; BFH v. 27.10.1982, II-R-42/77, BStBl. II 1983, S. 45.

232

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Schenkung unter Auflage: Mischfall Forrest Gump schenkt seiner Freundin Jenny ein Grundstück (Verkehrswert 800.000 €, steuerlicher Wert 500.000 €), das mit einem lebenslangen Wohnrecht zugunsten seiner Mutter (Kapitalwert des Wohnrechts 100.000 €) belastet ist. Auf dem Grundstück lastet eine Hypothek i.H.v. 200.000 €, die Jenny übernimmt.

Lösung

Es handelt sich sowohl um einen Erwerb unter Nutzungsauflage, da Jenny mit dem Wohnrecht der Mutter belastet ist, als auch um einen Erwerb unter Leistungsauflage, da Jenny die Hypothek (200.000 €), die auf das Grundstück eingetragen ist, übernimmt. 1. Schritt: Der Steuerwert der unentgeltlichen Zuwendung ist ohne Berücksichtigung des Wohnrechts zu berechnen. Jenny wird unter Berücksichtigung der Hypothek zu sechs Achtel dem Verkehrswert nach bereichert. Da Steuerwerte für die Besteuerung maßgeblich sind, ist der Anteil der Bereicherung in seinen Steuerwert umzurechnen: Steuerwert der 6 Steuerwert der tatsächlichen = x gesamten Schenkung 8 Bereicherung 6 500.000 € x = 375.000 € 8 2. Schritt: Der Kapitalwert des Nutzungsrechts kann nur insoweit vom Steuerwert der Zuwendung abgezogen werden, als er auf den unentgeltlichen Vorgang i.H.v. sechs Achtel entfällt. 6 100.000 € x = 75.000 € 8 3. Schritt: Diese 75.000 € sind als Kapitalwert des Nutzungsrechts abziehbar. Somit ergibt sich: Schenkungsteuerliche Steuerwert der Anteiliger Kapitalwert = ./. Bemessungsgrundlage Zuwendung des Nutzungsrechts 300.000 €

=

375.000 €

./.

Jenny hat 300.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

75.000 €

Steuerpflicht

233

4.1.2.5 Mittelbare Schenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Die mittelbare Schenkung ist von der unmittelbaren Schenkung zu unterscheiden. Während bei der unmittelbaren Schenkung ein und derselbe Vermögensgegenstand, um den der Schenker entreichert wird auf den Beschenkten übergeht, ist bei der mittelbaren Schenkung der Gegenstand der Bereicherung nicht identisch mit dem aus dem Vermögen des Schenkers stammenden Gegenstand. Das heißt, „Bereicherungsgegenstand“ des Bedachten und „Entreicherungsgegenstand“ des Zuwendenden sind bei der mittelbaren Schenkung unterschiedlich. Schenkung

Unmittelbare Schenkung

Mittelbare Schenkung

BereicherungsZuwendungsgegenstand des = gegenstand des Bedachten Schenkers

BereicherungsZuwendungsgegenstand des = gegenstand des Bedachten Schenkers

Abbildung 111: Unterscheidung unmittelbare/ mittelbare Schenkung Merke: Eine Unmittelbare Schenkung liegt vor, sofern ein und derselbe Vermögensgegenstand den Schenker entreichert und den Beschenkten bereichert. Die Entscheidung der Frage nach dem Zuwendungs- bzw. Bereicherungsgegenstand der Schenkung ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Entscheidend dabei ist, was dem Bedachten nach dem Willen des Zuwendenden verschafft werden soll und worüber der Bedachte tatsächlich und rechtlich endgültig verfügen kann.40 Wird ein Geldbetrag (unmittelbar) verschenkt, um damit irgendein noch nicht näher bezeichnetes Grundstück zu erwerben – sei es in Höhe der vollen oder eines Teils der Anschaffungskosten – liegt eine Geldschenkung unter einer Auflage vor. Entsprechendes gilt, sofern der Zuwendende den Beschenkten lediglich verpflichtet, auf einem diesem gehörenden Grundstück nach eigenen Vorstellungen ein Gebäude zu errichten bzw. den Geldbetrag für die Errichtung eines Gebäudes i.S. eines Baukostenzuschusses zu verwenden. Bei Ausführung der Zuwendung darf noch kein konkretes Bauvorhaben, belegt durch z.B. eine Bauvoranfrage, einen Kostenvoranschlag oder einen Finanzierungsplan, ersichtlich sein. Da

40

Vgl. BFH v. 26.09.1990, II-R-50/88, BStBl. II 1991, S. 32.

234

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

hier eine Geldschenkung unter Auflage ausgeführt wird, unterliegt der volle Geldbetrag mit seinem Nominalwert der Schenkungsteuer (R 16 Abs. 2 ErbStR).

Unmittelbare Geldschenkung Der vermögende René schenkt seinem Neffen Tobias 500.000 € unter der Auflage, mit diesem Geld ein Einfamilienhaus zu erwerben. Die Suche nach einem geeigneten Grundstück ist Tobias dabei selbst überlassen. Die Auflage bezeichnet kein vorher festgelegtes Grundstück, sondern ist zur freien Verfügung, um irgendein Grundstück käuflich zu erwerben. Es handelt es sich demnach um eine freigebige Zuwendung eines Geldbetrages. Die Geldschenkung unterliegt mit ihrem Nominalwert (500.000 €) der Schenkungsteuer (R 16 Abs. 2 ErbStR).

Als mittelbare Schenkung ist in der Praxis die mittelbare Grundstücksschenkung zu finden. Hierbei erhält der Begünstigte einen Geldbetrag zum Erwerb eines bestimmten Grundstücks oder zur Errichtung eines bestimmten Gebäudes (mittelbar) und darf über diesen Geldbetrag nicht anders verfügen. Dies gilt auch, sofern nicht die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vom Zuwendenden getragen werden. In solchen Fällen kann eine Schenkung des dem hingegebenen Geldbetrag entsprechenden Teils des Grundstücks oder Gebäudes vorliegen. Dabei muss der Geldbetrag grundsätzlich bereits bis zu dem Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks oder des Beginns der Baumaßnahme vom Schenker zugesagt sein. Besteht jedoch die Möglichkeit der Steuerbehörde nachzuweisen, insbesondere durch eine schriftliche Erklärung, dass zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs oder des Baubeginns eine Zusage zur Übernahme der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestand, kann eine Zahlung des vereinbarten Geldbetrages auch nachträglich erfolgen. Dabei muss zwischen der Bereitstellung des Geldbetrages und seiner bestimmungsgemäßen Verwendung ein zeitlich enger Zusammenhang bestehen (R 16 Abs. 1 ErbStR). Zuwendender

Begünstigter Zweckgebundener Geldbetrag

eigentlicher Grundstückskauf bzw. Gebäudeherstellung

Abbildung 112: Mittelbare Grundstücksschenkung

f au sk lung k tüc el dsherst n u Gräude b Ge

Steuerpflicht

235

Beispiel I

In diesen Fällen ist das Grundstück Gegenstand der freigebigen Zuwendung. Der Beschenkte hat keine uneingeschränkte Verfügungsmacht über das zweckgebundene Geld. Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage ergibt sich daher aus dem Steuerwert des dem Bedachten zukommenden Teil des Grundstücks oder Gebäudes.

Mittelbare Grundstücksschenkung I René schenkt Tobias 500.000 € mit der Auflage, das Haus „Am Berg 10“ in „12559 Berlin“ (Verkehrswert 500.000 €, Steuerwert 400.000 €) zu kaufen.

Beispiel II

Tobias erhält den Geldbetrag mit der Auflage, ein bestimmtes Grundstück käuflich zu erwerben. Demnach handelt es sich um eine mittelbare Grundstücksschenkung (R 16 Abs. 1 ErbStR). Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage ergibt sich aus dem Steuerwert des Grundstücks. Demnach hat Tobias 400.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen.

Mittelbare Grundstücksschenkung II René schenkt Tobias 300.000 € mit der Auflage, das Haus „Am Berg 10“ in „12559 Berlin“ (Verkehrswert 500.000 €, Steuerwert 400.000 €) zu kaufen. Es handelt sich ebenfalls um eine mittelbare Grundstücksschenkung (R 16 Abs. 1 ErbStR). Der Schenkungsteuer unterliegt in diesem Fall nur der unentgeltlich erworbene Teil des Grundstücks. Tobias muss für den Kauf des Grundstücks 500.000 € aufwenden, hat jedoch lediglich 300.000 € von René erhalten. Demnach wurde ihm drei Fünftel des Kaufpreises schenkweise zugewendet. Die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage errechnet sich demnach aus drei Fünftel (hat Tobias unentgeltlich erworben) multipliziert mit dem Steuerwert des Grundstücks i.H.v. 400.000 €. 240.000 € = 400.000 € x

3 5

Somit hat Tobias 240.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen. Abgrenzungsmerkmal zwischen unmittelbarer Geldschenkung und mittelbarer Grundstücksschenkung ist demnach, ob in der Schenkungsabrede ein bestimmtes Objekt als Anschaffungs- oder Herstellungsgegenstand festgeschrieben wurde.

236

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Merke: Eine mittelbare Grundstückschenkung liegt vor, sofern dem Beschenkten ein Geldbetrag zur Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten, vorher festgelegten Grundstücks zur Verfügung steht.

Keine freie Verfügung über den Geldbetrag

Freie Verfügung über den Geldbetrag

in der Schenkungsabrede wurde ein bestimmtes Objekt als Zuwendung festgeschrieben

in der Schenkungsabrede wurde irgendein noch nicht näher bezeichnetes Objekt als Zuwendung bestimmt

mittelbare Grundstücksschenkung

unmittelbare Geldschenkung

Bemessungsgrundlage: Steuerwert des Grundstücks

Bemessungsgrundlage: Nominalwert der Geldschenkung

Abbildung 113: Mittelbare Grundstücksschenkung/ unmittelbare Geldschenkung

Beispiel

Der Umstand, dass Verkehrswert und Steuerwert bei Grundstücken auseinanderfallen, lässt Raum für Steuergestaltungen. Da sich die steuerliche Bemessungsgrundlage bei einer mittelbaren Grundstücksschenkung auf den Steuerwert eines Grundstücks bezieht, der bei einem Kauf zu zahlende Verkehrswert jedoch wesentlich höher liegt, ist es steuerlich von Vorteil, einen Geldbetrag durch mittelbare Grundstücksschenkung zu übertragen. Der Zuwendungsempfänger wird dem Verkehrswert nach bereichert, da er einen den Kaufpreis eines Grundstücks entsprechenden Geldbetrag erhält. Die Besteuerung der Schenkung erfolgt jedoch auf Grundlage des Steuerwertes des Grundstücks.

Vergleich unmittelbare Geldschenkung – mittelbare Grundstücksschenkung Bei Vergleich der Beispiele zur unmittelbaren Geldschenkung und zur mittelbaren Grundstücksschenkung I wird ersichtlich, dass im ersten Fall der gesamte Geldbetrag i.H.v. 500.000 € der Schenkungsteuer unterliegt. Bei der mittelbaren Grundstückschenkung I erhält Tobias ebenfalls 500.000 € für ein Grundstück. Die für die Schenkungsteuer maßgebliche Besteuerungsgrundlage bezieht sich hier jedoch auf den Steuerwert des Grundstücks i.H.v. 400.000 €. Demnach ist es steuerlich von Vorteil, mittelbar ein Grundstück zu übertragen.

Steuerpflicht

237

Beispiel III

Wird nur ein unbedeutender Teil der im Übrigen vom Begünstigten aufgebrachten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vom Schenker übernommen, ist i.d.R. davon auszugehen, dass der Schenker lediglich einen Geldzuschuss zu einem vom Beschenkten in vollem Umfang für eigene Rechnung erworbenen Grundstück oder errichteten Gebäude geleistet hat. Dabei ist grundsätzlich ein Anteil bis etwa 10 % des im Übrigen vom Beschenkten aufgebrachten Kaufpreis als unbedeutend anzusehen. Somit ist der Geldbetrag eine freigebige Zuwendung (R 16 Abs. 3 ErbStR).

Mittelbare Grundstücksschenkung III René schenkt Tobias 20.000 € unter der Auflage, das Grundstück „Am Berg 10“ in „12559 Berlin“ (Kaufpreis 500.000 €) zu erwerben. In diesem Fall handelt es sich um eine unmittelbare Geldschenkung. Zwar ist ein bestimmtes Grundstück in der Schenkungsabrede bestimmt, der durch Schenkung übertragene Geldbetrag beläuft sich jedoch lediglich auf unter 10 % des Kaufpreises und ist somit als unbedeutend anzusehen. Tobias hat den Geldzuschuss i.H.v. 20.000 € der Schenkungsteuer zu unterwerfen (R 16 Abs. 3 ErbStR).

4.1.2.6 Einzelfälle der Schenkung unter Lebenden § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis 10 ErbStG Die steuerpflichtigen Erwerbsvorgänge der § 7 Abs. 1 Nr. 2 bis 10 ErbStG können auch als freigebige Zuwendungen i.S.d. Grundtatbestandes angesehen werden. Ihre Aufzählung dient in erster Linie der Rechtssicherheit.

4.1.2.6.1

Erwerb infolge der Vollziehung einer Auflage oder Erfüllung einer Bedingung – § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was infolge der Vollziehung einer vom Schenker angeordneten Auflage oder infolge Erfüllung einer einem Rechtsgeschäft unter Lebenden beigefügten Bedingung ohne entsprechende Gegenleistung erlangt wird, es sei denn, dass eine einheitliche Zweckzuwendung vorliegt. Falls die Auflage oder Bedingung des Schenkers eine Zweckzuwendung darstellt, entsteht die Steuer nach § 8 ErbStG. Demgegenüber unterliegt der vom Zuwendenden unter Auflage oder Bedingung Beschenkte („Ersterwerber“) der Besteuerung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Der Auflagenbegünstigte („Zweiterwerber“) ist jedoch mit dem vom Ersterwerber zugewendeten Vermögensgegenstand steuerpflichtig nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.

238

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Maßgebend für die Besteuerung des Zweiterwerbers ist dabei das Verhältnis zum ursprünglichen Schenker, der die Auflage angeordnet hat.41

Schenker

Zweckzuwendung

Schenkung unter Auflage

Begünstigter

Begünstigter „Ersterwerber“

§ 8 ErbStG

§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Weitergabe der Auflage

Begünstigter „Zweiterwerber“ § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

Abbildung 114: Auflagenschenkung

Beispiel

Es besteht in der Regel kein eigenständiger Rechtsanspruch des auflagenbegünstigten Zweiterwerbers gegen den beschenkten Ersterwerber. Die Bereicherung fällt daher erst mit Auflagenerfüllung des Ersterwerbers an, und die Steuer entsteht demgemäß auch erst zu diesem Zeitpunkt (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

Erwerb aufgrund einer Auflage Vater Georg überträgt ein Grundstück auf seinen Sohn Franz mit der Auflage, dass Franz seiner Schwester Justine ein Gleichstellungsgeld i.H.v. 100.000 € zahlt. Justine ist Auflagenbegünstigte und muss das Gleichstellungsgeld als Erwerb aufgrund einer Auflage (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu ihrem Vater (nicht zu ihrem Bruder) versteuern. Die Steuer entsteht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG jedoch erst im Moment der Zahlung des Geldbetrages durch Franz.

41

Vgl. BFH v. 17.02.1993, II-R-72/90, BStBl. II 1993, S. 523.

Steuerpflicht

4.1.2.6.2

239

Erwerb im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Schenkung – § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG

Als Schenkung unter Lebenden gilt gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch, was jemand dadurch erlangt, dass bei Genehmigung einer Schenkung Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden. Die Regelung ist die Parallelvorschrift zu § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG. Das heißt, die Erläuterungen zu § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG gelten entsprechend.

4.1.2.6.3

Bereicherung nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft – § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

Die Frage nach der Zugehörigkeit des in die Ehe eingebrachten oder während der Ehe erworbenen Vermögens durch die Ehegatten wird durch die Vorschriften des BGB über die Güterstände geregelt. Dabei können Ehegatten zwischen verschiedenen Güterständen wählen. Durch notariellen Ehevertrag ist es möglich, Gütergemeinschaft oder Gütertrennung zu vereinbaren. Wird kein Ehevertrag geschlossen, leben die Ehegatten kraft Gesetzes im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Güterstände von Ehegatten

Gütertrennung § 1414 BGB vertraglicher Güterstand („Anti-Güterstand“)

Gütergemeinschaft §§ 1415 ff. BGB vertraglicher Güterstand

Zugewinngemeinschaft §§ 1363 ff. BGB gesetzlicher Güterstand

Abbildung 115: Güterstände von Ehegatten Vereinbaren Ehegatten durch Ehevertrag Gütergemeinschaft i.S.d. §§ 1415 ff. BGB, wird aus dem Vermögen des Mannes und der Frau gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut i.S.d. § 1416 BGB). Dazu gehört auch, was der Mann oder die Frau während des Bestehens der Gütergemeinschaft erwirbt. Dabei sind Sondergut (§ 1417 BGB) und Vorbehaltsgut (§ 1418 BGB) von dem Gesamtgut ausgeschlossen. Das Sondergut umfasst Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können (§ 1417 Abs. 2 BGB): x Nießbrauchsrechte, x unpfändbare Gehalts- und Rententeile, x Schmerzensgeld, x Anteile an Personengesellschaften.

240

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Unter das Vorbehaltsgut fallen Gegenstände, die: x durch Ehevertrag hierzu erklärt werden, x ein Ehegatte von Todes wegen oder durch unentgeltliche Zuwendung Dritter mit der ausdrücklichen Bestimmung erwirbt, dass sie in das Vorbehaltsgut fallen sollen, x ein Ehegatte auf Grund eines zu seinem Vorbehaltsgut gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zum Vorbehaltsgut gehörenden Gegenstandes oder durch ein Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vorbehaltsgut bezieht (§ 1418 Abs. 2 BGB). Demnach sind maximal fünf verschiedene Vermögensmassen im Güterstand der Gütergemeinschaft denkbar.

Güter der Gütergemeinschaft

Vorbehaltsgut

Sondergut

Gesamtgut

Sondergut

Vorbehaltsgut

Abbildung 116: Güter der Gütergemeinschaft Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt die aufgrund des Güterrechtsvertrages eintretende Bereicherung des weniger vermögenden Ehegatten der Schenkungsteuer. Nicht der Schenkungsteuer unterliegt jedoch die Mehrung des Gesamtgutes während des Bestehens des Güterstandes der Gütergemeinschaft. Merke: Die nur vertraglich herbeizuführende Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) führt stets zum Anfall der Schenkungsteuer, sofern ein Ehegatte weniger „einbringt“ (Freibeträge vorbehalten). Bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft zu einem späteren Zeitpunkt als dem Zeitpunkt der Eheschließung, ist gem. R 19 Abs. 2 ErbStR davon auszugehen, dass der bereicherte Ehegatte seinen Zugewinnausgleichsanspruch mit in die Gütergemeinschaft einbringt.

Steuerpflicht

241

Vermögen Mann

Vermögen Frau

Vereinbarung der Gütergemeinschaft

Gesamtgut - kein Sondergut - kein Vorbehaltsgut

9 Besteuerung der unmittelbaren Bereicherung des weniger vermögenden Ehegatten (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) 9 keine Besteuerung der Mehrung des Gesamtgutes während des Bestehens der Gütergemeinschaft

Abbildung 117: Besteuerung nach Vereinbarung der Gütergemeinschaft

Beispiel 1

Bereicherung aufgrund Vereinbarung einer Gütergemeinschaft Peter und Ramona Klausen vereinbaren den Güterstand der Gütergemeinschaft, wobei Peter 800.000 € in bar und Ramona ein Grundstück (Verkehrswert 1.000.000 €, Steuerwert 600.000 €) in das Gesamtgut einbringt.

Lösung

Die Bereicherung ermittelt sich aus dem Wert des Vermögens der Ehegatten vor Vereinbarung der Gütergemeinschaft gegenüber dem Wert des Anteils eines jeden Ehegatten an dem Gesamtgut. Die Besteuerung richtet sich dabei nach den Steuerwerten.

Die Bereicherung richtet sich nach den Verkehrswerten der Vermögenswerte, die in das Gesamtgut eingelegt wurden. In diesem Beispiel hat das Gesamtgut einen Wert von: Verkehrswert Gesamtgut

=

1.800.000 €

=

Verkehrswert + Vermögen Peter 800.000 €

+

Verkehrswert Vermögen Ramona 1.000.000 €

Der hälftige Anteil jedes Ehegatten beläuft sich auf 900.000 €. Da das Vermögen von Peter 800.000 € betrug, ergibt sich für ihn durch Vereinbarung der Gütergemeinschaft eine objektive Bereicherung von 100.000 €.

242

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG Die Besteuerung richtet sich jedoch nach den Steuerwerten: Steuerwert Gesamtgut

=

1.400.000 €

=

Steuerwert + Vermögen Peter 800.000 €

Steuerwert Vermögen Ramona

+

600.000 €

Jeder Ehegatte ist zur Hälfte an dem Gesamtgut i.H.v. 700.000 € beteiligt. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich aus: BesteuerungsAnteil am = ./. grundlage Gesamtgut Peter - 100.000 €

=

700.000 €

Eigene Leistung Peter

./.

800.000 €

Demzufolge ist Peter nach Steuerwerten nicht bereichert.

Beispiel 2

Da Sondergut und Vorbehaltsgut nicht zum Gesamtgut gehören, kann Schenkungsteuer vermieden werden, indem der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Ausgleichsforderung zu seinem Vorbehaltsgut erklärt. Der andere Ehegatte kann somit nicht bereichert werden und es fällt keine Schenkungsteuer an. Bereicherung aufgrund Vereinbarung einer Gütergemeinschaft Fall wie Beispiel 1: Ramona ist außerdem Gesellschafterin der „Wolle-OHG“. Die Beteiligung von Ramona an der „Wolle-OHG“ gehört zu ihrem Sondergut, da die Ansprüche, die sie als Gesellschafterin aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehen, nicht übertragbar sind (§ 105 Abs. 3 HGB, § 717 BGB).

Beispiel 3

Die Lösung ist der in Beispiel 1 gleich. Bereicherung aufgrund Vereinbarung einer Gütergemeinschaft Fall wie Beispiel 1: In ihrem Ehevertrag erklären die Ehegatten eine Peter gehörende äußerst wertvolle Bestecksammlung zu dessen Vorbehaltsgut. Da die Bestecksammlung durch den Ehevertrag zum Vorbehaltsgut von Peter erklärt wurde, gehört diese nicht zum Gesamtgut. Sie findet demnach auch keine Berücksichtigung in der Berechnung der Bereicherung aufgrund Vereinbarung der Gütergemeinschaft. Die Lösung ist der in Beispiel 1 gleich.

Steuerpflicht

243

Beispiel 4

Bereicherung aufgrund Vereinbarung einer Gütergemeinschaft Fall wie Beispiel 1: In ihrem Ehevertrag erklären die Ehegatten das Grundstück (Verkehrswert 1.000.000 €, Steuerwert 600.000 €) zu Ramonas Vorbehaltsgut.

Lösung

Wird bei Abschluss des Ehevertrages nicht die Ausgleichsforderung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu seinem Vorbehaltsgut erklärt, sondern irgendein Vermögensgegenstand, kann dies erhebliche schenkungsteuerliche Auswirkungen haben. Daher ist es ratsam, vor Abschluss eines Ehevertrages die steuerlichen Konsequenzen zu prüfen.

Da das Grundstück durch den Ehevertrag zum Vorbehaltsgut von Ramona erklärt wurde, gehört dieses nicht zum Gesamtgut. Es findet demnach auch keine Berücksichtigung in der Berechnung der Bereicherung. Die Bereicherung richtet sich nach den Verkehrswerten der Vermögenswerte, die in das Gesamtgut eingelegt wurden. In diesem Fall hat das Gesamtgut einen Wert von: Verkehrswert Gesamtgut

=

800.000 €

=

Verkehrswert + Vermögen Peter 800.000 €

+

Verkehrswert Vermögen Ramona 0€

Der hälftige Anteil jedes Ehegatten beläuft sich auf 400.000 €. Da das Vermögen von Ramona 0 € betrug, ergibt sich für sie durch Vereinbarung der Gütergemeinschaft eine objektive Bereicherung von 400.000 €. Die Besteuerung richtet sich jedoch nach den Steuerwerten. In diesem Fall sind Verkehrswert und Steuerwert des Gesamtgutes gleich, da das Gesamtgut lediglich aus Barvermögen besteht. Demzufolge ist Ramona um 400.000 € bereichert und hat diese der Schenkungsteuer zu unterwerfen. Die Gütergemeinschaft endet durch Vereinbarung eines anderen Güterstandes. Wird sie durch Auflösung der Ehe, Auflösung des Ehevertrages oder Aufhebungsurteil (§§ 1469, 1470 BGB) beendet, erfolgt eine Vermögensauseinandersetzung (§ 1471 BGB) zwischen den Ehegatten. Nach Abzug der Gesamtgutsverbindlichkeiten (§ 1475 BGB) wird der Überschuss hälftig unter den Ehegatten verteilt (§ 1476 BGB). Sofern es sich um eine Scheidung handelt, wird das in die Gütergemeinschaft eingebrachte Vermögen erstattet (§ 1478 BGB).

244

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.2.6.4

Abfindung für einen Erbverzicht – § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG

Verzichtet der gesetzliche oder testamentarisch bestimmte Erbe durch notariellen Vertrag (§ 2348 BGB) auf sein Erbrecht (§§ 2346 Abs. 1 Satz 1, 2352 BGB), ist er von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und hat seinen Anspruch auf einen Pflichtteil (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB) verwirkt. Gem. § 2346 Abs. 2 BGB kann ein solcher Verzicht jedoch auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Ein Erbverzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Bei Erbverzicht unter Abfindung (entgeltlich) muss derjenige, der die Abfindung gewährt, nicht zwangsläufig der Erblasser sein. Lediglich die Erbverzichtserklärung ist mit dem Erblasser zu schließen. Eine Abfindung zu Lebzeiten des Erblassers unterliegt der Schenkung unter Lebenden nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Kommt die Abfindung jedoch erst nach dem Tod des Erblassers dem Erben zu, greift § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.

Abfindung für Erbverzicht

zu Lebzeiten § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG

nach dem Tod des Erblassers § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG

Abbildung 118: Abfindung für Erbverzicht

Beispiel

Maßgebend für die Besteuerung ist dabei das Verhältnis des Verzichtenden zum künftigen Erblasser.42 Abfindung für einen Erbverzicht Alexander Groß ist Eigentümer eines Geschäftes für Tauchzubehör. Er hat zwei Töchter und einen Sohn. Alexander möchte, dass sein Geschäft später auf seinen Sohn übergehen soll. Um den Fortbestand des Unternehmens nicht durch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Töchter zu gefährden, schließt er mit ihnen Erbverzichtsverträge. Dabei wird vereinbart, dass diese auch auf ihren Pflichtteil gegen Abfindung i.H.v. 100.000 € verzichten. Die Geldbeträge werden sofort an die Töchter ausgezahlt. Die Abfindungen der Töchter unterliegen nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG der Schenkungsteuer. Für die Besteuerung ist das Verhältnis jeder Tochter zu ihrem Vater maßgeblich.

42

Vgl. BFH v. 25.05.1977, II-R-136/73, BStBl. II 1977, S. 733.

Steuerpflicht

4.1.2.6.5

245

Abfindung bei vorzeitigem Erbausgleich – § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG

Nichteheliche Kinder hatten bis zum Inkrafttreten des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes vom 16.12.199743 gem. § 1934 Bst. d BGB nach Vollendung des 21. und vor Vollendung des 27. Lebensjahres einen Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich in Geld gegen ihren Vater.

Beispiel

Aufgrund des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes wird mit Wirkung vom 01.04.1998 ein nach dem 01.07.1949 geborenes nichteheliches Kind einem ehelichen Kind (Streichung der §§ 1934 Bst. a bis 1934 Bst. e BGB) gleichgestellt. § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG ist, wie § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG – Erwerb auf Grund Erbersatzanspruch – demnach nur noch für Altfälle maßgeblich. Abfindung bei vorzeitigem Erbausgleich I Helmut Lackmeiers nichtehelicher Sohn Tobias wurde am 30.04.1972 geboren. Er verlangte am 1.7.1995 nach § 1934 Bst. d BGB einen vorzeitigen Erbausgleich in Geld von seinem Vater.

Beispiel

Da Tobias am 1.7.1995 23 Jahre alt war, konnte er von seinem Vater einen vorzeitigen Erbausgleich in Geld verlangen. Der Ausgleichsbetrag belief sich dabei auf den dreifachen Jahresunterhaltsbetrag. Diesen Geldbetrag hatte Tobias der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG zu unterwerfen. Abfindung bei vorzeitigem Erbausgleich II Helmut Lackmeiers nichtehelicher Sohn Tobias wurde am 30.04.1977 geboren. Er verlangte am 1.7.2000 einen vorzeitigen Erbausgleich in Geld von seinem Vater. Durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 16.12.1997 wurden nichteheliche Kinder mit Wirkung vom 01.04.1998 ehelichen Kindern gleichgestellt. Daher war Tobias nicht mehr berechtigt einen vorzeitigen Erbausgleich von seinem Vater zu verlangen. Statt dessen ist er gleichberechtigter Erbe seines Vaters.

4.1.2.6.6

Vorzeitiger Erwerb vom Vorerben – § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG

Der Erblasser hat die Möglichkeit, eine Vor- und Nacherbschaft anzuordnen. Dabei erhält der Nacherbe, beginnend mit dem Erbfall (Tod des ursprünglich Zuwendenden), eine Anwartschaft auf die Nacherbschaft. Der Erwerb der Nacherbschaft durch Tod des Vorerben (Eintritt des Nacherbfalls) ist ein Erwerb von Todes wegen. Wird dem Nacherben jedoch vor Eintritt des Nacherbfalls Vermögen des Erblassers durch den Vorerben übertragen,

43

Vgl. BGBl. I 1997, S. 2968.

246

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

handelt es sich um einen nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG schenkungsteuerpflichtigen Vorgang.

Vorerbe Vorerbschaft

Erbschaft

Vorzeitiger Erwerb vom Vorerben (steuerpflichtig § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) Nacherbe Nacherbschaft Anwartschaft auf Nacherbschaft

Anordnung des Erblassers

Tod des Erblassers

Übereignung von Erblasservermögen vom Vorerben auf den Nacherben

Erbschaft aufgrund Nacherbanwartschaft

Tod des Vorerben (Eintritt Nacherbfall)

Zeit

Abbildung 119: Vorzeitiger Erwerb vom Vorerben Gem. § 7 Abs. 2 ErbStG ist der Versteuerung auf Antrag nicht das Verhältnis des Nacherben zum Vorerben, sondern das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. Merke: Damit bei der Besteuerung nicht das Verhältnis des Nacherben zum Vorerben sondern das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde gelegt wird, ist ein Antrag beim zuständigen Finanzamt zu stellen. Eine besondere steuerliche Gestaltungsmöglichkeit im Zusammenhang mit einer Vor- und Nacherbschaft stellt ein wechselbezügliches Ehegattentestament dar. Dabei ist das „Berliner Testament“ (§ 2269 BGB) eine gebräuchliche Form der familiären Erbregelung. Es ist gekennzeichnet durch gegenseitiges Einsetzen der Ehegatten als Erben (Vorerben) mit der Festlegung, dass der beiderseitige Nachlass mit dem Tod des Letztversterbenden an die gemeinsamen Kinder fallen soll (Nacherben). Entsprechend § 2269 Abs. 1 BGB ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Kinder Schlusserben für den gesamten Nachlass sind.

Steuerpflicht

247

Vorerbe

gegenseitiges Einsetzen als Erben

mit dem Tod des letztversterbenden Ehegatten fällt Nachlass an Kinder

Nacherben Schlusserben

Vorerbe

Abbildung 120: Berliner Testament

Beispiel

Die Regelung des Berliner Testaments unterscheidet sich von der Vor- und Nacherbschaft dadurch, dass sich die Vermögen der Eheleute mit dem Tod des Erstversterbenden zu einer Einheit verschmelzen. Das heißt, der überlebende Ehegatte wird Alleinerbe des Vorversterbenden und die Kinder erhalten, soweit sie Schlusserben sind, bei diesem Erbfall keinen Erbteil. Die zunächst übergangenen Kinder können allerdings bereits mit dem Tod des Erstversterbenden Elternteils einen Pflichtteil verlangen. Da dies regelmäßig nicht erwünscht ist, besteht die Möglichkeit durch Festlegung einer sog. Strafklausel, dass die einen Pflichtteil geltend machenden Kinder auch im Schlusserbfall lediglich den Pflichtteil erhalten sollen (Verwirklichungsklausel). Berliner Testament Die Eheleute Björn und Jutta Großschmidt haben in ihrem Testament bestimmt, dass der überlebende Ehegatte Vollerbe des Erstversterbenden werden soll. Nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten soll das gesamte Vermögen auf den gemeinsamen Sohn Ralf übergehen. Jutta stirbt an den Folgen eines Autounfalls. Björn verstirbt ein Jahr später an den Spätfolgen des Autounfalls. Die Eheleute haben sich gegenseitig als Vorerben eingesetzt. Daher fällt Juttas Nachlass an Björn. Ralf war im Testament als Schlusserbe eingesetzt. Er erwirbt nach dem Tod seines Vaters Björn den gesamten Nachlass seiner Eltern.

248

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.2.6.7

Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäftes unter Lebenden – § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG

Wird eine Stiftung von Todes wegen mit Vermögen bedacht, unterliegt dieser Vorgang gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer. Wird die Stiftung jedoch erstmalig bei Gründung mit einer Schenkung bedacht, fällt dies unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Dabei ist der Erwerb von Vermögen bei ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Stiftungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Bst. b ErbStG steuerfrei (siehe auch Kapitel III 4.1.1.9.1). von Todes wegen

unter Lebenden

Testament Erbvertrag (§ 83 BGB)

Schriftform (§ 81 Abs. 1 BGB)

Übergang von Vermögen nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG schenkungsteuerpflichtig

Übergang von Vermögen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG erbschaftsteuerpflichtig Stiftung

9 selbständig 9 eigene Rechtspersönlichkeit 9 nicht verbandsmäßig organisiert

bei ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Stiftungen ist Vermögensübertragung nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Bst. b ErbStG steuerfrei

Abbildung 121: Übergang von Vermögen auf eine Stiftung Mit Wirkung vom 5.3.199944 ist dem Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden die Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bildung von Vermögen gerichtet ist, gleichgestellt. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG entspricht dabei dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG.

4.1.2.6.8

Abfindung bei Aufhebung einer Stiftung oder Auflösung eines Vereins – § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG

Vermögen, das durch Aufhebung einer Stiftung – es muss sich um deren völlige Aufhebung handeln – einem Bedachten zufällt, gilt als Zuwendung unter Lebenden und ist steuerpflich44

Vgl. Art. 10 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBl. I 1999, S. 402.

Steuerpflicht

249

tig gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gilt als Schenker der Stifter, der das Vermögen auf die Stiftung übertragen hat, obwohl der Vermögenstransfer zwischen der Stiftung und dem Anfallsberechtigten stattfindet. Maßgeblich für die Besteuerung ist demnach auch das Verhältnis zwischen dem Schenker und der jeweils anfallsberechtigten Person. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unterwirft der Schenkungsteuer auch Vermögen, das durch Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet war, erworben wird. Dabei werden ausschließlich Erwerbe der Vereinsmitglieder selbst erfasst, sofern sie nach § 45 Abs. 1 BGB kraft satzungsmäßiger Bestimmung oder aufgrund des § 45 Abs. 3 BGB zu gleichen Teilen anfallsberechtigt sind. Demgegenüber unterliegt die Vermögensübergang bei Liquidation auf anfallsberechtigte Personen, die keine Vereinsmitglieder sind, nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Besteuerung.45 Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 wurde mit Wirkung vom 5.3.199946 der Erwerb bei Aufhebung einer Stiftung bzw. Auflösung eines auf die Bindung von Vermögen gerichteten Vereins einem Erwerb durch Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb von Zwischenberechtigten während des Bestehens der Vermögensmasse, gleichgestellt (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG). Die Regelung steht dabei im Kontext mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG.

4.1.2.6.9

Abfindung für aufschiebend bedingte Ansprüche – § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG

Die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG ist eine Parallelvorschrift zu § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG (siehe Kapitel III 4.1.1.9.5). Soweit es sich nicht um Erwerbe von Todes wegen handelt, gilt als steuerbare Schenkung, was als Abfindung für: x aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB), x befristet (§ 163 BGB) oder x betagt (die Fälligkeit ist aufgehoben) erworbene Ansprüche vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung oder des Ereignisses gewährt wird.

45

Vgl. BFH v. 14.06.1995, II-R-92/92, BStBl. II 1995, S. 609.

46

Vgl. BGBl. I 1999, S. 402.

250

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

4.1.2.7 Sondertatbestände zur Gesellschafternachfolge unter Lebenden – § 7 Abs. 5 bis 7 ErbStG 4.1.2.7.1

Schenkungen von Personengesellschaftsanteilen mit Buchwertklauseln – § 7 Abs. 5 ErbStG

Soweit Gegenstand einer Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 1 ErbStG eine Beteiligung an einer Personengesellschaft (nicht Kapitalgesellschaft, nicht typisch stille Beteiligung nach § 230 HGB) ist, kann der neue Gesellschafter bei seinem späteren Ausscheiden oder bei Auflösung der Gesellschaft mit: x dem Verkehrswert, x dem Steuerwert, x dem Buchwert oder x einem Mittelwert der Beteiligung abgefunden werden. Eine Abfindungsklausel unter dem Buchwert hat dabei i.d.R. den Charakter eines „sittenwidrigen Rechtsgeschäfts“ (§ 138 BGB) und ist dementsprechend nichtig. Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung, dass der neue Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft oder bei seinem vorherigen Ausscheiden nur den Buchwert seines Kapitalanteils verlangen kann (sog. Buchwertklausel), wird als Bemessungsgrundlage für die Schenkung trotz der Buchwertklausel der volle Steuerwert der Beteiligung angesetzt. Die Einschränkung, dass der Gesellschafter bei dessen Ausscheiden objektiv nur mit dem Buchwert seines Kapitalkonto abgefunden wird, findet daher zunächst keine Berücksichtigung. Der über den Wert des Kapitalkontos hinausgehende Teil des Steuerwertes gilt jedoch als auflösend bedingt erworben i.S.d. § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG. Im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bedachten aus der Gesellschaft oder bei Auflösung der Gesellschaft, kann die Berichtigung der früheren Steuerfestsetzung unter Ansatz des Buchwertes seines Kapitalanteils als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer beantragt werden. Der erforderliche Antrag ist dabei bis zum Ablauf desjenigen Jahres zu stellen, das auf den Bedingungseintritt folgt (§ 5 Abs. 2 BewG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Auf die Identität zwischen den stillen Reserven zum Zeitpunkt der Schenkung und den stillen Reserven zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beschenkten kommt es nicht an (H 20 ErbStH).

Steuerpflicht

251

Eintritt des Neugesellschafters Austritt des Neugesellschafters Personengesellschaft unter Buchwertklausel oder Auflösung der Gesellschaft

Steuerwert ./. Buchwert = Unterschiedsbetrag

auf Antrag Erstattung der Steuer auf den Unterschiedsbetrag (§ 5 Abs. 2 BewG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO)

auflösend bedingt erworben (§ 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG) tatsächliche Bereicherung Bemessungsgrundlage korrigierte ./. Erstattung = für Schenkungsteuer Schenkungsteuer

Abbildung 122: Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit Buchwertklausel Merke: Die Buchwertabfindung wird im Zeitpunkt der Schenkung nicht berücksichtigt. Das heißt, auch die enthaltenen stillen Reserven werden zunächst besteuert. Erst wenn tatsächlich der Abfindungsfall eintritt, wird die Versteuerung der stillen Reserven auf Antrag rückgängig gemacht. Der Unterschiedsbetrag zwischen Steuerwert und Buchwert im Zeitpunkt der Schenkung wird erstattet.

Beispiel

Merke: Das Ausscheiden des Gesellschafters oder die Auflösung der Gesellschaft unter Buchwertabfindung stellt gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ein „rückwirkendes Ereignis“ dar. Daher können die im Zeitpunkt der Schenkung ergangenen Bescheide rückwirkend geändert werden.

Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit Buchwertklausel I Die Eheleute Heike und Alexander Meier sind Gesellschafter der „Fahrrad – Meier KG“. Da sie keine Nachkommen haben, schenken sie ihrem Neffen Matthias einen Kommanditanteil. In den bei dieser Gelegenheit geänderten Gesellschaftsvertrag nehmen die Altgesellschafter auf, dass Matthias sowohl bei Ausscheiden infolge Kündi-

252

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG gung als auch bei Auflösung der Gesellschaft lediglich den Buchwert seines Kapitalkontos erhalten soll (Buchwertklausel). Buchwert im Zeitpunkt der Schenkung Steuerwert im Zeitpunkt der Schenkung

500.000 700.000

€ €

Matthias erhält einen Gesellschaftsanteil mit 700.000 € Steuerwert und muss diesen der Schenkungsteuer unterwerfen. Er ist jedoch lediglich mit 500.000 € am Kapital der Gesellschaft beteiligt. Daraus ergibt sich ein Unterschiedsbetrag i.H.v.: Steuerwert des Anteils ./. Buchwert des Anteils = Unterschiedsbetrag

700.000 500.000 200.000

€ € €

Dieser über den Wert des Kapitalkontos hinausgehende Teil des Steuerwertes (200.000 €) gilt als auflösend bedingt erworben i.S.d. § 7 Abs. 5 Satz 2 ErbStG. Matthias will aus der „Fahrrad – Meier KG“ aussteigen, um Geld zum Einstieg in ein Motorradgeschäft zu haben. Steuerwert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft Buchwert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft (Abfindung)

1.300.000



800.000



Durch die im Gesellschaftervertrag festgeschriebene Buchwertklausel hat Matthias lediglich Anspruch auf den Buchwert seines Kapitalkontos i.H.v. 800.000 €. Matthias hat die Möglichkeit im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft, eine Berichtigung der früheren Steuerfestsetzung nach § 5 Abs. 2 BewG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu beantragen. Dabei kann die Steuer erstattet werden, die auf 200.000 € (wurde auflösend bedingt erworben) entfällt. Sinn der auflösenden Bedingung ist die Verhinderung von Steuerumgehungen. Der Gesetzgeber möchte mit dieser Regelung sicherstellen, dass der Gesellschafter bei seinem Ausscheiden tatsächlich nur seinen Buchwert erhält. Der auflösend bedingt erworbener Teil (Unterschiedsbetrag zwischen Steuerwert und Buchwert (stille Reserven) bei Erhalt des Gesellschaftsanteils durch den Gesellschafter) kann deshalb im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters oder bei Auflösung der Gesellschaft von den zu diesem Zeitpunkt ermittelten stillen Reserven abgezogen werden, da diese ja schon der Besteuerung unterlagen.

Steuerpflicht

253

Beispiel

Liegt der Steuerwert des Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters unter dem Steuerwert im Zeitpunkt der Schenkung an den Gesellschafter, unterstellt die Finanzverwaltung, das ein Absinken des Steuerwertes durch Ausschüttung stiller Reserven an den Gesellschafter während der Zeit des Haltens der Anteile verursacht wurde. Daher kann lediglich die Steuer, die auf den Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert im Zeitpunkt der Schenkung und Steuerwert im Zeitpunkt des Ausscheidens entfällt, erstattet werden. Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit Buchwertklausel II Beispiel wie oben: Buchwert im Zeitpunkt der Schenkung Steuerwert im Zeitpunkt der Schenkung Kapitalkonto im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft (Abfindung) Steuerwert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft

500.000 700.000

€ €

550.000



600.000



Der Steuerwert des Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens von Matthias (600.000 €) ist niedriger als der Steuerwert im Zeitpunkt der Schenkung an ihn (700.000 €). Die Finanzverwaltung begründet das Absinken des Steuerwertes (100.000 €) damit, dass zwischenzeitlich stille Reserven über den Gewinnanteil an Matthias ausgeschüttet wurden. Daher kann lediglich die Steuer, die auf den Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert zum Zeitpunkt der Schenkung (500.000 €) und Steuerwert zum Zeitpunkt des Ausscheidens (600.000 €) entfällt, erstattet werden. Steuerwert des Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens ./. Buchwert im Zeitpunkt der Schenkung = Erstattungsbetrag

600.000



500.000 100.000

€ €

Matthias hat die Möglichkeit, im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Berichtigung der früheren Steuerfestsetzung nach § 5 Abs. 2 BewG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO i.H.v. 100.000 € zu beantragen. Ist der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Steuerwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters kleiner als der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Steuerwert im Zeitpunkt der Schenkung, kann lediglich die Steuer auf einen Betrag erstattet werden bis zur Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Buchwert und Steuerwert im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters.

Beispiel

254

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG Schenkung eines Personengesellschaftsanteils mit Buchwertklausel III Beispiel wie oben: Steuerwert des Anteils bei Schenkung ./. Buchwert des Anteils bei Schenkung = Unterschiedsbetrag

700.000 500.000 200.000

€ € €

Steuerwert des Anteils bei Ausscheiden ./. Buchwert des Anteils bei Ausscheiden = Unterschiedsbetrag

900.000 800.000 100.000

€ € €

Der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Steuerwert im Zeitpunkt des Ausscheidens von Matthias ist mit 100.000 € kleiner als der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Steuerwert im Zeitpunkt der Schenkung (200.000 €). Obwohl Matthias 200.000 € auflösend bedingt erworben hat, kann er auf Antrag lediglich eine Berichtigung der früheren Steuerfestsetzung i.H.v. 100.000 € beantragen. Merke: Die abweichende Besteuerung mit dem Steuerwert anstatt mit dem Buchwert im Falle einer Buchwertklausel hat den Sinn, dass die in dem Gesellschaftsanteil vorhandenen stillen Reserven ebenfalls der Besteuerung unterliegen.

4.1.2.7.2

Ausstattung von Personengesellschaftsanteilen mit überhöhten Gewinnbeteiligungen – § 7 Abs. 6 ErbStG

Wird eine Beteiligung an einer Personengesellschaft mit einer Gewinnbeteiligung ausgestattet, die: x der Kapitaleinlage und dem Einsatz sowie x der sonstigen Leistung des Gesellschafters für das Unternehmen nicht entspricht und die: x einem fremden Dritten üblicherweise nicht eingeräumt würde, gilt das Übermaß an Gewinnbeteiligung als selbständige Schenkung (§ 7 Abs. 6 ErbStG).

Beispiel

Steuerpflicht

255

Ausstattung von Personengesellschaftsanteilen mit überhöhten Gewinnbeteiligungen Andreas gründet mit seinem Sohn Michael eine KG und bringt sein Einzelunternehmen mit einem Wert i.H.v. 500.000 € ein. Michael bringt einen Geldbetrag i.H.v. 100.000 € als Kommanditeinlage ein und erbringt keine weiteren Arbeits- oder sonstigen Leistungen für die KG. Der Gesellschaftsvertrag sieht keine Vorwegvergütung für die Gesellschafter vor und enthält einen Gewinnverteilungsschlüssel von 60 % (Andreas) zu 40 % (Michael). Der durchschnittliche Gewinn der nächsten zehn Jahre beträgt 100.000 €. Michael hält lediglich 1/6 des Grundkapitals der KG, ohne weitere Arbeits- oder sonstige Leistungen zu erbringen. Er erhält jedoch dafür 40 % des Gewinns eines jeden Jahres zugesprochen. Es wird deutlich, dass es sich um eine überhöhte, einem fremden Dritten üblicherweise nicht eingeräumte, Gewinnbeteiligung handelt. Diese überhöhte Gewinnbeteiligung unterliegt nach § 7 Abs. 6 ErbStG der Schenkungsteuer.

Ebenfalls unter § 7 Abs. 6 ErbStG fallen die nachträgliche Gewährung einer überhöhten Gewinnbeteiligung sowie die nachträgliche Erhöhung einer bereits zuvor überhöhten Gewinnbeteiligung (R 21 Abs. 2 ErbStR).

4.1.2.7.3

Übergänge von Anteilen oder Anteilsteilen an Personen- oder Kapitalgesellschaften zu einem unter dem steuerlichen Wert liegenden Abfindungsanspruch – § 7 Abs. 7 ErbStG

§ 7 Abs. 7 ErbStG ist die Parallelvorschrift zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG (siehe Kapitel III 4.1.1.6) für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters zu seinen Lebzeiten (H 22 ErbStH). Liegt der Abfindungsanspruch, den ein Gesellschafter bei Ausscheiden aus einer Personenoder Kapitalgesellschaft erhält, unter dem Steuerwert des Anteils, gilt der Übergang des Saldos von Abfindungsbetrag und Steuerwert auf die anderen Gesellschafter als Schenkung (§ 7 Abs. 7 ErbStG). Für die Annahme einer Schenkung i.S.d. § 7 Abs. 7 ErbStG kommt es dabei weder auf den Bereicherungswillen des ausscheidenden Gesellschafters an noch gehört das subjektive Merkmal der Unentgeltlichkeit zum gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Vorschrift.47

47

Vgl. BFH v. 01.07.1992, II-R-12/90, BStBl. II 1992, S. 925.

256

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beispiel

Bereicherung beim Ausscheiden eines Gesellschafters Im Gesellschaftsvertrag der „Kawa-KG“ ist vereinbart, dass einem kündigenden Gesellschafter lediglich der Buchwert seines Anteils ausgezahlt wird. Ramona Reinhard verlässt die KG, um sich an einem Handarbeitsgeschäft zu beteiligen. Der Buchwert ihres KG-Anteils beläuft sich zu diesem Zeitpunkt auf 400.000 €, der Steuerwert beträgt 500.000 €. Ramona wird durch die übrigen Gesellschafter zum Buchwert (400.000 €) abgefunden. Nach § 7 Abs. 7 ErbStG wird eine Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter in Höhe der Differenz aus: Steuerwert des Anteils ./. Buchwert des Anteils = Bereicherung

500.000 400.000 100.000

€ € €

angenommen. Dieser Betrag ist unter den verbleibenden Gesellschaftern entsprechend ihrer Quote aufzuteilen und von jedem einzelnen der Schenkungsteuer zu unterwerfen. Durch Art. 10 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/200248 mit Wirkung vom 5.3.1999 wurde § 7 Abs. 7 ErbStG durch Satz 2 ergänzt. Danach gilt als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH, sofern aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag sein Geschäftsanteil bei seinem Ausscheiden eingezogen wurde und der Wert des eingezogenen Geschäftsanteils nach § 12 ErbStG zur Zeit seines Ausscheidens die gewährte Abfindung übersteigt, die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter.

4.1.3

Zweckzuwendungen – § 8 ErbStG

Die Vorschriften über Erwerbe von Todes wegen gelten auch für Zweckzuwendungen von Todes wegen und die Vorschriften über Schenkungen auch für Zweckzuwendungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 2 ErbStG). Zweckzuwendungen sind: x Zuwendungen von Todes wegen oder x Freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit einer Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks (nicht zugunsten einer bestimmten Person)49 verwendet zu werden oder die von der Verwendung zugunsten eines bestimmten Zwecks abhängig sind, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwer48

Vgl. BGBl. I 1999, S. 402.

49

Vgl. BFH v. 30.09.1987, II-R-122/85, BStBl. II 1987, S. 861.

Steuerpflicht

257

bers gemindert wird. Daher ist Gegenstand der Besteuerung gem. § 8 ErbStG das Zweckvermögen.

Erblasser oder Schenker Zuwendung von Vermögen unter der Verpflichtung, das Vermögen nicht zu verwenden für:

Empfänger

sondern

9 eigene Zwecke 9 die eigene Person 9 bestimmte Personen

Verwendung für einen dem Empfänger: 9 fremden Zweck

Abbildung 123: Zweckzuwendungen Durch eine Zuwendung entsteht eine Vermögensmasse, die einem bestimmten Zweck dient. Sie ist so zu behandeln, als ob eine nichtrechtsfähige Stiftung errichtet worden wäre, auf die Vermögen übergegangen ist.

Beispiel

Bei einer Zweckzuwendung ist der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte Steuerschuldner (§ 20 Abs. 1 ErbStG), obwohl dieser nicht um die Zweckzuwendung bereichert ist. Entsprechend der Regelung in § 20 Abs. 4 ErbStG ist er allerdings berechtigt, die Steuer aus der Zweckzuwendung zu entnehmen. Zweckzuwendung I Der kürzlich verstorbene Rainer Moosbaum hat schon vor Jahren in seinem Testament bestimmt, dass einer seiner Erben, der ihm stets treu ergebene Koch, 60.000 € für die Pflege seines Hundes verwenden soll. Es handelt sich um eine Zweckzuwendung von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG.50 Dem Koch wird zwar der Geldbetrag zugewendet, allerdings mit einem für ihn fremden Zweck (Pflege des Hundes). Er ist verpflichtet die Steuer zu entrichten, hat aber das Recht, den Betrag der Zweckzuwendung (60.000 €) zu entnehmen. Eine Zweckzuwendung liegt nicht vor, sofern das erworbene Vermögen Entgelt für eine Leistung darstellt, die der Empfänger aufgrund eines zwischen ihm und dem Zuwendenden

50

Vgl. BFH v. 05.11.1992, II-R-62/89, BStBl. II 1993, S. 161.

258

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

abgeschlossenen gegenseitigen Vertrages erbracht hat.51 Der Tatbestand einer Zweckzuwendung ist ebenfalls nicht bei einer Zuwendung gegeben, die aus Sicht des Zuwendenden unmittelbar seiner eigenen Person zugute kommen soll, auch wenn es sich um immaterielle Belange handelt. Das bloße Interesse des Zuwendenden an dem bestimmten Zweck und dessen Förderung der Annahme einer Zweckzuwendung steht dem jedoch nicht entgegen.52 Merke: Mit der Zweckzuwendung wird einer Person Vermögen mit der Verpflichtung zugewendet, es für einen dem Empfänger fremden Zweck zu verwenden. Der Erwerb dieses Vermögens ist erbschaftsteuerbar i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 8 ErbStG.

Beispiel

Gem. § 15 Abs. 1 ErbStG unterliegen die Zweckzuwendungen der Steuerklasse III. Folglich ist ein Freibetrag i.H.v. 5.200 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) zu gewähren. Zweckzuwendung II Der Erblasser Rainer Moosbaum hat seinem Koch, der gleichzeitig sein Bruder ist, nicht nur aufgetragen 60.000 € für die Pflege seines Hundes zu verwenden, sondern hinterläst ihm auch ein Sparbuch mit einer Einlage i.H.v. 60.000 €. Die Zweckzuwendung von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG53 i.H.v. 60.000 € unterliegt der Steuerklasse III (§ 15 Abs. 1 ErbStG) und ist mit einem Freibetrag i.H.v. 5.200 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) begünstigt. Die Erbschaftsteuer wird in diesem Fall mit einem Steuersatz i.H.v. 23 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) erhoben (ohne Berücksichtigung des Härteausgleichs): (Zweckzuwendung ./. Freibetrag) x Steuersatz (60.000 € ./. 5.200 €) x 23 % = 12.604 € Der Koch ist berechtigt, diese 12.604 € zur Zahlung der Steuer von der Zweckzuwendung (60.000 €) zu entnehmen. Das dem Koch vererbte Sparbuch unterliegt der Steuerklasse II (§ 15 Abs. 1 ErbStG), da er Bruder des Erblassers ist. Demnach ergibt sich ein Freibetrag i.H.v. 10.300 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Die Erbschaftsteuer wird hier mit einem Steuersatz i.H.v. 12 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) erhoben:

51

Vgl. BFH v. 30.09.1987, II-R-122/85, BStBl. II 1987, S. 861.

52

Vgl. BFH v. 05.11.1992, II-R-62/89, BStBl. II 1993, S. 161.

53

Vgl. BFH v. 05.11.1992, II-R-62/89, BStBl. II 1993, S. 161.

Steuerpflicht

259 (Sparbuch ./. Freibetrag) x Steuersatz (60.000 € ./. 10.300 €) x 12 % = 5.964 €

Der Koch hat 5.964 € an Erbschaftsteuer zu zahlen. Wie ersichtlich ist, ergibt sich trotz Zuwendung des gleichen Geldbetrages ein erheblicher erbschaftsteuerlicher Unterschied zwischen einer Zweckzuwendung und einem Erwerb von Todes wegen. Dieser ist zurückzuführen auf die unterschiedliche Steuerklasse und dem daraus resultierenden Freibetrag.

4.1.4

Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen in Zeitabständen von dreißig Jahren – § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG regelt den Besteuerungstatbestand des Vermögens von Familienstiftungen und -vereinen abschließend. Dabei unterliegt das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmten Familien errichtet ist, ebenso in Zeitabständen von 30 Jahren der Erbschaftsteuer wie das Vermögen eines Vereins, dessen Zweck wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien auf die Bildung von Vermögen gerichtet ist. Mit der Vorschrift soll verhindert werden, dass derartig gebundenes Vermögen über Generationen hinweg der Erbschaftsteuer entzogen wird. Aus diesem Grund wird fingiert, dass das Vermögen im Abstand von 30 Jahren jeweils einer nächsten, aus zwei Kindern bestehenden Generation übertragen wird.54 Die Heranziehung zu dieser Erbersatzsteuer erfolgte erstmals zum 1.1.1984, sofern der erste Vermögensübergang auf den 1.1.1954 oder auf einem früheren Zeitpunkt fiel. Erfolgte der Vermögenstransfer bei Einrichtung einer Stiftung nach dem 1.1.1954, entsteht die Steuer erstmals 30 Jahre nach diesem Zeitpunkt (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Dabei stehen § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG – zumindest soweit sie Familienstiftungen betreffen – im Einklang mit Art. 3 GG.55

54

Vgl. BFH v. 08.04.1981, R-47/79, BStBl. II 1981, S. 581.

55

Vgl. BVerfG, BStBl. II 1983, S. 779.

260

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Vermögensübergang auf eine Stiftung bis zum 1.1.1954

Besteuerung zum 1.1.1984 Besteuerung nach 30 Jahren Besteuerung nach 30 Jahren

20.6.1963 1.1.1954

30.4.1979

20.6.1993 30.4.2009 Zeit 1.1.1984

Abbildung 124: Besteuerungszeitpunkt von Familienstiftungen § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG greift lediglich bei Stiftungen, die wesentlich dem Interesse einer Familie oder bestimmter Familien dienen. Dies ist der Fall, sofern das Wesen der Stiftung nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft darin besteht, es den Familien zu ermöglichen, Vermögen der Stiftung, soweit es einer privaten Nutzung zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge zu entziehen. Ob Nutzungs- und Zugriffsmöglichkeiten bestehen, kann aus der Natur des Stiftungszwecks oder aber in Verbindung mit dem Einfluss der Familien auf die Geschäftsführung ersehen werden, wobei auf den jeweiligen Dreißigjahreszeitraum abzustellen ist. Es ist nicht entscheidend, inwieweit tatsächlich von diesen Nutzungs- und Zugriffsmöglichkeiten Gebrauch gemacht wird (R 2 Abs. 3 ErbStR).56 Merke: Unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fallen nur Stiftungen und Vereine, die wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien stehen. Die Änderung des Stiftungscharakters einer Familienstiftung durch Satzungsänderung, gleichgültig, ob sie zu Lebzeiten oder erst nach dem Tode des Stifters erfolgt, ist erbschaftsteuerrechtlich als Aufhebung der Familienstiftung und Errichtung einer neuen Stiftung anzusehen. Dies gilt auch, wenn durch die Satzungsänderung neue Familienmitglieder in den Kreis der Destinatäre aufgenommen werden (R 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 ErbStR). Die Aufhebung der bisherigen Stiftung und die Errichtung einer neuen Stiftung führt dazu, dass die Dreißigjahresfrist für die Entstehung der Erbersatzsteuer bei der bisherigen Stiftung endet und bei der neuen Stiftung neu zu laufen beginnt.

56

Vgl. BFH v. 10.12.1997, II-R-25/94, BStBl. II 1998, S. 114.

Steuerpflicht

4.1.5

261

Fortgesetzte Gütergemeinschaft – § 4 ErbStG

Unter normalen Umständen ist der Güterstand der Gütergemeinschaft mit dem Tode eines der beiden Ehegatten beendet. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut (§ 1416 BGB) fällt in den Nachlass und wird dort den Erben nach ihrer jeweiligen Quote zugerechnet (§ 1482 BGB). Ehegatten können jedoch auch durch Erbvertrag vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft mit dem Tode des zuerst versterbenden Ehegatten nicht beendet sein, sondern mit den gemeinsamen Abkömmlingen fortgesetzt werden soll (fortgesetzte Gütergemeinschaft – §§ 1483 ff. BGB). Beim Tode des ersten Ehegatten treten die gemeinsamen Abkömmlinge der Eheleute, die bei gesetzlicher Erbfolge als Erben berufen sind, in die Gütergemeinschaft ein. Der Vermögensanteil des verstorbenen Ehegatten geht so direkt auf die gemeinsamen Abkömmlinge über und gelangt nicht in dessen Nachlass (§§ 1483 Abs. 1 Satz 3, 1503 BGB).

Gütergemeinschaft Ehepartner

Ehepartner Ehepartner

Ehepartner

Tod eines Ehepartners

Vermögensanteil an der Gütergemeinschaft gelangt nicht in den Nachlass

Nachlass Gütergemeinschaft gemeinsame Ehepartner Abkömmlinge der Ehepartner

Abbildung 125: Fortgesetzte Gütergemeinschaft

262

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Da der Anteil am Gesamtgut – im Gegensatz zum übrigen Vermögen des Erblassers – nicht in den Nachlass fällt, unterliegt dieser auch nicht der gewöhnlichen Erbfolge. Die gemeinschaftlichen Abkömmlinge treten an Stelle des verstorbenen Ehepartners in die Gesamthandsgemeinschaft ein (§ 1487 BGB). Obwohl der Übergang des Anteils an dem Gesamtgut zivilrechtlich keinen Erbfall darstellt, stellt § 4 Abs. 1 ErbStG ihn steuerlich dem Erwerb von Todes wegen gleich, da auch er durch den Tod veranlasst worden ist. Des Weiteren stellt die Regelung des § 4 Abs. 1 ErbStG klar, dass der überlebende Ehegatte nicht zu den Erwerbern des Anteils gehört. Dennoch ist er gem. § 20 Abs. 2 ErbStG (neben den Abkömmlingen) Steuerschuldner für den gesamten Steuerbetrag.

Beispiel

Merke: Bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft treten die gemeinsamen Abkömmlinge des Ehepaares in die Gesamthandsgemeinschaft ein und haben ihren Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 ErbStG zu versteuern.

Fortgesetzte Gütergemeinschaft I Die Eheleute Bock haben durch Vertrag fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart. Steffen Bock stirbt bei einem Segelunfall und hinterlässt seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder Susanne und Maik. Der Anteil des Steffen an der Gütergemeinschaft gehört gem. § 1483 Abs. 1 BGB nicht zu seinem Nachlass. Die Kinder Susanne und Maik treten in die Gütergemeinschaft ein und haben ihren Erwerb nach § 4 Abs. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.

Nach § 1490 Satz 1 BGB gehört der Anteil am Gesamtgut beim Tod eines an der fortgesetzten Gütergemeinschaft anteilsberechtigten Abkömmlings nicht zu seinem Nachlass. Hinterlässt er selbst Abkömmlinge, die anteilsberechtigt sein würden, wenn er selbst den verstorbenen Ehegatten nicht überlebt hätte, so treten diese an seine Stelle in die Gesamthandsgemeinschaft ein (§ 1490 Satz 2 BGB). Hinterlässt er keine eigenen Abkömmlinge, so wächst sein Anteil den übrigen anteilsberechtigten Abkömmlingen – also seinen Geschwistern – an und, wenn solche nicht vorhanden sind, dem überlebenden Ehegatten (§ 1490 Satz 3 BGB). § 4 Abs. 2 ErbStG bestimmt in Abweichung zu dieser zivilrechtlichen Regelung, dass der Anteil des anteilsberechtigten Abkömmlings bei dessen Tod ebenfalls zu seinem Nachlass gehört. Allerdings soll über § 4 ErbStG nicht die Vorschrift des § 1490 BGB beseitigt werden. Die Regelung des § 4 ErbStG bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Berechtigten des § 1490 BGB erbschaftsteuerlich von Todes wegen bereichert wurden und demnach mit ihrem Anteil erbschaftsteuerpflichtig nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind.

Beispiel

Steuerpflicht

263

Fortgesetzte Gütergemeinschaft II Fall wie oben: Susanne stirbt kurze Zeit später bei einem Autounfall und hinterlässt ihren Sohn Phillip.

Beispiel

Susanne ist aufgrund des Todes ihres Vaters ebenso wie Maik in die Gütergemeinschaft eingetreten. Durch ihren eigenen Tod fällt ihr Anteil an der fortgesetzten Gütergemeinschaft in den Nachlass. Ihr Sohn Phillip ist in Höhe des in den Nachlass gefallenen Anteils an der fortgesetzten Gütergemeinschaft nach § 4 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtig. Fortgesetzte Gütergemeinschaft III Fall wie oben: Susanne stirbt bei einem Autounfall und hinterlässt keine Abkömmlinge. Susannes Anteil an der Gütergemeinschaft fällt nach ihrem Tode erbschaftsteuerlich in ihren Nachlass (§ 4 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Da sie keine eigenen Abkömmlinge hat, wächst ihr Anteil ihrem Bruder Maik an (§ 1490 Satz 3 BGB), der seinerseits diesen Erwerb gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu versteuern hat. § 4 ErbStG behandelt lediglich die Nachfolge in das Gesamtgut. Die Nachfolge in das Vorbehalts- und Sondergut folgt den allgemeinen Regeln.

4.1.6

Zugewinngemeinschaft – § 5 ErbStG

Sofern Ehegatten durch Ehevertrag nichts anderes vereinbart haben, leben sie kraft Gesetzes im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 Abs. 1 BGB). Das heißt, die Vermögen der Ehegatten werden nicht gemeinschaftliches Vermögen, sondern bleiben auch nach der Eheschließung getrennt. Jeder Ehegatte bleibt Alleineigentümer seiner Vermögenswerte, die sich bei Eintritt in den Güterstand in seinem Besitz befinden oder die später erworben werden (§ 1363 Abs. 2 BGB). Allerdings ist jeder Ehegatte an dem während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft geschaffenen Vermögen zu gleichen Teilen beteiligt.

264

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Mann

Frau

Zugewinngemeinschaft (keine vertragliche Vereinbarung)

Mann

während der Zugewinngemeinschaft gemeinsam erworbenes Vermögen

Frau

Abbildung 126: Zugewinngemeinschaft Da beide Ehegatten während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt sind, haben auch beide Anspruch auf einen Teil des in diesem Zeitraum erworbenen Vermögens. Daher hat der Gesetzgeber bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft einen Zugewinnausgleich angeordnet. Das Gesetz sieht zwei verschiedene Wege für die Durchführung des Zugewinnausgleichs im Todesfall vor: x die erbrechtliche Lösung nach § 1371 Abs. 1 BGB, bei der sich der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten (§ 1931 BGB) in pauschalierter Form um ¼ (§ 1371 Abs. 1 BGB) erhöht (diese Vereinfachungsregelung erspart eine Berechnung des Zugewinns), x die güterrechtliche Lösung nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB, bei der der tatsächliche Zugewinn ausgeglichen wird (dieser schuldrechtliche Anspruch ist auf Geld gerichtet).

Steuerpflicht

265

Durchführung des Zugewinnausgleichs

Erbrechtliche Lösung § 1371 Abs. 1 BGB (R 11 ErbStR)

Güterrechtliche Lösung § 1371 Abs. 2 und 3 BGB (R 12 ErbStR)

Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um 1/4

Ausgleich des tatsächlichen Zugewinnausgleichs

Abbildung 127: Durchführung der Zugewinngemeinschaft Die Art des Zugewinnausgleichs richtet sich danach, auf welche Weise die Zugewinngemeinschaft beendet wird. Bei einer Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten bestehen drei Möglichkeiten: 1. 2. 3.

der überlebende Ehegatte wird Erbe oder Vermächtnisnehmer – erbrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB, der überlebende Ehegatte schlägt die Erbschaft aus oder ist nicht bedacht – güterrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 2 BGB, der überlebende Ehegatte hat durch Vertrag mit dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet (§ 2346 BGB) oder ist durch Urteil für erbunwürdig erklärt worden (§§ 2339 ff., 2345 BGB) oder ihm wurde mit Recht der Pflichtteil entzogen (§§ 2333 ff. BGB) – güterrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 2 BGB.

Wird die Zugewinngemeinschaft nicht durch den Tod eines Ehegatten beendet, sondern durch beispielsweise Scheidung oder Ehevertrag, erfolgt der Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB.

266

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Beendigung der Zugewinngemeinschaft

durch Tod eines Ehegatten Überlebender Ehegatte wird Erbe oder Vermächtnisnehmer

Überlebender Ehegatte schlägt die Erbschaft aus oder ist nicht bedacht

zu Lebzeiten beider Ehegatten Überlebender Ehegatte hat durch Vertrag mit dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet

z.B. Scheidung oder vertragliche Vereinbarung eines Güterstandes

Überlebender Ehegatte ist durch Urteil für erbunwürdig erklärt worden

Überlebender Ehegatte wurde mit Recht der Pflichtteil entzogen

Erbrechtlicher Zugewinnausgleich § 1371 Abs. 1 BGB (R 11 ErbStR)

Güterrechtlicher Zugewinnausgleich § 1371 Abs. 2 und 3 BGB (R 12 ErbStR)

Güterrechtlicher Zugewinnausgleich § 1371 Abs. 2 BGB (R 12 ErbStR)

Zugewinnausgleich §§ 1372 ff. BGB (R 12 ErbStR)

Abbildung 128: Beendigung der Zugewinngemeinschaft Im Falle der güterrechtlichen Lösung hat der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, eine Ausgleichsforderung. Als Zugewinn gilt die Differenz zwischen Endvermögen (§ 1375 BGB) im Zeitpunkt der Beendigung der Zugewinngemeinschaft und Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) im Zeitpunkt des Beginns der Zugewinngemeinschaft und wird für jeden Ehegatten getrennt berechnet. Dabei ist steuerlich der auf allgemeiner Geld-

Steuerpflicht

267

entwertung beruhende unechte Wertzuwachs des Anfangsvermögens nicht zu berücksichtigen (H 11 Abs. 3 ErbStH). Die Hälfte der Differenz des Zugewinns jedes Ehepartners ergibt die fiktive Ausgleichsforderung (§§ 1373 bis 1383 BGB). Schema zu Berechnung eines Zugewinnausgleichs Ehepartner 1

Ehepartner 2

Endvermögen

Endvermögen

./. Anfangsvermögen

./. Anfangsvermögen

= Zugewinn

= Zugewinn

Differenz

Zugewinnüberschuss

davon 1/2

Ausgleichsforderung des Ehepartners mit dem geringeren Zugewinn

Abbildung 129: Berechnung des Zugewinnausgleichs

Beispiel

§ 5 Abs. 2 ErbStG bestimmt, dass die fiktive Ausgleichsforderung nicht zum Erwerb i.S. der §§ 3 und 7 ErbStG gehört. Güterrechtlicher Zugewinnausgleich Christina Buttler und Nikolai Weber haben bei ihrer Eheschließung Vermögen mit verschiedenen Werten in die Ehe eingebracht. Während Christina ein Grundstück mit einem Wert von 250.000 € einbrachte, besaß Nikolai lediglich ein Sparbuch mit einem Kontostand von 50.000 €. Als sich die Eheleute einige Jahre später scheiden lassen, hat das Grundstück einen Wert von 500.000 € und das Sparbuch einen Kontostand von 60.000 €.

268

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Lösung

Die Ehegatten haben zu Beginn ihrer Ehe keinen Ehevertrag abgeschlossen. Daher lebten sie kraft Gesetzes im Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 Abs. 1 BGB). Der sich nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft anschließende Ausgleich des Zugewinns erfolgt nach der güterrechtlichen Lösung. Die fiktive Ausgleichsforderung berechnet sich nach:

Endvermögen: ./. Anfangsvermögen: = Zugewinn: Zugewinn Christina: ./. Zugewinn Nikolai: = Zugewinnüberschuss:

Christina 500.000 € 250.000 € 250.000 €

Nikolai 60.000 50.000 10.000

€ € €

250.000 10.000 240.000

€ € €

Der so berechnete Überschuss wird halbiert. Schließlich hat Christina an Nikolai 120.000 € als Zugewinnausgleich zu zahlen. § 5 Abs. 2 ErbStG bestimmt aber, dass dieser Zugewinn nicht zum Erwerb i.S. der §§ 3 und 7 ErbStG gehört. Das heißt, der Zugewinnausgleich ist steuerfrei. Bei der erbrechtlichen Lösung im Erbfall weichen Zivil- und Steuerrecht jedoch voneinander ab. Während das Zivilrecht dem überlebenden Ehegatten einen pauschalierten Zugewinnausgleich i.H.v. ¼ der Erbschaft zuspricht, stellt das Erbschaftsteuerrecht nicht diesen pauschalierten Zugewinn steuerfrei, sondern den tatsächlichen, der dem güterrechtlichen Zugewinnausgleich entspricht. Für die fiktive Ausgleichsforderung bestimmt § 5 Abs. 1 ErbStG, dass sie nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG gilt.

Beispiel

Merke: Nur für Zwecke der Erbschaftsteuer ist die komplizierte Berechnung des Zugewinns notwendig!

Erbrechtlicher Zugewinnausgleich I Fall wie oben: Christina erlag einem Herzleiden. Einzige Erben sind ihre beiden Kinder und ihr Mann Nikolai. Nach dem Grundsatz des § 1371 Abs. 1 BGB wird der Ausgleich des Zugewinns beim Tod von Christina dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil von Nikolai i.H.v. ¼, der sich aus § 1931 Abs. 1 BGB ergibt, um ¼ erhöht. Demnach beträgt Nikolais Erbteil ½ (= ¼ nach § 1931 Abs. 1 BGB + ¼ nach § 1371 Abs. 1 BGB) des Ge-

Steuerpflicht

269

samtnachlasses von Christina. Die Kinder erben die andere Hälfte des Nachlasses zu je ½, also bezogen auf den Gesamtnachlass zu je ¼. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Dabei gilt der dem Ehemann Nikolai zustehende Zugewinnausgleich nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG. Nach § 5 Abs. 1 ErbStG wird jedoch abweichend von § 1371 Abs. 1 BGB der Betrag steuerfrei gestellt, den der überlebende Ehepartner gem. § 1371 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1373 bis 1383 BGB als Zugewinnausgleich geltend machen könnte. Daher ist wie im obigen Beispiel ein Betrag von 120.000 € steuerfrei. Da zur Berechnung der Ausgleichsforderung das Anfangs- und Endvermögen mit dem wirklichen Wert (Verkehrswert) der einzelnen Vermögensgegenstände berechnet wird, basiert die Ermittlung der Ausgleichsforderung auf anderen Bewertungsregeln als sie für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach dem Erbschaftsteuergesetz vorgeschrieben sind (Steuerwert nach § 12 ErbStG i.V.m. BewG). Deshalb gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG, soweit der Nachlass des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrages mit einem höheren Wert als dem nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften maßgebenden Wert angesetzt worden ist, höchstens der dem Steuerwert des Nachlasses entsprechende Betrag nicht als Erwerb i.S.d. § 3 ErbStG. Die Umrechnung der nach dem Verkehrswert ermittelten Ausgleichsforderung wird mittels folgender Formel erreicht (H 11 Abs. 5 ErbStH):

Steuerfreier Betrag = gem. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG

Ausgleichsforderung x Steuerwert Endvermögen Verkehrswert Endvermögen

Beispiel

Merke: § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG bestimmt eine Anpassung des steuerfreien Betrages an den Steuerwert, damit Erbschaftsteuer und steuerfreier Betrag auf denselben Bewertungsmaßstäben beruhen.

Erbrechtlicher Zugewinnausgleich II Steffen ist Sohn der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Eheleute Christina und Nikolai. Der Nachlass der verstorbenen Christina besteht aus einem Grundstück (Verkehrswert 600.000 €, Steuerwert 400.000 €) und einem Sparbuch mit einem Guthaben von 200.000 €. Das Anfangsvermögen von Christina betrug zu Beginn der Zugewinngemeinschaft 200.000 €. Steffen und Nikolai sind die einzigen Erben.

270

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Lösung

Da die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, hat Nikolai Anspruch auf einen erbrechtlichen Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1 BGB. Die fiktive Ausgleichsforderung berechnet sich nach: Christina 800.000 € 200.000 € 600.000 €

Endvermögen: ./. Anfangsvermögen: = Zugewinn: Zugewinn Christina: ./. Zugewinn Nikolai: = Zugewinnüberschuss:

Nikolai 0 0 0

€ € €

600.000 0 600.000

€ € €

Der so berechnete Überschuss wird halbiert und ergibt die fiktive Ausgleichsforderung des Nikolai: = Zugewinnausgleich:

300.000



400.000 200.000 600.000

€ € €

Der Nachlass Christinas hat einen Steuerwert von: Grundstück: + Sparbuch: = Gesamtsteuerwert:

Demnach haben Sohn Steffen und Ehegatte Nikolai Anspruch auf je 300.000 €, die jeder der Erbschaftsteuer zu unterwerfen hat. Nikolai kann nun allerdings den zuvor berechneten tatsächlichen Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 300.000 € abziehen. Es ist aber nicht sachgerecht, den steuerfreien Zugewinn mit den tatsächlichen Verkehrswerten zu berechnen, den steuerpflichtigen Teil hingegen mit den geringeren Steuerwerten. Die Anpassung des steuerfreien Betrages an den Steuerwert bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG i.V.m. H 11 Abs. 5 ErbStH. Daher ist der Ausgleichsanspruch lediglich mit 6/8 von 300.000 € anzusetzen: Steuerfreier Betrag = Ausgleichsforderung

225.000 €

=

300.000 €

x

Steuerwert Endvermögen Verkehrswert Endvermögen

x

600.000 € 800.000 €

Somit hat Nikolai 300.000 € abzüglich 225.000 € = 75.000 € zu versteuern.

Steuerpflicht

271

Merke: Sowohl bei der erbrechtlichen als auch bei der güterrechtlichen Lösung muss eine Ausgleichsforderung berechnet werden. Diese Ausgleichsforderung unterliegt nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer.

Erbrechtlicher Zugewinnausgleich R 11 ErbStR

Güterrechtlicher Zugewinnausgleich R 12 ErbStR

Fiktive Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG steuerfrei

Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 2 ErbStG steuerfrei

Abbildung 130: Erbrechtlicher und güterrechtlicher Zugewinnausgleich Eine Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung kann unterbleiben, sofern im Einzelfall erkennbar ist, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten einschließlich etwaiger Vorschenkungen (§ 14 ErbStG) die persönlichen Freibeträge nach §§ 16 und 17 ErbStG nicht überschreiten wird (R 11 Abs. 1 Satz 2 ErbStR).

4.1.7

Vor- und Nacherbschaft – § 6 ErbStG

Der Erblasser kann einen Erben (Nacherben) in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe sein soll, nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist (§ 2100 BGB, siehe Kapitel III 4.1.2.6.6). Vorerbe und Nacherbe sind zeitlich nacheinander bürgerlichrechtliche Erben desselben Erblassers. Der Vorerbe wird erbschaftsteuerlich ungeachtet der Verfügungsbeschränkung und des Umstandes, dass er den Nachlass ggf. schon zu Lebzeiten herausgeben muss, als Vollerbe behandelt (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Das heißt, er hat den vollen Wert des Erbanfalls der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Tritt die Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben ein, wird der Nacherbe so behandelt, als wenn er Erbe des Vorerben wäre (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Auf Antrag lässt § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG die Möglichkeit zu, bei der Versteuerung der Nacherbschaft das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen.

272

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Tod Erblasser Erblasser

Tod Vorerbe Vorerbe

Nacherbe

Vollerbe (§ 6 Abs. 1 ErbStG)

Aufgrund Erbanwartschaft tritt Nacherbfolge ein

9 Gesamter Vermögensanfall unterliegt der Erbschaftsteuer

9 Erwerb ist als vom Vorerben stammend zu versteuern (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG) 9 Auf Antrag ist das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG)

Abbildung 131: Vor- und Nacherbschaft

Beispiel

Das unterschiedliche verwandtschaftliche Verhältnis des Erben zum Erblasser bzw. Vorerben kann Auswirkungen auf Steuerklasse und Höhe der Freibeträge des Steuerpflichtigen haben. Daher ist sorgfältig zu überlegen, ob ein Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG Vorteile bringt. Das heißt, hier ergibt sich erhebliches erbschaftsteuerliches Gestaltungspotenzial. Vor- und Nacherbschaft Variante a) Harald Schuhmann verstirbt und hinterlässt 1.000.000 € in bar. Sein einziger Sohn Helmuth wird Alleinerbe. Helmuth erwirbt das Vermögen unmittelbar von seinem Vater. Daher ist das für die Besteuerung maßgebliche Verhältnis von ihm zu seinem Vater zugrunde zu legen. Variante b) Erblasser Harald setzt seinen Bruder Manuel zum Erben der 1.000.000 € ein. Da das Vermögen von Harald stammt, ist das für die Besteuerung maßgebliche Verhältnis von Manuel zu seinem Bruder Harald zugrunde zu legen.

Steuerpflicht

273

Variante b1) Erblasser Harald setzt seinen Bruder Manuel zum Vorerben und seinen Sohn Helmuth zum Nacherben ein. Durch den Tod von Manuel ist die Nacherbfolge eingetreten, bei der Helmuth Alleinerbe ist. Helmuth stellt den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Helmuth hat den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gestellt und wird dadurch nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu seinem Vater steuerpflichtig. Variante b2) Wie Variante b1. Helmuth stellt den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG jedoch nicht. Da Helmuth keinen Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gestellt hat, wird der Vermögensanfall als von seinem Onkel Manuel stammend steuerpflichtig. (Hinweis: Aus Vereinfachungsgründen wurde auf die Berücksichtigung des Härteausgleichs sowie der Erbkostenpauschale verzichtet.)

274

Feststellung des steuerpflichtigen Vorgangs – § 1 ErbStG

Variante a)

Variante b)

Variante b1)

Variante b2)

Unmittelbarer Unmittelbarer Mittelbarer Mittelbarer Erwerb durch Erwerb durch Erwerb durch Erwerb durch Sohn Helmuth Bruder Manuel Sohn Helmuth Sohn Helmuth mit Antrag ohne Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG Erbschaft

1.000.000 €

1.000.000 €

732.781 €

732.781 €

Steuerklasse gem. § 15 Abs. 1 ErbStG

I

II

I

II

Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 ErbStG

205.000 €

10.300 €

205.000 €

10.300 €

Steuersatz gem. § 19 Abs. 1 ErbStG

19 %

27 %

19 %

27 %

151.050 €

267.219 €

100.263 €

195.048 €

367.482 €

462.267 €

36,7 %

46,2 %

Zu zahlende Erbschaftsteuer Gesamte zu zahlende Erbschaftsteuer

Lösung

Erbschaftsteuerbelastung insgesamt

15,1 %

26,7 %

Wie aus dem Beispiel ersichtlich ist, wäre Helmuth im Falle der Vor- und Nacherbschaft zu raten, den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zu stellen, da die Festsetzung der Erbschaftsteuer nach einer günstigeren Steuerklasse und mit einem höheren Freibetrag erfolgen würde.

Der Antrag soll sicherstellen, dass das zivilrechtlich gewünschte Ergebnis (z.B. die Absicherung der Vorerben oder die Treuhandtätigkeit des Vorerben zugunsten des Nacherben) nicht durch eine erbschaftsteuerliche Bestrafung verhindert wird.

Steuerpflicht

275

Sofern der Nacherbe mit dem Tode des Vorerben auch dessen Erbe wird, werden beide Vermögensanfälle bei Antragstellung getrennt behandelt (§ 6 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Ein Freibetrag für den Erwerb von Eigenvermögen des Vorerben wird dabei nur gewährt, sofern der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht bereits verbraucht ist (§ 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG).57 Das heißt, dem Nacherben steht nicht für jede Vermögensmasse des Gesamterwerbs gesondert ein Freibetrag zu, sondern insgesamt lediglich einer. Der Freibetrag ergibt sich dabei aus der Nacherbfolge – bezieht sich also auf das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser. Die Steuer ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde (§ 6 Abs. 2 Satz 5 ErbStG).

Tod Vorerbe Vorerbe

Nacherbe aufgrund Erbanwartschaft tritt Nacherbfolge ein

aufgrund Erbfolge liegt Erbschaft vor

auf Antragstellung getrennte Behandlung gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG Verhältnis des Nacherben zum Erblasser

Verhältnis des Nacherben zum Vorerben

Beispiel

Abbildung 132: Nacherbschaft bei Tod des Vorerben Nacherbschaft Fall wie Variante b: Mit der Nacherbfolge nach dem Tod des Manuel geht neben dem Vermögen aus der Vorerbschaft (Wert 600.000 €) auch eigenes Vermögen des Manuel (Wert 1.200.000 €) auf Helmuth über. Helmuth ist zu raten, den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf getrennte Behandlung der beiden Vermögenserwerbe zu stellen. Durch diesen Schritt wird zur Besteuerung des Nacherbschaftsvermögens das Verhältnis zu seinem Vater zugrunde gelegt. Das Verhältnis des Helmuth zu Manuel wird lediglich für die Besteuerung des eigenen

57

Vgl. BFH v. 02.12.1998, II-R-43/97, BStBl. II 1999, S. 235.

276

Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht – § 2 ErbStG Vermögens des Vorerben Manuel herangezogen. Gem. § 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG erhält Harald lediglich einmal den ihm zustehenden Freibetrag, der sich aus dem Verhältnis zu seinem Vater ergibt.

Gem. § 6 Abs. 4 ErbStG stehen Nachvermächtnisse und beim Tode des Beschwerten fällige Vermächtnisse den Nacherbschaften gleich. Damit sind sie als Erwerb vom Vorvermächtnisnehmer oder Beschwerten zu behandeln. Entsprechend solcher Vermächtnisse sind die § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 5 ErbStG anzuwenden.

4.2 Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht – § 2 ErbStG Die Vorschrift des § 2 ErbStG bestimmt, welcher der in § 1 ErbStG aufgeführten Vorgänge im In- und Ausland vorbehaltlich etwaiger Doppelbesteuerungsabkommen dem deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterliegen. Ohne die Begriffe ausdrücklich zu nennen unterscheidet das Gesetz dabei zwischen unbeschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG) und beschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Die unbeschränkte Steuerpflicht umschließt den gesamten Vermögensanfall des Erwerbers, wohingegen die beschränkte Steuerpflicht lediglich auf die Erfassung bestimmter Vermögensgegenstände und Nutzungsrechte abzielt.

Persönliche Steuerpflicht § 2 ErbStG

Unbeschränkte Steuerpflicht § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG

Beschränkte Steuerpflicht § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG

Weltvermögen

Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG

Steuerpflicht bezüglich des inländischen und ausländischen Vermögens

Erfassung bestimmter Vermögensgegenstände und Nutzungsrechte

Abbildung 133: Persönliche Steuerpflicht

Steuerpflicht

4.2.1

277

Unbeschränkte Steuerpflicht

Die für den gesamten Erwerb maßgebliche unbeschränkte Steuerpflicht tritt ein, sofern: x der Erblasser zur Zeit seines Todes, x der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung, x der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer nach § 9 ErbStG Inländer ist. Dabei gelten als Inländer – ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit – gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG: x alle natürlichen Personen mit Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichem Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland, x deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als 5 Jahre im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, x unabhängig von der zuvor genannten Fünfjahresfrist deutsche Staatsangehörige, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen (öffentlicher Dienst) und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen, einschließlich ihrer Angehörigen, x Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz (§§ 10, 11 AO) im Inland haben.

Beispiel

Die turnusmäßige Besteuerung von Familienstiftungen und -vereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) unterliegt ebenfalls der unbeschränkten Steuerpflicht, sofern sich die Geschäftsleitung oder der Sitz im Inland befindet (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die unbeschränkte Steuerpflicht erfasst das gesamte Vermögen. Unbeschränkte Steuerpflicht I Markus Warsmüller lebte bis zu seinem Tod in Spanien und besaß dort ein Grundstück. Des Weiteren nannte er ein Mietshaus in München sein eigen. Seine Tochter Hilde ist Alleinerbin und lebt in Garmisch Partenkirchen. Hilde ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 ErbStG unbeschränkt steuerpflichtig, da sie zur Zeit des Erbfalls ihren Wohnsitz im Inland hat und damit Inländer ist. Der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt neben dem in Deutschland belegenen Mietshaus auch das in Spanien befindliche Grundstück. Sind im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht Doppelbesteuerungsabkommen, die für die Erbschaft- und Schenkungsteuer Gültigkeit haben, zu beachten, steht das Besteuerungsrecht vorrangig dem Staat zu, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz hatte. Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer bestehen derzeit mit

278

Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht – § 2 ErbStG

Dänemark, Griechenland, Österreich, Schweden, Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika (H 3 ErbStH „Doppelbesteuerungsabkommen (...)“). Merke: Besteht zwischen den im Erbschaft- oder Schenkungsteuerfall beteiligten Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen, so steht das Besteuerungsrecht vorrangig dem Staat zu, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz hatte.

Beispiel

Um eine Doppelbesteuerung von Auslandsvermögen zu vermeiden, kann auf Antrag die festgesetzte und gezahlte ausländische Erbschaftsteuer, die keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegt, auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden, falls: x kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht (§ 21 Abs. 1 ErbStG) oder x ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, aber dieses die Anrechnungsmethode vorschreibt (§ 21 Abs. 4 ErbStG). Unbeschränkte Steuerpflicht II Markus Wasmüller ist Österreicher und ist im Sinne des DBAs in Österreich ansässig. Nach seinem Tod erben seine vier Kinder gleichberechtigt. Während drei Kinder in Österreich wohnen, arbeitet Tochter Hilde in Garmisch Partenkirchen. Der gesamte Nachlass von Markus befindet sich in Österreich. Die in Deutschland lebende Hilde ist aufgrund ihres inländischen Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig. Ihr Erbteil ist der deutschen Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Für die Bestimmung der Höhe des Erbteils ist österreichisches Recht anzuwenden. Aufgrund des erbschaftsteuerlichen Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich steht das Besteuerungsrecht vorrangig Österreich zu, da Markus dort seinen Wohnsitz hatte.

4.2.2

Beschränkte Steuerpflicht

Sofern weder: x der Erblasser zur Zeit seines Todes bzw. x der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung noch x der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer nach § 9 ErbStG Inländer ist, liegt beschränkte Steuerpflicht vor. Dies gilt allerdings nur für Erwerbe von Wirtschaftsgütern des Inlandsvermögens i.S.d. § 121 BewG einschließlich bestehender Nutzungsrechte an solchen Vermögensgegenständen (R 4 Abs. 6 ErbStR). Dazu zählen: 1. inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, 2. inländisches Grundvermögen, 3. inländisches Betriebsvermögen,

Steuerpflicht 4.

5.

6.

7.

8.

9.

279

Anteile an einer Kapitalgesellschaft, sofern die Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat und der Gesellschafter allein oder zusammen mit anderen ihm nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft zu mindestens einem Zehntel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien, die in ein inländisches Buch oder Sachregister eingetragen sind und nicht zu inländischem Betriebsvermögen gehören, Wirtschaftsgüter, die einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen, insbesondere an diesen vermietet oder verpachtet sind und nicht unter die Nummern 1, 2 und 5 fallen, Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen oder Rechte, sofern sie durch inländischen Grundbesitz, durch inländische grundstücksgleiche Rechte oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind. Ausgenommen sind Anleihen und Forderungen, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind, Forderungen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat, Nutzungsrechte an einem der in den Nummern 1 bis 8 genannten Vermögensgegenstände.58

Dabei ist die Aufzählung der in § 121 BewG angesprochenen Vermögensgegenstände abschließend. Das heißt, nicht in § 121 BewG aufgezählte Vermögensgegenstände wie ungesicherte Geldforderungen gegen inländische Schuldner, Hausrat, Schmuck oder Bankguthaben gehören nicht zum Inlandsvermögen und unterliegen auch nicht der beschränkten Steuerpflicht. Im Ausland belegene Vermögensgegenstände werden unter keinen Umständen von der beschränkten Steuerpflicht erfasst. Die Anwendungsvorschrift des § 21 ErbStG ist bei beschränkter Steuerpflicht nicht anwendbar.

58

Vgl. § 121 BewG.

280

Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht – § 2 ErbStG

Lediglich Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG ist steuerbar Hausrat, Schmuck, Bankguthaben sind nicht steuerbar

Beispiel

Abbildung 134: Beschränkte Steuerpflicht Beschränkte Steuerpflicht Maximilian Rufer ist Deutscher und vor 20 Jahren nach Italien ausgewandert und dort verstorben. Er hinterlässt seinen Sohn Bodo, der seit Jahren in Frankreich lebt. Bodo ist einziger Erbe. Zu Maximilians Nachlass gehören sowohl ein Grundstück in München als auch ein Grundstück in Rom. Bodo ist in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, da weder er noch Erblasser Maximilian einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten. Daher unterliegt lediglich das in Deutschland belegene Grundstück der deutschen Erbschaftsteuer.

Merke: Die der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensgegenstände sind in § 121 BewG abschließend aufgezählt. Das heißt, nicht in § 121 BewG aufgezählte Vermögensgegenstände unterliegen auch nicht der beschränkten Steuerpflicht.

4.2.3

Erweitert beschränkte Steuerpflicht

Bei Wohnsitzwechsel in ein Land mit niedrigerer Erbschaft- und Schenkungbesteuerung (weniger als 30 % der deutschen Besteuerung) besteht nach § 4 AStG i.V.m. § 2 AStG für die Dauer von 10 Jahren eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht. Sie gilt für Steuerpflichtige, die: x in den letzten 10 Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht x mindestens 5 Jahre lang als Deutscher unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und

Steuerpflicht x

x

281

ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt des Todes oder der Ausführung der Schenkung in ein sog. Oasenland (ausländisches Gebiet mit niedriger Besteuerung) verlegt hatten und dennoch zum Zeitpunkt des Todes oder der Schenkung noch wesentliche Interessen im Inland hatten.

Trotz Vorliegens der genannten Voraussetzungen tritt jedoch keine erweiterte beschränkte Steuerpflicht ein, sofern: x für den Erwerb im Ausland eine der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer entsprechende Steuer entrichtet wird, die mindestens 30 % der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer beträgt, x § 2 Abs. 1 AStG durch ein Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen ist. Dabei tritt eine Steuerpflicht über den in § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 BewG geregelten Umfang hinaus für weiteres (sog. erweitertes) Inlandsvermögen ein, wie: 1. Sparguthaben und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland, 2. Aktien und Anteile von inländischen Kapitalgesellschaften, auch wenn sie keine Beteiligungen i.S.v. § 121 Nr. 4 BewG darstellen, 3. Ansprüche auf Renten und wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland, 4. Erfindungen und Urheberrechte, die im Inland verwendet wurden, soweit sie nicht bereits zum Inlandsvermögen gehören, 5. Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland, 6. sämtliche bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden.59

Erweitertes Inlandsvermögen Vermögen gem. in § 121 BewG BMF-Schreiben genanntes + BStBl. I 1995, Vermögen Sonder-Nr. 1

Ausländisches Vermögen

Abbildung 135: Erweitert beschränkte Steuerpflicht

59

Weitere Beispiele siehe BMF v. 02.12.1994, IV C-S-1340-20/94, BStBl. I 1995, Sonder-Nr. 1.

282

Bestimmung der persönlichen Steuerpflicht – § 2 ErbStG

Die Anwendungsvorschrift des § 21 ErbStG ist auch bei der erweitert beschränkten Steuerpflicht nicht anwendbar. Nach der speziellen Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG ist die unbeschränkte Steuerpflicht auf deutsche Staatsangehörige ausgedehnt, die sich nicht länger als 5 Jahre dauernd im Ausland (Niedrigbesteuerung ist unerheblich) aufgehalten haben, ohne einen Wohnsitz im Inland zu unterhalten. Daher kommt eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht lediglich bei Erbfällen und Schenkungen innerhalb der Restzeit des 10-Jahres-Zeitraums zum Zuge.

Persönliche Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht

Unbeschränkte Steuerpflicht

Beschränkte Steuerpflicht

Erweitert beschränkte Steuerpflicht

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG

§ 4 AStG

Weltvermögen

Inlandsvermögen

Erweitertes Inlandsvermögen

Abbildung 136: Übersicht persönliche Steuerpflicht

Steuerpflicht

283

Weltvermögen

Erweitertes Inlandsvermögen

Inlandsvermögen

9 Vermögen i.S.d. § 121 BewG

Auslandsvermögen

Sonstiges Inlandsvermögen

9 alle Vermögensgegenstände die nicht zum erweiterten Inlandsvermögen gehören

9 Sparguthaben und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland 9 Aktien und Anteile von inländischen Kapitalgesellschaften, auch wenn sie keine Beteiligungen i.S.v. § 121 Nr. 4 BewG darstellen 9 Ansprüche auf Renten und wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland 9 Erfindungen und Urheberrechte die im Inland verwendet wurden, soweit sie nicht bereits zum Inlandsvermögen gehören 9 Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland 9 sämtliche bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden

Abbildung 137: Die verschiedenen Vermögen60

60

Weitere Beispiele für sonstiges Inlandsvermögen siehe BMF v. 02.12.1994, IV C-S-1340-20/94, BStBl. I 1995, Sonder-Nr. 1.

284

Entstehung der Steuer – § 9 ErbStG

Beispiel

Erweitert beschränkte Steuerpflicht Der deutsche Staatsangehörige Maximilian Rufer und dessen Sohn und einziger Erbe Bodo verlegen ihren Wohnsitz von Deutschland nach Lichtenstein (Land mit niedriger Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung). Maximilian verstirbt 3 Jahre nach dem Wohnsitzwechsel. Bodo unterliegt mit dem Erwerb von Todes wegen der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG. Maximilian verstirbt 7 Jahre nach dem Wohnsitzwechsel. Bodo unterliegt mit dem Erwerb von Todes wegen der erweiterten unbeschränkten deutschen Steuerpflicht (§ 4 AStG). Maximilian verstirbt 12 Jahre nach dem Wohnsitzwechsel. Bodo unterliegt mit dem Erwerb von Todes wegen keiner deutschen Steuerpflicht gem. § 4 AStG.

5 Ermittlung des Bewertungsstichtages als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld 5.1 Entstehung der Steuer – § 9 ErbStG § 9 ErbStG bestimmt den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Dieser Zeitpunkt ist gleichzeitig der Stichtag für: x die Beurteilung der persönlichen Steuerpflicht nach § 2 ErbStG, x die Wertermittlung der Nachlass- oder Schenkungsgegenstände nach § 12 ErbStG i.V.m. dem Bewertungsgesetz, x den Bewertungsstichtag nach § 11 ErbStG, x die Zuordnung in die maßgebliche Steuerklasse nach § 15 ErbStG, x die Berechnung des 10-Jahres-Zeitraums bei der Zusammenrechnung früherer Erwerbe nach § 14 ErbStG, x die Steuerermäßigung bei Mehrfacherwerb desselben Vermögens nach § 27 ErbStG, x den 5-Jahres-Zeitraum für die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer (§ 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG), x die Anwendungsregelungen des Gesetzes nach § 37 ErbStG, x die Regelungen zur Festsetzungsverjährung nach § 170 AO.

Ermittlung des Bewertungsstichtages als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld

285

Nach dem Grundgedanken des § 9 ErbStG soll die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht mit der bloßen Begründung rechtlicher Ansprüche entstehen, sondern erst mit dem Eintritt der wirtschaftlichen Bereicherung des Bedachten. Diese ist jedoch erst eingetreten, wenn tatsächlich eine Vermögensübertragung stattgefunden hat. Merke: Die Erbschaft- und Schenkungsteuer entsteht jeweils erst mit dem Eintritt der wirtschaftlichen Bereicherung des Bedachten, also mit dem tatsächlichen Übergang des Vermögens.

5.1.1

Entstehung der Steuer bei Erwerben von Todes wegen – § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

Stichtag bei Erwerben von Todes wegen ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dieser Zeitpunkt entspricht auch der bürgerlichrechtlichen Regelung (§ 1922 BGB). Neben diesem Grundfall sind in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a bis j ErbStG Sonderfälle geregelt (siehe Abbildung 138).

286

Entstehung der Steuer – § 9 ErbStG

Sondertatbestände nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a bis j ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

Geregelter Fall

Zeitpunkt der Entstehung der Steuer

Bst. a

aufschiebend bedingter Erwerb

mit Bedingungseintritt

Bst. a

betagter Erwerb*

mit Anspruchsfähigkeit

Bst. a

aufschiebend befristeter Erwerb

mit Ereigniseintritt

Bst. b

Erwerb aufgrund geltend gemachten Pflichtteils oder Erbersatzanspruchs § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

mit Geltendmachung

Bst. c

Vermögensübertragung auf eine vom Erblasser angeordnete Stiftung oder gleichgestellte ausländische Vermögensmasse

mit Stiftungsgenehmigung

Bst. d

Erwerb durch Vollziehung einer angeordneten Auflage § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG

mit Vollziehung der Auflage

Bst. d

Erwerb durch Eintritt einer Bedingung § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG

mit Erfüllung der Bedingung

Bst. e

Erwerb im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Zuwendung § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG

mit Genehmigung

Bst. f

Erwerb als Abfindung für Verzicht oder Ausschlagung § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG

mit Verzicht oder Ausschlagung

Bst. g

Erwerb aufgrund Abfindung für noch nicht fällige Vermächtnisse § 3 Abs. 2 Nr. 5 ErbStG

mit Vereinbarung der Abfindung

Bst. h

Erwerb des Nacherben bei Eintritt der Nacherbfolge

mit Eintritt der Nacherbfolge

Bst. i

Entgelt für die Nacherbanwartschaftsübertragung § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG

mit Übertragung der Anwartschaft

Bst. j

Erwerb aufgrund Herausgabeanspruchs des Vertragserben § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG

mit Geltendmachung

Abbildung 138: Sonderfälle nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

Ermittlung des Bewertungsstichtages als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld

287

Merke: Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer grundsätzlich mit dem Tag des Todes des Erblassers. Etwaige Sonderfälle sind in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a bis j ErbStG geregelt.

5.1.2

Entstehung der Steuer bei Schenkungen unter Lebenden – § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG

Als Stichtag für eine Schenkung unter Lebenden ist der Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung normiert (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Diese gilt als ausgeführt, sofern der Bedachte die Zuwendung erhalten hat. Für das Merkmal des Entstehungszeitpunkts sind dabei die steuerlichen Zurechnungsvorschriften des § 39 AO maßgebend. Merke: Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.

Beispiel

Der Zeitpunkt der Ausführung einer Grundstücksschenkung und die damit verbundene Entstehung der Schenkungsteuer regelt R 23 ErbStR. Dabei gilt eine unmittelbare Grundstücksschenkung als ausgeführt, wenn die Vertragsparteien die für eine Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Bedachte aufgrund dieser Erklärung in der Lage ist, die Rechtsänderung durch Grundbucheintragung zu bewirken. Das heißt, der Zeitpunkt der Grundstücksschenkung richtet sich nach dem Zeitpunkt der Auflassung i.S.d. § 925 BGB und der Eintragsbewilligung des § 19 GBO. Entstehung der Steuer bei unmittelbarer Grundstücksschenkung Sören Sollberg überträgt seinem Bruder Tom am 10.6.2002 seine vermietete Eigentumswohnung unentgeltlich. Die Auflassung und die Eintragungsbewilligung erfolgen am 15.7.2002. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgt am 20.9.2002. Die unentgeltliche Übertragung der Eigentumswohnung unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer. Gem. R 23 Abs. 1 ErbStR richtet sich der Zeitpunkt der Schenkung danach, wann die Auflassung i.S.d. § 925 BGB sowie die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) vorliegen. Demnach entsteht die Schenkungsteuer am 15.7.2002.

288

Entstehung der Steuer – § 9 ErbStG

Merke: Bei unmittelbaren Grundstücksschenkungen entsteht die Steuer mit dem Zeitpunkt der Grundstücksschenkung. Dieser Zeitpunkt richtet sich nach dem Zeitpunkt der Auflassung i.S.d. § 925 BGB und der Eintragsbewilligung des § 19 GBO.

Beispiel

Bei der Zuwendung eines Geldbetrages für den Erwerb eines unbebauten oder bebauten Grundstücks (mittelbare Grundstücksschenkung) ist R 23 Abs. 1 ErbStG entsprechend anzuwenden (R 23 Abs. 2 ErbStR). Dabei gilt die Schenkung eines Geldbetrages zur Errichtung eines Gebäudes im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes als ausgeführt (R 23 Abs. 2 Satz 3 ErbStR i.V.m. R 159 Abs. 2 und 3 ErbStR). Dieser Zeitpunkt ist gleichzeitig Stichtag für die Bewertung des Gebäudes. Werden Kosten für Um-, Aus- oder Anbauten durch den Schenker zugewendet, so gilt der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der einzelnen Bauteile als Stichtag der Schenkung. Entstehung der Steuer bei mittelbarer Grundstücksschenkung Sören Sollberg schenkt seinem Bruder Tom am 15.5.2003 einen Geldbetrag i.H.v. 10.000 €, damit dieser einen schon lange geplanten Wintergarten an sein Haus anbauen kann. Der Wintergarten ist am 1.7.2003 fertiggestellt. Die von Sören getätigte Geldschenkung unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer. Die Steuer entsteht mit dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Wintergartens, hier also am 1.7.2003 (R 23 Abs. 2 Satz 3 und 5 ErbStR).

Merke: Bei mittelbaren Grundstücksschenkungen ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteils. Ist eine Grundstücksschenkung genehmigungspflichtig, tritt die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages und der Auflassung erst mit der Erteilung der Genehmigung ein. Diese wirkt jedoch auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück. Steuerlich ist der Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung maßgeblich und markiert damit der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (R 23 Abs. 3 ErbStR).

Ermittlung des Bewertungsstichtages als Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld

289

Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit von Vertrag und Auflassung zivilrechtlich Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (§ 184 BGB)

Vertragsabschluss (Schenkung)

Erteilung der Genehmigung

Zeit

Zeitpunkt der Entstehung der Steuer

Abbildung 139: Zeitpunkt einer genehmigungspflichtigen Grundstücksschenkung

5.1.3

Entstehung der Steuer bei Zweckzuwendungen – § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG

Bei Zweckzuwendungen entsteht die Steuer mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Verpflichtung des Beschwerten (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).

5.1.4

Entstehung der Steuer bei Familienstiftungen und Familienvereinen – § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

Der 30-jährige Besteuerungsturnus bei Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) beginnt mit dem ersten Übergang von Vermögen auf die Stiftung bzw. den Verein. Das heißt, nach Ablauf dieser 30-Jahresfrist entsteht die Steuer.

290

Bewertungsstichtag – § 11 ErbStG

Zeitpunkt der Entstehung der Steuer

Erwerb von Todes wegen

9 Zeitpunkt des Todes des Erblassers § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 9 Sondertatbestände der § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a bis j ErbStG

Schenkung unter Lebenden

9 Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 9 Zeitpunkt der Auflassung und Eintragung Unmittelbare Grundstücksschenkung R 23 Abs. 1 ErbStR 9 Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit Mittelbare Grundstücksschenkung R 23 Abs. 2 ErbStR

Zweckzuwendungen

Familienstiftungen und Familienvereine

9 Zeitpunkt des Eintritts der Verpflichtung des Beschwerten § 9 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 9 Zeitpunkt des Ablaufs der 30-Jahresfrist § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

Abbildung 140: Entstehung der Steuer

5.2 Bewertungsstichtag – § 11 ErbStG § 11 ErbStG bestimmt den Zeitpunkt für die Wertermittlung. Als Wertermittlungsstichtag gilt, soweit in dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nach § 9 ErbStG. Merke: Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ist gleichzeitig der Wertermittlungsstichtag (§ 11 ErbStG).

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

291

6 Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls Zur Ermittlung der Erbschaftsteuer bedarf es der Berechnung des Vermögensanfalls. Dabei sind die Wirtschaftsgüter, die zum Nachlass oder der Schenkung gehören (Steuerobjekte), nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes zu bewerten. Auf welche Weise dies geschieht, regelt § 12 ErbStG. Wie bereits ausgeführt, verweist dieser auf die anzuwendenden Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Die Vorschriften des Bewertungsgesetz werden daher im Folgenden erläutert. Die Bewertung von inländischem und ausländischem Vermögen erfolgt anhand unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe. Daher werden zuerst die Vorschriften für im Inland belegenes Vermögen, danach diejenigen für ausländisches Vermögen dargestellt.

6.1 Grundzüge des Bewertungsgesetzes Das Bewertungsgesetz hat seinen Ursprung in der Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919. Bereits damals bestand die Notwendigkeit, unterschiedliche Güter für verschiedene Steuerarten zu bewerten. Mit dem Bewertungsgesetz wurde der Versuch unternommen, allgemein gültige Bewertungsvorschriften zu kodifizieren und dabei die bereits kodifizierten Bewertungsvorschriften aus den einzelnen Steuergesetzen in einem eigenständigen Gesetz zu bündeln. Seitdem waren die Vorschriften des Bewertungsgesetzes für eine Vielzahl von Einzelsteuern maßgebend. Die Finanzämter bedienten sich der Vorschriften beispielsweise zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Vermögen-, Gewerbekapital-, Grundund Erbschaftsteuer. Mittlerweile sind die Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer abgeschafft bzw. ausgesetzt worden, so dass die heutige Bedeutung des Bewertungsgesetzes hauptsächlich darin liegt, die Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter für die Erbschaftsteuer zu regeln. Des Weiteren ist die ursprüngliche Einheitsbewertung des Bewertungsgesetzes für Zwecke der Grund- und Gewerbesteuer von grundlegender Bedeutung.

292

Grundzüge des Bewertungsgesetzes Relevanz des BewG für

bis 1.1.1997

ab 1.1.1997

Vermögensteuer

ausgesetzt

Erbschaftsteuer

Abkopplung von den Einheitswerten

Grunderwerbsteuer Grundsteuer

Maßgabe der Einheitswerte des BewG für die Steuerbemessung

Änderung

Bedarfsbewertung Bedarfsbewertung

Beibehaltung des Einheitswertes

Gewerbeertragsteuer

Beibehaltung des Einheitswertes für Betriebsgrundstücke

Gewerbekapitalsteuer

abgeschafft (1.1.1998)

Abbildung 141: Bedeutung des Bewertungsgesetzes für die einzelnen Steuerarten Mit dem eigenständigen Bewertungsgesetz erreichte der Gesetzgeber gleichzeitig, dass der Bewertungs- vom Besteuerungsvorgang abgekoppelt wurde. Dieses Vorgehen ist in etwa vergleichbar mit dem „Vor-die-Klammer-Ziehen“ aus der Mathematik. Somit wurden die Bewertungsvorschriften für alle Steuergesetze anwendbar. Eine Wiederholung der Bewertungsregelungen in den Einzelsteuergesetzen ist dadurch überflüssig. Zudem wird einem zu bewertenden Gegenstand durch das einheitliche Verfahren, übergreifend für eine Vielzahl von Steuern, der gleiche Wert beigemessen. D.h. derselbe Gegenstand besitzt den gleichen Wert, unabhängig davon, für welche Steuer er bewertet wird.

6.1.1 Aufbau des Bewertungsgesetzes Das Bewertungsgesetz untergliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil, der die §§ 1 bis 16 BewG umfasst, finden sich die allgemeinen Bewertungsvorschriften. Daran schließen sich in den §§ 17 bis 150 BewG Sonderregelungen für die Bewertung einzelner Güter an. Dieser zweite Teil ist in vier Abschnitte eingeteilt. Im Ersten finden sich die Vorschriften für die Einheitsbewertung. Der zweite Abschnitt beinhaltet Sondervorschriften für spezielle Wirtschaftsgüter, die abweichend von den allgemeinen Vorschriften bewertet werden sollen. Der dritte Abschnitt befasst sich mit der Bewertung von Vermögen auf dem Staatsgebiet der neuen Bundesländer. Dem vierten Abschnitt kommt neben der Einheitsbewertung wieder größere Bedeutung zu. Hier sind die Vorschriften zur Bewertung von Grundvermögen kodifiziert, welche durch ein Urteil des BVerfG vom 22.06.199561 neu geregelt werden mussten. Der dritte Teil besteht lediglich aus den Schlussbestimmungen in §§ 151 und 152 BewG. 61

Vgl. BVerfG v. 22.06.1995, 2-BvR-552/91, BStBl. II 1995, S. 672.

293

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Als Anhang zum Bewertungsgesetz finden sich noch 13 Anlagen, die Vervielfältiger oder Diskontsätze für die Auf- oder Abzinsung verschiedener wiederkehrender Leistungen enthalten.

Allgemeine 1. Teil Bewertungsvorschriften

Besondere 2. Teil Bewertungsvorschriften

Einheitswertbewertung

§§ 1 bis 16 1. Abschnitt

Sondervorschriften und Ermächtigungen

2. Abschnitt

Vorschriften für die Bewertung von Vermögen in den neuen Ländern

§§ 17 bis 150 3. Abschnitt 4. Abschnitt

3. Teil

Schluss§§ 151 bis 152 bestimmungen

Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz für die Zwecke der Erbschaft- und Schenkungssteuer ab dem 1.1.1996

Abbildung 142: Aufbau des Bewertungsgesetzes

6.1.2 Das Bewertungsgesetz zur Wertermittlung Die Bewertung von Gütern stellt den Gesetzgeber wie aber auch jeden anderen vor ein schwieriges Problem. Ein stets „richtiger“ Wert eines Wirtschaftsgutes existiert nicht. So ist es beispielsweise nicht möglich, den Wert eines beliebigen Gebäudes mit Hilfe des Bewertungsgesetzes so zu veranschlagen, dass jeder Verkäufer bereit wäre, für diesen Wert zu verkaufen oder jeder Käufer tatsächlich kaufen würde. Es existieren lediglich gewisse Wertvorstellungen über den „richtigen“ Preis eines Gutes. Diese Wertvorstellungen sind vergleichbar mit den Erwartungen eines Supermarktbesuchers. Dieser erwartet beispielsweise, dass der Preis einer Packung Gummibärchen zwischen 1,20 € und 1,45 € liegt. Die Aufgabe des Bewertungsgesetzes besteht darin, Vorgaben zur steuerlichen Bewertung von Gütern zu liefern. Da kein „richtiger“ Wert für die Güter existiert, besteht grundsätzlich die Frage, welche Wertvorstellung dem Gut beigemessen werden soll. Die Bewertung einer Packung Gummibärchen zu Marktpreisen würde u.U. einen Wert zwischen 1,20 € und 1,45 € liefern. Hingegen könnte ein Substanzwert, der beispielsweise nur die Kosten der Produktion einer Packung Gummibärchen umfasst, wesentlich geringer sein. Der Gesetzgeber musste also für die von ihm angedachten Wertvorstellungen Bewertungsmaßstäbe bestimmen. Gleichzeitig wurden Verfahren festgelegt, anhand derer diese Bewertungsmaßstäbe praktisch zu ermitteln sind.

294

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

Bewertung im Sinne des Bewertungsgesetzes bedeutet demnach, den Wert eines Gutes, entsprechend einer gewissen Wertvorstellung, in Geld auszudrücken. Eine Bewertung von Vermögen hat zur Folge, dass die Werte des Vermögens in Geldeinheiten vorliegen. Diese sind notwendig, um mittels einer einheitlichen Rechengröße die Bereicherung eines Erwerbers messen zu können. Merke: Bewerten heißt, den Wert eines Gutes in einem Geldbetrag auszudrücken. Die Ermittlung eines Geldwertes ist bei manchen Gütern verhältnismäßig einfach, bei anderen hingegen sehr viel komplizierter. Besteht die Aufgabe beispielsweise darin, den Wert eines Sparbuchs festzustellen, geschieht dies relativ unproblematisch, weil dieser – nach dem Nachtrag der bis zum Bewertungszeitpunkt aufgelaufenen Zinsen – aus dem Nennbetrag des Sparbuchs abgelesen werden kann. Problematisch sind hingegen Güter, die seltener im Geschäftsverkehr umgesetzt werden. Darunter können beispielsweise Anteile an einer Kapitalgesellschaft fallen. Handelt es sich bei dem Anteil um eine Aktie einer börsennotierten Gesellschaft, ergibt der tagesaktuelle Aktienkurs einen möglichen Geldwert. Wie wird der Wert des Anteils aber in Erfahrung gebracht, wenn die Gesellschaft nicht börsennotiert ist oder kein tagesaktueller Kurs vorliegt? Die Antwort findet sich im Bewertungsgesetz, welches wegen der Verweise im § 12 ErbStG heranzuziehen ist. § 12 ErbStG regelt, welche Vorschriften aus dem Bewertungsgesetz zur Wertermittlung von vererbtem oder verschenktem Vermögen anzuwenden sind.

Bereicherung

ErbStG Bemessungsgrundlage

Geschäftsbetrieb Betrieb Briefmarkensammlung

§ 12 ErbStG

BewG

Vermögen ./. Schulden

Schulden Beerdigungskosten ErbSt

Abbildung 143: Transformationsfunktion des § 12 ErbStG i.V.m. dem Bewertungsgesetz Mit den allgemein verbindlichen Bewertungsvorschriften im Bewertungsgesetz hat der Gesetzgeber die gleichmäßige Bewertung derselben Gegenstände für alle Gesetze erreicht. Gleichzeitig wird durch die Einführung von standardisierten Wertermittlungsverfahren verhindert, dass subjektive Eigenschaften, die der Eigentümer dem Gut beimisst, in die

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

295

Beispiel

Der Ring, den Ken Carter seinem Sohn Damien zum 18. Geburtstag schenkt, ist schon seit vielen Generationen in Familienbesitz und wird seit jeher vom Vater an den ältesten Sohn weitergegeben. Damien meint daher an diesem Tag voller Stolz zu seinem Vater, dass dieses Erbstück unbezahlbar sei. Tatsächlich aber verkauft er den Ring schon einige Tage später zu einem realistischen Preis von 2.000 € an einen Juwelier.

Lösung

Bewertung einfließen. Auf einen solchen subjektiven Wert kann und will das Bewertungsgesetz nicht abstellen. Der Wert soll von objektiv nachvollziehbaren Kriterien geprägt sein.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass es für den Gesetzgeber unmöglich ist, subjektive Elemente in die Bewertung einfließen zu lassen. Die persönliche Bedeutung des Erbstücks kann von der Finanzverwaltung nicht gemessen werden. Neben diesem rein praktischen Problem steht auch das Prinzip der Bereicherung dem Einbezug subjektiver Vorstellungen entgegen. Damiens wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber einem Dritten ist nicht um den subjektiven sondern den objektiven Wert erhöht. Im Vergleich zu einem Dritten besitzt er, wenn er den Ring verkauft, genau 2.000 € mehr, unabhängig davon, was ihm der Ring persönlich wert ist.

Das BewG liefert das Rüstzeug, einen objektivierten Geldwert unter Zuhilfenahme der Bewertungsverfahren zu ermitteln.62 Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Bewertungsgesetz insbesondere die Fragen zu klären, x x x x

was bewertet wird (Bewertungsgegenstand), wie zu bewerten ist (Bewertungsmaßstab/ -methode), wem das Objekt zugeordnet wird (Steuersubjekt) und wann zu bewerten ist (Bewertungszeitpunkt).

Sind diese Fragen geklärt, kann eine Bewertung durchgeführt werden. Die hierzu relevanten Regelungen des Bewertungsgesetzes werden im Folgenden dargelegt.

6.1.3 Anwendungsbereich des Bewertungsgesetzes Der Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes ist in § 1 BewG kodifiziert. § 1 Abs. 1 BewG besagt, dass der allgemeine Teil des Gesetzes für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben Anwendung findet, die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Unter diese Tatbestandsmerkmale lassen sich nahezu alle Steuergesetze in Deutschland subsumieren. Neben der Grund- und Gewerbesteuer zum Beispiel gelten die Vorschriften auch für die Erbschaft- und Schen-

62

Vgl. Schneeloch, D., Besteuerung und betriebliche Steuerpolitik, Band I: Besteuerung, 3. Aufl., München 1998, S. 340.

296

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

kungsteuer. Dieser umfassende Anwendungsbereich ist unter anderem notwendig, um die Anforderungen an eine gleiche Wertbeimessung zu erreichen. Eingeschränkt wird der Geltungsbereich jedoch durch § 1 Abs. 2 BewG. Demzufolge sind die allgemeinen Vorschriften nur anwendbar, wenn nicht der zweite Teil des Gesetzes oder ein anderes Steuergesetz abweichende Regelungen enthält. Hiermit wird darauf verwiesen, dass es trotz der Regelungen im allgemeinen Teil des Bewertungsgesetzes Ausnahmen für die Bewertung gibt. Diese sind zum Beispiel aus steuerpolitischen Gründen geschaffen worden. Somit ergibt sich eine feste Normenhierarchie. Die Normen der speziellen Steuergesetze sind vorrangig für die Bewertung heranzuziehen. Sind die Tatbestände dort nicht geregelt, ist zu prüfen, inwieweit eine Vorschrift des zweiten Teils des Bewertungsgesetzes greift. Zuletzt ist auf die allgemeinen Normen des Bewertungsgesetzes zurückzugreifen. Existiert eine Bewertungsvorschrift ja in einem speziellen Steuergesetz

Nach dem Grundsatz des lex specialis sind die

nein im zweiten Teil des Bewertungsgesetzes (§§ 17 bis 150 BewG)

spezielleren Normen ja

vorrangig anzuwenden

nein Rückgriff auf den ersten Teil des Bewertungsgesetzes (§§ 1 bis 16 BewG)

Abbildung 144:

Normenhierarchie der Bewertungsvorschriften

6.1.4 Bewertungsgegenstand Zu Beginn jeder Bewertungstätigkeit ist zu Fragen, welches Objekt bewertet werden soll. Dazu ist das Bewertungsobjekt zu bestimmen und von anderen Gegenständen abzugrenzen. Die Antwort auf die Frage, was zum Bewertungsgegenstand gehört, gibt § 2 BewG. Er legt fest, dass jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten ist. Die wirtschaftliche Einheit kann wiederum aus einem oder mehreren einzelnen Wirtschaftsgütern bestehen.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

297

Merke: Bewertungsgegenstand ist die wirtschaftliche Einheit.

6.1.4.1 Wirtschaftsgut Ein einzelnes Wirtschaftsgut stellt für steuerliche Zwecke die kleinste Bewertungseinheit dar. Trotz dieser gewichtigen Bedeutung ist der Begriff Wirtschaftsgut weder im Bewertungs- noch in einem anderen Steuergesetz definiert. Die Rechtssprechung hat jedoch feste Kriterien entwickelt, die ein Gut erfüllen muss, um als Wirtschaftsgut zu gelten. Wirtschaftsgüter sind charakterisiert durch: x eine selbständige Bewertbarkeit, x einen selbständigen wirtschaftlichen Nutzen sowie x einen selbständigen Geldwert im Geschäftsverkehr. Somit umfasst der Begriff Wirtschaftsgut nicht nur Sachen oder Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände oder Möglichkeiten, die einen längerfristigen Vorteil für den Eigentümer darstellen. Voraussetzung hierbei ist, dass sie einen Geldwert am Markt besitzen und zu einer selbständigen Bewertung fähig sind. Folglich kommt es nicht darauf an, ob das Gut eine körperliche Gestalt (z.B. Auto) hat oder ob ein immaterieller Vermögensgegenstand (z.B. Patent) vorliegt. Schulden und Lasten zählen ebenfalls zu den Wirtschaftsgütern. Allerdings handelt es sich hierbei um negative Wirtschaftsgüter, weil sie eine Belastung darstellen. Merke: Ein Wirtschaftsgut ist ein Gegenstand, ein Recht, ein tatsächlicher Zustand oder eine konkrete Möglichkeit, die im Geschäftsverkehr einen Geldwert darstellt, solange sie einen selbständigen wirtschaftlichen Nutzen verkörpert und selbständig bewertbar ist.

6.1.4.2 Wirtschaftliche Einheit Gem. § 2 BewG hat die Zusammenfassung von Wirtschaftgütern zu wirtschaftlichen Einheiten zu erfolgen. Somit sind die unterschiedlichsten Wirtschaftsgüter zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, wenn sie dem gleichen wirtschaftlichen Zweck dienen. Kann ein einheitlicher Zweck der Wirtschaftgüter nicht bejaht werden, so handelt es sich um separate wirtschaftliche Einheiten, die getrennt voneinander zu bewerten sind.

298

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

Merke: Wirtschaftsgüter einer wirtschaftlichen Einheit dienen demselben wirtschaftlichen Zweck. Existiert kein einheitlicher wirtschaftlicher Zweck, liegt keine wirtschaftliche Einheit vor. Eine Bewertungseinheit muss nicht notwendigerweise aus mehreren Wirtschaftgütern bestehen. Auch ein unbebautes Grundstück kann als einzelnes Wirtschaftsgut eine eigene wirtschaftliche Einheit darstellen. Jedoch ist ein Haus niemals isoliert zu bewerten. Es stellt in Verbindung mit dem Grundstück, auf dem es steht, immer eine wirtschaftliche Einheit dar.63

Gemeinsame Bewertung

Wirtschaftsgut 1 (Maschine) Wirtschaftsgut 2 (Lagerhalle)

Wirtschaftliche Einheit (Gewerbebetrieb)

Wirtschaftsgut 3 (Rohstoffe) Getrennte Bewertung Gemeinsame Bewertung Wirtschaftsgut 4 (Schmuck)

Wirtschaftliche Einheit

Abbildung 145: Bildung von wirtschaftlichen Einheiten

Beispiel

Jede wirtschaftliche Einheit ist getrennt von einer anderen zu bewerten. Das Bewertungsgesetz verzichtet aber durch die Betrachtung der Bewertungseinheiten auf eine aufwendige Einzelbewertung der Wirtschaftsgüter. Dies ist gerechtfertigt, da meist die gesamte wirtschaftliche Einheit auf den Erwerber übergeht und diesem die Mühen und Kosten erspart bleiben, aus einzelnen Wirtschaftsgütern selbst eine funktionsfähige Einheit zu schaffen. Die bestehende Organisation und Infrastruktur ist demnach bei der Bewertung ebenfalls zu berücksichtigen und wird im Gesamtwert der wirtschaftlichen Einheiten ausgedrückt.

63

Samantha Barzel vererbt ihrer Tochter ein Haus. Dieses steht auf einem 1.200 qm großen Grundstück in der Nähe von Augsburg. Neben zwei Garagen verfügt das Grundstück über einen aufwendig gestalteten Garten und einen eigenen Spielplatz. Eingezäunt wird der Garten durch eine kleine Mauer.

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1042.

Lösung

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

299

Die Komponenten des bebauten Grundstücks (Grund, Gebäude, Garagen, Gartenanlagen, Einfriedung und Spielplatz) dienen alle der Benutzbarkeit des Grundstücks. Sie dienen daher dem gleichen wirtschaftlichen Zweck und sind gemeinsam zu bewerten. Anwendung findet hier das Ertragswertverfahren für bebaute Grundstücke nach § 146 BewG.

Alle Wirtschaftsgüter einer Einheit sind im Ganzen zu bewerten. So gehört im Umkehrschluss auch jeder Gegenstand, der zu einer wirtschaftlichen Einheit zu zählen ist, der gleichen Vermögensart an. Die Wirtschaftsgüter in dieser Bewertungseinheit sind in der Regel nach den für diese Vermögensart maßgebenden gleichen Bewertungsverfahren zu bewerten. Bestehen für eine Vermögensart spezielle Begünstigungen, finden diese auf alle Wirtschaftsgüter der Bewertungseinheit Anwendung (z.B. sachliche Freibeträge gem. § 13 ErbStG). Merke: Alle Wirtschaftsgüter einer wirtschaftlichen Einheit, gehörten definitionsgemäß der gleichen Vermögensart an. Die Verkehrsauffassung entscheidet darüber, welche Güter eine Bewertungseinheit darstellen. Die Anschauung der vernünftig denkenden Allgemeinheit gilt als Verkehrsauffassung, soweit diese aus urteilsfähigen und unvoreingenommenen Staatsbürgern besteht.64 Demnach stellen Güter, die in den Augen der Staatsbürger für sich allein nutzbar und von anderen Wirtschaftsgütern unabhängig sind, grundsätzlich eigenständige wirtschaftliche Einheiten dar.65 Dabei sind gem. § 2 BewG die örtlichen Gewohnheiten, die tatsächliche Ausübung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit zu berücksichtigen. Die Wirtschaftsgüter müssen also objektiv zu einer gemeinsamen wirtschaftlichen Nutzung geeignet sein, um als wirtschaftliche Einheit zu gelten. Tun sie das nicht, liegen separate Einheiten vor, die getrennt zu bewerten sind. Eingeschränkt wird diese Auslegungsregel zur Zusammenfassung zu wirtschaftlichen Einheiten des § 2 Abs. 1 BewG durch § 2 Abs. 2 BewG. Dieser verlangt, dass die Wirtschaftsgüter, die zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden, demselben Eigentümer gehören müssen. Als Eigentümer ist für Zwecke der Erbschaftsteuer ausschließlich der zivilrechtliche Eigentümer im Sinn des § 39 Abs. 1 AO anzusehen. Die im Steuerrecht

64

Vgl. BFH v. 03.02.1956, III-206/55-U, BStBl. III 1956, S. 78; BFH v. 19.05.1967, III-50/61, BStBl. III 1967, S. 510; BFH v. 13.06.1969, III-17/65, BStBl. II 1969, S. 517; BFH v. 13.06.1969, III-R-132/67, BStBl. II 1969, S. 612; BFH v. 07.12.1973, III-R-158/72, BStBl. II 1974, S. 195; BFH v. 02.07.1976, III-R-54/75, BStBl. II 1976, S. 640; BFH v. 06.07.1979, III-R77/77, BStBl. II 1979, S. 726.

65

Vgl. Haar, H./ Wittmayer, H., Lehrbuch Bewertungsrecht und Vermögenssteuer, 4. Aufl. Herne/Berlin 1994, S. 36.

300

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

ansonsten gängige Betrachtung des wirtschaftlichen Eigentums findet hier keine Anwendung. So darf ein Wirtschaftsgut einer wirtschaftlichen Einheit, das einer nicht mit dem Eigentümer der wirtschaftlichen Einheit identischen Person gehört, nicht in die Bewertung der Einheit eingehen. Steht das Wirtschaftsgut im Teileigentum eines fremden Dritten und des Eigners der wirtschaftlichen Einheit, zählt das Gut trotzdem nicht zur wirtschaftlichen Einheit. Es bildet vielmehr eine eigene wirtschaftliche Einheit.66 In diesen Fällen, wenn mehrere Personen das Eigentum an ein und derselben wirtschaftlichen Einheit oder den darunter zusammengefassten Gütern haben, wird der Wert der gesamten wirtschaftlichen Einheit festgestellt. Der Gesamtwert ist anteilig nach Miteigentumsanteilen auf die Eigentümer aufzuteilen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO).

Im Eigentum des Erblassers bzw. Schenkers

Wirtschaftliche Einheit (evtl. einzelnes Wirtschaftsgut)

Wirtschaftsgut einer wirtschaftlichen Einheit

Bewertung der wirtschaftlichen Einheit im Ganzen

Bewertung der wirtschaftlichen Einheit im Ganzen Das Wirtschaftsgut zählt nicht zu der wirtschaftlichen Einheit.

Im Teileigentum mit fremden Dritten Bewertung der wirtschaftlichen Einheit im Ganzen und Aufspaltung des Wertes nach der Eigentumsquote Im Eigentum eines fremden Dritten

Kein Eingang in die Bemessungsgrundlage

Kein Eingang in die Bemessungsgrundlage

Abbildung 146: Eigentümerstellung bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Einheiten Merke: Wirtschaftsgüter, die dem gleichen wirtschaftlichen Zweck dienen und dem gleichen zivilrechtlichen Eigentümer gehören, werden zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst und gemeinsam, aber getrennt von anderen wirtschaftlichen Einheiten, bewertet. Für einige Wirtschaftsgüter finden sich im zweiten Teil des Bewertungsgesetzes Vorschriften für die Zusammenfassung zu wirtschaftlichen Einheiten. In diesem Fall kodifiziert § 2 66

Vgl. auch R 49 und 50 BewRGr.

301

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Beispiel

Abs. 3 BewG, dass die spezielleren Regeln über die Zusammenfassung Vorrang haben. So gehören z.B. ein PC und eine Maschine, die zum selben Gewerbebetrieb gehören, zur wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens gem. § 95 BewG. Unternehmer Viktor Navorski führt ein kleines Unternehmen, die Autotuning GmbH. Der Umbau der Fahrzeuge wird in einer kleinen Werkshalle vorgenommen. Ferner wird dafür eine Hebebühne benötigt, die Viktor allerdings nur zu 5 % gehört. Die für den Betrieb verwendeten verschiedenen Werkzeuge stehen in seinem alleinigen Eigentum. Um leichter an Aufträge zu kommen, hat sich die GmbH zusätzlich an einer KfzWerkstatt beteiligt.

Lösung

Viktor besitzt noch Geld in Höhe von ca. 25.000 € auf seinem privaten Sparbuch und eine kleine Eigentumswohnung. In diesem Beispiel liegen sechs Wirtschaftsgüter vor, die wie folgt zu vier wirtschaftlichen Einheiten zusammenzufassen sind. Wirtschaftsgut Werkshalle Werkzeuge Beteiligung (KfzWerkstatt)

Wirtschaftliche Einheit Gewerbebetrieb

Hebebühne

Hebebühne

Sparbuch

Sparbuch

Eigentumswohnung

Grundvermögen

Begründung

dient dem Betrieb der Autotuning GmbH dient zwar dem Betrieb der Autotuning GmbH, steht nicht im alleinigen Eigentum von Viktor Kein gemeinsamer Zweck mit einem anderen Wirtschaftsgut Kein gemeinsamer Zweck mit einem anderen Wirtschaftsgut

Die zu wirtschaftlichen Einheiten zusammengefassten Wirtschaftsgüter sind gemeinsam zu bewerten, aber separat von den anderen wirtschaftlichen Einheiten. Im Falle der im Miteigentum des Viktor stehenden Hebebühne ist der Wert der gesamten Hebebühne zu ermitteln und entsprechend der Eigentumsverhältnisse (hier 5 %) aufzuteilen.

302

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

6.1.5 Bewertungsmaßstäbe und -verfahren Der Maßstab für die Bewertung ist das Verständnis, wie die Umrechnung von Vermögensgegenständen in Geldwerte zu erfolgen hat. Es handelt sich um eine Richtschnur, der gewisse Wertvorstellungen zugrunde liegen, die ein gleichmäßiges Wertgefüge innerhalb einzelner Vermögensarten herbeiführen sollen. Gleichzeitig wird durch die Auswahl der Bewertungsmaßstäbe auch eine Entscheidung über das Wertgefüge zwischen verschiedenen Vermögensarten getroffen. Beispielsweise werden Autos mit ihren gemeinen Werten bewertet; d.h. es sind die Veräußerungspreise des jeweiligen PKWs oder LKWs anzusetzen. Erhält ein Erbe für den vererbten Mercedes noch 50.000 €, geht dieser Wert in die Bemessungsgrundlage ein. Gehören andere Autos ebenfalls zum Erbe, verlangt der Bewertungsmaßstab, dass für jedes andere Auto auch der potenzielle Veräußerungspreis, d.h. der Verkehrswert, anzusetzen ist. Grundsätzlich ist die Bewertung mit dem Verkehrswert als gerecht anzusehen, da der Empfänger ebenfalls um den Veräußerungswert des jeweiligen Autos bereichert ist. Allerdings wird von dem Bewertungsmaßstab des Verkehrswerts häufig abgewichen. Ein Betrieb beispielsweise ist nicht auf Grundlage des Veräußerungswertes zu bewerten, sondern mit seinen Steuerbilanzwerten, die häufig unter den Veräußerungswerten liegen. Diese unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe werden bewusst in Kauf genommen. Für gewöhnlich sind hierfür steuerpolitische Gründe maßgebend. Zudem wird hierdurch insbesondere eine Vereinfachung des Bewertungsverfahrens erreicht.

Gleiche Wertvorstellungen Mercedes (50 T€)

Mazda (23 T€)

Honda (21 T€)

Gleiche Wertvorstellungen

Maschine (BW 29 T€)

Auto Audi (24 T€)

VW (26 T€)

Gemeiner Wert

Auto (BW 23 T€)

Werkzeuge (BW 21 T€)

Betrieb BMW (52 T€)

Wertpapiere (BW 15 T€)

Unterschiedliche Wertvorstellungen

Goodwill (BW 7 T€)

Rohstoffe (BW 52 T€)

Steuerbilanzwerte

Abbildung 147: Bewertungsmaßstab im Innen- und Außenverhältnis

303

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Der Wertermittlung sind verschiedene Bewertungsmaßstäbe zugrunde gelegt. Diese sollen dafür sorgen, dass die Bewertung für steuerliche Zwecke möglichst einfach vonstatten geht. Die vier grundlegenden Bewertungsmaßstäbe sind: x x x x

der gemeine Wert (§ 9 BewG), der Teilwert (§ 10 BewG), der Ertragswert (§ 36 BewG) und der Steuerbilanzwert (§ 109 BewG).

Aufgrund der zusätzlichen Anforderung an die Bewertungsmaßstäbe, die Wirtschaftsgüter möglichst einheitlich und gleichmäßig zu bewerten, stehen die Bewertungsmaßstäbe nicht gleichwertig nebeneinander. Grundsätzlich sind Wirtschaftgüter mit ihrem gemeinen Wert zu bewerten. Die übrigen Wertmaßstäbe sind nur in Ausnahmefällen zu verwenden, wenn diese explizit im Gesetz vorgesehen sind. Gründe für das Abweichen sind zum einen die dadurch erreichte Vereinfachung der Bewertung oder zum anderen wirtschafts- oder sozialpolitische Aspekte. Bei diesen vier Bewertungsmaßstäben spricht man von den originären Bewertungsmaßstäben. Diese Werte sind zur Bewertung der Wirtschaftsgüter heranzuziehen. Zusätzlich existieren noch derivative Bewertungsmaßstäbe, anhand derer der gemeine Wert für einzelne Wirtschaftsgüter abgeleitet werden soll. Es wird beispielsweise angenommen, dass der Kurswert (§ 11 Abs. 1 BewG) dem gemeinen Wert für Wertpapiere oder der Kapitalwert (§§ 13 und 14 BewG) dem gemeinen Wert für wiederkehrende Leistungen entspricht. Trotz einer Vielzahl von Bewertungsmaßstäben ist es bei manchen Wirtschaftsgütern unumgänglich, ein Schätzverfahren anzuwenden. Das Stuttgarter Verfahren zur Ermittlung des Geldwertes von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften ist hier das bekannteste. Dieses Verfahren wurde von den Finanzverwaltungen entwickelt und von der Rechtsprechung bestätigt.

Originäre Bewertungsmaßstäbe

Derivative Bewertungsmaßstäbe

Grundsatz: Gemeiner Wert (§ 9 BewG)

Kurswert (§ 11 BewG) Nennwert (§ 12 BewG) Kapitalwert (§§ 13 bis 15 BewG)

in besonderen Fällen Teilwert (§ 10 BewG)

Steuerbilanzwert (§ 109 BewG)

Ertragswert (§ 36 BewG)

Abbildung 148: Überblick über die Bewertungsmaßstäbe

304

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

Die Wahl des Wertmaßstabs in Verbindung mit einem Bewertungsverfahren klärt die Frage, wie eine Bewertung zu erfolgen hat. Um einen Gegenstand entsprechend seines Bewertungsmaßstabs zu bewerten, wird ein planmäßiges, methodisches Verfahren herangezogen, das Bewertungsverfahren.67 Das Verfahren stellt die praktische Bedienungsanleitung dar, wie bei der Bewertung vorzugehen ist. In der Regel werden die Komponenten, die in die Bewertung eingehen sollen, genannt und deren Verwendung erläutert. Es wird die exakte Vorgehensweise geschildert und am Ende der objektivierte Wert geliefert, der Eingang in die Bemessungsgrundlage findet. Das Bewertungsverfahren ist in seiner Komplexität meist stark reduziert und verarbeitet nicht alle vorliegenden Informationen. Aus Vereinfachungsgründen und um das Verfahren in großem Umfang anwenden zu können, werden diese Ungenauigkeiten jedoch akzeptiert. Die nach dem Bewertungsverfahren ermittelten Werte entsprechen dennoch den gewünschten Bewertungsmaßstäben. Merke: Bewertungsmaßstäbe sind Wertvorstellungen, welche die Grundlage bei der Bewertung verschiedener Güter bilden. In der Verwendung unterschiedlicher Wertmaßstäbe für einzelne Vermögensarten liegt jedoch auch die Gefahr, dass es zu erheblichen Wertabweichungen und damit Verstößen gegen das Bereicherungsprinzip kommt. Dieser Problematik der ungleichen Bewertung ist sich die Rechtsprechung bewusst. Nahezu fortlaufend werden die Bewertungsunterschiede angeprangert. Klagen dagegen sind regelmäßig erfolgreich. So wurde der Gesetzgeber bereits zu einigen Nachbesserungen gezwungen. Die letzte große Reform des Bewertungsgesetzes kam mit dem Jahressteuergesetz 1997, bei der die Bedarfsbewertung für Grundvermögen eingeführt wurde. Mittlerweile sind zu diesem Thema abermals Klagen beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Mögliche Änderungen des Bewertungsgesetzes werden eingehend diskutiert. Es wird erwartet, dass vor allem die Bewertung von Betriebs- und Immobilienvermögen verschärft wird. Der Trend geht dabei ungebrochen zu einer zeitnahen Bewertung mit dem gemeinen Wert für alle Güter.

6.1.5.1 Gemeiner Wert – § 9 BewG Als grundsätzlichen Bewertungsmaßstab sieht das Bewertungsgesetz den gemeinen Wert vor. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt es stets, den gemeinen Wert eines Gutes zu ermitteln (§ 9 BewG). Unter dem gemeinen Wert eines Wirtschaftsgutes versteht § 9 Abs. 2 BewG den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit dieses Wirtschaftsgutes bei der 67

Vgl. Schneeloch, D., Besteuerung und betriebliche Steuerpolitik, Band I: Besteuerung, 3. Aufl., München 1998, S. 345 f.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

305

Veräußerung zu erzielen wäre. Eine eventuell im Veräußerungspreis enthaltene Umsatzsteuer ist mit zu berücksichtigen. Ebenso sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu beachten, außer es handelt sich um ungewöhnliche oder persönliche Einflussfaktoren. So lässt sich zum Beispiel der Kaufpreis eines Autos wegen eines Unfallschadens mindern. Ein „Freundschaftspreis“ zwischen zwei Familienangehörigen gilt hingegen nicht als ein frei von persönlichen Umständen entstandener Preis. Merke: Grundsätzlich ist der gemeine Wert als Bewertungsmaßstab zugrunde zu legen. Dieser entspricht dem am Bewertungsstichtag an einem freien Markt erzielbaren Veräußerungspreis.

Beispiel

Jeff Talley hat sich vor einigen Monaten einen neuen Porsche für 79.000 € gekauft. Das Auto ist scheckheftgepflegt. Am Gebrauchtwagenmarkt würde er einen Preis von ca. 70.000 € erhalten. Jeff muss das Auto aber verkaufen, weil er dringend Geld benötigt. Er verkauft es einem Gläubiger daher für nur 60.000 €.

Lösung

Der Preis, der bei einem Verkauf am Bewertungsstichtag üblicherweise erlöst werden könnte, ist der festzustellende gemeine Wert. Dieser Veräußerungspreis kann sich von vorher bereits tatsächlich erzielten Verkaufspreisen unterscheiden. Allerdings wird angenommen, dass kurz vor oder kurz nach dem Bewertungszeitpunkt gezahlte Preise einen Anhaltspunkt für den gemeinen Wert liefern. Zusätzlich hat die Preisbildung in einem ungezwungenen Handel zwischen zwei oder mehreren Personen zu erfolgen, bei dem alle Parteien ihr eigenes wirtschaftliches Interesse wahren. Es gelten also die Regeln des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs, dem das Marktprinzip unter Beachtung von Angebot und Nachfrage zugrunde liegt.68

Der gemeine Wert ist der Wert, der bei einer Veräußerung am freien Markt erzielt werden könnte. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ein Verkauf unter Zwang, wie bei einer Zwangsversteigerung oder bei einem Erwerb aus der Insolvenzmasse, nicht den gemeinen Wert widerspiegelt. Der gemeine Wert wäre hier der Wert, den Jeff am Gebrauchtwagenmarkt erhalten hätte (70.000 €).

Neben der explizit genannten Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes sind auch alle weiteren preisbeeinflussenden Umstände bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Hierunter sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen, die ein derartiges Wirtschaftsgut charakterisieren,69 wenn sie für die Allgemeinheit in gleichem Maße gelten. Umstände, die nur für einzelne Personen gelten oder gewisse ungewöhnliche Ausnahmen, dürfen nicht in die Wertermittlung einfließen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 BewG). Ungewöhnliche 68

Vgl. Rössler, R./ Troll, M., Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 17. Aufl., München 1995, S. 118.

69

Vgl. BFH v. 17.01.1975, III-R-68/73, BStBl. II 1975, S. 377.

306

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

Verhältnisse treten in der allgemeinen Marktsituation nicht auf. Genauso wenig dürfen Umstände den Wert beeinflussen, die in der Person des Käufers oder Verkäufers liegen.

Ungewöhnliche Umstände? ja

• Unfreiwillige Verkäufe • Verkäufe unter nahen Verwandten

Zwangsversteigerung Konkursverfahren

nein

• Geringes Handelsvolumen • Liebhaberpreise

Freundschaftspreise

• Umstände, die nicht für die Allgemeinheit gelten

Sind nicht bei der Wertermittlung berücksichtigt

Sind bei der Wertermittlung zu berücksichtigen

Abbildung 149: Gewöhnliche und ungewöhnliche Umstände Als persönliche Verhältnisse sind Verfügungsbeschränkungen über das Wirtschaftsgut zu verstehen, die durch den Steuerpflichtigen oder seinen Rechtsvorgänger begründet sind, solange sie sich auf das Wirtschaftsgut selbst beziehen und nicht auf dessen Erträge. So ist das Nießbrauchrecht keine Verfügungsbeschränkung und bei der Bewertung zu beachten, weil es die Erträge eines Grundstücks an eine dritte Person abtritt. Eine vertraglich vereinbarte Einschränkung der Veräußerbarkeit von GmbH-Anteilen wäre aber eine Verfügungsbeschränkung, die durch den Rechtsvorgänger aufgrund vertraglicher Vereinbarung begründet wurde und somit bei der Bewertung außer Acht zu lassen ist.

307

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Persönliche Verhältnisse? ja

• Verfügungsbeschränkungen • Verkaufsbeschränkungen • Nutzungsbeschränkungen

Durch den Steuerpflichtigen begründet oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung

Sind nicht bei der Wertermittlung berücksichtigt

nein

• Dingliche Beschränkungen • Baubeschränkungen aufgrund staatlicher Anordnung

Sind bei der Wertermittlung zu berücksichtigen

Abbildung 150: Persönliche Verhältnisse bei der Wertermittlung Der gemeine Wert als Bewertungsmaßstab wird als gerecht erachtet, weil er die Bereicherung des Erwerbers am Stichtag widerspiegelt. Erhält eine Person einen Gegenstand, dann ist deren objektive Bereicherung der Wert, für den sie das Gut am Markt weiterverkaufen kann. Diese Person ist also maximal um den gemeinen Wert bereichert. So stellt der gemeine Wert in der Regel die Wertobergrenze der Bewertung von Gütern dar. Ein höherer Wert darf nicht angesetzt werden, weil dadurch Steuern auf eine Bereicherung erhoben würden, die tatsächlich nicht eingetreten ist. Ebenso wird es als ungerecht empfunden, wenn Personen Güter erhalten, die mit einem niedrigeren als dem gemeinen Wert anzusetzen sind. So wären sie gegenüber Personen, die ihr Vermögen zum gemeinen Wert bewertet haben, begünstigt, und ein Teil der Bereicherung würde nicht der Steuer unterliegen. Dennoch liegt beispielsweise der Wert des Betriebsvermögens, welches auf der Grundlage der Steuerbilanzwerte ermittelt wird, meist unter dem gemeinen Wert. Ausnahmsweise wird diese Bewertung jedoch toleriert, weil die Bewertung mit den Steuerbilanzwerten die denkbar einfachste Bewertungsform darstellt. Außerdem sind dahinter steuerpolitische Gedanken zu sehen, da davon ausgegangen wird, dass Betriebe aufgrund ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung besonders schützenswert sind.

308

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

Beispiel

Aufgrund eines Traum-Sommers sind alle Sonnencremes in Europa ausverkauft. Eine Flasche Sonnenmilch, mit Lichtschutzfaktor 25, kostete im Laden bisher 3,45 €. Aufgrund des schönen Wetters und der freundlichen Voraussagen stiegen die Preise nachhaltig auf 10,68 €. Jenny Everdeane besitzt 20 solcher Sonnencremes. Trotz der hohen Wertsteigerung schenkt sie ihrem guten Freund John Hartigan zehn Flaschen mit Sonnencreme. Als Gegenleistung für die Sonnencremes muss John Jenny zum Essen ausführen. Der Abend kostet ihn 30 €.

Lösung

Der Wert der Sonnenmilch ist aufgrund äußerer Umstände, die für alle gelten, auf 10,68 € geklettert. Die tatsächlichen Kosten, die John durch die Einladung zum Essen entstehen, sind kein Maßstab, da diese aufgrund persönlicher Umstände zwischen den John und Jenny zustande gekommen sind. Dieser Wert, wie der bisherige Kaufpreis, geben daher den gemeinen Wert der Sonnencreme nicht richtig wieder. Die Packung Sonnenmilch ist folglich mit 10,68 € zu bewerten.

6.1.5.2 Teilwert – § 10 BewG Der Begriff „Teilwert“ ist sowohl für die Bewertung als auch für die Einkommensteuer von Bedeutung. So sind gem. § 10 Abs. 1 BewG Wirtschaftsgüter, die in einem Unternehmen genutzt werden, dort also eingebunden und bilanziert sind, mit ihrem Teilwert anzusetzen, soweit dem keine andere Regelung entgegensteht. Der Teilwert ist gem. § 10 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewG und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut zahlen würde. Dabei wird unterstellt, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt. Am Bewertungsstichtag deckt sich der Teilwert in der Regel mit den Wiederbeschaffungskosten oder Wiederherstellungskosten für ein Wirtschaftsgut gleicher Art und Güte.70 Dieser Grundsatz basiert auf der Überlegung, dass ein Erwerber des ganzen Betriebs für ein bestimmtes Wirtschaftsgut nicht mehr bezahlen würde als er für dieses Wirtschaftsgut am Markt aufwenden müsste. Als untere Grenze des Teilwerts hat sich der Einzelveräußerungspreis herausgebildet. Dies ist mindestens der Material- oder Schrottwert des betreffenden Wirtschaftsgutes. Die Umsatzsteuer ist im Teilwert nicht enthalten. Der Teilwert ist im Erbschaftsteuergesetz lediglich für die Bewertung von Betriebsvermögen von Bedeutung. Er ist speziell dann anzusetzen, wenn der Gewerbetreibende oder der Freiberufler keine Bilanz erstellt. Für den Bilanzierer ist der Steuerbilanzwert maßgebend.

70

Vgl. BFH v. 02.03.1973, III-R-88/69, BStBl. II 1973, S. 475; BFH v. 20.07.1973, III-R-101/72, BStBl. II 1973, S. 794.

309

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Wiederbeschaffungspreis

Aufschlag wegen des Nutzungsvorteils durch die Einbindung in den Gewerbebetrieb

Veräußerungspreis

Gemeiner Wert

Teilwert

Abbildung 151: Vergleich des Teilwerts mit dem gemeinen Wert

6.1.5.3 Ertragswert Für Sonderfälle ist geregelt, dass Wirtschaftsgüter mit ihrem Ertragswert anzusetzen sind. Der Ertragswert eines Gutes stützt sich dabei auf zukünftig erzielbare Rückflüsse und stellt den Barwert dieser Beträge dar.

Ertragswert = Summe der abgezinsten zukünftigen Erträge

1. J

Barwert =

2. J

4. J

3. J

n Ȉ t=1

5. J

t

1 x (1 + i) t

Abbildung 152: Ertragswertverfahren Als Rückfluss im Sinne des Ertragswertverfahrens ist aber nicht der von einer einzelnen Person im speziellen Fall erzielbare Ertrag anzusehen, sondern die allgemeine Ertragsfähigkeit des fraglichen Gutes. Zur Ermittlung der Ertragsfähigkeit definiert das Gesetz für einzelne Vermögensarten einen Reinertrag. Der tatsächlich erzielte Ertrag aus dem Gut ist nur der Ausgangspunkt. Dieser ist in der Weise zu korrigieren, dass die Überschüsse gemeinhin und nachhaltig in der Zukunft erzielbar sind. Die Rückflüsse müssen dabei unabhängig von den rechtlichen Eigentumsverhältnissen am Gegenstand sein. Somit wird versucht, eine ungerechte Bewertung zu vermeiden. Wäre nämlich der Ertrag nicht nachhal-

310

Grundzüge des Bewertungsgesetzes

tig erzielbar und würde z.B. nach dem Erbanfall der Ertrag ausbleiben, würde auf Grund des Bewertungsverfahrens ein hoher Wert festgestellt werden. Dieser ginge in die Bemessungsgrundlage ein, wäre aber unangemessen hoch, da der Erbe nicht die entsprechenden Überschüsse aus dem Gut erzielt. Bei dem Vorschlag, den Ertragswert statt des gemeinen Werts für ein Gut anzusetzen, geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich beide Werte nahezu entsprechen. In der modernen Bewertungstheorie wird der Kaufpreis eines Gutes über den Barwert der zukünftigen Überschüsse ermittelt. Der Käufer ist sozusagen nur bereit, in ein Gut zu investieren, wenn er eine entsprechende Rendite für seine Investition erhält. Durch die Abzinsung der zukünftigen Erträge mit seinen persönlichen Renditevorstellungen erhält der Käufer den Preis, den er maximal für das Gut zahlen sollte, damit er seine Renditeziele erreicht. Im Bewertungsgesetz werden allerdings keine subjektiven Renditevorstellungen eines Erwerbers zur Abzinsung herangezogen, sondern der gesetzlich kodifizierte Zinssatz von 5,5 %. Hierdurch ergeben sich akzeptierte Abweichungen. Einer Überbewertung zu Lasten des Steuerpflichtigen wird allerdings vorgebeugt durch das Zugeständnis, den nachweislich niedrigeren gemeinen Wert anzusetzen. Einsatzfelder des Ertragswertverfahrens: x Bewertung eines bebauten Grundstücks x Bewertung eines mit Erbbaurecht belasteten Grundstücks x Bewertung nicht börsennotierter Wertpapiere (Stuttgarter Verfahren: Ertragshundertsatz) x Bewertung wiederkehrender Nutzungen und Leistungen

6.1.5.4 Steuerbilanzwert Ein weiterer Bewertungsmaßstab ist der Steuerbilanzwert. Dieser ist aufgrund ertragssteuerlicher Normen für die Steuerbilanz zu ermitteln und liegt daher bereits für die Bewertung nach dem Bewertungsgesetz vor. Ein Ansatz dieses Wertes ist daher im Umkehrschluss nur für Güter möglich, für die im Rahmen der Ertragsteuern bereits ein Wertansatz ermittelt wurde. Nach § 109 Abs. 1 BewG ist der Steuerbilanzwert für die Bewertung eines bilanzierenden Gewerbetriebs maßgebend. Somit können Gewerbetreibende oder gleichgestellte selbständige Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, die Wertansätze aus der Steuerbilanz unverändert in eine anzufertigende Vermögensaufstellung übernehmen. Bei dieser Übernahme gelten jedoch einige Ausnahmen. Diese führen dazu, dass für einige Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eine separate Wertermittlung durchgeführt werden muss. So ist zum Beispiel der Wert eines Betriebsgrundstückes nach den Vorschriften zur Bewertung von Grundvermögen zu bewerten. Somit ist nicht der Steuerbilanzwert in die Vermögensaufstellung aufzunehmen (§ 99 i.V.m. §§ 138 ff. BewG).

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

311

Merke: Der Steuerbilanzwert wird nach ertragsteuerlichen Vorgaben ermittelt. Dieser Bewertungsmaßstab ist im Rahmen der Unternehmensbewertung anwendbar. Der Wertansatz zu Steuerbilanzwerten stellt die wohl einfachste Art der Bewertung dar. Jedoch liegen die Werte aus der Steuerbilanz meist deutlich unter dem gemeinen Wert. Dies wird geduldet, weil – wie oben bereits mehrfach erwähnt – dem Betriebsvermögen eine besondere gesellschaftliche Verpflichtung zugeschrieben wird, die eine geringere Besteuerung rechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte allerdings nicht so weit gehen, dass es eine unterschiedliche Bewertung der Güter gibt, für die er ein besonderes Wertermittlungsverfahren implementiert hat (z.B. bebaute Grundstücke nach § 146 BewG). So soll deren Wert stets nach dem gleichen Verfahren ermittelt werden, unabhängig davon, ob sie im Betriebsoder Privatvermögen gehalten werden. Daher ist der Ansatz der Steuerbilanzwerte an manchen Stellen durchbrochen.

6.2 Bewertung von inländischem Vermögen 6.2.1 Bewertungsgrundsatz Der Fiskus ist bestrebt, die tatsächliche Bereicherung eines Erwerbers zu besteuern, der durch ein Erbe oder eine Schenkung begünstigt wurde. Zur Bewertung der Güter ist nach § 12 Abs. 1 ErbStG grundsätzlich auf die allgemeinen Normen des Bewertungsgesetzes zurückzugreifen. Solange also keine besondere Regelung für die Bewertung eines Gutes existiert, sind die §§ 9 bis 16 BewG maßgebend. Für Vermögensgegenstände, die sich im Privatvermögen des Gebers befinden, bedeutet dies, dass ein Ansatz zum gemeinen Wert (§ 9 BewG) zu erfolgen hat. Wirtschaftsgüter, die einem Unternehmen dienen, sind hingegen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, mit dem Teilwert (§ 10 BewG) anzusetzen. Merke: Im Privatvermögen gehaltene Gegenstände des Vermögensanfalls sind grundsätzlich mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Güter des Betriebsvermögens mit ihren Teilwerten. Hiervon abweichende Bewertungsnormen genießen Vorrang. Zur Ermittlung der Werte von speziellen Wirtschaftsgütern, wie Wertpapieren, Forderungen, Schulden und wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen, existieren bereits im allgemeinen Teil des Bewertungsgesetzes abweichende Bewertungvorschriften. Diese, wie auch die spezielleren Regelungen in § 12 Abs. 2 bis 5 ErbStG i.V.m. dem BewG, haben Vorrang vor einem Ansatz zum gemeinen Wert oder Teilwert.

312

Bewertung von inländischem Vermögen

6.2.2 Bewertung von Wertpapieren und Anteilen Der für Wertpapiere und Anteile an juristischen Personen festgestellte Wert soll dem gemeinen Wert entsprechen. Hierzu greift das Bewertungsgesetz in § 11 BewG auf verschiedene derivative Wertmaßstäbe zurück. Gemäß dem Grundsatz der Bewertung von Gegenständen zum gemeinen Wert orientieren sich die Maßstäbe an den marktüblichen Preisen. Für die Bewertung von Wert- und Anteilspapieren ist jedoch zusätzlich zu beachten, dass § 11 BewG nicht für alle Arten von Wertpapieren gilt. Unter einem Wertpapier ist eine Urkunde zu verstehen, die dem Besitzer ein Vermögensrecht zuspricht. Zusätzlich kann das Wertpapier auch mit einem Anteilsrecht ausgestattet sein. Verbrieft das Wertpapier kein Anteilsrecht, so spricht man gewöhnlich von einem Forderungspapier. Ist es mit einem Anteilsrecht ausgestattet, nennt man es Anteilspapier. Das Forderungspapier gewährt seinem Besitzer, dem Gläubiger, einen Anspruch auf die Rückzahlung eines an einen Schuldner verliehenen Geldbetrages. Es existieren keine starren Ausgestaltungsvorschriften für derartige Wertpapiere. Aus Unternehmenssicht handelt es sich aber regelmäßig um Fremdkapital. Dieses ist für gewöhnlich gegen eine feste Verzinsung vom Gläubiger geliehen und am Ende einer vorab vereinbarten Laufzeit zurückzuzahlen. Hierzu zählen z.B. öffentliche Anleihen, Pfandbriefe oder Unternehmensanleihen. Als Bewertungsgegenstand i.S.d. § 11 Abs. 1 BewG kommen allerdings nur solche Forderungspapiere in Betracht, die am Stichtag zum Handel an einer deutschen Börse zugelassen sind. Liegt ein nicht notiertes Forderungspapier vor, ist der Wert gem. § 12 BewG zur Bewertung von Kapitalforderungen zu bestimmen. Schuldbuchforderungen sind Geldforderungen gegen den Bund oder ein Bundesland, die nicht verbrieft sind. Zur Beurkundung dient die Eintragung in ein spezielles Register, das Schuldbuch. Diese Schuldbuchforderungen werden vom Staat zum Börsenhandel angemeldet und fallen somit ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 BewG. Merke: Ein Forderungspapier verbrieft einen Anspruch auf Rückzahlung eines festen Geldbetrages am Ende einer vereinbarten Laufzeit. Schuldbuchforderungen sind notierte Forderungen gegen den Bund oder die Länder. Verbrieft das Wertpapier nicht nur ein Recht zur Forderung eines Geldbetrages, sondern einen Anteil am Gesellschaftsvermögen und am Gewinn der Gesellschaft, liegt ein Anteilspapier vor. Handelsrechtlich stellt ein Anteilspapier gewöhnlich Eigenkapital der Gesellschaft dar. Somit hat der Besitzer keinen Anspruch auf die Rückzahlung eines bestimmten Geldbetrages und erhält keine feste Zinsvergütung. Sein Vorteil besteht darin, dass er an der Wertsteigerung des Unternehmens partizipiert und eine gewinnabhängige Dividende erhält. Die bekannteste Art eines börsengängigen Anteilswertes ist die Aktie. Anteilspapiere sind stets nach den Vorschriften des § 11 BewG zu bewerten, unabhängig davon, ob

313

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

diese notiert sind oder nicht. GmbH-Geschäftsanteile sind beispielsweise nicht notierte Anteilswertpapiere und unterliegen ebenfalls § 11 BewG. Merke: Ein Anteilspapier verbrieft einen Anspruch am Vermögen und Gewinn der Gesellschaft.

Arten von Wertpapieren

Anteilspapier

Forderungspapier

Schuldbuchforderungen

Forderungspapier

notiert

§ 11 BewG

nicht notiert

§ 12 BewG

Abbildung 153: Arten von Wertpapieren Zu beachten ist, dass § 11 BewG lediglich für Anteile an Kapitalgesellschaften gilt. Geht ein ganzer Betrieb oder ein Anteil an einer Personengesellschaft über, sind die §§ 95 ff. BewG maßgebend.

6.2.2.1 Bewertung von notierten Wertpapieren Die Bewertung für notierte Wertpapiere ergibt sich nach § 11 Abs. 1 BewG. Hiernach erfolgt die Bewertung, wenn die Wertpapiere oder Schuldbuchforderungen am Stichtag an einer deutschen Börse gehandelt werden, mit dem niedrigsten am Stichtag notierten Kurs. Liegt am Stichtag keine Notierung vor, ist der letzte innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag am amtlichen Handel notierte Kurs maßgebend. Merke: Die Bewertung notierter Wertpapiere erfolgt zum Kurswert.

314

Bewertung von inländischem Vermögen

Ist das Wertpapier an mehreren deutschen Börsen notiert ist auf den niedrigsten am Stichtag notierten Kurs aller deutschen Börsen71 abzustellen. Bei einer Notierung in mehreren Segmenten gilt die Reihenfolge: Kurs des amtlichen Handel vor Kursen am geregeltem Markt vor Kursen des Freiverkehrs.

Amtlicher Handel Geregelter Markt Freiverkehr

Abbildung 154: Marktsegmente der deutschen Börse Der Kurs ist der jeweils festgestellte Preis des Wertpapiers. Hierbei kommen unterschiedliche Kurse in Betracht. Bei variablen Kursen ist auf den fortlaufend notierten Preis abzustellen. Wird ein Papier nicht zu variablen Kursen gehandelt, erfolgt die Preisfeststellung für gewöhnlich zum Kassakurs. Als Kassakurs wird derjenige Kurs bezeichnet, der nur einmal täglich amtlich festgestellt wird. Allerdings dürfen auch die Geld-, Brief- und Taxkurse des Bewertungsstichtags herangezogen werden, weil davon auszugehen ist, dass ein solcher Kurs die Börsentendenz besser widerspiegelt, als es ein weiter zurückliegender Bezahltkurs könnte.72 Unter besonderen Umständen kann von der Bewertung zum Kurswert abgewichen werden. Wichtigster Rechtfertigungsgrund für ein Abweichen ist der sogenannte Paketzuschlag. Besitzt der Halter einen besonders hohen Anteil (> 25 %) an einer Gesellschaft und besteht dadurch großer Einfluss auf die Unternehmensleitung, wird angenommen, dass seiner Beteiligung ein höherer Wert beizumessen ist, als die Beteiligung eines Anteilseigners, der diesen Einfluss nicht hat. Bei der Entscheidung darüber, ob eine mehr als 25 %ige Beteiligung an der Gesellschaft übertragen wurde, ist von einem um die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft verminderten Nennkapital auszugehen. Um diesen zusätzlichen Wert zu erfassen, sehen die Richtlinien vor, den Wert aus Verkäufen von Aktienpaketen zu ermitteln oder erlauben einen Aufschlag bis zu 25 % auf den Kurswert (R 95 Abs. 6 ErbStR).

71 72

Börsenplätze: Berlin-Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, Hamburg, München, Stuttgart. Vgl. BMF-Schreiben v. 07.09.1964, IV C/1-S-3260-35/64, in: DB 1964, S. 1538.

Beispiel

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

315

Rocky besitzt 27 % der Aktien an der Mean Creek AG, die an den Börsen in Augsburg und New York notiert sind. Am 24.6.2003 hat sie diese Anteile ihrer jüngeren Schwester Julia K. geschenkt. Die Tageskursspanne für Aktien der Mean Creek AG an der Augsburger Börse am 24.6.2003 beträgt 2,45 € bis 2,52 €. In New York wurde am 24.6.2003 ein Kurs von 2,55 € festgestellt.

Lösung

Alternative: Gleiche Konstellation wie oben, jedoch ist der letzte festgestellte Kurs mit 2,50 € in Augsburg vom 17.6.2003. In New York existiert ein Kurs vom 16.6.2003 mit nur 1,50 €.

Wertpapiere, die ein Anteilsrecht verbriefen, sind immer nach den Vorschriften des § 11 BewG zu bewerten. Da die Aktien der Mean Creek AG notiert sind, regelt Abs. 1, dass der niedrigste zum Stichtag notierte Kurs heranzuziehen ist. Somit ist jede Aktie mit 2,45 € zu bewerten. Aufgrund des hohen Anteils an der Mean Creek AG könnte Rocky großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Zumeist wird diese Möglichkeit mit einem Paketzuschlag (bis zu 25 %) berücksichtigt. Alternative: § 11 Abs. 1 Satz 2 BewG besagt, dass, wenn kein Kurs zum Bewertungsstichtag festgestellt werden kann, der letzte innerhalb von 30 Tagen zustande gekommene Kurs heranzuziehen ist. In diesem Fall ist die Aktie mit 2,50 € zu bewerten.

6.2.2.2 Bewertung von nicht notierten Wertpapieren Ist kein Kurswert für Anteilspapiere an Kapitalgesellschaften aufgrund einer fehlenden Notierung oder mangels Kursfestsetzung feststellbar, ist der gemeine Wert des Anteils zu ermitteln. Dieser ist in erster Linie aus Verkäufen und den dabei erzielten Preisen abzuleiten. Liegen derartige Preise nicht vor, muss der Wert der Anteile mittels einer Schätzung hergeleitet werden. Hierzu wird das Stuttgarter Verfahren angewandt.

316

Bewertung von inländischem Vermögen

Bewertungsmaßstab für Wertpapiere und Anteile =

Kurswert Keine Notierung Gemeiner Wert

Ableitung aus Verkäufen möglich ? ja

Verkaufswert

nein

Schätzwert (Stuttgarter Verfahren)

Abbildung 155: Bewertungsschema für Wertpapiere und Anteile

6.2.2.2.1

Ableitung aus Verkäufen

Der Wert von Anteilspapieren ohne Kurswert ist vorrangig aus Verkaufspreisen abzuleiten, die für Anteile der Gesellschaft bereits erzielt wurden. Hierzu dürfen nur Verkäufe herangezogen werden, die höchstens ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) und bei denen die Preise im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt worden sind. Dem Erfordernis der Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr liegt die Idee zugrunde, dass sich der Preis am freien Markt ohne Zwang oder Not der Kontrahenten bildet und der erzielte Preis somit einen fairen Wert darstellt.73 Ungewöhnliche Aspekte oder persönliche Verhältnisse sollen den Preis nicht beeinflussen. Wohl aber sind Einflüsse zu beachten, die objektiv für die Allgemeinheit einen abweichenden Preis rechtfertigen würden. Merke: Der Wert für Wertpapiere und Anteile ohne Kurswert ist aus Verkäufen abzuleiten, die höchstens ein Jahr zurückliegen. Auch wenn das Gesetz in diesem Zusammenhang von Verkäufen spricht, sieht es der BFH als ausreichend an, wenn der Wertermittlung nur ein einziger Verkauf zugrunde liegt.74 Bei mehreren Verkäufen binnen Jahresfrist könnte die Ermittlung des gemeinen Wertes anhand des letzten Verkaufspreises vorgenommen werden. Die Finanzverwaltung bevorzugt jedoch 73

Vgl. BFH v. 08.08.2001, II-R-59/98, BFH/NV 2002, S. 317.

74

Vgl. BFH v. 05.03.1986, II-R-232/82, BStBl. II 1986, S. 591 (a.a.O.) und v. 02.11.1988, II-R52/85, BStBl. II 1989, S. 80.

317

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

die Bildung eines Durchschnittwertes aus den innerhalb des letzten Jahres erlösten Preisen.75 Der Einbezug von Verkäufen, die nach dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben, ist aufgrund des Stichtagsprinzips verboten.76

./. 1 Jahr

Tag der Entstehung der Steuer

15.07.04

15.07.05

t

Zeitraum der heranzuziehenden Verkäufe Abbildung 156: Ableitung des Wertes aus zurückliegenden Verkäufen Von den historischen Verkaufspreisen kann ebenfalls aufgrund der Übertragung eines ganzen Anteilspakets abgewichen werden. Dieser Umstand ist, ebenso wie bei einem Paketzuschlag auf den Kurswert, zu berücksichtigen. Daher sind entweder Verkaufspreise eines Paketes bei der Berechnung zugrunde zu legen oder ein Aufschlag bis zu 25 % auf den gemeinen Wert vorzunehmen (R 95 Abs. 6 ErbStR). Im Umkehrschluss ist es notwendig, einen gezahlten Paketzuschlag aus den historischen Verkäufen herauszurechnen, falls der Erwerber der Anteile keinen entsprechenden Einfluss auf die Geschäftsleitung besitzt und somit nicht unter diese Regelung fällt.

Beispiel

Der gemeine Wert des Anteils entspricht bei der Bewertungsmethode dem historischen Durchschnittspreis pro Anteil im Umfang der tatsächlich übergehenden Beteiligung, gegebenenfalls modifiziert um einen Paketzuschlag. Andy Rosenzweig hält 40 % der Anteile an der Polar Express GmbH. Das Stammkapital beträgt 100.000 €. Am 23.03.2004 verkauft er 4 % seiner Anteile zu 25 T€. Am 07.07.2004 veräußert er einen weiteren 7 %igen Anteil an einen anderen Investor für 40 T€. 26 % der Anteile verschenkt er am 19.08.2004 an seinen Freund Chili Palmer. Die restlichen 3 % verkauft er am 22.08.2004 für 35 T€ an seinen Mitgesellschafter Lucky Luck, der bereits 60 % der Anteile an der Polar Express GmbH hält.

75

Vgl. Sell, H., Bewertung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Erbschaft-/ Schenkungsteuer (I), in: Betrieb und Wirtschaft, 6/2002, S. 228 f.

76

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1087 f.

318

Bewertung von inländischem Vermögen

Lösung

GmbH Anteile entsprechen nicht notierten Anteilspapieren. Deren gemeiner Wert ist gem. § 11 Abs. 2 BewG aus Verkäufen abzuleiten. Heranzuziehen sind Verkäufe, die höchstens ein Jahr zurückliegen. Hier liegen zwei Verkäufe vor, die diese Anforderung erfüllen. Der letzte Verkauf vom 22.8.2004 darf nicht herangezogen werden, weil er nach der Schenkung vollzogen wurde. 23.03.2004: Anteil 4 % = 4 T€ Nennwert zu 25 T€ = 625 % 07.07.2004: Anteil 7 % = 7 T€ Nennwert zu 40 T€ = 571,4 % Berechnung des Durchschnittwertes: (625 % + 571,4 %)/2 = 598,2 % Der Durchschnittswert ist auf den 26 %igen Anteil an der Kapitalgesellschaft, der durch Schenkung übergeht, anzuwenden. Es ergibt sich ein Wert von 155,5 T€ (= 26 T€ x 598,2 %). Da die Beteiligung größer als 25 % vom Stammkapital der Gesellschaft ist, kommt ein Paketzuschlag in Betracht. Hier wird ein Paketzuschlag von 10 % angenommen, da Lucky Luck den größten Einfluss auf die Gesellschaft hat. Der gemeine Wert für den 26 %igen Anteil beträgt somit 171,1 T€ (= 155,5 T€ x 1,1).

6.2.2.2.2

Stuttgarter Verfahren

Kann der gemeine Wert nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften nicht aus tatsächlich realisierten Verkäufen abgeleitet werden, sieht das Gesetz als letzte Möglichkeit vor, den Wert der Anteile zu schätzen. Dabei ist es nach wie vor das Ziel, den gemeinen Wert herauszufinden, also zu versuchen, denjenigen Wert zu berechnen, den ein Käufer für den Erwerb des Anteils am Bewertungsstichtag im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aufwenden müsste. Einen objektivierten Kaufpreis zu ermitteln erweist sich allerdings als äußerst kompliziert. Es existiert nämlich eine Vielzahl von Bewertungsmethoden, die an unterschiedliche Unternehmensgrößen anknüpfen und dadurch auf teilweise sehr unterschiedliche Ergebnisse kommen. Die gängigen Verfahren zur Unternehmensbewertung greifen beispielsweise auf die Substanz des Unternehmens zurück oder versuchen, einen Barwert aus den zukünftigen Erträgen oder Cash Flows zu ermitteln. Augrund dieser Komplexität und Vielfalt an Verfahren hat der Gesetzgeber auch nicht das anzuwendende Bewertungsverfahren vorgeschrieben, sondern regelt, dass der Wert der Gesellschaft anhand des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft am Bewertungsstichtag geschätzt werden muss (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Angedacht ist also ein Mischverfahren, das aus einem Substanz- und einem Ertragswert besteht.

319

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Bewertungsverfahren auf Basis

Stuttgarter Verfahren

• der Substanz • der Erträge • der Cash-Flows

„ …unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen.“ (§ 11 Abs. 2 BewG)

Abbildung 157: Anknüpfungspunkte der Unternehmensbewertung Unter Beachtung dieser Vorgabe und der Notwendigkeit, eine gleichmäßige Besteuerung zu erreichen, hat die Finanzverwaltung ein Schätzverfahren entwickelt, welches heute bei Bedarf angewendet wird. Dieses sog. Stuttgarter Verfahren77 ist zwar nur ein mögliches Verfahren, hat sich aber in der Praxis durchgesetzt. Gleichwohl hat es lediglich den Rang einer Verwaltungsanweisung und ist so für den Steuerpflichtigen und die Finanzgerichte grundsätzlich nicht bindend. Durch die Anerkennung in der Rechtsprechung hat das Stuttgarter Verfahren allerdings beinahe Gesetzesstatus erhalten, so dass nur in Ausnahmefällen davon abgewichen wird. Ein Ausnahmetatbestand hierzu ist beispielsweise erfüllt, wenn das Verfahren zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis führt. Dem Stuttgarter Verfahren liegt eine einfache Idee zugrunde, die auch in praxi leicht nachvollzogen werden kann. So hat sich auch der BFH aus eben diesen Praktikabilitätsgründen nicht davon abbringen lassen, obwohl es sich um ein vergleichsweise grobes Schätzverfahren handelt. Der BFH ist sich der Erfordernisse eines Massenverfahrens bewusst. Idee ist, dass der Käufer eines Anteils einer Kapitalgesellschaft einen Anteil am Vermögen dieses Unternehmens erwirbt. Durch diese Beteiligung erlangt er aber neben dem Vermögensanteil gleichzeitig auch einen Anteil am Unternehmensgewinn, der ebenfalls Eingang in die Preisermittlung finden soll. Deshalb liegt der Wert des Anteils über dem reinen Vermögenswert, solange Gewinne erwartet werden. Im Gegensatz dazu wäre ein Investor nicht bereit, den kompletten Vermögenswert zu bezahlen, wenn er mit Verlusten der Gesellschaft rechnet. Mit der Implementierung des Stuttgarter Verfahrens als Mischverfahren wurde erreicht, dass sich der Anteilswert aus dem Vermögenswert, der im sog. Vermögenshundertsatz berücksichtigt wird, und den Ertragsaussichten ergibt, die sich im sog. Ertragshundertsatz wieder finden. Beide Werte beziehen sich auf das Nennkapital der Gesellschaft im Besteuerungszeitpunkt. Dabei ist es für die Ermittlung des Nennkapitals unerheblich, ob es voll einbezahlt wurde oder nicht.78 Der Bezug zum Nennkapital trägt dem Umstand Rechnung,

77

Das Stuttgarter Verfahren geht auf einen Erlass des Stuttgarter Finanzpräsidenten aus dem Jahre 1955 zurück.

78

Vgl. Haar, H./ Wittmayer, H., Lehrbuch Bewertungsrecht und Vermögenssteuer, 4. Aufl., Herne/Berlin 1994, S. 71.

320

Bewertung von inländischem Vermögen

dass sich auch die Teilhabe der Gesellschafter am Vermögen und Gewinn der Gesellschaft nach dem Verhältnis ihrer Anteile am Nennkapital richten.

Anteilswert an einer Kapitalgesellschaft Ertragsaussichten

Ertragshundertsatz

+ Vermögenswert

Vermögenshundertsatz

Gemeiner Wert (Stuttgarter Verfahren)

Abbildung 158: Komponenten des Stuttgarter Verfahrens Bei der Ermittlung des Anteilswerts gemäß dem Stuttgarter Verfahren ist unterstellt, dass der Erwerber nach Kauf der zu bewertenden Anteile Einfluss auf die Unternehmensleitung innehat. Der als Wertvorteil zu berücksichtigende Einfluss ist, sofern dieser im Einzelfall nicht gegeben sein sollte, entsprechend durch einen Abschlag auf den gemeinen Wert herauszurechnen.

6.2.2.2.2.1

Ermittlung des Vermögenshundertsatzes

Zur Ermittlung des Vermögenswerts ist das gesamte Vermögen der Kapitalgesellschaft heranzuziehen. Maßgebend für die Bewertung der Vermögensgüter sind die Vorschriften gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. den Vorschriften zur Bewertung von Betriebsvermögen in den §§ 95 ff. BewG. Diese sehen zur Vereinfachung vor, dass die betrieblichen Güter grundsätzlich mit ihren Steuerbilanzwerten bzw. den ertragsteuerlichen Werten anzusetzen sind. Aufgrund dieser Verknüpfung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes mit den Bewertungsvorschriften für das Betriebsvermögen stellt die Finanzverwaltung sicher, dass die Summe aller Anteile am Vermögen dem Wert des gesamten Betriebsvermögens entspricht. Der Wert eines Anteils wird also nach den gleichen Vorschriften wie der Wert des gesamten Vermögens berechnet. Dazu wird, mit dem Zwischenschritt der Überführung der Bilanzpositionen in eine Vermögensaufstellung, der Residualwert aus der Summe der am maßgebenden Bewertungsstichtag vorhandenen betrieblichen Wirtschaftsgüter und der Summe der vorhandenen Schulden gebildet. Der Residualwert entspricht dem Wert des gesamten Betriebsvermögens.79

79

Vgl. Kapitel III 6.2.6.

321

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Aktiva

Passiva

Bilanz

Anlagevermögen

Eigenkapital

Umlaufvermögen

Fremdkapital

Vermögensaufstellung Summe der Besitzpositionen ./. Summe der Schulden = Residualwert (Wert des Betriebsvermögens)

Abbildung 159: Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens Für die Zwecke der Bewertung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft ist vom Betriebsvermögenswert jedoch ein evtl. vorhandener derivativer Geschäfts- oder Firmenwert abzuziehen. Auch firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter, die entgeltlich erworben wurden und daher in der Steuerbilanz ausgewiesen sind, müssen herausgerechnet werden. Dies geschieht bei der Ermittlung des Werts des gesamten Betriebsvermögens nicht, ist aber sachgerecht, da der Wert dieser Posten durch den Einbezug der Ertragsaussichten abgedeckt ist. Bei der Bewertung eines gesamten Betriebs werden die Ertragsaussichten nicht beachtet, sondern lediglich ein Substanzwert ermittelt.80 Ein bestehender originärer Firmenwert wird ebenfalls durch die Ertragsaussichten abgegolten. Zur Bewertung des Betriebsvermögens wäre es aufgrund des Stichtagsprinzips erforderlich, einen Zwischenabschluss auf den Tag der Entstehung der Steuer anzufertigen. Hierauf kann jedoch aus Vereinfachungsgründen verzichtet werden. Gewöhnlich wird die Vermögensaufstellung aus der letzten vor dem Besteuerungszeitpunkt erstellten Bilanz abgeleitet (R 98 Abs. 2 Satz. 1 ErbStR). In diesem Fall sieht das Verfahren jedoch vor, dass Veränderungen des Vermögensstamms nachvollzogen werden, die zwischen dem Abschlussstichtag und dem Bewertungsstichtag eingetreten sind. Schütten die Eigentümer beispielsweise einen Teil des Gewinns aus oder wird im laufenden Jahr ein Verlust erwirtschaftet, sind diese Tatbestände zu berücksichtigen und vom Betriebsvermögen abzuziehen. Im Umkehrschluss sind Zuführungen zum Vermögen wie z.B. bei einer verdeckten Einlage dem Wert des Vermögens zuzuschlagen. Welche Korrekturen aufgrund der Abweichung vom Bewertungstag zum Abschlussstichtag vorzunehmen sind, ist in R 98 ErbStR dargelegt. Hier sind die zu berücksichtigenden Korrekturen abschließend aufgezählt. 80

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1097.

322

Bewertung von inländischem Vermögen

Bewertungsstichtag

Bilanzstichtag 2003

2004 t

Korrekturen des Vermögens gem. R 98 ErbStR Abbildung 160: Anpassung der Vermögenspositionen Der bisher festgestellte Wert bezieht sich auf das gesamte Betriebsvermögen. Durch die Division des Wertes mit dem Nennkapital der Gesellschaft erhält man den für die weitere Berechnung notwendigen Vermögenshundertsatz. Vermögenswert x 100 Nennkapital

= Vermögenshundertsatz

Dieser Vermögenshundertsatz ist in die Formel der R 100 Abs. 2 ErbStR einzusetzen und bezieht sich auf denjenigen Anteil am Vermögen, der 100 € Nennkapital entspricht. Zur Ermittlung des tatsächlichen Wertes ist am Ende der gemeine Wert daher mit dem tatsächlichen Anteilsbetrag am Nennkapital zu multiplizieren.

6.2.2.2.2.2

Ermittlung des Ertragshundertsatzes

Als zweite Komponente zur Ermittlung des Anteilswerts an einer Kapitalgesellschaft sind die Ertragsaussichten des zu bewertenden Unternehmens zu berücksichtigen. Dazu ist eine Prognose über die zukünftig voraussichtlich erzielbaren Unternehmensgewinne zu treffen. Da Gewinne aber niemals exakt prognostiziert werden können und eine annähernd realistische Vorhersage eine fundierte Kenntnis des Unternehmens und der Branche voraussetzen würde, verzichtet das Stuttgarter Verfahren aus Vereinfachungsgründen auf die Zukunftsbetrachtung. Anstelle einer echten Vorschau wird, wenn vermutet werden kann, dass die Ertragsaussichten in Zukunft unverändert bleiben, zurückgeblickt und die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne der näheren Vergangenheit herangezogen. Diese Daten stehen der Finanzverwaltung meist schon zur Verfügung, was die Bewertung zusätzlich vereinfacht. Die Ertragsaussichten sind aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahren herzuleiten. Ausgangspunkt ist dabei das von der Gesellschaft erzielte zu versteuernde Einkommen im Sinne der §§ 7 und 8 KStG (R 99 Abs. 1 ErbStR). Um aus diesen Ergebnissen jedoch einen in der Zukunft nachhaltig erzielbaren Durchschnittsertrag abzuleiten, bedarf es verschiedener Korrekturen. Diese Hinzurechnungen und Kürzungen der Jahresergebnisse sind in R 99 Abs. 1 Nr. 1 und 2

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

323

ErbStR geregelt. Sie haben zur Folge, dass Erträge, die auf einmaligen Vorgängen beruht haben und zukünftig nicht mehr auftreten, eliminiert werden. Hierzu zählen beispielsweise Veräußerungsgewinne oder Sonderabschreibungen. Ferner ist es erforderlich, Beträge, die nur den steuerlichen Gewinn gemindert haben, tatsächlich aber nicht aus dem Unternehmen abgeflossen sind, dem Jahresüberschuss wieder hinzuzurechnen.81 Es wird erwartet, dass der so ermittelte Durchschnitt der korrigierten Betriebsergebnisse die nachhaltig erzielbaren Erträge aus der Kapitalgesellschaft für den neuen Eigentümer wiedergibt. Gilt die Vermutung der unveränderten Ertragskraft des Unternehmens nicht und kann von den Verfahrensbeteiligten der Nachweis erbracht werden, dass sich die Ertragsaussichten verschlechtern, kann von dem Durchschnittsertrag der vergangenen drei Jahre abgewichen werden. In diesem Fall sind die eingetrübten Ertragsaussichten anzusetzen. Einen sehr häufigen Fall, durch den sich die Ertragserwartungen verschlechtern können, regelt die Finanzverwaltung explizit in R 99 Abs. 2 ErbStR. Hier findet sich das Zugeständnis der Finanzverwaltung, das korrigierte Betriebsergebnis um bis zu 30 % zu kürzen, falls die Ertragskraft ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängt. In derartigen Fällen besteht bei einem Gesellschafterwechsel ein außergewöhnliches Geschäftsrisiko, welches durch den Abschlag abgegolten werden soll. Zur Berechnung des Ertragshundertsatzes sind die Betriebsergebnisse jedes der letzten drei Jahre isoliert zu korrigieren. Sodann werden die korrigierten Ergebnisse gewichtet. Das am längsten zurückliegende Jahr wird einfach, das am zweitlängsten zurückliegende Jahr zweifach und das eben vergangene Jahr dreifach gewertet. Dadurch wird erreicht, dass sich die Ertragserwartung verstärkt auf das zeitnahe letzte Jahr stützen und die weiter zurückliegenden Jahre weniger stark berücksichtigt werden.

81

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1104.

324

Bewertung von inländischem Vermögen

Bewertungsstichtag Gewinn -3 J.

Gewinn -2 J.

Gewinn -1 J.

2002

2003

2004

Korrekturen R 99

Korrekturen R 99

Korrekturen R 99

(1 x korr. Gewinn -3 J.) + (2 x korr. Gewinn -2 J.) + (3 x korr. Gewinn -1 J.)

t

= Ø Ertrag

6

Abbildung 161: Ermittlung des Durchschnittertrags Der ermittelte gewichtete Durchschnittsertrag ist ebenso wie der Vermögenswert zum Nennkapital der Gesellschaft ins Verhältnis zu setzen. Man erhält den Ertragshundertsatz, welcher annahmegemäß den zukünftig zu erwartenden Gewinn darstellt, der auf eine Beteiligung von 100 € am Nennkapital entfällt. Aus mathematischer Sicht handelt es sich bei dem Ertragshundertsatz also um eine Renditeberechnung für eine Beteiligung an dem Unternehmen. Ø-Ertrag x 100 Nennkapital

= Ertragshundertsatz

Bisher noch nicht beachtet wurden Fälle, in denen die Gesellschaft Verluste erwirtschaftet hat. Hierzu wurde von der Finanzverwaltung ein Ertragshundertsatz von 0 % vorgesehen, falls sich ein negativer Durchschnittsertrag aus den Betriebsergebnissen ergibt. Eine weitere Herabsetzung des Ertragshundertsatz unter 0 % kommt nur in Betracht, wenn die am Stichtag vorhandenen objektiven Verhältnisse auf eine baldige Insolvenz des Unternehmens hindeuten (R 99 Abs. 4 Satz 3 und 4 ErbStR).

6.2.2.2.2.3

Ermittlung des gemeinen Wertes

Der gemeine Wert eines Anteil an einer Kapitalgesellschaft soll, wie bereits erläutert, dem Wert entsprechen, der aufgrund der Vermögens- und Ertragssituation des Unternehmens für einen Anteil an diesem Unternehmen von einem fremden Dritten gezahlt werden würde. Dabei stellt der Vermögenswert die Ausgangsbasis dar. Je nach der im Ertragshundertsatz ausgedrückten Renditeerwartung ergibt sich ein von diesem Vermögenswert abweichender Wertansatz. Unterstellt wird bei der Berechnung des gemeinen Werts eine langfristige Verzinsung von 9 % p.a. auf das eingesetzte Kapital. So ist der Käufer nur bereit, einen Betrag

325

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

über dem Vermögenswert zu zahlen, wenn ihm die höheren Kosten durch überdurchschnittlich hohe Erträge ausgeglichen werden. Liegen die Erträge der Kapitalgesellschaft unter einer Nominalverzinsung von 9 % p.a., ist ein Käufer nicht bereit, den Betrieb zum Vermögenswert zu erwerben. Der Zu- oder Abschlag richtet sich dabei nach der Mehr- oder Minderverzinsung, die aus dem Unterschied der tatsächlichen Rendite und der Normalverzinsung über einen Zeitraum von fünf Jahren entsteht.

Zuschlag

9%

überdurchschnittliche Ertragsaussichten

auf den Vermögenswert

unterdurchschnittliche Ertragsaussichten Abschlag

Abbildung 162: Methodik des Stuttgarter Verfahrens Dieser Berechnungsmethode trägt die Formel in R 100 Abs. 2 ErbStR Rechnung. Durch das Einsetzen des Ertrags- und Vermögenshundertsatz in die dafür vorgesehenen Platzhalter E und V bestimmt sich schließlich der gesuchte gemeine Wert. Das Ergebnis ist ein Prozentsatz und wird auf einen vollen Punkt nach unten abgerundet. Der gemeine Wert gilt dann für je 100 € des eingezahlten Nennkapitals (R 97 Abs. 2 ErbStR). Um den Wert des Anteils zu erhalten, ist der abgerundete Prozentsatz also noch mit dem Nominalwert des übergegangenen Anteils am Nennkapital der Gesellschaft zu multiplizieren. So erhält man den Anteil am Wert des Unternehmens, der der Beteiligungsquote des Erwerbers entspricht. Das komplette Vorgehen bis zur Berechnung des gemeinen Wertes findet sich in der folgenden Abbildung wieder.82

82

Für die Herleitung der Formel siehe R 100 Abs. 2 ErbStR.

326

Bewertung von inländischem Vermögen

Vermögenswert

Ertragswert

Betriebsvermögen nach §§ 95 ff. BewG i.V.m. § 12 Abs. 2, 5, 6 ErbStG

Zu versteuerndes Einkommen der letzten drei Jahre (§§ 7 und 8 KStG)

Korrekturen R 98 ErbStR

Korrekturen R 99 ErbStR

./.

Geschäfts- oder Firmenwert (Berücksichtigung in den Ertragsaussichten)

+/./. Gewinn/Verlust des lfd. Geschäftsjahres (Veränderung am Vermögensstamm) +/./. Veräußerung oder Erwerb von Anlagevermögen (Realisation etwaiger stiller Reserven, Berücksichtigung abweichender Bewertungsmaßstäbe) ./.

Abflüsse in Form von Gewinnausschüttung (Reduktion der liquiden Mittel)

+/./. Zu-/Abflüsse aus Kapitalerhöhung/ -herabsetzung (Veränderung am Vermögensstamm) +

Zuführung aus verdeckten Einlagen (Mehrung des Betriebsvermögens)

+

Sonder-/Teilwertabschreibung (nur steuerlicher Verlust)

+

Afa auf Geschäfts- oder Firmenwert (nur steuerlicher Verlust)

+

Verlustabzug (zukünftige Steuerersparnis)

+

Steuerfreie Vermögensmehrungen (bei der Gewinnermittlung unberücksichtigt)

+

Investitionszulagen (nur wenn nachhaltig gewährt)

+/./. Einmalige Veräußerungsverluste/ -gewinne (nicht nachhaltig erzielbar) ./.

nichtabziehbare Ausgaben (Zahlungswirksame Ausgaben)

./.

Körperschaftsteuer (fiktiv 25 %) (Gewinne unterliegen der definitiven Besteuerung) Bildung des gewichteten Durchschnittsertrags

Vermögen x 100 Nennkapital

= Vermögenshundertsatz

68

Ø-Ertrag x 100 Nennkapital

= Ertragshundertsatz

x ( V + 5 x E ) = gemeiner Wert

100

Abbildung 163: Übersicht zum Stuttgarter Verfahren

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

327

Sind Umstände, die objektiv eine Abweichung vom gemeinen Wert rechtfertigen würden, in der bisherigen Berechnung nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen, so sind diese durch Zu- und Abschläge auf den gemeinen Wert zu berücksichtigen (R 100 Abs. 3 ErbStR). Ein Abschlag ist dabei insbesondere bei einer geringen Rendite vorzunehmen. Hier wird nur eine niedrige nachhaltige Verzinsung auf das eingesetzte Gesamtkapital erwirtschaftet. Ob dieser Tatbestand vorliegt, wird festgestellt, indem der Ertragshundertsatz mit dem Vermögenswert ins Verhältnis gesetzt wird. Liegt das Ergebnis unter einer Rendite von 4,5 %, sind Abschläge gem. R 100 Abs. 3 ErbStR vorzunehmen. Für jede Minderung der Rendite um 0,45 % unter 4,5 % ist ein Abschlag von jeweils 3 % auf den gemeinen Wert vorzunehmen. Ergibt sich also beispielsweise aus dem Verhältnis zwischen Ertragshundertsatz und Vermögenswert eine Rendite von 2,0 %, so ist der gemeine Wert mit maximal 82 % anzusetzen.

Beispiel

Ein weiterer Grund, der für einen Zu- und Abschlag sprechen kann, ist eine schwere Veräußerbarkeit der Anteile, weil die Anteile dann meist nur mit einem Preisabschlag veräußert werden können. Ebenso wirkt sich das Fehlen eigener Betriebsgrundstücke und -gebäude mindernd aus, weil sich dadurch eine meist ungewünschte Abhängigkeit zum Vermieter ergibt oder ein mangelnder Einfluss auf die Geschäftsführung. Das Stuttgarter Verfahren unterstellt nämlich den Einfluss des Anteilseigentümers auf die Geschäftsleitung. Ist ein solcher Einfluss im Einzelfall aber zu verneinen oder kann aufgrund der Höhe der Beteiligung vermutet werden, dass der Eigner keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung hat, ist der im Rahmen der bisher dargestellten Regelbewertung nach R 97 bis 100 ErbStR ermittelte gemeine Wert um einen 10 %igen Abschlag zu kürzen (R 100 Abs. 4, R 101 Abs. 1, 8 ErbStR). Wiederum bleiben auch alle Umstände, die auf persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter beruhen, bei der Wertermittlung außer Betracht (R 100 Abs. 4 ErbStR). Der Vermögenswert der Undercover GmbH beträgt 1,75 Mio. €. In diesem Wert sind Grundstücke mit einem Steuerbilanzwert von 200 T€ (Grundvermögenswert 250 T€) und ein Firmenwert in Höhe von 85 T€ enthalten. Zwischen Bilanzstichtag und Besteuerungszeitpunkt hat die GmbH 30 T€ Gewinn ausgeschüttet. Das Nennkapital der Undercover GmbH beträgt 550 T€. Ein 34 %iger Anteil soll auf Grazie Hart übergehen. Die Ertragslage der Undercover GmbH verhielt sich folgendermaßen: 2001: Der Gewinn betrug 180 T€, enthielt jedoch ein außerordentlichen Ertrag aus Veräußerungsgewinnen in Höhe von 30 T€. 2002: Durch einen Umsatzeinbruch und Restrukturierungskosten weist die GmbH ein negatives Ergebnis von 23 T€ aus. 2003: Die GmbH erwirtschaftet abermals einen Gewinn in Höhe von 150 T€ vor Körperschaftsteuer.

Lösung

328

Bewertung von inländischem Vermögen Der erbschaftssteuerliche Wert der Undercover GmbH ist anhand des Stuttgarter Verfahrens zu schätzen, weil die Gesellschaft nicht an einer Börse notiert ist und kein Hinweis auf Verkäufe vorliegt. Ermittlung des Vermögenswerts: Der Vermögenswert der Gesellschaft ergibt sich nach den Vorschriften §§ 95 ff. BewG. In vorliegendem Beispiel ist damit der Vermögenswert von 1,75 Mio. € zu modifizieren. In diesen Vermögenswert hat nicht der Steuerbilanzwert des Grundstücks sondern der Grundstückswert einzugehen. Zusätzlich sind der Firmenwert und der ausgeschüttete Gewinn vom Vermögenswert abzuziehen. Einmalige Ereignisse sind außer Acht zu lassen Vermögenswert = 1.750.000 € + 50.000 € ./. 85.000 € ./. 30.000 € = 1.685.000 €

vor Korrekturen nach R 98 ErbStR Korrektur für Aufnahme des Steuerbilanzwert Firmenwert Gewinnausschüttung Vermögenswert

1.685.000 € x 100 550.000 €

Vermögenshundertsatz =

= 306,36 %

Ermittlung des Ertragshundertsatz: Jahresgewinn Korrekturen R 99 ErbStR Korrigierte Jahresergebnisse

./. =

2001 180.000 € 30.000 € 150.000 €

2002 23.000 € 0€ = ./. 23.000 € ./.

2003 150.000 € ./. 37.500 € = 112.500 €

Durchschnittsertrag: (150.000 € x 1 ./. 23.000 € x 2 + 112.500 € x 3) / 6 = 73.583,33 € Ertragshundersatz = Test für geringe Erträge: 13,38 % = 0,04367 306,36 %

73.583 € x 100 550.000 €

= 13,38 %

Æ Abschlag um 3 % (lt. R 100 Abs. 3 ErbStR)

Ermittlung des gemeinen Wert: 68 x (306,36 % + 5 x 13,38 %) = 253,82 % 100

329

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls Der gemeine Wert ist um 3 % zu kürzen. Er beträgt somit: 253,82 % ./. (253,82 % x 3 %) = 246,2 %

Der Wert des Anteils nach dem Stuttgarter Verfahren beträgt (H 100 Abs. 3 ErbStH): 34 % x 550.000 € x 246 % = 460.020 €

6.2.3 Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden Kapitalforderungen und Schulden im Sinne des § 12 BewG sind Forderungen oder Verbindlichkeiten, die auf eine Zahlung in Geld gerichtet sind. Zu den Kapitalforderungen gehören beispielsweise Darlehen, stille Beteiligungen oder Pflichtteilsansprüche, wenn sie am Stichtag bereits entstanden waren und noch nicht erloschen sind. Erfasst werden demnach keine Sachleistungsansprüche oder -verpflichtungen. Diese sind im Gegensatz zu den Geldforderungen nämlich mit dem gemeinen Wert des übertragenen Gegenstandes zu bewerten.

Verbriefte Kapitalforderungen, soweit sie nicht zum amtlichen Handel nach § 11 Abs. 1 BewG zugelassen sind, zählen ebenfalls zum Bewertungsgegenstand des § 12 BewG. Diese Kapitalforderungen besitzen keinen Kurswert. Schulden sind generell nach dieser Vorschrift zu bewerten.83

Forderungen

an der Börse notiert

nicht an der Börse notiert

§ 11 BewG

§ 12 BewG Schulden

Abbildung 164: Bewertungsgegenstand des § 12 BewG Gem. § 12 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen und Schulden grundsätzlich mit ihrem Nennwert zu bewerten. Das ist derjenige Betrag, den ein Schuldner bei Fälligkeit der For83

Vgl. Schneeloch, D., Besteuerung und betriebliche Steuerpolitik, Band I: Besteuerung, 3. Aufl., München 1998, S. 351.

330

Bewertung von inländischem Vermögen

derung an den Gläubiger zu zahlen hat, damit die Schuld erlischt.84 Ist also eine Schuld beispielsweise bereits teilweise durch Ratenzahlungen in der Weise beglichen, dass der Gläubiger über die Teilzahlungen frei verfügen kann, ist nur mehr der Restnennbetrag als Wert der Schuld anzusetzen. Rückzahlungsbeträge in anderen Währungen als Euro sind mittels des Devisenbriefkurses am Bewertungsstichtag in Euro umzurechnen.

Merke: Die Bewertung von Schulden und nicht notierten Geldforderungen erfolgt nach § 12 BewG mit dem Nennwert.

Beispiel

Mr. Goodkat war zum Zeitpunkt seines Todes Kreditnehmer eines endfälligen Kredits in Höhe von 150 T€.

Lösung

Merke: Bargeldbestände des Erblassers oder Schenkers sind nicht zu bewerten, da sie bereits einen Geldbetrag darstellen. Ausländisches Bargeld ist mittels des Briefkurses am Bewertungsstichtag umzurechnen.

Schulden sind nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG mit dem Nennwert zu bewerten. Da der Kredit endfällig ist, wurden noch keine Tilgungen geleistet. Somit ist der Kredit i.H.d. ursprünglichen Auszahlung von 150 T€ anzusetzen.

Bei der Bewertung von Darlehen ist ein mögliches Auf- oder Abgeld zu beachten. Ist ein Aufgeld vereinbart, welches nicht mit der Forderung erfasst wird, ist das Agio als gesondertes Wirtschaftsgut zu betrachten und ebenfalls mit dem Nennwert anzusetzen. Im Gegensatz dazu ist ein Abgeld (Disagio) nicht vom Nennbetrag abzusetzen, da es als laufzeitabhängige Zinsvorauszahlung anzusehen ist. In den Fällen des § 12 Abs. 2 und 3 BewG können besondere Umstände eine vom Nennwert abweichende Bewertung begründen. Diesen Absätzen folgend bleiben ausgefallene Forderungen außer Ansatz. Als wertlos gilt eine Forderung, wenn mit keinem Geldeingang mehr gerechnet werden kann. Dies gilt z.B. aufgrund der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners. Eine Forderung, die zum Bewertungsstichtag zwar noch nicht ausgefallen ist, bei der aber der Geldeingang gefährdet ist, kann abweichend vom Nennwert mit einem niedrigeren Wert angesetzt werden. In diesem Fall ist der Wert der Forderung zu ermitteln, der aller Wahrscheinlichkeit nach beglichen wird. 84

Vgl. Haar, H./ Wittmayer, H., Lehrbuch Bewertungsrecht und Vermögenssteuer, 4. Aufl., Herne/Berlin 1994, S. 74.

Beispiel

331

A.K. Waters verkauft einem Freund seine Skiausrüstung und gewährt ihm einen Zahlungsaufschub von 4 Monaten. Aufgrund zunehmender Verschlechterung der finanziellen Lage des Freundes wird erwartet, dass Waters lediglich noch 30 % seiner Forderung erhalten wird.

Lösung

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Für die Bewertung dieser Kapitalforderung ist § 12 BewG anzuwenden. Danach ist die Forderung mit ihrem Nennwert anzusetzen, falls mit einem vollständigen Geldeingang gerechnet werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Der Wert dieser Forderung darf aufgrund der finanziellen Lage des Freundes nur mehr mit 30 % des Kaufpreises bewertet werden.

Als besonderer Umstand gilt auch eine besonders niedrige oder hohe Verzinsung einer Forderungen oder von Schulden. Dieser Umstand kann bei der Wertermittlung berücksichtigt werden, indem Forderungen bzw. Schulden, deren Verzinsung unter 3 % p.a. liegt, mit einem niedrigeren Wert als dem Nennwert angesetzt wird. Beträgt die Verzinsung über 9 % p.a., sind die Forderungen und Schulden über dem Nennwert anzusetzen. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Kündbarkeit am Bewertungsstichtag für einen längeren Zeitraum, d.h. für mindestens vier Jahre, eingeschränkt oder ausgeschlossen ist (R 109 Abs. 2 ErbStR). Für derartige Fälle ist der Nennwert um einen Zinsverlust (Verzinsung < 3 % p.a.) bzw. einen Zinsgewinn (Verzinsung > 9 % p.a.) zu korrigieren. Hierzu ist der Differenzzinssatz zwischen dem tatsächlichen Zinssatz und dem Grenzzinssatz (3 % bzw. 9 %) zu berechnen. Mit Hilfe dieses Differenzzinssatzes ist der jährliche Zinsverlust/ -gewinn ermittelbar, von welchem der Kapitalwert anhand der entsprechenden Tabellen des Erlasses85 zu bilden ist (sog. Zinsdifferenzmethode). Der Kapitalwert ist bei niedriger Verzinsung vom Nennwert abzuziehen, bei erhöhter Verzinsung hinzuzuzählen.

85

BMF-Schreiben v. 07.12.2001, BStBl. I, S. 1041, ber. 2002 I, S. 112.

332

Bewertung von inländischem Vermögen

Zuschlag Grenzzinssatz

Grenzzinssatz

Differenzzinssatz

9%

Zinsspanne, die keine Anpassung erfordert

3% Differenzzinssatz

Abschlag Zuschlag

t+1

t+2

t+3

Abschlag Nennwert

t Differenzzinssatz x Nennwert

Differenzzinssatz x Nennwert

Differenzzinssatz x Nennwert

Abzinsung laut Erlass

Abbildung 165: Korrekturbetrag bei niedriger Verzinsung einer Forderung Bei unverzinslichen Forderungen oder Schulden mit einer Laufzeit über einem Jahr ist ebenfalls eine Anpassung des Nennwerts notwendig. Dies ist gerechtfertigt, weil die unverzinsliche Forderung über die Laufzeit an wirtschaftlichem Wert verliert (z.B. durch Inflation, Ausfallrisiko). § 12 Abs. 3 BewG schreibt deshalb vor, dass diese nach Abzug von Zwischenzinsen und unter Berücksichtigung von Zinseszinsen auf den Besteuerungszeitpunkt abgezinst werden müssen. Hierzu ist, unabhängig vom momentanen Zinsniveau, der gesetzliche Zins von 5,5 % p.a. heranzuziehen. Zusätzlich ist zu unterscheiden, ob die Forderung in einem Betrag am Ende einer bestimmten Laufzeit oder in Raten zurückgezahlt wird. x Wird die Forderung oder Schuld in nur einem Betrag an einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt fällig, können die Diskontierungssätze der Anlage 1 zum Ländererlass86 herangezogen werden. Angewendet wird der Diskontierungssatz dabei auf den Nennbetrag der Forderung oder Schuld. Lautet die Laufzeit nicht auf volle Jahre, gilt es, die Laufzeit taggenau zu berechnen. Dabei wird der Monat mit höchstens 30 Tagen und das Jahr mit höchstens 360 Tagen angesetzt (sog. deutsche Zinsrechnung). Zur Ermittlung des entsprechenden Diskontsatzes ist zwischen den nächstliegenden ganzzahligen Jahren der Tabelle linear zu interpolieren. 86

Vgl. v. 15.09.1997, BStBl. I 1997, S. 832.

333

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls x

Zur Abzinsung von Forderungen oder Schulden, die in gleichen Raten zu tilgen sind, weist der Ländererlass ebenfalls eine Tabelle aus. Der Wert einer solchen Forderung oder Schuld entspricht dabei dem Barwert der Raten. D.h. es ist die Summe der auf den Bewertungsstichtag abgezinsten Raten zu ermitteln. Dabei vernachlässigt der Gesetzgeber die Anzahl der tatsächlich pro Jahr gezahlten Raten und geht von einer mittelschüssigen jährlichen Rate aus (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BewG). Es wird also angenommen, dass die Rate, die der Bewertung zu Grunde liegt, aus Vereinfachungsgründen fiktiv zur Jahresmitte gezahlt wird. Für die Berechnung ist es daher notwendig, den Vervielfältiger aus der Tabelle 2 des Erlasses nicht auf eine einzelne Rate oder den zu zahlenden Gesamtbetrag zu beziehen, sondern auf die Summe der pro Jahr gezahlten Raten.87 Weicht die Laufzeit von ganzen Jahren ab, sind auch die Vervielfältiger dieser Tabelle mit Hilfe der linearen Interpolation zwischen den nächstgelegenen Jahren zu korrigieren.

x

Zur Wertermittlung einer Forderung, deren Ratentilgung erst zu einem späteren Zeitpunkt einsetzt, sind die beiden oben erklärten Vorgehensweisen zu kombinieren. Zuerst ist der Ratenbarwert für den Beginn des Zahlungszeitraumes festzustellen, bevor dieser Wert anhand des Vervielfältigers der Tabelle 1 auf den Bewertungsstichtag abgezinst wird.

Todestag Tilgungsfreie Zeit

Ratentilgung t

Diskontierung des Ratenbarwerts (Tabelle 1)

Diskontierung der pro Jahr gezahlten Raten (Tabelle 2)

Abbildung 166: Abzinsung von unverzinslichen Forderungen bzw. Darlehen mit Ratentilgung x

87

Forderungen und Schulden können auch an das Leben einer Person gekoppelt sein. Bei der Bewertung derartiger Forderungen ist zunächst die durchschnittliche Lebenserwartung der Person zu berechnen. Diese ergibt sich aus der Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88. Für die durchschnittlich verbleibenden

Vgl. Haar, H./ Wittmayer, H., Lehrbuch Bewertungsrecht und Vermögenssteuer, 4. Aufl. Herne/Berlin 1994, S. 78.

334

Bewertung von inländischem Vermögen

Beispiel

Eine 0,00 % Finanzierung reizt Leah Diehl dermaßen, dass sie sich endlich ein neues Auto anschafft. Kostenpunkt sind inkl. aller möglichen Extras 54 T€, die sie in Raten von 450 €/Monat tilgt. Als Leah am 14.12.2004 verstirbt, hat sie genau die Hälfte der zehnjährigen Laufzeit erreicht.

Lösung

Lebensjahre kann der Vervielfältiger wiederum aus der Tabelle 1 des Ländererlass abgelesen werden. Mit diesem Vervielfältiger ist die Forderung abzuzinsen.

Unverzinsliche Schulden mit einer Laufzeit über einem Jahr sind abzuzinsen. Bei der Ratentilgung ergibt sich der Vervielfältiger aus der Tabelle 2 des Ländererlasses. Die Restlaufzeit beträgt 5 Jahre. Hieraus ergibt sich ein Faktor, der auf die Jahresraten anzuwenden ist, in Höhe von 4,388. 12 x 450 € = 5.400 € x 4,388 = 23.695 € Die Schuld ist noch mit 23.695 € in die steuerliche Bemessungsgrundlage aufzunehmen.

EXKURS: Lineare Interpolation

Beispiel

Der Begriff Interpolation bezeichnet eine Klasse von Verfahren aus der numerischen Mathematik. Sie sollen helfen, wenn von einer Funktion nur einzelne Ergebnisse bekannt sind und keine analytische Beschreibung der Funktion vorliegt, die unbekannte Funktion an beliebiger Stelle auszuwerten. Dazu wird bei der Interpolation eine fortlaufende Funktion durch die vorgegebene Einzelwerte gelegt. Bei der linearen Interpolation erfolgt die Verknüpfung der bekannten Einzelwerte mittels Strecken. Die Funktionswerte der Strecke lassen sich einfach ermitteln und stehen stellvertretend für die unbekannten Funktionswerte. Es handelt sich bei den Ergebnissen allerdings nur um grobe Näherungswerte. Silvija leiht ihrem Freund Ozren 50.000 €. Ozren braucht für das geliehene Geld keine Zinsen an Silvija zu zahlen, soll ihr den Betrag aber in 3,5 Jahren zurückgeben.

335

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

f (x)

x = bekannte Werte = benötigter Wert

x4 - x3

f (4)

x

f (4) - f (3)

x x

f (3) x

3,5 Jahr 1 Jahr

2 Jahr

3 Jahr = x3

4 Jahr = x4

x

x - x3

Abbildung 167: Die lineare Interpolation Für Zwecke der Erbschaftsteuer ist die lineare Interpolation bei der Ermittlung aller Vervielfältiger bei nicht ganzjährigen Laufzeiten heranzuziehen. Die Interpolation wird z.B. bei der Anpassung der Faktoren zur Diskontierung von unverzinsten Forderungen, aber auch für die Ermittlung der Vervielfältiger bei wiederkehrenden Leistungen benötigt. Die Notwendigkeit, auf die lineare Interpolation zurückzugreifen, liegt darin, dass in den Erlassen lediglich die Vervielfältiger für volle Jahre dokumentiert sind. Bei abweichender Laufzeit sind die entsprechenden Vervielfältiger (f(x)) mittels der Interpolation zu approximieren. Hierzu wird zu dem niedrigeren bekannten Funktionswert (f0) der Wert addiert, der auf den darüber hinausgehenden Anteil entfällt. Dieser ergibt sich aus der Steigung multipliziert mit dem Anteil der verstrichenen Zeit. In Formelschreibweise stellt sich dies wie folgt dar: (f1 - f0) f(x) =

f0 +

Abbildung 168: Lineare Interpolation

(x1 - x0)

× (x-x0)

336

Bewertung von inländischem Vermögen

Lösung

Zur Bewertung der unverzinslichen Forderung von Silvija gegen Ozren ist der Diskontierungsfaktor für eine Laufzeit von 3,5 Jahren zu ermitteln. Der Funktionswert für 3,5 Jahre (f(x)) setzt sich zusammen aus dem Vervielfältiger für 3 Jahre (f(3) = f(0)) und dem Produkt aus der Steigung (f(1)-f(0)/(x1-x0) = f(4)-f(3)/(x4-x3)) multipliziert mit der Strecke zwischen den 3 Jahren und der tatsächlichen Laufzeit von 3,5 Jahren (x-x0 = x-x3). Die zur Berechnung notwenigen Vervielfältiger sind der Tabelle 1 des Ländererlasses zu entnehmen. f(3,5) =

0,852 +

0,807-0,852 4-3

× (3,5-3) = 0,8295

Mit Hilfe der linearen Interpolation erhalten wir den Vervielfältiger 0,8295 für eine unverzinsliche Forderung, die eine Laufzeit von 3,5 Jahren aufweist.

ENDE EXKURS

Im Folgenden soll noch einmal ein Überblick über die Bewertung von Wertpapieren und Forderungen gegeben werden:

337

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Anteilswertpapiere

Schuldbuchforderungen

Forderungspapiere

Forderungen

mit Börsenhandel

Schulden

ohne Börsenhandel

Kurswert § 11 Abs. 1 BewG

Nennwert § 12 Abs. 1 BewG

Niedrigster am Stichtag notierter Kurs aller Börsen

Betrag der bei Fälligkeit an den Gläubiger zu zahlen ist

Letzter innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag notierter Kurs

Gemeiner Wert § 11 Abs. 2 BewG

Abweichungen vom Nennwert Besonders hohe oder niedrige Verzinsung (Zinsdifferenzmethode)

Ableitung aus Verkäufen, die höchstens ein Jahr zurückliegen

Bei erhöhter Ausfallwahrscheinlichkeit (Wahrscheinlicher Rückzahlungsbetrag)

Schätzung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten (Stuttgarter Verfahren)

Abzinsung mit 5,5 % p.a. über die Laufzeit bei unverzinlichen Forderungen mit Laufzeit von über einem Jahr

Kein Ansatz § 12 Abs. 2 BewG Uneinbringliche Forderungen bleiben außer Ansatz

Abbildung 169: Bewertungsschema für Wertpapiere und Kapitalforderungen

338

Bewertung von inländischem Vermögen

6.2.4 Bewertung von Nutzungen und Leistungen Unter wiederkehrenden Nutzungen sind geldwerte Vorteile zu verstehen, die dem Berechtigten periodisch zufließen und auf Grund eines dinglichen oder obligatorischen Rechts an einem fremden Wirtschaftsgut zustehen (z.B. Nießbrauch). D.h. der Erblasser oder der Schenker überträgt dem Empfänger das wirtschaftliche Eigentum an einem Gut, wodurch der Empfänger die Berechtigung erhält, eine fremde Sache zu nutzen. Eine wiederkehrende Leistung fließt dem Begünstigten losgelöst von einem Wirtschaftsgut aufgrund einer schuldrechtlichen Verpflichtung zu. Hauptanwendungsfall sind Renten, die dem Begünstigten für eine bestimmte Laufzeit zustehen, aber auch Sachleistungen wie Kost und Logis sind in der Praxis anzutreffen.

Regelmäßig wiederkehrende

Nutzungen

Leistungen

Recht, eine fremde Sache zu nutzen

Zuwendungen in Geld oder Geldeswert

Abbildung 170: Nutzungen und Leistungen §§ 13 und 14 BewG erfassen nicht nur Güter, die in das zivilrechtliche Eigentum des Begünstigten übergehen, sondern auch die Rechte, die an einer fremden Sache gehalten werden. In der Regel entspricht eine Nutzung des Begünstigten einer Leistung des Verpflichteten. Leistungen sind demnach Zuwendungen, die auf Geld oder einem Geldwert beruhen. Anhand der Laufzeit der wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen werden vier Gruppen unterschieden. Diese Unterscheidung ist für ihre spätere Bewertung relevant. Nutzungen und Leistungen werden nach ihrer Laufzeit eingeteilt in: x auf bestimmte Zeit x immerwährend x von unbestimmter Dauer

wiederkehrende Nutzungen/ Leistungen (§ 13 BewG)

x auf Lebzeiten einer Person

Lebenslängliche Nutzungen/ Leistungen (§ 14 BewG)

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

339

Anwendbar sind §§ 13 und 14 BewG nur für den außerbetrieblichen Bereich. Im Betriebsvermögen gehaltene Nutzungsrechte oder Leistungsverpflichtungen sind gemäß der Vorschriften über die Bewertung von Betriebsvermögen mit dem Steuerbilanzwert anzusetzen (§ 109 BewG).

6.2.4.1 Bewertungsschema für Nutzungen und Leistungen Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen treten mit einer gewissen Regelmäßigkeit fortlaufend während einer bestimmten Laufzeit auf. Beispiele hierfür sind insbesondere das Nießbrauchsrecht als wiederkehrende Nutzung oder die Renten als laufende Leistungen. Diese Tatsache macht sich der Gesetzgeber zu Nutze und hat festgelegt, dass der Wert der Nutzungen oder Leistungen der Summe der abgezinsten zufließenden Beträge über die Laufzeit entspricht. Es ist also grundsätzlich der Kapitalwert der Nutzung und Leistung anzusetzen. Der Kapitalwert errechnet sich durch die Multiplikation der pro Jahr empfangenen Leistungen mit einem Vervielfältiger, der sich in Abhängigkeit der Laufzeit ergibt. Kapitalwert = Jahreswert x Vervielfältiger (lt. Anlagen zum BewG)

6.2.4.2 Der Vervielfältiger Die jeweils anzuwendenden Vervielfältiger für die Ermittlung des Kapitalwertes ergeben sich aus den Vorschriften §§ 13 und 14 BewG. Der Kapitalwertberechnung liegt dabei die Idee zugrunde, dass die jährlichen Leistungen mit dem gesetzlichen Zinssatz von 5,5 % p.a. auf den heutigen Tag abgezinst werden. Der Vervielfältiger beinhaltet diese Diskontierung über die zugrunde gelegte Laufzeit.

Beispiel

Ist für eine Nutzung eine bestimmte Laufzeit in Jahren vereinbart, verweist § 13 Abs. 1 BewG auf die Verwendung der Anlage 9a des BewG. Hieraus lassen sich die Vervielfältiger für ganze Jahre ablesen. Eine von ganzen Jahren abweichende Laufzeit ist mittels der zuvor erläuterten linearen Interpolation darstellbar. Ist die Leistung gleichzeitig an das Leben des Begünstigten gekoppelt, darf der Kapitalwert nicht über dem Wert des nach § 14 BewG ermittelten Wertes liegen. Zum 15. Geburtstag schenkt Oma I-Aaah ihrem Neffen Tigger eine monatliche Unterstützung von 150 €. Diese soll bis zu seiner Volljährigkeit (lebenslang) gezahlt werden.

340

Bewertung von inländischem Vermögen

Lösung

Nach dem Wunsch der Oma wird die monatliche Unterstützung genau für 3 Jahre gewährt. Für Leistungen, die einer in Jahren messbaren zeitlichen Beschränkung unterliegen, liefert § 13 Abs. 1 i.V.m. Anlage 9a BewG den Vervielfältiger. Es ergibt sich für die Zuwendung ein Kapitalwert von: (150 € x 12) x 2,772 = 4.989,60 € Für lebenslängliche Leistungen sind die Vervielfältiger der Anlage 9 heranzuziehen. Tigger hat soeben das 15. Lebensjahr vollendet, woraus sich ein Vervielfältiger von 17,453 ergibt. Der Kapitalwert der Zuwendung beträgt: (150 € x 12) x 17,453 = 31.415,40 €

§ 13 Abs. 2 BewG benennt den Vervielfältiger für eine Leistung, die immerwährend auftritt. Das bedeutet, dass für solche Leistungen kein Ende absehbar ist (z.B. Verlauf einer Bahnstrecke über ein Grundstück, Nutzungsrecht eines Vereins für die Dauer seines Bestehens, Zahlungsverpflichtung an eine Person über deren Tod hinaus an die nachfolgenden Generationen). Für derartige Leistungen gilt ein Multiplikator von 18,6.

Beispiel

Die Eltern von Winnie Puuh zahlen ihrem Sohn bis zum Abschluss seiner Meisterprüfung 500 € pro Monat.

Lösung

Hat eine Leistung eine begrenzte Laufzeit, ist ihr Ende aber nicht hinreichend genau bestimmbar, so dass keine Zeitspanne als Laufzeit festgestellt werden kann, ist der Jahreswert mit 9,3 zu multiplizieren.

Der Abschluss der Meisterprüfung ist zeitlich sicherlich absehbar. Er ist aber nicht hinreichend gewiss. Er wird wohl zwischen 2 und 4 Jahren liegen. Für solche Fälle verlangt § 13 Abs. 2 BewG, den Multiplikator 9,3 anzuwenden. Der Kapitalwert beträgt demnach: (500 € x 12) x 9,3 = 55.800 € Dies entspricht einer Zeitrente von ca. 13 Jahren. Aus Sicht des Steuerpflichtigen wäre es daher günstiger, eine zeitliche Befristung (hier z.B. 4 Jahre) einzuführen, um einen niedrigeren Vervielfältiger aus Anlage 9a zu erhalten. Würde nämlich eine zeitliche Befristung von 4 Jahren festgelegt, so ergebe sich ein Vervielfältiger von lediglich 3,602, welcher einen deutlich niedrigeren Kapitalwert ((500 € x 12) x 3,602 = 21.612 €) zur Folge hätte.

341

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

B übernimmt die Mietzahlungen des A für

Vervielfältiger aus Anlage 9a BewG 5 Jahre t unbestimmte Dauer

Vervielfältiger 9,3 (§ 13 Abs. 2 BewG)

Abbildung 171: Ermittlung der Multiplikatoren Hinfällig wird die Bewertung zum Kapitalwert, wenn ein geringerer oder höherer gemeiner Wert nachgewiesen werden kann. In diesem Fall ist der nachgewiesene gemeine Wert für die Nutzung anzusetzen (§ 13 Abs. 3 BewG).

Beispiel

Erkan gewährt seinem 75-jährigen Vater Stefan ein lebenslanges Wohnrecht.

Lösung

Ist die Nutzung an das Leben einer oder mehrerer Personen geknüpft, ist § 13 BewG nicht anzuwenden. Hierzu befinden sich die maßgeblichen Regelungen im § 14 BewG. Anlage 9 zum BewG liefert den anzuwendenden Vervielfältiger für die Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen. Das Prinzip, wie dieser Vervielfältiger zu ermitteln ist, bleibt hierbei aber unverändert. In Anbetracht des bereits erreichten Lebensalters wird mittels der Sterbetafel der Bundesrepublik Deutschland die durchschnittliche Restlebensdauer ermittelt. Mit Kenntnis dieser Restlebensdauer kann der Vervielfältiger errechnet werden. Beispielsweise hat eine 65-jährige Frau im Schnitt noch eine Lebenserwartung von 17 Jahren. Aus Anlage 9 des BewG ergibt sich für eine 65-jährige Frau ein Vervielfältiger von 10,601. Dieser Wert ist allerdings nicht identisch mit dem Vervielfältiger aus Anlage 9a bei einer unterstellten Laufzeit von 17 Jahren (Laufzeit 17 Jahre = 11,163). Dies liegt daran, weil bei den Vervielfältigern der Anlage 9 das Risiko eines früheren Versterbens des Begünstigten berücksichtigt ist.

Das Wohnrecht hat bis zum Tode Stefans Bestand. Der Multiplikator für lebenslange Nutzungsrechte ergibt sich gem. § 14 i.V.m. Anlage 9 BewG. Für einen 75-jährigen Mann ist ein Vervielfältiger von 6,020 anzusetzen.

342

Bewertung von inländischem Vermögen

Ist die Dauer der Nutzung oder Leistung vom Leben mehrerer Personen abhängig und erlischt das Recht erst mit dem Tod der letztversterbenden Person, ist für die Bewertung diejenige Person ausschlaggebend, für welche sich der höhere Vervielfältiger ergibt. Dies muss nicht zwangsläufig die jüngere Person sein, da der Vervielfältiger neben dem Lebensalter auch das Geschlecht berücksichtigt. Weil Frauen eine höhere durchschnittliche Lebenserwartung haben, liegt deren Vervielfältiger regelmäßig über dem Vervielfältiger eines gleichaltrigen Mannes.

Beispiel

Das Ehepaar Peter (76 J.) und Mary Jane Parker (78 J.) erhalten eine lebenslange Leibrente in Höhe von 5.000 € pro Monat. Die Rente erlischt mit dem Tod des Letztversterbenden. Der gemeine Wert der Rente beträgt 400.000 €.

Lösung

Aus dem bereits bekannten Prinzip, die Bereicherung der Steuer zu unterwerfen, gilt für den Wertansatz bei lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen, dass ein nachweislich abweichender gemeiner Wert für die gesamte Nutzung oder Leistung anzusetzen ist (§ 14 Abs. 4 BewG). Dies gilt unabhängig davon, ob der gemeine Wert höher oder niedriger ist.

Für Peter ergibt sich bei einem Lebensalter von 76 Jahren ein Vervielfältiger von 5,738. Für seine Frau Mary Jane ist der Vervielfältiger 6,261 (Anlage 9 BewG). Somit ergibt sich ein Kapitalwert der Rente von: (5.000 € x 12) x 6,261 = 375.660 € Gem. § 14 Abs. 3 BewG ist der höchste Vervielfältiger zur Ermittlung des Kapitalwerts heranzuziehen. Dies ist der Vervielfältiger von Jane, weil sie als Frau eine höhere durchschnittliche Lebenserwartung besitzt. In vorliegendem Beispiel beträgt der steuerliche Wert der Rente 375.660 €. Allerdings ist der abweichende gemeine Wert von 400.000 € bei Kenntnis anzusetzen (§ 14 Abs. 4 BewG).

6.2.4.3 Der Jahreswert Der Jahreswert ist derjenige Wert, der für die Leistung oder Nutzung unter gewöhnlichen Umständen pro Jahr zu zahlen ist. Im wohl einfachsten Fall, bei einer gleich bleibenden Rente, ist dies die Summe der in einem Jahr gezahlten Beiträge. Ist die Leistung nicht auf Geld gerichtet, sondern besteht sie in Form einer Sachleistung, wie beispielsweise bei freier Verpflegung, sind die üblichen Mittelpreise für die Leistung am Verbrauchsort anzusetzen (§ 15 Abs. 2 BewG). Es wird verglichen, welchen Betrag der Begünstigte aufwenden müsste, um eine gleichartige und gleichwertige Leistung am freien Markt zu erwerben.

Beispiel

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

343

Gemäß dem letzten Willen von Anne Marie Livi geht ihr Haus an ihren besten Freund Pierre Bossard über. Jedoch räumt Sie ihrer Tochter Michaela (57 Jahre alt) ein a) 10-jähriges Wohnrecht b) lebenslanges Wohnrecht ein.

Lösung

Für ein baugleiches Haus in dieser Lage müsste Michaela 870 € monatlich zahlen. Das Wohnrecht ist als Nutzungsrecht gem. §§ 13 und 14 BewG zu bewerten. Da keine Geldleistung vorliegt, ist der ortsübliche Mietpreis (§ 15 BewG) zur Berechnung des Jahreswerts heranzuziehen. Der Jahreswert beläuft sich auf 870 € x 12 = 10.440 €. Der Vervielfältiger ergibt sich bei: a) der festen 10-jährigen Laufzeit aus der Anlage 9a: Æ 7,745 b) dem lebenslangen Nutzungsrecht aus der Anlage 9: Æ 12,801 Der Kapitalwert der Nutzungen beträgt somit a) 80.858 € und b) 133.642 €. Ein abweichender gemeiner Wert ist nicht zu beachten. Das lebenslängliche Nutzungsrecht spiegelt in diesem Beispiel (Frau, 57 Jahre) eine Laufzeit der wiederkehrenden Leistung von ca. 21 Jahren wieder. Eine Begrenzung der Laufzeit auf unter 21 Jahren ist also für die Bewertung vorteilhaft. Wird Michaela allerdings sehr alt, hat es zur Folge, dass sie den rechtlichen Anspruch auf das Wohnrecht einbüßt. Ist der Wert der Nutzung ungewiss oder Schwankungen unterlegen, verlangt § 15 Abs. 3 BewG, den Betrag als Jahreswert zugrunde zu legen, der in der Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird. Bei dieser Zukunftsprognose sind alle bekannten Umstände im Bewertungszeitpunkt zu beachten. Als Nutzung gilt auch die unentgeltliche Überlassung eines Geldbetrags auf Zeit. In diesem Fall entspricht 5,5 v.H. der erhaltenen Geldsumme dem Jahreswert. Es werden also die jährlich gesparten Zinsaufwendungen als Bereicherung angesehen. Hierzu wird wieder pauschal von einer Verzinsung zum gesetzlichen Zinssatz ausgegangen, unabhängig von den tatsächlichen Marktzinsen. Besteht der Vorteil lediglich in einem zinsverbilligten Darlehen, bestimmt sich der Jahreswert aus der Differenz zwischen vereinbartem Zinssatz und dem gesetzlichen Zinssatz von 5,5 v.H. (§ 15 Abs. 1 BewG). Durch § 16 BewG erfährt der Jahreswert von Nutzungen (z.B. Nießbrauchrecht) eine Begrenzung. Mit dieser Wertobergrenze soll richtigerweise erreicht werden, dass der Wert der Nutzung nicht höher ist als der Wert des Wirtschaftsguts selbst. Auf Grund unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe und -verfahren könnte dieser unerwünschte Fall eintreten.

344

Bewertung von inländischem Vermögen

Beispiel

Howard Hughes (23 J.) hat ein Nießbrauchrecht auf einem unbebauten Grundstück am Stadtrand von Ingolstadt. Das Grundstück hat eine Größe von 110 qm bei einem Bodenrichtwert von 350 €/qm. Aus dem 80-jährigen Nießbrauch erhält Howard 2.500 € pro Jahr.

Lösung

Der Wert des unbebauten Grundstücks ergibt sich nach dem Vergleichswertverfahren als das Produkt von Bodenfläche und 80 % des Bodenrichtwerts. Wert des Grundstücks:

(110 qm x 350 €/qm) x 0,8 = 30.800 €

Die Bewertung des Nießbrauchsrechts erfolgt durch die Ermittlung des Barwerts der aus dem Grundstück erwirtschafteten Erträge. Wert des Nießbrauchs:

2.500 € x 18,424 (Anlage 9a BewG) = 46.060 €

Um zu verhindern, dass das Nutzungsrecht an einem Wirtschaftsgut einen größeren Wert besitzt als das Wirtschaftsgut selbst, begrenzt § 16 BewG den Jahreswert.

Beispiel

George Lutz vermacht seinem Enkel Chris Lutz sein Haus. Das Haus hat einen Steuerwert von 500 T€. Der gemeine Wert beträgt 1,3 Mio. €. Chris wird verpflichtet, seinem Bruder Harry (82 J.) und dessen Frau Chelsea (84 J.) ein lebenslanges Nießbrauchsrecht im Wert von monatlich 2.500 € zu zahlen.

Lösung

Somit kann § 16 BewG nicht für Renten oder wiederkehrende Leistungen angewendet werden, da diese unabhängig von anderen Wirtschaftsgütern sind. Die Nutzung eines Gegenstandes kann demzufolge maximal einen Jahreswert in Höhe des Werts des Wirtschaftsgutes haben, der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes ermittelt wurde, wenn dessen immerwährende Nutzung unterstellt wird. Die Obergrenze für den Jahreswert errechnet sich somit aus dem maßgebenden Steuerwert des Wirtschaftsguts, geteilt durch den Faktor für immerwährende Leistungen in Höhe von 18,6.

Die Duldung der Nutzung in Form des Nießbrauchs kann Chris als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) vom Vermögensanfall abziehen. Dazu ist ihr Kapitalwert gem. § 14 Abs. 1 und 3, § 15, § 16 BewG festzustellen. Der Jahreswert beträgt das 12fache der monatlichen Belastung (2.500 € x 12 = 30.000 €). Jedoch greift hier die Begrenzung i.S.d. § 16 BewG. Als kleinerer Wert sind lediglich 500 T€/18,6 = 26.881,7 € anzusetzen. Für den Vervielfacher ist die höhere Lebenserwartung der Eheleute Harry und Chelsea ausschlaggebend. Anlage 9 BewG liefert für eine 84-jährige Frau einen Vervielfältiger von 4,468 und für ihren 82-jährigen Mann einen Vervielfältiger von 4,228. Somit ist 4,468 als Vervielfältiger zu wählen. Abzugsfähig sind demnach 26.881,72 € x 4,468 = 120.107,44 €.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

345

Merke: Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen sind mit ihrem Kapitalwert zu bewerten. Dazu wird der Jahreswert der Nutzung oder Leistung mit einem, von der Laufzeit abhängigen, Vervielfältiger multipliziert. Der Jahreswert einer Nutzung ist durch § 16 BewG begrenzt und darf den Wert des Wirtschaftsgutes nicht übersteigen.

6.2.5 Bewertung von Grundbesitz Für die Bewertung von Grundbesitz wurde aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 ab dem 1.1.1996 ein verändertes Wertermittlungsverfahren eingeführt. Gemäß der Urteilsbegründung sahen es die Richter als verfassungswidrig an, dass der Grundbesitzwert auf der Grundlage der Einheitswerte vom 1.1.1964 ermittelt wurden, andere Vermögensarten (z.B. Bargeld) aber zu ihrem Gegenwartswert anzusetzen waren. Der unterschiedliche Ansatz in der Bemessungsgrundlage führte nämlich dazu, dass eine Erbschaft in Grundbesitz geringer besteuert wurde als eine Erbschaft, die zwar den gleichen Verkehrswert wie das Grundvermögen hatte, jedoch zum Gegenwartswert anzusetzen war. In seiner Reaktion auf das Urteil löste sich der Gesetzgeber von der Einheitsbewertung und schrieb künftig die Bedarfsbewertung vor. Maßgebend sind nun die tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Besteuerungszeitpunkt (§ 9 ErbStG). Zur Bewertung unterscheidet das Bewertungsgesetz verschiedene Grundbesitzarten. Es existieren separate Bewertungsverfahren für Grundstücke mit oder ohne Bebauung und einige Sonderfälle. Das Bewertungsgesetz greift dabei auf verschiedene Bewertungsverfahren zurück. Ein unbebautes Grundstück wird mittels eines Vergleichswertverfahrens bewertet. Bei einem bebauten Grundstück wird hingegen ein Ertragswertverfahren angewendet. Bei der Bewertung der verschiedenen Sonderfälle werden beide Verfahren kombiniert.

346

Bewertung von inländischem Vermögen

Grundbesitzarten §§ 138 ff. BewG

Unbebautes Grundstück

Bebautes Grundstück

Vergleichswertverfahren

Ertragswertverfahren

Sonderfälle 1. nicht vermietete Gebäude 2. Erbbaurecht 3. Gebäude im Zustand der Bebauung

Kombinationen aus Vergleichsund Ertragswertverfahren

Abbildung 172: Übersicht Grundbesitzarten und Bewertungsverfahren

6.2.5.1 Umfang des Grundbesitzes Die Bewertungsvorschriften für Grundvermögen gelten für wirtschaftliche Einheiten (§ 2 BewG) des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG. Bei der Bewertung von Grundbesitz ist also ebenfalls das Prinzip der wirtschaftlichen Einheit maßgebend (§ 138 Abs. 3 BewG). Das Bewertungsgesetz stellt somit nicht auf den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff ab, sondern auf die Verkehrsanschauung. Dem Prinzip der wirtschaftlichen Einheit folgend und in § 70 Abs. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG explizit geregelt, umfasst das Grundstück den Grund und Boden, das darauf befindliche Gebäude sowie die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht einzubeziehen sind Maschinen und Betriebsvorrichtungen, auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks geworden sind.

Wirtschaftliche Einheit „Grundbesitz“

Grund und Boden

Gebäude

sonstige Bestandteile

Abbildung 173: Wirtschaftliche Einheit „Grundbesitz“

Zubehör

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

6.2.5.1.1

347

Gebäude

Als Gebäude sind alle Bauwerke zu verstehen, die dazu geeignet sind, Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse zu gewähren. Das Bauwerk hat fest mit dem Grund und Boden verbunden zu sein oder zumindest eine gewisse Verweildauer und eine hinreichende Standfestigkeit aufzuweisen.88

6.2.5.1.2

Sonstige Bestandteile

Dient ein Bauwerk der Benutzung eines Gebäudes oder stehen weitere Bestandteile in einer unmittelbaren Beziehung zu einem auf dem Grundstück befindlichen Betrieb, sind diese als sonstige Bestandteile in der Bewertung nach den Vorschriften § 138 ff. BewG enthalten. Hierzu zählen etwa Außenanlagen wie eine Straße oder Einfriedungen.

6.2.5.1.3

Zubehör

Unter dem Begriff Zubehör (§ 97 BGB) werden alle beweglichen Wirtschaftsgüter zusammengefasst, die mit dem Grundstück in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Hierunter fällt z.B. auch ein Brennholzstapel, wenn er zum Heizen des Gebäudes verwendet wird.

6.2.5.2 Gesonderte Feststellung durch das Lagefinanzamt Ein Grundstück mit seinen Gebäuden, Bestandteilen und Zubehör wird als wirtschaftliche Einheit nach den Vorschriften zur Ermittlung des Grundvermögens erfasst. Dabei beinhaltet der anhand des anzuwendenden Verfahrens errechnete Wert alle Teile der wirtschaftlichen Einheit. Dieser Wert wird vom Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO) festgestellt. Lagefinanzamt ist dasjenige Finanzamt, in dessen Bezirk sich das zu bewertende Grundstück befindet. Der Bedarfswert wird sodann vom Lagefinanzamt in einem Grundlagenbescheid bekannt gegeben (§ 171 Abs. 10 AO). Für die Feststellung des Wertes gelten dabei die Vorschriften der Abgabenordnung über die Feststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes analog (§ 138 Abs. 5 BewG). Auf Grundlage dieses Bescheides hat das die Erbschaftsteuer veranlagende Finanzamt die Erbschaft- oder Schenkungsteuer in einem Folgebescheid zu erlassen. Es liegen also zwei getrennte Bescheide vor. Dies hat zum einen zur Folge, dass der Feststellungsbescheid für das die Erbschaftsteuer veranlagende Finanzamt Bindungswirkung hat (§ 182 AO). Zum anderen muss der Steuerpflichtige gegen die im Grundlagenbescheid getroffene Feststellung separat Rechtsbehelf einlegen, wenn er diesen später ändern will. Wird kein Einspruch gegen die Feststellung der Grundbesitzwerte eingelegt, ist der Einspruch gegen den Folgebescheid zur Erbschaft- oder Schenkungsteuerveranlagung unzulässig. 88

Vgl. Ländererlass v. 31.3.1992, BStBl. I 1992, S. 342.

348

Bewertung von inländischem Vermögen

6.2.5.3 Unbebautes Grundstück Die Ermittlung des Wertes von unbebauten Grundstücken ist in § 145 BewG geregelt. Als unbebaut gelten Grundstücke, wenn darauf keine benutzbaren Gebäude stehen. Die Benutzbarkeit beginnt mit der Bezugsfertigkeit. Sobald es also den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, das Gebäude zu nutzen (§ 145 Abs. 1 BewG), liegt Benutzbarkeit vor. Leerstehende aber benutzbare Gebäude führen nicht zu einer Bewertung als unbebautes Grundstück.89 Die im § 145 Abs. 1 Satz 4 BewG genannten im Bau befindlichen Gebäude sind systematisch falsch eingeordnet, da sie nicht zu den unbebauten Grundstücken zählen. Ihr Wert wird nach der spezielleren Vorschrift des § 149 BewG berechnet.90

Beispiel

Redman vermietet sein 300 qm großes bebautes Grundstück für 85 € im Monat. Laut Bodenrichtwert kostet der Quadratmeter 500 €.

Lösung

Gleichbedeutend mit einem unbebauten Grundstück ist ein Grundstück, auf dem ein Gebäude steht, das keiner oder nur einer unbedeutenden Nutzung zugeführt werden kann (§ 145 Abs. 2 BewG). Kann ein Gebäude nicht genutzt werden, unterliegt es bereits gem. § 145 Abs. 1 BewG dem Bewertungsverfahren für unbebaute Grundstücke. Eine untergeordnete Nutzung ist gegeben, wenn die erzielbare Jahresmiete oder die übliche Jahresmiete aus dem Gebäude weniger als 1 % des nach § 145 Abs. 3 BewG zu ermittelnden Wertes für unbebaute Grundstücke beträgt.

Der Wert für bebaute Grundstücke ist üblicherweise aufgrund der Vorschriften im § 146 BewG zu ermitteln. Von der Bewertung nach § 146 BewG ist abzuweichen, falls das Grundstück mit Gebäude keiner oder nur einer unbedeutenden Nutzung zugeführt werden kann. Eine untergeordnete Nutzung liegt vor, wenn die Jahresmiete weniger als 1 % des Grundstückswerts nach § 145 Abs. 3 BewG beträgt (§ 145 Abs. 2 Satz 1 BewG). 300 qm x 500 €/qm = 150.000 € 20 %iger Abschlag ./. 30.000 € Steuerwert des Grundstücks = 120.000 €

89

Vgl. BFH v. 18.12.2002, II-R-20/01, BStBl. II 2003, S. 228.

90

Vgl. Drosdzol, W.-D./ Drews, M., Handbuch für die Bewertung der Grundstücke und der landund forstwirtschaftlichen Betriebe, Essen 1997, S. 56.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

349

Die Jahresmiete beträgt 1.020 € (= 12 x 85 €). Die ist weniger als 1 % des Grundstückswerts (1.020 € / 120.000 € = 0,0085 < 1 %). Somit gilt das Grundstück für die Bewertung gem. § 145 Abs. 2 Satz 1 BewG als unbebaut und hat einen Steuerwert i.H.v. 120.000 €. Für die Bewertung eines unbebauten Grundstückes ist ein modifiziertes Vergleichswertverfahren vorgesehen. Das Vergleichswertverfahren setzt die Grundstücksgröße in Bezug zum Bodenrichtwert. Der Bodenrichtwert wird von einem Gutachterausschuss für jedes Gemeindegebiet nach den Vorschriften des Baugesetzbuches (BauGB) ermittelt. Er stellt einen durchschnittlichen Lagewert für den Boden dar und ist für die Finanzverwaltung als Richtwert bindend.91 Die Bodenrichtwerte werden nicht jährlich ermittelt, sondern es ist auf die Wertverhältnisse des 1.1.1996 abzustellen, die bis zum 31.12.2006 Gültigkeit haben werden (§ 138 Abs. 4 BewG). Das Bewertungsverfahren für unbebaute Grundstücke sieht vor, den jeweiligen Bodenrichtwert mit der Grundstücksfläche zu multiplizieren. Hiervon ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen und das Ergebnis auf volle fünfhundert Euro abzurunden (§ 145 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 139 BewG). Dieser Wert stellt dann den Grundvermögenswert des unbebauten Grundstückes dar, es sei denn, ein niedrigerer gemeiner Wert kann nachgewiesen werden (§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG). Durch die Anerkennung eines etwaigen niedrigeren gemeinen Wertes wird eine durch die tatsächlichen Verhältnisse nicht gerechtfertigte überhöhte Bewertung vermieden.

Grundstücksfläche x Bodenrichtwert

= Grundvermögenswert ./. pauschaler Abschlag (20 %) = Steuerwert des Grundstücks (abgerundet)

Achtung: Ansatzpflicht eines niedrigeren gemeinen Werts

Beispiel

Abbildung 174: Wertermittlungsschema für unbebaute Grundstücke (§ 145 BewG)

91

Graf Gormaz hinterlässt am 19.7.2004 seinem Sohn Rodrigo ein unbebautes Grundstück am Stadtrand von Augsburg. Das Grundstück hat eine Fläche von 400 qm und einen gemeinen Wert von 100 T€. Der Bodenrichtwert beträgt 250 €/qm (Alternative: 450 €/qm).

Vgl. FG Nürnberg v. 27.01.2000, IV-261/1999, EFG 2000, S. 610.

350

Bewertung von inländischem Vermögen

Lösung

Das Grundstück zählt zur wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens und stellt inländischen Grundbesitz dar (§§ 68 Abs. 1 Nr. 1, 70 Abs. 1 BewG). Die Bewertung des Grundvermögens erfolgt nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG. Hierzu sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt und die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 zugrunde zulegen. Die Wertverhältnisse gelten bis zum 31.12.2006 (§ 138 Abs. 1, 4 BewG). Der Wert für das Grundstück wird vom Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO) in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) gesondert festgestellt. Dieser Bescheid ist für das die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt bindend und vom Steuerpflichtigen separat anzufechten (§ 182 AO)

Wertermittlung:

400 qm x 250 € (450 €) Abschlag von 20 % Wert des Grundstücks

(Alternative) = 100.000 € (180.000 €) ./. 20.000 € (36.000 €) = 80.000 € (144.000 €)

Das unbebaute Grundstück hat einen Wert von 80.000 € (Alternative: 100.000 €) nach § 138 i.V.m. § 145 BewG. Es wurde kein niedrigerer gemeiner Wert festgestellt (Alternative: Nicht die 144.000 € sind anzusetzen, sondern der niedrigere gemeine Wert von 100.000 € (§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG)). Die Beträge sind auf volle 500 € abzurunden (§ 139 BewG).

Merke: Unter den im § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG angesprochenen „tatsächlichen Verhältnissen“ sind alle im Besteuerungszeitpunkt gegebenen Umstände (z.B. Grundstücksgröße, Eigentumsverhältnisse) des Grundstücks mit Ausnahme der Wertverhältnisse (z.B. Bodenrichtwert) zu verstehen.

6.2.5.4 Bebautes Grundstück Sind die Voraussetzungen für ein unbebautes Grundstück (§ 145 BewG) nicht gegeben, steht also ein nutzbares Gebäude auf dem Grundstück, erfolgt die Bewertung anhand der Normen § 138 i.V.m. § 146 BewG. Als bezugsfertig gilt ein Gebäude, wenn alle wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen wurden und das Gebäude nach objektiven Kriterien benutzbar ist. Dazu müssen beispielsweise die sanitären Anlagen montiert und die Sicherheit der Bewohner z.B. durch Treppen- und Balkongeländer gewährleistet sein.92 Grundsätzlich bezieht sich die Benutzbarkeit auf das Gebäude als Ganzes, d.h. es ist nicht ausreichend, wenn zum Bewertungszeitpunkt bereits einzelne Wohneinheiten in einem 92

Vgl. Drosdzol, W.-D./ Drews, M., Handbuch für die Bewertung der Grundstücke und der landund forstwirtschaftlichen Betriebe, Essen 1997, S. 68 und 102.

351

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Gebäudekomplex fertig gestellt sind. In diesem Fall erfolgt die Bewertung anhand der Vorschriften für Grundstücke im Zustand der Bebauung (§ 149 BewG). Erst wenn das ganze Gebäude mit allen Einheiten bezugsfertig ist, liegt ein bebautes Grundstück vor.

6.2.5.4.1

Berechnungsformel für bebaute Grundstücke

Die wirtschaftliche Einheit des bebauten Grundstückes umfasst den Grund und Boden, das Gebäude sowie die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Diese Teile werden bei der Bewertung gemeinsam durch das Ertragswertverfahren des § 146 Abs. 2 bis 4 BewG erfasst. Der Grundstückswert ergibt sich durch die Multiplikation der maßgebenden Jahresmiete bzw. der üblichen Miete für das Grundstück mit dem für alle Grundstücke geltenden Vervielfältiger 12,5. Hiervon ist eine Alterswertminderung von 0,5 % pro Jahr der Benutzbarkeit vorzunehmen. Der Abschlag darf jedoch nur maximal 25 % für die Alterswertminderung betragen. Dieser Wert ist bei Wohngrundstücken mit nicht mehr als zwei Wohnungen um einen Zuschlag von 20 % zu erhöhen (§ 146 Abs. 5 BewG). Der berechnete Wert ist auf volle fünfhundert Euro nach unten abzurunden (R 166 ErbStR). Aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsverfahren von unbebauten und bebauten Grundstücken hat der Gesetzgeber eine Wertuntergrenze für bebaute Grundstücke festgelegt. Hierin ist der Gedanke enthalten, dass der Wert eines Grundstücks mit bewohnbarem Gebäude logischerweise höher ist als der Wert eines Grundstücks ohne Bebauung. Der Wert des unbebauten Grundstücks nach § 145 Abs. 3 BewG bildet daher die Wertuntergrenze für das bebaute Grundstück und darf nur auf entsprechenden Nachweis durch den Steuerpflichtigen, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist, unterschritten werden (§ 146 Abs. 6 und 7 BewG). Gebäudewert 2. Schritt Alterswertminderung (0,5 % p.a., max. 25 %)

1. Schritt Jahresmiete x 12,5 (Ertragswertverfahren)

3. Schritt Zuschlag für EFH/ZFH (20 %)

Wertuntergrenze: Wert des niedrigeren gemeinen Werts oder des unbebauten Grundstücks (Bodenrichtwert x Grundstücksfläche x 80 %)

Abbildung 175: Wertermittlungsschema für bebaute Grundstücke

352

Bewertung von inländischem Vermögen

Merke: Der Wert des Grundstücks im unbebauten Zustand ist bei der Wertermittlung des bebauten Grundstücks parallel festzustellen, da dieser Wert die Wertuntergrenze für das bebaute Grundstück bildet.

6.2.5.4.2

Die maßgebende bzw. übliche Jahresmiete

Für die Berechung des Wertes eines bebauten Grundstückes ist auf den Durchschnitt der jährlichen Nettokaltmieten der letzten drei Jahre zurückzugreifen. Die Jahresmiete ist dabei das Gesamtentgelt, das die Mieter oder Pächter für die Nutzung der wirtschaftlichen Einheit aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von 12 Monaten zu zahlen haben, unabhängig von dem Nutzungszweck des Grundstücks (§ 146 Abs. 2 Satz 2 BewG i.V.m. R 167 ErbStR). Das Entgelt schließt Einnahmen für alle Teile der wirtschaftlichen Einheit des Grundstücks mit ein, wie z.B. die Miete für Nebengebäude und für Stellplätze.93 Zur Jahresmiete sind aber die Betriebskosten im Sinne des § 27 II. Berechnungsverordnung (umlagefähige Bewirtschaftungskosten) nicht hinzuzuzählen bzw. müssen herausgerechnet werden, wenn sie enthalten sind (R 168 ErbStR). Dies sind z.B. Kosten für die Wasserversorgung, für die Heizungsanlage und für Aufzüge, die mit dem Mieter gesondert abgerechnet werden. Das Ergebnis ist die anzusetzende Nettokaltmiete.

Beispiel

Harry Potter zahlt für seine Wohnung 450 € Miete. Diese teilt sich auf in 400 € für die Wohnung, 30 € für einen Garagenstellplatz und 20 € für die Wasserversorgung. Laut Vertrag sind 400 € für die Wohnung zzgl. Stellplatzmiete und Kosten für die Wasserversorgung vereinbart.

Lösung

Bei der Nettokaltmiete ist diejenige Miete maßgebend, die von den Parteien vereinbart wurde und nicht die tatsächlich gezahlte Miete (R 167 Satz 5 bis 8 ErbStR). Dabei ist auf eine Miete abzustellen, die gezahlt worden wäre, wenn das Grundstück in den zurückliegenden drei Jahren den Zustand gehabt hätte, den es im Besteuerungszeitpunkt hat (R 170 Abs. 2 Satz 1 ErbStR).

Für Zwecke der Bewertung ist das vereinbarte Nettoentgelt maßgebend. Zum Nettoentgelt gehören die Wohnungsmiete und die Kosten für den Stellplatz. Kosten für die Wasserversorgung sind als umlagefähige Bewirtschaftungskosten nicht zu berücksichtigen. Daher ergibt sich eine Nettokaltmiete von 430 € (= 400 € vereinbarte Miete + 30 € Garagenstellplatzmiete).

Käme es demnach zu einer Mieterhöhung infolge baulicher Maßnahmen (Umbau-, Modernisierung etc.) oder einer Nutzungsänderung, ist die durchschnittliche Jahresmiete aus 93

Vgl. Aufzählung in R 167 Satz 3 und 4 ErbStR.

353

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

dem kürzeren Zeitraum seit Beendigung der Baumaßnahmen oder ab Beginn der letzten Nutzungsänderung zu berechnen. Bei einer Mieterhöhung ohne bauliche Veränderungen oder einer veränderten Nutzung ist auf den vollen Wertermittlungszeitraum abzustellen. Ab dem Tag der Mieterhöhung ist jedoch mit der höheren Miete zu rechnen. Liegt die Bezugsfertigkeit des Grundstücks noch keine drei Jahre zurück, ist die durchschnittliche Jahresmiete ebenfalls nur aus dem kürzeren Zeitraum zu berechnen (R 170 ErbStR).

Mieterhöhung in Folge baulicher Maßnahmen

Wertermittlungszeitraum:

Bewertungsstichtag

3 Jahre

Wertermittlung aus dem kürzeren Zeitraum

Abbildung 176: Der Wertermittlungszeitraum Ist der Mietermittlungszeitraum, der die letzten drei Jahre vor dem Besteuerungsstichtag umfasst (nicht die letzten drei Kalenderjahre) unterbrochen, ist für den Unterbrechungszeitraum auf die üblicherweise erzielbare Miete abzustellen. Als Unterbrechung ist derjenige Zeitraum anzusehen, in dem das Grundstück nicht vermietet war oder vom Eigentümer oder dessen Familie selbst genutzt, anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen oder an Angehörige (§ 15 AO) oder Arbeitnehmer (§ 1 LStDV) des Eigentümers vermietet worden ist. Übliche Miete ist diejenige Miete, die nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter für vergleichbare Grundstücke von einem fremden Mieter bezahlt würde. Mieten, die auf ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen beruhen, sind außer Betracht zu lassen (R 171 Abs. 3 Satz 1 ErbStR). Abgeleitet werden kann die übliche Miete aus Vergleichsmieten bzw. Mietspiegeln oder ausnahmsweise auch aus einem Mietgutachten. Geeignet für die Ableitung der üblichen Miete aus Vergleichsmieten sind Mieten, die im gleichen Bewertungsobjekt bzw. in der gleichen Wohnanlage aber auch in der näheren

354

Bewertung von inländischem Vermögen

Beispiel

Pierre Brossard erbt von seinem Vater ein Doppelhaus. Die eine Hälfte des Doppelhauses steht leer. Die andere Hälfe bewohnt seine Schwester. Im Mietvertrag sind als Miete 150 € im Monat festgelegt. Laut Mietspiegel der Gemeinde ist für eine Doppelhaushälfte in dieser Lage und Größe eine Monatsmiete von je 550 € angemessen.

Lösung

Umgebung erzielt wurden, sofern sie nach obigen Kriterien vergleichbar sind.94 Mietspiegel sind von manchen Kommunen nach § 2 Abs. 5 Miethöheregelungsgesetz geführte Übersichten über die Mietpreisentwicklung. Existiert dieser für die letzten drei Jahre vor dem Bewertungsstichtag, kann auf dieser Basis die übliche Miete geschätzt werden. Mietgutachten sind von den örtlichen Gutachterausschüssen oder einem Sachverständigen zu erstellen.

Die Bewertung des Doppelhauses hat auf Basis der üblichen Miete zu erfolgen, weil für die leer stehende Hälfte keine tatsächliche Miete bekannt ist und die zweite Hälfte von einer nahe stehenden Person bewohnt wird. Da Vergleichsmieten von Dritten für vergleichbare Gebäude nicht existieren, ist die Miete des Mietspiegels zugrunde zulegen. Bei der Bewertung der Doppelhaushälften ist jeweils die Miete von 550 € pro Monat maßgebend.

Merke: Zur Bewertung von bebauten Grundstücken ist die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete der letzten drei Jahre heranzuziehen. Aufgrund von Baumaßnahmen, einer veränderten Nutzung oder Leerstand des Gebäudes kann sich der Wertermittlungszeitraum verkürzen. Wird das Gebäude selbst genutzt oder an nahe stehende Personen (§ 146 Abs. 3 BewG) vermietet, tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete. Diese würde ein fremder Dritter für ein nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter vergleichbares Gebäude zahlen.

6.2.5.4.3

Der Multiplikator

Der Vervielfältiger 12,5 ist unverändert für alle Grundstücke anzuwenden, wenn die Jahresmiete bzw. die übliche Miete ermittelt werden kann. Da der Vervielfältiger ohne Unterschied angewandt wird, kann der Gebäudewert nur aufgrund unterschiedlicher Mieten differieren.95

94

Vgl. Drosdzol, W.-D./ Drews, M., Handbuch für die Bewertung der Grundstücke und der landund forstwirtschaftlichen Betriebe, Essen 1997, S. 75.

95

Erläuterung zur Bestimmung des Multiplikators siehe Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner,H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1627 f.

355

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

6.2.5.4.4

Die Alterswertminderung

Beispiel

Dr. Elma Turner hat sich im Jahre 1999 eine neue Wohnung gekauft, die am 12.12.1998 bezugsfertig geworden ist. Diese Wohnung verschenkt Elma am 14.07.2004.

Lösung

Der Wertminderung, der Gebäude durch Abnutzung und Veralterung unterliegen, wird durch einen Altersabschlag Rechnung getragen. Die durchschnittliche Jahresmiete multipliziert mit dem Vervielfältiger 12,5 ergibt den Ausgangswert zur Berechnung der Alterswertminderung. Auf diesen Ausgangswert ist pro Jahr der Bezugfertigkeit des Gebäudes ein Abschlag von 0,5 %, höchstens jedoch von insgesamt 25 %, vorzunehmen. Die Zeitspanne wird dabei nicht tag- oder monatsgenau ermittelt, sondern es ist für Zwecke der Vereinfachung zulässig, den 1.1. des Jahres der Bezugsfertigkeit zur Berechnung der Alterswertminderung heranzuziehen (R 174 Abs. 1 ErbStR).

Ab der Bezugsfähigkeit des Gebäudes ist für jedes Jahr ein Altersabschlag in Höhe von 0,5 % vom Grundvermögenswert vorzunehmen. Gem. R 174 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zählt der 1.1. des Jahres der Bezugsfertigkeit als Zeitpunkt der Bezugsfähigkeit. Der Alterswertabschlag für die Wohnung ist also für den Zeitraum vom 1.1.1998 bis 14.07.2004 zu berechnen. Dieser Zeitraum umfasst sechs ganze Jahre (sowie 7 Monate und 14 Tage), für die ein Abschlag von 3 % (= (2004 ./. 1998) x 0,5 = 6 x 0,5 %) vorzunehmen ist. Gäbe es die Vereinfachungsregel des R 174 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht, lägen lediglich fünf ganze Jahre (sowie 8 Monate und 2 Tage) zwischen der tatsächlichen Bezugsfertigkeit und dem Bewertungszeitpunkt. Der Steuerpflichtige wird durch diese Regelung besser gestellt, da er in diesem Fall die Alterswertminderung unter Umständen für ein zusätzliches Jahr geltend machen kann. Diese beträgt: 2004 ./. 1998 6

x 0,5 = 3 %

Bei einem Gebäude, an dem nach seiner Bezugsfertigkeit derartig tiefgreifende bauliche Maßnahmen durchgeführt worden sind, dass tragende Teile des Hauses (z.B. Fundament, Decken) ausgetauscht oder neue Bauteile in das Gebäude eingefügt wurden, kann eine Verlängerung der Nutzungsdauer angenommen werden. Ist eine um mindestens 25 Jahre verlängerte Nutzungsdauer gegeben, beginnt die Alterswertminderung ab einem fiktiven Fertigstellungsjahr, welches sich aus dem Jahr der Bezugsfertigkeit zuzüglich der Verlängerung der gewöhnlichen Nutzungsdauer aufgrund der baulichen Maßnahme ergibt (R 174 Abs. 2 ErbStR). Mit dieser Vorschrift schränkt der Gesetzgeber die Alterswertminderungen zum Nachteil des Steuerpflichtigen ein. Allerdings ist dieser Schritt gerechtfer-

356

Bewertung von inländischem Vermögen

Beispiel

tigt, weil ein grundlegend saniertes Gebäude eine längere Nutzungsdauer aufweist und damit einen höheren Wert besitzt als ein nicht saniertes Gebäude. Chuck Noland besitzt ein Haus, welches im Jahre 1965 bezugsfertig wurde. Im Jahre 2003 ließ er das Haus komplett sanieren, wodurch eine Verlängerung der gewöhnlichen Nutzungsdauer von 28 Jahren eingetreten ist. Chuck verstirbt im Dezember 2004.

Jahr der Bezugsfertigkeit

Jahr der fiktiven Bezugsfertigkeit

Alterswertminderung in %

Jahr der Bezugsfertigkeit + 28 J.

Jahr der Sanierung (Nutzungsdauer + 28 J.)

t

Lösung

Abbildung 177: Jahr der fiktiven Fertigstellung Die Alterswertminderung für ein Gebäude aus dem Jahre 1965 beträgt 19,5 % (= (2004 ./. 1965) x 0,5 %). Durch die Baumaßnahmen tritt jedoch eine veränderte Nutzungsdauer ein. Mit einem Wertabschlag für das Alter ist ab dem fiktiven Fertigstellungsjahr 1993 (= 1965 + 28) zu rechnen. Als Alterswertminderung sind demzufolge nur noch 5,5 % (= (2004 ./. 1993) x 0,5 %) abzuziehen.

Im Gegensatz dazu wird einer Verkürzung der Nutzungsdauer durch z.B. nicht behebbare Baumängel nicht durch eine stärkere Alterswertminderung begegnet. Ein solcher wertmindernder Umstand wird nur durch den erlaubten Nachweis eines geringeren gemeinen Werts berücksichtigt (R 174 Abs. 3 ErbStR). Befinden sich auf einem Grundstück Gebäude mit unterschiedlicher Nutzungsdauer, ist grundsätzlich für jedes Gebäude ein separater Altersabschlag zu ermitteln. Dies ist allerdings nicht notwendig, wenn das Gebäude dem Hauptgebäude dient (z.B. Garagen, Nebengebäude) oder durch die Nutzungsmöglichkeit das Schicksal des Hauptgebäudes teilt (z.B. Anbauten). In diesen Fällen ist ausschließlich auf das Fertigstellungsjahr des Hauptgebäudes abzustellen (R 174 Abs. 4 ErbStR).

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

6.2.5.4.5

357

Zuschlag für Ein- und Zweifamilienhäuser

Dienen Gebäude auf einem Grundstück ausschließlich Wohnzwecken und enthalten diese nicht mehr als zwei Wohnungen, sieht § 146 Abs. 5 BewG einen Zuschlag von 20 % auf den Grundvermögenswert nach Alterswertminderung vor. Unter diese Regelungen fallen Einfamilienhäuser sowie Wohngrundstücke mit zwei Wohnungen. Der Gesetzgeber rechtfertigt diesen Zuschlag damit, dass Ein- und Zweifamilienhäuser für gewöhnlich nicht zu Renditezwecken, sondern zum Eigengebrauch errichtet werden. Derartige Immobilien weisen bei ihrer Vermietung eine geringere Miete auf, als wenn das Gebäude von vornherein für Renditezwecke errichtet worden wäre. Zudem umgibt diese Gebäude meist ein größerer Gartenanteil, ohne dass sich dieser Umstand auf die Miete auswirken würde.

Jahresnettokaltmiete x 12,5 = Grundvermögenswert ./. 0,5 % Alterswertminderung pro Jahr (max. 25 %) +

Zuschlag (20 %) bei Ein- und Zweifamilienhäusern

= Steuerwert des Grundstücks (abgerundet) Achtung: Der Wert des bebauten Grundstückes muss mindestens dem Wert nach § 145 Abs. 3 ErbStG entsprechen, es sei denn, der gemeine Wert ist niedriger.

Beispiel

Abbildung 178: Wertermittlungsschema für bebaute Grundstücke (§ 146 BewG) Harold Fingleton hält ein im Jahre 1997 gekauftes vermietetes Einfamilienhaus (Alternative: Dreifamilienhaus) in seinem Eigentum. Das Gebäude wurde 1990 fertig gestellt und steht auf einer 450 qm großen Fläche (Bodenrichtwert in 2004: 352 €/qm). Als er am 30.6.2004 stirbt, geht das Gebäude an seine Frau Dora. In diesem Zeitpunkt hat das Grundstück einen gemeinen Wert von 350 T€. Die Gebäudemiete exklusive der konstanten 50 € Miete für die Garage betrug in: 2001: 650 € 2002: 700 € 2003: 700 € 2004: 720 € pro Monat (pro Wohnung)

358

Bewertung von inländischem Vermögen

Lösung

Die Wertermittlung des Grundbesitzes erfolgt nach § 146 BewG. Die durchschnittlich erzielbare Miete der letzten drei Jahre beträgt: ((½ x 650) + 700 + 700 + (½ x 720))/3 = 695 € pro Monat 695 € x 12 x 12,5 = 50 € x 12 x 12,5 = Ausgangswert für Alterswertminderung Alterswertminderung (0,5 % für 14 Jahre = 7 %)

104.250 € 7.500 € = 111.750 € ./. 7.823 €

(312.750 €) (22.500 €) (335.250 €) (23.467,5 €)

= 103.927 € + 20.785 € = 124.500 €

(311.782,5 €) (--) (311.500 €)

(R 174 Abs. 1 Satz 2 ErbStR: 1.1.1990 bis 30.6.2004 = 14 Jahre)

Ausgangswert für den Zuschlag für EFH/ZFH Zuschlag (20 %) für EFH/ZFH Grundstückswert (abgerundet § 139 BewG)

Mindestwert: 450 qm x 352 €/qm x 0,8 = 126.500 € (gerundet) Der Wert des bebauten Grundstücks ist mit dem Mindestwert nach § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG von 126.500 € anzusetzen. (Alternative: Der ermittelte Grundstückswert für bebaute Grundstücke ist in Höhe von 311.500 € anzusetzen). Ein niedrigerer gemeiner Wert ist nicht gegeben (§ 146 Abs. 7 BewG).

6.2.5.5 Sonderfälle der Grundvermögensbewertung Zusätzlich zur Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken regelt das Bewertungsgesetz noch einige Sonderfälle, die zum Grundvermögen zu zählen sind, aber aufgrund besonderer Umstände nach anderen als den bereits bekannten Verfahren bewertet werden sollen. Diese Regelungen finden sich in § 138 i.V.m. §§ 147 bis 149 BewG.

6.2.5.5.1

Bewertung nicht vermieteter Gebäude

§ 147 BewG umfasst Gebäude, die zum Bewertungsstichtag nicht vermietet sind und für die sich keine übliche Miete ermitteln lässt. Dies gilt insbesondere für Grundstücke mit Gebäuden, die zur Durchführung bestimmter Fertigungsverfahren, zu Spezialnutzungen oder zur Aufnahme bestimmter technischer Einrichtungen bestimmt worden sind und nicht oder nur mit erheblichem Aufwand für andere Zwecke nutzbar gemacht werden können (§ 147 Abs. 1 Satz 2 BewG). Darunter sind speziell gewerbliche Objekte wie z.B. Parkhäuser und Theater zu verstehen (R 178 Abs. 1 ErbStR), für die aufgrund ihrer sehr individuellen Bauweise eine pauschalierte Wertermittlung unangebracht ist und die übliche Miete mangels vergleichbarer Objekte nicht ermittelt werden kann. Für derartige Grundstücke sieht das Gesetz ein Sachwertverfahren vor. Nicht zum Anwendungsbereich des § 147 BewG zählen besonders aufwendige, für eigene Wohnzwecke genutzte Immobilien. Dies gilt, obwohl es auch hier schwer ist, für sie übliche Mieten zu ermitteln. Immobilien wie z.B. Luxusvillen oder Schlösser sind also eben-

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

359

falls mittels des Ertragswertverfahrens zu bewerten. Die besonderen Umstände müssen jedoch bei der Ermittlung der üblichen Miete berücksichtigt werden (R 178 Abs. 2 ErbStR). Zur Ermittlung des Wertes eines nicht vermieteten Gebäudes sind der Grundstückswert und der Gebäudewert getrennt festzustellen und anschließend zu addieren. In den gemeinsamen Wertansatz sind auch hier alle zur wirtschaftlichen Einheit gehörigen Teile eingeschlossen. Der Wert für den Grund und Boden ermittelt sich analog § 145 BewG. Die Grundstücksfläche ist jedoch mit einem ermäßigten Bodenrichtwert zu multiplizieren. Laut § 147 Abs. 2 BewG beträgt die Ermäßigung nicht die bekannten 20 % sondern sogar 30 % vom Bodenrichtwert. Gleichwohl kann vom Steuerpflichtigen ein niedrigerer gemeiner Wert für den Grund und Boden nachgewiesen werden. Merke: Der Wert für Grund und Boden ist getrennt vom Wert des Gebäudes zu bestimmen. Der Wert pro Quadratmeter beträgt 70 % des Bodenrichtwerts. Der Wert des Gebäudes bestimmt sich nach den ertragssteuerlichen Vorschriften (§ 147 Abs. 2 Satz 2 BewG). Die ertragsteuerlichen Wertansätze finden sich in §§ 6 ff. EStG. Dies sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich zu verrechnender Zuschüsse und der bis zum Besteuerungszeitpunkt angefallenen Abschreibung. Ist der Steuerpflichtige zum Aufstellen einer Bilanz verpflichtet, ist der Steuerbilanzwert anzusetzen. Dabei ist grundsätzlich eine Zwischenbilanz aufzustellen, aus Vereinfachungsgründen kann aber der Steuerbilanzwert aus dem letzten Abschluss abzüglich einer anteiligen Abschreibung angesetzt werden. Liegt keine Steuerbilanz aber eine Handelsbilanz vor, ist der Wert der Handelsbilanz zu entnehmen (R 179 Abs. 3 ErbStR). Bei der Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung ist das Gebäude mit dem Restbuchwert anzusetzen, falls es zum Betriebsvermögen zählt. Dieser ergibt sich aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich der zu verrechnenden Zuschüsse und der bis zum Bewertungsstichtag angefallenen Abschreibung. Auf gleiche Art und Weise ist der Ansatz zu ermitteln, falls das Grundstück im Privatvermögen gehalten wird (R 179 Abs. 4 ErbStR). Merke: Die ertragssteuerlichen Vorschriften sind maßgebend für den Wert des Gebäudes. So ergibt sich der Wert des Gebäudes aus den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten. Der Wert für Grund und Boden und der Gebäude sind zu einem Gesamtwert zusammenzufassen und auf volle 500 € abzurunden (§ 139 BewG). Das Ergebnis stellt den Grundstückswert dar. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ist nur für den Wertansatz von Grund und Boden möglich, nicht für das gesamte Grundstück. Für das Gebäude ist der ertragssteuerliche Wertansatz verpflichtend (R 179 Abs. 5 ErbStR).

360

Bewertung von inländischem Vermögen

Wert eines nicht vermieteten Grundstücks (§ 147 BewG) Grund und Boden (§ 145 BewG) Grundstücksfläche x Bodenrichtwert ./. pauschaler Abschlag (30 %)

Gebäudewert +

= Steuerwert des Grund und Boden

Ertragssteuerliche Werte: - Steuerbilanzwert (§ 4 Abs. 1/§ 5 EStG) - Restbuchwert (§ 4 Abs. 3 EStG)

Achtung: niedriger gemeiner Wert

Abbildung 179: Wertermittlung für nicht vermietete Grundstücke

6.2.5.5.2

Bewertung von Erbbaurechten

Das Grundvermögen schließt gem. § 68 Abs. 1 Nr. 2 BewG auch das Erbbaurecht ein, welches nach dem Verfahren in § 148 BewG zu bewerten ist. Ein Erbbaurecht umfasst das veräußerbare und vererbliche Zugeständnis an den Erbbauberechtigten, ein Bauwerk auf einem fremden Grundstück zu errichten und dieses für eine begrenzte Laufzeit zu nutzen (i.d.R. 99 Jahre).96 Als Gegenleistung für die Verpachtung des Grundstücks erhält der Grundstückseigentümer den sogenannten Erbbauzins. Das Erbbaurecht gilt für erbschafts- und schenkungssteuerliche Fragen als im Zeitpunkt der Unterzeichnung des notariellen Vertrags zur Bestellung des Erbbaurechts entstanden. In diesem Punkt weicht das Erbschaftsteuergesetz von der zivilrechtlichen Vorschrift ab, die auf die Eintragung im Grundbuch abstellt (R 181 Abs. 2 ErbStR). Im Rahmen eines Nachlasses oder einer Schenkung kann sowohl das Erbbaurecht als auch das mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück übergehen. Beides sind eigenständige wirtschaftliche Einheiten und somit gesondert zu bewerten. Zur wirtschaftlichen Einheit des Erbbaurechts zählen neben den auf Grund dieses Rechts errichteten oder bei dessen Bestellung bereits vorhandenen Bauwerken auch die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks ist negativ abgegrenzt und umfasst diejenigen Teile, die nicht zum Erbbaurecht gehören.97 Ist das Erbbaurecht derart ausgestaltet, dass es nur die Benutzung eines Teils eines Grundstückes erlaubt, umfasst die wirtschaftliche Einheit nur diesen Grundstücksteil. Der verbleibende Teil ist eine eigene wirtschaftliche Einheit und anhand der entsprechenden Bewer96

Vgl. § 1 Abs. 1 ErbbauVO.

97

Vgl. Drosdzol, W.-D./ Drews, M., Handbuch für die Bewertung der Grundstücke und der landund forstwirtschaftlichen Betriebe, Essen 1997, S. 95.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

361

tungsmaßstäbe zu bewerten (R 181 Abs. 3 ErbStR). Diese Trennung in wirtschaftliche Einheiten wird analog fortgesetzt, falls ein Gebäude zum Teil auf einem erbbaubelasteten Grundstück zum anderen Teil auf einem angrenzenden eigenen Grundstück oder auf dem Grund und Boden eines Dritten steht. Der Gebäudeteil auf dem belasteten oder fremden Grundstück ist als Erbbaurecht zu bewerten (§ 148 BewG i.V.m. R 181 Abs. 4 ErbStR), der Gebäudeteil auf dem eigenen Grundstück getrennt davon als bebautes Grundstück (§ 146 BewG). Bei der Bebauung auf fremdem Grund und Boden und mittels Erbbaurecht liegen zwei wirtschaftliche Einheiten vor, die getrennt voneinander aber jeweils anhand der gleichen Vorschrift, nämlich § 148 Abs. 1 und 2 BewG, zu ermitteln sind.

6.2.5.5.2.1

Wert des belasteten Grundstücks

Der Wert des belasteten Grundstückes soll unter zur Hilfenahme des Ertragswertverfahrens ermittelt werden. Der Entscheidung für ein Ertragswertverfahren liegt die Idee zugrunde, dass der Erbbauzins die aus dem belasteten Grundstück erzielbare Rendite ist. Der Wert des mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks beträgt das 18,6fache des im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses (§ 148 Abs. 1 Satz 1 BewG). Dieser Betrag ist auf volle 500 € nach unten abzurunden (§ 139 BewG). Der Nachweis eines geringeren gemeinen Wertes ist nicht zulässig (R 182 Abs. 5 ErbStR). Zur Vereinfachung der Bewertung für belastete Grundstücke ist immer der Faktor 18,6 anzuwenden, vollkommen unabhängig von der Restlaufzeit des Erbbaurechts und einer bereits vorhandenen Bebauung des belasteten Grundstückes. Dieser Faktor steht für den Vervielfältiger einer immerwährenden Leistung, da die Laufzeit der Erbbaurechte für gewöhnlich das Lebensalter einer natürlichen Person übersteigen. Der Faktor 18,6 unterstellt eine 99-jährige Laufzeit des Erbbaurechts. Nicht gerechtfertigt ist der Faktor bei einer kürzeren Restlaufzeit. In diesem Fall würde er nämlich stets zu einer Überbewertung des belasteten Grundstücks führen, da auch der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für das Grundstück nicht erlaubt ist. Auch der Versuch, den Vervielfältiger für kurze Restlaufzeiten damit zu rechtfertigen, dass das Gebäude am Ende der Laufzeit entschädigungslos auf den Grundstückseigentümer übergeht, ist nicht sachgerecht. Im Regelfall ist nämlich beim sog. Heimfall der Wert des Gebäudes separat abzulösen. Handelt es sich allerdings tatsächlich um einen entschädigungslosen Übergang, würde sich der Wert des Gebäudes direkt auf den Erbbauzins niederschlagen. Da der Grundstückeigentümer das Gebäude nicht kaufen muss, senkt sich der Erbbauzins. Hierdurch wird der Erbbauberechtigte für den Gebäudewert kompensiert.98 Bezugsgröße für den Vervielfältiger ist der pro Jahr vertraglich fixierte Erbbauzins. Ist dieser Erbbauzins über einzelne Jahre hinweg nicht konstant, ist auf den Durchschnittswert 98

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1685.

362

Bewertung von inländischem Vermögen

abzustellen, der sich aus den Erbbauzinsen in den Jahren nach dem Besteuerungszeitpunkt ergibt. Die Anpassung des Erbbauzinses aufgrund von Wertsicherungsklauseln, wie z.B. dem Lebenshaltungskostenindex, ist nicht zu beachten. Ist kein Erbbauzins vereinbart, beträgt der Wert des belasteten Grundstücks 0 € (R 182 Abs. 2 Satz 5 ErbStR). Gleiches gilt, wenn der Erbbauzins vollständig (z.B. Vorrauszahlung in einer Rate am Beginn der Laufzeit) vor dem Besteuerungszeitpunkt abbezahlt wurde.99

6.2.5.5.2.2

Wert des Erbbaurechts

Die Berechnung des Wertes des Erbbaurechts erfolgt nicht unmittelbar. Er ist der Residualwert aus dem Gesamtwert des Grundstücks ohne die Belastung und dem Wert des belasteten Grundstücks (Differenzmethode). Diese Differenz ist auf volle 500 € abzurunden und stellt schließlich den Wert des Erbbaurechts dar (§ 148 Abs. 1 BewG i.V.m. R 183 Abs. 1 und 2 ErbStR). Der Wert für das nicht belastete Grundstück ergibt sich je nach Zustand der Bebauung aus den §§ 145, 146, 149 BewG oder, falls es nicht vermietet ist, nach § 147 BewG. Dabei ist das vom Erbbauberechtigten errichtete Gebäude außer Acht zu lassen. So ist z.B. ein bereits bebautes Erbbaugrundstück nach der Vorschrift des § 146 BewG zu ermitteln und davon der Wert des belasteten Grundstücks zu subtrahieren. Bei der Bewertung des Gesamtwerts des Grundstücks kann der niedrigere gemeine Wert (§ 145 Abs. 3 Satz 3, § 146 Abs. 7 BewG) berücksichtigt werden, ein niedrigerer gemeiner Wert für das Erbbaurecht wird nicht anerkannt. Besteht eine Abbruchverpflichtung für den Erbbauberechtigten, ist diese aber wertmindernd einzubeziehen. Ein nach der Differenzmethode ermittelter negativer Wert ist anzusetzen (R 183 ErbStR). Durch die Differenzmethode ist sichergestellt, dass die Summe aus Erbbaurecht und belastetem Grundstück den Wert eines unbelasteten Grundstücks mit entsprechender Bebauung nicht überschreitet.

99

Vgl. Drosdzol, W.-D./ Drews, M., Handbuch für die Bewertung der Grundstücke und der landund forstwirtschaftlichen Betriebe, Essen 1997, S. 96.

363

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Eigenständige wirtschaftliche Einheiten

Wert des unbelasteten Grundstücks - Unbebautes Grundstück (§ 145 BewG) - Bebautes Grundstück (§§ 146 ff. BewG)

Wert des belasteten Grundstücks ./. Jahreserbbauzins x 18,6

Wert des Erbbaurechts (= Wert des Gebäudes)

Beispiel

Herman Walzer hat ein Erbbaurecht auf dem Grundstück seines Freundes Franz Berger. Es ist vertraglich vereinbart, dass Herman 1.500 € Erbbauzins pro Jahr zahlt und das Grundstück ab dem Jahr 2000 für 100 Jahre nutzen darf. Auf einem gemeinsamen Vatertagsausflug kommen Herman und Franz bei einem Autounfall ums Leben. Das Erbbaurecht geht auf die Tochter von Herman Walzer Yvonne über, das Grundstück, das ansonsten unbebaut ist (Größe 400 qm, Bodenrichtwert 230 €/qm), auf den Sohn von Franz Berger.

Lösung

Abbildung 180: Wertermittlungsschema für Erbbaurechte

Der Wert des belasteten Grundstücks ist das 18,6fache des jährlich zu zahlenden Erbbauzinses: 1.500 € x 18,6 = 27.900 € (abgerundet: 27.500 €) Zur Feststellung des steuerlichen Werts des Erbbaurechts ist die Differenz aus dem Gesamtwert und dem belasteten Grundstück zu bilden. Unbebautes Grundstück: Wertabschlag (20 %) Gesamtwert Belastetes Grundstück Wert des Erbbaurechts (abzurunden)

6.2.5.5.3

400 qm x 230 €/qm = 92.000 € ./. 18.400 € = 73.600 € ./. 27.500 € = 46.100 €

Gebäude auf fremdem Grund und Boden

Ein auf einem fremden Grundstück errichtetes Gebäude ist als eigenständige wirtschaftliche Einheit anzusehen. Diese umfasst grundsätzlich die vertraglich überlassene Fläche. Im Zweifel ist aber auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall abzustellen. Zwar ist das Gebäude zivilrechtlich wesentlicher Bestandteil des fremden Grundstückes geworden, d.h. es gehört dem Grundstückseigentümer, jedoch wird es bewertungsrechtlich dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet. Je nach Ausgangslage ist ein Gebäude auf fremdem Grund

364

Bewertung von inländischem Vermögen

und Boden oder der Grund und Boden mit einem darauf errichteten fremden Gebäude zu bewerten (R 185 Abs. 1 und 2 ErbStR). Die Wertermittlung für Gebäude auf fremdem Grund und Boden erfolgt gem. § 148 Abs. 2 BewG analog der Vorgehensweise zur Bewertung von Erbbaurechten und damit belasteten Grundstücken (§ 148 Abs. 1 BewG). So ist der Wert des von einem Fremden bebauten Grund und Bodens mit dem 18,6fachen der vertraglich vereinbarten Jahrespacht anzusetzen. Der Vervielfältiger entspringt dabei demselben Grundgedanken wie bei einem Erbbaurecht. Der Gesetzgeber erwartet, dass derartige Verträge eine sehr lange Laufzeit besitzen. Bei einer kurzen (Rest-) Laufzeit ist die Bewertung mit dem 18,6fachen der Jahrespacht nicht gerechtfertigt, aber trotzdem anzusetzen. Der Wert des Gebäudes ist die Differenz aus dem Gesamtwert, ermittelt nach §§ 145 bis 147 oder 149 BewG, abzüglich des 18,6fachen der im Besteuerungszeitpunkt jährlich zu zahlenden Pacht. Dabei gelten die Grundsätze zur Ermittlung der Jahrespacht und die Aussagen zur Berücksichtigung eines niedrigeren gemeinen Werts ebenfalls nur für den Gesamtwert des unbelasteten Grundstücks (R 182 ErbStR). Merke: Die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden erfolgt analog der Bewertung des Erbbaurechts (§ 148 BewG).

6.2.5.5.4

Gebäude im Zustand der Bebauung

§ 149 BewG schließt die Regelungslücke zwischen unbebauten und bebauten Grundstücken und ist für Grundstücke anzuwenden, auf denen erst mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen wurde. Ein Gebäude im Zustand der Bebauung liegt vor, sobald mit den Ausgrabungsarbeiten oder mit der Einbringung von Baustoffen zur planmäßigen Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteils begonnen wurde (R 187 Abs. 1 Satz 1 ErbStR). Zuvor ist von einem unbebauten Grundstück auszugehen. Der Zustand der Bebauung endet mit dem Abschluss aller wesentlichen Bauarbeiten. Ab diesem Zeitpunkt ist das Gebäude bezugsfertig und mit dem Wert eines bebauten Grundstückes anzusetzen. Gebäude im Zustand der Bebauung liegen auch dann vor, wenn durch An-, Aus-, oder Umbauten an einem bereits errichteten Gebäude neue Räumlichkeiten entstehen. Reine Modernisierungsmaßnahmen sind hierunter nicht zu subsumieren (R 187 Abs. 1 ErbStR). Mit dieser Norm wird der Tatsache Rechnung getragen, dass bereits ein im Bau befindliches Gebäude eine Werterhöhung für ein unbebautes Grundstück darstellt. Der nach § 149 BewG ermittelte Wert beinhaltet alle Teile der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens.

365

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls 6.2.5.5.4.1

Wertermittlung von Gebäuden im Zustand der Bebauung

Das Vorgehen zur Bewertung eines Gebäudes im Zustand der Bebauung sieht vor, die Werte für Grund und Boden und das Gebäude getrennt zu ermitteln. Dabei wird der Grund und Boden mit demjenigen Wert angesetzt, den er haben würde, wenn sich darauf kein Gebäude im Bau befände. D.h. wird ein Gebäude auf einem bis dahin unbebauten Grundstück errichtet, wird der Wert für den Grund und Boden nach § 145 BewG ermittelt; steht auf dem Grundstück bereits ein bezugsfertiges Gebäude, ermittelt sich der Wert nach den §§ 146 bis 148 BewG. Zu diesem Grundstückswert kommt der Gebäudewert hinzu.

Unbebautes Grundstück

Grundstück im Zustand der Bebauung

Tag des Baubeginns

§ 145 BewG

Bebautes Grundstück

Tag der Bezugsfertigkeit

§ 149 BewG

§§ 146 bis 148 BewG

t

Abbildung 181: Gebäudebewertung in Abhängigkeit des Bebauungszustandes Der Gebäudewert ist mittels des aus § 146 BewG bekannten Ertragswertverfahren zu berechnen. Jedoch ist der Wert für den separat ermittelten Grund und Boden herauszurechnen und der Fertigstellungsgrad des Gebäudes zu berücksichtigen (R 188 ErbStR). Daher wird für das Gebäude lediglich 80 % der vervielfältigten Jahresmiete angesetzt und dieser Betrag zusätzlich mit dem Fertigstellungsgrad multipliziert. Rein rechnerisch entfallen also 20 % pauschal auf den Grund und Boden. Die Summe aus Grund und Boden und dem Gebäude ist auf volle 500 € nach unten abzurunden (§ 139 BewG).

366

Bewertung von inländischem Vermögen

Grundstück im Zustand der Bebauung Grund und Boden Unbebautes Grundstück § 145 BewG Bebautes Grundstück §§ 146 bis 148 BewG + Gebäudewert Miete x 0,8 x Fertigstellungsgrad d

übliche Miete nach Bebauung x 12,5 + Zuschlag (20 %) bei EFH/ZFH =

angefallene Herstellungskosten gesamte Herstellungskosten

Wertobergrenze Wert des Grundstücks mit komplett fertiggestelltem Gebäude (§§ 146 bis 148 BewG)

Abbildung 182: Wertermittlung für Grundstücke im Zustand der Bebauung Die übliche Miete entspricht der erwarteten Miete, die nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes für ein gleichwertiges Gebäude erzielt werden kann.

Beispiel

Der Grad der Fertigstellung stellt den Baufortschritt am Gebäude dar. Dieser wird gemessen anhand der Kosten, die für die Errichtung des gesamten Gebäudes entstehen. Das Verhältnis der bereits bis zum Besteuerungszeitpunkt angefallenen Kosten zu den Kosten für das fertige Gebäude ergibt den Fertigstellungsgrad. Dabei ist auf die tatsächlich angefallenen Kosten abzustellen und nicht auf die bereits geleisteten Zahlungen. Martin Riggs erbt am 03.10.2005 ein im Bau befindliches und am 11.11.2005 voraussichtlich fertiggestelltes Einfamilienhaus von seinem Freund Roger Murtaugh. Bislang sind Baumaßnahmen im Wert von 200.000 € angefallen. Voraussichtlich werden die gesamten Herstellungskosten 250.000 € betragen. Roger Murtaugh hat bis zum Erfall schon 175.000 € gezahlt.

Lösung

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

367

Der Fertigstellungsgrad beträgt 80 % (= 200.000 € / 250.000 €), da das Verhältnis der bislang angefallen Kosten zu den gesamten Herstellungskosten des zu errichten Gebäudes entscheidend sind. Der Stand der tatsächlich geleisteten Zahlungen ist nicht für den Fertigstellungsgrad relevant.

Da die gesamten Herstellungskosten, die bis zum Abschluss der Baumaßnahmen anfallen, meist nicht bekannt sind, werden diese anhand von Kostenvoranschlägen oder der im Kaufvertrag festgelegten Kaufpreisraten, die in Abhängigkeit vom Baufortschritt zu leisten sind, geschätzt (R 189 Abs. 1 ErbStR). Abbruchkosten für ein bereits bestehendes altes Gebäude sind nicht in die Berechnung einzubeziehen, da sie bereits im Wert von Grund und Boden berücksichtigt sind (R 189 Abs. 1 Satz 4 Hs. 2, 190 Satz 2 ErbStR).

6.2.5.5.4.2

Wertgrenzen für Grundstücke im Zustand der Bebauung

Der Grundstückswert, der nach dem Ermittlungsschema des § 149 BewG errechnet wurde, darf denjenigen Wert nicht übersteigen, der nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes anzusetzen wäre. Diese Wertobergrenze ergibt sich aus den §§ 146 bis 148 BewG; hieraus folgt, dass auch die Regelungen über die Mindestbewertung und der evtl. Ansatz eines niedrigeren gemeinen Wertes zu beachten sind. Das Grundstück im Zustand der Bebauung hat daher höchstens den Wert des bezugsfertigen Gebäudes, aber mindestens den Wert des Grund und Bodens bewertet nach § 145 BewG. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes für das Grundstück in Bebauung ist nicht möglich. Dies schließt jedoch nicht aus, dass einzelne Berechnungsgrößen, z.B. der Wert für ein unbebautes Grundstück nach § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG oder der Mindestwert eines bebauten Grundstücks nach § 146 Abs. 7 BewG, mit dem niedrigeren gemeinen Wert anzusetzen sind (R 191 Abs. 2 ErbStR).

368

Bewertung von inländischem Vermögen

Fertigstellungsgrad Bezugsgröße: Kosten

Höchstwert Wert des Grundstücks mit fertig gestelltem Gebäude Gebäudewert

Wert des im Bau befindlichen Gebäudes Mindestwert Wert des unbebauten Grundstücks

Wert des bebauten Grundstücks (§§ 146 bis 148 BewG) Wert des unbebauten Grundstücks (§ 145 BewG)

übliche Miete x 12,5 x 0,8 x Fertigstellungsgrad + Grundstückswert In Abhängigkeit von der Bebauung

Beispiel

Wayne Hayes will seinem Sohn Arnold zu seiner Hochzeit ein Haus schenken. Dieses war am Tag der Hochzeit noch nicht fertig gestellt. Er begann, das Haus auf einem 350 qm großen Grundstück zu bauen (Bodenrichtwert 250 €/qm). Die Errichtung des Gebäudes soll laut Kostenvoranschlag 180.000 € zuzüglich 5.000 € für den Abriss und die Entsorgung einer kleinen Scheune betragen. Bisher hat er schon 105.000 € ausgegeben. Für ein fertiges vergleichbares Haus ist eine Miete von 450 € pro Monat zu zahlen.

Lösung

Abbildung 183: Wertermittlung für Gebäude im Zustand der Bebauung

Zur Bewertung von Gebäuden im Zustand der Bebauung ist § 149 BewG maßgebend. Demnach ist der Wert des Grund und Bodens getrennt vom Wert des Gebäudes zu ermitteln: Grund und Boden: unbebautes Grundstück (§ 145 BewG) Unbebautes Grundstück: 350 qm x 250 €/qm = Wertabschlag (20 %) Wert Grund und Boden (Mindestwert) Gebäude (§§ 146, 149 BewG) Übliche Jahresmiete x 12,5 = 450 € x 12 x 12,5 = Faktor gem. § 149 Abs. 1 Satz 2 BewG Fertigstellungsgrad (105.000 €/180.000 €) Wert des Gebäudes

87.500 € ./. 17.500 € = 70.000 €

67.500 € x 80 % = 54.000 € x 58,3 % = 31.500 €

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

369

Der Wert des Grundvermögens im Zustand der Bebauung beträgt 70.000 € + 31.500 € = 101.500 €. Dieser Wert liegt allerdings über dem Höchstwert für Gebäude im Zustand der Bebauung. Der Wert darf maximal dem Wert für das fertige Gebäude entsprechen. Der Wert für das fertige Gebäude nach § 146 BewG beträgt: Übliche Jahresmiete x 12,5 = 450 € x 12 x 12,5 = Alterswertminderung (= Null, da noch nicht bezugsfertig) 20 % Zuschlag für EFH/ZFH: Höchstwert (Wert bebautes Grundstück)

67.500 € ./. 0€ + 13.500 € = 81.000 €

Da dieser Wert nicht gegen den Mindestwert (Wert des unbebauten Grundstücks) verstößt, ist das Grundstück im Zustand der Bebauung mit 81.000 € anzusetzen.

6.2.5.6 Mittelbare Grundstücksschenkung Die mittelbare Grundstückschenkung stellt eine Besonderheit unter den Schenkungen dar. Wird dem Bedachten Geld geschenkt, um nach Willen des Zuwendenden ein Grundstück zu erwerben, liegt eine mittelbare Grundstückschenkung vor. Demnach ist Schenkungsgegenstand nicht der Geldbetrag, sondern das Grundstück. Die Gründe, warum der Schenker das Grundstück nicht selbst erwirbt und es sodann dem Begünstigten überträgt, sind hierbei unbedeutend. Erforderlich ist allerdings, dass im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung bereits ein hinreichend genau spezifiziertes Grundstück benannt ist. Darüber hinaus ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Schenkung und dem Grundstückerwerb notwendig. Für die Berechnung der Erbschaftsteuer ist demnach folgerichtig nicht der Nennwert des Geldbetrages zugrunde zu legen, sondern der Steuerwert des Grundstücks.100 Der Beschenkte wird durch diese Regel besser gestellt, weil er nach Ansicht der Rechtsprechung nicht umhinkommt, das Geld in ein vorbestimmtes Gebäude zu investieren. Sind nicht alle mit dem Erwerb oder der Bebauung eines Grundstückes verbundenen Kosten mit der Geldschenkung gedeckt, liegt nur in Höhe des zugewendeten Teils eine mittelbare Grundstückschenkung vor. Der Steuerwert des Grundvermögens ist nur zu demjenigen Anteil anzusetzen, in dem die Kosten und der zugewendete Betrag stehen.101 Wenn im Gegensatz dazu nach dem Erwerb des Grundstückes noch ein Restbetrag verbleibt, ist dieser als Geldschenkung anzusehen und mit dem Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG) zu bewerten.

100

Vgl. BFH v. 15.11.1978, II-R-69/72, BStBl. II 1979, S. 201.

101

Vgl. BFH v. 12.12.1979, II-R-157/78, BStBl. II 1980, S. 260.

370

Bewertung von inländischem Vermögen

Kaufpreis

Steuerwert des Grundvermögens

Restbetrag

Geldschenkung (Nennwert)

Schenkungsbetrag > Kaufpreis des Grundstücks

Abbildung 184: Aufteilung einer Geldschenkung Sind die Vorraussetzungen einer mittelbaren Grundstückschenkung nicht erfüllt oder trägt der Schenker nur einen unbedeutenden Teil102 von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, so gilt der Vorgang ebenfalls als Geldschenkung. Die gemachte Auflage ist in diesem Fall jedoch nicht als Belastung abzugsfähig (§ 10 Abs. 9 ErbStG), da die Auflage dem Begünstigten selbst zugute kommt.

102

I.d.R. gilt ein Anteil von unter 10 % als unbedeutend (R 16 Abs. 3 Satz 2 ErbStR).

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Hinreichend genau spezifiziertes Grundstück

371

nein

ja Zeitnahe Anschaffung des Grundstücks

nein

Schenkungsgegenstand: Geldbetrag

Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG)

ja Bedeutender Teil des Kaufpreises

nein

ja Schenkungsgegenstand: Grundstück Steuerwert des Grundstücks (§§ 138 ff. BewG)

Mittelbare Grundstücksschenkung

Beispiel

Bonnie Parker schenkt ihrer Tochter 750.000 € (alternativ: 1.000.000 €, 30.000 €). Von diesem Geld soll sie das Nachbargrundstück neben der Villa ihrer Mutter kaufen. Das Grundstück hat einen Verkehrswert von 750.000 € und einen Steuerwert von 450.000 €. Das Grundstück soll zeitnah angeschafft werden.

Lösung

Abbildung 185: Mittelbare Grundstücksschenkung

Die Vorraussetzung für eine mittelbare Grundstücksschenkung sind bei der Zuwendung von 750.000 € gegeben. Das Grundstück ist bestimmt, es wird zeitnah angeschafft und die Schenkung deckt den gesamten Kaufpreis. Somit ist zur Ermittlung des Vermögensanfalls statt des Nennwerts der Steuerwert des Grundstücks anzusetzen. Der Vermögensanfall beträgt also 450.000 €.

372

Bewertung von inländischem Vermögen Alternative 1: Bei einer Zuwendung in Höhe von 1.000.000 € verbleibt nach dem Erwerb des Hauses ein Restbetrag von 250.000 €. Somit ist lediglich im Umfang des Kaufpreises des Hauses eine mittelbare Grundstücksschenkung gegeben, welche mit dem Steuerwert des Grundstücks anzusetzen ist. Der verbleibende Betrag ist mit dem Nennwert (§ 12 BewG) zu bewerten. Es ergibt sich ein Vermögensanfall von 700.000 € (= 450.000 € Steuerwert Gebäude + 250.000 € Nennwert Restbetrag). Alternative 2: Die Zuwendung von 30.000 € dürfte in Anbetracht eines Kaufpreises i.H.v. 750.000 € als unbedeutend gelten. Daher sind die Vorraussetzungen einer mittelbaren Grundstücksschenkung nicht erfüllt, und es ist der Nennwert der Geldzuwendung i.H.v. 30.000 € (§ 12 Abs. 1 BewG) zu versteuern.

Fallen bei einer Schenkung Gebühren, wie zum Beispiel Erwerbsnebenkosten in Form einer Notargebühr bei der Übertragung eines Grundstückes an, können diese vom Vermögenswert abgezogen werden und zählen nicht zur Bereicherung. Liegt eine gemischte Schenkung vor, sind die Erwerbsnebenkosten nur anteilig im Verhältnis des Steuerwerts nach dem Bewertungsgesetz zum Verkehrswert abzugsfähig. Die Vorgehensweise bei der mittelbaren Grundstückschenkung lässt sich auf andere Tatbestände übertragen. Diese sind in R 56 Abs. 2 ErbStR festgelegt und umfassen die Zuwendung von Betriebsvermögen oder die Übertragung an vom Schenker unmittelbar gehaltenen Anteilen an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Bei allen anderen Wirtschaftsgütern ist der Ansatz des Werts des mittelbar zugewendeten Gegenstandes verboten. In diesem Fall ist der Nennwert der Geldzuwendung in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

6.2.6 Bewertung von Betriebsvermögen Als Folge des BVerfG-Urteils vom 22.6.1995 über die Verfassungswidrigkeit der Vermögensteuer wurde die Vermögensteuererhebung ausgesetzt und die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft. Dadurch wurde die Einheitsbewertung von Betriebsvermögen überflüssig. Der Betriebsvermögenswert ist seither ausschließlich für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungssteuer zu ermitteln. Dies geschieht jedoch nur noch im Bedarfsfall (§ 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. den §§ 95 ff. BewG). Dabei sind die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Besteuerung (§ 11 i.V.m. § 9 ErbStG) zu unterstellen (§ 12 Abs. 5 ErbStG).

6.2.6.1 Begriff Gewerbebetrieb Die Bewertung von Betriebsvermögen ist sowohl auf Kapitalgesellschaften als auch Personengesellschaften anzuwenden, soweit es sich bei den Personengesellschaften um Gewerbebetriebe handelt.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

373

Bei einer Personengesellschaft liegt ein Gewerbebetrieb vor, wenn die Vorraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG kumulativ erfüllt sind. Dazu ist eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit notwendig, die mit der Absicht ausgeführt wird, Gewinne zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Diese Tätigkeit darf gleichzeitig keine Ausübung einer land- und forstwirtschaftlichen Betätigung, kein freier Beruf und keine reine Vermögensverwaltung sein. Kapitalgesellschaften sind immer, unabhängig von ihrer Tätigkeit, kraft Gesetzes Gewerbebetriebe (§ 2 Abs. 2 GewStG und § 8 Abs. 2 KStG). Entsprechend dieser Definition ist ein freier Beruf nicht als Gewerbebetrieb anzusehen. Die Unterscheidung in freien Beruf oder Gewerbebetrieb ist jedoch für Zwecke der Betriebsvermögensbewertung hinfällig, da die freien Berufe durch § 96 BewG den Gewerbebetrieben gleichgestellt sind. Das Bewertungsgesetz sieht einen Gewerbebetrieb als gegeben, sobald mit der Anschaffung erster Vermögensgegenstände zur Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit begonnen wurde. Er bleibt bestehen, bis zur Veräußerung des letzten Wirtschaftsgutes oder dessen Überführung ins Privatvermögen, auch nach der Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit.103

6.2.6.2 Vermögensaufstellung Grundlage für die Bewertung des Betriebsvermögens bilden die ertragssteuerlichen Vorschriften zur Bilanzierung von Betriebsvermögen. Die nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten Betriebsvermögen und -schulden sind in eine Vermögensaufstellung zu überführen, aus der sich der Wert des Betriebs ergibt. In die Vermögensaufstellung sind grundsätzlich die betrieblichen Wirtschaftsgüter (Rohbetriebsvermögen) als Besitzpositionen aufzunehmen. Hiervon ist gem. § 98a BewG die Summe der betrieblichen Schulden abzuziehen. Durch die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzposten in die Vermögensaufstellung herrscht Bestandsidentität, so dass von der Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Vermögensaufstellung gesprochen wird. Die Maßgeblichkeit reicht sogar soweit, dass sich grundsätzlich auch die ertragssteuerliche Bewertung in der Vermögensaufstellung wieder findet. Es sind nämlich die Steuerbilanzwerte in der Vermögensaufstellung aufzunehmen. So wird neben der Bestandsidentität auch von der Bewertungsidentität gesprochen. Merke: Zwischen der Vermögensaufstellung und der Steuerbilanz herrscht Bestandsund Bewertungsidentität.

103

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1343 ff.

374

Bewertung von inländischem Vermögen

Aktiva

Passiva

Bilanz

Anlagevermögen

Eigenkapital

Umlaufvermögen

Fremdkapital

Vermögensaufstellung

Summe der Besitzpositionen ./. Summe der Schulden

= Residualwert (Wert des Betriebsvermögens)

Abbildung 186: Ableitung der Vermögensaufstellung Nach dem Grundsatz der Bedarfbewertung müsste ein Zwischenabschluss auf den Bewertungsstichtag aufgestellt werden. Aus Vereinfachungsgründen kann auf diesen verzichtet werden, wenn dies im Einzelfall nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt. Gewinne oder Verluste, Abschreibungen oder andere Veränderungen des Vermögens infolge von z.B. Veräußerungen, die nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind, sind jedoch zu berücksichtigen (R 39 Abs. 1 und 2 ErbStR). Das Betriebsvermögen umfasst also dasjenige Vermögen nach Korrekturen, das auch nach der ertragssteuerlichen Norm des § 15 EStG zum Gewerbebetrieb zählt. Die Zuordnung zum Betriebsvermögen und die damit verbundene Aufnahme in die Vermögensaufstellung ist von großer Bedeutung. Betriebsvermögen wird anhand eines anderen Bewertungsmaßstabes als Privatvermögen bewertet und unterliegt zusätzlichen Begünstigung (z.B. §§ 13a, 28 ErbStG).

6.2.6.2.1

Bestandsidentität (Aktivseite)

Der Wert des Betriebsvermögens ergibt sich als Differenzbetrag aus den in die Vermögensaufstellung übernommenen aktiven Vermögensgegenständen abzüglich der betrieblichen Schulden und sonstigen Abzüge. Es handelt sich also um denjenigen Wert, der vom Wert des Betriebsvermögens nach der Zurückführung der Schulden übrig bleibt. Dieser entspricht dem nach bewertungsrechtlichen Vorschriften ermittelten Wert des Eigenkapitals des Betriebs. Die Bestandsidentität hat zur Folge, dass alle Aktivposten der Steuerbilanz in die Vermögensaufstellung als Besitzpositionen aufzunehmen sind. Dabei ist zu beachten, dass je nach Gesellschaftsform unterschiedliche Arten von Betriebsvermögen existieren.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

375

Die Kenntnis der ertragssteuerlichen Ansatzvorschriften für bewegliches und unbewegliches Betriebsvermögen ist also unabdingbar. Auf deren Grundzüge soll daher kurz eingegangen werden. Zum Betriebsvermögen ist jedes bewegliche Vermögen zu zählen, das in enger wirtschaftlicher Beziehung zum Betrieb steht und dem wirtschaftlichen Zweck unmittelbar dient. Dieses sog. notwendige Betriebsvermögen unterliegt einer Ansatzpflicht, wenn es überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % im Betrieb genutzt wird. Das gewillkürte Betriebsvermögen kann dem Betrieb zugerechnet werden. Hierbei handelt es sich um unbewegliche und bewegliche Wirtschaftsgüter, deren betriebliche Nutzung zwischen 10 % bis 50 % liegt und die den wirtschaftlichen Zweck des Betriebs fördern können. Das jeweilige Gut ist also objektiv geeignet, dem Betrieb zu dienen, und ist damit, nach einer subjektiven Widmung für den Betrieb, dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Bewegliche Wirtschaftsgüter, die fast ausschließlich privat genutzt werden (betriebliche Nutzung < 10 %), zählen zum notwendigen Privatvermögen und dürfen nach ertragssteuerlichen Regelungen dem Betrieb nicht zugerechnet werden. Die Zuordnung zu Betriebs- oder Privatvermögen von Grund und Boden sowie Gebäuden unterscheidet sich von den dargestellten Regelungen. Die Güter werden jeweils nicht einheitlich als Betriebs- oder Privatvermögen behandelt. Vielmehr erfolgt eine Aufteilung entsprechend der Quadratmeter (quotenmäßige Aufteilung; R 13 Abs. 7, 8, 10, 11 EStR). Bei unbebauten Grundstücken bestehen somit keine großen Schwierigkeiten festzustellen, ob ein Teil eindeutig betrieblich (Lagerplatz) oder privat (Schrebergarten) genutzt wird. Nur betriebliche genutzte Grundstücke sind in der Bilanz anzusetzen. Bebaute Grundstücke folgen bei ihrer Zuordnung dem darauf stehenden Gebäude. Gebäude werden entsprechend ihrer Nutzung in vier verschiedene Gebäudeteile aufgeteilt. So zählen eigenbetrieblich genutzte Gebäudeteile grundsätzlich zum notwendigen Betriebsvermögen. Separat hierzu stellt der an fremde Betriebe vermietete Gebäudeteil ein eigenes Wirtschaftsgut dar. Dieses kann als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, wenn es in einem objektiven Zusammenhang zum eigenen Gewerbebetrieb steht. Analog sind Gebäudeteile zu handhaben, die für fremde Wohnzwecke genutzt werden. Stehen diese in einem objektiven Zusammenhang zum Betrieb, können sie als gewillkürtes Betriebsvermögen aktiviert werden. Lediglich Gebäudeteile, die für eigene Wohnzwecke verwendet werden, zählen zum notwendigen Privatvermögen und können nicht bilanziert werden. Diese Vorschriften gelten sowohl für Gewinnermittler durch Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierer) als auch für die Einnahmen-Ausgaben Überschussrechner (4-3-Rechner). Da die Bilanzierer das Betriebsvermögen in einer Bilanz festhalten, kann bei diesen das Betriebsvermögen einfach aus den Bilanzen abgelesen werden. Einnahmen-AusgabenÜberschussrechner erstellen keine Bilanz. Sie führen lediglich ein Anlageverzeichnis für ihr

376

Bewertung von inländischem Vermögen

abnutzbares Anlagevermögen. Dennoch besitzen auch sie Betriebsvermögen, welches anhand des obigen Vorgehensweise vom Privatvermögen abgegrenzt wird.

Betriebsvermögen Notwendiges Betriebsvermögen

Gewillkürtes Betriebsvermögen

Notwendiges Privatvermögen

Wirtschaftsgüter mit enger wirtschaftlichen Beziehung zum Betrieb und dem wirtschaftlichen Zweck unmittelbar dienend

Wirtschaftsgüter, die den wirtschaftlichen Zweck des Betriebs fördern können und zwischen 10 % und 50 % betrieblich genutzt werden

Wirtschaftsgüter, die nahezu ausschließlich dem privaten Zweck dienen (Betriebl. Nutzung < 10%)

Ansatzpflicht

Ansatzwahlrecht

Ansatzverbot

ja Betriebsvermögen (EStG), Ansatz in der Vermögensaufstellung

Widmung

nein

Privatvermögen (EStG), keine Aufnahme in die Vermögensaufstellung

Abbildung 187: Übersicht über die Einordnung von Vermögen Bei Personengesellschaften kann sich das Betriebsvermögen im Falle einer Mitunternehmerschaft neben den bereits benannten Möglichkeiten noch in das sogenannte Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen aufteilen. Unter dem Gesamthandsvermögen ist dasjenige Vermögen zu verstehen, welches allen Gesellschafter gemeinschaftlich gehört. Dem Sonderbetriebsvermögen ist dasjenige Vermögen zuzurechnen, welches nicht im Eigentum aller Gesellschafter, sondern lediglich im Eigentum eines oder einzelner Gesellschafter des Betriebs steht und dem Betrieb bzw. der Beteiligung an dem Betrieb dient. Alle Wirtschaftsgüter wie z.B. Maschinen, Forderungen und Rohstoffe, die zum notwendigen oder gewillkürten Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen gehören, bilden das Rohbetriebsvermögen. Die Aufnahme in die Vermögensaufstellung erfolgt dabei unabhängig von der Verpflichtung, die Wirtschaftsgüter in einer Bilanz auszuweisen, durch die Zuordnung zum Betriebsvermögen anhand der dargestellten Regelungen.

377

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

6.2.6.2.2

Ausnahmen von der Bestandsidentität (Aktivseite)

Vom Grundsatz der Übernahme aller Wirtschaftsgüter des Betriebes in die Vermögensaufstellung wird beim Ansatz einzelner Bilanzpositionen abgewichen. Der zum Betrieb gehörige Grundbesitz (§ 99 BewG) beispielsweise, also Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, ist nicht automatisch in die Vermögensaufstellung zu übernehmen. Im einfachsten Fall steht ein Betriebsgrundstück bei einer Kapital- oder Personengesellschaft im Betriebs- bzw. Gesamthandsvermögen und ist damit nach § 99 Abs. 2 Satz 4 BewG stets in die Vermögensaufstellung einzubeziehen. Auch Betriebsgrundstücke, die einem oder mehreren Gesellschaftern gehören und zu mehr als 50 % dem Gewerbebetrieb dienen, sind in die Vermögensaufstellung aufzunehmen. Es ist dabei vollständig dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Ist jedoch ein betriebsfremder Dritter an dem Grundstück beteiligt, kann es unabhängig von seiner Nutzung niemals Betriebsgrundstück i.S.d. Bewertungsgesetzes sein. In diesem Fall ist das ganze Grundstück dem Grundvermögen zuzurechnen. Ebenso zählt das Grundstück, das zum Sonderbetriebsvermögen oder im Vermögen des Gesellschafters eines Einzelunternehmens gehört, aber zu maximal 50 % oder einem niedrigeren Anteil betrieblich genutzt wird, nicht zum Betriebs- sondern zum Privatvermögen (50 % Regel des § 99 Abs. 2 BewG, R 117 ErbStR).

Kapitalgesellschaft

Gesamthandsvermögen

stets BV

Personengesellschaft

Sonderbetriebsvermögen

d 50 %

> 50 %

PV

BV

Einzelunternehmen/ Freiberufler

Beteiligung eines nicht Gesellschafters

stets PV

Eigentum des Gesellschafters

d 50 %

> 50 %

PV

BV

Beispiel

Abbildung 188: Ansatzvorschriften für Betriebsgrundstücke (= 50 %-Regel) Den Gesellschaftern Huck und Bees (Hefter) der Huckabees OHG gehört ein Grundstück, welches sie der OHG vermieten. Das Grundstück wird zu 70 % (40 %) für eigene gewerbliche Zwecke genutzt.

378

Bewertung von inländischem Vermögen

Lösung

Aufgrund der Vermietung und der gewerblichen Nutzung zu 70 % gehört das Grundstück des Huck und Bees zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen I. Durch die mehr als 50 % gewerbliche Nutzung handelt es sich bei dem Grundstück um ein Betriebsgrundstück und es ist mit seinem vollen Wert in die Vermögensaufstellung aufzunehmen. Die Bewertung erfolgt anhand der Vorschriften über die Bewertung von Grundvermögen (§§ 138 ff. BewG). Alternative: Bei einer betrieblichen Nutzung von lediglich 40 % liegt Privatvermögen vor. Das Grundstück wird ebenfalls nach den §§ 138 ff. BewG bewertet, darf aber nicht in der Vermögensaufstellung erscheinen. Ist statt dem Gesellschafter Bees der fremde Dritte Hefter, der nicht Gesellschafter der OHG ist, an besagtem Grundstück beteiligt, liegt ebenfalls privates Grundvermögen vor. Dies erfolgt unabhängig von dem Umfang der betrieblichen Nutzung.

6.2.6.2.3

Bewertungsidentität (Aktivseite)

Ebenso wie hinsichtlich des Ansatzes der Wirtschaftsgüter Bestandsidentität herrscht, besteht hinsichtlich der Bewertung grundsätzlich Bewertungsidentität. Somit sind die in die Vermögensaufstellung übernommenen Wirtschaftsgüter mit ihren ertragsteuerlichen Werten zu übernehmen. Die Steuerbilanzwerte sind für bilanzierende Gewerbebetriebe und für das abnutzbare Vermögen im Anlagenverzeichnis des 4-3Rechners anzusetzen. Dort erfolgt der Ansatz in aller Regel zu den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Dem Stichtagsprinzip folgend wäre es notwendig, einen Zwischenabschluss auf den Bewertungsstichtag aufzustellen, jedoch können gemäß der in R 39 ErbStR geregelten Vereinfachung die korrigierten Werte des letzten Abschlusses herangezogen werden. Dabei ist es für die Erbschaftsteuer nicht von Bedeutung, wie es zu diesem oder jenem Wertansatz in der Steuerbilanz gekommen ist. Es ist unerheblich, ob ein Wirtschaftsgut einer erhöhten Abschreibung oder einer Sonderabschreibung unterlag oder ob der Wertansatz durch Zuschüsse oder Zulagen gemindert wurde. Der ertragssteuerliche Wertansatz ist unverändert in die Vermögensaufstellung zu übernehmen.104 Ist betriebliches Vermögen nicht bilanziert und existiert daher kein Steuerbilanzwert für diese Wirtschaftsgüter, erfolgt der Wertansatz mit dem Teilwert. Dieser Wertansatz ist vor allem für Freiberufler oder nicht bilanzierende Gewerbetreibende relevant. Er birgt im Vergleich zum Steuerbilanzwert den Nachteil, dass der Teilwert immer auch die stillen 104

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1433.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

379

Reserven beinhaltet. Der Wert eines Gewerbebetriebs ist daher in der Regel beim Bilanzierer geringer.

6.2.6.2.4

Ausnahmen von der Bewertungsidentität (Aktivseite)

Ebenso wie beim Ansatz der Wirtschaftsgüter existieren auch bei der Bewertung Ausnahmen von der Regelbewertung zum Steuerbilanz- oder Teilwert. Diese Ausnahmen von der Bewertungsidentität resultieren daraus, dass der Gesetzgeber für einige Güter spezielle Bewertungsmaßstäbe ansetzen will. Diese erachtet er als faire Werte, unabhängig davon, ob sie zum Betriebs- oder Privatvermögen gehören. So ist ein Betriebsgrundstück niemals mit dem Steuerbilanzwert anzusetzen, auch wenn es dem Betrieb zuzuordnen ist (50 %-Regel). Die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens im Sinne des § 99 BewG erfolgt daher immer nach den Vorschriften zur Bewertung von Grundvermögen (§§ 138 ff. BewG). Der nach den §§ 138 ff. BewG ermittelte Wert ist als Besitzposition in die Vermögensaufstellung aufzunehmen. Für die Bewertung an sich spielt es also keine Rolle, ob das Grundvermögen im Betriebs- oder Privatvermögen steht. Neben den Betriebsgrundstücken bestehen noch weitere Ausnahmen für die Bewertung von Wirtschaftgütern des Betriebsvermögens. So ist auch eine Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht mit ihrem Steuerbilanzwert anzusetzen, sondern mit dem bewertungsrechtlich bewerteten Anteil, den die Gesellschaft am Vermögen der Personengesellschaft hält. Hierzu ist der Wert der Personengesellschaft wie bei einem bilanzierenden Einzelunternehmen zu ermitteln und nach den Grundsätzen des § 97 Abs. 1a BewG der hiervon auf die beteiligte Gesellschaft entfallende Anteil festzustellen. Aktive Wirtschaftsgüter, für die eine separate Norm im ersten Teil des Bewertungsgesetzes existiert, sind mit den nach diesen Normen ermittelten Werten anzusetzen. Dazu zählt ferner z.B. eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Diese Bilanzposition ist nach der Norm § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 11 BewG mit dem Kurswert anzusetzen. Befindet sich im Betrieb ausländisches Sachvermögen, ist dieses abweichend vom Steuerbilanzwert anzusetzen (§ 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 BewG). Der Ansatz erfolgt immer zum gemeinen Wert (§ 9 BewG).

380

Bewertung von inländischem Vermögen

Ansatz mit Steuerbilanzwerten § 109 BewG Aktiva

Bilanz Anlagevermögen

Eigenkapital

Firmenwert

Kapital

§§ 138 ff. BewG

Grund und Boden

Rücklagen

(50:50 - Regel)

Gebäude

SoPo mit RL-Anteil

§ 31 BewG

Ausländ. Vermögen Beteiligungen

§ 97 BewG

- an PersGes

§ 11 BewG

- an KapGes

Maschinen

Passiva

Residuum = Wert des Betriebsvermögens

Fremdkapital Rückstellungen Pensionsverpflichtungen

§ 104 BewG

Verbindlichkeiten

§ 12 BewG

PRAP

Umlaufvermögen Vorräte § 12 BewG

Forderungen Bank ARAP

Abbildung 189: Durchbrechung der Bewertungsidentität

6.2.6.2.5

Bestandsidentität (Passivseite)

Zur Ermittlung des Wertes des Betriebsvermögens ist neben der Summe der Vermögensgegenstände (Aktiva) auch die Summe der Schulden und sonstigen Abzüge (Passiva) zu berechnen. Diese ergibt sich aus der Addition der Werte der Verbindlichkeiten und aller sonstigen abzugfähigen Passivposten. Nicht abzugsfähig und daher nicht in die Vermögensaufstellung zu übernehmen ist das Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Posten, wie z.B. der Sonderposten mit Rücklagenanteil (§ 103 Abs. 3 BewG). Diese Posten stellen den dem Eigentümer zustehenden Wert am Betrieb dar und sollen als Ergebnis aus der Vermögensaufstellung den Wert des Betriebsvermögens liefern. Grundvoraussetzung für den Ansatz der Schulden und sonstigen Abzugsposten in der Vermögensaufstellung ist erneut der Ansatz in einer Steuerbilanz oder die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen des 4-3-Rechners.

381

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen ergibt sich nach den Regelungen des Bilanzsteuerrechts. Rücklagen sind ebenso wie das Eigenkapital nicht abzugsfähig. Lediglich die Rücklage nach dem Entwicklungsländersteuergesetz vom 21.5.1979 ist abzugsfähig, da diese den Rücklagen im Sinne des § 103 Abs. 3 BewG entspricht und darin ausdrücklich als abzugsfähig deklariert ist. Nicht abzugsfähig bleiben die Rücklagen, die in der Steuerbilanz gewinnmindernd gebildet wurden wie beispielsweise die § 6b-Rücklage oder die Rücklage für Ersatzbeschaffung (R 35 EStR) (R 118 Abs. 2 ErbStR). Dieser Schritt des Gesetzgebers ist nicht unumstritten, da es sich bei diesen Rücklagen um einen „Wertberichtigungsposten“ zu einem Aktivposten handelt.105 Eine Anpassung dieser Steuerbilanzwerte wäre auf Basis der Bestands- und Bewertungsidentität nicht nachzuvollziehen. Erst mit der Auflösung der Rücklage und der Minderung des Steuerwerts des Ersatzwirtschaftsguts handelt es sich um Eigenkapital und wäre somit nicht mehr anzusetzen.

Beispiel

Die Wüsten OHG besitzt Vermögensgegenstände im Wert von 2.300.000 €. Ein Großteil der Aktiva ist fremd finanziert. So werden in der Steuerbilanz nur 350.000 € Eigenkapital, 70.000 € Gewinnrücklagen und eine § 6b-Rücklage in Höhe von 20.000 € aus der Veräußerung eines Betriebsgrundstücks ausgewiesen. Die verbleibenden 1.860.000 € sind Bankverbindlichkeiten.

Lösung

Merke: Grundsätzlich sind die Passivposten der Steuerbilanz in die Vermögensaufstellung aufzunehmen (Bestandsidentität). Ausgenommen ist hiervon Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Posten.

Die aktiven Vermögensgegenstände sind um Schulden zu kürzen. Das Eigenkapital darf dabei nicht berücksichtigt werden (Durchbrechung der Bestandsidentität). Es ergibt sich ein Firmenwert von: Vermögensgegenstände Bankverbindlichkeiten Wert des Betriebs

2.300.000 € ./. 1.860.000 € = 440.000 €

Gewinn- und § 6b-Rücklagen haben Eigenkapitalcharakter und sind nicht abzugsfähig. Der Wert des Betriebs entspricht daher dem Eigenkapital zuzüglich den Rücklagen.

105

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 1400.

382

6.2.6.2.6

Bewertung von inländischem Vermögen

Ausnahmen von der Bestandsidentität (Passivseite)

Die Bestandsidentität wird auch beim Ansatz der Schulden durchbrochen. Betriebliche Verbindlichkeiten sind grundsätzlich anzusetzen, wenn sie mit der Gesamtheit des Gewebebetriebs oder mit einzelnen betrieblichen Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Verpflichtung muss entstanden und darf noch nicht erloschen sein. Auf die Fälligkeit der Schuld ist nicht abgestellt, sondern sie ist bereits entstanden, wenn ernstlich damit zu rechnen ist, dass der Gläubiger die Erfüllung verlangt und die Schuld eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Durch § 98a Satz 2 BewG sind ebenfalls die auflösend und aufschiebend bedingten Verbindlichkeiten ansatzpflichtig (R 119 Abs. 1 ErbStR). Damit wird die Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Vermögensaufstellung unterstrichen bzw. fortgeführt. Aufgrund der ertragsteuerlichen Vorschriften ist beispielsweise die Bildung einer Garantierückstellung erlaubt. Diese tritt erst mit dem Garantiefall ein und gilt daher als aufschiebend bedingte Verbindlichkeit, die gem. § 6 BewG nicht zu berücksichtigen wäre. § 98a BewG ermöglicht es jedoch auch in diesen Fällen, die Bestandsidentität zu wahren. Merke: Die Vorschriften über aufschiebend und auflösende Bedingungen (§§ 4-8 BewG) sind bei der Ermittlung der Vermögensaufstellung außer Acht zu lassen. Es gelten die ertragssteuerlichen Ansatzregeln. Schulden, die nicht mit einem aktivierten Wirtschaftsgut in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, bleiben außer Ansatz. Derartige Schulden sind als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 ErbStG abzuziehen. Am häufigsten kommen derartige Schulden bei Betriebsgrundstücken vor. Ist ein Betriebsgrundstück aufgrund der 50 %Regel als Privatvermögen zu klassifizieren, dürfen die damit in Verbindung stehenden Schulden nicht in die Vermögensaufstellung aufgenommen werden. Bei Mitunternehmerschaften sind all diejenigen Schulden ansetzbar, die sowohl im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Gesamthandsvermögen als auch mit dem Sonderbetriebsvermögen stehen. Besonders bedeutsam ist der Ansatz von Schulden in Verbindung mit Betriebsgrundstücken. Gehört ein Grundstück zum Betriebsvermögen, so sind Schulden in derjenigen Höhe, in der sie bei der steuerlichen Gewinnermittlung berücksichtigt sind, abzugsfähig. Ein Grundstück, das zu 100 % betrieblich genutzt wird, dem Gesellschafter gehört und vollständig fremdfinanziert ist, ist als Betriebsgrundstück ansatzfähig. Das hiermit in Verbindung stehende Darlehen ist voll abzugsfähig. Im Gegensatz dazu ist ein Grundstück, das lediglich zu 70 % betrieblich genutzt wird, zwar voll als Betriebsgrundstück anzusetzen, aber es dürfen nur 70 % der Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Betriebsvermögenswertes berücksichtigt werden. Die verbleibenden 30 % sind ertragsteuerlich nicht ansatzfähig und im Erbfall als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

383

Für Pensionsverpflichtungen gilt neben den allgemeinen Grundsätzen für Verbindlichkeiten zusätzlich die Vorschrift des § 104 BewG. Diese bestimmt als weitere Vorraussetzung, dass eine rechtsverbindliche Zusage für die Pensionsrückstellung bestehen muss, bevor diese angesetzt wird.

6.2.6.2.7

Bewertungsidentität (Passivseite)

Der Wertansatz für die Verbindlichkeiten und die sonstigen abzugsfähigen Passivposten ist bei den Gewinnermittlern durch Betriebsvermögensvergleich ebenfalls aus den Bilanzen zu übernehmen (§ 109 BewG). Hier ist unter Beachtung des Höchstwertprinzips grundsätzlich der Rückzahlungsbetrag der Verbindlichkeiten ausgewiesen, welcher in den meisten Fällen dem Nennwert entspricht. Bei nicht bilanzierenden Freiberuflern oder kleinen Gewerbetreibenden sind die Verbindlichkeiten und sonstigen Posten mit dem Teilwert anzusetzen.

6.2.6.2.8

Ausnahmen von der Bewertungsidentität (Passivseite)

Im ersten Teil des Bewertungsgesetzes existieren abweichende Bewertungsvorschriften, die Vorrang vor dem Bewertungsgrundsatz haben. Für Verbindlichkeiten in Geld ergibt sich der Wert aus § 12 BewG. Der Ansatz erfolgt daher zum Nennwert, wiederkehrende Leistungen sind anhand der Vorschriften §§ 13 bis 16 BewG mit ihrem Kapitalwert zu bewerten. Besteht eine Verpflichtung zu einer Sachleistung, ist diese mit dem Teilwert des Gegenstandes anzusetzen. Der Wert von Pensionsverpflichtungen ist anhand des § 104 BewG zu ermitteln. Die Einlage eines typisch stillen Gesellschafters ist als Betriebsverbindlichkeit abzugsfähig. Sie wird grundsätzlich mit dem Nennwert bewertet. Liegt der Ertrag aus der Beteiligung über 9 % oder unter 3 % und wird eine Kündigung innerhalb von fünf Jahren ausgeschlossen, so ist der Wert im Sinne des § 12 Abs. 1 BewG zu korrigieren. Liegt der Durchschnittsertrag über 9 %, ist der Nennwert der Vermögenseinlage um den fünffachen Unterschiedsbetrag zwischen dem Durchschnittsertrag und der Verzinsung von 9 % zu erhöhen. Bei einem Durchschnittsertrag unter 3 % der Vermögenseinlage ist der Nennwert um den fünffachen Unterschiedbetrag zwischen 3 % und dem tatsächlichen Durchschnittsertrag zu mindern. Der Durchschnittsertrag ist möglichst aus den Gewinnanteilen der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt endenden Jahre herzuleiten (R 112 ErbStR).

6.2.6.3 Wert des Betriebsvermögen Der Wert des Betriebsvermögens ergibt sich aus der Vermögensaufstellung. Hier wird die Differenz aus der Summe der betrieblichen Vermögensgegenstände und der Summe der betrieblichen Schulden und abzugsfähigen Verbindlichkeiten gebildet. Mit diesem Saldo ist der Betrieb beim Übergang durch Erbfall oder Schenkung anzusetzen.

384

Bewertung von inländischem Vermögen

Beispiel

Das Einzelunternehmen Green Mile verfügt über einen Maschinenpark zur Herstellung von Rennautos, die in der Bilanz mit 189.000 € angesetzt sind. Hierzu kommen halbfertige Autos im Wert von 75.000 €. Auf dem betrieblichen Bankkonto befinden sich 14.000 €. Zur Finanzierung der Maschinen hat Green Mile ein Darlehen in Höhe von 50.000 € aufgenommen.

Lösung

Bei der Bewertung des Einzelunternehmens Green Mile sind die betrieblichen Vermögensgegenstände, die in der Steuerbilanz der Gesellschaft aufgeführt sind in die Vermögensaufstellung zu übernehmen. Der Wertansatz erfolgt nach den ertragsteuerlichen Vorschriften. Vermögensaufstellung: Maschinen Halbfertige Autos Bank Darlehen Wert der Green Mile

189.000 € + 75.000 € + 14.000 € ./. 50.000 € = 228.000 €

6.2.6.4 Besonderheit bei Mitunternehmerschaften Bei einer Mitunternehmerschaft ist die Besonderheit zu beachten, dass einzelne Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, im Eigentum von einzelnen Gesellschaftern stehen können (Sonderbetriebsvermögen). In diesem Fall regelt § 97 Abs. 1a BewG, dass die Wirtschaftsgüter aus der Sonderbilanz in die Vermögensaufstellung aufzunehmen sind.

385

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Bilanz

Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen

Passiva Kapital A Kapital B Fremdkapital

+ Sonderbilanz

Aktiva

Betriebsgrundstück

Passiva Sonderkapital A

Vermögensaufstellung

+ + ./.

Anlagevermögen Umlaufvermögen Betriebsgrundstück (SBV) Fremdkapital

=

Wert der Mitunternehmerschaft

Abbildung 190: Wert der Mitunternehmerschaften Der Wert der Mitunternehmerschaft ist auf die einzelnen Gesellschafter aufzuteilen. Richtigerweise hat daher eine Aufteilung des Vermögens in der Weise zu erfolgen, dass Vermögen, das nur einem oder einzelnen Mitunternehmern zivilrechtlich gehört, nur deren Betriebsvermögen zugeordnet wird. Das Vermögen des einzelnen Mitunternehmers darf somit nicht den Wert der Mitunternehmeranteile der anderen erhöhen. Dies wird dadurch sichergestellt, dass dem Gesellschafter sein Sonderbetriebsvermögen vorab mit dem Wert, mit dem es in dem Betriebsvermögen enthalten ist, zugerechnet wird. Hierzu zählen sowohl Schulden, wenn sie auf Grund eines wirtschaftlichen Zusammenhangs mit einem Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens stehen und abzugsfähig sind, als auch Forderungen, die ein Gesellschafter gegen die Gesamthand besitzt. Als nächstes sind die Kapitalkonten aus der Gesamthandsbilanz, nicht aber die aus der Sonderbilanz, dem jeweiligen Gesellschafter anzurechnen. Ein verbleibender Restwert ist den Gesellschaftern analog des Gewinnverteilungsschlüssels zuzurechnen. Das Ergebnis ist der Wert des Anteils eines jeden Gesellschafters am Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft.

386

Bewertung von inländischem Vermögen

Mitunternehmer A Betriebsgrundstück (SBV) + Kapital A

+ Anteil am Restwert = Betriebsvermögen A

Wert der Mitunternehmerschaft

Mitunternehmer B

./. Betriebsgrundstück (SBV) ./. Kapital A ./. Kapital B

+ Kapital B

= Restwert

+ Anteil am Restwert

Aufteilung nach der maßgebenden Gewinnverteilung

= Betriebsvermögen B

Beispiel

Abbildung 191: Aufteilung des Unternehmenswerts auf die Mitunternehmer Die Geschwister Pam Martha und Bernie Focker betreiben gemeinsam ein kleines Restaurant in der Form einer OHG. Bernie gehört die Restauranteinrichtung, welche er an die OHG vermietet. Das Gebäude, in dem sich das Restaurant befindet, gehört der Gesamthand. Es ist vollständig eigenbetrieblich genutzt. Aktiva Grund und Boden Gebäude Vorräte Bank Aktiva Einrichtung

Gesamthandsbilanz 50.000 € Kapital Pam 100.000 € Kapital Bernie 54.000 € Fremdkapital 32.000 € Sonderbilanz Bernie 23.000 € Sonderkapital Bernie Fremdkapital

Passiva 132.000 € 65.000 € 39.000 €

Passiva 13.000 € 10.000 €

Der Wert nach § 146 BewG für das bebaute Grundstück beträgt 180.000 €. Vom Gewinn der OHG erhält Pam 60 % und Bernie die verbleibenden 40 %.

387

Lösung

Ermittlung des gesamten Vermögensanfalls

Zur Ermittlung des Gesamtwerts des Betriebsvermögens sind die Wertansätze aus den Bilanzen der OHG zu übernehmen. Der Wertansatz des Betriebsgebäudes erfolgt jedoch nach den speziellen Vorschriften zur Bewertung von Grundvermögen (§§ 138 ff. BewG). Daher sind Grund und Boden und Gebäude mit zusammen 180.000 € anzusetzen. Gebäude Vorräte Bank Fremdkapital Einrichtung (SBV) Darlehen (SBV) Gesamtwert der OHG

180.000 € + 54.000 € + 32.000 € ./. 39.000 € + 23.000 € ./. 10.000 € = 240.000 €

Ausgehend vom Gesamtwert der OHG ist beiden Gesellschaftern ihr Anteil am Unternehmen zuzuweisen. Der Wert der Anteile der Mitunternehmer entspricht somit am Ende wieder dem Gesamtwert der Mitunternehmerschaft. Pam

+ 132.000 € + 18.000 € = 150.000 €

Å

./. + ./. ./. =

Gesamtwert der OHG Vorwegzurechnung Vorwegabzug Kapital Pam Kapital Bernie Restbetrag (60:40) Anteil am Wert der OHG

240.000 € 23.000 € 10.000 € 132.000 € 65.000 € 30.000 €

Bernie + 23.000 € ./. 10.000 €

Æ

+ 65.000 € + 12.000 € = 90.000 €

6.3 Bewertung von ausländischem Vermögen Die bisher vorgestellten Bewertungsverfahren beziehen sich lediglich auf Vermögen, welches im Inland gelegen ist. Die Bewertung ausländischen Vermögens erfolgt gem. § 12 Abs. 6 ErbStG nach § 31 BewG. Hier findet sich ein Verweis auf die allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes. Demnach sind alle Güter, die sich im Ausland befinden und durch Nachlass oder Schenkung übergehen, insbesondere mit dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) anzusetzen. Bisher dargestellte Ausnahmen wie beispielsweise die Wertermittlung für Grundvermögen sind unbeachtlich. Merke: Die Bewertung von ausländischem Vermögen erfolgt generell zum gemeinen Wert (§ 9 BewG).

388

Nachlassverbindlichkeiten

7 Ermittlung der Bereicherung Zur Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers werden vom Vermögensanfall bestimmte Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abgezogen. Dies gilt gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG jedoch nur für Fälle des § 3 ErbStG. Dieser regelt die Erwerbe von Todes wegen. Verbindlichkeiten, die in Zusammenhang mit schenkungsteuerlichen Sachverhalten stehen, sind nicht unter die § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG zu subsumieren. Nachfolgende Abbildung stellt das Ermittlungsschema der Bereicherung des Erwerbers in erbschaftsteuerlichen Fällen nochmals dar.

+ Vermögen grds. gemeiner Wert + Kapitalforderungen und Schulden + Wiederkehrende Nutzungen und Leistungen + Inländischer Grundbesitz und Betriebsgrundstücke + Betriebsvermögen + Anteile an nichtnotierten Kapitalgesellschaften + Wertpapiere und Anteile + Ausländisches Vermögen

Æ § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG Æ § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 BewG Æ § 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. §§ 13 ff. BewG Æ § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG Æ § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 95 ff. BewG Æ § 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG Æ § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 11 BewG Æ § 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 9 BewG

./. Sachliche Freibeträge §§ 13, 13a ErbStG = Vermögensanfall ./. Abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG Erwerb von Todes wegen

Erblasserschulden Erbfallschulden Erbanfallkosten

= Bereicherung des Erwerbers

Abbildung 192: Ermittlungsschema der Bereicherung

7.1 Nachlassverbindlichkeiten Als Besteuerungsgrundlage dient die Bereicherung des einzelnen Erwerbers. Diese ergibt sich durch den Abzug der auf den Erwerber übergegangenen Verbindlichkeiten vom Vermögensanfall (§ 10 Abs. 1 ErbStG). Ebenfalls als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig sind Kosten, die durch die Schenkung oder den Erwerb von Todes wegen erst entstehen. Kosten, die mit der späteren Verwaltung des Nachlasses oder der Schenkung in Zusammenhang

Ermittlung der Bereicherung

389

Beispiel

Count Dooku lässt sein Vermögen von einem privaten Anlageberater verwalten. Dies kostet ihn 1.000 € pro Monat, die er jeweils zum Quartalsende zahlt. Das Finanzamt erkennt diese Kosten als Werbungskosten (§ 9 EStG) an. Dooku stirbt überraschend am 31.03., bevor er die Beratungskosten überweisen konnte. Er vererbt das Vermögen seinen Kindern. Diese lassen das Vermögen bis zur Erbauseinandersetzung am 31.06. von dem Berater weiter verwalten.

Lösung

stehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten. Solche Kosten sind eventuell als Werbungskosten der jeweiligen Einkünfte bei den einzelnen Miterben abzugsfähig (§ 9 EStG).

Die Kosten für die Anlageberatung für das erste Quartal sind als Werbungskosten in der Steuererklärung von Dooku ansetzbar. Da die Erben diese Schuld übernehmen, können sie diese bei der Ermittlung der Bereicherung vom Vermögensanfall abziehen. Die Kosten für das zweite Quartal sind im Rahmen der Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Jedoch stellen diese wiederum Werbungskosten bei den Einkünften aus dem Vermögen dar und lassen sich in der Steuererklärung der Erben ansetzen.

Aufschiebend bedingte Verpflichtungen, d.h. die tatsächliche Leistungsverpflichtung der Erben tritt erst durch ein weiteres Ereignis in einem späteren Zeitpunkt ein, sind nicht als Nachlassschuld abzugsfähig. Das Bewertungsgesetz ist durch den Verweis des § 12 ErbStG ebenfalls für die Bewertung der Nachlassverbindlichkeiten anzuwenden. Für Schulden ist dabei der Ansatz zum Nennwert maßgebend (§ 12 BewG). Merke: Nachlassverbindlichkeiten werden ebenfalls nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes bewertet. Meist erfolgt der Ansatz zum Nennwert (§ 12 BewG).

7.2 Nachlassverbindlichkeiten im Erbfall Als Belastung durch den Erbfall sind verschiedene Nachlassverbindlichkeiten vom Wert des Vermögensanfalls abzuziehen. Die Regelungen hierzu finden sich in § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG. Zu berücksichtigen sind gemäß: x Abs. 3: Besteht zwischen dem Erblasser und einem Erben eine Verbindlichkeit in der Weise, dass der Erblasser dem Erben schuldet und diese durch den Vermögensanfall getilgt würde, d.h. nach dem Zivilrecht untergegangen ist, gilt das Rechtsverhältnis steuerlich als nicht erloschen. Die Forderung des Erben wirkt daher steuermindernd, weil sie als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann. Im Gegenzug wird eine Forderung

390

Nachlassverbindlichkeiten im Erbfall

des Erblassers gegen den Erben in den Vermögensanfall aufgenommen, weil der Erbe durch den Wegfall der Zahlungsverpflichtung bereichert ist. x Abs. 4: Vom Erblasser angeordnete Beschränkungen stellen keine Nachlassverbindlichkeiten dar. So kann beispielsweise eine Nacherbschaft den Wert der Erbschaft nicht verringern, obwohl der Erbe dadurch erheblich in seiner Verfügungsfreiheit eingeschränkt ist. x Abs. 5: Die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten des § 10 Abs. 5 ErbStG untergliedern sich in drei Gruppen. Um abzugsfähig zu sein, muss eine Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Last für den Erben darstellt. Es wird verlangt, dass der Erbe auch tatsächlich eine Leistung zugunsten des Gläubigers erbringt, die seine Bereicherung einschränkt. Diese Leistungspflicht muss durch den Erblasser begründet sein und am Bewertungsstichtag bereits bestanden haben. -

Nr. 1: Erblasserschulden Die Erblasserschulden sind Verbindlichkeiten, die zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind und von ihm herrühren (§ 1967 Abs. 2 BGB). Hierzu zählen alle Verbindlichkeiten, die nicht mit dem Tod des Erblassers erloschen sind. Es handelt sich dabei um persönliche Verpflichtungen und um die Verpflichtungen, die auf dem Vermögen des Erblassers lasten (z.B. Grundschulden). Ein überzogenes Konto, das auszugleichen ist, oder eine noch nicht gezahlte Arztrechnung sind Beispiele für Erblasserschulden. Nicht noch einmal sind die betrieblichen Schulden zu berücksichtigen, die bereits bei der Ermittlung des Betriebsvermögenswerts in die Vermögensaufstellung aufgenommen wurden.

-

Nr. 2: Erbfallschulden Bei den Erbfallschulden handelt es sich hauptsächlich um testamentarische Vorgaben des Erblassers. Die Bereicherung des Erben wird durch Vermächtnisse, Auflagen und Pflichtteile gemindert. Folglich dürfen diese von dem Vermögensanfall abgezogen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Erbe dadurch tatsächlich wirtschaftlich belastet wird, wenn z.B. der Pflichtteil geltend gemacht wird. Die in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG erwähnten Erbersatzansprüche sind seit 1998 hinfällig. Durch die Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern besitzen Kinder generell einen Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteil besteht gegen die Erben und ist auf eine Geldzahlung gerichtet. Der Wert entspricht daher dem Nennwert der Schuld (§ 12 BewG). Dies gilt auch, falls der Pflichtteilsberechtigte zur Begleichung der Schuld einzelne Gegenstände aus dem Nachlass erhält.

Ermittlung der Bereicherung

391

Ein Vermächtnis ist allerdings nicht auf eine Zahlung in Geld beschränkt. Es können vom Erblasser an den Vermächtnisnehmer auch Gegenstände vermacht werden. Der Wert des Vermächtnisses richtet sich in diesem Fall nach dem Wert des vermachten Gegenstandes. So entspricht die Höhe der abzugsfähigen Verbindlichkeit i.d.R. dem vom Vermächtnisnehmer zu versteuernden Wert. Dies gilt auch, falls das Vermächtnis beim Vermächtnisnehmer steuerfrei ist. -

Nr. 3: Erbanfallkosten Die mit dem Tod und der Beisetzung des Erblassers in Verbindung stehenden Kosten sind unter den Erbanfallkosten zusammengefasst und ebenfalls abzugsfähig. Diese beinhalten die Kosten, die für die Bestattung, ein Grabdenkmal und die Grabpflege anfallen. Es wird jedoch verlangt, dass die Kosten hierfür eine angemessene Höhe nicht überschreiten. Zur Entscheidung über die Angemessenheit werden Kriterien wie die Lebensstellung des Erblassers in der Familie und der Gesellschaft und unter Umständen die Höhe des Nachlasses nicht herangezogen.106 Die Ermittlung der Grabpflegekosten erfolgt zur Vereinfachung mit dem Vervielfältiger für eine Leistung mit unbestimmter Dauer. Der abzugsfähige Wert entspricht dem Kapitalwert, welcher dem 9,3fachen der jährlichen Pflegekosten entspricht (§ 13 Abs. 2 Alt. 2 BewG). Zu den Erbanfallkosten gehören auch alle Kosten, die mit der Abwicklung und Aufteilung des Nachlasses stehen. Unter diese fallen all jene Kosten, die dazu notwendig sind, den Erben in den Besitz der Wirtschaftsgüter zu bringen.107 Dieser Begriff ist sehr weit gefasst, und es können beispielsweise alle Notar- und Grundbuchkosten zur Umschreibung der Grundstücke aber auch Reisekosten sowie Kosten für Sachverständigengutachten angesetzt werden. Nicht abzugsfähig sind jedoch Kosten, die bei der Verwaltung des Nachlasses anfallen oder der reine Vermögensverlust, der zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung eingetreten ist (z.B. Verluste aus Aktien). Zur Vereinfachung erlaubt das Gesetz einen pauschalen Abzug der Bestattungskosten in Höhe von 10.300 €. Dieser kann ohne Nachweise abgezogen werden. Wird der Pauschbetrag angesetzt, sind einzelne Kosten daneben nicht mehr selbständig zu berücksichtigen. Der Pauschbetrag bezieht sich auf den gesamten Vermögensanfall. Er kann demzufolge nur einmal in Anspruch genommen werden (R 30 Abs. 1 und 3 ErbStR) und nicht von jedem Erwerber separat.

106

Vgl. H 29 ErbStH „Kosten der üblichen Grabpflege“.

107

Vgl. BFH v. 11.01.1961, II-155/59-U, BStBl. III 1961, S. 102.

392

Verbindlichkeiten bei der Schenkung

x Abs. 6: Schulden und Lasten sind nur insoweit abzugsfähig, als sie mit besteuerten Vermögensgegenständen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere von Interesse, wenn die Schulden mit ganz oder teilweise befreiten Vermögensgegenständen (z.B. sachliche Freibeträge nach § 13 Abs. 1 ErbStG) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Bei einer derartigen Konstellation ist lediglich der Betrag abzugsfähig, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind hiervon jedoch ausgenommen und in vollem Umfang abzugsfähig. x Abs. 8: Die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer ist nicht abzugsfähig. x Abs. 9: Eine Auflage, die dem Beschwerten unmittelbar selbst zu Gute kommt, ist nicht abzugsfähig. Diese Regelung stellt eine Ausnahme von der Abzugsfähigkeit von Auflagen gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG dar. Nach dieser Regelung wäre die Auflage zuerst als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, müsste aber vom Begünstigten versteuert werden. Durch die Identität von Beschwertem und Begünstigtem wäre dieses Vorgehen jedoch nicht sinnvoll.

7.3 Verbindlichkeiten bei der Schenkung Die Verbindlichkeiten, die der Empfänger einer Schenkung übernimmt oder eine vereinbarte Gegenleistung, die der Beschenkte zum Erhalt der Schenkung zu tragen hat, sind abweichend vom ursprünglichen Ermittlungsschema zu behandeln. Beim Erwerb von Todes wegen sind zur Berechnung der Bereicherung vom Vermögensanfall die Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen (§ 10 Abs. 5 ErbStG). Eine Schenkung hingegen liegt nur vor, wenn der Verkehrswert der Leistung den Verkehrswert der Gegenleistung übersteigt. Im Umfang der Differenz ist der Beschenkte bereichert. Dieser Teil des Vermögens geht demnach unentgeltlich auf ihn über, den verbleibenden Teil hat er entgeltlich erworben. Entgeltliche Erwerbe unterliegen nicht der Erbschaft- oder Schenkungsteuer. Verkehrswerte der Leistung ./. Verkehrswerte der Gegenleistung = unentgeltliche Bereicherung

Abbildung 193: Bereicherungsschema des § 7 ErbStG

393

Ermittlung der Bereicherung

Das Bereicherungsschema des § 7 ErbStG ist allerdings nicht durchgängig anzuwenden. Es gilt nur im Rahmen der sogenannten gemischten Schenkung oder einer Schenkung unter Leistungsauflage. Die Schenkung unter Duldungsauflage ist analog dem Berechnungsschema für Erwerbe von Todes wegen zu lösen.

Verbindlichkeiten im Rahmen einer Schenkung

Gemischte Schenkung

Schenkung unter Leistungsauflage

Schenkung unter Duldungsauflage

Bereicherungsschema des § 7 ErbStG

Bereicherungsschema des § 10 Abs. 1 ErbStG

Anteilige Berücksichtigung der Gegenleistung auf Ebene der Bereicherung

Vollständiger Abzug der Auflage als Nachlassverbindlichkeit

§ 25 ErbStG nicht anwendbar

§ 25 ErbStG anwendbar

Abbildung 194: Arten von Schenkungen mit Gegenleistung § 25 ErbStG ist eine Vorschrift, die den Abzug bestimmter Nachlassverbindlichkeiten einschränkt, um Steuerumgehung zu vermeiden. Diese Vorschrift ist jedoch nicht immer anzuwenden. Bei der gemischten Schenkung oder der Schenkung unter Leistungsauflage ist § 25 ErbStG nicht zu berücksichtigen. Hier erfolgt die Aufspaltung der Schenkung in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil, wenn der Empfänger der Schenkung für deren Erhalt tatsächlich eine Gegenleistung erbracht hat. Eine Umgehung der Steuer, indem dem Schenker oder dessen Ehegatten ein Nutzungsrecht zugebilligt wird, welches bei der Ermittlung der Schenkungssteuer abzugsfähig ist, aber niemals in Anspruch genommen wird, besteht nur bei der Schenkung unter Duldungsauflage. Sind im Falle einer Schenkung unter Duldungsauflage die zusätzlichen Vorraussetzungen des § 25 ErbStG erfüllt, ist der Abzug der Duldungsauflage als Nachlassverbindlichkeit untersagt. Die auf die Duldungsauflage entfallende Steuer wird lediglich gestundet.108

108

Vgl. Kapital III 8.6.2.

394

Verbindlichkeiten bei der Schenkung

7.3.1 Gemischte Schenkung Die gemischte Schenkung stellt einen teilentgeltlichen Erwerb von Vermögen dar. Der Beschenkte erbringt hierbei eine Gegenleistung, um die Schenkung zu erhalten, die ihm eine tatsächliche Vermögensmehrung beschert. Somit wird ihm ein Teil des Vermögens entgeltlich und getrennt davon der die Gegenleistung übersteigende Teil unentgeltlich zugewendet (sog. Trennungstheorie). Die Ermittlung der Bereicherung, also die Ermittlung des unentgeltlichen Teils der Zuwendung erfolgt durch Vergleich der Schenkung und der Gegenleistung zu Verkehrswerten (§ 9 BewG). Die meist niedrigeren Steuerwerte sind zur Ermittlung der Bereicherung nicht zu beachten. Das Wertermittlungsschema des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für Erwerbe von Todes wegen gilt dennoch nicht, vielmehr wird die Bereicherung mittels der Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG festgestellt. Obwohl die Ermittlung der Bereicherung anhand der Verkehrswerte erfolgt, wird die Schenkungssteuer unverändert auf Basis der Steuerwerte der Schenkungsgegenstände festgesetzt. Um eine Besteuerung im Umfang der Bereicherung sicherzustellen, ist daher eine Modifikation des Steuerwertes notwendig. Der Steuerwert ist im Verhältnis des Verkehrswertes der Bereicherung zu dem Verkehrswert des gesamten Vermögensanfalles anzupassen.109 So wird der Wert des unentgeltlichen Anteils, der auf Basis der gemeinen Werte ermittelt wurde, proportional auf den Steuerwert übertragen. Der für gewöhnlich niedrigere Steuerwert ist proportional im Umfang des entgeltlichen Teils gekürzt.

Beispiel

Ein Abzug des Verkehrswertes der Gegenleistung vom Steuerwert des zugewandten Vermögens als Verbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 ErbStG) ist also nicht zulässig. Der anzusetzende Steuerwert der freigebigen Zuwendung einer gemischten Schenkung muss sich analog der beschriebenen Anpassung ergeben, soll nicht der in der Regel verhältnismäßig niedrige Steuerwert der Bereicherung mit dem verhältnismäßig hohem Verkehrswert der Gegenleistung fälschlicherweise verrechnet werden.

109

Prinzessin Fiona bekommt von ihrem Freund Professor G.H. Dorr ein Haus geschenkt. Der Verkehrswert (VKW) des Gebäudes liegt bei 300.000 €, der Steuerwert nach § 146 BewG bei 100.000 €. Fiona hat ihrem Freund jedoch 100.000 € für das Haus zu zahlen.

Vgl. R 17 ErbStR.

395

Lösung

Ermittlung der Bereicherung

Bei einer Ermittlung der Bereicherung auf Basis des Steuerwerts läge keine Bereicherung vor (Steuerwert ./. Gegenleistung = 100.000 € ./. 100.000 € = 0). Dies wäre allerdings nicht sachgerecht, da Fiona eindeutig bereichert ist. Somit muss die Bereicherung im Falle einer gemischten Schenkung mittels der Verkehrswerte bestimmt werden. Es liegt somit eine Bereicherung in Höhe von 200.000 € vor (VKW Vermögen ./. VKW Gegenleistung = 300.000 € ./. 100.000 €). Es ist nun das Verhältnis der Bereicherung zum Gesamtverkehrswert der Schenkung auf den Steuerwert der Schenkung zu übertragen, da aufgrund des Steuerwerts die Steuer festgelegt wird.

Aufteilung des Verkehrswertes (1/3)

Entgeltlicher Teil (1/3)

Gegenleistung

Verkehrswert der Leistung

(2/3) Steuerwert

Unentgeltlicher BereicheTeil rung (2/3) Steuerwert der Leistung

Entgeltlicher Teil

(1/3)

Unentgeltlicher Teil

(2/3)

Lösung

Abbildung 195: Anpassung der steuerfreien Ausgleichsforderung Fiona zahlt 100.000 € für ein Gebäude, das 300.000 € wert ist. Sie erwirbt somit 1/3 des Gebäudes entgeltlich. Der für die Schenkungsteuer relevante unentgeltliche Anteil beträgt somit 2/3. Dieser Wert ist auf den Steuerwert der Schenkung von 100.000 € zu übertragen, so dass sich eine schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage von 66.667 € ergibt.

Die Anpassung des Steuerwerts erfolgt nach der Formel in R 17 Abs. 2 ErbStR, die hier noch mal ausführlich dargestellt und erläutert werden soll:

396

Verbindlichkeiten bei der Schenkung

Steuerwert freigebiger Zuwendung =

Steuerwert der Leistung des Schenkers

x

Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten

Verkehrswert der Leistung des Schenkers

Diese komplexe anmutende Formel ist leicht herleitbar, wenn Sinn und Zweck der Regelung verstanden sind. Wenn z.B. ein Wirtschaftsgut mit Steuerwert 200.000 € und Verkehrswert 600.000 € geschenkt wird, kann die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage maximal 200.000 € sein. Wird nun eine Gegenleistung in Höhe von 100.000 € gezahlt, erfolgt somit ein entgeltlicher Erwerb i.H.v. 1/6. Folglich gehen lediglich 5/6 unentgeltlich über. Es ergibt sich somit eine Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer i.H.v. Steuerwert freigebiger Zuwendung = 200.000 € x

5 = 166.667 € 6

Der Steuerwert der freigebigen Zuwendung beinhaltet nunmehr nur den unentgeltlich übergegangenen Teil des Wirtschaftsguts. Wie diese Anpassung des Steuerwerts zu erfolgen hat, wird durch eine leicht abgewandelte Darstellung obiger Formel deutlich. Diese Variante findet sich häufig in der Literatur und soll noch mal verdeutlichen, dass der Steuerwert der Leistung im Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung zum Verkehrswert der gesamten Leistung des Schenkers anzupassen ist.

Steuerwert freigebiger Zuwendung = Steuerwert der Leistung x

Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten Verkehrswert der Leistung des Schenkers

Durch das Einsetzen der Werte des obigen Beispiels in diese Formel ergibt sich folgendes Bild: Steuerwert 500.000 € 5 = 200.000 € x = 166.667 € freigebiger = 200.000 € x 600.000 € 6 Zuwendung In die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage gehen nur 166.667 € ein. Der steuerliche Wert der Zuwendung (= 200.000 €) hat sich also aufgrund der Gegenleistung (= 100.000 €) nur um den entgeltlichen Teil in Höhe von 33.333 € (= 100.000 € / 600.000 € x 200.000 €) gesenkt.

397

Beispiel

Ermittlung der Bereicherung

Natalie Cook bekommt von ihrem Vater William Rose-Cook ein Haus geschenkt, welches einen Verkehrswert von 1 Mio. € (Steuerwert 500.000 €) besitzt. Als Gegenleistung verlangt William, dass Natalie, die Grundschuld, die auf dem Grundstück lastet, übernimmt. Deren Wert beträgt 0 € (200.000 €, 500.000 €, 800.000 €, 1.000.000 €). Verkehrswert Steuerwert Gegenleistung (VKW) Bereicherung Faktor

Lösung

Steuerliche BMG

1.000.000 500.000 0

200.000

500.000

800.000

1.000.000

1.000.000

800.000

500.000

200.000

0

1:1

8:10

5:10

2:10

0:10

500.000

400.000

250.000

100.000

0

Natalie´s Bereicherung ist anhand der Verkehrswerte des Schenkungsgegenstandes und der Gegenleistung festzustellen (Bereicherung = VKW Schenkungsgegenstand ./. VKW Gegenleistung). Das Verhältnis der unentgeltlichen Bereicherung zum Gesamtwert der Schenkung ist auf den Steuerwert zu übertragen (Faktor = Bereicherung (VKW) / Gesamtwert der Schenkung (VKW)). Die steuerliche Bemessungsgrundlage ergibt sich aus der Multiplikation des Steuerwerts mit dem maßgebenden Anpassungsfaktor.

Dieses Berechnungsschema für eine gemischte Schenkung hat zur Folge, dass es nicht mehr ausreicht, lediglich den Steuerwert einer Zuwendung festzustellen. Der unentgeltliche Teil des Steuerwertes kann nur anhand der Gegenüberstellung der Verkehrswerte der Zuwendung und der Gegenleistung erfolgen. In der Praxis bedeutet das, dass die Verkehrswerte ebenfalls ermittelt werden müssen.110

7.3.2 Schenkung unter Leistungsauflage Ist eine Schenkung verknüpft mit der Verpflichtung, eine bestimmte Leistung an eine dritte Person oder den Schenker selbst zu erbringen, handelt es sich um eine Schenkung unter Leistungsauflage. Als Bereicherung gilt hier der Unterschied zwischen dem Verkehrswert des zugewendeten Vermögens und dem Verkehrswert der vom Beschenkten übernommenen Auflage. Dieser Tatbestand wird im Erbschaftsteuerrecht analog der gemischten Schenkung behandelt. Steuerlich gesehen ist es für den Bereicherten somit ohne Relevanz, ob er eine Gegenleistung an den Schenker oder ob er eine Leistung an eine dritte Person (z.B. seine Schwester) erbringen muss. Es ist somit ebenfalls nur der unentgeltliche Teil des 110

Vgl. Viskorf, H.-U./ Glier, J./ Hübner, H./ Knobel, W./ Schuck, S., Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne/Berlin 2004, S. 305.

398

Verbindlichkeiten bei der Schenkung

Steuerwertes anzusetzen. Die Anpassung des Steuerwerts erfolgt ebenfalls nach R 17 Abs. 2 ErbStR Merke: In den Fällen der gemischten Schenkung und der Schenkung unter Leistungsauflage erfährt die vom Schenker erbrachte Gegenleistung nur eine verhältnismäßige Berücksichtigung. Die Anpassung spielt sich auf der Ebene der Bereicherung ab. Bei der Schenkung unter Leistungsauflage ist § 25 ErbStG unbeachtlich. Der komplette Wert der Leistungsauflage hat bei der Anpassung des Steuerwerts einzugehen.

7.3.3 Schenkung unter Nutzungs- und Duldungsauflage Während bei einer gemischten Schenkung und einer Schenkung unter Leistungsauflage eine Anpassung der Bereicherung gem. § 7 ErbStG vorzunehmen ist, gilt dies für Schenkungen unter Nutzungs- und Duldungsauflage nicht. Bei einer Nutzungs- oder Duldungsauflage handelt es sich nicht um einen aktiv zu leistenden Beitrag des Beschenkten, sondern lediglich um bestimmte Einschränkungen im Zusammenhang mit dem zugewendeten Wirtschaftsgut bzw. dessen Erträgen. Macht beispielsweise der Schenker dem Begünstigten die Auflage, ihm die Hälfte der Erträge aus dem geschenkten Wirtschaftsgut als Versorgungszahlungen zu überlassen, sieht der Gesetzgeber keine Gegenleistung, die notwendig für die Ausführung der Schenkung ist. Die Bereicherung ergibt sich nach R 17 Abs. 3 ErbStR daher aus dem Vermögensanfall abzüglich des Kapitalwertes der Nutzungs- oder Duldungsauflage (nach §§ 13 bis 16 BewG). Die Auflage kann also in vollem Umfang von der steuerlichen Bemessungsgrundlage einer Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Somit entfällt keine Steuer auf den Wert der Auflage. Merke: Bei Nutzungs- oder Duldungsauflagen erfolgt im Gegensatz zur gemischten Schenkung oder der Schenkung unter Leistungsauflage die Erbringung der Gegenleistung aus dem geschenkten Gegenstand selbst. Die Vereinbarung von Nutzungs- und Duldungsauflagen kann dazu führen, dass die Erbschaftsteuer umgangen wird. Auflagen sind als Nachlassverbindlichkeiten vom Vermögensanfall abzuziehen. Dies ist aber nicht gerechtfertigt, wenn eine Belastung durch die Auflage nicht eintritt, da der Begünstigte sein Recht aus der Auflage nicht wahrnimmt. Dieser Steuerverkürzungen schiebt der Gesetzgeber mit § 25 ErbStG einen Riegel vor, welcher auf Schenkungen unter Nutzungs- und Duldungsauflagen anzuwenden ist. Demzufolge ist der Abzug als Nachlassverbindlichkeit nicht erlaubt, falls der Begünstigte der

399

Ermittlung der Bereicherung

Beispiel

Peter Harrington überträgt ein Grundstück mit einem Verkehrswert von 400.000 € (Steuerwert: 300.000 €) auf seine Tochter Louise. Er räumt sich (seinem Freund Sammy) ein Wohnrecht mit einem Steuerwert von 20.000 € ein.

Lösung

Schenker selbst oder dessen Ehegatte ist. Die Steuer, die auf den Kapitalwert der Belastung entfällt, kann lediglich zinslos gestundet werden (§ 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG).

Das Wohnrecht stellt ein Nutzungsrecht für Peter (Sammy) dar. Daher handelt es sich um eine Schenkung unter Nutzungs- bzw. Duldungsauflage. Die Ermittlung der Bereicherung erfolgt anhand des § 10 Abs. 1 ErbStG: Steuerwert der Schenkung Steuerwert des Nutzungsrechts Bereicherung

300.000 € ./. 20.000 € = 280.000 €

§ 25 ErbStG ist bei den Schenkungen unter Nutzungs- bzw. Duldungsauflagen zu beachten. Bedingt sich der Schenker Peter selbst das Nutzungsrecht aus, ist § 25 ErbStG anzuwenden. Somit wird Louise ohne die Berücksichtigung der Belastung aus dem Nutzungsrecht besteuert. Die Steuer errechnet sich daher auf die vollen 300.000 €. Allerdings wird der Teil der Steuerschuld, der auf den Wert des Nutzungsrechts (auf die 20.000 €) entfällt, auf Wunsch des Steuerpflichtigen gestundet. Bei einer Belastung des Grundstücks mit einem Nutzungsrecht zugunsten von Sammy kommt § 25 ErbStG nicht zur Anwendung. Also dürfte Louise den Wert des Nutzungsrechts in vollem Umfang von dem Steuerwert der Schenkung abziehen und müsste lediglich die Bereicherung in Höhe von 280.000 € versteuern.

7.3.4 Kombinationen von Schenkungen mit Gegenleistung

Beispiel

Häufig treten auch Schenkungen auf, bei denen sowohl Elemente einer gemischten Schenkung bzw. einer Schenkung unter Leistungsauflage als auch Elemente einer Schenkung unter Nutzungs- oder Duldungsauflage kombiniert sind. Die Vorschrift R 17 Abs. 4 ErbStR sieht für diese Fälle vor, dass zuerst der Steuerwert nach den Maßgaben für gemischte Schenkungen und Schenkungen unter Leistungsauflagen anzupassen ist. Der Wert der Nutzungs- oder Duldungsauflage ist danach im gleichen Verhältnis zu modifizieren und vom angepassten Steuerwert abzuziehen. Serena bekommt von ihrem Vater Daniel Rafferty ein Haus (VKW: 1 Mio. €, Steuerwert: 400.000 €) geschenkt. Als Gegenleistung übernimmt sie die Grundschuld in Höhe von 200.000 €. Zudem muss sie ihrem Freund ein Wohnrecht einräumen (Steuerwert 45.000 €). Für die Umschreibung im Grundbuch fallen Kosten in Höhe von 10.000 € an.

400

Verbindlichkeiten bei der Schenkung

Lösung

Vorliegendes Beispiel zeigt eine Kombination einer gemischten Schenkung mit einer Schenkung mit Nutzungsauflage. Gem. R 17 Abs. 4 ErbStR hat die Anpassung des Steuerwerts im Umfang der unentgeltlichen Bereicherung zu erfolgen. Das Nutzungsrecht und die Erwerbsnebenkosten sind im gleichen Verhältnis anzupassen und dann abzuziehen. 400.000 € x

1.000.000 € ./. 200.000 € = 400.000 € x 1.000.000 €

unentgeltliche Bereicherung Nutzungsrecht (45.000 € x (8/10) =) Erwerbsnebenkosten (10.000 € x (8/10) =) Bereicherung

8 10

= 320.000 €

320.000 € ./. 36.000 € ./. 8.000 € = 276.000 €

7.3.5 Erwerbsnebenkosten bei Schenkungen Der Beschenkte darf Kosten von einem Vermögensanfall in Abzug bringen, die ihm durch den Erwerb des Vermögens entstehen. Derartige Erwerbsnebenkosten fallen gewöhnlich für die Änderung der rechtlichen Verhältnisse an (Umschreibung im Grundbuch und den Notarkosten etc.). Des Weiteren dürfen auch Kosten für Beratungsleistungen (z.B. Rechts- und Steuerberaterkosten) sowie die Grunderwerbsteuer abgezogen werden. Da die Grunderwerbsteuer aber lediglich bei einem entgeltlichen Grundstücksverkauf entsteht, kann diese nur selten in Abzug gebracht werden. Möglich ist dies nur bei der mittelbaren Grundstückschenkung. In demjenigen Umfang, in dem der Schenker die Erwerbskosten übernimmt, liegt eine Geldschenkung vor. Um diesen Betrag ist der Beschenkte zusätzlich bereichert. Da die Erwerbsnebenkosten vom Beschenkten wieder abgezogen werden dürfen, ist es im steuerlichen Ergebnis unerheblich, wer die Kosten tatsächlich getragen hat. Es verbleibt lediglich der Wert des Schenkungsgegenstandes. Analog der Nachlassverbindlichkeiten im Todesfall müssen auch die Erwerbsnebenkosten bei der Schenkung mit steuerpflichtigen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Von Bedeutung ist dies speziell bei der gemischten Schenkung. Hier wird ein Teil des Wertes entgeltlich, der andere Teil unentgeltlich übertragen. Lediglich der unentgeltliche Teil unterliegt der Schenkungsteuer. Daraus folgt, dass auch nur derjenige Teil der Kosten abzugsfähig ist, der auf diesen unentgeltlichen Teil entfällt.

401

Ermittlung der Bereicherung

7.4 Sachliche Freibeträge 7.4.1 Begünstigung von einzelnen Wirtschaftsgütern Dem Steuerpflichtigen werden einige Steuererleichterungen im Zusammenhang mit gewissen Vermögensarten zugestanden. Die sachlichen Freibeträge sind von den bewertungsrechtlichen Werten der wirtschaftlichen Einheiten abzuziehen, soweit die Vorraussetzungen für eine Steuerbefreiung im Zeitpunkt der Steuerentstehung erfüllt sind. Die Steuerbefreiungstatbestände führen teils zu einer völligen Freistellung der jeweiligen Erwerbsvorgänge oder lediglich zu einer Begünstigung durch einen Freibetrag.

Beispiel

Dr. Frank Hopper vererbt seiner Frau Eva und seinem Sohn Dirk folgendes Vermögen: Ein Haus mit einem Steuerwert von 350.000 € und Hausrat im Wert von 70.000 €. Eva erbt zu 75 % und Dirk die verbleibenden 25 %.

Lösung

Vorschriften hierzu sind in den §§ 13 und 13a ErbStG enthalten. § 13 ErbStG kodifiziert einen Katalog sachlicher Steuerbefreiungstatbestände. Diese bestehen nebeneinander, wenn sie auf mehrere übergehende Gegenstände anwendbar sind. Dabei bezieht sich der Freibetrag nicht auf die insgesamt zum Nachlass gehörenden Gegenstände, sondern auf den jeweiligen Einzelerwerb. So kann ein Freibetrag von jedem Erwerber grundsätzlich in voller Höhe geltend gemacht werden. Nicht verbrauchte Freibeträge sind allerdings nicht auf einen anderen Erwerber übertragbar.

Die Bereicherung ergibt sich wie folgt:

Steuerwert

Haus Hausrat

Sachlicher Freibetrag je Bereicherung

350.000 € 70.000 € 41.000 €

Eva (75 %) 262.500 € 52.500 €

Dirk (25 %) 87.500 € 17.500 €

./. 41.000 € 274.000 €

./. 17.500 € 87.500 €

Der sachliche Freibetrag für Hausrat in Höhe von 41.000 € kann von beiden Erben jeweils eigenständig geltend gemacht werden. Dirk kann allerdings nur 17.500 € vom Steuerwert des Vermögensanfalls abziehen, da lediglich Hausrat in demselben Wert auf ihn entfallen ist. Die verbleibenden 23.500 € kann er nicht an seine Mutter übertragen. Die Steuerbefreiungen des § 13 ErbStG unterliegen dem Nachversteuerungsvorbehalt. D.h. die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die für die Befreiung notwendigen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Der Steuerpflichtige wird beim Wegfall der Voraussetzung so gestellt, als hätte es nie eine sachliche Steuerbefreiung gegeben, sodass Erbschaftsteuer nachgezahlt werden muss.

402

Sachliche Freibeträge

Die Freibeträge oder Befreiungen sind bei jeder Vermögensübertragung zu gewähren, soweit sie nicht explizit nur auf Erwerbe von Todes wegen oder auf Schenkungen anzuwenden sind. Die sachlichen Freibeträge sind unabhängig von den persönlichen Freibeträgen nach §§ 16 und 17 ErbStG zu gewähren und gelten für alle steuerpflichtigen Erwerbe im gleichen Maße. Ist ein Gegenstand bereits nach einer Vorschrift freigestellt, schließt das eine andere, eventuell weitergehende Befreiung nicht aus (R 41 Abs. 2 ErbStR). Die bedeutendsten Freibeträge des § 13 Abs. 1 ErbStG sind: x Nr. 1: Hausrat und andere bewegliche Gegenstände Für jeden Erwerber der Steuerklasse I gilt ein Freibetrag für Hausrat in Höhe von bis zu 41.000 €. Hierunter fallen alle Gegenstände des Vermögensanfalls, die objektiv dazu geeignet sind, der privaten Haushalts- und Lebensführung zu dienen. Diese Definition umfasst z.B. die gesamte Wohnungseinrichtung sowie die persönlichen Gegenstände wie Wäsche und Kleidungsstücke. Durch diese Vorschrift soll die Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens erreicht werden, speziell auch um die Pietät des Erblassers bzw. Schenkers zu wahren. Hinzu kommt ein Freibetrag für andere bewegliche Gegenstände, die nicht zum Hausrat zählen. Dieser beträgt maximal 10.300 € pro Erwerber und wird ebenfalls nur für Erwerber der Steuerklasse I gewährt.

Jeder Angehörige einer anderen Steuerklasse kann für Hausrat und andere bewegliche Gegenstände zusammen lediglich einen Freibetrag von insgesamt 10.300 € geltend machen. Der Freibetrag für Hausrat und andere bewegliche Gegenstände im § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kann mehrfach ausgenutzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger im Zeitraum von zehn Jahren mehrere Erwerbe erfährt. x Nr. 2: Grundbesitz und bewegliche Gegenstände, deren Erhalt im öffentlichen Interesse liegt Die Nummer zwei unterscheidet in eine Teilbefreiung und eine gänzliche Befreiung für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz bzw. beweglichen Gegenständen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegen. Die Freistellung erfolgt unabhängig von den Steuerklassen der Erwerber und soll eine Veräußerung derartiger Gegenstände ins Ausland entgegenwirken.

Vorraussetzung für einen Ansatz von lediglich 40 % des Steuerwerts des Gegenstandes ist, dass die Erhaltung des begünstigten Gegenstandes aufgrund der Bedeutung für die Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt. Darüber hinaus unterliegen diese Gegenstände in der Regel strengeren rechtlichen Auflagen wie z.B. ein denkmalgeschütztes Gebäude. Hinzu kommt, dass das Kulturgut in einem gewissen Umfang für den Zweck der Forschung oder der Volksbildung nutzbar sein muss, sich im Inland befinden muss und für mindestens zehn weitere Jahre dort zu verbleiben hat. Zusätzlich müssen die mit dem Gut verbundenen jährlichen Kosten die damit regelmäßig erzielten Einnahmen übersteigen.

403

Ermittlung der Bereicherung

Beispiel

Graf Dracula erbt im Jahre 2000 von seiner Mutter Vermögen mit einem Steuerwert von 1,2 Mio. €. Darin ist ein denkmalgepflegtes Schloss enthalten, welches seit über 300 Jahren in Familienbesitz ist. Aufgrund der großen Bedeutung für die Geschichte wurde das Schloss in das Verzeichnis „national wertvolle Kulturgüter“ aufgenommen. Der Steuerwert des Schlosses ist mit 750.000 € festgelegt. Graf Dracula verkauft das Schloss im Jahre 2005.

Lösung

Wird z.B. bei Gütern im öffentlichen Interesse gegen die Behaltensfrist von 10 Jahren verstoßen und das Gut vorzeitig veräußert, greift die oben soeben erwähnte Regelung des Nachversteuerungsvorbehalts. Der Erwerber wird nachträglich so gestellt, als hätte er die Voraussetzungen für die sachliche Befreiung niemals erfüllt. Dies führt zu einer erhöhten Bereicherung, und er muss Steuern nachzahlen.

Das Schloss erfüllt ursprünglich die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a und b ErbStG, wodurch die komplette Steuerfreistellung erreicht wird. Durch den Verkauf innerhalb der 10-Jahresfrist entfällt die Steuerfreistellung allerdings mit Wirkung der Vergangenheit.

Vermögensanfall Steuerwert Schloss Erbkostenpauschale Bereicherung Persönlicher Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz Steuerschuld

Jahr 2000 1.200.000 € ./. 750.000 € ./. 10.300 € = 439.700 € ./. 205.000 € = 234.700 € x 11 % = 25.817 €

Jahr 2005 1.200.000 € ./. 0€ ./. 10.300 € = 1.189.700 € ./. 205.000 € = 984.700 € x 19 % = 187.093 €

Graf Dracula hat im Jahre 2000 bereits 25.817 € an Steuern für die Erbschaft gezahlt. Hierin war der Wert des Schlosses nicht zu berücksichtigen. Aufgrund des nachträglichen Wegfalls der Voraussetzung für die Steuerbefreiung des Schlosses ist Dracula so zu stellen, als hätte die Steuerbefreiung niemals existiert. Daher hat er im Jahre 2005 161.276 € (= 187.093 € ./. 25.817 €) Steuern nachzuzahlen. Für eine vollständige Befreiung sind zu den obigen Voraussetzungen noch weitere erforderlich. Diese sehen vor, dass das Kulturgut in einem entsprechenden Verzeichnis (z.B. Denkmalliste) geführt ist oder sich seit über zwanzig Jahren im Familienbesitz befindet (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Bst. b ErbstG). x Nr. 9: Entgelt für unentgeltliche Pflege- oder Unterhaltsleistungen Für ein angemessenes Entgelt, das aufgrund einer unentgeltlichen Pflege- oder Unterhaltsleistung gegenüber dem Erblasser erlangt wird, besteht ein Freibetrag von 5.200 €. Dieser wird nicht gewährt, wenn die Leistungen aufgrund eines Dienstverhältnisses er-

404

Sachliche Freibeträge

bracht wurden. Bei solchen Leistungen fehlt es bereits an der erbschaftsteuerlichen Steuerbarkeit aufgrund ihrer Entgeltlichkeit. Rückständige Zahlungen wären in diesem Fall Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 ErbStG). x Nr. 9a: Geldzuwendungen unter Lebenden Ein von den gesetzlichen Pflegeversicherungen für die häusliche Pflege gezahltes Entgelt, das von der pflegebedürftigen Person an die Betreuungsperson weitergegeben wird, ist ebenfalls von der Besteuerung freigestellt (§ 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG).

Vermögenserwerb vom Pfleger Unentgeltliche Pflege

Freibetrag von 5.200 €, soweit das Zugewendete als angemessen angesehen werden kann.

Entgeltliche Pflege

Aufgrund der Entgeltlichkeit entsteht keine Erbschaftsteuerpflicht. Ausstehende Zahlungen sind Nachlassverbindlichkeiten.

Gesetzliche Pflege

Steuerfreistellung des Entgeltes für häusliche Pflege der gesetzlichen Pflegeversicherungen

Abbildung 196: Steuerliche Behandlung der Leistungen an den Pfleger

Beispiel

Vater Count Dooku schenkt seiner Tochter Lea ein Haus. Durch den Tod von Lea fällt das Haus an Vater Count Dooku und die Mutter Obi Wanna zurück. (Alternativ: Vor dem Tod hat Lea das Haus verkauft und der dafür gezahlte Kaufpreis fällt den Eltern zu.)

Lösung

x Nr. 10: An Eltern und Voreltern zurückfallende Schenkungen Aus dem Vermögensanfall sind diejenigen Gegenstände herauszurechnen, die an die Eltern oder Voreltern auf Grund von Todes wegen zurückfallen, wenn sie dem Abkömmling zuvor durch Schenkung übertragen wurden. Die Vorschrift verlangt dabei die Identität des übergehenden Gegenstandes und die der beteiligten Personen.

Die Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG kommt nur in Betracht, wenn der identische Gegenstand an die identische Person zurückfällt. Lea hat das Haus von ihrem Vater geschenkt bekommen. Dafür war evtl. Schenkungsteuer zu entrichten. Ungeachtet der Tatsache, ob Schenkungsteuer gezahlt wurde, ist der Rückfall des Anteils des Hauses an den Vater steuerbefreit. Der Anteil, den die Mutter erbt, ist nicht begünstigt, da die Voraussetzung der identischen Personen nicht erfüllt ist. (Im Falle des Verkaufs des Hauses ist die Voraussetzung des identischen Gegenstandes verletzt. Das Geldvermögen ist nicht als art- und funktionsgleich mit dem Haus anzusehen.)

Ermittlung der Bereicherung

405

Beispiel

Onkel Arthur zahlt seinem Neffen Jim, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, einen Unterhalt von monatlich 500 € (3.000 €) zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten während seines Studium. (Alternativ: Aus Gerechtigkeitsgründen zahlt der Onkel Arthur auch seinem zweiten Neffen monatlich 500 €. Dieser verfügt im Unterschied zu Jim über wohlhabende Eltern und ausreichend eigenes Vermögen.)

Lösung

x Nr. 12: Angemessener Unterhalt oder Zuwendungen zur Ausbildung Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung sind steuerfrei, soweit die Begünstigung freiwillig erfolgt. Begünstigt sind nur laufende Zuwendungen, unabhängig von der Form der Zuwendung (z.B. Geld oder Nutzungsrecht). Bei einer gesetzlichen Unterhaltspflicht ist eine Befreiung nicht gegeben. Neben der Freiwilligkeit der Übernahme der Unterhalts- oder Ausbildungskosten ist ferner die Bedürftigkeit des Bedachten notwendig. Dieser muss die ihm zugewendeten Mittel benötigen und darf nicht über ausreichendes eigenes Vermögen verfügen, um daraus oder sogar aus den Erträgen seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Zuwendung hat das Kriterium der Angemessenheit zu erfüllen. Nach § 13 Abs. 2 ErbStG ist die Zuwendung angemessen, wenn sie den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. Die dieses Maß übersteigende Zuwendung ist in vollem Umfang steuerpflichtig.

Onkel Arthur unterstützt seinen Neffen Jim freiwillig. Ob diese Zahlung angemessen ist und damit steuerbefreit ist, entscheidet sich anhand der Vermögensverhältnisse und der Lebensstellung von Jim. Eine absolute Grenze für die Steuerfreiheit besteht nicht. Die Zahlung in Höhe von 500 € dürfte wohl als angemessen gelten. Hiervon kann ein Student den Großteil seiner Ausgaben decken Er wird aber auch nicht übermäßig bereichert. Eine monatliche Zahlung von 3.000 € dürfte dazu im Vergleich angesichts der Verhältnisse des Jim als unangemessen hoch gelten. Durch die Zahlung wäre er über das notwendige Maß hinaus bereichert. (Mangels Bedürftigkeit des anderen Neffen ist die Zahlung von 500 € nicht steuerbefreit.)

x Nr. 14: Übliche Gelegenheitsgeschenke Ebenfalls freigestellt von der Besteuerung sind übliche Gelegenheitsgeschenke. Für die Frage, ob ein Geschenk seiner Art nach üblich ist, gibt es keine objektiven Entscheidungskriterien. Es ist vielmehr auf den Anlass der Schenkung abzustellen (z.B. Hochzeitstag, Abitur). Die Vermögens- und Einkommenssituation des Schenkers und des Beschenkten sind zu berücksichtigen. Eine absolute Höchstgrenze kennt das Gesetz hierfür nicht, weil auch die Vorstellung hierüber innerhalb der Bevölkerungsschichten weit auseinander fällt. Eine Umgehung der Steuer durch die Übertragung ganzer Vermögen oder Vermögensteile soll jedoch nicht begünstigt werden. Daher wird meist das Kriterium der Wiederholbarkeit der Schenkung angeführt. Ist es möglich, ein Geschenk zu machen, ohne dass die Vermögenssubstanz des Schenkers wesentlich geschmälert wird und er seine Lebensführung aus seinen laufenden Einkünften bestreiten kann, ist davon auszugehen, dass das Geschenk als übliches Gelegenheitsgeschenk anerkannt wird.

406

Sachliche Freibeträge

Beispiel

Opa Broome will seiner Tochter Silvia, einer Einkommensmillionärin, ein ganz besonderes Geschenk zu ihrer Hochzeit machen. Obwohl er absolut mittellos ist und nur eine kleine Rente erhält, schafft er es, seiner Tochter eine Weltreise zu finanzieren. Diese muss er jedoch in den drei Folgejahren abzahlen.

Lösung

Für Silvia Broome dürfte die Weltreise ihres Großvaters sicherlich einem üblichen Gelegenheitsgeschenk entsprechen. Jedoch ist das Geschenk für ihren Großvater eine starke finanzielle Belastung. Die Schenkung wäre für ihn wohl nicht wiederholbar. Daher würde die Finanzverwaltung die Weltreise nicht als seiner Art nach übliches Gelegenheitsgeschenk anerkennen.

Die übrigen sachlichen Steuerbefreiungen begünstigen hauptsächlich Fälle, in denen Vermögen auf besonders bedürftige Personen übergeht (z.B. erwerbsunfähige Eltern, Kriegsgefangene) und Zuwendungen an kirchliche, gemeinnützige und mildtätige Organisationen. § 13 Abs. 1 ErbStG

Steuerbefreiung für (Beispiele) Hausrat und Kunstgegenstände (Wäsche, Möbel, PC, Teppiche, Werkzeuge, Sportgeräte, Bilder, etc.) (keine Wertpapiere, Edelsteine, etc.) Erwerb von sonstigen beweglichen körperlichen Gegenständen (PKWs, Motorboot, Reitpferd, etc.)

Erwerber der Steuerklasse I Sonstige Erwerber

41.000 € Nr. 1

Erwerber der Steuerklasse I

Sonstige Erwerber Gegenstände im öffentlichen Interesse (Bibliotheken, denkmalgeschützte Gebäude, etc.) Grundbesitz zum Zwecke der Volkswohlfahrt (Garten-, Parkanlagen, etc.) Erwerb des sogenannten Dreißigsten Befreiung von einer Schuld gegen den Erblasser Erwerb der Eltern von gebrechlichen Kindern Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz Ansprüche auf Entschädigungsleistungen Angemessenes Entgelt für Pflege und Unterhalt Rückfall geschenkten Vermögens an Eltern oder Voreltern Verzicht auf Geltendmachung des Pflichtteils Schenkungen zum Zwecke des Unterhalts oder der Ausbildung Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen Übliche Gelegenheitsgeschenke

Freibetrag

10.300 € 10.300 € 10.300 €

Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14

41.000 €

5.200 €

407

Ermittlung der Bereicherung Anfälle an den Bund, Land oder eine Gemeinde Zuwendungen an Religionsgemeinschaften Zuwendungen zu kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken Zuwendung an politische Parteien

Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 Nr. 18

7.4.2 Begünstigung vom Produktivvermögen Für Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden besteht für Produktivvermögen eine weitere umfassende Begünstigung im § 13a ErbStG. Aufgrund der starken sozialen Bindung von Betrieben und ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung für Produktivität und Arbeitsplätze entsprach der Gesetzgeber dem BVerfG-Urteil vom 22.6.1995 und privilegierte die Betriebe in besonderem Maße. Dies geschieht allerdings unter der Maßgabe, dass der Betrieb fortgeführt wird und nicht innerhalb von fünf Jahren nach Erwerb vom Erwerber veräußert oder aufgegeben wird (Behaltensvorschrift § 13a Abs. 5 ErbStG). Das Produktivvermögen umfasst das inländische Betriebsvermögen im Sinne des § 12 Abs. 5 ErbStG. Dazu zählen ganze Gewerbebetriebe oder Teilbetriebe in der Rechtsform einer Personengesellschaft, Mitunternehmerschaften und das Vermögen von Freiberuflern (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG). Zusätzlich werden auch Anteile an Kapitalgesellschaften begünstigt, deren Sitz oder Geschäftsleitung sich im Inland befindet, falls der Erblasser oder Schenker zu mindestens einem Viertel unmittelbar am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt war (§ 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG).

Enthält der Nachlass bzw. die Schenkung: Betriebsvermögen

Æ § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 95 ff. BewG

Anteile an nicht-notierten Kapitalgesellschaften

Æ § 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG

Wertpapiere und Anteile

Æ § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 11 BewG

dann gelten die sachlichen Freibeträge: ./. Freibetrag von 225.000 € gem. § 13a Abs. 1 ErbStG (bei KapGes Beteiligung > 25 % des Nennkapital) ./. 35 % Bewertungsabschlag gem. § 13a Abs. 2 ErbStG (bei KapGes Beteiligung > 25 % des Nennkapital)

Abbildung 197: Begünstigtes Vermögen des § 13a ErbStG

408

Steuerklassen

Inländisches Betriebsvermögen und Anteile an einer Kapitalgesellschaft bleiben bis zu einem Wert von 225.000 € außer Ansatz. Dieser Freibetrag wird dem Erblasser bzw. Schenker nur einmal innerhalb von zehn Jahren gewährt. Übersteigt der Wert des Betriebsvermögens den Freibetrag nicht, geht der nicht ausgeschöpfte Teil verloren. Geht der Betrieb auf mehrere Begünstigte gemeinsam über, kann der Erblasser eine für das Finanzamt bindende schriftliche Aufteilung des Freibetrags vornehmen (R 57 Abs. 5 ErbStR). Ansonsten wird der Freibetrag nach der Erbquote oder nach Köpfen aufgeteilt. Bei einer Schenkung unter Lebenden wird der Freibetrag nur gewährt, wenn der Schenker gegenüber dem Finanzamt unwiderruflich erklärt, dass der Freibetrag für diese Schenkung in Anspruch genommen wird. Bei mehreren Beschenkten kann der Freibetrag wieder aufgeteilt werden. Ist der Freibetrag allerdings in der Weise den Erwerbern zugeordnet worden, dass bei dem einen der Freibetrag nicht ausreicht und beim anderen ein Überhang besteht, kann der Freibetrag nicht nachträglich verschoben werden, sodass der nicht genutzte Teil verloren geht. Der um den Freibetrag ermäßigte Wert ist von einer weiteren Vorschrift begünstigt. § 13a Abs. 2 ErbStG verlangt nämlich lediglich den Ansatz von 65 % des Wertes, der sich aus § 13a Abs. 1 ErbStG ergibt. Der Bewertungsabschlag von 35 % unterliegt nicht dem Kumulierungsverbot, d.h. er kann auf jeden Übergang von Produktivvermögen angewendet werden, ohne Beachtung der Zehnjahresfrist. Er wird auch unabhängig von der Anwendung des Freibetrags nach § 13a Abs. 1 ErbStG gewährt.

8 Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld Auf den vorangegangenen Seiten wurde dargelegt, wie sich die Bereicherung der einzelnen Erwerber ermittelt. Die Höhe der Erbschaftsteuer ergibt sich durch die Anwendung des Steuersatzes auf den steuerpflichtigen Erwerb. Der steuerpflichtige Erwerb berücksichtigt im Verhältnis zur Bereicherung neben den Nachlassverbindlichkeiten und den sachlichen Freibeträgen die persönlichen Umstände des Erwerbers.

8.1 Steuerklassen Die Erwerber werden in die Steuerklassen I bis III eingeteilt (§ 15 ErbStG). Maßgebend hierfür ist grundsätzlich das nach bürgerlichem Recht bestehende Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser bzw. dem Schenker und dem jeweiligen Erwerber. Als Folge aus den Steuerklassen ergeben sich für die Erwerber unterschiedliche persönliche Freibeträge (§ 16 ErbStG), ein besonderer Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG) und unterschiedliche Steuersätze (§ 19 ErbStG). Um das Familienvermögen zu schützen, erhalten engere Verwandte größere Freibeträge und einen niedrigeren Steuersatz als entferntere Verwandte.

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

409

Abnehmendes Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnis Abnehmende Freibeträge § 16 Abs. 1 ErbStG Zunehmende Steuersätze § 19 Abs. 1 ErbStG Abbildung 198: Maßnahmen zur Sicherung des Familienvermögens Durchbrochen wird das Prinzip der Begünstigung näherer Verwandter und die Einteilung in Steuerklassen durch die Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG für Betriebsvermögen. Produktivvermögen unterliegt immer dem günstigsten Tarif der Steuerklasse I. Dies gilt unabhängig davon, in welche Steuerklasse der Erwerber ansonsten einzuteilen ist. Die Steuerklassen entscheiden auch bei der Schenkung über die Höhe der Freibeträge und des anzuwendenden Steuersatzes. Die Klassifizierung ist identisch mit der Einteilung für den Erwerb durch Erbanfall, allerdings mit der Ausnahme, dass bei der Schenkung an die Eltern oder Voreltern diese nicht zur Steuerklasse I, sondern zur Steuerklasse II zählen (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 4 i.V.m. § 15 Abs. 1 StKl. II Nr. 1 ErbStG). Mit dieser Regelung wird verhindert, dass bei einer Schenkung unter Geschwistern durch Zwischenschaltung der Eltern die höheren Freibeträge der Steuerklasse I ausgenutzt werden können.

Steuerklasse I

- Nr. 1: Ehegatte - Nr. 2: Kinder und Stiefkinder - Nr. 3: Abkömmlinge von Nr. 2 - Nr. 4: Eltern und Voreltern (bei Tod)

Steuerklasse II

- Nr. 1: Eltern und Voreltern (sonst. Fälle) - Nr. 2: Geschwister - Nr. 3: Abkömmlinge 1. Grades von Nr. 2 - Nr. 4: Stiefeltern - Nr. 5: Schwiegerkinder - Nr. 6: Schwiegereltern - Nr. 7: geschiedene Ehegatten

Steuerklasse III

- Alle übrigen Erwerber - Zweckzuwendungen

Abbildung 199: Die Steuerklassen gem. § 15 ErbStG

410

Hinzurechnung früherer Erwerbe

8.2 Hinzurechnung früherer Erwerbe Um die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu umgehen, könnte der Schenker oder Erblasser seine Güter in mehreren kleinen unentgeltlichen Vorgängen auf den Erwerber übergeben. So könnten sachliche und persönliche Steuerbefreiungen wiederholt ausgenutzt werden. Eine derartige Umgehung der Steuer schränkt der Gesetzgeber durch § 14 ErbStG ein. So sind die historischen steuerlichen Werte der Güter mehrerer Erwerbe mit dem Wert des Letzterwerbs zu addieren, die innerhalb eines zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums stattgefunden haben. Lediglich unter einmaligem Ansatz der Freibeträge ist die zu zahlende Steuer zu ermitteln, die auf die Steuerwerte der addierten Einzelerwerbe entfällt. Die für frühere Erwerbe bereits gezahlte Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer kann von der Steuerschuld in Abzug gebracht werden. Durch die Hinzurechnung früherer Erwerbe zur Bereicherung der Erwerber und dem gleichzeitigen Abzug der zuvor bereits abgeführten Steuer wird faktisch erreicht, dass die Übertragungen innerhalb des Zehnjahreszeitraums wie eine Einmalzuwendung besteuert wird. Nachfolgende Abbildung stellt die Berücksichtigung früherer Erwerbe bei einer Besteuerung nach Steuerklasse I dar.

Ohne Berücksichtigung früherer Erwerbe (§ 14 ErbStG)

Nach Berücksichtigung früherer Erwerbe (§ 14 ErbStG)

10 Jahre Schenkung I + II 200.000 €

Schenkung I 100.000 €

Schenkung II 100.000 €

51.200 €

51.200 €

51.200 €

Freibetrag StKl. I

48.800 €

48.800 €

148.800 €

Steuerpflichtiger Erwerb

7%

7%

11 %

3.416 €

3.416 €

16.368 €

anrechenbare Steuer

Abbildung 200: Berücksichtigung früherer Erwerbe

Steuersatz StKl. I

Steuerschuld

411

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

Beispiel

Herr Schlittmeier bekommt von seiner Frau im Jahre 2000 ein Haus (Steuerwert: 550.000 €) geschenkt. Wenige Wochen später reicht die Frau die Scheidung ein. Damit Herr Schlittmeier der Scheidung zustimmt, vereinbaren die beiden, dass Frau Schlittmeier ihm in zwei Jahren ein weiteres Haus (Steuerwert: 350.000 €) schenken muss. Dieses erhält er jedoch erst nach der Scheidung.

Lösung

Eine Abweichung von der fiktiven Besteuerung einer Einmalzuwendung kann auftreten, wenn sich die Steuergesetzgebung oder das persönliche Verhältnis zum Übertragenden innerhalb des Zeitraums geändert haben. Um hieraus nachteilige Folgen für den Steuerpflichtigen abzuwenden, hat der Gesetzgeber § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG eingeführt. Danach bestimmt sich, dass der Steuerpflichtige eine fiktive Steuer auf den Vorerwerb abziehen kann, die sich nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs berechnet hat (sog. fiktive Abzugssteuer). Ist allerdings die für den Vorerwerb tatsächlich gezahlte Steuer höher, ist diese bei der Zusammenrechnung zu berücksichtigen.

Die Steuer auf den Erwerb in 2000 errechnet sich wie folgt:

Vermögensanfall Freibetrag § 16 BewG Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz Steuer

Tatsächlicher Erwerb 2000 550.000 € ./. 307.000 € = 243.000 € x 11 % = 26.730 €

Fiktiver Erwerb 2000 550.000 € ./. 10.300 € = 539.700 € x 27 % = 126.490 € (nach Härteausgleich)

Zusammenrechnung für beide Erwerbe: Erwerb 2002 350.000 € Erwerb 2000 + 550.000 € Freibetrag § 16 BewG ./. 10.300 € Steuerpflichtiger Erwerb = 889.700 € Steuersatz x 27 % Steuer = 240.219 € Steuer auf Vorerwerb ./. 126.490 € (da fiktive Steuer > tatsächliche Steuer) Festzusetzende Steuer = 113.729 € Herr Schlittmeier hat noch 113.729 € Schenkungsteuer zu entrichten. Die Frist, innerhalb derer die Zusammenrechnungspflicht besteht, beträgt zehn Jahre. Gerechnet werden diese rückwirkend von jedem Erwerb. Maßgebend ist dabei jeweils der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld.

412

Hinzurechnung früherer Erwerbe

Die Zusammenrechnung setzt voraus, dass Übertragender und Erwerbender bei jeder der Vermögensübertragungen identisch ist. Besteht keine Identität zwischen den Personen, sind die Erwerbe nicht zusammenzurechnen. Merke: Bei mehreren Erwerben innerhalb von 10 Jahren sind die Erwerbe zusammenzurechnen. Freibeträge können nur einmal geltend gemacht werden. Hierzu müssen Geber und Erwerber jeweils identisch sein.

Der Nachteil der Zusammenrechnung bei Personenidentität lädt Steuerpflichtige regelmäßig dazu ein, sich Gedanken über Steuerumgehungsmöglichkeiten zu machen. So könnte bspw. ein Vater zunächst seinem Sohn Vermögen und kurze Zeit danach seiner Frau Vermögen mit der Auflage schenken, dass diese es dem Sohn weitergibt. Da in diesem Fall keine Identität des Schenkers vorläge, bestünde grundsätzlich keine Zusammenrechnungspflicht nach § 14 ErbStG. Allerdings ist der Gesetzgeber bestrebt, diese Steuerumgehungsmöglichkeit zu verhindern. Bei solchen Kettenschenkungen verlangt er daher zusätzlich, dass für den Zwischenbedachten eine eigene Verfügungsmöglichkeit gegeben sein muss. Ist dem Zwischenbedachten ein eigener Entscheidungsspielraum über das Vermögen gegeben, sind die Vorgänge als zwei getrennte Schenkungen zu sehen. Auf eine Hinzurechnung wird verzichtet. Bei einer Weitergabepflicht ohne eigene Verfügungsmöglichkeit ist der Erwerb dem Letzterwerbenden hinzuzurechnen. Merke: Liegt eine Kettenschenkung mit dem Ziel vor, die Personenidentität zu umgehen, ist zu prüfen, ob der Zwischenbedachte eine eigene Verfügungsmöglichkeit über das zugewendete Vermögen hat. Ist dies zu bejahen, liegt keine Personenidentität vor.

Schenker

Zwischenerwerber

Letzterwerber

Eigene Verfügungsmacht ja Keine Personenidentität (Æ keine Hinzurechnung)

nein Personenidentität (Æ Hinzurechnung)

Abbildung 201: Hinzurechnung bei einer Kettenschenkung Für die Berücksichtigung früherer Erwerbe besteht jedoch eine Begrenzung der Steuer der Höhe nach. § 14 Abs. 2 ErbStG schreibt vor, dass die durch frühere Erwerbe veranlasste Steuer 50 % des Letzterwerbs nicht übersteigen darf.

Beispiel

413

Maggie Feller bekommt am 22.01.2001 von ihrem Onkel 271.756 € geschenkt. Als ihr Onkel am 25.07.2004 verstirbt, erhält sie sein Haus, welches einen Steuerwert von 370.000 € hat. (Aus Vereinfachungsgründen wird die Erbkostenpauschale nicht berücksichtigt).

Lösung

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

Da die beiden unentgeltlichen Vermögensübertragungen keine zehn Jahre auseinander liegen und die Personen bei beiden Übertragungen identisch sind, sind die Erwerbe gem. § 14 ErbStG zusammenzurechnen. 2001: Schenkung Persönlicher Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb abgerundet Steuersatz Festzusetzende Steuer 2001

271.756 € ./. 10.300 € (§ 15 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) = 261.456 € 261.400 € (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG) x 22 % (§ 19 StKl. II ErbStG) = 57.508 €

Härteausgleich: 256.000 x 17 % +

261.400 – 256.000 2

= 46.220 €

Maggie hat 46.220 € Schenkungssteuer zu zahlen. 2004: Grundvermögen Erwerb 2001 Persönlicher Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb

370.000 € + 271.756 € ./. 10.300 € = 631.456 €

abgerundet Steuersatz Steuer Steuer 2001 Festzusetzende Steuer 2004

631.400 € (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG) x 27 % (§ 19 StKl. II ErbStG) = 170.478 € (kein Härteausgleich H 75 ErbStH) ./. 46.220 € = 124.258 €

Die Höchstgrenze von 50 % des letzten Erwerbs (370.000 €) ist bei einer Steuerzahllast von 124.258 € nicht überschritten (§ 14 Abs. 2 ErbStG). Die noch festzusetzende Steuer für 2004 beträgt 124.258 €.

414

Besonderer Versorgungsfreibetrag

8.3 Persönliche Steuerbefreiung § 16 ErbStG regelt die persönlichen Freibeträge bei unentgeltlichen Erwerben. Diese werden dem Steuerpflichtigen zugestanden, da es die Verwaltung beim Übergang kleinerer Vermögen erleichtert und das BVerfG in seinem Beschluss vom 22.6.1995 gefordert hat, das Familiengebrauchsvermögen freizustellen. Dabei wird davon ausgegangen, dass für jeden Erwerber der Wert eines üblichen Einfamilienhauses steuerfrei sein soll.111 Die Freibeträge gelten für unbeschränkt Steuerpflichtige und sind nach Steuerklassen gestaffelt. Beziehung zum Erblasser/ Schenker Ehegatten Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 Kinder verstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 Übrige Personen der Steuerklasse I Personen der Steuerklasse II Personen der Steuerklasse III

Freibetrag 307.000 € 205.000 € 205.000 € 51.200 € 10.300 € 5.200 €

Liegt beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) vor, wird für alle Personen lediglich ein Freibetrag in Höhe von 1.100 € gewährt. Diese Freibeträge sind nach den sachlichen Freibeträgen der §§ 13 und 13a ErbStG zu berücksichtigen.

8.4 Besonderer Versorgungsfreibetrag Zur Sicherung des Auskommens der Hinterbliebenen räumt § 17 ErbStG dem überlebenden Ehegatten und den Kindern des Erblassers den sog. „besonderen Versorgungsfreibetrag“ ein. Dieser Versorgungsfreibetrag wird ausschließlich bei Erwerben von Todes wegen (§ 3 ErbStG) zugestanden und kann nicht auf Erwerbe unter Lebenden ausgedehnt werden. Dies ist verständlich, da ein Schenker weiterhin für die Versorgung der Hinterbliebenen aufkommen kann, ein Erblasser aber nicht. Zusätzlich kann ein Erwerber den persönlichen Freibetrag für Ehegatten (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) bzw. für Kinder (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) geltend machen. Der Versorgungsfreibetrag für den überlebenden Ehegatten beträgt 256.000 €. Für überlebende Kinder ist er nach dem Alter der Kinder gestaffelt:

111

Vgl. BVerfG v. 22.06.1995, BT-Drucks. 13/4839, S. 70.

415

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld Alter von 0 Jahren 5 Jahren 10 Jahren 15 Jahren 20 Jahren

bis 5 Jahren 10 Jahren 15 Jahren 20 Jahren 27 Jahren

Versorgungsfreibetrag 52.000 € 41.000 € 30.700 € 20.500 € 10.300 €

Freibetrag 27 J. 10.300 € 20 J. 20.500 € 15 J. 30.700 € 10 J. 41.000 € 5 J. 52.000 € Lebensalter

0 J.

Abbildung 202: Abstufung des besonderen Versorgungsfreibetrags bei Kindern Anzuwenden ist der besondere Versorgungsfreibetrag jedoch erst auf die Bereicherung nach Abzug des jeweiligen persönlichen Freibetrags (§ 16 ErbStG). Jedoch ist er zu kürzen, wenn dem überlebenden Ehegatten oder den Kindern steuerfreie Versorgungsbezüge zustehen. Hierzu zählen beispielsweise Hinterbliebenenpensionen der Beamten oder von Abgeordneten aber auch Betriebsrenten. Diese Bezüge sind steuerfrei (R 74 i.V.m. R 8 ErbStR), d.h. sie gehen nicht in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer ein. Stehen Hinterbliebenen derartige Bezüge zu, bedürfen sie nicht des besonderen Freibetrags. Daher ist in diesen Fällen der Wert aller Hinterbliebenenbezüge, unabhängig von den Zahlungsmodalitäten, von dem Versorgungsfreibetrag zu subtrahieren. Bei lebenslänglichen Leistungen für den Ehegatten ist der Kapitalwert i.S.d. § 14 BewG und bei Kindern der Kapitalwert i.d.R. nach § 13 Abs. 1 BewG für zeitlich begrenzte Versorgungsbezüge von dem Versorgungsfreibetrag abzuziehen.

416

Ermittlung der Steuerschuld

Merke: Zur finanziellen Absicherung der Hinterbliebenen gewährt das Erbschaftsteuergesetz einen Versorgungsfreibetrag. Dieser bemisst sich bei Kindern auf der Grundlage des Alters des Hinterbliebenen und wird nur bei Erwerben von Todes wegen berücksichtigt. Der Freibetrag ist um steuerfreie Versorgungsbezüge zu kürzen.

Die Kürzung des Freibetrags hat allerdings den Nachteil, dass sie Erben, die Vermögen ohne Versorgungsbezüge beziehen, besser stellt. Im Vergleich zu einem Erben mit Versorgungsbezügen dürfen diese Erwerber nämlich den vollen Versorgungsfreibetrag abziehen und haben den Freibetrag nicht zu kürzen.

8.5 Ermittlung der Steuerschuld Die Bereicherung des Erwerbers, gekürzt um den persönlichen Freibetrag (§ 16 ErbStG) und evtl. einem steuerfreien Zugewinnausgleich (§ 5 ErbStG) oder evtl. den besonderen Versorgungsfreibetrag (§ 17 ErbStG) zuzüglich einer evtl. Hinzurechnung eines früheren Erwerbs (§ 14 ErbStG), ergibt den steuerpflichtigen Erwerb. Dieser Wert ist auf volle 100 € nach unten abzurunden (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG), bevor mittels des entsprechenden Steuersatzes (§ 19 ErbStG) die Steuerschuld berechnet werden kann.

Bereicherung des Erwerbers ./. ggf. steuerfreier Zugewinnausgleich

§ 5 Abs. 1 ErbStG

+ ggf. hinzuzurechnende Vorerwerbe

§ 14 ErbStG

./. Persönlicher Freibetrag

§ 16 ErbStG

./. Besonderer Versorgungsfreibetrag

§ 17 ErbStG

= steuerpflichtiger Erwerb (abzurunden auf volle hundert Euro)

Abbildung 203: Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs

8.5.1 Steuertarif Beim Steuertarif des Erbschaftsteuerrechts handelt es sich um einen doppelt progressiven Tarif. Zum einen steigt der Steuersatz mit abnehmendem Verwandtschaftsgrad, der sich in den Steuerklassen ausdrückt. Zum anderen steigt der Steuersatz mit der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs. In Abhängigkeit von der Höhe des Erwerbs und der Steuerklasse lässt sich der Steuersatz aus der Tabelle des § 19 Abs. 1 ErbStG herauslesen.

417

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld Wert des Steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10) bis einschließlich

52.000 € 256.000 € 512.000 € 5.113.000 € 12.783.000 € 25.565.000 € über 25.565.000 €

Steuersatz (in %)

Steuerklasse I

Steuerklasse II

Steuerklasse III

7 11 15 19 23 27 30

12 17 22 27 32 37 40

17 23 29 35 41 47 50

Der jeweilig zutreffende Steuersatz ist auf den kompletten, abgerundeten, steuerpflichtigen Erwerb anzuwenden (sog. Durchrechnungstarif).

8.5.2 Härteausgleich Der Übergang von einer zur nächsten Progressionsstufe birgt für den Steuerpflichtigen Ungerechtigkeiten. Erlangt ein Erwerber der Steuerklasse II beispielsweise einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 512.000 €, hätte er bei einem Steuersatz von 22 % 112.640 € Steuern zu entrichten. Hätte er allerdings 512.001 € erhalten, käme ein Steuersatz von 27 % zur Anwendung, und seine Steuerschuld betrüge 138.240,27 €. Für eine Steigerung des Steuerpflichtigen Erwerbs von nur 1 € hätte er also 25.600,27 € mehr Steuern zahlen müssen. Um dieser Ungerechtigkeit zu begegnen und die Übergänge zwischen den Progressionsstufen zu glätten, hat der Gesetzgeber einen Härteausgleich in § 19 Abs. 3 ErbStG kodifiziert. Er ist in allen Fällen anzuwenden, in denen eine Steuerberechnung tatsächlich oder fiktiv erfolgt. Durch diesen Härteausgleich wird die Steuerschuld in derjenigen Weise begrenzt, dass bei einem Steuersatz bis 30 % maximal die Hälfte, darüber drei Viertel des die letzte Wertgrenze übersteigenden Betrags auf die Steuerschuld addiert wird, welche sich bei einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe der letzten Wertgrenze ergeben würde. In obigem Beispiel ist die letzte Wertgrenze 512.000 € und der übersteigende Betrag 1 €. Die Steuerschuld beträgt daher 112.640 € (= 22 % von 512.000 €) zuzüglich 50 Cent als der Hälfte des übersteigenden Betrags. Durch den Härteausgleich ergibt sich also eine Steuer von 112.640,50 € im Vergleich zu den 138.240,27 € ohne Härteausgleich.

418

Ermittlung der Steuerschuld

Ohne Berücksichtigung des Härteausgleichs

Mit Berücksichtigung des Härteausgleichs (§ 19 Abs. 3 ErbStG)

+1€

+1€

Steuerpfl. Erwerb

512.001 €

512.000 €

512.001 €

Steuersatz StKl. II

27 %

22 %

27 %

+ 25.600 € Steuerschuld

138.240 €

1/2 des die letztvorhergehende Wertgrenze übersteigenden Betrags (3/4 ab Steuersatz > 30 %)

+ 25.600 €

112.640 €

112.640 + 0,5 €

Beispiel

Abbildung 204: Auswirkung des Härteausgleichs Der Grubenarbeiter Ricky verstirbt am 27.2.2004. Er hinterlässt seine Frau Mona und den 7-jährigen Sohn Phil. Zum Nachlass gehören zwei Eigentumswohnungen (Steuerwert je 340.000 €), 10.000 Aktien (Wert je Aktie: 23,4 €), Barvermögen (Steuerwert 250.000 €), ein Auto (Steuerwert 23.500 €) und Hausrat (Steuerwert 57.000 €). Zum Kauf der Aktien hat Ricky einen Kredit aufgenommen, der noch mit 84.700 € valutiert. Das Erbe wird zwischen Ehefrau und Sohn gleichmäßig aufgeteilt.

419

Lösung

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

Der Übergang des Vermögens auf Mona und Phil unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer und zwar als Erwerb durch Erbanfall. 2 x Eigentumswohnung Aktien 10.000 x 23,4 € = Barvermögen Auto bewegliche körperliche Gegenstände § 13 Hausrat Freibetrag für Hausrat § 13

./. =

23.500 € 20.600 € 2.900 €

./. =

57.000 € 82.000 € 0€

Vermögensanfall Nachlassverbindlichkeiten Erbfallkosten Bereicherung der Erwerber Mona: 535.950 € 307.000 € 256.000 € 0€

Bereicherung ./. Persönlicher Freibetrag ./. Versorgungsfreibetrag Steuerpflichtiger Erwerb = abgerundet Steuersatz Festzusetzende Steuer Æ keine Steuer

Härteausgleich für Phil: Letztvorhergehende Wertgrenze Steuersatz bis Wertgrenze Steuer Wertgrenze übersteigender Betrag: 33.900 € (= 289.900 € ./. 256.000 €) Hälfte des übersteigenden Betrags (Steuersatz unter 30 %) Steuer

+ +

680.000 € 234.000 € 250.000 €

+

2.900 €

+ 0€ = 1.166.900 € ./. 84.700 € ./. 10.300 € = 1.071.900 €

x =

Phil: 535.950 € 205.000 € 41.000 € 289.950 € 289.900 € 15 % 43.485 €

x =

256.000 € 11 % 28.160 €

+ =

16.950 € 45.110 €

./. ./. =

Die festzusetzende Steuerschuld für Phil beträgt 43.485 €. Der Härteausgleich des § 19 Abs. 3 ErbStG ist nur anzuwenden, falls dieser für den Steuerpflichtigen von Vorteil wäre. Dies ist hier nicht der Fall. Gem. H 75 ErbStH „Härteausgleich“ ist durch den Härteausgleich ein Vorteil gegeben, wenn der steuerpflichtige Erwerb zwischen 256.000 € und 285.200 € liegt. Um auf einen Blick zu sehen, ob der Härteausgleich für den Steuerpflichtigen von Vorteil ist, enthält H 75 ErbStH „Härteausgleich“ eine Tabelle mit den Grenzwerten zur Anwendung des Härteausgleichs. Dort ist jeder Progressionsstufe derjenige Wert zugeordnet, bis

420

Ermittlung der Steuerschuld

zu dem der Härteausgleich vorteilhaft ist. Im Eingangsbeispiel kann der Steuerpflichtige den Härteausgleich also anwenden, solange sein steuerpflichtiger Erwerb zwischen 512.001 € und 623.300 € beträgt. Darüber bis zur nächsten Progressionsstufe von 5.113.000 € ist der Härteausgleich unbeachtlich. Merke: Der Härteausgleich ist immer zu prüfen.

Da die Anwendungen dieser in H 75 ErbStH enthaltenen Tabelle oftmals zu Verwirrungen führt, wird sie im Folgenden abgebildet und erläutert. Wertgrenze gem. § 19 Abs. 1 ErbStG Euro 52.000 256.000 512.000 5.113.000 12.783.000 25.565.000 über 25.565.000

Härteausgleich gem. § 19 Abs. 3 ErbStG bei Überschreiten der letztvorhergehenden Wertgrenze bis einschließlich … Euro in Steuerklasse I II III ---59.800 63.500 57.300 285.200 301.700 329.100 578.000 623.300 588.700 5.870.400 5.707.500 6.015.200 15.006.100 14.464.900 15.522.200 29.399.700 27.756.200 28.632.700

Die Tabelle führt in der linken Spalte die Wertgrenzen des § 19 Abs. 1 ErbStG auf. Diesen werden in Abhängigkeit der Steuerklasse diejenigen Beträge zugeordnet, bis zu denen der Härteausgleich vorteilhaft für den Steuerpflichtigen ist. Jedoch ist die Finanzverwaltung hierbei um eine Zeile „verrutscht“. Für einen Steuerpflichtigen der Steuerklasse I beispielsweise ist der Härteausgleich anzuwenden, wenn sich der steuerpflichtige Erwerb zwischen 52.000 € und 57.300 € bewegt. Ist der Härteausgleich zu berechnen, so empfiehlt es sich aus klausurtechnischen Gründen, dies stets nach dem in Abbildung 79 bereits angegebenen Schema vorzunehmen.

8.5.3 Tarifbegrenzung Ist in einem steuerpflichtigen Erwerb einer natürlichen Person der Steuerklasse II oder III Betriebsvermögen oder eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft enthalten, ist von der tariflichen Erbschaftsteuer ein Entlastungsbetrag abzuziehen (§ 19a Abs. 1 ErbStG). Der Erwerb durch juristische Personen ist nicht begünstigt. Die Voraussetzungen für die Tarifbegrenzung sind mit den Anforderungen des § 13a ErbStG identisch. So zählen ganze Gewerbebetriebe oder Teilbetriebe in der Rechtsform

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

421

einer Personengesellschaft, Mitunternehmerschaften und das Vermögen von Freiberuflern (§ 19a Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 5 ErbStG) zum begünstigten Vermögen. Zusätzlich werden auch Anteile an Kapitalgesellschaften begünstigt, deren Sitz oder Geschäftsleitung sich im Inland befindet, falls der Erblasser oder Schenker zu mindestens einem Viertel unmittelbar am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt war (§ 19a Abs. 2 Nr. 3 ErbStG). Gleichermaßen gilt die Behaltensvorschrift, nach der ein Betrieb nicht innerhalb von fünf Jahren nach Erwerb vom Erwerber veräußert oder aufgegeben werden darf (§ 19a Abs. 5 ErbStG). Die Tarifbegrenzung sieht vor, dass übergehendes Produktivvermögen unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis des Erblassers und des Erben mit den Steuersätzen der Steuerklasse I unterliegen soll. Dazu ist ein Entlastungsbetrag auf die Steuerschuld wie folgt zu ermitteln: Unter Verwendung der tatsächlichen Steuerklasse des Erwerbers wird die Steuer berechnet. Dabei ist der Härteausgleich zu berücksichtigen. Aus der ermittelten Steuerzahllast ist die Steuer herauszurechnen, die auf den Betrieb entfällt. Hierzu ist das Verhältnis zwischen dem Wert für Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 95 ff. BewG) unter Berücksichtigung der Freibeträge des § 13a ErbStG und dem Wert des gesamten Vermögensanfalls maßgebend. Durch Multiplikation der Steuerschuld mit dem sich ergebenden Verhältnis berechnet sich diejenige Steuer, die auf das Betriebsvermögen entfällt.

2. Schritt:

Sodann ist diejenige fiktive Steuerschuld zu berechnen, die sich bei Anwendung des Steuersatzes der Steuerklasse I auf die gesamte Bereicherung ergeben würde. Der Steuersatz wird also auf den ermittelten steuerpflichtigen Erwerb angewandt und davon erneut der Betrag ermittelt, der auf den Betrieb entfällt.

3. Schritt:

Der Entlastungsbetrag ermittelt sich als Differenz aus der Steuerschuld auf das Betriebsvermögen mit dem Steuersatz der tatsächlichen Steuerklasse und der Steuerschuld auf das Betriebsvermögen aufgrund des Steuersatzes der Steuerklasse I. Ab dem 1.1.2004 können lediglich 88 % der Differenz von der ursprünglich ermittelten Steuerschuld abgezogen werden. Es ergibt sich die festzusetzende Erbschaftsteuer.

Beispiel

1. Schritt:

Bill bekommt von einer Freundin Pai Mei (StKl. III) einen Betrieb vermacht. Aus der Vermögensaufstellung ergibt der Wert des Betriebsvermögens in Höhe von 1.345.000 €. Zusätzlich erhält Bill ein Grundstück (Steuerwert 335.000 €), ein Sparbuch (Steuerwert 17.600 €) und Hausrat (Steuerwert 12.300 €). Der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG soll aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt werden.

422

Ermittlung der Steuerschuld

Lösung

Bei der Ermittlung der Steuerschuld sind die besonderen Vorschriften zur Besteuerung von Betriebsvermögen zu beachten. Für Bill ergibt sich die Steuerschuld wie folgt: Betriebsvermögen Freibetrag § 13a verbleiben Bewertungsabschlag (35 %)

1.345.000 € ./. 225.000 € = 1.120.000 € ./. 392.000 €

Ermäßigter Wert des BV Grundvermögen Sparbuch

=

Hausrat Freibetrag für Hausrat

+ ./.

12.300 € 10.300 €

=

2.000 €

728.000 €

Vermögensanfall Erbfallkosten Bereicherung des Erben Persönlicher Freibetrag Steuerpflichtiger Erwerb

+ +

728.000 € 335.000 € 17.600 €

+ = ./. = ./. =

2.000 € 1.082.600 € 10.300 € 1.072.300 € 5.200 € 1.067.100 €

x =

1.067.100 € 35 % 373.485 €

1. Schritt:

Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz (StKl. III) Steuer (kein Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG) Ermäßigter Wert des BV Gesamten Vermögensanfall Steuer auf das BV:

=

728.000 1.082.600

= 0,6725

Steuer x Faktor = 373.485 € x 0,6725 = 251.168 €

2. Schritt:

Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz (StKl. I) Steuer

x =

1.067.100 € 19 % 202.749 €

(kein Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG) Steuer auf das BV:

Steuer x Faktor = 202.749 € x 0,6725 = 136.348 €

423

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld 3. Schritt: Differenz: 251.168 € ./. 136.348 € Davon 88 % = Kürzungsbetrag

Steuer ohne Begünstigung Kürzungsbetrag zu zahlende Steuer

= 114.820 € = 101.042 € ./. =

373.485 € 101.042 € 272.443 €

Unter Berücksichtigung der Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG ergibt sich eine festzusetzende Steuer in Höhe von 272.443 €.

8.5.4 Übernahme der Steuer Übernimmt der Erblasser bzw. der Schenker die Steuerlast für seine unentgeltliche Vermögensübertragung selbst oder hat er diese einer anderen Person als dem Erwerber aufgelegt, ist hierin selbstverständlich eine erneute Bereicherung des Erwerbers zu sehen (§ 10 Abs. 2 ErbStG). Im Erbfall könnte z.B. die Steuer einem anderen als dem Begünstigten auferlegt werden, um die Substanz einer Übertragung zu sichern. So muss der Erbe das ihn zugedachte Haus nicht sofort wieder verkaufen, um die Erbschaftsteuer derart entrichten zu können. Im Falle einer Schenkung könnte dieser Grund ebenfalls zu einer Übernahme der Steuer durch den Schenker oder einer dritten Person führen. Für die Praxis ist der Übernahme der Steuer meist in den Fällen relevant, in denen Vermögen an Personen übertragen wird, denen nur geringe Freibeträge zustehen. Schenkt der Geber seiner Lebensgefährtin (Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG von 5.200 €) beispielsweise ein Haus, um Ihr Auskommen in der Zukunft zu sichern, würde er gleichzeitig auch die Schenkungssteuer entrichten, so dass die Lebensgefährtin das Haus behalten kann. Offenkundig ist im Falle einer Übernahme der Erbschafts- bzw. Schenkungsteuer auch diese der Steuer zu unterwerfen. Hierzu ist der Steuerbetrag zu ermitteln, der sich ergeben würde, wenn der Erwerber die Steuer selbst bezahlen würde. Diese Steuerschuld ist dann einmalig dem steuerpflichtigen Erwerb zuzuschlagen. Von dem um die Steuerschuld erhöhten steuerpflichtigen Erwerb ist nach Maßgabe des Erbschaftsteuergesetzes erneut die Steuer zu ermitteln. Der die ursprünglich ermittelte Steuer übersteigende Teil entspricht der zu übernehmenden Steuer durch den Schenker oder einer dritten Person. Im Falle der Übernahme der Steuer sind, nach einmaligem Zuschlag der „geschenkten“ Steuer, keine weiteren Zuschläge vorzunehmen, obwohl sich aus dem um die „geschenkte“ Steuer erhöhte steuerpflichtige Erwerb wiederum eine höhere Steuer ergeben würde (keine Perpetuierung). Der Gesetzgeber vereinfacht in diesem Fall zu Gunsten des Steuerpflichtigen.

424

Ermittlung der Steuerschuld

Steuerschuld ohne Übernahme der Schenkungsteuer

Steuerschuld bei Übernahme der Schenkungsteuer

Schenkung 100.000 €

Schenkung 103.416 €

51.200 € 48.800 € 7%

3.416 €

Einmaliger Zuschlag auf den Steuerwert der Schenkung

51.200 €

Freibetrag StKl. I

52.200 €

Steuerpfl. Erwerb (abgerundet)

11 %

3.740 €

Steuersatz StKl. I Steuerschuld (Härteausgleich beachten)

Beispiel

William A. McNamara erbt von seinem Vater verschiedene Gegenstände. Aus dem Erwerb ergibt sich ein steuerpflichtiger Erwerb von 500.000 €. Weil Williams Mutter über ein hohes Vermögen verfügt, ist vereinbart, dass sie die Erbschaftsteuer übernimmt.

Lösung

Abbildung 205: Ermittlung der Steuerschuld bei Übernahme der Steuer

In der Übernahme der Erbschaftsteuer ist eine Bereicherung für William zu sehen, auf die ebenfalls Erbschaftsteuer erhoben wird. Steuerpflichtiger Erwerb 500.000 € Steuersatz x 15 % Steuer = 75.000 € (kein Härteausgleich) Steuerpflichtiger Erwerb bei Übernahme der Steuer Steuersatz Steuer Härteausgleich Letztvorhergehende Wertgrenze Steuersatz bis Wertgrenze Steuer Wertgrenze übersteigender Betrag: 63.000 € (= 575.000 € ./. 512.000 €) Hälfte des übersteigenden Betrags (Steuersatz unter 30 %) Steuer

575.000 € x 19 % = 109.250 €

x =

512.000 € 15 % 76.800 €

+ 31.500 € = 108.300 €

Die Mutter von William McNamara hätte 108.300 € Steuern zu zahlen für den Fall, dass sie die Erbschaftsteuer für ihren Sohn übernehmen möchte.

425

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

8.6 Zahlungsformen für die Steuerschuld 8.6.1 Renten, Nutzungen und Leistungen Bekommen Erben eine Rente, wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen zugewandt, ist auf Basis deren Kapitalwerts die Steuerschuld zu ermitteln. Dadurch kann wegen eines hohen Kapitalwerts eine Steuer ermittelt werden, die die Erben mangels ausreichender liquider Mittel nicht sofort begleichen können. In diesem Fall würde die Steuerlast zu einer unbilligen Härte für die Erwerber führen. § 23 ErbStG beugt diesem Liquiditätsproblem vor und räumt jedem Erwerber ein Wahlrecht ein. So ist es den Erwerbern überlassen, die Rente sofort auf Basis des Kapitalwerts zu versteuern oder die Steuer in Jahresraten zu erbringen. Die Jahresrate bezieht sich dabei auf den Jahreswert der Rente. Diese u.U. vorteilhafte Zahlungsweise wird den Erwerbern jedoch nur auf Antrag gewährt. Ausgangsbasis für die Berechnung der zu zahlenden jährlichen Steuerraten ist der Jahreswert, der sich nach den §§ 15 und 16 BewG ergibt und auch die Grundlage zur Ermittlung des Kapitalwerts der Rente bildet. Dabei erfolgt die Besteuerung des Jahreswerts jeweils am Todestag des Erblassers. Der Jahreswert berücksichtigt daher alle Umstände im Besteuerungszeitpunkt. Zu zahlen sind die Steuerraten bis zum Tod des Steuerpflichtigen. Die Steuer ist jährlich im Voraus vom Jahreswert zu entrichten. Dabei wird der jährliche Erwerb der Rente jedes Jahr erneut besteuert. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Abzinsung der Steuer auf den Kapitalwert.

Kapitalwert

1. J

= Bemessungsgrundlage für Sofortbesteuerung

2. J

3. J

4. J

5. J

Bemessungsgrundlage für die jährliche Besteuerung t

X Steuersatz für den Gesamterwerb (inklusive Kapitalwert der jährlichen Leistung) =

jährliche Steuerschuld

Abbildung 206: Jahresversteuerung einer wiederkehrenden Leistung

426

Zahlungsformen für die Steuerschuld

Die Steuer wird nach dem Steuersatz erhoben, der sich nach § 19 ErbStG für den gesamten Erwerb ergibt. Dieser gesamte Erwerb schließt genauso wie evtl. Vorerwerbe (§ 14 ErbStG) den Kapitalwert der Renten oder wiederkehrenden Nutzungen oder Lasten mit ein. Als steuerpflichtiger Erwerb ist der gesamte Erwerb auf volle 100 € abzurunden (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG). Anschließend ist unter Beachtung des Härteausgleichs die Steuerschuld zu berechnen. Der sich errechnende Steuersatz ist dann auf den Jahreswert anzuwenden. Merke: Renten oder andere wiederkehrende Leistungen können anstatt einmalig mit ihrem Kapitalwert auch wahlweise jährlich auf Basis ihres Jahreswerts besteuert werden. Auf den Jahreswert ist dabei aber derjenige Steuersatz anzuwenden, der sich aufgrund des Gesamterwerbs (inkl. wiederkehrender Leistung) ergibt.

Zur Berücksichtigung der Freibeträge des Steuerpflichtigen werden von der Finanzverwaltung zwei Methoden zugelassen.

Verrechnungsmethoden von Freibeträgen bei wiederkehrenden Leistungen

Aufzehrungsmethode

Kürzungsmethode

Abbildung 207: Methoden der Berücksichtigung der Freibeträge bei wiederkehrenden Leistungen

8.6.1.1 Aufzehrungsmethode Die Aufzehrungsmethode sieht vor, dass die Freibeträge gem. §§ 16 und 17 ErbStG vom Gesamterwerb in Abzug gebracht werden. Sind neben der Rente noch weitere Zuwendungen erfolgt, sind die Freibeträge vorrangig um das Vermögen zu kürzen, das der Sofortversteuerung unterliegt (H 84 ErbStH). Ein verbleibender Freibetrag stellt solange den Jahreswert der Rente steuerfrei, bis die kumulierten Jahreswerte den Restfreibetrag komplett aufgezehrt haben. Im Anschluss daran erfolgt die Versteuerung des Jahreswertes derart, dass der Jahreswert mit dem zuvor ermittelten Steuersatz, der auf den gesamten steuerpflichtigen Erwerb, den Kapitalwert der Rente eingeschlossen, multipliziert wird.

427

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

Umlage des Restfreibetrags auf die Jahreswerte

Vermögensanfall Kapitalwert (Jährliche Besteuerung) Vermögen (Sofortversteuerung)

Vorwegabzug

0. J

Freibetrag

1. J

2. J

3. J

t

Jahr der ersten Steuerzahlung

Beispiel

Herr Harrison (53) erhielt von seiner Frau Kicki am 10.02.2002 100.000 € zugewendet. Bei der Schenkung fiel keine Steuer an. Am 15.06.2004 verstirbt Kicki und hinterlässt ihrem Mann noch eine lebenslängliche Rente von 45.000 € pro Jahr und Barvermögen in Höhe von 265.000 €.

Lösung

Abbildung 208: Aufzehrungsmethode

2004: Kapitalwert der Rente: 45.000 € x 12,253 (Anlage 9 BewG) Vorerwerb Barvermögen Vermögensanfall Freibetrag § 16 ErbStG Freibetrag § 17 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet) Steuersatz Steuer auf Gesamterwerb Anzurechnende Steuer auf Vorerwerb Steuer

+ + = ./. ./. = x = =

551.385 € 100.000 € 265.000 € 916.385 € 307.000 € 256.000 € 353.300 € 15 % 52.995 € 0€ 52.995 €

428

Zahlungsformen für die Steuerschuld (kein Härteausgleich) Steuer auf den Erwerb in 2004: 52.995 €/816.385 € = 0,06491 Freibetrag Sofortversteuerung Restfreibetrag 1. Jahr 2. Jahr : 6. Jahr ab dem 7. Jahr jährlich

./. = ./. ./.

= 6,491 %

563.000 € 265.000 € Æ Sofort fällige Steuer 0 € 298.000 € 45.000 € = 253.000 € 45.000 € = 208.000 €

: ./. 45.000 € =

: 17.000 € 45.000 €

x x

6,491 % 6,491 %

= 1.103,47 € = 2.920,95 €

Da das sofort zu versteuernde Vermögen nicht durch die gesetzlichen Freibeträge aufgezehrt wurde, kommt es zu keiner Steuerschuld im Jahr 2004. Erst ab dem 7. Jahr übersteigen die Rentenzahlungen die gewährten Freibeträge. Daher kommt es ab dem 7. Jahr zu Steuerzahlungen. Diese beträgt zunächst 1.103,47 €, ab dem 8. Jahr bis zum Tode des Steuerpflichtigen dann jedoch 2.920,95 €. Der Antrag auf Besteuerung gem. § 23 ErbStG nach der Aufzehrungsmethode birgt für den Steuerpflichtigen den Nachteil, die jährlichen Steuerraten bis an sein Lebensende zu zahlen. Bei einem überdurchschnittlichen Lebensalter würde er in diesem Fall mehr zahlen, als er nach der Sofortversteuerung des Kapitalwerts zu zahlen hätte. Im Gegenzug entfällt die Besteuerung, falls er vor der Aufzehrung des kompletten Freibetrags verstirbt.

8.6.1.2 Kürzungsmethode Die Kürzungsmethode erfasst die relative Inanspruchnahme der Freibeträge. So ist der Jahreswert in dem Maß zu kürzen, in dem der Kapitalwert durch die Freibeträge gemindert wird. Der Steuertarif ist lediglich auf den verminderten Jahreswert anzuwenden. Diese Verrechnung der Freibeträge muss gem. H 84 ErbStH „Abzug persönlicher Freibeträge“ ebenfalls, wie die Besteuerung nach dem Jahreswert, beantragt werden.

429

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

Kapitalwert

1. J

2. J

3. J

4. J

5. J

t

Bemessungsgrundlage für die jährliche Besteuerung (ohne Freibetrag)

x Kürzungsfaktor = 1 ./.

Freibetrag Kapitalwert Bemessungsgrundlage für die jährliche Besteuerung (mit Freibetrag, Kürzungsmethode)

Beispiel

Malcolm Crowe (Alter 27) erwirbt ein Nutzungsrecht (Jahreswert 15.000 €) von seinem Onkel.

Lösung

Abbildung 209: Kürzungsmethode

Kapitalwert der Rente: 15.000 € x 16,608 (Anlage 9 BewG) Vermögensanfall Freibetrag § 16 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet) Steuersatz Steuer auf Gesamterwerb Kürzungsfaktor = 1 ./.

Freibetrag = 10.300 € Kapitalwert = 249.120 €

./. = x =

249.120 € 249.120 € 10.300 € 238.800 € 17 % 40.596 €

= 1 ./. 0,04134 = 0,9586

Dementsprechend beträgt der anzusetzende Jahreswert lediglich 15.000 € x 0,9586 = 14.379 € pro Jahr. Die Steuer von 14.379 € x 0,17 = 2.444 € ist jährlich im Voraus zu entrichten.

430

Zahlungsformen für die Steuerschuld

8.6.1.3 Ablösung der Jahressteuer Dem Erwerber steht das Recht zu, wenn er die Jahresversteuerung beantragt hat, die Jahressteuer zum jeweils nächsten Fälligkeitstermin mit ihrem Kapitalwert abzulösen. Dieser Schritt kann speziell für jüngere Steuerpflichtige vorteilhaft sein, da mit zunehmendem Alter die statistische Lebenserwartung weiter steigt und sehr hohe Kapitalwerte liefert. Dieser Effekt ergibt sich aufgrund der Sterbetafel der Bundesrepublik Deutschland. So wird erwartet, dass ein junger Mann im Alter von 20 Jahren durchschnittlich noch 53 Jahre zu leben hat. Einem 73-jähriger Mann (= 20 J. + 53 J.) verbleiben im Schnitt aber immer noch 9 Jahre. Zusätzlich ist es vorteilhaft, bei einer geplanten Ablösung während der Laufzeit der Jahresversteuerung die Kürzungsmethode zu wählen, da in diesem Fall nur der Kapitalwert auf die angepasste Jahressteuer zu entrichten ist. Der Antrag auf Ablösung ist spätestens bis zum Beginn des Monats zu stellen, der dem Monat vorausgeht, in dem die nächste Jahressteuer fällig wird (§ 23 Abs. 2 ErbStG).

Lösung

Abzulösen ist die Jahressteuer mit ihrem Kapitalwert, der sich unter Berücksichtigung der §§ 13 und 14 BewG errechnet. Der Kapitalwert der Rente oder Leistung ist vollkommen unbeachtlich. Für die Ermittlung des Ablösungsbetrags ist daher das Lebensalter der Person oder bei einer befristeten Rente deren Restlaufzeit ausschlaggebend. Ablösung der Jahressteuer nach 13 Jahren:

Zu berechnen ist der Kapitalwert der Jahressteuer für den mittlerweile 40-jährigen Malcolm Crowe. Kapitalwert der Steuer: 2.444 € x 14,945 (Anlage 9 BewG) = 36.525 € Durch eine Einmalzahlung von 36.525 € könnte Jimmy seine Steuerschuld begleichen.

Ist eine spätere Ablösung der Jahressteuer vom Steuerpflichtigen geplant, ist die Kürzungsmethode vorteilhaft. Hier wird die Jahressteuer nicht auf den Jahreswert der Rente ermittelt, sondern lediglich auf den im Verhältnis von Freibetrag zu Kapitalwert gekürzten Jahreswert.

8.6.2 Besteuerung bei Nutzungs- und Rentenlasten Ist das vererbte Vermögen mit einer Rentenverpflichtung oder mit einer Verpflichtung zu sonstigen wiederkehrenden Leistungen (im Sinne der §§ 13 und 14 BewG) zugunsten des Schenkers bzw. der Ehefrau des Verstorbenen oder Schenkers belastet, verbietet § 25

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

431

ErbStG den Abzug dieser Schuld als Nachlassverbindlichkeit. Dieses Abzugsverbot widerspricht jedoch dem Bereicherungsprinzip. Der Empfänger, der ein Gut erhält, dieses aber nicht nutzen darf, ist nicht um den Gesamtwert des Gutes bereichert. Formal richtig müsste ihm gestattet sein, den Kapitalwert des Nutzungsrechts vom Wert des Gutes abzuziehen. Dies würde ihm allerdings die Möglichkeit der Steuerumgehung eröffnen. Vererbt ein Vater beispielsweise seinem Sohn sein Haus, bedingt sich aber ein Wohnrecht für seine Frau aus, ist die Bereicherung des Sohnes um den Kapitalwert des Wohnrechts zu kürzen. Nimmt die Ehefrau das Wohnrecht – nach Absprache – aber überhaupt nicht in Anspruch, ist der Sohn nicht durch das Wohnrecht belastet. Er dürfte den Wert der Auflage daher nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen. Jedoch ist ein Nachweis, ob das Wohnrecht tatsächlich wie steuerlich zugrunde gelegt in Anspruch genommen wird, für die Finanzverwaltung nur schwer möglich. Bei Auflagen zugunsten des Schenkers oder des Ehegatten des Schenkers bzw. des Erblassers sieht der Gesetzgeber diese Gefahr am stärksten. Da eine Kontrolle der Inanspruchnahme derartiger Rechte äußerst aufwendig wäre, hat der Gesetzgeber § 25 ErbStG erlassen. Merke: § 25 ErbStG soll die Steuerumgehung verhindern. Nutzungsrechte, die dem Schenker oder seinem Ehegatten oder dem Ehegatten des Erblassers begünstigen, sind nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Der Wert, der auf das Nutzungsrecht entfällt, wird lediglich bis zum Erlöschen des Nutzungsrechts gestundet.

Der Kapitalwert der Leistung ist somit nicht vom Vermögensanfall abziehbar, sondern der auf diesen entfallende Steuerbetrag ist lediglich bis zum Erlöschen der Belastung zinslos zu stunden (§ 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG). Somit entfällt während des Bestehens des Nutzungsrechts nur die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auf das Vermögen abzüglich des Nutzungsrechts, nicht aber auf das Nutzungsrecht selbst. Sobald der Steuerpflichtige frei über das Gut verfügen kann, ist die Steuer für das Nutzungsrecht zu entrichten. In den Fällen einer Schenkung unter Lebenden ist diese Vorschrift von größerer Bedeutung, da sich der Schenker oft selbst oder seiner Ehefrau eine Gegenleistung für die Schenkung einräumt. Wie bereits im Kapitel „Verbindlichkeiten bei der Schenkung“112 erläutert, gilt § 25 ErbStG hier nur eingeschränkt. § 25 ErbStG ist lediglich bei der Schenkung unter Duldungsauflage heranzuziehen. Diese Duldungsauflage darf also nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, sondern ist für die Laufzeit zu stunden. Auflagen in der Ausgestaltung einer Leistungsauflage unterliegen nicht § 25 ErbStG, da hier eine Steuerumgehung nicht zu befürchten ist. Ob eine Leistung, z.B. die Zahlung einer Rente tatsächlich erbracht wurde, ist wesentlich leichter beleg- und kontrollierbar, als z.B.

112

Vgl. Kapitel III 7.3.

432

Zahlungsformen für die Steuerschuld

ob der Ehegatte sein Wohnrecht tatsächlich wahrnimmt. Daher ist im Fall einer Leistungsauflage die Gegenleistung anteilig bei der Ermittlung des Vermögensanfalls berücksichtigt.

Auflage zugunsten des Schenkers oder des Ehegatten des Erblassers bzw. Schenkers Erwerb von Todes wegen

Schenkung unter Lebenden

Duldungsauflage Abzugsverbot (§ 25 ErbStG) = Stundung

Leistungsauflage Kein Abzugsverbot (§ 25 ErbStG)

Abbildung 210: Anwendungsbereich des § 25 ErbStG Der Stundungsbetrag ist die Differenz zwischen der Steuer ohne Abzug der Belastung und der Steuer, die sich nach Berücksichtigung des Abzugs der Last ergeben hätte. Der Stundungsbetrag ist zwar untrennbarer Bestandteil der Steuerfestsetzung, ist aber bis zum Erlöschen der Belastung zinslos zu stunden.

Wert der Auflage Steuerpflichtiger Erwerb ohne Abzug der Auflage

Steuer ohne Abzug der Auflage ./. Steuer nach Abzug der Auflage = Steuer auf die Auflage

Steuerpflichtiger Erwerb nach Abzug der Auflage

Zinslos zu stunden Abbildung 211: Ermittlung des Steuerbetrags auf die Auflage Mit dem Wegfall der Belastung durch beispielsweise den Tod des Rentenberechtigten oder eine vorzeitige Ablösung durch den Verpflichteten wird die Steuer fällig. Die Finanzverwaltung räumt dem Steuerpflichtigen sodann ein einmonatiges Zahlungsziel ein. Der Steuerpflichtige kann die Steuer allerdings auf Antrag jederzeit ablösen. Die gestundete Steuer ist dabei als unverzinsliche Schuld anzusehen, und der Nennbetrag ist mit dem für die jeweilige Restlaufzeit anzuwendenden Vervielfältiger abzuzinsen.

433

Beispiel

Timmi schenkt seinem Sohn Winnie ein Haus mit der Auflage, seiner Frau Mareike Falken (75 J.) die Nutzung des Hauses bis zu ihrem Tod zu überlassen. Das Haus hat einen Steuerwert nach § 146 BewG von 540.000 €. Die übliche Monatsmiete liegt bei 1.080 €. Da Winnie momentan kein Geld hat und erst in zwei Jahren über das Geld aus einem Versicherungsvertrag verfügen kann, möchte er die Erbschaftsteuer – soweit möglich – erst in zwei Jahren bezahlen.

Lösung

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

Bei dem Wohnrecht für Mareike handelt es sich um ein Duldungsrecht. Demnach ist § 25 ErbStG zu berücksichtigen, da Mareike Ehegattin von Timmi ist. D.h. Winnie wird der Teil der Erbschaftsteuer, der auf das Duldungsrecht entfällt, gestundet. Vermögensanfall Freibetrag § 16 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet) Steuersatz § 19 ErbStG Steuer (kein Härteausgleich)

540.000 € ./. 205.000 € = 335.000 € x 15 % = 50.250 €

Vermögensanfall 540.000 € Freibetrag § 16 ErbStG ./. 205.000 € Kapitalwert der Duldungsauflage (1.080 € x 12 = 12.960 € < 29.032 € = 540.000 €/18,6) 12.960 x 7,271 (Anlage 9 zum BewG)) ./. 94.232 € = 240.700 € Steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet) Steuersatz § 19 ErbStG x 11 % Steuer = 26.477 € (kein Härteausgleich) Differenz = Steuer auf die Duldungsauflage

= 23.773 €

Winnie ist die Steuer auf die Duldungsauflage in Höhe von 23.773 € bis zum Tod seiner Mutter zu stunden. Dennoch kann er den Kapitalwert der Steuer vorzeitig ablösen. Dazu ist der Steuerbetrag wie eine unverzinsliche Kapitalforderung abzuzinsen. Ablösung nach 2 Jahren: Die Mutter ist mittlerweile 77 Jahre alt. Ihre mittlere Lebenserwartung beträgt noch 9 Jahre (Steuererlasse: Tabelle 6 zu § 12 BewG). Die unterstellte Restlaufzeit der Duldungsauflage entspricht der mittleren Lebenserwartung. Daher ist die Steuerschuld mit dem Vervielfältiger 0,618 (Steuererlasse: Tabelle 1 zu § 12 Abs. 3 BewG) abzuzinsen. 23.773 € x 0,618 = 14.691 € Nach zwei Jahren kann Winnie sich durch einer Zahlung von 14.691 € von seiner Erbschaftsteuerschuld befreien.

434

Zahlungsformen für die Steuerschuld

8.6.3 Mehrfacherwerb § 27 ErbStG begünstigt den mehrfachen Übergang desselben Vermögens. Durch diese Vorschrift soll das Familienvermögen bei kurz aufeinander folgenden Vermögensübergängen vor einem übermäßigen fiskalischen Zugriff geschützt werden. Die Ermäßigung wird jedoch nur gewährt, wenn das Vermögen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Letzterwerb innerhalb der Steuerklasse I übergeben wurde und der Letzterwerb aufgrund von Todes wegen eingetreten ist. Zudem muss das Vermögen wiederum einem Erben der Steuerklasse I zufallen. Der Vorerwerb muss dagegen nicht aufgrund von Todes wegen übergegangen sein. Jedoch muss der Übertragungsvorgang der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegen, wodurch jeder Übergang nach § 1 Abs. 1 ErbStG denkbar ist. Merke: Geht das gleiche Vermögen innerhalb kurzer Zeit mehrmals auf Steuerpflichtige der Steuerklasse I über, wird dieses begünstigt.

Nicht notwendig ist dagegen, dass das Vermögen noch in derselben Form vorhanden ist. Es ist ausreichend, wenn sich die Ersatzwirtschaftsgüter an der Stelle der einzelnen Wirtschaftsgüter befinden. So handelt es sich z.B. bei dem Verkaufserlös von geschenkten Aktien immer noch um dasselbe Vermögen im Sinne der Vorschrift. Eine zwischen den einzelnen Erwerben eingetretene Wertsteigerung kann nicht in die Ermäßigung einbezogen werden, weil gerade in diesem Fall dasselbe Vermögen im Umfang der Wertsteigerung nicht mehrfach besteuert wird. Eine eingetretene Wertminderung hat zur Folge, dass lediglich der geminderte Wert im Zeitpunkt des Nacherwerbs in die Ermäßigung einbezogen wird (R 85a Abs. 1 ErbStR). Der begünstigte Teil des Vermögens wird, wenn sowohl vorher erworbenes und auch eigenes, d.h. nicht begünstigtes Vermögen auf den Letzterwerber übergeht, als Anteil des gesamten Vermögensanfalls berechnet. Die Steuer teilt sich im Verhältnis des begünstigten Vermögens zum Wert des Gesamterwerbs vor persönlichen Befreiungen auf. Der Kürzungsfaktor ist lediglich auf den Steueranteil anzuwenden, der auf das begünstigte Vermögen entfällt. Die Ermäßigung erfolgt in Anbetracht des vergangenen Zeitraums zwischen den Erwerben. Geht innerhalb der zehn Jahresfrist wiederholt begünstigtes Vermögen über, so ist vom jeweiligen Erwerbszeitpunkt auszugehen. Der auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerbetrag ermäßigt sich gem. § 27 Abs. 1 ErbStG wie folgt:

435

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer liegen

um 50 % 45 % 40 % 35 % 30 % 25 % 20 % 10 %

nicht mehr als 1 Jahr mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahre mehr als 2 Jahre, aber nicht mehr als 3 Jahre mehr als 3 Jahre, aber nicht mehr als 4 Jahre mehr als 4 Jahre, aber nicht mehr als 5 Jahre mehr als 5 Jahre, aber nicht mehr als 6 Jahre mehr als 6 Jahre, aber nicht mehr als 8 Jahre mehr als 8 Jahre, aber nicht mehr als 10 Jahre

2,5 Jahre 01.2000

09.2001

03.2004

Vermögen A 100.000 €

Vermögen A 100.000 €

Vermögen A 100.000 €

Vermögen B 200.000 €

Vermögen B 200.000 €

Schenkung Person A

Erbe Person B

StKl. I

Person C StKl. I

Begünstigtes Vermögen

Gesamte Steuerschuld x Vermögen A 1 = Vermögen A+B 3 = Steuerschuld auf das begünstigte Vermögen x 0,40 (Ermäßigungssatz bei 2,5 Jahren) = Ermäßigungsbetrag

Gesamte Steuerschuld ./. Ermäßigungsbetrag = Festzusetzende Steuer

Abbildung 212: Ermäßigungsbetrag bei mehrfachem Erwerb

436

Zahlungsformen für die Steuerschuld

Beispiel

Bei einem Autounfall auf eisiger Fahrbahn am 25.12.2003 werden die Eltern Guy und Sybilla von Lusignan schwer verletzt. Guy verstirbt noch am der Unfallort. Seine Frau erbt das Vermögen (Haus: Steuerwert 2003: 750.000 €, Steuerwert 2005: 720.000 €). Jedoch erwacht Sybilla nicht mehr aus dem Koma und stirbt am 24.03.2005. Ihr Sparbuch (Steuerwert 57.600 €) geht nun zusammen mit dem Haus auf Ihre Tochter Henrietta (Alter 32) über.

Lösung

Bei der Ermittlung des Ermäßigungsbetrags ist die Höchstbetragsregelung des § 27 Abs. 3 ErbStG zu beachten. Nach dieser Vorschrift darf der nach § 27 Abs. 1 ErbStG ermittelte Betrag denjenigen Betrag nicht übersteigen, der sich aus der Anwendung des Ermäßigungssatzes auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögen entrichtet hat.

Erwerb Sybilla: Haus Freibetrag §§ 16, 17 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz Steuer Erwerb Henrietta: Haus Sparbuch Vermögensanfall Freibetrag § 16 ErbStG Steuerpflichtiger Erwerb Steuersatz Steuer Härteausgleich: 512.000 x 15 % +

572.600 – 512.000 2

./. = x =

750.000 € 563.000 € 187.000 € 11 % 20.570 €

+ = ./. = x =

720.000 € 57.600 € 777.600 € 205.000 € 572.600 € 19 % 108.794 €

= 107.100 €

Steuerschuld auf das begünstigte Vermögen: 720.000 107.100 € x = 99.166 € 777.600 Gem. § 27 ErbStG ist die Steuerschuld um 45 % (zwischen 1 und 2 Jahren) zu ermäßigen. Ermäßigungsbetrag: 99.166 € x 0,45 = 44.624 €

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld

437

Jedoch ist die Höchstbetragsregelung des § 27 Abs. 3 ErbStG zu beachten. Sie verlangt, dass der ermittelte Ermäßigungssatz nach Abs. 1 den Wert 9.256 € (= 20.570 x 0,45) nicht übersteigt. Somit ergibt sich eine Steuerschuld für Henrietta von: Steuer Ermäßigungsbetrag Steuerschuld

107.100 € ./. 9.256 € = 97.844 €

8.6.4 Stundung der Steuer auf Produktivvermögen Auf Antrag des Steuerpflichtigen kann die Steuer, die auf einen Gewerbebetrieb entfällt, bis zu zehn Jahren gestundet werden (§ 28 Abs. 1 ErbStG). Diese Stundungsregelung dient der Sicherung des Betriebs, da ein sofortiger Liquiditätsentzug unterbleibt. Daher wird diese Stundung auch nur gebilligt, sofern diese für den Erhalt und den Fortbestand des Betriebs notwendig ist. Aus welchen Gründen das Betriebsvermögen übergeht, ist für die Anwendung der Stundungsvorschrift in § 28 ErbStG unbeachtlich. Das Betriebsvermögen im Sinne des § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. §§ 95 ff. BewG ist begünstigt, soweit das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz i.V.m. dem Bewertungsgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt oder zulässt. Ausgenommen von der Vorschrift zur Stundung sind Anteile an Kapitalgesellschaften, falls diese im Privatvermögen gehalten werden. Dies gilt auch für wesentliche Beteiligungen (> 25 %). Bei Prüfung, ob eine Stundung für den Erhalt des Betriebs notwendig ist, muss festgestellt werden, ob der Steuerpflichtige die Steuer aus weiterem erworbenen Vermögen oder aus seinem eigenen Vermögen begleichen könnte.113 Ist dies nicht der Fall und müsste der Erwerber den Betrieb wegen der Sofortzahlung wesentlich einschränken oder liquidieren, ist diese Notwendigkeit gegeben. Damit besteht ein Rechtsanspruch auf Stundung. Gestundet wird jedoch nur die anteilige Steuer, die auf den Erwerb des Betriebs entfällt. Daher ist das Verhältnis von Betriebsvermögen zur gesamten Bereicherung auf die zu zahlende Steuer zu übertragen.

Betriebsvermögen Gesamtwert der Bereicherung

x Steuerschuld =

Anteilige Steuerschuld des Betriebsvermögens

Hieraus ergibt sich der entsprechende Anteil an der Steuer. Gegenübergestellt werden das Betriebsvermögen und das übrige Vermögen nach dem Abzug aller Nachlassverbindlich113

Vgl. BFH v. 11.05.1988, II-B-28/88, BStBl. II 1988, S. 730; R 86 Abs. 2 Satz 1 ErbStR.

438

Zahlungsformen für die Steuerschuld

keiten. Können Nachlassverbindlichkeiten einem der beiden Vermögensarten (Betriebs- vs. übriges Vermögen) zugeordnet werden, sind diese vorab von dieser Vermögensart abzuziehen. Die verbleibenden Nachlassverbindlichkeiten, die den gesamten Nachlass betreffen, sind im Verhältnis der Werte der Vermögensarten aufzuteilen und von diesen abzuziehen. Somit ergibt sich der Wert der Vermögensarten nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten.

1. Schritt Ermittlung der Steuerschuld

2. Schritt Aufteilung der Steuerschuld auf das Betriebs- und das übrige Vermögen

3. Schritt Zahlung der Steuerschuld auf das übrige Vermögen. Stundung der Steuer auf das Betriebsvermögen

Steuerschuld

x Wert des Betriebsvermögen Wert der gesamten Bereicherung

Steuer auf das Betriebsvermögen

Steuer auf das übrige Vermögen

Beispiel

Sonny Truelove (StKl. I) erbt von seiner Frau einen Gewerbebetrieb mit einem Steuerwert von 1.500.000 €. Zusätzlich geht noch ein bebautes Grundstück mit einem Steuerwert von 750.000 € über, auf dem noch eine Grundschuld in Höhe von 150.000 € lastet. An Bestattungs- und Notarkosten fallen insgesamt 32.000 € an. Vom Finanzamt werden 207.043 € Erbschaftsteuer festgesetzt. Liquides Vermögen hat Sonny nicht.

Lösung

Abbildung 213: Steuerstundung auf das Betriebsvermögen

Der Wert des Gewerbebetrieb beträgt 1.500.000 €. Dieser wird zusätzlich durch § 13a ErbStG begünstigt. Aufgrund mangelnder liquider Mittel würde die Steuerschuld bei sofortiger Zahlungspflicht den Betrieb in seinem Bestand gefährden. Sonny hat daher eine Anspruch auf Stundung (§ 28 ErbStG). Der zu stundende Betrag ermittelt sich wie folgt: Gewerbebetrieb §§ 95 ff. BewG Freibetrag § 13a Abs. 1 ErbStG Hiervon 65 % § 13a Abs. 2 ErbStG Wert des sonstigen Vermögens: Grundvermögenswert §§ 138 ff. BewG

1.500.000 € ./. 225.000 € = 1.275.000 €

= 828.750 €

= 750.000 €

Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Steuerschuld Bruttoerwerb des sonstigen Vermögens Zurechenbare Nachlassverbindlichkeiten (vorab) Zwischenwert

439 750.000 € ./. 150.000 € = 600.000 €

Die 32.000 € Nachlassverbindlichkeiten können keiner der beiden Vermögensarten eindeutig zugeordnet werden. Die Aufteilung erfolgt daher entsprechend der bis dato ermittelten Vermögenswerte. 32.000 € x

828.750 € 828.750 € + 600.000 €

= 18.562 €

32.000 € x

600.000 € 828.750 € + 600.000 €

= 13.438 €

Vermögenswerte nach Aufteilung der aller Nachlassverbindlichkeiten. Betriebsvermögen: Übriges Vermögen:

828.750 € ./. 18.562 € = 810.188 € 600.000 € ./. 13.438 € = 586.562 €

Durch die Anwendung dieses Verhältnisses auf die Steuerschuld ergibt sich der zu stundenden Betrag. 810.188 € 207.043 € x = 120.095 € 810.188 € + 586.562 € Für die Stundung nach § 28 ErbStG sind die Vorschriften der Abgabenordnung über die Stundungszinsen anzuwenden (§§ 234 und 238 AO). Somit ist die Steuerschuld mit einem Zinssatz von 0,5 % je Monat zu verzinsen. Dies gilt für alle Erwerbe, mit der Ausnahme des Erwerbs von Todes wegen.

440

Angaben

Bereicherung des Erwerbers ./. ggf. steuerfreier Zugewinnausgleich

§ 5 Abs. 1 ErbStG

+ ggf. hinzuzurechnende Vorerwerbe

§ 14 ErbStG

./. Persönliche Freibeträge

§ 16 ErbStG

./. Besonderer Versorgungsfreibetrag

§ 17 ErbStG

= Steuerpflichtiger Erwerb (abzurunden auf volle hundert Euro) x Steuertarif Härteausgleich

§ 19 ErbStG § 19 Abs. 3 ErbStG

Tarifbegrenzung für Erwerb von Betriebsvermögen

§ 19a ErbStG

Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen

§ 23 ErbStG

Besteuerung von Nutzungs- und Rentenlasten

§ 25 ErbStG

Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens

§ 27 ErbStG

Stundung der Steuer auf das Betriebsvermögen

§ 28 ErbStG

= Festzusetzende Erbschaftsteuerschuld

Abbildung 214: Übersicht zur Ermittlung der festzusetzenden Erbschaftsteuer

8.7 Erlöschen der Steuer Die Steuerschuld in Höhe der festgesetzten Erbschaftsteuer erlischt mit ihrer Zahlung. In besonderen Fällen ist jedoch § 29 ErbStG zu beachten. Danach ist von der Besteuerung abzusehen, wenn der ursprünglich Bereicherte auf Grund eines Vertrages um das Steuerobjekt entreichert ist oder er das Vermögen einer gemeinnützigen Organisation überträgt.

9 Abschlussfall 9.1 Angaben John Hartigan (77 Jahre) und seine Frau Nancy Callahan (28 Jahre) leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in Ingolstadt. Am 19.03.2005 verstirbt John nach einem Autounfall und hinterlässt neben seiner Frau noch den gemeinsamen Sohn Marv (9 Jahre). Gemäß dem Testament von John hinterlässt er seiner Frau Nancy 70 % und seinem Sohn Marv die verbleibenden 30 % des Nachlasses. Im Wege des Vorausvermächtnis-

441

Abschlussfall

ses soll der Mitunternehmeranteil an der Fair-Trade-OHG auf Nancy übergehen. Dafür soll sie die Kosten der Grabpflege übernehmen. Zum Ausgleich für den Mitunternehmeranteil vermacht John ebenfalls im Wege eines Vorausvermächtnisses seinem Sohn Marv das am Starnberger See gelegene Mehrfamilienhaus. Allerdings räumte er seiner Frau Nancy dort ein lebenslanges Wohnrecht für eine der vier Wohnungen ein. Die Notarkosten für das Umschreiben beider Gebäude soll allerdings Marv alleine tragen. Zum Vermögen des John Hartigan gehört: 1. Ein Zweifamilienhaus (Verkehrswert 800.000 €) in Ingolstadt: Das Grundstück hat eine Größe von 950 qm. Der Bodenrichtwert beträgt pro Quadratmeter 225 €. Das Haus wurde 1999 errichtet. John Hartigan bewohnte mit seiner Frau und seinem Sohn die eine Haushälfte, die andere vermietete er monatlich für 2.200 €. 2. Ein am Starnberger See gelegenes Mehrfamilienhaus (Verkehrswert 1.200.000 €) mit vier Wohnungen. Das Grundstück hat eine Größe von 1200 qm. Der Bodenrichtwert beträgt 250 €. Das Haus wurde 2001 errichtet. Für jede Wohnung beträgt die monatliche Miete 1.800 €. 3. Ein Anteil an der Fair-Trade-OHG: Die OHG produziert Sicherheitsanlagen für den Gebäudeschutz und hat in ihrer Bilanz verschiedene Maschinen (Bilanzwert 320.000 €), ein unbebautes Grundstück (Bilanzwert 200.000 €; Größe 950 qm / Bodenrichtwert 450 €/qm), Waren (Bilanzwert 280.000 €) und einen Bankguthaben von 45.000 €. John vermietet einen in seinem Eigentum stehenden LKW an die Gesellschaft (Bilanzwert 80.000 €). Verbindlichkeiten gegenüber der Hausbank bestehen in Höhe von 75.000 €. Laut Gewinnverteilungsschlüssel stehen John 70 % des Gewinns zu. 4. Ein Depot mit 550 Aktien der Hard-Goodbye-AG. Die Aktien werden am 19.03.2005 mit einer Kursspanne zwischen 254,6 € und 256,7 € gehandelt. 5. Ein Sparbuch mit einem Guthaben in Höhe von 50.000 €. 6. Hausrat (150.000 €) 7. Auto (30.000 €) 8. Notarkosten für das Umschreiben der Gebäude in Ingolstadt (5.000 €) und am Starnberger See (7.000 €) 9. Sonstige Erblasserschulden (135.000 €) 10. Grabpflege (280 € pro Monat) Darüber hinaus liegen folgende Daten vor:

Anfangsvermögen Endvermögen

Nancy Callahan 250.000 € 1.050.000 €

John Hartigan 2.100.000 € 3.000.000 €

(Diese Zahlen sind bereits gem. H 11 Abs. 3 ErbStH inflationsbereinigt.)

442

Lösung

Beurteilen Sie den Erbvorgang und ermitteln Sie die festzusetzende Erbschaftsteuer für Nancy und Marv unter der Berücksichtigung, dass beide sofort ihre Erbschaftsteuerschuld begleichen wollen.

9.2 Lösung Allgemein Der Nachlass zu Gunsten der Erben Nancy und Marv unterliegt gem. § 1. Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jeweils als Erweb von Todes wegen der Erbschaftssteuer, und zwar als Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB).

Der Vermögensanfall unterliegt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in den Fällen Nancys und Marvs der unbeschränkten Steuerpflicht, da sowohl der Erblasser (John) zum Zeitpunkt seines Todes als auch die beiden Erwerber (Nancy und Marv) zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ihren Wohnsitz (§ 8 AO) und gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland haben und damit Inländer sind. Kraft zivilrechtlicher Regelungen geht der Nachlass als Gesamthandsvermögen auf Nancy und Marv über (§§ 1922, 2032 BGB). Beide bilden eine Erbengemeinschaft, wobei die Nachlassgegenstände den Erben anteilig zugerechnet werden (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Das Erbschaftsteuerrecht sieht in dem Nachlass zwei einzelne Erwerbsvorgänge. Die Bereicherung des einzelnen Erben ist zu versteuern. Da Nancy und John im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, ist der steuerfreie Zugewinn im Sinne des § 5 Abs. 1 ErbStG bei Nancy zu berücksichtigen.

Anfangsvermögen Endvermögen Zugewinn Differenz Fiktiver Zugewinn Steuerfreier Zugewinn (§ 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG)

Nancy Callahan 250.000 € 1.050.000 € 800.000 €

John Hartigan 2.100.000 € 3.000.000 € 900.000 €

100.000 € 100.000 € / 2 = 50.000 € Endvermögen zu Steuerwerten114 Zugewinn x Endvermögen zu Verkehrswerten 2.779.430 € 50.000 € x = 46.324 € 3.000.000 €

Die Erbschaftssteuer entsteht bei dem Erwerb von Todes wegen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers am 19.03.2005. Der Zeitpunkt der Entstehung der

114

Der Wert ergibt sich aus der Summe der später errechneten Steuerwerten des Endvermögens; 2.779.430 = 7.680.000 € + 1.058.000 € + 718.400 € + 140.030 € + 50.000 € +150.000 € + 30.000 € - 135.000 €

Abschlussfall

443

Steuer ist zugleich maßgebend für die Ermittlung der Werte des Vermögensanfalls (§ 11 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erben, soweit sie nicht steuerfrei ist. Die Bereicherung ergibt sich durch Abzug des Werts der Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 bis 9 ErbStG) nach § 12 ErbStG von dem Wert des Vermögensanfalls nach § 12 ErbStG (§ 10 Abs. 1 ErbStG). Nancy und Marv gehören beide zur Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 1 und 2 ErbStG); als Ehegattin des Erblassers steht Nancy ein persönlicher Freibetrag von 307.000 € und Marv als Sohn 205.000 € zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG). Da Marv noch keine 27 Jahre alt ist, steht ihm ein besonderer Freibetrag zu. Dieser beträgt für ein 9-jähriges Kind 41.000 € (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG). Da Nancy Ehefrau von John Hartigan ist, steht auch ihr ein besonderer Versorgungsfreibetrag i.H.v. 256.000 € gem. § 17 Abs. 1 ErbStG zu. Erbauseinandersetzung Durch den Tod des Erblassers John geht dessen Vermögen kraft Gesetzes auf die beiden Erben über. Der Vermögensanfall ist den Erben im Verhältnis ihrer Erbquoten wertmäßig zuzurechnen (R 5 Abs. 1 ErbStR). Teilungsanordnungen sowie die Erbauseinandersetzung bilden zivilrechtlich keine rechtliche Einheit mit dem Erbfall und sind für die Ermittlung der Erbschaftsteuer unbeachtlich (R 5 Abs. 1 Satz 3 ErbStR). Die Ausnahmen bilden der Mitunternehmeranteil an der Fair-Trade-OHG (Nancy) und das Mehrfamilienhaus am Starnberger See (Marv), welche im Wege des Vorausvermächtnisses jeweils einem der beiden Erben direkt zuzuordnen sind. Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs Nachfolgend werden die steuerlichen Werte der Nachlassgegenstände und der Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 ErbStG) für die Erbengemeinschaft ermittelt und entsprechend der Erbquote aufgeteilt.

Gesondert ist allerdings das lebenslange Wohnrecht von Nancy in dem Mehrfamilienhaus am Starnberger See zu bewerten. Da das Mehrfamilienhaus alleine dem Marv im Wege des Vorausvermächtnisses zusteht, kann auch nur dieser die aus dem lebenslangen Wohnrecht entstehenden Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigen. Grundsätzlich gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, d.h. das lebenslange Wohnrecht der Nancy. Da allerdings die Nutzung dem Ehegatten des Erblassers zusteht, wird der Erwerb gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ohne Berücksichtigung dieser Belastung besteuert. Die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfällt, ist jedoch bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Die gestundete Steuer kann auf Antrag des Erwerbers jederzeit mit ihrem Barwert nach § 12 Abs. 3 des BewG abgelöst werden (§ 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 ErbStG).

444

Lösung

Bewertung der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens Das Zweifamilienhaus in Ingolstadt und das Mehrfamilienhaus am Starnberger See zählen als wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens (§§ 68 Abs. 1 Nr. 1, 70 Abs. 1 BewG) zum inländischen Grundbesitz. Die Bewertung erfolgt gem. § 12 Abs. 3 BewG jeweils mit dem Grundstückswert, der nach den §§ 138 ff. BewG auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) festgestellt wird. Dem Grundstückswert sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Bewertungsstichtag zugrunde zu legen und grundsätzlich gelten die Wertverhältnisse vom 01.01.1996, die bis zum 31.12.2006 Gültigkeit haben (§ 138 Abs. 1 Satz 2 und 4 BewG). Der Grundstückswert des Zweifamilienhauses und des Mehrfamilienhauses wird je gesondert vom zuständigen Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO) festgestellt (R 124 Abs. 1 ErbStR). Sinngemäß sind die Vorschriften der Abgabenordnung über die Feststellung der Einheitswerte anzuwenden (§ 138 Abs. 5 Satz 3 BewG, §§ 179 bis 183 AO). Der Feststellungsbescheid ist ein Grundlagenbescheid, d.h. er ist für das die Erbschaftsteuer festsetzende Finanzamt bindend (§ 182 AO). Wertermittlung Zweifamilienhaus in Ingolstadt (Übliche) Jahresmiete für beide 2 x 2.200 € x 12 x 12,5 Wohneinheiten (§ 146 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BewG) Alterswertminderung (§ 146 Abs. 4 BewG) 0,5 % x 6 Jahre Zwischenwert Zuschlag f. Zweifamilienhaus (§ 146 Abs. 5 BewG) 20 % von 640.200 € Grundstückswert Grundstückswert (abgerundet auf volle 500 €, § 139 BewG) Mindestwert (§ 146 Abs. 6 BewG)

(950 qm x 225 €/qm) x 80 %

660.000 €

./. = +

19.800 € 640.200 € 128.040 €

= =

768.240 € 768.000 €

=

171.000 €

Der Steuerpflichtige weist auch keinen niedrigeren gemeinen Wert (§ 146 Abs. 7 BewG) nach, somit ist das Zweifamilienhaus mit 768.000 € anzusetzen.

445

Abschlussfall Wertermittlung Mehrfamilienhaus am Starnberger See Jahresmiete der vier Wohnungen 4 x 1.800 € x 12 x 12,5 (§ 146 Abs. 2 Satz 1 BewG) Alterswertminderung (§ 146 Abs. 4 BewG) 0,5 % x 4 Jahre Grundstückswert Grundstückswert (abgerundet auf volle 500 €, § 139 BewG) Mindestwert (§ 146 Abs. 6 BewG)

1.080.000 € ./. 21.600 € = 1.058.400 € = 1.058.000 €

(1.200 qm x 250 €/qm) x 80 %

=

240.000 €

Der Steuerpflichtige weist keinen niedrigeren gemeinen Wert (§ 146 Abs. 7 BewG) nach, somit ist das Mehrfamilienhaus mit 1.058.000 € anzusetzen. Bewertung des Nutzungsrechts einer Wohnung im Mehrfamilienhaus am Starnberger See John Hartigan hat seiner Frau Nancy Callahan ein lebenslanges Wohnrecht in einer der vier Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus am Starnberger See eingeräumt. Dieses lebenslange Wohnungsrecht wird gem. § 23 ErbStG besteuert. Allerdings räumt § 23 Abs. 1 ErbStG dem Erwerber ein Wahlrecht für Steuern ein, die von dem Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten sind, dass die Steuer statt vom Kapitalwert jährlich im voraus von dem Jahreswert entrichtet werden kann. Die Steuer wird in diesem Fall nach dem Steuersatz erhoben, der sich nach § 19 ErbStG für den gesamten Erwerb einschließlich des Kapitalwerts der Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen ergibt. Gem. § 23 Abs. 2 ErbStG hat der Erwerber das Recht, die Jahressteuer zum jeweils nächsten Fälligkeitstermin mit dem Kapitalwert abzulösen. Für die Ermittlung des Kapitalwerts im Ablösezeitpunkt sind die Vorschriften der §§ 13 und 14 des Bewertungsgesetzes anzuwenden.

Jahreswert des Nutzungsrecht (§§ 13, 14 BewG) Vervielfältiger aus Anlage 9 zum BewG (Nancy, 28 Jahre) Kapitalwert

12 x 1.800 €

21.600 € x 17,116 = 369.705 €

Allerdings gibt es gem. § 16 BewG eine Begrenzung, welche angibt, dass der Jahreswert der Nutzungen höchstens den Wert betragen darf, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. D.h. Wert der einzelnen Wohnung geteilt durch 18,6 und anschließend multipliziert mit dem Vervielfältiger aus Anlage 9 zum BewG darf nicht größer sein als der oben errechnete Kapitalwert. [(1.058.000 € / 4) / 18,6] 14.220 € x 17,116

= 14.220 € = 243.389 €

446

Lösung

Aufgrund der Begrenzung durch den § 16 BewG wird das lebenslange Wohnrecht von Nancy mit einem Kapitalwert von 243.389 € angesetzt. Bewertung von Betriebsvermögen Die Fair-Trade-OHG ist ein Gewerbebetrieb und daher gem. § 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG i.V.m. §§ 95 ff. BewG zu bewerten. Als Gewerbebetrieb ermittelt die Fair-Trade-OHG ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und erstellt eine Steuerbilanz nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetz. Anknüpfend an die Grundsätze der ertragssteuerlichen Gewinnermittlung ist aufgrund der Bestands- und Bewertungsidentität die Vermögensaufstellung aus der Steuerbilanz abzuleiten.

Der Abzug der Schulden und der sonstigen Abzüge vom Rohbetriebsvermögen ergibt den Wert des Betriebsvermögens (§ 98a BewG). Grundsätzlich sind dazu die Güter des Betriebs mit ihren Steuerbilanzwerten am Todestag des Erblassers heranzuziehen. Die Ermittlung des Betriebsvermögens erfolgt ohne gesondertes Feststellungsverfahren, sondern wird im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung ermittelt. Vermögensaufstellung Maschinen Unbebautes Grundstück Waren Bank LKW (Sonderbetriebsvermögen) Bankverbindlichkeiten Wert des Betriebsvermögen

320.000 € 342.000 € 280.000 € 45.000 € 80.000 € ./. 75.000 € = 992.000 €

LKW (Sonderbetriebsvermögen) Restwert

./. 80.000 € = 912.000 €

Grundbesitzwert (§ 145 BewG) 950 qm x 450 €/qm x 0,8 = 342.000 €

Wert des Anteils von John 80.000 € davon 70 %: + 638.400 € = 718.400 €

Der Wert des Mitunternehmeranteils an der Fair-Trade-OHG von John wird mit 718.400 € angesetzt.

447

Abschlussfall Wertermittlung sonstiges Vermögen Wertpapiere sind mit dem niedrigsten Kurswert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zu bewerten (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 1 BewG). Bankguthaben werden als Kapitalforderungen nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert angesetzt. Hausrat ist zum gemeinen Wert anzusetzen (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 9 BewG). Auto ist mit seinem gemeinen Wert anzusetzen (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 9 BewG).

550 x 254,6 €

50.000 €

150.000 € 30.000 €

Bewertung der Nachlassverbindlichkeiten Erblasserschulden (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) Sonstige Erblasserschulden (§§ 10 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG) Erbfallkosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) Notarrechnungen (§§ 10 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 3, 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG)

140.030 €

135.000 €

5.000 € + 7.000 €

12.000 €

Kosten für die Bestattung, Grabdenkmal und Grabpflege. Die nachgewiesenen Kosten (280 € x 12 x 9,3) i.H.v. 31.248 € übersteigen die Pauschale von 10.300 € (§§ 10 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 3, 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG) und werden daher mit 31.248 € angesetzt.

448

Zweifamilienhaus Mehrfamilienhaus Nutzungsrecht OHG Anteil 718.400 € Freibetrag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) ./. 225.000 € Zwischenwert 493.400 € Abschlag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) x 65 %

Lösung Nancy (70 %) 537.600 € --243.389 €

Marv (30 %) 230.400 € 1.058.000 € -----

320.710 € 98.021 € 35.000 €

--42.009 € 15.000 €

Depot Sparbuch Hausrat 105.000 € Freibetrag ./. 41.000 € (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. a ErbStG)

45.000 € ./. 41.000 € 64.000 €

Auto 21.000 € Freibetrag ./. 10.300 € (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Bst. b ErbStG) Vermögensanfall Nachlassverbindlichkeiten Sonstige Erblasserschulden Notarkosten Grabpflege Bereicherung

Zugewinnausgleich (§ 5 ErbStG) Persönlicher Freibetrag (§ 16 ErbStG) Besonderer Freibetrag (§ 17 ErbStG) Steuerpflichtiger Erwerb Abgerundet auf volle 100 € (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG)

4.000 € 9.000 € ./. 10.300 €

10.700 € 1.309.420 €

0€ 1.349.409 €

./.

94.500 €

./.

31.248 € 1.183.672 €

40.500 € 12.000 € --1.296.909 €

./. ./.

46.324 € 307.000 €

--./. 205.000 €

./.

256.000 €

./.

574.348 € 574.300 €

./. ./.

41.000 €

1.050.909 € 1.050.900 €

Festzusetzende Erbschaftssteuer Nancy Callahan Nancy Callahan hatte einen steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 574.300 €. Laut Sachverhalt hat sie sich entschieden, das Wahlrecht aus § 23 ErbStG nicht auszuüben und wird daher die Steuer auf den Kapitalwert sofort zusammen mit der restlichen Teil der Erbschaftsteuer leisten.

449

Abschlussfall

Der Steuersatz wird gem. § 19 Abs. 1 ErbStG sowohl nach Steuerklasse als auch nach Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs bestimmt. Im Falle von Nancy beträgt der Steuersatz 19 %. 19 % von 574.300 € = 109.117 € Allerdings ist gem. § 19 Abs. 3 ErbStG i.V.m. H 75 ErbStH eine Härteausgleichsprüfung durchzuführen. 512.000 € x 0,15 + (574.300 € - 512.000 €) x 0,5 = 107.950 € Da der bei der Härteausgleichsprüfung errechnete Wert niedriger ist als der allgemein berechnete Wert, muss Nancy Callahan nur den niedrigen Wert zahlen und somit ergibt sich für sie eine gesamte Erbschaftsteuerschuld i.H.v. 107.950 € Marv Bei der Berechnung der Erbschaftsteuerschuld von Sohn Marv muss beachtet werden, dass aufgrund der Vorschrift des § 25 ErbStG die Belastung des Grundstücks durch das Nutzungsrecht der Ehefrau von John Hartigan nicht berücksichtigt wird. Lediglich die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastung entfällt, ist bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Zur Berechnung der Steuer, die auf die Belastung entfällt, ist von der veranlagten Steuer die Steuer abzuziehen, die sich ergeben würde, wenn bei der Veranlagung der Erwerb um die nach § 25 Abs. 1 ErbStG nicht abzugsfähigen Belastungen gekürzt worden wäre. Zinslos zu stunden ist dann der Unterschied zwischen diesen beiden Steuerbeträgen (R 85 Abs. 3 ErbStR).

Steuerpflichtiger Erwerb ohne Berücksichtigung des Nutzungsrecht (§ 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) Steuersatz (§ 19 Abs. 1 ErbStG) Erbschaftsteuer

1.050.900 € x

19 % 199.671 €

Steuerpflichtiger Erwerb mit Berücksichtigung des Nutzungsrecht 1.050.900 € - 243.389 € = Abrundung auf volle 100 € (§ 10 Abs. 1 Satz 5) Steuersatz (§ 19 Abs. 1 ErbStG) x Erbschaftsteuer

807.511 €

Überprüfung Härteausgleich (§ 19 Abs. 3 ErbStG i.V.m. H 75 ErbStH) 512.000 € x 0,15 + (1.050.900 € - 512.000 €) x 0,5 = 346.250 € 346.250 € > 199.671 €, daher kein Härteausgleich

Überprüfung Härteausgleich (§ 19 Abs. 3 ErbStG i.V.m. H 75 ErbStH) 512.000 € x 0,15 + (807.500 € - 512.000 €) x 0,5 = 224.550 € 224.550 € > 153.425 €, daher kein Härteausgleich

807.500 € 19 % 153.425 €

450

Lösung

Differenzbetrag ist zinslos zu stunden 199.671 € - 153.425 € = 46.246 € Allerdings will Marv laut Sachverhalt sofort seine gesamte Erbschaftsteuerschuld begleichen. Gem. § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG i.V.m. R 85 Abs. 6 ErbStR kann der Erwerber auf Antrag auf die Stundung verzichten und die zu stundende Steuer sofort ablösen. Da Marv einen solchen Antrag stellt, ergibt sich seine Erbschaftsteuerschuld aus der Summe der Steuer des steuerpflichtigen Erwerbs mit Berücksichtigung des Nutzungsrechts und des Ablösebetrages. Berechnung des Ablösungsbetrages: Mittlere Lebenserwartung der Nancy: gem. Sterbetafel, Tabelle 6 zu § 12 BewG, Beck’sche Steuererlasse, 200 § 12/1; 51 Jahre Vervielfältiger: gem. Tabelle 1 zu BewG, Beck’sche Steuererlasse, 200 § 12/1; 0,065 46.246 € x 0,065 = 3.006 €

Somit beträgt die Erbschaftsteuerschuld von Marv insgesamt 156.431 € (= 153.425 € + 3.006 €).

Übersicht über die Prüfungsinhalte der vergangenen Steuerberaterprüfungsklausuren

451

Kapitel IV: Übersicht über die Prüfungsinhalte der vergangenen Steuerberaterprüfungsklausuren Jahr

Inhaltsübersicht 97

98

99

00

01

02

03

04

05

Steuerpflichtige Vorgänge

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§2

Persönliche Steuer pflicht

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§3

Erwerb von Todes wegen

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§4

Fortgesetzte Güter gemeinschaft

§5

Zugewinn gemeinschaft

§6

Vor- und Nacherbschaft

§7

Schenkungen unter Lebenden

§8

Zweckzuwendungen

§9

Entstehung der Steuer

x

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x

§ 10

Steuerpflichtiger Erwerb

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§ 11

Bewertungs stichtag

x

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§ 12

Bewertung

§ 12 Abs. 1

Allg. Bewertungs vorschriften

x

x

§ 12 Abs. 2

Anteile an Kapital gesellschaften

§ 12 Abs. 3

Grundbesitz

§ 12 Abs. 4

Bodenschätze

x

Keine Erbschaftsteuerklausur in der Steuerberaterprüfung

§1

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452

Übersicht über die Prüfungsinhalte der vergangenen Steuerberaterprüfungsklausuren Jahr

Inhaltsübersicht Betriebsvermögen

§ 12 Abs. 6

Ausländ. Grundbe sitz und Vermögen

§ 13

Steuerbefreiungen

§ 13a

Ansatz von Be triebsvermögen

§ 14

Berücksichtigung früherer Erwerbe

§ 15

Steuerklassen

§ 16

Freibeträge

§ 17

Besonderer Versor gungsfreibetrag

§ 18

Mitgliederbeiträge

§ 19

Steuersätze

§ 19a

Tarifbegrenzung

§ 20

Steuerschuldner

§ 21

Anrechnung ausl. ErbSt.

§ 22

Kleinbetragsgrenze

§ 23

Besteuerung v. Renten und Leistungen

§ 24

Verrentung der Steuerschuld

§ 25

Besteuerung bei Nutzungsund Rentenlast

§ 26

Ermäßigung der Steuer

§ 27

Mehrfacher Erwerb

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x Keine Erbschaftsteuerklausur in der Steuerberaterprüfung

§ 12 Abs. 5

97

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x

Übersicht über die Prüfungsinhalte der vergangenen Steuerberaterprüfungsklausuren Jahr

Inhaltsübersicht 97 § 28

Stundung

§ 29

Erlöschen der Steuer

§ 30

Anzeige des Erwerbs

453

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00

01

02

03

04

05

Stichwortverzeichnis

455

Stichwortverzeichnis A Abbruchkosten 367 Abfindung 195, 208, 213, 244, 249, 255 Abfindung bei vorzeitigem Erbausgleich 245 Abfindung für einen Erbverzicht 244 Abfindungsanspruch 255 Abkömmlinge 25 Abkömmlingsanteil 73 Abschlussfunktion der Unterschrift 87 Adoptivkinder 24 Aktive Erbfähigkeit 16 Alleinerbe 17 Altersabschlag 355 Alterswertminderung 351, 355 Amtliche Verwahrung 85, 88 Amtlicher Handel 314 Änderungsvorbehalt 113 Angehörige 277 Angeordnete Stiftung 205 Anrechnungsmethode 278 Anteile an Kapitalgesellschaften 279, 312, 313 Anteile an Personengesellschaften 239 Aufhebung einer Stiftung 213, 248 Aufhebungsvertrag 127 Auflage 107, 111, 207, 397 Auflagenschenkung 238 Auflösung eines Vereins 213, 248 Aufzehrungsmethode 426 Ausbildungskosten 197 Ausgleichsanspruch 56 Ausgleichsforderung 243, 395 Ausgleichsgemeinschaft 73, 74 Ausgleichspflichten 140 Auslandsvermögen 278, 281, 387 Ausschlagung 55, 208, 209 Außerordentliches Testament 83, 89

B Bebautes Grundstück 346 Bedarfsbewertung 292 Bedingte Schenkung 220 Bedingung 207 Befreite Vorerbschaft 98 Bemessungsgrundlage 150 Berechnung der Steuer 153 Berechnung des Härteausgleichs 162 Bereicherung 214, 388 Berliner Testament 114, 247 Beschränkte Steuerpflicht 276, 278, 280 Beschränkungen 307 Beseitigung vertragsmäßiger Verfügungen 126 Bestandsidentität 373, 374, 377, 380, 382 Betriebsgrundstück 346 Betriebsvermögen 278, 311, 372, 376 Beurkundungsgesetz 85 Bewertungsgegenstand 295, 296 Bewertungsgrundsatz 311 Bewertungsidentität 373, 378, 379 Bewertungsmaßstab 295 Bewertungsmethode 295 Bewertungsstichtag 155, 284, 290, 292 Bezugsfertigkeit 288, 353, 355 Blutsverwandtschaft 21 Bodenrichtwert 349 Buchwertabfindung 251 Buchwertklausel 194, 250 D Dauervollstreckung 109 Differenzmethode 362 Doppelbesteuerungsabkommen 276, 278, 281 Dreißigste 102, 107, 197, 406 Duldungsauflage 226, 228, 393, 398, 432

456 E Ehegattenerbrecht 21, 46, 48 Ehegattentestament 246 Eheliche Kinder 23 Ehelicher Güterstand 47, 50 Ehevertrag 50 Eigenhändiges Testament 85, 94, 110 Eingetragene Lebenspartnerschaft 47, 129 Einheitsprinzip 116 Einseitige Verfügungen 123 Einseitiger Erbvertrag 120 Eintrittsprinzip 31 Einverständliche Aufhebung 127 Einzelrechtsnachfolge 19 Enterbung 108, 131, 184 Entstehung der Steuerschuld 284, 290 Entziehung des Pflichtteils 142 Erbanfall 15 Erbanfallsteuer 151 Erbauseinandersetzung 389 Erbausschlagung 184, 208 Erbbaurecht 310, 360 Erbe 16 Erbeinsetzung 96, 111 Erben der 1. Ordnung 25 Erben der 2. Ordnung 26 Erben der 3. Ordnung 26, 37 Erben der 4. Ordnung 40 Erbengemeinschaft 19 Erbersatzanspruch 22 Erbersatzsteuer 259 Erbfall 16, 390, 391 Erbfallkosten 391 Erbfallschulden 390 Erbfolge nach Gradualsystem 40 Erbfolge nach Linien 35 Erbfolge nach Ordnungen 25 Erbfolge nach Stämmen 29, 36 Erblasser 16, 390 Erblasserschulden 390 Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners 21, 72 Erbrecht des Fiskus 77

Stichwortverzeichnis Erbrechtliche Lösung 51, 74, 136, 264, 271 Erbschaftsteuerrecht 14 Erbschaftszehnt 145 Erbteil 19, 103 Erbteil des Lebenspartners 72 Erbunwürdigkeit 184 Erbvertrag 119, 125 Erbverzicht 135, 184, 208 Erfindungen 279, 281 Erfüllung einer Bedingung 213, 237 Ergänzungstatbestände 169, 205 Ermäßigungsanspruch 278 Errichtung des Testaments 82 Ersatzerbschaft 98 Ersatzvermächtnis 105 Ersterwerber 237 Ertragshundersatz 310, 319, 322 Ertragswert 303, 309, 318 Ertragswertverfahren 346, 351 Erweiterte beschränkte Steuerpflicht 280 Erweitertes Inlandsvermögen 281 Erwerb aufgrund Erbersatzanspruchs 175 Erwerb durch Erbanfall 173 Erwerb von Todes wegen 14, 168 Erwerbsnebenkosten 400 F Familienerbfolge 21 Familienstiftungen 164, 206, 259, 277, 289 Familienvereine 259, 277, 289 Fertigstellungsgrad 366 Fertigstellungsjahr 355 Firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter 321 Forderungen 279 Forderungspapier 312 Fortgesetzte Gütergemeinschaft 68, 261 Fortsetzungsklausel 192 Freibeträge 388, 401, 414 Freigebige Zuwendung 214, 222, 396 Freigebigkeit 215, 396 Freiverkehr 314

Stichwortverzeichnis Freundschaftspreis 306 G Gattungsvermächtnis 106 Gebäude auf fremden Grund und Boden 363 Gebäude im Zustand der Bebauung 365 Gebrauchsmuster 279 Geldvermächtnis 106, 177 Gelegenheitsgeschenk 405 Gemeiner Wert 303, 304, 311, 324, 337 Gemeinschaftliches Testament 79, 109 Gemischte Schenkung 220, 394 Genehmigung einer Schenkung 213, 239 Geregelter Markt 314 Gesamtgut 66, 239, 263 Gesamtrechtsnachfolge 19, 96 Geschäfts- und Firmenwert 321 Geschäftsleitung 277 Geschenk 405 Gesellschafternachfolge 250 Gesetzliche Erbfolge 20, 108, 174 Gesetzlicher Güterstand 50 Gewährung von Abfindungen 213 Gewerbebetrieb 301, 372 Gewillkürte Erbfolge 78, 174 Gewinnbeteiligung 254 Gewöhnlicher Aufenthalt 277 Großer Pflichtteil 136 Grundbesitz 345, 346 Grundbesitzwert 157 Grundlagenbescheid 157 Grundschuld 279 Grundstückskaufverträge 171 Grundstücksschenkung 287, 369 Grundvermögen 278, 301, 346, 358 Gütergemeinschaft 49, 239, 241, 261 Güterrechtliche Lösung 51, 59, 74, 264, 271 Gütertrennung 49, 51, 63, 239 H Härteausgleich 161, 417 Hausrat 402

457 Herausgabeanspruch 169, 212 Höchstpersönliche Rechte 17 Hypothek 279 I Immerwährende Leistung 344 Inlandsvermögen 276, 278, 280, 281 J Jahresmiete 348, 351 Jahressteuer 430 Jahreswert 342 Jastrowsche Klausel 118 K Kapitaleinlage 254 Kapitalforderung 329 Kapitalgesellschaft 372, 377 Kapitalwert 339 Kaufrechtsvermächtnis 178 Kettenschenkung 218, 412 Kleiner Pflichtteil 59, 136 Konkursverfahren 306 Kunstgegenstände 406 Kurswert 313, 337 Kürzungsmethode 426, 428 L Lagefinanzamt 157 Land- und forstwirtschaftliches Vermögen 278 Ländersteuer 150 Lebenspartner 109 Lebensversicherung 199 Leibrente 199 Leistungsauflage 226, 228, 393, 397, 430 Letztwillige Anordnung 176 Letztwillige Verfügung 79, 92, 197 Liebhaberpreis 306 Lineare Interpolation 334 Lucidum intervallum 81 M Maßgeblichkeit des Zivilrechts 15, 172

458 Mehrfacherwerb 434 Mischfälle 231 Miterbe 17 Mitteilungsarten des öffentlichen Testaments 85 Mittelbare Grundstücksschenkung 234, 369 Mittelbare Schenkung 233 Mitunternehmerschaft 384 Modifiziertes Vergleichwertverfahren 349 N Nacherbanwartschaft 210, 211, 212 Nacherbe 96 Nacherbschaft 210, 245, 275 Nachlassaktiva 59, 138 Nachlasspassiva 59, 138 Nachlasssteuer 151 Nachlassverbindlichkeit 18, 133, 388 Nachvermächtnis 105 Nachversteuerungsvorbehalt 401 Nennwert 337 Nichteheliche Kinder 22, 23 Nießbrauchrechte 239, 338 Nottestament 90 Nutzungsauflage 226, 228, 398, 430 Nutzungsrechte 276, 279 O Oasenland 281 Objektive Bereicherung 214 Öffentliches Testament 84, 110 Ordentliches Testament 83 P Paketzuschlag 314 Passive Erbfähigkeit 16 Pauschaler Zugewinnausgleich 53 Personengesellschaft 239, 250, 254, 372, 377 Personensteuer 150 Persönliche Steuerpflicht 276 Pflegeleistungen 403

Stichwortverzeichnis Pflichtteil 58, 78, 183 Pflichtteilsanspruch 15, 169, 182 Pflichtteilsergänzungsanspruch 140, 141 Pflichtteilsquote 134, 137 Pflichtteilsrecht 129 Pflichtteilsrestanspruch 129 Pflichtteilsstrafklausel 118 Pflichtteilsverzicht 208 Planungsinstrumente 149 Privatrechtsordnung 14 Privatvermögen 311 Produktivvermögen 407, 437 R Rechte 279 Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers 103 Rentenschuld 279, 430 Rentenvermächtnis 178 Repräsentationsprinzip 31, 129 Rücklagen 381 Rücktritt 128 S Sachleistungsanspruch 190 Sachvermächtnis 178 Schätzverfahren 319 Schenkung 223, 287, 392, 393, 399, 400, 404 Schenkung auf den Todesfall 188 Schenkung unter Auflage 226, 393, 397 Schenkung unter Lebenden 14, 190, 212, 237, 287 Schenkungsbegriff 189, 214 Schenkungsbegriff im Steuerrecht 214 Schenkungsbegriff im Zivilrecht 214 Schlusserbe 246 Schmerzensgeld 239 Schranke der Testierfreiheit 78 Schuldbuchforderungen 312 Sittenwidrigkeit 78 Sitz 277 Sofortbesteuerung 425 Sonderbetriebsvermögen 384, 385

Stichwortverzeichnis Sondergut 67, 239, 263 Sondertatbestände 286 Stamm 30 Steueraufkommen 147, 148 Steuerbilanzwert 303, 310 Steuerfestsetzung 153, 163 Steuerklasse 408 Steuerpflicht 153, 164 Steuerschuld 416, 425, 440 Steuertarif 416 Stiftung 17, 205, 213, 248, 260, 277, 286, 289 Stiftungscharakter 260 Stiftungserträge 260 Stiftungsgenehmigung 286 Stiftungsgeschäft unter Lebenden 213, 248 Strafklausel 247 Stückvermächtnis 105 Stundung der Steuer 437 Stuttgarter Verfahren 310, 315, 318, 319, 326 Substanzsteuer 150 Substanzwert 318 T Tarif 416 Tarifbegrenzung 420 Tatsächlicher Pflichtteilsanspruch 139 Tatsächlicher Zugewinnausgleich 58, 59 Teileigentum 300 Teilungsanordnung 20, 99, 103 Teilwert 303, 308, 311 Testament 79, 108 Testamentsformen 83 Testamentsurkunde 93 Testamentsvollstreckung 108 Testierfähigkeit 80 Testierfreiheit 78 Topographien 279 Trennungsprinzip 50, 63, 115 U Übergabe mit der kalten Hand 170

459 Übergabe mit der warmen Hand 170 Übergang eines Gesellschaftsanteils 192 Überschussausgleich 74 Übertragung an Erfüllung Statt Übliche Miete 351 Umfang des Voraus 71 Unbebautes Grundstück 346, 348 Unbedingtes Schoßfallrecht 41 Unbeschränkte Steuerpflicht 276, 277 Unbeschränkte Testierfreiheit 182 Unentgeltliche Verfügung 98 Ungültiges Testament 86 Universalsukzession 19 Unmittelbare Bereicherung 241 Unmittelbare Geldschenkung 236 Unmittelbare Schenkung 223 Unterhaltsleistungen 403 Unternehmensbewertung 319 Urheberrecht 281 V Verbrauchsort 342 Verbundene Lebensversicherung 200 Verein 248, 277 Vereinbarung der Gütergemeinschaft 213, 239 Verfügung von Todes wegen 20, 78 Verfügungsbeschränkung 306, 307 Vergleichswertverfahren 346, 349 Verlobte 128 Vermächtnis 15, 101, 111 Vermächtnisarten 102 Vermächtnisgleicher Erwerb 197 Vermögensaufstellung 310, 321, 373, 374 Vermögensgemeinschaft 73 Vermögenshundertsatz 319, 320 Vermögensstand 73, 75 Vermögenstrennung 73, 75 Vermögensverteilung 146 Verschaffungsvermächtnis 106, 178 Versicherungsanspruch 283 Versorgungsansprüche 201 Versorgungsleistung 167

460 Vertrag zugunsten Dritter 169, 199, 205 Vertraglicher Güterstand 66 Vertragserbe 212 Vertragsmäßige Verfügungen 123 Vervielfältiger 339 Verwandtenerbrecht 21, 408 Verwandtschaft in der Seitenlinie 22 Verwandtschaft in gerader Linie 21 Verwirklichungsklausel 247 Vollerbe 115 Vollziehung einer Auflage 207, 213, 237 Vor- und Nacherbschaft 271 Voraus 69, 73 Voraus des Ehegatten 197 Vorausvermächtnis 99, 178 Vorbehaltsgut 67, 239, 263 Vorerbe 96, 245 Vorläufiger Pflichtteilsanspruch 139 Vorrangprinzip 40 Vorweggenommene Erbfolge 167 Vorzeitige Herausgabe an den Nacherben 213 Vorzeitiger Erbausgleich 213 Vorzeitiger Erwerb vom Vorerben 245

Stichwortverzeichnis W Wahlvermächtnis 106 Wechselbezügliche Verfügungen 111, 113 Weltvermögen 276, 282 Wertermittlung 153 Wertpapiere 313, 315 Widerruf eines Testaments 91, 112 Widerrufstestament 92 Wiederverheiratungsklausel 119 Wirtschaftliche Einheit 297 Wohnrecht 343 Wohnsitz 277, 281 Z Zinsdifferenzmethode 331, 337 Zugewinnausgleich 239, 265, 271 Zugewinngemeinschaft 49, 50, 52, 70, 135, 239, 266 Zugewinnüberschuss 268 Zusatzpflichtteil 131, 182 Zwangsversteigerung 305, 306 Zweckvermächtnis 106 Zweckzuwendungen 256, 289 Zweiseitiger Erbvertrag 120 Zweiterwerber 237