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German Pages 199 [208] Year 2004
Zinsderivate
3 Berlin Heidelberg New York Hongkong London Mailand Paris Tokio
Nicole Branger ´ Christian Schlag
Zinsderivate Modelle und Bewertung Mit 33 Abbildungen
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Dr. Nicole Branger Professor Dr. Christian Schlag Professur fçr Derivate und Financial Engineering Johann Wolfgang Goethe-Universitåt Mertonstraûe 17 60054 Frankfurt am Main [email protected] [email protected]
ISBN 3-540-21228-0 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet çber abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschçtzt. Die dadurch begrçndeten Rechte, insbesondere die der Ûbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfåltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfåltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulåssig. Sie ist grundsåtzlich vergçtungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de ° Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2004 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wåren und daher von jedermann benutzt werden dçrften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 10992579
43/3130-5 4 3 2 1 0 ± Gedruckt auf såurefreiem Papier
Vorwort
Die zentrale Motivation fur dieses Buch ist die Tatsache, dass Zinsrisiko eine der wichtigsten Risikoquellen fur Finanzinstitute, aber auch fur andere Unternehmen darstellt. Steigende Zinsen konnen die Kosten der Fremdfinanzierung so stark wachsen lassen, dass u.U. sogar die Existenz eines Unternehmens gefahrdet ist. Eine Festgeldanlage erbringt in Zeiten fallender Zinsen weniger Ertrag als geplant und beeinflusst das Ergebnis eines Unternehmens negativ, wahrend Portfolios aus festverzinslichen Anleihen bei einem Zinsanstieg an Wert verlieren. Ein Portfoliomanager sollte daher ein genuines Interesse an Instrumenten zur Steuerung des Zinsanderungsrisikos haben, und Zinsderivate bieten hierfur vielfaltige Moglichkeiten. Trotz der mittlerweile umfangreichen Literatur zum Thema der Bewertung von Aktien-, Index- und Wahrungsderivaten gibt es unserer Ansicht nach bisher kaum Bucher, die dem Leser sowohl die allgemeinen technischen Grundlagen der Derivatebewertung als auch den Inhalt der aktuellen Modelle zur Bewertung von Zinsderivaten vermitteln. Zinssensitive Produkte stellen immer noch in einem hohen Mafie eine ,,eigene Welt" mit vielen Besonderheiten und Unterschieden im Vergleich zu Aktien, Indizes oder Wahrungen dar. Als einfachstes Beispiel sei hier die begrenzte Restlaufzeit von Anleihen mit (im Falle von Staatsanleihen in heimischer Wahrung) garantierter fester Ruckzahlung genannt. Ein sinnvolles Zinsmodell muss in der Lage sein, eine im Zeitablauf abnehmende Unsicherheit uber die Kursentwicklung der Anleihe im Zeitablauf abzubilden. Bei Aktien ist dieses Problem aufgrund der okonomischen Charakteristika einer prinzipiell unendlichen Laufzeit mit unsicherem Ruckzahlungswert nicht gegeben. Diese Tatsache schliei3t eine einfache ubertragung des Modells von Black und Scholes auf die Bewertung von Zinsderivaten aus. Die Zielsetzung des vorliegenden Buches ist es, eine Einfuhrung in Zinsmodelle zum Zwecke der Bewertung von Zinsderivaten zu geben. Es ist entstanden aus Vorlesungen fur Diplomanden und Doktoranden, die von den Autoren an der Universita degli Studi di Bergamo, der Universitat Karlsruhe (TH) und der Johann Wolfgang Goethe-Universitat in Frankfurt am Main gehalten wur-
den und immer noch regelmaaig gehalten werden. Das Buch wendet sich an Studenten und Dozenten der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, aber auch an interessierte Praktiker, die an einem fundierten Einstieg in die Materie der Zinsderivate und der zugrundeliegenden Modelle interessiert sind. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Bewertungstheorie und Modellbildung. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf Konzepten und Modellierungsansatzen. Um dem Leser ein Gefuhl dafur zu geben, welche Modelle bzw. Modellklassen im Wesentlichen die Entwicklung der Bewertungstheorie fur Zinsderivate getrieben haben, wird eine Auswahl der aus unserer Sicht wichtigsten Modelle diskutiert. NaturgemaB wird der ubergang in den Zinsbereich fur diejenigen Leser etwas einfacher sein, die bereits Vorkenntnisse bezuglich der Bewertung von Aktien- oder Wahrungsderivaten aus den Modellen von Black und Scholes (1973) oder von Cox, Ross und Rubinstein (1979) besitzen. Ein wichtiger Aspekt eines Buches zum Thema Zinsderivate ist das mathematische Niveau der Darstellung. Im vorliegenden Werk wurde zwar eine moglichst exakte Darstellung angestrebt, jedoch wurde grundsatzlich mehr Gewicht auf Intuition und okonomische Motivation der Konzepte gelegt als auf eine in jedem Detail mathematisch strenge Analyse. Der Leser mit Interesse an einer mathematisch strikteren Darstellung sei auf weiterfuhrende Literatur wie z.B. die Werke von Bingham und Kiesel (1998), Bjork (1998), Brigo und Mercurio (2001), Duffie (2001), James und Webber (2000), Karatzas und Shreve (1998) sowie von Pelsser (2000) verwiesen. Das vorliegende Buch stellt prinzipiell eine abgeschlossene Einheit dar: Alle benotigten Konzepte werden innerhalb des Buches (zumindest kurz) erlautert, so dass im strengen Sinne keine weitere Literatur hinzugezogen werden muss. Um dem Leser eine stetige Kontrolle des Lernfortschritts zu ermoglichen, befinden sich am Ende eines jeden Kapitels ~ b u n ~ s a u f ~ a bAus e n . unserer eigenen Erfahrung kann sich jedoch ein gewisses Frustpotenzial aufbauen, wenn der Schlussel zur Losung einer Aufgabe nicht oder nicht in angemessen erscheinender Zeit gefunden wird. Daher folgen auf die Aufgaben auch Losungshinweise, die zwar knapp gehalten sind, jedoch stets den Kerngedanken zur Losung des jeweiligen Problems enthalten. Ein Werk wie dieses Buch kann nicht ohne Hilfe und Unterstutzung entstehen. Wir danken unseren Studentinnen und Studenten fur ihre Anregungen und Kommentare. Unser besonderer Dank geht an unsere Kolleginnen und Kollegen an der Professur fur Derivate und Financial Engineering der Goethe-Universitat, insbesondere an Frau Dr. Angelika Esser fur die kritische Durchsicht des Manuskripts und viele wertvolle Verbesserungsvorschlage.
Frankfurt am Main, im Februar 2004
Nicole Branger Christian Schlag
Inhalt sverzeichnis
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Ein ~ b e r b l i c kiiber zinssensitive Finanztitel . . . . . . . . . . . . . . .
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Zinsstrukturen und Zinsderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zinsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Diskontierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Kassazins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Terminzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Kurzfristiger Terrninzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Zinssicherheit und Zinsunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Nullkuponanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Kuponanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Festverzinsliche Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Variabel verzinsliche Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Anleiheoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Verteilungsfreie Wertuntergrenzen fiir Anleiheoptionen . 2.3.2 Verteilungsfreie Wertobergrenzen fur Anleiheoptionen . . 2.3.3 Vorzeitige Ausubung amerikanischer Anleiheoptionen . . 2.3.4 Put-Call-Paritat fur europaische Optionen . . . . . . . . . . . . 2.4 Forwards und Futures auf Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Forwards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Forwards und Futures auf Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Payer und Receiver Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1.1 Payer Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1.2 Receiver Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1.3 Swap Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Forward Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Swaptions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Caps, Floors und Collars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 7 8 8 8 9 11 12 13 13 13 13 14 16 17 18 19 19 20 20 21 22 23 23 24 24 24 25 25 26
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Inhaltsverzeichnis 2.7.1 Caps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 2.7.2 Floors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 2.7.3 Cap-Floor-Paritat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 . 2.7.4 Collars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 31 2.8 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Losungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33
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Bewertung in diskreter Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 3.1 Einperiodiges Model1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 3.1.1 Modellokonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 3.1.2 Arbitragemoglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.1.3 Duplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 3.1.4 Vollstandigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 3.1.5 Risikoneutrales Martingalma8 (RNM) . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.2 Mehrperiodiges Model1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44 3.2.1 Modellokonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.2.2 Duplikation und Ruckwartsrechnung im Baum . . . . . . . . 46 3.2.3 Vollstandigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 3.2.4 Arbitragefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 3.2.5 Risikoneutrale Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2.6 Zwischenzeitliche Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.2.7 Amerikanische Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.3 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.4 Losungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4
Diskrete Zinsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 . 4.1 ~ b e r b l i c k. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 4.2 Besonderheiten von Zinsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.3 Das Model1 von Ho und Lee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3.1.1 Baum der Diskontierungsfunktion . . . . . . . . . . . . 59 4.3.1.2 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.3.1.3 Volatilitatsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.3.1.4 Anleihepreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66 4.3.2 Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 4.3.2.1 Short Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67 4.3.2.2 Fortfiihrung des Beispiels: Baum der Short Rate 69 4.3.2.3 Kassazinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69 4.3.2.4 Terminzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.3.3 Bewertung von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .70 4.3.3.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4.3.3.2 Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .73 4.3.3.3 Fortfuhrung des Beispiels: Futures- und Forwardpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75 4.3.3.4 Caps und Floors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
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4.4
4.5 4.6 4.7
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4.3.3.5 Fortfuhrung des Beispiels: Bewertung von Caps und Floors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Das Model1 von Black, Derman und Toy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.4.1 Baum der Short Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.4.2 Kalibration des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.4.2.1 Gegebene Volatilitaten der Short Rates . . . . . . . 81 4.4.2.2 Gegebene Volatilitaten der Kassazinsen in t = 1 81 4.4.3 Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84 Terminrisikoangepasste Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95 Losungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98
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Bewertung in stetiger Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105 5.1 Modellokonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 5.2 Grundlagen der stochastischen Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106 . 5.2.1 Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.2.2 Wiener Prozesse, stochastische Differentialgleichungen und stochastische Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107 . 5.2.3 ItGs Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111 . 5.3 Risikoneutrale Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.3.1 Bestimmung des risikoneutralen MaBes . . . . . . . . . . . . . . .114 . 5.3.2 Bewertung von Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5.4 findamentale partielle Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . .117 . 5.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 . 5.6 Losungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
6
. Zeitstetige Zinsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 . 6.1 ~ b e r b l i c k. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 6.2 Das Model1 von Heath. Jarrow und Morton . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 . 6.2.1 Modellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 6.2.1.1 Stochastik der Forwardzinsen und der . Anleihepreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6.2.1.2 Arbitragefreiheit und Driftrestriktionen . . . . . . . 129 6.2.2 Risikoneutrale Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 6.2.2.1 Bestimmung des risikoneutralen WahrscheinlichkeitsmaBes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130 6.2.2.2 Stochastik unter dem risikoneutralen MaB . . . . . 131 6.2.2.3 Risikoneutrale Bewertung von Derivaten . . . . . . 132 . 6.2.3 Terminrisikoangepasste Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6.2.3.1 Bestimmung des terminrisikoangepassten MaBes 132 6.2.3.2 Prozesse unter dem terminrisikoangepassten Mafl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 . 6.2.3.3 Terminrisikoangepasste Bewertung von . Derivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134 6.2.3.4 Beispiel: Bewertung eines europaischen Calls . . 134
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6.2.3.5 Beispiel: Forward- und Futurespreise . . . . . . . . . 135 6.2.4 Verallgemeinerung: d-dimensionaler Wiener Prozess . . . . 136 6.2.5 GauB-Zinsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .137 6.2.5.1 Exkurs: Normalverteilung und Lognormalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6.2.5.2 Bewertung von Anleihen, Futures und Optionen im GauB-Zinsmodell . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.2.5.3 GauB-Zinsmodell mit konstant.er Volat.ilitat . . . 144 6.2.5.4 GauB-Zinsmodell mit exponentiell gedampfter Volatilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.3 Das LIBORMarket-Model1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 6.3.1 Definition des LIBOR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149 6.3.2 Modellierung des Forward-LIBOR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.3.3 Terminal Measure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151 6.3.3.1 Zusammenhang zwischen den terrrliririsikonarlgepaBterl Mafien . . . . . . . . . . . . . 151 6.3.3.2 Forward-LIBORunter dem Terminal Measure . . 152 6.3.4 Bewertung von Derivaten im LIBORMarket-Model1 . . . . 153 6.3.4.1 Bewertung einer variabel verzinslichen Zahlung 153 6.3.4.2 Bewertung eines Caps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6.4 Das Swap Market-Model1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 6.4.1 Definition und Modellierung der Swa.p Rake . . . . . . . . . . . 155 6.4.2 Bewertung einer Swaption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 6.5 Short Rate-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.1.1 Beschreibung der Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.1.2 Bestimrnung des risikoneutra.len Ma.Bes . . . . . . . 158 6.5.1.3 Bewertung von Derivaten in Short Rate-Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.5.1.4 Modellendogene Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.5.1.5 Abgrenzung von Short Rate-Modellen gegen das HJM-Model1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.5.2 Die zeitstetige Version des Modells von Ho und Lee . . . . 161 6.5.2.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.5.2.2 Verhalten der Short Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 6.5.2.3 Bestimmung der Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.5.2.4 Kalibration des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165 6.5.2.5 Verbindung zum Model1 von HJM . . . . . . . . . . . 166 6.5.3 Das Model1 von Vasicek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 6.5.3.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168 6.5.3.2 Verhalten der Short Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . .169 6.5.3.3 Bestimmung der Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 170 6.5.3.4 Kalibration des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.5.3.5 Verbindung zum Model1 von HJM . . . . . . . . . . . 172 6.5.4 ,,Extended Vasicek" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173
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6.5.4.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173 6.5.4.2 Verhalten der Short Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . .173 6.5.4.3 Bestimmung der Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . .174 6.5.4.4 Kalibration des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176 6.5.4.5 Verbindung zum Model1 von HJM . . . . . . . . . . . 177 6.5.5 Das Model1 von Cox, Ingersoll und Ross . . . . . . . . . . . . . . 178 6.5.5.1 Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.5.5.2 Verhalten der Short Rate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.5.5.3 Bestimmung der Zinsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . 180 . 6.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .182 .. 6.7 Losungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193
. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197 ..
Ein ~berblickiiber zinssensitive Finanztitel
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Arten zinssensitiver Wertpapiere vorgestellt werden. Dabei geht es in erster Linie um eine Beschreibung der wesentlichen Charakteristika der einzelnen Titel, ohne dass hier schon eine formale Darstellung der Zahlungsstrome erfolgen soll. Anleihen stellen die einfachsten zinssensitiven Titel dar. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen Nulllcuponanleihen (NKAs) und Kuponanleihen. NKAs weisen eine feste, einmalige Zahlung in Hohe des Nennwerts an einem bestimmten zukunftigen Termin (Falligkeitstermin) auf. Die wichtigste Motivation fur den Erwerb von NKAs ist der Wunsch, zu einem zukunftigen Zeitpunkt eine sichere Zahlung zu erhalten, z.B. zur Finanzierung einer fur diesen Termin geplanten Anschaffung. Ein solches sicheres Anlageergebnis ist mit einer rollierenden Anlage z.B. auf einem Festgeldkonto nicht erreichbar, da zwar der Ertrag uber die nachste, nicht jedoch uber alle zukunftigen Anlageperioden bekannt ist, wenn zukunftige Zinssatze risikobehaftet sind. Es ist somit z.B. unsicher, welches Endvermogen ein Anleger erhalt, der uber 10 Jahre jeweils monatlich Festgeld anlegt und prolongiert. Im Gegensatz dazu ist das Endvermogen bei Kauf einer 10-jahrigen NKA aus heutiger Sicht sicher. Hierbei ist die wichtigste Eigenschaft von NKAs, dass sie kein laufendes ,,EinkommenUin Form von Ausschuttungen erzeugen, sondern lediglich die Riickzahlung des Nennwerts am Ende der Laufzeit. Daraus ergibt sich, dass der Inhaber kein Wiederanlagerisiko fur zwischenzeitliche Ertrage zu tragen hat. Wie in den folgenden Kapiteln deutlich werden wird, weist eine NKA aber im Regelfall zwischenzeitliches Kursrisiko auf, d.h. es ist bei Zinsunsicherheit nicht moglich, heute genau vorherzusagen, welchen Wert die Anleihe zu einem zukunftigen Zeitpunkt vor Falligkeit haben wird. Dieses Risiko ist jedoch im idealtypischen Fall fur den Kaufer der NKA irrelevant, da er dieses Instrument ja genau dehalb gewahlt hat, weil es zum Falligkeitszeitpunkt eine feste Zahlung aufweist und er an zwischenzeitlichen Ausschuttungen nicht interessiert ist. Wunscht der Investor wahrend der Laufzeit der Anleihe ein regelmafliges Einkommen, so stellt eine Kuponanleihe die geeignete Form der Kapitalanlage
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dar. Eine Kuponanleihe ist ebenso wie eine NKA durch einen Falligkeitstermin und einen Nennwert gekennzeichnet, daruberhinaus erhalt der Inhaber jedoch in regelmaaigen Abstanden eine Kuponzahlung, die ublicherweise als Prozentsatz des Nennwerts festgelegt ist. Kuponzahlungen erfolgen in Deutschland meist jahrlich, in den USA dagegen halbjahrlich. Im einfacheren Fall ist die Kuponhohe uber die gesamte Laufzeit festgeschrieben, man spricht dann von einer festverzinslichen Anleihe. Man erwirbt also z.B. eine 5-jahrige Anleihe mit einem Nennwert von 100 Geldeinheiten (GE) und einem Kupon von 4.5%. Dies bedeutet, dass bei jahrlicher Kuponzahlung am Kupontermin 4.5 GE an den Investor flieaen, bei halbjahrlicher Zahlungsweise dagegen alle sechs Monate 2.25 GE. Bei Wiederanlage der Ertrage gilt, dass eine gegebene Kuponrate bei halbjahrlicher Kuponzahlung einen etwas hoheren Wert der Anleihe induziert als bei jahrlicher Zahlung. Geht es dem Investor lediglich darum, einen bestimmten Geldbetrag im Falligkeitszeitpunkt zu erhalten, sieht er sich bei einem Investment in eine Kuponanleihe einem Wiederanlagerisiko ausgesetzt. Die zwischenzeitlich anfallenden Kuponzahlungen mussen bis zum Falligkeitszeitpunkt angelegt werden, wobei aus Sicht des Erwerbszeitpunktes die Zinssatze, zu denen diese Anlage erfolgen kann, unsicher sind. Eine Variation dieses Grundtyps von Kuponanleihe stellen Kuponanleihen mit variablem Kupon, sogenannte variabel verzinsliche Anleihen oder Floater, dar. Bei einem Floater ist der Kupon nicht mehr von Beginn an fur die ganze Laufzeit fest, sondern er richtet sich nach einem Referenzzinssatz und wird regelma.aig a.ngepaast. Beispielsweise konnte eine Anleihe ,,6-Monats-LIBOR 0.5%" zahlen. LIBORsteht dabei fur London Interbank Oflered Rate und bezeichnet einen Interbankenzinssatz am Finanzplatz London. An den einzelnen Anpassungsterminen wird der nachste Kupon dieses Floaters nach der angegebenen Formel auf Basis des 6-Monats-LIBORfestgelegt. Wie oben erwahnt, beschranken sich die Ausfuhrungen in diesem Buch auf ausfallrisikolose (Staats-)Anleihen. Im Gegensatz zu Emissionen z.B. der Bundesrepublik Deutschland oder der USA ist bei Unternehmensanleihen die Ruckzahlung nicht garantiert, da das Unternehmen vor Falligkeit der Anleihe in Konkurs gehen konnte. Diese Tatsache wirft besondere Probleme bei der Bewertung auf, die den Rahmen dieses Buches sprengen wurden. Wahrend Anleihen naturlich zinssensitive Finanztitel darstellen, wurde man sie im Allgemeinen nicht als klassische Zinsderivate ansehen. Ein klassisches Zinsderivat wird dagegen z.B. durch einen Zinsterminkontrakt, englisch Forward Rate Agreement (FRA), reprasentiert. Ein FRA beinhaltet eine Vereinbarung uber den Zinssatz (Terminzinssatz) fur eine Anlageperiode, die erst zu einem zukunftigen Zeitpunkt beginnt. Man wurde also z.B, heute vereinbaren, dass in drei Monaten ein bestimmter Betrag fiir sechs Monate zu einem bereits heute festgelegten Zinssatz angelegt werden kann. Fur diese zukunftige Periode ist damit aus heutiger Sicht das Risiko adverser Zinsanderungen ausgeschlossen, der Investor kann genau sagen, welchen Betrag er von heute aus gerechnet in neun Monaten zur Verfugung haben wird. Selbstverstandlich kann ein FRA auch zur Spekulation eingesetzt werden. Erwartet ein Investor
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fur eine zukunftige Anlage eine niedrigere Verzinsung als den heute angebotenen Terminzins, so kann er durch den Abschluss eines FRA als Anleger eine Position aufbauen, von der er im Falle einer richtigen Einschatzung der Zinsentwicklung profitieren wurde. Ebenso kann naturlich auch auf steigende Zinsen spekuliert werden, indem man im Rahmen des FRA Kredit zum Terminzins aufnimmt und hofft, durch die zukunftige Anlage des Kreditbetrags zu dann hoheren Zinsen einen Gewinn erzielen zu konnen. Ein Swap ist eine bilaterale Vereinbarung uber den Tausch von Zahlungsstromen. In der klassischen Variante, dem sogenannten Plain Vanilla Swap, vereinbaren die Parteien den Tausch von festen gegen variable Zahlungen. Die variablen Zahlungen orientieren sich dabei meist an einem Referenzzinssatz wie oben fur Floater geschildert. Insofern kann ein Swap auch als Tausch einer festverzinslichen gegen eine variabel verzinsliche Anleihe interpretiert werden, obwohl ublicherweise nicht der Nennbetrag, sondern nur die Zinszahlungen getauscht werden. 1st ein Kreditnehmer z.B. eine variabel verzinsliche Verpflichtung eingegangen und furchtet er nun zukunftig steigende Zinsen, so kann er als Festzinszahler in einen Swap eintreten. Es wurde sich dann aus seiner Sicht um einen Payer Swap handeln, wahrend es sich fur die Gegenpartei um einen Receiver Swap handeln wurde. Wie ein FRA, so kann auch ein Swap zu Spekulationszwecken eingesetzt werden. Glaubt ein Investor z.B. an steigende Zinsen in der Zukunft, so kann er einen Payer Swap eingehen, so dass er feste Zinsen zahlt und zukunftig von hoheren Einnahmen aus den va.ria.blen Zahlungen der Gegenpa.rtei profitieren ka.nn. Forwards und Futures auf Anleihen sind Kontrakte, bei denen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der in der Zukunft zu zahlende Kaufpreis fur eine Anleihe festgelegt wird. Dieser Festpreis wird als Forwardpreis bzw. Futurespreis bezeichnet. ~ h n l i c hwie die bereits geschilderten Terminkontrakte konnen Forwards und Futures sowohl zur Absicherung einer Position als auch zur Spekulation verwendet werden. Halt ein Investor eine Anleihe und befiirchtet zukunftig einen Zinsanstieg, so kann er die Anleihe bereits heute ,,auf Termin" verkaufen und sich damit einen festen Verkaufspreis sichern. Man spricht in diesem Fall von einer Short-Position im Terminkontrakt. Eine Spekulation uber Forwards oder Futures wurde z.B. bei Erwartung fallender Zinsen und damit steigender Anleihepreise einen Terminkauf der Anleihe beinhalten, also eine Long-Position im Forward bzw. Future. Eine spezielle Form von Futures sind solche Kontrakte, die auf sehr kurzfristige Anleihen geschrieben sind, wie z.B. T-Bill-Futures oder Schatz-Futures. Futures und Forwards sind ahnliche Kontrakte. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Futures borsengehandelt und standardisiert sind, wahrend Forwards ,,over the counter" (OTC), also ausserhalb einer Borse gehandelt werden. Die bisher vorgestellten Zinsderivate sind sogenannte unbedingte Terminkontrakte, bei denen keine der beiden Parteien ein Wahlrecht bezuglich der endgultigen Erfiillung, also dem Tausch von Geld gegen Wertpapier, besitzt. Die wichtigsten bedingten Terminkontrakte, d.h. solche mit einseitigen Wahlrechten, sind Caps und Floors. Ein Cap ist ein Kontrakt, der es erlaubt, eine
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1 Ein ~berblickiiber zinssensitive Finanztitel
Obergrenze fiir eine variable Zinsverpflichtung zu erzeugen. Er ist, zusammengesetzt aus einer Serie von elementaren Kontrakten, sogenannten Caplets. Liegt der Referenzzinssatz am Abrechnungstermin uber der Strike Rate, so erhalt der Inhaber eines Caplets eine Zahlung, die diesen Unterschied gerade ausgleicht, d.h. er erhalt die Zinsdifferenz auf den Nennbetrag des Kontrakts. Andernfalls erfolgt keine Zahlung. Ein Floor funktioniert genau umgekehrt. Er ist aus Floorlets zusammengesetzt, von denen jeder zum jeweiligen Abrechnungstermin eine Zahlung leistet, falls der Referenzzinssatz unter der Strike Rate liegt, andernfalls wird nichts gezahlt. Ein Floor ermoglicht es damit, eine Mindestverzinsung auf eine variabel verzinsliche Anlage zu garantieren, da im Falle niedriger Zinsen mindestens die Strike Rate gezahlt wird. Die Kombination aus dem Kauf eines Caps und dem Verkauf eines Floors mit niedrigerer Strike Rate wird auch als Collar bezeichnet. Ein Collar garantiert eine Oberund eine Untergrenze fur die variablen Zinsen, die fur einen Kredit zu entrichten sind. Der Verkauf des Floor, der in Zeiten sehr niedriger Zinsen zu einem Verlust fuhrt, wird haufig dadurch motiviert, dass die Einstandskosten der Collar-Position durch den Verkaufserlos aus dem Floor gemindert werden. Selbstverstandlich stellt dies implizit eine Spekulation auf nicht zu niedrige zukunftige Zinsen dar. Eine Anleiheoption ist ein Zinsderivat, das seinen Inhaber berechtigt, eine Anleihe zu einem zukunftigen Zeitpunkt bzw. wahrend eines bestimmten Zeitraums zu einem bestimmten Preis (Basispreis, Strike Price, Exercise Price) zu kaufen (Kaufoption, Call) bzw. zu verkaufen (Verkaufsoption, Put). 1st die Ausubung des Rechts jederzeit moglich, bezeichnet man die Option als amerikanisch. Kann es dagegen nur am Ende der Optionsfrist ausgeiibt werden, heii3t die Option europaisch. Die Auszahlung eines Calls bei Ausubung ist positiv, wenn der Anleihepreis gri33er ist als der Basispreis, und sonst null. Ein Put hat dagegen eine positive Zahlung, wenn der Kurs der Anleihe unter dem Basispreis liegt. Er kann damit z.B, zur Absicherung einer Anleiheposition gegen einen befurchteten Kursverfall eingesetzt werden. Der Wertverlust der Anleihe wird durch die positive Zahlung aus dem Put kompensiert, so dass der Investor stets mindestens ein Vermogen in Hohe des Basispreises der Option hat. Auch Optionen konnen zu spekulativen Zwecken eingesetzt werden, um z.B. Erwartungen fallender Anleihekurse mit Hilfe von Verkaufsoptionen in eine Investitionsstrategie umzusetzen. Neben solchen rein zinssensitiven Titeln existiert eine groi3e Bandbreite sogenannter hybrider Finanztitel, die neben Zinsrisiko auch noch weiteren Risikoquellen ausgesetzt sind. Die zwei wichtigsten Formen solcher Wertpapiere, namlich Wandel- und Optionsanleihen, sollen hier kurz beschrieben werden. Wandelanleihen sind Unternehmensanleihen, die wahrend einer bestimmten Frist den Umtausch der Anleihe in Aktien des ausgebenden Unternehmens erlauben. Die Anleihekomponente stellt im Wesentlichen einen zinssensitiven Titel dar, wahrend der Wert des Umtauschrechts hauptsachlich von der Entwicklung des Aktienkurses abhangt. ~ h n l i c hwie Wandelanleihen beinhalten auch Optionsanleihen ein Recht auf den Bezug von Aktien des emittierenden
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Unternehmens. Allerdings besteht eine Optionsanleihe aus zwei Teilen, die meist nach einer gewissen Frist getrennt gehandelt werden. Der eine Teil ist die Anleihe, der andere der sogenannte Optionsschein. Dieser Optionsschein berechtigt ahnlich einer ublichen Option zum Bezug der Aktien des emittierenden Unternehmens gegen Bezahlung des Bezugspreises. Die Bewertung hybrider Derivate erfordert Modelle, in denen neben dem Zinsrisiko auch noch eine Risikoquelle wie der Aktienkurs oder der Gesamtwert des Unternehmens erfasst werden muss. Die Darstellung und Analyse dieser Modelle wurde jedoch den Rahmen des vorliegenden Buches sprengen, weshalb im Folgenden hybride Dervate nicht weiter erortert werden. Zinsderivate werden an zahlreichen Terminborsen rund um die Welt gehandelt. Die bekanntesten Terminborsen sind sicherlich die CBOT (Chicago Board of Trade), die LIFFE (London International Financial Futures Exchange) sowie die EUREX in Frankfurt. Wie oben bei der Beschreibung von Forwards und Futures angedeutet, werden Zinsderivate jedoch auch auf OTCMarkten gehandelt. Ein Kunde kann z.B. bei einer Investmentbank ein Zinsderivat kaufen, das diese exakt auf seine Bedurfnisse zugeschnitten hat. Dies hat fur den Kunden eben den Vorteil, dass das Derivat exakt seinen Anforderungen entspricht. Gleichzeitig ist jedoch zu bedenken, dass es bei einem spezieller gestalteten Derivat schwierig sein durfte, es bei einer Auflosung der Position an andere Investoren weiter zu verkaufen. Dieser Abschnitt sollte in erster Linie dazu dienen, einen ~ b e r b l i c kfiber die wesentlichen Arten von Zinsderivaten zu geben. In den spateren Kapiteln des Buches wird nicht jedes Produkt im Einzelnen in allen Modellen bewertet, sondern es wird allgemein der Weg von der Feststellung der Auszahlung eines Derivats hin zu seinem fairen Preis im Bewertungszeitpunkt dargestellt. Mit Information uber die Kontraktspezifikation des jeweiligen Derivats kann anschliefiend prinzipiell jeder Claim bewertet werden. Der weitere Aufbau des Buches ist wie folgt: Grundlegende Begriffe wie Kassa- und Terminzinssatz, Zinsstruktur usw. sowie die formale Abbildung der spater diskutierten Zinsprodukte sind Gegenstand von Kapitel 2. Eine Einfuhrung in die Bewertung von Derivaten in diskreter Zeit folgt in Kapitel 3. Die wichtigsten Zinsmodelle in diskreter Zeit, namlich die Ansatze von Ho und Lee (1986) sowie von Black, Derman und Toy (1990) sind Inhalt von Kapitel 4. Kapitel5 prasentiert die Grundlagen der Bewertung von Zinsderivaten in stetiger Zeit. Die wichtigsten stetigen Zinsmodelle werden anschlieoend in Kapitel 6 vorgestellt. Als Benchmark ist dabei das Model1 von Heath, Jarrow und Morton (1992) anzusehen. Ferner werden die sogenannten Market Models auf Basis von LIBOR-oder Swap-Satzen vorgestellt. Aus Grunden der Vollstandigkeit und vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung von Modellen zur Bewertung von Zinsderivaten werden in diesem Kapitel auch sogenannte Short Rate-Ansatze prasentiert, in denen der kurzfristige Zinssatz die einzige Zustandsvariable darstellt.
Zinsstrukturen und Zinsderivate
Ziel dieses Kapitels ist eine erste formale Analyse der im vorangegangenen Kapitel diskutierten Zinsprodukte. Wir beginnen fur jeden Kontrakt mit der Definition seiner Auszahlungsfunktion. Durch diese Auszahlungsfunktion, die angibt, wieviel zu welchem Zeitpunkt in Abhangigkeit des Umweltzustandes gezahlt wird, ist der Kontrakt eindeutig beschrieben. Ziel der folgenden Kapitel wird es dann sein, ausgehend von der Auszahlungsfunktion den Preis des Kontraktes zu bestimmen. Fur die Definition der verschiedenen Kontrakte sei unter anderem auf Baxter und Rennie (1996), Bjork (1998), Brigo und Mercurio (2001), James und Webber (2000) sowie auf Sandmann (2001) verwiesen. Fur die meisten Kontrakte gilt, dass eine Bewertung nur auf Basis eines Zinsmodells moglich ist. Eine Ausnahme stellen hier z.B. Forwardkontrakte dar, fur die sich der Wert und der Forwardpreis (auf diese Unterscheidung werden wir weiter unten noch eingehen) ohne Verwendung eines Zinsmodells berechnen lassen und somit unabhangig von dem stochastischen Verhalten der Zinsen sind. Fur die meisten anderen Kontrakte ist der Wert dagegen vom Zinsmodell abhangig. Wir beschranken uns an dieser Stelle fur alle Kontrakte, bei denen eine solche modellfreie Bewertung nicht moglich ist, zum einen auf die Ermittlung von verteilungsfreien Wertgrenzen, also Preisoberund -untergrenzen. Diese mussen in jedem Zinsmodell gelten, da sonst Arbitragemoglichkeiten existieren wurden. Zum anderen geben wir Beziehungen zwischen den Preisen verschiedener Kontrakte an, die bei Arbitragefreiheit erfullt sein mussen. Das wohl bekannteste Beispiel ist hier die Put-Call-Paritat. Das Konzept der Arbitrage werden wir in Kapitel 3 formal einfuhren und uns hier einstweilen mit einer verbalen Erklarung begnugen. Man nennt einen Kapitalmarkt arbitragefrei, wenn es nicht moglich ist, ohne Kapitaleinsatz und ohne das Risiko von Verlusten einen Gewinn zu erzielen. Insbesondere mussen also Portfolios, deren Zahlungen in der Zukunft ubereinstimmen, heute den gleichen Preis haben. Ansonsten wiirde man das teurere Portfolio verkaufen und das billigere kaufen. Die Zahlungen in der Zukunft wurden sich gegenseitig aufheben, und die Preisdifferenz heute wurde einen sicheren Gewinn darstellen.
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2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
2.1 Zinsstrukturen Wir beginnen dieses Kapitel mit einer Diskussion der Diskontierungsfunktion und der Zinsstruktur als den Grundbausteinen von Zinsmodellen. Wahrend die Definition der Diskontierungsfunktion eindeutig ist, da sie sich aus den Preisen von NKAs zusammensetzt, gilt dies fur Zinsen nicht. Hier unterscheidet man zum einen danach, ob der Zins fur eine sofortige Anlage a b dem Zeitpunkt der Festsetzung oder fur eine zukunftige Anlage gilt, zwischen Kassaund Terminzinsen. Zum anderen unterscheidet man nach der Art der Berechnung zwischen diskreten und stetigen Zinsen. Die Aussage, dass der Zins 5% betragt, ist damit bei weitem nicht ausreichend. Zusatzlich muss man wissen, fur welche Anlageperiode der Zins gilt und wie er berechnet wurde. Es sei ausdrucklich betont, dass es sich bei den verschiedenen Berechnungsmethoden einzig und alleiri urn verschiedene Definitionen handelt. Die R a g e nach richtig oder falsch stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. 2.1.1 Diskontierungsfunktion Die Diskontierungsfunktion urnfaat die Preise von NKAs zurn Zeitpunkt t rnit Falligkeit in allen denkbaren Zeitpunkten T t . Eine NKA stellt das einfachste Zinsderivat dar. Die in r fallige NKA zahlt in T gerade ihren Nennwert zuruck, den wir im Folgenden ohne Beschrankung der Allgemeinheit konstant gleich eins setzen. Ferner nehmen wir an, dass die Ruckzahlung sicher erfolgt, also kein Ausfallrisiko vorliegt. Der Preis in t der in T falligen NKA sei mit B ~ ( Tbezeichnet. ) Die Auszahlungsfunktion ist gegeben durch
>
Der Preis B t ( r ) gibt den Wert in t einer sicheren Zahlung in T an und wird auch als Diskontierungsfaktor (fiir den Zeitpunkt T ) bezeichnet. Die Menge aller B t ( r ) mit T 2 t bildet dann die Diskontierungsfunktion in t. Die Diskontierungsfunktion ist eine Moglichkeit, die Zinsstruktur zu beschreiben. In der Regel verwendet man hierzu jedoch direkt Zinssatze. Dabei wird zwischen Kassazinsen fur die Anlage von heute bis zu einem bestimmten zukunftigen Zeitpunkt und Terminzinsen fur die Anlage uber eine zukunftige Periode unterschieden. Ferner ist zwischen stetiger und diskreter Zinsberechnung zu differenzieren. 2.1.2 Kassazins Der Kassazins (spot rate) in t fur einen Zeitraum der Lange r - t ist der Zins, der fur eine Anlage von t bis T gezahlt wird. Er folgt eindeutig aus dem Preis in t der in T falligen NKA, die gerade das Instrument ist, mit dem man Geld fur diese Zeit sicher anlegen kann. Bei stetiger Verzinsung gilt fur den stetigen Kassazins y t ( r ) von t bis T
2.1 Zinsstrukturen
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Bei diskreter Verzinsung gilt fur den diskreten Kassazins y , d ( ~von ) t bis r
Fur den Zusammenhang zwischen diskreten und stetigen Kassazinsen folgt aus den Gleichungen (2.1) und (2.2)
Die Menge aller Kassazinsen yt(r) in t fur alle Falligkeitszeitpunkt r 2 t bezeichnet man als (Kassa-)Zinsstruktur in t. Die Gleichungen (2.1) und (2.2) zeigen, dass die Diskontierungsfunktion und die Kassazinsstruktur genau die gleichen Informationen beinhalten: Man erhalt aus der Diskontierungsfunktion die Kassazinsstruktur und umgekehrt. Empirisch beobachtet man oft, dass die Kassazinsen rnit wachsendem Anlagezeitraum T - t steigen. In diesem Fall spricht man von einer normalen (oder steigenden) Zinsstruktur. Die Zinsstruktur ist flach, wenn die Kassazinsen fur alle Laufzeiten r - t gleich hoch sind. Sie ist invers (bzw. fallend), wenn die Kassazinsen rnit wachsendem Anlagezeitraum r - t immer kleiner werden. 2.1.3 Terminzins
Neben den Kassazinsen kann man die Terminzinsen (forward rates) berechnen. Der Terminzins, der in t fur eine Anlage von r bis s (mit t 5 r < s) vereinbart wird, sei rnit ft(r,S ) bezeichnet. Wir beginnen wiederum rnit der Definition des stetigen Terminzinses, bevor wir den diskreten Terminzins einfiihren. Die Hohe des Terminzinses folgt aus dem Vergleich der beiden folgenden Strategien: Strategie A: Investiere in t genau 1 GE in die NKA rnit Falligkeit in s (kaufe also Bt(s)-' NKAs rnit Nennwert eins und einem Preis von jeweils Bt(s)) + Zahlung in s: Bt(s)-' Strategie B: Investiere in t genau 1 GE in die NKA rnit Falligkeit in r + Zahlung in r: Bt(r)-' Lege den (in t bereits bekannten) Betrag in r zu ft(r, S) bis s an + Zahlung in s: B~(7)-'eft(('+) (S-') Beide Strategien erfordern die gleiche Anfangsinvestition von 1 GE. Die einzige Zahlung erfolgt in s . Sie ist sicher und bereits heute bekannt, da der stetige
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2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
Terminzins f t ( r , S ) bereits in t festgelegt wird. Bei Arbitragefreiheit mussen dann auch die Zahlungen in s gleich sein, und man erhalt ~
~
(
Bt-( rl) - l e f t ( 7 > 4( s - 7 ) .
~= )
Hieraus folgt der Terminzins ft
(T,s )
=
-
In B t ( s ) - In Bt ( r ) S
- 7-
Stimmt der Beginn der Anlageperiode T mit dem heutigen Zeitpunkt t iiberein, so erhalt man wegen Bt(t)= 1 wieder den stetigen Kassazins:
Daneben kann man noch einen weiteren Zusammenhang zwischen Kassazinsen und Terminzinsen herleiten. So folgt aus der Definition des Terminzinses in Gleichung (2.3)
Sei nun t < tl < t z < . . . < tn < Anwendung von Gleichung (2.3)
T.
Dann erhalt man durch wiederholte
Mit der Definition des stetigen Kassazinses in Gleichung (2.1) folgt dann
, 1
Y ~ ( T= )
{ f 4 t , t l ) ( t l- t)
+ A(tl>t.)(t. - t l ) + - .. + ft(tn,.)(.
- t.)}.
Der Kassazins ist also ein gewichteter Durchschnitt der Terminzinsen. Neben dem stetigen kann man auch einen diskreten Terminzins definieren. Bezeichnet man den diskreten Terminzins in t fur Anlage von T bis s mit f , d ( ~s, ) , SO gilt
Hieraus erhalt man
Fur den Zusammenhang zwischen diskreten und stetigen Terminzinsen folgt aus den Gleichungen (2.3) und (2.5)
2.1 Zinsstrukturen
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2.1.4 Kurzfristiger Terminzins
Von speziellem Interesse sind die Terminzinsen uber die kurzesten im Model1 betrachteten Zeitintervalle, die sogenannten kurzfristigen Terminzinsen (instantaneous forward rates). Sprechen wir im Folgenden ohne weiteren Zusatz von Terminzinsen, so sollen stets diese kurzfristigen Terminzinsen gemeint sein. Die kurzfristigen Terminzinsen f t k (ti, ti At) werden im Folgenden mit f t k (ti) abgekurzt. Die Gesamtheit aller kurzfristigen Terminzinsen in tk bildet die Terminzinsstruktur. Aus dieser erhalt man mittels Gleichung (2.4) die Diskontierungsfunktion mit
+
Umgekehrt folgt aus der Diskontierungsfunktion die Terminzinsstruktur, so dass die Zinsstruktur nicht nur durch die Diskontierungsfunktion oder durch die Kassazinsstruktur, sondern alternativ auch durch die Terminzinsstruktur angegeben werden kann. In zeitstetigen Modellen ist der kurzfristige Terminzins ft(s) definiert alsl
+
ft(s) = lim ft(s, s At) ALL0 In Bt (s At) - ln Bt (s) = lim A~LO nt - - d In Bt (s) ' ds
+
Aus den kurzfristigen Terminzinsen erhalt man durch Integration die Preise von NKAs mit
Auch in stetigen Modellen folgt damit die Diskontierungsfunktion aus der Terminzinsstruktur {ft(s) 1s 2 t ) und umgekehrt. Der kurzfristige Terminzins ft(t) wird auch als Short Rate rt bezeichnet. Er beschreibt nicht die gesamte Zinsstruktur, sondern nur ihr ,,linkes Ende". Aus der Kenntnis der Short Rate allein lasst sich die Zinsstruktur nicht bestimmen. Dies deutet bereits auf die Probleme hin, die in Modellen auftreten, die nur das Verhalten der Short Rate, nicht aber das der gesamten Zinsstruktur beschreiben. Auf diese Ansatze werden wir in Abschnitt 6.5 noch naher eingehen. '1m Folgenden wird stets angenommen, dass die Ableitung des Preises der NKA nach dem Falligkeitszeitpunkt existiert.
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2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
2.1.5 Zinssicherheit und Zinsunsicherheit
Mit Hilfe von Kassa- und Terminzinsen ist man in der Lage, Zinssicherheit und Zinsunsicherheit gegeneinander abzugrenzen. Bei Zinssicherheit stimmt der zukunftige Kassazins mit dem heutigen Terminzins uberein, wobei der heutige Zeitpunkt mit t = 0 bezeichnet sei:
Bei Zinssicherheit sind bereits heute alle kunftigen Kassazinsen bekannt. Bei Zinsunsicherheit dagegen weicht der zukunftige Kassazins im allgemeinen vom heutigen Terminzins ab:
1st der Kassazins yt(r) in t unsicher, so mussen bei Arbitragefreiheit einige mogliche Realisationen fur den Kassazins kleiner als der heutige Terminzins, andere dagegen grofier sein. Es muss also gelten:
wobei P[A]fur die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses A steht. Ziel von Zinsmodellen ist es, die Entwicklung der zukunftigen Zinsen abzubilden. Genauso wie bei Aktienkursunsicherheit in den Modellen von Cox, Ross und Rubinstein (1979) (CRR) oder Black und Scholes (1973) (BS) die zukunftige Entwicklung des Aktienkurses modelliert wird, beschreiben Zinsmodelle die zukunftige Entwicklung der Zinsen. Wir haben bereits gesehen, dass die Zinsstruktur alternativ durch die Diskontierungsfunktion, die Kassazinsstruktur oder die Terminzinsstruktur angegeben werden kann. Dementsprechend konnen Zinsmodelle die Entwicklung der Diskontierungsfunktion, der Kassazinsstruktur oder der Terminzinsstruktur beschreiben. Daneben gibt es auch Ansatze, die von der Entwicklung der Short Rate ausgehen. Im Unterschied zu Aktienkursmodellen sind bei Zinsmodellen einige Besonderheiten zu beachten: 0
0
0
In einem Aktienkursmodell wird die Kursentwicklung eines einzelnen Wertpapiers (der Aktie) modelliert. In einem Zinsmodell dagegen werden NKAs verschiedener Laufzeiten betrachtet, deren Entwicklung simultan zu modellieren ist. Wahrend die Aktie ein gehandeltes Wertpapier darstellt, ist der Zins selbst nicht gehandelt. Gehandelt werden lediglich Derivate auf den Zins, wie im einfachsten Fall eine NKA. Die Unsicherheit uber den zukunftigen Aktienkurs wird mit zunehmendem Zeithorizont grofier. Eine NKA dagegen zahlt bei Falligkeit mit Sicherheit den Nennwert zuruck, so dass ihr Wert mit abnehmender Restlaufzeit gegen den Nennwert konvergieren muss.
2.2 Anleihen
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In den spateren Kapiteln werden wir verschiedene Modelle kennenlernen, die Zinsunsicherheit abbilden. Im Rahmen dieser Modelle konnen dann Zinsderivate wie Optionen, Futures, Caps, Floors und Swaptions bewertet werden. Zunachst sollen diese Derivate jedoch definiert und modellunabhangige Bewertungsbeziehungen hergeleitet werden.
2.2 Anleihen Mit der NKA haben wir die einfachste Anleihe schon kennengelernt. Daneben gibt es Anleihen, die wahrend der Laufzeit entweder feste (im Falle von festverzinslichen Anleihen) oder variable (im Falle von variabel verzinslichen Anleihen) Zinszahlungen leisten. Im Folgenden nehmen wir stets an, dass alle Anleihen ausfallrisikolos sind, die versprochenen Zahlungen also auch tatsachlich geleistet werden. Zur Erfassung des Ausfallrisikos gibt es eigene Modelle, deren Diskussion den Rahmen dieses Buches sprengen wurde. Hier sei u.a. auf Duffie und Singleton (2003) und Bielecki und Rutkowski (2002) verwiesen. 2.2.1 Nullkuponanleihe Die NKA mit Falligkeit in T leistet nur in T eine Zahlung in Hohe des auf eins normierten Nennwertes. Ihr Preis in t wurde oben bereits mit Bt (T) eingefuhrt. Insbesondere gilt B,(T) = 1. Sind Zinsen stets nichtnegativ, so ist der Preis einer NKA kleiner als der Nennwert, und er ist um so kleiner, je langer die Restlaufzeit ist. Wahrend man die Nichtnegativitat der Zinsen intuitiv fordert, ist sie keineswegs zwingend, und tatsachlich gilt fur einige der bekannteren Zinsmodelle, dass Zinsen negativ werden konnen. 2.2.2 Kuponanleihe 2.2.2.1 Festverzinsliche Anleihe Eine festverzinsliche Kuponanleihe (fixed coupon bond) leistet auch wahrend der Laufzeit Zahlungen. Sie ist beschrieben durch den Nennwert F (im Folgenden als eins angenommen), den Falligkeitstermin T, die Zahlungszeitpunkte t l , tz, . . . , t, = T mit geleisteten Kuponzahlungen cti und die Tilgungsmodalitaten. Letztere legen fest, ob es sich um Annuitaten (und damit in jedem Zeitpunkt gleich hohe Zahlungen), um endfallige Anleihen (deren Nennwert bei Falligkeit zuruckgezahlt wird) oder teilfallige Anleihen (deren Nennwert uber mehrere Zeitpunkte verteilt zuruckgezahlt wird) handelt. Vereinfachend gehen wir im Folgenden davon aus, dass die Kuponanleihe endfallig ist und sich zu jedem Zahlungszeitpunkt die Kuponzahlung aus der konstanten Kuponrate von c ergibt. Als Zahlungen aus dieser Kuponanleihe erhalt der Inhaber dann in ti (i = 1,. . . ,n - 1) jeweils den Kupon c (ti - ti-l) sowie in
2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
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t, = T zusatzlich zum dann falligen Kupon auch den Nennwert, so dass die Gesamtzahlung 1 c (t, - t,-l) betragt. Die Kuponanleihe entspricht einem Portfolio aus NKAs. Ihr Preis in t 5 tl ist dementsprechend gleich dern Preis des Portfolios, der durch
+
gegeben ist. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass wir Stiickzinsen grundsatzlich nicht berucksichtigen, da sie nicht aus einer Bewertungsbeziehung folgen, sondern lediglich eine Marktusance darstellen.
2.2.2.2 Variabel verzinsliche Anleihe Eine variabel verzinsliche Anleihe (floating mte m t e ) leistet zwischenzeitliche Zahlungen, deren Hohe unsicher ist und sich jeweils aus dern aktuellen Marktzins ergibt. In der einfachsten Form bestimmt sich die Hohe der variablen Zahlung aus dern Zinssatz im Interbankenhandel, also aus LIBORoder EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate). Wir sprechen im Folgenden vereinfachend nur von LIBOR.Wir nehmen zusatzlich an, dass LIBORdern Kapitalmarktzins entspricht, es also keine Friktionen am Markt gibt. Man unterscheidet zwischen Kassa- und Forward-LIBOR.Allgemein bezeichnet Lt(.s, T) den Forward-LIBOR, der in t fur eine Anlage von s bis r vereinbart wird. Er ist definiert durch die Beziehung
Der Kassa-LIBORLt(t, r) ist der Zins, der zum Zeitpunkt t fur eine Anlage von t bis r gilt. Fur den Preis der in T falligen NKA gilt
Aufgelost nach Lt(t, T) erhalt man
Ausgehend von dern variablen Zins konnen wir nun die Zahlungen der einfachsten variabel verzinslichen Anleihe angeben. Wie bereits im Falle der Kuponanleihe seien die Zahlungszeitpunkte t l = to+&, t2 = to+2At,. . . , tn-l = to (n - l)&,t , = to nAt. Die variable Zahlung in ti < t, ist definitionsgemafi gleich dern LIBORfur die vorangegangene Anlageperiode von ti-l bis ti, multipliziert mit der Lange At der Anlageperiode:
+
+
2.2 Anleihen
15
Setzt man die Definition des LIBORein, so erhalt man
Lt,-, (ti-1, ti-1
+ At)At = -
1
Bti_i(ti-l
+ At) - 11 At
Dies entspricht gerade der Zinszahlung auf eine Anlage von 1 GE von tiPl bis ti zum in ti-1 herrschenden Marktzins. Die Zahlung in tn setzt sich aus der Ruckzahlung des Nennwertes und einem variablen Anteil zusammen:
Im hier betrachteten (und einfachsten) Fall gilt fur die Zahlung in ti, dass ihre Hohe in ti-1 bestimmt (reset date) wird, die Zahlung selbst dagegen in ti (payment date) erfolgt. Dies fuhrt dazu, dass man den Wert der variablen Zinszahlungen und den Wert der variabel verzinslichen Anleihe ohne Zugrundelegung eines Zinsmodells bestimmen kann, sie also unabhangig von dem unterstellten Verhalten der Zinsen iiber die Zeit sind. Das sol1 im Folgenden gezeigt werden. Wir beginnen mit der Bewertung der variablen Zahlung (2.8) in ti. Ihre Hohe ist aus Sicht von t < ti-1 unbekannt, in ti-1 jedoch bekannt. Damit kann man ihren Wert in ti-1 einfach durch Multiplikation mit dem Preis der entsprechenden NKA bestimmen:
Dies ist der Wert in ti-1 eines Portfolios, das aus einer NKA mit Falligkeit in ti-l long und einer NKA mit Falligkeit in ti short besteht. Der Wert dieses Portfolios zu dem fruheren Zeitpunkt to 5 tipl ist
Der Wert der variabel verzinslichen Anleihe in to setzt sich zusammen aus den Werten der variablen Zahlungen und aus dem Wert der Ruckzahlung des Nennwertes:
16
2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
Im Zeitpunkt to ist der Wert der variabel verzinslichen Anleihe somit eins. Allgemein gilt in jedem Zahlungszeitpunkt, dass der Wert der variabel verzinslichen Anleihe unmittelbar nach erfolgter Zahlung gleich eins (bzw. gleich ihrem Nennwert) ist. Zur Bewertung der variablen Zahlung ist es auch moglich, ein Duplikationsportfolio anzugeben, das genau die gleichen Zahlungen aufweist. Betrachtet man wiederum die variable Zahlung (2.8) in ti, so lautet die zugehorige Handelsstrategie: in t = to: Kauf einer NKA mit Falligkeit in ti-1, Verkauf einer NKA mit Falligkeit in ti. Der Wert dieses Portfolios betragt
in t = tipl: Aus der NKA mit Falligkeit in ti-1 erhalt man 1 GE, die man zum aktuellen Zins (und damit zum LIBORLti-, (tiTl, ti)) bis ti anlegt. in ti: Aus der in tipl getatigten Anlage erhalt man 1 Lti-, (ti-1, ti)At. Zusammen mit der Short-Position in der in ti falligen NKA ergibt sich eine Zahlung von
+
was genau der variablen Zinszahlung aus Gleichung (2.8) entspricht.
2.3 Anleiheoptionen Im Bereich der Zinsderivate konnen Optionen als Underlying entweder Anleihen oder auch Zinssatze haben. Wir beginnen mit dem Fall, in dem das Underlying der Optionen Anleihen sind, und schranken die Analyse an dieser Stelle sogar noch weiter auf Optionen auf NKAs ein. Im Folgenden bezeichne C t ( X , TI, T2) den Preis in t einer europaischen Calloption, die in TI fallig ist. Der Basispreis der Option ist X , das Underlying der Option ist die in T2 fallige NKA. CF (X, TI,T2) ist der Preis der entsprechenden amerikanischen Calloption. Analog hierzu bezeichnen Pf (X, TI, T2) und Pta(X, TI, T2) die Preise der entsprechenden Putoptionen. Die europaischen Optionen sind durch ihre Auszahlungen bei Falligkeit beschrieben:
Die amerikanischen Optionen konnen jederzeit ausgeubt werden. Bei Ausubung des amerikanischen Calls im Zeitpunkt s erhalt man
2.3 Anleiheoptionen
17
bei Ausubung des amerikanischen Puts erhalt man
mit y+ = max{y, 0). Als ein zentrales Problem bei der Bewertung amerikanischer Optionen wird sich die Wahl des optimalen (d.h, wertmaximierenden) Ausubungszeitpunktes herausstellen. Ausgehend von der Forderung der Arbitragefreiheit erhalt man eine Reihe von verteilungsfreien, d.h. modellunabhangigen, Wertrelationen fur diese Optionen. Bevor wir diese herleiten, sei noch erwahnt, dass Optionen auch mit einer Anleihe verbunden sein konnen. So versteht man unter einer kundbaren Anleihe (Callable Bond) eine (Kupon-)Anleihe, die vom Emittenten vorzeitig gekundigt werden kann. Ein solche kundbare Anleihe stellt ein Portfolio aus der zugrundeliegenden Anleihe long und einem Call auf diese Anleihe short dar. Unter einem Puttable Bond versteht man eine (Kupon-)Anleihe, die dem Inhaber das Recht gibt, vorzeitig die Riickzahlung zu verlangen. Der Puttable Bond besteht somit aus einer Long-Position in der zugrunde liegenden Anleihe und einer Long-Position in einem Put auf diese Anleihe. 2.3.1 Verteilungsfreie Wertuntergrenzen fiir Anleiheoptionen
Optionen verbriefen nur Rechte, aber keine Pflichten. Im schlechtesten Fall verzichtet der Inhaber auf die Ausubung und erhalt eine Auszahlung von null. Damit mussen Optionen heute einen Preis von mindestens null haben:
Amerikanische Optionen verbriefen mehr Rechte als europaische. Verzichtet man auf das Recht der vorzeitigen Ausubung, so erhalt man im Falligkeitszeitpunkt die gleiche Auszahlung wie bei europaischen Optionen. Damit mussen amerikanische Optionen mindestens so vie1 wert sein wie europaische:
Neben der Wertuntergrenze von null gilt fur den europaischen Call auch
Dies laat sich leicht durch den Vergleich von zwei Strategien zeigen: 0
Strategie A: Kauf des Calls Strategie B: Kauf des Underlyings, Leerverkauf von X in Tl falligen NKAs.
Aus Strategie A erhalt man in Tl eine Zahlung in Hohe von
18
2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
aus Strategie B B T (T2) ~ - X. Da die Zahlung von Strategie A mindestens so grof3 ist wie diejenige von Strategie B, muss auch der anfangliche Wert von Strategie A mindestens so grof3 sein wie derjenige von Strategie B, und man erhalt Ungleichung (2.9). Analog kann man zeigen, dass fur den europaischen Put die folgende Ungleichung gilt: P;(X, Ti, 7'2)
> X Bt (Ti) - Bt(T2).
Fur amerikanische Optionen gelten strengere Restriktionen. Sie sind mindestens so vie1 wert wie die entsprechenden europaischen Optionen. Auf3erdem kann ihr Preis nicht unter die Ausubungszahlung fallen. Damit erhalt man
Fasst man nun die Wertuntergrenzen zusammen, so erhalt man fur europaische Optionen
Fur amerikanische Optionen gilt
2.3.2 Verteilungsfreie Wertobergrenzen fiir Anleiheoptionen
Analog zu den Wertuntergrenzen lassen sich auch Wertobergrenzen herleiten. Fur europaische Optionen erhalt man
wobei die Wertobergrenze fur den Call aus dem Vergleich mit einer Investition im Underlying und die Wertobergrenze fur den Put aus dem Vergleich mit einer sicheren Zahlung von X folgt. Fur amerikanische Optionen erhalt man
Die Wertobergrenze des Calls ergibt sich ebenfalls aus dem Vergleich mit dem Underlying. Die Wertobergrenze des Puts folgt aus der uberlegung, dass man aus dem Put maximal eine Zahlung von X erhalt. Maximiert man dann den heutigen Wert dieser Zahlung uber alle moglichen Zahlungszeitpunkte, erhalt man die Wertobergrenze. Sind die Zinsen stets nichtnegativ, vereinfacht sich diese Wertobergrenze zu X.
2.3 Anleiheoptionen
19
2.3.3 Vorzeitige Ausubung amerikanischer Anleiheoptionen Unter der Annahme, dass Zinsen nicht negativ werden konnen, ist es nie sinnvoll, einen amerikanischen Call auf eine NKA vorzeitig auszuuben, und es gilt: Ct"(X,Tl, T2) = c t e ( x ,Tl, T2). Um dies zu zeigen, greift man auf die Wertgrenzen fur den europaischen Call zuriick. Es gilt
Sind Zinsen nichtnegativ, so gilt Bt(Tl) 5 1, und man erhalt
Der europaische und damit auch der amerikanische Call hat also einen Wert, der mindestens so groD ist wie die Zahlung, die man bei sofortiger Ausubung des amerikanischen Calls bekommt. Es ist somit nie optimal, den amerikanischen Call vorzeitig auszuuben. Er sollte bis Falligkeit in TI gehalten werden. Diese Aussage gilt nur fiir Calls, und sie gilt auch nur dann, wenn Zinsen stets nichtnegativ sind und das Underlying keine Ausschuttungen wahrend der Laufzeit der Option hat. Fur den amerikanischen Put laDt sich auch unter diesen Voraussetzungen eine vorzeitige Ausubung nicht ausschlieDen, und tatsachlich werden wir spMer in Beispielen sehen, dass die vorzeitige Ausiibung des amerikanischen Puts durchaus optimal sein kann. 2.3.4 Put-Call-Paritat fur europaische Optionen
Zwischen den Preisen von europaischen Call- und Putoptionen besteht der folgende, als Put-Call-Paritat bezeichnete Zusammenhang:
Der Beweis basiert auf dem Vergleich der beiden folgenden Portfolios: 0
0
Portfolio A: Call long mit Falligkeit in TI und X NKAs mit Falligkeit in Tl long Portfolio B: Put long mit Falligkeit in TI und eine NKA mit Falligkeit in Tz long.
In TI ist der Wert von Portfolio A ~ ~ x { B (Tz) T , - X , 0)
+ X = m a x { B ~(T2), ~ X).
Der Wert von Portfolio B ist max{x - B T (T2), ~ 0)
+ B T (7'2) ~ = max{B~,(T2), X ) .
Die Werte der beiden Portfolios in Tl sind damit identisch. Da die Portfolios daruber hinaus keine zwischenzeitlichen Zahlungen leisten, mussen bei Arbitragefreiheit auch ihre heutigen Preise gleich sein.
2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
20
2.4 Forwards und Futures auf Anleihen Forwards und Futures gehoren zu den unbedingten Termingeschaften. Sie unterscheiden sich dadurch, dass der Forward nur bei Falligkeit eine Auszahlung leistet, wahrend in einem Futureskontrakt bis Falligkeit Settlement-Zahlungen erfolgen. 2.4.1 Forwards Ein Forward mit Falligkeit in TI auf die in T2 fallige NKA ist eine (in t getroffene) Vereinbarung, bei Falligkeit des Forwards in TI die in T2 fallige NKA zu dem in t festgelegten Forwardpreis Gt(T1, T2) zu kaufen (Forward long) oder zu verkaufen (Forward short). Wird der Forward in t abgeschlossen, so ist die Auszahlungsfunktion in TI aus Sicht der Long-Partei
Die Auszahlungsfunktion fiir die Short-Partei ergibt sich durch Multiplikation mit minus eins. Der Forwardpreis in t wird so bestimmt, dass der Forwardwert in t null ist. Hierzu betrachten wir wiederum zwei Strategien: 0
Strategie A: in t: Kauf der NKA mit Falligkeit in T2 auf Kredit, d.h. Kreditaufnahme in Hohe von Bt(T2) 1 in TI: Tilgung des Kredites: Bt (T2)Bt (TI) Strategie B: in t: Forward long in TI: Zahlung des Forwardpreises Gt (TI,T2) -
0
Bei beiden Strategien ist die Nettozahlung im Zeitpunkt t gleich null, da bei Alternative A der Kauf der Anlehe kreditfinanziert wird und bei Alternative B der Forward annahmegemao bei Abschluss keine Zahlung erfordert. Die Zahlung in TI ist mit Sicherheit bekannt, und man halt in TI die NKA mit Falligkeit in T2. Damit muss der in Tl zu zahlende Betrag bei beiden Strategien gleich sein, und es gilt
Diese Formel bezeichnet man auch als Cost of Carry-Formel. Wie man sieht, hangt der Forwardpreis nicht vom zugrundeliegenden Zinsmodell ab, sondern basiert nur auf zwei Datenpunkten aus der Diskontierungsfunktion. Im Zeitpunkt t hat der in t vereinbarte Forward also aufgrund der Festlegung des Forwardpreises einen Wert von null. Zu einem spateren Zeitpunkt
2.4 Forwards und Futures auf Anleihen
21
u > t dagegen wird der Wert des Forwards in der Regel von null abweichen. Der Long-Partei erhalt in TI die Zahlung
Der Wert dieser Zahlung zum Zeitpunkt u 5 TI ist
und hangt, von der Differenz des Forwardpreises in u und des Forwardpreises in t ab. 1st der Forwardpreis gestiegen, so ist der Wert des Kontraktes fur die Long-Partei positiv. 1st der Forwardpreis hingegen gefallen, ist er negativ. 2.4.2 Futures Wahrend in einem Forward nur bei Falligkeit eine Zahlung erfolgt, fiihrt ein in to abgeschlossener Future zu den Settlement-Zeitpunkten tl = to At, t2 = to 2 4 . . . , t, = to nAt = TI zu sogenannten Settlement-Zahlungen. Bezeichnet man den (noch zu bestimmenden) Futurespreis in s mit H,(Tl, T2), so ist die Settlement-Zahlung in ti aus Sicht der Long-Position
+
+
+
d.h. die Zahlung entspricht gerade der Veranderung des Futurespreises von tipl nach ti. 1st diese Differenz positiv (der Futurespreis also gestiegen), so erhalt die Long-Position eine Zahlung. 1st die Differenz dagegen negativ (der Futurespreis also gefallen), so muss die Long-Position eine Zahlung leisten. Bei Falligkeit gilt
Die Futurespreise werden so bestimmt, dass der Wert des Future unmittelbar nach einer Settlement-Zahlung jeweils null ist. Anders als der Forwardpreis ist der Futurespreis jedoch nicht verteilungsunabhangig, sondern man benotigt zu seiner Berechnung ein Zinsmodell, wie in Abschnitt 4.3.3.2 noch deutlich werden wird. In diesem folgen die Futurespreise vor Falligkeit dann eindeutig aus dem Futurespreis bei Falligkeit, der in Gleichung (2.10) angegeben ist. Ohne Beriicksichtigung der unterschiedlichen Zahlungszeitpunkte erhalt man fur die Summe aller Settlement-Zahlungen von to bis t, = TI
Im Vergleich dazu ist die Zahlung eines in to abgeschlossenen Forwards in TI
22
2 Zinsstrukturen und Zinsderivate
Die Zahlungen erfolgen jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, so dass im Allgemeinen Futurespreis und Forwardpreis nicht ubereinstimmen. Eine Ausnahme stellt der Fall der Zinssicherheit dar, wie spater noch im Detail gezeigt werden wird.
2.5 Forwards und Futures auf Zinsen Forwards und Futures konnen als Underlying nicht nur Anleihen, sondern auch ZinssMze selbst haben. Ein Beispiel ist das Forward Rate Agreement (FRA). Mit diesem Instrument sichert sich der Anleger den Terminzins fur die Anlage eines festen Betrags zu einem spateren Zeitpunkt. Angeno~n~nen, der Anleger schliefit das FRA in t ab und sichert sich fur den Anlagezeitraum von T bis T At und fur einen festen, hier als 1 GE angenommenen Anlagebetrag den Forward-LIBORLt(T, T At). In T legt er diesen Betrag zunachst zum dann geltenden Kassazins an und erhalt in T + A t
+
+
Bei einer Anlage zum vereinbarten Forward-LIBORhatte er dagegen
erhalten. Der Differenzbetrag wird nun durch das FRA ausgeglichen. Erfolgt der Ausgleich in T At, so betragt die (positive oder negative) Zahlung
+
[Lt(T,T
+ At)
-
LT(T, T
+ At)] At.
Wird der Differenzbetrag dagegen in T ausgeglichen, so ist dieser Betrag noch zu diskontieren:
+
[Lt (T, T f At) - LT (T, T At)] At 1 LT(T, T At)At
+
+
Der Wert des FRA bei Abschluss in t ist null. Neben Forwards auf Zinsen gibt es auch Futures auf Zinsen. Wie bei anderen Futureskontrakten auch erfolgt auf Basis der Futurespreise ein tagliches Settlement, und der Futurespreis wird so bestimmt, dass der Wert des Futures unmittelbar nach Abschluss bzw. unmittelbar nach dem Settlement null ist. Interessant ist die Festlegung des Futurespreises bei Falligkeit (aus dem dann mit Hilfe eines Zinsmodells alle weiteren F'uturespreise folgen). Bezeichnet man mit Ht(Tl, T2) den Futurespreis in t fur den in TI falligen Future, der auf den LIBORvon TI bis T2 geschrieben ist, so gilt definitionsgernafi
2.6 Swaps
23
wobei wir konstante Multiplikatoren, die sich aus der Kontraktdefinition ergeben, aus Grunden der Vereinfachung weggelassen haben. J e kleiner der LIBOR zum Zeitpunkt TI, desto groBer der Futurespreis, und desto groaer der Gewinn fur die Long-Partei. Damit profitiert die Long-Partei von fallenden Zinsen, wahrend die Short-Partei bei steigenden Zinsen einen Gewinn erzielt. Plant ein Anleger, in der Zukunft einen bestimmten Geldbetrag anzulegen, und mochte er sich mittels Futures gegen das Zinsanderungsrisiko absichern, so sollte er einen Future auf den LIBORfur die entsprechende Periode kaufen, d.h. eine Long-Position eingehen. Die durch den Future erreichte Absicherung ist jedoch nicht perfekt. Grund hierfur sind die Settlementzahlungen, die der Anleger zu den zukunftigen, unsicheren Zinsen anlegen oder aufnehmen muss. Ein weiterer Grund besteht darin, dass er die Zinszahlung aus der abzusichernden Anlage erst in T2, die Ausgleichszahlung aber bereits in TI erhalt und sie dann zu dem unsicheren zukunftigen Zins bis T2 anlegen muss.
2.6 Swaps Ein Swap ist ebenfalls ein Derivat, dessen Underlying Zinsen sind. Wir betrachten im Folgenden zunachst einfache Zinsswaps, sogenannte Plain VanillaSwaps. Anschlieaend gehen wir a.uf Forwaads urid Optionen ein, deren Underlying jeweils ein Swap ist. 2.6.1 Payer und Receiver Swaps In einem Swap werden allgemein Zahlungen gegeneinander getauscht. Wir betrachten hier den einfachsten Swap, in dem eine Partei variable, die andere fixe Zinszahlungen leistet. Die Zahlungszeitpunkte seien wiederum tl = to At, t, = to 2 & . . . , t, = to nAt. Bei einem Nennwert (notional amount) von eiris ist die fixe Zahlung in ti gleich cAt. Der Wert dieser Zahlung in t (mit t to) ist c Bt (ti) At.
+
+
+
0 liegt eine Long-Position vor, im Falle N(') < 0 spricht man von einer Short-Position. 3.1.2 Arbitragemoglichkeiten Um spater einen Zusammenhang zwischen der Arbitragefreiheit des Kapitalmarkts und der Existenz eines RNM aufzeigen zu konnen, ist zunachst eine formale Definition des Begriffs der Arbitragernoglichkeit erforderlich. Man unterscheidet dabei zwischen zwei Typen.
Definition 3.1 (Arbitragemoglichkeit Typ I). Ein Portfolio N E R L f l ist eine Arbitragemoglichkeit vom Typ I genau dann, wenn gilt
N ( ' )p(') 5 0
und
L
C N(') z("(wj) 2 0
fiir alle j = 1 , . . . , J
sowie
l=O
Bei einer Arbitragernoglichkeit vom Typ I hat der Investor die Chance auf eine streng positive Auszahlung in der Zukunft, ohne dass er heute oder in der Zukunft eine Zahlung leisten muss.
Definition 3.2 (Arbitragemoglichkeit Typ 11). Ein Portfolio N E RL+l ist eine Arbitragemoglichkeit vom Typ 11 genau dann, wenn gilt
3 Bewertung in diskreter Zeit
38
Bei einer Arbitragemoglichkeit vom Typ I1 erhalt der Investor beim Kauf des Portfolios heute eine Zahlung, muss aber in der Zukunft mit Sicherheit keine Zahlung leisten. Fiir die Bewertung von Derivaten ist das Law of One Price von zentraler Bedeutung.
Definition 3.3 (Law of One Price). Zwei Portfolios N und M mit identischen Zahlungen, d.h. mit
mussen den gleichen Preis haben mussen, d.h. es muss
gelten. Zur Vereinfachung der Notation werden die Definitionen der beiden Typen von Arbitragemoglichkeiten in Matrixform geschrieben:' Arbitragemoglichkeit vom Typ I:
0
Arbitragemoglichkeit vom Typ 11:
Diese beiden Aussagen lassen sich zusammengefasst schreiben als
wobei die Matrix A =
die Dimension ( J
+ 1) x ( L + 1) aufweist.
' ~ i i rVektoren x E Rn werden die Ungleichheitszeichen hier in folgender Bedeutung verwendet: x >> 0 H xi > 0 fur alle i = l , . . . , n . x > 0 % xi > 0 fur alle i = 1 , .. . , n und xi > 0 fiir mindestens ein i = 1,. . . ,n. x ~ 0 ~ ~ ~ ~ 0 f i i r a l ... l e, ni. = l ,
3.1 Einperiodiges Model1
39
3.1.3 Duplikation
Wir wenden uns nun der Bewertung eines Derivats durch Duplikation zu. Dabei sei das Preissystem (p, X) exogen gegeben, d.h. die zustandsabhangigen Zahlungen sowie die Preise der Basiswertpapiere seien bekannt. Gesucht ist der Preis p(L+l) eines Contingent Claims2, der durch seine zukunftigen zustandsabhangigen Zahlungen x(L+l) im Zeitpunkt t = T beschrieben ist:
Die Idee der Bewertung uber Duplikation besteht darin, ein Portfolio N E
RL+l der Basiswertpapiere so zu bestimmen, dass
gilt. Die Zahlungen des Duplikationsportfolios stimmen also in t = T in jedem Zustand mit den Zahlungen des zu bewertenden Contingent Claims uberein. Nach dem Law of One Price muss der Wert des Duplikationsportfolios in t = 0, N ( ~p(l), ) mit dem Preis des Derivats iibereinstimmen: also
Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Bewertung mittels Duplikation eine relative Bewertung darstellt, d.h. der Preis eines Derivats wird nur relativ zu den Preisen der gegebenen Basiswertpapiere bestimmt (und nicht absolut). Bei der Bewertung mittels Duplikation sind zwei Punkte zentral: 0
0
Vollstandigkeit: Existiert fur den zu bewertenden Claim uberhaupt ein Duplikationsportfolio? Arbitragefreiheit: 1st das gegebene Preissystem widerspruchsfrei?
3.1.4 Vollstandigkeit
Die Vollstandigkeit eines Kapitalmarkts impliziert, dass sich jeder beliebige Claim als Portfolio, d.h, als Linearkombination der Basiswertpapiere, darstellen lasst. Mathematisch bedeutet dies, dass das entsprechende lineare Gleichungsssystem (LGS) fiir jedes denkbare x(=+'1 eine LGsung haben muss.
' ~ e rBegriff ,,Contingent Claim" wird stets als Synonym fiir ,,DerivatUverwendet .
40
3 Bewertung in diskreter Zeit
Definition 3.4 (Vollstandigkeit). Der Kapitalmarkt heisst vollstandig, wenn ) ein Duplikationsportfolio N ( ~' 1+ E fur jeden Contingent Claim x ( ~ +E ~RJ RL+l existiert, d.h. wenn das LGS
fur alle x ( ~ + 'lBsbar ) ist. Die Vollstandigkeit des Marktes laf3t sich auf sehr einfache Weise mittels des Rangs der Zahlungsmatrix prufen.
Satz 3.1 Der Kapitalmarkt ist vollstandig genau dann, wenn der Rang der Zahlungsmatrix X , R g ( X ) , der Anzahl der moglichen Umweltzustande entspricht. Zum Beweis dieses Satzes uberlegt man sich, dass die Losbarkeit des LGS (3.1) fur alle x ( ~ + ja ' ) genau R g ( X ) = J impliziert. Dies bedeutet, dass die Zahl der linear unabhangigen Basiswertpapiere gerade gleich der Zahl der Umweltzustande ist.
3.1.5 Risikoneutrales Martingalmaa (RNM) Wie oben erwahnt, ist die Arbitragefreiheit des Kapitalmarkts aquivalent zur Existenz eines risikoneutralen Martingalmafies. Dieses sol1 zunachst formal definiert werden.
Definition 3.5 (Risikoneutrales Martingalmaa RNM). Ein Wahrscheinlichkeitsmafi Q E RJ heigt risikoneutrales Martingalmafi ( R N M ) fur ein Preissystem (p, X ) genau dann, wenn Q allen Ereignissen aus 62 eine positive Wahrscheinlichkeit zuweist und
oder, anders geschrieben,
gilt. Hierbei bezeichnen r den kurzfristigen (diskreten) risikolosen Zins und?!J den Erwartungswert unter dem Map Q. Die Forderung, dass Q allen Zustanden eine positive Wahrscheinlichkeit zuordnet, wird oft auch so formuliert, dass das ,,echteGG Mafi P und das RNM aquivalent sein mussen. Zwei Wahrscheinlichkeitsmaf3e heiflen aquivalent, wenn jeder Zustand entweder unter beiden Wahrscheinlichkeitsmafkn eine Wahrscheinlichkeit von null oder unter beiden Wahrscheinlichkeitsmaaen eine positive Wahrscheinlichkeit hat. Bier haben annahmegemafi unter P alle Zustande
3.1 Einperiodiges Model1
41
eine positive Wahrscheinlichkeit, so dass auch unter jedem zu P aquivalenten Mai3 alle Zustande eine positive Wahrscheinlichkeit haben miissen. Von besonderer Bedeutung ist der Begriff des Martingals. Ein stochastischer Prozess Y heifit Martingal, wenn der bedingte Erwartungswert des zukiinftigen Prozessstandes gleich dem heutigen Stand des Prozesses ist. Im hier betrachteten einperiodigen Model1 reduziert sich diese Bedingung auf E[Y~] = Yo. Setzt man nun Y gleich dem Preis eines Wertpapiers, das mit dem risikolosen Zins auf den Zeitpunkt t = 0 diskontiert wird, so ist dieser normierte Preis unter dem RNM ein Martingal:
Satz 3.2 (RNM und Arbitragefreiheit) Das Preissystem ist genau dann arbitragefrei, wenn ein RNM existiert.
N
Beweis: Sei das Preissystem arbitragefrei. Dann existiert kein Portfolio IRLfl mit der Eigenschaft
E
Nach Stiemkes Lemma (siehe 2.B. Duffie (2001)) hat somit das LGS
eine positive Losung dazu, dass das LGS
Q E' :R:
(d.h.
Q >> 0). Dies wiederum ist Bquivalent
(XI1 - p) Q = 0
IW:? aufweist. Die k-te Zeile dieses Glei~hungss~s-
eine positive Losung Q E tems lafit sich schreiben als x ( " ( w ~ )Q l
+ . . . + x ( ~ ) ( w ~ )= p(k) Q j + i , Qj
woraus
folgt. Die Briiche &;?- ( j = 1, . . . , J ) konnen als positive Zustandspreise oder Q J + ~ Arrow-Debreu-Preise interpretiert werden, d.h. als Preise von Wertpapieren, die am Periodenende in genau einem Zustand eine Zahlung von eins haben und ansonsten eine Auszahlung von null leisten. Man erhalt nun das RNM einfach durch die folgende uberlegung: Laut Annahme ist das Wertpapier mit Index 0 risikolos, d.h. es gilt x(0)(wj) = 1 fiir alle j = 1 , . . . , J . Damit folgt aus der zu k = 0 gehorigen Zeile des obigen Gleichungssystems
42
3 Bewertung in diskreter Zeit
und eine weitere Umformung ergibt
Q = (41, . . . , q ~ ) ist ' damit ein Wahrscheinlichkeitsmafi, das jedem Zustand aus 6' eine positive Wahrscheinlichkeit zuweist. Fur jedes Wertpapier k gilt nun 1 l+r
+ . . . $ x(k)( w ~4)J ]
p(k) = -[ Z ( ~ ) ( W 41 ~ )
oder in Matrixschreibweise 1 p = -XI l+r
Q.
Damit ist Q = (ql, . . . , qJ)' ein RNM, und der erste Teil der Aussage ist bewiesen. Sei nun umgekehrt ein RNM Q = (ql, . . . , q ~ )gegeben. ' Dann gilt fur den Preise eines Portfolios N mit XN>O aufgrund der Definition eines RNM die Beziehung
0 d.h. es existiert keine Arbitragemoglichkeit. Anmerkung: Im obigen Beweis diskontieren wir die Zahlungen in t = T mit dem risikolosen Zins bzw. normieren sie, indem wir durch das Ergebnis der Anlage von einer Geldeinheit zum risikolosen Zins dividieren. Ebenso konnen wir ein anderes Wertpapier als Numeraire wahlen, vorausgesetzt, der Preis dieses Wertpapiers und seine Zahlungen zu allen Zeitpunkten und in allen Zustanden sind positiv. Wir erhalten dann ein anderes aquivalentes Martingalmail, unter dem die mit dem Numeraire normierten Preise Martingale sind. So erhalten wir beispielsweise bei Wahl einer in t = T falligen NKA als Numeraire die terminrisikoangepasste Bewertung. Dieses Bewertungskonzept wird in Abschnitt 4.5 im Detail dargestellt werden. Wir kommen nun zur Beziehung zwischen der Vollstandigkeit des Kapitalmarkts und bestimmten Eigenschaften des RNM.
Satz 3.3 ( R N M und Vollstandigkeit) Ein arbitragefreier Markt ist genau dann vollstandig, wenn das RNM eindeutig ist.
3.1 Einperiodiges Model1
43
Beweis: Die Vollstandigkeit des Markets ist aquivalent zu R g ( X ) = J . Damit hat aber das LGS
eine eindeutige Losung Q E J R J , und aufgrund der Arbitragefreiheit gilt Q E R:+. Das RNM ist somit eindeutig. Das RNM ist besonders nutzlich bei der Bewertung neu hinzukommender Wertpapiere, da die ansonsten erforderliche und u.U. aufwandige Losung eines LGS zur Bestimmung des Duplikationsportfolios uberfliissig wird.
Satz 3.4 (Risikoneutrale Bewertung) Sei ' 1 der Vektor der Zahlungen in t = T eines Contingent Claims, und sei dieser Claim duplizierbar. Dann gilt auf einem arbitragefreien Markt fur den Preis p(L+l) des Claims die risilconeutrale Bewertungsgleichung
wobei
den Erwartungswert unter dem RNM Q bezeichnet.
Beweis: 1st x ( ~ + 'duplizierbar, ) so existiert ein Portfolio N mit X N = x ( ~ + Da ~ ) der . Markt arbitragefrei ist, existiert ein RNM Q. Damit folgt
0
Wir geben hier nochmals eine kurze Zusammenfassung der Eigenschaften des RNM und deren Beziehung zu Vollstandigkeit und Arbitragefreiheit des Kapitalmarkts: Die Arbitragefreiheit des Preissystems ist aquivalent zur Existenz eines RNM. Die Vollstandigkeit ist zusammen mit der Arbitragefreiheit aquivalent zur Existenz und Eindeutigkeit des RNM. Die Bewertung von duplizierbaren Contingent Claims erfolgt nach der Regel 1 ,qX(L+l)] p(L+l)= 1+r
44
3 Bewertung in diskreter Zeit
3.2 Mehrperiodiges Model1 Einperiodige Modelle stellen sehr restriktive Spezialfalle diskreter Modelle dar. Eine Verallgemeinerung auf den Fall mehrerer Perioden ist deshalb wunschenswert. Wie sich zeigen wird, lassen sich die meisten Aussagen uber Arbitragefreiheit und Vollstandigkeit einperiodiger Modelle ohne grofien zusatzlichen Aufwand auf mehrperiodige Modelle ubertragen. Es ist lediglich die Einfuhrung einiger weniger neuer Konzepte erforderlich, um die entsprechenden Resultate auch im Mehrperiodenfall herzuleiten.
Die mehrperiodige diskrete Modellokonomie ist wie folgt charakterisiert: 0 0
0
+
Es werden die T 1 Zeitpunkte t = O , l , . . . ,T < oo betrachtet. Die Unsicherheit im Model1 wird wie folgt dargestellt: - Die in t = T moglichen Umweltzustande sind in der Menge f2 = {wl, . . . ,wJ) (1 < J < oo) zusammengefasst. In t = T tritt genau einer der Zustande aus f2 ein. Die Auflosung der Unsicherheit im Zeitablauf wird durch eine Filtration 3 = ( 3 0 , F l , . . . , FT)beschrieben. Jedes einzelne Ft ist eine 0-Algebra, die genau die Mengen umfasst, fur die zum Zeitpunkt t bekannt ist, ob der wahre in T eintretende Zustand in ihnen liegt oder n i ~ h t . ~ Es gilt 30C 31C . . . C 3 T , so dass im Zeitablauf die Information (die Menge der unterscheidbaren Mengen) zunimmt. Fur 3 0 gilt Fo= {0, a } , d.h, im Zeitpunkt 0 ist keine Information verfugbar. Fur FTgilt FT= P ( 0 ) , d.h. im Zeitpunkt T kennt man den realisierten Zustand, die Unsicherheit ist vollstandig aufgelost. Dabei bezeichnet P ( 0 ) die Potenzmenge von 0, d.h. die Menge aller Teilmengen von 0 . Es gibt L 1 Basiswertpapiere (1 = 0 , . . . , L), deren heutige Preise, zwischenzeitliche Preisentwicklung und Zahlungen in T gegeben sind. Der Preis von Wertpapier 1 zum Zeitpunkt t = 0 wird mit bezeichnet.
+
s!)
3 ~ i n u-Algebra e A iiber R ist ein System von Teilmengen von 62 mit den folgenden Eigenschaften:
wobei M c das Komplement von M beziiglich R darstellt, d.h. M C enthalt alle Elemente aus 52, die nicht in M sind.
3.2 Mehrperiodiges Model1
45
Der Preis von Wertpapier 1 zum Zeitpunkt t in Zustand wj wird mit s,(")(wj)bezeichnet, wobei die Zufallsvariable s,(')3t-mef3bar sein soll. Dies bedeutet, dass der Preis in t zu diesem Zeitpunkt auch bekannt sein soll, gegeben die verfugbare I n f ~ r m a t i o n . ~ In Abbildung 3.1 ist dieses Konzept veranschaulicht.
-
Abbildung 3.1. Baum mit Preisen der Basiswertpapiere
Die Auflosung der Unsicherheit uber eine Filtration soll nun kurz anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Sei T = 2 und R = {wl, . . . , w4). Dann ist eine mogliche Filtration durch
gegeben. 4
S ( 1 ) - {St( 1 ) ) t = O , l , . . . , bezeichnet ~ man auch als einen (der Filtration .F adap-
tierten) stochastischen Prozess.
46
3 Bewertung in diskreter Zeit
3.2.2 Duplikation und Riickwartsrechnung im Baum Die Preise der Basiswertpapiere in t = 0 und die Preisentwicklung bis t = T sind gegeben. Gesucht ist der Preis eines Contingent Claims rnit einer (einmaligen) Zahlung in t = T in Hohe von ( j = 1,.. . , J). Die grundlegende Idee zur Bewertung im mehrperiodigen Model1 ist die gleiche wie im Einperiodenfall, namlich die Duplikation. Es ist also ein Portfolio zusammenzustellen, dessen Wert in T in jedem Zustand rnit der Zahlung des Claims ubereinstimmt. AnnahmegemaD wird die Eritwicklung der Unsicherheit im Zeitablauf in einem Baum dargestellt. In jedem Knoten des Baumes kennt man die Preise der Basiswertpapiere. Ferner sei das Derivat durch die zustandsabhangigen Auszahlungen in t = T beschrieben. Das Derivat kann nun durch schrittweise Ruckwartsrechnung im Baum bewertet werden.
sgtl)(wj)
0
0
0
Der zustandsabhangige Preis des Derivates in T ist gegeben. Der zustandsabhangige Preis in T - 1 kann (mittels Duplikation oder risikoneutraler Bewertung) aus dern zustandsabhangigen Preis in T bestimmt werden. Bei Bewertung mittels Duplikation werden in jedem Knoten im Zeitpunkt T - 1 folgende Schritte durchgefuhrt: Schritt 1: Zusammenstellen eines Portfolios aus den Basiswertpapieren, dessen Wert zum Zeitpunkt T in allen Folgeknoten des gerade betrachteten Knotens rnit dern (bekannten) Wert des Derivats in T in diesen Knoten ubereinstimmt. Schritt 2: Der Wert des Duplikationsportfolios in T - 1 ergibt sich aus den bekannten Preisen der Basiswertpapiere in T - 1. - Schritt 3: 1st der Markt arbitragefrei, so muss der Preis des Derivats in T - 1 rnit dern Preis des Duplikationsportfolios ubereinstimmen. Bei dieser schrittweisen Ruckwartsrechnung im Baum erhalt man gleichzeitig die Handelsstrategie, die das Derivat dupliziert. Alternativ kann der Preis auch rnit Hilfe der risikoneutralen Bewertung bestimmt werden. Der Preis in T - 1 ist dann gleich dern Erwartungswert unter dern RNM des Preises in T , gegeben die Information in T - 1 (d.h. gegeben die Information, welchen Knoten in T - 1 man gerade betrachtet), diskontiert rnit dern einperiodigen risikolosen Zins r p 1 , der in dern gerade betrachteten Knoten in T - 1 fur die einperiodige Anlage gilt:
s['~~~-l]
0
rnit als Erwartungswert unter dern RNM, bedingt auf die Information in T - 1. Nach dern gleichen Prinzip konnen die zustandsabhangigen Preise in T - 2 aus den zustandsabhangigen Preisen in T - 1 berechnet werden. Auf diese Weise rechnet man im Baum schrittweise zuruck, bis man den Preis in t = 0 erhalt. Bei der Anwendung der risikoneutralen Bewertung folgen die
3.2 Mehrperiodiges Model1
47
risikoneutralen Martingalwahrscheinlichkeiten der einzelnen Zustande aus SZ durch Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten entlang des jeweiligen Pfades. 3.2.3 Vollstandigkeit
Bei der Untersuchung der Vollstandigkeit des Kapitalmarkts ist zwischen statischer und dynamischer Vollstandigkeit zu unterscheiden. Der Kapitalmarkt ist statisch vollstandig, wenn jedes Derivat durch ein Portfolio dupliziert werden kann, das einmalig in t = 0 zusammengestellt und im Zeitablauf nicht umgeschichtet wird. Die statische Vollstandigkeit des Marktes ist aquivalent dazu, dass die Zahl der linear unabhangigen Basiswertpapiere - bezogen auf die Werte und Zahlungen in t = T - gleich der Zahl der Umweltzustande ist. Im Gegensatz dazu ist der Kapitalmarkt dynamisch vollstandig, wenn jedes Derivat durch eine Handelsstrategie dupliziert werden kann, bei der das Portfolio zu jedem Handelszeitpunkt t = 1,.. . ,T angepasst werden kann. Diese Anpassung muss so geschehen, dass im Zeitablauf keine Mittelzuflusse oder Mittelabflusse erfolgen. Anders ausgedruckt: In jedem Zeitpunkt und in jedem Zustand entspricht der Wert des iiber die letzte Periode gehaltenen Portfolios gerade dem Wert des neu zusammenzustellenden Portfolios. Man spricht in diesem Fall auch von einer selbstjinanzierenden Handels- oder Portfoliostrategie. Aus dem Vorgehen bei der Ruckwartsrechnung im Baum, wie sie im vorangegangenen Abschnitt demonstriert wurde, erkennt man, dass der Kapitalmarkt genau dann dynamisch vollstandig ist, wenn jedes einperiodige Teilmodell vollstandig ist. 3.2.4 Arbitragefreiheit Auch die uberpriifung der Arbitragefreiheit des Mehrperiodenmodells erfolgt im Wesentlichen analog zum Einperiodenfall. Der Kapitalmarkt ist namlich genau dann dynamisch arbitragefrei, wenn keine Handelsstrategie existiert, die bei einem Preis, der heute gleich null oder negativ ist, zu einem spateren Zeitpunkt mit Sicherheit einen Wert groi3er oder gleich null und mit positiver Wahrscheinlichkeit einen Wert groi3er als null hat oder bei einem Preis, der heute negativ ist, zu einem spateren Zeitpunkt mit Sicherheit einen Wert groi3er oder gleich null hat. ~ h n l i c hwie bei der Vollstandigkeit erkennt man auch bei der Untersuchung der Arbitragefreiheit, dass der Kapitalmarkt genau dann dynamisch arbitragefrei ist, wenn jedes einperiodige Teilmodell arbitragefrei ist, d.h. wenn in jedem Teilmodell statische Arbitragefreiheit gegeben ist.
48
3 Bewertung in diskreter Zeit
3.2.5 Risikoneutrale Bewertung Analog zum einperiodigen Model1 gelten folgende Aussagen: Der Kapitalmarkt ist genau dann arbitragefrei, wenn ein mehrperiodiges RNM existiert. Ein arbitragefreier Kapitalmarkt ist genau dann dynamisch vollstandig, wenn das RNM eindeutig ist. Bevor die risikoneutrale Bewertungsgleichung im Mehrperiodenfall formal dargestellt werden kann, ist zunachst noch die rollierende risikolose Anlage, d.h. das Geldmarktkonto, in diesem Model1 zu definieren.
Definition 3.6 (Geldmarktkonto). Das Geldmarktkonto B ist definiert uber
B, ist also der Wert in T der rollierenden Anlage einer Geldeinheit von t = 0 bis t = r zum jeweiligen einperiodigen Zins. Das Geldmarktkonto ist lokal risikolos, d.h. sein Wert am Periodenende ist sowohl bei Zinssicherheit als auch bei Zinsunsicherheit bereits am Periodenanfang bekannt. Sate 3.5 (Normierte Preise als Martingale) Unter dem R N M Q ist der mit dem Geldmarktkonto normierte Preis eines gehandelten bzw. duplizierbaren Wertpapiers oder Portfolios (ohne zwischenzeitliche Zahlungen) ein Martingal, d. h.
wobei g[.\Fi]den bedingten Erwartungswert zum Zeitpunkt t unter dem RNM bezeichnet. Beweis: In jedem einperiodigen Teilmodell gilt
Damit gilt auch
Setzt man diese Gleichung in die vorhergehende ein, so erhalt man
3.2 Mehrperiodiges Model1
49
wobei in der letzten Gleichung das Tower Law (oder auch Law of Iterated Expectation) verwendet wurde. Durch wiederholte Anwendung dieser Operation erhalt man schliefllich
Dies kann man umformen zu
womit die Aussage des Satzes gezeigt ist. 3.2.6 Zwischenzeitliche Zahlungen
Wir nehmen weiterhin an, dass die Basiswertpapiere keine zwischenzeitlichen Zahlungen aufweisen, betrachten nun aber ein Derivat mit zwischenzeitlichen Zahlungen. Ein einfaches Beispiel fur ein solches Wertpapier ist eine Kuponanleihe, die wahrend ihrer Laufzeit in Form der Kupons regelmaflige Ausschuttungen aufweist. Vereinbarungsgema.fi bezeichne pt den Preis nach einer zwischenzeitlichen Zahlung, pt ist somit der ex-Preis. Halt man das Derivat, so ist der Gesamtwert der Position zum nachsten Zeitpunkt gleich dem ex-Preis des Derivats zuziiglich der anfallenden Zahlung. Bezeichnet man die zwischenzeitliche Zahlung in t mit d t , so lautet die rnodifizierte risikoneutrale Bewertungsgleichung:
Weitere ~ n d e r u n ~ edes n Bewertungsverfahrens sind nicht erforderlich. 3.2.7 Amerikanische Derivate
Bei einer amerikanischen Option kann man zu jedem Zeitpunkt entscheiden, ob man die Option ausubt oder nicht. 0
Im Falle der Ausubung in t erhalt man eine Zahlung xt und hat keine weiteren Anspruche mehr aus der Option. Der Wert der Option in t ist dann gleich der Ausiibungszahlung
50
3 Bewertung in diskreter Zeit
~ b man t die Option nicht aus, so folgt ihr Wert in t aus dem Wert in t und man erhalt
+ 1,
In t wird man genau dann ausuben, wenn der Wert bei Ausuben groBer ist als der Wert bei Halten. Damit gilt fur den Wert der Option in t:
3.3 Aufgaben
51
3.3 Aufgaben Sind die folgenden Preissysteme arbitragefrei und vollstandig? Preissystem 1 : =
( )
=
1.25 8 ( 1 . 2 5 (I) 1.25 -7
Preissystem 2 :
Gegeben sei das folgende Preissystem:
a) 1st das Preissystem arbitragefrei und vollstandig? b) Bewerten Sie die folgenden Derivate sowohl mittels Duplikation als auch mittels risikoneutraler Bewertung:
Gegeben sei das in Abbildung 3.2 dargestellte Modell. Darin bezeichnet sji)den Preis von Basiswertpapier i zum Zeitpunkt t. a) 1st das Model1 arbitragefrei und vollstandig? b) Berechnen Sie jeweils den einperiodigen risikolosen Zins. c) Bewerten Sie die folgenden Derivate sowohl mittels Duplikation als auch mittels risikoneutraler Bewertung: i. Call mit Basispreis 20 und Falligkeit in t = 1 auf das Wertpapier $1)
ii. Call mit Basispreis 25 und Falligkeit in t = 2 auf das Wertpapier ~ ( 1 )
iii. Arrow-Debreu-Wertpapiere fur die vier moglichen Zustande in t = 2
Gegeben sei das Model1 mit Zinsunsicherheit in Abbildung 3.3, in der die Entwicklung des kurzfristigen Zinses direkt unter dem RNM angegeben ist. Hierin bezeichnet rt den kurzfristigen kontinuierlichen Zins fur die Periode ( t , t 11. Die Martingalwahrscheinlichkeiten entlang der Pfade im Baum sind ebenfalls gegeben.
+
52
3 Bewertung in diskreter Zeit
Abbildung 3.2. Preisprozesse der Basiswertpapiere (Aufgabe 3)
a) Berechnen Sie die Zinsstruktur in t = 0. Geben Sie die Diskontierungsfunktion Bo(t),die Kassazinsen yo(t)und die kurzfristigen Forwardzinsen fo(t) an.
Abbildung 3.3. Zinsprozess unter dem RNM (Aufgabe 4)
3.3 Aufgaben
53
b) Der kurzfristige Zins in t = 1 ist in jedem Zustand kleiner als der kurzfristige Zins in t = 0. Stellt dies eine Arbitragemoglichkeit dar? 5. Sind die folgenden Aussagen richtig oder falsch? Warum? a) Ein Portfolio, das risikolos ist, stellt eine Arbitragemoglichkeit dar. b) Ein Portfolio, das einen Kapitaleinsatz von null erfordert, stellt eine Arbitragemoglichkeit dar. c) Risikoneutrale Bewertung basiert auf der Risikoneutralitat der Investoren. d) Ein vollstandiger Kapitalmarkt ist immer arbitragefrei. e) Bei Arbitragefreiheit stimmen der mittels Duplikation ermittelte Preis und der mittels risikoneutraler Bewertung ermittelte Preis iiberein. f) Gilt das Law of One Price, so ist der Kapitalmarkt arbitragefrei. g) 1st der Kapitalmarkt arbitragefrei, so gilt das Law of One Price.
3 Bewertung in diskreter Zeit
54
3.4 Losungshinweise Preissystem 1: arbitragefrei (RNM ist z.B. Q = (0.4,0.5,0.1)'), unvollstandig Preissystem 2: nicht arbitragefrei (einzige Losung der Gleichung zur Bestimmung des RNM ist Q = (0.6,0.7, -O.3)'), vollstandig 2. a) Arbitragefrei (erst Geldmarktkonto aus Basiswertpapieren duplizieren, dann RNM Q = (0.25,0.5,0.25)' ableiten), vollstandig b) p3=0.8, p4=1.4, p5 =0.4, p~ = 13.4 3. a) Arbitragefrei, vollstandig b) Der diskrete risikolose Zins und die (bedingten) risikoneutralen Martingalwahrscheinlichkeiten entlang der Pfade sind im Baum in Abbildung 3.4 angegeben. 1.
Abbildung 3.4. Baum des risikolosen Zinssatzes (Aufgabe 3)
c)
i. 0.6667 ii. 2.2848 iii. 0.2424,
0.0606,
0.2800,
0.1200
4. a) Werte fiir Diskontierungsfunktion, Kassa- und Terminzinsen
Der Baum der Anleihepreise ist in Abbildung 3.5 wiedergegeben. b) Nein.
3.4 Losungshinweise
55
Abbildung 3.5. Baum der Diskontierungsfunktion (Aufgabe 4)
5 , a) b) c) d)
Falsch. Ein Gegenbeispiel ist die risikolose Anlage. Falsch. Als Gegenbeispiel lasst sich der Forwardkontrakt anfiihren. Falsch. Falsch. Ein Gegenbeispiel ist durch das Preisystem 2 aus Aufgabe 1 gegeben. e) Richtig. f ) Falsch. Man betrachte folgendes Gegenbeispiel: Auf einem Kapitalmarkt werden zwei Wertpapiere gehandelt. Das erste Wertpapier zahlt in jedem Zustand 1 und kostet -0.1, das zweite Wertpapier zahlt in jedem Zustand 2 und kostet -0.2. Das Law of One Price halt, es liegen jedoch offensichtlich Arbitra,gemoglichkeiten vor. g) Richtig.
Diskrete Zinsmodelle
Die Bewertung von Derivaten basiert auf einem Model1 fur die zeitliche Entwicklung des Underlyings. So wird z.B. im Rahmen des klassischen Binomialmodells die zukunftige Entwicklung des Aktienkurses modelliert. Anschliefiend konnen im Rahmen des Modells Derivate auf die Aktie bewertet werden. Unser Ziel ist es nun, die zukunftige Entwicklung der Zinsen und Anleihepreise in einem Model1 abzubilden, um in diesem Model1 dann Zinsderivate zu bewerten. Zinsmodelle weisen gegenuber den Modellen fur Aktienderivate einige Besonderheiten auf. In Abschnitt 4.2 werden kurz die Probleme skizziert, die Zinsmodelle und die Bewertung von Zinsderivaten zu einem eigenstandigen und umfa.ngreichen Thema werden liefien. Wir beginnen die Diskussion der zeit- und zustandsdiskreten Ansatze mit dem Model1 von Ho und Lee (1986) in Abschnitt 4.3. Es gilt gemeinhin als das erste zinsstrukturkonforme Modell, in dem die endogen berechneten Preise von NKAs mit den exogen vorgegebenen (Markt-)Preisen ubereinstimmen. Diese korrekte Bewertung des Underlyings ist unabdingbare Voraussetzung fur eine sinnvolle Bewertung von Zinsderivaten. Ein Nachteil des Modells von Ho und Lee ist jedoch das unterstellte Verhalten fur den Zins. So konnen unter anderem negative Zinsen auftreten. Die Losung dieses Problems fuhrt auf das in Abschnitt 4.4 dargestellte Model1 von Black, Derman und Toy (1990), in dem durch eine andere Modellierung des Zinses sichergestellt wird, dass die Zinsen immer positiv bleiben. Der Preis, den man hierfur zu zahlen hat, k t , dass die Kalibration des Modells an eine gegebene Zinsstruktur nur noch numerisch moglich ist.
58
4 Diskrete Zinsmodelle
4.2 Besonderheiten von Zinsmodellen Zinsen und zinssensitive Finanztitel weisen im Vergleich zu Aktien einige Besonderheiten auf, die bei der Modellierung zu beachten sind und die eine einfache ubertragung von Ansatzen fur Aktienderivate wie z.B. des Modells von Cox, Ross und Rubinstein (1979) auf Zinsderivate verhindern. Diese Besonderheiten sollen nun kurz skizziert werden. In den folgenden Kapiteln werden wir auf sie noch haufiger zuruckkommen, auch im Zusammenhang mit Ansatzen, die genau diese speziellen Probleme losen (sollen). Die erste Frage in einem Zinsmodell ist, welche zugrundeliegende Grofle modelliert werden soll. Wahrend man in einem Model1 fur die Bewertung von Aktienderivaten in der Regel einfach das Verhalten des Aktienkurses beschreibt, gibt es in einem Zinsmodell mehrere Alternativen bei der Wahl des Underlyings. Zum einen kann man die Entwicklung der gesamten Zinsstruktur auf einmal modellieren, wobei die Zinsstruktur durch die Diskontierungsfunktion oder durch die Terminzinskurve reprasentiert sein kann. Zum anderen kann man das Verhalten einiger weniger Zustandsvariablen an den Anfang stellen und die Entwicklung der Zinsstruktur aus diesen Zustandsvariablen ableiten. Bei den Zustandsvariablen kann es sich um Zinsen selbst handeln (beispielsweise die Short Rate oder Kassazinsen fur ausgewahlte Fristigkeiten), um die Volatilitat der Short Rate oder den Mittelwert der Short Rate oder auch um Zustandsvariablen, die keine direkte anschauliche Interpretation haben. Diese beiden grundsatzlichen Arten von Ansatzen werden wir bei der Diskussion der stetigen Zinsmodelle in Kapitel 6 noch gegeneinander abgrenzen. Bei der Modellierung ist zu beachten, dass sich das Verhalten von Anleihepreisen grundlegend von dem Verhalten von Aktienkursen unterscheidet. Wahrend ein Aktienkurs um so unsicherer ist, je weiter man in die Zukunft schaut, gilt dies fur eine NKA nicht. Diese zahlt bei Falligkeit einen festen Betrag zuruck. Der Wert der NKA ist damit nur bis zum Zeitpunkt der Falligkeit unsicher und mufl mit abnehmender Restlaufzeit gegen den Nennwert konvergieren, was als Pull-to-Par bezeichnet wird. Fur den Preis einer NKA kann man daher nicht annehmen, dass er in jeder Periode um einen uber die Zeit konstanten Faktor steigt oder fallt. Ferner stellt sich die Frage, ob das Model1 zinsstrukturkonform ist oder nicht. Dabei bezeichnet man ein Model1 als zinsstrukturkonform, wenn die endogen im Model1 bestimmte Zinsstruktur im Anfangszeitpunkt mit der exogen vorgegebenen Zinsstruktur im Anfangszeitpunkt ubereinstimmt. Die richtige Bewertung von NKAs aufgrund der Zinsstrukturkonformitat eines Modells ist sicherlich eine zentrale Voraussetzung dafur, dass man es sinnvoll zur Bewertung von Derivaten auf diese Anleihen einsetzen kann. Modelle, die auf dem Verhalten des kurzfristigen Zinses uber die Zeit basieren, mussen jedoch explizit an die gegebene Zinsstruktur kalibriert werden, und dies ist nicht fur alle Modelle moglich. Modelle, in denen die Dynamik der gesamten Zinsstruktur auf einmal abgebildet wird, erfiillen diese Voraussetzung, da sie einfach von
4.3 Das Model1 von Ho und Lee
59
der vorgegebenen Zinsstruktur ausgehen und diese Daten als Anfangsbedingung verwenden. Die Modellierung der gesamten Zinsstruktur fuhrt jedoch zu einem anderen Problem. In diesem Fall sind alle gehandelten NKAs Basiswertpapiere, und ihre Preise in jedem Zustand und zu jedem Zeitpunkt werden durch das Model1 vorgegeben. In der Regel ubersteigt jedoch die Zahl der gehandelten NKAs und damit die Zahl der Basiswertpapiere die Zahl der Unsicherheitsquellen, die in der 0konomie existieren. Man muss dann durch zusiitzliche Bedingungen sicherstellen, dass die Preise der NKAs untereinander arbitragefrei sind. Schliefilich kann man noch fordern, dass Zinsen stets positiv bzw. die Preise von NKAs hochstens so grofi wie ihr Nennwert sind, der meist gleich eins gesetzt wird. Dazu ist allerdings anzumerken, dass negative Zinsen keine Arbitragemoglichkeit darstellen, solange man (wie wir es im Folgenden stets implizit tun werden) innerhalb des Modells keine Kassenhaltung zulasst.
4.3 Das Model1 von Ho und Lee 4.3.1 Beschreibung des Modells
Zunachst sollen die wesentlichen Charakteristika des Modells von Ho und Lee (1986) (HL-Modell) kurz im ~ b e r b l i c kdargestellt werden, bevor sie dann im Einzelnen naher erlautert werden. Das Model1 beschreibt die Dynamik der gesamten Zinsstruktur, wobei die Zinsstruktur durch die Diskontierungsfunktion abgebildet wird. Die Unsicherheit wird in einem Binomialmodell abgebildet. Die Entwicklung der Zinsstruktur ist pfadunabhangig. Das Model1 ist zinsstrukturkonform, d.h. die beim Modellaufbau als Eingangsinformation verwendete exogene Zinsstruktur im Anfangszeitpunkt stimmt mit der endogen im Model1 bestimmten Zinsstruktur im Anfangszeitpunkt uberein. Die Bestimmung der modellendogenen anfanglichen Diskontierungsfunktion bzw. Zinsstruktur erfolgt dabei so, dass eine sichere Zahlung von eins im Falligkeitstermin im Model1 wie ein Zinsderivat bewertet wird. 4.3.1.1 Baum der Diskontierungsfunktion
Bei Zinssicherheit sind die zukunftigen Kassazinsen gleich den heutigen Terminzinsen bzw. die zukiinftigen Anleihepreise gleich den heutigen Forwardpreisen, d.h. es gilt
Die Anleihepreise in der Zukunft folgen damit eindeutig aus der (gegebenen) Zinsstruktur in t = 0. Damit gilt auch
60
4 Diskrete Zinsmodelle
Der Anleihepreis im nachsten Zeitpunkt ist somit durch den aktuellen Anleihepreis, aufgezinst mit dem einperiodigen Zins, gegeben. Bei Zinsunsicherheit dagegen weicht der zukiinftige realisierte Anleihepreis im Allgemeinen vom heute berechneten Forwardpreis ab. Ho und Lee (1986) beschreiben diese Abweichung im Rahmen eines Binomialmodells mit Hilfe einer Storfunktion. Ausgangspunkt des Modells ist die in t = 0 gegebene Diskontierungsfunktion, deren Entwicklung im Folgenden modelliert wird. Hierbei bezeichne B , ( ~ ' ( T ) den Preis einer in T falligen NKA zum Zeitpunkt t nach i Aufwartsspriingen der Diskontierungsfunktion.
Abbildung 4.1. Einperiodige Entwicklung der Anleihepreise im HL-Model1
Abbildung 4.1 zeigt die Entwicklung der Diskontierungsfunktion von t nach t + 1. Der Preis der NKA im Zeitpunkt t 1 ist gleich dem Forwardpreis aus der Sicht von t , multipliziert mit einer Storfunktion, d.h.
+
Diese Storfunktion h ( . )bzw. h*(.)ist annahmegemafl nur von der R.est,laufzeit abhangig, nicht aber vom aktuellen Zeitpunkt oder vom aktuellen Zustand.
4.3 Das Model1 von Ho und Lee
61
~berraschenderweisereichen die Bedingungen, die sich aus dem Preis der NKA bei Falligkeit und den Forderungen der Arbitragefreiheit sowie der Pfadunabhangigkeit der Zinsstrukturdynamik ableiten lassen, bereits aus, um die Storfunktion eindeutig zu bestimmen. Dies zeigen wir im Folgenden. 1. Bei Falligkeit zahlt die Anleihe mit Sicherheit 1 GE, d.h.
BiY,(t
+ 1) = 1
fur alle i
Hieraus erhalt man aufgrund der Gleichungen (4.1) und (4.2) fur Biif " ( T ) bzw. Bii)( T )und mit T = t 1
+
und somit
2. 1st der Markt arbitragefrei, so existiert ein risikoneutrales Wahrscheinlichkeitsmao. Fur dieses wird angenommen, dass die einperiodige Wahrscheinlichkeit fur eine Aufwartsbewegung gleich .ir und fur eine Abwartsbewegung gleich 1 - IT ist. Auch diese einperiodigen Wahrscheinlichkeiten sind somit zeit- und zustandsunabhangig. Die Anleihepreise selbst mussen naturlich auch die risikoneutrale Bewertungsgleichung erfiillen:
+
wobei Bii)(t+ 1 ) = ( 1 rii))-l gilt. Ersetzt man die Anleihepreise auf der rechten Seite durch die mit der Storfunktion multiplizierten einperiodigen Terminpreise, so erhalt man
Fur die Storfunktion laat sich hieraus die Bedingung
ableiten. 3. Die Anleihepreise im Model1 sollen pfadunabhangig sein, d.h, ausgehend vom Zeitpunkt t sol1 ein Aufwartsschritt gefolgt von einem Abwartsschritt zu den gleichen Anleihepreisen in t 2 fuhren wie die umgekehrte Folge. Dies wird an dem zweiperiodigen Ausschnitt aus dem Baum der Diskontierungsfunktion in Abbildung 4.2 verdeutlicht.
+
62
4 Diskrete Zinsmodelle
Abbildung 4.2. Pfadunabhangigkeit der Anleihepreise im HL-Model1
Entlang des oberen Pfades erhalt man fur den Anleihepreis in t + 2
Entlang des unteren Pfades gilt analog
Bei Pfadunabhangigkeit mussen diese beiden Preise in t men:
Weitere Umformungen fuhren auf den Zusammenhang
+ 2 ubereinstim-
4.3 Das Model1 von Ho und Lee
63
Durch sukzessives Einsetzen folgt hieraus schliealich die Pfadunabhangigkeitsbedingung fur die Storfunktion:
-
Nun konnen die erhaltenen Bedingungen fur die Storfunktion zusammengefugt werden. Mit h(l)/h*(l) 6-I und mit der Randbedingung (4.3) folgt aus der gerade hergeleiteten Pfadunabhangigkeitsbedingung (4.5) fur den Zusammenhang zwischen h ( r ) und h* (T)
Setzt man dies in die Arbitragefreiheitsbedingung (4.4) ein, so ergibt sich
woraus man die endgultige Darstellung fur die Storfunktion erhalt:
Mit Hilfe der Storfunktion kann jetzt der Baum der Diskontierungsfunktion aufgebaut werden, wobei die anfangliche Zinsstruktur, die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit 7r fur einen Aufwartssprung sowie der Parameter 6 vorzugeben sind. Die in diesem Abschnitt gewonnenen Erkenntnisse sollen noch einmal kurz zusammengefasst werden. 0
0
Eingangsinformation in das Model1 ist die anfangliche Zinsstruktur, beschrieben durch die Diskontierungsfunktion {Bo( t ) t, = 1,2,3,. . .). Modellparameter sind 7~ und 6. 7r ist die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit fur eine Aufwartsbewegung der Diskontierungsfunktion, wahrend 6 das Verhaltnis der Storfunktionen h(.) und h*(.) festlegt. Es gilt
64
4 Diskrete Zinsmodelle
Die Storfunktionen geben die relative Abweichung von den einperiodigen Forwardpreisen an:
Sie sind so gewahlt, dass die Anleihepreise pfadunabhangig sind und bei Falligkeit die Anleihepreise mit dem Nennwert von eins ubereinstimmen. Das Model1 ist zinsstrukturkonform, d.h. die endogen im Model1 bestimmte Zinsstruktur im Anfangszeitpunkt stimmt mit der exogen gegebenen Zinsstruktur fur den Anfangszeitpunkt uberein. Fur den Leser, der bereits Erfahrung im Umgang mit dem popularen Binomialmodell von Cox, Ross und Rubinstein (1979)(CRR) zur Bewertung von Aktienderivaten hat, seien hier kurz einige ~hnlichkeitenund Unterschiede zwischen diesem Model1 und dem HL-Ansatz zur Bewertung von Zinsderivaten aufgezeigt . Beide Modelle basieren auf einer Binomialstruktur fur die Bewegung des Underlyings. Das CRR-Modell wird durch die Sprungparameter u und d sowie durch den risikolosen Zins r beschrieben. Die Martingalwahrscheinlichkeit folgt endogen. Im HL-Model1 wird hingegen die Martingalwahrscheinlichkeit vorgegeben, und die Storfunktionen folgen aus 7r und aus b. Die Reihenfolge kann hier jedoch auch vertauscht werden, d.h, die Parameter n und 6 konnen aus den Storfunktionen gewonnen werden. Stellt man die Storfunktionen fur die kurzeste Restlaufzeit T = 1 an den Anfang, so gilt
Alternativ ware es auch moglich, von den Storfunktionen fur eine beliebige Restlaufzeit T auszugehen. Hier gilt
Die Formel zur Bestimmung von n ist vollkommen analog zur Formel von CRR. Fuhrt man diese auf die Faktoren u/(l r) und d/(l+ r ) zuruck,
+
4.3 Das Model1 von Ho und Lee
65
die die Abweichung des realisierten Aktienkurses vom einperiodigen Forwardpreis beschreiben, so erhalt man
Im Unterschied zu CRR ist der kurzfristige Zins im HL-Model1 nicht konstant, sondern zeit- und zustandsabhangig. Er kann jedoch nicht einfach in jedem Zustand exogen vorgegeben werden, sondern folgt aus der Spezifikation der Storfunktion und aus der anfanglichen Zinsstruktur. Wie dieser Zusammenhang explizit aussieht, ist genau der Inhalt des Modells. Hier sei auch auf Formel (4.9) fur die Short Rate in Abschnitt 4.3.2 verwiesen. 4.3.1.2 Beispiel
Gegeben seien die folgenden Daten: 7r = 0.5, 6 = 0.95 sowie Bo(T) = exp(-0.1 . T ) fur die Falligkeitstermine T = 0,1,2,3,4. Fur die Storfunktion erhalt man hieraus
Nun kann der Baum der Diskontierungsfunktion bestimmt werden, der in Abbildung 4.3 wiedergegeben ist.
Der zulassige Bereich fur 6 wird durch verschiedene Anforderungen an die ) h * ( ~ fur ) T = 0,1,2,. . . Storfunktionen h und h* festgelegt. Da h ( ~ und positiv sein mussen, muss 6 > 0 gelten. Fordert man ferner ohne Beschrankung der Allgemeinheit h ( ~ 2 ) h*(r), so folgt hieraus 6 5 1, insgesamt also 6 E (0,lI. Um 6 zu interpretieren, betrachtet man die Auswirkungen dieses Parameters auf die Anleihepreise. Fur i = 0,. . . , t - 1 gilt:
1st S = 1, so gilt
66
4 Diskrete Zinsmodelle
t=O
t = l
t=2
t = 3
Abbildung 4.3. Baum der Diskontierungsfunktion im HL-Model1
es liegt also Zinssicherheit vor. Fur 6 < 1 gilt dagegen B,(i)(T) < Bf+l)
(T),
und es liegt Zinsunsicherheit vor. Die Anleihepreise in benachbarten Knoten unterscheiden sich um so mehr, je kleiner 6 ist, wie aus der Definition der Stijrfunktionen h(.) und h*(.) in den Gleichungen (4.6) und (4.7) erkennbar ist. Deshalb bezeichnet man 6 auch als inversen Volatilitatsparameter. Ferner in der Restlaufzeit nimmt der Unterschied zwischen Bji)(T) und B,(~+')(T) T - t xu. Damit ist die Auswirkung der Zinsunsicherheit auf die Preise langer laufender Anleihen grof3er. Die Auswirkung von 6 auf die Stochastik der Zinsen wird unten in Abschnitt 4.3.2 dargestellt.
4.3.1.4 Anleihepreise Der Anleihepreis zu einem zukunftigen Zeitpunkt wird beim Aufbau des Baumes schrittweise berechnet. Daneben kann man auch eine geschlossene Forme1 fur den Anleihepreis angeben, die eine direkte Berechnung des zustandsabhangigen zukunftigen Anleihepreises erlaubt:
4.3 Das Model1 von Ho und Lee
67
Diese Gleichung erhalt man, indem man den Anleihepreis B , ( ~ ) ( Tdurch ) die ( t )und die Stijrfunktion h ausdruckt, anschlieAnleihepreise B~(:T')(T), anwendet und so bis fiend die analoge Operation auf B:~:')(T)und ~t(L cd2) folgt analog) Arbitrageportfolio: Kaufe
Stiick des ersten Wertpapiers, kaufe
122
5 Bewertung in stetiger Zeit
Stiick des zweiten Wertpapiers, und lege den Betrag
risikolos an. Wert des Portfolios:
0
Wertanderung des Portfolios:
und X2 < XI. da a(') < d2) Das Portfolio verlangt keinen Kapitaleinsatz, hat aber eine positive kontinuierliche Zahlung. 3. Beispiele fiir in T fallige Derivate, deren Wert nicht nur vom aktuellen Wert des Underlying und vom aktuellen Zeitpunkt abhangt: Option auf das Maximum der Aktienkurse zwischen 0 und T
5.6 Losungshinweise 0 0
123
Option auf den Durchschnitt der Aktienkurse zwischen 0 und T ,,Up-and-In-Option", die nur dann eine Zahlung ungleich null hat, wenn der Aktienkurs zwischen 0 und T mindestens einmal auf oder iiber der Grenze H lag
Zeitstet ige Zinsmodelle
Einen Meilenstein in der Entwicklung stetiger Zinsmodelle stellt das Model1 von Heath, Jarrow und Morton (1992) dar, das im Folgenden mit HJM-Model1 bezeichnet wird. In diesem Model1 wird die Entwicklung der gesamten Zinsstrukturkurve beschrieben, so dass das HJM-Model1 ebenso wie das Model1 von Ho und Lee (1986) per Konstruktion zinsstrukturkonform ist. Die simultane Modellierung der Dynamik von unendlich vielen Bondpreisen bei nur endlich vielen Risikoquellen erfordert es, wiederum analog zum HL-Modell, die Dynamik der Zinsstruktur durch eine Driftrestriktion einzuschranken. Nur wenn diese erfiillt ist, ist das Model1 von HJM arbitragefrei. Zentrale GroBe im Model1 von HJM ist die Volatilitatsfunktion der Terminzinsen. Im einfachsten Fall geht man von deterministischen Volatilitaten aus. Forwardzinsen sind dann normalverteilt, weshalb man auch von GauBZinsmodellen spricht. In diesen lassen sich zumindest fur einfache Zinsderivate geschlossene Bewertungsformeln ableiten. Die beiden gelaufigsten Spezifikationen unterstellen eine konstante, von der Zeit unabhangige Volatilitat oder eine Volatilitat, die exponentiell mit der Restlaufzeit fallt. Einen anderen Weg als HJM gehen Short Rate-Modelle. Sie stellen nicht die Dynamik der gesamten Zinsstruktur, sondern nur die Dynamik des kurzfristigen Zinses, der Short Rate, an den Anfang. Die Preise von NKAs als den einfachsten Zinsderivaten folgen dann modellendogen aus dem Verhalten der Short Rate. In der Regel sind diese Modelle nicht zinsstrukturkonform, die modellendogene Zinsstruktur stimmt also nicht mit der modellexogenen, am Markt beobachteten Zinsstruktur uberein. Als Beispiele betrachten wir das zeitstetige Model1 von Ho und Lee (1986), das Model1 von Vasicek (1977) sowie dessen Erweiterung durch Hull und White (1990) und das Model1 von Cox, Ingersoll und Ross (1985). Eine weitere Modellklasse stellen die sogenannten Market Models dar. Wahrend im HJM-Model1 die nicht beobachtbaren kurzfristigen Forwardzinsen ft(T) fiir infinitesimale Zeitintervalle betrachtet werden, stellen diese Mo-
126
6 Zeitstetige Zinsmodelle
delle direkt am Markt beobachtbare Grol3en wie den LIBORoder Swap Rates an den Anfang. Man spricht dann von LIBOR Market- oder Swap MarketModellen. Ausgehend von der Annahme einer Lognormalverteilung des LIBOR bzw. der Swap Rate unter einem jeweils geeignet gewahlten EMM erhalt man in diesen Modellen fur die Bewertung von Caps und Swaps die Formel von Black (1976). Nahere Ausfuhrungen zu den hier besprochenen Modellen finden sich z.B. bei Baxter und Rennie (1996)) Bingham und Kiesel (1998), Bjork (1998), Brigo und Mercurio (2001), James und Webber (2000) und Pelsser (2000) sowie in den entsprechenden Originalartikeln.
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton 6.2.1 Modellbeschreibung
Das HJM-Model1 ist ein zeitstetiges und zinsstrukturkonformes Zinsmodell, in dem die Entwicklung der Forwardzinskurve uber die Zeit beschrieben wird. Eine zeitdiskrete Version ist im Artikel von Heath, Jarrow und Morton (1990) zu finden. Anfangsbedingung ist die in t = 0 gegebene Forwardzinskurve, wodurch das Model1 per Konstruktion zinsstrukturkonform wird. Vergleicht man die Zahl der gehandelten Basiswertpapiere mit der Zahl der Unsicherheitsquellen, so stellt man fest, dass unendlich vielen NKAs nur endlich viele Wiener Prozesse gegenuberstehen. Aus diesem Grund ist das Model1 nur dann arbitragefrei, wenn die gemeinsame Dynamik der Forwardzinsen eingeschrankt wird, wenn also eine sogenannte Driftrestriktion erfullt ist. Wir gehen irn Folgenden von einer stochastischen Differentia.lg1eichung (SDE) fur die Forwardzinsen aus und zeigen in einem ersten Schritt, wie man aus dieser die SDE fur die Anleihepreise erhalt. Ausgehend von dem Verhalten der Anleihepreise leiten wir dann die Bedingungen her, unter denen das Model1 arbitragefrei ist - die Driftrestriktionen - und zeigen, wie man das risikoneutrale Ma0 und das terminrisikoangepasste Maf3 bestimmen kann. Mittels dieser Maf3e konnen dann Derivate bewertet werden. Zur Erinnerung sei nochmals kurz die Notation wiederholt. Bt(T) bezeichne den Preis in t einer in T falligen NKA und ft(T) sei der Forwardzins in t fur eine Anlage von T bis T dt. Fur den Zusammenhang zwischen den Preisen von NKAs und Forwardzinsen gilt
+
bzw .
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
127
so dass die Zinsstruktur sowohl durch die Diskontierungsfunktion als auch durch die Forwardzinskurve eindeutig beschrieben ist. HJM gehen von der Zinsstruktur in t = 0 aus und modellieren die Stochastik der Forwardzinsen, d.h. die Entwicklung der Forwardzinskurve uber die Zeit:
Die Unsicherheit wird allgemein durch einen d-dimensionalen Wiener Prozess abgebildet. Einschrankend betrachten wir hier nur den Fall d = 1, auf den Fall d > 1 werden wir kurz in Abschnitt 6.2.4 eingehen. Der Forwardzins in t ist nach Integration von (6.1) gegeben durch
Sowohl der Drift als auch die Volatilitat der Forwardzinsen in Gleichung (6.1) konnen zeit- und zustandsabhangig sein. Bis auf einige technische Bedingungen, welche die Existenz der Forwardzinsen zu spateren Zeitpunkten t sicherstellen, werden sie hier nicht eingeschrankt.
6.2.1.1 Stochastik der Forwardzinsen und der Anleihepreise HJM gehen von der Entwicklung der Forwardzinsen iiber die Zeit aus. Aus den Forwardzinsen in t erhalt man eindeutig die Anleihepreise in t, und umgekehrt folgen aus den Anleihepreisen die Forwardzinsen. Damit ist das Verhalten der Zinsstruktur uber die Zeit sowohl durch die Angabe der Dynamik der Forwardzinsen (wie bei HJM) wie auch durch die Angabe der Dynamik der Anleihepreise eindeutig beschrieben. Im Folgenden zeigen wir, wie aus der Dynamik der Forwardzinsen die Dynamik der Anleihepreise folgt (Satz 6.1) und umgekehrt (Satz 6.2).
Satz 6.1 (HJM: SDE fiir Anleihepreise) Aus der SDE fur Forwardzinsen dft(7) = p,f,t( ~ ) d+t af,t(7)dWt erhalt man die SDE fiir die Anleihepreise
mit
128
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Beweis: Ausgangspunkt ist Gleichung (6.1). Mit der Beziehung
Bt ( r )= exp
{
-
l7
ft
(s)ds)
zwischen den Anleihepreisen und den Forwardzinsen erhalt man durch Anwendung von It& Lemma
Eine Nebenrechnung ergibt fiir das Verhalten des Integrals iiber die Forwardzinsen
Durch Einsetzen in (6.3) erhalt man
Hieraus folgen Drift und Volatilitat der Anleihepreise.
Satz 6.2 (HJM: SDE fur Forwardzinsen) Aus der SDE fur die Anleihepreise
folgt die SDE fur die Forwardzinsen
mit
und
6.2 Das Modell von Heath, Jarrow und Morton
129
Beweis: Aus der SDE fur die Anleihepreise und der Beziehung
erhalt man mittels It8 als Dynamik der Forwardzinsen
Hieraus folgen Drift und Volatilitat der Forwardzinsen.
0
6.2.1.2 Arbitragefreiheit und Driftrestriktionen
Sol1 das Model1 arbitragefrei sein, so muss, wie in Abschnitt 5.3.1 dargestellt, fur den Wiener Prozess W ein Marktpreis des Risikos existieren, der fur alle gehandelten Wertpapiere gleich ist. Fur diesen Marktpreis des Risikos At gilt
Durch Umformen erhalt man die Driflrestriktion fur Anleihepreise
Durch Differenzieren nach
T
folgt unter Ausnutzung von Satz 6.2 die Driftre-
striktion fur die Forwardzinsen:
Integriert man diese uber 7, so erhalt man wieder die Driftrestriktion fur die Anleihepreise. Damit gilt, dass die beiden Driftrestriktionen die gleiche Information beinhalten. Dies ist auch zwingend, da die Dynamik der Forwardzinsen und die Dynamik der Anleihepreise ineinander umgerechnet werden konnen. Die Driftrestriktion lafit sich okonomisch interpretieren: Der Drift der Forwardzinsen darf nicht frei gewahlt werden, sondern folgt aus der Volatilitatsstruktur der Forwardzinsen und dem Marktpreis des Risikos. Dies kann intuitiv dadurch erklart werden, dass hier nur eine Risikoquelle vorhanden ist,
130
6 Zeitstetige Zinsmodelle
aber unendlich viele Basiswertpapiere (NKAs) gehandelt werden. Damit diese untereinander arbitragefrei sind, ist ihre Dynamik so einzuschranken, dass sie alle den gleichen Marktpreis des Risikos fur diese Risikoquelle implizieren. Dies fuhrt genau auf die Driftrestriktionen (6.5) bzw. (6.6). Das Vorgehen ist leicht auf den Fall zu erweitern, in dern die Stochastik der Forwardzinsen von einem d-dimensionalen Wiener Prozess mit d > 1 abhangt. Statt eines Marktpreises des Risikos gibt es dann d Marktpreise des Risikos. Details hierzu sind in Abschnitt 6.2.4 zu finden.
6.2.2 Risikoneutrale Bewertung 6.2.2.1 Bestimmung des risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmai3es
Unter dern risikoneutralen Wahrscheinlichkeitsmaf3 Q sind die mit dern Geldmarktkonto normierten Preise der NKAs Martingale. Dieses risikoneutrale Mafi sol1 nun hergeleitet werden. Hierzu wird zunachst das Verhalten der mit dern Geldmarktkonto normierten Anleihepreise bestimmt. Anschlieoend wird der Zusammenhang zzischen dern Wiener Prozess W unter dern Mafi P und dern Wiener Prozess W unter dern risikoneutralen Maf3 Q hergeleitet. Der risikolose Zins ist rt = ft(t), und der Stand des Geldmarktkontos in t ist
Der normierte Preis des in
T
falligen Bonds ist
Fiir die Stochastik des normierten Preises erhalt man mittels Itbs Lemma
Einsetzen der Ableitungen und der Dynamikgleichungen fur den Anleihepreis und das Geldmarktkonto ergeben weiter
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
131
Dies fiihrt schliefilich a.uf
Wiihlt man da.s Ma0 Q so, dass
% mit
unter Q ein Wiener Prozess ist, gilt fur den normierten Preisprozess
Damit ist der normierte~reisprozessunter Q ein Martingal. Den Zusammenhang zwischen W und W kann man in Abhangigkeit des Marktpreises des Risikos aus Gleichung (6.4) auch schreiben als
Die Bedingung, dass der Marktpreis des Risikos fur alle Wertpapiere gleich ist, kann nun auch folgendermaaen ausgedruckt werden: Unter dern risikoneutralen Mafi Q ist nicht nur der normierte Preis der in T falligen Anleihe ein Martingal, sondern es sind auch die normierten Preise aller anderen Anleihen Martingale. Man erhalt also nicht fur jede Anleihe ein eigenes risikoneutrales Mafi. 6.2.2.2 S t o c h a s t i k u n t e r dern r i s i k o n e u t r a l e n Mai3
Die Beschreibung des Modells unter dern risikoneutralen Man ist der Ausgangspunkt fiir die Bewergng von Derivaten. Setzt man den Zusammenhang (6.7) zwischen dWt und dWt sowie die Driftrestriktion (6.5) fur Anleihepreise ein, so erhalt man fur den Anleihepreis die SDE
Der Drift der Anleihe ist unter dern risikoneutralen Ma0 gleich dern lokal risikolosen Zins. Die Volatilitat ist unter dern ursprunglichen Maf3 P und unter dern risikoneutralen Maa Q gleich. Fur den Forwardzins gilt
und der Forwardzins in t ist
Diese Gleichung fur den Forwardzins zeigt anschaulich, durch welche Angaben das Model1 unter dem risikoneutralen Mafi eindeutig beschrieben ist. Man benotigt die anfangliche Zinsstruktur sowie die Volatilitatsstruktur der Terminzinsen, jedoch weder den Marktpreis des Risikos noch den Drift unter dern Mafi P. Dies ist eine allgemeine Eigenschaft von vollstandigen Modellen.
132
6 Zeitstetige Zinsmodelle
6.2.2.3 Risikoneutrale Bewertung von Derivaten
1st C ein (duplizierbares) Derivat ohne zwischenzeitliche Zahlungen, so gilt fur seinen Preis die bekannte Gleichung
oder umgeformt
6.2.3 Terminrisikoangepasste Bewertung
Die terminrisikoangepasste Bewertung wurde im Rahmen der zeitdiskreten Modelle bereits in Kapitel 4.5 eingefuhrt. Bei der risikoneutralen Bewertung werden die Preise der Basiswertpapiere mit dern Geldmarktkonto normiert, wahrend bei der terminrisikoangepassten Bewertung die in T * fallige NKA als Numeraire fungiert. Im Folgenden steht die Frage im Vordergrund, wie dieses Konzept im Rahmen eines stetigen Modells umgesetzt werden kann. Dazu ist zunachst das terminrisikoangepasste Martingalma0 zu bestimrnen. Wir zeigen hierfur, welcher Zusammenhang zwischen dern Wiener Prozess unter dern risikoneutralen Mafi und dern Wiener Prozess unter dern terminrisikoangepassteri Mafi besteht. AnschlieBend wird das Verhalten der Anleihepreise und der Forwardzinsen unter dern termiririsikoangepaasten Ma,fi angegeben. Darauf aufbauend lassen sich dann Derivate bewerten. 6.2.3.1 Bestimmung des terminrisikoangepassten Mafies
Zur Bestimmung des terminrisikoangepassten Ma0es betrachtet man wiederum die normierten Preise. Der Numeraire ist die in T * fallige NKA mit Preis Bt(T*). Der normierte Preis der in T falligen NKA ist dann fur ' dieser normierte Preis ein Unter dern terminrisikoangepassten Ma0 Q ~ muss Martingal sein. Wir gehen genauso vor wie im Falle der Bestimmung des risikoneutralen Ma0es. Zunachst berechnet man mittels It& Lemma die Dynamik des normierten Anleihepreises:
-1 Bt(T) dBt(T*)dBt(T*) + -dBt (T*)dBt(T). +--2 Bt(T*)3 Bt (T*)2
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
133
Einsetzen der SDEs fur die Anleihepreise ergibt
wobei die Volatilitat des normierten Preises
ztT'( T )mit
bezeichnet wird. Setzt man die Driftrestriktion (6.5) fiir die Anleihepreise ein, so erhalt man
Das Mafl QT* wird nun so gewahlt, dass
WT*mit
unter QT* ein Wiener Prozess ist. Unter dern Ma6 Q ~ gilt " dann
dZT* ( T )= -2:' ( T ) ~ (BT ,T*)~ET* ~ Damit sind unter dern Ma0 QT* die mit dern Preis der in T * falligen Anleihe normierten Anleihepreise Martingale. Mit Gleichung (6.9) haben wir einen Zusammenhang zwischen dern Wiener Prozess W unter dern wahren Ma.J.3 und dern Wiener Prozess ET*unter dern terminrisikoangepassten Mafl gefunden. Nutzt man den analogen Zusammenhang (6.7) zwischen dern wahren Mafi und dern risikoneutralen Maf3 aus, so erhalt man
Um die Wiener Prozesse unter dern risikoneutralen MaD und unter dern terminrisikoangepassten Mafi ineinander zu uberfuhren, benotigt man also lediglich die Volatilitat der normierenden NKA.
134
6 Zeitstetige Zinsmodelle
6.2.3.2 Prozesse unter dem terminrisikoangepassten MaD Auch die Beschreibung des Modells unter dern terminrisikoangepassten Ma6 kann als Ausgangspunkt fur die Bewertung von Derivaten dienen. Die Stochastik der Anleihepreise unter dern terminrisikoangepassten Ma6 lautet
Der Drift der NKA unter dern terminrisikoangepassten Ma8 ist gleich dern risikolosen Zins plus dern Produkt aus der Volatilitat der Anleihe und der Volatilitat der normierenden Anleihe. Die Stochastik der Forwardzinsen lautet
Zur Beschreibung des Modells unter dern terminrisikoangepassten Ma6 benijtigt man die anfangliche Zinsstruktur sowie die Volatilitatsstruktur der Terminzinsen. Der Marktpreis des Risikos wird wiederum nicht benotigt, da es sich um ein vollstandiges Model1 handelt. 6.2.3.3 Terminrisikoangepasste Bewertung von Derivaten Die Bewertung von Derivaten basiert darauf, dass unter dern terminrisikoangepassten Ma13 Q ~ die * mit der in T* falligen NKA normierten Preise von gehandelten Wertpapieren Martingale sind. Dabei wird angenommen, dass diese keine zwischenzeitlichen Zahlungen leisten. Damit gilt fur ein (duplizierbares) Derivat C die Bewertungsgleichung
oder im Spezialfall s = T*
6.2.3.4 Beispiel: Bewertung eines europaischen Calls Die terminrisikoangepasste Bewertung kann verwendet werden, um die Struktur der Bewertungsgleichung fur einen europaischen Call auf eine NKA zu zeigen. Hierzu schreibt man die Zahlung des Calls bei Falligkeit in TI als , - X , 0) C T ~= m a x { B ~(T2) = B T (7'2) ~ ~ B T (T2)>x , - X laT1 (T2)>x mit l Aals Indikatorfunktion fur das Ereignis A, d.h. l A= 1, falls A eintritt, und null sonst. Den ersten Term bewertet man unter dern terminrisikoangepassten Ma13 QT2 mit der in T2 falligen NKA als Numeraire, den zweiten Term
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
135
bewertet man man unter dern terminrisikoangepassten Mafl QT1 mit der in TI falligen NKA als Numeraire. Dies ergibt
Da der Erwartungswert der Indikatorfunktion gerade die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses ist, erhalt man schliefllich
Der Wert des Calls ist damit gleich dern Wert des Underlyings, multipliziert mit einer Ausubungswahrscheinlichkeit, abzuglich dern Barwert des Basispreises, multipliziert mit einer zweiten Ausubungswahrscheinlichkeit. Die erste Ausiibungswahrscheinlichkeit wird dabei unter dern EMM mit dern Underlying als Numeraire berechnet, die zweite unter dern EMM, bei dern die gleichzeitig mit dern Call fallige NKA als Numeraire dient. 6.2.3.5 Beispiel: Forward- und Futurespreise
Die terminrisikoangepasste Bewertung und die risikoneutrale Bewertung fuhren zum gleichen Ergebnis. Welche Bewertungstechnik man verwendet, ist letztendlich Geschmackssache bzw. in gewissen Fallen eine Rage der einfacheren Rechenbarkeit. Dieser zweite Punkt zeigt sich insbesondere am Beispiel von Forward- und Futurespreisen. Unter dern risikoneutralen Maf3 sind Futurespreise Martingale. Es gilt
Unter dern terminrisikoangepassten Maf3 QT1 sind die Forwardpreise fur Lieferung in Tl Martingale, es gilt
Unter dern terrninrisikoa.rigepa.ssten Ma,fl sind daruber hinaus auch einige (nicht alle!) Forwardzinsen Martingale. Um dies zu zeigen, betrachten wir den Forwardzins in t . Fiir ft(T) erhalt man unter dern terminrisikoangepassten Ma0 Q~~
136
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Betrachtet man speziell den Forwardzins ft(T1) fur die Anlage in TI, so gilt
Der (kontinuierliche) Forwardzins fur Tl ist damit unter QTl ein Martingal. Gleiches gilt fur den Forward-LIBOR,wenn dieser sich auf eine Anlageperiode bezieht, die in TI endet. Betrachtet man den Forward-LIBORfur das Interval1 [TI- h, TI], so ist dieser 1 Bt (Tl - h) - Bt (Tl) Lt(Tl - h,Tl) = - . h Bt (Tl )
Er entspricht dem Preis eines Portfolios aus zwei NKAs, normiert mit dem Preis der in TI falligen Anleihe. Damit ist auch dieser Forward-LIBOR fur die Anlage bis TI unter dem terminrisikoangepassten Mai3 QT1 ein Martingal. Diese Eigenschaft des Forward-LIBORwird im LIBORMarket-Model1 in Abschnitt 6.3 verwendet werden. 6.2.4 Verallgemeinerung: d-dimensionaler Wiener Prozess
In der allgemeinen Form des HJM-Modells geht man davon aus, dass die Entwicklung der Zinsunsicherheit nicht durch einen eindimensionalen, sondern durch einen d-dimensionalen Wiener Prozess getrieben wird. Wir wollen im Folgenden kurz die Verallgemeinerung der obigen Ergebnisse auf diesen 1 d-dimensionaler ) Wiener Fall angeben. Hierzu sei ( ~ ( ~~ (1 ' ,1 , . . , ~ ( ~ ein ) stochastisch unabhangige Prozess, d.h. die einzelnen Komponenten w ( ~sind eindimensionale Wiener Prozesse. Ausgangspunkt ist wiederum die Entwicklung des Forwardzinses iiber die Zeit: d
dft (T) = pf,t (i)dt
+C
( . i ) d ~ j ",
wobei anstelle einer einzigen jetzt d solche Volatilitatsfunktionen o:i(~) (i = 1 , .. . , d) vorzugeben sind. Die SDE fur den Anleihepreis lautet dann
mit
6.2 Das Model1 von Heath. Jarrow und Morton
137
Die Driftrestriktion (6.5) fur den eindimensionalen Fall verallgemeinert sich zu
mit x ( ~ )(i = 1,.. . , d) als dem Marktpreis des Risikos fur den Wiener Prozess w ( ~ ) Fur . die Forwardzinsen gilt entsprechend
Die Dynamik der Forwardzinsen unter dem risikoneutralen Maf3 lautet dann
und fur die Dynamik der Anleihepreise erhalt man
Auch hier sol1 abschlieflend noch das terrninrisikoangepasste Ma.B QT' angegeben werden, unter dem Preise, normiert mit dem Preis der in T* falligen NKA, Martingale sind. Fur die Wiener Prozesse gilt dFji)T* = d@ji)
+ ggL(~*)dt.
Fur den Forwardzins erhalt man
und fur den Anleihepreis gilt
Alle fur den eindimensionalen Fall abgeleiteten Bewertungsergebnisse sind vollkommen analog auf den d-dimensionalen Fall ubertragbar.
Um das Model1 von HJM vollstandig zu spezifizieren, benijtigt man die anfangliche Zinsstruktur und die Volatilitatsstruktur der Terminzinsen. Sind diese Volatilitaten eine deterministische Funktion des aktuellen Zeitpunktes und des Falligkeitszeitpunktes, so spricht man von einern Gad-Zinsmodell.
138
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Definition 6.1 (Gaua-Zinsmodell). In einem Gaujl-Zinsmodell sind die Volatilitaten o ~ , ~ ( T(0) 5 t 5 7 ) eine deterministische Funktion von t und 7.
Die Forwardzinsen unter dern risikorieutralen Mafl sind
deterministisch
normalverteilt
Forwardzinsen sind in einem Ga.ufl-Zinsmodell somit normalverteilt. Damit sind auch die Kassazinsen normalverteilt, und die Preise von NKAs sind lognormalverteilt. In einem Gaufl-Zinsmodell konnen die Preise von europaischen Optionen ebenso wie Futurespreise relativ einfach berechnet werden. Ein Nachteil der GaufLZinsmodelle ist jedoch, dass aufgrund der Normalverteilung die Wahrscheinlichkeit fur negative Zinsen positiv ist. Im Folgenden sol1 nach einem kurzen Exkurs zu Normal- und Lognormalverteilung zunachst das allgemeine Gaul3-Zinsmodell betrachtet werden. Fur dieses berechnen wir die Anleihepreise zu einem zukunftigen Zeitpunkt und aufbauend darauf die Preise von Futures und Optionen auf eine NKA. In den folgenden Beispielen wird die Volatilitat dann weiter eingeschrankt, und wir betrachten den Fall einer konstanten sowie einer exponentiell gedampften Volatilitat der Forwardzinsen. 6.2.5.1 Exkurs: Normalverteilung und Lognormalverteilung
Bevor wir uns der Bewertung von Derivaten in einem Gad-Zinsmodell zuwenden, geben wir einige niitzliche Formeln im Umgang mit der Normalverteilung und der Lognormalverteilung an. Seien a(.) und b(.) deterministische Funktionen von s E Rf (die einigen weiteren Bedingungen genugen) und sei t 5 TI 5 Tz.Sei auflerdem W ein Wiener Prozess. Dann ist die Zufallsvariable
aus der Sicht von t normalverteilt mit
Ferner gilt
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
139
1st X normalverteilt, so ist ex lognormalverteilt. Fur den Erwartungswert einer lognormalverteilten Zufallsvariable gilt
E [exp{X)] = exp Fiir den Erwartungswert des Maximums aus der Differenz zweier bivariat lognormalverteilter Zufallsvariablen und null gilt
E [max{ex - eY, 0)] = ~ [ eN (~d ) ] E [eY]N ( d - s ) mit
s2 = var[X - Y].
Diese Formel wird sich bei der Bewertung von Anleiheoptionen als sehr nutzlich erweisen. Ebenso wie die Formel zur Berechnung des Erwartungswertes von ex kann sie bewiesen werden, indem man den Erwartungswert unter Verwendung der Dichte der Normalverteilung bzw. der Lognormalverteilung explizit berechnet. 6.2.5.2 Bewertung von Anleihen, Futures und Optionen im
GauB-Zinsmodell In einem Gaui3-Zinsmodell existieren fiir Zinsderivate zum Teil geschlossene Formeln. Wir beginnen mit der Bestimmung des Anleihepreises zu einem beliebigen spateren Zeitpunkt T I . Da die Zahlung von in Tl falligen Derivaten auf die NKA von diesem Preis abhangt, ist seine Bestimmung der erste Schritt zu deren Bewertung.
Satz 6.3 (Anleihepreis in T I ) Der Preis in Tl der in T2 falligen NKA ist
Beweis: Zunachst gilt fiir den Zusammenhang zwischen Anleihepreisen und Terminzinsen
140
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Mit der Dynamik der Forwardzinsen unter dem risikoneutralen Ma0 erhalt man
Die Ausnutzung des Zusammenhangs zwischen Anleihepreisen und Terminzinsen sowie das Vertauschen der Integrationsreihenfolge ergibt
-Bt(T2) exp
Bt (TI)
{ iT1 -
[ ~ B ,( u~ 2 ) ' - V B , U
(TI)']du
mit v ~ , ~ ( TT Iz)als , Volatilitat des normierten Anleihepreises aus Gleichung 0 (6.8). Damit ist die Formel fur den Anleihepreis bewiesen. Der zukunftige Anleihepreis in TI ist also gleich dem heutigen Forwardpreis fiir Lieferung in T I ,mudtipliziert mit einem Storterm, der von der Entwicklung des Wiener Prozesses W zwischen t und TI abhangt. Die Formel fiir den zukunftigen Anleihepreis ermoglicht nun die Berechnung des Futurespreises. Fiir diese Formel nutzen wir explizit aus, dass wir uns in einem Gad-Zinsmodell befinden.
Satz 6.4 (F'uturespreise im Gaufi-Zinsmodell) Der Futurespreis i n t eines i n Tl falligen Futures auf die i n T2 fallige NKA ist
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
141
Beweis: Unter dem risikoneutralen Maf3 ist der Futurespreis ein Martingal. Damit gilt
Setzt man die Gleichung fur den Anleihepreis ein, so gilt
--Bt(T2) p Bt (TI)
-
lT1
[.B,.(T~)~ - ' . ~ B , u ( T I ) ~du ]
0.
Der Futurespreis entspricht somit dem Forwardpreis, multipliziert mit einem Korrekturfaktor. Die Bewertungsgleichung fiir einen europaischen Call ist im folgenden Satz gegeben.
Satz 6.5 (Europaischer Call auf NKA im GauO-Zinsmodell) Fur den Preis in t eines in T I falligen Calls mit Basispreis X auf die in T2 fallige NKA gilt
mit
Beweis: Aus der risikoneutralen Bewertungsgleichung folgt
142
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Fur das Integral uber den kurzfristigen Zins erhalt man
Der erste Term auf der rechten Seite ist der Anleihepreis Bt(Tl).Den zweiten Term kann man vereinfachen, indem man zunachst die Integrationsreihenfolge vertauscht und anschlieflend den Zusammenhang zwischen den Anleihevolatilitaten und den Forwardzinsvolatilitaten einsetzt:
=)0 gilt. Einsetzen des gerade berechDabei wurde ausgenutzt, dass U B , ~ ( U neten Integrals iiber den kurzfristigen risikolosen Zins und des Anleihepreises nach Satz 6.3 in die risikoneutrale Bewertungsgleichung (6.11) ergibt dann
Mit der Formel fur den Erwartungswert des Maximums aus Abschnitt erhalt man
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
143
mit
und
0
Alternativ kann man den Call auch mittels terminrisikoangepasster Bewertung bewerten. Ausgangspunkt ist die in Abschnitt 6.2.3.4 hergeleitete Formel. Wir benotigen hierfur die Verteilung des Anleihepreises BTl (T2)sowohl unter dem Mai3 QT1 als auch unter dem Mai3 QT2.Aus Satz 6.3 erhiilt man fur den Anleihepreis
Wahlt man die in Tl fallige Anleihe als Numeraire, so gilt fur den Zusammenhang der Wiener Prozesse
Fur den Anleihepreis folgt
Wahlt man die in T2 fallige Anleihe als Numeraire, so erhalt man analog
Der Anleihepreis BTl (T2)ist damib unter beiden Maf3en lognormalverteilt. Die Ausiibungswahrscheinlichkeit, unter dem Ma0 QT1 ist
144
6 Zeitstetige Zinsmodelle
wobei die Varianz s2 berechnet wird als
Analog dazu ist die Ausubungswahrscheinlichkeit unter dem Ma0
QT2
Das Zusammenfugen der Ergebnisse ergibt wiederum die Callpreisformel aus Satz 6.5. Wie man sieht, kann N ( d ) als Ausubungswahrscheinlichkeit fur den Call uriter dem termiririsikoangepassten Ma0 mit der in T 2 falligen NKA als Numeraire interpretiert werden. Analog stellt N(d - s ) die Ausubungswahrscheinlichkeit fur den Call unter dem terminrisikoangepassteri Ma0 rnit der in Tl falligen NKA als Numeraire dar. 6.2.5.3 Gad-Zinsmodell mit konstanter Volatilitat
In einem Gad-Zinsmodell ist die Volatilitat der Forwardzinsen eine deterministische Funktion der Zeit. Wir betrachten nun den einfachsten Fall einer konstanten Volatilitat:
Die Volatilitat ist fur alle Forwardzinsen gleich hoch. Sie hangt weder vom aktuellen Zeitpunkt noch von der Restlaufzeit ab. Fur die Volatilitat der Anleihepreise erhalt man aus Gleichung (6.2)
Sie ist proportional zur Restlaufzeit. Einsetzen in die obigen Gleichungen ergibt dann die Anleihepreise, Futurespreise und Optionspreise. Fur den Anleihepreis gilt nach Satz 6.3 zunachst
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
145
Fiir den Futurespreis gilt nach Satz 6.4
Fur die Calloption auf eine NKA erhalt man mit Hilfe von Satz 6.5
mit
und ( Tt).~ s2 = U ? ( T ~- T ~ ) ~ Neben den Preisen von einfachen Zinsderivaten ist das Verhalten der Zinsstrukturen von Interesse, das durch die Annahme einer konstanten Volatilitat der Forwardzinsen impliziert wird. Dabei ist zwischen dem Verhalten uber die Zeit (d.h. dem Langsschnitt) und dem Vergleich der Zinsstrukturen uber verschiedene Zustande zu einem Zeitpunkt (d.h. dem Querschnitt) zu unterscheiden. Aus den Anleihepreisen oder direkt aus der SDE fur die Forwardzinsen erhalt man den Forwardzins zum Zeitpunkt t:
Man erkennt, dass zum Zeitpunkt t die Forwardzinskurven in den verschiedenen Zustanden parallel gegengnander verschoben sind, da sie sich nur hinsichtlich der additiven GroOe ofWt unterscheiden. Fur den Kassazins in t folgt unter Verwendung von Gleichung (6.12) fur den Anleihepreis
Damit sind nicht nur die Terminzinskurven, sondern auch die Kassazinskurven zu einem Zeitpunkt t in verschiedenen Zustanden parallel gegeneinander verschoben. In einem Gad-Zinsmodell mit konstanter Volatilitat der Forwardzinsen ist also die Form der zukunftigen Zinsstruktur heute schon bekannt und lediglich das Niveau der Zinsen unsicher. Derivate, deren Zahlung von der Steigung der Zinskurve oder von der Differenz zwischen zwei Zinsen abhangt, haben aufgrund dieser Eigenschaft eine sichere Auszahlung; ihre Bewertling im Gnu& Zinsmodell ist trivial.
146
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Nach diesen Aussagen zum Querschnitt untersuchen wir nun das Verhalten der Zinsstrukturen uber die Zeit. Dazu zeigen wir, wie sich die Form der Zinskurve und das (erwartete) Niveau uber die Zeit verhalten. Ableiten des Kassazinses in Gleichung (6.13) nach der Zeit T ergibt
1st die anfangliche Zinsstruktur flach (und damit die Ableitung des Forwardzinses fo(t, T ) nach T gleich null), so ist die Zinsstruktur zu jedem spateren Zeitpunkt wachsend. Ihre Steigung wird um so grofier, je weiter man in die Zukunft geht, d.h. je grofier t ist. Tendenziell gilt auch fur eine anfanglich nicht steigende Zinsstruktur, dass sie im Zeitablauf zu einer steigenden Zinsstruktur wird und daruber hinaus die Steigung immer grofier wird. Zusammenfassend erhalt man, dass die Zinskurven zu einem gegebenen Zeitpunkt in verschiedenen Umweltzustanden parallel verschoben sind. Dies gilt jedoch nicht, wie teilweise falschlicherweise behauptet, fur den Vergleich der Zinskurven uber die Zeit. Von einem Zeitpunkt zum nachsten findet keine Parallelverschiebung der Zinskurve statt, sondern es andert sich auch ihre Form. Dies wird aus der Tatsache deutlich, dass aus einer anfanglich flachen Kassazinsstruktur im Zeitablauf eine immer starker steigende Kassazinsstruktur wird. Das Niveau der zukunftigen Zinsstruktur wird durch die Short Rate rt = f t (t) festgelegt. Fur diese gilt
Der Erwartungswert der Short Rate unter dem risikoneutralen Ma3 ist
Der Erwartungswert ist grofier als der Forwardzins. Die Differenz zum Forwardzins wachst mit der Zeit immer starker, und der erwartete kurzfristige Zins ist nicht nach oben beschrankt. Gleiches gilt fur die Varianz des kurzfristigen Zinses unter dem risikoneutralen Mafi, die sich zu o?t ergibt. Zukunftige Zinsen schwanken damit aus heutiger Sicht immer starker. Abschlieaend sei noch die SDE fur rt = ft(t) berechnet: drt = ( T + g j t
) dt+ofdGt.
1st die anfangliche Zinsstruktur fla.ch, so ist der Drift unter dem risikoneutralen Mafi a;t. Er ist positiv und nimmt im Zeitablauf zu. Damit gilt, dass die Short Rate im Schnitt uber die Zeit immer groaer wird und sich diese Tendenz im Laufe der Zeit sogar noch verstarkt. Des weiteren ist der Drift nicht vom aktuellen Stand der Short Rate abhangig. Damit gilt insbesondere, dass die Short Rate langfristig nicht zu einem bestimmten Niveau zuruckgezogen wird.
6.2 Das Model1 von Heath, Jarrow und Morton
147
6.2.5.4 Gaufi-Zinsmodell mit exponentiell gedampfter Volatilitat
Eine weitere gelaufige Parametrisierung fur die Volatilitat der Forwardzinsen ist
In diesem Fall ist die Volatilitat der Forwardzinsen urn so kleiner, je grofier 7 - t ist. Fur die Volatilitat der Anleihepreise erhalt man aus Gleichung (6.2)
Die Volatilitat des Anleihepreises wachst somit in der Restlaufzeit Fur den Anleihepreis gilt nach Satz 6.3
T
- t.
Fur den Futurespreis folgt aus Satz 6.4
Fiir die Calloption auf eine NKA gilt nach Satz 6.5
mit
Auch fur den Fall einer exponentiell gedampften Volatilitatsfunktion sol1 nun das resultierende Verhalten der Zinsstrukturen sowohl uber die Zeit als auch uber die Zustande untersucht werden. Aus den Anleihepreisen oder aus der SDE fur die Forwardzinsen erhalt man die Forwardzinsen in t
148
6 Zeitstetige Zinsmodelle
und die Short Rate in t ist gegeben als
Druckt man den Forwardzins in t in Abhangigkeit der Short Rate ft(t) aus, so erhalt man
Die Formel zeigt, dass der Einflufi der aktuellen Short Rate auf den Forwardzins mit wachsendem T immer kleiner wird. Damit ist der Einfluo der Unsicherheit, der sich in ft(t) zeigt, fur kurzfristige Zinsen am grofiten und fur langfristige Zinsen am kleinsten. Ferner gilt, dass fur sehr groi3es T - t die Differenz zwischen dem aktuellen Forwardzins und dem Forwardzins aus Sicht von t = 0 immer kleiner wird. So geht, wie bereits ausgefuhrt, der zweite, von der Short Rate abhangige Term mit wachsendem T - t gegen null, und auch der letzte Term ist fur T - t 2 (In 2)/a fallend und geht mit wachsendem T - t gegen null. Auch dieses Verhalten der Zinsen verdeutlicht nochmals, dass die langfristigen Zinsen weniger schwanken als die kurzfristigen. Fur den Erwartungswert der Short Rate unter dem risikoneutralen Ma0 erhalt man
Wie im Falle einer konstanten Volatilitat der Forwardzinsen gilt auch hier, dass der Erwartungswert groaer ist als der Forwardzins fo(t). Die Differenz zwischen dem Erwartungswert und dem Forwardzins wachst wiederum in t , ist nun aber durch c?/(2a2) nach oben beschrankt. Auch die Varianz der Short Rate wachst nicht ohne Grenzen, sondern geht fur t -+ co gegen 0;/(2a). Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass kurzfristige Zinsen starker schwanken als langfristige und dass der Erwartungswert und die Varianz des kurzfristigen Zinses beschrankt sind. In beiden Eigenschaften der Zinsstruktur spiegelt sich die Mean Reversion-Eigenschaft des kurzfristigen Zinses wieder. Um diese zu veranschaulichen, betrachten wir das Verhalten der Short Rate rt = ft(t):
6.3 Das LIBORMarket-Model1
149
Der Drift der Short Rate ist fur grofk Short Rates negativ und fur kleine Short Rates positiv. Dies bewirkt, dass der Zins zu dem zeitabhangigen Mittelwert B(t) zuruckgezogen wird. Genau dies bezeichnet man als Mean ReversionEigenschaft. Auf das Verhalten des kurzfristigen Zinses werden wir bei der Diskussion von Short Rate Modellen in Abschnitt 6.5.4 noch naher eingehen. Die obige SDE fur den kurzfristigen Zins rt wird sich dort auch im erweiterten Modell von Vasicek ergeben, wenn dieses an die anfangliche Forwardzinskurve {fo(T)IT 0) kalibriert wird.
>
6.3 Das LIBORMarket-Model1 Das HJM-Model1 beschreibt die Entwicklung der Forwardzinskurve uber die Zeit, ausgehend von der gesamten Forwardzinskurve in t = 0. LIBORMarketModelle, eingefuhrt von Brace, Gatarek und Musiela (1997) und Miltersen, Sandmann und Sondermann (1997), beschreiben dagegen das Verhalten von LIBo~-Zinsenfur eine bestimmte Fristigkeit. Im Unterschied zu den kurzfristigen Forwardzinsen, die aus den Preisen von gehandelten Kuponanleihen geschatzt werden mussen, sind letztere direkt am Markt beobachtbar. Aus diesem Grund spricht man auch von einem Market Model. Wie auch das HJMModel1 sind LIBORMarket-Modelle zinsstrukturkonform. Wir beschreiben zunachst das allgemeine LIBORMarket-Modell. Es zeigt sich, dass in einem solchen Model1 die terminrisikoangepassten EMMs eine wichtige Rolle spielen. Anschlieaend gehen wir auf die Bewertung von Caps ein. Unterstellt man, dass die Volaitlitaten der LIBOR-Satzefur eine bestimmte Fristigkeit deterministisch sind, erhalt man gerade die Formel von Black (1976) fur Caps. 6.3.1 Definition des LIBOR
Zur Erinnerung seien hier die Definitionen des K a s s a - L ~ und ~ o ~des ForwardLIBORaus Abschnitt 2.2.2.2 wiederholt. Allgemein ist der LIBORder Zins fur
150
6 Zeitstetige Zinsmodelle
eine Anlage uber ein diskretes Zeitintervall. Der Kassa-LIBORL t ( t , T ) in t fur die Anlage von t bis T ist definiert als
Dabei bezeichnet man die Lange T - t der Anlageperiode auch als Tenor. Man erhalt fiir den Kassa-LIBOR
Der Forward-LIBORL t ( s ,T ) in t fur die Anlage von s bis Forwardpreis fur Lieferung in s
T
> s folgt aus dem
Aufgelost erhalt man den Forward-LIBOR
6.3.2 M o d e l l i e r u n g d e s Forward-LIBOR
Im Folgenden steht der Forward-LIBOR im Mittelpunkt. Dieser ForwardLIBORfur die Anlage von s bis T ist unter dem terminrisikoangepassten Ma0 mit der in T falligen NKA als Numeraire ein Martingal. Um dies zu zeigen, greift man auf die Definition des Forward-LIBORaus Gleichung (6.16) zuruck. Im Zahler steht der Wert eines Portfolios aus zwei NKAs, und dieser Wert wird mit dem Preis der in T falligen NKA normiert. Dieser Ausdruck ist definitionsgemafi unter dem EMM Q' ein Martingal. Bezeichnet man die Volatilitat des Forward-LIBORrnit yt ( s ,T ) , so gilt dLt ( s ,T ) = L t ( s , ~ ) y t ( sr)d@;. ,
(6.17)
1st diese Volatilitat eine deterministische Funktion von t , s und T, so ist der Forward-LIBOR unter dem terminrisikoa.ngepa.ssten Ma.0 Q' lognormalverteilt. Dies fiihrt, wie noch gezeigt wird, zur Bewertung von Caps nach der Formel von Black (1976). Im Folgenden betrachten wir LIBOR-Zinsenfur Anlagezeitraume, die durch die Zeitpunkte to,t l , . . . , t , mit ti+1 - ti = At (i = 0,. . . , n - 1 ) beschrieben e n eine Anlageperiode der sind. Die entsprechenden F o r w a r d - L ~ ~ o ~ - Z i n sfur Lange At sind dann L t ( t i , ti+l).
6.3 Das LIBORMarket-Model1
151
6.3.3 Terminal Measure
Die Dynamik des Forward-LIBORL t ( t i - 1 , t i ) wird in Gleichung (6.17) unter dem Ma0 Qti angegeben. Damit spezifiziert man jeden Forward-LIBOR zunachst unter einem anderen Ma0. Ziel ist es nun, das Verhalten aller Zinsen unter einem einzigen Ma8 anzugeben. Es bietet sich an, hierzu das sogenannte Terminal Measure Qt- zu verwenden, unter dem mit dem Preis der in t, falligen NKA normierte Preise Martingale sind. Um alle Prozesse unter diesem Ma0 anzugeben, i s t s s zunach-st notwendig, den Zusammenhang zwischen den Wiener Prozessen W t i und Wtj zu kennen. 6.3.3.1 Zusammenhang zwischen den terminrisikonangeparjten Maaen
Wir nutzen den bereits in Gleichung (6.10) angegebenen Zusammenhang zwischen dem risikoneutralen Ma8 und dem terminrisikoangepassten Ma8 aus. Es gilt
Hieraus erhalt man fur den Zusammenhang zwischen den terminrisikoangepassten Mai3en
In einem L ~ ~ o R - M o d esind l l die Anleihevolatilitaten zunachst nicht gegeben. Um diese zu erhalten, nutzen wir aus, dass die Differenz der Anleihevolatilitaten gerade gleich der Volatilitat eines Forwardpreises ist. So gilt, wie in Abschnitt 6.2.3.1 gezeigt, fur den Forwardpreis des in T falligen Bonds bei Lieferung in ti
-
-B t ( T )[ g ~ , t ( T -)g B , t ( t i ) ] ( d G t
Bt ( t i )
+ ffB,t(ti)dt)
Speziell fiir T = ti+l erhalt man
dBt(ti+l) - - Bt(ti+l) Bt ( t i ) Bt ( t i )
(ti+l)- g ~ , t ( t i )( ]d E t
+ g a , t ( t i ) d t ) .(6.19)
Kennt man die Volatilitat des Forwardpreises, so kennt man die fiir die Beschreibung des MaBwechsels benotigte Differenz der Anleihepreisvolatilitaten. Um die Volatilitat des Forwardpreises zu bestimmen, stellt man den Forwardpreis in Abhangigkeit des Forward-LIBORdar:
152
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Anwendung von It8s Lemma ergibt
Da die Volatilitat unter jedem Mafi gleich ist, erhalt man aus dem Vergleich mit (6.19) fiir die Differenz der Anleihevolatilitaten
Setzt man diesen Zusammenhang in Gleichung (6.18) ein, so erhalt man d@:* = d@;*+l - % ( t i , & + I ) Lt (ti,t i + l ) A t dt. 1 Lt (ti,ti+1 )At
+
Fur allgemeines j > i gilt dann
Mit dieser Formel ist es mijglich, im LIBORMarket-Model1 von einem terminrisikoangepassten Ma0 zum anderen uberzugehen. 6.3.3.2 Forward-LIBOR u n t e r d e m T e r m i n a l M e a s u r e Wir wahlen nun das Terminal Measure Mafi Qtn als das Ma& unter dem alle Prozesse beschrieben werden. Fiir den Forward-LIBORvon t n P 1nach tn gilt
-
dLt(tn-1, t n ) = yt(tn-1, t n ) ~ t ( t n - l , t n ) d w / " . Er ist bereits per Konstruktion unter dem Terminal Measure angegeben. Fur den Forward-LIBORvon t n - 2 nach tn-1 gilt
6.3 Das LIBORMarket-Model1
153
Er ist somit unter dem Terminal Measure kein Martingal, da der Term vor d t nicht verschwindet. Fur den Forward-LIBORvon t i - 1 nach ti gilt unter Verwendung von Gleichung (6.21)
Auch dieser LIBOR-Satzist somit unter dem Terminal Measure kein Martingal. 6.3.4 Bewertung von Derivaten im LIBORMarket-Model1
Im LIBORMarket-Model1 sollen nun Zinsderivate bewertet werden. Wir zeigen zunachst, dass man fur eine variabel verzinsliche Zahlung die bereits in Kapitel 2.2.2.2 hergeleitete Formel erhalt. Anschliefiend bewerten wir einen Cap. Unterstellt man, dass die Volatilitat des LIBOR-Satzesunter dem entsprechenden terminrisikoangepassten Mafi deterministisch ist, so erhalt man gerade die Formel von Black (1976). 6.3.4.1 Bewertung einer variabel verzinslichen Zahlung Betrachtet wird die in T
+ At erfolgende variable Zinszahlung
deren Hohe im Anpassungszeitpunkt T festgesetzt wird. Fur den Wert Ct dieser Zahlung gilt unter dem terminrisikoangepassten Ma8 Q ~ + * ~ :
ct B~(T
+ nt)
-
EQT+At i
+
LT ( T ,T At)& B T + A(T ~ + At)
Hieraus erhalt man
Da der Forward-LIBORfur die Anlage von T bis T Martingal ist, folgt
Ct = Bt (T
+ At
unter Q
~ ein+
+ At)Lt ( T ,T + At)At.
Einsetzen der Definition des Forward-LIBORergibt dann mit
gerade die in Abschnitt 2.2.2.2 hergeleitete Formel. Diese ist unabhangig von dem stochastischen Prozess, den man fiir den Forward-LIBORunterstellt.
~
~
154
6 Zeitstetige Zinsmodelle
6.3.4.2 Bewertung eines Caps
Ein Cap leistet Zahlungen zu den Zeitpunkten t l , t2,. . . , t, und stellt ein Portfolio aus Caplets dar. Mit einer Strike Rate von LC ist die Zahlung in ti gegeben als max {[Lt,-l(ti-l,ti) - LC] (ti - t i - l ) , ~ ). Wir bewerten diese Zahlung mittels des terminrisikoangepassten Mafles Qti mit der in ti falligen NKA als Numeraire. Einsetzen in die Bewertungsgleichung ergibt fiir den Preis Caplett(ti, LC) Caplett(ti,LC) = B~( t i ) ~ Q t i
[ ~ t i - ,(ti-1,
ti) - LC] Bti (ti)
+
(ti - ti-I)
= ~t (ti)EQti [ [ ~ t , - ,(ti-1, ti) - LC] + (ti - ti-1)
I Ft / Z]
Nehmen wir nun an, dass die Volatilitat ys(tiWl,ti) des LIBOR-Satzeseine deterministische F'unktion von s , ti-1 und ti ist, so ist der Forward-LIBOR Lt,-l (ti-1, ti) unter Qtz lognormalverteilt, und es gilt
mit
S
EQt' [kl (ti-I, ti) I ~ LC
t
]
+
1 -2
2)
und
Nun kann man noch ausnutzen, dass der Forward-LIBORLt(ti-1, ti) unter Qt" ein Martingal ist. Dies ergibt schliefllich Caplett(ti, LC) = (ti - ti-1) Bt(ti) (Lt(tiWl,ti)N(d) - LcN(d - s)) mit
und dem Varianzausdruck
Dies ist gerade die Formel von Black (1976).
6.4 Das Swap Market-Model1
155
6.4 Das Swap Market-Model1 LIBORMarket-Modelle stellen den Forward-LIBOR an den Anfang. Analog hierzu gehen Swap Market-Modelle von der Swap Rate aus. Wie bereits das HJM-Model1 und auch die LIBORMarket-Modelle sind diese Modelle ebenfalls per Konstruktion zinsstrukturkonform. Wir beschreiben zunachst wiederum den Aufbau des Modells. Anschliefiend zeigen wir, dass bei der Annahme einer deterministischen Volatilitatsstruktur fiir die Swap Rates diese unter dem jeweils geeigneten Mafi lognormalverteilt sind, wodurch sich dann fur die Bewertung von Swaptions die Formel von Black (1976) ergibt.
6.4.1 Definition und Modellierung der Swap Rate
71 und bilden Sie den Grenzwert fiir t -. m. Richtig. Wie wurden Sie vorgehen, urn aus einem Forwardzins alle anderen Forwardzinsen zu berechnen? Im Allgemeinen gilt Futurespreis < Forwardpreis, d.h. Ht(Tl, T2) < Gt(T1, T2) Sonderfall: t = Tl oder TI = T2 oder af = 0, dann gilt Ht(Tl, T2) = Gt(T1, T2) i. Differenz wachsend in af ii. Differenz wachsend in Tl iii. Differenz wachsend in T Formel fur ft(t):
+
+
Varianz bei exponentiell gedampfter Volatilitat der Forwardzinsen:
Varianz bei konstanter Volatilitat der Forwardzinsen:
188
6 Zeitstetige Zinsmodelle
c) Richtig. Wie wurden Sie vorgehen, um aus einem Forwardzins alle anderen Forwardzinsen zu berechnen? d) Zustandsabhangig in der Formel fur f t ( r )ist der letzte Term:
Der zweite Term ist nur zustandsabhangig, hangt aber nicht von der Fristigkeit T ab. Der erste Term hangt von der F'ristigkeit T ab und ist um so kleiner, je grijfler T ist. La13 man in Gedanken den zweiten Term von -co bis +co durchlaufen, so ist die Auswirkung auf die Forwardzinsen mit kiirzester Fristigkeit am grofiten. (Tipp: Zeichnen Sie den ersten Term, dann kennen Sie den Einflui3 der Stochastik fur einen zweiten Term von eins. Zeichnen Sie dann exemplarisch die Forwardzinskurven fur Werte des zweiten Terms von -3, -2 - l , O , l , 2,3.) 4. a) Put auf NKA, siehe Vorgehen bei Call
6.7 Losungshinweise
189
rnit
e) 5. a) b) c) d) e) f) g) 6. a)
b)
c) d)
e)
Wert dieser Vereinbarung heute ist null Richtig. Falsch. Richtig. Falsch. Falsch. Falsch. Unter welchem Ma8 gilt diese Aussage? Falsch. Unter welchem Ma8 gilt diese Aussage? Der Preis der Option, normiert mit dern Geldmarktkonto, ist unter dern risikoneutralen Ma0 ein Ma.rtinga1. Daraus folgt, dass der Drift des Optionspreises unter dern risikoneutralen Ma0 der risikolose Zins ist. Die Volatilitat des Anleihepreises ist das Integral uber die Forwardzinsvolatilitaten. Geht die Restlaufzeit gegen null, dann geht die untere Integrationsgrenze gegen die obere Integrationsgrenze und die Anleihevolatilitat damit gegen null. Hinweis: Der Anleihepreis wird nicht direkt modelliert, sondern als Funktion der Forwardzinsen ausgedruckt. Nein. Unter dern risikoneutralen Ma0 gilt fur die gehandelten Wertpapiere (ohne zwischenzeitliche Zahlungen), dass ihr Drift gleich dern risikolosen Zins ist. Der Forwardzins ist kein gehandeltes Wertpapier. Anleihepreise miissen untereinander arbitragefrei sein. Dies wird sichergestellt durch die Einschrankung der Storfunktion
und damit durch eine Einschrankung der moglichen gemeinsamen Dynamik der Anleihepreise. f) Alle Gleichungen: Die ~ n d e r u des n ~ Forwardzinses uber die Zeit wird in einen (lokal) deterministischen Drift und in einen stochastischen Teil zerlegt. Letzterer ergibt sich aus der Volatilitat, multipliziert mit dern Inkrement des Wiener Prozesses. Erste Gleichung: Dynamik der Forwardzinsen unter dern Mafi P, Marktpreis des Risikos noch enthalten (warum?), Arbitragefreiheit erfullt (warum?) Zweite Gleichung: Dynamik der Forwardzinsen unter dern risikoneutralen Ma13, Marktpreis des Risikos nicht mehr enthalten (warum?) Dritte Gleichung: Dynamik der Forwardzinsen unter dern terminrisikoangepassten Ma0 mit Falligkeit des normierenden Bonds in T*, Marktpreis des Risikos nicht mehr enthalten (warum?)
190
6 Zeitstetige Zinsmodelle
Die Volatilitat ist unter allen drei MaBen gleich, nur der Drift unterscheidet sich. Dies ist eine allgemeine Eigenschaft von Modellen, die auf Wiener Prozessen basieren. g) Falsch. Hier muBte der risikoneutrale Erwartungswert stehen, nicht, der terminrisikoangepasste. h) Erste Gleichung: falsch, sie basiert auf einer falschen Rechnung.
=
f [exp
{- iT
f8(.)dS}
1.1
[c~i]
Das zweite Gleichheitszeichen ist nur dann richtig, wenn die beiden Faktoren in der ersten Zeile stochastisch unabhangig sind. Zweite Gleichung: richtig ~ b e r l e ~ eSie n sich weiterfiihrend, wann risikoneutrales und terminrisikoangepasstes Ma8 auf jeden Fall iibereinstimmen. 7. Ausgangspunkt ist das Verhalten von NKAs im Model1 von HJM
Die gesuchte Gleichung folgt dann mit Hilfe von It& Lemma aus der Definition des Forward-LIBOR. 8. Die Formel von Black beruht auf der Lognormalverteilung des ForwardLIBOR.Zwischen den Forward-LIBORSfur Anlageperioden von At und 2At gilt der folgende Zusammenhang:
Es ist nicht moglich, dass alle drei Forward-LIBOR-Satzelognormalverteilt sind. Damit kann die Formel von Black (1976) nicht fiir die Bewertung von beiden Caps gleichzeitig verwendet werden. 9. a) Durch die risikoneutrale Bewertungsgleichung (durch diese wird der Anleihepreis modellendogen bestimmt). ~ b e r ~ r u f Sie e n diese Aussage! b) Stichworte: Basiswertpapiere, Vollstandigkeit, Arbitragefreiheit und Marktpreis des Risikos c) Ja. d) Angabe des Short Rate-Modells unter dem risikoneutralen MaB; Bestimmung der modellendogenen Anleihepreise; Wahl einer dieser Anleihen als neuer Numeraire; Maflwechsel vom risikoneutralen Ma6 zum terminrisikoangepassten Ma0
6.7 Losungshinweise
191
e) Der Marktpreis des Risikos ist praferenzabhangig. Er muss vorgegeben werden, da die Menge der Basiswertpapiere (Geldmarktkonto) nicht ausreicht, um alle Derivate zu duplizieren. (Was heifit das? Denken Sie an die Aussage ,,Arbitrageorientierte Bewertung ist relative Bewertung" .) 10. a) Short Rate:
Der risikoneutrale Erwartungswert der Short Rate ist
und liegt iiber dem Forwardzins. 1st der Forwardzins beschrankt, dann geht der Erwartungswert gegen unendlich. Die Varianz der Short Rate ist a2t und geht mit wachsendem t ebenfalls gegen unendlich. Wie realistisch ist dieses Verhalten? b) i. Angabe der Stochastik der Short Rate; exogene Vorgabe des Marktpreises des Risikos; Angabe der Stochastik der Short Rate unter dem risikoneutralen Mafi; Bewertung der NKA (als Underlying) im Falligkeitszeitpunkt des Puts; Angabe der Zahlung des Puts im Falligkeitszeitpunkt; Bewertung des Puts durch die risikoneutrale Bewertungsgleichung. 1st der Preis des Puts vom Marktpreis des Risikos abhangig? Warum? ii. Angabe der Stochastik der Short Rate; Marktpreis des Risikos wird als deterministische Funktion der Zeit eingefiihrt, die noch zu bestimmen ist; Angabe der Stochastik der Short Rate unter dem risikoneutralen Mao; Kalibration des Modells anhand der exogen gegebenen Preise der NKAs; Bewertung des Underlyings NKA im Falligkeitszeitpunkt des Puts; Angabe der Zahlung des Puts im Falligkeitszeitpunkt; Bewertung des Puts durch die risikoneutrale Bewertungsgleichung 1st der Preis des Puts vom Marktpreis des Risikos abhangig? Warum? 11. a) Modellendogene Forwardzinskurve im Zeitpunkt t = 0:
Term (1) ist ein gewichteter Durchschnitt aus T O und 8 und entspricht gerade dem Erwartungswert der Short Rate:
192
6 Zeitstetige Zinsmodelle
E[TTI.&]
+
= eWKTrO (1 - e-nT)6'.
Der Forwardzins ist damit gleich der erwarteten Short Rate abzuglich einem von der Volatilitat abhangigen Term. i. fo(0) = ro (Warum ist dies zwingend?) a" ii. lim f o ( T ) = 6 ' - T+cc 2K2 iii. Tipp: Unterscheiden Sie unter anderem die Falle
>
O=ro < iv. Fallunterscheidung ,. a Fall 1: - < 0 - ro
und
a2
-
K2
7 6'-r,
+ Forwardzinskurve ist steigend
62,
a' Fall 2: - > 0 - ro + Forwardzinskurve ist steigend fiir T K2 TI und fallend fur T > TI mit