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German Pages 315 Year 2007
Katja Zboralski Wissensmanagement durch Communities of Practice
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Strategisches Kompetenz-Management Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Klaus Bellmann, Universität Mainz Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann, Universität Bremen Univ.-Prof. Dr. Jörg Freiling (geschäftsführend), Universität Bremen Univ.-Prof. Dr. Hans Georg Gemünden, Technische Universität Berlin Univ.-Prof. Dr. Peter Hammann (†), Universität Bochum Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber, Universität Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Thomas Mellewigt, Universität Paderborn Univ.-Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz, Technische Universität Ilmenau Univ.-Prof. Dr. Christoph Rasche Universität Potsdam Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Specht, Technische Universität Darmstadt Univ.-Prof. Dr. Erich Zahn, Universität Stuttgart
Der Resource-based View und – in enger Verbindung dazu – das Management von (Kern-)Kompetenzen haben in den vergangenen Jahren die Unternehmensführung nachhaltig beeinflusst. Wissenschaft und Praxis beteiligen sich gleichermaßen an Fragen der ressourcenorientierten Unternehmensführung und des Knowledge Managements. Die Schriftenreihe greift diese Entwicklung auf und schafft ein Forum für wissenschaftliche Beiträge und Diskussionen.
Katja Zboralski
Wissensmanagement durch Communities of Practice Eine empirische Untersuchung von Wissensnetzwerken
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Hans Georg Gemünden
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Berlin, 2006 D83
1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0695-9
V Geleitwort Die wachsende Bedeutung von wissensintensiven Produkten, Prozessen und Dienstleistungen sowie die zunehmende Dynamik in Märkten durch beschleunigte Technologieentwicklung, zunehmenden internationalen Wettbewerbsdruck sowie dem damit verbundenen Innovationsdruck erhöhen die Bedeutung des Produktionsfaktors „Wissen“ für die Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Entsprechend groß ist sowohl das praktische als auch wissenschaftliche Interesse an Wissensmanagement. Die Dissertation von Frau Zboralski behandelt ein spezifisches Instrument des Wissensmanagements, so genannte Communities of Practice (CoPs). Diese intraorganisationalen themenspezifischen Wissensnetzwerke sind in den letzten Jahren zunehmend diskutiert und eingesetzt worden. Dennoch ist bis dato kaum geklärt, welchen konkreten Nutzen CoPs der Unternehmenspraxis liefern (können) und welche Faktoren den Wissensaustausch in diesen Netzwerken beeinflussen. Auch die betriebswirtschaftlich orientierte Forschung zeigt in diesem Bereich einige Lücken: So sind beispielsweise existierende Arbeiten begrifflich inkonsistent und selten bzw. nicht ausreichend theoretisch fundiert. Ferner beruht die Forschung zum Wissensmanagement größtenteils auf konzeptionellen Arbeiten, die selten empirisch überprüft werden. Und wenn doch, dann stützt sie sich überwiegend auf Fallstudienanalysen, die Aussagen zur empirischen Evidenz nur bedingt zulassen. Ausgehend davon stellt sich Frau Zboralski der Herausforderung, den Forschungsgegenstand CoPs detailliert zu untersuchen und damit zum besseren Verständnis desselben beizutragen. Diese Aufgabe ist grundsätzlich von hoher betriebswirtschaftlicher und wissenschaftlicher Relevanz, originell sowie theoretisch und empirisch sehr anspruchsvoll. Auf der Grundlage einer ausführlichen Begriffsklärung analysiert Frau Zboralski zunächst in hervorragender Weise den Stand der bisher vorliegenden Forschung zu CoPs. Diese systematische Ausarbeitung bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung des eigenen konzeptionellen Bezugsrahmens. Unter Berücksichtigung relevanter Theorien, konzeptioneller Ansätze und empirischer Befunde sowohl der Wissensmanagementforschung als auch verwandter Forschungsbereiche (z.B. Teamforschung, soziale Netzwerke) erarbeitet Frau Zboralski ein Modell, das verschiedene Antezedenzen der Interaktion in CoPs berücksichtigt, explizit zwischen individuellen und organisationalen Effekten von CoPs unterscheidet und Interdependenzen der verschiedenen Outputgrößen modelliert. Die Arbeit von Frau Zboralski entstand aus der Kooperation des Lehrstuhls für Innovationsund Technologiemanagement der Technischen Universität Berlin mit der Siemens AG im Rahmen des Center für Wandel- und Wissensmanagement, das Frau Zboralski dreieinhalb Jahre leitete. Diese Zusammenarbeit ermöglichte es, eine große Anzahl von CoPs empirisch zu erheben. Mit der umfangreichen Datenbasis (N=222), der Verwendung von formativen und
VI
Geleitwort
reflektiven Messmodellen sowie der pfadanalytischen Überprüfung des Gesamtmodells geht Frau Zboralski methodisch neue Wege für die empirische Forschung im Wissensmanagement. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass CoPs für die Entwicklung, den Austausch und die Anwendung betrieblich werthaltigen Wissens von großer Bedeutung sind. Zum einen können sie erhebliche Kosten- und Erlösvorteile für das Unternehmen schaffen: CoPs verbessern die Zusammenarbeit der Organisationsmitglieder und fördern damit den Aufbau und die Pflege von kollektivem sozialen Kapital. Sie unterstützen individuelle und kollektive Lernprozesse, erhöhen die organisationale Wissensbasis und beeinflussen damit letztendlich die Leistungserbringung einer Organisation. Zum anderen bringen sie auch den Individuen, die sich in den Communities engagieren, erhebliche berufliche Vorteile, z.B. neue Kompetenzen, eine bessere Arbeitsleistung oder eine verbesserte Position bzw. Reputation im Unternehmen. Des Weiteren belegen die Ergebnisse die Bedeutung einer aktiven Managementunterstützung, der Rolle des Community-Brokers sowie einer qualitativ hochwertigen Interaktion in der CoP. Diese Erkenntnisse erlauben es Frau Zboralski, der Praxis des Wissensmanagements empirisch erhärtete Hinweise auf die geeignete Unterstützung von CoPs zu geben. Ferner kann sie interessante Ansatzpunkte für die weitere Forschung ableiten. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Frau Zboralski mit ihrer Arbeit sowohl praktisch als auch wissenschaftlich höchst relevante und interessante Forschungsfragen identifiziert und beantwortet. Sie legt eine Arbeit vor, die theoretisch und methodisch sehr anspruchsvoll ist. Dies gilt auf theoretischer Ebene besonders für die sehr umfangreiche und höchst kompetent integrierte Literaturverarbeitung zur Ableitung des in sich schlüssigen konzeptionellen Bezugsrahmens, der deutlich über den bisherigen Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung zu CoPs hinausgeht. Auf methodischer Ebene sind die Entwicklung valider und reliabler Skalen sowie die anspruchsvolle und sorgfältige empirische Prüfung des komplexen Hypothesengebäudes hervorzuheben. Die vorliegende Arbeit erfüllt damit alle Anforderungen an „relevance and rigourness“. Meines Wissens handelt es sich um eine der ganz wenigen quantitativen empirischen hypothesengeleiteten Untersuchungen auf diesem Gebiet. Insofern kann von einem Meilenstein gesprochen werden. Hans Georg Gemünden
VII Vorwort Das Gelingen des Projektes „Promotion“ hängt nicht nur vom eigenen Wollen und Können ab. Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen Mitgliedern meiner beruflichen und privaten Communities danken, ohne die dieses Projekt nicht so erfolgreich zum Abschluss gekommen wäre. Mein großer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Hans Georg Gemünden für die Betreuung meiner Doktorarbeit. Seine fachliche Unterstützung, seine wertvollen Anregungen und Ratschläge sowie sein Vertrauen in mich haben wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Prof. Dr. Sören Salomo, Zweitgutachter, Kollege und Freund, sage ich Dank nicht nur für die fortwährende fachliche, sondern auch persönliche Unterstützung. Auch wenn mich sein wiederholtes Nachfragen, wann ich endlich fertig sei, in einigen Momenten fast zur Verzweiflung gebracht hat (in der Realität schrieben sich einige Abschnitte nicht „einfach so runter“), so waren die Gespräche mit ihm doch immer hilfreich und motivierend. Ein Grundstein für diese Arbeit wurde durch die Kooperation mit der Siemens AG im Rahmen des Centers für Wandel- und Wissensmanagement gelegt. Neben den Mitgliedern der verschiedenen Communities of Practice möchte ich vor allem Dr. Josef Hofer-Alfeis, Jaakko Johannsen, Günther Klementz, Daniel Koch sowie Dirk Ramhorst danken. Ihr Engagement und ihre Unterstützung ermöglichten mir zum einen wichtige Einblicke in die Unternehmenspraxis, zum anderen waren sie die Grundlage für die Durchführung der empirischen Untersuchung. Bei allen ehemaligen und jetzigen Kollegen sowie Mitarbeitern des Lehrstuhls, die mich in den vergangenen Jahren ein Stück des Weges begleitet haben, möchte ich mich ganz herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit, die konstruktiven Diskussionen und die schöne gemeinsame Zeit bedanken. Mein besonderer Dank gebührt Fee Steinhoff. Durch die vielen gemeinsam verbrachten Arbeitsstunden wurde aus der Kollegin eine Freundin, die sich jederzeit meinen Fragen, Ideen und Zweifeln – ob fachlicher oder privater Natur – stellte. Sie arbeitete sich akribisch durch mein Manuskript, hinterfragte kritisch meine Argumente und machte wertvolle Korrekturvorschläge. Claudia Trott und meiner Mutter gelten ebenfalls mein großer Dank und Respekt, dass sie die immense Arbeit des Korrekturlesens auf sich genommen haben und mit ihren Anregungen und ihrer Sorgfalt einen wertvollen Beitrag zur Fertigstellung dieser Arbeit leisteten. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an Familie Heidenhain, deren traumhaftes Domizil in Wustrow (Müritz) für einige Wochen zum „Dissertationscamp“ wurde. Mitten in der Natur, fern aller Ablenkungen konnten Robert Knack, Fee Steinhoff und ich diskutieren, philosophieren und, nicht zu vergessen, schreiben, schreiben, schreiben. Es war eine tolle Zeit!
VIII
Vorwort
Dass ich die vielfältigen Herausforderungen, die mit einer Promotion verbunden sind, letztendlich meistern konnte, ist auch meiner Familie und meinen Freunden zu verdanken: Aus ganzem Herzen danke ich meinen Eltern Anke und Horst, meinem Bruder Henry sowie meinen Freunden – nah und fern – für ihre liebevolle und uneingeschränkte Unterstützung. Sie begleiteten mich auf diesem nicht immer leichten Weg und sorgten mit Optimismus, Humor und Einfallsreichtum, mit Worten und Taten auch dafür, dass ich nie vergaß, dass es neben Artikeln, Büchern und Laptop noch viele Dinge gibt, die das Leben so lebenswert machen. Katja Zboralski
IX Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... XI Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ ... XV Tabellenverzeichnis..............................................................................................................XVII Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XIX
1
Einführung.................................................................................................................... 1 1.1 1.2
2
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit.............................................................. 1 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit ............................................................. 8 Grundlagen der Untersuchung ................................................................................. 13
2.1 2.2 2.3 3
Theoretische Bezugspunkte...................................................................................... 13 Communities of Practice .......................................................................................... 25 Zusammenfassung.................................................................................................... 59 Stand der Community of Practice-Forschung......................................................... 61
3.1 3.2 3.3 4
Ursprünge der Community of Practice-Forschung .................................................. 61 Communities of Practice in der betriebswirtschaftlichen Forschung....................... 65 Zusammenfassung.................................................................................................... 81 Theoretischer Bezugsrahmen der Untersuchung.................................................... 83
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5
Generisches Modell einer Community of Practice .................................................. 83 Interaktionsprozesse in Communities of Practice .................................................... 85 Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse ............................................................... 96 Ergebnisse von Communities of Practice............................................................... 108 Bezugsrahmen der Untersuchung........................................................................... 180 Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung......................... 185
5.1 5.2 5.3 6
Methodische Grundlagen ....................................................................................... 185 Untersuchungsdesign ............................................................................................. 207 Operationalisierung und Validierung der Konstrukte des Bezugsrahmens ........... 215 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ........................................................... 233
6.1 6.2 6.3 6.4 7
Inhaltliche Diskussion der formativen Messmodelle ............................................. 233 Ausgewählte deskriptive Befunde.......................................................................... 235 Überprüfung der Hypothesen und Diskussion der Ergebnisse............................... 241 Zusammenfassung und kritische Würdigung der Ergebnisse ................................ 252 Zusammenfassung und Implikationen ................................................................... 255
7.1 7.2
Zusammenfassende Darstellung wesentlicher Erkenntnisse der Arbeit ................ 255 Implikationen der Arbeit ........................................................................................ 259
Literaturverzeichnis............................................................................................................. 269
XI Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ ... XV Tabellenverzeichnis..............................................................................................................XVII Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XIX
1
Einführung.................................................................................................................... 1 1.1 1.2
2
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit.............................................................. 1 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit ............................................................. 8 Grundlagen der Untersuchung ................................................................................. 13
2.1
Theoretische Bezugspunkte...................................................................................... 13 2.1.1 Der Wissensbegriff........................................................................................... 13 2.1.2 Wissen als Ressource ....................................................................................... 17 2.1.3 Wissensmanagement ........................................................................................ 22 2.2 Communities of Practice .......................................................................................... 25 2.2.1 Begriffsbestimmung ......................................................................................... 25 2.2.2 Merkmale von Communities of Practice.......................................................... 30 2.2.2.1 Grundlegende Prämissen...................................................................... 30 2.2.2.2 Communities of Practice als soziale Netzwerke .................................. 32 2.2.2.3 Communities of Practice als soziale Gruppe........................................ 40 2.2.2.4 Management von Communities of Practice ......................................... 45 2.2.3 Abgrenzung von Communities of Practice ...................................................... 46 2.2.3.1 Abgrenzung zu anderen Arten von Gemeinschaften............................ 46 2.2.3.2 Abgrenzung zu anderen Organisationseinheiten.................................. 51 2.3 Zusammenfassung.................................................................................................... 59 3
Stand der Community of Practice-Forschung......................................................... 61 3.1 3.2
Ursprünge der Community of Practice-Forschung .................................................. 61 Communities of Practice in der betriebswirtschaftlichen Forschung....................... 65 3.2.1 Überblick zu konzeptionellen Beiträgen .......................................................... 65 3.2.2 Synopse empirischer Studien ........................................................................... 67 3.2.2.1 Darstellung relevanter Studien ............................................................. 67 3.2.2.2 Analyse und kritische Würdigung........................................................ 76 3.3 Zusammenfassung.................................................................................................... 81 4
Theoretischer Bezugsrahmen der Untersuchung.................................................... 83 4.1 4.2
Generisches Modell einer Community of Practice .................................................. 83 Interaktionsprozesse in Communities of Practice .................................................... 85 4.2.1 Kommunikation als Basis der Interaktionsprozesse......................................... 85 4.2.2 Relevante Charakteristika der Interaktionsprozesse ........................................ 87
XII
Inhaltsverzeichnis 4.2.3
Konzeptualisierung und Wirkungszusammenhänge der Charakteristika......... 89 4.2.3.1 Vertrauen.............................................................................................. 89 4.2.3.2 Kohäsion............................................................................................... 92 4.2.3.3 Kommunikationsklima ......................................................................... 93 4.2.3.4 Interaktionshäufigkeit........................................................................... 94 4.2.4 Zusammenfassung und Implikationen für den Bezugsrahmen ........................ 95 4.3 Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse ............................................................... 96 4.3.1 Relevante Einflussfaktoren .............................................................................. 96 4.3.2 Konzeptualisierung und Wirkung der Einflussfaktoren................................... 99 4.3.2.1 Individuelle Motivation der Mitglieder................................................ 99 4.3.2.2 Aufgabenerfüllung des Community-Brokers ..................................... 103 4.3.2.3 Managementunterstützung ................................................................. 105 4.3.3 Zusammenfassung und Implikationen für den Bezugsrahmen ...................... 107 4.4 Ergebnisse von Communities of Practice............................................................... 108 4.4.1 Problematik der Erfolgsmessung ................................................................... 108 4.4.2 Theoriebasierte Ableitung relevanter Ergebnisdimensionen von CoPs ......... 112 4.4.2.1 Konzept des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses ..................... 112 4.4.2.2 Lerntheorien ....................................................................................... 116 4.4.2.3 Theorie des sozialen Kapitals............................................................. 128 4.4.2.4 Theorie der Stärke schwacher Beziehungen ...................................... 131 4.4.2.5 Theorie der sozialen Identität............................................................. 134 4.4.2.6 Zusammenfassende Darstellung......................................................... 137 4.4.3 Konzeptualisierung und Wirkungszusammenhänge der Ergebnisdimensionen ..................................................................................... 138 4.4.3.1 Individuelle Ebene.............................................................................. 138 4.4.3.1.1 Individueller Nutzen............................................................ 139 4.4.3.1.2 Netzwerkposition ................................................................ 149 4.4.3.1.3 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten ...................... 151 4.4.3.2 Organisationale Ebene........................................................................ 155 4.4.3.2.1 Organisationale Wissensbasis ............................................. 156 4.4.3.2.2 Organisationale Leistung..................................................... 162 4.4.3.2.3 Kooperationspotential ......................................................... 174 4.4.3.2.4 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten ...................... 175 4.4.4 Zusammenfassung und Implikationen für den Bezugsrahmen ...................... 178 4.5 Bezugsrahmen der Untersuchung........................................................................... 180 4.5.1 Zusammenfassung der Konzeptualisierung der Konstrukte........................... 180 4.5.2 Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung ....................................... 181 5
Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung......................... 185 5.1
Methodische Grundlagen ....................................................................................... 185 5.1.1 Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen........................................ 185 5.1.1.1 Wesentliche Merkmale....................................................................... 185 5.1.1.2 Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mit PLS........................ 191
Inhaltsverzeichnis
XIII
5.1.2
Grundlagen der Datenanalyse ........................................................................ 194 5.1.2.1 Vorbereitung der Datenanalyse.......................................................... 194 5.1.2.2 Validierung der Messmodelle ............................................................ 195 5.1.2.2.1 Validierung reflektiver Messmodelle.................................. 195 5.1.2.2.2 Validierung formativer Messmodelle.................................. 198 5.1.2.3 Beurteilung des Strukturmodells........................................................ 203 5.2 Untersuchungsdesign ............................................................................................. 207 5.2.1 Untersuchungsgegenstand.............................................................................. 207 5.2.2 Datenerhebung ............................................................................................... 208 5.2.3 Beschreibung der Stichprobe ......................................................................... 213 5.3 Operationalisierung und Validierung der Konstrukte des Bezugsrahmens ........... 215 5.3.1 Grundlegendes zur Operationalisierung und Validierung.............................. 215 5.3.2 Charakteristika der Interaktionsprozesse ....................................................... 218 5.3.2.1 Community-Interaktionsqualität ........................................................ 218 5.3.2.2 Interaktionshäufigkeit......................................................................... 222 5.3.3 Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse ..................................................... 223 5.3.3.1 Individuelle Motivation der Mitglieder.............................................. 223 5.3.3.2 Aufgabenerfüllung des Community-Brokers ..................................... 224 5.3.3.3 Managementunterstützung ................................................................. 225 5.3.4 Ergebnisdimensionen ..................................................................................... 225 5.3.4.1 Individueller Nutzen........................................................................... 225 5.3.4.2 Netzwerkposition ............................................................................... 227 5.3.4.3 Organisationale Wissensbasis ............................................................ 228 5.3.4.4 Organisationale Leistung.................................................................... 228 5.3.4.5 Kooperationspotential ........................................................................ 229 6
Ergebnisse der empirischen Untersuchung ........................................................... 233 6.1 6.2 6.3
Inhaltliche Diskussion der formativen Messmodelle ............................................. 233 Ausgewählte deskriptive Befunde.......................................................................... 235 Überprüfung der Hypothesen und Diskussion der Ergebnisse............................... 241 6.3.1 Ergebnisse des Strukturmodells ..................................................................... 241 6.3.2 Effekte der Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse................................... 246 6.3.3 Effekte der Charakteristika der Interaktionsprozesse..................................... 248 6.3.4 Effekte der Ergebnisse der individuellen Ebene ............................................ 249 6.4 Zusammenfassung und kritische Würdigung der Ergebnisse ................................ 252 7
Zusammenfassung und Implikationen ................................................................... 255 7.1 7.2
Zusammenfassende Darstellung wesentlicher Erkenntnisse der Arbeit ................ 255 Implikationen der Arbeit ........................................................................................ 259 7.2.1 Implikationen für die Forschung .................................................................... 259 7.2.2 Implikationen für die Unternehmenspraxis.................................................... 264
Literaturverzeichnis............................................................................................................. 269
XV Abbildungsverzeichnis: Abb. 1-1:
Aufbau der Arbeit................................................................................................. 11
Abb. 2-1:
Taxonomie des Wissens ....................................................................................... 17
Abb. 2-2:
Lebensphasen einer CoP ...................................................................................... 38
Abb. 2-3:
Klassifizierung von Gemeinschaften ................................................................... 50
Abb. 2-4:
Einordnung von CoPs in die formale Struktur eines Unternehmens.................... 53
Abb. 4-1:
Generisches Modell einer CoP ............................................................................. 85
Abb. 4-2:
Charakteristika der Interaktionsprozesse.............................................................. 96
Abb. 4-3:
Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse.......................................................... 108
Abb. 4-4:
Ergebnisse der Interaktionsprozesse .................................................................. 179
Abb. 4-5:
Bezugsrahmen der Untersuchung....................................................................... 182
Abb. 5-1:
Darstellung eines Strukturgleichungsmodells .................................................... 188
Abb. 5-2:
Der PLS-Schätzalgorithmus ............................................................................... 193
Abb. 6-1:
Zusammensetzung der CoPs .............................................................................. 236
Abb. 6-2:
Netzwerk der CoPs............................................................................................. 237
Abb. 6-3:
Unterstützung der Interaktionsprozesse durch den Broker ................................ 238
Abb. 6-4:
Nutzung der Kommunikationsinstrumente ........................................................ 239
Abb. 6-5:
Wissensstand sowie Zeiteinsatz der Mitglieder ................................................. 240
Abb. 6-6:
Erfolgseinschätzungen der Community-Mitglieder ........................................... 241
Abb. 6-7:
Zukünftiges Engagement der Mitglieder............................................................ 241
Abb. 6-8: Ergebnisse der Strukturmodellschätzung im Bezugsrahmen der Untersuchung ...................................................................................................... 246
XVII
Tabellenverzeichnis: Tab. 2-1:
Beispielhafte Definitionen und Beschreibungen des Begriffs Community of
Tab. 2-2:
Verschiedene Konzepte von Gemeinschaften..................................................... 48
Practice ................................................................................................................ 28
Tab. 2-3:
Übersicht zu verschiedenen Abgrenzungen von CoPs zu anderen Organisationseinheiten ........................................................................................ 55
Tab. 2-4:
Abgrenzung von CoPs zu anderen Organisationseinheiten ................................ 57
Tab. 3-1:
Übersicht zu qualitativen CoP-Studien ............................................................... 74
Tab. 3-2:
Übersicht zu quantitativen CoP-Studien ............................................................. 76
Tab. 4-1:
Theoriebasierte Ableitung der Ergebnis-Konstrukte......................................... 138
Tab. 4-2:
Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene – Individueller Nutzen ............................................................................................................... 143
Tab. 4-3:
Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene – Netzwerkposition ..... 151
Tab. 4-4:
Auswirkungen von CoPs auf der organisationalen Ebene – Organisationale Wissensbasis...................................................................................................... 160
Tab. 4-5:
Auswirkungen von CoPs auf der organisationalen Ebene – Organisationale Leistung............................................................................................................. 169
Tab. 4-6:
Konzeptualisierung der Konstrukte des Bezugsrahmens .................................. 180
Tab. 4-7:
Hypothesen der Untersuchung .......................................................................... 183
Tab. 5-1:
Kriterien zur Beurteilung reflektiver Messmodelle .......................................... 198
Tab. 5-2:
Kriterien zur Beurteilung formativer Messmodelle .......................................... 203
Tab. 5-3:
Gütemaße zur Beurteilung des Strukturmodells ............................................... 207
Tab. 5-4:
Deskriptive Angaben zur Stichprobe ................................................................ 215
Tab. 5-5:
Messmodell des Konstruktes Community-Interaktionsqualität ........................ 218
Tab. 5-6:
Validierung der Indikatoren des Konstruktes Community-Interaktionsqualität............................................................................................................... 219
Tab. 5-7:
Gewichte, t-Werte, bivariate Korrelationen, VIF der Indikatoren des Konstruktes Community-Interaktionsqualität ................................................... 220
Tab. 5-8:
KI und Varianzanteile für das Konstrukt Community-Interaktionsqualität...... 221
Tab. 5-9:
Externe Validität des Konstruktes Community-Interaktionsqualität ................ 221
Tab. 5-10:
Messmodell und Gütemaße des Konstruktes Interaktionshäufigkeit................ 222
Tab. 5-11:
Messmodell des Konstruktes Motivation.......................................................... 223
Tab. 5-12:
Gütemaße des Konstruktes Motivation ............................................................. 224
Tab. 5-13:
Messmodell und Gütemaße des Konstruktes Broker ........................................ 224
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tab. 5-14:
Messmodell des Konstruktes Managementunterstützung ................................. 225
Tab. 5-15:
Gütemaße des Konstruktes Managementunterstützung .................................... 225
Tab. 5-16:
Messmodell des Konstruktes individueller Nutzen........................................... 226
Tab. 5-17:
Gütemaße des Konstruktes individueller Nutzen.............................................. 226
Tab. 5-18:
Messmodell des Konstruktes Netzwerkposition ............................................... 227
Tab. 5-19:
Gütemaße des Konstruktes Netzwerkposition .................................................. 227
Tab. 5-20:
Messmodell des Konstruktes organisationale Wissensbasis............................. 228
Tab. 5-21:
Gütemaße des Konstruktes organisationale Wissensbasis ................................ 228
Tab. 5-22:
Messmodell des Konstruktes organisationale Leistung .................................... 229
Tab. 5-23:
Gütemaße des Konstruktes organisationale Leistung ....................................... 229
Tab. 5-24:
Messmodell des Konstruktes Kooperationspotential ........................................ 229
Tab. 5-25:
Gütemaße des Konstruktes Kooperationspotential ........................................... 230
Tab. 5-26:
Konstruktvalidität der reflektiven Konstrukte................................................... 230
Tab. 6-1:
Quantitative Ergebnisse der CoPs ..................................................................... 238
Tab. 6-2:
Bestimmtheitsmaße der endogenen Variablen.................................................. 242
Tab. 6-3:
Einflussstärke der latenten exogenen Variablen ............................................... 243
Tab. 6-4:
Parameterschätzung des Strukturmodells.......................................................... 244
Tab. 6-5:
Ergebnisse der Hypothesenprüfung .................................................................. 245
Tab. 6-6:
Zusammenfassung der Hypothesenprüfung ...................................................... 252
XIX Abkürzungsverzeichnis: Abb. ACM A.d.A. AG a.M. AMOS APQC ARIS AVA AVE B2B B2C bzgl. bzw. ca. CA CoP(s) DC d.h. EFA EQS et al. etc. EUR e.V. f. ff. F&E H.i.O. H.d.A. Hrsg. IEEE i.d.R. i.e.S. IT IuK i.w.S. k.A. KM KM4D
Abbildung Association for Computing Machinery Anmerkung der Autorin Aktiengesellschaft am Main Analysis of Moment Structures (Software) American Productivity & Quality Center Architektur integrierter Informationssysteme Average Aariance Accounted for Average Variance Extracted Business-to-Business Business-to-Customer bezüglich beziehungsweise circa California Community(ies) of Practice District of Columbia das heißt explorative Faktorenanalyse Equations Modeling System (Software) et alii (und andere) et cetera (und das Übrige) Euro eingetragener Verein folgend fortfolgend Forschung und Entwicklung Hervorhebung im Original Hervorhebung der Autorin Herausgeber Institute of Electrical and Electronic Engineers in der Regel im engeren Sinne Informationstechnologie(n) Information und Kommunikation im weiteren Sinne keine Angabe Knowledge Management Knowledge Management for Development
XX LISREL MA MI MIMIC MIT MNC Mrd. NJ NoP(s) n.s. o.g. OL PA PLS R&D S. SNA SPSS Std. Tab. TX u.a. UK VCoP(s) vgl. VIF vs. z.B. z.n. z.T.
Abkürzungsverzeichnis Linear Structural Relation (Software) Massachussetts Michigan Multiple indicators and multiple causes Massachussetts Institute of Technology Multinational Corporation Milliarden New Jersey Network(s) of Practice nicht signifikant oben genannte Organizational Lerning Pennsylvania Partial Least Square Research and Development Seite Soziale Netzwerkanalyse Statistical Product and Service Solution (Software) Stunde(n) Tabelle Texas und andere; unter anderem United Kingdom Virtuelle Community(ies) of Practice vergleiche Variance Inflation Factor versus zum Beispiel zitiert nach zum Teil
1
1
Einführung
„Wissen ist Tat. Wissen ist Erlebnis. Es beharrt nicht. Seine Dauer heißt Augenblick.“1
1.1
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Wissen ist zum entscheidenden Produktionsfaktor geworden. Der langfristige Erfolg von Unternehmen hängt immer stärker davon ab, inwiefern diese in der Lage sind, Wissen zu generieren, intern zu transferieren und zu integrieren.2 Demzufolge haben vor allem multinational agierende Unternehmen bzw. Unternehmen aus wissensintensiven Branchen in ihren Organisationen Wissensmanagementsysteme eingeführt.3 So genannte Communities of Practice (CoPs), intraorganisationale themenspezifische Wissensnetzwerke, sind in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund des Interesses gerückt. „Not so long ago, companies were reinvented by teams. Communities of practice may reinvent them yet again […]”4, proklamierten WENGER/SNYDER. Mittlerweile ist die erste Euphorie einer gewissen Ernüchterung gewichen. Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den in CoPs gesetzten Erwartungen und der konkreten Umsetzung in der Unternehmenspraxis.5 Zudem mangelt es an einer wissenschaftlichen Durchdringung des Themas.6 Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser Problematik und soll zur Klärung folgender Fragen beitragen: Was sind CoPs und was kennzeichnet CoPs in Unternehmen überhaupt? Welche Faktoren beeinflussen die Prozesse in CoPs? Worauf gründet sich das Potential von CoPs und welche konkreten Auswirkungen können CoPs haben? Auslöser für die enorme Popularität von CoPs ist das Zusammenwirken verschiedener Entwicklungen bzw. Trends.7 In Folge sinkender Transportkosten, der Verbesserung der Kommunikationsmittel, Zollsenkungen, der Abschaffung der Kapitalverkehrskontrollen, der Schaffung von Freihandelszonen etc. verschwinden zunehmend Markteintrittsbarrieren und eine Vielzahl von Unternehmen versucht, auf weltweiten Märkten Fuß zu fassen. Damit geht eine umfassende Neuausrichtung von Wettbewerbsstrategien und Wertschöpfungsprinzipien 1 2 3
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HESSE z.n. Michels (1980), S. 109. Vgl. Grant (1996a), S. 380; Gupta/Govindarajan (2000), S. 473; von Krogh/Köhne (1998), S. 235. Vgl. Edmundson (2001); von Krogh/Venzin (1995), S. 418; Welge/Holtbrügge (2000), S. 769ff; Zack (1999), S. 125f. Wenger/Snyder (2000b), S. 139. Vgl. Henschel (2001), S. 6; North et al. (2004), S. 10. Vgl. Hislop (2003a), S. 165; Teigland (2003), S. 2ff. Vgl. für die nachfolgenden Ausführungen auch die Diskussion bei Al-Laham (2003), S. 1ff; Maier (2002), S. 1ff; North (1999), S. 14ff.
2
Einleitung
einher. Eine Globalisierung bzw. Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit ist die Folge. Durch die wachsende Anzahl von Anbietern auf einem Markt verschärft sich der Wettbewerb. Zudem gibt es in wichtigen Marktsegmenten, z.B. bei klassischen Massenkonsumgütern, Sättigungserscheinungen. Folglich stehen die Unternehmen heutzutage unter einem enormen Innovations-, Kostensenkungs- und Zeitdruck: immer spezialisiertere, komplexere Produkte müssen in immer kürzeren Abständen zu günstigen Preisen auf den Markt gebracht werden.8 Des Weiteren verschiebt sich die Relevanz der Wirtschaftssektoren: Waren vor 100 Jahren noch über 80% aller Erwerbstätigen in den Industrieländern mit der Gewinnung von Rohstoffen oder der Produktion von Waren beschäftigt, werden es im Jahr 2020 nur noch 15% sein, d.h. die überwiegende Mehrheit der Erwerbstätigen ist als Service- oder Wissensarbeiter im so genannten tertiären Sektor tätig.9 Die postindustrielle Gesellschaft wandelt sich zu einer Wissensgesellschaft, die durch eine quantitative Wissensexplosion, eine drastisch verkürzte Halbwertzeit des Wissens, eine wachsende Wissensfragmentierung und -spezialisierung charakterisiert ist. Die wesentliche Fähigkeit, auf die es in dieser Wissensgesellschaft ankommt, ist die Fähigkeit zu lernen, d.h. sich neues Wissen und Fertigkeiten anzueignen.10 Die traditionellen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden, Kapital haben an Bedeutung verloren und in zunehmendem Maße wird Wissen – als vierter Produktionsfaktor – dominierendes Differenzierungskriterium im Wettbewerb.11 Die Dynamik des Wandels wird durch den sich immer schneller entwickelnden technischen Fortschritt beschleunigt. Beispielsweise haben technologische Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) die Voraussetzungen dafür geschaffen, Wissen über Organisationseinheiten, Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg zu transferieren und einzelne Wissensinseln (so genannte „pockets of innovation“12) zu verknüpfen.13 Relevante Informationen und Wissen können mit immer höherer Geschwindigkeit und bei relativ niedrigen Kosten verteilt werden.14 Neue Technologien können variabel eingesetzt werden, was zu einer Veränderung der Arbeitsorganisation führt.15 Verschiedene technologische Entwicklungen ermöglichen eine bislang unbekannte Mobilität von Arbeitskräften. Der gesellschaftliche Strukturwandel, der mit diesen Entwicklungen einhergeht,
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So sagte WEBER „Wir leben in einer Ökonomie der Ideen.“ (z.n. Botkin (2000), S. 7). Vgl. zum Abschnitt die Ausführungen bei Lindenthal (2001), S. 14ff sowie ausführlich Altvater/Mahnkopf (2004). Vgl. MCKINSEY z.n. Aschenbrenner (2004), S. 65. Siehe auch Drucker (1993), S. 119. Vgl. Hedberg (1981); Henschel (2001), S. 2f; Senge (1990). Vgl. Drucker (1993), S. 69; Pawlowsky (1994), S. 6. van Baalen et al. (2005), S. 301. Vgl. Gold et al. (2001), S. 187 sowie Sawhney/Prandelli (2000), S. 26f. „Physical distances are often becoming less relevant than cognitive distances.” (ebenda, S. 26). Vgl. z.B. Maier (2002), S. 5 sowie Picot et al. (2001); Townsend et al. (1998); Tuomi (2002). Vgl. Pawlowsky (1994), S. 8f.
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führt dazu, dass sich die Unternehmenswelt in den letzten zwei Jahrzehnten radikal verändert hat.16 Von diesen Tatsachen ausgehend wird der Forschungsbedarf aus Sicht von Praxis und Wissenschaft herausgearbeitet. In einer Umwelt, die durch Komplexität und Dynamik gekennzeichnet ist und in der nur die Unsicherheit sicher ist, bildet Wissen die einzige Quelle für einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil von Unternehmen.17 Wissen trägt zur Reduzierung von Unsicherheit bei. Wissen, im Sinne der Fähigkeit zur Informationsverarbeitung und Problemlösung, ist demnach die zentrale Kompetenz von Unternehmen und ihren Mitgliedern.18 Interpersonale Arbeitsteilung bzw. Funktionsdifferenzierung, aber auch klassische hierarchische Strukturen sorgen jedoch für Kommunikationsschwierigkeiten.19 Darüber hinaus geht mit zunehmender Dezentralisierung von Unternehmen und damit zueinander in Konkurrenz stehenden Einheiten eine Tendenz der Abschottung einher.20 Dies erschwert die unternehmensweite Nutzung von vorhandenen Kernkompetenzen, den Erfahrungsaustausch und die Kooperation zwischen den Mitarbeitern. Wie lässt sich also der Umgang mit der Ressource Wissen optimieren? Zur Bewältigung der Herausforderung nutzen Unternehmen zunehmend das Konzept Wissensmanagement. Wissensmanagement ist dabei als Sammelbegriff für eine Vielzahl an Konzepten, Ansätzen, Instrumenten und verschiedenen Maßnahmen zu verstehen.21 CoPs waren nicht von Beginn an im Fokus des Wissensmanagements. Zunächst waren Wissensmanagementinitiativen vor allem technologieorientiert.22 Das bedeutet, Unternehmen führten IT-basierte Wissensmanagementlösungen ein (z.B. Intranet, Datenbanken, Dokumentenmanagementsysteme etc.), um den Wissensfluss im Unternehmen zu unterstützen, Wissen auf organisationaler Ebene zu bewahren, zu nutzen und zu entwickeln.23 Die rasche und einfache Verfügbarkeit von Wissen war damit aufgrund der technischen Entwicklungen theoretisch unternehmensweit möglich. Wie sich jedoch in der Praxis zeigte, waren oftmals „Datenfriedhöfe“, unnötige Ausgaben für eine wenig genutzte technische Infrastruktur mit einem enormen administrativen Verwaltungsaufwand, frustrierte Mitarbeiter und eine Ernüchterung bezüglich Wissensmanagement das Ergebnis vieler dieser Initiativen.24 Allein mit technischen
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Vgl. zu diesen Entwicklungen die Diskussion bei Drucker (1986), S. 779; Pawlowsky (1994), S. 3ff. Vgl. Nonaka (1991), S. 96; Sawhney/Prandelli (2000), S. 26. Vgl. u.a. Conner/Prahalad (1996), S. 477ff; Grant (1996a), S. 375; Kogut/Zander (1996), S. 503; Pawlowsky (1994), S. 14ff; Prahalad/Hamel (1990), S. 79ff. Vgl. Brass et al. (2004), S. 796; Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 156; von Krogh/Wicki (2001), S. 270. Das Phänomen, dass einzelne Einheiten in einer Organisation kooperieren und gleichzeitig in Konkurrenz miteinander stehen, wird unter dem Stichwort Koopetition zusammengefasst. Vgl. Tsai (2002), S. 180. Vgl. Al-Laham (2003), S. 45ff; Amelingmeyer (2004), S. 7; von Krogh/Venzin (1995), S. 423f. Vgl. zur Entwicklung des Wissensmanagements McElroy (2003). Vgl. Swan et al. (1999), S. 265; Zack (1999), S. 125f. Vgl. z.B. Al-Laham (2003), S. 3f; Romhardt (2002), S. 13ff.
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Einleitung
Lösungen konnten die Barrieren, die den Wissensfluss behinderten, nicht überwunden werden.25 CoPs können als „Keimzellen lebendigen Wissensmanagements“26 ein Lösungsansatz sein.27 Sie rücken als themenspezifische soziale Netzwerke28 den Wissensträger Mensch in den Mittelpunkt des Interesses. Lernen als ein sozialer, d.h. kollaborativer sowie kommunikativer Prozess und Arbeiten werden miteinander kombiniert. Das stellt einen Schlüssel zum Erfolg im Umgang mit Wissen dar.29 Darüber hinaus kann durch die sowohl horizontale als auch vertikale Vernetzung von Organisationsmitgliedern das in den verschiedenen Bereichen bzw. Regionen vorhandene individuelle und kollektive Wissen effizienter und effektiver eingesetzt werden.30 Kurzum verbindet die Unternehmenspraxis mit CoPs31 die Hoffnung „[…] to build, share, and apply the deep levels of competence required to compete in a „knowledge-based“ … global economy.“32 Obwohl sich CoPs in den letzten Jahren in der Unternehmenspraxis rapide verbreitet haben33, gibt es grundsätzliche Schwierigkeiten mit der Nutzung des Konzeptes: Das Konzept ist abstrakt und kaum in der Lage, „[...] konkrete Problemstellungen abzubilden sowie einen Weg zur strukturellen Verankerung zu weisen.“34 Darüber hinaus ist bis dato kaum geklärt, welchen konkreten Nutzen CoPs liefern. Neben Verfechtern von CoPs vermelden kritische Stimmen, dass CoPs nicht per se das grundsätzliche Problem des Wissenstransfers lösen.35 Andere Autoren nehmen CoPs als „Black Box“ bezüglich ihrer Erfolgswirkungen wahr: „[C]oPs as self-managing and self-directed entities may be of value to a business organisation, but precisely because they are self-managing and self-directed, their contribution to the organisation will always be uncertain.“36
Insbesondere im Unternehmen vorhandenes, in den Köpfen der Mitarbeiter gespeichertes, tazites Wissen sowie organisationales Wissen gelten als die wesentliche Grundlage der Kern-
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Vgl. McDermott/O'Dell (2001), S. 76. Romhardt (2002), S. 18. Vgl. z.B. Schoen (2001), S. 50ff. Soziale Netzwerke gelten als „quickest and most efficient means of procuring information“28.Grosser (1991), S. 350. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 40f; Gherardi et al. (1998), S. 275ff; Leonard-Barton (1995), S. 59ff; Nonaka/Takeuchi (1995). Vgl. u.a. Kofman/Senge (1993), S. 7f. In der Unternehmenspraxis werden neben dem Begriff Community of Practice vielfach andere Namen verwendet: Knowledge Network, Best Practice Community, TechClub, Wissensgemeinschaft, Expertennetzwerk, Knowledge Community, Business Community etc. Vgl. dazu z.B. auch Schoen (2001), S. 56. Snyder (1997), S. 1. Vgl. z.B. APQC (2000), S. 1ff. North et al. (2004)), S. 10. Vgl. von Krogh (2002), S. 96. Kimble/Hildreth (2005b), S. 4.
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kompetenzen eines Unternehmens.37 Ermöglichen CoPs als ein humanorientiertes Wissensmanagement-Instrument einen verbesserten Austausch zwischen den Mitarbeitern, aber auch die (Weiter-)Entwicklung, Anwendung und Speicherung von individuellem und kollektivem Wissen? In welcher Form profitieren Unternehmen und Mitarbeiter von CoPs? Können sich die in CoPs gesetzten Erwartungen erfüllen? Die Analyse des Wertes von CoPs ist für die Unternehmenspraxis von hoher Relevanz, wie die andauernde Diskussion im Bereich Wissensmanagement zeigt. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation vieler Unternehmen müssen Ausgaben gerechtfertigt und klare Ergebnisse nachgewiesen werden. Schließlich ist wenig darüber bekannt, welche Faktoren ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg dieser Gemeinschaften sind.38 Wodurch sind die Interaktionsprozesse in CoPs gekennzeichnet? Welche Antezedenzen sind die wesentlichen Einflussfaktoren der Interaktionen? Diesbezügliche Erkenntnisse sind notwendig für eine optimale Unterstützung bzw. ein adäquates Management von CoPs. Wenn letzteres grundsätzlich möglich ist – eine weitere zu klärende Frage für die Praxis. In der Summe wird ein erheblicher Forschungsbedarf aus Sicht der Praxis deutlich. Bei Betrachtung des wissenschaftlichen Standes zu CoPs zeigt sich ebenfalls ein erhebliches Forschungspotential. CoPs sind seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts ein sehr populäres Thema39, was die Anzahl der in den letzten Jahren veröffentlichten Artikel in sowohl wissenschaftlichen als auch praxisorientierten Fachzeitschriften belegt.40 Ebenso zeugen die vielen Workshops, Seminare und Konferenzen zu CoPs von der anhaltenden Aktualität des Themas. Dennoch sind CoPs ein relativ neues Phänomen und ein Forschungsgegenstand mit vielen offen Fragen: beispielsweise bezüglich eines einheitlichen Begriffsverständnisses und einer klaren Begriffsabgrenzung, der verschiedenen Ausprägungsarten, der Zusammensetzung, des Geschäftswertes, des Lebenszyklus sowie förderlicher Rahmenbedingungen.41 Es existiert keine systematische Darstellung zum Forschungsgegenstand: „[…] literature is still evolving and the views of different authors are hardly coherent.”42 Hier lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen den in der Praxis festgestellten Schwierigkeiten bei der Umsetzung und dem Stand der Forschung feststellen.
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Vgl. u.a. Blackler (1995), S. 1027f; Choo (1998), S. 105ff; Demetz (1988), S. 141ff; Drucker (1993), S. 119ff. Vgl. Ardichvili et al. (2003), S. 64. Vgl. Østerlund/Carlile (2005), S. 96. Siehe dazu auch van Baalen et al. (2005), S. 301: „The diffusion of innovative knowledge has become one of the major research interests in management science and economics.” Da CoPs den Transfer von innovativem Wissen unterstützen, sind sie Thema vielfältiger Veröffentlichungen. Die Anzahl der Artikel zu CoPs, die jährlich geschrieben werden, nimmt stetig zu. Während beispielsweise bei einer Recherche bei EBSCO Business Source Premier zum Thema CoPs vier Artikel aus dem Jahr 1993 gefunden wurden, waren es für Jahr 2003 63 Artikel und für 2004 75 Artikel. Vgl. Roberts (2006), S. 637. Vgl. Schoen (2001), S. 73. Lindkvist (2005), S. 1191. Siehe auch Handley et al. (2006), S. 645ff.
6
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CoPs waren zunächst vor allem ein praxisgetriebenes Forschungsfeld. Es ging vornehmlich um die Analyse konkreter Fallbeispiele aus der Unternehmenspraxis und die Erarbeitung von praxisorientierten Gestaltungsrichtlinien. Bei der Analyse der CoP-Literatur ist demzufolge festzustellen, dass diese zu einem großen Teil durch eine „Vermischung von Wissenschaft und Marketing (Praktiker verkaufen ihre „Lösungen“ wissenschaftlich)“43 gekennzeichnet ist. Es existiert eine Reihe von eher pragmatischen Ausführungen zum Thema.44 Die Anzahl wissenschaftlicher Beiträge ist überschaubar und es gibt nur wenige empirische Studien, die zumeist ethnographische oder Fallstudien sind45. Vielfach mangelt es bei den Studien an einer fundierten, theoriegeleiteten Untersuchung der verfolgten Fragestellung. Insbesondere hinsichtlich der Ergebnisse von CoPs postuliert die Mehrzahl der Autoren einen positiven Zusammenhang zwischen den Interaktionen in CoPs und der Leistungsfähigkeit der Mitglieder bzw. – noch häufiger betrachtet – der Organisation, ohne jedoch ausreichend theoretisch zu begründen, warum bzw. wodurch CoPs zu diesen Erfolgswirkungen führen. Die aktuelle CoP-Literatur erkennt klar die Relevanz dieser theoretischen Fundierung, jedoch existieren bis dato kaum Beiträge, die dem Rechnung tragen.46 Forschungsbedarf besteht darüber hinaus bezüglich eines validen und reliablen Messinstrumentes für CoPs. Wie die aktuelle Diskussion zeigt, wird das CoP-Konzept zur Analyse von Lern- und Arbeitsprozessen in Organisationen herangezogen.47 “The community of practice is a compelling unit of analysis because it (1) allows socialtechnical interactions to be observed at a number of different organizational levels, and (2) serves as a boundary object that pulls together insights from a number of disciplines in the interests of improved design.”48
Auch aus dieser Tatsache resultiert ein erheblicher Bedarf, ein grundlegendes Verständnis von CoPs zu haben. Damit ist nicht nur ein entscheidender Fortschritt in der CoP-Forschung verbunden, sondern ebenso bezüglich genereller Fragen zum organisationalen Lernen, zum
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Romhardt (2002), S. 35. Dies kennzeichnet auch die Wissensmanagement-Forschung im Allgemeinen (vgl. dazu Amelingmeyer (2004), S. 7; von Krogh (2002), S. 85). Wissensmanagement ist eine Querschnittsaufgabe im Unternehmen. Dies spiegelt sich auch in der Forschung wider. Beispielsweise bieten verschiedenste Fachbereiche an Universitäten Wissensmanagement-Seminare und Vorlesungen an: Informatik, Soziologie, Informationswirtschaft, Organisation, Innovationsmanagement, Arbeitspsychologie. Vgl. Andriessen/Verburg (2004), S. 1; Ruuska (2005), S. 75. Vgl. z.B. Hislop (2003a), S. 165; Teigland (2003), S. 9. Siehe dazu auch Reagens/McEvily (2003), S. 240: „Our understandings of how informal networks affect knowledge transfer, however, remain unclear because the effects of networks on knowledge transfer has yet to be examined directly.” Vgl. z.B. Carlile (2002); Dougherty (2001); Thompson (2005). Davenport/Hall (2002), S. 212.
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Wissensmanagement und zu Mechanismen des Wissenstransfers bzw. der -integration in einer Organisation.49 Ausgehend von der dargestellten Relevanz des Themas und dem diskutierten Forschungsbedarf für die Praxis und die Wissenschaft lässt sich die Zielsetzung dieser Arbeit ableiten. Übergeordnetes Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist es, zum besseren Verständnis von CoPs im Unternehmenskontext beizutragen. Wie die aktuelle Debatte in Wissenschaft und Praxis verdeutlicht, wird der Begriff CoP für verschiedene Gruppen bzw. Netzwerke verwendet.50 Es mangelt an einem einheitlichen Verständnis. Daher soll zunächst der Forschungsgegenstand CoP detailliert vorgestellt werden: die verschiedenen existierenden Definitionen, die wesentlichen Eigenschaften sowie die Einordnung bzw. Abgrenzung von CoPs zu anderen Gemeinschaftskonzepten, allgemein bzw. im speziellen Kontext einer Organisation. Darüber hinaus sollen bisherige Ansätze und Erkenntnisse zu CoPs übersichtlich dargestellt werden, d.h. ein Status Quo der CoP-Forschung soll erarbeitet werden. Das zu erarbeitende konzeptionelle Modell soll relevante Einflussfaktoren der individuellen Ebene der Mitglieder, der Community-Ebene und der Unternehmensebene sowie Interaktionsprozesse und Erfolgswirkungen von CoPs auf verschiedenen Ebenen erfassen. Dabei wird zur Herleitung des Bezugsrahmens sowie der zu prüfenden Hypothesen ein breiter Erklärungsansatz gewählt, d.h. verschiedene geeignete theoretische Erklärungsansätze sowie konzeptionelle und empirische Befunde sollen Berücksichtigung finden.51 Damit wird der aktuellen Kritik Rechnung getragen, dass existierende Studien bisher selten auf einem soliden theoretischen Fundament bzw. einer begründeten Herleitung der postulierten Zusammenhänge basieren.52 Ein besonderer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der systematischen theoriebasierten Herleitung möglicher Erfolgswirkungen von CoPs. Es werden existierende theoretische Konzepte und eigene konzeptionelle Überlegungen verknüpft, um das Potential von CoPs aufzuzeigen. Eine weitere Zielsetzung besteht in der Konzeptualisierung53 und Operationalisierung der Variablen des CoP-Modells. Im Rahmen der Arbeit soll ein valides und reliables Messinstru49
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Siehe dazu auch Grant (1996a), S. 384: „While making some progress in integrating prior research on organizational learning and organizational resources and capabilities, much remains to be done at both the empirical level and the theoretical level, especially in relation to understanding the organizational processes through which knowledge is integrated.” Vgl. Schoen (2001), S. 56. Dabei verfolgt diese Arbeit nicht das Ziel, alle Konzepte und Befunde eines Fachgebiets oder Theoriestrangs vollständig aufzubereiten. Aufgrund der Komplexität des Themas sowie dem Querschnittscharakter von CoPs, d.h. je nach Sichtweise haben CoPs bzw. die CoP-Forschung verschiedene „Heimaten“, wäre dies Rahmen dieser Arbeit auch nicht möglich. Es geht vielmehr darum, die verschiedenen Strömungen, ihre Theorien und Erkenntnisse, die für ein besseres Verständnis von CoPs herangezogen werden können, zu identifizieren und die Erkenntnisse zu adaptieren und für die Klärung der Forschungsfragen zu nutzen. Vgl. Teigland (2003), S. 9. In Anlehnung an den angelsächsischen Begriff „conceptualisation“ so genannt.
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ment entwickelt werden, welches die empirische Überprüfung des aufgestellten konzeptionellen Modells ermöglicht. Diese basiert auf einer großzahligen Erhebung. Grundsätzlich soll sich in der vorliegenden Arbeit an der Maßgabe von ATTESLANDER orientiert werden: „Gerade weil es durch das je eigene Erleben verschiedene soziale Wahrheiten gibt, ist es Aufgabe von Theorie und Methodik, nicht Wahrheit zu etablieren, sondern nur Wahrhaftigkeit von Erhebung und Interpretation zu erreichen.“54
Insgesamt verfolgt die Arbeit ein klares Wissenschaftsziel. Ziel ist die Erlangung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diese sollen gleichzeitig Grundlage für die Erweiterung der Problemsicht in der wissensorientierten Managementpraxis sein. Das bedeutet, es wird berücksichtigt, dass die Betriebswirtschaftslehre eine Realwissenschaft ist, d.h. sie sieht ihren ausschließlichen Zweck nicht in der Erlangung von Wissen. Sie hat eine Gestaltungs- und Erklärungsaufgabe: es geht um Problemlösungshilfen für die unternehmerische Praxis.55 Zusammenfassend sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit folgende sechs Forschungsfragen beantwortet werden: (1) Was sind die Merkmale und Besonderheiten von CoPs? (2) Welche Erkenntnisse bestehen zum Forschungsgegenstand CoP? (3) Wie lassen sich CoPs in einem konzeptionellen Modell darstellen und welche Theorien stützen die Erstellung des Modells? (4) Was sind zentrale Charakteristika der Interaktion zwischen Mitgliedern einer CoP? (5) Welche Faktoren beeinflussen die Interaktion in CoPs? (6) Welche Erfolgswirkungen gehen von CoPs aus? Die Beantwortung der Forschungsfragen 1, 2 und 3 basiert auf Analyse der Literatur zu CoPs bzw. angrenzenden Themenbereichen, d.h. sie erfolgt auf konzeptionellem Wege. Die Forschungsfragen 4, 5 und 6 werden sowohl anhand konzeptioneller Überlegungen als auch empirischer Befunde beantwortet.
1.2
Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit
In der wissenschaftlichen Forschung werden zwei grundsätzliche Erkenntniswege bzw. Forschungsansätze unterschieden: die deduktiv-nomologische Erklärungsmethode, welche den deutschen Wissenschaftsbetrieb dominiert, sowie das induktiv-empirische Vorgehen. Im Rahmen des von POPPER entwickelten Forschungsansatzes des kritischen Rationalismus56 54 55 56
Atteslander (1995), S. 9. Vgl. Albrecht (1993), S. 5ff sowie dort angeführte Quellen. Vgl. Popper (1989), S. 31ff.
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wird vor allem die deduktiv-nomologische Forschung gefordert. Theoretisch abgeleitete Hypothesen werden auf der Grundlage einer Konfrontation mit der Realität, d.h. anhand empirischer Daten, verworfen oder nicht.57 Das bedeutet, aus dem Allgemeinen wird das Besondere logisch hergeleitet. Die Erfahrung ist Prüfstein der Theorie. Im Gegensatz dazu ist es Zielsetzung der induktiv-empirischen Methode, Einzelbeobachtungen zu interpretieren und auf deren Basis anschließend eine Gesetzmäßigkeit zu formulieren. Demnach wird vom Besonderen auf das Allgemeine geschlossen. Die Erfahrung ist Baustein der Theorie.58 I.d.R. wird Deduktion mit quantitativen und Induktion mit qualitativen Forschungsmethoden verbunden. In der Forschungspraxis werden oftmals beide Wege als sich ergänzende Forschungsmethoden angewandt. Das Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit orientiert sich an den Vorgaben des kritischen Rationalismus. Es wird demnach die deduktiv-nomologische Forschungsmethode gewählt, d.h. bestehende allgemeine Theorien bzw. Behauptungen werden genutzt, um einen theoretischen Bezugsrahmen abzuleiten. Dabei wird der Forderung nach Theoriepluralismus gefolgt, d.h. die Inhalte der Konstrukte bzw. die Zusammenhänge zwischen diesen werden unter Berücksichtigung verschiedener Theorien deduziert.59 Der aufgestellte Bezugsrahmen wird anhand empirischer Daten überprüft, d.h. die Hypothesen werden einem statistischen Test unterzogen. Es wird eine quantitative Querschnittsanalyse auf der Basis einer schriftlichen Befragung durchgeführt. Der Forschungsprozess kann grundsätzlich in folgende Phasen unterteilt werden: Auswahl des Forschungsproblems, Theoriebildung, Konzeptualisierung und Operationalisierung sowie parallel die Bestimmung der Untersuchungsform, Auswahl der Untersuchungseinheiten, Datenerhebung, Datenerfassung, Datenanalyse und abschließend Verwertung der Ergebnisse.60 Dieser forschungslogische Ablauf empirischer Untersuchungen bestimmte die Vorgehensweise bei der vorliegenden Untersuchung und dient gleichzeitig dieser Arbeit als Gliederungskriterium. Die Arbeit umfasst sieben Kapitel. Im Anschluss an das einführende erste Kapitel werden im zweiten Kapitel die Grundlagen für die nachfolgende Untersuchung behandelt. Diese umfassen eine Diskussion der wesentlichen theoretischen Bezugspunkte von CoPs sowie die detaillierte Charakterisierung des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit.
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Hypothesen sind so zu formulieren, dass sie widerlegt werden können. Eine endgültige Verifikation von Theorien kann durch empirische Forschung niemals erbracht werden. Vgl. die Ausführungen bei von Alemann (1977), S. 28ff. Vgl. zum Abschnitt Borchert et al. (2004), S. 10ff; von Alemann (1977), S. 18f. Vgl. Eberhardt (1999), S. 86. Vgl. Atteslander (1995), S. 30ff; Friedrichs (1990), S. 51ff; Schnell et al. (2005), S. 7ff. Die Autoren benennen die Phasen z.T. anders bzw. unterscheiden weniger Phasen. Die grundsätzliche inhaltliche Abfolge stimmt jedoch überein.
10
Einleitung
Daraufhin werden im dritten Kapitel die Ursprünge der CoP-Forschung, die bestehende Forschung im Bereich der CoPs bzw. deren Entwicklung dargestellt und diskutiert. Diese Bestandsaufnahme der CoP-Forschung bildet den Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines CoPModells bzw. des Bezugsrahmens der Untersuchung. Im vierten Kapitel wird basierend auf relevanten theoretisch-konzeptionellen Überlegungen sowie existierenden empirischen Befunden aus der CoP- bzw. Wissensmanagementforschung, aber auch aus der Team- und Innovationsforschung sowie der Netzwerkforschung der Bezugsrahmen für die nachfolgende empirische Untersuchung abgeleitet. Dies umfasst die Entwicklung eines generischen Modells einer CoP, die Analyse und Konzeptualisierung relevanter Faktoren und Variablen des Modells sowie die Diskussion der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten und die Ableitung von Hypothesen, die zur Klärung der Forschungsfragen beitragen. Das fünfte Kapitel behandelt die wesentlichen Aspekte der Konzeption und Durchführung der zur Beantwortung der Forschungsfragen durchgeführten empirischen Erhebung. Zunächst werden methodische Grundlagen zu Strukturgleichungsmodellen sowie zur Analyse der empirischen Daten erläutert. Dann wird das Untersuchungsdesign, d.h. der Untersuchungsgegenstand, die Datenerhebung sowie Untersuchungsstichprobe, beschrieben. Den Abschluss des Kapitels bilden die Operationalisierung der verwendeten Messmodelle sowie die Überprüfung der Reliabilität und Validität der Konstrukte. Das sechste Kapitel beinhaltet die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Dabei werden inhaltliche Aspekte der Messmodellvalidierung, ausgewählte deskriptive Ergebnisse und die Ergebnisse der Überprüfung der aufgestellten Hypothesen vorgestellt und diskutiert. Im abschließenden siebten Kapitel werden zunächst die wesentlichen Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zusammengefasst. Davon ausgehend werden sowohl Implikationen für die Forschung als auch für die Unternehmenspraxis aufgezeigt. Abb. 1-1 verdeutlicht den prinzipiellen Ablauf dieser Untersuchung bzw. den Aufbau der Arbeit.
11
Einleitung
1 Einführung
2 Grundlagen der Untersuchung
3 Stand der CoPForschung
4 Theoretischer Bezugsrahmen
5 Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung
6 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
7 Zusammenfassung und Implikationen
Abb. 1-1: Aufbau der Arbeit61
61
Quelle: Eigene Darstellung.
• Problemstellung und Zielsetzung • • Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit •
• Theoretische Bezugspunkte • Innovationen • Communities of Practice (Begriff, Merkmale, Abgrenzung) •
• Ursprünge der CoP-Forschung • Innovationen • Konzeptionelle Analyse • • Empirische CoP-Forschung •
• Generisches Modell einer CoP • Innovationen • Charakteristika der Interaktionsprozesse • • Einflussfaktoren • Ergebnisse von CoPs •
• Methodische Grundlagen • Innovationen Untersuchungsdesign • • Operationalisierung und Validierung der Messmodelle •
• Inhaltliche Diskussion der Messmodelle • Innovationen • Deskriptive Ergebnisse • • Überprüfung der Hypothesen und Diskussion •
• Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse • Innovationen • Implikationen für die Forschung • • Implikationen für die Unternehmenspraxis •
13
2
Grundlagen der Untersuchung
Im Rahmen dieses Kapitels werden die Grundlagen der nachfolgenden Untersuchung vorgestellt. Dazu wird im ersten Abschnitt (2.1) zunächst auf die theoretischen Bezugspunkte eingegangen: Ausgehend von der Diskussion zum Begriff des Wissens wird die Bedeutung von Wissen als Unternehmensressource analysiert. Den Abschluss des ersten Abschnittes bilden Ausführungen zur Definition, den Zielen, Prozessen und Instrumenten des Wissensmanagements. Die Erläuterungen dieses Abschnittes zielen dabei nicht auf eine allumfassende Diskussion der Begriffe und Ansätze. Sie sollen vielmehr ein einheitliches Verständnis der für diese Untersuchung relevanten Begriffe und Ansätze schaffen. Der zweite Abschnitt (2.2) widmet sich dem Forschungsgegenstand dieser Arbeit – den Communities of Practice. Zunächst wird der Begriff CoP diskutiert und die für diese Untersuchung geltende Definition erarbeitet. Anschließend werden die Eigenschaften von CoPs untersucht, wobei zwei verschiedene Perspektiven eingenommen werden: CoPs als Gruppe bzw. als soziales Netzwerk. Für ein klares Begriffsverständnis werden zum Abschluss des Abschnittes CoPs zu anderen Gemeinschaftskonzepten sowie zu anderen im Unternehmen existierenden Gruppen bzw. Organisationsformen abgegrenzt. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Aspekte (2.3). Wenn im Folgenden von Unternehmen bzw. Organisation gesprochen wird, ist ein soziales Gebilde interdependenter Handlungen gemeint, das dauerhaft ein Ziel verfolgt und eine formale Struktur aufweist, die dazu dient, die Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel auszurichten.62 Dieses soziale Gebilde/kollektive Ganze besteht aus einer relativ kontinuierlichen Basis innerhalb einer sie umgebenden Umwelt. Es hat relativ festgelegte und identifizierbare Grenzen, eine normative Ordnung, ein hierarchisches Autoritätssystem, ein Kommunikationssystem sowie ein koordinierendes Mitgliedersystem.63
2.1
Theoretische Bezugspunkte
2.1.1 Der Wissensbegriff Wissen ist ein komplexer Begriff, dessen Erklärung, Deutung und Interpretation seit Jahrtausenden den Menschen beschäftigt. Epistemologen64 wie beispielsweise PLATON, ARISTOTELES, KANT und POPPER haben versucht, eine exakte Definition für Wissen zu finden.65 In der Fülle der heute vorzufindenden Abhandlungen zum Thema Wissen ist zu erken62 63 64
65
Siehe die Ausführungen und Spezifizierungen beiKieser/Walgenbach (2003), S. 6ff. Vgl. Weinert (1987), S. 41. Die Epistemologie – Erkenntnistheorie (griech. épisteme: Erkenntnis) – ist die philosophische Auseinandersetzung mit dem Entstehen, dem Wesen, den Grenzen von Wissen und Erkenntnis. Vgl. Beckermann (2001), S. 571f. Vgl. dazu die Ausführungen bei Spender (1996), S. 47; von Weizsäcker (1992), S. 64ff.
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Grundlagen der Untersuchung
nen, dass je nach spezifischer Fragestellung häufig nur ein bestimmter Aspekt des Wissens betrachtet wird und daher eine Vielzahl verschiedener Begriffsdefinitionen existiert.66 Nachfolgend werden jene Definitionen und Unterscheidungen vorgestellt, die im Kontext von CoPs relevant und aussagekräftig sind. Im Zuge der Theorie der wissensbasierten Unternehmung bzw. Gesellschaft wurde der Wissensbegriff auch in den Wirtschaftswissenschaften zum Gegenstand vieler Diskussionen. Während Vertreter der informationstheoretischen Perspektive vor allem die Abgrenzung der Begriffe Zeichen, Daten, Informationen und Wissen erörtern, fokussieren Vertreter der kompilativ-pragmatischen Perspektive den handlungspraktischen Bezug von Wissen.67 Nachfolgend soll überblicksweise auf die Definitionen des Wissensbegriffs eingegangen werden. Des Weiteren wird zwischen implizitem und explizitem, individuellem und kollektivem/organisationalem sowie internem und externem Wissen unterschieden. Diese drei Unterscheidungen kategorisieren das Wissen aus Unternehmenssicht und sind notwendig, um die Wirkungsweise und damit die Bedeutung von CoPs nachzuvollziehen. Informationstheoretisches Wissensverständnis. Wissen wird gegenüber Zeichen, Daten und Information abgegrenzt, wobei Wissen an oberster Stelle der Begriffshierarchie steht. An unterster Stelle stehen Zeichen oder deren physikalische, chemische oder biologische Erscheinungsform (Signale), deren Bedeutung auf Übereinkunft beruht68. Daten sind durch bestimmte Syntaxregeln verknüpfte Zeichen oder Signale, welche sich jedoch selbst nicht erklären. Daten sind demnach „[...] das Gegebene zur Verarbeitung ohne Verwendungshinweise“69. Eine Auswahl dieser Daten, die ausgewertet, interpretiert und damit in einen Kontext gebracht wurden, stellen Informationen dar. Darauf aufbauend wird unter Wissen eine ausgewählte Kombination anwendungsbezogener Informationen verstanden.70 Kompilativ-pragmatisches Wissensverständnis. Diese Sichtweise ist charakteristisch für die aktuelle Wissensmanagementdebatte. Im Gegensatz zur obigen Definition, die Wissen auf einen bestimmten Anwendungsfall bezieht, steht bei diesem Begriffsverständnis die ausschließliche Verankerung des Handelns in den Wissensbegriff im Vordergrund.71 Wissen umfasst demnach alle Kenntnisse und Fähigkeiten72, die Individuen Handlungen zur Problemlö66
67 68 69 70 71 72
Siehe Albrecht (1993), S. 31ff für detaillierte Ausführungen zum Begriffsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre, Philosophie, Kognitionsforschung. Eine Übersicht der unterschiedlichen, teils inkonsistent benutzten Wissensdefinitionen findet sich z.B. bei Al-Laham (2003), S. 25ff; Amelingmeyer (2004), S. 41f. Vgl. Schreyögg/Geiger (2003), S. 8f. Vgl. Coenenberg (1966), S. 22ff sowie dort zitierte Quellen. Fink (2000), S. 25. Vgl. zur ausführlichen Abgrenzung von Daten, Informationen und Wissen Böhm (2000), S. 30ff. Vgl. Schreyögg/Geiger (2003), S. 9. Damit umfasst dieses Wissensverständnis sowohl kenntnis- als auch handlungsgebundenes Wissen. Diese Unterscheidung, die zwischen Kennen und Können bzw. theoretischem Wissen und praktischen Fähigkeiten differenziert, wird von einigen Autoren vorgenommen. Vgl. dazu z.B. Amelingmeyer (2004), S. 45f; Henschel (2001), S. 187ff.
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sung ermöglichen.73 Zu diesen gehören theoretische (Fach-)Kenntnisse, praktische Erfahrungen, Wertvorstellungen und Kontextinformationen. All dies stellt wiederum die Basis für die Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen dar.74 Zusätzlich zur Handlungsbezogenheit des Begriffs Wissen wird die Personenbezogenheit von Wissen betont. Demnach ist Wissen eine Eigenschaft oder besser ein Zustand eines Menschen; es ist Ergebnis eines psychischen Prozesses, der Erkennen genannt wird.75 Ferner verdeutlicht die Definition den dynamischen Charakter von Wissen: Wissen „[...] is both an outcome – ‘a framework’ – and a process for ‘incorporating new experiences and information’.“76 Für die nachfolgende Untersuchung soll dieses handlungs- und personenorientierte sowie dynamische Verständnis von Wissen gelten. Implizites versus explizites Wissen. In Bezug auf Wissen im CoP-Kontext ist es notwendig, zwischen explizitem und implizitem77 Wissen zu unterscheiden.78 Der Begriff des impliziten Wissens geht auf POLANYI zurück, der feststellte, dass Menschen mehr wissen als sie sagen können.79 Implizites Wissen hat neben der technischen Komponente, bestehend aus dem technischen Know-how, den handwerklichen Fähigkeiten sowie Fachkenntnissen, eine kognitive Komponente. Diese resultiert aus den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Einzelnen, seinen persönlichen Erfahrungen, der Einordnung dieser in einen spezifischen Kontext sowie den jeweiligen Überzeugungen und mentalen Modellen.80 Oftmals liegt ein Teil des impliziten Wissens in unbewusster Form vor81, d.h. es handelt sich um intuitives Wissen82. Es kann daher nicht unmittelbar artikuliert werden.83 Bei Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen geht es weniger um den Aspekt der Kommunizierbarkeit als um den Aspekt der Kodifizierbarkeit.84 Demnach ist explizites Wissen kodiertes Wissen, welches formal, beispielsweise 73 74 75 76
77
78
79
80
81
82 83
84
Vgl. z.B. Danielmeyer/Airaghi (1999), S. 44; von Krogh/Köhne (1998), S. 236; Probst et al. (1999), S. 46. Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 32; Probst et al. (1999), S. 46. Vgl. Coenenberg (1966), S. 20f; Nonaka/Takeuchi (1995), S. 58. Tsoukas/Vladimirou (2001), S. 974. Diese zwei unterschiedlichen Aspekte spiegeln die zwei unterschiedlichen Ansätze im Wissensmanagement wider. Siehe auch die Anmerkungen im Abschnitt 2.1.3. Im deutschen Sprachraum hat sich „implizit“ als Bezeichnung von nicht explizitem, d.h. stillschweigendem, verborgenem, unausgesprochenem Wissen durchgesetzt; „tazites Wissen“ als Eindeutschung des englischen „tacit knowledge“ wird weniger verwendet. Es gibt diverse andere und sich z.T. überschneidende Ansätze zur Untergliederung von Wissen nach der Wissensart, wie z.B. objektives vs. subjektives Wissen, Handlungs- vs. Kenntniswissen etc. (vgl. z.B. Amelingmeyer (2004), S. 45). Diese Unterteilungsansätze erscheinen jedoch für die nachfolgenden Ausführungen nicht relevant. Vgl. Polanyi (1966), S. 4: „I shall reconsider human knowledge by starting from the fact that we can know more than we can tell.“ Vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 60 sowie die anschauliche Verdeutlichung am Beispiel des Baseballspielens bei Berman et al. (2002), S. 14f. Intuitives Wissen sowie implizites Handlungswissen, welches durch den Prozess der Übung erlangt wird, werden als Know-how bezeichnet. Als Grundlage dieses Begriffsverständnisses gilt der Know-how-Ansatz des Philosophen RYLE. Vgl. Fink (2000), S. 15ff. bzw. Ryle (1969). Vgl. Berman et al. (2002), S. 15. Cook/Brown (1999), S. 385. Hervorzuheben ist, dass trotz der fehlenden/schwierigen Artikulationsfähigkeit dieses Wissen innerhalb einer Organisation genutzt werden kann. Siehe dazu Abschnitt 4.4.2.2. Vgl. Kogut/Zander (1992), S. 387ff; Turner/Makhija (2006), S. 198f.
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durch Sprache, Formeln oder Symbole, in Verfahrensbeschreibungen, Konstruktionszeichnungen, Arbeitsanweisungen, Lehrmaterial etc. artikulierbar ist.85 Die grundsätzliche Frage, ob implizites Wissen in explizites Wissen oder vice versa umgewandelt werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert.86 Individuelles versus kollektives/organisationales Wissen. Neben der Unterscheidung hinsichtlich der Wissensart zwischen implizitem/explizitem Wissen, kann auch eine Unterscheidung von Wissen bezüglich des Wissensträgers87 vorgenommen werden.88 Individuelles Wissen, welches jeder Einzelne besitzt, ist personengebunden und im Bewusstsein dieser Personen verankert. Es kann implizit und/oder explizit vorliegen. Daneben existiert kollektives bzw. organisationales Wissen, das mehrere Personen gemeinsam haben. Während kollektives Wissen (auch Gruppenwissen genannt) von mehreren Organisationsmitgliedern geteilt wird89 bzw. ihnen zugänglich ist, wird organisationales Wissen (auch Organisationswissen genannt) von allen Mitgliedern einer Organisation geteilt.90 Kollektives bzw. organisationales Wissen kann als Gesamtheit des getragenen Wissens und Könnens innerhalb einer Gruppe91 bzw. Organisation betrachtet werden.92 Es beinhaltet die von allen Mitgliedern der Gruppe bzw. Organisation geteilten Wertevorstellungen, Glaubenshaltungen, Erinnerungen, Referenzmöglichkeiten und Geschichten93. Kollektives und organisationales Wissen kann wie individuelles Wissen implizit und/oder explizit vorliegen.94 Es existiert aufgrund von Beziehungen zwi-
85 86 87
88 89
90
91 92 93
94
Vgl. zur Unterscheidung von explizitem und implizitem Wissen z.B. Amelingmeyer (2004), S. 47. Siehe die Ausführungen im Abschnitt 4.4.2.2 zum Modell der Wissensspirale. Es kann prinzipiell zwischen personellen, materiellen und kollektiven Wissensträgern unterschieden werden. Vgl. z.B. Amelingmeyer (2004), S. 55ff. Grundsätzlich ist der Begriff Wissensträger i.w.S. zu verstehen. I.e.S. würde aufgrund des Wissensverständnisses, wonach Wissen an Individuen gebunden ist, das Management von Wissen vornehmlich ein Personalmanagement sein. Da jedoch Informationen, die sinnvoll und kontextgebunden vernetzt wurden, gespeichert werden können und damit dokumentiertes bzw. explizites Wissen darstellen, geht Wissensmanagement über Personalmanagement hinaus. Siehe Diskussion bei AlLaham (2003), S. 34f. Vgl. z.B. Al-Laham (2003), S. 31 sowie dort aufgeführte Quellen. Siehe Weick/Roberts (1993) für eine ausführliche Beschreibung des Konzeptes „collective mind“, wo nach WEICK/ROBERTS Gruppenaktivitäten betreffendes Wissen gespeichert ist. Vgl. auch die Diskussion am Beispiel des Segelns bei Berman et al. (2002), S. 15f. Die Begriffe des kollektiven und organisationalen Wissens werden häufig gleichgesetzt. Es ist in dem vorliegenden Kontext jedoch wichtig, beide Wissensarten zu differenzieren, da z.B. kollektives Wissen einer CoP anderen Organisationsmitgliedern, die nicht Mitglieder der Community sind, nicht zur Verfügung stehen kann/muss. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Al-Laham (2003), S. 39ff. Eine Gruppe kann z.B. eine Abteilung, ein Arbeitsteam oder eine CoP sein. Vgl. Duncan/Weiss (1979), S. 86f. Vgl. von Krogh/Köhne (1998), S. 237. Siehe auch die ausführliche Diskussion zum organisationalen Wissen bei Tsoukas (1996), S. 14; Tsoukas/Vladimirou (2001), S. 974ff sowie die Definition: „Organisational knowledge is the capability members of an organization have developed to draw distinctions in the process of carrying out their work, in particular concrete contexts, by enacting sets of generalizations (propositional statements) whose application depends on historically evolved collective understandings and experiences.” Tsoukas/Vladimirou (2001), S. 983, H.i.O. Vgl.Wiegand (1996), S. 416ff.
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schen Individuen und ist mehr als die Summe des individuellen Wissens der einzelnen Organisationsmitglieder.95 Internes versus externes Wissen. Betrachtet man den Ort, an dem Wissen existiert, so lassen sich internes und externes Wissen unterscheiden.96 Aus der Perspektive einer Organisation gesehen, ist internes Wissen jenes, das innerhalb der Organisation vorhanden ist. Externes Wissen liegt hingegen außerhalb der Organisationsgrenzen vor. Externes Wissen kann durch Patente, Lizenzen, neue Mitarbeiter und/oder externe Beratung erworben und damit zu internem Wissen werden.97 In Abb. 2-1 sind die drei Begriffspaare zusammenfassend dargestellt. Entlang der epistemologischen Achse findet sich die Unterscheidung von Wissen nach seiner Kodifizierbarkeit, während auf der ontologischen Ebene die Unterscheidungen hinsichtlich der Vermittelbarkeit und Zugänglichkeit bzw. der betreffenden Träger des Wissens verdeutlicht wird.98 Epistemologische Achse
explizit Wissen implizit
extern intern individuell
kollektiv/ organisational Ontologische Ebene
99
Abb. 2-1: Taxonomie des Wissens
2.1.2
Wissen als Ressource
Es herrscht sowohl in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion als auch in der unternehmerischen Praxis Einigkeit darüber, dass Wissen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist.100 Den Ausgangspunkt für die Betrachtung von Wissen als Unternehmensressource und Wettbewerbsfaktor bildet der ressourcenbasierte Ansatz im strategischen Management (in der englischsprachigen Literatur „resource-based view“ genannt). Ziel des Erklärungsansatzes ist 95 96 97 98 99 100
Vgl. De Long/Fahey (2000), S. 114; Kogut/Zander (1992), S. 388; Probst/Büchel (1998), S. 19. Vgl. Al-Laham (2003), S. 57. Vgl. Schröder (2003), S. 22. Vgl. dazu auch Freiling (2001), S. 122f; Nonaka/Takeuchi (1995), S. 71ff. Quelle: In Anlehnung an Nonaka/Takeuchi (1995), S. 56f. Vgl. zu dieser Diskussion vor allem die Beiträge von Davenport/Prusak (1998); Grant (1996b); Kogut/Zander (1992); Nonaka (1991); Spender (1996); Teece (1998).
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die Erforschung der Erfolgsursachen eines Unternehmens und darauf aufbauend die Ableitung von nachhaltig erfolgsbeeinflussenden Maßnahmen.101 Dieser theoretische Ansatz stellt einen geeigneten Ansatz zur theoriebasierten Ableitung der Erfolgswirkung von CoPs dar. Zur Beantwortung der Kernfrage des strategischen Managements „Was führt zu unternehmerischem Erfolg?“ wird in der Literatur neben dem ressourcenbasierten Ansatz der marktbasierte Ansatz (auch als „market-based view“ bezeichnet) herangezogen.102 Dieser auf wettbewerbstheoretischen Überlegungen der Industrieökonomik beruhende Ansatz sieht den Erfolg von Unternehmen vor allem in einer geeigneten Marktstrategie begründet, d.h. einer Anpassung der eigenen Strategie an die Gegebenheiten der Marktstruktur. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile werden durch die Ausnutzung und Vergrößerung der Unvollkommenheit der Absatzmärkte in gezielt ausgewählten Branchen geschaffen.103 Diese Betrachtung führt jedoch zu einer einseitigen Orientierung am Absatzmarkt.104 Des Weiteren impliziert der Ansatz durch die Nicht-Berücksichtigung von unternehmensinternen Aspekten, dass alle Unternehmen die gleichen Chancen haben, auf dem Markt erfolgreich zu sein.105 Aufgrund dieser Kritik an den Grundannahmen des marktbasierten Ansatzes wurde seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts der ressourcenbasierte Ansatz vielfach diskutiert.106 Dabei geht es im Gegensatz zum marktbasierten Ansatz weniger um eine Orientierung nach außen, d.h. die Ausnutzung der Unvollkommenheiten auf dem (Absatz-)Markt, als um eine Orientierung nach innen. Trotz der unterschiedlichen Sichtweisen sind die beiden Ansätze nicht als konträre sondern als komplementäre Perspektiven zu sehen. WERNERFELD spricht demzufolge bildlich von „zwei Seiten einer Medaille“.107 PORTER kommt zu dem Schluss: „Stress on resources must complement, not substitute for, stress on market position“.108 Mit der Perspektive auf das Innere eines Unternehmens wird im Rahmen des ressourcenbasierten Ansatz die bereits in den 50er Jahren von PENROSE und SELZNICK vertretene These aufgegriffen, dass die Heterogenität von Unternehmen auf die unterschiedliche unternehmensinterne Ressourcenausstattung zurückzuführen ist.109 Die Ressourcenausstattung (einzelne Ressourcen sowie Bündel von Ressourcen) in Verbindung mit den spezifischen Eigenschaften der einzelnen Ressourcen sowie der Fähigkeit, diese entsprechend zu nutzen und zu Kern101
102 103 104 105 106 107 108 109
Vgl. Freiling (2001), S. 5. Zur ausführlichen Diskussion von intentionalen, terminologischen und historischen Grundlagen des Ressourcenansatzes sowie seinen Defiziten siehe ebenda, S. 5-53 sowie Hammann/Freiling (2000). Vgl. Rühli (1994); Zahn et al. (2000), S. 49f. Vgl. Porter (1985); Porter (1999); Zahn et al. (2000), S. 49. Vgl. Rühli (1994), S. 32ff. Vgl. Teece et al. (1997), S. 511. Vgl. Barney (1991), S. 103; Zahn et al. (2000), S. 49f. Vgl. Wernerfeld (1984), S. 171. Porter (1991), S. 108. Vgl. Penrose (1959); Selznick (1957).
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kompetenzen auszubauen, sind die Ursachen dafür, dass bestimmte Unternehmen Wettbewerbsvor- bzw. -nachteile gegenüber ihren Konkurrenten haben. Die Kombination von Ressourcen und Fähigkeiten führt dabei zu Wettbewerbsvorteilen, die von der Konkurrenz schwer zu imitieren und daher von nachhaltiger Natur sind.110 Zum Begriff „Ressource“ gibt es kein einheitliches Verständnis.111 Während beispielsweise für WERNERFELD ganz allgemein alles, was als eine Stärke oder Schwäche eines Unternehmens betrachtet werden kann, eine Ressource darstellt112, vertritt BARNEY eine detaillierte Definition: “[…] firm resources include all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge, etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness.”113
Prinzipiell wird der Begriff eher weit gefasst, recht allgemein interpretiert und damit unpräzise definiert. Er umfasst je nach Autor sowohl tangible (physische, finanzielle und technologische) als auch intangible (Human-, strukturelle und kulturelle) Ressourcen.114 Wie im Rahmen des Ressourcenansatzes erörtert wird, ist die Unvollkommenheit der Faktormärkte die Ursache der Heterogenität der Ressourcenausstattung von Unternehmen. Diese führt dazu, dass bestimmte Ressourcen nicht bzw. wenn überhaupt nur zu hohen Transaktionskosten handelbar sind.115 Nur diese unternehmensspezifischen Ressourcen (auch Kernkompetenzen genannt) führen zu dauerhaften Wettbewerbsvorteilen. Ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil ergibt sich dann, wenn die Ressource für den Kunden einen Nutzen stiftet, für den er auch bereit ist zu zahlen. Darüber hinaus eignet sich eine Ressource prinzipiell nur dann zur Differenzierung, wenn sie knapp ist. Neben den Merkmalen Kundennutzen sowie Knappheit ergibt sich die nachhaltige Bedeutung einer Ressource aus weiteren wettbewerbsrelevanten Charakteristika bzw. dem Nichtvorhandensein folgender Eigenschaften: Imitierbarkeit, Substituierbarkeit, Handelbarkeit, Mobilität bzw. Transferierbarkeit.116 Das Merkmal der (Nicht-)Imitierbarkeit nimmt dabei die wichtigste Rolle ein.117 Nicht oder nur begrenzt bzw. schwer zu imitieren sind vor allem jene Ressourcen, die in der absorptiven 110
111
112 113 114 115 116
117
Vgl. Barney (1991), S.101; Prahalad/Hamel (1990), S. 82f; Peteraf (1993), S. 180; Wernerfeld (1984), S. 171ff. Siehe z.B. Freiling (2001), S. 11ff zu den verschiedenen Verständnissen bzw. Auslegungen des Begriffs Ressource. Wernerfeld (1984), S. 172. Barney (1991), S. 101, H.i.O. Vgl. Renzl (2003), S. 11. sowie dort aufgeführte Quellen. Vgl. Peteraf (1993), S. 180ff. Vgl. Barney (1991), S. 105ff, Grant (1996b), S. 123ff; Peteraf (1993), S. 180. Von anderen Autoren werden z.T. andere Merkmale aufgeführt bzw. die Merkmale werden unter anderen Namen bzw. anders zusammengefasst. Vgl. z.B. Osterloh et al. (2001), S. 204ff. Vgl. z.B. Osterloh et al. (2001), S. 205.
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Kapazität118 eines Unternehmens begründet liegen und auf organisationalen Lernprozessen beruhen.119 Im Zuge der gegenwärtigen Diskussion im strategischen Management wird daher vornehmlich auf Wissen als wettbewerbsrelevante Ressource eingegangen. GUPTA/GOVINDARAJAN stellen fest: “[O]f all possible resources that a firm might possess, its knowledge base has perhaps the greatest ability to serve as a source of sustainable differentiation and hence competitive advantage”.120
Aus dieser Perspektive entwickelte sich der wissensbasierte Ansatz (auch „knowledge-based view“ genannt). Neben der Strategiewahl werden beim wissensbasierten Ansatz weitere Aspekte der Unternehmensführung (z.B. die Organisationsstruktur oder die Rolle der Unternehmensleitung) berücksichtigt. Daher geht er über den ressourcenbasierten Ansatz, der von einigen Autoren kritisiert wurde121, hinaus.122 Wissen verfügt über jene Eigenschaften, die eine Ressource zu einer strategisch wichtigen Ressource machen: Wissen ist eine knappe Ressource, die nicht unbegrenzt zur Verfügung steht und ungleich verteilt ist. Wissen ist kontextabhängig und beruht vielfach auf Erfahrungen und Routinen, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben. Demnach ist Wissen sehr unternehmensspezifisch. Oftmals entsteht ein Wettbewerbsvorteil erst durch die Kombination von Wissen, das auf viele verschiedene Personen verteilt ist. Infolgedessen ist Wissen nur schwer bzw. begrenzt imitierbar, d.h. von anderen Unternehmen nicht ohne weiteres zu kopieren. Darüber hinaus ist Wissen kaum substituierbar, d.h. es gibt keine ähnlichen Ressourcen bzw. anderen Optionen, mit denen der gleiche Effekt erzielt werden kann. Das hohe Potential von Wissen liegt weiterhin darin begründet, dass es aufgrund der Immaterialität schwer bzw. nur in begrenztem Rahmen handelbar ist. Damit geht ebenso die begrenzte Transferierbarkeit von Wissen auf neue Märkte und Produkte einher.123 Bei der Analyse dieser Eigenschaften wird klar deutlich, dass die generelle Aussage, Wissen sei ein entscheidender Erfolgsfaktor eines Unternehmens, präzisiert werden muss. Nicht alles Wissen ist von entscheidender strategischer Bedeutung. Grundlagen für die Erzielung von
118
119 120 121
122 123
Als absorptive Kapazität wird die Fähigkeit bezeichnet, externe Informationen aufzunehmen, zu evaluieren, anzupassen und für neue Problemlösungen zu nutzen. Diese hängt vor allem von der bereits vorhandenen Wissensbasis ab. S. 128.Vgl. Cohen/Levinthal (1990), S. 128. Vgl. von Wartburg (2000), S. 210f. Gupta/Govindarajan (2000), S. 473, H.d.A. Wesentlicher Kritikpunkt ist eine Tautologie bezüglich der Eigenschaften einer wertvollen Ressource und daraus resultierender Wettbewerbsvorteile. Vgl. Eisenhardt/Martin (2000), S. 1108; Freiling (2001), S. 41ff; Lado et al. (2006), S. 119ff; Priem/Butler (2001), S. 27. Vgl. Al-Laham (2003), S. 131ff; Grant (1996b), S. 110; Spender (1996), S. 45ff. Vgl. z.B. Grant (1996b), S. 111f.
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langfristigen Wettbewerbsvorteilen werden vor allem mit implizitem Wissen124 geschaffen.125 Ursache dafür sind die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Eigenschaften und Merkmale: Es ist an Personen gebunden, schwer artikulierbar und daher schwer zu identifizieren und zu kopieren bzw. imitieren.126 Implizites Wissen entsteht in unternehmensinternen langwierigen Lern- und Erfahrungsprozessen127 und ist dadurch sehr unternehmensspezifisch. Hinzu kommt, dass die Aktivierung und Nutzung sowie der Umgang mit implizitem Wissen von Person zu Person unterschiedlich ist. Lernen und die Interpretation des Gelernten hängen vom Kontext und von bisherigen Kenntnissen ab.128 Neben dem wissensbasierten Ansatz ging aus dem ressourcenbasierten Ansatz ein weiterer theoretischer Ansatz hervor: der kompetenzbasierte Ansatz (auch „competence-based view“ genannt).129 Der kompetenzbasierte Ansatz betrachtet im Vergleich zum eher zeitpunktbezogenen Ressourcenansatz, die dynamische Entwicklung und zielgerichtete Aktivierung von Ressourcen als mögliche Erklärung des Unternehmenserfolges.130 Vor allem auf Erfahrungswissen basierende organisationale Kompetenzen und Fähigkeiten131, d.h. handlungsorientierte Potentiale, werden dabei als Erfolgsfaktoren angesehen. Erst durch diese „complex bundles of skills and accumulated knowledge, exercised through organization processes“132 kann das immanente Wirkungspotential von Ressourcen erschlossen und die notwendigen Aktivitäten innerhalb des Unternehmens koordiniert werden.133 Beispielsweise nutzt es einem Unternehmen nicht, eine bestimmte Technologie zu erwerben, wenn die Fähigkeiten, diese an die unternehmensspezifischen Gegebenheiten anzupassen, nicht vorhanden sind.134 Grundlagen für das dynamische Management von Ressourcen und die damit einhergehende ständige Weiterund Neuentwicklung von Kernkompetenzen sind Veränderungsprozesse im Unternehmen135: Bereits vorhandene Fähigkeiten werden koordiniert und integriert. Es findet eine Refiguration, d.h. eine umfassende Veränderung der Ressourcen- und Fähigkeitsausstattung des Unter124
125 126 127 128 129 130
131
132 133
134 135
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Konzentration auf implizites Wissen auch nachteilig sein kann. Die Nutzbarkeit impliziten Wissens kann durchaus begrenzt sein; durch implizites Wissen können Veränderungen, Innovation etc. behindert werden. Vgl. Ausführungen bei Ambrosini/Bowman (2001), S. 812; Freiling (2001), S. 119. Vgl. z.B. Howells (1996); Leonard/Sensiper (1998); von Krogh et al. (2000). Vgl. Ambrosini/Bowman (2001), S. 813; Berman et al. (2002), S. 14f; Hall/Andriani (2002), S. 145f. Vgl. z.B.Al-Laham (2003), S. 170. Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 4.4.2.2. Vgl. Zahn et al. (2000), S. 50f. Damit wird die kritisierte mögliche Tautologie des ressourcenbasierten Ansatzes umgangen. Vgl. dazu Eisenhardt/Martin (2000), S. 1108. In Übereinstimmung mit anderen Autoren werden die Begriffe organisationale Fähigkeit, Kompetenz und Kernkompetenz synonym verwendet. Vgl. Grant (1996a); Henderson/Cockburn (1994). Day (1994), S. 37. Vgl. Freiling (2004), S. 6. Siehe ebenda, S. 34ff auch für eine ausführliche Diskussion zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Ansätze. Vgl. Snyder (1996), S. 47ff sowie dort zitierte Quellen. Vgl. Teece et al. (1997), S. 518ff. Die Autoren betrachten die Sichtweise der „dynamic capabilities“ als neuen Ansatz. Dieser Argumentation wird hier nicht gefolgt.
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nehmens statt. Die grundsätzliche Fähigkeit, Ressourcen zu nutzen, zu koordinieren und zu kombinieren, basiert des Weiteren auf kollektiven und organisationalen Lernprozessen.136 Auf der Basis des ressourcenbasierten Ansatzes und seinen Weiterentwicklungen wird organisationales Lernen als Hauptquelle für nachhaltige Wettbewerbsvorteile angesehen.137 Organisationales Lernen „[...] is defined as increasing an organization’s capacity to take effective action.“138 Es ermöglicht einer Organisation, sich in einem komplexen Umfeld mit wandelnden Anforderungen139 durch eine gesteigerte Problemlösungsfähigkeit zu behaupten.140 Im Zuge der Diskussion zum organisationalen Lernen wird oftmals vom Konzept der lernenden Organisation gesprochen.141 Eine lernende Organisation definiert sich durch dynamische Lernprozesse, die zu einer ständigen Veränderung der Organisation bzw. der organisationalen Wissensbasis führen.142 Der Wandel zu einer lernenden Organisation setzt voraus, dass Erlerntes dauerhaft auf der Ebene der Organisation bewahrt wird und somit bei Bedarf verfügbar ist. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen viele Organisationen Wissensmanagement und seine Instrumentarien ein. 2.1.3
Wissensmanagement
Wissen gewinnt eine immer größere Bedeutung als Produktionsfaktor. Es wird aus Sicht des wissensbasierten Ansatzes als Grundlage für die Entwicklung unternehmensinterner Kernkompetenzen und damit als strategisch wichtigste Ressource angesehen.143 Damit wird Wissensmanagement als die bedeutendste Fähigkeit eines Unternehmens herausgestellt.144 So formulierte HERTZ treffend: „Good management is knowledge management“145. Viele Unternehmen versuchen mittels eines gezielten Wissensmanagements, den Umgang mit individuellem, kollektivem und organisationalem Wissen zu optimieren. „Versuchen“ spiegelt hier die vorherrschenden Probleme bei der Implementierung und Nutzung von WissensmanagementInstrumentarien wider.146 Wissensmanagement gilt im Unternehmenskontext immer mehr als ein Konzept oder Instrument zur Realisierung der viel diskutierten Metapher der lernenden Organisation. Diese hat 136 137 138 139 140 141 142
143 144 145 146
Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 82; Zahn et al. (2000), S. 53. Vgl. z.B. Leonard-Barton (1995), S. 261ff; Senge (1990). Kim (1993), S. 43. Vgl. auch Senge (1990), S. 14. Siehe dazu auch Erläuterungen zur Problemstellung im Abschnitt 1.1. Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 5 sowie Argyris/Schön (1978); Fiol/Lyles (1985). Vgl. z.B. Easterby-Smith et al. (1998), S. 261; Schreyögg/Noss (1995); Senge (1990). Oder wie SENGE feststellt: Lernende Organisationen sind Orte, „...where new and expansive patterns of thinking are nurtured, where collective aspiration is set free, and where people are continually learning how to learn together”. Senge (1990), S. 3. Vgl. z.B. Grant (1996a); Nonaka (1991); Teece (2002). Vgl. Smith/McKeen (2003b), S. 395; Zahn et al. (2000), S. 52. Hertz (1988), S. 114 z.n. Pawlowsky (1994), S. 152. Vgl. z.B. die Ausführungen bei Matzler et al. (2005), S. 4ff.
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bis dato keine befriedigende Umsetzung erfahren und ist dennoch in der heutigen (Wissens-) Gesellschaft aktueller denn je.147 Zahllose Unternehmen, vor allem multinational agierende Unternehmen bzw. Unternehmen aus wissensintensiven Branchen, haben in ihren Organisationen Wissensmanagement in die Unternehmensstrategie aufgenommen, Wissensmanagementsysteme eingeführt und Verantwortliche (Chief Knowledge Officers etc.) benannt.148 Dennoch fällt es Führungskräften meist schwer, präzise und knapp den Inhalt von Wissensmanagement zu erklären.149 Ähnlich wie beim Begriff Wissen herrscht auch in der Wissenschaft Uneinigkeit darüber, was unter Wissensmanagement genau zu verstehen ist. Bislang fehlt eine einheitliche terminologische und konzeptionelle Basis.150 Eine wesentliche Ursache für die unterschiedlichen Begriffe und Konzepte im Wissensmanagement kann in zwei verschiedenen Denkansätzen gesehen werden: (1) „Wissen als Input eines Prozesses“, welcher sich auf ein eher technikorientiertes Wissensmanagement bezieht, und (2) „Wissen als Prozess selbst“, der ein eher humanorientiertes Wissensmanagement fokussiert. Eine ganzheitliche Sichtweise verbindet die Aspekte beider Ansätze.151 Demnach wird sowohl eine Kodifizierungsstrategie (d.h. Wissen soll kodifiziert, gespeichert und damit wieder verwendbar werden) als auch eine Personifizierungsstrategie (d.h. die Vernetzung von Personen wird angestrebt) verfolgt.152 Dieses ganzheitliche Verständnis von Wissensmanagement wird in dieser Arbeit vertreten. Das übergeordnete Ziel von Wissensmanagement besteht in einer verbesserten Handlungskompetenz sowie Problemlösungs- und Anpassungsfähigkeit der Organisation. Dies soll durch den optimalen Einsatz der Ressource Wissen ermöglicht werden: Das richtige Wissen muss in erforderlicher Menge und entsprechender Qualität zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung stehen.153 Wissensmanagement umfasst demnach alle bewusst durchgeführten Maßnahmen, die die Erreichung dieses Zieles begünstigen. Auf dieser Argumentation aufbauend werden mit dem Begriff Wissensmanagement in dieser Arbeit alle Verfahren, Arbeitsmittel und Organisationen erfasst, die ein Unternehmen in seinen Prozessen anwendet, um die Ressource Wissen effizient und effektiv einzusetzen.154 Zum Erreichen dieses Zieles umfasst Wissensmanagement zwei Aspekte: zum einen den bewussten Auf- und Ausbau so147
148 149 150 151 152 153
154
Vgl. Mandl/Reinmann-Rothmeier (2000), S. 10. Eine umfassende Diskussion des Konzeptes Wissensmanagement ist an dieser Stelle jedoch nicht Ziel dieser Arbeit. Vielmehr sollen die grundlegenden Aspekte diskutiert werden, da sie den Rahmen für CoPs als ein Instrument des Wissensmanagements darstellen. Vgl. z.B.Probst et al. (1999), S. 22; von Krogh/Venzin (1995), S. 418. Vgl. Gontard (2002), S. 9. Vgl. z.B. Al-Laham (2003). S. 45. Vgl. Al-Laham (2003), S. 49f; Schneider (1996), S. 17ff; Schüppel (1996), S. 189. Vgl. Bhatt (2001), S. 68; Hansen et al. (1999), S. 107. Vgl. Amelingmeyer (2004), S. 20. Siehe dazu auch Probst et al. (1999), S. 55: „Die Wissensnutzung, also der produktive Einsatz organisationalem Wissens zum Nutzen des Unternehmens, ist das Ziel und der Zweck des Wissensmanagements.“ Wie eine Synopse existierender Definitionen zeigt, wird der Begriff von den Autoren unterschiedlich weit gefasst. Für eine ausführliche Diskussion siehe z.B. Al-Laham (2003), S. 46ff.
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Grundlagen der Untersuchung
wie die gezielte Nutzung der organisationalen Wissensbasis des Unternehmens; zum anderen die bewusste Gestaltung der strukturellen Rahmenbedingungen, die Lernprozesse im Unternehmen ermöglichen bzw. begünstigen.155 Während das Konzept des organisationalen Lernens die Veränderungsprozesse der organisationalen Wissensbasis beschreibt, verfolgt Wissensmanagement demnach eine Interventionsabsicht. Es kann als beabsichtigtes und gelenktes organisationales Lernen aufgefasst werden.156 Ausgehend von der Zielsetzung und der existierenden strategischen Ausrichtung des Unternehmens157 lassen sich konkrete Aufgaben des Wissensmanagements (auch Wissensziele genannt) benennen.158 Dabei scheint es sinnvoll, drei Ebenen zu unterscheiden: die strategische, die normative und die operative Ebene.159 Auf der normativen Ebene werden die Grundlagen für eine generelle Bereitschaft im Unternehmen geschaffen, sich mit Wissen bzw. Wissensaspekten auseinanderzusetzen. Es soll eine wissensfreundliche Kultur gefördert bzw. aufgebaut werden. Die normative Ebene bildet die Basis für ein strategisches und operatives Wissensmanagement. Auf strategischer Ebene geht es um die langfristige Ausrichtung des Unternehmens und die damit verbundenen langfristigen Wissensziele. Dies umfasst die Identifikation und Sicherung von vorhandenen Kernkompetenzen in bestimmten Wissensgebieten sowie auch die gezielte Entwicklung bzw. Beschaffung von Wissen, welches für den zukünftigen Unternehmenserfolg von Bedeutung ist. Auf der operativen Ebene wird Wissensmanagement in das operative Tagesgeschäft integriert. Diese Ebene umfasst demnach alle Maßnahmen, die jenes Wissen verfügbar machen, das in Unternehmensprozessen benötigt wird. Um diese Wissensziele zu erreichen, umfasst Wissensmanagement verschiedene Prozesse bzw. Aktivitäten. In der deutschsprachigen Literatur wird dabei sehr oft auf die Bausteine nach PROBST et al. verwiesen.160 Wissensmanagement beinhaltet die Kernprozesse Wissensbewahrung, Wissensnutzung, Wissens(ver-)teilung, Wissensentwicklung, Wissenserwerb und Wissensidentifikation. Zusätzlich zu diesen Kernprozessen, die vornehmlich auf der operativen Ebene wirken, sollten auch die strategisch ausgerichteten Bausteine Wissensziele und
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158
159
160
Vgl. Al-Laham (2003), S. 50; Pawlowsky (1994), S. 154. Vgl. z.B. Probst et al. (1999), S. 47; Romhardt (1998), S. 45. Auf der Basis der Unternehmensstrategie definiert ein Unternehmen seine Wissensstrategie, d.h. beispielsweise können Wissensmanagement-Maßnahmen vornehmlich auf die Kodifizierung und weniger auf die Personalisierung von Wissen ausgerichtet sein. Vgl. Hansen et al. (1999), S. 106ff. Siehe zur Wissensstrategie auch die Ausführungen von Blumentritt/Johnston (1999); Hofer-Alfeis/van der Spek (2002); Liebeskind (1996); Scheepers et al. (2004); Zack (1999). Hier wird erneut deutlich, dass es kein einheitliches, überschneidungsfreies Verständnis des Wissensmanagements gibt. Ziele bzw. Wissensziele, Prozesse bzw. Aktivitäten, Aufgaben und Instrumente werden je nach Autor unterschiedlich verstanden und definiert. Sie bedingen sich untereinander. Es gibt eine Vielzahl an Auffassungen, auf die hier nur verwiesen werden kann. Vgl. z.B. Amelingmeyer (2004), S. 28ff. Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen z.B. Albrecht (1993), S. 103ff; Al-Laham (2003), S. 48; North (1999), S. 149f.; Probst et al. (1999), S. 70ff. Vgl. Probst et al. (1999), S. 53ff.
Grundlagen der Untersuchung
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Wissensbewertung Teile des Wissensmanagements sein. Diese Prozesseinteilung weist einen hohen Detaillierungsgrad auf und wird nicht von allen Autoren geteilt.161 Instrumente des Wissensmanagements sind jene Arbeitsmittel, Systeme oder Maßnahmen, welche die o.g. Prozesse und Aktivitäten auf der operativen Ebene ermöglichen. Da die verschiedenen Instrumente bzw. Maßnahmen i.d.R. mehrere Ziele gleichzeitig unterstützen und zumeist auf verschiedenen Ebenen wirken bzw. Bereiche betreffen (Technologie, Mensch, Organisation/Prozesse162), existiert keine einheitliche, überschneidungsfreie Strukturierung.163 Beispielhaft seien einige Instrumente genannt164: Suchmaschinen, Datenbanken, Dokumentenmanagementsysteme, Wissenslandkarten, Expertenverzeichnisse (auch Yellow Pages oder Gelbe Seiten genannt), Patentmanagement, Mitarbeiterschulungen, Best-Practice-Transfer, Lessons Learned, Benchmarking, After Action Review (Debriefing), Kompetenzzentren und Wissensgemeinschaften bzw. CoPs. Das letztgenannte Instrument ist der Forschungsgegenstand dieser Arbeit und wird im nachfolgenden Abschnitt genauer vorgestellt.
2.2 2.2.1
Communities of Practice Begriffsbestimmung
Bedingt durch die Aktualität des Themas Wissensmanagement sind CoPs165 sowohl in der aktuellen Literatur als auch in der gegenwärtigen Praxis Gegenstand vielfältiger Diskussionen.166 Das Phänomen der CoPs ist jedoch nicht neu; es wurde lediglich anders bezeichnet: Bereits in frühester Menschheitsgeschichte gab es informelle Gemeinschaften167 von Jägern,
161
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164 165
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Letztendlich stellen die verschiedenen Ansätze eine Aggregation der Bausteine von PROBST et al. dar: NORTH unterscheidet beispielsweise fünf Prozesse: Wissensbeschaffung, -entwicklung, -transfer, -aneignung, -weiterentwicklung. LASZLO/LASZLO betrachten vier Prozesse: Akquirierung, Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Wissen. DAVENPORT/PRUSAK benennen hingegen lediglich drei Prozesse: Wissensgenerierung, -kodifizierung, -transfer. Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 111; Laszlo/Laszlo (2002), S. 401; North (1999), S. 4. Vgl. auch die Übersicht bei Holsapple/Joshi (2002), S. 103f sowie dort zitierte Quellen. Vgl. zu diesen Dimensionen eines ganzheitlichen Wissensmanagements z.B. Bullinger et al. (1998), S. 23. Beispielsweise ordnen PROBST et al. die Instrumente den acht Prozessschritten zu; AMELINGMEYER unterscheidet die Instrumente und Maßnahmen hinsichtlich des verfolgten strategischen Zieles (Erweiterung, Erhöhung der Nutzung sowie Sicherung der Wissensbasis) und weiterhin u.a. nach den Wissensträgern. Vgl. Amelingmeyer (2004), S.121ff; Probst et al. (1999), S. 63ff. Vgl. z.B. Schoen (2001), S. 215. Im Rahmen dieser Arbeit wird zumeist der englische Begriff Community of Practice genutzt, da dieser sich mittlerweile auch in der deutschsprachigen Literatur durchgesetzt hat. Des Weiteren werden die Begriffe Wissensnetzwerk und Wissensgemeinschaft genutzt. Vgl. z.B. North et al. (2004); Saint-Onge/Wallace (2003); Spath et al. (2003); Thompson (2005). Der deutschsprachige Begriff „Ge-mein-schaft“ geht auf den gotischen Begriff „gamains“ zurück, was „gemeinschaftlich bzw. die Gemeinschaft“ bedeutet. Der darin enthaltene indo-europäische Begriff „mei“ bedeutet „Tausch, tauschen oder kontrahieren“, d.h. er verweist auf Formen des gegenseitigen materiellen oder immateriellen Austausches. Die etymologische Betrachtung des angelsächsischen Begriffs „community“ führt zu ähnlichen Erkenntnissen. Vgl. dazu die Ausführungen bei Eppler/Diemers (2001), S. 26. Nach TÖNNIES steht der Begriff der Gemeinschaft, wo Handeln in Bezug auf gemeinsame Verhältnisse und kollektive Ziele ausgerichtet ist, im Kontrast zum Begriff Gesellschaft, wo Wettbewerb, Individualismus und eige-
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Grundlagen der Untersuchung
die dem Erfahrungsaustausch galten. In der Antike entwickelten sich Zusammenschlüsse von Handwerkern und Ärzten, die neben dem sozialen Zweck ökonomische Ziele wie Aus- und Weiterbildung oder die Verbreitung von neuen Techniken verfolgten. Eine ähnliche Funktion übernahmen die mittelalterlichen Zünfte in Europa. Während sich in all diesen Gemeinschaften vornehmlich Selbständige zusammenschlossen, werden in der aktuellen Diskussion um CoPs vor allem Gemeinschaften aus Mitgliedern von Organisationen betrachtet.168 Nachfolgend soll ein einheitliches Verständnis des Begriffes CoP erarbeitet werden. Dies ist besonders im Hinblick auf die Tatsache relevant, dass das ursprüngliche Verständnis einer CoP sehr weit gefasst und daher allgemein gültig ist. Aufgrund des spezifischen Untersuchungsgegenstandes ist es für den Fortgang dieser Arbeit hingegen notwendig, ein enger gefasstes Begriffsverständnis von CoPs zu Grunde zu legen. Geprägt wurde der Begriff Community of Practice bereits im Jahre 1990 von LAVE/WENGER, die aus sozio-kultureller Perspektive Lernprozesse in Gruppen untersuchten und auf diesen Ergebnissen aufbauend eine „soziale Theorie des Lernens“ aufstellten.169 Die Forscher bezeichneten eine CoP als ein aktives System, deren Mitglieder ihr Verständnis von dem, was sie tun, austauschen und durch diese Tätigkeit bzw. ihr geteiltes Verständnis darüber verbunden sind.170 Ausgehend von der allgemein gültigen Definition von LAVE/WENGER ist in Tab. 2-1 eine Auswahl von Definitionen und Beschreibungen von CoPs chronologisch nach dem Erscheinungsjahr zusammengestellt.171 Sie bildet die Grundlage für die nachfolgende Erarbeitung des Begriffes CoP sowie die Diskussion der Merkmale im nächsten Abschnitt.
168 169
170 171
ne Interessen vorherrschend sind. Vgl. Tönnies (1922), z.n. Eppler/Diemers (2001), S. 27; Fernback (1999), S. 206f; Katz/Kahn (1978), S. 258. Vgl. zum Abschnitt z.B. Henschel (2001), S. 45; Renzl (2003), S. 92f.; Wenger/Snyder (2000a), S. 56. Zunächst veröffentlicht in einem Bericht des Institute for Research on Learning, Palo Alto, CA (vgl. Lave/Wenger (1990)). 1991 erschien eine überarbeitete Version dieses Berichts als Buch (vgl. Lave/Wenger (1991)). Siehe dazu auch die weiteren Ausführungen im Abschnitt 3.1 zu den Ursprüngen der CoPForschung. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 98 sowie Ausführungen bei Wenger (1998b), S. 5f. Es sei darauf verwiesen, dass einge der aufgeführten Autoren einen anderen Begriff als CoP nutzen (vgl. z.B. North et al. (2000), von Krogh/Wicki (2001)) bzw. CoPs als eine Untergruppe z.B. von Praktikernetzwerken (Network of Practices) oder Wissensgemeinschaften sehen (vgl. u.a. Teigland (2003)). Siehe auch die Ausführungen im Abschnitt 2.2.3 zur Abgrenzung von CoPs.
Grundlagen der Untersuchung
27
Autor(en)
Definition/Beschreibung/Charakteristika
LAVE/WENGER (1991), S. 98
„[…] an activity system about which participants share understandings concerning what they are doing and what that means in their lives and for their communities. […] A community of practice is a set of relations among persons, activity, and world, over time and in relation with other tangential and overlapping communities of practice.” „At the simplest level, they are a small group of people […] who've worked together over a period of time. Not a team, not a task force, not necessarily an authorized or identified group. People in CoPs can perform the same job (tech reps) or collaborate on a shared task (software developers) or work together on a product (engineers, marketers, and manufacturing specialists). They are peers in the execution of "real work". What holds them together is a common sense of purpose and a real need to know what each other knows.” „Communities of Practice consist of people who are informally as well as contextually bound by a shared interest in learning and applying a common practice.” „Communities of Practice are everywhere. We all belong to a number of them – at work, at school, at home, in our hobbies. Some have a name; some don’t. […] Members of a community are informally bound by what they do together – from participating in lunch-time discussions to solving difficult problems – and by what they have learned though their mutual engagement in these activities. … A community of practice defines itself along three dimensions: What it is about – its joint enterprise as understood and continually renegotiated by its members; How it functions – the relationships of mutual engagement that bind members together into a social entity; What capability it has produced – the shared repertoire of communal resources (routines, sensibilities, artefacts, vocabulary, styles, etc.) that members have developed over time.” (H.i.O.) „Communities of practice are composed of groups of individuals united in action.”
BROWN/GRAY (1995), S. 81
SNYDER (1997), S. 3 WENGER (1998a), S. 2
LIEDTKA (1999), S.5 MCDERMOTT (1999b), S. 1 NORTH et al. (2000), S. 54.
GONGLA/RIZZUTO (2001), S. 843. HENSCHEL (2001), S. 49
LESSER/EVEREST (2001), S. 38 LESSER/STORCK (2001), S. 831 LINDENTHAL et al. (2001), S. 38 VON KROGH/WICKI (2001), S. 269
„Communities of Practice are groups of people who share ideas and insights, help each other solve problems and develop a common practice or approach to the field.” „Wissensgemeinschaften sind über einen längeren Zeitraum bestehende Personengruppen, die Interesse an einem gemeinsamen Thema haben und Wissen gemeinsam aufbauen und austauschen wollen. Die Teilnahme ist freiwillig und persönlich. Wissensgemeinschaften sind um spezifische Inhalte gruppiert.“ „[...] institutionalized, informal networks of professionals managing domains of knowledge“ „Eine Community of Practice ... ist eine Gruppe von Personen, die inhaltlich durch ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Tätigkeit oder ein gemeinsames Bestreben sowie durch soziale Beziehungen und gemeinsam Werte miteinander verbunden sind.“ „...informal groups of individuals who have similar work-related activities and interests.“ „...a group whose members regularly engage in sharing and learning, based on their common interests.” „Praxisgemeinschaften sind Gruppen von Menschen, die gemeinsam etwas tun, vor ähnlichen Problemen stehen und eine gemeinsame „Sprache“ sprechen.“ „Eine Praktikergemeinschaft ist eine Gruppe von Individuen, welche Identität, Sprache und Arbeitspraktiken teilt, die nicht unbedingt in Arbeitsbeschreibungen oder Geschäftsprozessen verankert sind. Sie besitzt eine kollektive Kompetenz indem sie gemeinsamen Aktivitäten nachgeht.“
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Grundlagen der Untersuchung
Autor(en)
Definition/Beschreibung/Charakteristika
DAVENPORT/HALL (2002), S. 172
“The community of practice […] denotes the level of social world at which a particular practice is common and coordinated, at which generic understandings are created and shared, and negotiation is conducted.” „…a group of people sharing their practical experience, specialist skills and intuitive knowledge about a common interest, with each group developing its own social and cognitive repertoire governing its actions and interpretations. The process of knowledge-exchange takes place on an informal basis and the members of such a Community develop a single identity – as well as shared values and knowledge – by solving common problems, becoming involved in their mutual work and sharing their everyday concern.” „[…] are defined by a common disciplinary background, similar work activities and tools, and shared stories, contexts, and values” „…groups of people who share a concern, a set of problems, or a passion about a topic, and who deepen their knowledge and expertise in this area by interacting on an ongoing basis.” „CoPs are defined by the opportunities to learn, share and critically evaluate what they discover or what may unexpectedly emerge. Bound by a sense of collective identity, founded on interest and intrinsic value expectations…” „[…] a set of individuals connected together through social relationships that emerge as individuals interact on task-related matters when conducting their work.” „Communities of Practice are inter- or intra-organisational, often geographically dispersed, groups of people that have a long-term orientation on knowledge sharing or knowledge creation activities. The groups have their own identity and focus their knowledge processes around a certain practice, i.e. professional discipline, skill or topic.” „Communities of practice are the informal networks of collaboration that naturally grow and coalesce within organizations.”
ENKEL et al. (2002), S. 111
MILLEN et al. (2002), S. 69. WENGER et al. (2002), S. 4 O’DONNELL et al. (2003), S. 81 TEIGLAND (2003), S. 4 ANDRIESSEN/VERBURG (2004), S. 2
TYLER et al. (2005), S. 133
Tab. 2-1: Beispielhafte Definitionen und Beschreibungen des Begriffs Community of Practice
Bei der Betrachtung der verschiedenen Definitionen und Beschreibungen fällt zunächst auf, dass in der CoP-Literatur Synonyme bzw. Übersetzungen des Begriffs CoP verwendet werden: im Deutschen beispielsweise Praxisgemeinschaften, Wissensgemeinschaften, Praktikergemeinschaften, Interessengemeinschaften, Expertennetzwerke; im Englischen Knowledge Communities, Knowledge Networks, Expert Networks, Common Interest Groups, Global Networks, Business Communities.172 Zum Teil gehen die Bezeichnungen jedoch auch mit anderen Begriffsverständnissen bzw. Konzeptualisierungen einher.173 Diese Problematik wird im Abgrenzungskapitel adressiert.174 Wie in Tab. 2-1 sichtbar ist, existiert eine Vielzahl an Definitionen und Beschreibungen von CoP, von denen sich einige durchaus ähneln. Dennoch existiert keine allgemein anerkannte
172 173
174
Vgl. Boland Jr./Tenkasi (1995). S. 351; Schoen (2001), S. 56. Beispielsweise nutzt TEIGLAND den Begriff Network of Practice (NoP). Darunter subsummiert die Autorin CoPs sowie verschiedene NoPs (intra- bzw. interorganisationale verteilte und elektronische), wobei sie diese Unterscheidung anhand der Merkmale Kommunikationskanäle (face-to-face, elektronisch, gemischt) bzw. Charakter (co-located, nicht co-located intraorganisational, interorganisational) trifft. Für die Autorin sind CoPs lokale Gemeinschaften, die nur face-to-face interagieren. Vgl. Teigland (2003), S. 23ff. Siehe Abschnitt 2.2.3.
Grundlagen der Untersuchung
29
Definition des Begriffes CoP.175 Dies resultiert primär daraus, dass die Autoren unterschiedliche Schwerpunkte setzen bzw. Zielrichtungen verfolgen. Des Weiteren variiert auch der Kontext, in dem die betrachteten CoPs definiert bzw. beschrieben wurden: Während einige Autoren (z.B. die Begründer des Begriffs LAVE/WENGER) Lern- bzw. Interessengemeinschaften aller Art untersuchen176, betrachten andere Autoren (u.a. BROWN/GRAY, HENSCHEL, LESSER/STORCK) explizit Gemeinschaften in Unternehmen. SCHOEN führt diesen Unternehmensbezug in seiner Beschreibung der Charakteristika von CoPs an: Der Einzelne nimmt nur so lange an der CoP teil, wie es ihm bezüglich seiner Arbeitsziele und damit den Geschäftszielen etwas nützt.177 LESSER/EVEREST und TEIGLAND charakterisieren die Aktivitäten in einer CoP als arbeitsbezogene Aktivitäten.178 Die Mehrzahl der existierenden Definitionen und Beschreibungen beinhaltet jedoch keinen direkten Bezug zu einer Organisation. Der Fokus liegt vielmehr auf der allgemeinen Charakterisierung der gemeinsamen Tätigkeit von Mitgliedern einer CoP. Dies führt dazu, dass der viel zitierte Begriff der CoP in der praktischen Anwendung problematisch ist: Alles und nichts wird zu einer CoP, so ROMHARDT.179 Die Definition einer CoP in dieser Arbeit soll sich eindeutig auf die Unternehmenspraxis beziehen, d.h. die Mitglieder dieser Gemeinschaften sind Angestellte in einem Unternehmen.180 Der Unternehmensbezug ist von besonderer Relevanz, weil damit ein anderes Verständnis von Praxis einhergeht. „Communities of Practice develop around things that matter to people”181, so WENGER. Mit dieser Annahme ist ein sehr weit gefasster CoP-Begriff beschrieben. Er umfasst jegliche Art von Praxis. Dies führt dazu, dass Gemeinschaften in allen Bereichen sozialer Interaktion als CoPs verstanden werden: sowohl berufliche als auch private Lern- oder Interessengruppen (z.B. Sportgruppen, Internet-(Hobby)-Gemeinschaften etc.).182 Der Fokus dieser Arbeit liegt hingegen auf Gemeinschaften, die in Unternehmen existieren. Sie wurden z.T. gezielt initiiert und werden bewusst unterstützt, um die Ressource Wissen bestmöglich zu nutzen. Demnach gibt es einen klaren Bezug zu den Unternehmenszielen. Die betrachteten CoPs sind kein Selbstzweck, sondern ein Instrument des Wissensmanagements.183 Da175 176
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181 182 183
Vgl. auch Schoen (2001), S. 56. LAVE/WENGER untersuchten berufliche Gemeinschaften, aber auch Interessengemeinschaften wie z.B. die Anonymen Alkoholiker. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 59ff; Wenger (1998b), S. 295. In seinen jüngsten Veröffentlichungen geht WENGER vornehmlich auf CoPs in Unternehmen ein. Dies ging einher mit der Verbreitung des Konzeptes in der Unternehmenspraxis bzw. WENGER’s eigener Beratungspraxis. Dies wird kritisch diskutiert bei Contu/Willmott (2000), S. 272f. Vgl. Schoen (2001), S. 59. Vgl. Lesser/Everest (2001), S. 38; Teigland (2003), S. 4. Vgl. die Diskussion bei Romhardt (2002), S. 36. Da vornehmlich internationale Großunternehmen CoPs anwenden, werden in der Unternehmenspraxis i.d.R. englische Bezeichnungen für CoPs bzw. entsprechende Synonyme genutzt. Es gibt jedoch auch firmen-/ organisationsspezifische Bezeichnungen gibt, wie z.B. bei DaimlerChrysler, wo die CoPs TechClubs genannt werden (vgl. z. B. Wolf (2003), S. 110), oder die Thematic Groups bei der Weltbank (vgl. Fulmer (2001)). Wenger (1998a), S. 2. Vgl. Boland Jr./Tenkasi (1995), S. 352; Wenger (1998a), S. 2. Vgl. Schoen (2001), S. 52.
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Grundlagen der Untersuchung
durch grenzen sie sich von den im Zuge des Internet-Booms in rascher Geschwindigkeit und in großer Vielzahl entstandenen Freizeit-Communities ab.184 Die in dieser Arbeit untersuchten CoP stellen einen Spezialfall der CoPs im ursprünglichen Verständnis dar. Für die vorliegende Untersuchung wird daher eine CoP i.e.S. definiert: Eine Community of Practice ist eine Gemeinschaft von Personen, die aufgrund eines gemeinsamen Interesses oder Aufgabengebietes über formale Organisationsgrenzen hinweg miteinander interagieren (virtuell und/oder face-to-face) mit dem Ziel, Wissen in einem für das Unternehmen relevanten Themengebiet gemeinsam zu entwickeln, zu (ver-)teilen, anzuwenden und zu bewahren. Organisationsgrenzen bestehen aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Team, einer Abteilung, einem Geschäfts- oder Unternehmensbereich. Gemäß der Definition besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Mitglieder in den Wissensaustausch auch unternehmensexterne Personen einbeziehen, jedoch wird die CoP durch das strategisch relevante Thema dem Unternehmen zugeordnet. Des Weiteren schließt diese Definition sowohl gezielt initiierte (formale) als auch selbstentwickelte (informale) CoPs ein, da beide Formen in der Unternehmenspraxis vorzufinden sind.185 2.2.2
Merkmale von Communities of Practice
2.2.2.1 Grundlegende Prämissen Nachdem die begriffliche Grundlage dieser Untersuchung (CoPs i.e.S.) definiert worden ist, sollen nun die Merkmale und Besonderheiten dieser Gemeinschaften näher betrachtet werden. Zunächst wird auf die grundlegenden Prämissen des CoP-Konzeptes eingegangen. Diese Ausführungen stellen die Basis zum Verständnis von CoPs dar. Das Konzept von CoPs basiert auf zwei zentralen Prämissen: (1) dass die Tätigkeiten, die in einer Organisation stattfinden, immer gemeinschaftliche Prozesse sind und (2) dass entgegen der traditionellen statischen Sichtweise Wissen aus der Verknüpfung von Denken und Handeln resultiert, d.h. stets handlungsbezogen ist.186 Auf die zweite Prämisse soll etwas detaillierter eingegangen werden. Nach dem traditionellen Verständnis ist Lernen bzw. die Entwicklung und Entstehung von Wissen ein individueller Prozess, der isoliert von anderen stattfindet. Wie jedoch von diversen Autoren (insbesondere im Kontext der lernenden Organisation und des Wissensmanagements)
184
185 186
Bezüglich der Abgrenzung von CoPs zu anderen Arten von Gemeinschaften außerhalb und innerhalb von Organisationen siehe Abschnitt 2.2.3. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Entstehung von CoPs in nachfolgenden Abschnitt 2.2.2.2. Vgl. Hislop (2003a), S. 165.
Grundlagen der Untersuchung
31
betont wird, sind Lernen und Arbeiten soziale Prozesse.187 Sie sind durch andauernde Interaktionen von Individuen, die im selben Kontext arbeiten oder vor ähnlichen Problemstellungen stehen, gekennzeichnet. BARNES beschreibt diesen Aspekt anschaulich: „…knowledge is being treated as essentially social, as a part of the culture which is transmitted from generation to generation, and as something which is actively developed and modified in response to practical contingencies. […] Knowledge is not produced by passively perceiving individuals, but by interacting social groups engaged in particular activities. And it is evaluated communally and not by isolated, individual judgements.”188
Um die Entstehung von Wissen zu verstehen, ist daher der soziale und kulturelle Kontext von großer Bedeutung.189 Lernen ist ein andauernder, kontinuierlicher Gruppenprozess, der z.T. unbewusst, jedoch immer im Kontext des Handelns stattfindet.190 Dieses Verständnis führt einerseits zur Bezeichnung Community, andererseits zum Begriff der Practice. Durch die gemeinsame Praxis wird die handlungs- und kontextbezogene Sichtweise auf Wissen deutlich.191 COOK/BROWN zufolge wird Praxis in diesem Zusammenhang definiert als “[…] the coordinated activities of individuals and groups in doing their “real work” as it is informed by a particular organizational or group context”192. Die gemeinsame Praxis, ein andauernder, sozialer und interaktionaler Prozess193, ist das verbindende Element zwischen Mitgliedern einer CoP. Dabei bezeichnet die kollektive Praxis nicht nur den eigentlichen Arbeitskontext mit seinen Prozessen, Methoden und Werkzeuge, sondern wie WENGER betont: „The concept of practice connotes doing, but not just doing in and of itself. It is doing in a historical and social context that gives structure and meaning to what we do. In this sense, practice is always social practice. Such a concept of practice includes both the explicit and the tacit. It includes what is said and what is left unsaid; what is represented and what is assumed.“194
Nach WENGER ist die gemeinsame Praxis durch folgende drei Aspekte bestimmt: (1) das gemeinsame Handeln der Beteiligten (mutual engagement); (2) eine gemeinsame Problemlage bzw. eine gemeinsame Herausforderung (joint enterprise) sowie (3) das gemeinsam aufgebaute Repertoire (shared repertoire).195 CoPs werden durch die andauernde Interaktion der Community-Mitglieder, d.h. dem gemeinsamen Handeln, sowie den daraus entstehenden sozialen Beziehungen konstituiert. Eine CoP besteht nur so lange, wie die Mitglieder eine gemeinsame 187 188 189 190
191
192 193 194 195
Vgl. für einen Überblick zu dieser Entwicklung Araujo (1998), S. 321ff. Barnes (1977), S. 2. Vgl. Barnes (1977), S. 2. Vgl. zum Abschnitt z.B. Brown/Duguid (1991), S. 46f; Gherardi et al. (1998), S. 275ff; Hislop (2003b), S. 165ff; Lave/Wenger (1991), S. 32ff. Siehe dazu auch Böhm (2000), S. 27: „Wissen und Kontext konstituieren sich gegenseitig und entwickeln einen institutionellen Hintergrund, der für die Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft als selbstverständliche objektive Realität zugänglich ist.“ Cook/Brown (1999), S. 386f. Vgl. Wenger (1998b), S. 102. Wenger (1998b), S. 47. Vgl. Wenger (1998b), S. 73.
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Tätigkeit ausüben oder aber ein gemeinsames Interesse an einem Thema oder Aufgabengebiet haben196 und dementsprechend die Interaktion aufrechterhalten. Ein dauerhaftes Miteinanderhandeln allein macht jedoch noch keine CoP aus. Das zweite verbindende Charakteristikum stellt eine gemeinsame Problemstellung bzw. Herausforderung dar. Eine CoP hat bestimmte Inhalte, die von den Problemen der Mitglieder abhängen. Das bedeutet, dass eine CoP einen bestimmten thematischen Schwerpunkt hat, jedoch kein klar abgestecktes Ziel; außer dem des übergeordneten Zieles des gemeinsamen Lernens. Dieses wird erreicht, indem Wissen, Informationen sowie gemachte Erfahrungen geteilt werden und neues Wissen entwickelt wird.197 Mit dieser kollektiven Herausforderung geht einher, dass die Mitglieder eine gegenseitige Verantwortung in Bezug auf die Lösung dieser Herausforderung fühlen. Das dritte konstituierende Merkmal der gemeinsamen Praxis bezieht sich auf die Entwicklung eines Repertoires an Vorgehensweisen, Ausdrucksformen, Sichtweisen etc, mit welchem die Mitglieder vertraut sind. Dabei sind nicht alle Mitglieder gleichermaßen damit vertraut, sondern in Abhängigkeit von ihrem Aktivitätslevel.198 Die Praxis hat mit Lernen genauso viel zu tun wie mit Handeln. In CoPs wird Lernen-beimArbeiten199 ermöglicht, d.h. Lernen geht mit dem täglichen Handeln, d.h. der täglichen Praxis einher.200 Dies führt zur Bezeichnung Community of Practice: „Over time, this collective learning results in practices that reflect both the pursuit of our enterprises and the attendant social relations. These practices are thus the property of a kind of community created over time by the sustained pursuit of a shared practice. It makes sense, therefore, to call these kinds of communities communities of practice.”201
2.2.2.2 Communities of Practice als soziale Netzwerke Der Begriff „Community“ wird in den Sozialwissenschaften zum einen dazu verwendet, eine soziale Einheit oder ein Kollektiv zu beschreiben, zum anderen eine Art sozialer Beziehung(en).202 Analog dazu lassen sich CoPs aus zwei verschiedenartigen Perspektiven betrachten: als eine soziale Gruppe oder aber als ein Netz von sozialen Beziehungen. Diese zwei, sich gegenseitig ergänzenden Betrachtungsweisen von Gemeinschaften in Organisationen bilden die Grundlage für die Erarbeitung und Diskussion der Merkmale von CoPs. In Abhängigkeit
196 197
198
199
200 201 202
Vgl. u.a. Lesser/Storck (2001), S. 831; Snyder (1997), S. 3; Wenger (1998a), S. 2. Vgl. u.a. APQC (2000), S. 3; Lesser/Storck (2001), S. 831; McDermott (1999a), S. 34; Wenger (1998a), S. 1f. Vgl. zum Abschnitt die Ausführungen bei Wenger (1998b), S. 45ff bzw. 73ff sowie Lindenthal et al. (2001), S. 39ff. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 41. BROWN/DUGUID schlagen aus diesem Grund vor, „[…] looking at knowledge and organisation through the prism of practice - the way in which work gets done and … knowledge is created.“ (Brown/Duguid (2001), S. 200). Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 47ff; Snyder (1997), S. 3. Wenger (1998b), S. 45. Vgl. Bell/Newby (1971) z.n. von Krogh/Wicki (2001), S. 273.
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von einer organisationspsychologischen Sicht oder aus der Netzwerkperspektive203 rücken verschiedenen Charakteristika von CoPs in den Fokus der Betrachtung.204 Die zwei unterschiedlichen Sichtweisen ermöglichen das Sich-Annähern an das Phänomen CoP. Sie sind hilfreich, um das Konstrukt CoP in all seinen Facetten zu verstehen.205 Aus einer Netzwerkperspektive kann jede Organisation als Ansammlung multipler Netzwerke206 verstanden werden, durch die Güter, Dienste, Informationen, Einfluss und Sympathien geschleust werden.207 Jede Gemeinschaft innerhalb einer Organisation kann als spezifisches soziales Netzwerk verstanden werden.208 Demnach ist auch die CoP eine Form des sozialen Netzwerks.209 Auf Basis der Definition eines sozialen Netzwerkes als „[…] a specific set of linkages among a defined set of actors, with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behavior of the actors involved“210
kann eine CoP als ein spezifisches Geflecht sozialer Beziehungen bezeichnet werden, in deren Mittelpunkt soziale Beziehungen zwischen den Community-Mitgliedern stehen.211 Im Fokus der Netzwerkperspektive stehen vor allem die Relationen zwischen den Individuen und der Informationsfluss, der zwischen diesen stattfindet.212 Aufbauend auf dieser allgemeinen Beschreibung sollen nachfolgend aus einer Netzwerkperspektive zunächst die grundsätzlichen Charakteristika sowie etwas detaillierter die Entstehung, der Lebenszyklus, die Mitgliedschaft und die Grenzen von CoPs erörtert werden.
203
204 205
206
207 208 209
210 211 212
Siehe Nohria (1992) für eine ausführliche Diskussion, warum es sinnvoll sein kann, Organisationen aus Netzwerkperspektive zu betrachten. Vgl. dazu auch Wellman (2000), S. 135f. Auf der Grundlage dieser Überlegung werden Befunde aus der Netzwerktheorie sowie der Gruppen- und Teamforschung zur Herleitung des Bezugsrahmens der Untersuchung herangezogen werden. Der Begriff des Netzwerkes geht im weitesten Sinne auf Fayol (1929) zurück und beschreibt allgemein die Beziehungen von Akteuren. Dies können einzelne Individuen, Gruppen, aber auch mehrere Organisationen sein. Vgl. z.B. Henschel (2001), S. 57; Seufert et al. (1999), S. 181. Siehe Schenk (1984), S. 1ff zur Diskussion der Entwicklung des Konzeptes des sozialen Netzwerkes. Vgl. Schenk (1984), S. 245. Vgl. Mitchell (1969) z.n. Eppler/Diemers (2001), S. 29. Der Umkehrschluss im Sinne jedes soziale Netzwerk sei eine CoP gilt jedoch nicht. Vgl. Henschel (2001), S. 58; Schenkel et al. (2001), S. 6. Tichy et al. (1979), S. 507. Vgl. dazu auch Henschel (2001), S. 60; van Baalen et al. (2005), S. 303. TICHY et al. benennen drei wesentliche Flüsse: (a) Austausch von Gütern, (b) Austausch von Informationen oder Ideen sowie (c) Emotionen/Vorlieben. Vgl. Tichy et al. (1979), S. 507ff sowie Brass/Burkhardt (1992), S. 197.
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Grundlagen der Untersuchung
Grundsätzliche Charakteristika Die allgemeine Definition eines sozialen Netzwerkes enthält keine Aussagen zu den Eigenschaften der Akteure und ihrer Beziehungen zueinander. Demnach wären Personen, die über ein Computernetzwerk miteinander verbunden sind, bereits ein soziales Netzwerk. Wenn es keine Interaktion zwischen den Akteuren gibt, so kann allerdings nicht von einem sozialen Netzwerk gesprochen werden. Demnach sind soziale Netzwerke durch wiederholte, andauernde Interaktion/Austauschbeziehungen der Akteure gekennzeichnet.213 Es sollten außerdem mehr als zwei Akteure zum Netzwerk gehören, da eine triadische Beziehung andere Eigenschaften als eine dyadische Beziehung aufweist214: reduzierte Individualität und weniger individuelle Macht des Einzelnen.215 In Netzwerken fehlt im Vergleich zu Hierarchien eine legitimierte organisationale Autorität, die bei Problemen, Streits etc. schlichtet.216 CoPs sind selbstorganisierende Gemeinschaften, deren Mitglieder in andauernder Interaktion zueinander stehen. Das Merkmal der Selbstorganisation hat weit reichende Folgen, beispielsweise das Management dieser Netzwerke betreffend.217 VAN BAALEN et al. fassen all die genannten Aspekte in ihrer Definition eines Netzwerkes zusammen: “[A] network can be viewed as a social exchange structure with its own governance structure and patterns of interaction in which flows of resources between independent units (or individuals) take place.”218
Das soziale Verhalten innerhalb des Netzwerkes wird durch die Charakteristika der Beziehungen zwischen den Akteuren geprägt. Ein soziales Netzwerk ist gekennzeichnet durch eine unregelmäßige Verknüpfung der Akteure. Dabei unterhalten einige der Akteure multiple Beziehungen, während andere Akteure eine bzw. sehr wenige Verknüpfungen zu anderen Netzwerkmitgliedern haben. Einzelne Beziehungen können sich in einem deaktivierten, latenten Stadium befinden, jedoch zu einem bestimmten Zweck jederzeit wieder aktiviert werden.219 Die sozialen Beziehungen zwischen den Akteuren lassen sich nach Inhalt (z.B. Daten, Emotionen), Form (Dauer und Enge der Beziehung) sowie Intensität (Kommunikationshäufigkeit) unterscheiden. Form und Intensität begründen die Netzwerkstruktur.220 Im Kontext von CoPs bedeutet das u.a., dass es aktive und weniger aktive Mitglieder gibt. 213
214
215 216
217 218 219 220
Bei gelegentlichen Kontakten läge eher eine Marktsituation vor und kein soziales Netzwerk. Vgl. van Baalen et al. (2005), S. 303. Im Vergleich zum schulischen Lernen, das durch die dyadische Beziehung Schüler-Lehrer geprägt ist, ist berufliches Lernen durch triadische Beziehungen zwischen Meistern, „jungen Meistern“ und Lehrlingen gekennzeichnet. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 56. Vgl. die Diskussion bei van Baalen et al. (2005), S. 303. Vgl. Podolny/Page (1998), S. 59. Siehe dazu auch Orr (1990b), S. 33: “Occupational communities have little hierarchy; the only real status is that of a member.” Vgl. dazu die Ausführungen im Abschnitt 2.2.2.4. van Baalen et al. (2005), S. 303. Vgl. Schenk (1984), S. 66 sowie dort zitierte Quellen. Vgl. Burt (1980), S. 80ff; {Sydow, 1999 #1633}, S. 78.
Grundlagen der Untersuchung
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Entstehung von CoPs Neben den formalen Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Organisation existiert ein Netz informaler Beziehungen, das sich über das gesamte Gefüge der Organisation erstreckt und sich teilweise mit dem formalen Netzwerk decken bzw. überlappen kann. Es bildet sich aufgrund des unvermeidlichen Konflikts zwischen den Anforderungen einer kollektiven Aufgabe und den individuellen Bedürfnissen der Organisationsmitglieder.221 Das informale Netzwerk beruht auf verschiedenen Formen informaler Gruppierungen, die sich spontan ergeben, aber ebenso spontan wieder auflösen können. Daher ist das informale Netzwerk strukturell instabil. Die verschiedenen Gruppierungen sind miteinander verknüpft.222 Wie in Wissenschaft und Praxis festgestellt wurde, erfolgt der Austausch von Information und Wissen vielfach über informale Mitarbeiternetzwerke223: „The most useful information is rarely that which flows down the formal chain of command in an organization, or that which can be inferred from price signals. Rather, it is that which is obtained from someone you have dealt with in the past and found to be reliable.”224
Diese informalen, heterarchischen Netzwerke bilden die Grundlage für die Entstehung von CoPs.225 Sie entwickeln sich insbesondere innerhalb von hierarchischen Netzwerken (Organisationen), um inflexible organisationale Strukturen zu umgehen. Aufgrund der persönlichen und sozialen Beziehungen sowie Bedürfnisse der Organisationsmitglieder entstehen diese informalen Strukturen ungeplant im Laufe der Zeit.226 Es wird vielfach die Selbständigkeit und Unabhängigkeit sozialer Netzwerke betont. Im Kontext von CoPs darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese in das Beziehungsgeflecht einer Organisation eingebunden sind und daher nur bedingt als selbständig angesehen werden können.227 Die Eigenschaften der umgebenden Organisation, beispielsweise Organisationskultur, Normen, Werte, Kommunikationsverhalten und -muster etc., bilden den Rahmen, in dem sich das soziale Netzwerk entwickelt, und prägen es dementsprechend.228
221 222
223
224
225 226
227 228
Vgl. Katz/Kahn (1978), S. 80f. Vgl. z.B. Coenenberg (1966), S. 133ff. Für eine Diskussion der mit informaler Kommunikation verbundenen Vor- und Nachteilen siehe ebenda, S. 138ff sowie für die Vorteile Katz/Kahn (1978), S. 449. Vgl. z.B. Galbraith (1973); Krackhardt/Hanson (1993); McDermott/O'Connor (2002), S. 433; Roethlisberger/Dickson (1939) sowie die Ausführungen bei Schenk (1984), S. 251ff. Hier kann sich auch der Leser selbst fragen, wen er zur Lösung eines Problems bei der Arbeit kontaktieren würde. Powell (1990), S. 304. DUBIN stellt vor fast einem halben Jahrhundert bereits fest: “An organization would soon break down if everybody in it did only what his formal job descriptions called for, and did it ‘according to the book’ […] In general, we can say, that the informal way of doing things serves to make operations more efficient.” (Dubin (1959), S. 57 z.n. Coenenberg (1966), S. 139). Siehe dazu Wenger et al. (2002), S. 68. Vgl. Coenenberg (1966), S. 134; Weinert (1987), S. 127. Siehe dazu auch die Ausführungen zu informalen Gruppen im nächsten Abschnitt. Vgl. Henschel (2001), S. 58. Vgl. Seufert et al. (1999), S. 187.
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Grundlagen der Untersuchung
CoPs sind „fundamentally informal and self-organizing“229 – eine Tatsache, die nicht nur WENGER/SNYDER sondern viele andere Autoren betonen (siehe Tab. 2-1). SNYDER stellt bei seiner Untersuchung von Lernprozessen in einer Organisation fest: “In the case, clerks, adjudicators, specialists, supervisors, managers, and staff members were related by more than their structured work requirements. They were also connected in unstructured, personal ways through shared aspirations, coaching relationships, special favors granted or requested, painful experiences, social relations, and personal affiliations. These unstructured relationships permeated their structured interactions and influenced the level of trust, respect, and mutual commitment that members felt with one another and ultimately their capacity to learn together.”230
CoPs bilden sich organisch/selbstentwickelnd aus der Interaktion von verschiedenen Personen oder basierend auf existierenden informellen Kontakten und Netzwerken von Individuen.231 Dabei überschreiten sie i.d.R. traditionelle organisatorische Grenzen.232 Diese natürliche Entwicklung ist jedoch nur eine Möglichkeit der Entstehung von CoPs. Eine zweite Variante ist die Initiierung von Wissensnetzwerken. Wie die unternehmerische Praxis zeigt, machen insbesondere multinationalen Unternehmen in wissensintensiven Industrien Gebrauch davon.233 Ziel ist eine bewusste Verbesserung des Wissenstransfers und der Wissensgenerierung. Im Zuge von Wissensmanagement-Initiativen werden informelle Netzwerke im Unternehmen formalisiert/institutionalisiert und gezielt unterstützt. 234 Darüber hinaus wird oftmals die Gründung themenspezifischer Communities initiiert.235 Daher existieren in Organisationen sowohl selbstentwickelte als auch gezielt ins Leben gerufene CoPs. Werden informale Netzwerke als Grundlage von CoPs gesehen, so scheint der Weg, CoPs „von außen zu gründen“, nicht sehr erfolgsversprechend.236 Eine gezielte Gründung widerspricht auch der Theorie des sozialen Lernens, die Lernen als einen selbstorganisierten und selbstgesteuerten Prozess von Personengruppen versteht.237 Dennoch werden CoPs in der Unternehmenspraxis initiiert. In der CoP-Forschung liegen bis dato nur wenige empirische Befunde zum Einfluss des Faktors Gründung vor.238 In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach einem möglichen Management von CoPs.239
229 230 231 232 233 234
235 236 237 238 239
Wenger/Snyder (2000b), S. 143, H.d.A. Snyder (1996), S. 169. Vgl. Henschel (2001), S. 22 Vgl. Lesser/Everest (2001), S. 38; Wenger (1998a), S. 2f. Vgl. APQC (2000); Edmundson (2001); Gongla/Rizzuto (2001); Hildreth et al. (2000). Das bedeutet, dass in der Praxis selbstentwickelte informale CoPs existieren, die zum einen nicht bekannt sind, zum anderen einen formalen Status haben können. Siehe auch die Ausführungen zum Formalisierungsgrad von CoPs im nächsten Abschnitt. Vgl. z.B. Storck/Hill (2000). Vgl. z.B. Henschel (2001), S. 73; Lindenthal et al. (2001), S. 39; McDermott (1999c), S. 108ff. Vgl. Romhardt (2002), S. 35. Vgl. dazu die Befunde von Dubé/Bourhis (2005). Siehe Abschnitt 2.2.2.4.
Grundlagen der Untersuchung
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Lebenszyklus von CoPs „Networks are constantly being socially constructed, reproduced, and altered as the result of the actions of actors.“240 Jedes soziale Netzwerk eines Individuums ist aufgrund von Veränderungen (z.B. Rollenwechsel, Phasenwechsel im Lebenszyklus, regionale Veränderungen) ständigen Wandlungsprozessen unterworfen.241 Auch CoPs sind keine statischen Gruppen, sondern sie entwickeln und verändern sich dynamisch mit der Zeit.242 Viele CoPs erleben insbesondere zu Beginn ihrer Entwicklung eine Art Hype, d.h. eine Hochphase mit stetig steigenden Mitgliederzahlen, und kehren nach einem Schrumpfen zurück zu einem gemäßigten Wachstum bzw. einer konstanten Größe. Eine sinkende Mitgliederzahl muss demnach nicht zwangsläufig ein baldiges Ende der CoP bedeuten. Auch wenn nicht jede CoP sich gleichermaßen entwickelt, so folgt die Entwicklung oftmals einem bestimmten Zyklus. Es existieren in der Literatur verschiedene Lebenszyklus-Modelle für CoPs, die sich bezüglich der verwendeten Terminologie, der Anzahl der Phasen und/oder ihrer Differenzierungstiefe unterscheiden.243 Prinzipiell beschreiben sie jedoch ähnliche Entwicklungsphasen.244 GONGLA/RIZZUTO, die über 70 CoPs eines internationalen Unternehmens über einen Zeitraum von sechs Jahren begleitet und analysiert haben, unterscheiden fünf verschiedene Phasen245: potentielle Phase, aufbauende Phase, beschäftigte Phase, aktive Phase sowie adaptive Phase. Mit jeder dieser Phasen sind spezifische Funktionen und Aktivitäten, variierende Mitgliederzahlen und unterschiedlichen Aktivitätslevel verbunden. Gleichzeitig kann jede Phase durch Unterstützungsprozesse sowie IuK-Technologien/-Funktionalitäten charakterisiert werden. Abb. 2-2 stellt die fünf Phasen zusammengefasst dar.
240 241 242
243
244 245
Nohria (1992), S .7. Vgl. Schenk (1984), S. 70. Siehe dazu Lesser/Everest (2001), S. 38: „[T]he community tends to set its own agenda over its lifespan, continually defining itself by the needs of its members.” WENGER differenziert fünf Entwicklungsstadien: Potential, Coalescing, Active, Dispersed, Memorable. Auch MCDERMOTT unterscheidet fünf Phasen: Planning, Start-up, Growth, Sustain, Close. Nach FRANZ et al. besteht der Lebenszyklus einer initiierten CoP aus drei wesentlichen Phasen: Start-up, Running and Improving, Winding-down. SAINT-ONGE/WALLACE unterscheiden gezielt zwei Phasen gezielt gegründeter CoPs: eine erste Phase des Community-Designs und -Launches sowie eine zweite Phase, die eigentliche Lebensphase der CoP. Vgl. Franz et al. (2002a), S. 149f; McDermott (2000), S. 17ff; Saint-Onge/Wallace (2003), S. 138f; Wenger (1998a), S. 3. Vgl. Dubé/Bourhis (2005), S. 148. Vgl. zur ausführlichen Beschreibung der einzelnen Phasen Gongla/Rizzuto (2001), S. 845ff.
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Grundlagen der Untersuchung Potentielle Phase
Aufbauende Phase
Beschäftigte Phase
Aktive Phase
Adaptive Phase
Vernetzung
Aufbau von Erinnerung und Kontext
Zugang zu Wissen und Lernen
Zusammenarbeit
Innovation und Entwicklung
Interessierte eines Themenbereichs finden sich.
Die Kernmitglieder lernen sich kennen und entwickeln ein geteiltes Normenund Rollensystem.
Die Mitglieder entwickeln Vertrauen und Loyalität, werben neue Mitglieder.
Die Mitglieder kooperieren bei Lösung ihrer Primäraufgaben.
Intensivierung des Wissensaustausches.
CoP vernetzt sich mit anderen CoPs.
Die Organisation interagiert mit der CoP und registriert das Potential der CoP.
Die Organisation unterstützt die CoP und stützt sich auf deren Beiträge.
Informale CoP oder durch die Organisation unterstützt.
Die Organisation registriert die CoP.
Die Mitglieder erweitern ihr Wissen. Die CoP beeinflusst ihre Umwelt durch die Entdeckung bzw. Entwicklung neuer Produkte, Märkte, Geschäfte. Die Organisation nutzt die CoP gezielt zur Entwicklung neuer Kompetenzen. Zeit
246
Abb. 2-2: Lebensphasen einer CoP
Die Darstellung ist als idealisiertes Abbild der Realität zu verstehen. Eine CoP kann zu einem Zeitpunkt Charakteristika verschiedener Phasen in sich vereinen. Wie die Autoren des Weiteren betonen, folgt eine CoP keinem vordefinierten Pfad durch die fünf Phasen. Sie kann zeitlich unbegrenzt in einer Phase verweilen, sich auch zwischen Phasen vor und zurück bewegen bzw. sich aufgrund von externen Einflüssen oder Veränderungen ad hoc weiterentwickeln.247 Für SAINT-ONGE/WALLACE ist die Lebensdauer einer CoP zunächst unbeschränkt.248 Je nach Entwicklung des thematischen Schwerpunkts bzw. der Interessen der Mitglieder kann eine CoP unendlich alt werden. Die Mehrzahl der Autoren geht hingegen von einem natürlichen Ende der CoP aus (auch wenn nicht immer extra eine entsprechende Phase im Modell so benannt wird). In der Untersuchung von GONGLA/RIZZUTO verschwanden von den mehr als 70 untersuchten CoPs im Laufe von 6 Jahren 25 CoPs. Die Autoren haben vier unterschiedliche Arten des Verschwindens wahrgenommen: ein Übergang in die Nicht-Existenz (d.h. sterben); eine Redefinition der CoP; ein Zusammenschluss mit anderen CoPs oder eine Umwandlung in eine organisationale Funktionseinheit.249 Auch wenn eine CoP nicht alle Lebensphasen vollständig durchläuft oder bereits vorher „stirbt“, so kann sie doch einen positiven Beitrag für eine Organisation liefern.250
246 247 248 249 250
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gongla/Rizzuto (2001), S. 845ff. Vgl. Gongla/Rizzuto (2001), S. 846. Saint-Onge/Wallace (2003), S. 137. Vgl. Gongla/Rizzuto (2004), S. 298ff. Vgl. Gongla/Rizzuto (2001), S. 859.
Grundlagen der Untersuchung
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Mitgliedschaft und Grenzen einer CoP Die Entstehung von sozialen Netzwerken impliziert, dass grundsätzlich jeder daran teilnehmen kann. Gleiches gilt zumeist auch für CoPs. Im Falle von gezielt initiierten CoPs kann es sich in Abhängigkeit vom thematischen Schwerpunkt (z.B. bei besonders strategischer Relevanz) auch um geschlossene CoPs handeln, d.h. sie sind einem bestimmten Personenkreis vorbehalten. Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft, unabhängig vom Weg der Entstehung, freiwillig. Einzelne Personen können zeitgleich verschiedenen CoPs angehören.251 WENGER unterscheidet vier Arten von Mitgliedschaften252: (1) volle Mitgliedschaft (insider) (2) periphere Mitgliedschaft (peripherality) (3) marginale Mitgliedschaft (marginality) (4) volle Nicht-Mitgliedschaft (outsider). Insider der CoPs sind Mitglieder, die regelmäßig an den Interaktionen teilnehmen. Outsider gehören nicht zur CoP und nehmen demnach nicht an Interaktionen teil. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es Mitglieder, die eher am Rand der Gruppe zu finden sind, weil sie (a) neu in die CoP gekommen sind (peripherality) oder (b) im Laufe der Zeit weniger aktiv geworden sind (marginality). Wie bereits die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus deutlich machen, verändert sich die Anzahl der Mitglieder in einer CoP im Laufe der Zeit. Die Grenzen einer CoP bilden sich nicht per Definition sondern aufgrund der gemeinsamen Praxis heraus.253. Demnach ändert sich mit den Wünschen, Zielen, Bedürfnissen der Mitglieder die Zusammensetzung der CoP dynamisch.254 Der Status eines Mitglieds ist keine feste Größe, sondern kann sich im Laufe der Zeit ändern. Das bedeutet, CoPs haben keine klaren Grenzen. Diese andauernde Fluktuation bzw. der Wechsel der Aktivitätslevels der Mitglieder unterstreichen erneut den flexiblen und selbstorganisierenden Charakter von CoPs. Die Konturen einer CoP sind nur schwer auszumachen bzw. zu erkennen.255 Eine Ausnahme bilden auch hier CoPs mit geschlossener Mitgliedschaft. Die Dynamik bezüglich der Mitgliedschaft, des Engagements der Mitglieder oder der Inhalte innerhalb einer CoP wird als notwendige Voraussetzung für eine lebendige Interaktion in einer CoP gesehen: Neue Mitglieder bringen neue Ideen und andere Perspektiven etc. ein.256 In Verbindung mit der veränderten Struktur können die neuen Praktiken zur Veränderung der existierenden Praktiken und Beziehungen in der CoP führen.257 Fluktuation ist demnach eine wichtige Komponente einer CoP. LAVE beschreibt das System des Austausches bzw. der Veränderung folgendermaßen:
251 252 253 254 255 256 257
Vgl. Hildreth et al. (1998), S. 281. Vgl. Wenger (1998b), S. 167. Vgl. Huysman/Wulf (2005), S. 87; Snyder (1997), S. 2. Vgl. Schoen (2001), S. 58; O'Donnell et al. (2003), S. 83. Vgl. Henschel (2001), S. 22. Vgl. z.B. Lesser/Storck (2001), S. 831. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 113ff sowie die Diskussion bei Hislop (2003a), S. 181.
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Grundlagen der Untersuchung „Newcomers and oldtimers are dependent on each other: newcomers in order to learn, and oldtimers in order to carry on the community of practice. At the same time, the success of both new and old members depends on the eventual replacement oldtimers by newcomers-becomeoldtimers themselves. The tensions this introduces into processes of learning are fundamental.”258
In jeder CoP besteht demnach eine Spannung zwischen Kontinuität und Wandel. Eine geringe Fluktuation könnte dazu führen, dass aufgrund fehlender neuer Impulse die Interaktion in einer CoP „einschläft“. Andererseits darf die Fluktuation jedoch auch nicht zu hoch sein. Dies würde es nicht ermöglichen, eine gemeinsame Praxis aufzubauen. Darüber hinaus ist wichtig, dass Fachexperten in der Community vertreten sind und sich ein Gleichgewicht von Wissensangebot und -nachfrage in der Community bildet: Heute ist ein Mitglied Experte und teilt sein Wissen mit den anderen, morgen ist er Nutzer des Wissens anderer. 2.2.2.3 Communities of Practice als soziale Gruppe In der langen Tradition der organisationspsychologischen Forschung haben sich eine Vielzahl von Wissenschaftlern mit der Frage der Formierung und Funktion sozialer Gruppen in Organisationen beschäftigt.259 Trotz unterschiedlicher Fragestellungen und Forschungsziele besteht eine gewisse Übereinstimmung darüber, welche Merkmale eine soziale Gruppe ausmachen: Eine soziale Gruppe besteht aus mindestens drei, nach oben jedoch limitierten Anzahl von Individuen, die (1) miteinander über eine längere/bestimmte Zeitdauer in direkter Interaktion stehen, (2) gemeinsame Normen, Werte und Ziele haben, (3) eine Verbundenheit durch ein Wir-Gefühl verspüren sowie (4) eine Rollendifferenzierung innerhalb der Gruppe entwickeln.260 Eine CoP ist eine soziale Gruppe und daher durch die vier aufgeführten Merkmale charakterisierbar.261 Gruppenspezifische Eigenschaften Eine Gruppe kann als soziales System verstanden werden, welches sich durch Kommunikationsprozesse konstituiert.262 Eine CoP ist ein solches Kommunikationssystem, d.h. Mitglieder einer CoP interagieren regelmäßig bzw. kontinuierlich miteinander.263 Dabei kann die Interaktionshäufigkeit bzw. -intensität in Abhängigkeit vom Lebenszyklus, vom thematischen Schwerpunkt oder der vorhandenen IuK-Infrastruktur stark variieren. Grundlage der auf kon258 259 260
261 262 263
Lave (1993), S. 74. Vgl. z.B. Weinert (1987), S. 317 sowie die dort aufgeführte Quellen. Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 141f; Henschel (2001), S. 20, 50; Schein (1980), S. 108; Weinert (1987), S. 318. Der Umkehrschluss im Sinne jede Gruppe ist eine CoP gilt nicht. Vgl. Henschel (2001), S. 17ff und dort zitierte Quellen. Vgl. Wenger et al. (2002), S. 4.
Grundlagen der Untersuchung
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tinuierlicher Basis stattfindenden und über einen längeren Zeitraum andauernden Interaktion sind verschiedene Kommunikationswege bzw. -instrumente: Diese können von persönlichen Treffen, Konferenzen und Workshops über Telefonate, Videokonferenzen bis hin zu ausschließlich virtuellen Kontakten in Diskussionsforen oder über E-Mails reichen.264 Für einige Autoren sind CoPs Gruppen mit ausschließlich persönlichem Kontakt zwischen den Mitgliedern.265 Gemäß der hier erarbeiteten Definition können CoP-Mitglieder sowohl auf persönlichem als auch auf virtuellem Wege miteinander interagieren. Die bereits diskutierte gemeinschaftliche Praxis, die damit einhergehenden verbindenden Gemeinsamkeiten zwischen den Mitgliedern sowie die dauerhafte Interaktion führen dazu, dass sich unter den Mitgliedern zum einen ein gemeinsames Verständnis über das, was sie tun, wie sie es tun und zum anderen eine geteilte Wahrnehmung der Außenwelt entwickelt. Der Austausch von Ideen, Erfahrungen und Erkenntnissen sowie die gegenseitige Unterstützung gehen weiterhin einher mit der Entwicklung eines gemeinsamen Vokabulars, eines gemeinsamen Repertoires an Artefakten, Symbolen und Einsichten, aber auch gemeinsamer Normen und Werte. All dies bildet die kognitive Basis einer CoP. Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten entwickelt sich eine gemeinsame Identität. Ein Wir-Gefühl bildet sich heraus.266 Auch in informalen Gruppen bilden sich Strukturen mit informalen Führern, Kern- oder Untergruppen etc. heraus.267 Demnach kennzeichnet CoPs auch das vierte genannte Merkmal von Gruppen: eine Rollendifferenzierung.268 Die zunächst offensichtlichste Rolle ist die des Community-Mitglieds, d.h. jeder Person, die auf irgendeine Weise in Interaktion mit anderen CoP-Mitgliedern getreten ist, Wissen gesucht oder geliefert hat. Es lassen sich je nach Interaktionshäufigkeit aktive und passive Mitglieder unterscheiden.269 Die aktiven, engagierten Mitglieder bilden die Kerngruppe der Community, welche die CoP wesentlich mitgestalten und entscheidend zur Entwicklung der CoP beitragen. Zur Kerngruppe zählen auch der Broker einer CoP (auch Moderator, Manager oder Facilitator genannt) sowie Assistenten oder Koordinatoren, die für inhaltliche Fragen oder die technische Infrastruktur zuständig sind. Des Weiteren gibt es diverse Themenexperten in einer CoP (auch Knowledge oder Subject Matter Experts genannt), die aufgrund ihres Fachwissens zu wichtigen Ansprechpartnern werden. Sie sind jedoch nicht notwendigerweise Mitglieder der Kerngruppe. Resultierend aus
264 265 266
267 268
269
Vgl. z.B. Schoen (2001), S. 16ff. Vgl. Lave/Wenger (1991); Teigland (2003). Vgl. zum Absatz z.B. Enkel et al. (2002), S. 111; O'Donnell et al. (2003), S. 81 sowie Lave/Wenger (1991), S. 94ff; Wenger (1998b), S. 45ff für eine ausführliche Diskussion. Vgl. Staehle (1999), S. 276. Unter einer Rolle wird im Allgemeinen ein Bündel normativer Erwartungen verstanden, die auf den Inhaber einer sozialen Position gerichtet sind. Vgl. dazu Wiswede (2000), S. 101. Siehe dazu auch die Ausführungen zu den verschiedenen Formen der Mitgliedschaft im vorangegangenen Abschnitt.
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Grundlagen der Untersuchung
unterschiedlich engagierten Mitgliedern ist die Struktur von CoPs im Kern dichter und am Rand eher lose: “[A] community of practice is a node of mutual engagement that becomes progressively looser at the periphery, with layers going from core membership to extreme peripherality”270
Die verschiedenen Rollen sind i.d.R. von informeller Natur und zumeist nur für die Mitglieder der CoP erkennbar.271 Die Rolle, die ein CoP-Mitglied übernimmt, wird i.d.R. nicht ausgezeichnet, sondern sie kann anhand von typischen Mustern im Verhältnis zur CoP bzw. den ausgeführten Tätigkeiten ermittelt werden. Die Zuordnung von Rollen ist häufig nicht eindeutig: Eine Rolle kann von mehreren Personen eingenommen werden bzw. eine Person kann mehrere Rollen wahrnehmen. Die Rollenverteilung kann sich im Laufe der Zeit verändern.272 Im Falle von gezielt initiierten CoPs werden zumeist zu Beginn bestimmte Rollen offiziell vergeben (z.B. die Rolle des Brokers), die auch für Nicht-Mitglieder sichtbar sind. Für die in dieser Arbeit betrachteten CoPs ist darüber hinaus die Rolle des Sponsors oder Paten von besonderer Bedeutung. Dieser ist im Allgemeinen nicht Mitglied der CoP, setzt sich jedoch durch finanzielle und strategische Förderung stark für diese ein.273 Auf der Grundlage der vorangegangenen Beschreibung einer Gruppe, können Aussagen zur Größe einer CoP getroffen werden. Dabei sind sowohl mögliche Unter- als auch Obergrenzen bezüglich der Mitgliederzahl interessant. Zu einer Gruppe gehören mindestens drei Personen. Im Kontext von CoPs scheint diese Größe nicht ausreichend. Für einen erfolgreichen Austausch ist eine kritische Masse an Personen notwendig.274 Es müssen genügend Mitglieder in der Community sein, um einen ausgeglichenen Wissensmarkt (Angebot und Nachfrage) zu haben und um damit für potenzielle Mitglieder attraktiv zu erscheinen. Sowohl bezüglich der Mindestgröße als auch der Optimalgröße einer CoP sind in der Literatur keine Angaben zu finden. Im Gegensatz zu sozialen Netzwerken, die theoretisch unendlich groß sein können275, ist die Mitgliederzahl einer Gruppe nach oben limitiert. Auch die Größe einer CoP ist begrenzt. In großen Gruppen ist die Möglichkeit, wechselseitig zu interagieren und sich wahrzunehmen, nicht gegeben. Damit ist es schwierig, soziale Beziehungen zu pflegen bzw. ein
270 271 272 273
274
275
Wenger (1998b), S. 118. Vgl. Henschel (2001), S. 52; Lipnack/Stamps (1998), S. 148ff. Vgl. Schenk (1984), S. 263. Bezüglich der Rollenverteilung gibt es verschiedene Rollenmodelle, z.T. mit wenigen universellen Rollen bzw. mit vielen spezifischen Rollen. Für eine ausführlichere Diskussion zu den verschiedenen Ansätzen, den Inhalten bzw. Aufgaben der nicht immer überschneidungsfreien Rollen siehe APQC (2000), S. 55ff; Franz et al. (2002a), S. 151; Fontaine (2001), S. 16ff sowie Schoen (2001), S. 117ff. Die so genannte kritische Masse wurde z.B. von ROGERS im Kontext der Nutzung von interaktiven Medien diskutiert (vgl. Rogers (1995)). Vgl. z.B. Schenk (1984), S. 311.
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gemeinschaftliches Verständnis bezüglich der verbindenden Gemeinsamkeit zu bilden und auch dauerhaft zu halten.276 Konkrete Angaben zur Größe von CoPs, die in der Literatur nur vereinzelt zu finden sind, weichen stark voneinander ab. Dies basiert vor allem auf einem unterschiedlichen Begriffsverständnis. Des Weiteren erschweren der informale Charakter von CoPs sowie die Existenz von aktiven und passiven Mitgliedern genaue Angaben. Nach BROWN/GRAY haben CoPs selten mehr als 50 Mitglieder.277 WENGER et al. berichten hingegen von einer CoP mit mehr als 1500 Mitgliedern.278 Nach SCHOEN beträgt die Größe der Kerngruppe zumeist ein halbes Dutzend. Die Gesamtgröße der CoP kann zwischen drei und einigen hundert Mitgliedern liegen, wobei sich bei zunehmender Größe Untergruppen bilden, die auf bestimmte Aktivitäten oder Themen fokussiert sind. Die Größe der Untergruppe variiert ebenso wie die Gesamtgröße in Abhängigkeit von den jeweiligen Aktivitäten innerhalb der CoP und den zur Verfügung stehenden bzw. genutzten Interaktionsmedien.279 Abschließend wird auf das Merkmal Formalisierungsgrad eingegangen. Soziale Gruppen lassen sich hinsichtlich verschiedener Kriterien differenzieren, z.B. bezüglich der Intimität ihrer Interaktionen in Primär- und Sekundärgruppen oder bezüglich ihrer Größe in Klein- und Großgruppen.280 Eine für die in dieser Untersuchung betrachteten CoPs besonders relevante Unterscheidung ist die Unterscheidung hinsichtlich der Formalisierung der Gruppe. Formale Gruppen bilden sich aufgrund einer vorgegebenen organisationalen Struktur. Sie sind rational organisiert und dienen einem bestimmten organisationalen Ziel. Demzufolge müssen sie sich nach außen für bestimmte Aufgaben verantworten. Formale Gruppen existieren dauerhaft (z.B. eine Abteilung) oder temporär (z.B. ein Projektteam). Unabhängig von diesen formalen Gruppen bilden sich informale Gruppen heraus, die auf privaten und/oder beruflichen Kontakten und Beziehungen der Organisationsmitglieder basieren. Diese Gruppen sind in der offiziellen Organisationsstruktur nicht enthalten und in der Realität schwer zu identifizieren.281 Die Entwicklung einer informalen Organisation282 ist dabei nicht völlig unabhängig von der 276
277 278 279 280 281 282
Vgl. Brown/Gray (1995), S. 82 sowie Weinert (1987), S. 318. Im Bereich der Forschung zu Teams gibt es bezüglich der Größe eines Teams folgende Erkenntnisse: Fünf Mitglieder ist ein sinnvoller Mittelwert. Vgl. Lipnack/Stamps (1998), S. 157ff. Abhängig von der Aufgabe und dem Kontext sollte ein Team nicht aus mehr als 12 Personen bestehen. Mehr Mitglieder in ein Team zu nehmen, wird nur bis zu einem bestimmtem Punkt zu Leistungssteigerungen führen, da dann das Gesetz des abnehmenden Ertragswachstums einsetzt. Vgl. dazu Högl (1998), S. 10f. Vgl. Brown/Gray (1995), S. 82. Vgl. Wenger et al. (2002), S. 115. Vgl. dazu die Diskussion bei Schoen (2001), S. 94ff. Vgl. dazu die Ausführungen bei Staehle (1999), S. 267ff. Vgl. Henschel (2001), S. 21; Staehle (1999), S. 269. Es bilden sich nicht in jeder Organisation notwendigerweise informale Gruppen: Wenn die Gesamtgruppe aller Organisationsmitglieder so klein ist, „dass alle Mitglieder miteinander tagtäglich in direktem, persönlichem uns sozialen Kontakt stehen, und soweit eine Koordination ihrer Aktivitäten durch formale Arbeitsteilung oder klare Autoritätsstruktur nicht notwendig ist, wird sich auch kaum eine informale Organisation bilden.“ (Weinert (1987), S. 44).
44
Grundlagen der Untersuchung
formalen Organisation, im Gegenteil: Die formale Organisationsstruktur mit den aus ihr resultierenden Möglichkeiten und Problemen stellt das Umfeld der informalen Gruppen dar.283 Jede Gruppe vereint formale und informale Aspekte, jedoch mehr oder weniger stark ausgeprägt.284 Auf der Dichotomie zwischen formal (z.B. ein Projektteam) und informal (z.B. das persönliche Netzwerk eines Mitarbeiters) existiert ein Kontinuum mit diversen Zwischenstufen. CoPs sind je nach Ausprägungsart zwischen den beiden Extremen einzuordnen. WENGER unterscheidet folgende Formen: x
unerkannte CoP: die Existenz der CoP ist der Organisation nicht bekannt, auch den CoP-Mitgliedern ist nicht bewusst, dass sie Mitglied einer CoP sind;
x
„schwarze“ CoP: die CoP existiert nicht für die Organisation, jedoch für die (engagierten) Mitglieder;
x
legitimierte CoP: die CoP wird von der Organisation als solche verstanden und vom Management akzeptiert;
x
strategische CoP: CoPs werden in der Organisation als strategisch wertvoll angesehen;
x
transformative CoP: CoPs wird die Fähigkeit zugesprochen, ihr Umfeld mitzugestalten und die zukünftige Entwicklung der Organisation maßgeblich zu beeinflussen.285
Die ersten beiden Formen können bezüglich des formalen Status in der Organisation als informale CoPs betrachtet werden. Die anderen drei Formen sind CoPs mit einem formalen Status. Wie die in Tab. 2-1 aufgeführten Definitionen zeigen, verstehen viele Autoren CoPs als informale Gruppen.286 Wie bereits bei der Betrachtung von CoPs als soziale Netzwerke diskutiert, werden CoPs in der Unternehmenspraxis z.T. gezielt unterstützt bzw. initiiert. Daher schließt die CoP-Definition, die in dieser Untersuchung gilt, sowohl informale als auch formale CoPs ein. Dies ist bewusst so gewählt, da in der unternehmerischen Praxis beide Arten existieren und die vorhandenen CoPs gleichzeitig informal und formal sein können287: Einerseits sind es bezogen auf die formale Organisationsstruktur informale Gruppen, andererseits haben sie in einigen Unternehmen einen formalen/institutionalisierten Status.288 Das bedeutet,
283
284 285 286 287 288
Siehe dazu auch die Ausführungen bei Weinert (1987), S. 43f. Sowohl in traditionell organisierten als auch virtuellen Organisationen bilden sich informelle Gemeinschaften. Vgl. Staehle (1999), S. 270. Vgl. Wenger (1998a), S. 4 sowie die Übersetzung bei Henschel (2001), S. 72f. Vgl. z.B. Lesser/Everest (2001), S. 38; Snyder (1997), S. 3; Tyler et al. (2005), S. 133. Vgl. Schoen (2001), S. 58. So definieren beispielsweise GONGLA/RIZZUTO CoPs als institutionalisierte, informale Gruppen. Vgl. Gongla/Rizzuto (2001), S. 843.
Grundlagen der Untersuchung
45
das Management ist sich der Existenz dieser Gruppen bewusst, sie sind registriert, werden von zentraler Stelle unterstützt etc.289 2.2.2.4 Management von Communities of Practice Eine direkte Einflussnahme auf die Entwicklung einer CoP, d.h. das Management von CoPs, ist ebenso umstritten wie die Initiierung von CoPs. Während einige Autoren jegliche Einflussnahme ablehnen, sehen andere darin einen besonderen Erfolgsfaktor von CoPs.290 Die Frage nach dem möglichen Management von CoPs ist in der unternehmerischen Praxis von großer Relevanz. Inwiefern können bzw. sollen CoPs von außen gesteuert und kontrolliert werden? Was brauchen bzw. was vertragen CoPs? Bei der Beantwortung dieser Fragestellung offenbart sich ein Paradoxon von CoPs im Unternehmenskontext: Einerseits erschwert bzw. macht es der selbstorganisierende und selbststeuernde Charakter nahezu unmöglich, CoPs zu managen. Andererseits – hier ist sich die Mehrzahl der Autoren einig – brauchen CoPs eine gewisse Managementunterstützung, um ihr Potential vollständig ausschöpfen zu können.291 VON KROGH fasst dies anschaulich zusammen: „[T]he intention to manage communities and turn them into high-performing communal resources for the organization might easily fail. Communities are then resources, when they display a certain level of voluntary action and self-organization, and they do not fit well with outside authority, monitoring, and punitive action. However, there should be ways to enable the development of communal resources, of which one is the support of information systems.“292
Das Konzept der CoP stellt eine Möglichkeit dar, bestehende organisationale Strukturen zu ergänzen und dem Wissensaustausch, dem Lernen und dem Wandel neue Impulse zu geben.293 Reziprozität/Gegenseitigkeit ist ein wesentliches Charakteristikum der Interaktion in CoPs. Die Teilnahme an der CoP ist „[...] not based on formal incentives and reward schemes, but on a tacit understanding of common interest and mutual gains“294. Demnach sind weder die Teilnahme der Mitglieder noch die Interaktion zwischen ihnen Prozesse, die sich kontrollieren oder vorhersagen lassen.295 CoPs sind sich selbstregulierende Gemeinschaften; sie gehören niemandem. Demzufolge ist ein konventionelles Management, welches mit Planung und Kontrolle einhergeht, eher hinderlich. Es würde die Natur von CoPs untergraben.296
289
290 291 292 293 294 295 296
In der vorliegenden empirischen Untersuchung werden nur formal anerkannte CoPs betrachtet. Nur bei diesen war eine gezielte Ansprache der CoP-Broker möglich. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Henschel (2001), S. 73. Vgl. z.B. Smith/McKeen (2003a), S. 400; Wenger/Snyder (2000b), S. 143f. von Krogh (2002), S. 96, H.i.O. Vgl. Wenger/Snyder (2000b), S. 139. Ellis et al. (2004), S. 160. Vgl. Peltonen/Lämsä (2004), S. 249. Vgl. z.B. Ellis et al. (2004), S. 160; Snyder (1999), S. 11.
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Grundlagen der Untersuchung
Ein klassisches Management von CoPs wirkt kontraproduktiv.297 Ein förderndes Umfeld hingegen wirkt sich positiv auf CoPs aus. Wesentlich sind die Anerkennung der Nützlichkeit von CoPs in der Organisation und eine damit einhergehende Legitimierung dieser Wissensgemeinschaften.298 Entscheidend ist weiterhin die grundsätzliche Förderung der Entstehung von Wissensgemeinschaften und ihrer Aktivitäten. Dies umfasst die Bereitstellung von Ressourcen: Zeit, damit die Organisationsmitglieder an CoPs teilnehmen können, eine geeignete technische Infrastruktur sowie finanzielle Unterstützung, die regelmäßige persönliche Treffen ermöglicht.299 MCDERMOTT fasst zusammen: „The key to nurturing communities is to tap their natural energy to share knowledge, build on the processes and systems they already use, and enhance the role of natural leaders.“300
Auf der Grundlage der herausgearbeiteten Merkmale von CoPs kann nun der Frage nachgegangen werden, wie und wodurch sich CoPs von anderen Gemeinschaftskonzepten bzw. von im Unternehmen existierenden Einheiten abgrenzen. 2.2.3
Abgrenzung von Communities of Practice
2.2.3.1 Abgrenzung zu anderen Arten von Gemeinschaften Das Thema Gemeinschaften wurde vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten in der Managementliteratur vielfach diskutiert.301 Dieser bis dahin vornehmlich sozialwissenschaftlich geprägte Begriff hielt besonders im Zuge des „electronic commerce“ sowie des Wissensmanagements Einzug in die Betriebswirtschaftslehre. Business Communities, virtuelle Interessengemeinschaften, Online Communities, User Communities, Occupational Communities, Communities of Practice bzw. Praktikergemeinschaften sind nur einige der Bezeichnungen, die in der Literatur zu finden sind. Nachfolgend wird die Problematik der Abgrenzung zwischen diesen verschiedenen Arten von Gemeinschaften aufgezeigt. Diese fand bisher in wissenschaftlichen Publikationen kaum Berücksichtigung.302 Es werden beispielhaft Typologisierungsversuche diskutiert und der in dieser Arbeit vertretene CoP-Begriff eingeordnet. Bei ihrem Versuch, reale und virtuelle Gemeinschaften im betriebswirtschaftlichen Kontext zu typologisieren, unterscheiden EPPLER/DIEMERS zwischen verschiedenen Perspektiven auf Gemeinschaften: eine soziologische (Vertreter: TÖNNIES, WEBER), sozialwissenschaftliche (RHEINGOLD), betriebswirtschaftliche (HAGEL/ARMSTRONG), medienwissenschaftliche
297
298 299 300 301
302
Siehe dazu Stewart (1996), S. 175, H.d.A.: „[...] they’re virtually immune to management in a conventional sense – indeed, managing them can kill them.” Vgl. Dubé/Bourhis (2005), S. 160ff. Vgl. Eppler/Diemers (2001), S. 34ff; Schoen (2001), S. 63ff. McDermott (1999c), S. 111. Zur Problematik der Definition von Gemeinschaft als Ort bzw. als Symbol siehe die Ausführungen bei Fernback (1999), S. 204ff. Vgl. von Krogh/Wicki (2001), S. 272.
Grundlagen der Untersuchung
47
(LECHNER/SCHMID) und informationswissenschaftliche (SCHUBERT) Perspektive.303 Mit jeder dieser Perspektiven wird ein spezifischer Standpunkt eingenommen, d.h. ausgewählte Merkmale der Gemeinschaften werden betont. Dies führt zu verschiedenen Begriffverständnissen, die eine Systematisierung erschweren bzw. eine trennscharfe Klassifizierung nahezu unmöglich machen. Hinzu kommt, dass es in existierenden Abgrenzungen von Gemeinschaftskonzepten Unterschiede bezüglich der Differenzierungskriterien und dadurch Überschneidungen gibt. Nachfolgende ausgewählte Gemeinschaftsansätze bzw. -klassifizierungen verdeutlichen diese Tatsache. VON KROGH/WICKI geben einen Überblick zu Gemeinschaftsansätzen, die vornehmlich in der Literatur diskutiert werden. Dabei ziehen sie verschiedene Unterscheidungsmerkmale (z.B. die Identifizierung mit der Gemeinschaft, das Aktivitätsniveau, das Vorliegen gemeinsamer Aufgaben, Interessen) heran.304 Das Konzept CoP wird i.w.S. als Praktikergemeinschaften verstanden. Es unterscheidet sich hinsichtlich einiger Ausprägungen von den anderen Ansätzen, jedoch gibt es gleichzeitig Überschneidungen mit aufgeführten Konzepten (z.B. mit beruflichen Gemeinschaften oder Mikro-Wissensgemeinschaften). In Tab. 2-2 sind die verschiedenen Ansätze, ihre typischen Charakteristika sowie dieses Konzept vertretende Autoren zusammengefasst. Es wird deutlich, dass sich innerhalb der Forschung zu Gemeinschaften ein konzeptioneller Wandel „[...] from defining community in terms of space – neighborhoods – to defining it in terms of social networks“305 vollzog. Bei Durchsicht der Literatur fällt auf, dass die Begriffe für betrachtete Gemeinschaften von den Autoren unterschiedlich verwendet werden.306 So verwendet BECHKY beispielsweise die Begriffe berufliche Gemeinschaft und CoP für die von ihr untersuchten Gemeinschaften eines Unternehmens und setzt diese Begriffe somit gleich.307 Auch bezüglich der Interessengemeinschaften gibt es abweichende Begriffsverständnisse: Während SHARP CoPs und Interessengemeinschaften gleichsetzt, grenzt WENGER CoPs, Interessengemeinschaften und Geographische Gemeinschaften auf der Grundlage des Merkmals ‚gemeinsamen Praxis’ voneinander ab.308 303
304 305 306
307
308
Vgl. Eppler/Diemers (2001), S. 30 sowie Hagel/Armstrong (1999); Lechner/Schmid (2000); Rheingold (1995); Schubert (1999); Tönnies (1922); Weber (1914). Vgl. von Krogh/Wicki (2001), S. 273f. Wellman/Gulia (1999), S. 169. Diese Beispiele verdeutlichen erneut, was bei der Definition des Begriffes CoP ersichtlich wurde: Es existiert kein einheitliches Verständnis des Begriffs CoP. Vgl. Bechky (2003), z.B. S. 314. Die von BECHKY untersuchten Gemeinschaften waren Teams bzw. Arbeitsgruppen, d.h. sie betrachtet diese Gemeinschaften als CoP bzw. „Occupational Community“ und nimmt damit – im Gegensatz zu anderen Autoren – keine Unterscheidung zwischen CoPs und Teams vor. Siehe zur Problematik der Abgrenzung von CoPs und anderen Organisationseinheiten die Ausführungen im nächsten Abschnitt. TEIGLAND bezeichnet hingegen die von BECHKY untersuchten Einheiten als „functional communities“. Vgl. Teigland (2003), S. 61. Vgl. Sharp (2003), S. 37 bzw. Wenger (1998a), S. 2.
48
Grundlagen der Untersuchung
Gemeinschaftskonzept Ländliche/bäuerliche Gemeinschaften
x x x
Berufliche Gemeinschaften
x x x
Virtuelle Gemeinschaften
x x x x x
Imaginäre Gemeinschaften
x x x x
Mikro-Wissensgemeinschaften
x x x x
Interessengemeinschaften
x
x x x
Praktikergemeinschaften
x x x x
Fokus/Ausprägung
Autoren (Auswahl)
Menschen leben an einem Ort und haben eine gemeinsame Aufgabe Romantisierende und idealisierende Sicht Steht im Gegensatz zur Anonymität in modernen industrialisierten Gemeinschaften Menschen, die denselben Beruf ausüben Identität leitet sich von der konkreten Arbeit ab Relativ eigenständige Arbeitskultur wird geschaffen und erhalten
FOSTER (1965) BELL/NEWBY (1971)
Gemeinschaften im Internet Keine face-to-face Interaktionen oder gemeinsame physische Arbeitspraxis Attribute wie sozialer Status, Geschlecht oder Beruf sind unwichtig Lediglich Leistungen innerhalb der Gruppe zählen Bilden oft Interessengemeinschaften über bestimmte Themen Gemeinschaft als vorgestellte Entität und symbolische Ideengewalt Politische/Religiöse Aspekte der Gemeinschaft Ursprung in Forschung über die Entstehung des modernen Nationalismus Solidarität wird in die Gemeinschaft projiziert, weniger wirklich gelebt Sehr kleine Gruppen Teilen von implizitem Wissen Identität der Gemeinschaft durch das gemeinsame Engagement der Wissensgenerierung Sind oft auch Praktikergemeinschaften Gemeinschaften basieren auf Interessen und Beziehungen (wie Inline-Skating, Kochen, Investieren) Gemeinsames Lernen/Interessenaustausch im Vordergrund Weniger intensive Interaktionen Kein(e) gemeinsame(s) Engagement/Praxis Gemeinsame Identität, Sprache, Artefakte, Normen und Werte Gemeinsame Praxis und Engagement Geteiltes gemeinsames Wissen Gemeinsame Wissensentwicklung und Lernen durch Narration und Geschichtenerzählen
VAN MAANEN/BARLEY (1984) ORR (1990) PICKERING/KING (1995) BECHKY (2003) RHEINGOLD (1995) HAGEL/ARMSTRONG (1997) KOMITO (1998) FERNBACK (1999)
ANDERSON (1991)
VON KROGH et al. (1997)
FRANKE/SHAH (2002)
LAVE/WENGER (1991) BROWN/DUGUID (1991) WEICK/ROBERTS (1993) SNYDER (1999) HILDRETH et al. (2000)
Tab. 2-2: Verschiedene Konzepte von Gemeinschaften309
Des Weiteren wird das Konzept CoP auch unterschiedlich von anderen Gemeinschaftskonzepten abgegrenzt. VON KROGH/WICKI sehen in CoPs und virtuellen Gemeinschaften zwei nebeneinander stehende Konzepte. Diese Ansicht vertreten auch NORTH et al., wobei die Au-
309
Quelle: In Anlehung an von Krogh/Wicki (2001), S. 274.
Grundlagen der Untersuchung
49
toren zwischen organisationsinternen und -externen CoPs unterscheiden. Sie identifizieren sechs Hauptkategorien von Communities: Virtuelle Communities, Sales & Support Communities, CoP organisationsintern, CoP organisationsextern, Learning Communities und Informations-Nutzungs-Communities.310 Zu den Kriterien für diese Unterscheidung bzw. zur Abgrenzung der einzelnen Gemeinschaften untereinander machen die Autoren keine Angaben. Für BULLINGER et al. hingegen sind CoPs (Knowledge Communities) eine mögliche Ausprägung von virtuellen Gemeinschaften. Sie unterscheiden bei ihrer Untersuchung von Business Communities im Internet (ein Spezialfall von virtuellen Gemeinschaften) nach den Merkmalen Akteure, Werkzeuge und Ziele und definieren so sieben verschiedenen Arten von Gemeinschaften: Kunden- oder Produkt-Communities, Unternehmens-Communities, Service Communities, Projekt-Communities, Knowledge Communities, Online Shop Communities, E-Market-Communities.311 ROMHARDT betrachtet CoPs als ein mögliches Konzept von Wissensgemeinschaften312, ein Ansatz, der bei VON KROGH/WICKI nicht aufgeführt wird bzw. nur indirekt mit dem Spezialfall der Mikro-Wissensgemeinschaften. Bezüglich der Mitgliederzusammensetzung differenziert COTHREL bei Online Business Communities zwischen Businessto-Customer (B2C; Kunden), Business-to-Business (B2B; Geschäftskunden oder Partner) sowie Employee-to-Employee (Mitarbeiter) Communities.313 Letztere können als CoPs, wie in der vorliegenden Arbeit definiert, gesehen werden. Wie diese Ausführungen zeigen, ist die Klassifizierung von Gemeinschaften, ob real oder virtuell, nicht unproblematisch. Abhängig von den gewählten Klassifizierungsmerkmalen sind entweder nur Basisklassifizierungen möglich oder es kann nur ein kleiner Aspekt des Phänomens Gemeinschaft beschrieben werden.314 Nachfolgend soll dennoch eine grundsätzliche Abgrenzung des Konzeptes der CoPs zu anderen Ansätzen erarbeitet werden. Diese verdeutlicht das Begriffsverständnis, das in der vorliegenden Arbeit gilt. Es wird von den bei VON KROGH/WICKI diskutierten Konzepten ausgegangen. Davon sind einige im CoP-Kontext nicht relevant (bäuerliche, imaginäre sowie der Spezialfall der Mikro-Wissens-gemeinschaften) und werden deshalb nachfolgend nicht betrachtet. Zunächst wird nach dem Interessengegenstand der Gemeinschaft unterschieden.315 Dies führt zur Differenzierung von arbeits- und freizeitbezogenen Gemeinschaften. Die freizeitbezogenen Gemeinschaften sind, bezogen auf die o.g. Ansätze, mit Interessengemeinschaften gleichzusetzen. Es handelt sich z.B. um Kunden-, Spiele-/Fantasy- oder Sportgemeinschaften. Die 310 311 312 313 314 315
Vgl. North et al. (2004), S. 91. Vgl. Bullinger et al. (2002), S. 41ff. Vgl. Romhardt (2002), S. 34. Vgl. Cothrel (2000), S. 18. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Eppler/Diemers (2001), S. 28f. Der Modus der Interaktion (face-to-face, virtuell oder hybrid, d.h. eine Mischform aus beidem) wird bewusst nicht als Unterscheidungskriterium genutzt. In den betrachteten CoPs werden i.d.R. sowohl face-to-face als auch virtuelle Kommunikationswege genutzt.
50
Grundlagen der Untersuchung
arbeitsbezogenen Gemeinschaften lassen sich bezüglich des Kriteriums Interessengegenstand weiter untergliedern: Es werden Handels-/Transaktionsgemeinschaften sowie Wissens-/ Beziehungsgemeinschaften unterschieden.316 Bei Handels-/Transaktionsgemeinschaften können hinsichtlich der teilnehmenden Akteure B2B- und B2C-Gemeinschaften differenziert werden. Bei Wissens-/Beziehungsgemeinschaften können nach ihren Grenzen bzw. der Reichweite berufliche Gemeinschaften/Networks of Practice (NoPs) und CoPs unterschieden werden. Diese Differenzierung basiert grundsätzlich auf den Überlegungen von DUGUID: Ein Praxisnetzwerk (NoP) ist seiner Ansicht nach eine Gemeinschaft auf globaler Ebene, wie z.B. ein Netzwerk von Hochenergiephysikern, und Praxisgemeinschaft (CoP) eine Gemeinschaft auf lokaler Ebene, z.B. die Gruppe von Hochenergiephysikern an einem Institut.317 Anhand der Unterscheidung global-lokal ist die Abgrenzung von NoPs und CoPs jedoch nicht eindeutig möglich.318 So agiert beispielsweise die Mehrzahl von CoPs eines multinationalen Unternehmens global. Die Differenzierung von NoP und CoP erfolgt daher in der vorliegenden Arbeit anhand der Unterscheidung interorganisational vs. intraorganisational. Während die Mitglieder von NoPs zu verschiedenen Organisationen gehören, stellen CoPs intraorganisationale Gruppen dar. NoPs und CoPs unterscheiden sich hinsichtlich der Intensität ihrer Interaktion, der Stärke ihrer Beziehungen, der Existenz einer gemeinsamen Praxis sowie Identität.319 Abb. 2-3 illustriert die hier vertretene Einordnung von CoPs. Gemeinschaften
Arbeitsbezogene Gemeinschaften
Freizeitbezogene Gemeinschaften Kunden-Gemeinschaften
Handels-/Transaktionsgemeinschaften
Wissens-/Beziehungsgemeinschaften
B2B-Gemeinschaften
Berufliche Gemeinschaften/NoPs
B2C-Gemeinschaften
CoPs (i.e.S.)
Spiele-/FantasyGemeinschaften Sportgemeinschaften Vereine etc.
Abb. 2-3: Klassifizierung von Gemeinschaften320
316 317
318
319 320
Vgl. Hagel/Armstrong (1999), S. 31ff. „The network of practice (NoP) designates the collective of all practitioners of a particular practice. […] The central distinction between the CoP and the NoP turns on the control and coordination of the reproduction of a group and its practice. Newcomers enter the network through a local community.” (Duguid (2005), S. 113, H.i.O.). Dies könnte ebenso als eine CoP mit entsprechenden Unter- bzw. Subgruppen gesehen werden. Siehe dazu van Baalen et al. (2005), S. 303: „Although the distinction between CoPs and NoPs seems clear at the surface level, it is hard to determine precisely in advance if the social collective should be conceived as a CoP or a NoP.” Dies stützt die hier gewählte Unterscheidung von NoPs und CoPs bezüglich des Merkmals interorganisational-intraorganisational. Vgl. van Baalen et al. (2005), S. 302f. Quelle: Eigene Darstellung.
Grundlagen der Untersuchung
51
Einige Autoren, die explizit CoPs innerhalb eines Unternehmens betrachten (CoPs i.e.S.), sehen CoPs als spezifische Ausprägung von Gemeinschaften an. Dabei werden verschiedene Kriterien zur Differenzierung genutzt (z.B. Initiierung321, Aufgabenorientierung und Sichtbarkeit322, Managementunterstützung und Ergebnisebene323). Gemein ist allen betrachteten Gemeinschaften, dass sie eine Gemeinschaft an Menschen bezeichnen, die Wissen zu einem bestimmten Thema austauschen, anwenden und entwickeln. Für andere Autoren sind CoPs ein Überbegriff und sie unterscheiden verschiedene Arten von CoPs.324 Eine Klassifizierung geht dabei mit der Feststellung einher, dass „most communities serve more than one of these purposes“.325 Im Rahmen dieser Arbeit werden daher die in einem Unternehmen befindlichen CoPs nicht weiter differenziert. Zusammenfassend soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass für die vorliegenden Untersuchung ein engeres Begriffsverständnis einer CoP gilt: CoPs werden als Gemeinschaften innerhalb eines Unternehmens gesehen, d.h. die ursprüngliche Definition von LAVE/WENGER wird um den Aspekt Unternehmenskontext erweitert.326 2.2.3.2 Abgrenzung zu anderen Organisationseinheiten Nachdem die Abgrenzung des CoP-Konzeptes zu anderen Gemeinschaftskonzepten erörtert wurde, sollen CoPs nun in den Unternehmenskontext eingeordnet werden. Das bedeutet, sie werden zu anderen im Unternehmen existierenden Gruppen bzw. Einheiten abgegrenzt. Dies ist für das grundsätzliche Verständnis von CoPs in Organisationen aber auch das Verständnis der Rolle, die CoPs in einer Organisation spielen können, notwendig. Bevor eine detaillierte Abgrenzung von CoPs zu anderen organisationalen Einheiten vorgenommen wird, soll zunächst geklärt werden, welche Arten von Gruppen es in Unternehmen gibt, welche Abgrenzungen in der Literatur existieren und welche Kriterien dabei zu Grunde gelegt werden. Anschließend werden die Unterschiede der verschiedenen Gruppen diskutiert.
321
322
323
324
325 326
STORCK/HILL unterscheiden zwischen CoPs und Strategischen oder Alliance Communities. Letztere grenzen sie von klassischen CoPs aufgrund ihrer gezielten Initiierung ab. Vgl. Storck/Hill (2000), S. 65. BOTKIN unterscheidet hinsichtlich Aufgabenorientierung und Sichtbarkeit CoPs und Wissensgemeinschaften. Vgl. Botkin (2000), S. 39f. BÜCHEL/RAUB differenzieren in ihrer Untersuchung zu in Unternehmen existierenden Wissensnetzwerken anhand der Merkmale Managementunterstützung und Ergebnisebene zwischen Business Opportunity Networks, Best Practice Networks, Professional Learning Networks sowie Hobby Networks. Nur die beiden letztgenannten Gruppen stellen für die Autoren CoPs dar. Vgl. Büchel/Raub (2002), S. 589f. ANDRIESSEN/VERBURG identifizieren anhand der Kriterien Zweck, Formalisierung (Initiierung/Rollen), Grenzen, Zusammensetzung sowie Virtualität fünf unterschiedliche Communities: Daily Practice Community, Formal Expert Community, Informal Network Community, Problem Solving Community, Latent Network Community. Vgl. Andriessen/Verburg (2004), S. 5f. Das APQC unterscheidet hingegen bezüglich der Hauptaktivität bzw. des Interessengegenstandes der CoP vier verschiedene CoPs: Helping Community, BestPractice Community, Knowledge Stewarding Community, Innovation Community. Vgl. APQC (2000), S. 24. APQC (2000), S. 24. Siehe Tab. 2-1. im Abschnitt 2.2.1.
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Grundlagen der Untersuchung
Welche organisationalen Einheiten gibt es im Unternehmen? Im Unternehmen existieren traditionelle Formen bzw. Einheiten der betrieblichen Zusammenarbeit, die für eine Abgrenzung zu CoPs relevant sind. Unabhängig von der spezifischen Organisationsstruktur des Unternehmens lassen sich grundsätzlich Primärorganisation und Sekundärorganisation unterscheiden: Während die Primärorganisation die klassische Organisationsstruktur mit funktionalen Organisationseinheiten darstellt (d.h. die Abteilungsstruktur mit Bereichen, Abteilungen etc.), umfasst die Sekundärorganisation (auch Schattenorganisation genannt) die Projektorganisation (d.h. fachübergreifende Teams327, Fachgruppen, Qualitätszirkel, Arbeitskreise, Ausschüsse).328 Darüber hinaus gibt es zwischen Mitarbeitern informelle Netzwerke, die zumeist auf freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten basieren. Wie bereits diskutiert, gehen CoPs genau wie informelle Netzwerke über die formale Struktur einer Organisation hinaus und gehören damit weder zur Primär- noch zur Sekundärorganisation eines Unternehmens. Sie sind demzufolge nicht Bestandteil des formalen Organigramms eines Unternehmens. CoPs sind „[...] a different cut on the organisation’s structure – one that emphasizes the learning that people have done together rather than the unit they report to, the project they are working on, or the people they know.“329
CoPs können Mitarbeiter verschiedener Bereiche horizontal aber auch vertikal, d.h. über Hierarchie-Ebenen hinaus, vernetzten. In den meisten Organisationen existieren zahlreiche sich z.T. überlappende und interdependente CoPs.330 Abb. 2-4 verdeutlicht die Einordnung von CoPs.
327
328 329 330
Nachfolgend soll der Begriff Team im Sinne der Definition eines Projektteams verwendet werden. Dabei sei ein Team definiert als eine soziale Einheit von drei oder mehr Personen, die über eine längere Zeitdauer miteinander interagiert, in ihrer Aufgabe interdependent ist, eine gemeinsame Verantwortung für die Lösung der Aufgabe hat, die ihre Aktivitäten innerhalb einer übergeordneten Organisation entfaltet und deren Mitglieder sich selbst als Team-Mitglieder wahrnehmen und auch von außen als solche wahrgenommen werden. Vgl. Hackman (1987), S. 322; Hoegl/Gemuenden (2001), S. 436; Wurst (2001), S. 8. Vgl. Staehle (1999), S. 762ff. Wenger (1998a), S. 3, H.i.O. Vgl. auch Brown/Duguid (1998), S. 97. Siehe dazu Boland Jr./Tenkasi (1995), S. 352: “Divisions, functional areas, product lines, professional teams, issue-based committees, and so on are all possible sites for communities of knowing [CoPs, A.d.A.] that interweave with each other across various levels of the organization.”
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Grundlagen der Untersuchung
CoP
...
Abb. 2-4: Einordnung von CoPs in die formale Struktur eines Unternehmens331
Nicht alle Autoren, die sich mit dem CoP-Konzept auseinandersetzen bzw. es im Kontext von Fallstudien in Unternehmen analysieren, unterscheiden zwischen CoPs und anderen organisationalen Einheiten. Einige Autoren definieren den Begriff Wissensgemeinschaft generischer und damit allgemein gültiger. Sie gehen nicht explizit auf spezifische Eigenschaften ein. Beispielsweise verstehen BOLAND/TENKASI unter CoPs ganz allgemein Gemeinschaften von „specialized knowledge workers“332. Damit wird auch keine explizite Abgrenzung zu anderen Organisationseinheiten vorgenommen. Des Weiteren wird, vor allem in aktuellen Beiträgen zur Analyse des Wissenstransfers zwischen verschiedenen Organisationseinheiten (z.B. im Rahmen von Innovationsprozessen)333, oftmals die organisatorische Einheit mit einer CoP gleichgesetzt bzw. als solche angesehen. So verwendet BECHKY beispielsweise das CoPKonzept um den komplizierten und oftmals problematischen Wissenstransfer zwischen Ingenieuren, Technikern und Monteuren bei der Neuproduktentwicklung zu untersuchen.334 Dabei werden die Charakteristika einer CoP – gemeinsame Praxis, gemeinsame Sprache, gemeinsame Identität – genutzt, um die Mechanismen des Lernens, der Weitergabe von Wissen etc. zu verstehen. Auch DOUGHERTY betrachtet bei ihrer Untersuchung Neuproduktentwicklungsteams als „product development community of practice“335. Nicht übersehen werden sollte, dass diese Gleichsetzung auch eine sprachliche Ursache haben kann: Der englische Begriff Community wird im traditionellen Verständnis der Gemeinschaft interpretiert, d.h. ein Team wird demnach als Gemeinschaft bezeichnet.
331 332
333 334 335
Quelle: In Anlehnung an Wenger (1998a), S. 1. Boland Jr./Tenkasi (1995), S. 351. Die Autoren nennen diese Gemeinschaften Community of Knowing, setzen diese aber den CoPs gleich. Vgl. ebenda, S. 351. Vgl. dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 3.2.1. Vgl. Bechky (2003), S. 314. Vgl. Dougherty (2001), S. 625.
54
Grundlagen der Untersuchung
Welche Abgrenzungen werden in der CoP-Literatur vorgenommen? Die Abgrenzung, die in der Literatur zu CoPs von der Mehrheit der Autoren diskutiert wird, ist die Differenzierung von Teams und CoPs.336 DELOITTE geht bei der Abgrenzung auf Teams und explizit nur virtuell agierende CoPs ein.337 Dies führt dazu, dass andere bzw. weiterführende Unterscheidungskriterien herangezogen werden; die grundsätzlichen Abgrenzungskriterien stimmen aber mit denen anderer Autoren überein. BROWN/DUGUID unterscheiden Arbeitsgruppen und CoPs338, wobei eine Arbeitsgruppe hier als funktionale Organisationseinheit zu verstehen ist.339 HENSCHEL grenzt CoPs, Projektteams und funktionale Organisationseinheiten voneinander ab.340 Wie bereits diskutiert, werden Projektteams und Teams hier der Einfachheit bzw. Übersichtlichkeit halber gleichgesetzt. MCDERMOTT unterscheidet bei seiner Abgrenzung zwischen Interessengruppen, Netzwerken von Individuen sowie CoPs.341 Es werden damit verschiedene, z.T. über die Unternehmensgrenzen hinausgehende Strukturen miteinander verglichen. Bei WENGER sowie WENGER/SNYDER werden CoPs zu formalen Arbeitsgruppen bzw. funktionalen Organisationseinheiten, Teams bzw. Projektteams sowie (informellen) Netzwerken abgegrenzt.342 Die umfassendste Abgrenzung trifft SCHOEN: nicht nur hinsichtlich der diversen Organisationseinheiten sondern auch bezüglich der betrachteten Abgrenzungskriterien.343 Wie ersichtlich ist, sehen einige Autoren CoPs nicht zwingend in einem Unternehmenskontext. Dies führt dazu, dass bei der o.g. Abgrenzung auch unternehmensexterne Gruppen betrachtet werden (z.B. Interessengruppen/Newsgroups im Internet)344. Da der Forschungsgegenstand dieser Arbeit CoPs eines Unternehmens sind, werden bei den nachfolgenden Ausführungen unternehmensexterne Gruppen nicht weiter berücksichtigt. Tab. 2-3 fasst die verschiedenen unternehmensinternen Gruppen sowie die zur Differenzierung genutzten Kriterien zusammen. Um eine bessere Vergleichbarkeit und Übersichtlichkeit zu gewährleisten, wurden unterschiedlich benannte aber inhaltlich kongruente Abgrenzungskriterien einheitlich bezeichnet.
336
337
338 339
340 341 342 343 344
Vgl. dazu Lesser/Storck (2001), S. 832; McDermott (1999a), S. 4; Smith/McKeen (2003a); S. 396f; Stewart (1996), S. 174; Storck/Hill (2000), S. 67ff. Vgl. Deloitte (2001), S. 7f. Virtuelle CoPs sind ein Spezialfall von CoPs, bei denen die Kommunikation ausschließlich bzw. vor allem virtuell stattfindet. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 48. Hier sei darauf verwiesen, dass in der Literatur die Begriffe Team, Arbeitsgruppe und Gruppe oftmals synonym verwendet werden. Viele Wissenschaftler sehen jedoch eher ein Gruppe-Team-Kontinuum mit entsprechenden Abstufungen bezüglich Interdependenz, Interaktionshäufigkeit etc. Vgl. dazu die Diskussion bei Wurst (2001), S. 9. Vgl. Henschel (2001), S. 50ff. Vgl. McDermott (1999b), S. 4f. Vgl. Wenger (1998a), S. 3 sowie Wenger/Snyder (2000b), S. 142. Vgl. Schoen (2001), S. 66f. Vgl. McDermott (1999b) sowie Schoen (2001).
Grundlagen der Untersuchung Betrachtete Gruppen alle Studien
CoP Team2, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 Funktionale Organisationseinheit1, 3 , 7, 9 Informelles Netzwerk3, 5, 7, 11 „offizieller“ Arbeitskreis11 Qualitätszirkel11 Kompetenz-Center11
55
Abgrenzungs-/Klassifizierungskriterien Ziele/Funktion2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 12 Mitgliedschaft2, 7, 8, 9, 11, 12 Verbindende Gemeinsamkeit4, 5, 7, 9, 11 Lebensdauer2, 7, 9, 12 Entstehung1, 3, 4 Formaler Status/Legitimation1, 8, 10 Strukturen und Verantwortlichkeiten6, 9, 10 Grenzen1, 3, 4 Motivation4, 6, 10 Prozesse6, 8 Management/Steuerung11, 12 Ergebnisse 8(345), 12 Aktivitäten/Interaktion10, 11 Agenda/Zeitplan2 Lokation8 Transparenz8 Kommunikationswege8 Ressourcen8 Lebenszyklus11 Organisation12
1
BROWN/DUGUID (1991); 2STEWART (1996); 3WENGER (1998a); 4MCDERMOTT (1999a); MCDERMOTT (1999b); 6STORCK/HILL (2000); 7WENGER/SNYDER (2000b); 8DELOITTE (2001); 9 HENSCHEL (2001); 10LESSER/STORCK (2001); 11SCHOEN (2001)346; 12SMITH/MCKEEN (2003a) 5
Tab. 2-3: Übersicht zu verschiedenen Abgrenzungen von CoPs zu anderen Organisationseinheiten
Wodurch grenzen sich CoPs zu den anderen betrachteten Einheiten ab? Wie Tab. 2-3 verdeutlicht, gibt es in der Literatur keine einheitliche Meinung bezüglich der Abgrenzung: Zum einen grenzen Autoren CoPs zu verschiedenen Organisationseinheiten ab, zum anderen beruht ihre Abgrenzung auf unterschiedlichen Kriterien. In Anlehnung an die Unterscheidung von WENGER bzw. WENGER/SNYDER werden nachfolgend CoPs von Teams, funktionalen Organisationseinheiten sowie informellen Mitarbeiternetzwerke abgegrenzt. Bedingt durch die Unterschiedlichkeit und den Fokus dieser Arbeit wird zusätzlich zwischen selbstentwickelten und initiierten CoPs unterschieden.
345
346
Das Kriterium Ergebnisse ist bei DELOITTE als Überkategorie von der Autorin eingeführt worden. Im Original werden die drei Kriterien Lernen, Wissenserfassung, sowie Innovation/ Kreativität getrennt betrachtet. Vgl. Deloitte (2001), S. 8. SCHOEN unterscheidet vier Kategorien von Gruppenmerkmalen zu denen diverse „Untermerkmale“ gehören. Diese wurden entsprechend der genannten Kriterien zugeordnet. Ihre Ausprägung liegt zwischen zwei Extremen. Beispielsweise fallen unter die Kategorie „Mitglieder“: Abordnung vs. freiwillige Teilnahme aus individuellem Antrieb, klare statische vs. flexible, unscharfe, dynamisch Grenzen, beschränkter vs. offener Gruppenzugang, klar erkennbarer Gruppencharakter vs. loses Netzwerk, unternehmensinterne vs. -externe Gruppe, kleine (2) vs. große Gruppe (>100 Mitglieder). Für die anderen Merkmale siehe Schoen (2001), S. 69.
56
Grundlagen der Untersuchung
Die Analyse der vorhandenen Differenzierungen zeigt, dass folgende vier Kriterien am häufigsten genutzt werden: (1) Ziele/Funktion, (2) Mitgliedschaft, (3) verbindende Gemeinsamkeit sowie (4) Lebensdauer. Darüber hinaus sollen drei weitere Kriterien zur Abgrenzung herangezogen werden, da sie charakteristische Unterschiede zwischen den Gruppen herausstellen: (5) Strukturen und Verantwortlichkeiten, (6) Entstehung sowie (7) Formaler Status/Legitimation. Die Kriterien werden jeweils von drei Autoren betrachtet. Die vorgenommene Abgrenzung ist in Tab. 2-4 auf der nächsten Seite übersichtlich dargestellt. Nachfolgend soll überblicksweise auf die wesentlichen Differenzen bzw. Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen Einheiten eingegangen werden.347 Die Reihenfolge der anschließend diskutierten Kriterien orientiert sich nicht an der Häufigkeit der Nennung der Kriterien, sondern an der inhaltlichen Logik. Der Entstehungsprozess variiert bei den betrachteten Gruppen: Teams, funktionale Organisationseinheiten sowie initiierte CoPs werden gezielt gegründet. Dahingegen bilden sich informelle Netzwerke und selbstentwickelte CoPs im Laufe der Zeit heraus. Mit dem Entstehungsprozess verbunden ist der formale Status in der Organisation. Gezielt gegründete Einheiten sind dementsprechend auch formal anerkannt. Gezielt initiierte CoPs sind im Gegensatz zu Teams und funktionalen Organisationseinheiten nicht im Organigramm enthalten. In Unternehmen, die Wissensmanagement aktiv umsetzen, sind z.T. auch selbstentwickelte CoPs formal anerkannt, jedoch nicht im Organigramm des Unternehmens enthalten. Wird die Zielsetzung der jeweiligen Gruppe betrachtet, unterscheiden sich CoPs und informelle Mitarbeiternetzwerke klar von Teams und funktionalen Organisationseinheiten: Die beiden letztgenannten haben eine konkrete Zielsetzung und damit auch einen eindeutigen Aufgabenbezug (beim Team ist es das Projektziel, bei der funktionalen Organisationseinheit die Abwicklung des operativen Geschäftes). Zur Erreichung dieser Ziele sind die Mitglieder von Teams bzw. funktionalen Einheiten aufeinander angewiesen. Die Aktivitäten in selbstentwickelten CoPs und informellen Mitarbeiternetzwerken sind durch die Interessen ihrer Mitglieder bestimmt. Sie sind daher mehr themenfokussiert und weniger aufgabenorientiert. Auch bei formal initiierten CoPs gibt es keine direkten Ansprüche an die Mitglieder, jedoch wird mit diesen CoPs ein klarer Beitrag zu den Unternehmenszielen erwartet. In CoPs und informellen Netzwerken gibt es keine direkten gegenseitigen Abhängigkeiten.
347
Siehe die vorangegangenen Erläuterungen in diesem Abschnitt für eine ausführliche Diskussion der Merkmale von CoPs.
57
Grundlagen der Untersuchung Community of Practice Kriterium Entstehung Formaler Status
Ziele/ Funktion
Mitgliedschaft
Verbindende Gemeinsamkeit
Lebensdauer
Strukturen und Verantwortlichkeiten
Team
Funktionale Organisationseinheit
Informelles Mitarbeiternetzwerk
Selbstentwickelt
Initiiert
Entwicklung im Laufe der Zeit I.d.R. kein formaler Status/in einigen Organisationen formal anerkannt; unabhängig von der formalen Struktur Austausch von Ideen, Erkenntnissen und Erfahrungen; gemeinsames Lernen; Entwicklung der Fähigkeiten der Mitglieder; Gegenseitige Unterstützung Freiwillige Mitgliedschaft (beruht auf persönlichem Engagement) Mitglieder finden sich nach eigenem Ermessen zusammen
Gezielt gegründet Formal anerkannt, jedoch nicht im Organigramm enthalten; unabhängig von der formalen Struktur Grundsätzlich gleiche Zielsetzung wie selbstentwickelte CoPs; jedoch explizit Bezug zu den Unternehmenszielen
Gezielt eingeführt Formale Organisationseinheit
Gezielt eingeführt Formale Organisationseinheit
Entwicklung im Laufe der Zeit Kein formaler Status; unabhängig von der formalen Organisationsstruktur
Erfüllung einer bestimmten (spezifischen) Aufgabe, wobei es Zeit- und Kostenrestriktionen gibt
Effiziente Abwicklung des operativen Geschäfts; Bereitstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung
Gegenseitige Unterstützung; Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen; Weiterleiten von (Geschäfts-) Informationen
Freiwillig, z.T. werden Mitglieder gezielt ausgewählt bzw. angesprochen
Mitglieder werden vom Projektleiter bzw. Management ausgewählt
Freiwillige Mitgliedschaft; beruht auf persönlichen Kontakten zu Freunden und geschäftlichen Bekannten/Geschäftspartnern
Gemeinsames Interesse/Thema, gemeinsame Tätigkeit oder ein gemeinsames Bestreben; Identität Solange Interesse an der Zusammenarbeit und dem Aufrechterhalten/Fortbestand der CoP besteht Informell, selbstorganisierend und hierarchiefrei, keine formale Verantwortlichkeiten
Gemeinsames Thema bzw. eine gemeinsame Praxis/Tätigkeit; Identität
Meilensteine sowie die gemeinsame Aufgabe bzw. das gemeinsame (übergeordnete) Projektziel Bis die gemeinsame Aufgabe erfüllt ist bzw. das Projekt beendet ist
Mitgliedschaft beruht auf der formalen Organisationseinheit/-struktur bzw. der formellen Zugehörigkeit zu einer funktionalen Einheit Gemeinsame Zugehörigkeit zur Einheit; Arbeitserfordernisse sowie gemeinsame Ziele
Solange das Thema von Relevanz für das Unternehmen ist; CoP kann danach informell weiterexistieren Bestimmte Rollen werden von Beginn an eingeführt, z.B. die des Brokers
Formelle Projektstruktur mit einer Projektleitung und definierten Verantwortlichkeiten
Bis eine Re-/ Neuorganisation die Organisationseinheit auflöst Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten basierend auf der formellen Organisationsstruktur
Tab. 2-4: Abgrenzung von CoPs zu anderen Organisationseinheiten348
348
Quelle: Erweitert in Anlehnung an Henschel (2001), S. 53; Wenger/Snyder (2000b), S. 142.
Persönliche Kontakte und Beziehungen; Wechselseitige Bedürfnisse; kein Gruppencharakter Solange es Gründe für die Beteiligten gibt, in Kontakt zu bleiben Keine Verantwortlichkeiten; Struktur ergibt sich durch unterschiedlich enge Kontakte zwischen den Mitgliedern
58
Grundlagen der Untersuchung
Ein weiterer bedeutsamer Unterschied zwischen den Gruppen wird bei Betrachtung der Mitgliedschaft deutlich. Die geringste Flexibilität weisen funktionale Organisationseinheiten auf: Ihre Mitglieder sind durch die formale Organisationsstruktur definiert. Veränderungen ergeben sich selten, z.B. durch eine Re-/Neuorganisation. Sie sind i.d.R. vom Management initiiert bzw. bedürfen der Zustimmung des Managements. Teams werden vom Management bzw. einem Ausschuss ins Leben gerufen. Die Auswahl der Mitglieder des Projektteams erfolgt i.d.R. durch den Projektleiter, zumeist aufgrund der fachlichen Qualifikation. Die Mitgliedschaft von CoPs und informellen Netzwerken beruht im Gegensatz dazu allein auf den persönlichen Interessen und der persönlichen Motivation der Mitglieder. Da sich diese mit der Zeit ändern können, variiert sowohl das persönliche Engagement als auch die Anzahl der CoP- bzw. Netzwerk-Mitglieder. Handelt es sich um gezielt initiierte CoPs, so werden in der Gründungsphase ausgewählte Mitglieder umworben und z.T. direkt angesprochen. Dennoch ist die Mitgliedschaft freiwillig und ebenso von der persönlichen Motivation des Einzelnen abhängig wie bei informellen Netzwerken oder selbstentwickelten CoPs. Die verbindende Gemeinsamkeit ist demnach bei Teams und funktionalen Organisationseinheiten durch die formale Organisation, deren übergeordnete Ziele und daraus resultierende Aufgaben geprägt. Während CoPs durch das Interesse der Mitglieder an einem bestimmten Thema, einer Tätigkeit oder Praxis zusammengehalten werden, beruhen informelle Netzwerke auf den Beziehungen ihrer Mitglieder. CoPs und informelle Netzwerke haben keine vorab begrenzte Lebensdauer, d.h. sie existieren zunächst unbegrenzt lange.349 Im Gegensatz dazu bestehen Teams bis zur Erfüllung ihrer Aufgabe und funktionale Organisationseinheiten bis es zu einer Re-/Neuorganisation kommt. Innerhalb der beiden letztgenannten Gruppen gibt es klar festgelegte Strukturen und Verantwortlichkeiten. Dies trifft teilweise auch auf initiierte CoPs zu, wo in der Gründungsphase bestimmte Rollen vergeben werden.350 Bei informellen Netzwerken und selbstentwickelten CoPs gibt es keine formalen Verantwortlichkeiten. Mit Ausnahme der informellen Netzwerke haben alle betrachteten Einheiten einen Gruppencharakter.351 Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen informellen Netzwerken und den CoPs: CoPs heben sich von informellen Netzwerken vor allem durch eine eigene Identität, die die Mitglieder miteinander teilen, und damit einen stärkeren Gemeinschaftscharakter ab.352
349
350
351 352
Es gibt bei CoPs i.d.R. ein natürliches Ende; siehe dazu die Ausführungen zum Lebenszyklus im Abschnitt 2.2.2.2. Vgl. zu den vorangegangenen Ausführungen z.B. Henschel (2001), S. 50f; Schoen (2001), S. 66ff; Wenger/Snyder (2000b), S. 142. Vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 2.2.2.3. Vgl. McDermott (1999b), S. 5; Wenger (1998a), S. 3.
Grundlagen der Untersuchung 2.3
59
Zusammenfassung
Grundlage dieser Arbeit ist ein kompilativ-pragmatisches Verständnis des Begriffs Wissen, d.h. Wissen wird als dynamisch, handlungs- und personenbezogen betrachtet. Darüber hinaus bilden der ressourcenbasierte Ansatz und seine Weiterentwicklungen den theoretischen Rahmen dieser Arbeit. Demnach stellt Wissen die wertvollste Ressource eines Unternehmens dar. Im Rahmen eines gezielten Wissensmanagements setzen Unternehmen vermehrt CoPs als mögliches Instrument ein. Es existiert keine einheitlich anerkannte Definition einer CoP. CoPs können aus der Perspektive einer sozialen Gruppe oder eines Netzwerk sozialer Beziehungen betrachtet werden. Beide Perspektiven tragen zum Verständnis der Merkmale von CoPs bei. Ausgehend von der erarbeiteten Definition einer CoP sowie den betrachteten Eigenschaften soll im weiteren Verlauf der Arbeit folgendes unter einer CoP verstanden werden: Eine CoP ist ein selbstentstandenes oder gezielt von der Unternehmensführung initiiertes, selbstorganisierendes Netzwerk von Mitarbeitern, wobei diese Personen •
ein gemeinsames Interesse oder Aufgabengebiet und
•
eine gewachsene soziale Identität haben,
•
flexibel zusammensetzbar sind,
•
persönliche und gemeinschaftliche Ziele verfolgen,
•
Wissen, das für das Unternehmen von Relevanz ist, über Grenzen von Organisationseinheiten hinaus entwickeln, austauschen, anwenden und bewahren,
•
sich virtuell oder persönlich treffen und
•
freiwillig Mitglieder der CoP sind.
Mit den diskutierten Eigenschaften grenzen sich CoPs hinsichtlich ihrer Entstehung, ihres formalen Status, ihrer Funktion, der Lebensdauer, der Strukturen und Verantwortlichkeiten, der verbindenden Gemeinsamkeit sowie der Mitgliedschaft von anderen in Organisationen existierenden Gruppen (z.B. Projektteams oder funktionale Organisationseinheiten) ab.
61
3
Stand der Community of Practice-Forschung
Ziel dieses Kapitels ist es, die bestehende Forschung zu CoPs und deren Entwicklung darzustellen und zu diskutieren. Diese Bestandsaufnahme bildet zum einen den Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines CoP-Modells bzw. des Bezugsrahmens dieser Untersuchung, zum anderen verfolgt sie das Ziel, den Status Quo der CoP-Forschung zu erfassen. Zunächst werden die Ursprünge der CoP-Forschung dargelegt (3.1). Im Anschluss daran werden die konzeptionellen Entwicklungen dieses Forschungsgebietes sowie die bestehenden empirischen Studien aufgearbeitet und dahingehend untersucht, inwiefern sie einen Beitrag für die zu beantwortenden Forschungsfragen liefern können (3.2). Zum Abschluss des Kapitels werden die relevanten Erkenntnisse zusammenfassend dargestellt (3.3).
3.1
Ursprünge der Community of Practice-Forschung
Bereits seit vielen Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaftler aus verschiedensten Bereichen, z.B. Soziologie, Anthropologie, Volkswirtschaftslehre und Psychologie, mit der Frage, welche Rolle Gemeinschaften für den Wissensaustausch spielen. Dabei untersuchten sie verschiedenste Gemeinschaften, u.a. bäuerliche Gemeinschaften, virtuelle Gemeinschaften, Lerngemeinschaften in Schulen und Universitäten, Gemeinschaften von Kunden, FreizeitGemeinschaften im Internet, Gemeinschaften der Open-Source-Software-Entwicklung oder auch Wissensgemeinschaften in Unternehmen.353 Dies führte zum einen dazu, dass die Community-Forschung viele Facetten hat: unterschiedlichste Arten von Gemeinschaften sind Gegenstand von Untersuchungen. Zum anderen wurden zur Beantwortung der spezifischen Fragestellungen verschiedene theoretische Grundlagen aus den einzelnen Wissenschaftsbereichen herangezogen: z.B. aus der Verhaltens-, Gruppen-, Organisations-, System-, Netzwerk-, Kommunikationstheorie oder der Theorie der lernenden Organisation.354 Da es selbst innerhalb der einzelnen Wissenschaftsbereiche konträre bzw. divergierende Meinungen gibt, existieren folglich vielfältige Sichtweisen und damit Ausführungen zu Gemeinschaften. Dies hat zur Folge, dass auch mit derselben Gemeinschaft als Untersuchungsgegenstand durch die verschiedenen Foki und die fachspezifischen Interpretationen unterschiedliche Aspekte der Gemeinschaft betrachtet werden. DAVENPORT/HALL verdeutlichen dies beispielhaft für das CoP-Konzept:
353
354
Vgl. von Krogh (2002), S. 90 bzw. North et al. (2004), S. 88ff sowie u.a. Franke/Shah (2002); Johnson (2001); von Hippel (2001). Vgl. auch North et al. (2004), S. 36.
62
Stand der CoP-Forschung
“For epistemologists, communities of practice are a means of exploring concepts of social or collective knowledge. For managers interested in performance, they offer an opportunity to derive templates or frameworks for the creation of organizational knowledge at a number of levels (the workgroup, the firm, the sector) in the interest of improved productivity. For designers, they provide case studies of interactions with artefacts and infrastructures in a range of off-line and online contexts.”355
Es ist unmöglich und auch nicht Ziel dieser Arbeit, einen umfassenden Überblick zum Erkenntnisstand all dieser Forschungsströme zu geben.356 Die nachfolgenden Ausführungen sollen die Entwicklung und den Status Quo der Forschung im Bereich CoPs i.e.S., d.h. im Unternehmenskontext, veranschaulichen. Zunächst wird der Hintergrund der CoP-Forschung bzw. des CoP-Begriffes geklärt. Im Anschluss an diesen Rückblick auf den Beginn der CoPForschung werden der Stand der konzeptionellen sowie der empirischen Forschung zu CoPs vorgestellt und diskutiert. LAVE/WENGER’s Untersuchungen zum Lernverhalten in Gruppen Als Ursprung der CoP-Forschung werden die anthropologischen Untersuchungen zum Lernverhalten in Gruppen von LAVE bzw. LAVE/WENGER bezeichnet, in deren Verlauf die Forscher den Begriff ‚Community of Practice’ prägten.357 Anfang der Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts untersuchte LAVE den Erwerb von Problemlösungskompetenzen durch informelle Lernprozesse bei Schneidern zweier ethnischer Gruppen in Liberia, einem Staat in Westafrika, und setzte die Untersuchung vergleichend in den USA bei Steuermännern, Fleischern, Mitgliedern der Anonymen Alkoholiker sowie in Mexiko bei Hebammen fort. Ziel war es herauszufinden, wie in verschiedenen Kulturen Neulinge zu Meistern werden, d.h. wie sie in eine neue Kultur hineinwachsen, wie Wissen und Fähigkeiten, aber gleichzeitig auch Konventionen, soziale Werte und Gewohnheiten weitergegeben werden. Auf den Ergebnissen aufbauend sollten die heimischen (westlichen) Ansätze zum schulischen Lernen sowie die Gestaltung der Lernumgebung überdacht werden.358 Während schulisches Lernen vielfach in relativ abstrakter und vom Kontext losgelöster Form stattfindet, ist informelles Lernen in viel stärkerem Maße situiert. Das bedeutet, der Lernprozess ist unmittelbar mit einer bestimmten Situation verknüpft und stellt demnach eine soziale Konstruktion dar. LAVE/WENGER stellten fest, dass im Gegensatz zu Schülern, deren Lernen durch die dyadische Beziehung Schüler-Lehrer gekennzeichnet ist, Lehrlinge hauptsächlich in einer Art informeller Lehre im Kontakt mit Experten bzw. Personen lernen, die einen Wissensvorsprung haben. Die Forscher fanden eine triadische Beziehung zwischen Meistern, jungen Meistern und den Neulingen.359 Lehrlinge 355 356
357 358 359
Davenport/Hall (2002), S. 172. Sollten (Teil-)Ergebnisse aus angrenzenden Bereichen für das Verständnis der in dieser Arbeit betrachteten CoPs – CoPs eines multinationalen Unternehmens – und/oder die Herleitung und Begründung der Hypothesen relevant sein, so werden sie an gegebener Stelle dargestellt. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 98. Vgl. Lave (1993), S. 63 sowie die ausführliche Darstellung bei Lave/Wenger (1991), S. 59ff. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 56.
Stand der CoP-Forschung
63
sind, so ihre Erkenntnis, eingebunden in eine Praxisgemeinschaft360 und lernen vor allem durch die legitime periphere Beteiligung an dieser: „[N]ewcomers start by participating in a practice, or a set of practices, and this immediate contribution makes them a legitimate member of the community. As they master more and more of these peripheral practices their legitimacy increases within the group; socially they move towards the centre and identify personally more and more with the community of practice in question.”361
Ausgehend von der Betrachtung der Lernprozesse aus einer sozio-kulturellen Perspektive sowie der Arbeiten von BANDURA362 formulierten LAVE/WENGER ihre soziale Theorie des Lernens363 bzw. Theorie des situativen Lernens.364 ORR’s Forschung bei Technikern Empirische Grundlage für das CoP-Konzept im unternehmerischen Kontext sind die ethnographischen Feldforschungen von ORR. Die Studie kann als die erste Fallstudie zu CoPs im Unternehmenskontext betrachtet werden. Sie verdeutlicht sehr anschaulich das Ziel, welches hinter der Anwendung des Konzeptes in der unternehmerischen Praxis steht: vorhandenes Wissen, insbesondere implizites bzw. Erfahrungswissen, zu vernetzen und für die gesamte Organisation nutzbar zu machen. Der Anthropologe ORR untersuchte im Auftrag des Xerox Palo Alto Research Center (Xerox PARC), wie Kundendiensttechniker für Kopiergeräte ihre tägliche Arbeit verrichteten. Hintergrund dieses Auftrages war das Ziel, die Ausbildung der Techniker effizienter zu gestalten, d.h. jene Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln, die die Techniker für ihre Arbeit brauchten. Bei teilnehmenden Beobachtungen und begleitenden offenen Interviews stellte ORR fest, dass die tägliche Arbeitspraxis der Techniker von den formalen Arbeitsbeschreibungen abwich. Die offiziellen Anleitungen zur Durchführung der Reparaturen, verfasst von Ingenieuren und Planern, waren für die Techniker in vielen Fällen nutzlos. Sie enthielten i.d.R. nur Standardprozeduren. Die Einzelleistung eines Technikers schien eher Ergebnis eines informellen kollektiven Prozesses zu sein: Im täglichen Erfahrungsaustausch, der beim gemeinsamen Frühstück stattfand, diskutierten die Techniker offene Fragen und Probleme (beispielsweise über nicht dokumentierte technische Probleme, bestimmte Probleme spezifischer Geräte, technische Veränderungen), aber auch Lösungswege, bei der Reparatur begangene Fehler usw. Dadurch entwickelte sich eine gemeinschaftliche Wissensbasis, welche 360
361 362 363 364
Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 29: „[...] learners inevitably participate in communities of practitioners and [...] mastery of knowledge and skills requires newcomers to move toward full participation in the sociocultural practices of a community.” Fox (2000), S. 855 Vgl. Bandura (1979). Siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 4.4.2.2 zu den verschiedenen Lerntheorien. Vgl. zu den vorangegangenen Ausführungen auch die Diskussionen bei Fox (2000), S. 854f; Lindenthal et al. (2001), S. 38f; Overwien (2004), S. 53; Reinmann-Rothmeier (2000), S. 6f; Renzl (2003), S. 98.
64
Stand der CoP-Forschung
Grundlage für die tägliche Arbeit der Techniker war. Die an verschiedenen Orten bzw. bei verschiedenen Kunden arbeitenden Techniker bildeten, wie der Forscher feststellte, eine berufliche Gemeinschaft, die nicht nur für einen Wissensaustausch zwischen den Kollegen sorgte, sondern auch für die Formierung einer beruflichen Identität.365 Wandel zum Managementkonzept
BROWN/DUGUID griffen das Beispiel der Kundendiensttechniker auf und verknüpften in ihren Ausführungen ORR’s Untersuchungsergebnisse und LAVE/WENGER’s CoP-Begriff mit der Diskussion um organisationales Lernen in Unternehmen.366 Sie transferierten das Konzept einer CoP in den Managementkontext.367 Das ursprünglich im Kontext der sozio-kulturellen Lerntheorie eingeführte Konzept entwickelte sich zu einem populären Managementkonzept bzw. -instrument.368 Damit ging zum einen einher, dass CoPs Einzug in die Unternehmenspraxis hielten369: Eine zunehmende Anzahl von Unternehmen führte Wissensmanagement ein und in dem Zuge auch das Konzept der CoPs. Insbesondere internationale privatwirtschaftliche, aber auch öffentliche Organisationen, wie z.B. die Weltbank, unterstützten die Aktivitäten existierender CoPs bzw. Wissensnetzwerke sowie deren Initiierung, um Wissensentwicklung, -transfer und -anwendung zu unterstützen.370 Die rasante Verbreitung des Themas wurde auch durch die „Entdeckung“ des Themas Wissensmanagement von Unternehmensberatungen gefördert. Diese machten das Konzept CoP in zunehmendem Maße zum Thema von Workshops, Symposien, Tagungen und Seminare. Zum anderen wurden CoPs verstärkt zum Forschungsgegenstand. Innerhalb der CoPForschung lassen sich zwei grundsätzliche Richtungen unterscheiden, entsprechend eines weiter bzw. enger gefassten CoP-Begriffes: (1) Auf der einen Seite liegt der Fokus der Betrachtung auf der Erklärung von Lernen als soziales Phänomen, d.h. den Kontext bilden ganz allgemein Gruppen bzw. Organisationen jeglicher Art. Dabei werden vor allem (virtuelle) Lerngemeinschaften in Schulen, Universitäten bzw. in der Aus- und Weiterbildung untersucht.371 (2) Auf der anderen Seite gibt es Forschung zu CoPs im unternehmerischen Kontext. Neben 365
366 367 368
369 370
371
Vgl. zu diesem Abschnitt Orr (1990a); Orr (1990b) sowie die Ausführungen bei Brown/Duguid (1991), S. 41ff; Lindenthal (2001), S. 66ff; Renzl (2003), S. 92. Vgl. Brown/Duguid (1991). Vgl. Østerlund/Carlile (2005), S. 97; van Baalen et al. (2005), S. 302. Deutlich sichtbar ist diese Entwicklung beispielsweise am sich verändernden Fokus der Veröffentlichungen von WENGER. Für eine ausführliche kritische Diskussion siehe Contu/Willmott (2000); Cox (2004). Zu den Ursachen dieser Entwicklung siehe die Ausführungen im einführenden Kapitel dieser Arbeit. Beispielhaft seien hier Andersen Consulting, British Petroleum, DaimlerChrysler, Ford, IBM, Johnson & Johnson, McKinsey & Company, Siemens, Shell, Rolls-Royce, Rio Tinto, Schlumberger, Novo Nordisk, Volkswagen, Xerox genannt. Vgl. APQC (2000), S. vii; Fontaine/Millen (2004), S. 2. Vgl. Ellis et al. (2004), S. 174f; Hodkinson/Hodkinson (2004). Siehe für eine Übersicht zu Fallstudien virtueller Lerngemeinschaften Johnson (2001).
Stand der CoP-Forschung
65
der lerntheoretischen Durchdringung dieser Gemeinschaften liegt der Fokus dieser Forschung vor allem auf einer organisationspsychologischen bzw. betriebswirtschaftlichen Sicht. Nachfolgend geht es um diesen zweiten Forschungsstrang, d.h. die Erarbeitung eines Überblickes zum Stand der Forschung im Bereich der CoPs i.e.S., d.h. jene in Unternehmen existierende Wissensnetzwerke.
3.2 3.2.1
Communities of Practice in der betriebswirtschaftlichen Forschung Überblick zu konzeptionellen Beiträgen
Es lassen sich zwei unterschiedliche Sichtweisen in der betriebswirtschaftlichen CoPForschung ausmachen: (a) eine leistungsorientierte sowie (b) eine deutende/konstruktivistische Sichtweise.372 Aus der leistungsorientierten Perspektive war die konzeptionelle Analyse von CoPs in der Unternehmenspraxis zunächst sehr stark durch den Bedarf der Praxis geprägt und ging oftmals mit konkreten Fallbeispielen einher. In der neueren Managementliteratur erschien eine Vielzahl von praxisorientierten Beiträgen zu CoPs.373 Dabei ging es vor allem um die Erarbeitung von „praxistauglichen“ Gestaltungsrichtlinien, Methoden und Hilfsmitteln zur Gestaltung und Unterstützung von Wissensgemeinschaften. Dies führte dazu, dass Gestaltungsdimensionen von CoPs erarbeitet und mit Hilfe von Systemmodellen analysiert wurden.374 Nur wenige Autoren diskutierten dabei systematisch bzw. theoriebasiert die zu Grunde liegenden Mechanismen und Wirkungszusammenhänge bzw. potentielle Erfolgswirkungen von CoPs.375 In zunehmendem Maße beschäftigten sich Sozial- und Geisteswissenschaftler aus einer deutenden, konstruktivistischen Perspektive mit CoPs, wobei es weniger um ein „template or blueprint for exploitation“376 als um ein tieferes Verständnis dieser Gemeinschaften ging. Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen insbesondere die kognitiven Prozesse innerhalb der CoPs, d.h. die soziale Interaktion und Konstruktion, durch welche die Mitglieder lernen.377 Strukturelle Merkmale von CoPs, im Sinne der Eigenschaften von sozialen Netzwerken, wie Dichte, Zentralität etc., wurden nur von wenigen Autoren diskutiert.378 Bei der Analyse der in CoPs stattfindenden Prozesse werden von den Autoren unterschiedliche Foki betont sowie unterschiedliche Prämissen vorausgesetzt. Die aktuellen Beiträge von 372 373
374 375 376 377 378
Vgl. Contu/Willmott (2000), S. 270ff; Davenport/Hall (2002), S. 180ff. Vgl. z.B. Saint-Onge/Wallace (2003); Spath et al. (2003); Stewart (1996); Storck/Hill (2000); Wenger et al. (2002). Vgl. z.B. North et al. (2004); Schoen (2001). Siehe z.B. Lesser/Prusak (1999). Davenport/Hall (2002), S. 183. Vgl. Brown/Duguid (1991); Wenger (1998b). Vgl. Schenkel et al. (2001); Teigland (2003).
66
Stand der CoP-Forschung
COX und ØSTERLUND/CARLILE widmen sich diesem Diskurs379: Die drei richtungsweisenden und viel zitierten CoP-Beiträge von LAVE/WENGER, BROWN/DUGUID sowie WENGER380 verbindet zwar die konstruktivistische bzw. erkenntnistheoretische Perspektive (shared constructivist epistemology) sowie ein einheitliches Verständnis bezüglich des Wissens in Organisationen, jedoch fokussieren die Autoren unterschiedliche Aspekte der Gemeinschaften: LAVE/WENGER analysieren die Beziehung zwischen Lehrlingen und Meistern aus Sicht des Einzelnen. BROWN/DUGUID betrachten das Entstehen von kollektivem Wissen in einer Gruppe, um Probleme zu lösen. WENGER untersucht die Perspektive des Einzelnen und das Herausbilden seiner Identität bei gemeinsamen Problemstellungen. Für ØSTERLUND/CARLILE resultieren diese Unterschiede aus der Tatsache, dass: „… a practice perspective does not necessarily translate into a unified analytical starting point. For example, a commitment to a practice theory does not mean a single theoretical position of the question of knowledge and knowledge sharing, or even one definition of “communities of practice”.”381
In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion wird von verschiedenen Autoren das Argument vorgebracht, dass das CoP-Konzept „mehr...als ein pragmatisches Managementkonzept“382 ist. Es ermöglicht eine analytische Perspektive von Lern- und Arbeitsprozessen in Organisationen und wird daher als Analyse-Instrument für organisationale Prozesse genutzt.383 SNYDER sieht beispielsweise im CoP-Konzept „[…] a promising candidate for a unit of analysis that may provide the conceptional bridge needed to span the exasperating, persistent gap between OL [organizational learning, A.d.A.] and strategy research.”384
LIEDTKA schlägt vor, Organisationen nicht als Märkte sondern als „Communities of Practice“ anzusehen bzw. zu verstehen.385 BROWN/DUGUID sprechen bereits 1991 von der Organisation als „community-of-communities“ und führen 2001 das Konzept der „network-of-practice“ ein, welches die Organisation als Netzwerk verschiedener CoPs versteht.386 Demzufolge werden in der CoP-Forschung neben den internen Prozessen der Gemeinschaft zunehmend auch die Wissensflüsse zwischen verschiedenen CoPs einer Organisation betrachtet und analysiert,
379 380 381 382 383
384 385 386
Für eine ausführliche Diskussion siehe Cox (2004) sowie Østerlund/Carlile (2005). Vgl. Brown/Duguid (1991); Lave/Wenger (1991); Wenger (1998b). Østerlund/Carlile (2005), S. 96. Vgl. Lindenthal (2001), S. 87, H.i.O. Siehe dazu z.B. Thompson (2005), S. 151: Das Konzept kann als „[...] a useful way of thinking about the delicate conjunction between learning, identity, and even motivation within working groups“ dienen. Ebenso Roberts (2006), S. 637: „[...] the communities of practice approach does provide us with a means to explore the transfer of tacit knowledge in a social context.” Snyder (1997), S. 2. Vgl. auch die Ausführungen bei Peltonen/Lämsä (2004), S. 258. Vgl. Liedtka (1999), S.11. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 53 bzw. Brown/Duguid (2001), S. 205.
Stand der CoP-Forschung
67
beispielsweise im Rahmen von Innovations- und Entwicklungsprozessen.387 Dies demonstriert die Bemühungen, die potentielle Wirkung von CoPs auf die formale Organisation zu durchdringen, d.h. einen Zusammenhang zwischen CoPs und organisationalem Lernen, dem Aufbau von organisationalen Kompetenzen und/oder dem Geschäftsergebnis herzustellen. Es bedeutet auch, dass sich konstruktivistische und leistungsorientierte Sichtweisen in der konzeptionellen Analyse von CoPs annähern. Grundsätzlich werden mit dem Gemeinschaftsbegriff durchweg positive Assoziationen verbunden: Harmonie, Geborgenheit, Unterstützung bzw. Solidarität, Identität etc.388 Dementsprechend verband die Mehrzahl der Autoren schon fast euphorisch durchweg Positives mit CoPs und betrachtete ausschließlich deren mögliche Erfolgswirkungen. In aktuellen Beiträgen werden zunehmend auch kritische Stimmen wach.389 Bisher in der CoP-Forschung vernachlässigte bzw. gänzlich übersehene potentielle Nachteile und Gefahren werden thematisiert. Mit einer eigenen Sprache, der kollektiven Identität und dem spezifischen Wissen einer CoP kann bewusst oder unbewusst eine Abschottung/Isolation einhergehen; sowohl bezüglich neuen Wissens als auch gegenüber der restlichen Organisation: „Communities of practice, while powerful sources of knowledge, can easily be blinkered by the limitations of their own world view.“390 Es können machtpolitische Fragen und Konflikte innerhalb einer CoP sowie zwischen CoPs und der formalen Organisation auftreten. Darüber hinaus werden grundsätzliche Limitationen des Konzeptes diskutiert, besonders im Hinblick auf erwartete Ergebnisse und Auswirkungen von CoPs.391 3.2.2
Synopse empirischer Studien
3.2.2.1 Darstellung relevanter Studien Die empirische Forschung zu CoPs im Unternehmenskontext wird neben den oftmals von praxisorientierten Forschungsfragen getriebenen Fallstudien392 vor allem von ethnographischen bzw. qualitativen Studien dominiert.393 Erst in den letzten drei Jahren wurden erste Ergebnisse quantitativer Studien veröffentlicht.
387
388 389
390 391
392 393
Vgl. Garrety et al. (2004), S. 351f oder Hislop (2003a), S. 184: “[…] the communities of practice concept represents a potentially useful analytic tool for understanding the dynamics of innovation processes, and knowledge sharing practices more generally.” Vgl. z.B. die Diskussion bei Cox (2004), S. 8. Dies geht sicherlich auch damit einher, dass bei einigen Unternehmen bzw. Managern die anfängliche Begeisterung für das Thema Wissensmanagement einer Ernüchterung gewichen ist. Brown/Duguid (1998), S. 97. Vgl. die Ausführungen bei Contu/Willmott (2003); Duguid (2005); Handley et al. (2006); Hislop (2003a); Roberts (2006); Swan et al. (2002); Thompson (2005). Siehe z.B. Franz et al. (2002a); Storck/Hill (2000); North et al. (2004). Vgl. Andriessen/Verburg (2004), S. 1; Johnson (2001), S. 45; Ruuska (2005), S. 75.
68
Stand der CoP-Forschung
Auf der Grundlage der zu beantwortenden Forschungsfragen wurden bei der nachfolgenden Bestandsaufnahme zunächst nur jene Studien in die Analyse einbezogen, die das CoPKonzept diskutieren und deren Untersuchungsgegenstand einzelne CoPs eines Unternehmens bzw. deren Mitglieder sind. Ausgeschlossen sind damit jene Studien, die Arbeitsgruppen (z.B. F&E-Teams) oder bestimmte Berufsgruppen eines Unternehmens untersuchen.394 Keinen Eingang in die Analyse finden ebenso Studien, die den Wissenstransfer zwischen verschiedenen CoPs analysieren oder das CoP-Konzept als Metapher bzw. Analyse-Instrument nutzen (beispielsweise zur Untersuchung von Innovationsprozessen).395 Darüber hinaus finden Studien keine Beachtung, die Gemeinschaften verschiedener Unternehmen oder unternehmensexterne Gemeinschaften (z.B. von Kunden oder Selbständigen, aber auch Vereine, Körperschaften, öffentliche Einrichtungen) betrachten.396 Weiteres Kriterium ist zugunsten der Übersichtlichkeit und Prägnanz die wissenschaftliche Fundierung der Studien. Demnach werden keine vornehmlich praxisorientierten Studien bzw. Studien, bei denen keine Angaben zu Forschungsfragen, zur Erhebungsmethode etc. vorlagen, in die Übersicht aufgenommen.397 Bei der Durchsicht der Studien zeigte sich, dass im Bereich der CoP-Forschung Studien existieren, deren Analyseebene zwar nicht einzelne CoPs oder CoP-Mitglieder sondern ganz allgemein Unternehmensmitarbeiter sind, deren Forschungsfragen sich aber dennoch auf CoPs beziehen. So werden basierend auf einer sozialen Netzwerkperspektive mittels verschiedener Untersuchungsmethoden (z.B. soziale Netzwerkanalyse (SNA)) CoPs identifiziert bzw. visualisiert. Eine Zielsetzung dieser Arbeit ist die Darstellung des Status Quo der CoP-Forschung. Demzufolge werden diese Untersuchungen in der nachfolgenden Synopse aufgeführt. Sie werden den qualitativen Studien zugeordnet, da in diesen Studien zumeist Einzelfälle untersucht werden bzw. es vornehmlich um ein grundsätzliches Verständnis von CoPs und nicht um eine Erklärung von Zusammenhängen geht.398 Tab. 3-1 und Tab. 3-2 fassen die Synopse empirischer CoP-Studien zusammen. Es wird hinsichtlich der Zielsetzung bzw. der Erhebungsmethode zwischen qualitativen und quantitativen Studien unterschieden. Ausgehend von ORR’s Untersuchung veranschaulicht Tab. 3-1 die qualitativen CoP-Studien, chronologisch nach dem Erscheinungsjahr geordnet. Neben den
394
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397
398
Vgl. Barley (1996); Cook/Yanow (1993); Geiger/Turley (2005). Die Studie von ORR, die auch in diese Kategorie fällt, wird aufgeführt, weil sie die CoP-Forschung mit begründete. Vgl. Bechky (2003); Carlile (2002); Dougherty (2001); Garrety et al. (2001); Hislop (2003a); Sawhney/Prandelli (2000); Smeds/Alvesalo (2003); Swan et al. (2002). Vgl. Chua (2006); Dewhurst (2004); Snyder (1996); Soekijad et al. (2004); Teigland et al. (2000); van Baalen et al. (2005); Wasko/Teigland (2002). Vgl. APQC (2000); Büchel/Raub (2002); Franz et al. (2002b); Frost (2003) bzw. Frost/Schoen (2004); Johnson/Khalidi-Beyhum (2005); Moreno (2001); Saint-Onge/Wallace (2003). Die Abgrenzung zwischen verschiedenen Erhebungsmethoden der empirischen Sozialforschung, z.B. qualitativ versus quantitativ, wird in der Literatur nicht immer einheitlich vorgenommen. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Auswahl der Erhebungsmethode im Abschnitt 5.2.2.
69
Stand der CoP-Forschung
Forschungsfragen der Untersuchung werden die angewendeten Erhebungsmethoden, die Charakteristika der Stichprobe sowie die Befunde der Studie systematisch erfasst.
Autoren
Ziel bzw. Forschungsfragen
Erhebungsmethode
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
ORR (1990)
Effizientere Gestaltung der Schulungen für Kundendiensttechniker Wie verrichten die Servicetechniker ihre Arbeit?
Ethnographische Studie Teilnehmende Beobachtung; offene Interviews; Begleitung der Techniker über 12 Tage
1Unternehmen (IuK) 1 CoP 6 Techniker
Handbücher, formale Arbeitsbeschreibungen etc. werden zur Problemlösung kaum genutzt. Bei informellen Treffen tauschten die Techniker Erfahrungen und Probleme aus; diese Treffen und die ausgetauschten Geschichten bilden die Basis für ihre Arbeit und schaffen gleichzeitig eine gemeinsame Identität. Die Untersuchung gilt als erste CoP-Untersuchung im organisationalen Kontext.
GHERARDI Wie wird tazites et al. (1998) Wissen in einer CoP weitergegeben? Wie werden neue Informationen aufgenommen?
Longitudinale Studie Teilnehmende Beobachtung (einige Monate; Forscher als Lehrling in der CoP); Semistrukturierte Interviews
1 Unternehmen (Bau; Mittelstand, Italien) 1 CoP (gerade ausgebildete Bauleiter mit verschiedenen Baustellen) Bauleiter; Experten der Baubranche
HILDRETH Existieren internaet al. (1998) tionale CoPs im Unternehmen? Wie erkennen sich die Mitglieder? Welche IT wird zur Kommunikation genutzt?
Fragebogen Semi-strukturierte Interviews
Analyse der Lernprozesse der Büroarbeiter bezüglich des Ausfüllens von Schadensersatzformularen
Ethnographische Studie Teilnehmende Beobachtung, Interviews
1 Unternehmen (Versicherung) 567 Mitarbeiter (Fragebogen; in Europa verteilt); davon 98 Mitglieder verschiedener CoPs 22 Interviews mit CoP-Mitglieder zweier Standorte 1 Unternehmen (Versicherung) 1 CoP 20 Sachbearbeiter eines Standorts
Lernen ist ein sozialer Prozess. Ein spezifischer, situierter Lehrplan ist ein spezifisches Merkmal jeder CoP. Lernen hängt stark vom lokalen Kontext der Aktivitäten ab, d.h. in der CoP gelernte Dinge müssen kompatibel mit der täglichen Praxis sein. Internationale CoPs, die standortübergreifend existieren, entwickeln sich aus lokalen Kerngruppen. E-Mail und Telefon sind die meistgenutzten Kommunikationsmedien.
WENGER (1998b)
Erarbeitung des grundlegenden Konzepts einer CoP; Basis: soziale Theorie des Lernens. Betonung der Bedeutung von „practice, meaning, community, identity, participation” als wesentliche Charakteristika. Sachbearbeiter, die zum Kern der CoP gehören, sind erfolgreicher bei ihrer Arbeit als Personen, die zur Peripherie der CoP gehören. Je weiter jemand vom Kern entfernt ist, desto weniger erfolgreich ist er bei der Erfüllung der Aufgabe.
70
Stand der CoP-Forschung
Autoren
Ziel bzw. Forschungsfragen
Erhebungsmethode
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
GONGLA/ RIZZUTO (2001, 2004399)
Wie entwickeln sich CoPs?
Longitudinale Studie (6 Jahre) Teilnehmende Beobachtung, Nutzungskennzahlen (monatlich), strukturierte Interviews, Geschäftsberichte
1 Unternehmen (IT) > 70 CoP Mitglieder, CoPManager, -Sponsor
HENSCHEL (2001)
Inwieweit können durch CoPs Lernbarrieren überwunden werden, so dass individuelles und kollektives Lernen sowie der Wissenstransfer begünstigt werden?
Ethnographische Studie Teilnehmende Beobachtung, Dokumentanalysen sowie 10 Interviews
1 Unternehmen (Beratung) 10 Personen (Projektmitglieder, Mitglieder der Unternehmensführung, KM/CoPExperten)
LESSER/ STORCK (2001)
Welchen Nutzen stiften CoPs? Welcher Zusammenhang besteht zwischen CoPErfolgswirkungen und den in einer CoP wirkenden sozialen Mechanismen?
Interviews
7 Unternehmen (verschiedene Branchen) gesamt 8 CoPs (in unterschiedlichen Stadien, lokal und global) 5-10 Mitglieder pro CoP, insgesamt ca. 100
SNA Fragebogen
1Konsortium (Bau) 7 Departments; nur 2 am gleichen Standort 120 Projektmitglieder
5 Entwicklungsstufen: Potential, Building, Engaged, Active, Adaptive Dimensionen des Entwicklungsmodells: Aktivitäten, Unterstützungsprozesse, ITInfrastruktur CoPs „verschwinden“ auf verschiedene Arten: Auflösung, Redefinition, Zusammenschluss, Umwandlung in Organisationseinheit Durch CoPs lassen sich einige Lernbarrieren überwinden bzw. umgehen und andere Barrieren verringern. CoP initiieren und unterstützen individuelles und kollektives Lernen. Die Qualität der Lernprozesse und Lernerfahrung steigt. Es können jedoch keine für alle Organisationen geltenden Aussagen abgeleitet werden. Das Konzept des sozialen Kapitals ermöglicht die Erklärung der Erfolgswirkungen von CoPs. Durch die Entwicklung und den Erhalt von sozialem Kapital tragen CoPs positiv zur organisationalen Performance bei. CoP-Ergebnisse: Lernkurveneffekte; bessere Kundenorientierung; weniger Doppelarbeit; erhöhte Innovationsfähigkeit 5 strukturelle CoP-Merkmale können unterschieden werden: Verbundenheit, Graphtheoretische Distanz, Dichte, Kern-Peripherie-Struktur, Zentriertheit. Die Ausprägung dieser Merkmale beeinflusst, so die Hypothesen, den individuellen bzw. CoP-Erfolg.
SCHENKEL Konzeptualisieet al. (2001) rung struktureller Merkmale von CoPs; Ableitung von Hypothesen bezüglich des Zusammenhangs von strukturellen Merkmalen und Erfolg
399
Die Autoren diskutieren im neueren Beitrag das Phänomen „verschwindener“ CoPs. Vgl. Gongla/Rizzuto (2004).
Stand der CoP-Forschung Autoren
Erhebungsmethode
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
Was fördert die BREU/ Entwicklung und HEMINGdas Bestehen von WAY (2002) CoPs? Wie organisieren CoPs sich und ‚ihre Praktiken’? Welche Benefits generieren CoPs für die Mitglieder und die Organisation?
Semi-strukturierte Interviews (4 individuelle mit Kernmitgliedern; 2 mit Fokusgruppen (á 5 Mitglieder); 3 Interviews mit Managern)
1 Unternehmen (öffentliche Versorgung) 1 CoP 17 CoP-Mitglieder; 3 Senior Manager
Welche Kosten MILLEN et al. (2002) und welcher Nutzen sind mit CoPs verbunden?
Semi-strukturierte Interviews
7 Unternehmen (Finanzwirtschaft, IT, Pharma, Chemie, Produktion) 9 CoPs (lokal und global) > 60 CoP-Mitglieder, -Manager und KM-Experten 1Konsortium (Bau) 4 Departments unterschiedlicher Standorte 4 CoPs (je Department eine; gleiches Thema) 31 CoP-Mitglieder
Die individuelle Motivation der Mitglieder, hier insbesondere der Wunsch nach sozialem Beitrag, war Grundlage der Formierung der CoP. Hinzu kamen strukturelle Veränderungen im Unternehmen. Notwendige Ressourcen einer CoP variieren, u.a. in Abhängigkeit von der Lebensphase. Die Praktiken werden in der CoP „verhandelt“, nicht einfach weitergegeben. CoPs nutzen den Mitgliedern und der Organisation. Die Kosten einer CoP gehen über die IT-Investition hinaus. Die CoP-Benefits können auf individueller und organisationaler Ebene gemessen werden. Die Berechnung von Kosten und Zeiteinsparungen kann objektive Daten liefern. Die Eigenschaften von CoPs erschweren empirische Untersuchungen; jedoch ist es möglich, innerhalb formaler Organisationsgrenzen gebildete CoPs zu analysieren (‚controlled environment’). Aufgrund gemeinsamen CoPWissens gibt es Lernkurveneffekte, die zu verbesserter Performance führen. Informelle face-to-faceKommunikation war der meistgenutzte Kommunikationsweg für CoP-Mitglieder. Eine Veränderung der Kommunikationskanäle führt zu veränderter CoP-Performance. Zugrunde liegende Konzepte: NONAKA’s Wissensspirale, Konzept des sozialen Kapitals nach NAHAPIET/GHOSHAL CoPs unterstützen organisationales Lernen; das Netzwerk von CoPs fördert Wissenstransfer/-entwicklung und ermöglicht eine höhere organisationale Performance. Mittels SNA und den drei Dimensionen Mutual Engagement. Shared Repertoire, Joint Enterprise lassen sich existierende CoPs erkennen, aber auch potentielle ausmachen. Durch eine SNA ist es u.a. möglich, Knowledge Broker, Experten sowie fehlende Kooperation zu identifizieren.
SCHENKEL/ TEIGLAND (2002)
Ziel bzw. Forschungsfragen
71
Führen CoPs zu einer verbesserten Performance? Beeinflussen veränderte CoPKommunikationskanäle (örtliche Trennung) die CommunityPerformance?
SWARBRICK Inwiefern helfen internationale (2002) CoPs bei Wissensentwicklung und transfer? Wie kann die SNA dazu beitragen, existierende und potentielle CoPs zu identifizieren?
Projektdaten (bzgl. 748 Abweichungen innerhalb von 24 Monaten; Analyse anhand von Lernkurven); 28 Interviews; 31 Fragebögen
1.Phase: Dokumentenanalyse, Teilnehmende Beobachtung, 12 Interviews (3-tägige Konferenz, z.T. mit mehreren CoPMitgliedern) 2.Phase: SNA
1 Unternehmen (Versicherung) 1 CoP (16 Kernmitglieder, k.A. zur Gesamtmitgliedszahl)
72
Stand der CoP-Forschung
Autoren
Erhebungsmethode
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
ARDICHVILI Welche Faktoren et al. (2003) beeinflussen den Erfolg virtueller CoPs? Was sind Motive bzw. Barrieren für eine aktive Teilnahme an einer CoP bzw. die Anwendung von CoPWissen?
Semi-strukturierte Interviews; Unternehmensdokumentationen; Besuche an 5 Standorten; Tests des Intranets
Entwicklung eines Bezugsrahmens, der die Existenz, die Wirkungsweise, die Struktur und die Ergebnisse von Lerngruppen erklärt Welche Ergebnisse haben CoPs? Hat sich die Produktivität durch die CoP erhöht oder verringert?
Longitudinale Studie Insgesamt 19 Interviews im Abstand von 6 Monaten
1 Unternehmen (Konglomerat, Fokus: Bauwirtschaft, Transport) 3 CoPs (1 erfolgreiche mit >1000 Mitglieder, 2 weniger erfolgreiche CoPs mit einigen Dutzend Mitgliedern) 30 CoP-Mitglieder (inkl. Manager, Themenexperten, KM-Experten; unterschiedliche Aktivitätslevel) 1 Unternehmen (Beratung) 4 Lerngruppen (u.a. CoP) 19 Mitarbeiter und Manager; nicht alle aus Lerngruppen
Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung für CoPs: Vertrauen hinsichtlich der Richtigkeit der erhaltenen Informationen sowie hinsichtlich des mögliches Missbrauchs eingestellter Informationen. ‚Institution-based trust’ wird durch eine entsprechende Wissenskultur gefördert ‚Knowledge-based trust’ bildet sich vor allem durch faceto-face-Kontakt. Klar kommunizierte Normen und Standards bzgl. des Verfassens von Dokumenten etc. verringern Unsicherheiten. Bestätigung verschiedener Merkmalsdimensionen mit entsprechenden Ausprägungen: Wissen/Lernen, Struktur und Arten von Beziehungen, Beziehungsunsicherheit und deren Kontrolle.
Fragebogen
3 Unternehmen (verschiedene Branchen) insgesamt 5 CoPs 431 Mitglieder
Interviews (23 CoP-Leiter, -Verantwortliche, -Experten) und Fragebogen (ca. 150 Mitglieder)
13 Organisationen (privatwirtschaftliche, Regierungsund Bildungseinrichtungen) Insgesamt 170 Teilnehmer (Leiter, Manager, Mitglieder)
Longitudinale Studie (ca. 2 ½ Jahre) Gründungsdokument; Begleitung durch Trainer (aus dem Forschungsteam, jeweils einer pro VCoP); Fokusgruppen: (1) alle Koordinatoren; (2) VCoPMitglieder; (3) Trainer
14 Organisationen (privatwirtschaftliche sowie öffentliche bzw. Institutionen/Verbände) 18 VCoPs (unterschiedlichster Art) 18 VCoPKoordinatoren, Mitglieder
CoPs haben Auswirkungen auf der individuellen, Community- und organisationalen Ebene. Anekdoten können als qualitative Instrumente zur Erfolgsmessung genutzt werden. VCoPs ermöglichen „learning while working“. Mitglieder haben verschiedene Motive für die Teilnahme. Individueller Nutzen: Problemlösung; Aufgabenerfüllung/Arbeitsleistung, Wissensaustausch, berufliches Netzwerk Organisationaler Nutzen: Organisationales Lernen, Zugang und Nutzung globaler Ressourcen, Reduzierung der Ausbildungskosten, Kommunikation und Innovation 3 Faktoren erklären den Erfolg bzw. das Scheitern von VCoPs in der Gründungsphase: CoP-Umfeld, Relevanz des Themas für die Aufgaben der Mitglieder, Eingebundenheit in die Organisation Zwei Indikatoren messen den Erfolg: eigentliche Existenz (Identität, Kerngruppe etc.); ‚Gesundheit’ (Aktivitätslevel, Mitglieder)
BOGENRIEDER/ NOOTEBOOM
(2004)
FONTAINE/ MILLEN (2004)400
Ziel bzw. Forschungsfragen
ALLEN et al. Wie lernen Mitarbeiter, um ihre Ar(2005) beit gut zu machen? Wie können virtuelle CoPs (VCoPs) dabei helfen?
DUBÉ/ BOURHIS (2005)
400
Welche strukturellen Charakteristika sind Erfolgsfaktoren für gezielt gegründete VCoPs?
Nachfolgestudie zur Studie von Lesser/Storck (2001).
Stand der CoP-Forschung
73
Autoren
Ziel bzw. Forschungsfragen
Erhebungsmethode
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
KIMBLE/ HILDRETH (2005)401
Können CoPs international, d.h. virtuell, sein?
Ethnographische Studie Teilnehmende Beobachtung über den Zeitraum von einer Woche bei den Mitgliedern im UK sowie über eine Woche in den USA zusammen mit den UKMitgliedern
1 Unternehmen (k.A.) 1 CoP (IT) 10 Mitglieder (5 USA, 4 UK, 1 Japan)
RUUSKA (2005)402
Wie sehen CoPCharakteristika in einer projektbasierten Umgebung aus?
Interviews (2 Manager, 5 CoPMitglieder, 4 Mitarbeiter vom Kunden) Sowie Fragebogendaten aus einer vorangegangenen Studie im selben Unternehmen
1 Unternehmen (IT-Beratung) 1 CoP 10 Mitglieder (davon 5 Kernmitglieder) Management, Projektmitglieder des Kunden
THOMPSON (2005)
Wie können Organisationen strukturelle Komponenten von CoPs (in Form von geteilten Symbolen, Artefakten etc.) aufbauen? Wie können Organisationen das Herausbilden von epistemologischen Komponenten (bzgl. Identifikation und Interaktion in der Gruppe) fördern?
Longitudinale Studie Teilnehmende Beobachtung sowie 10 unstrukturierte Interviews Diskussion mit Manager über Zustand der CoP während der 16 Monate vor der Erhebung
1 Unternehmen (IT) 1 lokale CoP, mit einem selbstentwickelten Kern von 40 Personen, sowie 140 peripheren Mitgliedern, die der Gruppe zugeordnet wurden
Die sozialen Beziehungen zwischen den Mitgliedern sind das Charakteristikum von CoPs (human aspect). Face-to-face-Kontakte sind für internationale CoPs von großer Bedeutung: Grundlage für die Entwicklung von Vertrauen und Identität und der Bildung der CoP. Gemeinsame Dokumente/shared artefacts fördern die Zusammenarbeit in einer CoP; sie können ‚soft knowledge’ nicht übermitteln, jedoch Interaktion und Partizipation fördern. Die formal anerkannte CoP durchläuft verschiedene Lebensphasen (Basis: ein soziales Netzwerk). Die CoP hat zwei Seiten bzw. Leben: die formale Struktur, die ans Management berichtete sowie die informale Gemeinschaft. Rollen innerhalb der CoP basieren auf den Kompetenzen der Mitglieder. Das Lernen in der CoP findet durch die tägliche Arbeit sowie die Teilnahme an der CoP sowie dem Projekt statt. Direkte Business Benefits sind schwer aufzuzeigen; indirekte Benefits umfassen z.B. erhöhten Kundennutzen; erhöhte Kompetenzen der Mitglieder. Organisationen sollten die Entwicklung loser organisationaler Strukturen fördern; diese können die Basis für CoPs darstellen. Jedoch muss es eine ausgewogene Balance zwischen kontrollierenden und unterstützenden Strukturen geben. Es kann zu Machtkämpfen zwischen CoPs und der formalen Organisation kommen.
401
402
Die ersten Ergebnisse der Fallstudie sind bereits 2000 veröffentlicht worden; für einige Angaben siehe Hildreth et al. (2000). Die Autorin hat vier aufeinander aufbauende Studien durchgeführt. Berichtet werden hier zwei Studien, die CoPs untersuchen; eine qualitative sowie eine quantitative Studie. Vgl. für eine ausführliche Diskussion Ruuska (2005), S. 91ff. Die qualitative Studie wurde bereits 2003 veröffentlicht. Vgl. Ruuska/Vartiaien (2003).
74 Autoren
Stand der CoP-Forschung Ziel bzw. Forschungsfragen
TYLER et al. Identifikation in einer Organisation (2005) existierender CoPs
Erhebungsmethode
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
SNA 16 strukturierte Interviews
1 Abteilung eines Unternehmens (IuK) 485 Mitglieder ca. 900.000 EMails (von 2 Monaten) nach Bereinigung (nicht von außen, weniger als 10 Empfänger etc.): 186.000 E-Mails 16 CoP-Mitglieder aus 7 CoPs zur Validierung der Ergebnisse
66 CoPs identifiziert; die größte mit 57, die kleinsten CoPs mit 2 Mitgliedern; im Durchschnitt 8,4 Mitglieder. 49 CoPs sind innerhalb einer Unit (Einheit); 17 übergreifende CoPs; die meisten CoPs spiegeln die formale Struktur wider; die bereichsübergreifenden CoPs basieren auf einem gemeinsamen Projekt. CoPs haben einen Leiter. Die organisationale Hierarchie spiegelt sich im E-MailNetzwerk wider.
Tab. 3-1: Übersicht zu qualitativen CoP-Studien
In Tab. 3-2 sind die quantitativen CoP-Studien aufgeführt, ebenfalls chronologisch nach dem Erscheinungsjahr geordnet. Neben den Forschungsfragen der Untersuchung und den erklärten abhängigen Variablen werden die verwendete Erhebungsmethode sowie die unabhängigen Variablen, die Charakteristika der Stichprobe sowie die wesentlichen Befunde der Studie dargelegt.
75
Stand der CoP-Forschung
Autoren
Forschungsfragen/ Abhängige Variable
Erhebungsmethode/ Unabhängige Variablen
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
5 Tiefeninterviews Fragebogen; offene Fragen sowie 7-PunktSkala Vier offene Fragen: (a) Warum nehmen Sie teil? (b) Warum helfen Sie anderen bei ihren Problemen? (c) Hat die Teilnahme zu Abhängige Variab- einer verbesserten Arbeitsleistung geführt? le: Individuelle Performance (Krea- (d) Wie kann die CoP tivität, Allgemeine verbessert werden? Unabhängige VariabLeistung) len: 5 Informationsquellen (Kollegen lokale; Kollegen virtuell, interne CoPs, externe Firmen, externe CoPs); Interner Informationsaustausch; Externer Informationsaustausch Strukturgleichungsmodell (PLS)
1 Unternehmen (Unternehmensberatung) 5 KMExperten 1 CoP 83 Mitglieder
Fragebogen; offene Fragen (Koordinator, KM-Experte), 5Punkt-Skala (Mitglieder) Input: Wahrgenommene Ziele (Teilen von Wissen, organisationale Benefits, persönliche Benefits), Einstellung (Motivation, Bereitschaft zum Teilen) Prozesse: Kommunikationsfrequenz, Teilnahme, Koordination, Wissensaustausch, Kooperation, IT Nützlichkeit (traditionelle, elektronische, fortgeschrittene) k.A. zum Modell/den einzelnen Items
1 Unternehmen (Softwareentwicklung) 7 CoPs 271 Mitglieder 7 CoPKoordinatoren bzw. KMExperten (Pilotstudie)
Motive für eine CoP-Teilnahme sind: Zugang zu neuen Ideen, Suche nach Hilfe bei Problemen; des Weiteren motivieren starke Reziprozität (vor allem bei virtuellen CoPs) bzw. Identität mit der Organisation. Der Aktivitätslevel ist relevant für die Ergebnisse. Es wird hauptsächlich über Mailverteiler sowie Bulletin Boards kommuniziert. Interne/externe Boundary Spanning-Aktivitäten fördern den Informationshandel; dies führt zu einer besseren Arbeitsleistung. Die VCoP-Mitgliedschaft hat Auswirkungen auf die individuelle Arbeitsleistung: die Leistung von CoP-Mitgliedern ist besser als die jener, die nur lokale Hilfe nutzen; signifikant positive Einflüsse zwischen folgenden Variablen: Kollegen virtuell, interne CoPs und internem Informationshandel; externen Firmen und externem Informationshandel; externem und internem Informationshandel; internem Informationshandel und der individuellen Performance Grundlage: Group Interaction Model404 Entwicklung und Validierung von CoP-Skalen Entwicklung eines Messinstrumentes für CoPs
TEIGLAND/ WASKO (2003, 2004403)
Warum nehmen Leute an der virtuellen CoP teil? Führt die Teilnahme zu positiven Ergebnissen (knowledge outcomes) für die Mitglieder?
ANDRIESSEN/ VERBURG (2004)
Was sind Charakteristika von CoPs? Welchen Nutzen stiften CoPs? Entwicklung eines Community Assessment Tools Outcome: Allgemeine Einstellung zur CoP, Individuelles Lernen, Individueller Erfolg, CoP Vitalität, Organisationaler Erfolg
403
404
Die Basis beider Artikel ist die Erhebung einer CoP. Da die Forschungsfragen bzw. entsprechenden Auswertungen in den Artikeln variieren, stellen die Angaben eine Zusammenfassung dar. Es wird das ausführlichere Modell und die dazugehörigen Variablen von Teigland/Wasko (2003) berichtet. Vgl. Andriessen et al. (2001), S. 23.
76
Stand der CoP-Forschung
Autoren
Forschungsfragen/ Abhängige Variable
Erhebungsmethode/ Unabhängige Variablen
Stichprobe, Kontext, Besonderheiten
Wesentliche Ergebnisse der Studie
VON WARTBURG
Wie beeinflussen virtuelle CoPs die kollektive Wissensentwicklung in einer Organisation?
Fragebogen; 6-PunktSkala Unabhängige Variablen: Soziale Struktur; Soziales Kapital (strukturelle, relationale, kognitive Dimension); Humankapital (Möglichkeit, Motivation, Leistungsfähigkeit) Strukturgleichungsmodell (LISREL); k.A. zu den einzelnen Items Interviews (Koordinatoren) Fragebogen; 5-PunktSkala (Mitglieder) Unabhängige Variablen: Lernziele, Praxis, Kontaktgeber, Organisationale Unterstützung, Formalität Bivariate Regressionen; k.A. zu den einzelnen Items bzw. zur verwendeten Software
1 Unternehmen (IT) 87 Mitglieder verschiedener CoPs
Theorie des sozialen Kapitals und der wissensbasierten Perspektive sind Grundlagen für die Analyse von CoP Benefits. Erarbeitung eines integrativen Transformationsmodells Validierung der Hypothesen: positiver Zusammenhang zwischen sozialem Kapital und Humankapital bzw. Humankapital und Intellektuellem Kapital. Fazit: Virtuelle CoPs sind effiziente komplementäre Mechanismen für die Wissensentwicklung und -verbreitung. Hauptmotivation für die Teilnahme an einer CoP ist das Lernen. Hauptaktivitäten sind Erfahrungsaustausch und Diskussion; am häufigsten fanden diese Aktivitäten face-to-face statt. Signifikanter positiver Einfluss zwischen folgenden Variablen: Lernziele erklären alle Erfolgsmaße; Praxis-basierte Aktivitäten (Praxis) sind signifikant für individuelles Ergebnis (außer Kontakte) und organisationales Ergebnis (außer Dokumente); Kontaktgeber ist signifikant für alle Dimensionen mit Ausnahme Benefits und Kontakte auf individueller Ebene; organisationale Unterstützung erklärt alle Variablen bis auf Benefits (Ind.) und Dokumente (Org.); Formalität erklärt sowohl Community als auch organisationales Ergebnis.
et al. (2004)405
Abhängige Variable: Intellektuelles Kapital (Aufnahmefähigkeit, dynamische Fähigkeiten)
RUUSKA (2005)406
Charakteristika und Ergebnisse von CoPs Abhängige Variablen: Individuelles Ergebnis (Lernen, Benefits, Kontakte); Community Ergebnis (Gefühl einer CoP), Organisationales Ergebnis (Effektivität, Innovation, Dokumente)
6 Organisationen (ITBeratung, IuK, Dienstleistung, Bank, Forschung) 11 CoPs (unterschiedlicher formaler Status, lokal und global; u.a. Teams bzw. Arbeitsgruppen) 11 Koordinatoren 150 CoPMitglieder
Tab. 3-2: Übersicht zu quantitativen CoP-Studien
3.2.2.2 Analyse und kritische Würdigung Wie die vorangegangene Bestandsaufnahme deutlich macht, überwiegen qualitative Studien in der CoP-Forschung. Zunächst werden die dargestellten Studien, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede zusammengefasst und diskutiert, wobei auch hier zwischen den genutzten Erhebungsmethoden unterschieden wird. Im Anschluss daran werden die möglichen Ursachen für den Stand der Forschung analysiert.
405
406
Die Angaben zur empirischen Studie sind nicht im Konferenzbeitrag enthalten. Sie wurden auf der Konferenz 5th European Conference on Organizational Knowledge, Learning and Capabilities 2004 in Innsbruck/Österreich präsentiert. Quelle: unveröffentlichte Präsentationsunterlagen. Die hier berichtete Studie ist eine Co-Studie der von ANDRIESSEN/VERBURG durchgeführten Studie. Vgl. Andriessen/Verburg (2004).
Stand der CoP-Forschung
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Analyse der qualitativen Studien Charakteristisch für die aktuelle CoP-Forschung ist die explorative Natur der Mehrzahl der Studien. Nachdem BROWN/DUGUID 1991 das CoP-Konzept in den Managementkontext einbrachten407, dauerte es einige Jahre, bis CoPs zum Forschungsgegenstand empirischer Studien wurden. Die Analyse der spezifischen Forschungsfragen der Studien408 zeigt, dass – im Einklang mit der konzeptionellen Analyse – vor allem kognitive Aspekte von CoPs (z.B. BOGENRIEDER/ NOOTEBOOM, BREU/HEMINGWAY, GHERARDI/NICOLINI, HENSCHEL, KIMBLE/HILDRETH, ORR, RUUSKA, WENGER), strukturelle Eigenschaften hingegen weniger betrachtet werden (z.B. SCHENKEL et al.). Weitere Themen der Studien sind die Entwicklung von CoPs über die Zeit (z.B. GONGLA/RIZZUTO), die Motivation der Mitglieder (z.B. ARDICHVILI et al.), die genutzten Kommunikationswege (z.B. bei HILDRETH et al., SCHENKEL/TEIGLAND) sowie die Möglichkeiten der Förderung von CoPs durch die Organisation (THOMPSON). Mit zunehmender Verbreitung des CoP-Konzeptes in der Unternehmenspraxis und zunehmendem konzeptionellen Wissen über diese Wissensgemeinschaften wurde auch leistungsorientierten Forschungsfragen nachgegangen. Diese Analysen wurden zumeist mit einer interpretierenden Perspektive kombiniert. Neben der Berücksichtigung von Kosten und Nutzen von CoPs (beispielsweise in den Studien von LESSER/STORCK, MILLEN et al., SCHENKEL/ TEIGLAND) ist die Identifikation von Erfolgsfaktoren Ziel dieser Untersuchungen (DUBÉ/BOURHIS, ARDICHVILI et al.). Vier Studien befassen sich mit dem Identifizieren bzw. Visualisieren existierender aber auch potentieller CoPs: HILDRETH et al., SCHENKEL et al., SWARBRICK, TYLER et al. Die drei letzt genannten Studien nutzen die Methode der sozialen Netzwerkanalyse (SNA)409: SCHENKEL et al. untersuchten im Rahmen eines Großprojektes (in das Teams verschiedener Standorte involviert waren) die Kommunikationsstruktur bei Abweichungen vom Projektplan und visualisierten damit existierende standortübergreifende CoPs. Auch SWARBRICK nutzt die SNA zur Analyse des Kommunikationsverhaltens von Organisationsmitgliedern. TYLER et al. hingegen analysieren E-Mails, um existierende CoPs auszumachen. Durch ihre Erhebungsmethoden unterscheiden sich diese Studien deutlich von den anderen Studien.
407 408
409
Vgl. Brown/Duguid (1991). Vgl. Tab. 3-1. Die betrachteten Studien sind Allen et al. (2005); Ardichvili et al. (2003); Bogenrieder/Nooteboom (2004); Breu/Hemingway (2002); Dubé/Bourhis (2005); Fontaine/Millen (2004); Gherardi et al. (1998); Gongla/Rizzuto (2001) bzw. Gongla/Rizzuto (2004); Henschel (2001); Hildreth et al. (1998); Lesser/Storck (2001); Kimble/Hildreth (2005a); Millen et al. (2002); Orr (1990b); Ruuska (2005); Schenkel et al. (2001); Schenkel/Teigland (2002); Swarbrick (2002); Thompson (2005); Tyler et al. (2005); Wenger (1998b). Siehe dazu Wassermann/Faust (1994).
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Die Mehrheit der Studien basiert auf Interviews. Dabei kommen offene, semi-strukturierte und strukturierte Interviews zur Anwendung. In einigen Studien (vor allem den ethnographischen Studien) werden zusätzlich teilnehmende Beobachtungen durchgeführt. Einige Wissenschaftler erfassen zusätzlich Daten mittels Fragebögen (z.B. ALLEN et al., HILDRETH et al., SCHENKEL/TEIGLAND) oder nutzen Geschäftsberichte bzw. Unternehmensdokumentationen (z.B. ARDICHVILI et al., GONGLA/RIZZUTO). Es gibt nur wenige longitudinale Studien (GHERARDI/NICOLINI, GONGLA/RIZZUTO, BOGENRIEDER/NOOTEBOOM, DUBÉ/BOURHIS, THOMPSON). Die Mehrheit der Studien bezieht sich auf einen Zeitpunkt, was auf den Aufwand von Längsschnittbetrachtungen zurückzuführen ist. In verhältnismäßig wenigen Studien wurden CoPs verschiedener Unternehmen untersucht (ALLEN et al., DUBÉ/BOURHIS, FONTAINE/MILLEN, LESSER/STORCK, MILLEN et al.). Lediglich die Studie von GONGLA/RIZZUTO analysiert eine große Anzahl verschiedener CoPs eines Unternehmens. Die Mehrzahl der Studien basiert auf der Untersuchung weniger CoPs eines Unternehmens. Es sind ausgewählte Einzelfälle, d.h. die Ergebnisse sind nicht grundsätzlich generalisierbar. Da jedoch z.T. ähnlichen Forschungsfragen nachgegangen wurde, lassen sich aus der Summe der Studien Aussagen zum Verständnis der Eigenschaften und Wirkungsweise von CoPs ableiten. Einige der Studien, insbesondere die leistungsorientierten Untersuchungen, können zumindest in Ansätzen einen Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfragen dieser Untersuchung liefern. Bei der Herleitung der einzelnen Hypothesen werden die jeweiligen Studien bzw. deren Ergebnisse an entsprechender Stelle vorgestellt. Ein allgemein gültiges Modell einer CoP bzw. eine systematische Erfassung von Einflussfaktoren liegen nachweislich nicht vor. Analyse der quantitativen Studien Lediglich vier quantitative CoP-Studien konnten identifiziert werden.410 Zu den Forschungsfragen aller vier Untersuchungen gehört die Frage nach dem Erfolg von CoPs, d.h. in Verbindung mit einer interpretierenden wird eine leistungsorientierte Perspektive auf die Wissensgemeinschaften eingenommen. Neben der Erfolgsmessung werden Charakteristika (ANDRIESSEN/VERBURG, RUUSKA) und Prozesse von CoPs (ANDRIESSEN/VERBURG) sowie die Motivation der Mitglieder zur Teilnahme (TEIGLAND/WASKO, RUUSKA) untersucht. Bei der Analyse der Studien fällt auf, dass die Autoren stets eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Erhebungsmethoden anwenden: entweder im Rahmen einer einzelnen Studie oder in verschiedenen Studien, die z.T. aufeinander aufbauen (wie bei SCHENKEL, TEIGLAND/WASKO, RUUSKA).411 Auf diesem Wege werden Hypothesen abgeleitet und an410
411
Vgl. Tab. 3-2. Die betrachteten Studien sind Andriessen/Verburg (2004); Ruuska (2005); Teigland/Wasko (2003) bzw. Teigland/McLure Wasko (2004); von Wartburg et al. (2004). Vgl. Schenkel et al. (2001); Schenkel/Teigland (2002); Ruuska (2005); Teigland (2003).
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schließend empirisch geprüft. Mit Ausnahme von RUUSKA, die CoPs verschiedener Unternehmen untersucht, werden nur CoPs eines Unternehmens untersucht. Die Forscher verwenden im Fragebogen eine 5-, 6- bzw. 7-stufige Rating-Skala zur Messung der Variablen. Für die Analyse der Daten bzw. zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen haben TEIGLAND/WASKO und VON WARTBURG et al. Strukturgleichungsmodelle aufgestellt.412 Dabei wurde die Methode der Partialkleinstquadrate (PLS) bzw. des linearen Strukturzusammenhangs (LISREL) genutzt. RUUSKA nutzt bivariate Regressionen. Bei ANDRIESSEN/ VERBURG finden sich keine Angaben zu einem Modell und damit auch keine Aussagen zum Zusammenhang zwischen den betrachteten Variablen. Die Betrachtung der Konzeptualisierung des CoP-Erfolgs zeigt, dass zwei der Studien den Erfolg (die anhängige Variable) auf drei Erfolgsebenen betrachten: individuelle Ebene, Community-Ebene und organisationale Ebene (ANDRIESSEN/VERBURG, RUUSKA). TEIGLAND/ WASKO betrachten nur den individuellen Erfolg und VON WARTBURG et al. nur den Erfolg auf organisationaler Ebene. In den drei Studien, in denen Angaben zum Modell vorliegen, stellt das Erfolgsmaß ein mehrdimensionales Konstrukt dar, d.h. es wird mit verschiedenen Dimensionen gemessen.413 Aufgrund der fehlenden Angaben zu den verwendeten Indikatoren lassen sich die Konzeptualisierungsansätze inhaltlich nicht vergleichen. Als unabhängige Variablen betrachten die Autoren unterschiedliche Variablen: TEIGLAND/WASKO untersuchen keine direkt mit CoPs zusammenhängenden Variablen sondern den direkten bzw. indirekten Einfluss verschiedener Informationsquellen auf den Erfolg. Mediator ist dabei der interne bzw. externe Informationsaustausch innerhalb der Organisation. ANDRIESSEN/VERBURG konzeptualisieren als Input-Variablen Ziele sowie die Einstellung der Mitglieder und verschiedene Prozess-Variablen (von der Kommunikationsfrequenz über Koordination bis hin zur Nützlichkeit der Kommunikationsinstrumente). VON WARTBURG et al. messen die soziale Struktur, soziales Kapital sowie Humankapital. RUUSKA betrachtet Lernziele, die Praxis, Kontaktgeber, die organisationale Unterstützung sowie die Formalität als unabhängige Variablen. Zur Beantwortung der Forschungsfragen soll in der vorliegenden Arbeit ein Bezugsrahmen aufgestellt werden, der wesentliche Komponenten einer CoP erfasst. Vor diesem Hintergrund ergab die Analyse der vier Studien, dass die Studie von ANDRIESSEN/VERBURG als einzige Studie ein Modell einer CoP beschreibt. Die Autoren betrachten sowohl Input- und Prozessals auch Erfolgsgrößen einer CoP. Des Weiteren kann festgestellt werden, dass bisher nur wenige Hypothesen zu CoPs empirisch überprüft wurden. Es bestehen deutliche Differenzen zwischen den betrachteten abhängigen und unabhängigen Variablen in den verschiedenen 412
413
Strukturgleichungsmodelle verbinden konfirmatorische Faktorenanalysen mit linearer Regression und ermöglichen als multivariate Forschungsmethode somit die Analyse latenter Strukturen. Vgl. Abschnitt 5.1.1.1. Siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt 5.1.1.1.
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Studien. Es werden nur wenige CoP-Charakteristika betrachtet, die im Rahmen bisheriger qualitativer Studien diskutiert wurden. Die Aktivitäten und Prozesse, die innerhalb der CoPs stattfinden, und deren Merkmale bleiben von drei Autoren unbeachtet. Nur ANDRIESSEN/VERBURG sehen darin eine mögliche Erklärung für den CoP-Erfolg. Strukturelle Eigenschaften in Form der Formalität bzw. dem Grad der organisationalen Unterstützung werden nur von RUUSKA in die Untersuchung einbezogen. Der Frage nach der Bedeutung von spezifischen Rollen (beispielsweise eines Community-Brokers) wird nicht nachgegangen. Keine der Studien berücksichtigt einen möglichen Zusammenhang zwischen den Erfolgsmaßen. Des Weiteren ist ersichtlich, dass keine anerkannten Skalen zur Konzeptualisierung von CoP-Eigenschaften oder den Erfolgsdimensionen existieren. Diskussion zum Forschungsstand Die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme lassen sich mit verschiedenen Aspekten begründen. Neben dem geringen Kenntnisstand bezüglich CoPs im Unternehmenskontext spielen die oftmals praxisorientierte Herangehensweise, die Eigenschaften von CoPs sowie die Schwierigkeiten bei der Messung der Ergebnisse von CoPs eine Rolle: (1) „[R]esearch on communities of practice is still at the earliest stages of development“, so SCHENKEL et al.414 TEIGLAND beurteilt dies detaillierter: “[T]he number of empirical studies on communities of practice is very limited both in methodology (ethnographies and case studies) and samples (primarily the US and lower level, nonprofessionals in non-science professions).”415
CoPs stellen im organisationspsychologischen Kontext einen relativ neuen Forschungsgegenstand und damit ein neues Forschungsfeld dar. Im Rahmen von qualitativen Analysen ging es daher zunächst darum, ein Tiefenverständnis von CoPs zu entwickeln. Ziel war die Hypothesengenerierung und Theoriebildung.416 Liegen allgemeine Erkenntnisse zu wesentlichen Variablen und deren Zusammenhänge vor, können diese mit Hilfe von quantitativen Verfahren überprüft werden. Quantitative Erhebungsmethoden sind dann geeignete Methoden, wenn bereits grundlegende Kenntnisse zum Forschungsgegenstand vorliegen.417 Die ersten qualitativen CoP-Studien (2) Vielfach suchten die Unternehmen selbst, gegebenenfalls in Kooperation mit Unternehmensberatungen oder angegliederten Forschungsinstituten (An-Institute)418, nach Möglichkeiten, existierende CoPs bestmöglich zu fördern oder aber die Gründung von Netz414 415 416 417 418
Schenkel et al. (2001), S. 3. Teigland (2003), S. 64f. Vgl. zu den Aufgabenfeldern qualitativer Forschung Mayring (2000), S. 20ff. Vgl. dazu die Ausführungen bei Diekmann (1995), S. 107 ff. sowie S. 585 ff.; Schnell et al. (2005), S. 51 ff. Beispielhaft seien hier Arthur Andersen’s Next Generation Research Group, Deloitte Research, IBM Institute for Knowledge Management, Xerox PARC genannt.
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werken zu initiieren. Dabei entwickelten sie die Lösungsansätze primär unternehmensintern in Pilot-Projekten, d.h. Einzelfällen.419 Die Untersuchungen waren dabei meistens von praxisrelevanten Fragestellungen getrieben. Damit ging einher, dass nur in wenigen Fällen eine wissenschaftliche Betreuung der Untersuchung stattfand bzw. die Ergebnisse dieser Untersuchungen veröffentlicht wurden. (3) Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Erforschung von CoPs ergibt sich auch aus deren Charakteristika. Der informelle Charakter, die fließenden Grenzen, die mit wechselnden Mitgliedern einhergehen, sowie die Selbstorganisation erschweren eine systematische Analyse.420 (4) Des Weiteren ist insbesondere die Ergebnismessung von CoPs problematisch: Die Ergebnisse bzw. Auswirkungen liegen jenseits der Objektebene und sind daher schwer in messbare Größen zu überführen.421 Die Wirkungen lassen sich nur in wenigen Fällen direkt den Aktivitäten der Community zuordnen. Darüber hinaus gibt es Effekte, die erst in der Zukunft wirken.422 3.3
Zusammenfassung
Die Ursprünge der CoP-Forschung liegen in anthropologischen Untersuchungen zu Lernprozessen in Gruppen sowie ethnographischer Feldforschung im Unternehmenskontext. Im Rahmen der Diskussion um organisationales Lernen entwickelten sich CoPs zu einem Managementinstrument. Die Systematisierung der CoP-Forschung hat gezeigt, dass CoPs ein verhältnismäßig junges Gebiet in der betriebswirtschaftlichen Forschung darstellen. Sowohl die konzeptionellen Analysen als auch die empirischen Studien verdeutlichten diese Tatsache. Es existieren mittlerweile einige qualitative Studien, die sich vor allem mit einem grundsätzlichen Verständnis von CoPs und deren Charakteristika beschäftigen. Lediglich vier Studien verfolgen im Rahmen einer quantitativen Erhebung das Ziel, aufgestellte Hypothesen empirisch zu überprüfen. Auf der Basis der vorgenommenen Bestandsaufnahme kann zusammenfassend festgestellt werden, dass es zu CoPs noch einen großen Forschungsbedarf gibt. HISLOP bestätigt diese Erkenntnis: „[W]hile the terminology of ‘communities of practice’ has been become widely used, it still remains a relatively poorly developed concept.“423
419 420 421 422 423
Vgl. dazu auch Schoen (2001), S. 71f. Vgl. auch Lesser/Storck (2001), S. 833; Teigland (2000), S. 154f; Teigland (2003), S. 121. Vgl. Klimecki/Thomae (1997), S. 16. Siehe dazu die ausführlichere Diskussion im Abschnitt 4.4.1 zur Problematik der Erfolgsmessung. Vgl. Hislop (2003a), S. 165.
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Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass das Thema CoPs aufgrund der veränderten Umfeldbedingungen nach wie vor in der Praxis und Wissenschaft äußerst aktuell ist, sollen die nachfolgenden Ausführungen zu einem tieferen Verständnis von CoPs beitragen. Es ist Ziel dieser Arbeit, unter Berücksichtigung bisheriger Erkenntnisse und Befunde, die Erfolgswirkung von CoPs zu analysieren und erfolgskritische Faktoren zu identifizieren und empirisch zu überprüfen.
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4
Theoretischer Bezugsrahmen der Untersuchung
Innerhalb dieses Kapitels wird basierend auf theoretisch-konzeptionellen Überlegungen sowie empirischen Befunden aus der CoP- bzw. Wissensmanagementforschung, aber auch der Team-, Innovations- und Netzwerkforschung der Bezugsrahmen der nachfolgenden Untersuchung abgeleitet. Im ersten Abschnitt (4.1) wird ein generisches, konzeptionelles Modell einer CoP entwickelt, welches den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Bezugsrahmens bildet. Darauf aufbauend wird im zweiten Abschnitt des Kapitels (4.2) zunächst der Frage nachgegangen, welche Community-bezogenen Eigenschaften für die Interaktion in der CoP und einen erfolgreichen Wissenstransfer relevant sind. Auf der Basis dieser Überlegungen werden im Anschluss daran die wesentlichen Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse diskutiert (4.3). Dem schließt sich die Analyse der möglichen Erfolgswirkungen von CoPs an (4.4). Die wesentliche konzeptionelle Basis für das Verständnis der Auswirkungen und damit der Wirkungsweise von CoPs bildet das Konzept des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses. Darüber hinaus werden weitere theoretisch-konzeptionellen Ansätze genutzt, um die Erfolgswirkung von CoPs auf individueller und organisationaler Ebene herzuleiten: Lerntheorien, die Theorie des sozialen Kapitals, der Stärke schwacher Beziehungen sowie der sozialen Identität. Neben den theoretischen Konzepten werden bei der Herleitung der Erfolgshypothesen empirische Befunde aus verschiedenen Forschungsströmen herangezogen. Zum Abschluss des Kapitels werden die erarbeitete Konzeptualisierung sowie der Bezugsrahmen der Untersuchung und die damit verbundenen zu prüfenden Hypothesen zusammenfassend dargestellt (4.5).
4.1
Generisches Modell einer Community of Practice
Wie die vorangegangene Bestandsaufnahme der CoP-Forschung belegt, existiert kein allgemein akzeptiertes CoP-Konzept bzw. -Modell. Im Gegensatz dazu gibt es eine lange Tradition im Bereich der Forschung zu Teams bzw. Arbeitsgruppen und deren Erfolgsfaktoren.424 Wie bereits diskutiert wurde, unterscheiden sich CoPs in diversen Aspekten von Teams bzw. Arbeitsgruppen, aber dennoch kann jede CoP aus sozialpsychologischer Sicht als soziale Gruppe betrachtet werden.425 Daher können grundlegende Erkenntnisse aus diesem Forschungsbereich bei der Entwicklung eines CoP-Modells, welches die Beantwortung der vorab formulierten Forschungsfragen ermöglicht, herangezogen werden.
424
425
Vgl. z.B. Guzzo/Shea (1992); Hackman (1987); Högl (1998); McGrath (1964); Wurst (2001) sowie dort zitierte Quellen. Vgl. die Ausführungen im Abschnitt 2.2.2.3 zum Thema CoPs als soziale Gruppe.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Zur Analyse der Leistung einer Gruppe, d.h. der Teameffektivität, wurden in der TeamForschung verschiedene ganzheitliche Erklärungsmodelle diskutiert. Dabei wurden von einigen Autoren einstufige Modelle entwickelt, in denen sowohl die Inputfaktoren als auch die Faktoren des Interaktionsprozesses innerhalb eines Teams Einflussgrößen der Teamleistung sind. Die Mehrheit der Wissenschaftler nutzte jedoch zweistufige Input-Prozess-OutputModelle.426 Das bedeutet, dass der Interaktionsprozess in einem Team eine mediierende Rolle zwischen Input- und Outputgrößen einnimmt.427 Ein allgemeines zweistufiges Modell der Gruppeneffektivität konzipierte MCGRATH bereits 1964. Bei dem Modell handelt es sich um ein dynamisches Modell, d.h. es enthält mögliche Rückwirkungen der Ergebnisse auf die Inputfaktoren und die Interaktionsprozesse im Team.428 HACKMAN entwickelte zu diesem „klassischen“ Input-Prozess-Output-Modell zwei alternative Ansätze, bei denen (a) die Inputfaktoren nicht nur die Prozesse innerhalb des Teams beeinflussen sondern auch die Teamergebnisse und (b) es darüber hinaus reziproke Einflüsse zwischen Prozess- und Outputgrößen gibt.429 Diese Ansätze basierten vor allem auf konzeptionellen Überlegungen. Nachfolgende empirische Arbeiten zur Analyse der Teameffektivität und ihren Einflussgrößen haben deutlich gemacht, dass ganzheitliche und damit komplexe Modelle mit postulierten Rückwirkungen aufgrund ihrer Komplexität nicht getestet werden können.430 In Analogie zu den Modellen der Teamforschung beinhaltet das generische Modell einer CoP, welches die Grundlage für die Ableitung des Bezugsrahmens der Untersuchung bildet, die drei Komponenten Input, Prozesse und Output. Dabei wird ein zweistufiges Modell gewählt, in dem die Interaktionsprozesse innerhalb der CoP eine Mediatorrolle zwischen den Einflussfaktoren (Input) und Ergebnissen (Output) einnehmen. Das in Abb. 4-1 dargestellte Modell einer CoP berücksichtigt dabei in Anlehnung an MCGRATH sowie HÖGL die Tatsache, dass die Wahrnehmungen der Ergebnisse einer Community die Einflussfaktoren bzw. Interaktionsprozesse beeinflussen, welche wiederum die Interaktionsprozesse bzw. deren Ergebnisse beeinflussen können.431 Eine empirische Überprüfung möglicher Rückwirkungen432 findet aufgrund der damit verbundenen Komplexität in der vorliegenden Arbeit nicht statt. 426 427
428 429 430
431 432
Vgl. Guzzo/Shea (1992), S. 280. Vgl. zum Abschnitt Högl (1998), S. 22. Siehe ebenda, S. 22ff für einen Überblick zu den verschiedenen Modellen und deren kritische Würdigung. Vgl. McGrath (1964), S. 71. Vgl. Hackman (1987), S. 320ff. Vgl. beispielsweise Gladstein (1984), S. 500ff; Högl (1998), S. 74ff; Pinto et al. (1993), S. 1284ff sowie die Diskussion dieser und weiterer empirischer Ergebnisse bei Högl (1998), S. 50ff. Vgl. Högl (1998), S. 70; McGrath (1964), S. 70. Beispielsweise beeinflussen die CoP-Ergebnisse die Rahmenbedingungen für den Wissenstransfer sowie die zukünftige Unterstützung durch das Management (Einflussfaktor); eine hohe Zufriedenheit der Mitglieder mit den Ergebnissen führt zu einer gesteigerten Motivation und Erwartungshaltung (Einflussfaktor), gleichzeitig wird das Wir-Gefühl innerhalb der CoP gefestigt (Interaktionsprozess). Vgl. dazu auch Schoen (2001), S. 108.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Einflussfaktoren
Interaktionsprozesse
Ergebnisse
Abb. 4-1: Generisches Modell einer CoP433
In den nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels werden die drei Komponenten des Modells behandelt. Dabei werden einzelne für die Beantwortung der Forschungsfragen relevante Faktoren der Komponenten detailliert hergeleitet und beschrieben. Darüber hinaus werden die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten bzw. deren Faktoren untersucht und die Richtung der Wirkungszusammenhänge postuliert. Inhalte des folgenden Abschnittes sind dabei zunächst die Interaktionsprozesse in einer CoP. Im Anschluss daran werden die wesentlichen Einflussgrößen der Interaktionsprozesse sowie die erwarteten Wirkungszusammenhänge zwischen den Faktoren erläutert. Darauf folgt die Diskussion der Erfolgswirkung von CoPs sowie des Zusammenhangs von Interaktionsqualität und den verschiedenen Erfolgsdimensionen.
4.2 4.2.1
Interaktionsprozesse in Communities of Practice Kommunikation als Basis der Interaktionsprozesse
Wie die vorangegangene Synopse existierender Definitionen und Beschreibungen deutlich macht, steht im Zentrum der Aktivitäten von CoPs der Austausch von Ideen, Einsichten und Erkenntnissen. CoPs sind demnach vor allem Orte des Wissensaustausches und der Wissensentwicklung.434 Der Transfer und die Entwicklung von Wissen werden durch verschiedenste Aktivitäten, die in einer CoP stattfinden, ermöglicht. Beispielhaft seien folgende Aktivitäten genannt: von andern Mitgliedern über neue technologische Trends lernen, gemeinsam im Diskussionsforum die Anwendung einer neuen Technologie erwägen, ein akutes Problem gemeinsam lösen, die Lösung des Problems bzw. dabei gemachte Erfahrungen aufschreiben und in den Community Workspace435 einstellen, den Kontext des Problems dokumentieren, Richtlinien entwickeln, anderen Mitgliedern eigene Dokumente zur Verfügung stellen, Anfragen von Mitgliedern beantworten, den Mitgliedern von einem interessanten Workshop zum 433 434
435
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. z.B. Henschel (2001), S. 49; Lesser/Storck (2001), S. 831; McDermott (1999b), S. 1; Wenger et al. (2002), S. 4. Als Community Workspace wird nachfolgend der virtuelle Raum bezeichnet, in dem die Mitglieder miteinander interagieren, wo Dokumente verwahrt werden etc.
86
Theoretischer Bezugsrahmen
Thema der Community berichten, genutzte Dokumente nach ihrer Nützlichkeit bewerten etc.436 Worauf basieren jedoch alle diese einzelnen Aktivitäten? Die verbindende Gemeinsamkeit der Aktivitäten bzw. ihre Grundlage ist die Kommunikation.437 Sie kann als „Leim“ bezeichnet werden, der die Beziehungen zwischen den verschiedenen Personen – im vorliegenden Fall zwischen den Mitgliedern der Community – zusammenhält.438 Dies verdeutlicht folgendes Zitat anschaulich: „Communications transforms a collection of individuals into a strong, mutually supportive team [or community, A.d.A]. Communication builds the important ties that bind people together […]”439
Wie HOMANS diskutiert, wird der Begriff der Kommunikation440 sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis nicht eindeutig verwendet441: Kommunikation kann (1) für den Inhalt einer übermittelten Nachricht stehen. Kommunikation kann (2) auch den Prozess der Übermittlung, d.h. die Übermittlungs- oder Kommunikationsmethode, selbst meinen. (3) Kommunikation kann unabhängig von den Inhalten oder dem Übertragungsprozess als solches auf die „einfache“ Tatsache verweisen, dass zwei oder mehrere Personen miteinander kommunizieren. Die letztgenannte Bedeutung wird in der vorliegenden Arbeit mit Kommunikation verbunden. Sie kann noch weiter spezifiziert werden. Aus einer informationstheoretischen Perspektive, welche vor allem auf dem Grundmodell der mathematischen Kommunikationstheorie von SHANNON/WEAVER basiert und einen kausalen Reiz-Reaktionszusammenhang unterstellt, wird Kommunikation als eine Übertragung von Information von einem Sender zum Empfänger mit Hilfe eines Sendegerätes und eines Übertragungskanals verstanden. Es wird dabei eine lineare Informationsübertragung postuliert.442 Der Übertragungsprozess vollzieht sich stets in drei Phasen: Informationsabgabe durch das Sendesubjekt, Transport des Kommunikationsinhaltes vom Sende- zum Empfangsort, Informationsaufnahme durch das Empfangssubjekt.443 Diese technische Sichtweise ist insbesondere im Kontext von Wissensnetzwerken und der dort stattfindenden wechselseitigen Interaktion zwischen den Mitgliedern nicht zweckmäßig.444 Daher soll dem Kommunikationsbegriff aus sozialpsychologischer Perspektive gefolgt werden. Nach GRAUMANN wird unter Kommunikation ein Austausch von Informationen zwischen wechselseitig aufeinander bezogenen Personen verstanden. Des Weiteren geht der Autor davon aus, dass jede soziale Interaktion zwischen 436 437 438 439 440 441 442 443 444
Vgl. zu verschiedenen Wissensmanagementaktivitäten Schoen (2001), S. 84ff. Siehe Katz/Kahn (1978), S. 428ff zur Bedeutung der Kommunikation als Essenz von Organisationen. Siehe Mohr/Nevin (1990), S. 36: „Communication can be described as the glue that holds together“. Webber (1993), S. 28 z.n. Henschel (2001), S. 65. Das Lateinische communis bedeutet gemeinsam. Vgl. Coenenberg (1966), S. 34. Vgl. Homans (1960), S. 61 sowie die Diskussion bei Högl (1998), S. 19. Vgl. z.B. Shannon/Weaver (1976), S.16ff. Siehe auch Becker-Beck (1997), S. 22; Kesten (1998), S. 73f. Vgl. Coenenberg (1966), S. 36. Siehe dazu die Diskussion bei Staehle (1999), S. 281f.
Theoretischer Bezugsrahmen
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Personen auf Kommunikation beruht bzw. immer auch Kommunikation ist.445 Demzufolge wird das Ereignis „Personen kommunizieren“ synonym auch als Interaktion bezeichnet. Nach WINOGRAD/FLORES lässt sich der Kommunikationsprozess in vier verschiedene Arten von Kommunikation unterteilen, die miteinander verknüpft sind446: (a) handlungsbezogene Kommunikation, welche die Grundlage jeder Kommunikation ist und eine direkte Handlungssteuerung zum Ziel hat; (b) möglichkeitsbezogene Kommunikation, die parallel zur handlungsbezogenen Kommunikation stattfindet und sich mit deren Detailfragen beschäftigt; (c) klärungsbezogene Kommunikation, die vor der handlungsbezogenen Kommunikation abläuft und zur Klärung derer Ziele dient; (d) orientierungsbezogene Kommunikation, welche die Schaffung eines gemeinsamen Bezugsrahmens zum Ziel hat. In einer CoP findet demnach nicht nur handlungsbezogene und dieser voraus- bzw. mit dieser einhergehenden Kommunikation zum Austausch fachspezifischer Information statt. Darüber hinaus gibt es Kommunikation, die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis zwischen den Mitgliedern ist. Die zwischenmenschlichen Austauschprozesse können grundsätzlich verbal oder nichtverbal sein. Kommunikation umfasst demnach nicht nur Sprache sondern das gesamte Verhalten.447 Bei der Beobachtung von Gruppeninteraktionen werden neben dem beobachtbaren verbalen und dem nichtverbalen Interaktionsverhalten auch die geäußerten Inhalte analysiert.448 Für die nachfolgende Untersuchung ist die Verhaltensebene von besonderer Relevanz. Die Inhaltsebene wird außer Acht gelassen. Das bedeutet, die Komponente Interaktionsprozesse des CoP-Modells wird nicht durch die Inhalte, sondern durch die verschiedenen Merkmale der Interaktionsprozesse charakterisiert. 4.2.2 Relevante Charakteristika der Interaktionsprozesse Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es, die wesentlichen Faktoren zu diskutieren, die die Interaktionsprozesse in einer CoP maßgeblich prägen bzw. ausmachen. Ausgehend von der Überlegung, dass erfolgreicher Wissenstransfer auf bestimmten Voraussetzungen basiert, geht es vornehmlich darum, Charakteristika zu identifizieren, die die Güte der Interaktion kennzeichnen. Welches sind jedoch relevante Faktoren? Die Analyse der konzeptionellen Beiträge sowie der empirischen Ergebnisse zu CoPs belegt:
445 446 447 448
Vgl. Graumann (1972), S. 1117 z.n. Becker-Beck (1997), S. 22. Vgl. Winograd/Flores (1987), S. 78f z.n. Henschel (2001), S. 19. Vgl. Staehle (1999), S. 301f. Vgl. Becker-Beck (1997), S. 28.
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Theoretischer Bezugsrahmen
(1) Interpersonales Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung für den Transfer und die Entwicklung von Wissen innerhalb von CoPs.449 Diese Relevanz wird auch durch Ergebnisse anderer Forschungsbereiche bestätigt: Fehlendes Vertrauen wird in der Literatur zum Wissensmanagement explizit als Barriere angesehen und damit wird Vertrauen als wesentliche Determinante für erfolgreichen Wissenstransfer identifiziert.450 Interpersonales Vertrauen ist eine Bedingung für die Kooperation und den Austausch in Unternehmensnetzwerken.451 Vertrauen ist elementarer Bestandteil der Beziehungen zwischen Mitgliedern von (virtuellen) Teams.452 (2) Den zweiten wesentlichen Faktor der Interaktion in CoPs stellt die Kohäsion bzw. der Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern dar. Die Verbundenheit zwischen den Mitgliedern kann dabei als Charakteristikum der Struktur einer Gruppe453 oder aber als Charakteristikum aus organisationspsychologischer Perspektive verstanden werden. Die letztgenannte Perspektive wird in der Teamforschung eingenommen. Ergebnisse diverser Team-Studien belegen die Bedeutung von Kohäsion für Teamprozesse: Ein fehlendes Zusammengehörigkeitsgefühl führt dazu, dass die gemeinsame Arbeit an der kollektiven Aufgabe beeinträchtigt ist. Demzufolge wird Kohäsion als ein bedeutendes Element der Teamarbeit angesehen.454 (3) Als dritter Faktor wird das Kommunikationsklima innerhalb der CoP betrachtet. Dies basiert auf der Erkenntnis der Gruppen- bzw. Teamforschung, dass die Offenheit der Kommunikation wesentliches Charakteristikum von Interaktionen in Gruppen ist.455 (4) Vierter und letzter Faktor, der die Interaktion in CoPs charakterisiert, ist die Interaktionshäufigkeit über verschiedene Kommunikationswege.456 Darüber hinaus werden in den Beiträgen zu CoPs noch andere Charakteristika der Interaktion analysiert, so z.B. Netzwerk-spezifische Merkmale wie Dichte und Zentriertheit.457 Diese werden in Zusammenhang mit der Durchführung sozialer Netzwerkanalysen untersucht. Eine solche Untersuchung wurde in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht konzipiert. Unter Berücksichtigung der mit der ausgewählten Erhebungsmethode einhergehenden Möglichkeiten er449
Vgl. Andriessen/Verburg (2004), S. 8; Ardichvili et al. (2003), S. 72; Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 296f; Snyder (1997), S. 8. 450 Vgl. z.B. Bendt (2000), S. 58; Davenport/Prusak (1998), S. 97; von Krogh/Köhne (1998), S. 244. 451 Vgl. Gebert (2002), S. 139; Inkpen/Tsang (2005), S. 153f. 452 Vgl. Abrams et al. (2003); Costa et al. (2001); Holland et al. (2000), S. 247; Jarvenpaa/Leidner (1999); Kirkman et al. (2002). 453 Vgl. Schenkel et al. (2001), S. 6f. 454 Vgl. z.B. Gebert (2004), S. 82ff; Guzzo/Shea (1992), S. 284; Högl (1998), S. 78ff; Helfert (1998), S. 40ff; Holland et al. (2000), S. 247f. 455 Vgl. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 293ff; Högl (1998), S. 77ff; 456 Vgl. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 293ff; Högl (1998), S. 77ff; North et al. (2004), S. 25f. 457 Vgl. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 292ff; Schenkel et al. (2001), S. 6ff.
Theoretischer Bezugsrahmen
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scheinen die aufgeführten vier Faktoren wesentlich für die Beantwortung der aufgestellten Forschungsfragen. Aufgrund der beschriebenen Merkmale und Besonderheiten von CoPs ist es keineswegs selbstverständlich, dass die Mitglieder sich vertrauen bzw. eine Verbundenheit empfinden und freizügig ihr Wissen miteinander teilen. Auch die vornehmlich virtuelle Interaktion erleichtert die Community-Prozesse nicht. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen werden die vier Dimensionen Vertrauen, Kohäsion, Kommunikationsklima und Interaktionshäufigkeit als beschreibende Merkmale der Interaktionsprozesse in CoPs betrachtet. Nachfolgend werden jeweils erst die Inhalte der einzelnen Dimension und im Anschluss daran mögliche Wirkungszusammenhänge diskutiert. 4.2.3
Konzeptualisierung und Wirkungszusammenhänge der Charakteristika
4.2.3.1 Vertrauen Konzeptualisierung. Der Begriff Vertrauen wird in der organisationalen Forschung aus verschiedenen und nicht immer kompatiblen Sichtweisen betrachtet.458 Während bei einer rationalen Perspektive “the calculus of self-interest” im Mittelpunkt steht, fokussiert die soziale Perspektive eine moralischen Schuldigkeit bzw. Pflicht.459 Beide Perspektiven sind in der Definition von MAYER et al. integriert. Nach deren Begriffsverständnis ist Vertrauen “[…] the willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party.”460
Interpersonales Vertrauen in eine andere Person bedeutet demnach die Akzeptanz der Verletzbarkeit gegenüber dieser Person, die dabei jedoch nicht der eigenen Kontrolle unterliegt.461 Die damit einhergehende „willingness to rely on another“462 führt dazu, dass eine Person einer anderen einen Vertrauensvorschuss gibt und gleichzeitig den Kontrollverzicht akzeptiert. Dieser Vertrauensvorschuss ist allerdings keine einseitige Handlung, sondern er wird eher als bilateraler sozialer Tauschprozess gesehen. Das bedeutet, der Vertrauensgeber setzt eine dyadische Reziprozität463, d.h. einen wechselseitig abhängigen Austausch von Vertrauensvorleistung und entsprechender Gegenleistung voraus: Er erwartet in der Zukunft neben einer entsprechenden Gegenleistung, dass der Vertrauensnehmer das in ihn gesetzte Vertrauen nicht ausnutzen wird.464 Da er sich dessen jedoch nicht sicher sein kann, ist Vertrauen
458 459 460 461 462 463
464
Vgl. Krause (2003), S. 131; Lewicki/Bunker (1996), S. 115; Mayer et al. (1995), S. 709. Vgl. Jarvenpaa et al. (1998), S. 30f. Mayer et al. (1995), S. 712. Vgl. Deutsch (1976) z.n. Gebert (2002), S. 131. Doney et al. (1998), S. 604. Siehe Becker-Beck (1997), S. 31f für eine detaillierte Diskussion zur Reziprozität und mögliche Unterscheidungen. Vgl. Katz/Kahn (1978), S. 393f zur Entwicklung des Prinzips. Vgl. z.B. Krause (2003), S. 134; ; Lewicki/Bunker (1996), S. 116; Mayer et al. (1995), S. 712.
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auch immer mit Risiko verbunden.465 Woher rührt also trotz des damit verbundenen Risikos der Vertrauensvorschuss an eine andere Person? Die Frage nach den Quellen des Vertrauens in andere Gruppenmitglieder ist insbesondere auch für das Verständnis der sozialen Interaktion in Wissensgemeinschaften, wo oftmals vor allem virtuell agiert wird, von großem Interesse. Grundsätzlich gibt es in der wissenschaftlichen Literatur eine rege Diskussion darüber, ob Vertrauen ein dem Menschen innewohnendes bzw. auf persönlichen Erfahrungen beruhendes Phänomen ist oder eher auf kalkulierten Entscheidungen des rational denkenden Menschen basiert.466 Das Verständnis von Vertrauen als psychologischer Zustand impliziert, dass vertrauensvolles Handeln auf einer fest verankerten grundsätzlichen Vertrauensbereitschaft einer Person basiert.467 ROSSEAU et al. unterscheiden drei Arten von Vertrauen, welche sich mit der Zeit im Rahmen einer gewissen Bandbreite verändern können468: kalkulierendes Vertrauen, relationalaffektives Vertrauen sowie institutionelles Vertrauen.469 Kalkulierendes Vertrauen basiert auf der Annahme, dass ein Vertrauensmissbrauch mehr Schaden als Nutzen für den anderen bringt und daher die andere Person sich entsprechend des Vertrauensvorschusses verhalten wird. Relational-affektives Vertrauen beruht auf der wiederholten Erfahrung, dass ein Vertrauensvorschuss bisher keinen Vertrauensmissbrauch nach sich gezogen hat. Bei institutionellem Vertrauen (auch Systemvertrauen genannt) fußt die Vertrauenserwartung auf informellen Absprachen oder Verträgen, formellen Regelungen oder Rechtsordnungen, langjährigen Praktiken oder einer entsprechenden Organisationskultur.470 Diese Arten von Vertrauen können auch als Stufen einer Entwicklung von Vertrauen innerhalb von Organisationen aufgefasst werden.471 Wie auch bei Teams, in denen Personen, die sich nicht kennen und oftmals an verschiedenen Orten arbeiten, von Beginn an kooperieren, scheint auch innerhalb von CoPs ein gewisses Grundvertrauen bzw. Anfangsvertrauen – auch als swift trust bezeichnet – zu existieren.472 Aufgrund fehlender Erfahrungen steht es „tendenziell auf einer brüchigen Basis“473. Woher rührt dieses Anfangsvertrauen? Zwei wesentliche Mechanismen werden als Grundlage dafür 465 466
467 468 469
470 471
472 473
Vgl. Mayer et al. (1995), S. 712. Vgl. z.B. die Diskussion bei Cummings/Bromiley (1996); Kramer (1999); Mayer et al. (1995); Rosseau et al. (1998) und dort aufgeführte Quellen. Vgl. Kramer (1999), S. 571; Rosseau et al. (1998), S. 395. Vgl. Rosseau et al. (1998), S. 399ff. LEWICKI/BUNKER nehmen analog eine Abstufung zwischen einem kalkulierenden (calculus-based trust), einem wissensbasierten (knowedge-based trust) und einem identifikationsbasierten Vertrauen (identificationbased trust) vor. Vgl. Lewicki/Bunker (1996), S. 119ff. Vgl. zum Abschnitt auch die Ausführungen bei Gebert (2002), S. 131f. In virtuellen Teams scheint sich Vertrauen nicht über die verschiedenen Stufen zu bilden. Alle drei Arten bestehen von Anfang an. Vgl. dazu die Befunde von Jarvenpaa/Leidner (1999), S. 810. Vgl. Meyerson et al. (1996), S. 167. Gebert (2002), S. 140.
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gesehen: (1) Zum einen basiert die Vertrauensentscheidung auf einer sozialen Kategorisierung474, der Reputation der anderen Person(en) sowie der „übergeordneten“ Organisation. Es liegt demnach ein institutionelles Vertrauen vor. Allein die Tatsache, dass die andere Person Mitglied desselben Wissensnetzwerkes ist, bedeutet für andere Mitglieder „that the former should be trustworthy“475. Die gleiche Erkenntnis ergab sich bei Untersuchungen von Online Communities: Für den Austausch mit Fremden ist nicht das Vertrauen in die einzelnen Gruppenmitglieder ausschlaggebend, sondern vor allem das Vertrauen in die Organisation als Ganzes.476 (2) Zum anderen handeln die Mitglieder so, als würde bereits Vertrauen vorliegen, d.h. sie gewähren sich gegenseitig einen Vertrauensvorschuss, erwarten aber im Gegenzug, dass dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird. Dies führt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und damit einer positiven Vertrauensspirale.477 Das Reziprozitätsprinzip, das diesem Verhalten zugrunde liegt, wird von einigen Autoren daher als „Startmechanismus“ sozialer Beziehungen angesehen: Noch bevor sich allgemein gültige Normen, Werte, Erwartungen etc. herauskristallisieren, liefern die Vorteile, die mit dem Austausch verbunden sein können, entsprechende Anreize für die Interaktion und fördern die Herausbildung von sozialen Netzwerken.478 Da Vertrauen mit Verletzbarkeit zusammenhängt, ist ein wesentlicher Aspekt der Bildung von interpersonalem Vertrauen die Entwicklung von Verlässlichkeit. Diese Verlässlichkeit kann prozedural (beispielsweise durch legitimierte Regeln sowie prozedurale Gerechtigkeit) oder interaktional vermittelt werden.479 Im Kontext von CoPs ist vor allem letztgenannte Möglichkeit von Relevanz. Im Verlauf der Interaktionen vermitteltes Wohlwollen, die Erfahrung des nicht stattfindenden Vertrauensmissbrauches sowie das damit einhergehende Gefühl von Verlässlichkeit bilden die Grundlage für einen vertrauensvollen Umgang miteinander. Vertrauen in die anderen Community-Mitglieder äußert sich z.B. darin, dass die Mitglieder von den Fähigkeiten und Kompetenzen der anderen Mitglieder überzeugt sind, dass sie sich auf das Wissen der anderen verlassen, dass sie von einem verantwortungsvollen Umgang mit Wissen in der Community ausgehen. Diese verschiedenen Aspekte werden in der nachfolgenden Untersuchung als Kennzeichen des Vorhandenseins interpersonalen Vertrauens zwischen den Mitgliedern angesehen. Wirkungszusammenhänge. Die interaktionale Entwicklung von Vertrauen impliziert, dass für die Entwicklung von Vertrauen Zeit eine wesentliche Komponente ist.480 Diese Argumentation führt zu der Schlussfolgerung, dass neben dem zeitlichen Aspekt auch die Häufigkeit der 474 475 476 477 478 479 480
Vgl. Tajfel/Turner (1985), S. 7ff. Vgl. Inkpen/Tsang (2005), S. 154. Vgl. Ardichvili et al. (2003), S. 73. Vgl. Gebert (2002), S. 140f; Jarvenpaa/Leidner (1999), S. 794; Meyerson et al. (1996), S. 178ff. Vgl. die Diskussion bei Schenk (1984), S. 129f sowie dort zitierte Quellen. Vgl. Gebert (2002), S. 139ff. Vgl. Inkpen/Tsang (2005), S. 154; Rosseau et al. (1998), S. 399.
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Interaktionen eine relevante Einflussgröße ist. Diese Annahme wird von LOOSE/SYDOW bestätigt. Die Autoren sehen die Häufigkeit der Kommunikation als Determinante des Vertrauens in Netzwerken an.481 4.2.3.2 Kohäsion Konzeptualisierung. Aufbauend auf der Definition von FESTINGER kann unter Kohäsion – oftmals auch als Zusammenhalt bezeichnet – ganz allgemein die durchschnittliche Attraktivität, die die Gruppe bei ihren Mitgliedern genießt, verstanden werden.482 Diese Attraktivität kann auf zwei verschiedenen Ursachen beruhen: (1) Einerseits können die Aufgabeninhalte der Gruppe als attraktiv und interessant angesehen werden (aufgabenbezogene Kohäsion). (2) Andererseits kann die Mitgliedschaft in der Gruppe als attraktiv erlebt werden, weil sich die Mitglieder der Gruppe sympathisch sind und die Interaktion innerhalb der Gruppe als angenehm empfunden wird (personenbezogene Kohäsion).483 Damit einher geht der Aspekt der Verbundenheit sowie des Gefühls „Anschluss gefunden zu haben“.484 Mitglieder einer CoP arbeiten i.d.R. nicht an einer gemeinsamen Aufgabe. Daher erscheint im CoP-Kontext eine aufgabenbezogene Kohäsion als unwahrscheinlich. Vielmehr beruht der Zusammenhalt in der Gruppe auf der themenbezogenen Attraktivität. Mit seiner Mitgliedschaft bzw. der freiwilligen Teilnahme an den Aktivitäten in der CoP beweist jedes Mitglied, dass die anderen CoP-Mitglieder aufgrund ihres Wissens für ihn attraktiv sind. Demnach ist davon auszugehen, dass vor allem die personenbezogene bzw. interpersonale Kohäsion ein wesentliches Gütemerkmal für die Interaktion in einer Community darstellt. MULLEN/COOPER identifizieren drei wesentliche Komponenten der Teamkohäsion485: Anziehung der Mitglieder auf persönlicher Ebene (interpersonal attraction), den Stellenwert, den die Mitglieder der Teamaufgabe beimessen (commitment to task) sowie Stolz bezüglich der Mitgliedschaft und Glaube an die Leistungsfähigkeit des Teams (group pride). Unter Berücksichtigung des CoP-Kontextes bedeutet nachfolgend eine starke Kohäsion zwischen den Mitgliedern, dass die Mitglieder kollegial und freundlich miteinander umgehen und sich gegenseitig stark verpflichtet fühlen. Dies ist keine Selbstverständlichkeit bei Personen, die nicht über eine gemeinsame Aufgabe aneinander gebunden sind. Des Weiteren wird es als Anzeichen für das Vorhandensein eines starken Zusammenhalts gesehen, wenn die Mitglieder sich bei ihren individuellen Aufgaben unterstützen. Dies verdeutlicht, dass die Interaktion zwischen den
481 482 483 484 485
Vgl. Loose/Sydow (1995), S. 184. Vgl. Festinger (1950), S. 185 z.n. Gebert (2004), S. 82. Vgl. Gebert (2004), S. 82; Helfert (1998), S. 46. Vgl. Wiswede (2000), S. 233. Vgl. Mullen/Cooper (1994), S. 210ff.
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Mitgliedern durch Kooperation und nicht durch Wettbewerb geprägt ist.486 Abschließend wird der Glaube an die Zukunft der Community als Kriterium der Kohäsion betrachtet. Wirkungszusammenhänge. Damit sich interpersonale Kohäsion entwickeln kann, muss es Interaktionen zwischen den Mitgliedern geben. Nach HOMANS nimmt mit zunehmender Anzahl von Kontakten die wechselseitige Sympathie zu.487 Des Weiteren sind über eine bestimmte Zeitdauer mit einer bestimmten Häufigkeit stattfindende wechselseitige Interaktionen die Voraussetzung dafür, dass die Interaktion als angenehm empfunden werden kann. Dies wird auch von WISWEDE bestätigt: Bei freiwilliger Interaktion – die Aktivitäten in CoPs beruhen auf Freiwilligkeit – steigt mit wachsender Interaktionshäufigkeit die zwischenmenschliche Sympathie zwischen den Personen.488 4.2.3.3 Kommunikationsklima Konzeptualisierung. Unter dem Kommunikationsklima werden nachfolgend die in der CoP herrschende Atmosphäre bzw. die „verbalen“ Rahmenbedingungen der Interaktion verstanden.489 Wie bereits diskutiert, ist der elementare Bestandteil von CoPs die Kommunikation/Interaktion zwischen den Mitgliedern. Ein gutes Kommunikationsklima wirkt sich demnach positiv auf die Interaktionen in einer Community aus. Wie Studien der Teamforschung belegen, ist die Offenheit der Team-Mitglieder untereinander ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team.490 Ein aktiv-offener Diskussions- und Kommunikationsstil, der neben dem offenen Informationsaustausch mit der Entwicklung und Diskussion von Alternativen verbunden ist, trägt wesentlich zur Qualität der Interaktion bei.491 Des Weiteren belegen empirische Befunde die Bedeutung von Feedback: Eine klärende, nachfragende und Feedback gebende Interaktion wirkt positiv auf die Neukombination von Ideen in einem Team. Eigene Ideen werden den anderen Mitgliedern zur Verfügung gestellt und die Ideen anderer können mit eigenen Ideen in Verbindung gebracht werden.492 Dies lässt den Schluss zu, dass Feedback die Qualität der Interaktion positiv beeinflusst. Neben dem freien Austausch von Informationen und Wissen, verbunden mit entsprechendem Feedback, sind im Kontext von CoPs auch die Rechtzeitigkeit der Informationsweitergabe und die Genauigkeit der weitergegebenen Informationen von Bedeutung für die Güte der Interaktion. Anders als in einem Team, wo die entsprechende Information schnell und in einer Qualität, die für die Lösung der Aufgabe notwendig bzw. hinreichend ist, von einem
486 487 488 489 490 491 492
Vgl. Tjosvold (1995), S. 87ff z.n. Högl (1998), S. 80ff. Vgl. Homans (1960) z.n. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 142. Vgl. Wiswede (2000), S. 231. Vgl. dazu auch Smidts et al. (2001), S. 1053. Vgl. Gladstein (1984); Högl (1998), S. 79; Pinto/Pinto (1990). Vgl. Cooke/Szumal (1994), S. 432. Vgl. Gebert (2004), S. 97.
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Team-Mitglied gefordert werden kann, sind in einer CoP diese Aspekte keine Selbstverständlichkeit. Auf der Basis dieser Ausführungen und unter Berücksichtigung des CoP-Kontextes wird in der nachfolgenden Untersuchung das Kommunikationsklima anhand der folgenden Aspekte betrachtet: Ideen und Informationen werden offen mitgeteilt; die Mitglieder empfinden die Informationsweitergabe als rechtzeitig; sie sind mit der Genauigkeit der Informationen zufrieden und erhalten bei Anfrage ein konstruktives Feedback. Wirkungszusammenhänge. HÖGL betrachtet die Häufigkeit der Kommunikation als ein Attribut der teaminternen Kommunikation.493 Aufgrund der Überlegung, dass die Häufigkeit noch keine hinreichende Bedingung für qualitativ hochwertige Interaktionen ist, wird dieser Aspekt getrennt betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass das Kommunikationsklima in einer CoP nicht von Beginn an für alle zufrieden stellend ist. Die Mitglieder werden im Laufe der Zeit ihre Erwartungen und Anforderungen diesbezüglich kommunizieren. Das bedeutet, dass das Kommunikationsklima sich mit zunehmender Interaktion entwickelt. Die drei Merkmale Vertrauen, Kohäsion und Kommunikationsklima sind Kennzeichen der Güte der Interaktion in einer Community. In Anlehnung an HÖGL’s Konstrukt Qualität der Zusammenarbeit im Team494 (auch Team Work Quality genannt) werden die drei Faktoren unter dem Namen Community-Interaktionsqualität zusammengefasst. 4.2.3.4 Interaktionshäufigkeit Konzeptualisierung. Das vierte zentrale Merkmal der Güte der Interaktion in CoPs stellt die Interaktionshäufigkeit dar. Interaktionshäufigkeit beschreibt, wie oft die Mitglieder miteinander interagieren, d.h. Informationen und Wissen austauschen. Dabei stehen verschiedene Instrumente bzw. Funktionalitäten für den Austausch zur Verfügung. Diese ermöglichen die Übertragung von Informationen unterschiedlicher Reichhaltigkeit und Bandbreite.495 Auch wenn persönliche Treffen von großer Wichtigkeit sind (u.a. um Vertrauen zwischen den Mitgliedern aufzubauen und eine gemeinsame Identität zu entwickeln), erfolgt die Interaktion zwischen den Mitgliedern oftmals auf virtuellem Wege in „online environments“ unter Nutzung moderner IuK-Technologien.496
493 494
495
496
Vgl. Högl (1998), S. 78. Vgl. Högl (1998), S. 77ff. HÖGL differenziert sechs verschiedene Dimensionen: Kommunikation und Information (Häufigkeit, Formalisierungsgrad, Unmittelbarkeit, Offenheit und Informationsqualität), Aufgabenkoordination (Abstimmung teaminterner Leistungsbeiträge), gegenseitige Unterstützung, Arbeitsnormen (Engagement), Kohäsion (Zusammenhalt) sowie Ausgewogenheit der Mitgliederbeiträge. Auf der Basis dieser Feststellung formulierten DAFT/LENGEL die so genannte „Media Richness Theory“. Vgl. Daft/Lengel (1986), S. 559ff. Vgl. Henschel (2001), S. 85ff; Kimble/Hildreth (2005a), S. 104; Millen et al. (2002), S. 69f.
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Wie im Zuge der Einführung von Wissensmanagement in verschiedenen Unternehmen vielfach beobachtet wurde, stellt das Vorhandensein der Technologien eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für den Erfolg von Wissensmanagement dar.497 Demnach sind für CoPs die vorhandenen Kommunikationsinstrumente/-funktionalitäten nicht der entscheidende Erfolgsfaktor sondern die entsprechende Nutzung dieser und die damit ermöglichten Interaktionen. Es kann grundsätzlich zwischen synchronen (zur gleichen Zeit) und asynchronen (zu unterschiedlichen Zeiten) Kommunikationsformen unterschieden werden.498 Synchrone Kommunikation kann ferner danach unterschieden werden, ob die Interaktion auf face-to-face/persönlichen Kontakten der Mitglieder basiert oder auf virtuellem Wege stattfindet. Die Häufigkeit der Nutzung dieser verschiedenen Kommunikationswege wird in dieser Untersuchung als Interaktionshäufigkeit betrachtet. Wirkungszusammenhänge. Wenn jemand etwas häufig betreibt, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass es auch einem bestimmten qualitativen Anspruch gerecht wird. Oder anders ausgedrückt: Selten stattfindende Interaktion impliziert nicht zwangsläufig erfolglose Interaktion. Daher soll die Intensität der Kommunikation in einer CoP nicht als eine Dimension der Interaktionsqualität verstanden werden. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Argumentation und Befunde wird davon ausgegangen, dass die Interaktionshäufigkeit über die verschiedenen Kommunikationswege eine Antezedenz der Güte der Interaktion ist. Wie in den vorangegangenen Ausführungen deutlich wurde, beeinflusst die Interaktionshäufigkeit die Bildung von Vertrauen und Kohäsion positiv. Zur Wirkung auf das Kommunikationsklima finden sich in der Literatur keine Angaben. Es kann jedoch vermutet werden, dass eine häufige Interaktion zu einem verbesserten Kommunikationsklima führt. 4.2.4
Zusammenfassung und Implikationen für den Bezugsrahmen
In den vorangegangenen Abschnitten wurden vier für diese Untersuchung relevante Charakteristika der Interaktionsprozesse in CoPs diskutiert. Es konnte gezeigt werden, dass zwischen den Community-Mitgliedern eine Art Anfangsvertrauen vorliegt. Dieses führt dazu, dass oftmals unbekannte Mitglieder Informationen und Wissen austauschen. Dieser so genannte ‚swift trust’ wird als Grundlage für die Interaktion in CoPs angesehen. Im Verlauf der Interaktion – womit Zeit und Häufigkeit der Interaktion eine wesentliche Bedeutung zukommt – festigt sich über dieses Anfangsvertrauen hinausgehendes interpersonales Vertrauen zwischen den Mitgliedern. Dieses wird als ein wesentliches Charakteristikum für die Qualität der Interaktionen in einer CoP angesehen. Die interpersonale Kohäsion zwischen den Mitgliedern einer Community ist das zweite essentielle Charakteristikum für die Qualität der Interaktionen in der Community. Das Kommunikationsklima ist das dritte Maß für die Güte der Interaktion in CoPs. Die Dimensionen Vertrauen, Kohäsion und Kommunikationsklima werden als As497 498
Vgl. z.B. Davenport et al. (1998), S. 56; McDermott (1999c), S. 103f; Moffett et al. (2003), S. 9. Vgl. Schoen (2001), S. 17 sowie dort zitierte Quellen.
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pekte des Konstruktes Community-Interaktionsqualität betrachtet, d.h. das Konstrukt ist ein Konstrukt zweiter Ordnung.499 Darüber hinaus ist die Interaktionshäufigkeit ein Charakteristikum der Interaktionsprozesse in einer CoP. Vertrauen, Kohäsion sowie das Kommunikationsklima werden durch die Häufigkeit der wechselseitigen Interaktionen zwischen den Mitgliedern beeinflusst. Demzufolge wird die Interaktionshäufigkeit als Determinante der Community-Interaktionsqualität bzw. ihrer drei Faktoren angesehen. Auf der Grundlage der erläuterten Befunde lässt sich folgende Hypothese ableiten: Die Interaktionshäufigkeit hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität. In der Abb. 4-2 wird dieser Zusammenhang visualisiert.
Einflussfaktoren
Interaktionsprozesse
Interaktionshäufigkeit
Ergebnisse
Community Interaktionsqualität Vertrauen Kohäsion Kommunikationsklima
Abb. 4-2: Charakteristika der Interaktionsprozesse500
Nachdem die relevanten Charakteristika der Interaktionsprozesse diskutiert wurden, behandelt der nächste Abschnitt mögliche Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse in CoPs.
4.3
Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse
4.3.1 Relevante Einflussfaktoren Eine Forschungsfrage dieser Arbeit betrifft die Faktoren, die die Interaktion in CoPs beeinflussen. Die Betrachtung von Antezedenzen ermöglicht es, wesentliche Einflussfaktoren der Aktivitäten in CoPs auszumachen. Diese können als „Drehschrauben“ für das Management genutzt werden. Gleichzeitig tragen sie auch dazu bei, das Verständnis von CoPs und deren Wirkungsweise zu verbessern. 499
500
Da die Dimensionen der Community-Interaktionsqualität nicht durch einen einzigen manifesten Indikator gemessen werden, sondern latente Variablen darstellen, die ihrerseits durch mehrere manifeste Indikatoren gemessen werden, sind diese in eigenen Abschnitten aufgeführt worden. Siehe zum Thema Konstrukt zweiter Ordnung die Ausführungen im Abschnitt 5.1.1.1. Quelle: Eigene Darstellung.
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Wie auch in Modellen der Teameffektivität501, lassen sich prinzipiell Einflussfaktoren auf drei Analyseebenen unterscheiden: der Mitgliederebene, welche die spezifischen Merkmale der Mitglieder umfassen; der Community-Ebene, wobei Community-spezifische Charakteristika betrachtet werden, sowie der Unternehmensebene, d.h. die organisationale Ebene des Unternehmens, welche das Umfeld der Community darstellt. Grundsätzlich ist jede Person Mitglied in vielen verschiedenen Netzwerken, die privaten und/oder beruflichen Bezug haben.502 Auch wenn im beruflichen Kontext die Freiheit der Entscheidung teilweise beschränkt ist, so entscheidet sich jede Person i.d.R. ganz bewusst, mit wem sie ihr Wissen teilt.503 Die Auswahl beruht vor allem auf den persönlichen Interessen und Zielen. Die Unterschiedlichkeit der Individuen und ihrer individuellen Motive führt dazu, dass der Austausch von Wissen ein komplexer und komplizierter Prozess ist.504 Da die Mitglieder von sich aus an den Aktivitäten der CoP partizipieren505, hängt ihr Engagement in der CoP von ihrer individuellen Motivation ab.506 Bei der Analyse der Erfolgsfaktoren des Wissenstransfers wurde die Bedeutung der individuellen Motivation mehrfach herausgestellt.507 Neben diesem affektiven Aspekt kennzeichnen kognitive Aspekte die Ebene der Mitglieder, z.B. die Kompetenzen und Fähigkeiten des Einzelnen. Die Ausführungen von LAVE bzw. LAVE/WENGER zum dynamischen Zusammenspiel von Neulingen und Meistern in einer CoP508 machen deutlich, dass die Interaktionen in einer CoP u.a. auf der Unterschiedlichkeit der individuellen Kompetenzen der Mitglieder basieren. Diese sind Auslöser von Lernprozessen. Demnach werden kognitive Aspekte nicht als Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse betrachtet. Dies trägt darüber hinaus dazu bei, die Komplexität des Bezugsrahmens zu begrenzen. Nachfolgend wird die individuelle Motivation zur Teilnahme an der CoP als wesentliches Charakteristikum der Mitgliederebene betrachtet. Sozialpsychologische Forschung zu Gruppen weist darauf hin, dass sich im Laufe von Interaktionen in Gruppen spezifische Rollen herausbilden.509 Auch in der Innovationsforschung wird die Bedeutung bestimmter Personen für den Innovationsprozess diskutiert, die bestimmte Rollen und damit Funktionen wahrnehmen.510 Ähnliches besagen Beiträge zum Wissens501 502 503 504 505 506
507
508 509 510
Vgl. z.B. McGrath (1964), S. 69ff. Vgl. Teigland (2003), S. 10; Wenger (1998a), S. 2. Vgl. Andrews/Delahaye (2000). Vgl. von Krogh (2002), S. 87f. Siehe dazu die Ausführungen zur Mitgliedschaft im Abschnitt 2.2.2.2. Auch bei der Analyse von Einflussfaktoren auf das Informationsverhalten wurde die Rolle der Motivation betont. Vgl. dazu Gemuenden (1991), Sp. 1021f sowie dort zitierte Quellen. Vgl. z.B. Ardichvili et al. (2003), S. 64; Breu/Hemingway (2002), S. 151; Katenkamp et al. (2002), S. 257; Mertins et al. (2001), S. 106. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 56; Lave (1993), S. 74. Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 141 und dort aufgeführte Quellen; McGrath (1964), S. 66ff. Vgl. Allen/Cooney (1973); Gemünden/Hölzle (2005); Hauschildt (2001).
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management: Etablierte Rollen und Verantwortlichkeiten sind mit dafür ausschlaggebend, dass Wissensmanagementprojekte erfolgreich sind.511 Im Kontext der Unternehmenspraxis bilden sich in CoPs einige Rollen von selbst heraus, z.B. Kernmitglieder und Themenexperten. Eine Rolle wird oftmals jedoch ganz explizit vergeben: die des Community-Brokers512 (z.T. auch als Manager, Moderator oder ‚Facilitator’ bezeichnet), der den verantwortlichen Leiter einer CoP darstellt. Der grundsätzlich erfolgswirksame Einfluss eines Verantwortlichen wurde in konzeptionellen Beiträgen und einigen Fallstudien nachgewiesen, die tatsächliche Bedeutung bzw. die Ausgestaltung der Rolle des Brokers ist bis dato unerforscht.513 Als wesentlich für die positive Beeinflussung der Community-Prozesse scheint eine gute Erfüllung der vom Broker übernommenen Aufgaben. Weitere Community-spezifische Faktoren sind Größe, Alter, Umstände der Gründung oder Zusammensetzung der CoP (z.B. die hierarchische oder fachliche Homogenität oder Heterogenität der Mitglieder). Diese Merkmale werden jedoch nicht in den Bezugsrahmen der Untersuchung aufgenommen, da sie aggregierte Daten auf dem Niveau der einzelnen Communities darstellen. Im Rahmen der nachfolgenden Erhebung stellt das einzelne CoP-Mitglied die Untersuchungseinheit und damit das Kriterium der Hypothesenprüfung dar.514 Dementsprechend wird auf der Community-Ebene die Aufgabenerfüllung des Community-Brokers, welche von jedem einzelnen Community-Mitglied wahrgenommen wird, als zweiter Einflussfaktor der Interaktionsprozesse in CoPs angesehen. Auf der Unternehmensebene wird als wesentlicher Faktor die Managementunterstützung betrachtet. Dies ist im Einklang mit den Ergebnissen der Wissensmanagement-Forschung, welche eine aktive Unterstützung aller wissensbezogenen Prozesse durch das Management als wesentlichen Erfolgsfaktor ansieht.515 Jedoch blieb auch hier eine entsprechende empirische Überprüfung des Einflusses bzw. der verschiedenen Aspekte der Unterstützung bisher aus. Die Unterstützung von Wissensmanagement durch ein Management, das sich seiner Schlüsselrolle bewusst ist und diese Einstellung dementsprechend vorlebt (beispielsweise durch die Bereitstellung von Ressourcen516) ist ein deutliches Zeichen einer wissensfreundlichen Unter-
511
512
513 514 515
516
Vgl. z.B. APQC (2000), S. 55ff; Davenport et al. (1998), S. 51; Franz et al. (2002b), S. 145; Katenkamp et al. (2002), S. 257; van Baalen et al. (2005), S. 310ff. Aus Gründen der Lesbarkeit wird hier auf die weibliche Form verzichtet. Grundsätzlich kann eine Frau oder ein Mann die Broker-Rolle innehaben. Vgl. Helm (2005a). Siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt 5.2.2. Vgl. z.B. Davenport et al. (1998), S. 54; Hansen et al. (1999), S. 115; Helm et al. (2005); Holsapple/Joshi (2000); McDermott/O'Dell (2001), S. 83; Mertins et al. (2001), S. 106; Ruggles (1998), S. 88; Smith/McKeen (2003b), S. 407; von Krogh/Köhne (1998), S. 244. Hierzu kann z.B. die Benennung eines Community-Brokers gezählt werden. Auch das demonstriert eine wissensfreundliche Kultur.
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nehmenskultur517. Zahlreiche Studien belegen, dass die entscheidende Barriere erfolgreichen Wissensmanagements die Unternehmenskultur ist: „[...] organizational culture is widely held to be the major barrier to creating and leveraging knowledge assets.“518 Als kulturelle Barrieren werden z.B. das Fehlen einer Kooperationskultur, die Angst des Machtverlusts durch Wissensweitergabe oder die Behinderung des Teilens von Wissen durch Statusunterschiede genannt.519 Dementsprechend wird Kultur, die die Prozesse des Wissensmanagements positiv beeinflusst, als Erfolgsfaktor von Wissensmanagement angeführt.520 Mit der Betrachtung der Managementunterstützung, durch die sich die entsprechende Unternehmenskultur manifestiert, wird der Bedeutung des kulturellen Aspekts Rechnung getragen. Weiterhin ist der Einflussfaktor Managementunterstützung ein Faktor, der in gewissem Maße veränderbar ist.521 Dies unterstützt auch das erklärte Ziel der Arbeit, Gestaltungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis zu geben. Auf der Basis dieser Argumentation wird die Managementunterstützung als dritter Einflussfaktor der CoP-Interaktionsprozesse in den Bezugsrahmen der Untersuchung aufgenommen. 4.3.2
Konzeptualisierung und Wirkung der Einflussfaktoren
4.3.2.1 Individuelle Motivation der Mitglieder Konzeptualisierung. Unter Motivation wird üblicherweise ein aktivierender Prozess mit richtunggebender Tendenz verstanden. Dabei bezeichnet die Aktivierungskomponente den energetischen Aspekt des Motivationsgeschehens – eine Spannung, Bedürfnisstärke oder Erregung. Die Komponente der richtunggebenden Tendenz impliziert den kognitiven Aspekt des Prozesses, d.h. eine zielgerichtete, auf ein bestimmtes Handlungsziel hin orientierte Tätigkeit.522
517
518 519 520
521
522
Unter Unternehmenskultur soll nachfolgend nach SCHEIN eine Sammlung von Grundannahmen verstanden werden, die eine bestimmte Gruppe bei der Bewältigung von Problemen der externen Anpassung und der internen Integration erfunden, entdeckt oder entwickelt hat und die sich im Laufe der Zeit als funktionstüchtig und gültig erwiesen hat, so dass sie neuen Mitgliedern der Gruppe als richtige Weg, Probleme wahrzunehmen, zu durchdenken und dementsprechend zu handeln, vermittelt wird. Vgl. Schein (1991), S. 9. De Long/Fahey (2000), S. 113. Vgl. z.B. Bhatt (2000), S. 96; De Long/Fahey (2000), S. 118ff; Probst et al. (1999), S. 259. Vgl. u.a. Adelsberger et al. (2002), S. 529; Davenport et al. (1998), S. 52; Gold et al. (2001), S. 185ff; Janz/Prasarnphanich (2003); Leidner et al. (2006); Mertins et al. (2001), S. 106; O'Dell/Grayson (1998), S. 166; Ruggles (1998), S. 88. Kulturelle Werte und Normen können sich im Laufe der Zeit zwar evolutionär verändern, aber sie entziehen sich einer direkten Management-Kontrolle. Vgl. Schein (1983), S. 21. Vgl. Wiswede (2000), S. 59.
100
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Für die Analyse von Motiven bzw. Motivinhalten kann grundsätzlich auf so genannte Motivklassen oder -klassifizierungen zurückgegriffen werden. Dabei werden Bedürfnislisten523 oder auch Ereignisse, Situationen oder Bedingungen, die mit Zufriedenheit verbunden sind524, genutzt.525 Die letztgenannte Möglichkeit wird gewählt, um die verschiedenen individuellen Ziele und Motive zu erfassen, die mit einer Mitgliedschaft in einer CoP verbunden sind (und die gleichzeitig den erwarteten Nutzen widerspiegeln). Dabei werden Ergebnisse verschiedener Forschungsgebiete berücksichtigt. Da die Teilnahme an der CoP auf freiwilliger Basis beruht, wird grundsätzlich von einer intrinsischen Motivation der Mitglieder (von „innen“, aus sich selbst heraus) ausgegangen.526 Im Zuge der Analyse der individuellen Motivation gilt es zwei grundsätzlichen Fragen zu beantworten: Warum fragt jemand Wissen nach? Warum bietet jemand freiwillig Wissen an? Die Motive, nach Wissen zu suchen, scheinen offensichtlicher: Es geht darum zu lernen, Wissen zu erwerben und dadurch fachliche Kompetenzen zu erhalten und zu erweitern.527 Dies ist vor dem Hintergrund einer komplexen und dynamischen Umwelt nicht einfach.528 Dieser Aspekt wird im Rahmen einer Studie von CoPs in einer Unternehmensberatung durch TEIGLAND/WASKO von einem der Mitglieder auf den Punkt gebracht: „There is so much to know in this field and new applications/methods, etc. are introduced all the time. In never know when I need this new knowledge in my daily work for a new project. The only thing I know is that I must always learn new things!“529
Darüber hinaus kann auch die so genannte Leistungsmotivation, d.h. das Ziel der Verbesserung der eigenen Arbeitsleistung, Antrieb für beständiges Lernen sein. Unter Leistungsmotivation wird dabei das „... Bestreben, einem für vorbildlich gehaltenen Gütemaßstab zu entsprechen“530, verstanden. Ein weiterer möglicher Beweggrund für das Engagement in einer CoP kann das Ziel sein, sich die Arbeit zu erleichtern (beispielsweise durch eine schnellere Lösungsfindung). Lernen im Arbeitskontext ist jedoch nur zu einem gewissen Teil reiner Selbstzweck. Neben den indivi523
524
525 526
527 528 529 530
Diese können nur ein Generalmotiv (wenn der Autor einen monothematischen Ansatz vertritt) oder drei bis zehn Motivklassen (bei polythematischem Ansatz) enthalten. Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 44f; Wiswede (2000), S. 62. Eine in diesem Zusammenhang sehr bekannt gewordene Untersuchung ist die Untersuchung von HERZBERG, der mit der „Methode der kritischen Ereignisse“ Motivatoren bzw. Zufrieden-Macher und Hygienefaktoren bzw. Unzufrieden-Macher identifizierte. Die Ergebnisse bildeten die Basis für die Zwei-Faktoren-Theorie der Arbeitszufriedenheit. Vgl. Herzberg (2003). Für eine kritische Diskussion siehe Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 49ff. Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 49. Vgl. zur Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation Calder/Staw (1975), S. 599; Osterloh et al. (2002), S. 539f. Vgl. Allen et al. (2005), S. 267; Wasko/Faraj (2000), S. 170. Siehe dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 1.1 zur Problemstellung dieser Arbeit. Teigland/McLure Wasko (2004), S. 236. Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 58.
Theoretischer Bezugsrahmen
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duellen Motiven spielen vor allem die Anforderungen der Organisation an die Individuen eine Rolle. Es wird erwartet, dass entsprechende Aufgaben erfüllt werden. Demzufolge kann die Teilnahme an der CoP mit weiteren Zielen verbunden sein: einer gesteigerten Arbeitsleistung und daraus resultierende erhöhte Karrierechancen.531 Weniger augenscheinlich sind die Gründe für die freiwillige Weitergabe von Wissen. Für viele Mitglieder von Online Communities ist es „the right thing to do“. Altruistisch motiviert ist es für sie eine Selbstverständlichkeit und auch ein Grundbedürfnis, ihr Wissen zu teilen und anderen zu helfen.532 Dies kann u.a. auf der Einstellung basieren, Wissen sei ein öffentliches Gut – ein Gut, was durch die Diskussion in der CoP, allen Mitgliedern zur Verfügung steht.533 Des Weiteren spielt ein Gefühl der moralischen Verpflichtung gegenüber der Organisation als Ganzes und der CoP im Speziellen eine Rolle.534 Neben Altruismus spielen aber auch Selbstzweck bzw. eigene Interessen eine Rolle (in diesem Zusammenhang wird auch von Wissen als Geschenk bzw. einer „gift economy“ gesprochen535): Für einige Mitglieder stellen Online-Beiträge beispielsweise eine Möglichkeit dar, ihre Identität auszudrücken, Anerkennung von anderen Mitgliedern zu bekommen und/oder einen Status als Experte aufzubauen.536 Andere wiederum sehen es als eine Herausforderung an, ein fachliches Problem zu lösen und dadurch anderen zu helfen.537 Darüber hinaus basiert die Bereitschaft, eigenes Wissen zu teilen, auf einer erwarteten Gegenleistung in der Zukunft. Dabei ist im Rahmen von CoPs und Online-Communities weniger eine dyadische Reziprozität (der Wissenslieferant erwartet in der Zukunft Hilfe vom Wissensnutzer) als eine indirekte Reziprozität oder eine so genannte generalisierte Reziprozität festgestellt worden. Das bedeutet, die Teilnehmer erwarten kein reziprokes Verhalten von der Person, mit der sie ihr Wissen teil(t)en, sondern in der Zukunft grundsätzlich Hilfe von irgendeinem Mitglied der Gemeinschaft.538 Beispielsweise erhoffen sich die Mitglieder konstruktives Feedback zu ihren geäußerten Ideen und Problemlösungen.539 Weitere Erklärungsansätze bzw. eine Bestätigung der vorab genannten Motive liefern die Erkenntnisse der Innovationsforschung. So genannte „Lead User“ geben ihre Ideen und Anre531 532 533
534 535 536 537
538 539
Vgl. North et al. (2004), S. 18. Vgl. North et al. (2000), S. 52f; Wasko/Faraj (2000), S. 169. Vgl. Kollock (1999); Teigland (2003), S. 42. Zur ausführlichen Diskussion von „collective action“ und im Ergebnis entstehende kollektive bzw. öffentliche Güter siehe Sandler (1992) sowie die Ausführungen bei von Hippel/von Krogh (2003), S. 213. Vgl. Ardichvili et al. (2003), S: 69. Vgl. Ellis et al. (2004), S. 146. Vgl. Ardichvili et al. (2003), S. 69; Wellman/Gulia (1999), S. 177. Vgl. Monge/Contractor (1997); Teigland (2003), S. 10. Siehe zum Abschnitt dazu auch die Diskussion bei Katz/Kahn (1978), S. 361ff zu den drei Quellen der intrinsischen Motivation: value expression/selfidentification; self-determination sowie affiliative expression. Vgl. Ellis et al. (2004), S. 146f; Kollock (1999). Vgl. zum Abschnitt Davenport/Hall (2002), S: 185ff; Wasko/Faraj (2000), S. 169f.
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gungen weiter („free revealing of information“), da sie in der Zukunft von anderen entsprechende Informationen erwarten (Reziprozität) und ihre Reputation dadurch aufbauen/verbessern können. Darüber hinaus stehen die Personen nicht in direktem Wettbewerb zueinander.540 In der Open-Source-Entwicklung geht es den Programmierern zum einen um die Nutzung des fertigen Kodes, zum anderen um die Freude am Programmieren, Lernen und die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft.541 Unabhängig von der Absicht Wissen nachzufragen oder weiterzugeben, kann die Teilnahme an einer CoP damit verbunden sein, ein persönliches Netzwerk aufzubauen oder zu erweitern.542 Dieses bildet die Grundlage für neue Wissensquellen, für die Weitergabe von eigenem Wissen etc. Es kann gleichzeitig einen Hort, eine Heimat, einen Ort der Identität darstellen.543 Insbesondere in der heutigen Arbeitswelt mit vernetzten Strukturen, verteilter Arbeitsform und damit einhergehenden virtuellen Kontakten können CoPs ein Mittel darstellen, das menschliche Bedürfnis nach Identität und sozialer Zugehörigkeit zu befriedigen.544 Unter Berücksichtigung dieser Argumentation werden in der nachfolgenden Untersuchung sechs verschiedene Motive für die Community-Mitgliedschaft unterschieden: Wissenserwerb (das Ziel zu lernen), Arbeitsleistung (das Ziel, Projekte bzw. die Arbeitsaufgabe gezielt voranzubringen), Erleichterung der Arbeit, Erhöhung der Karrierechancen, Weitergabe von eigenem Wissen sowie Erweiterung des persönlichen Netzwerkes. Wirkungszusammenhänge. Welche Auswirkungen hat eine hohe individuelle Motivation der einzelnen Mitglieder auf die Prozesse in der Community? Bei Betrachtung der Arbeitsmotivation von Individuen und deren Auswirkungen kann nach CAMPBELL Motivation genutzt werden, um (a) die inhaltliche Ausrichtung des Verhaltens, d.h. dass sich das Individuum gerade einer bestimmten Aufgabe widmet und keiner anderen, (b) den Grad der Anstrengungsbereitschaft bzw. Einsatz sowie (c) die Zeitdauer, die dieses Verhalten andauert, zu erklären.545 Diese Überlegungen lassen sich auch auf den Community-Kontext anwenden. Die Mitgliedschaft in einer CoP beruht auf Freiwilligkeit. Das bedeutet, jedes einzelne Mitglied kann selbst bestimmen, wie oft, wie intensiv und in welcher Form es an den CoPInteraktionen partizipiert.546 Diese Partizipation wird genau solange aufrechterhalten, wie es den persönlichen Motiven und dem eigenen Vorteil nutzt. Gemäß seiner persönlichen Ziele wird sich jeder Einzelne in der Community engagieren und seine Aktivitäten darauf ausrich540 541 542 543 544 545 546
Vgl. z.B. Harhoff et al. (2003), S. 1753ff; von Hippel (1986), S. 796f. Vgl. von Hippel/von Krogh (2003), S. 216f. Vgl. z.B. Allen et al. (2005), S. 267; Braun (2002), S. 48. Vgl. z.B. Lechner/Hummel (2002), S. 52; Wenger (1998a), S. 4. Vgl. Breu/Hemingway (2002), S. 151; Reinmann-Rothmeier (2000), S. 5f. Vgl. Campbell/Pritchard (1976), S. 65. Vgl. Teigland/McLure Wasko (2004), S. 233.
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ten, d.h. entsprechend seiner Interessen oder Probleme an bestimmte Mitglieder wenden, bestimmte Dokumente nutzen etc. Die individuellen Ziele und Motive der einzelnen Community-Mitglieder sowie damit implizierte Erwartungen an die Mitgliedschaft erklären demnach auch den Einsatz des Einzelnen – die grundsätzliche Teilnahme an den Interaktionen mit anderen Community-Mitgliedern und deren Häufigkeit. Es wird davon ausgegangen, dass entsprechend viele hoch motivierte Mitglieder die Interaktionshäufigkeit in der CoP positiv beeinflussen.547 Die individuelle Motivation führt nicht nur zu entsprechend häufigem Engagement in der CoP. Es wird weiterhin postuliert, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Motivation der Community-Mitglieder und der Community-Interaktionsqualität gibt. Vor dem Hintergrund des Reziprozitätsprinzips kann davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder ihr Wissen offen und in entsprechender Qualität bereitstellen, weil sie im Gegenzug dies auch von den anderen erwarten. Des Weiteren führt eine hohe (intrinsische) Motivation dazu, dass eine Person von vornherein eine sehr positive Erwartungshaltung hat. In Analogie zur Diskussion der Entstehung von Anfangsvertrauen in CoPs (bei der eine Als-ob-Handlung Auslöser des Anfangsvertrauens sein kann und zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und einer positiven Vertrauensspirale führt548) wird eine positive Erwartungshaltung förderlich für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder und deren interpersonales Vertrauen sein. 4.3.2.2 Aufgabenerfüllung des Community-Brokers Konzeptualisierung. Der Community-Broker kann als Leiter bzw. Verantwortlicher einer CoP verstanden werden. Die Aufgabenerfüllung des Community-Brokers beschreibt, inwiefern der Community-Broker den Aufgaben, die mit dieser Position verbunden sind, nachkommt. Im hier betrachteten Kontext der Unternehmenspraxis werden CoPs als Wissensmanagementinstrumente eingesetzt. Im Zuge dessen werden sowohl existierende informelle Netzwerke institutionalisiert/formalisiert als auch CoPs zu bestimmten strategisch relevanten Themen gezielt initiiert. In beiden Fällen ist bekannt, wer der Broker ist. Bei selbstentwickelten CoPs übernimmt im Laufe der Zeit ein Mitglied die Rolle des Brokers. Bei initiierten CoPs wird die Rolle offiziell vergeben. Die Leitung einer CoP weicht aufgrund der Merkmale dieser Gemeinschaften klar vom klassischen Top-Down-Management bzw. Team-Management ab.549 Der Community-Broker sollte über gewisses fachbezogenes, methodisches und technisches Wissen verfügen. Seine sozialen und kommunikativen Fähigkeiten nutzt er, um Mitglieder zur aktiven Mitarbeit zu motivieren, d.h. der Broker treibt Entwicklung und Austausch von Wissen voran. Seine wesentli547 548 549
Vgl. Henschel (2001), S. 84f. Siehe die Ausführungen im Abschnitt 4.2.3.1. Vgl. Snyder (1999), S. 11.
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Theoretischer Bezugsrahmen
chen Aufgaben umfassen darüber hinaus die Führung der Community, die Planung und Organisation von Community-Aktivitäten, die Einführung neuer Mitglieder und die Unterstützung aller Mitglieder (fachlich soweit möglich) sowie die Kommunikation über die CoP.550 Diese sechs verschiedenen Aspekte werden in der vorliegenden Erhebung analysiert. Dabei wird von den einzelnen Mitgliedern eingeschätzt, wie der Community-Broker seine Aufgaben erfüllt. Wirkungszusammenhänge. Wie Ergebnisse der Teamforschung demonstrieren, spielt die Führung eines Teams eine entscheidende Rolle für die Zusammenarbeit der Team-Mitglieder.551 Die Faktoren, die dabei betrachtet werden (z.B. Zielausrichtung, Entscheidungskompetenzen bzw. Autonomie, Entscheidungsstrukturen), sind jedoch im Community-Kontext von wenig Relevanz. Wie die beschriebenen Aufgaben verdeutlichen, geht es bei CoPs zum einen darum, den internen Wissensaustausch anzuregen. Das bedeutet, die soziale Interaktion zwischen den Mitgliedern zu fördern und entsprechend zu unterstützen, z.B. durch moderierendes Eingreifen, die Organisation von Veranstaltungen, die Kontrolle der Qualität der Dokumente, Aktualisierung der Inhalte etc. Zum anderen geht es um die Darstellung der CoP und ihrer Aktivitäten nach außen. Dies fördert die positive Wahrnehmung durch die Mitglieder selbst, andere Mitarbeiter und das Management. Eine gute Aufgabenerfüllung durch den Community-Broker bedeutet demnach, dass der Broker die Rolle des Motivators, Ansprechpartner, Koordinators, Redakteurs einnehmen kann. Ein engagierter Broker ist keine hinreichende Bedingung für eine aktive und erfolgreiche CoP. Dennoch kann der Broker – vorausgesetzt die Grundlagen einer CoP (gemeinsames Interesse, gemeinsame Praxis und der Wille, Zeit für die Entwicklung von Beziehungen zu den anderen Mitgliedern zu investieren) sind vorhanden – als ein wesentlicher Schlüsselfaktor angesehen werden.552 Diese Erkenntnis bestätigen einige Studien zu CoPs.553 Besonders relevant scheint die Rolle eines engagierten Brokers in CoPs, die gezielt eingeführt wurde.554 Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, dass je besser der Community-Broker seine Aufgaben erfüllt, desto mehr beeinflusst er die Interaktion in der CoP positiv. Es wird daher postuliert, dass dies sowohl zu häufiger als auch qualitativ hochwertiger Interaktion führt.
550 551 552 553
554
Vgl. Fontaine (2001), S. 17f; Moran/Weimer (2004), S. 128. Vgl. z.B. Högl (1998), S. 100ff; Holland et al. (2000), S. 245; Zárraga/Bonache (2005), S. 675. Vgl. Moran/Weimer (2004), S. 131f; Wenger (1998a), S. 4. Vgl. z.B. APQC (2000), S. 57ff; Fontaine (2001), S. 17; Moran/Weimer (2004), S. 132; Stuckey/Smith (2004), S. 162; van Baalen et al. (2005), S. 310ff. Vgl. Dubé/Bourhis (2005), S. 160f.
Theoretischer Bezugsrahmen
105
4.3.2.3 Managementunterstützung Konzeptualisierung. Sowohl Wissenschaft als auch Praxis sind sich einig, dass eine aktive Unterstützung des (Top- bzw. Senior-) Managements einen Schlüsselfaktor des Wissensmanagements darstellt.555 Managementunterstützung umfasst verschiedene Aspekte der Förderung der CoP und ihrer Aktivitäten. Eine positive Grundhaltung kann sich dabei in unterschiedlichen Aspekten äußern: Ist sich das Management der Relevanz des Wissenstransfers bewusst, wird es entsprechende finanzielle, aber auch personelle und zeitliche Ressourcen bereitstellen.556 Darüber hinaus wird es seine Einstellung zum Wissensaustausch aktiv vorleben sowie eine Vorreiterrolle bezüglich neuer Initiativen einnehmen. Dies trägt dazu bei, den anderen Mitarbeitern das nötige Verständnis für die Bedeutung von Wissensmanagement zu vermitteln.557 Wie bereits im Vorfeld diskutiert, ist die Frage der Einflussnahme auf CoPs nicht unumstritten.558 Einigkeit besteht jedoch darin, dass eine grundsätzlich wissensfreundliche Haltung des Managements die Entwicklung und die Aktivitäten von CoPs fördern. Nachfolgend wird mit der Unterstützung des Managements daher weniger ein Eingreifen in die CoP-Aktivitäten als die aktive Rolle des Managements bei der Promotion von CoPs in der Organisation verstanden. Vier Gesichtspunkte werden erfasst: Bewusstsein für die Wichtigkeit der CoP; Bereitstellung von Ressourcen; positive Äußerungen über die Aktivitäten der Community sowie direkte Unterstützung der CoP-Interaktionen durch den Vorgesetzten. Wirkungszusammenhänge. In Organisationen werden Personen nicht nur dafür belohnt, Wissen zu teilen, sondern auch dafür, „[...] self-interested, rational, and free riding, in order to advance their career and improve their monetary position“559 zu sein. Ein solches Verhalten ist in einer entsprechenden Unternehmenskultur verankert. Die Kultur eines Unternehmens (auch Tiefenstruktur einer Organisation genannt) umfasst oftmals implizite Wertvorstellungen und Selbstverständlichkeiten, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet und eingespielt haben. Sie werden von den Organisationsmitgliedern i.d.R. nicht mehr wahrgenommen und selten hinterfragt.560
555
556
557
558 559 560
HENDRY sieht die Unterstützung der Entwicklung und Nutzung von CoPs gar als eine zentrale Führungsfunktion an. Vgl. Hendry (1996), S. 632 sowie ferner z.B. Hansen et al. (1999), S. 115; Mertins et al. (2001), S. 106; von Krogh/Köhne (1998), S. 244. Hier sei darauf verwiesen, dass monetäre Anreize im CoP-Kontext kontraproduktiv sind. Vgl. dazu auch z.B. Frost/Holzwarth (2001), S. 56. Vgl. Baumbach/Schulze (2003), S. 25f; Davenport/Prusak (1998), S. 54; Helm et al. (2005); Ruggles (1998), S. 87f; Smith/McKeen (2003b), S. 406f. Siehe die Ausführungen im Abschnitt 2.2.2.4. von Krogh (2002), S. 91. Vgl. Wiswede (2000), S. 222.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Praxis, Normen und Werte eines Unternehmens bestimmen nach DE LONG/FAHAY über vier Mechanismen das Verhalten der Mitarbeiter bezüglich Wissen561: (a) Annahmen, welches Wissen nützlich, relevant, wichtig oder gültig ist, werden geformt. (b) Die Beziehungen zwischen den Wissensträgern werden bestimmt. Dies wird von aus- und unausgesprochenen Normen und Regeln zur Wissensverteilung beeinflusst. Diese legen fest, von wem erwartet wird, sein Wissen zu teilen, wer es horten darf, wer das Teilen und Horten von Wissen kontrolliert etc. (c) Ein Rahmen für soziale Interaktionen wird vorgegeben. Dieser bestimmt, in welcher Situation welches Wissen genutzt wird, wie Mitarbeiter ihre Interaktion untereinander ausgestalten und bis zu welchem Punkt ihr Verhalten vom Unternehmen akzeptiert wird. (d) Die Entwicklung von neuem Wissen und die Interpretation bzw. Anpassung an den Kontext. Eine wissensförderliche Unternehmenskultur manifestiert sich demnach u.a. darin, dass das Management Mitarbeiter, die nur in eigenem Interesse handeln, Mitläufer sind etc., nicht belohnt. Wird dieses Verhalten geduldet und nicht aktiv zur Zusammenarbeit angeregt, besteht für die Mitarbeiter kein Bedarf, Haltung und Verhalten zu ändern. Sie werden die Mitarbeit in einer CoP als Zeitverschwendung ansehen. Sie werden mit dem Management als Vorbild das Teilen von Wissen mit einer wenig lohnenden, weil wenig anerkannten Handlung verbinden und sich folglich nicht in Wissensmanagementinitiativen einbringen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine explizite Unterstützung und Promotion von CoPs Mitarbeiter zum aktiven Wissensaustausch anregen wird.562 Eine solche Haltung des Managements impliziert entsprechende Wertvorstellungen und Selbstverständlichkeiten. Sie verdeutlicht auch, dass das Management den Organisationsmitgliedern Freiräume und Handlungsspielräume gewährt, die individuelles und organisationales Lernen ermöglichen.563 Die Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der keine Angst besteht, dass Wissen als Machtinstrument eingesetzt wird oder dass es Konkurrenzdenken zwischen den Mitarbeitern gibt, fördert die Bereitschaft, Wissen zu teilen.564 Darüber hinaus prägt sie das grundsätzliche Kommunikationsmuster bzw. Interaktionsverhalten des Einzelnen. Auf der Grundlage dieser Überlegungen wird postuliert, dass eine durch die Community-Mitglieder wahrgenommene offene Unterstützung von CoPs durch das Management sowohl die Interaktionshäufigkeit als auch die Community-Interaktionsqualität positiv beeinflusst.
561 562 563
564
Vgl. De Long/Fahey (2000), S. 116ff. Vgl. North et al. (2000), S. 57; van der Bij et al. (2003), S. 170. Vgl. zum Zusammenhang von Führung und individuellem bzw. organisationalem Lernen die Diskussion bei Gebert (2002), S. 229ff. Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 54; Katenkamp et al. (2002), S. 255ff; von Krogh (1998), S. 139f.
Theoretischer Bezugsrahmen 4.3.3
107
Zusammenfassung und Implikationen für den Bezugsrahmen
Wie die vorangegangene Diskussion verdeutlicht, können verschiedene Faktoren die Interaktionsprozesse in einer CoP beeinflussen. Da die Teilnahme an einer CoP freiwillig ist, wird die individuelle Motivation jedes einzelnen Mitglieds als ein wesentlicher Einflussfaktor angesehen. Hochmotivierte Mitglieder engagieren sich entsprechend viel in der CoP, d.h. die Interaktionshäufigkeit wird positiv beeinflusst. Mit einer hohen intrinsischen Motivation gehen eine positive Erwartungshaltung und ein dementsprechendes Verhalten der Mitglieder einher. Dieses sowie die Erwartung reziproker Gegenleistung beeinflussen die Qualität der Aktivitäten und das Engagement der Mitglieder positiv. Demnach wird postuliert, dass die individuelle Motivation der Mitglieder einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität hat. In CoPs gibt es, selbst herausgebildet oder formal vergeben, die Rolle des CommunityBrokers. Der Grad der Aufgabenerfüllung des Community-Brokers ist als wesentlicher Einflussfaktor identifiziert worden. Ein Community-Broker, der die Rolle des Ansprechpartners, Motivators, Koordinators etc. übernimmt, wirkt positiv auf die Interaktionsprozesse in einer CoP ein. Das bedeutet, sowohl die Interaktionshäufigkeit als auch die CommunityInteraktionsqualität werden positiv beeinflusst. Jede CoP wird von organisationalen Rahmenbedingungen geprägt. Eine Unternehmenskultur, die die Prozesse des Wissensmanagements fördert, spiegelt sich in der direkten und indirekten Unterstützung von CoPs durch das Management wider. Die in Form der Managementunterstützung vorgelebten Werte, Normen und Praktiken haben einen positiven Einfluss sowohl auf die Interaktionshäufigkeit als auch auf die Community-Interaktionsqualität. Ausgehend von den vorgestellten Befunden lassen sich folgende zwei Basishypothesen565 ableiten: x
Die Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse haben einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP.
x
Die Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse haben einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität.
Diese Zusammenhänge werden in Abb. 4-3 illustriert.
565
Bei der Überprüfung der Zusammenhänge werden die Wirkungen der drei Faktoren einzeln analysiert.
108
Theoretischer Bezugsrahmen
Einflussfaktoren
Interaktionsprozesse
Ergebnisse
Individuelle Motivation der Mitglieder Interaktionshäufigkeit Aufgabenerfüllung des Community-Brokers Managementunterstützung
CommunityInteraktionsqualität
Abb. 4-3: Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse566
Der Frage, welche möglichen Ergebnisse die Interaktionen in CoPs haben, widmet sich ausführlich der nachfolgende Abschnitt.
4.4 4.4.1
Ergebnisse von Communities of Practice Problematik der Erfolgsmessung
Inhalt der folgenden Ausführungen ist die detaillierte Analyse und Diskussion der Auswirkungen von CoPs. Wie die Bestandsaufnahme zur CoP-Forschung deutlich gezeigt hat, wird prinzipiell ein positiver Erfolgseinfluss von CoPs postuliert bzw. empirisch nachgewiesen. Es liegen jedoch nur wenige Beiträge vor, die ihre Argumentation auf eine systematische, theoriebasierte Begründung des angenommenen Zusammenhangs stützen. TEIGLAND kommt nach ihrer Synopse existierender CoP-Beiträge zu dem Schluss: “[…] there is a surprising scarcity of solid academic empirical support for this generally assumed positive relationship, with researchers paying little systematic attention to the relationship with performance at any level.”567
Dieser Herausforderung stellt sich die vorliegende Arbeit in den nachfolgenden Abschnitten. Ausgehend von der hier vertretenen Annahme, dass CoPs sowohl dem einzelnen Mitglied als auch der Organisation als Ganzes Nutzen stiften, wird dabei grundsätzlich positiv argumentiert. Diese Grundannahme scheint besonders vor dem Hintergrund der freiwilligen Mitgliedschaft berechtigt: Die Community-Mitglieder werden sich nur solange in der CoP engagieren, wie es ihren individuellen Zielen und Motiven entgegenkommt.568 Im Zuge von Wissensmanagement-Initiativen haben mittlerweile viele Organisationen CoPs eingeführt und/oder unterstützen gezielt existierende informelle Netzwerke. Ein damit einher-
566 567 568
Quelle: Eigene Darstellung. Teigland (2003), S. 9. Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 3.2.1.
Theoretischer Bezugsrahmen
109
gehendes Thema, welches seit Beginn der Debatte um Wissensmanagement diskutiert wird und nach wie vor umstritten ist, betrifft die Messung des Erfolgs von CoPs.569 Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation von Unternehmen müssen Ausgaben und Investitionen gerechtfertigt werden und einen klaren Mehrwert liefern.570 In Zeiten sinkender Budgets, zunehmender Kosteneinsparungen bzw. einer strengen Kostenkontrolle ist der Druck groß, konkrete Ergebnisse zu liefern. Die Unternehmensführung erwartet konkrete, messbare Ergebnisse bezüglich der Resultate der Investition. Dabei geht es vor allem um die Quantifizierung der Auswirkungen in monetären Größen (Return on Investment).571 Dies ist jedoch insbesondere im Bereich des Wissensmanagements nur bedingt machbar.572 Diese in der Literatur allgemein anerkannte Tatsache gilt natürlich ebenso für CoPs: Die Messung bzw. Evaluierung der Ergebnisse von CoPs und hier insbesondere die quantitative/monetäre Messung ist problematisch. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Aufgrund ihrer spezifischen Charakteristika können CoPs nicht mit Projektteams oder ähnlichen Organisationsformen verglichen werden. Wie bereits diskutiert, variieren Funktion und Zielsetzung der unterschiedlichen Gruppen deutlich und damit auch die Möglichkeiten der Ergebnis- bzw. Erfolgsmessung. Die Schwierigkeiten der Beurteilung der Ergebnisse von CoPs liegen vor allem darin begründet, dass das in CoPs geteilte bzw. entstandene Wissen letztendlich außerhalb der CoP, d.h. in der täglichen Arbeit der Mitglieder, angewendet wird.573 Zur Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben verwenden die Community-Mitglieder jedoch nicht nur die Erkenntnisse, die sie durch die Interaktion mit CoP-Mitgliedern gewonnen haben. Die Lösung der Aufgaben ist zumeist die Summe verschiedener Aktivitäten und Einflüsse. Das bedeutet, dass sich die entsprechenden Arbeitsergebnisse i.d.R. nicht eindeutig bestimmten Aktivitäten der CoP zuordnen lassen.574 Es können eine Reihe individueller Faktoren und organisationaler Rahmenbedingungen von Bedeutung sein. Das persönliche Umfeld des einzelnen Mitarbeiters, eine Diskussion mit Kollegen oder der Besuch eines Workshops können z.B. die Entstehung einer Idee beeinflussen. Bestimmte Wirkungen können darüber hinaus auch von anderen Faktoren abhängen: Beispielsweise wird sich eine Veränderung ex569
570
571
572 573 574
Hier sei auch auf das bestehende grundsätzliche Problem der Erfolgsmessung bzw. der Messung der „organizational effectiveness/performance“ verwiesen. Vgl. z.B. die Diskussion bei Katz/Kahn (1978), S. 223-255; March/Sutton (1997). Dies ist bei manchen Ausgaben sicherlich nicht immer sinnvoll, beispielsweise bei Maßnahmen, die das soziale Klima verbessern sollen. KATZ äußert sich bezüglich der Messung organisationaler Effizienz: “It is interesting, perhaps even ironic, that economists have long recognized the disadvantage of using money as a unit of measure in circumstances that really require measures of energic investment and psychic return. Most economists have nevertheless become so convinced of the elusiveness of such concepts that they have given up trying to make operational their psychic concept of utility and have preferred to be guided by its distant and distorted fiscal echo” (Katz/Kahn (1978), S. 228). Vgl. z.B. Davenport et al. (1998), S. 48; Probst et al. (1999), S. 321ff. Vgl. Wenger/Snyder (2000b), S. 145. Vgl. zum Abschnitt auch die Diskussion bei Schoen (2001), S. 113.
110
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pliziter organisationaler Routinen nur einstellen, wenn das implizite Wissen existiert, das notwendig ist, um diese Routinen zu implementieren.575 Darüber hinaus wirken die Interaktionen der CoP-Mitglieder nicht nur direkt: Neben direkten bzw. eindeutigen Ergebnissen (wie z.B. eine neue Idee) kann es indirekte Wirkungen geben (beispielsweise eine aus der Mitgliedschaft resultierende höhere Arbeitsmotivation oder eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis). Diese können schwer einzelnen Aktivitäten bzw. einem spezifischen Ergebnis zugeordnet werden. Eine zusätzliche Herausforderung an die Messung stellen Effekte dar, die sich erst nach einer gewissen Zeit bemerkbar machen, d.h. mit Verzögerung in der Zukunft wirken.576 Wie die nachfolgende Diskussion zeigt, trifft dies auf viele Auswirkungen von CoPs zu. Neben diesen Aspekten erschwert die Tatsache, dass die konkreten Auswirkungen bzw. Nutzeneffekte der CoP-Interaktionen schwer messbar bzw. noch schwerer in monetären Größen zu beziffern sind, die Erfolgsmessung: „The intagible nature of ‚sharing knowledge’ is often difficult, if not impossible, to quantify.“577 In den seltensten Fällen kann beispielsweise die Anzahl neu generierter Ideen, in Produkten umgesetzter Neuerungen oder wieder verwendeter Dokumente einer CoP genannt werden. Und selbst wenn die Anzahl der erneut genutzten Dokumente beziffert werden kann, so lässt sich der Nutzen (z.B. eingesparte Zeit, Kosten etc.) daraus nur schwer abschätzen. Die Mehrzahl der Auswirkungen von CoPs betreffen „intangible assets“ (z.B. Wissen578) für die kaum sinnvolle Indikatoren oder Wertbestimmungsmaßnahmen existieren.579 Im Kontext von CoPs wird daher verstärkt die qualitative bzw. nicht monetäre Messung von Ergebnissen genutzt. Die grundlegende Überlegung ist dabei, dass sich der Erfolg von Wissensmanagement an der Veränderung der Lernfähigkeit einer Organisation bemisst.580 Beispielsweise versucht ein Unternehmen, die kursierenden Narrationen einer CoP zu analysieren und die durchschnittliche Kostenersparnis, welche aus der Anwendung und Verbreitung der Geschichten resultiert, abzuleiten. Andere Unternehmen werten Anekdoten bzw. konkrete Nutzenbeispiele einzelner Mitglieder und die damit einhergehende Zeitersparnis aus.581 Ein anderes Unternehmen wiederum analysiert die Wirkung einer CoP bei halbjährlichen Befra575 576 577 578
579 580
581
Vgl. Snyder (1996), S. 49. Vgl. dazu auch Schoen (2001), S. 113 sowie 177f; Snyder (1996), S. 49; Wenger/Snyder (2000b), S. 145. Fontaine/Millen (2004), S. 4. Vgl. dazu auch Millen et al. (2002), S. 71. Eine der größten Herausforderungen im Wissensmanagement stellt die Messung und Bewertung von Wissen dar. Siehe North (1999), S. 188ff; Wolf (2003), S. 88ff für eine kritische Diskussion existierender Ansätze. Vgl. Adler/Kwon (2002); Bontis/Choo (2002); Carmeli (2004). Vgl. Pawlowsky (1994), S. 154. Diese Meinung vertreten jedoch nicht alle Unternehmen: Wenn die CoP nicht belegen kann, dass Zeit und Geld gut investiert sind, wird sie aufgelöst bzw. Mitgliedern wird eine Mitarbeit verwehrt. Vgl. Andriessen et al. (2001), S. 34. Aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchung bezüglich der Erfolgswirkung von CoPs ist dieses Vorgehen jedoch fraglich. Vgl. APQC (2000), S. 103ff; Davenport et al. (1998), S. 48f; Fontaine/Millen (2004), S. 7f; Franz et al. (2002b), S. 144; Millen et al. (2002), S. 73; Wenger/Snyder (2000b), S. 145.
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gungen der Mitglieder bezüglich der veränderten Kompetenzen ihres Bereichs.582 Diese aufgeführten Beispiele sind erste Ansätze für eine alternative Erfolgsmessung. Sie machen deutlich, dass es auch bei der qualitativen Messung kein anerkanntes Konzept und keine allgemein genutzte Methode zur Erfassung der Auswirkungen von CoPs gibt. Eine vollständige Nutzenanalyse umfasst neben der Untersuchung der Ergebnisse ebenfalls die Berücksichtigung der Kosten einer CoP. Wie bei anderen Wissensmanagement-Initiativen wird in der Praxis auch auf Grundlage der Kosten entschieden.583 Die Kosten einer CoP bestehen aus weit mehr als nur den Investitionen für die technische Infrastruktur. MILLEN et al. unterscheiden auf der Grundlage ihrer Befragung von verschiedenen WissensmanagementVerantwortlichen vier Kategorien:584 Kosten für (1) die Teilnahme der Mitglieder an der CoP, d.h. Opportunitätskosten/Arbeitszeit, Gehälter etc. (52% der Gesamtkosten), (2) die Organisation der Interaktion, z.B. Konferenzen, face-to-face- oder virtuelle Meetings (32%), (3) die technische Infrastruktur (10%) sowie (4) die Dokumentation der Inhalte, Newsletter, Werbung und Veröffentlichungen (6%). Wie ersichtlich ist, machen die Kosten für die Technik einen vergleichsweise geringen Teil der Gesamtkosten aus. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass die Basisinstrumente der Kommunikation (Telefon, E-Mail etc.) in den Unternehmen bereits vorhanden sind.585 Einen wesentlichen Anteil an den Gesamtkosten tragen die Ausgaben für die Teilnahme an der CoP. Um diese jedoch präzise angeben zu können, müsste die durchschnittliche Zeit, die ein Mitglied pro Monat mit CoP-Aktivitäten verbringt, die aktuelle Mitgliederzahl etc. bestimmt werden. Dies verdeutlicht, dass auch die Abschätzung der Kosten von CoPs nicht einfach ist. Aufgrund der diskutierten Aspekte sowie der Tatsache, dass CoPs ein relativ junges Forschungsgebiet darstellen, gibt es noch wenig Klarheit über die konkreten Erfolgswirkungen von CoPs. Wenige Autoren gründen ihre Diskussion auf theoretisch-konzeptionellen Überlegungen. LESSER/STORCK fassen zusammen: „Although we […] assert that CoPs create organizational value, there has been relatively little systematic study of the linkage between community outcomes and the underlying social mechanisms that are at work.“586
Vor diesem Hintergrund ist es das erklärte Ziel der nachfolgenden Abschnitte, die Erfolgswirkungen von CoPs und die entsprechenden Konstrukte des Bezugsrahmens theoriebasiert herzuleiten. Dabei bildet der im zweiten Kapitel vorgestellte ressourcenbasierte Ansatz sowie dessen verschiedenen Weiterentwicklungen den übergeordneten theoretischen Rahmen.
582 583 584 585 586
Vgl. McDermott (2002), S. 28. Vgl. Probst et al. (1999), S. 329. Vgl. Millen et al. (2002), S. 72. Vgl. Millen et al. (2002), S. 72. Lesser/Storck (2001), S. 833.
112 4.4.2
Theoretischer Bezugsrahmen Theoriebasierte Ableitung relevanter Ergebnisdimensionen von CoPs
4.4.2.1 Konzept des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses Den Ausgangspunkt der Erfolgsableitung bildet das Konzept des technologischen Gatekeepers bzw. das Modell des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses. Das erstmals von LAZARSFELD et al. formulierte und von KATZ und anderen Wissenschaftlern empirisch weiter untersuchte zwei-stufige Modell zur Erklärung der Informationsübertragung bei Massenkommunikation587 ermöglicht eine systematische Analyse der Erfolgswirkungen von CoPs auf den relevanten Ebenen und trägt damit zum Verständnis der Wirkungsweise von CoPs bei. Die Hypothese des „two-step-flow of communication“ basierte auf einer Studie von Entscheidungsprozessen im Rahmen der 1940 stattgefundenen Wahlkampagne in den USA. Es wurde festgestellt, dass „… ideas often flow from radio and print to opinion leaders and from these to the less active sections of population”.588 Ein Meinungsführer bestimmte die Entscheidung für einen Kandidaten offensichtlich stärker als die Massenmedien.589 Das Modell des zweistufigen Informationsübertragungsprozesses wurde von ALLEN auf den Kontext der Organisation angewendet.590 Bevor das Konzept auf den CoP-Kontext übertragen wird, werden zunächst die grundlegenden Erkenntnisse von ALLEN erläutert. Grundlagen des Konzeptes In der Forschung zum Innovationsmanagement bzw. Technologietransfer wird bereits seit einigen Jahrzehnten der Frage nachgegangen, wie bestimmte (externe) Informationen in Organisationen gelangen und sich dort verbreiten.591 Angeregt durch die Untersuchungen zur Rolle von öffentlichen Meinungsführern bei der Wahlkampagne592 analysierte ALLEN bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Kooperation mit einigen seiner Schüler (z.B. TUSHMAN) den Informationsfluss in F&E-Laboratorien bzw. Forschungsteams und das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Forschern und Ingenieuren in diesem Umfeld im Rahmen verschiedener soziometrischer Studien.593 Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die wichtigste Informationsquelle für F&E-Mitarbeiter der persönliche Kontakt mit Kollegen im unmittelbaren Arbeitsumfeld war. Fachliteratur und Datenbanken waren hingegen von geringerer Bedeutung. Eine wesentliche Erkenntnis war weiterhin, dass nicht alle Personen zu gleichem Maße an der Beschaffung und Verbreitung von Informationen beteiligt wa587
588 589 590 591 592 593
Siehe Katz (1964) für eine Darstellung von vier im Anschluss an die Untersuchung von LAZARSFELD et al. durchgeführte Studien. Lazarsfeld et al. (1948), S. 151 z.n. Katz (1964), S. 80ff. Für eine kritische Diskussion dieser Ergebnisse siehe Schenk (1984), S. 270-317. Vgl. Allen (1967), S. 32. Vgl. Teigland (2003), S. 70. Vgl. Macdonald/Williams (1993), S. 420. Vgl. z.B. Allen (1967); Allen (1977); Allen/Cohen (1969); Allen et al. (1971); Allen et al. (1979).
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ren. Bestimmten Personen schienen entscheidende Rollen zuzukommen: Es wurden „Communication Stars“, so genannte „Boundary Spanner“ und „Gatekeeper“ unterschieden, wobei es eine signifikante Überlappung dieser Rollen gab.594 Auf der Basis der Beobachtungen entwickelte ALLEN das Konzept des technologischen Gatekeepers (nachfolgend nur Gatekeeper genannt). Gatekeeper sind Personen, die in fachspezifischen Kommunikationsprozessen über organisationale Grenzen hinweg Wissen und Informationen für die interne Organisation beschaffen und gleichzeitig auch an die externe Gruppe weitergeben.595 Es sind Personen, die kontinuierlichen Kontakt zu Personen außerhalb ihrer Organisation haben. Sie erkennen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Perspektiven der zwei Welten (drinnen bzw. draußen) und sind in der Lage, zwischen diesen beiden Systemen zu übersetzten.596 Wesentlich für die nachfolgende Erfolgsableitung ist vor allem die konzeptionelle Überlegung bezüglich des Ablaufes der Informationsweitergabe. Diese kann in Analogie zu LAZARSFELD et al. als zwei-stufiger Prozess veranschaulicht werden: Im ersten Schritt ist der Gatekeeper in der Lage, relevante externe Information ausfindig zu machen und zu verstehen, im zweiten Schritt übersetzt er diese Information so, dass sie andere Organisationsmitglieder verstehen und auch nutzen können.597 Diese Sichtweise lässt sich auf den CoP-Kontext anwenden. Der zwei-stufige Kommunikationsprozess im Kontext von CoPs Wie im Vorfeld bereits mehrfach diskutiert, sind CoPs bezogen auf die formale Struktur einer Organisation informale Gruppen. Das bedeutet, jedes Community-Mitglied gehört zu einer formalen Organisationseinheit (beispielsweise einer Abteilung oder einem Projektteam). Aus dieser Zugehörigkeit zur formalen Struktur der Organisation resultiert eine spezifische Aufgabe, d.h. die primäre Aufgabe des Mitglieds. Diese ist Bestandteil einer übergeordneten Unternehmensaufgabe zur Erreichung bestimmter Unternehmensziele. Bezogen auf die formale Organisation bzw. Arbeitsaufgabe stellt die CoP demnach ein externes Netzwerk dar. Um die Wirkung von CoPs herzuleiten, werden die aus der Community-Mitgliedschaft resultierenden Kommunikationsprozesse auf der Ebene des Individuums betrachtet. Bevor das Konzept der zwei-stufigen Informationsweitergabe auf CoPs angewendet wird, muss jedoch zunächst klar herausgestellt werden, dass nicht jedes CoP-Mitglied ein Gatekeeper ist: Gatekeeper haben nach ALLEN/COHEN sehr umfangreiches Fachwissen sowie eine Vielzahl von Kontakten zu externen Experten (z.B. aus Universitäten und Forschungseinrichtungen). Sie 594 595
596 597
Vgl. Allen/Cohen (1969), S. 16f; Tushman/Scanlan (1981), S. 294. Vgl. Allen (1967), S. 35f; Allen/Cohen (1969), S. 18f sowie die Ausführungen bei Gemünden/Hölzle (2005), S. 470. Vgl. Allen et al. (1979), S. 703. Tushman/Scanlan (1981), S. 291f.
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sind oftmals die Personen in einer Organisation, die von ihren Kollegen bei fachlichen Problemen kontaktiert werden.598 Diese Eigenschaften erfüllt nicht zwingend jedes CoP-Mitglied. Was jedoch CoP-Mitglieder und Gatekeeper verbindet, sind die grundsätzliche Präsenz in verschiedenen Kommunikationsnetzwerken sowie die Rolle des Bindeglieds zwischen verschiedenen formalen und informalen organisationalen Gruppen. Auf der Basis dieser Überlegung wird das Konzept des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses für das Verständnis von CoPs und hier insbesondere für die Analyse der Erfolgswirkung herangezogen. Der Blickwinkel auf die verschiedenen Netzwerke macht deutlich, dass CoP-Mitglieder Schlüsselpersonen für den Transfer von Wissen und Information in einer Organisation sind.599 Sie sind in mindestens zwei Netzwerke integriert: zum einen in ein externes, oftmals informales Netzwerk aus Informationsquellen (u.a. die CoP); zum anderen in ein internes Netzwerk (bezogen auf die formale Organisation), wohin sie die erworbenen Informationen transferieren.600 Das bedeutet, in Analogie zum oben beschriebenen Prozess ergeben sich zwei Stufen bei der Informationsübertragung bzw. -weitergabe: (1) Das CoP-Mitglied nimmt im Rahmen der Interaktion mit den anderen Mitgliedern der CoP Informationen und Wissen auf. (2) Die gewonnenen Erkenntnisse werden – entsprechend übersetzt – bei der Bearbeitung bzw. Lösung der Primäraufgabe genutzt und im Zuge dessen auch an andere Organisationsmitglieder weitergegeben. Im Ergebnis der ersten Stufe des Prozesses kann das einzelne Mitglied seine Fähigkeiten verbessern, d.h. aus der Mitgliedschaft resultiert ein Nutzen auf der individuellen Ebene des Mitglieds. Mit der Nutzung des Wissens in der formalen Gruppe wird dieses in der Primärorganisation verbreitet. Demnach hat die Mitgliedschaft einer Person in einer CoP Auswirkungen auf die organisationale Ebene der Primärorganisation. Diese muss dementsprechend für die Analyse der Auswirkungen von CoPs herangezogen werden. WENGER bestätigt diese Überlegung: “In their teams, they [the community-members, A.d.A.] take care of projects. In their networks, they form relationships. An in their communities of practice, they develop the knowledge that lets them do these other tasks. This informal fabric of communities and shared practices makes the official organization effective and, indeed, possible.”601
Die Notwendigkeit, die Erfolgswirkung von CoPs bezüglich ihres Einflusses auf die formale Organisation zu betrachten, ergibt sich weiterhin aus der Tatsache, dass CoPs kein Selbstzweck sind, sondern in dem hier betrachteten Kontext Instrumente des Wissensmanagements 598 599 600 601
Vgl. z.B. Allen (1977), S. 15ff. Vgl. Hauschildt/Gemünden (1999). Vgl. z.B. Tushman/Scanlan (1981), S. 292. Wenger (1998a), S. 3.
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darstellen. Damit geht der Wunsch bzw. der Bedarf einher, die Erfolgswirkung von CoPs besser zu verstehen, d.h. systematisch abzuleiten und entsprechend empirisch zu prüfen.602 CoPs sollen jedoch nicht – wie beispielsweise ein Team – eine spezifische Aufgabe bewältigen, sondern sie stellen vielmehr informelle Mechanismen zur Förderung von Wissensprozessen im Unternehmen dar. Auf diesem Grund wird die kollektive Ebene der Community nicht weiter betrachtet. Das kollektive Community-Wissen kommt den einzelnen Mitgliedern bzw. der Organisation als Ganzes zu gute. Implikationen für den Bezugsrahmen Ausgehend von den o.g. Argumenten werden bei der Analyse der Erfolgswirkung von CoPs zwei verschiedene Ebenen betrachtet: die individuelle sowie die organisationale Ebene.603 Bei der individuellen Ebene können dabei auf Basis der konzeptionellen Überlegungen des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses zwei unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden. Zum einen wird jedes einzelne Mitglied einen bestimmten Nutzen aus seiner Mitgliedschaft in der CoP ziehen. Dieser Nutzen bezieht sich dabei auf die formale Aufgabe jedes Einzelnen, d.h. seine Primäraufgabe. Für die Wirkung auf der organisationalen Ebene ist vor allem die zweite Stufe der Informationsübertragung (d.h. die Weitergabe von Informationen und Wissen an andere Mitglieder der Primärorganisation) wesentlich. Dieser zweite Prozessschritt führt dazu, dass das einzelne Mitglied seine Position im (internen) Netzwerk der Primärorganisation verändert. Die Bedeutung der Netzwerkposition wird von Vertretern der Netzwerkperspektive, wie beispielsweise NOHRIA, bestätigt: “From a network perspective, variations in the actions of actors and the success or failure of these actions can be better explained by knowing the position of actors relative to others in various networks of relationships, than by knowing how their attributes differ from one another.”604
Aus dieser Analyse resultiert, dass im Bezugsrahmen der Untersuchung auf der individuellen Ebene zwei Konstrukte unterschieden werden: individueller Nutzen sowie die Netzwerkposition des einzelnen Mitglieds bezogen auf die Primärorganisation. Die Netzwerkposition kann dabei als „Bindeglied“ der beiden Ebenen Individuum/Organisation gesehen werden. Zur detaillierten Beantwortung der Forschungsfrage zu den Erfolgswirkungen von CoPs soll der organisationale Nutzen differenzierter betrachtet werden. Das bedeutet, der Nutzen, den CoPs einer Organisation stiften, wird durch verschiedene Konstrukte erfasst. Nachfolgende 602 603
604
Siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 1.1 zum Forschungsbedarf aus Sicht der Praxis. Andere Autoren, z.B. ANDRIESSEN/VERBURG, DUBÉ, MILLEN et al., RUUSKA, betrachten auch Indikatoren bzw. Ergebnisse auf der Community-Ebene – beispielsweise Existenz, Gesundheit oder Vitalität der Community etc. – als Erfolgsmaße. Vgl. Andriessen/Verburg (2004), S. 13; Dubé/Bourhis (2005), S. 152; Millen et al. (2002), S. 70; Ruuska (2005), S. 74. Auf der Grundlage der obigen Diskussion werden diese jedoch bei der nachfolgenden Untersuchung nicht berücksichtigt. Genauso wenig wird die Ebene des Teams, z.B. von MCDERMOTT aufgeführt, berücksichtigt. Vgl. McDermott (2002), S. 27. Nohria (1992), S. 6, H.d.A.
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Erläuterungen dienen zum einen der Ableitung dieser Konstrukte sowie der Bestätigung der o.g. Konstrukte der individuellen Ebene. Zum anderen bilden sie die theoretischkonzeptionelle Basis für die Konzeptualisierung der individuellen und organisationalen Ergebnis-Konstrukte. Dabei werden neben dem Konzept des technologischen Gatekeepers weitere theoretischkonzeptionelle Ansätze herangezogen. Diese sind die Grundlage für die Erklärung jener Mechanismen, die mit der wechselseitigen Interaktion der Community-Mitglieder verbunden sind bzw. darauf basieren. Ausgegangen wird dabei von einer Betrachtung der direkten Folgen der Interaktionen in CoPs. In Anlehnung an MCDERMOTT werden drei grundsätzliche Ergebnisse der Community-Aktivitäten unterschieden: (a) Erweiterung des individuellen, kollektiven und organisationalen Wissens, (b) Aufbau und Ausbau von Beziehungen zwischen den Mitgliedern und (c) Zugang zu Informationen.605 Doch wodurch kommt es zu diesen Ergebnissen? Folgende theoretisch-konzeptionellen Ansätze können einen Erklärungsbeitrag liefern: (1) Lerntheorien, (2) Theorie des sozialen Kapitals, (3) Theorie der Stärke schwacher Beziehungen sowie (4) Theorie der sozialen Identität. Vor dem Hintergrund des Zieles dieses Abschnittes, die Grundlagen für eine systematische Ableitung der Erfolgswirkungen von CoPs zu erarbeiten, werden nachfolgend die wesentlichen Kernpunkte der einzelnen Ansätze diskutiert. Die Diskussion der Erfolgswirkung im Kontext von CoPs erfolgt in den Abschnitten zur Konzeptualisierung und den Wirkungszusammenhängen der Konstrukte. 4.4.2.2 Lerntheorien Die Betrachtung der Ergebnisse von CoPs steht in einem engen Zusammenhang mit der Frage, wie Menschen lernen. In CoPs wird Wissen ausgetauscht und entwickelt. Lernen und Wissen haben (dabei) eine ähnlich enge Beziehung wie allgemein ein Prozess zu seinen Voraussetzungen und den resultierenden Ergebnissen.606 Die wechselseitige Interaktion zwischen den Community-Mitgliedern stellt die Grundlage für verschiedene Lernprozesse dar. Zunächst werden unterschiedliche Lerntheorien erläutert. Im Anschluss daran wird der Zusammenhang zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem Lernen diskutiert. Das Modell der so genannten Wissensspirale von NONAKA und Koautoren bildet die Basis dieser Diskussion. Abschließend werden die entsprechenden Schlussfolgerungen für den Bezugsrahmen der Untersuchung vorgestellt.
605 606
Vgl. McDermott (2002), S. 27. Vgl. Schüppel (1996), S. 64.
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Individuelles Lernen – Behavioristische und kognitivistische Lerntheorie Lernen in der klassischen, behavioristischen Sichtweise wird als die Aneignung von überdauernden Reaktionsketten bezeichnet.607 Wesentliche Ursache für individuelle Lernprozesse im Sinne erfahrungsbedingter Verhaltensänderungen sind dabei geeignete Reiz-Konstellationen oder bestimmte antizipierte Konsequenzen einer Handlung. Diese Perspektive vernachlässigt jegliche kognitiven Vorgänge des Individuums. Die geistige Auseinandersetzung des Einzelnen mit seiner Umwelt wird im Rahmen der kognitivistischen Lerntheorien608 in den Mittelpunkt gerückt.609 Der Mensch wird als aktives und selbstbestimmtes Individuum verstanden, welches aus gegenwärtigen und vergangenen Wahrnehmungen eine kognitive Ordnung aufbauen, daraus Ursache-Wirkungsbeziehungen ableiten und rationale Handlungen vornehmen kann.610 Es geht folglich weniger um die Erklärung, wie bestimmte Verhaltensweisen erlernt werden, als um die Auseinandersetzung mit der Frage, wie kognitive Strukturen, die letztlich rationales Handeln ermöglichen, aufgebaut bzw. entwickelt werden. Individuelles Lernen wird demnach als der Prozess der reflexiven Auseinandersetzung mit der Umwelt verstanden. Bei diesem Prozess werden nicht nur die kognitiven Strukturen des lernenden Systems zunehmend komplexer sondern auch die dort angelegten Vorstellungen von dieser Umwelt.611 Mit dieser Schwerpunktsetzung sind kognitivistische Lerntheorien besser in der Lage zu erklären, wie Neues entsteht.612 Individuelle Lernprozesse vollziehen sich in einem Lernzirkel aus vier miteinander verbundenen und sich z.T. überlappenden Lernaktivitäten613: (1) Wahrnehmung der Realität, (2) Analyse des Erfahrenen, (3) Entwicklung von Verhaltensorientierung und (4) Generierung von Verhalten. Ein Lernzirkel im CoP-Kontext könnte beispielsweise folgendermaßen aussehen: Ein Community-Mitglied erlebt, wie ein anderes Mitglied ein bestimmtes Problem löst. Das Wahrgenommene, d.h. die Problemlösung durch das andere Mitglied, wird unter Berücksichtigung eigener früherer Erfahrungen kritisch analysiert und reflektiert. Im Ergebnis dieser Analyse werden abstrakte, kognitive Handlungskonzepte für das eigene spezifische Problem entwickelt und auf die entsprechende Lösung angewendet und getestet. Mit der Wahrnehmung der eigenen Handlungen und der Reaktion der Umwelt auf die eigene Handlung beginnt ein neuer Zyklus. Im Verlauf dieser fortwährenden Lernprozesse, bei denen sowohl behavioristische als auch kognitivistische Elemente eine Rolle spielen, entsteht Wissen.614 Wie dieses 607 608 609 610 611 612 613 614
Als Vertreter dieser Sichtweise gelten PAVLOV und SKINNER. Vgl. Pavlov (1955); Skinner (1938).. Typische Vertreter sind LEWIN und TOLMAN. Vgl. Schönpflug (1992); Tolman (1932). Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 17. Vgl. Henschel (2001), S. 97. Vgl. Klimecki/Thomae (1997), S. 2. Vgl. Pautzke (1989), S. 9 sowie zum Abschnitt Schüppel (1996), S. 65f. Vgl. Kolb (1984), S. 20ff; Lewin (1963). Vgl. dazu auch die ausführlichen Ausführungen bei Henschel (2001), S. 104ff; Schüppel (1996), S. 68ff sowie dort zitierte Quellen.
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Beispiel verdeutlicht, sind individuelle Lernprozesse in einer CoP stark an die Interaktion mit anderen Mitgliedern geknüpft. Die Lernfähigkeit eines Individuums hängt von Erkenntnismöglichkeiten, kognitiven Kategorien und Intelligenz, aber vor allem von gemachten Erfahrungen ab. Die Forschung zu kognitiven Strukturen und Problemlösungen kommt zu dem Schluss, dass „[…] an individual’s learning is greatest when the new knowledge to be assimilated is related to the individuals existing knowledge structure.”615 Erfahrungen – beeinflusst durch sozial vermittelte Fähigkeiten, der historisch gewachsenen Motivlage, Interessen und Werthaltungen gegenüber einer spezifischen Sache616– spiegeln sich in der existierenden Wissensbasis eines Individuums wider. Je umfangreicher die individuelle Wissensbasis ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass neu aufgenommenes Wissen zu bereits vorhandenem Wissen passt. Die Vielfalt (auch als Breite bezeichnet) und Tiefe der individuellen Wissensbasis beeinflussen demnach die Fähigkeit einer Person, verwandtes und neues Wissen aus der Unwelt aufzunehmen, neuartige Assoziationen und Gedankenverbindungen zu erzeugen und auf deren Grundlage das Wissen auf andere Kontexte anzuwenden.617 Im Ergebnis bilden sich mentale Modelle618 eines Individuums, welche die Grundlage für das individuelle Verständnis über das Funktionieren und die Zusammenhänge in der Welt darstellen. Die mentalen Modelle sind Inhalte des so genannten individuellen Kognitionsrahmens, über den jedes Individuum verfügt. Zu diesem gehören zum einen die spezifischen Handlungsroutinen des Individuums und zum anderen der spezifische individuelle konzeptionelle Rahmen, d.h. die kognitiven Verarbeitungsmuster und Handlungsstrategien.619 Kollektives Lernen – Soziale Theorie des Lernens, soziologische Theorie des Lernens Innerhalb von CoPs finden nicht nur individuelle Lernprozesse statt. Relevant sind ebenfalls jene Lernprozesse, die sich auf der Ebene der CoP als Gruppe vollziehen. Die soziale Theorie des Lernens (von BANDURA auch sozial-kognitive Lerntheorie genannt620) betrachtet Lernprozesse aus einer sozio-kulturellen Perspektive621 und wurde von LAVE/WENGER im Kontext ihrer Community-Forschung diskutiert.622 Das Erlernen von Verhaltensweisen wird bei diesem Ansatz nicht ausschließlich auf die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt reduziert, 615
616 617 618
619 620 621
622
Lane/Lubatkin (1998), S. 463 sowie dort zitierte Quellen. COHEN/LEVINTHAL haben diese Erkenntnis auf die organisationale Ebene übertragen und den Begriff der absorptiven Kapazität (absorptive capacity) geprägt. Vgl. Cohen/Levinthal (1990). Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 17. Vgl. Cohen/Levinthal (1990), S. 129ff. In diesem Zusammenhang diskutierte „geistige Landkarten“ bzw. „cognitive maps“ gehen auf TOLMAN zurück. Vgl. Tolman (1932). Vgl. Kim (1993), S. 39f; Schüppel (1996), S. 71ff. Vgl. Bandura (1979), S. 23. Diese Perspektive beruht auf Arbeiten von BANDURA bzw. BANDURA/WALTER. Vgl. Bandura (1979); Bandura/Walters (1970). Siehe dazu auch die Beschreibung der Forschung von LAVE/WENGER im Abschnitt 3.1.
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sondern als interindividueller, d.h. kollektiver Prozess verstanden.623 Demnach sind Lernprozesse vor allem Gruppenprozesse, die kontinuierlich, z.T. unbewusst, aber immer im Kontext von Handeln stattfinden.624 Einen wesentlichen Kern der sozialen Theorie des Lernens stellt das Verständnis von Lernen als Modelllernen dar. Das bedeutet, Menschen müssen nicht zwingend selbst handeln, um Erfahrungen zu sammeln, sondern können durch das Beobachten anderer lernen, indem sie deren gemachte Erfahrungen übernehmen. Voraussetzung für das Lernen durch Beobachten ist die Interaktion mit anderen.625 BANDURA erkannte: „Psychologische Theorien sind bislang davon ausgegangen, Lernen heiße immer, dass Reaktionen ausgeführt und ihre Wirkung erlebt würden. Tatsächlich ereignen sich nahezu alle Lernphänomene, die sich aus der unmittelbaren Erfahrung ergeben, auf einer stellvertretenden Basis. Man beobachtet, wie andere Menschen sich verhalten und welche Konsequenzen ihnen dies einträgt. Die Fähigkeit, durch Beobachtung zu lernen, ermöglicht den Menschen, ausgedehnte, integrierte Verhaltensmuster zu erwerben, ohne sie langwierig und mühsam durch Versuch und Irrtum aufbauen zu müssen.“626
Hinter dieser auch als Imitationslernen bezeichneten Form des Lernens627 stehen drei Lernmechanismen628: (a) Lernen durch Imitation; (b) Beobachtung der Handlungskonsequenzen, wobei nur die positiv bewerteten Handlungen wiederholt werden, sowie (c) latentes Lernen, d.h. die Reproduktion des Gelernten erfolgt nicht unmittelbar, sondern erst nach einer gewissen Zeit bzw. bei entsprechenden Umweltbedingungen. Darüber hinaus charakterisieren LAVE/WENGER Lernprozesse in einer Gemeinschaft (CoP) mit einer „legitime peripheral participation“: Dies impliziert zum einen die feste als Mitglied legitimierte Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und zum anderen, dass sich immer neue Ebenen der Zusammenarbeit und neues Potential für eine wachsende Einbindung des einzelnen Mitglieds ergeben.629 Situiertes, soziales Lernen findet als „Bedeutungsaushandlung“ durch vier wesentliche Mechanismen statt: (1) Sammeln von Erfahrungen (Meaning/Learning as experience); (2) eigenes Handeln (Practice/Learning as doing); (3) Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kontext (Community/learning as belonging) sowie (4) Aufbau/Änderung einer Identität (Identitiy/learning as becoming).630
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Vgl. Henschel (2001), S. 99. Vgl. z.B. Lave/Wenger (1991), S. 54ff. Vgl. Henschel (2001), S. 99. Bandura (1979), S. 22, H.d.A. Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 106. Vgl. Schüppel (1996), S. 86. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 29ff. Vgl. Wenger (1998b), S. 4f. Für eine Zusammenfassung der wesentlichen Prinzipien einer sozialen Perspektive des Lernens siehe ebenda, S. 226ff.
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Unter Lernen wird im weiteren Verlauf der Arbeit allgemein ein Prozess verstanden631, der im Kontext der sozialen Interaktion mit anderen stattfindet. Lernen ist: „an ongoing process of reflection and action, characterized by asking questions, seeking feedback, experimenting, reflecting on results, and discussing errors or unexpected outcomes of actions“.632
Kollektives Lernen basiert in der soziologischen Lerntheorie nach MILLER vor allem auf verschiedenen Formen des argumentativen Dialogs.633 Diese Kooperationsmechanismen einhergehend mit dem Verallgemeinerungs-, Objektivitäts- und Konsistenzprinzip führen dazu, dass nicht nur individuelles Wissen und Fähigkeiten durch die einzelnen Mitglieder erworben werden, sondern auch das Kollektiv (eine CoP beispielsweise) als Ganzes die Qualifikation zur Problemlösung entwickelt. Durch den kollektiven Lernprozess werden demnach Teile des individuellen Wissens von CoP-Mitgliedern zu kollektivem Wissen, d.h. von der gesamten CoP geteilten Wissens. Auch aus Sicht der soziologischen Theorie des Lernens stellt die Kommunikation das konstituierende Element von Lernprozessen dar.634 Organisationales Lernen – Theorie des organisationalen Lernens, Lernformen Auch wenn die Betrachtung von Lernprozessen in Gruppen über die Ebene des individuellen Lernens hinausgeht, so wird doch vornehmlich der Frage nachgegangen, wie Individuen lernen. Wie lernen jedoch Organisationen als Ganzes? Auslöser für die Beschäftigung mit diesem Thema war die Frage, wie Unternehmen mit ökonomischen, politischen, technologischen und sozialen Veränderungen in ihrem Umfeld umgehen. Die betriebswirtschaftliche Forschung begann bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, dieser Frage nachzugehen.635 Dabei wurde zunehmend das Konstrukt „Lernen“ als mögliche erklärende Variable betrachtet.636 Die zunehmende Betrachtung von Wissen als wesentliche Ressource einer Organisation führte dazu, dass auch verstärkt jene Prozesse untersucht wurden, in deren Verlauf Wissen entsteht bzw. welche den Wandel und die Entwicklung von Organisationen verursachen.637 In der Folge erschienen zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem im akademischen Bereich, zum Thema Organisationales Lernen, in denen un-
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632 633 634 635 636 637
Dem gegenüber steht das Verständnis Lernen ist ein Ergebnis. Vgl. die Diskussion bei Edmondson (1999), S. 353. Edmondson (1999), S. 353. Vgl. Miller (1986), S. 207ff. Vgl. zum Abschnitt Schüppel (1996), S. 86f. Vgl. Henschel (2001), S. 110. Vgl. Al-Laham (2003), S. 56. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es durchaus Kritiker einer Theorie des organisationalen Lernens gibt. Nicht alle Autoren sind der Meinung, dass es organisationale Deutungsmuster gäbe, die sich von individuellen Referenzrahmen und kognitiven Strukturen bzw. Karten unterscheiden ließen. Kritiker bezweifeln, dass eine Organisation lernen kann, und betrachten organisationales Lernen als Metapher. Vgl. die Diskussion bei von Wartburg (2000), S. 311f.
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terschiedliche Definitionen, divergierenden Konzepte und Terminologien genutzt wurden.638 Gemein ist allen Ansätzen, dass der Untersuchungsgegenstand das Lernen von Organisationen (und nicht das Lernen in Organisationen) ist und dass ein kognitives Lernverständnis zugrunde gelegt wird.639 Welche Mechanismen als jene angesehen werden, die die Veränderung der organisationalen Wissensbasis bedingen, hängt von der gewählten Sichtweise auf das organisationale Lernen ab. Bis dato besteht kein einheitliches Verständnis bezüglich der Systematisierung der verschiedenen Erklärungsansätze.640 Da es zwischen den Ansätzen unterschiedlichste Anknüpfungspunkte gibt, ist die Abgrenzung kaum absolut trennscharf möglich.641 Die früheren Ansätze (z.B. von CYERT/MARCH, MARCH/OLSEN, DUNCAN/WEISS) beschäftigten sich vor allem mit dem adaptiven Lernen, auch Lernen niedriger Ordnung oder Erfahrungslernen genannt.642 Spätere Ansätze (wesentliche Vertreter sind ARGYRIS/SCHÖN, HEDBERG, PAUTZKE, SENGE, PROBST/BÜCHEL) fokussieren darüber hinaus Lernprozesse höherer Ordnung, so genannte „Assumption Sharing“ Prozesse auf der Basis gemeinsamer Wissens- und Handlungsbestände.643 Unter organisationalem Lernen (auch als institutionelles Lernen bezeichnet644) wird der Prozess „[...] der Veränderung der organisationalen Wissensbasis, die Verbesserung der Problemlösungs- und Handlungskompetenz sowie die Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitglieder der Organisation“645 verstanden.646 Die organisationale Wissensbasis umfasst dabei sowohl die individuellen als auch kollektiven Wissensbestände einer Organisation, welche zur Problemlösung genutzt werden können. Darüber hinaus enthält sie Daten und Informationsbestände, auf welchen individuelles, kollektives und organisationales Wissen aufbaut.647 Im Rahmen der Erklärung von organisationalem Lernen werden Organisationen 638
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647
Vgl. z.B. Al-Laham (2003), S. 50f; Bell et al. (2002), S. 70f; Crossan et al. (1999), S. 522; Easterby-Smith et al. (1998), S. 263ff; Klimecki/Thomae (1997), S. 1; Pawlowsky (1994), S. 259; Pawlowsky (2001), S. 63ff. Siehe Al-Laham (2003), S. 51ff. auch zur ausführlichen Diskussion der theoretischen Basis des Forschungsfeldes sowie Bell et al. (2002), S. 71ff; Klimecki/Thomae (1997), S. 2ff für Bestandsaufnahmen der Forschung zum organisationalen Lernen sowie den verschiedenen existierenden Forschungsperspektiven. Vgl. Klimecki/Thomae (1997), S. 2. Für unterschiedliche Systematisierungen bzw. Gegenüberstellungen der Erklärungsansätze siehe die ausführliche Diskussion bei Bell et al. (2002), S. 71ff; Klimecki/Thomae (1997), S. 2ff; Pawlowsky (1994), S. 269ff; Probst/Büchel (1998), S. 18; Schüppel (1996), S. 13ff; Stotz (1999), S. 9ff; Unnikrishnan Nair (2001), S. 506ff; Wang/Ahmed (2003), S. 9ff. Vgl. Schüppel (1996), S. 13. Vgl. Cyert/March (1963); Duncan/Weiss (1979);March/Olsen (1975). Vgl. Argyris/Schön (1978); Hedberg (1981); Pautzke (1989); Probst/Büchel (1998); Senge (1990) sowie von Wartburg (2000), S. 315f und dort aufgeführte Quellen. Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 9. Probst/Büchel (1998), S. 17. Siehe Al-Laham (2003), S. 56f; Pawlowsky (1994), S. 265 für eine Synopse zu Definitionen des Begriffs „organizational learning“. Vgl. Probst et al. (1999), S. 46. Die Existenz eines „knowledge base“ wurde erstmalig von DUNCAN/WEISS diskutiert. Vgl. Duncan/Weiss (1979).
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als Besitzer eigener Wissensbestände betrachtet. Diese beinhalten losgelöst von Organisationsmitgliedern Kenntnisse über die Effektivität organisationaler Handlungen, bereits gemeinsam erarbeitete Handlungsrahmen und intersubjektiv verständigte Bedeutungszuschreibungen.648 Auch wenn unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet werden, besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass grundsätzlich drei verschiedene Typen bzw. Formen des Lernens höherer Ordnung unterschieden werden können649: (a) Anpassungslernen (Single-Loop-Learning), (b) Veränderungslernen (Double-Loop-Learning), (c) Prozesslernen (Deutero-Learning).650 (a) Anpassungslernen. Durch die Interaktion mit ihrer internen und externen Umwelt nehmen Organisationsmitglieder fortlaufend neue Informationen auf, die zu einer Veränderung ihrer wahrgenommenen Wirklichkeit führen. Bekannte Reiz-Reaktionsmuster werden dabei aufgebrochen und im Rahmen interner Anpassungsleistungen entstehen veränderte Reizkonstellationen.651 Bewährte Konstellationen werden beibehalten, andere verändert. Dieses „Lernen am Erfolg“ hat eine passive Anpassung an die Umwelt zur Folge, d.h. es ist eine auf Effizienz zielende Adaption an vorgegebene Ziele und Normen. Es wird im Rahmen vorhandener mentaler Modelle gelernt. Demnach gibt es eine einfache Schleife durch die Anpassungsleistung bei vorgegebenen organisatorischen Normen. Es finden jedoch keine tiefergreifenden Veränderungen der Ziele, Werte und Normen der Organisation statt. Dementsprechend wurde diese Art des Lernens von ARGYRIS/SCHÖN „singleloop-learning“ genannt. (b) Veränderungslernen. Die statische Fehlerkorrektur durch Anpassungsvorgänge genügt bei substantiellen Veränderungen der internen und/oder externen Umwelt nicht mehr. Es werden vielmehr tiefergehende kognitive Prozesse notwendig, d.h. ein Überdenken der Ziele, grundlegenden Handlungstheorien, Prioritäten etc. und gegebenenfalls eine Modifikation dieser Größen. Es kommt demnach zu einer doppelten Rückkopplungsschleife, wodurch Veränderungslernen auch „douple-loop-learning“ genannt wird. Durch die Veränderung bestehender Strukturen und eine entsprechende Anpassung des Verhaltensrepertoires der Organisation entwickelt sich die Organisation weiter. Existierende mentale Modelle werden variiert und neue entstehen. Der Handlungskontext wird zum Gegenstand des Lernprozesses652 und dadurch wird die Veränderungsfähigkeit der Organisation selbst beeinflusst. 648 649 650
651 652
Vgl. Levitt/March (1988). S. 324ff; von Wartburg (2000), S. 318. Vgl. Pawlowsky (1994), S. 281; Probst/Büchel (1998), S. 39; Schüppel (1996), S. 27f. Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Argyris/Schön (1978), S. 8ff; Henschel (2001), S. 116ff; Levitt/March (1988), S. 321ff; Pawlowsky (1994), S. 282ff; Probst/Büchel (1998), S. 35ff;Schüppel (1996), S. 23ff; von Wartburg (2000), S. 318ff. Vgl. Hedberg (1981). Vgl. Huber (1991), S. 93.
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Eine Redefinition des Handlungskontextes kann jedoch nur erfolgen, wenn die Organisationsmitglieder auch bereit sind, grundlegende, z.T. identitätsprägende Aspekte des gegenwärtigen bewährten Bezugsrahmens aufzugeben bzw. zu verändern. Dies ist in der Realität sehr schwierig, da oftmals kollektive defensive Routinen aufgebaut wurden. Diese verhindern Veränderungen, welche als Quelle von Bedrohung und Unsicherheiten gesehen werden.653 Derartige Prozesse des Hinterfragens bestehender mentaler Modelle werden zumeist nur möglich, wenn es Reflexionen zum „Lernen zu lernen“ gibt, d.h. eine Einsicht über den Ablauf von Lernprozessen. (c) Prozesslernen. Die vorab beschriebenen Lernprozesse der Anpassung und Veränderung sind beim Prozesslernen (auch „deutero learning“, Entwicklungs- oder Problemlösungslernen genannt) Gegenstand des Interesses. Es geht demnach um Lernen auf einer Metaebene bezüglich der Frage: Was, wann, wie und warum wird gelernt. Dieser Prozess des „Lernens zu lernen“ ist die höchste Ebene des Lernprozesses, denn es entsteht organisationsweit ein Bewusstsein über die Existenz und den Ablauf von Lernprozessen. Übergeordnetes Ziel ist es, neue Lernstrategien zu entwickeln, um die Lernfähigkeit und damit die Entwicklungsfähigkeit der Organisation zu verbessern. Frühere Lernerfahrungen werden kritisch reflektiert und analysiert. Durch das Erkennen von Mustern, die in ähnlichen Situationen das Lernen ermöglicht haben, kann es zu einer Restrukturierung von Verhaltensroutinen und -normen kommen. Unternehmen, die die Interaktion von Mitarbeitern in informellen Netzwerken bzw. CoPs unterstützen, haben grundsätzlich diese höchste Ebene des Lernprozesses erreicht. Es existiert ein Bewusstsein für die Bedeutung von Lernprozessen bzw. die Relevanz von Wissen für die Veränderungsfähigkeit und damit die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Organisation. Wesentliche Grundlage für all diese beschriebenen Lernprozesse ist die Interaktion der Organisationsmitglieder. PROBST/BÜCHEL bemerken dazu zusammenfassend: „Die entscheidende Voraussetzung für organisationale Konstruktion von Wirklichkeiten ist die sprachliche Verständigung oder die Kommunikation, denn ohne diese ist eine konsensuelle Verständigung über die Wirklichkeit und das darausfolgende Handeln nicht möglich. Ohne Kommunikation kann weder das individueller Wissen der Organisation verfügbar gemacht werden, noch können kollektive Argumentations- oder Organisationsprozesse stattfinden.“654
Dabei ist wichtig, dass die kognitive Distanz der Personen nicht zu groß ist. Kognitive Distanz geht einher mit unterschiedlichem Wissen, unterschiedlichen mentalen Modellen (abhängig von der Herkunft, fachlichem Hintergrund, Kultur, etc.). Dies kann eine Chance oder ein Problem darstellen.655 Einerseits fördert es die (Weiter-)Entwicklung von Wissen: Insbeson653 654 655
Vgl. Argyris (1990) sowie die Ausführungen bei Probst/Büchel (1998), S. 76; Schüppel (1996), S. 165ff. Probst/Büchel (1998), S. 22, H.i.O. Vgl. zu dieser Diskussion Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 291; Nooteboom (2002), S. 26; van Baalen et al. (2005), S. 303.
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dere bei der Interaktion mit Personen, die Dinge anders sehen bzw. andere Dinge wissen, lernen Individuen. Es besteht die Möglichkeit, eigene Fehler zu korrigieren. Andererseits besteht die Gefahr, dass sich Individuen nicht verstehen bzw. mehr Aufwand notwendig ist, um zu verstehen, was andere sagen und tun, und auch um selber zu kommunizieren, was man meint und tut: Zuviel Unterschiede hinsichtlich bestimmter personaler (Einstellungen) und sozioökonomischer (Alter, Beruf, Bildung) Merkmale – Heterophilität656 genannt – verhindern einen gemeinsamen Code und damit die Interaktion von Personen. Kommunikation ist am effektivsten, wenn die Interaktionspartner in vielen Merkmalen übereinstimmen, sich in einigen wenigen jedoch unterscheiden.657 Zusammenhang zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem Lernen Organisationales Lernen ist nicht ohne individuelles Lernen möglich. Obwohl individuelles Lernen die Voraussetzung dafür ist, dass Organisationen lernen können, garantiert es jedoch kein organisationales Lernen, da organisationales Lernen über die Summe der individuellen Lernprozesse sowohl aus qualitativer als auch quantitativer Sicht hinausgeht.658 Die Gesamtlernleistung einer Organisation hängt nicht nur von den Lernfähigkeiten ihrer Mitglieder ab, sondern ebenso von der Art ihrer organisationalen Verknüpfung.659 CoPs tragen dazu bei, dass Organisationsmitglieder miteinander interagieren und – besonders relevant im Kontext multinationaler Unternehmen – unabhängig vom Standort miteinander verbunden sind. Damit ermöglichen sie eine Veränderung bzw. Entwicklung gemeinsamer mentaler Modelle, d.h. die Interaktion des Einzelnen mit anderen Community-Mitgliedern führt zu kollektiven Lernprozessen. Nach BROWN/DUGUID, LAVE/WENGER und anderen Vertretern einer sozialen Theorie des Lernens ist individuelles Lernen untrennbar mit kollektivem Lernen verbunden.660 Diese kollektiven Lernprozesse bilden nach REBER die kleinste „mikrosoziale“ Einheit des organisationalen Lernens.661 In der Literatur finden sich verschiedene Ablaufschemata bzw. Modelle des organisationalen Lernens.662 Das populärste Modell im Kontext von Wissensmanagement ist die so genannte
656
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659 660 661 662
Das Gegenteil ist Homophilität. Siehe dazu ROGERS: „Homophily is the degree to which two or more individuals who interact are similar in certain attributes, such as beliefs, education, social status, and the like. […] Homophily occurs because similar individuals belong to the same groups, live or work near each other, and share the same interests.” (Rogers (1995), S. 18f). Vgl. zum Abschnitt Rogers (1995), S. 18f; Rogers/Bhowmik (1971), S. 531ff sowie die Diskussion bei Schenk (1984), S. 296f. Vgl. z.B. Probst/Büchel (1998), S. 19. Siehe dazu auch Argyris/Schön (1978), S. 9f: „...organizational learning is not merely individual learning, yet organizations learn through the experience and actions of individuals.” Vgl. Reber (1992), Sp. 1240. Vgl. z.B. Brown/Duguid (1991), S. 46; Lave/Wenger (1991), S. 49ff. Vgl. Reber (1992), Sp. 1243. Vgl. Pawlowsky (1994), S. 288ff für eine ausführliche Vorstellung und Diskussion dieser Modelle.
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Wissensspirale von NONAKA und Koautoren.663 Zentrale Kernpunkte des Modells sind die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen sowie die Frage, durch welche Mechanismen die Übertragung, Umwandlung und Entwicklung dieser Wissensbestandteile stattfinden. Das ursprüngliche, sehr abstrakte bzw. idealtypische Modell ist kritisch diskutiert worden; nicht nur von anderen Wissenschaftlern sondern auch von den Begründern selbst.664 Dabei geht es vornehmlich um das konzeptionelle Verständnis von Wissen und die Grenzen einer möglichen Überführung impliziten Wissens in explizites Wissen. In seiner Originalform geht das Modell davon aus, dass Wissen in den Extremformen vorliegt. Die konzeptionelle Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen stellt jedoch keine Dichotomie dar. Die zwei Wissensarten bilden vielmehr die Extrempunkte eines Wissenszustandsspektrums.665 Dabei können die Extreme nicht erreicht werden. In der Realität besteht Wissen stets aus einer Mischung von impliziten und expliziten Anteilen, wobei die Anteile unterschiedlich groß sind. Beide Dimensionen sind untrennbar miteinander verbunden, d.h. es sind komplementäre Anteile jeden Wissens.666 DUGUID macht anschaulich deutlich, dass jedes Wissen einen impliziten Anteil hat: „[W]hile knowledge may include codified content, to be used it requires the disposition to apply it […] knowledge involves not simply (indeed not even necessarily) knowing how the thing is done, but knowing how to do it, and the two are quite distinct.”667
Demzufolge kann die Umwandlung von Wissen keine Transformation von einem Extrem ins andere sein668, sondern eher eine Verschiebung entlang des Kontinuums implizit-explizit. Dabei ist nur eine begrenzte bzw. gewisse Transformation des Zustands von Wissen möglich.669 Implizites Wissen kann nicht vollständig explizit gemacht werden, „there is always some loss, due to disembedding from mental systems that are built on personal experience.”670 Bestimmte Formen von Wissen sind zwar bekannt, aber nicht artikulierbar.671
663 664
665 666 667
668
669
670 671
Vgl. von Wartburg (2000), S. 324ff. Vgl. Cook/Brown (1999), S. 379; Renzl (2003), S. 26 sowie die Weiterentwicklungen in den Veröffentlichungen von NONAKA und seinen Koautoren. Vgl. z.B. die Diskussion bei Hall/Andriani (2002), S. 31; Leonard/Sensiper (1998), S. 113. Vgl. Tsoukas (1996), S. 14. Renzl (2003), S. 26. Duguid (2005), S. 111. Siehe dazu auch Brown/Duguid (1998), S. 91; Cook/Brown (1999), S. 385; Tsoukas (1996), S. 14. Aus diesem Grund funktionieren beispielsweise Wissensdatenbanken nicht so, wie gedacht. Wissen kann nicht komplett externalisiert werden, d.h. es verbleibt immer ein impliziter Anteil, der keinen Eingang in die Datenbanken finden kann bzw. wird. Vgl. Schütt (2006), S. 14f. In dieser Debatte können grundsätzlich zwei Meinungen unterschieden werden: the „near tangible“ und „distributed view on knowledge“. Die erste Perspektive geht davon aus, dass die beiden Wissensarten jeweils in die andere Art überführt werden können. Aus der anderen Perspektive heraus ist implizites Wissen eine Komponente des gesamten Wissens und kann daher nicht umgewandelt werden. Vgl. van Baalen et al. (2005), S. 301f sowie Cook/Yanow (1993), S. 397; Duguid (2005), S. 111ff. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 291. Vgl. auch Baumard (1999), S. 21. Vgl. Polanyi (1966), S. 6f.
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Darüber hinaus wird der von NONAKA et al. postulierte sequentielle Ablauf der einzelnen Umwandlungsmechanismen kritisiert.672 Wissen wird in der Realität gleichzeitig entwickelt und angewendet.673 Das Modell hat sich ungeachtet dessen in der Literatur zum Wissensmanagement durchgesetzt. Unter Berücksichtigung der diskutierten Einschränkungen und Grenzen ermöglicht es das Modell, die grundsätzlichen Mechanismen zu analysieren, die in einer CoP wirken. Es bildet daher die Grundlage der nachfolgenden Ausführungen. Prinzipiell werden vier Mechanismen zur Umwandlung und Übertragung von Wissen unterschieden674: Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung.675 Im Rahmen der Interaktion in CoPs können sowohl explizite als auch implizite Wissensbestandteile übertragen werden. Der Prozess der Übertragung von implizitem Wissen zu implizitem Wissen wird Sozialisation genannt. Er basiert vor allem auf gemeinsamem Handeln und Lernen in der CoP, insbesondere durch Beobachten, Nachahmen und Üben. Aus Beobachtungen und Erfahrungen, aus denen Urteile und Schlüsse abgeleitet werden können, lässt sich gesichertes Wissen herleiten.676 Ein neues Mitglied wird in die Denk- und Handlungsroutinen der Gemeinschaft eingeführt (d.h. sozialisiert) und im Zuge dessen verändert sich der individuelle Kognitionsrahmen des Mitglieds.677 Der Dialog mit den anderen führt gleichzeitig dazu, dass individuelle Erfahrungszusammenhänge einzelner Mitglieder zu intersubjektiven Wirklichkeiten und damit kollektiv kommunizierbar sowie veränderbar werden. Sie werden auf diese Weise für die Organisation verfügbar.678 Gewisse Teile des impliziten Wissens eines Einzelnen werden durch die intensive Kommunikation mit anderen Community-Mitgliedern artikuliert, d.h. Teile des angeeigneten impliziten Wissens werden in explizites Wissen übersetzt und weitergegeben. Dieser Übertragungsprozess wird Externalisierung genannt. Die einzelnen Mitglieder offenbaren ihre (veränderten) mentalen Modelle. Diese können dann in gemeinsame mentale Modelle integriert werden.679 Im Ergebnis des Prozesses entsteht gemeinsam geteiltes Wissen, d.h. ein gemeinsames Verständnis, welches mit einer gemeinsamen Sprache, Symbolen, Kodes, einem Feld von Metaphern einhergeht.680 Der gemeinsame 672 673
674 675
676 677
678 679
680
Siehe auch die Diskussion bei von Wartburg (2000), S. 348f. Demzufolge spricht beispielsweise ORLIKOWSKI von knowing statt von knowledge. Vgl. Orlikowski (2002), S. 251ff. Siehe dazu auch Cook/Brown (1999), S. 392ff. Vgl. Baumard (1999), S. 30f für eine Übersicht weiterer Mechanismen. Vgl. nachfolgend Nonaka (1991), S. 47ff; Nonaka (1994), S. 18ff; Nonaka/Konno (1998), S. 42ff; Nonaka/Takeuchi (1995), S. 73ff. Vgl. Coenenberg (1966), S. 21. Vgl. zum generellen Prozess der Sozialisation auch die Ausführungen bei Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 98ff. Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 64. Vgl. Al-Laham (2003), S. 51; Crossan et al. (1999), S. 528f; Kim (1993), S. 43ff; Nonaka/Konno (1998), S. 43f; Senge (1990), S. 8ff. Vgl. Orr (1990a); Orlikowski/Yates (1994), S. 543ff; Weick/Roberts (1993). Siehe dazu auch NAHAPIET/GOSHAL: „[...] myths, stories and metaphors also provide powerful means in communities for creating, exchanging and preserving rich sets of meanings“ Nahapiet/Ghoshal (1998), S. 254.
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Kontext und der entwickelte „common ground“ ermöglichen eine entsprechende Interpretation bzw. Transformation von Wissen: „[W]hile making routines explicit might work in some cases, it is the transformation of understanding into the new context that makes it possible for it to be used across the organization.“681
Aus mehrdeutigen Situationen werden in einer CoP gemeinsame Sinngebungen erarbeitet.682 Dies geht i.d.R. einher mit dem Prozess der Kombination, wobei verschiedene Teile expliziten Wissens zu neuen, oftmals komplexeren expliziten Wissenspaketen zusammengeführt werden. Dabei werden die verschiedenen Kommunikationsinstrumente bzw. -funktionalitäten genutzt, die den Mitgliedern einer CoP zur Verfügung stehen. Die gemeinsamen mentalen Modelle ermöglichen koordiniertes Handeln, gegenseitige Abstimmung, neue Bedeutungszuschreibungen sowie Handlungsalternativen.683 Indem eine neue Einsicht durch Worte oder Bilder für sich selbst oder für die anderen Mitglieder erklärt wird, kommt es zu einer (Weiter-)Entwicklung des individuellen Wissens der Community-Mitglieder.684 Die Kommunikation der eigenen Sichtweisen bzw. Erfahrungen führt dazu, dass grundlegende Prämissen hinterfragt und Handlungstheorien reflektiert werden.685 Gleichzeitig findet das durch die Interaktion in der CoP explizierte Wissen Eingang in die individuellen Muster des Einzelnen. Einzelne Mitglieder bzw. die CoP als Ganzes erlernen durch gemeinsames Handeln neue Routinen, die vorher explizit ausformuliert wurden. Dieser Prozess ist eine Internalisierung von explizitem Wissen. Wissen wird dabei sowohl in die individuelle als auch kollektive bzw. organisationale Wissensbasis und damit in Handlungen und Interpretationen „eingebettet“. Diese Integration von Wissen ist ein wesentlicher Prozess für einen erfolgreichen Wissenstransfer.686 Kombiniertes und internalisiertes Wissen wird im Rahmen von Sozialisationsprozessen an neue CoP-Mitglieder weitergegeben, es erfolgt eine Externalisierung deren impliziten Wissens, eine Kombination mit explizitem Wissen anderer Mitglieder, eine erneute Internalisierung etc. Die für viele CoPs charakteristische Fluktuation der Mitglieder begünstigt diesen Prozess. Es kommen kontinuierlich neue individuelle mentale Modelle in die CoP und im Zuge der Interaktion werden etablierte Muster in Frage gestellt. Organisationales Lernen vollzieht sich durch das Wechselspiel der Umwandlung von impliziten und expliziten Wissensanteilen sowie dem mehrfachen Durchlaufen der Wissensspirale. 681 682 683 684 685 686
Bechky (2003), S. 327. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 45; Cook/Brown (1999), S. 394ff. Vgl. von Wartburg (2000), S. 327f. Vgl. Cook/Brown (1999), S. 393. Vgl. dazu auch Henschel (2001), S. 199. Vgl. von Krogh/Köhne (1998), S. 241.
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Die kollektive Argumentation, die interaktive Auseinandersetzung mit Handlungsrahmen und -routinen sowie die damit einhergehende Konsensfindung in der CoP machen die individuellen Lernergebnisse der einzelnen Mitglieder für die Organisation erst besonders wertvoll.687 Demnach bedingen sich individuelles und kollektives Lernen in einer CoP und sind gemeinsam Voraussetzungen für organisationales Lernen.688 Implikationen für den Bezugsrahmen Wie die vorangegangene Diskussion zeigt, sind CoPs Orte des Lernens. Es werden verschiedene Lernprozesse ermöglicht bzw. unterstützt. Im Ergebnis dessen findet eine Veränderung der individuellen Wissensbasis statt. Dies führt, so die Annahme, auf der individuellen Ebene der Mitglieder zu einem bestimmten individuellem Nutzen. Das vorab hergeleitete Konstrukt kann demnach bestätigt werden. Welche Auswirkungen haben die Lernprozesse auf der organisationalen Ebene? Sie bewirken eine Veränderung der kollektiven und organisationalen Wissensbestände einer Organisation. Diese werden durch das Konstrukt organisationale Wissensbasis erfasst. Darüber hinaus wird postuliert – dies impliziert auch die gezielte Initiierung von CoPs durch Unternehmen –, dass die Summe der verschiedenen Lernprozesse Auswirkungen auf die organisationale Leistung hat. Diesen Aspekt beinhaltet das zweite Ergebnis-Konstrukt der organisationalen Ebene. 4.4.2.3 Theorie des sozialen Kapitals Neben der Erweiterung des individuellen Wissens, der kollektiven sowie organisationalen Wissensbasis fördern CoPs Beziehungen zwischen den Mitgliedern und darüber den Zugang zu Informationen. Zur Analyse des Wertes dieser Beziehungen bzw. zur Erklärung, dass diese Beziehungen etwas Wertvolles darstellen, eignet sich die Theorie des sozialen Kapitals. Nachfolgend geht es um die Darstellung der wesentlichen Kernpunkte dieser Theorie und die Anwendung auf den CoP-Kontext. Ursprünglich in der soziologischen Forschung funktionierender Nachbarschaften diskutiert689, wird soziales Kapital im Unternehmenskontext (analog zu physischem bzw. finanziellem Kapital sowie so genanntem Humankapital) als Ressource betrachtet. Ein unterschiedlicher Fokus auf die Inhalte, die Ursachen oder die Wirkungen von sozialem Kapital führt dazu, dass in der Literatur verschiedenste Definitionen des Begriffes existieren. In der vorliegenden Arbeit wird der Definition von NAHAPIET/GHOSHAL gefolgt, die soziales Kapital definieren als
687 688 689
Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 64. Vgl. z.B. Crossan et al. (1999), S. 532. Vgl. Jacobs (1965).
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“[…] the sum of the actual and potential resources embedded within, available through, and derived from the network of relationships possessed by an individual or social unit. Social capital thus comprises both the network and the assets that may be mobilized through that network.”690
Soziales Kapital ist demnach die Summe der Beziehungsressourcen, die in den wechselseitigen zwischenmenschlichen Banden verankert sind, sowie der potentiellen Ressourcen, die durch diese Beziehungsnetzwerke verfügbar und erreichbar sind. Es ist schwer greifbar, da es nur innerhalb der Beziehungen (beispielsweise zwischen den Community-Mitgliedern) existiert. Dadurch ist es weder handel- noch tauschbar. Es werden drei Dimensionen des sozialen Kapitals unterschieden: (a) eine strukturelle Dimension, (b) eine relationale Dimension sowie (c) eine kognitive Dimension. Diese können aus theoretischer bzw. analytischer Perspektive getrennt betrachtet werden, hängen jedoch in der Realität sehr stark zusammen.691 Die strukturelle Dimension umfasst die Fähigkeit einer Person bzw. Einheit, zu anderen Personen der Organisation Beziehungen aufzubauen. Sie erklärt das Muster der Beziehungen zwischen Personen über zugehörige Attribute dieses Netzwerkes692, d.h. beispielsweise das Vorhandensein oder Fehlen zwischenmenschlicher Beziehungen, die Reichweite/Größe des Netzwerkes, die Dichte, seine Hierarchie, aber auch wen man erreicht und wie man ihn erreicht.693 Im Kontext von CoPs beschreibt die strukturelle Dimension demnach das Muster der Beziehungen zu anderen Community-Mitgliedern, die unterschiedlich miteinander verknüpft sein können. Die relationale Dimension umfasst die über diese Verbindungen entwickelten und unterstützten immateriellen Vermögenswerte (z.B. Vertrauen bzw. die Vertrauenswürdigkeit der anderen Community-Mitglieder, Normen, Verbindlichkeiten, Identifizierung). Die kognitive Dimension beinhaltet jene Mittel, die eine Repräsentierung der Gemeinschaft (z.B. durch das gemeinsame Interesse der Mitglieder) und eine gemeinsame Interpretation von Situationen ermöglichen (beispielsweise geteilte Sprache, Kodes und Narrationen). LESSER/PRUSAK bzw. LESSER/STORCK sehen den Nutzen von CoPs für eine Organisation vor allem darin begründet, dass CoPs die Entwicklung und Bewahrung von sozialem Kapital und die damit zusammenhängenden Dimensionen fördern. CoPs werden von den Autoren als „engine for the development of social capital“694 bezeichnet. Die Zugehörigkeit zu einer CoP ermöglicht bzw. vereinfacht es den Mitgliedern, Beziehungen zu anderen Personen aufzubauen und zu pflegen, die ähnliche Interessen haben bzw. eine ähn690 691 692
693 694
Nahapiet/Ghoshal (1998), S. 243. Vgl. nachfolgend Nahapiet/Ghoshal (1998), S. 243ff. Vgl. Swarbrick (2002), S. 14. Siehe beispielsweise Schenk (1984), S. 40ff für Ausführungen zu den strukturellen Merkmalen sozialer Netzwerke. Vgl. dazu auch Burt (1992), S. 12. Lesser/Storck (2001), S. 831. Vgl. auch Lesser/Prusak (1999).
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liche Praxis ausüben.695 Beziehungen mit anderen einzugehen, ist grundsätzlich allen Organisationsmitgliedern möglich, jedoch aufgrund der formalen organisationalen Strukturen, der Arbeitsteilung, der Funktionsdifferenzierung etc. nicht immer einfach. Mitarbeiter, die sich bereits persönlich getroffen haben, jedoch an unterschiedlichen Standorten arbeiten, können beispielsweise über die CoP virtuell ihre latent vorhandenen Beziehungen aufrechterhalten bzw. intensivieren. Dies wäre ohne die CoP nicht möglich.696 Die CoP kann als Referenzmechanismus dienen, d.h. den Mitgliedern ist es möglich, das Wissen anderer Mitglieder schnell zu evaluieren, ohne jeden Einzelnen im Netzwerk zu kontaktieren. Die Beziehungen zu anderen Mitgliedern stellen potentielle Informationskanäle dar. Durch die CoP erschließen sich den Mitgliedern neue Wissensquellen. Gleichzeitig lassen sich dadurch die Zeit und der Aufwand reduzieren, an bestimmte benötigte Informationen zu gelangen.697 Den Informationsaustausch begünstigen verschiedenste IuK-Technologien. Über die Beziehungen zu den anderen Mitgliedern und die wechselseitige Interaktion zwischen diesen entwickeln die CoP-Mitglieder „interpersonal relationships that reinforce these initial connections between individuals.“698 Damit gehen die Entwicklung kollektiver mentaler Modelle und die Generierung eines gemeinsamen Verständnisses, eines gemeinsamen Vokabulars bzw. einer Sicht auf die Welt einher. Dieser gemeinsame Kontext beeinflusst wiederum die Fähigkeit, mit anderen Mitgliedern in Kontakt zu treten, ihre Informationen und ihr Wissen zu verstehen bzw. aufzunehmen.699 Wie bereits angesprochen, teilen CoP-Mitglieder darüber hinaus gemeinsame Geschichten, welche kollektive Routinen, Normen und Werte beinhalten und gleichzeitig prägen. Über die Interaktion mit anderen Mitarbeitern werden diese in die gesamte Organisation eingebracht. Soziales Kapital, welches in den existierenden und potentiellen Beziehungen zwischen den Community-Mitgliedern enthalten ist, ermöglicht Zugang zu Informationen und fördert die soziale Interaktion. Die zwischenmenschlichen Beziehungen im CoP-Netzwerk stellen eine wesentliche Voraussetzung für die intraorganisationale Wissensentwicklung, -verbreitung und -nutzung dar.700
695
696 697 698 699 700
Die Wirkung der Stärke von sozialen Netzwerken wird basierend auf verschiedenen empirischen Ergebnissen durchaus konträr diskutiert. Siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt 4.4.3. Vgl. Ardichvili et al. (2003), S. 75. Vgl. Adler/Kwon (2002), S. 24; Gargiulo/Benassi (2000). Lesser/Storck (2001), S. 834. Vgl. Coleman (1990). Vgl. zu den vorangegangenen Ausführungen Lesser/Prusak (1999), S. 3ff; Lesser/Storck (2001), S. 833ff; Swarbrick (2002), S. 14ff.
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Implikationen für den Bezugsrahmen Aus der Perspektive der Theorie des sozialen Kapitals lässt sich ableiten, dass CommunityMitglieder durch die Interaktion mit den Anderen Beziehungsressourcen aufbauen können. Diese ermöglichen ihnen Zugang zu Informationen, Wissen etc. Dieser beeinflusst den individuellen Nutzen jedes einzelnen Mitglieds, beispielsweise durch Auswirkungen auf die Leistungserfüllung. Die strukturelle Dimension des sozialen Kapitals beschreibt das Muster der Beziehungen zwischen verschiedenen Personen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das individuelle Beziehungsmuster des Einzelnen durch eine Mitgliedschaft in der CoP verändert. Dies stützt die vorangegangene Überlegung, im Bezugsrahmen der Untersuchung die individuelle Netzwerkposition in der formalen Organisation als ein Ergebnis-Konstrukt der individuellen Ebene zu betrachten. CoPs verbessern prinzipiell das Potential zur Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern eines Unternehmens. Unter Berücksichtigung der Herausforderungen, denen sich Unternehmen heutzutage stellen müssen701, ist insbesondere die intraorganisationale Kooperation eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg. Dieser Aspekt soll im Bezugsrahmen der Untersuchung durch das Konstrukt Kooperationspotential berücksichtigt werden. Darüber hinaus lassen sich auf der Grundlage der Betrachtung des sozialen Kapitals, d.h. der Beziehungsressourcen und damit einhergehende Vorteile, CoP-Auswirkungen auf die organisationale Wissensbasis sowie die organisationale Leistung begründen. Die Idee des Sozialkapitals ist eng verknüpft mit dem von GRANOVETTER geprägten Begriffspaar der „weak ties“ bzw. „strong ties“702 und die damit einhergehende Theorie der Stärke schwacher Beziehungen, auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird. 4.4.2.4 Theorie der Stärke schwacher Beziehungen In einer der ersten Studien zu sozialen Netzwerken untersuchte GRANOVETTER die Art von Kontakten, über die Techniker und Manager von Stellenausschreibungen erfuhren. Dabei stieß er auf die so genannte Stärke schwacher Beziehungen (strenght of weak ties): Die relevanten Informationen über offene Stellen erhielten die Personen seltener von engen Freunden als vielmehr von flüchtigen Bekannten. Des Weiteren führten Informationen, die über „weak ties“ gewonnen wurden, häufiger zu gut bezahlten Jobs. Die grundsätzliche Annahme, dass je mehr Kontakte eine Person hat, über desto mehr Zugänge zu sozialen Ressourcen würde sie verfügen, wurde auf der Basis dieser Erkenntnisse spezifiziert703: Bei der Suche nach neuen Informationen schienen „weak ties“ wesentlich hilfrei701 702 703
Siehe die Ausführungen im einleitenden Kapitel, Abschnitt 1.1 dieser Arbeit. Vgl. Granovetter (1977). Vgl. Nohria (1992), 6.
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cher zu sein als „strong ties“. Diese Resultate führten zur Theorie der Stärke schwacher Beziehungen.704 Diese Theorie kann von der individuellen Ebene auf die organisationale Ebene übertragen werden: „[T]he analysis of processes in interpersonal networks provides the most fruitful micro-macro bridge.“705 Zur Unterscheidung von starken und schwachen sozialen Beziehungen/Bindungen nutzte GRANOVETTER eine Kombination aus vier Kriterien: (1) für die Beziehung verwendete Zeit, (2) den Grad der emotionalen Intensität bzw. die affektive Bedeutung der Beziehung, (3) die Intimität bzw. gegenseitige Vertrautheit sowie (4) die Reziprozität bzw. das Ausmaß wechselseitiger Dienste. Dies sind klar voneinander abgrenzbare Kriterien, die jedoch i.d.R. miteinander korrelieren. „Strong ties“ entstehen vor allem durch häufige, wiederholte emotional intensive Kommunikation. Diese bringt den Austausch von Vertraulichkeiten mit sich. Im Laufe der Zeit entwickelt sich zudem eine Reziprozität zwischen den Partnern. Starke Bindungen existieren beispielsweise zwischen Eheleuten, Kindern und Familie, engen Freunden oder auch Arbeitskollegen, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten und damit voneinander abhängig sind. Aufgrund der Intensität der Interaktion sind starke Bindungen durch Solidarität und Vertrauen gekennzeichnet: „Strong ties constitute a base of trust that can reduce resistance and provide comfort in the face of uncertainty.”706 Starke Bindungen sind die Grundlage für sozialen Einfluss. Eine Person kann jedoch nicht unendlich viele starke und intensive Bindungen zu anderen unterhalten, denn die Pflege solcher Kontakte verlangt Zeit und Aufmerksamkeit. Infolgedessen kommt es oftmals zu Treffen, bei denen gleichzeitig mehrere starke Bindungen „bedient“ werden, d.h. Freunde der Freunde lernen sich kennen. Dies führt dazu, dass vielfach eine Gruppe mit ohnehin schon vernetzten Akteuren entsteht, deren Mitglieder übereinstimmende Ansichten haben. Nach der Theorie der kognitiven Balance kann das zur sozialen Schließung der Gruppe, d.h. einer Abschottung gegenüber anderen, führen.707 „Weak ties“ hingegen resultieren aus weniger häufiger und weniger emotional intensiver Kommunikation in Beziehungen, die nicht zwingend einen Austausch von Vertraulichkeiten bzw. einer erwarteten Reziprozität bedürfen. Schwache Bindungen gibt es z.B. zwischen entfernten Verwandten, Arbeitskollegen, die nicht in die gleiche Arbeitsaufgabe involviert sind, sowie Bekannte „des täglichen Lebens“ (aus dem Sportverein, aus dem Umfeld der Kinder etc.). Schwache Bindungen sind weniger redundant. Sie ermöglichen i.d.R. Kontakte zu un704
705 706 707
Der Zusammenhang zwischen „tie strength“ und „Impact“ ist umgekehrt U-förmig: Keine Beziehung bzw. sehr schwache Beziehungen haben keine Konsequenzen, schwache Beziehungen führen zu maximalem Auswirkungen, bei starken Beziehungen verringern sich die Auswirkungen.Vgl. die Ausführungen bei Krackhardt (1992), S. 216. Granovetter (1977), S. 347. Vgl. zum Abschnitt sowie den nachfolgenden Ausführungen Granovetter (1977). Krackhardt (1992), S. 218 Vgl. Heider (1958); Newcomb (1961) z.n. Granovetter (1977), S. 349.
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terschiedlichen sozialen Kreisen und liefern daher im Vergleich zu starken Beziehungen mehr bzw. neue Informationen. Über schwache Bindungen können größere Distanzen in sozialen Netzwerken überbrückt werden, d.h. verschiedene Gruppen können über die Beziehung zweier Personen verbunden werden (so genannte „intergroup links“ bzw. „bridging ties“). Dadurch kann eine größere Anzahl von Personen erreicht werden. Demzufolge sind schwache Bindungen für alle Prozesse, die auf einen Transfer von Information und Wissen zwischen vielen Akteuren verschiedener Netzwerke basieren (wie z.B. Innovations-, Diffusions-, oder Gründungsprozesse), von wesentlicher Bedeutung. Um schwache Beziehungen zu pflegen bedarf es weniger Aufwand als bei starken Beziehungen. Zudem sind losere Verbindungen anpassungsfähiger, da sie weniger beschränkt durch ein gemeinsames organisationales System sind.708 Wodurch sind die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der hier betrachteten CoPs gekennzeichnet? Anhand der obigen Charakteristika sind die Bindungen zwischen den Mitgliedern einer Community als schwach (d.h. als „weak ties“) einzustufen. CoP-Mitglieder arbeiten nicht an einer gemeinsamen Aufgabe, sie sind nicht voneinander abhängig. Ihre Beziehungen sind lose und nur ein geringer Teil der Kollegen ist darüber direkt miteinander verbunden.709 Diese Ansicht wird nicht von allen Autoren geteilt (z.B. BOGENRIEDER, BROWN/DUGUID, TEIGLAND, WENGER), was i.d.R. mit einem anderen Begriffsverständnis von CoPs710 einhergeht.711 Studien zu sozialen Netzwerken zeigen, dass innerhalb eines Netzwerks ein „Portfolio an Beziehungen“ existiert, d.h. es gibt in Abhängigkeit vom Status und den Zielen der einzelnen Akteure unterschiedlich intensive Beziehungen.712 Es kann davon ausgegangen werden, dass es auch in CoPs unterschiedlich starke Beziehungen zwischen den Mitgliedern gibt. Die Bindungen zwischen aktiven Mitgliedern sind intensiver als die Bindungen zu weniger aktiven Mitgliedern an der Peripherie. In der Summe gibt es jedoch vorwiegend „weak ties“ in einer CoP. Darüber hinaus sind die Beziehungen zu den anderen CoP-Mitgliedern im Verhältnis zu Arbeitskollegen sekundäre Beziehungen. Schwache Beziehungen, wie sie zwischen der Mehrheit der CoP-Mitgliedern bestehen, spielen nach den Erkenntnissen von GRANOVETTER, die von anderen Wissenschaftlern in weiteren Untersuchungen im ökonomischen Kontext hinterfragt wurden713, eine bedeutende Rolle für den Wissenstransfer. 708 709 710
711
712
713
Vgl. Burt (1992); Deroïan (2002); Granovetter (1977), S. 350. Vgl. Wellman (2000), S. 135. Abgesehen davon ist die Grenze zwischen schwachen und starken Beziehungen nicht eindeutig definiert. Siehe dazu Krackhardt (1992), S. 216: „At what point is a tie to be considered weak?” Vgl. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 294; Brown/Duguid (2001), S. 205; Teigland (2003), S. 24f; Wenger (1998b), S. 287. Vgl. Davenport/Hall (2002), S. 201; Garton et al. (1999), S. 78ff; Pickering/King (1995), S. 482; Wellman/Gulia (1999), S. 181. Siehe dazu die detaillierte Diskussion der Erfolgsableitung in den nächsten Abschnitten.
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Theoretischer Bezugsrahmen
Implikationen für den Bezugsrahmen Die Beziehungen zu anderen Community-Mitgliedern, die als zumeist schwache Bindungen betrachtet werden, ermöglichen Zugang zu Informationen, die im Vergleich zu Informationen von direkten Arbeitskollegen weniger redundant und zahlreicher sind. Diese bringen einerseits den CoP-Mitgliedern individuellen Nutzen, andererseits beeinflussen sie durch die Anwendung des gewonnenen Wissens durch die CoP-Mitglieder in ihrer Primäraufgabe die organisationale Leistung eines Unternehmens. Weiterhin lässt sich aus der Theorie der Stärke schwacher Beziehungen folgern, dass durch die Beziehungen zwischen den CommunityMitgliedern die organisationale Wissensbasis verändert wird. Des Weiteren verändert sich die Netzwerkposition des Mitglieds bezogen auf die Primärorganisation. Damit bestätigen sich die vorab hergeleiteten Konstrukte. 4.4.2.5 Theorie der sozialen Identität CoPs sind „first and foremost a social mechanism“714. Vor diesem Hintergrund wird abschließend auf die Theorie der sozialen Identität eingegangen. Kernpunkt der Theorie ist die Frage nach jenem Vertrauen, das in einer Gruppe oder in einem sozialen Netzwerk vorhanden ist bzw. welches die Gruppenmitglieder ineinander setzen und welches sie gleichzeitig miteinander verbindet.715 Insbesondere in Organisationen, in denen die Mitglieder aufgrund der Größe und Komplexität der Organisation unregelmäßigen und oftmals nur virtuellen Kontakt haben, ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, Vertrauenserfahrungen durch wiederholtes Handeln zu erleben. Mechanismen, die in dyadischen Beziehungen als effektive Wege der Vertrauensentwicklung gelten, haben in einem größeren sozialen Umfeld nur geringen Einfluss.716 Offensichtlich existiert jedoch in einem solchen Umfeld eine Art Anfangsvertrauen, das auf sozialer Identifikation717 mit bestimmten Personen basiert. Die Grundlage für diese soziale Identität mit einer Bezugsgruppe bilden kognitive Prozesse der sozialen Kategorisierung. Diese führen dazu, dass andere Personen weniger auf der Basis von sichtbaren Merkmalen als aufgrund der Zugehörigkeit zu derselben Gruppe/Organisationseinheit als ähnlich eingestuft werden. Sie sehen die anderen Mitglieder in einem positiven Licht und erzeugen einander den Glauben an die gegenseitige Vertrauenswürdigkeit. Aus diesem Gruppendenken folgt, dass Individuen innerhalb der Gruppe als vertrauenswürdiger, ehrlicher etc. eingestuft werden als solche außerhalb der Gruppe. Die soziale Kategorisierung ermöglicht es einer Person nicht 714 715 716 717
Smith/McKeen (2003a), S. 392. Vgl. nachfolgend Kramer et al. (1996); McKnight et al. (1998); Van Vugt/Hart (2004). Siehe dazu auch die Ausführungen zu Vertrauen im Abschnitt 4.2.3.1. „Social identification ... is the perception of oneness with or belongingness to some human aggregate.“ (Ashford/Mael (1989), S. 21, H.i.O.).
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nur, ihre soziale Umwelt zu klassifizieren und zu ordnen, sondern auch die eigene Position innerhalb dieser Umwelt zu definieren.718 Die soziale Kategorisierung erhöht das Gleichheitsempfinden in der Gruppe von Individuen, die i.d.R. gemeinsame Werte und Ziele teilt. Es wird davon ausgegangen, dass sich in Dilemmasituationen ähnlich verhalten wird, d.h. es wird Reziprozität erwartet.719 Die organisationale Identifikation erfolgt auch durch das unbewusste Verständnis und die Akzeptanz bestimmter Normen, Regeln, Rechte und Pflichten. All diese Aspekte beeinflussen die Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern. Darüber hinaus hat die soziale Identität einer Gruppe, über die sich eine Person selbst definiert, Einfluss auf die personale Identität des Einzelnen.720 Die soziale Identität eines Organisationsmitglieds leitet sich dabei nicht nur von der Organisation als Ganzes ab, sondern ebenso von seiner Geschäftseinheit, seinem Team etc. Auch die Zughörigkeit zu einer bestimmten CoP beeinflusst die Identität des Einzelnen.721 Demnach hat eine einzelne Person multiple, kontextbezogene Identitäten.722 Wissensgemeinschaften sind per se durch eine gemeinsame Identität gekennzeichnet. Über diesen Aspekt werden CoPs vielfach definiert.723 Nach LAVE/WENGER bzw. WENGER ist die gemeinsame Identität eine Komponente der Theorie des sozialen Lernens.724 Das Gefühl der Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe (die sich von den anderen Gruppen unterscheidet) verbindet die Mitglieder. Der wechselseitige Austausch (z.B. durch Geschichtenerzählen) führt zu einem gemeinsamen Vokabular mit geteilten Artefakten, Symbolen etc. Gleichzeitig werden über die Narrationen die Kompetenzen der einzelnen Mitglieder sichtbar; ebenfalls eine Grundlage für die Entwicklung einer sozialen Identität.725 Im Ergebnis der Diskussion und Kooperation nähern sich die Kognitionsrahmen der Mitglieder an. Dies führt zu einem Prozess des „perspective making“, so BOLAND/TENKASI.726 Aus der dauerhaften Interaktion der Mitglieder in Verbindung mit der gemeinsamen Praxis (d.h. dem geteilten Verständnis der eigenen Tätigkeit) resultiert eine geteilte Wahrnehmung der Außenwelt.727 Diese geteilte Wahrnehmung der Umwelt bildet die gemeinsame Verständnis718 719 720 721 722 723
724
725 726
727
Vgl. Gebert (2004), S. 202; Kramer et al. (1996), S. 367; Turner (1987), S. 42ff. Vgl. Tajfel/Turner (1985), S. 7ff. Vgl. Gebert (2004), S. 196. Vgl. zu den vorangegangenen Ausführungen Ashford/Mael (1989), S. 20ff; Ellemers et al. (2004), S. 461ff. Vgl. Alvesson (2000), S. 1105. Vgl. z.B. Andriessen/Verburg (2004), S. 2; Enkel et al. (2002), S. 111; O'Donnell et al. (2003), S. 81; von Krogh/Wicki (2001), S. 269. Vgl. Lave/Wenger (1991), S. 52ff; Wenger (1998b), S. 4 sowie 143ff. Siehe dazu auch Handley et al. (2006), S. 644: „Learning is not simply about developing one’s knowledge and practice, it also involves a process of understanding who we are and in which communities of practice we belong and are accepted.” Vgl. z.B. Orr (1990a), S. 187; Wiesenfeld et al. (1999), S. 779. Dies wird ergänzt durch „perspective taking“, d.h. Kommunikation, die die Fähigkeit fördert, das Wissen anderer Gemeinschaften zu berücksichtigen. Vgl. Boland Jr./Tenkasi (1995), S. 351. Vgl. Wenger (1998b), S. 45ff.
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grundlage und gleichzeitig die Basis für die Entwicklung einer kollektiven Identität.728 Darüber hinaus kann bereits die Mitgliedschaft des anderen in der CoP ein „Beweis“ für dessen Vertrauenswürdigkeit darstellen. Die kollektive CoP-Identität wirkt auch auf die einzelnen Mitglieder zurück. Sie prägt deren kognitive Strukturen bzw. Interpretationsmuster, die impliziten Annahmen sowie die persönliche Identität des Einzelnen.729 WENGER beschreibt die Bedeutung der sozialen Identität von CoPs zusammenfassend: „It is with this group that you learn the intricacies of your job, explore the meaning of your work, construct an image of your company, and develop a sense of yourself as a worker. […] Identity is important because in a sea of information, it helps us sort out what we pay attention to, what we participate in, and what we stay away from. Having a sense of identity is a crucial aspect of learning in organizations.”730
In CoPs bildet die gemeinsame Identität die Grundlage für die sozialen Beziehungen sowie die vertrauensvolle Interaktion und Kollaboration der Mitglieder. Sie schafft einen quasi wettbewerbsfreien Raum.731 Dies wird auch dadurch ermöglicht, dass die verschiedenen Mitglieder i.d.R. nicht an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten. Nach VON KROGH geht mit der sozialen Identität des Weiteren ein Gefühl des „care“ (d.h. des sich um jemanden sorgen) einher. Die Beziehung der Mitglieder ist gekennzeichnet durch gegenseitige Hilfsbereitschaft, Vertrauen und Einfühlungsvermögen, Nachsicht und Mut. Dies führt beispielsweise dazu, dass Mitglieder ohne Zögern Fragen stellen, Fehler eingestehen können etc. Ein solches Klima ist von wesentlicher Bedeutung für die Generierung und den Austausch von Wissen.732 Auch DYER/NOBEOKA bestätigen diese Tatsache: „… knowledge is most effectively generated, combined, and transferred by individuals who ‘identify’ with a larger collective.”733 Implikationen für den Bezugsrahmen Auf der Grundlage der oben geführten Diskussion lässt sich schlussfolgern, dass durch die Existenz einer sozialen Identität innerhalb der CoP (einhergehend mit gemeinsamen Normen, Werten, Routinen etc.) das einzelne Individuum und die Interaktion zwischen den Mitgliedern beeinflusst werden. Die Konstrukte individueller Nutzen sowie organisationale Wissensbasis erfassen die damit einhergehenden Auswirkungen. Weiterhin ist eine wesentliche Konsequenz, dass grundsätzlich das Potential zur Zusammenarbeit zwischen den Organisationsmitgliedern verändert wird. Das Konstrukt Kooperationspotential wird somit ebenfalls bestätigt.
728
729 730 731 732 733
Aus dieser Argumentation wird deutlich, dass die Einführung bzw. das Management von CoPs nur begrenzt möglich ist. Soziale Identität lässt sich kultivieren jedoch sehr schwer kreieren. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 47; Wenger (1998b), S. 145ff. Wenger (1998a), S. 1 sowie S. 4. Vgl. Henschel (2001), S. 61. Vgl. von Krogh (1998), S. 136ff; Zárraga/Bonache (2005), S. 674. Dyer/Nobeoka (2000), S. 352.
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4.4.2.6 Zusammenfassende Darstellung Ein Ziel dieser Arbeit ist es, die Erfolgswirkung von CoPs konzeptionell bzw. theoriebasiert abzuleiten. Dafür werden verschiedene Konzepte und Theorien herangezogen: das Konzept des zweistufigen Kommunikationsprozesses, verschiedene Lerntheorien, die Theorie des sozialen Kapitals, die Theorie der Stärke schwacher Beziehungen sowie die Theorie der sozialen Identität. Auf der Grundlage des Konzeptes des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses lassen sich zwei grundsätzliche Ebenen herleiten, auf der eine Ergebnis- bzw. Erfolgsbetrachtung sinnvoll scheint: die individuelle Ebene des Community-Mitglieds sowie die organisationale Ebene. Im Verlauf der Diskussion der Theorien können fünf Ergebnis-Konstrukte begründet abgeleitet werden: zwei die individuelle Ebene betreffend – individueller Nutzen und Netzwerkposition – sowie drei die organisationale Ebene betreffend – organisationale Wissensbasis, organisationale Leistung und Kooperationspotential. Die diskutierten Erfolgsdimensionen auf der Ebene der Organisation bestätigen sich auch in einer Aussage von SCHOEN: Die Ergebnisse der Interaktion in CoPs „[...] wirken entweder indirekt durch die Vergrößerung der organisationalen Wissensbasis, durch Verbesserung von Rahmenbedingungen oder direkt durch sofortige Verwendung der Outputs im Geschäftsprozess (z.B. Produktentwicklungsprozess).“734
Die Verbesserung von organisationalen Rahmenbedingungen wird in der vorliegenden Untersuchung anhand des Konstruktes Kooperationspotential betrachtet, welches als ein spezifischer Teilaspekt der Rahmenbedingungen verstanden werden kann. Die Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse des Unternehmens werden durch das Konstrukt organisationale Leistung berücksichtigt. Da es ein erklärtes Ziel der Arbeit ist, Einzelaussagen über die Erfolgswirkung von CoPs zu treffen, werden die zwei bzw. drei Faktoren nicht zu einem Konstrukt zweiter Ordnung zusammengefasst, sondern als einzelne Konstrukte in den Bezugsrahmen aufgenommen. Tab. 4-1 fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Analyse zusammen.
734
Vgl. Schoen (2001), S. 106.
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Ebene/Konstrukt
Stützende Theorie(n)
Individuelle Ebene Organisationale Ebene
Konzept des zweistufigen Kommunikationsprozesses
Individuelle Ebene Individueller Nutzen
Netzwerkposition
Konzept des zweistufigen Kommunikationsprozesses Lerntheorien Theorie des sozialen Kapitals Theorie der Stärke schwacher Beziehungen Theorie der sozialen Identität Konzept des zweistufigen Kommunikationsprozesses Theorie des sozialen Kapitals Theorie der Stärke schwacher Beziehungen
Organisationale Ebene Organisationale Wissensbasis
Organisationale Leistung
Kooperationspotential
Lerntheorien Theorie des sozialen Kapitals Theorie der Stärke schwacher Beziehungen Theorie der sozialen Identität Lerntheorien Theorie des sozialen Kapitals Theorie der Stärke schwacher Beziehungen Theorie des sozialen Kapitals Theorie der sozialen Identität
Tab. 4-1 Theoriebasierte Ableitung der Ergebnis-Konstrukte
Auf der Basis dieser Konzepte sowie verschiedener empirischer Befunde der CoP-Forschung und anderer Forschungsbereiche werden im nachfolgenden Abschnitt die fünf ErgebnisKonstrukte im Detail diskutiert und entsprechend konzeptualisiert. Darüber hinaus werden ihre Wirkungszusammenhänge bzw. der Einfluss der Community-Interaktionsqualität auf diese Ergebnisse hergeleitet. 4.4.3
Konzeptualisierung und Wirkungszusammenhänge der Ergebnisdimensionen
4.4.3.1 Individuelle Ebene Grundlegende Annahme für die Betrachtung der Erfolgswirkung von CoPs auf der Ebene des Individuums ist die Tatsache, dass jedes Community-Mitglied zugleich auch Mitglied der formalen Organisation ist. Damit geht einher, dass die Erfüllung der Primäraufgabe das ist, woran die Mitglieder gemessen bzw. bewertet werden. Folglich werden bei der Analyse des Nutzens einer CoP-Mitgliedschaft die Auswirkungen für den Einzelnen bezüglich seiner Primäraufgabe bzw. -organisation untersucht. Wie zunächst auf der Grundlage des Modells des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses im CoP-Kontext hergeleitet und anhand der weiteren aufgeführten Konzepte gestützt, werden auf der individuellen Ebene zwei Erfolgsdimensionen unterschieden: (a) der individuelle Nutzen für jedes Community-Mitglied sowie (b) die individuelle Netzwerkposition des einzelnen Mitglieds bezogen auf die Primärorganisation.
Theoretischer Bezugsrahmen
139
Nachfolgend werden die Inhalte der beiden Konstrukte spezifiziert. In der CoP-Literatur wird die Frage nach den Ergebnissen einer Community-Mitgliedschaft unterschiedlich diskutiert. Einigkeit besteht bezüglich der Tatsache, dass die Interaktion in einer CoP zu entsprechenden Vorteilen für die Mitglieder führt. Im Detail werden jedoch verschiedene Aspekte betrachtet: von sehr allgemeinen Auswirkungen (beispielsweise dass die CoP individuelle Lernprozesse fördert, so HENSCHEL) bis hin zu sehr spezifischen Auswirkungen (z.B. betonen BREU/HEMINGWAY die freie Meinungsäußerung oder MILLEN et al. ein erhöhtes Selbstvertrauen der Mitglieder).735 Aufgrund des diskutierten Standes der CoP-Forschung basieren dabei nur wenige der Erkenntnisse auf quantitativen Untersuchungen. Vielfach wurde die Wirkung nur konzeptionell bzw. auf der Basis von Einzelbefunden postuliert. Ein Ziel dieser Arbeit besteht in einer fundierten Herleitung der Ergebnisse von CoPs. Aus diesem Grund finden verschiedene theoretische Konzepte736 sowie empirische Befunde bei der Herleitung der Dimensionen der Konstrukte Berücksichtigung. Zunächst werden jeweils die theoretischen Konzepte sowie die CoP-Literatur herangezogen. Im Anschluss werden (soweit vorhanden) quantitative Ergebnisse anderer Forschungsbereiche genutzt, um die hergeleiteten Dimensionen der Konstrukte zu bestätigen. Im dritten Abschnitt wird der Zusammenhang zwischen ihnen bzw. der Community-Interaktionsqualität und den Konstrukten aufgezeigt. 4.4.3.1.1 Individueller Nutzen Das Konstrukt individueller Nutzen erfasst den Nutzen, den jedes Community-Mitglied aus der Teilnahme an der CoP zieht. Hier sei darauf hingewiesen, dass die Einschätzung des wahrgenommenen Nutzens durch die Mitglieder aufgrund differierender persönlicher Ziele und Motive durchaus variieren kann.737 Konzeptionelle und empirische Befunde der CoP-Literatur CoPs sind vor allem Orte des Wissensaustausches und damit des Lernens, d.h. des Kompetenzausbau und -aufbaus. Ausgehend von der sozialen Theorie des Lernens lässt sich feststellen, dass individuelle Lernprozesse insbesondere dann stattfinden bzw. erfolgreich sind, wenn sie im sozialen Kontext stattfinden. Lernen ist demnach unabdingbar mit der Partizipation in der Praxis verbunden. In CoPs finden die individuellen Lernzyklen jedes Einzelnen im Rahmen der täglichen Arbeit statt. Die wechselseitige Interaktion ermöglicht Lernen im gemeinsamen sozialen Kontext. Neue Mitglieder erhalten durch die Interaktion mit den anderen CoPMitgliedern Einblicke in die reale Praxis. Dadurch lernen sie keine abstrakten Inhalte sondern durch die aktive Teilnahme an der Praxis bzw. während sie anstehende Probleme lösen. Auch erfahrene Mitglieder können von den Erfahrungen und Ansichten der Neulinge bzw. der ande735 736
737
Vgl. Breu/Hemingway (2002), S. 150f; Henschel (2001), S. 276; Millen et al. (2002), S. 71. Für die Grundlagen, Inhalte bzw. Vertreter der zur Erfolgsableitung genutzten Theorien siehe die Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt 4.4.2. Vgl. Ellis et al. (2004), S. 160.
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ren erfahrenen Mitglieder etwas lernen. Ihr vorhandenes Wissen wird evaluiert, strukturiert, durch neues Wissen bzw. einen neuen Kontext erweitert und modifiziert. Anfragen von anderen Mitgliedern können eigene Wissenslücken, d.h. fehlende Kenntnisse in bestimmten Gebieten, offenbaren und dadurch Lernprozesse anregen. Die wechselseitige Interaktion zwischen den Mitgliedern kann so aus einem Wissenslieferanten einen Wissensnachfrager machen und vice versa.738 Die eigenen mentalen Modelle bilden zunächst den Rahmen für die individuellen Lernprozesse des Einzelnen. Jedoch beeinflussen auch die verschiedenen Tätigkeiten sowie die unterschiedlichen Perspektiven, Normen und Werte der anderen Mitglieder diese individuellen Lernprozesse. Sozialisierungsprozesse innerhalb der CoP führen dazu, dass der individuelle Kognitionsrahmen des Einzelnen erweitert bzw. verändert wird. Die veränderte Wissensbasis des Einzelnen beeinflusst zukünftige Lernprozesse.739 Darüber hinaus folgt aus der Theorie der sozialen Identität, dass Mitglieder einer CoP gemeinsame kognitive Strukturen und Interpretationsrahmen entwickeln. Diese beeinflussen ihrerseits die impliziten Annahmen und die Identität des Einzelnen und können dadurch individuelle Lernprozesse auslösen bzw. verändern. Im Zuge derer können Community-Mitglieder bestehende Kenntnisse, Fähigkeiten bzw. Kompetenzen erweitern sowie neue aufbauen.740 Ein CoP-Mitglied, welches an der Fallstudie von STORCK/HILL teilnahm, fasste diesen Aspekt nach einem Community-Treffen sehr anschaulich zusammen: „I am pleasantly shocked at the amount of information I obtained and how much I learned, even though not all of it is immediately applicable to my current job.”741
Die Mitgliedschaft in einer CoP ermöglicht es dem Einzelnen, Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern aufzubauen und zu erweitern.742 Nach der Theorie des sozialen Kapitals fördert dieses persönliche Netzwerk743 u.a. den Zugang zu Informationsquellen und Wissensträgern.744 BRASS et al. bemerken: „Network ties transmit information and are thought to be especially influential information conduits because they provide salient and trusted information that is likely to affect behavior.“745
738 739 740
741 742 743
744 745
Vgl. zum Absatz z.B. Lave/Wenger (1991), S. 49f. Siehe die Ausführungen im Abschnitt 4.4.2.2. Vgl. z.B. Allen et al. (2005), S. 266f; Lesser/Prusak (1999), S. 5; Ruuska (2005), S. 140; Storck/Hill (2000), S. 70ff; Wenger/Snyder (2000b), S. 141. Storck/Hill (2000), S. 71. Vgl. Allen et al. (2005), S. 266f; Ruuska (2005), S. 140; Schoen (2001), S. 110. In diesem Zusammenhang sei auch auf folgende Sprichwörter bzw. Weisheiten hingewiesen, die die Bedeutung von sozialem Kapital veranschaulichen: „[...] success is determined less by what you know than by whom you know“ (Burt (1992), S. 10) sowie „Beziehungen schaden dem, der keine hat.“ Vgl. z.B. Adler/Kwon (2002), S. 29f; Tsai/Ghoshal (1998), S. 465ff. Brass et al. (2004), S. 805.
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Zwischen der Mehrheit der Community-Mitglieder bestehen entsprechend der von GRANOVETTER genutzten Kriterien schwache Beziehungen.746 Vor dem Hintergrund der Theorie der Stärke schwacher Beziehungen gilt: Diese schwachen Beziehungen liefern im Vergleich zu starken Beziehungen, wie sie zum Beispiel mit direkten Arbeitskollegen unterhalten werden, mehr nicht-redundante und neue Informationen. Schwache Beziehungen sind eher für den Transfer von vorwiegend explizitem Wissen geeignet, wohingegen starke Beziehungen vor allem den Austausch von impliziten Wissensanteilen fördern.747 Im Kontext von CoPs wird im weiteren Verlauf der Arbeit davon ausgegangen, dass sowohl implizite als auch explizite Wissensteile im Rahmen der Interaktion der Community-Mitglieder übertragen werden. Zu dieser Annahme berechtigen verschiedene Tatsachen: Der Transfer von expliziten und impliziten Wissensanteilen erfordert unterschiedliche Interaktionswege.748 In der CoP stehen den Mitgliedern dafür verschiedene Funktionalitäten zur Verfügung. Die Mehrheit der Beziehungen zwischen den Mitgliedern ist im Verhältnis zu den Beziehungen zu anderen Arbeitskollegen als schwach einzustufen. Aufgrund der in einer CoP herrschenden sozialen Identität und damit einhergehenden kollektiven Normen und Werte, der gemeinsamen Sprache etc. sind gleichzeitig (vor allem bei bilateralem Austausch) auch enge Beziehungen zwischen einzelnen Mitgliedern möglich.749 Individuelle Lernprozesse bzw. in deren Ergebnis gewonnenes Wissen sowie das in den Beziehungen zu anderen Community-Mitgliedern enthaltene soziale Kapital ermöglichen dem Einzelnen eine Leistungssteigerung. Er kann seine primäre Arbeitsleistung verbessern.750 Überdies stimulieren die aus der CoP-Mitgliedschaft resultierenden Wissensquellen nicht nur individuelle Lernprozesse sondern erleichtern vor allem auch die tägliche Arbeit des Einzelnen. Ansprechpartner werden schneller ausfindig gemacht, Informationen sind zugänglicher, Feedback von anderen verringert Fehler oder beschleunigt die Problemlösung.751 O’DONNELL et al. fassen die Arbeitserleichterung zusammen: „Unlike teams, CoPs are typically driven by the value that they provide to individual members. Members share information and insights and discover ideas – this saves them time, money, energy and effort.”752
746 747
748 749 750
751 752
Vgl. Granovetter (1977). Vgl. dazu z.B. die Diskussion bei Dyer/Nobeoka (2000), S. 363f; Hansen (1999), S. 100ff; Reagens/McEvily (2003), S. 241ff. Vgl. z.B. von Krogh et al. (2000); Nonaka/Takeuchi (1995). Vgl. auch Dyer/Nobeoka (2000), S. 363. Vgl. z.B. Fontaine/Millen (2004), S. 6; Saint-Onge/Wallace (2003), S. 50; Teigland/Wasko (2003), S. 275; von Wartburg et al. (2004), S. 12. Vgl. u.a. Millen et al. (2002), S. 71; Orr (1990b); Ruuska (2005), S. 140. O'Donnell et al. (2003), S. 61.
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Nach BURT sind mit dem Informationsgewinn, den das Netzwerk ermöglicht, drei verschiedene Nutzenaspekte „access, timing, and referrals“753 verbunden. Zugang und der zeitliche Aspekt wurden bereits angesprochen. Der Aspekt Empfehlungen/Referenzen bedeutet: Über das CoP-Netzwerk sowie andere Mitglieder, die Informationen in ihre Primärgruppen weitergeben, können sich Informationen über die Aktivitäten eines Mitglieds verbreiten.754 Das Engagement in einer CoP demonstriert nach außen den Willen zum Lernen und zum Wissensaustausch. Dies wird in vielen Organisationen von Vorgesetzten, aber auch Kollegen positiv wahrgenommen. Dieser Umstand, der mit der Community-Mitgliedschaft einhergehende Kompetenzgewinn sowie eine entsprechende Verbesserung der primären Arbeitsleistung können die Leistungsbewertung und damit die Berufsentwicklungschancen, d.h. die Leistungsentwicklung des Mitglieds positiv beeinflussen.755 Die soziale Identität der CoP-Mitglieder mit entsprechenden kollektiven Normen, Werten etc. kann nicht nur individuelle Lernprozesse beeinflussen. Sie kann gleichzeitig auch die Basis für ein Gefühl der Heimat, der Geborgenheit sein.756 Die stattfindende Übermittlung persönlicher Nachrichten kann „[...] die aufgrund der ständig zunehmenden Mechanisierung und Spezialisierung des industriellen Fertigungsprozesses verloren gegangene Motivierung durch die Arbeitsaufgabe selbst“757
teilweise ersetzen. Auch KATZ/KAHN stellen fest: “Communication among peers […] also furnishes emotional and social support to the individual”.758 Das gemeinsame Interesse, die gemeinsame Arbeitspraxis und das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft beeinflussen i.d.R. die Einstellung des Einzelnen zur Arbeit positiv.759 Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass auch die vorab diskutierten Nutzeneffekte, welche von den Community-Mitgliedern wahrgenommen werden, positiv auf die Arbeitseinstellung des Einzelnen wirken.760 Anhand dieser Argumentation werden fünf unterschiedliche Dimensionen des individuellen Nutzens unterschieden: Kompetenzaufbau und -ausbau, Leistungssteigerung, Arbeitserleichterung, Leistungsentwicklung sowie Arbeitseinstellung. In Tab. 4-2 sind diese fünf grundsätzlichen Erfolgswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene sowie die Autoren, die diese nennen und/oder diskutieren, aufgeführt. Soweit sie inhaltlich den gleichen Aspekt betrafen, wurden unterschiedlich benannte Erfolgsdimensionen zusammengefasst. 753
Burt (1992), S. 13. Vgl. Burt (1992), S. 14. 755 Vgl. z.B. Büchel/Raub (2002), S. 588; Schoen (2001), S. 112; Snyder (1996), S. 206. 756 Vgl. Breu/Hemingway (2002), S. 151; Reinmann-Rothmeier (2000), S. 5f; Wenger (1998a), S. 4. 757 Coenenberg (1966), S. 139. 758 Katz/Kahn (1978) S. 445. 759 Vgl. dazu auch die auf Motivationstheorien basierende Diskussion bei Katz/Kahn (1978), S. 36ff. 760 Vgl. Schoen (2001), S. 112. 754
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Erfolgswirkung Kompetenzaufbau und -ausbau: Individuelles Lernen, Kompetenzen und Fähigkeiten
Leistungssteigerung: Arbeitsleistung, Problemlösung, Kreativität, Zeitersparnis, Lernkurveneffekte
Arbeitserleichterung: Zugang zu Wissensquellen, Erfahrungen, Informationen, Einflussmöglichkeiten Leistungsentwicklung: Individuelle, berufliche Entwicklung
Autoren ANDRIESSEN/VERBURG (2004)**; ALLEN et al. (2005)*; FONTAINE/MILLEN (2004)*; FRANZ et al. (2002)*; GHERARDI et al. (1998)*; HENSCHEL (2001)*; MILLEN et al (2002)*; ORR (1990)*; RUUSKA (2005)**; SAINT-ONGE/WALLACE (2003)*; SCHOEN (2001); STORCK/HILL (2000)*; WENGER (1998b)*; WENGER/SNYDER (2000); VON WARTBURG et al. (2004)** ALLEN et al. (2005)*; ANDRIESSEN/VERBURG (2004)**; DELOITTE (2001); FRANZ et al. (2002)*; FONTAINE/MILLEN (2004)*; FROST/SCHOEN (2004)*; MCDERMOTT (2002); ORR (1990)*; RUUSKA (2005)**; SAINT-ONGE/WALLACE (2003)*; SCHOEN (2001); TEIGLAND/WASKO (2003)**; WENGER (1998b)*; VON WARTBURG et al. (2004)** ALLEN et al. (2005)*; FROST/SCHOEN (2004)*; MILLEN et al (2002)*; ORR (1990)*; RUUSKA (2005)**; SAINT-ONGE/WALLACE (2003)*; SCHOEN (2001); WENGER (1998b)* BÜCHEL/RAUB (2002)*; MILLEN et al (2002)*; RUUSKA (2005)**; SAINT-ONGE/WALLACE (2003)*; SCHOEN (2001); SNYDER (1996)*; STORCK/HILL (2000)*
Arbeitseinstellung: Arbeitseinstellung, Arbeitszufriedenheit, Motivation, Identät, Vertrauen, Bindung an das Unternehmen
BREU/HEMINGWAY (2002)*; BÜCHEL/RAUB (2002)*; ENKEL et al. (2002); FONTAINE/MILLEN (2004)*; FRANZ et al. (2002)*; MCDERMOTT (2002); MILLEN et al (2002)*; ORR (1990)*; SCHOEN (2001); WENGER (1998b)* * qualitativer Befund; ** quantitativer Befund Tab. 4-2: Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene – Individueller Nutzen
Wie ersichtlich ist, basieren nur wenige der diskutierten Ergebnisse von CoPs auf quantitativen Untersuchungen. Nachfolgend werden daher empirische Befunde anderer Forschungsbereiche genutzt, um die hergeleiteten Dimensionen der Konstrukte zu bestätigen. Empirische Befunde anderer Forschungsbereiche Die Bedeutung von sozialen Beziehungen sowie die darin verankerten tatsächlichen und potentiellen Beziehungsressourcen belegen verschiedene empirische Untersuchungen sozialer Netzwerke.761 Diese Studien762 zum inter- bzw. intraorganisationalen Wissenstransfer in Netzwerken können gleichermaßen für die Erfolgsableitung herangezogen werden, da „[...] es
761 762
Siehe Borgatti/Foster (2003) für einen Überblick zu Netzwerkstudien der letzten 25 Jahre. Bei der Interpretation der verschiedenen Ergebnisse darf nicht übersehen werden, dass Netzwerke Teile eines größeren Kontexts sind. Das bedeutet beispielsweise, dass die individuelle Arbeitszufriedenheit durch die interpersonalen Beziehungen mit den Mitgliedern der organisationalen Einheit, durch die Position dieser Einheit in der Gesamtorganisation oder durch die Position der Organisation in der spezifischen Branche beeinflusst sein kann. Vgl. Brass et al. (2004), S. 808.
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keine klare Abgrenzung zwischen intra und inter geben kann; vielmehr werden die Grenzen zwischen den organisationalen Barrieren immer verschwommener.“763 Während GRANOVETTER und andere Autoren die Stärke schwacher Beziehungen hervorheben und empirisch belegen können764, betonen verschiedene Untersuchungen die Bedeutung von starken Beziehungen, die zwischen den Netzwerkpartnern Vertrauen und damit den Wissensaustausch und Lernprozesse fördern.765 BECKMAN/ HAUNSCHILD kommen bei ihrer Untersuchung eines Firmennetzwerkes zu der Erkenntnis, dass diese Art von Beziehungen jedoch gleichzeitig die Gefahr der Homogenität, d.h. geringe Diversität bezüglich der Erfahrungen und Hintergründe der Akteure, birgt.766 CoPs mit ihren aus verschiedenen Bereichen, Abteilungen, Teams stammenden Mitgliedern sowie mit ihrer natürlichen Fluktuation sind durch eine entsprechende Diversität gekennzeichnet. Diese ist eine gute Grundlage für den Kompetenzaufbau und -ausbau, denn wie festgestellt wurde: „Network diversity provides the possibility for learning.“767 Die Andersartigkeit darf jedoch nicht zu groß sein, denn dies kann zu gegenseitigem Unverständnis sowie einhergehenden Zweifeln und Misstrauen führen.768 In CoPs verbindet die Mitglieder das gemeinsame Interesse an einem Thema und i.d.R. fachliche Grundlagen, d.h. die kognitive Distanz wird nicht zu groß sein. Über schwache Bindungen können größere Distanzen in sozialen Netzwerken überbrückt werden, d.h. über die Beziehung zweier Personen können zwei unterschiedliche Gruppen verbunden werden. Die Bedeutung dieser Tatsache belegen die Untersuchungen von BURT769: Die Stärke von Netzwerken ergibt sich für eine Person weniger aus der Intensität der Beziehungen zu anderen als vor allem aus deren Position als Brücke zwischen verschiedenen Gruppen mit struktureller Autonomie, d.h. als Überbrücker „struktureller Löcher“770. Diese Brückenverbindungen zwischen den Gruppen basieren allerdings, wie der Wissenschaftler herausfand, oft auf schwachen Beziehungen zwischen zwei Personen. Aus der Position des Maklers oder Brokers zwischen den verschiedenen, in sich aber eng verbundenen Gruppen (d.h. im Schnittpunkt sozialer Kreise) kann eine Person verschiedene Vorteile ziehen. Diese ergeben sich zum einen aus einer strategisch guten Position für den Informationsprozess, d.h. Zugang zu relevanten Informationen und Wissen verschiedener Gruppen. Zum anderen lassen 763
764 765 766 767 768 769 770
Böhm (2000), S. 38. Siehe dazu auch BRASS et al.: „Network research embraces a distinctive perspective that focuses on relations among actors, whether they are individuals, work units, or organizations.“ Brass et al. (2004), S. 795. Des Weiteren betrachten beispielsweise HEDLUND, GUPTA/GOVINDARAJAN multinationale Unternehmen als interorganisationales Netzwerk von spezialisierten Einheiten. Vgl. Hedlund (1994); Gupta/Govindarajan (1991) bzw. Gupta/Govindarajan (2000). Vgl. Granovetter (1977); Levin/Cross (2004). Vgl. z.B. Beckman/Haunschild (2002); Krackhardt (1992). Vgl. Beckman/Haunschild (2002), S. 119. Beckman/Haunschild (2002), S. 120. Vgl. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 291; Henschel (2001), S. 147; van Baalen et al. (2005), S. 303. Vgl. dazu Burt (1992); Burt (2004). „Structural holes are entrepreneurial opportunities for information access, timing, referrals, and control.“ (Burt (1992), S. 2).
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sich über strukturelle Löcher unternehmerische Handlungsmöglichkeiten erschließen, welche sich aus der Position des „lachenden Dritten” ergeben. Dies kann beispielsweise die Karrierechancen und damit die Berufs- und Leistungsentwicklung einer Person positiv beeinflussen.771 Diese Erkenntnisse sind auch im CoP-Kontext von Bedeutung: Die Mitglieder einer CoP kommen i.d.R. aus unterschiedlichen formalen Gruppen, d.h. über ihre Interaktion in der CoP sind diese verschiedenen Gruppen miteinander verbunden; die Mitglieder „[...] broker information flows between various non-related, or weakly related entities“772. Durch den Kontakt mit den verschiedenen Gruppen bekommen sie Einblicke in alternative Problemstellungen und -lösungen sowie andere kognitive Strukturen und mentale Modelle. Dies kann individuelle Lernprozesse anstoßen und die Kreativität des Einzelnen fördern.773 Damit eine Person relevante Informationen aus seinem Netzwerk gewinnen kann, sollte sie über eine große Anzahl nicht-redundanter Kontakte verfügen: In einem dichten Netzwerk mit starken Beziehungen weiß jeder alles. Demnach bietet ein spärliches Netzwerk einen größeren Informationsgewinn für die Person.774 Auch wenn die CoP-Mitgliedschaft Kontakte zu sehr vielen verschiedenen Organisationsmitgliedern ermöglicht, so kann eine CoP dennoch als eher spärliches Netzwerk betrachtet werden. Die Mitglieder gehören zumeist unterschiedlichen formalen Gruppen an, deren Gruppenmitglieder i.d.R. nichts mit der CoP zu tun haben. Demzufolge gibt es wenige redundante Beziehungen. Die Mitgliedschaft in einem Netzwerk beeinflusst nicht nur den Zugang zu Informationen. Verschiedene Studien befassen sich mit der Bedeutung der Netzwerkposition bzw. der Vernetzung mit anderen Personen (dies entspricht der strukturellen Dimension von sozialem Kapital) und untersuchen die Auswirkungen auf Lernfähigkeit, Arbeitsleistung, Kreativität, Einflussnahme und Arbeitszufriedenheit einer Person. Die Position innerhalb eines Netzwerkes beeinflusst die Fähigkeit einer Person, aufgenommenes Wissen zu absorbieren, d.h. die Absorptionskapazität. REAGENS/MCEVILY können in ihrer Untersuchung zeigen, dass große und damit i.d.R. heterogene Netzwerke die Perspektiven von Individuen erweitern. Dies kann dazu führen, dass sie komplexe Ideen auf unterschiedliche Kontexte übertragen und anwenden können.775 Das gleiche Argument gilt für die 771
Vgl. Burt (1992), S. 2ff. Siehe auch Janicik/Larrick (2005), S. 349. Die Autoren untersuchen in Experimenten die Auswirkungen von fehlenden Verbindungen in Netzwerken auf Lernprozesse. 772 Ardichvili et al. (2003), S. 75 773 Vgl. dazu ausführlich Burt (2003), S. 388ff. 774 Vgl. Burt (1992), S. 16f. Ein dünnes bzw. spärliches Netzwerk, beispielsweise aus vier Kontakten bestehend, die sich untereinander nicht kennen, bietet einer Person vier nicht-redundante Kontakte. Keiner der Kontakte führt die Person zu jemandem, zu dem ihn ein anderer Kontakt führen könnte. Ein dichtes Netzwerk hingegen, bei dem die vier Kontakte sich untereinander kennen, beinhaltet nur einen nicht-redundanten Kontakt; jeder Kontakt kann die Person mit jemanden in Verbindung bringen, die diese auch über den anderen Kontakt erreicht hätte. 775 Vgl. Reagens/McEvily (2003), S. 243f.
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Aneignung und Absorption von relevantem Wissen. Bei neuen Herausforderungen, Projekten etc. kann eine Person über ihr Netzwerk entsprechende Personen kontaktieren und von deren Erfahrungen profitieren.776 Insbesondere bei sich verändernden formalen Strukturen und damit einhergehendem Wechsel von Kollegen, Ansprechpartnern etc. kann das Netz der CoPMitglieder als „feste Größe“ angesehen werden. Innerhalb der CoP kennen sich die Mitglieder und wissen, wer über welches Wissen, welche Projekterfahrung verfügt und mit welchen Kunden zusammengearbeitet hat etc. Sie sind in der Lage, Kontakte zu Personen aufzunehmen, die über die anderen Bescheid wissen oder weiterhelfen können, Ansprechpartner zu vermitteln etc. Neuen Mitgliedern ermöglichen es die verschiedenen Funktionalitäten einer CoP (wie z.B. die gelben Seiten oder das Diskussionsforum), Ansprechpartner ausfindig zu machen bzw. andere Mitglieder anzusprechen. Personen, die eine zentrale Position in einem Netzwerk haben, sind aufgrund der aus dem Netzwerk resultierenden Vorteile in der Lage, ihre Arbeitsleistung zu steigern. Diese Annahme wird in verschiedenen Untersuchungen bestätigt.777 Beispielsweise finden ROBERTS/O‘REILLY bei ihrer Untersuchung, dass vernetzte Personen i.d.R. eine bessere Performance hatten als weniger vernetzte Personen.778 Nach den Ergebnissen von ALLEN/COHEN gibt es einen klaren positiven Zusammenhang zwischen der intraorganisationalen Kommunikation und der Arbeitsleistung von Ingenieuren bzw. Wissenschaftlern.779 BRASS et al. betonen dabei: „[...] relationships with others affect performance, especially if those relationships involve the ability to acquire necessary information and expertise.“780
Diese Möglichkeit ist in einer CoP, die aufgrund des gemeinsamen Interesses, Wissensund/oder Arbeitsgebietes besteht, gegeben. CROSS/CUMMINGS finden ebenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen einer zentralen Netzwerkposition sowie der Vernetzung einer Person und ihrer Arbeitsleistung. Bei ihrer Untersuchung bestätigte sich u.a. die postulierte These, dass die Anzahl der Kontakte eines Individuums, die über die Grenzen seines Departments, seiner Abteilung etc. hinausgehen, seine Arbeitsleistung bzw. die Einschätzung seiner Arbeitsleistung positiv beeinflusst. Diese Erkenntnisse sind für die Erklärung des Nutzens für CoP-Mitglieder interessant, denn die anderen CoP-Mitglieder sind i.d.R. – bezogen auf die formale Organisation – anderen Abteilungen, Bereichen etc. zugeordnet. Des Weiteren ist es für das Organisationsmitglied wichtig, die Fähigkeiten und Kenntnisse anderer Personen einschätzen zu können. Diese „awareness of 776 777
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Vgl. Cross/Cummings (2004), S. 929. Vgl. neben den nachfolgend aufgeführten Studien z.B. Ahuja et al. (2003); Allen (1977); Cross et al. (2001); Nohria (1992). Vgl. Roberts/O'Reilly III (1979). Vgl. Allen/Cohen (1969), S. 12. Brass et al. (2004), S. 799, H.d.A.
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other’s expertise“ bringt es mit sich, dass bei entsprechend anstehenden Problemstellungen die relevanten Informationen bzw. Personen herangezogen werden können.781 Es kann davon ausgegangen werden, dass die CoP-Mitgliedschaft dieses Wissen begünstigt. Viele Unternehmensprojekte haben internationale Kunden, einen internationalen Markt etc. Dementsprechend werden Informationen aus anderen Ländern, anderen Märkten benötigt. Beziehungen zu Personen an anderen Standorten, d.h. Beziehungen, die physische Barrieren überwinden, ermöglichen den Zugang zu diesen wichtigen Informationen und fördern die individuelle Leistung.782 Auch dieser im CoP-Kontext sehr bedeutsame Zusammenhang – viele der CoP-Mitglieder interagieren virtuell – wird von CROSS/CUMMINGS bestätigt.783 Insbesondere in sehr wissensintensiven Bereichen hängt die Arbeitsleistung einer Person stark davon ab, inwiefern diese Zugang zu den „richtigen“ Informationen hat, d.h. jene, die nötig sind, um neue, anspruchsvolle Probleme zu lösen.784 Hier ist eine zentrale Netzwerkposition von Vorteil. Gleiches gilt auch im Kontext von Arbeitsaufgaben, die Kreativität bzw. kreative Lösungen erfordern. Wie PERRY-SMITH empirisch bzw. PERRY-SMITH/SHALLEY konzeptionell zeigen, fördern besonders schwache Beziehungen kreative Lösungen.785 Dies wird vor allem mit der Stärke schwacher Beziehungen, die neue, nicht-redundante Informationen liefern und unterschiedliche Perspektiven eröffnen, begründet. Darüber hinaus argumentieren die Autoren, dass je mehr nicht-redundante Informationen eine Person erhält, umso größer ist ihre individuelle Wissensbasis. Bei neuartigen Problemstellungen können auf dieser Grundlage kreative Lösungen durch kognitive Rekombination und ungewöhnliche Verknüpfungen erarbeitet werden.786 CoPs mit ihren zumeist schwachen multilateralen Beziehungen zwischen den Mitgliedern sowie eine entsprechende Heterogenität fördern demnach Kreativität, eine bessere und/oder schnellere Problemlösung und damit Arbeitsleistung. Die förderliche Atmosphäre in einer CoP betonen auch BREU/HEMINGWAY: Community-Mitglieder berichten, dass die in der CoP bestehende Möglichkeit, Ideen vorzustellen und zu testen, besonders wertvoll für sie sei. Die informale, risikofreie Umgebung ermutige sie, Gedanken und Ideen zu äußern, ohne „fear of compromising themselves or suffering negative consequences“.787
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Vgl. Cross/Cummings (2004), S. 933f. Vgl. DeSanctis/Monge (1999), S. 698f. Vgl. Cross/Cummings (2004), S. 933f. Vgl. Cross/Cummings (2004), S. 928. Siehe dazu Perry-Smith/Shalley (2003), S. 94: „[...] the type of exposure and work-related information relevant to creaticity does not necessarily require a stronger tie and can be effectively exchanged across weak ties.” Vgl. Perry-Smith (2006), S. 86ff; Perry-Smith/Shalley (2003), S. 91f. PERRY-SMITH/SHALLEY weisen darauf hin, dass extreme Zentralität aufgrund der Konfrontation mit zu vielen konträren Ansichten zu Stress und Konflikten führen können und damit eher kreativitätshinderlich sind. Vgl. Perry-Smith/Shalley (2003), S. 97. Breu/Hemingway (2002), S. 150.
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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das in einer CoP gebildete soziale Netzwerk den Mitgliedern einen Zugang zu Informationen, Wissen und Erfahrungen anderer Personen ermöglicht. Die Interaktion mit den anderen Mitgliedern sowie die in der CoP herrschende Atmosphäre unterstützen des Weiteren die Kreativität und Lernprozesse des Einzelnen. Die diskutierten Aspekte beeinflussen die Arbeitsleistung der Person positiv. Oder wie INKPEN/TSANG es formulieren: Wissenstransfer „[…] manifests itself through changes in knowledge or performance of the recipient unit“.788 Darüber hinaus belegen verschiedene Untersuchungen, dass die Position in einem Netzwerk teilweise wichtiger für „organizational power“ (d.h. Macht und Einfluss) ist als die Eigenschaften und Fähigkeiten einer Person.789 Dies basiert vor allem auf dem mit einer guten Vernetzung zusammenhängenden Zugang zu relevanten Informationen. Gleiches gilt für eine große Anzahl von Kontakten. Ein großes interpersonales Netzwerk ermöglicht es, an wichtige Informationen zu gelangen, Entscheidungen zu beeinflussen und Kontrolle auszuüben. Dies kann für die berufliche Entwicklung/Leistungsentwicklung einer Person von ausschlaggebender Bedeutung sein.790 Diese Kausalität lässt sich auch mit den Erkenntnissen von KATZ begründen: Ob jemand Meinungsführer innerhalb einer Gruppe wird und persönlich Einfluss ausübt, hängt von drei wesentlichen Faktoren ab: (1) von seiner Person, seiner Ausrichtung an den Wertvorstellungen und Normen der Gruppe (Wer ist er?), (2) von seinen Fähigkeiten und Kompetenzen (Was weiß er?) sowie (3) von seiner strategischen Position innerhalb einer Gruppe als auch gegenüber seiner Umgebung (Wen kennt er?).791 Durch die CoPMitgliedschaft werden vor allem die Fähigkeiten und Kompetenzen sowie die Position des Mitglieds positiv beeinflusst. Bezüglich des Zusammenhangs von Netzwerkposition und Arbeitszufriedenheit gibt es konträre Befunde: ROBERTS/O’REILLY finden heraus, dass isolierte Personen weniger zufrieden sind als gut vernetzte Personen. Die Studie von BRASS zeigt hingegen keinen Zusammenhang zwischen der Zentralität eines Individuums in einer Abteilung und seiner Arbeitszufriedenheit; im Gegenteil: Bei Betrachtung der Position im Gesamtnetzwerk der Organisation offenbarte sich ein negativer Zusammenhang.792 Dies lässt sich damit erklären, dass eine zentrale Position in der Gesamtorganisation mit entsprechenden Anfragen, alltäglicher Routine, viel Verantwortung, Koordinationsaufwand, Stress etc. einhergehen kann. CoPs zählen zu den informalen Netzwerken einer Organisation. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass ein aktives 788 789
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Inkpen/Tsang (2005), S. 149. Vgl. Brass (1984); Brass/Burkhardt (1992), S. 191ff; Monge/Eisenberg (1987), S. 323. Damit scheint das soziale Kapital einer Person teilweise wichtiger als „Humankapital“, d.h. Fertigkeiten und Fähigkeiten der Person, zu sein. Vgl. zum Abschnitt Brass et al. (2004), S. 798f sowie dort zitierte Quellen. Vgl. Katz (1964), S. 94. Vgl. Brass (1981); Roberts/O'Reilly III (1979) z.n. Brass et al. (2004), S. 797. BRASS et al. vermuten einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen Netzwerkzentralität und Arbeitszufriedenheit.
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Mitglied, welches in den Augen der anderen ein Experte ist, viele Anfragen erhält, dadurch stark belastet ist und von seiner eigentlichen Arbeit abgehalten wird. Da jedoch die CoPMitgliedschaft nicht Teil seiner primären Aufgabe ist, kann der Experte nach eigenem Ermessen auf Anfragen reagieren. Grundsätzlich werden die mit der Mitgliedschaft einhergehenden Vorteile, so die Annahme, die Arbeitseinstellung bzw. Arbeitszufriedenheit des Einzelnen positiv beeinflussen. Wie diese Ausführungen andeuten, können mit einer CoP-Mitgliedschaft nicht nur positive Aspekte einhergehen. Aus den sozialen Kontakten ergeben sich gewisse (An-)Forderungen an das einzelne Mitglied: in Form von Verpflichtungen, erwarteter Hilfeleistung und Unterstützung. Da die Mitgliedschaft auf Freiwilligkeit basiert, sind jedoch offensichtlich die wahrgenommenen Vorteile bzw. der Nutzen, der sich aus der Mitgliedschaft in der CoP ergibt, größer als die damit einhergehenden Nachteile bzw. der Aufwand. Sonst würden die Mitglieder nicht mehr Mitglieder der CoP sein. Zusammenfassend: Auf der Grundlage der vorangegangenen Argumentation werden beim Konstrukt individueller Nutzen verschiedene von den Mitgliedern wahrgenommene Nutzeneffekte betrachtet: Kompetenzausbau und Kompetenzaufbau, Leistungssteigerung, Arbeitserleichterung, Leistungs- und Berufsentwicklung, Arbeitseinstellung. 4.4.3.1.2 Netzwerkposition Wie bei der Übertragung des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses auf den CoP-Kontext diskutiert wurde, geben CoP-Mitglieder Informationen und Wissen an andere Mitglieder der Primärorganisation weiter. Diese zweite Stufe der Informationsübertragung führt dazu, dass das einzelne Mitglied seine Position in der Primärorganisation verändert. Basierend auf diesen Überlegungen erfasst das Konstrukt Netzwerkposition die wahrgenommene Position des einzelnen Community-Mitglieds in seinem primären Netzwerk, d.h. der formalen Organisation. Dabei stehen weniger die strukturellen Eigenschaften im Vordergrund des Interesses als vielmehr der Transfer von in der CoP gewonnenem Wissen in die Primärorganisation und damit verbundene Auswirkungen. Während der individuelle Nutzen, wenn auch nicht immer theoriebasiert, verhältnismäßig viel in der CoP-Literatur diskutiert wird, so finden sich in der Literatur nur wenige Aussagen bzw. Befunde zur veränderten Position eines CoP-Mitglieds bezogen auf dessen Primärorganisation.793 Konzeptionell kann zwischen einer aktiven und einer eher passiven Weitergabe von Wissen in die Primärorganisation unterschieden werden: Zum einen berichten Community-Mitglieder 793
Siehe dazu auch Oh et al. (2004), S. 861, H.i.O.: „Despite the fundamentally relational and embedded nature of groups, most group research [...] has lacked a multilevel perspective that focuses simultaneously on the social structure of a group and its members’ relationships within the larger social structure of an organization”.
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aus eigenem Antrieb Kollegen am Arbeitsplatz oder aber auch ihren Vorgesetzten über ihre Tätigkeit in der Community, über interessante Ergebnisse und/oder ihre neu gewonnenen Kenntnisse.794 Diese aktive Verbreitung von Wissen und Wissensquellen kann durch die CoPMitgliedschaft angeregt bzw. erhöht werden, da der Einzelne sich oftmals erst durch die Interaktion mit anderen Mitgliedern wesentlicher oder problematischer Themengebiete bewusst wird. Zum anderen kann infolge der Community-Zugehörigkeit ein Mitglied von Arbeitskollegen häufiger kontaktiert, nach seiner Meinung gefragt bzw. bei bestimmten Problemen zu Rate gezogen werden. Der daraufhin stattfindende Wissenstransfer basiert auf dem Nachfragen durch andere.795 Das Engagement in einer CoP, die aktive Verbreitung von Wissen, die Beantwortung von Fragen etc. können dazu führen, dass dem Mitglied von anderen Arbeitskollegen Anerkennung gezollt wird. JANICIK/LARRICK stellen fest: “Aside from one’s structural position, merely knowing where the missing and present relations are located in a social network can lead to reputational power”.796
Dies führt zu einem gesteigerten Ansehen („social recognition“) sowohl bei anderen Fachleuten und Arbeitskollegen als auch bei Vorgesetzten.797 Wie von verschiedenen Autoren als ein wesentlicher Nutzen für die CoP-Mitglieder herausgestellt wurde, kann dies mit dem Aufbau einer Reputation als Experte bzw. als „richtiger Ansprechpartner“ in bestimmten Problemsituationen einhergehen.798 In Verbindung mit dem aktiven bzw. passiven Wissenstransfer durch das Community-Mitglied in die formale Organisationseinheit hat dies zur Folge, dass sich die Position des Einzelnen bezogen auf das Netzwerk in der Organisation verbessert. Die Position verbessert sich auch nach der Theorie des sozialen Kapitals bzw. der Stärke schwacher Beziehungen. Die Mitgliedschaft in der CoP ermöglicht es, ein Beziehungsnetzwerk zu anderen aufzubauen; ihrerseits ebenfalls Mitglieder der primären, formalen Organisation. Über einige dieser Beziehungen werden strukturelle Löcher überbrückt. Damit einher geht ein Gefühl der besseren Eingebundenheit in die Organisation. Wie in Tab. 4-3 sichtbar ist, fanden die angesprochenen Auswirkungen bezüglich der primären Netzwerkposition bisher nur wenig Berücksichtigung in der CoP-Literatur. Beispielsweise betrachtet einzig RUUSKA explizit den Wissenstransfer der CoP-Erkenntnisse in die primäre Organisation als mögliche Auswirkung von CoPs auf der individuellen Ebene. Eine verbes-
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796 797 798
Vgl. Ruuska (2005), S. 140. Dies ist vergleichbar mit der in der Innovationsforschung verbreiteten Unterscheidung von Push- bzw. PullMechanismen zur Induzierung von Innovationen. Vgl. z.B. Hauschildt (2004), S. 7ff. Janicik/Larrick (2005), S. 360, H.d.A. Siehe dazu auch Krackhardt (1990). Vgl. z.B. Perry-Smith/Shalley (2003), S. 96. Vgl. Allen et al. (2005), S. 266f; Fontaine/Millen (2004), S. 6; Millen et al. (2002), S. 70; Schoen (2001), S. 111.
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serte Reputation sowie ein verbessertes Beziehungsnetzwerk werden von mehreren Autoren als individueller Vorteil der Community-Mitgliedschaft genannt. Erfolgswirkung Wissenstransfer in die Primärorganisation Reputation: Bestätigung, Ansehen, Reputation, Expertenstatus, Anerkennung Eingebundenheit: Beziehungsnetzwerk, soziales Kapital
Autoren RUUSKA (2005)** ALLEN et al. (2005)*; FONTAINE/MILLEN (2004)*; MILLEN et al (2002)*; RUUSKA (2005)**; SCHOEN (2001)
FRANZ et al. (2002)*; SAINT-ONGE/WALLACE (2003)*; SCHOEN (2001); ORR (1990)*; RUUSKA (2005)**; VON WARTBURG et al. (2004)** * qualitativer Befund; ** quantitativer Befund Tab. 4-3: Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene – Netzwerkposition
Zusammenfassend: Die diskutierten Aspekte bezüglich der Netzwerkposition der CoPMitglieder bezogen auf die Primärorganisation werden in der nachfolgenden Untersuchung im Konstrukt Netzwerkposition wie folgt berücksichtigt: Wissenstransfer (Berichte an Arbeitskollegen, Informationen an Vorgesetzte), Reputation (Anfragen von Arbeitskollegen, Anerkennung von Arbeitskollegen), Eingebundenheit in die Organisation. 4.4.3.1.3 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten Im vorliegenden Abschnitt werden die Zusammenhänge zwischen (a) der CommunityInteraktionsqualität und den Ergebnis-Konstrukten der individuellen Ebene sowie (b) dem individuellen Nutzen und der Netzwerkposition diskutiert. (a) Wirkung der Community-Interaktionsqualität auf die Konstrukte der individuellen Ebene Der Zugang zu Wissen, der durch den Kontakt zu anderen CoP-Mitglieder ermöglicht wird, ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für erfolgreichen Wissenstransfer und den daraus resultierenden Nutzen für die Community-Mitglieder. Als wesentliche Merkmale der Interaktionsprozesse wurden im Abschnitt 4.2 die Interaktionshäufigkeit und die Community-Interaktionsqualität herausgestellt. Die Interaktionshäufigkeit wurde dabei als Determinante der Interaktionsqualität betrachtet. Im Bezugsrahmen dieser Untersuchung wird davon ausgegangen, dass für den Wissensaustausch und die Wissensentwicklung in der CoP vor allem eine qualitativ hochwertige Interaktion in der CoP notwendig ist. Eine Interaktion, die durch interpersonales Vertrauen, Kohäsion und ein gutes Kommunikationsklima gekennzeichnet ist, fördert den individuellen Nutzen für die einzelnen Community-Mitglieder799 sowie die Netzwerkposition des Mitglieds (über einen entsprechenden Transfer von Wissen in 799
Vgl. Teigland (2000), S. 156.
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die Primärgruppe und damit einhergehende Anerkennung). Die aktive Kommunikation von in der CoP erhaltenem bzw. generiertem Wissen in die formale Organisationseinheit impliziert nicht nur stattgefundene Lernprozesse und den Wunsch, sein Wissen zu teilen, sondern sie ist gleichzeitig ein Indiz für die starke Identifikation mit der CoP bzw. dem Bewusstsein, zur CoP zu gehören800. Auf diese prinzipielle Annahme soll nachfolgend detaillierter eingegangen werden, denn insbesondere zur Wirkung von Vertrauen und Kohäsion finden sich in der Fachliteratur voneinander abweichende Ergebnisse.801 Bezüglich der Wirkung von interpersonalem Vertrauen auf die Interaktion zwischen Personen herrscht grundsätzlich Einigkeit; unabhängig davon, ob es sich um die Interaktion innerhalb eines Teams, einer Organisation oder zwischen verschiedenen Organisationen handelt.802 Vertrauen auf Seiten des Wissensträgers hat zur Folge, dass er Wissen preisgibt und damit seine impliziten Annahmen, interpretative Strukturen etc. offen legt.803 Vertrauen in den Wissensträger führt dazu, dass eine Person weniger misstrauisch und daher offener und auch empfänglicher für die Information und das Wissen des anderen ist.804 Demnach erhöht Vertrauen die Kooperation mit dem Wissensträger und damit auch die Menge an (vertraulichen) Informationen und Wissen, die zwischen den Personen ausgetauscht werden kann.805 Des Weiteren verringert Vertrauen zwischen verschiedenen Partnern die Angst vor opportunistischem Verhalten und fördert so individuelle und kollektive Lernprozesse.806 Diese Argumentation könnte zu der Schlussfolgerung führen, dass interpersonales Vertrauen die Leistung einer Gruppe positiv beeinflusst. DIRKS/FERRIN stellen bei ihrer Analyse existierender Studien jedoch fest: „A clear case in point is the mixed evidence for the effects of trust on dyad or group performance […]“807, d.h. nicht alle Studienergebnisse bestätigen die positive Wirkung von Vertrauen auf verschiedene Leistungsgrößen. Einerseits können viele Auto-
800 801
802
803 804 805
806
807
Vgl. Storck/Hill (2000), S. 72. Vgl. Dirks/Ferrin (2001) für eine Analyse von Studien zum Einflusses von Vertrauen sowie Beal et al. (2003); Mullen/Cooper (1994) für Meta-Analysen verschiedener Studien zum Einfluss von Kohäsion auf den Erfolg siehe Eine Ausnahme bilden die Ergebnisse von YLI-RENKO et al., die in ihrer Untersuchung einen negativen Einfluss auf den Erwerb von Kundenwissen feststellen: Zu starkes Vertrauen kann dazu führen, dass sich der wahrgenommene Bedarf an Kontrolle verringert, demzufolge gibt es weniger Konflikte und damit einen weniger intensiven Austausch an Informationen. Des Weiteren kann großes Vertrauen damit einhergehen, dass erwartet wird, der Partner liefere die Informationen. In der Folge wird weniger Wissen extern erworben. Vgl. Yli-Renko et al. (2001), S. 607f. Vgl. Snyder (1997), S. 8. Vgl. z.B. die Diskussion bei Szulanski (1996), S. 31 sowie Szulanski (2004), S. 601. Vgl. Brettreich-Teichmann (2003), S. 119ff; Dirks/Ferrin (2001), S. 452f; Dyer/Chu (2003), S. 64; Inkpen/Tsang (2005), S. 151ff; Kramer (1999), S. 569ff; Tsai/Ghoshal (1998), S. 467; Uzzi (1996), S. 678. Siehe dazu auch SNYDER’s Erkenntnis: „The case study showed that when trust levels in the community of practice were low, unstructured and structured learning activities were likely to contradict each other in destructive ways“ (Snyder (1996), S. 187). Dirks/Ferrin (2001), S. 455.
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ren eine positive Wirkung von Vertrauen auf die Leistung von Teams nachweisen.808 Dieser Effekt wird vor allem mit einer aus Vertrauenserwartungen resultierenden guten Zusammenarbeit, sowie einer entsprechenden Qualität der Problemlösung begründet. Misstrauenserwartungen führen hingegen eher zu nachteiligen Konflikten und kontraproduktiven Auseinandersetzungen, die die Kooperation zwischen den Team-Mitgliedern behindern. Andererseits gibt es auch einige Studien, in deren Ergebnis der erwartete Zusammenhang nicht nachgewiesen werden konnte.809 Zu starkes Vertrauen kann dazu führen, dass sich der wahrgenommene Bedarf an Kontrolle verringert.810 Demzufolge gibt es weniger Konflikte und damit auch weniger konstruktive Auseinandersetzungen. SZULANSKI et al. betonen weiterhin die Gefahr, dass aufgrund vorherrschenden Vertrauens der Wissensempfänger eher passiv agiert, da er sich auf den Wissensträger verlässt: Er konsultiert keine anderen Wissensquellen, hinterfragt weniger kritisch, beobachtet weniger etc. Diese Problematik ist besonders bei der Übertragung von implizitem Wissen relevant, d.h. Vertrauen kann den Transfer dieser Wissensanteile behindern.811 Im CoP-Kontext wird dennoch von einer grundsätzlich positiven Wirkung des Vertrauens auf den Wissensaustausch ausgegangen. Zum einen unterscheiden sich CoPs, wie bereits ausführlich diskutiert, von Teams (vor allem auch aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen). Zum anderen geht es in CoPs nicht nur darum, Wissen zu reproduzieren bzw. zu kopieren – um solchen Transfer ging es bei der Untersuchung von SZULANSKI et al.812 –, sondern vor allem um die Generierung von Wissen bzw. die Anwendung bereits vorhandenen Wissens auf andere Kontexte. Bei der Betrachtung der Auswirkungen von Kohäsion auf den Erfolg von Teams wurde festgestellt, dass eine aufgabenbezogene Kohäsion erfolgssteigernd wirkt, während eine personenbezogene bzw. interpersonale auch hinderlich sein kann.813 Wie vorab diskutiert, ist weniger ein aufgabenbezogener als gerade ein interpersonaler Zusammenhalt zwischen CoPMitgliedern wesentlich für die Interaktion. Der mögliche negative Einfluss der interpersonalen Kohäsion wird vor allem auf die potentiell negative Wirkung des von JANIS diskutierten „Groupthink-Syndroms“ zurückgeführt.814 Dieses Streben nach einer einhelligen Meinung geht mit einem Konformitätsdruck, damit mit einer Beeinträchtigung der Entscheidungspro808
809
810 811 812 813 814
Vgl. z.B. Costa et al. (2001); Dyer/Chu (2003); Högl (1998); Jarvenpaa/Leidner (1999); Kirkman et al. (2002). Vgl. z.B. Dirks (1999); Erdem/Ozen (2003); Jarvenpaa et al. (2004) sowie die Ausführungen bei Langfred (2004), S. 385. Vgl. Langfred (2004), S. 390f. Vgl. Szulanski (2004), S. 602f sowie dort zitierte Quellen. Vgl. Szulanski (2004), S. 608. Vgl. Helfert (1998), S. 75. Vgl. Janis (1972), S. 9ff. Die postulierte Wirkung kann in Verbindung mit einer aufgabenbezogenen Kohäsion aufgehoben werden und sich sogar ins Gegenteil umkehren. Siehe dazu die ausführliche Diskussion bei Gebert (2004), S. 84f.
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zesse und letztendlich mit einer geringeren Güte der Entscheidungen einher.815 Aufgrund der beschriebenen Charakteristika und Zielsetzungen von CoPs ist dieser Aspekt im CommunityKontext jedoch wenig relevant.816 Wie bei verschiedenen Untersuchungen des Wissenstransfers in Netzwerken festgestellt wurde, ist die Kohäsion zwischen den Partnern ein wesentlicher Einflussfaktor für die Kooperation und insbesondere für die Übertragungsqualität.817 Je stärker das Band zwischen den Netzwerkpartnern ist, desto größer ist die Möglichkeit, jegliche Art von Wissen auszutauschen.818 Eine hohe Kohäsion in der CoP ist verbunden mit Akzeptanz und Sympathie unter den Mitgliedern. Dies unterstützt die Bereitschaft, anderen Sichtweisen unvoreingenommen gegenüberzutreten, und fördert Lernprozesse.819 Es wird auf der Grundlage dieser Erkenntnisse und Argumentation prinzipiell eine erfolgssteigernde Wirkung des interpersonalen Zusammenhalts in CoPs postuliert. SNYDER’S Erkenntnis „When members did not feel a high level of shared trust and commitment, their capacity to share knowledge and skills was reduced“820 bestätigt die bisher angenommenen Zusammenhänge. Zur Wirkung eines guten Kommunikationsklimas auf die Gruppenleistung gibt es klare, allgemeingültige Aussagen. Verschiedene Studien bestätigen, dass eine aktiv-offene Kommunikation ein bedeutender Faktor für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team ist und wesentlich zur Qualität der Problemlösung und der Teamleistung beträgt.821 Eine offene, mit Feedback verbundene Kommunikation in einer CoP führt zum aktiven Austausch von Gedanken und Erfahrungen. Eigene Ideen werden den anderen Mitgliedern zur Verfügung gestellt und die Ideen anderer können mit eigenen Ideen in Verbindung gebracht werden.822 Dies fördert individuelle Lernprozesse, den Aufbau von Kompetenzen, eine schnellere bzw. bessere Lösung von Problemen und dadurch im Endeffekt sowohl den individuellen Nutzen als auch eine Verbesserung der Position in der formalen Organisation. (Informaler) Wissensaustausch ist nur dann erfolgreich, wenn „[...] a common language, psychological mind-frame and feeling of belonging“ 823 vorherrschen. Eine hohe Ausprägung der drei diskutieren Merkmale beeinflusst demnach die Interaktion in einer CoP und damit die Erfolgswirkung der CoP positiv. Zusammenfassend wird daher von einer erfolgssteigernden Wirkung von Vertrauen, Kohäsion und Kommunikationsklima ausgegangen, d.h. eine hohe 815 816 817 818 819 820 821 822 823
Vgl. Gebert (2004), S. 83. Vgl. dazu auch Storck/Hill (2000), S. 71. Vgl. z.B. Coleman (1988); Granovetter (1985); Reagens/McEvily (2003). Vgl. Reagens/McEvily (2003), S. 261f. Vgl. Henschel (2001), S. 147. Snyder (1996), S. 173. Vgl. Cooke/Szumal (1994), S. 432; Gladstein (1984); Högl (1998), S. 79; Pinto/Pinto (1990). Vgl. Gebert (2004), S. 97. Geiger/Turley (2005), S. 69. Vgl. auch Szulanski (1996), S. 32; Zárraga/Bonache (2005), S. 662ff.
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Community-Interaktionsqualität beeinflusst den wahrgenommenen individuellen Nutzen sowie die primäre Netzwerkposition des Einzelnen positiv. (b) Zusammenhang zwischen dem individuellen Nutzen und der Netzwerkposition Nicht nur die Qualität der Interaktion in einer CoP beeinflusst die Stellung des einzelnen Mitglieds in der Primärorganisation. Wie bei der Diskussion zur Netzwerkposition bereits anklang, können insbesondere die im Rahmen der CoP-Mitgliedschaft auf- und ausgebauten Kompetenzen, die Expertise sowie die mögliche gesteigerte Arbeitsleistung etc. zu Anerkennung und einer entsprechenden Reputation bei anderen Organisationsmitgliedern führen. In der Summe resultiert daraus eine verbesserte Position des Mitglieds in der Primärorganisation.824 Zu diesem Ergebnis kommen auch ALLEN und seinen Koautoren bei ihren Studien zum technologischen Gatekeeper. Dieser leitet Informationen aus seinem Sekundärnetzwerk in die Primärorganisation weiter, was seine Position im Primärnetzwerk verbessert.825 Demzufolge wird postuliert, dass der aus der Community-Mitgliedschaft gezogene Nutzen sich positiv auf die Netzwerkposition des Mitglieds in der Primärorganisation auswirkt. 4.4.3.2 Organisationale Ebene In der CoP-Literatur wird einhellig die Meinung vertreten, dass CoPs für eine Organisation nützlich sind826, jedoch variieren der Detaillierungsgrad bzw. die konkret betrachteten Erfolgswirkungen deutlich. Auch bezüglich der organisationalen Ebene gilt, wie bereits mehrfach diskutiert, dass nur wenige Autoren die Erfolgswirkung konzeptionell begründen bzw. quantitativ überprüfen. Für die Konzeptualisierung der Ergebnis-Konstrukte der organisationalen Ebene werden verschiedenen theoretische Konzepte827 sowie empirische Befunde (soweit relevant bzw. vorhanden) herangezogen. Den übergeordneten theoretischen Rahmen für die nachfolgende Erfolgsableitung bildet der im zweiten Kapitel vorgestellte ressourcenbasierte Ansatz sowie dessen verschiedenen Weiterentwicklungen, d.h. der wissens- und kompetenzbasierte Ansatz.828 Darüber hinaus gelten die bereits bei der Analyse der Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene diskutierten Tatsachen und Zusammenhänge.
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Vgl. Perry-Smith/Shalley (2003), S. 100. Vgl. Allen et al. (1971). Einige Autoren weisen darüber hinaus auch auf potentielle Nachteile hin. Siehe z.B. Bogenrieder/Nooteboom (2004), S. 295; Hislop (2003a), S. 184; North et al. (2004), S. 19f; Schoen (2001), S. 65; Swan et al. (2002), S. 491 sowie die Ausführungen im Abschnitt 3.2.1. Für die Grundlagen, Inhalte bzw. Vertreter der zur Erfolgsableitung genutzten Theorien siehe die Ausführungen im Abschnitt 4.4.2. Siehe Abschnitt 2.1.2.
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In der nachfolgenden Untersuchung werden drei Dimensionen des organisationalen Nutzens von CoPs unterschieden: (a) organisationale Wissensbasis, (b) organisationale Leistung sowie (c) Kooperationspotential. Analog zur systematischen Herleitung der Erfolgswirkung von CoPs auf der individuellen Ebene werden zunächst die Inhalte der Konstrukte spezifiziert (anhand der verschiedenen theoretischen Konzepte, der CoP-Literatur sowie relevanter Befunde anderer Forschungsbereiche), bevor im abschließenden Abschnitt die Zusammenhänge zwischen ihnen, den Konstrukten der individuellen Ebene und der CommunityInteraktionsqualität aufgezeigt werden. 4.4.3.2.1 Organisationale Wissensbasis Die Erfolgsdimension organisationale Wissensbasis betrifft alle Veränderungen der zur Problemlösung genutzten individuellen, kollektiven und organisationalen Wissensbestände eines Unternehmens, die durch die Existenz von CoPs in einem Unternehmen induziert werden. Konzeptionelle und empirische Befunde der CoP-Literatur Wie auch SCHOEN bemerkt, sind die Auswirkungen der Interaktion zwischen den CoPMitgliedern in seltenen Fällen direkt: „Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen CoP-Outputs direkt im jeweiligen Geschäftsprozess verwendet werden, wirken die primären Outputs einer CoP zunächst indirekt durch die Vergrößerung der organisationalen Wissensbasis.“829
Doch wodurch bzw. wie verändern CoPs die organisationale Wissensbasis? Neben den bereits diskutierten Auswirkungen auf der individuellen Ebene, die ebenso eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis bewirken, liefert vor allem das Konzept des organisationalen Lernens eine Erklärung. Oder anders ausgedrückt: Ein wesentliches Ergebnis organisationalen Lernens stellt die Veränderung der organisationalen Wissensbasis dar.830 In Anlehnung an die Bausteine des Wissensmanagements nach PROBST et al. lassen sich die CoP-Auswirkungen in einer Community in sechs grundsätzliche Ergebnisse untergliedern831: Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensverteilung, Wissensbewahrung, Wissensbewertung sowie Wissensanwendung.832 Das letztgenannte Ergebnis bzw. der Nutzen daraus wird beim Konstrukt organisationale Leistung detailliert diskutiert, denn es ist die Anwendung des erworbenen Wissens, die die organisationale Leistungserfüllung maßgeblich beeinflusst bzw.
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Schoen (2001), S. 107, H.i.O. Als sekundäre Outputs bezeichnet SCHÖN CoP-interne Verbesserungen von Rahmenbedingungen, die eine langfristige Wirkung auf die Ergebnisse der CoP haben. Vgl. z.B. Probst/Büchel (1998), S. 17. Vgl. die ausführlichen Ausführungen bei Probst et al. (1999), S. 51ff. PROBST et al. definieren acht Bausteine. Die Bausteine Wissensziele und Wissensidentifikation sind für die CoP-Betrachtung hier nicht relevant, da sie mit ihrer strategischen Ausrichtung auf der Unternehmensebene anzusiedeln sind.
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erst ermöglicht. Die fünf anderen Ergebnisse betreffen eine Veränderung der Wissensbasis einer Organisation. CoPs als Orte des kontinuierlichen Wissenstransfers fördern nicht nur individuelle Lernprozesse und die Weiterentwicklung der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ihrer Mitglieder, sondern unter Berücksichtigung einer sozialen Theorie des Lernens sowie dem Zusammenhang zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem Lernen auch die Generierung und Weiterentwicklung von kollektivem Wissen.833 Das bedeutet, dass die Mitglieder einer CoP gemeinsam geteiltes Vokabular, gemeinsame Werte, Normen, Erinnerungen, Referenzmöglichkeiten, Geschichten etc. entwickeln.834 Die verbindende, gemeinsame soziale Identität ist eine Grundlage für die kontinuierliche Kollaboration zwischen den Mitgliedern. HISLOP fand beispielsweise bei seinen Fallstudien zu CoPs heraus, dass die soziale Identität mit einer CoP signifikant den Willen zum Wissensaustausch bestimmt.835 Die kollektive Identität führt im Zusammenspiel mit in der CoP herrschenden Rahmenbedingungen (wettbewerbsfreie, kreativitätsfördernde, offene Atmosphäre etc.) zur (Weiter-)Entwicklung von individuellem Wissen. Es werden nicht nur Lernprozesse initiiert, sondern wie HENSCHEL bei seiner Untersuchung von CoPs feststellte, verbessert sich auch die Qualität der Lernprozesse und Lernerfahrungen.836 In gleichem Zuge wird durch die wechselseitige Interaktion der Mitglieder das Wissen der verschiedenen Individuen, und hier insbesondere implizite Wissensanteile, in kollektive mentale Modelle, kollektive Routinen etc. integriert.837 Nach ANDRIANI sind kollektive Routinen: “[…] collective and complex patterns of quasi-automatic reactions driven by a set of preselected stimuli, operating on the basis of collective experimental learning, largely unconscious to the individuals involved. […] the memory of the routines is stored in a distributed social network.”838
CoPs sind verteilte soziale Netzwerke, in denen kollektive Routinen entwickelt und gespeichert werden. Deren Bedeutung für das organisationale Lernen und die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation wird von verschiedenen Autoren betont.839 Eine gemeinsame Identität kann jedoch auch hinderlich sein, da der gleiche „frame of mind“ die Flexibilität bezüglich Veränderungen einschränkt.840 Wie vorab bereits diskutiert, wird diese Gefahr im CoPKontext aufgrund der Charakteristika von CoPs als unbedeutend eingeschätzt.
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Vgl. z.B. von Wartburg et al. (2004), S. 12. Siehe dazu auch die Ausführungen zum Wissensbegriff in Abschnitt 2.1.1. Vgl. Hislop (2003a), S. 180. Vgl. Henschel (2001), S. 303. Vgl. Levitt/March (1988), S. 326ff; van Baalen et al. (2005), S. 301. Andriani (2001), S. 268, H.d.A. Vgl. Cohen/Levinthal (1990); Grant (1996a); Levitt/March (1988); Nelson/Winter (1982); Nonaka (1994). Vgl. z.B. Kogut/Zander (1996), S. 515; Orlikowski (2002), S. 258f.
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Die Rolle von sozialem Kapital für den Aus- und Aufbau von Kompetenzen wurde bereits bei der Betrachtung der Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene hervorgehoben. Die dort diskutierte Rolle von (informalen) Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern lässt sich hier fortsetzen. Soziales Kapital geht auch auf der organisationalen Ebene mit Zugang zu Information und Wissen, Möglichkeiten für neue Geschäfte, Reputation, Einfluss, einem erhöhten Verständnis von Netzwerknormen etc. einher.841 Aufgrund der in ihnen verankerten Beziehungsressourcen werden soziale Netzwerke als höchst effiziente organisationale Arrangements für organisationales Lernen angesehen.842 Lernprozesse und das integrierte individuelle Wissen, welches zu kollektivem bzw. organisationalem Wissen wird, sind die Grundlage dafür, dass neue Kompetenzen aufgebaut und bestehende verbessert843 werden können.844 Dabei kommt es zu Wissenserwerb und Wissensentwicklung sowohl auf der individuellen Ebene als auch auf der kollektiven bzw. organisationalen Ebene.845 PODOLNY/PAGE begründen dies wie folgt: “Network forms of organisation foster learning because they preserve greater diversity of search routines than hierarchies and they convey richer, more complex information than the market.”846
Organisationales Lernen ist wie individuelles Lernen ein soziales Phänomen. Es hängt in sehr starkem Maße von Kommunikation und der Kapazität einer Organisation ab, die gewonnenen Informationen verarbeiten zu können (absorptive Kapazität).847 Die Interaktion der verschiedenen Community-Mitglieder verbindet die vielfältigen in der Organisation existierenden „Wissensinseln“, die sich an verschiedenen Standorten, in verschiedenen Bereichen etc. befinden. Es werden Strukturen (Wissensnetzwerke) geschaffen, die die Wissensverteilung, kollektives bzw. organisationales Lernen und damit die Generierung von kollektivem bzw. organisationalem Wissen fördern bzw. erst ermöglichen.848 Denn: „Wissen entsteht im Prozess der Interaktion von Personen“.849 Die Interaktion zwischen den Mitgliedern resultiert in einer besseren Vernetzung der verschiedenen Wissensträger. Über das Netzwerk findet eine Wissensverteilung statt, d.h. innerhalb der CoP ausgetauschtes und/oder entwickeltes Wissen wird in der formalen Organisation angewendet.850 Dazu gehört beispielsweise die Verbreitung von Best-Practice-Lösungen, spe841 842 843
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Vgl. Inkpen/Tsang (2005), S. 150. Vgl. Liebeskind et al. (1996); Powell (1990); Uzzi (1997). MARCH unterscheidet zwischen „competence exploration“ und „comepetence exploitation“. Vgl. March (1991), S. 71. Vgl. z.B. Henderson/Cockburn (1994); Prahalad/Hamel (1990). Vgl. u.a. Enkel et al. (2002), S. 120; Schoen (2001), S. 110; Snyder (1996), S. 206; Wenger (1998a), S. 3f. Podolny/Page (1998), S. 62, H.d.A. Vgl. March/Simon (1976); Cohen/Levinthal (1990). Vgl. Seufert et al. (1999), S. 184; Snyder (1996), S. 169 sowie 178ff. North et al. (2004), S. 17. Vgl. Schoen (2001), S. 107.
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zifischen Erfahrungen etc. Dieser Transfer wirkt dem Verlust von Wissen entgegen und konserviert dadurch die organisationale Wissensbasis. „It is communities of practice...that can take responsibility for the preservation of old competencies and the development of new ones, for the continued relevance of artefacts, stories, and routines, for the renewal of old concepts and techniques, and for the fine tuning of enterprises to new circumstances.”851
Gleichzeitig wird in der CoP bzw. durch die Kollaboration der Mitglieder Wissen bewahrt. Dies basiert nach der Wissensspirale von NONAKA und Koautoren852 vor allem auf der Umwandlung der verschiedenen Wissensanteile. Ein wesentlicher Beitrag von CoPs besteht darin, dass implizites Wissen (Erfahrungswissen) nicht nur übertragen wird und zur Anwendung kommt, sondern auch bewahrt wird.853 Die Wissensbewahrung ist insbesondere auch für das Wissen ausscheidender Mitarbeiter relevant, dem oftmals eine entscheidende Rolle für eine Organisation zukommt.854 Das Wissen wird in kollektives, aufeinander abgestimmtes Wissen, in Regeln und Routinen der CoP integriert und ist dadurch unabhängig von einzelnen Organisationsmitgliedern. Es verbleibt auch beim Wechsel des Mitarbeiters in der Organisation.855 HISLOP bestätigt: CoPs „[…] shape the structure of the organizational knowledge base, and represent important reservoirs of organizational knowledge”856. Mit der Integration von Wissen geht des Weiteren häufig eine entsprechende Wissensbewertung einher. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass basierend auf dieser Argumentation durch die Interaktion in CoPs eine gemeinsame und/oder veränderte Wissens- und Wertebasis geschaffen wird. Es werden in der nachfolgenden Untersuchung folgende wesentliche Aspekte bezüglich einer veränderten organisationalen Wissensbasis betrachtet: Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensverteilung, Wissensbewahrung, Wissensbewertung. Tab. 4-4 illustriert die diskutierten Dimensionen der veränderten organisationalen Wissensbasis, die sich bis auf den Aspekt der Wissensbewertung in der CoP-Literatur wiederfinden.
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Wenger (1998b), S. 252. Vgl. z.B. Nonaka/Takeuchi (1995). Vgl. u.a. Ruuska (2005), S. 141; Schoen (2001), S. 111; Wenger (1998a), S. 3f. Vgl. Inkpen/Tsang (2005), S. 156. Vgl. Osterloh et al. (2001), S. 212. Hislop (2003a), S. 164.
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Erfolgswirkung
Autoren
Wissenserwerb: Kompetenzen/Kernkompetenzen, ENKEL et al. (2002); HENSCHEL (2001)*; MCDERMOTT (2002); kollektives bzw. organisationales ORR (1990)*; REINMANN-ROTHMEIER (2000); SCHOEN (2001); Lernen, kollektives intellektuelles SNYDER (1996)*; SNYDER (1997); WENGER (1998a); Kapital VON WARTBURG et al. (2004)** Wissensentwicklung: Weiterentwicklung, Wissensgene- ANDRIESSEN/VERBURG (2004)**; BREU/HEMINGWAY (2002)*; FRANZ et al. (2002)*; SNYDER (1996)*; WENGER (1998b)* rierung Wissensverteilung: Wissensaustausch/-verteilung, ANDRIESSEN/VERBURG (2004)**; DELOITTE (2001); FRANZ et al. (2002)*; HENSCHEL (2001)*; ORR (1990)*; REINMANNBest-Practice-Transfer, Kommunikationsknotenpunkt, VernetROTHMEIER (2000); SNYDER (1996)*; STORCK/HILL (2000)*; zung/Identifikation von Experten WENGER (1998a); WENGER (1998b)*; WENGER/SNYDER (2000); Wissensbewahrung: Bewahrung, Dokumentation RUUSKA (2005)**; SCHOEN (2001);WENGER (1998b)*; WENGER (1998a) * qualitativer Befund; ** quantitativer Befund Tab. 4-4: Auswirkungen von CoPs auf der organisationalen Ebene – Organisationale Wissensbasis
Analog zur Ableitung des individuellen Nutzens werden nachfolgend empirische Befunde anderer Forschungsbereiche genutzt, um die hergeleiteten Dimensionen der Konstrukte zu bestätigen. Empirische Befunde anderer Forschungsbereiche Die bedeutende Rolle von Netzwerkbeziehungen und darin enthaltenen Beziehungsressourcen für den Wissenstransfer und die Wissensentwicklung in Organisationen belegen verschiedene Studien zu inter- und intraorganisationalen Netzwerken.857 In diesem Zusammenhang treffen GUPTA/ GOVINDARAJAN eine interessante Aussage: „[T]he primary reason why MNCs [multinationale Unternehmen, A.d.A.] exist is because of their ability to transfer and exploit knowledge more effectively and efficiently in the intracorporate context than through external market mechanisms.”858
Diesen Transfer ermöglichen zwischen den Mitarbeitern bzw. Bereichen bestehende Austauschbeziehungen, z.B. im Rahmen von CoPs. Auch SAWHNEY/PRANDELLI betonen die Wichtigkeit von Netzwerken für die Entwicklung von Wissen: „[...] creating new knowledge means creating relationships or new ways to combine and manage existing relationships.“859 TSOUKAS/VLADIMIROU heben auf der Grundlage ihrer Studie die Bedeutung von informellen kollektiven Wissensbeständen hervor und belegen damit die Bedeutung eines Netzes informa-
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858 859
Abgesehen von den nachfolgend beispielhaft aufgeführten Studien siehe z.B. Henderson/Cockburn (1994); Yli-Renko et al. (2001). Gupta/Govindarajan (2000), S. 473. Sawhney/Prandelli (2000), S. 27.
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ler sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz.860 SNYDER postuliert aufgrund seiner Untersuchungsergebnisse: „[T]he community of practice is the natural context for organizational learning“.861 “It influenced unplanned, incidental, and experiential learning processes, and provided a center – common values, language, tools, and objectives – around which these processes could evolve.”862
Insbesondere interpersonale Beziehungen, die organisationale Grenzen (d.h. Team-, Abteilungs- bzw. Organisationsgrenzen) überschreiten, werden mit erfolgreichem Wissenstransfer/verteilung, Wissensentwicklung und dem Wissenserwerb bzw. dem Aufbau von Kernkompetenzen in Verbindung gebracht.863 Studien von ALLEN, HANSEN, TSAI, TSAI/GHOSHAL belegen diese Erkenntnis.864 COPs überschreiten per Definition organisationale Grenzen. Deren Bedeutung wird z.B. auch von DYER/NOBEOKA bestätigt: Die Autoren sehen die Einführung von freiwilligen Lernteams im strategischen Netzwerk eines Automobilherstellers und seinen Zulieferern als einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den Wissensaustausch im Netzwerk an.865 Auch LANE/LUBATKIN können im Rahmen ihrer Untersuchung von F&E-Allianzen im Bereich Pharma/Biotechnologie nachweisen, dass durch wiederholte Austauschbeziehungen in gemeinsamen Research Communities die absorptive Kapazität einer Organisation erhöht wird. Es wird Basiswissen erworben, welches die Grundlage für eine zukünftige erfolgreiche Wissensakquisition ist.866 Mit sozialen Netzwerken werden auch Nachteile assoziiert. Studien belegen, dass Netzwerkmitglieder oftmals die Meinungen und Ansichten anderer Akteure übernehmen und dass sich innerhalb des Netzwerks die Meinungen anpassen können.867 Dies behindert Kreativität und die Entwicklung von neuem Wissen. AFUHA sowie DYER/NOBEOKA weisen auf die Gefahr der zu starken Innenausrichtung eines Firmen-Netzwerkes hin. Dies kann dazu führen, dass das Netzwerk wesentliche technologische Innovationen, die außerhalb des Netzwerkes generiert werden, nicht registriert bzw. adaptiert.868 Auch UZZI diskutiert die Möglichkeit, zu stark von anderen (engen) Netzwerkpartnern abhängig zu sein und dadurch die eigene Adaptionsfähigkeit einzuschränken.869 OH et al. diskutieren die Nachteile zu enger Beziehungen in Gruppen („group closure“) für die Gruppeneffektivität: Eine zu starke Identifikation mit der Gruppe, 860 861 862 863 864
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Vgl. Tsoukas/Vladimirou (2001), S. 986. Snyder (1997), S. 14. Snyder (1996), S. 189. Vgl. Cross/Cummings (2004), S. 929. Vgl. Allen (1977); Hansen (1999); Hansen (2002); Tsai (2001); Tsai (2002); Tsai/Ghoshal (1998). Da diese Studien insbesondere Aussagen bezüglich des Zusammenhangs zwischen Netzwerken und der organisationalen Leistung untersuchen, werden die genauen Ergebnisse dort vorgestellt. Vgl. Dyer/Nobeoka (2000), S. 360. Vgl. Lane/Lubatkin (1998), S. 474. Vgl. Brass et al. (2004), S. 797; Dyer/Nobeoka (2000), S. 365. Vgl. Afuah (2000), S. 388; Dyer/Nobeoka (2000), S. 365. Vgl. Uzzi (1997), S. 57ff.
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einhergehend mit Normen gegen Nicht-Gruppen-Mitglieder behindert Kontakte zu externen Personen. Dadurch existieren weniger Zugänge zu Informationen und Ressourcen. Darüber hinaus sind die in der Gruppe vorhandenen Informationen oftmals homogen bzw. redundant.870 Ebenso können HANSEN et al. zeigen, dass enge Beziehungen in einem Team die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Wissen anderer Abteilungen gesucht wird.871 HANSEN betont darüber hinaus den Aufwand für die Pflege bzw. das Aufrechterhalten von direkten Beziehungen zu anderen Geschäftseinheiten.872 Die angesprochenen Aspekte betreffen vor allem sehr intensive bzw. starke Beziehungen. Im Kontext von CoPs, die bezogen auf die Primärorganisation ein sekundäres Netzwerk darstellen, sind diese weniger relevant. Darüber hinaus machen einige Autoren auf die Gefahren der Informationsweitergabe „über viele Pfade“, zu der es in CoPs durchaus kommen kann, aufmerksam: Wenn verschiedene Mittler bzw. Broker die Informationen weitergeben, kann es zu verzerrten Informationen kommen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass jeder Akteur Informationen entsprechend seiner individuellen mentalen Modelle bzw. Kognitionsrahmen sowie Ansichten, Normen und Werte filtern wird. Die Folge können weniger präzise Informationen sein.873 Es wird im CoPKontext davon ausgegangen, dass diese Problematik aufgrund der gemeinsamen Identität, der in CoPs herrschenden Atmosphäre, dem Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern etc. durch Nachfragen bzw. die wechselseitige multilaterale Interaktion weniger kritisch ist. Zusammenfassend: In dieser Untersuchung werden verschiedene Aspekte betrachtet, die eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis betreffen: Wissenserwerb (Kompetenzerhöhung), Wissens(weiter-)entwicklung, Wissensverteilung (Verbreitung von Best-PracticeLösungen), Wissensbewahrung sowie Wissensbewertung. 4.4.3.2.2 Organisationale Leistung Die Dimension organisationale Leistung beschreibt all jenen Auswirkungen der CoP, die direkt die Geschäftsprozesse bzw. Leistungserbringung eines Unternehmens betreffen. Dass die organisationale Leistungsfähigkeit positiv durch CoPs beeinflusst wird, davon wird allgemein ausgegangen; insbesondere von den Unternehmen, die dieses Instrumentarium des Wissensmanagements gezielt einsetzen.874
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Vgl. Oh et al. (2004), S. 864. Die Autoren gehen von einem umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen „group closure“ und „performance“ aus. Der postulierte Zusammenhang kann anhand der empirischen Daten bestätigt werden. Vgl. ebenda, S. 868f. Vgl. Hansen et al. (2005), S. 790. Vgl. Hansen (2002), S. 233. Vgl. Andrews/Delahaye (2000); Huber (1991), S. 102f; March/Simon (1976). SCHOEN fasst die mit der Einführung von CoPs verbundenen Ziele zusammen: „Übergeordnetes Ziel ist dabei, bedarfsgerechte, effektive, hochwertige und innovative Arbeitsergebnisse mit schnellen, effizienten, beherrschten und zukunftsfähigen Prozessen zu erreichen.“ Vgl. Schoen (2001), S. 105.
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Konzeptionelle und empirische Befunde der CoP-Literatur Die Basis für die Argumentation, wodurch bzw. wie CoPs die organisationale Leistung beeinflussen, bilden der ressourcenbasierte Ansatz und seine entsprechenden Weiterentwicklungen, der wissens- sowie kompetenzbasierte Ansatz. Die wesentliche Aussage dieser Ansätze ist: Ausschlaggebend für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg sind Wissen und Kompetenzen sowie die dynamische Fähigkeit, sich an Umweltveränderungen anzupassen.875 Das Wissen, welches ein Unternehmen zur Leistungserfüllung benötigt, ist stets auf unterschiedliche Organisationsmitglieder und -kontexte verteilt.876 Folglich resultiert die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens vor allem aus der Fähigkeit, bereits vorhandenes Wissen (z.B. die Expertise seiner Mitarbeiter) zu integrieren. Unternehmen können als Institution zur Integration von Wissen verstanden werden.877 COENENBERG bemerkt dazu treffend: „Die Leistungsfähigkeit eines ... Systems hängt nicht primär von der Qualität seiner Elemente ab, sondern wird entscheidend durch das zwischen ihnen bestehende Beziehungsnetzwerk bestimmt.“878
Das bedeutet, dass den Mitarbeitern mehr und mehr Möglichkeiten und Wege zur Verfügung stehen müssen, miteinander in Verbindung zu treten und relevantes Wissen auszutauschen.879 Vor allem ein Transfer über Subsystem-Grenzen (d.h. verschiedene organisationale Einheiten) ist notwendig. Es gibt jedoch, wie die Praxis zeigt, gerade bei dieser vorwiegend lateralen Kommunikation signifikante Brüche.880 CoPs können dazu beitragen, diese Brüche zu überwinden und die Kommunikation zwischen Mitarbeitern verschiedener Teams, Abteilungen etc. zu fördern. Durch die Interaktion in der CoP können Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern aufgebaut und/oder gepflegt werden. Es können Verbindungen zu Personen mit gleichem fachlichem Hintergrund, die meist durch die in vielen Unternehmen vorherrschende Projektstruktur unterbrochen sind, eingegangen und/oder wiederhergestellt werden.881 Die sozialen Beziehungen zwischen den CoP-Mitgliedern, welche sich auf der Basis einer gemeinsamen Praxis sowie einer gemeinsamen sozialen Identität entwickeln, stellen die Grundlage für den Wissenstransfer in CoPs dar.882 Aus der Perspektive der Theorie des sozialen Kapitals lässt sich schlussfolgern, dass 875 876 877 878 879 880
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Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2. Siehe Tsoukas (1996), S. 22: „[…] those involved cannot know all that they need to know“. Vgl. z.B. Grant (1996a), S. 380; Nonaka (1994); Teigland (2003), S. 125f. Coenenberg (1966), S. 78. Vgl. Tsoukas (1996), S. 22. Vgl. Katz/Kahn (1978), S. 435ff sowie dort zitierte Quellen. COENENBERG diskutiert drei Arten von Kommunikationsstörungen: technisch bedingte Störungen, semantische Störungen (mangelnde Strukturgleichheit zwischen der Phase der Informationsabgabe und der Phase der Informationsaufnahme) sowie psychologische Störungen bei der Informationsabgabe und -aufnahme. Vgl. Coenenberg (1966), S. 43ff. Vgl. Wenger/Snyder (2000b), S. 141. Vgl. Swan et al. (2002), S. 479.
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durch diese Vernetzung die Mitglieder Zugänge zu verschiedenen Informationsquellen haben. Wie TEIGLAND/WASKO feststellen, führen mehr Informationsquellen und Kommunikationswege dazu, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, Wissen auszutauschen und neu zu entwickeln. Das Resultat ist eine verbesserte organisationale Leistung883, denn durch den internen Wissenstransfer lassen sich Kosteneinsparungen, schnellere Reaktionszeiten und Qualitätsverbesserungen realisieren.884 Darüber hinaus helfen CoPs, das menschliche Grundbedürfnis nach Kommunikation zu befriedigen.885 Auch dies hat Einfluss auf die organisationale Leistung. Soziale Netzwerke können als Nervensystem verstanden werden, d.h. analog zur Funktion beim Menschen als Steuerungssystem kollektiven Denkens, Handelns und Reagierens.886 Sie sind damit ein grundlegender Einflussfaktor des organisationalen Erfolgs. Insbesondere die Rolle von informalen sozialen Netzwerken in Organisationen wird in der Literatur betont.887 Beispielsweise stellen CROSS et al. fest: „Put an org chart [Organigramm/schematische Darstellung der formalen Organisationsstruktur, A.d.A.] in front of any executive and he or she will tell you that the boxes and lines only partially reflect the way things are done in the organization.”888
KATZ/KAHN diskutieren die Bedeutung der informalen Kommunikation und weisen darauf hin, dass sie vielfach schneller als die Informationsweitergabe über formale Strukturen ist.889 Dies ist auch ein wesentlicher Aspekt bei der Betrachtung der Auswirkungen von CoPs. Im Gegensatz zu anderen Ressourcen verliert Wissen durch seine Anwendung nicht an Wert. Vielmehr erhöht sich sein Nutzenpotential durch den Transfer in andere Anwendungsbereiche, die Integration von zusätzlichen Wissensinhalten oder die Kombination mit anderen Ressourcen.890 DAVENPORT/PRUSAK postulieren, dass Wissen erst dann zu einem wertvollen Vermögenswert wird, wenn es zugänglich ist.891 CoPs fördern die Zugänglichkeit zum Wissen verschiedener Organisationsmitglieder und den Austausch von Wissen.892 Aufgrund des stark fragmentierten Wissens ist es für Problemlösungen unabdingbar, dass Organisationsmitglieder wissen, wer über welches Wissen verfügt.893 Auch dieses Wissen über das Wissen anderer wird durch die Interaktion in der CoP 883 884 885 886 887 888 889 890 891
892 893
Vgl. Teigland/Wasko (2003), S. 262. Vgl. von Krogh/Köhne (1998), S. 248. Vgl. North et al. (2004), S. 36. Vgl. Krackhardt/Hanson (1993), S. 104. Vgl. z.B. Galbraith (1973). Cross et al. (2002), S. 68. Vgl. Katz/Kahn (1978), S. 449. Vgl. z.B. Al-Laham (2003), S. 171; Pawlowsky (1994), S. 7. Vgl. Davenport/Prusak (1998), S. 52. Zumindest gilt dies bezüglich des Wissensaustauschs innerhalb eines Unternehmens. Vgl. z.B. Enkel et al. (2002), S. 120; Millen et al. (2002), S. 71. Vgl. Akgün et al. (2005), S. 1105f; Alavi/Tiwana (2002), S. 1029ff.
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unterstützt. Die bessere Zugänglichkeit, der aktive Wissenstransfer und eine damit einhergehende erhöhte Wissenstransparenz sind die Basis dafür, Lösungen für tägliche Probleme grundsätzlich bzw. schneller zu finden und Synergieeffekte zu erzielen.894 Doppelarbeiten können folglich vermieden werden, die Effektivität verbessert sich.895 Darüber hinaus können sich neue Mitarbeiter durch die Interaktion mit anderen schneller einarbeiten.896 Der geringere zeitliche Aufwand für das Auffinden von Informationen sowie die Tatsache, dass bereits in der Organisation vorhandene Lösungen adaptiert werden können, führen zu effizienteren Problemlösungen und damit einer gesteigerten Produktivität der Mitarbeiter. Dies lässt sich auch anhand der Theorie der Stärke schwacher Beziehungen begründen: Schwache Beziehungen gehen mit zahlreichen neuen, nicht-redundanten Informationen einher, die den Mitgliedern bei ihrer Aufgabenerfüllung helfen. Dies kann wiederum Ressourcen für andere Arbeiten freisetzen. Des Weiteren können durch die ausgetauschten Informationen Prozesse im Unternehmen optimiert werden.897 Die diskutierten Auswirkungen bzw. Ressourceneinsparungen basieren auch auf den individuellen, kollektiven und organisationalen Lernprozessen, die durch den Austausch in der CoP ausgelöst bzw. gefördert werden. Wissen, die wertvollste Ressource einer Organisation, wird vor allem durch Rekombination und den Austausch von existierendem Wissen gewonnen.898 Dabei sind Aktivitäten in sozialen Netzwerken besonders förderlich899, denn nach der sozialen Theorie des Lernens sind Lernprozesse in erster Linie Gruppenprozesse.900 Die Interaktion der Community-Mitglieder mit einhergehendem Modell- bzw. Imitationslernen ermöglicht eine Verringerung der eigenen Lernerfahrungen und damit eine Verkürzung der Lernzeiten.901 Lernkurveneffekte resultieren vor allem aus Übungsgewinnen. Das bedeutet, CommunityMitglieder können von Erfahrungen anderer lernen. Dies hat entsprechende Folgen, z.B. eine schnellere und/oder bessere Problemlösung, wodurch die Produktivität der Mitglieder erhöht wird. Wesentlich dabei ist, dass nicht nur Erfolgsgeschichten erzählt, sondern auch Fehler diskutiert werden. Die Kombination aus beidem ist notwendig, um entsprechende Schlussfolgerungen ziehen zu können.902 Organisationales Lernen bedeutet die Gewinnung von Wissen zur Erweiterung der Handlungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz.903 Es entwickelt als absorptive Kapazität die 894 895
896 897 898 899 900 901 902 903
Vgl. Schoen (2001), S. 111. Vgl. Lesser/Storck (2001), S. 838f; North et al. (2000), S. 52; Schneider (2001), S. 78; Schoen (2001), S. 111. Vgl. Lesser/Storck (2001), S. 836f. Vgl. u.a. Enkel et al. (2002), S. 120; Lesser/Everest (2001), S. 39. Vgl. z.B. Kogut/Zander (1992); Nonaka (1994); Nahapiet/Ghoshal (1998). Vgl. Araujo (1998); Brown/Duguid (1991); Weick/Westley (1996). Vgl. z.B. Lave/Wenger (1991), S. 54ff. Vgl. Schüppel (1996), S. 86. Vgl. Beckman/Haunschild (2002), S. 118f. Vgl. Probst/Büchel (1998), S. 9.
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Grundlage für die Fähigkeit, Wissen schneller und intensiver zu generieren904 und ermöglicht einer Organisation dadurch eine effektivere und effizientere Leistungserfüllung. Organisationales Wissen befähigt eine Organisation dazu, vorhandene Ressourcen und Kompetenzen zu nutzen, zu koordinieren und zu kombinieren.905 CoPs fördern die Entwicklung von (Kern-)Kompetenzen und organisationalem Wissen. Darüber hinaus entsteht auch Wissen über die eigenen Kompetenzen. LIEDTKA fasst dies anschaulich zusammen: CoPs haben das Potential „[…] to prosper in today’s marketplace through creating and sustaining powerful new sources of competitive advantages, termed metacapabilities.”906 Diese Metakompetenzen sind die wesentliche Basis für zukünftiges organisationales Lernen und damit die Wandel-, Reaktions- und Zukunftsfähigkeit der Organisation.907 Funktionale Organisationseinheiten oder Projektteams ermöglichen aufgrund ihrer klaren Aufgaben- und damit einhergehenden konsequenten Ergebnisorientierung wenig Raum zum Lernen. CoPs hingegen unterstützen eine Form der Zusammenarbeit, in der die beiden Aktivitäten Lernen und Arbeiten idealerweise zusammenfinden.908 Diese Kombination ist, wie zahlreiche Autoren betonen, der Schlüssel zum Erfolg im Umgang mit Wissen909, da Lernprozesse, die im Kontext von Handeln stattfinden, besonders erfolgreich sind. Bereits mehrfach erwähnt wurde die lernförderliche bzw. kreativitätsfördernde Atmosphäre in CoPs. Der wettbewerbsfreie Raum in Kombination mit einer sozialen Identität, Vertrauen und Verständnis stimuliert die Diskussion und den Austausch von Ideen. In einem solchen Umfeld sind Individuen eher bereit, implizite Annahmen und Denkmuster zu offenbaren und die eigene Position in Frage zu stellen. Sie gestehen persönliche Fehler ein, statt beharrlich die eigene Position gegenüber vermeintlichen Konkurrenten zu vertreten.910 Die Mitglieder werden dazu ermutigt, neue Ideen zu äußern.911 Unterstützend wirkt auch eine gewisse Heterogenität zwischen den Mitgliedern912: Entsprechend ihres fachlichen Hintergrundes und ihrer diversen Erfahrungen bringen die Mitglieder anderes Wissen und unterschiedliche Denkweisen ein. Dies bereichert den Austausch in der Community und kann zu neuartigen Erkenntnissen und Lösungen führen.913 Gemeinsam entwickelte kognitive Modelle, ein gemeinsames Vokabular, geteilte Werte und Normen etc. beeinflussen zukünftige individuelle, kollektive und organisa904 905 906 907 908 909
910 911 912 913
Vgl. von Wartburg (2000), S. 210f. Vgl. z.B. Tsoukas/Vladimirou (2001), S. 981. Liedtka (1999), S. 5, H.i.O. Vgl. Snyder (1996), S. 158ff; Teece et al. (1997), S. 515f. Vgl. Henschel (2001), S. 43. Vgl. z.B. Brown/Duguid (1991), S. 40ff; Gherardi et al. (1998), S. 275ff; Leonard-Barton (1995), S. 59ff; Nonaka/Takeuchi (1995). Vgl. Henschel (2001), S. 61. Vgl. Millen et al. (2002), S. 70f. Siehe dazu auch die Diskussion zur kognitiven Distanz im Abschnitt 4.4.2.2. Der Aspekt Heterogenität spielt auch bei der Zusammensetzung von (Innovations-)Teams eine bedeutende Rolle. McDermott/O'Connor (2002), S. 432f.; Sapsed et al. (2002), S. 77f.
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tionale Lernprozesse. Ein gleiches bzw. ähnliches Wissensniveau, einhergehend mit einer gemeinsamen Sprache, bestimmt maßgeblich die Effizienz der Integration von Wissen.914 Innovationen gehen mit der Synthese von neuem Wissen und existierendem Wissen, organisationalen Praktiken und Artefakten einher.915 O’DONNELL et al. stellen fest: „Stocks and flows of ‚knowing’ are viewed as central in generating new ideas and imaginings and then leverageing these into value“916, d.h. in CoPs generierte Ideen, Problemlösungen sowie die Rekonfiguration, Kombination und Integration von Wissen sind Auslöser für Innovationen917. Auch BROWN/DUGUID unterstreichen, dass CoPs Arbeiten, Lernen und Innovieren kombinieren918: „[T]he process of innovating involves actively constructing a conceptual framework, imposing it on the environment, and reflecting on their interaction. With few changes, this could be a description of the activity of inventive, noncanonical groups, such as Orr’s reps [CoPs, A.d.A.], who similarly “ignore precedent, rules, and traditional expectations” and break conventional boundaries.”919
Innovationen sind in der heutigen Welt nicht mehr allein eine Frage der Genialität einzelner Persönlichkeiten, sondern sie sind das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Personen.920 Die soziale Interaktion mit anderen Organisationsmitgliedern, die durch die CoP ermöglicht wird, und damit einhergehendes „lerning-in-actual-practice” „[...] allows innovators to go across formal lines and levels in the organization to find what they need”921. Die Entwicklung von innovativem Wissen wird gefördert.922 Gleichzeitig wird durch eine gesteigerte absorptive Kapazität die Verwertung des generierten Wissens, d.h. die Umsetzung von Ideen in Produkt- und Prozessinnovationen, erhöht.923 Radikale Innovationen, die Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation924, basieren vor allem auf individuellem implizitem Wissen, d.h. den nicht explizierbaren Erfahrungen und dem Kontextwissen der Wissensträger.925 Wie beschrieben, unterstützt die Interaktion zwischen den Community-Mitgliedern durch Externalisierungs- und Sozialisierungsprozesse den Austausch impliziten Wissens. Dieser Wissens- und Kontexttransfer, das 914 915 916 917
918 919 920 921 922
923 924 925
Vgl. Grant (1996a), S. 380. Vgl. Schumpeter (1968), S. 65f. Vgl. O'Donnell et al. (2003), S. 83. Vgl. Grant (1996a), S. 382. Nach HAUSCHILDT ist der Innovationsprozess ein Informationsprozess, der aus Informationssuche, Informationsverarbeitung und Informationstransfer besteht. Vgl. Hauschildt/Kirchmann (2001), S. 43. Vgl. Brown/Duguid (1991), S. 53. Brown/Duguid (1991), S. 51. Vgl. Gebert (2002), S. 19; Gemünden/Högl (2001); Gemünden et al. (1996), S. 449f. Kanter (1988), S. 190. Vgl. z.B. Büchel/Raub (2002), S. 588; Deloitte (2001), S. 11; Enkel et al. (2002), S. 120; Storck/Hill (2000), S. 70ff. Vgl. Cohen/Levinthal (1990), S. 129ff; Cook/Brown (1999), S. 393; von Wartburg et al. (2004), S. 17. Vgl. z.B. Hamel (2001), S. 150; Lynn et al. (1996), S. 80. Vgl. Choo (1998), S. 119; Leonard/Sensiper (1998), S. 116; Masitelli (2000), S. 179ff.
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kollektive Wissen sowie das kreativitätsfördernde Umfeld einer CoP begünstigen die Generierung radikaler Innovationen. Durch den Transfer von explizitem Wissen helfen CoPs aber auch, inkrementales Verbesserungs- und Innovationspotential zu identifizieren926: „[…] unanticipated opportunities are being discovered and ideas for improved services captured and realised that, otherwise, would have been lost.”927 Hier muss darauf verwiesen werden, dass, wie LEONARD-BARTON diskutiert, Kernkompetenzen bzw. Kernrigiditäten im Kontext von Innovation durchaus eine paradoxe Rolle zukommt928: Sie bilden die Grundlage für Innovation, aber gleichzeitig können sie diese auch ver-/behindern. Eine ständige, sukzessive Verbesserung existierender Kernkompetenzen wirkt dem Experimentieren mit neuen Ressourcen entgegen.929 Es besteht demnach ein Konflikt zwischen kreativer Erneuerung und der Nutzung vorhandener organisationaler Fähigkeiten. Insbesondere bei radikalen Innovationen ist diese Problematik relevant, da hier die Entwicklung neuer Kompetenzen „abseits der alten Pfade“ notwendig ist.930 Im Kontext von CoPs hat der beschriebene Konflikt weniger Bedeutung, da mit der Fluktuation der Mitglieder und damit einhergehenden neuen Impulsen eine laufende Weiter- und Neuentwicklung von (Kern-) Kompetenzen verbunden ist. SNYDER, der sowohl konzeptionell als auch empirisch Mechanismen untersucht, die organisationales Lernen und die Leistung einer Organisation miteinander verbinden, betont die Rolle von CoPs: Die Fähigkeiten einer Organisation zu lernen, wird in großem Maße von der Stärke ihrer CoPs bestimmt.931 DOUGHERTY stellt fest, dass erfolgreiche innovative Unternehmen die Fähigkeit besitzen, ihre organisationalen CoPs effektiv zu kultivieren, zu unterstützen und zu nutzen.932 LESSER/EVEREST fassen zusammen: „Communities of practice help to foster an environment in which knowledge can be created and shared and, most important, used to improve effectiveness, efficiency and innovation. Communities help bring together people, their knowledge of day-to-day work practices, and their artefacts and tools that they use to solve problems and address customer needs.”933
Auf der Grundlage dieser Ausführungen werden als Auswirkungen von CoPs bezüglich der organisationalen Leistung folgende Aspekte erfasst: Effektivität (Verringerung von Doppelar926 927 928
929 930 931
932 933
Vgl. Koen et al. (2004), S. 95. Breu/Hemingway (2002), S. 150. „Values, skills, managerial systems, and technical systems that served the company well in the past and may still be wholly appropriate for some projects or parts of projects, are experienced by others as core rigidities – inappropriate sets of knowledge.” (Leonard-Barton (1992), S. 118). Vgl. zur nachfolgenden Diskussion Leonard-Barton (1992), S. 112ff. Vgl. Levitt/March (1988), S. 322f. Vgl. z.B. Zahn et al. (2000), S. 57. Vgl. Snyder (1996), S. 169ff. Organisationales Wissen mediiert die Beziehung zwischen organisationalem Lernen und organisationaler Performance (vgl. Spender/Grant (1996), S. 13). Vgl. Dougherty (2001), S. 628ff. Lesser/Everest (2001), S. 41.
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beit), Lernkurveneffekte (schnellere Einarbeitung neuer Kollegen), Erhöhung der Produktivität der Mitglieder, Optimierung von Unternehmensprozessen, Generierung von Innovationen. Diese verschiedenen Aspekte werden (z.T. unterschiedlich detailliert bzw. fokussiert) in der CoP-Literatur diskutiert, wie Tab. 4-5 verdeutlicht. Erfolgswirkung Effektivität: Weniger Doppelarbeit, Effektivität Lernkurveneffekte: Verringerte Einarbeitungszeit, weniger Fehlerwiederholungen, Zeitersparnis, kürzere Entwicklungszeiten, Geschwindigkeit Produkt/ Service Produktivität: Effizienz, Qualität des entwickelten Wissens, bessere Problemlösungen/Aufgabenerfüllung, Produktivität, Kostenersparnis Prozessoptimierung: Prozessoptimierung, bessere Nutzung des Wissens, Synergiepotentiale/-effekte, Asset Optimization Innovation: Innovationsfähigkeit, Kreativität, Innovationsgrad, Produkt/ServiceQualität, neue Geschäfte, bessere Kundenorientierung
Autoren LESSER/STORCK (2001)*; RUUSKA (2005)**; SCHOEN (2001) BÜCHEL/RAUB (2002)*; FONTAINE/MILLEN (2004)*; LESSER/EVEREST (2001); LESSER/STORCK (2001)*; MCDERMOTT (2002); MILLEN et al (2002)*; SCHENKEL/TEIGLAND (2002)*; SCHOEN (2001); WENGER/SNYDER (2000) DELOITTE (2001); FONTAINE/MILLEN (2004)*; HENSCHEL (2001)*; MCDERMOTT (2002); MILLEN et al (2002)*; ORR (1990)*; SCHOEN (2001); Schenkel et al. (2001)*; SCHENKEL/TEIGLAND (2002)*; STORCK/HILL (2000)* DELOITTE (2001); ENKEL et al. (2002); FRANZ et al. (2002)* HENSCHEL (2001)*; LESSER/EVEREST (2001); SCHOEN (2001)
BREU/HEMINGWAY (2002)*; BÜCHEL/RAUB (2002)*; DELOITTE (2001); ENKEL et al. (2002); FRANZ et al. (2002)*; FONTAINE/MILLEN (2004)*; HENSCHEL (2001)*; HISLOP (2003)*; LESSER/EVEREST (2001); LESSER/STORCK (2001)*; MILLEN et al (2002)*; REINMANN-ROTHMEIER (2000); RUUSKA (2005)**; SCHOEN (2001); STORCK/HILL (2000)*; WENGER (1998b)* * qualitativer Befund; ** quantitativer Befund Tab. 4-5: Auswirkungen von CoPs auf der organisationalen Ebene – Organisationale Leistung
Auch hinsichtlich der organisationalen Leistung gibt es kaum Erkenntnisse von quantitativen Studien. In den nachfolgenden Ausführungen werden relevante Befunde anderer Forschungsbereiche vorgestellt, die o.g. Dimensionen bestätigen. Empirische Befunde anderer Forschungsbereiche Unternehmen sind durch Arbeitsteilung und Funktionsdifferenzierung gekennzeichnet. Diese notwendige Differenzierung fördert einerseits die Heterogenität der Sichtweisen der Mitarbeiter und damit das kreative Potential. Andererseits sind damit gravierende Kommunikationsschwierigkeiten verbunden, welche nachteilig auf die betriebliche Leistungserbringung wirken. Es ist ein immer wieder bestätigter Befund der betriebswirtschaftlichen Forschung, dass formale Kommunikationskanäle weniger hilfreich dafür sind, Innovationen zu begünstigen. Informationen und Ideen werden vor allem über informelle Netzwerke weitergegeben.934 Wie 934
Vgl. Gebert/von Rosenstiel (2002), S. 156.
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verschiedene Autoren im Kontext von F&E-Teams bzw. Innovation nachweisen, spielt insbesondere die informale Kommunikation mit Personen außerhalb der eigenen organisatorischen Einheit eine große Rolle für den Austausch und Transfer von relevantem Wissen.935 Diese wird durch die Interaktion zwischen den verschiedenen CoP-Mitgliedern, die i.d.R. Mitglieder verschiedener organisatorischer Einheiten sind, begünstigt. MONGE et al. zeigen, dass zwischen der Kommunikation in Gruppen und der Generierung von innovativen Ideen ein positiver Zusammenhang besteht.936 ORLIKOWSKI bestätigt diese Erkenntnis anhand ihrer Untersuchungsergebnisse zu globalen Produktentwicklungsprozessen in einem multinationalen Unternehmen. Darüber hinaus betont die Autorin die Bedeutung von kollektivem Wissen und gemeinsamen alltäglichen Praktiken für Innovationen.937 Diese werden über technische, geographische, politische und kulturelle Grenzen hinweg geteilt und verbreitet, beispielsweise im Rahmen von zeitlich befristeten Auslandseinsätzen von Mitarbeitern.938 ATUAHENE-GIMA zeigt, dass Kompetenzexploration und die Verwertung von bestehenden Kompetenzen sowohl für radikale als auch für inkrementale Produktinnovationen wesentlich sind.939 Auch MOHRMAN et al. untersuchen Erfolgsfaktoren des Produktentwicklungsprozesses. Aus einer wissensbasierten Perspektive940 betonen die Autoren bei der Herleitung ihres Modells (u.a.) die Rolle von „boundary spanning structures“941. Darunter verstehen sie formale Strukturen, wie z.B. cross-funktionale (interfunktionale) Teams oder Produktzirkel/-komitees, die den Austausch von Wissen zwischen verschiedenen Bereichen und damit Problemlösungen fördern.942 Die Ergebnisse des Modells zeigen jedoch einen relativ geringen Einfluss der formalen grenzüberschreitenden Strukturen auf „knowledge outcome“ und Effektivität. Dies bestätigt die von vielen Autoren vertretene These, dass der Austausch und die Anwendung von existierendem Wissen vor allem über informale Strukturen wie z.B. CoPs stattfinden.943 Eine Vielzahl von Untersuchungen widmet sich den Auswirkungen von sozialen Netzwerken auf Innovationen bzw. die allgemeine organisationale Leistung. Dabei werden in Abhängigkeit von der gewählten Netzwerkperspektive (intra- oder interorganisationale Netzwerke) ver935 936 937
938 939 940
941
942 943
Vgl. Allen et al. (1979); Carter/Williams (1957); Kanter (1988); Meißner (1988); Tushman/Katz (1980). Vgl. Monge et al. (1992), S. 264f. „[A]nother important aspect of Kappa’s [das untersuchte Unternehmen, A.d.A.] success is grounded in the everyday practices through which Kappa members constitute a collective competence in knowing how to deliver innovative yet complex products in timely fashion.” (Orlikowski (2002), S. 256). Vgl. Orlikowski (2002), S. 265ff. Vgl. Atuahene-Gima (2005), S. 77ff. Der Produktentwicklungsprozess wird als „Sensemaking-Prozess“ verstanden. Vgl. Mohrman et al. (2003), S. 7. Die Literatur zur Innovationsforschung belegt die Bedeutung von „boundary spanning“ Strukturen für die Neuproduktentwicklung, z.B. cross-funktionale Teams. Vgl. ebenda, S. 11, dort zitierte Quellen sowie z.B. Denison et al. (1996); Holland et al. (2000); Pinto et al. (1993); Salomo et al. (2003). Vgl. Mohrman et al. (2003), S. 11ff. Vgl. Mohrman et al. (2003), S. 26.
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schiedene Leistungsparameter sowohl auf Team-/Projekt- als auch organisationaler Ebene analysiert. Die Team-Ebene wird in der nachfolgenden empirischen Untersuchung nicht betrachtet. Da jedoch das Ziel dieser Ausführungen ist, die Inhalte des Konstruktes organisationale Leistung grundsätzlich herzuleiten und zu begründen, werden nachfolgend auch relevante Ergebnisse von Team-Studien aufgeführt. Den Ausgangspunkt der Diskussion bildet die Feststellung von BURT, dass vor allem soziales Kapital ökonomischen Erfolg bestimmt.944 Die Netzwerkstruktur (d.h. das Muster der formalen und informalen Beziehungen) und die damit verbundenen Beziehungsressourcen zwischen Mitarbeitern einer Einheit sowie verschiedener organisatorischer Einheiten beeinflussen Leistungserfüllung der Einheit bzw. der Organisation.945 Insbesondere eine Grenz- bzw. Gruppenüberschreitende Kommunikation ist dabei von Bedeutung.946 Dies bestätigen die Ergebnisse verschiedener Studien nachhaltig. Die bereits zitierten Untersuchungen von ALLEN und seinen Schülern zeigen, dass die Ergebnisse von F&E-Projekten u.a. von der Anzahl der Gatekeeper (d.h. Personen mit vielen internen und externen Kontakten) beeinflusst wurden.947 Auch die Ergebnisse von REAGANS/ZUCKERMAN belegen die positive Wirkung von Beziehungen der Team-Mitglieder zu teamexternen Personen auf das Ergebnis von F&E-Projekten.948 Die von BURT postulierte These, dass das Überbrücken von strukturellen Löchern zu vielfältigen, nicht-redundanten Informationen und diese zu entsprechenden Vorteilen führen949, wird erneut bestätigt: „[C]ommunication ties which cut across demographic boundaries – and the different sets of information, experiences, and outlooks that such boundaries divide – enriches the research process and promotes greater productivity.”950
Die Arbeit in komplexen und durch hohe Unsicherheit charakterisierten Innovations- bzw. F&E-Projekten erfordert Informationen von außen, d.h. anderen organisatorischen Einheiten. Über die persönlichen Netzwerke der Team-Mitglieder können diese benötigten Informationen beschafft werden.951 Insbesondere bei kleineren Projekten sind die Mitglieder auf Informationen anderer angewiesen. Mit den ins Team gebrachten Informationen können bessere strategische und operationale Entscheidungen getroffen und auf dieser Grundlage die Teamleistung verbessert werden.952 Dabei sorgt eine gewisse Heterogenität zwischen den Team944 945 946
947 948 949 950 951 952
Vgl. Burt (1992), S. 9 Vgl. Brass (1984) sowie die Ausführungen bei Brass et al. (2004), S. 801f. Vgl. Ancona/Caldwell (1990); Ancona/Caldwell (1992); Gladstein (1984) sowie die Diskussion bei Oh et al. (2004), S. 860. Vgl. Katz/Tushman (1979); Tushman (1977); Tushman/Katz (1980). Vgl. Reagens/Zuckerman (2001), S. 512f. Vgl. Burt (1992) Reagens/Zuckerman (2001), S. 512, H.d.A. Vgl. Hoegl et al. (2003), S. 471f. Vgl. Balkundi/Harrison (2006), S. 54.
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Mitgliedern für qualitativ bessere Entscheidungen und ein höheres Potential für kreative/innovative Problemlösungen.953 OH et al. bemerken: „[I]f a group has quick access to timely information, diverse ideas, and critical instrumental, political, and emotional resources because its members’ external connections to diverse groups, it is more likely (compared to a group with less diverse connections) to come up with creative decisions and to have the necessary leverage to implement these decisions […] Better performance results for the group with diverse connections.”954
Die Autoren betonen aufgrund ihrer Untersuchungsergebnisse von Arbeitsgruppen verschiedener Unternehmen vor allem die Bedeutung von Beziehungen zwischen Gruppenmitgliedern und anderen Gruppenleitern.955 Wie nützlich bzw. wesentlich soziales Kapital und darin enthaltene Beziehungsressourcen für organisatorische Einheiten sind, zeigen die Netzwerkuntersuchungen von TSAI/GHOSHAL, TSAI, HANSEN. TSAI/GHOSHAL können u.a. nachweisen, dass mit einer zentralen Netzwerkposition ein höheres Potential zum Austausch und zur Kombination von Ressourcen und damit eine höhere Innovativität einhergehen.956 Aus unterschiedlichen Positionen im Netzwerk resultieren unterschiedliche Möglichkeiten „[...] to access new knowledge that is critical to developing new products or innovative ideas“ und damit andere „opportunities for shared learning, knowledge transfer, and information exchange.“957 TSAI analysiert neben der Bedeutung der Position einer organisatorischen Einheit im intraorganisationalen Netzwerk den Einfluss der Fähigkeit, externes Wissen zu erhalten und für sich zu nutzen (d.h. der absorptiven Kapazität958), auf Innovativität bzw. Leistung. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Netzwerkposition als auch die Absorptionskapazität der Einheit ihre Fähigkeit zur Innovation positiv beeinflussen. Mit dem Innehaben einer zentralen Position im Netzwerk ist ein leichterer Zugang zu nützlichem Wissen verbunden. Die absorptive Kapazität ist gleichzeitig wesentliche Voraussetzung dafür, externes Wissen überhaupt aufnehmen und anwenden zu können. In der Studie konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen Absorptionskapazität und der wirtschaftlichen Leistung der Einheit, jedoch kein signifikanter Zusammenhang zwischen Netzwerkposition und der Leistung gefunden werden. Eine zentrale Netzwerkposition einer Einheit führt nicht zwangsläufig zu einer höheren wirtschaftlichen Leistung. Zu dieser kommt es nur, wenn die Gruppe auch in der Lage ist, das externe Wissen zu absorbieren (moderierender Einfluss der Absorptionskapazität).959 Im CoP-Kontext wird, 953 954 955 956 957 958 959
Vgl. Beckman/Haunschild (2002), S. 94ff; Reagens/Zuckerman (2001), S. 512. Oh et al. (2004), S. 864f. Vgl. Oh et al. (2004), S. 868f. Vgl. Tsai/Ghoshal (1998), S. 472. Tsai (2001), S. 997 bzw. Tsai (2001), S. 1002. Vgl. Cohen/Levinthal (1990). Vgl. Tsai (2001), S. 1001ff. Mit dem Inhaben einer zentralen Netzwerkposition geht auch ein entsprechender Koordinationsaufwand bzw. entsprechende Kosten einher.
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von einer innovations- und leistungsfördernden Wirkung ausgegangen. Dies basiert auch auf der Tatsache, dass durch CoPs die Absorptionsfähigkeit erhöht wird. In einer nachfolgenden Untersuchung kann TSAI erneut bestätigen, dass informale Strukturen positiv auf den Wissenstransfer zwischen verschiedenen Einheiten eines Unternehmens wirken.960 Auch HANSEN belegt in seinen Untersuchungen den grundsätzlich positiven Einfluss informaler Beziehungen zwischen verschiedenen Einheiten eines Unternehmens und damit erschlossenen Ressourcenzugängen auf die Dauer von Neuproduktentwicklungsprojekten.961 Abteilungen, die über wenige Intermediäre andere Abteilungen, die verwandtes Wissen besitzen, erreichen, erwarben von diesen mehr relevantes Wissen und konnten dadurch ihre Projekte schneller vollenden.962 Über die CoP-Mitgliedschaft geknüpfte Beziehungen können dazu beitragen, direkte Beziehungen zu anderen Abteilungen aufzubauen. Darüber hinaus verweist HANSEN darauf, dass schwache bzw. indirekte Beziehungen im Vergleich zu starken bzw. direkten Beziehungen weniger Aufwand zur Pflege bedürfen. Informationen werden daher über schwache Beziehungen „kostengünstiger“ erlangt und die eingesparte Zeit kann ins Projekt investiert werden.963 Unter Berücksichtigung der potentiellen Nachteile von sozialen Netzwerken, die bereits diskutiert wurden, sei an dieser Stelle zusätzlich darauf verwiesen, dass persönliche Konflikte zwischen Mitgliedern einer bzw. verschiedener Gruppen durchaus negativ auf das Gruppenergebnis wirken können.964 Aufgrund der besonderen Eigenschaften von CoPs wird diese Problematik als wenig relevant betrachtet. Auch wenn die vorgestellten Untersuchungen unterschiedliche Schwerpunkte haben und anhand der Ergebnisse nicht alle postulierten Zusammenhänge bestätigt werden können, so bekräftigen sie dennoch die grundsätzliche Bedeutung von intraorganisationalen Netzwerken für den Zugang zu Wissen und Kompetenzen. Die Entwicklung solcher „interunit links“ ist jedoch nicht immer einfach.965 Die soziale Interaktion zwischen verschiedenen Organisationsmitgliedern im Rahmen von CoPs vereinfacht den Aufbau und die Pflege solcher bereichsübergreifenden Beziehungen. Mit diesen können Distanzen in sozialen Netzwerken überbrückt werden, d.h. CoPs könnten dabei helfen, strukturelle Löcher zu überwinden.966 Zusammenfassend: Auf der Grundlage der vorangegangenen Ausführungen beinhaltet das Konstrukt organisationale Leistung folgende Aspekte, die durch die Existenz von CoPs beeinflusst werden: Effektivität (Verringerung von Doppelarbeiten), Lernkurveneffekte (schnellere Einarbeitung von neuen Kollegen), Prozessoptimierung (Optimierung von Unternehmenspro960 961 962 963 964 965 966
Vgl. Tsai (2002), S. 185ff. Vgl. Hansen (1999); Hansen (2002). Vgl. Hansen (2002), S. 244. Vgl. Hansen (1999), S. 105; Hansen (2002), S. 233ff. Vgl. dazu Brass et al. (2004), S. 801f. Vgl. Tsai (2000), S. 926f. Vgl. Burt (1992).
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zessen), Produktivität (Erhöhung der Produktivität der Mitglieder), Innovation (Generierung von Innovationen). 4.4.3.2.3 Kooperationspotential Die dritte Erfolgsdimension auf der organisationalen Ebene Kooperationspotential betrifft eine Veränderung des Potentials zur betrieblichen Zusammenarbeit im Unternehmen. Lange Zeit wurde die Bedeutung von persönlichen Beziehungen und Netzwerken für „[...] generating trust, in establishing expectations, and in creating and enforcing norm“967 nicht beachtet. Auch in der Literatur zu den Erfolgswirkungen von CoPs wird dieser Aspekt bis dato kaum berücksichtigt. Die intraorganisationale Kooperation ist eine wesentliche Voraussetzung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und nachhaltigen unternehmerischen Erfolg. Aufgrund der zu Beginn dieser Arbeit diskutierten Herausforderungen, denen sich Unternehmen in der heutigen Zeit stellen müssen968, besteht die zwingende Notwendigkeit, dass Mitarbeiter zusammenarbeiten können. Das Kooperationspotential wird daher neben den Erfolgsdimensionen organisationale Wissensbasis und organisationale Leistung als dritte mögliche Auswirkung von CoPs betrachtet. Ein nicht zu unterschätzendes Ergebnis von CoPs stellt eine Kulturveränderung bzw. ein Kulturwandel dar.969 Dieser basiert auf der Tatsache, dass: „[...] social interaction plays a critical role both in shaping a common set of goals and values and in the sharing of those goals and values among an organization’s members.”970
Dazu trägt zum einen die Ausbildung einer gemeinsamen Sprache, eines gemeinsamen Kontexts innerhalb der CoPs bei. Dies ist identitätsstiftend.971 Nach der Theorie der sozialen Identität begründet sich dadurch ein Gefühl der Verlässlichkeit bzw. interpersonales Vertrauen; zunächst vor allem zwischen den Mitgliedern einer CoP. Wird die Gesamtorganisation betrachtet, lässt sich feststellen, dass es viele verschiedene CoPs gibt. Diese interagieren miteinander bzw. sind über einzelne Mitglieder, die Mitglieder anderer CoPs kennen, miteinander verbunden.972 Es wird postuliert, dass aufgrund der Tatsache, dass jemand ein Mitglied einer CoP ist (welcher CoP auch immer), diese Person als vertrauenswürdig eingeschätzt wird.973 Diese Person teilt ihr Wissen mit anderen Personen, ist hilfsbereit und engagiert sich. Des 967 968 969 970 971 972 973
Coleman (1988), S. 97. Siehe die Ausführungen im einleitenden Kapitel, Abschnitt 1.1 dieser Arbeit. Vgl. Reinmann-Rothmeier (2000), S. 13. Tsai/Ghoshal (1998), S. 466. Vgl. Orr (1990b); Reinmann-Rothmeier (2000), S. 13; Wenger (1998a), S. 3f; Wenger (1998b), S. 252. Vgl. Boland Jr./Tenkasi (1995), S. 352; Duguid (2005), S. 113. Vgl. Gebert (2002), S. 140f; Inkpen/Tsang (2005), S. 154; Meyerson et al. (1996), S. 167f. Siehe dazu auch die Ausführungen zum Vertrauen im Abschnitt 4.2.3.1.
Theoretischer Bezugsrahmen
175
Weiteren werden über die anderen Community-Mitglieder Kontakte zu anderen Organisationsmitgliedern hergestellt, die nicht notwendigerweise Mitglieder von CoPs sind. Positive Erfahrungen (beispielsweise durch das Beantworten von Fragen, Weiterleiten von Erfahrungen etc.) führen ebenfalls zur Entwicklung von Vertrauen zwischen den Organisationsmitgliedern. Zum anderen resultiert ein Kulturwandel auch aus der Anerkennung der Notwendigkeit des Wissenstransfers und der offensichtlich gelebten Bereitschaft, Wissen mit anderen zu teilen. Auch dies fördert die Entwicklung und Etablierung von Vertrauen zwischen den Mitarbeitern. BURT bemerkt: „The social capital of people aggregates into the social capital of organizations.“974 CoPs fördern per Definition die Interaktion von Mitgliedern verschiedener Teams, Abteilungen, Geschäftsbereiche etc. Anhand der Theorie des sozialen Kapitals lassen sich die Auswirkungen von CoPs bezüglich der in den Beziehungen zwischen den Mitgliedern verankerten und potentiellen Beziehungsressourcen spezifizieren: „connection, relationships, common context“975. Vernetzung, interpersonale Beziehungen, die durch Vertrauen geprägt sind, sowie ein gemeinsamer Kontext bilden die Basis für eine verbesserte Kooperation zwischen den Mitgliedern der CoPs, aber aufgrund der Vermittlung von Ansprechpartnern, Experten etc. auch zwischen CoP-Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern, d.h. anderen Organisationsmitgliedern. Die bereits angesprochene Kommunikation zwischen verschiedenen CoPs trägt ebenso zu einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Organisation bei.976 Zusammenfassend: Ausgehend von diesen Überlegungen werden nachfolgend zwei wesentliche Aspekte bezüglich des Kooperationspotentials betrachtet: Vertrauen bzw. Verlässlichkeit sowie eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern. 4.4.3.2.4 Zusammenhänge zwischen den Konstrukten Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es, die Zusammenhänge zwischen (a) der Community-Interaktionsqualität und den Ergebnis-Konstrukten der organisationalen Ebene sowie (b) den verschiedenen Ergebnis-Konstrukten der individuellen und organisationalen Ebene aufzuzeigen.
974 975
976
Vgl. Burt (1992), S. 9. Lesser/Storck (2001), S. 833. Dies entspricht der strukturellen, der relationalen sowie kognitiven Dimension von sozialem Kapital. Vgl. Nahapiet/Ghoshal (1998), S. 243. Vgl. Hislop (2003a), S. 179f. Der Autor beschreibt die Auswirkungen von CoPs und stellt u.a. fest, dass die Einstellungen, mit wem kooperiert werden soll, und das dementsprechende Verhalten der Mitglieder beeinflusst werden.
176
Theoretischer Bezugsrahmen
(a) Wirkung der Community-Interaktionsqualität auf die Konstrukte der organisationalen Ebene Die Wirkung der Community-Interaktionsqualität bzw. der darunter zusammengefassten Dimensionen Vertrauen, Kohäsion und Kommunikationsqualität wurde bezüglich der Auswirkungen von CoPs auf der individuellen Ebene bereits ausführlich diskutiert. Diese erfolgssteigernde Wirkung einer qualitativ hochwertigen Interaktion betrifft nicht nur die Ergebnisse auf der individuellen sondern auch der organisationalen Ebene. SNYDER stellt aufgrund seiner Untersuchungsergebnisse fest: “[T]he capacity of communities of practice to promote effective learning was dependent on the extent of genuine participation by community members and on the strength of personal relationships among them.”977
Interpersonales Vertrauen zwischen den Mitgliedern, Zusammenhalt sowie ein gutes Kommunikationsklima fördern den effektiven und effizienten Austausch zwischen den Community-Mitgliedern sowie individuelle und kollektive Lernprozesse. Untersuchungen von Teams belegen, dass in offen kommunizierenden Gruppen das Neukombinationspotential ausgeschöpft wird. Dies zeigt sich daran, dass die in der Gruppe realisierte Neukombination die Lösungsgüte des Einzelnen noch übertrifft. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Kreativität der Gruppe vor allem durch die Qualität des Kooperationsniveaus im Team und weniger durch die personalen Ressourcen der Team-Mitglieder erklärt wird. Das latent vorhandene Potential des Individuums wird durch die teamförderliche Kooperation manifest.978 Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Team- bzw. organisationale Leistung. Das im Kontext von Teams bestätigte Ergebnis kann auf CoPs übertragen werden. Auf der Grundlage dieser Befunde sowie der vorab diskutierten Wirkung von Vertrauen, Kohäsion und Kommunikationsqualität wird in der nachfolgenden Untersuchung postuliert, dass eine hohe Community-Interaktionsqualität die Auswirkungen von CoPs auf der organisationalen Ebene, d.h. auf die organisationale Wissensbasis, die organisationale Leistung sowie das Kooperationspotential, positiv beeinflusst. (b) Zusammenhang zwischen dem individuellen Nutzen, der Netzwerkposition und den Konstrukten der organisationalen Ebene Ausgangsbasis für die Diskussion des Zusammenhangs zwischen den Konstrukten der individuellen und organisationalen Ebene ist die Feststellung von NONAKA/TAKEUCHI:
977 978
Vgl. Snyder (1996), S. 169f, H.d.A. Vgl. Gebert (2004), S. 95ff sowie die Ergebnisse von Taggar (2002).
Theoretischer Bezugsrahmen
177
“[A]lthough we use the term ‘organizational’ knowledge creation, the organization cannot create knowledge on its own without the initiative of the individual and the interaction that takes place within the group.”979
Ein Blick auf die Organisation als Ganzes zeigt, dass die CoP-Mitglieder Elemente eines übergeordneten Systems sind, welches durch die spezifischen Beziehungen seiner Elemente gekennzeichnet ist. Alle Mitglieder gehören einer formalen organisationalen Einheit der Primärorganisation an. Wie in den vorangegangenen Ausführungen sichtbar wurde, wird diese stark vom Muster der informalen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern beeinflusst.980 Wie die Ausführungen zum zwei-stufigen Kommunikationsprozess im Kontext von CoPs deutlich gemacht haben, wenden die Community-Mitglieder das in CoPs ausgetauschte und entwickelte Wissen bei der Erfüllung ihrer primären Aufgaben an. Die daraus resultierenden Auswirkungen (in Form des individuellen Nutzens und der veränderten Netzwerkposition des Einzelnen) beeinflussen die entsprechende organisationale Einheit bzw. in der Summe die gesamte Primärorganisation. CoP-Mitglieder übernehmen aus der Sicht der Primärorganisation zwei Funktionen: Sie sind zum einen Informationsproduzenten, die Informationen suchen, sammeln, verdichten, und ihren Kollegen, welche Nicht-CoP-Mitglieder bzw. Mitglieder anderer CoPs sein können, zur Verfügung stellen. Des Weiteren sind sie Informationskatalysatoren, d.h. sie übersetzen und dekodieren Informationen bevor sie diese weitergeben, sie knüpfen Kontakte zu Experten oder geben Tipps zu Informationsquellen weiter. Indirekt unterstützen die CoP-Mitglieder damit auch Sozialisierungsprozesse in ihrer primären Gruppe.981 „[A]n organization learns if any of its units acquires knowledge that it recognizes as potentially useful to the organization”982, so HUBER. Demnach nutzen die individuellen Kompetenzen, die durch die Interaktion mit den anderen Mitgliedern aufgebaut oder verbessert wurden, der Organisation als solches. Auch die anderen mit der Community-Mitgliedschaft einhergehenden Auswirkungen für das einzelne Mitglied (die mögliche Leistungssteigerung aufgrund vieler Wissenszugänge bzw. dem Lernen-in-der-Praxis, die wahrgenommene Arbeitserleichterung, die verbesserte Leistungsentwicklung sowie die verbesserte Arbeitseinstellung) unterstützen seine Arbeit in der Primärorganisation. Projekte und/oder Aufgaben können effizienter bearbeitet werden, was wiederum Ressourcen für andere Arbeiten freisetzt. Kurzum der individuelle Nutzen, der auf der Ebene der Community-Mitglieder auftritt, wirkt in der Summe aller Mitglieder positiv auf die Primärorganisation.
979 980 981 982
Nonaka/Takeuchi (1995), S. 13. Vgl. dazu auch Brass (1984), S. 518ff. Vgl. Domsch et al. (1989), S. 9f; Tushman/Katz (1980), S. 1074f. Huber (1991), S. 89.
178
Theoretischer Bezugsrahmen
Gleiches gilt bezüglich der primären Netzwerkposition des einzelnen Mitglieds. Die Diffusion von Wissen, Information, Neuerungen etc. wird durch Personen mit zentraler Stellung im (informalen) Kommunikationsnetzwerk beschleunigt.983 Durch die Weitergabe des Wissens an Kollegen und Vorgesetzte der eigenen bzw. anderer organisationaler Einheiten verbreitet sich das in der CoP entwickelte Wissen in der gesamten Organisation. Es fließt in die organisationale Wissensbasis, in die Normen, Werte, Routinen etc. des Unternehmens ein. Es wird direkt in Geschäftsprozessen angewendet. Des Weiteren unterstützt die Vernetzung der Mitglieder und Nicht-Mitglieder grundsätzlich die Kooperation zwischen den Mitarbeitern sowie die organisationale Leistungserfüllung. MEHRA et al. bestätigen dies anhand ihrer Untersuchungsergebnisse: „[A]ctors who connect disconnected others can facilitate the flow of information across the whole system of coordinated activity that makes up the organization, thereby contributing to the accomplishment of organization-wide goals.”984
Auf der Grundlage dieser Überlegungen wird nachfolgend ein positiver Einfluss der Ergebnis-Konstrukte der individuellen Ebene auf die Ergebnis-Konstrukte der organisationalen Ebene postuliert. Das bedeutet, der individuelle Nutzen der verschiedenen CommunityMitglieder und ihre primäre Netzwerkposition beeinflussen die organisationale Wissensbasis, die organisationale Leistung sowie das Kooperationspotential positiv. 4.4.4
Zusammenfassung und Implikationen für den Bezugsrahmen
In den vorangegangenen Ausführungen wurden die möglichen Erfolgswirkungen von CoPs diskutiert. Grundlage für die Betrachtung der Erfolgswirkungen von CoPs ist dabei das Modell des technologischen Gatekeepers. Dieses postuliert einen zwei-stufigen Prozess der Informationsübertragung. Die Anwendung dieses Modells auf den Kontext von CoPs führt dazu, dass bei der Betrachtung der Community-Erfolgswirkungen die individuelle Ebene des Mitglieds und die organisationale Ebene der Primärorganisation berücksichtigt werden. Des Weiteren können verschiedene Lerntheorien, die Theorie des sozialen Kapitals, die Theorie der Stärke schwacher Beziehungen sowie die Theorie der sozialen Identität einen Erklärungsbeitrag bei der Analyse der Auswirkungen von CoPs leisten. Auf der individuellen Ebene werden der wahrgenommene individuelle Nutzen der Mitglieder sowie deren Netzwerkposition bezogen auf die Primärorganisation betrachtet. Eine qualitativ hochwertige Interaktion (durch Vertrauen, Kohäsion und ein gutes Kommunikationsklima gekennzeichnet) beeinflusst die Ergebnisse der individuellen Ebene positiv. Darüber hinaus gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen einem hohen individuellen Nutzen aus der Community-Mitgliedschaft und der Netzwerkposition des Mitglieds bezogen auf seine Primärorganisation. 983 984
Vgl. z.B. Rogers (1995), S. 281ff sowie die Ausführungen bei Schenk (1984), S. 289f. Mehra et al. (2001), S. 123.
179
Theoretischer Bezugsrahmen
Die Auswirkung von CoPs auf der organisationalen Ebene, d.h. der organisationale Nutzen, wird anhand dreier Dimensionen analysiert: organisationale Wissensbasis, organisationale Leistung sowie Kooperationspotential. Analog zur Diskussion bezüglich der Auswirkungen einer guten Community-Interaktionsqualität auf die individuelle Ebene wird davon ausgegangen, dass die Güte der Interaktion innerhalb der CoP die Ergebnisse auf der organisationalen Ebene positiv beeinflusst. Die Ergebnisse der individuellen Ebene wirken in der Summe förderlich für den organisationalen Nutzen. Ausgehend von den vorgestellten konzeptionellen und empirischen Befunden lassen sich folgende (Basis-)Hypothesen ableiten: x
Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den individuellen Nutzen der Mitglieder.
x
Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die primäre Netzwerkposition der Mitglieder.
x
Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen.
x
Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf deren primäre Netzwerkposition.
x
Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen.
x
Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen.
Diese Zusammenhänge sind in Abb. 4-4 veranschaulicht.
Einflussfaktoren
Interaktionshäufigkeit CommunityInteraktionsqualität
Abb. 4-4: Ergebnisse der Interaktionsprozesse985
985
Quelle: Eigene Darstellung.
Interaktionsprozesse
Ergebnisse
Individueller Nutzen
Organisationaler Nutzen
Netzwerkposition
Wissensbasis Leistung Kooperationspotential
180 4.5
Theoretischer Bezugsrahmen Bezugsrahmen der Untersuchung
4.5.1 Zusammenfassung der Konzeptualisierung der Konstrukte Die Konzeptualisierung beinhaltet die rein theoretische Entscheidung, welche Aspekte des zu untersuchenden Gegenstands durch welches Konzept angesprochen werden. Abgesehen von der empirischen Erklärungskraft bereits getesteter Konzeptualisierungen gibt es dabei keine objektiven Kriterien für die Qualität bzw. Sinnhaftigkeit des Konzeptes.986 Die Grundlage der Konzeptualisierung der Konstrukte dieser Untersuchung bilden die theoretischkonzeptionellen Überlegungen sowie empirischen Befunde der vorangegangenen Abschnitte. Die erarbeiteten Konstruktinhalte bzw. -dimensionen sind zusammenfassend in Tab. 4-6 dargestellt. Konstrukt
Inhalte
Charakteristika der Interaktionsprozesse CommunityInteraktionsqualität Interaktionshäufigkeit
Merkmale einer qualitativ hochwertigen Interaktion zwischen den CommunityMitgliedern: Vertrauen, Kohäsion, Kommunikationsklima Häufigkeit der Nutzung verschiedener Kommunikationswege
Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse Motivation
Broker Managementunterstützung
Individuelle Motive der Community-Mitglieder für die Teilnahme an der CoP: Wissenserwerb, Wissensweitergabe, Karriere, Arbeitsaufgabe, Arbeitserleichterung, Netzwerk Aufgabenerfüllung des Community-Brokers: Führung, Motivation, Planung und Organisation, Coaching und Support, Kommunikation, fachliche Unterstützung Direkte und indirekte Unterstützung und Promotion von CoPs durch das Management des Unternehmens: Bewusstsein für CoPs, Bereitstellen von Ressourcen, Kommunikation über CoPs, Unterstützung der Mitglieder
Ergebnisse von CoPs Individueller Nutzen Netzwerkposition Organisationale Wissensbasis
Organisationale Leistung
Kooperationspotential
Aus der Community-Mitgliedschaft resultierende Nutzenaspekte für das einzelne Mitglied: Kompetenzgewinn, Leistungssteigerung, Arbeitserleichterung, Leistungsentwicklung, Arbeitseinstellung Netzwerkposition des einzelnen Mitglieds in der Primärorganisation: Wissensweitergabe an Kollegen und Vorgesetzte, Anerkennung, Expertenstatus, Eingebundenheit Erfolgsdimension des organisationalen Nutzens, d.h. der Primärorganisation: Wissenserwerb (Kompetenzerhöhung), Wissensentwicklung (Weiterentwicklung von Wissen), Wissensverteilung (Verbreitung von Best-Practice-Lösungen), Wissensbewahrung (Bewahrung von Wissen) sowie Wissensbewertung (Bewertung des im Unternehmen vorhandenen Wissens). Erfolgsdimension des organisationalen Nutzens: Effektivität (Verringerung von Doppelarbeiten), Lernkurveneffekte (schnellere Einarbeitung von neuen Kollegen), Prozessoptimierung (Optimierung von Unternehmensprozessen), Produktivität (Erhöhung der Produktivität der Mitglieder), Innovation (Generierung von Innovationen) Erfolgsdimension des organisationalen Nutzens: Kooperation der Mitarbeiter, Vertrauen zwischen den Mitarbeitern
Tab. 4-6: Konzeptualisierung der Konstrukte des Bezugsrahmens
986
Vgl. Schnell et al. (2005), S. 128.
Theoretischer Bezugsrahmen
181
Die Operationalisierung, d.h. die Erarbeitung des Messinstrumentes zum Erfassen der Konstrukte987, sowie die Validierung der Messinstrumente werden im nachfolgenden fünften Kapitel dargestellt. 4.5.2
Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung
Die vorangegangene Analyse der Komponenten des generischen Modells, die damit einhergegangene und im vorigen Abschnitt zusammengefasste Konzeptualisierung sowie die hergeleiteten Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Konstrukten bzw. Faktoren ermöglichen es nun, den Bezugsrahmen der Untersuchung aufzustellen. Dieser beinhaltet zehn Konstrukte sowie die begründeten Zusammenhänge zwischen denselben. Ausgehend von den Komponenten des generischen Modells werden die Effekte der Einflussfaktoren auf die Charakteristika der Interaktionsprozesse, deren Effekte auf die Ergebnisse von CoPs sowie die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ergebnissen untersucht. Während sich die Einflussfaktoren sowie Charakteristika der Interaktionsprozesse auf die CoP beziehen, werden bei den Ergebnissen die Auswirkungen bezüglich der Primärorganisation betrachtet. Die nachstehende Abb. 4-5 fasst den Bezugsrahmen sowie die damit verbundenen Hypothesen zusammen. Dabei wurden zur besseren Übersichtlichkeit die mit den Einflussfaktoren sowie Ergebnissen der organisationalen Ebene (organisationaler Nutzen) zusammenhängenden Hypothesen als Basishypothesen dargestellt. Bei der Überprüfung der Zusammenhänge werden die einzelnen Wirkungen analysiert.
987
Vgl. z.B. Homburg/Giering (1996), S. 5.
182
Theoretischer Bezugsrahmen
Einflussfaktoren
Interaktionsprozesse
Ergebnisse
Individueller Nutzen
Interaktionshäufigkeit Motivation
Broker
H1 H2
H4
H7
H3 CommunityInteraktionsqualität
H8 H5
Netzwerkposition H9
Wissensbasis
H6
Managementunterstützung
Leistung
Kooperationspotential
CoP-bezogen
Organisationsbezogen
Abb. 4-5: Bezugsrahmen der Untersuchung988
Es wurden Hypothesen aufgestellt, die in einem Strukturgleichungsmodell abgebildet werden können. Die empirisch erhobenen Daten ermöglichen eine Schätzung des Modells. Die einzelnen im Rahmen der Untersuchung zu testenden Hypothesen sind in Tab. 4-7 aufgeführt. Bei allen formulierten Hypothesen wird prinzipiell ein positiver Zusammenhang zwischen unabhängiger und abhängiger Variable postuliert.
988
Quelle: Eigene Darstellung.
Theoretischer Bezugsrahmen
183
Effekte der Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse einer CoP H1:
H2:
Die Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse haben einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP (Basishypothese). (a) Die individuelle Motivation der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP. (b) Die Aufgabenerfüllung des Brokers hat einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP. (c) Die Managementunterstützung hat einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP. Die Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse haben einen positiven Einfluss auf die CommunityInteraktionsqualität (Basishypothese). (a) Die individuelle Motivation der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die CommunityInteraktionsqualität. (b) Die Aufgabenerfüllung des Brokers hat einen positiven Einfluss auf die CommunityInteraktionsqualität. (c) Die Managementunterstützung hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität.
Effekte der Charakteristika der Interaktionsprozesse H3: H4: H5: H6:
Die Interaktionshäufigkeit hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität. Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den individuellen Nutzen der Mitglieder. Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die primäre Netzwerkposition der Mitglieder. Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen (Basishypothese). (a) Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Wissensbasis. (b) Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Leistung. (c) Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf das Kooperationspotential der Organisation.
Effekte der Ergebnisse der individuellen Ebene H7: H8:
H9:
Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf deren primäre Netzwerkposition. Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen (Basishypothese). (a) Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Wissensbasis. (b) Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Leistung. (c) Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf das Kooperationspotential der Organisation. Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen (Basishypothese). (a) Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Wissensbasis. (b) Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Leistung. (c) Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf das Kooperationspotential der Organisation.
Tab. 4-7: Hypothesen der Untersuchung
185
5
Konzeption und Durchführung der empirischen Untersuchung
Um die Forschungsfragen zu beantworten und die im vorangegangenen Kapitel aufgestellten Hypothesen zu prüfen, wurde eine empirische Untersuchung durchgeführt. Das fünfte Kapitel behandelt die wesentlichen Aspekte der Konzeption und Durchführung dieser Erhebung. Zunächst werden die methodischen Grundlagen der Untersuchung erläutert (5.1). Da die formulierten Hypothesen in einem Strukturgleichungsmodell abgebildet sind, zählen dazu zum einen Ausführungen zu Strukturgleichungsmodellen mit latenten Variablen. Zum anderen wird die Methodik der anschließenden Datenanalyse bzw. der Modellbeurteilung bei Verwendung der Methode der Partialkleinstquadrate erläutert. Aufbauend auf den Grundlagen zur Methodik wird im zweiten Abschnitt (5.2) der Untersuchungsgegenstand vorgestellt und die Datenerhebung sowie die Untersuchungsstichprobe detailliert beschrieben. Im Anschluss daran behandelt der letzte Abschnitt die Operationalisierung der verwendeten Messmodelle sowie die Überprüfung der Reliabilität und Validität der verwendeten Konstrukte (5.3).
5.1 5.1.1
Methodische Grundlagen Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen
5.1.1.1 Wesentliche Merkmale Zur Überprüfung von kausalen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen existieren in der empirischen Sozialforschung verschiedene Verfahren der Pfad-, Regressions- und Faktoranalysen. Diese strukturprüfenden Verfahren setzen voraus, dass a priori eine möglichst theoretisch fundierte Vorstellung über den möglichen Zusammenhang zwischen den Variablen besteht.989 Im Anschluss an die Formulierung der Hypothesen wird mittels einer Kausalanalyse geprüft, ob die empirisch erhobenen Daten die aufgestellten hypothetischen Beziehungen widerspiegeln. Daher wird die Kausalanalyse auch als konfirmatorisches Datenanalyseinstrument bezeichnet. Ein mögliches kausalanalytisches Verfahren stellen Strukturgleichungsmodelle990 dar. Nachfolgend werden zunächst die wesentlichen Merkmale vorgestellt, bevor auf die Schätzung von Strukturgleichungsmodellen eingegangen wird. Strukturgleichungsmodelle ermöglichen es, Beziehungen zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen zu untersuchen. Dabei kann es sich um hypothetische Konstrukte, so genannte latente Variablen handelt, d.h. Variablen, die nicht direkt empirisch erfassbar sondern indi-
989
990
Im Gegensatz dazu haben Strukturentdeckende Verfahren primär die Entdeckung von Zusammenhängen zwischen Variablen zum Ziel. Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 8. Siehe z.B. ebenda, S. 8ff für eine zusammenfassende Diskussion der verschiedenen Verfahren. Für Ausführungen zur Entwicklung linearer Strukturgleichungsmodelle – Structural Equation Modeling (SEM) im Englischen – siehe Bollen (1989), S. 4ff; Pearl (2000), S. 135ff.
186
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
rekt über Indikatoren beobachtbar und messbar sind.991 Latente Variablen992, die auch als Konstrukte oder Faktoren bezeichnet werden, beziehen sich dabei auf reale Phänomene, welche beobachtbar (z.B. die Arbeitsleistung einer Person) oder aber auch nicht direkt beobachtbar (z.B. die Einstellung einer Person zu einem Thema) sein können.993 Bei der Modellierung latenter Variablen in einem Strukturgleichungsmodell werden Messfehler der beobachteten Variablen (Indikatoren) in Form von Residualvariablen explizit berücksichtigt.994 In einem Strukturgleichungsmodell werden direkte, indirekte und totale Effekte zwischen allen latenten Variablen simultan spezifiziert.995 Grundsätzlich wird dabei davon ausgegangen, dass zwischen den Variablen lineare Beziehungen bestehen.996 Strukturgleichungsmodelle zählen zu den multivariaten Analyseverfahren, da Regressionsanalyse und Faktorenanalyse miteinander verbunden sind. Demnach werden beide Bestandteile eines Strukturgleichungsmodells, Struktur- sowie Messmodell gleichzeitig997 geschätzt.998 Jede Anwendung eines Strukturgleichungsmodells ist nach BOLLEN/LONG durch fünf wesentliche Schritte charakterisiert999: (1) Modellspezifikation, (2) Modellidentifikation, (3) Modellschätzung, (4) Test des Fits/Gütebeurteilung, (5) Modellrespezifizierung. Die Spezifikation des Strukturgleichungsmodells erfolgt auf Basis bestehender Theorien sowie konzeptioneller Überlegungen. Ergebnis der Modellidentifikation ist die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Modellparameter. Nachdem das Modell identifiziert wurde, kann es geschätzt werden. Wie im nachfolgenden Abschnitt erläutert wird, gibt es dabei verschiedene Methoden. Nach der Schätzung des Modells wird anhand verschiedener Gütemaße geprüft, ob das Modell mit den Daten übereinstimmt. Wenn dies der Fall ist, ist der Prozess an dieser Stelle beendet. Wenn nicht, wird das Modell respezifiziert. Im Anschluss daran werden so lange wie nötig jeweils die Schritte 2 bis 5 durchgeführt. Auf die Spezifikation und Identifikation eines Strukturgleichungsmodells wird nachfolgend detaillierter eingegangen.
991
992
993 994 995
996
997
998
999
Siehe dazu auch Jöreskorg (1993), S. 295: „The measurement of a hypothetical construct is done indirectly through one or more observable indicators, such as responses to questionnaire items that are assumed to represent the construct adequately.” (H.i.O.) Für eine Diskussion möglicher Gründe, welche für die Nutzung latenter Variablen sprechen, siehe James et al. (1982), S. 104f. Vgl. Edwards/Bagozzi (2000), S. 156f. Vgl. Chin (1998), S. 297. Vgl. dazu Bollen (1989), S. 36ff. Totale Effekte = direkter Effekt + indirekte Effekte. Für das in Abbildung 5-1 dargestellte Strukturgleichungsmodell gilt: Der totale Effekt von ȟ1 auf Ș2 = Ȗ21 + Ȗ11*ȕ21. Vgl. zu weiteren Parametern und Annahmen in Strukturgleichungsmodellen Backhaus et al. (2003), S. 358f sowie S.407f. Die simultane Schätzung von Struktur- und Messmodell(en), welche als ein wesentlicher Vorteil von modernen Strukturgleichungsmodellen angesehen wird, ist nicht unumstritten. Vgl. die ausführliche Diskussion bei Weise (2005), S. 168ff sowie dort zitierte Quellen. Vgl. dazu und zu den nachfolgenden Erläuterungen zu Strukturgleichungsmodellen z.B. Backhaus et al. (2003), S. 334ff; Bollen (1989), S. 319ff; Bortz (1999), S. 456ff. Vgl. zum Abschnitt Bollen/Long (1993), S. 1f.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
187
Bei der Modellspezifikation werden die Hypothesen, die in Abhängigkeit von den Forschungsfragen und auf der Grundlage vorangegangener theoretisch-konzeptioneller Analysen formuliert wurden, in einem Strukturmodell (alternativ auch Pfadmodell oder inneres Modell genannt) dargestellt. Das Strukturmodell beschreibt die sachlogischen Zusammenhänge zwischen den abhängigen und unabhängigen latenten Variablen mit Hilfe der aus der Ökonometrie bekannten Strukturgleichungsanalyse.1000 Abhängige latente Variablen werden dabei als latente endogene Variablen bezeichnet, unabhängige latente Variablen als latente exogene Variablen.1001 Ein konkretes Beispiel für ein Strukturmodell stellt der im vorangegangenen Kapitel abgeleitete und in Abb. 4-5 dargestellte Bezugsrahmen der Untersuchung dar.1002 Im zweiten Schritt, der Modellidentifikation, werden für jede nicht direkt messbare latente Variable zugehörige Konstruktdimensionen (Indikatoren) ermittelt. Diese theoriegetriebene Erarbeitung der Konstruktdimensionen wird als Konzeptualisierung bezeichnet und fand für die vorliegende Untersuchung im vierten Kapitel statt. Die darauf aufbauende Entwicklung des Messinstrumentes wird als Operationalisierung bezeichnet.1003 Dabei werden jeder latenten Variable i.d.R. mehrere Indikatoren (auch manifeste Variablen genannt) zugeordnet, die in einer bestimmten Beziehung zur jeweiligen latenten Variable stehen.1004 Diese Beziehungen werden in Form eines Messmodells (auch äußeres Modell genannt) für alle latenten endogenen und exogenen Variablen spezifiziert. Die verschiedenen Messmodelle beinhalten demnach die Hypothesen zur Erklärung der latenten Variablen durch beobachtbare und damit messbare Indikatoren. Abb. 5-1 illustriert die verschiedenen Komponenten eines Strukturgleichungsmodells mit einer latenten exogenen Variable (ȟ1) und zwei latenten endogenen Variablen (Ș1, Ș2).
1000 1001
1002 1003 1004
Vgl. z.B. Homburg/Giering (1996), S. 9. Wenn eine Variable erklärende und erklärte Variable zugleich ist (wie beispielsweise Ș1 in Abbildung 5-1), dann wird sie zu den endogenen Variablen gezählt. Siehe Abschnitt 4.5.2. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 5; Schnell et al. (2005), S. 128ff. Vgl. Eggert/Fassott (2003), S. 1. Siehe auch die ausführlichen Ausführungen bei Bollen (1989), S. 179ff.
188
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
ȗ1 Ȝ11
į1
X1
į2
X2
Ȗ11
Ȝ11
Ȝ21 ȕ21
ȟ1 Ȝ21
Y1
İ1
Y2
İ2
Ș1 ȗ2 ʌ23
Ȗ21
Y3
Ș2 ʌ24
Exogenes Messmodell (reflektiv)
Y4
Endogene Messmodelle (Ș1 reflektiv; Ș2 formativ) Strukturmodell
Legende: ȟ - exogene latente Variable X - Indikatorvariablen (IV) der exogenen latenten Variablen ȕ, Ȗ - Pfadkoeffizienten des Strukturmodells į - Messfehler der IV der exogenen latenten Variablen ȗ - Fehlervariable der endogenen Variablen im Strukturmodell
Ș - endogene latente Variable Y - IV der endogenen latenten Variablen Ȝ, ʌ - Pfadkoeffizienten der Messmodelle İ - Messfehler der IV der endogenen latenten Variablen
Abb. 5-1: Darstellung eines Strukturgleichungsmodells1005
Wie auch in Abb. 5-1 ersichtlich ist, können latente Variablen durch zwei unterschiedliche Messmodelle operationalisiert und damit gemessen werden: durch ein reflektives oder ein formatives Messmodell. Bei einem reflektiven Messmodell verursacht die latente Variable ihre zugeordneten Indikatoren, d.h. die beobachteten Variablen werden als Reflektion bzw. Effekte einer zugrunde liegenden latenten Variable angesehen (Variablen ȟ1 und Ș1). Ein formatives Messmodell hingegen definiert die latente Variable als Funktion ihrer Indikatoren, d.h. die beobachteten Indikatoren verursachen die latente Variable. Diese kann als Verdichtung der Indikatorinformationen, d.h. als ein Index der manifesten Variable, angesehen werden (Variable Ș2)1006. Der wesentliche Unterschied zwischen den Messmodellen besteht demnach in der Richtung der Kausalität. BOLLEN unterscheidet daher auch zwischen „effect indicators“ (Effektindikatoren) bzw. „causal indicators“ (Kausalindikatoren).1007 Die inhaltlichen Unterschiede des Messmodells beeinflussen auch die Modellierung, ebenso in Abb. 5-1 sichtbar: Bei einem reflektiven Messmodell wird der Messfehler auf der Ebene der Indikatoren erfasst, d.h. jeder Indikator stellt eine fehlerbehaftete Messung dar. Formative Messmodelle hingegen
1005 1006
1007
Quelle: Modifiziert nach Backhaus et al. (2003), S. 350. Siehe dazu auch Schnell et al. (2005), S. 166f: „Indizes werden vor allem dann verwendet, wenn die Begriffe der sozialwissenschaftlichen Theorie zwar mehrere Dimensionen ansprechen, aber die Theorie eine gemeinsame latente Variable postuliert.“ Bollen (1989), S. 65.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
189
berücksichtigen nur einen Messfehler auf Konstruktebene.1008 Innerhalb eines Strukturgleichungsmodells können sowohl formative als auch reflektive Indikatoren verwendet werden.1009 Eine latente Variable kann oftmals sowohl durch ein reflektives als auch durch ein formatives Messmodell operationalisiert werden.1010 Die Entscheidung über das Messmodell eines Konstruktes sollte vor allem auf inhaltlichen Überlegungen bezüglich der Kausalität basieren1011: Wirkt sich eine Veränderung der latenten Variable auf alle Indikatoren aus, so ist die latente Variable als Ursache für die Indikatorenausprägung zu sehen, d.h. es handelt sich um ein reflektives Messmodell. Neben dieser inhaltlichen Argumentation sind nach CHIN noch zwei weitere Kriterien von Bedeutung: die Zielsetzung der Forschung sowie die empirischen Bedingungen. Kommt der Erklärung der Varianz der latenten Variable eine größere Bedeutung zu als der Erklärung der Streuung der manifesten Variable, so sollte ein formatives Messmodell gewählt werden. Ein reflektives Modell hingegen unterstützt die möglichst gute Erklärung der manifesten Variablen endogener Konstrukte. Hinsichtlich der empirischen Bedingungen sind die Größe der Stichprobe sowie die gegenseitige Abhängigkeit der Indikatoren relevant. Für ein formatives Messmodell sollten die Indikatoren relativ unabhängig voneinander sein. Ist der Forscher jedoch weniger an der Formation der latenten Variable als an den Beziehungen zwischen den latenten Variablen, d.h. dem Strukturmodell, interessiert, kann eine vorhandene Multikollinearität zwischen formativen Indikatoren ignoriert werden. Ist die Parameterschätzung des Messmodells nicht sehr stabil, ist die Anwendung eines formativen Messmodells umstritten.1012 Dennoch stellt beispielsweise BOLLEN fest, dass in der empirischen Sozialforschung bisher vor allem das reflektive Messmodell dominiert, auch wenn in vielen Fällen ein formatives Messmodell angebracht wäre.1013 In der gegenwärtigen forschungsmethodischen Diskussion werden die Ursachen für diese Entwicklung analysiert, beispielhaft seien hier die Annahmen der zur Verfügung stehenden statistischen Software genannt. Es wird nachdrücklich zu einer
1008
1009 1010
1011 1012 1013
Vgl. zum Abschnitt z.B. die detaillierten Ausführungen bei Bagozzi (1994b), S. 331ff; Bollen/Lennox (1991), S. 305ff; Eggert/Fassott (2003), S. 2f; Fornell/Cha (1994), S. 59f; Homburg (1995), S. 64f; Jarvis et al. (2003), S. 200ff. Vgl. Chin (1998), S. 308. Vgl. Eggert/Fassott (2003), S. 12. Beispielhaft sei hier die Messung des Konstruktes Vertrauen angeführt. Bei einer reflektiven Operationalisierung – wie sie auch in dieser Arbeit angewendet wird – werden z.B. Indikatoren zur Messung von Vertrauen in die Kompetenzen der Team-Mitglieder, in den verantwortungsvollen Umgang mit Wissen durch die anderen Mitglieder oder des Sich-Verlassens auf andere genutzt. Als formative Indikatoren könnten hingegen die verschiedenen Arten von Vertrauen dienen. Für weitere Beispiele zur Operationalisierung eines Konstruktes durch formative und reflektive Indikatoren (Zufriedenheit mit einem Hotel bzw. Trunkenheit) siehe Albers/Hildebrandt (2006), S. 12 bzw. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 719. Vgl. Fornell/Cha (1994), S. 61. Vgl. zum Abschnitt Chin (1998), S. 306f. Vgl. Bollen (1989), S. 65. Siehe auch die Diskussion bei Albers/Hildebrandt (2006), S. 3.
190
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
inhaltlich begründeten Auswahl des Messmodells aufgerufen.1014 Abschließend sei in diesem Zusammenhang auf die Feststellung von HOMBURG/GIERING hingewiesen: Der Prozess der Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte darf „[...] auf keinen Fall als „motorisch“ anzuwendendes Schema missverstanden werden“.1015 Eine Konstruktentwicklung sollte weniger durch die empirisch erhobenen Daten gestützt als durch inhaltliche Abwägungen gekennzeichnet sein.1016 Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass die verschiedenen Facetten eines Konstruktes sowohl den inhaltlichen Bereich als auch die Reichweite der Aussagen, die aus den Ergebnissen eines Strukturgleichungsmodells abgeleitet werden können, bestimmen.1017 Neben der Art des Messmodells muss die Art des Konstruktes festgelegt werden. Dabei ist grundsätzlich zwischen ein- und mehrdimensionalen Konstrukten zu unterscheiden.1018 Eine latente Variable kann, wie auch im dargestellten Strukturmodell, einerseits durch verschiedene Indikatoren gemessen werden. Es handelt sich dann um ein Konstrukt bzw. einen Faktor erster Ordnung. Andererseits kann eine latente Variable ebenso als Konstrukt zweiter Ordnung konzeptualisiert werden, d.h. durch mehrere inhaltlich verwandte Faktoren, die ihrerseits durch verschiedene Indikatoren gemessen werden.1019 Dabei können bei der Konzeptualisierung eines mehrdimensionalen Konstruktes sowohl formative auch als reflektive Messmodelle verwendet werden.1020 Ein solches multidimensionales Konstrukt ermöglicht das Erfassen verschiedener Dimensionen und Facetten auf einer abstrakteren Ebene. Die Verwendung multidimensionaler Konstrukte wird kontrovers diskutiert. Kritiker weisen auf die konzeptionelle Mehrdeutigkeit solcher Konstrukte hin. Des Weiteren würden mehrdimensionale Konstrukte weniger Varianz als ihre einzelnen Faktoren erklären und die Beziehungen der einzelnen Faktoren zu den anderen latenten Variablen „verschleiern“. Insbesondere in der Erfolgsfaktorenforschung sollen Aussagen über Einzelmaßnahmen getroffen werden, d.h. eine Verdichtungen wäre hier nicht zielführend.1021 Befürworter von Konstrukten zweiter Ordnung argumentieren hingegen, dass diese Konstrukte besser als einzelne, sehr spezifische Dimensionen geeignet seien, komplexe Phänomene zu erfassen. Dies helfe bei der Theoriebildung.1022 MCGRATH fasst dies zusammen: 1014 1015 1016
1017 1018 1019
1020
1021 1022
Siehe dazu z.B. Eggert/Fassott (2003), S. 1. Homburg/Giering (1996), S. 20. Vgl. für eine ausführliche Diskussion zur Konzeptualisierung von Modellkonstrukten Herrmann et al. (2006), S. 46ff. Vgl. Hildebrandt (1986), S. 523ff z.n. Albers/Hildebrandt (2006), S. 10. Vgl. Bagozzi/Fornell (1982), S. 28ff. Vgl. Jarvis et al. (2003), S. 204. Für Erläuterungen zu Merkmalen komplexer Konstrukte siehe Homburg/Giering (1996), S. 6; Homburg/Pflesser (2000), S. 420. Dabei können auf der ersten bzw. zweiten Ebene unterschiedliche Messmodelle gewählt werden, beispielsweise auf der ersten Ebene zum Erfassen der verschiedenen Dimensionen des Konstruktes reflektive Indikatoren und auf der zweiten Ebene ein formatives Messmodell, d.h. die verschiedenen Dimensionen werden als Index konzipiert. Vgl. Jarvis et al. (2003), S. 204f. Vgl. die Diskussion bei Albers/Hildebrandt (2006). Vgl. z.B. Jarvis et al. (2003), S. 204.
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„In order to deal in a clear and orderly fashion with the myriad factors, or variables, involved in the study of groups, it is useful to aggregate them into sets that have a lot in common. Any classification of variables within a complex problem area amounts to an oversimplification of reality […] Such a classification of variables can be useful, however, if it preserves the basic concepts and simplifies the discussion of them.”1023
Ebenso wie die Wahl des Messmodells sollte die Entscheidung über das Zusammenfassen verschiedener Faktoren zu einem mehrdimensionalen Konstrukt letztendlich auf inhaltlichen Überlegungen beruhen bzw. durch die Forschungsfrage getrieben sein.1024 5.1.1.2 Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mit PLS Mit dem Begriff der Strukturgleichungsmodelle werden oftmals lediglich kovarianzbasierte Methoden impliziert.1025 Neben der vor allem auf den Arbeiten von JÖRESKOG, KEESLING und WILEY beruhenden Kovarianzstrukturanalyse1026 ermöglicht jedoch auch die von WOLD entwickelte und bisher vergleichsweise wenig genutzte, in der letzten Zeit gleichwohl häufiger diskutierte Partial Least Squares-Analyse1027 (auch PLS-Pfadanalyse genannt) eine Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mit latenten Variablen.1028 Gemeinsam sind beiden Ansätzen die grundsätzlichen Überlegungen zum kausalanalytischen Strukturmodell sowie die Berücksichtigung bzw. Integration von Messfehlern. Unterschiedlich hingegen sind die verwendeten Schätzmethoden und die möglichen anwendbaren Messmodelle für latente Variablen.1029 Während bei der Kovarianzanalyse das Ziel in der bestmöglichen Reproduktion der Kovarianzmatrix der beobachteten manifesten Variablen durch die Modellparameter besteht, hat die varianzbasierte PLS-Analyse die möglichst gute Erklärung aller abhängigen Variablen des Modells zur Zielsetzung.1030 An dieser Stelle wird nur auf diese grundlegenden Unterschiede eingegangen. Auf eine ausführliche Diskussion weiterer Unterschiede sowie der daraus resultierenden verfahrenstechnischen Implikationen soll hier nur verwiesen werden.1031 Für die Auswahl des Verfahrens zur Schätzung von Strukturgleichungsmodellen lassen sich verschiedene Kriterien heranziehen. Nach CHIN/NEWSTED ist PLS vorzuziehen, wenn eine der folgenden Bedingungen zutrifft:
1023 1024 1025
1026 1027 1028 1029 1030 1031
McGrath (1964), S. 69. Vgl. zum Abschnitt auch die Diskussion bei Weise (2005), S. 203f. Dies basiert u.a. auch auf der weiten Verbreitung von Softwareprogrammen zur Kovarianzstrukturanalyse wie LISREL, EQS sowie AMOS. Vgl. z.B. Jöreskorg (1973); Keesling (1972);Wiley (1973). Vgl. Wold (1982b); Wold (1982a). Vgl. Chin (1998), S. 295. Vgl. Ringle (2004), S. 282ff sowie dort aufgeführte Quellen. Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 362; Wold (1982a), S. 1ff. Für eine ausführliche Beschreibung der Verfahren sowie der Unterschiede bzw. Vor- und Nachteile siehe Chin (1998) S. 298ff; Fornell/Bookstein (1982), S. 440ff; Fornell/Cha (1994), S. 52f; Herrmann et al. (2006), S. 38ff; Ringle (2004), S. 286ff; Scholderer/Balderjahn (2005); Schultz/Kock (2005), S. 2ff.
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Konzeption und Durchführung der Untersuchung
x
Es sollen Vorhersagen getroffen werden.
x
Es handelt sich um ein neuartiges Phänomen, das untersucht wird, und daher liegen noch keine anerkannten Messansätze vor.
x
Es handelt sich um ein komplexes Modell mit vielen Indikatoren.
x
Von einer Multinormalverteilung der Daten kann nicht ausgegangen werden.
x
Die Beobachtungswerte sind nicht unabhängig voneinander.
x
Die Stichprobe der Untersuchung ist relativ klein.
x
Im Modell sind formative Messmodelle enthalten.1032
Unter Berücksichtigung der Unterschiede sowie Vor- und Nachteile der zwei grundsätzlichen Ansätze zur Analyse von Strukturgleichungsmodellen sowie den Merkmalen des vorliegenden Strukturgleichungsmodells (z.B. die Verwendung formativer Messmodelle) wird in der vorliegenden Untersuchung die PLS-Methode angewendet. Nachfolgend wird der zugrunde liegende Schätzalgorithmus skizziert. Die varianzbasierte PLS-Analyse zielt darauf ab, möglichst alle abhängigen Variablen des Modells bestmöglich zu erklären. Demnach wird bei der Schätzung des Modells das Ziel verfolgt, die Gewichte der einzelnen latenten Variablen so zu bestimmen, dass sowohl die Fehlervariablen bzw. Messfehler der endogenen Variablen (ȗi) als auch die der Messmodelle (įi und İi) minimiert werden.1033 Dies wird durch ein iteratives Verfahren erreicht: Ausgehend von vorab beliebig angenommen Gewichten werden zunächst im Rahmen der äußeren Schätzung der Indikatoren Konstruktwerte bestimmt und im Rahmen der inneren Schätzung1034 entsprechend verbessert. Diese verbesserten Konstruktwerte werden nun für die Bestimmung der Gewichte der Indikatoren genutzt, die wiederum als Basis für eine erneute Bestimmung der Konstruktwerte dienen usw. Verändern sich die Gewichte nicht mehr wesentlich1035, wird der Algorithmus beendet. Die Modellparameter des äußeren Mess- und inneren Strukturmodells errechnen sich als Lösungen von Kleinst-Quadrat-Regressionen.1036 Abb. 5-2 fasst den Schätzalgorithmus zusammen.
1032 1033 1034
1035
1036
Vgl. Chin/Newsted (1999), S. 336 sowie die Diskussion bei Bliemel et al. (2005), S. 10. Vgl.Fornell/Cha (1994), S. 62. Bisher wurden drei verschiedene Methoden für die innere Schätzung entwickelt, wobei trotz konzeptioneller Unterschiede sehr ähnliche Ergebnisse erzielt werden. Vgl. Chin (1998), S. 309. Vgl. zur Beschreibung der drei verschiedenen Schätzmethoden Fornell/Cha (1994), S. 65. Als Kriterium wird dabei z.B. eine Veränderung der Gewichte 0,001 genutzt. Vgl. Chin/Newsted (1999), S. 320. Vgl. beispielsweise Betzin/Henseler (2005); Chin (1998), S. 301ff; Fornell/Cha (1994), S. 62ff; Götz/LiehrGobbers (2004), S. 722ff; Wold (1982a) für eine ausführliche Beschreibung des Schätzalgorithmus.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
193
Erstellung der Ausgangslösung Jede latente Variable wird als nichttriviale Linearkombination der jeweiligen Indikatorvariablen ausgedrückt
Iterative Schätzung der latenten Variablen Innere Approximation Minimierung der Varianz der Fehlervariablen ȗ der endogenen Variablen im Strukturmodell
Äußere Approximation Minimierung der Varianz des Messfehlers į bzw. İ der Indikator-variablen des reflektiven exogenen bzw. endogenen Messmodells
nein
Konvergenz? ja Berechnung der Modellparameter
Berechnung der Pfadkoeffizienten im inneren Modell
Abb. 5-2: Der PLS-Schätzalgorithmus1037
Für die Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mit der PLS-Analyse kommen in der betriebswirtschaftlichen Forschung verschiedene statistische Softwareprogramme zur Anwendung: LVPLS, PLS-Graph oder SmartPLS.1038 Bei der Anwendung von PLS sind nach HULLAND grundsätzlich drei verschiedene methodologische Aspekte zu beachten1039: (a) die kausalen Zusammenhänge zwischen den latenten und manifesten Variablen, d.h. die Frage der Auswahl der Messmodelle, (b) die Reliabilität und Validität der gemessenen manifesten Variablen und (c) die Interpretation der Pfadkoeffizienten und der Gesamtmodellgüte sowie gegebenenfalls die Auswahl eines finalen Modells aus einem Set an Alternativen. Die Auswahl der Messmodelle wird unter Beachtung theoretisch-konzeptioneller sowie methodischer Gesichtspunkte bei der Konzeptualisierung und Operationalisierung der Konstrukte berücksichtigt und zusammen mit der Validierung der genutzten Konstrukte im dritten Abschnitt dieses Kapitels diskutiert. Die sich an die Validierung anschließende Beurteilung des Strukturmodells sowie die Interpretation der geschätzten Parameter und damit einhergehende Überprüfung der Hypothesen wird im sechsten Kapitel dieser Arbeit diskutiert. Da das Ziel dieser Studie darin besteht, die aufgestellten Hypothesen anhand der empirisch gewonnenen Daten zu überprüfen, wird das aufgestellte Strukturmodell nicht modifiziert.
1037 1038
1039
Quelle: Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 723. Für einen Überblick zu den vorhandenen Softwarelösungen und deren Vor- und Nachteile siehe Temme/Kreis (2005). Vgl. Hulland (1999), S. 199ff.
194 5.1.2
Konzeption und Durchführung der Untersuchung Grundlagen der Datenanalyse
5.1.2.1 Vorbereitung der Datenanalyse Die im Rahmen der Erhebung gewonnenen Daten wurden zunächst kodiert und mit Hilfe einer Statistiksoftware (SPSS Version 12.0) erfasst. In Anschluss daran wurden die Daten auf Vollständigkeit und Konsistenz untersucht.1040 Von den zurückgesendeten Fragebögen waren einige wenige (unter 5% der Stichprobe) nicht vollständig ausgefüllt. In einem ersten Schritt wurde soweit möglich bei den entsprechenden Mitgliedern nachgefasst. War das Kontaktieren nicht möglich bzw. führte es zu keinem Ergebnis, wurden in einem zweiten Schritt fehlende Angaben ersetzt. Dabei wurde nach folgendermaßen vorgegangen: Die Konstrukte wurden einzeln überprüft. Bei Konstrukten, die aus mindestens vier oder mehr Indikatoren bestehen, wurde der fehlende Wert durch den Mittelwert der vorhandenen Indikatoren ersetzt. Bei Konstrukten mit weniger als vier Indikatoren wurde von einer Ersetzung der fehlenden Werte abgesehen. Die Mindestanzahl empirisch erhobener Fälle für eine PLS-Schätzung lässt sich nach CHIN folgendermaßen errechnen: Die maximale Anzahl der Indikatoren einer formativ operationalisierten latenten Variable (in der vorliegenden Untersuchung zehn) sowie die maximale Anzahl von Beziehungen zwischen einer latenten endogenen Variable und latenten exogenen Variablen (im betrachteten Fall drei Beziehungen) werden ermittelt. Die größere Zahl von beiden wird mit 10 multipliziert. Dies ergibt den nötigen Stichprobenumfang.1041 Für die Überprüfung des hier betrachteten Strukturgleichungsmodells müssten demnach mindestens 100 Fälle erhoben werden. Die realisierte Stichprobe von 222 ist somit ausreichend groß, um eine PLSAnalyse durchzuführen. Es wurde PLS-Graph Version 3.00 genutzt. Vor der eigentlichen Analyse der Daten wurden zunächst die Häufigkeitsverteilung sowie die deskriptiven Statistiken aller einzelnen Indikatoren analysiert. Diese so genannte Randauszählung diente dazu, einen ersten Überblick über die erhobenen Variablen zu gewinnen.1042 Im Anschluss daran wurde die Validität des Modells geprüft. Die Modellbeurteilung erfolgte in einem zweistufigen Prozess1043: (1) Zuerst wurden die verschiedenen Messmodelle validiert. Dabei wurde zwischen reflektiven und formativen Indikatoren unterschieden. (2) Danach wurde die Güte der Messung der Konstruktbeziehungen im Rahmen des Strukturmodells beurteilt. Nachfolgend werden diese zwei Schritte und die damit verbundenen Gütemaße bzw. kriterien ausführlicher erläutert.
1040 1041 1042 1043
Vgl. z.B. Schnell et al. (2005), S. 423ff. Vgl. Chin (1998), S. 311. Vgl. z.B. Schnell et al. (2005), S. 441ff. Vgl. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 727; Hulland (1999), S. 198.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
195
5.1.2.2 Validierung der Messmodelle Die empirische sozialwissenschaftliche Forschung basiert auf reliablen und validen Messungen.1044 Bei Messfehlern kann grundsätzlich zwischen einem zufälligen Anteil (Fehler, die ohne erkennbare Systematik die Messung beeinflussen) und einem systematischen Anteil (Fehler, die bei jeder Messwiederholung in gleicher Höhe auftreten) unterschieden werden. Bei einem zufälligen Fehler von Null handelt es sich um eine vollständig reliable Messung. Nimmt der systematische Fehler einer Messung zusätzlich den Wert Null an, so ist die Messung vollständig valide.1045 Da die Indikatoren eines reflektiven Messmodells austauschbare Messungen der latenten Variable darstellen, sollten die Indikatoren hochgradig miteinander korrelieren.1046 Bei einem formativen Messmodell ist dies nicht zwingend notwendig. Hier kann beispielsweise eine Veränderung der latenten Variable auf der Veränderung eines einzelnen Indikators beruhen.1047 Des Weiteren resultieren die Fehlervarianzen bei den beiden Messmodellen aus unterschiedlichen Quellen: bei reflektiven Messmodellen aus der fehlerbehafteten Messung der Indikatoren; bei formativen Messmodellen aus der Fehlergröße, welche die latente Variable betrifft, jedoch nicht mit den Indikatoren korreliert.1048 Die Unterschiede der beiden Ansätze führen dazu, dass die für reflektive Messmodelle genutzten Gütemaße nicht auf die Validierung der formativen Konstruktmessung übertragen werden können.1049 Es müssen andere Kriterien herangezogen werden. Nachfolgend werden die einzelnen Gütemaße für reflektive und formative Messmodelle bei Verwendung der PLS-Analyse zusammenfassend dargestellt. 5.1.2.2.1 Validierung reflektiver Messmodelle Für die Validierung reflektiver Messmodelle werden zweierlei Arten von Gütekriterien herangezogen: (a) Maße der Reliabilität bzw. der Zuverlässigkeit, welche die Stabilität und Genauigkeit der Messung sowie konstante Messbedingungen widerspiegeln, sowie (b) Maße der Validität bzw. der Gültigkeit, die angeben, ob mit den Instrumenten das gemessen wird, was gemessen werden sollte.1050 Vier Kriterien werden genutzt, um die Güte reflektiver Messmodelle zu beurteilen1051:
1044 1045
1046 1047 1048 1049 1050 1051
Vgl. Peter (1979), S. 6 z.n. Eggert/Fassott (2003), S. 3. Vgl. Churchill (1987), S. 381f; Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 727. Siehe Ernst (2003), S. 1252f für eine Systematisierung von Messfehlern Vgl. Bollen/Lennox (1991), S. 307. Vgl. Eggert/Fassott (2003), S. 2. Vgl. Bollen/Lennox (1991), S. 310. Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer (2001), S. 271. Vgl. Friedrichs (1990), S. 100ff. Siehe auch Bollen (1989), S. 184ff; Schnell et al. (2005), S. 149ff. Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Hulland (1999), S. 198ff; Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 727f; Krafft et al. (2005), S. 72ff; Weise (2005), S. 192ff.
196
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
(1) Inhaltsvalidität: Die Inhaltsvalidität bezieht sich darauf, dass möglichst alle Aspekte der zu messenden Dimension berücksichtigt wurden.1052 Demnach gibt sie an, in wiefern die Indikatoren eines Messmodells die inhaltliche Bedeutung des Konstruktes widerspiegeln. Eine Möglichkeit der Überprüfung stellt die explorative Faktorenanalyse (EFA) dar. Dabei werden die Indikatoren hinsichtlich ihrer zugrunde liegende Faktorenstruktur untersucht, d.h. es wird analysiert, ob die einzelnen Items den Faktoren zugeordnet werden können. Gehören die verschiedenen Indikatoren einem Konstrukt an, so wird nach dem Kaiser-Kriterium eine einfaktorielle Struktur ausgewiesen.1053 (2) Indikatorreliabilität: Dieses Maß gibt an, welcher Anteil der Varianz eines Indikators durch die zugrunde liegende latente Variable erklärt wird. Die Indikatorreliabilität kann anhand der Faktorladung Ȝ, bei standardisierten Variablen die Korrelation zwischen manifester und latenter Variable, beurteilt werden. Ȝ2, der Anteil der Varianz des Indikators, der auf die latente Variable zurückzuführen ist, sollte größer als 50% sein.1054 Demnach können Indikatoren mit Faktorladungen größer 0,7 als zuverlässig angesehen werden. Indikatoren mit Ȝ 0,7 akzeptabel Elimination von Werten 0,7 akzeptabel
Konstruktvalidität
Faktorladungen und t-Werte der Faktorladungen Durchschnittliche erfasste Varianz AVE
i
AVE
i
¦O
2
yi
i
¦O i
2 yi
¦ var(H yi )
Hinreichend groß und signifikant (Konvergenzvalidität) AVE > 0,5 (Konvergenzvalidität) sowie AVE > quadrierte Korrelationen der latenten Variable mit anderen Variablen (Diskriminanzvalidität)
i
oder Korrelationen
sowie zusätzlich Überprüfung der Korrelationen zwischen den Indikatoren
Ȝi Faktorladung; İi Messfehler der Indikatorvariablen Tab. 5-1: Kriterien zur Beurteilung reflektiver Messmodelle1069
5.1.2.2.2 Validierung formativer Messmodelle Aufgrund der diskutierten Unterschiede zwischen reflektiven und formativen Messmodellen können die vorab angeführten Gütemaße reflektiver Messmodelle nicht ohne weiteres auf formative Messmodelle übertragen werden.1070 Eine Überprüfung der Reliabilität ist bei formativen Messmodellen wenig sinnvoll, da die Indikatoren nicht hochgradig korrelieren bzw. intern konsistent sein müssen.1071 Dadurch könnte beispielsweise die Anwendung der Gütemaße zur Überprüfung der Indikatorreliabilität oder der internen Konsistenz dazu führen, dass gültige Indikatoren aus dem Modell entfernt werden. Auch die AVE sowie die damit verbundenen Kriterien der Diskriminanzvalidität lassen keine Aussagen über die Güte des Modells zu.1072
1069 1070 1071 1072
Quelle: In Anlehnung an Krafft et al. (2005), S. 75. Vgl. Hulland (1999), S. 201. Vgl. Bollen/Lennox (1991), S. S. 307; Chin (1998), S. 306. Vgl. Chin (1998), S. 306ff; Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 728f.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
199
Bei formativ operationalisierten Konstrukten werden nach DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER vier Kriterien herangezogen: (1) Inhaltsspezifikation, (2) Indikatorspezifikation, (3) Indikatorkollinearität sowie (4) externe Validität.1073 Während die ersten beiden Kriterien bei der Bildung der Konstrukte, d.h. vor der Datenerhebung, zu berücksichtigen sind, werden das dritte und vierte Kriterium zur Beurteilung der Konstrukte genutzt.1074 (1) Inhaltsspezifikation: Da jeder einzelne Indikator eines formativen Konstruktes zu dessen Erklärung beiträgt, muss bereits vor der Datenerhebung die Inhaltsvalidität gewährleistet sein. Ein Index ist i.d.R. meist abstrakter und unklarer, verschwommener als eine reflektiv gemessene Variable.1075 Aus diesem Grunde kommt der Spezifikation des Inhalts, d.h. der zu betrachtenden konzeptionellen Breite der zu messenden latenten Variable eine besonders wichtige Rolle zu. Diese Überlegungen gehen aufgrund der Richtung der Kausalität zwischen latenter Variable und formativen Indikatoren einher mit der Spezifikation der Indikatoren. (2) Indikatorspezifikation: Im Gegensatz zu reflektiven Indikatoren, die austauschbar und dadurch frei wählbar sind, müssen formative Indikatoren die verschiedenen Facetten bzw. die gesamte konzeptionelle Breite der latenten Variable erfassen.1076 Auf der Grundlage einer Literaturstudie und der Spezifikation der Inhalte sollten zunächst die zugehörigen Indikatoren identifiziert werden. Im Rahmen eines anschließenden Pretests wird die angedachte Indikatorzuordnung überprüft. KRAFT et al. nennen dies auch die Überprüfung der Expertenvalidität bzw. der Indikatorrelevanz.1077 Da der PLS-Algorithmus die Gewichte der einzelnen Indikatoren so optimiert, dass die erklärte Varianz des Modells maximiert wird, fallen die Gewichte formativer Indikatoren oftmals geringer als die Ladungen reflektiver Indikatoren aus. Dennoch sollten diese Werte nicht als dürftige Messmodelle interpretiert werden. Die Gewichte formativer Indikatoren können sehr unterschiedliche Beiträge zur Konstruktbildung aufweisen. Jedoch sollte auch die Überprüfung des Aussagegehaltes der einzelnen Indikatoren über einen Vergleich der Gewichte ʌi nicht dazu führen, Indikatoren zu eliminieren.1078 Denn während bei einem reflektiven Messmodell die Indikatoren die latente Variable gleichermaßen gut erfassen sollten und daher ein Austausch oder das Entfernen eines einzelnen Indikators möglich ist, kann dies bei einem formativen Messmodell zu einer Verfälschung des theoretisch-konzeptionell abgeleiteten Konstruktes führen.1079 Die Eliminierung eines Indikators dürfte nur aufgrund einer in1073 1074
1075 1076
1077 1078 1079
Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer (2001), S. 271f. Vgl. die Ausführungen bei Eggert/Fassott (2003), S. 4ff; Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 728ff; Krafft et al. (2005), S. 76ff; Reinartz et al. (2004), S. 298; Schultz/Kock (2005), S. 16ff zur nachfolgenden Diskussion der Kriterien. Vgl. Bagozzi (1994b), S. 333. Siehe dazu Bollen/Lennox (1991), S. 308: „With causal indicators we need a census of indicators, not a sample.“ Vgl. Krafft et al. (2005), S. 76f. Vgl. Sambamurthy/Chin (1994), S. 231f z.n. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 729. Vgl. Bollen/Lennox (1991), S. 308; Jarvis et al. (2003), S. 202.
200
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haltlichen Argumentation vorgenommen werden. Gleiches gilt für Indikatoren mit niedrigen Signifikanzniveaus oder negativen Gewichten.1080 (3) Indikatorkollinearität: Formative Messmodelle basieren auf dem Prinzip der multiplen Regression.1081 Eine hohe Multikollinearität, d.h. eine starke lineare Abhängigkeit zwischen verschiedenen Indikatoren kann daher zu Verzerrungen der Ergebnisse (aufgrund der erschwerten Identifizierung des Einflusses eines einzelnen Indikators auf das Konstrukt1082) und zu einer instabilen Schätzung der Pfadkoeffizienten (aufgrund sehr großer Standardfehler der Regression) führen.1083 Für eine erste Prüfung kann zunächst die Korrelationsmatrix aller Indikatoren eines Konstruktes (paarweise) betrachtet werden, die jedoch nur einen ersten Hinweis liefert.1084 Hohe Korrelationskoeffizienten (nach Pearson; Wertebereich -1 bis 1) von 0,90 und mehr zwischen zwei Indikatoren sind deutliche Anzeichen für starke Kollinearität.1085 Um das Vorhandensein von Multikollinearität zwischen mehr als zwei Indikatoren zu prüfen, gibt es zwei mögliche Maßzahlen: den Variance Inflation Factor (VIF) sowie den Konditionsindex (KI). (a) Der VIF berechnet sich aus dem Kehrwert der Toleranz, wobei als Toleranz der Anteil der Varianz eines Indikators bezeichnet wird, der nicht durch die anderen Indikatoren erklärt wird.1086 Der VIF, dessen Minimalwert Eins ist, sollte üblicherweise unterhalb der Grenze 10 (dies entspricht einer multiplen Korrelation von 0,95) liegen, jedoch kann der Grenzwert auf der Grundlage sachlogischer Überlegungen für eine Untersuchung auch individuell festgelegt werden.1087 Soll höchstens eine multiple Korrelation von 0,90 zugelassen werden, so ist der Grenzwert für den VIF 5,3.1088 Ausgehend von der inhaltlichen Überlegung, dass bei einer multiplen Korrelation größer 0,7 eventuell Facetten eines Konstruktes mehrfach gemessen werden, dient ein VIF größer 2,0 als weiterer Grenzwert. Im statistischen Sinne liegt hier jedoch keine Multikollinearität vor.1089 (b) Auch mit Hilfe des KI nach BELSLEY kann
1080 1081
1082
1083 1084
1085 1086 1087 1088 1089
Hierzu gibt es jedoch unterschiedliche Meinungen. Vgl. die Diskussion bei Helm (2005b), S. 249ff. Reflektive Messmodelle basieren hingegen auf einfachen Regressionen. Demnach ist Multikollinearität zwischen Indikatoren nicht problematisch. Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer (2001), S. 272. Auch die Diskussion bezüglich der Inhalte der Indikatoren verdeutlicht das Problem: Ein formatives Konstrukt setzt sich aus verschiedenen inhaltlichen Aspekten zusammen. Werden nun einige dieser Aspekte mehrfach in ähnlicher Form operationalisiert, so werden diese in Relation zu anderen Aspekten übergewichtet. Vgl. Schultz (2006), S. 183. Vgl. Belsley (1991), S. 54f. Vgl. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 729. Da die Korrelationsmatrix nur die paarweise lineare Abhängigkeit zwischen Indikatoren angibt, lassen sich keine Aussagen über die Multikollinearität von drei oder mehr Indikatoren treffen. Auch bei niedrigen bivariaten Korrelationen kann Multikollinearität zwischen mehreren Indikatoren des Konstruktes vorliegen. Vgl. Belsley (1991), S. 29. Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 89f. Vgl. Hair Jr. et al. (1998), S. 220f. Vgl. die Diskussion bei Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 734. Vgl. Hair Jr. et al. (1998), S. 193. Vgl. Schultz (2006), S. 184.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
201
Multikollinearität überprüft werden.1090 Dabei ist die Originalskala auf Multikollinearität zu testen; bei standardisierten Variablen kann der KI nicht angewendet werden. Der Wert, der ein Maß für die Beinaheabhängigkeit darstellt, sollte nicht größer als 30 sein.1091 In Kombination mit einer Varianzzerlegungsmatrix der Regressionskoeffizienten ermöglicht es das Verfahren nach BELSLEY, Anzahl und Stärke der Beinaheabhängigkeiten sowie die verursachenden Koeffizienten zu identifizieren.1092 Bei Vorliegen von Multikollinearität müssen ein oder mehrere der entsprechenden Indikatoren entfernt werden – auch ohne theoretische Begründung. Mittels einer multiplen Regression der restlichen Indikatoren auf den zu entfernenden Indikator kann überprüft werden, ob die Information bereits im Messmodell vorhanden ist: Ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen den Indikatoren weist darauf hin. Im Anschluss können die verbliebenen Indikatoren erneut auf Multikollinearität überprüft werden.1093 (4) Externe Validität: Der letzte Aspekt bei der Validierung formativer Messmodelle ist die Überprüfung der externen bzw. nomologischen Validität, d.h. die Evaluation der Gültigkeit der Konstruktmessung.1094 Zur Prüfung der externen Validität wird das Konstrukt nicht nur durch formative sondern alternativ auch durch reflektive Indikatoren operationalisiert. Eine Möglichkeit der Überprüfung besteht in der Schätzung im Rahmen eines „multiple indicators and multiple causes“(MIMIC)-Modells. Sind die Gütemaße des Gesamtmodells akzeptabel, so kann davon ausgegangen werden, dass die Indikatoren den Index bilden.1095 Da nicht jede PLS-Software die Spezifizierung von MIMIC-Modellen unterstützt, schlagen REINARTZ et al. eine zweite Möglichkeit vor: ein Zwei-KonstruktModell zur Evaluierung formativer Messmodelle. Dabei wird geprüft, ob ein starker und signifikanter Zusammenhang zwischen der latenten Variable und einer so genannten Phantomvariable, die die reflektive Operationalisierung des Konstruktes darstellt, vorliegt. Ist dies der Fall, liegt externe Validität vor.1096 Die vorgeschlagene Operationalisierung formativer Konstrukte durch zusätzliche reflektive Indikatoren wird jedoch auch kritisch diskutiert. Aufgrund der Merkmale reflektiver Indikatoren können diese lediglich einen Aspekt des formativen Konstruktes messen.1097 Des Weiteren kann es in der Praxis der empirischen Forschung problematisch sein, ein Konstrukt durch zig verschiedene Indika1090
1091 1092 1093 1094
1095 1096 1097
BELSLEY kritisiert die Überprüfung von Multikollinearität mittels VIF: Das Verfahren ermöglicht keine Aussagen über die Anzahl der Abhängigkeiten bzw. die problematischen Indikatoren. Des Weiteren ist die Festlegung des Grenzwertes willkürlich. Vgl. Belsley (1991), S. 28. Vgl. Belsley (1991), S. 137ff. Vgl. zur ausführlichen Beschreibung Belsley (1991), S. 40ff. Vgl. Schultz/Kock (2005), S. 20. Siehe dazu auch Bagozzi (1994b), S. 333: “The best we can do to assess reliability and validitiy is to examine how well the index relates to measures of other variables (e.g. test-retest reliability; criterion related validity).” Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer (2001), S. 272 sowie dort zitierte Quellen. Vgl.Reinartz et al. (2004), S. 298f sowie Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 720 bzw. 729f. Vgl. Albers/Hildebrandt (2006), S. 25.
202
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
toren zu erfassen, da die Länge eines Fragebogens für viele Befragte ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Teilnahme an der Befragung darstellt. Ist die Überprüfung des formativen Messmodells durch zusätzliche reflektive Indikatoren nicht möglich, können nach DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER folgende Methoden angewendet werden: Die Korrelationen der Indikatoren des Index mit einem anderen Indikator werden analysiert. Dabei sollte es eine theoretische Begründung dafür geben, warum die Indikatoren korrelieren. Ein möglicher Indikator kann ein so genanntes Globalmaß sein, welches nicht im Index enthalten sein darf und den Aspekt, den das Konstrukt messen soll, zusammenfasst. Des Weiteren kann zum Test der nomologischen Validität und damit auch der Güte der Indikatoren das formative Konstrukt in Beziehung zu einem reflektiv gemessenen Konstrukt gebracht werden. Wird zwischen den beiden Variablen der theoretisch erwartete Zusammenhang gefunden, so kann dies als Indiz für nomologische Validität des formativen Messmodells verstanden werden.1098 Jedoch enthält nicht jeder Bezugsrahmen ein reflektives Konstrukt. Es erscheint daher als legitim, die auf sorgfältig theoretischkonzeptionellen Überlegungen basierenden postulierten Wirkungszusammenhänge zwischen zwei latenten Konstrukten eines Modells als Kriterium zur Überprüfung der nomologischen Validität eines verwendeten Messmodells zu verwenden.1099 Ebenso wie bei reflektiven Messmodellen ist eine abschließende Beurteilung der formativen Messmodelle mit Hilfe von Signifikanztests möglich. Diese werden bei der PLS-Analyse anhand approximierter, durch Resampling-Techniken gewonnene t-Statistiken durchgeführt.1100 Hier sei erneut darauf hingewiesen, dass formative Indikatoren mit niedrigem Signifikanzniveau nicht automatisch sondern nur auf der Basis inhaltlicher Überlegungen eliminiert werden dürfen.1101 Tab. 5-2 fasst die Gütemaße für formative Messmodelle bei Nutzung der PLSAnalyse zusammen.
1098 1099 1100
1101
Vgl. Diamantopoulos/Winklhofer (2001), S. 272f. Vgl. z.B. Helm (2005b), S. 253. Vgl. Chin (1998), S. 318ff. Siehe dazu auch die Ausführungen im nachfolgenden Abschnitt zur Beurteilung des Strukturmodells. Vgl. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 730.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung Beurteilungskriterium
(Mess-)Instrument
Inhalts- und Indikatorspezifikation
Literaturstudie Pretest
Indikatorkollinearität
Gewicht ʌi Variance Inflation Factor 1 VIF 1 Ri2 sowie Konditionsindex KI
OE max OEi
1d i d p
Externe bzw. nomologische Validität
MIMIC-Modell oder Zwei-Konstrukt-Modell mit Phantomvariable oder Korrelation mit anderen Indikatoren oder Modell mit einem latenten reflektiven Konstrukt zusätzlich Pfadkoeffizienten ȕij, Ȗij
203
Kriterien Übereinstimmung zwischen der a priori und der tatsächlichen Zuordnung Stärke, Richtung und Signifikanz VIF < 5,3 akzeptabel VIF > 2 inhaltliche Überprüfung
10 < Wert < 30 mäßige Kollinearität Wert > 30 starke Kollinearität Entsprechender Fit des Modells (Externe Validität) Starker signifikanter Zusammenhang gefordert (Externe Validität) Erwarteter signifikanter Zusammenhang bestätigt (externe Validität) Erwarteter signifikanter Zusammenhang bestätigt (nomologische Validität)
Signifikanz, Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen den latenten Variablen ʌi Gewicht; Ri2 Bestimmtheitsmaß; ȜEi Eigenwert; ȕij, Ȗij Pfadkoeffizienten Tab. 5-2: Kriterien zur Beurteilung formativer Messmodelle1102
5.1.2.3 Beurteilung des Strukturmodells Die Hypothesen, die im vorangegangenen vierten Kapitel theoretisch abgeleitet wurden, werden mit Hilfe des Strukturmodells überprüft. Bevor jedoch die geschätzten Parameter interpretiert werden können, ist eine Beurteilung der Modellgüte notwendig. Da die Parameterschätzung bei PLS im Gegensatz zu kovarianzbasierten Verfahren nicht simultan sondern blockweise iterativ erfolgt, lassen sich keine Maße für die Beurteilung des Gesamtmodells sondern lediglich für die Ergebnisse einzelner Teilregressionen ableiten.1103 Dabei ist aufgrund fehlender empirischer Verteilungsannahmen die Anzahl möglicher Gütemaße im Vergleich zu kovarianzbasierten Modellen geringer.1104 Maße zur Bestimmung der Anpassungsgüte der Kovarianzen können zur Modellbeurteilung nicht herangezogen werden, stattdessen kommen schätzungsorientierte, nicht-parametrische Gütemaße zur Anwendung.1105
1102 1103 1104 1105
Quelle: In Anlehung an Krafft et al. (2005), S. 82. Vgl. Herrmann et al. (2006), S. 42f. Vgl. Ringle (2004), S. 304. Vgl. Chin (1998), S. 316.
204
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
CHIN schlägt folgende Kriterien zur Beurteilung eines PLS-Modells vor: (1) das Bestimmtheitsmaß der latenten endogenen Variablen, die Pfadkoeffizienten und die Effektgröße zur Analyse des „Godness of Fit“ und (2) den STONE-GEISSER-Test zur Bestimmung der Schätzrelevanz. Des Weiteren kann (3) mittels approximierter, durch Resampling-Techniken gewonnenen t-Statistiken die Stabilität der Schätzungen geprüft werden.1106 (1) Goodness of Fit: Ausgangspunkt der Überprüfung des Strukturmodells bilden (a) die Bestimmtheitsmaße der latenten endogenen Variablen. Das Bestimmtheitsmaß R2, welches zwischen Null und Eins liegt, gibt die Höhe bzw. den Anteil der erklärten Varianz der latenten endogenen Variable an, d.h. es stellt das Verhältnis der erklärten Streuung zur Gesamtstreuung dar. Es misst damit die Güte der Anpassung der Regressionsfunktion an die empirisch gewonnenen Indikatoren1107 und wird ebenso wie bei der traditionellen multiplen Regressionsanalyse interpretiert1108. Zusätzlich kann ein durchschnittliches Bestimmtheitsmaß aller endogenen Konstrukte AVA (average variance accounted for) angegeben werden. AVA ist ein Maß für die Erklärungskraft des gesamten Strukturmodells.1109 (b) Zur Begutachtung des Modells gehört weiterhin die Analyse der einzelnen Pfadkoeffizienten.1110 Die einzelnen Pfadkoeffizienten ȕij, Ȗij können wie standardisierte BetaKoeffizienten interpretiert werden, d.h. sie geben die Stärke der Wirkungsbeziehungen zwischen den latenten Variablen an. Die Reliabilität der Koeffizienten wird anhand der tStatistiken überprüft.1111 Sind die Pfade nicht signifikant, müssen die Hypothesen verworfen werden. Ebenso abgelehnt werden müssen die Hypothesen, wenn die Koeffizienten zu den theoretisch abgeleiteten Pfaden entgegengesetzte Vorzeichen aufweisen.1112 (c) Weiterhin kann die Änderung des Bestimmtheitsmaßes genutzt werden, um den Einfluss einer latenten exogenen Variable auf eine latente endogene Variable zu überprüfen. COHEN entwickelte analog zum partiellen F-Test die so genannte Effektgröße f2. Dabei wird das Strukturmodell und damit die Bestimmtheitsmaße einmal inklusive (R2incl) und einmal exklusive (R2excl) der betrachteten exogenen Variable geschätzt.1113 Eine Effektgröße von 0,02, 0,15 bzw. 0,35 weist auf einen schwachen, mittleren (moderaten) und starken Ein-
1106
1107 1108 1109
1110 1111 1112
1113
Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Chin (1998), S. 316ff sowie Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 730f; Krafft et al. (2005), S. 72ff; Ringle (2004), S. 305ff; Schultz/Kock (2005), S. 21ff. Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 63. Vgl. Chin (1998), S. 316; Krafft et al. (2005), S. 83; {Pfaffenberger #1923}, S. 411. “…indicating the predictive power of the structural model without regard to the measurement model.“ Fornell/Bookstein (1982), S. 447. Vgl. dazu Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 730. Siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen zum Test der Stabilität von PLS-Schätzungen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Bestimmtheit der Vorzeichen bei PLS nicht gegeben ist. Das bedeutet, dass die Vorzeichen der Ladungen bzw. Gewichte in Verbindung mit der latenten Variable zu interpretieren sind. Demnach sind die Vorzeichen des Messmodells im Zusammenhang mit dem Strukturmodell zu überprüfen. Vgl. die Diskussion bei Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 735. Vgl. Cohen (1988), S. 410ff z.n. Götz/Liehr-Gobbers (2004), S. 730.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
205
fluss der latenten exogenen Variable auf die zu ihr in Verbindung stehenden latenten endogenen Variable hin.1114 (2) Prognoserelevanz: Der nicht-parametrische STONE-GEISSER-Test zur Bestimmung der Schätzrelevanz1115 ermöglicht es zu prüfen, wie gut die empirisch erhobenen Daten durch das PLS-Modell und die einzelnen Parameter dargestellt werden.1116 Der Test nutzt eine so genannte Blindfolding Technik, d.h. während der Parameterschätzung wird systematisch ein Teil der Rohdatenmatrix, jede D-te Beobachtung, als fehlend angenommen und im Anschluss daran mittels der Parameter neu geschätzt. Diese Prozedur des Auslassens und Schätzens wird D-mal wiederholt.1117 Die so genannte ‚Omission Distance’ (Distanz der Auslassung) liegt nach WOLD zwischen 5 und 10. Mit steigenden Werten stabilisiert sich die Schätzrelevanz.1118 Mit den bei jedem Durchlauf gewonnenen Ei (Summe der quadratischen Abweichung von tatsächlichen Werten und neu geschätzten Werten) und Oi (Summe der Abstandsquadrate zwischen den tatsächlichen Werten und dem Mittel der übrigen Werte) lässt sich die Schätzrelevanz Q² für das betrachtete Konstrukt berechnen.1119 Aufgrund der Richtung der Kausalität zwischen der latenten Variable und den manifesten Indikatoren ist der STONE-GEISSER-Test nur bei Konstrukten mit reflektiven Messmodellen sinnvoll.1120 Ist die Schätzrelevanz größer Null, so besitzt das Modell Prognoserelevanz. Bei Q² gleich eins ließen sich die beobachteten endogenen Variablen perfekt durch das Modell rekonstruieren.1121 Bei der Anwendung des STONE-GEISSER-Test ist zu beachten, dass zwei verschiedene Q²-Werte berechnet werden können, die unterschiedliche Prognosen treffen: Das kreuz-validierte Redundanzmaß wird genutzt, um die Prognoserelevanz des Strukturmodells zu prüfen.1122 Mit Hilfe der Schätzrelevanz ist der Vergleich von Modellen möglich, d.h. der STONE-GEISSER-Test ist zur Modellselektion nutzbar. (3) Stabilitätstest: Zur Einschätzung der Stabilität der gewonnenen Schätzergebnissen können nicht-parametrische Verfahren zur systematischen Veränderung der empirisch erhobenen Daten wie Jackknifing und Bootstrapping eingesetzt werden. Beide Verfahren beruhen auf Resampling-Techniken, d.h. eine bestimmte Anzahl der empirisch erhobenen Fälle wird
1114 1115 1116 1117 1118 1119 1120 1121 1122
Vgl. Cohen (1988), S. 413 z.n. Chin (1998), S. 317. Vgl. Geisser (1974); Stone (1974). Vgl. Fornell/Cha (1994), S. 72. Vgl. Apel/Wold (1982), S. 220; Chin (1998), S. 317. Vgl. Wold (1982a), S. 33. Vgl. Fornell/Cha (1994), S. 73. Vgl. Herrmann et al. (2006), S. 57 sowie dort zitiert Quellen. Vgl. Fornell/Bookstein (1982), S. 449. “A cross-validated communality Q² is obtained if prediction of the data points is made by the underlying latent variable score, whereas a cross-validated redundancy Q² is obtained if prediction is made by those LV (latent variables, A.d.A.) that predict the block in question. One would use the cross-validated redundancy measure to examine the predictive relevance of one’s theoretical/structural model.” Vgl. Chin (1998), S. 318.
206
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
unterdrückt und anschließend im Modell neu geschätzt.1123 Dabei wird die Streuung in den Stichprobendaten genutzt, um die Varianz einer Schätzung zu ermitteln.1124 Beide Verfahren können den Standardfehler eines Schätzers automatisch und unabhängig von der Komplexität der Schätzfunktion sowie Parameterannahmen ermitteln.1125 Der wesentliche Unterschied der Verfahren besteht in der Auswahl der Fälle, die für die Bildung der Subsamples genutzt werden: Während beim Bootstrapping das Subsample über eine bestimmte Anzahl zufällig ausgewählter Fälle geschätzt wird, wird beim Jackknifing aus allen Fällen eine festgelegte Anzahl zu unterdrückender Fälle nach einem vorgegebenen Schema bestimmt und anschließend die verschiedenen Subsamples bildend geschätzt.1126 Die Methode des Bootstrapping ist mit mehr Rechenaufwand verbunden, wird aber aufgrund der präziseren Schätzung als effizienter als die Jackknife-Methode eingeschätzt.1127 Mit den aus den Resampling-Techniken gewonnenen Standardabweichungen der Modellparameter lassen sich t-Werte bestimmen und darauf aufbauend die Signifikanz der Pfadkoeffizienten, der Faktorladungen oder der Gewichte ermitteln. EFRON schlägt vor, dass 200 Bootstrapping-Stichproben zur Schätzung der Standardabweichungen ausreichen.1128 Die aktuelle forschungsmethodische Diskussion sowie die entsprechende Anwendung der PLS-Analyse in empirischen Studien machen deutlich, dass es bisher kein anerkanntes systematisches Vorgehen bei der Beurteilung des Strukturmodells gibt. So kommen SCHULTZ/KOCK bei ihrer Analyse von 53 sozialwissenschaftlichen Studien aus den Jahren 1982 bis 2005, die PLS anwenden, zu der Erkenntnis, dass alle drei diskutierten Beurteilungskriterien lediglich in zwei Studien (4%) angewendet werden. In 45 Studien (85%) wird das Bestimmtheitsmaß, in zwei (4%) die Schätzrelevanz und in 49 (92%) werden die Signifikanzen der Pfadkoeffizienten angegeben.1129 HULLAND sieht das Bestimmtheitsmaß als einziges Kriterium der Modellgüte; nur drei der vier in ihrem Artikel besprochenen PLS-Studien (75%) geben dieses Maß an.1130 Um von empirisch gesicherten Ergebnissen ausgehen zu können, sollten die verschiedenen Beurteilungsmaße, die in Tab. 5-3 zusammenfassend dargestellt sind und die auch zur Beurteilung des vorliegenden Strukturmodells herangezogen werden, insgesamt so gut wie mög-
1123
1124 1125 1126 1127
1128 1129
1130
Siehe zur ausführlichen Diskussion der Verfahren Bollen/Stine (1993); Davison/Hinkley (1997), S. 136ff.; Efron/Tibshirani (1993). Vgl. Chin (1998), S. 318. Vgl. Efron/Tibshirani (1993), S. 45. Vgl. Chin (1998), S. 318ff sowie Ringle (2004), S. 310. Vgl. Chin (1998), S. 320; Efron/Tibshirani (1993), S. 40. Grundsätzlich sollten Jackknife und Bootstrap Standardabweichungen jedoch konvergieren. Vgl. Chin (1998), S. 320. Vgl. Efron/Tibshirani (1993), S. 52. Vgl. Schultz/Kock (2005), S. 9ff. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Angaben zu den Gütemaßen der Messmodelle. Vgl. ebenda, S. 11f. Vgl. Hulland (1999), S. 202.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
207
lich erfüllt sein.1131 Bis auf die Effektgröße werden die diskutierten Maße zur Beurteilung des Strukturmodells von der verwendeten statistischen PLS-Software ausgewiesen.
Beurteilungskriterium „Goodness of Fit“
(Mess-)Instrument Bestimmtheitsmaß R Bestimmtheitsmaß aller endogenen Konstrukte AVA
Interpretation wie bei multipler Regression
sowie Pfadkoeffizienten ȕij, Ȗij sowie t-Statistiken Effektgröße f2
erwartete Vorzeichen Signifikanztest/-niveaus f2 > 0,35 starker Einfluss f2 > 0,15 mittlerer Einfluss f2 > 0,02 schwacher Einfluss
f2 Prognoserelevanz (STONE-GEISSER-Test)
Kriterien 2
2 2 Rexcluded Rincluded 2 1 Rincluded
Schätzrelevanz Q2 D
¦E
i
Q2
1
i 1 D
Q2 > 0 Prognoserelevanz des Modells bestätigt; nur für reflektive Konstrukte
¦O
i
i 1
Stabilität der Schätzung
t-Statistiken Signifikanztest/-niveaus durch Jackknifing oder Bootstrapping gewonnen Ri2 Bestimmtheitsmaß; Ei Quadratsumme der Prognosefehler; Oi Quadratsumme der Differenz von geschätztem Wert und dem Mittelwert der verbleibenden Daten Tab. 5-3: Gütemaße zur Beurteilung des Strukturmodells1132
5.2
Untersuchungsdesign
5.2.1 Untersuchungsgegenstand Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine Erhebung in einem weltweit führenden multinationalen Unternehmen der Elektronik und Elektrotechnik mit Hauptsitz in Deutschland durchgeführt. Im Geschäftsjahr 2005 betrug der Umsatz 75,445 Mrd. EUR und der Gewinn nach Steuern 2,248 Mrd. EUR.1133 461.000 Mitarbeiter arbeiten an verschiedenen Standorten in über 190 Ländern. Dies erklärt, warum das Unternehmen eine Vorreiterrolle im Bereich Wissensmanagement eingenommen hat: Eine Vernetzung der verschiedenen Standorte und Mitarbeiter stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit dar. Dies gilt insbesondere für jene Bereiche, deren Produkte hauptsächlich Dienstleistungen darstellen. Für diese sind das Wissen und die Erfahrungen der Mitarbeiter die wesentlichen Produktionsfaktoren.
1131 1132 1133
Vgl. zum Abschnitt die Diskussion bei Ringle (2004), S. 304. Quelle: In Anlehnung an Krafft et al. (2005), S. 85. Vgl. Geschäftsbericht 2005.
208
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden „bottom up“ in einzelnen Bereichen bzw. Abteilungen des Unternehmens unabhängig voneinander verschiedene WissensmanagementInstrumente (z.B. Datenbanken oder CoPs) eingeführt bzw. aufgebaut. Manager und Mitarbeiter, die sich mit dem Management von Wissen auseinandersetzen, begannen, Erfahrungen im Umgang mit diesen Instrumenten zunächst informal, später formal anerkannt auszutauschen. Auch heute basieren die Wissensmanagement-Aktivitäten vor allem auf den Initiativen in den einzelnen Geschäftseinheiten. Eine zentrale Wissensmanagementeinheit übernimmt jedoch koordinierende Aufgaben.1134 5.2.2 Datenerhebung Jede empirische Untersuchung ist ein Prozess, der in bestimmten Phasen abläuft. An die Problemformulierung und die Konzeptualisierung, die in den vorangegangenen Kapiteln und Abschnitten dargestellt wurden, schließt sich die Datenerhebung an.1135 Der Prozess der Datenerhebung lässt sich in fünf weitere Teilprozesse unterteilen, auf die nachfolgend eingegangen wird: (1) Definition der Grundgesamtheit, Festlegung der Untersuchungseinheit und Identifikation der Ansprechpartner, (2) Auswahl der Erhebungsmethode, (3) qualitative Vorstudie und Entwurf des Erhebungsinstrumentes, (4) Pretest des Erhebungsinstrumentes sowie abschließend (5) Anwendung des Erhebungsinstrumentes.1136 Grundgesamtheit, Untersuchungseinheit und Ansprechpartner Eine qualitativ hochwertige empirische Untersuchung verlangt eine am Forschungsziel ausgerichtete Generierung der Stichprobe und Auswahl geeigneter Respondenten. Zum Zeitpunkt der Erhebung existierten über 300 CoPs zu verschiedensten Themen1137 im Unternehmen. Dabei handelte es sich sowohl um gezielt ins Leben gerufene CoPs als auch etablierte und formalisierte informelle Netzwerke. In Kooperation mit einem Verantwortlichen des Bereichs Wissensmanagement wurde anhand der Kriterien Alter und Mitgliederzahl die Grundgesamtheit der Untersuchung festgelegt, d.h. „[...] jene Menge an Objekten, für die die Aussagen der Untersuchung gelten sollen“1138: 220 CoPs bestanden seit zwei oder mehr Monaten und hatten mindestens fünf Mitglieder.1139 Die Erhebungseinheit dieser Studie ist die einzelne CoP, denn sie ist das Kriterium, auf das sich die Auswahl der Stichprobe bezieht. Die Untersuchungs1134 1135 1136 1137
1138
1139
Vgl. Davenport/Probst (2002), S. 12f. Vgl. Friedrichs (1990), S. 119. Siehe auch die Ausführungen im Abschnitt 1.2. Vgl. z.B. Lockhart/Russo (1994), S. 126 sowie die Ausführungen bei Talke (2005), S. 157ff. Beispielsweise zu strategischen Themen wie Projekt-, Innovations- oder Portfoliomanagement, zu operativen Themenstellungen, wie z.B. ARIS, Sales, Datensicherung, oder auch zu regionalen Themen. Schnell et al. (2005), S. 265. Da die Auswahl der Elemente der Grundgesamtheit nicht auf einem Zufallsprozess sondern auf vor der Untersuchung festgelegte Regeln basiert, handelt es sich um eine „bewusste Auswahl“. Der zweite Schritt der Erhebung, d.h. die Befragung der Community-Mitglieder, stellt hingegen eine Zufallsauswahl dar. Vgl. Schnell et al. (2005), S. 267f. Diese Angaben sind aufgrund des dynamischen Charakters von CoPs Momentaufnahmen. Siehe dazu auch die Ausführungen zur Stichprobe bzw. der Rücklaufquote.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
209
einheit der vorliegenden Studie ist das einzelne Community-Mitglied. Auf dieses bezieht sich die Untersuchung und es stellt das Kriterium der Hypothesenprüfung dar.1140 Wie bereits erörtert, sind CoPs informelle Netzwerke, die dem Management eines Unternehmens i.d.R. nicht bekannt sind. Dadurch ist es schwierig bzw. sehr aufwendig, solche Netzwerke zu identifizieren und ihre Mitglieder anzusprechen.1141 In einigen Unternehmen (so auch im untersuchten Unternehmen) haben CoPs im Rahmen von WissensmanagementInitiativen einen formalen Status bekommen.1142 Diese Wissensgemeinschaften sind vom Management anerkannt. Sie werden mit entsprechenden Ressourcen unterstützt und haben einen dem Management bekannten und damit formal anerkannten Leiter (auch Knowledge Broker oder Community-Broker genannt).1143 Die Broker stellen die Schlüsselinformanten (auch „Key Informants“ genannt1144) bezüglich der allgemeinen Charakteristika der Community dar, d.h. sie können qualifiziert Auskünfte zur Gründung, den Mitgliederzahlen, dem Wachstum und den Rahmenbedingungen der CoP geben. Des Weiteren ist es über sie möglich, die Community-Mitglieder zu kontaktieren. Aufgrund dieser Tatsache werden in der nachfolgenden empirischen Analyse nur formal anerkannte, d.h. institutionalisierte CoPs berücksichtigt. Die verschiedenen Broker der Communities sind dabei die Ansprechpartner für die Erhebung. Auswahl der Erhebungsmethode Nach dem Erhebungsansatz wird zwischen quantitativen und qualitativen Untersuchungsmethoden unterschieden.1145 Die Differenzierung dieser beiden Erhebungsmethoden wird jedoch in der Literatur nicht einheitlich vorgenommen.1146 Ursache dafür ist, dass sich für eine Abgrenzung verschiedene Kriterien verwenden lassen: (a) die Begriffsform als Unterscheidungskriterium, d.h. sobald Zahlbegriffe bzw. deren Beziehungen durch mathematische Operationen bei der Erhebung oder der Auswertung verwendet werden, handelt es sich um quantitative Methoden, alles andere sind qualitative Methoden; (b) die Skalenniveaus der zugrunde liegenden Messung als Unterscheidungsmerkmal, d.h. basiert die Messung auf nominalskalierten Daten, wird von qualitativer Analyse gesprochen, bei ordinal-, Intervall oder ratioskalierten Messungen von quantitativer Analyse; sowie (c) das implizite Wissenschaftsverständnis als Unterscheidungskriterium, d.h. geht es um Verstehen oder Erklären, Komplexität oder Variablenisolation, Einzelfall oder repräsentative Stichprobe.1147 Letztere Unterscheidung ist die Grundlage des „allgemeinen Verständnisses“ und soll auch in dieser Arbeit gel1140 1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147
Vgl. dazu die ausführliche Diskussion bei Friedrichs (1990), S. 126f. Beispiele dafür sind die Studien von Hildreth et al. (1998); Swarbrick (2002); Tyler et al. (2005). Siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 2.2.2.2 zur Entstehung und dem Formalitätsgrad von CoPs. Zu den Rollen in CoPs bzw. den Aufgaben des Brokers siehe Abschnitt 2.2.2.3 sowie 4.3.2.2. Vgl. Kumar et al. (1993), S. 1634. Vgl. z.B. Berekoven et al. (2004), S. 95. Vgl. die Ausführungen bei Kepper (1994), S. 5f sowie Müller (2000), S. 129ff. Vgl. Mayring (2000), S. 6ff.
210
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
ten: Mittels qualitativer Methoden werden subjektive Daten auf der Basis kleiner Fallzahlen erhoben, wohingegen im Rahmen von quantitativen Studien objektive Daten auf der Basis größerer Stichproben gewonnen werden. Während es bei qualitativen Forschungsmethoden vornehmlich darum geht, ein Tiefenverständnis bezüglich eines Phänomens mit entsprechenden Hypothesen und Theorien zu entwickeln, haben quantitative Methoden vor allem die Prüfung von Hypothesen zum Ziel.1148 Ein wesentliches Ziel der vorliegenden Untersuchung liegt in der empirischen Überprüfung der in den vorangegangenen Kapiteln theoretisch abgeleiteten kausalen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Konstrukten des Bezugsrahmens.1149 Dies erfordert die Anwendung multivariater statistischer Verfahren.1150 Es wurde demzufolge eine großzahlige Erhebung in einem multinationalen Unternehmen konzipiert. Diese ermöglicht es, die postulierten Zusammenhänge zu überprüfen sowie Aussagen zur Stärke der Zusammenhänge zu treffen. Das bedeutet auf den ersten Blick, dass wenige neue Einsichten und Erkenntnisse zum Forschungsgegenstand generiert werden. Diesem vordergründigen Nachteil wird jedoch durch eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden sowie der strikten und sorgfältigen Orientierung am forschungslogischen Ablauf empirischer Untersuchungen begegnet (mit qualitativer Vorstudie, d.h. dem Bestätigen der analysierten Erfolgsfaktoren durch Expertengespräche und Interviews mit Mitgliedern, Pretest etc).1151 Die generierten Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis des Forschungsgegenstandes bei. Aufgrund des mit einer großzahligen Studie verbundenen zeitlichen und finanziellen Befragungsaufwandes wurde als Erhebungsmethode die schriftliche Befragung mit einem voll standardisierten Fragebogen gewählt.1152 Der standardisierte Fragebogen mit vorgegebenen Antworten in Verbindung mit einer großen Stichprobe soll es ermöglichen, repräsentative und damit verallgemeinerbare Aussagen abzuleiten. Qualitative Vorstudie und Fragebogenentwicklung Das auf der Grundlage einer umfangreichen Literaturstudie zum Thema Wissensmanagement/CoPs sowie existierender theoretischer Konzepte und eigener konzeptioneller Überlegungen entwickelte Modell einer CoP wurde im Rahmen verschiedener qualitativer Interviews diskutiert. Ziele dieser etwa 20 Gespräche mit Experten relevanter fachlicher und methodischer Gebiete (sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler waren involviert) waren die Überprüfung und Validierung des Modells sowie des geplanten und bereits grob konzipierten 1148
1149 1150 1151 1152
Vgl. dazu die Ausführungen bei Diekmann (1995), S. 107 ff. sowie S. 585 ff.; Mayring (2000), S. 20ff; Schnell et al. (2005), S. 51 ff. Siehe auch die ausführliche Diskussion der Ziele dieser Arbeit im Abschnitt 1.1. Siehe dazu Backhaus et al. (2003). Vgl. Friedrichs (1990), S. 50ff. Zu Vor- und Nachteilen dieses Erhebungsmethode siehe z.B. Friedrichs (1990), S. 236ff; Lockhart/Russo (1994), S. 153f.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
211
Erhebungsinstrumentes. Unter Berücksichtigung der Anregungen und Verbesserungsvorschläge wurde im Anschluss daran das Erhebungsinstrument entwickelt. Dabei wurden sowohl für die inhaltliche Gestaltung als auch die optische Aufbereitung des Fragebogens entsprechende Kriterien und Aspekte beachtet.1153 Da CoPs ein recht junges Forschungsgebiet darstellen, konnte nur begrenzt auf bewährte Konstrukte zurückgegriffen werden. Das Erhebungsinstrument umfasst zwei Fragebögen. Der erste Fragebogen richtet sich an die Broker und erfasst in drei Fragenkomplexen: (A) Allgemeine Angaben zur CoP: Eigenschaften, Mitglieder, Funktionale und hierarchische Zusammensetzung, Verbreitungsgrad, Hintergrund der Gründung der CoP, existierende Anreizsysteme; (B) Prozesse und Aktivitäten der Community: Aufgaben des Brokers, Aktivitäten, Netzwerk der CoP sowie (C) Ergebnisse der Community für das Unternehmen: Qualitative und quantitative Einschätzung. Der Fragebogen für die Mitglieder beinhaltet insgesamt fünf Fragenkomplexe mit folgenden Kategorien und Inhalten: (1) Allgemeine Angaben zur Person und zur Community: Person, Zeitaufwand in der CoP, Aufgaben des Brokers, Thema der CoP, in der CoP behandeltes Wissen; (2) Motivation und Einstellungen zur Mitarbeit in der Community: Gründe für die Mitgliedschaft, Einstellung zur CoP; (3) Prozesse und Aktivitäten in der Community: Funktionen und Prozesse der CoP, Tätigkeit des Mitglieds der CoP, Häufigkeit der Nutzung der Instrumente/Funktionalitäten, Kommunikation in der CoP; (4) Umfeldfaktoren: Unternehmensumfeld, Wissensangebot vor Gründung sowie (5) Ergebnisse der Community: Nutzen für das Unternehmen, Ergebnisse für das Mitglied. Neben einer deutschen Version gab es auch eine englische Fassung beider Fragebögen. Bis auf wenige Ausnahmen, die vor allem im Broker-Fragebogen sowie bei den MitgliederFragen bezüglich der Zugehörigkeitsdauer zum Unternehmen bzw. der CoP vorkommen, wurde in den Fragebögen die geschlossene Frageform in Verbindung mit einer siebenstufigen Rating-Skala mit den Ausprägungen 1=„trifft gar nicht zu“ bis 7=„trifft voll zu“ sowie bei Fragen zur Häufigkeit mit den Ausprägungen 1=„nie“ bis 7=„mehrmals pro Woche“ verwendet.1154 Wie in der empirischen Sozialforschung allgemein verbreitet und damit anerkannt,
1153 1154
Vgl. z.B. Schnell et al. (2005), S. 360ff. Siehe Abschnitt 5.3 für die Operationalisierung der Konstrukte des Bezugsrahmens.
212
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
wird damit eine Intervallskala genutzt, obwohl es sich im streng mathematischen Sinn um eine Ordinalskala handelt.1155 Pretest des Erhebungsinstrumentes Im Rahmen einer im Februar/März 2003 stattgefundenen Voruntersuchung (Pretest) wurde das entwickelte Erhebungsinstrument in einer ausgewählten CoP getestet. Diese Wissensgemeinschaft wurde bei der anschließenden Hauptuntersuchung nicht mehr berücksichtigt. 14 Mitglieder wurden telefonisch interviewt, wobei abgesehen von der befragten Person jeweils zwei Personen an den Interviews teilnahmen: eine telefonierte und die andere protokollierte. Diese Tandem-Lösung hatte den Vorteil, dass sich der Interviewer vollständig auf das Gespräch konzentrieren konnte. Die Interviews dauerten zwischen 30 und 75 Minuten. Es wurde zum einen gemeinsam der Fragebogen durchgegangen, zum anderen wurden offene Fragen zur Studie, den Erfolgsfaktoren von CoPs sowie zum Fragebogen (z.B. zur Länge1156, der Verständlichkeit und Eindeutigkeit der einzelnen Items, zum Layout) diskutiert. Dieses Vorgehen ermöglichte eine direkte Rücksprache bei aufgetretenen Missverständnissen, die zu einer anschließenden sprachlichen Präzisierung einiger Fragestellungen führte. Gleichzeitig erlaubte das Vorgehen auch eine inhaltliche Validierung der Konzeptualisierung.1157 Grundsätzlich zeigte sich, dass der Fragebogen logisch aufgebaut und verständlich war. Auf der Basis der geführten Interviews sowie einer ersten Auswertung der Pretest-Ergebnisse wurde der Fragebogen gekürzt. Die qualitative Vorstudie sowie der Pretest halfen dabei, die nachfolgende Studie inhaltlich (z.B. durch Überprüfung der Konzeption und der Fragestellungen hinsichtlich Vollständigkeit und Plausibilität) und methodisch (z.B. Überprüfung der Skalierung und Auswertmöglichkeit) abzusichern. Mit diesem Vorgehen wird den Anforderungen an eine empirische Untersuchung wie schlüssiges Forschungsdesign, stringente Erklärungszusammenhänge, Generalisierbarkeit der Ergebnisse sowie die statistische Validität nachgekommen.1158 Darüber hinaus wurde insbesondere durch eine sorgfältige Entwicklung des Erhebungsinstrumentes (Formulierung der Items, Reihenfolge der Fragen) der Gefahr des Single Informant Bias entgegengewirkt.1159
1155
1156
1157 1158 1159
Vgl. Völckner (2003), S. 79 z.n. Ringle (2004), S. 275. Für eine Diskussion der verschiedenen Skalen siehe z.B. Backhaus et al. (2003), S. 4ff; Bagozzi (1994a), S. 10ff; Schnell et al. (2005), S. 142ff. Die benötigte Zeit zum Ausfüllen der neun Seiten des im Pretest verwendeten Fragebogens variierte sehr stark: von 20 bis hin zu 60 Minuten. Vgl. Homburg/Giering (1996), S. 11f. Vgl. Ringle (2004), S. 275. Allgemein wird unter einem Bias eine durch falsche Untersuchungsmethoden verursachte Verzerrung der Ergebnisse verstanden. Ursachen können z.B. eine mangelnde Distanz zum Befragungsgegenstand sowie kognitive Überlagerungseffekte sein. Hier offenbart sich ein Paradoxon empirischer Forschung: Auf der einen Seite sollen die Respondenten einen hohen Kenntnisstand haben, auf der anderen Seite aber auch Abstand zum Befragungsgegenstand. Vgl. die Diskussion bei Ernst (2003).
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
213
Durchführung der Erhebung Aufgrund der bereits geschilderten Besonderheit von CoPs, neben der formalen Organisationsstruktur zu bestehen, fand die Erhebung in zwei Schritten statt: (1) Im ersten Schritt wurden die 220 Broker der ausgewählten CoPs angesprochen. Zunächst wurde eine E-Mail mit Informationen zum Inhalt, dem Ablauf und Umfang der Studie sowie der Bitte um Teilnahme an die Broker versendet. Nach ca. zwei Wochen wurde diese E-Mail erneut versendet, dieses Mal jedoch von einem Mitarbeiter des Unternehmens. 58 Broker erklärten sich bereit, an der Befragung teilzunehmen. Ein Broker leitete zwei CoPs, d.h. im Rahmen der Brokerbefragung wurden insgesamt 59 verschiedene CoPs untersucht. Im Zeitraum von Juni bis Oktober 2003 wurden insgesamt 33 Broker in persönlichen Interviews sowie 25 Broker im Rahmen von Telefoninterviews1160 befragt. Die Interviewpartner erhielten im Vorfeld den Fragebogen zur Verfügung gestellt. Alle Interviews wurden protokolliert. Die Interviews dauerten zwischen 30 und 90 Minuten. (2) Da die Broker die erreichbaren Ansprechpartner und Verbindungspersonen zu den Community-Mitgliedern darstellten, konnte erst im zweiten Schritt (d.h. im Anschluss an die Befragung der Broker) die Mitgliederbefragung durchgeführt werden. Die Broker, die nach persönlicher oder telefonischer Absprache der Befragung ihrer Mitglieder zustimmten, versendeten den Mitglieder-Fragebogen per E-Mail an alle bzw. ausgewählte Mitglieder.1161 Zum Teil wurde der Fragbogen im Rahmen von CoP-Meetings verteilt. In diesen Fällen konnte eine hohe Rücklaufquote verzeichnet werden. Die Haupterhebung der Mitglieder fand zwischen Juli 2003 und November 2003 statt. Nach einiger Zeit wurden die Broker erneut kontaktiert und gebeten, die Mitglieder an die Erhebung zu erinnern. Bei den Brokern wurde maximal dreimal nachgefasst. 5.2.3
Beschreibung der Stichprobe
Insgesamt nahmen 58 Community-Broker von 59 CoPs an der ersten Runde der Befragung teil. Für die zweite Runde wurde das Aktivitätsniveau der Community als Auswahlkriterium herangezogen.1162 Acht Communities waren nach Angaben ihrer Broker keine aktiven CoPs bzw. faktisch tot.1163 Bei weiteren 15 CoPs handelte es sich um wenig aktive CoPs.1164 Diese 1160
1161
1162
1163
1164
Aus zeitlichen und finanziellen Gründen konnten nicht alle Broker persönlich getroffen werden. Die Telefoninterviewpartner kamen aus Deutschland, England, Frankreich, Österreich, Italien und Finnland. Diese Entscheidung lag allein im Ermessen des Brokers. Sie führte zu der nur schwer schätzbaren Rücklaufquote. Grundsätzlich können auch weniger erfolgreiche CoPs wichtige Erkenntnisse liefern. Bei diesen CoPs gab es jedoch eine geringe Bereitschaft des Brokers bzw. der Mitglieder, an der Befragung teilzunehmen. Die angegebene Gründe reichten von „die technische Infrastruktur ist zu langsam“ über „die Mitglieder hätten Angst, Wissen zu teilen“ bis hin zu „keine Zeit oder keine Motivation, die CoP aufzubauen“. Auch hier wurden vor allem Gründe wie Zeitmangel, Startschwierigkeiten, technische Faktoren (Schnelligkeit des Systems bzw. Plattform-Vielfalt) angegeben.
214
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
23 CoPs wurden nicht in die weitere Untersuchung einbezogen. Aus den verbleibenden CoPs sendeten mindestens ein oder mehr Mitglieder Fragebögen zurück. Die realisierte Stichprobe dieser Untersuchung besteht aus 222 Mitgliederfragebögen, die 36 verschiedene Wissensgemeinschaften repräsentieren. Die Gesamtzahl verschickter Fragebögen kann nur grob geschätzt werden. Einerseits liegt dies in der Natur der CoPs, d.h. den fließenden Grenzen, offenen und geschlossenen CoPs, aktiven und passiven Mitgliedern, einer kontinuierlichen Fluktuation von Mitgliedern etc. Andererseits haben einige der Broker nach eigenen Angaben den Fragebogen nur an einen Teil ihrer Mitglieder (i.d.R. an die aktiven Mitglieder ihrer CoP) weitergeleitet. Daher ist es schwierig bzw. nicht möglich, eine genaue Rücklaufquote anzugeben. Auf der Basis der Broker-Angaben lässt sich feststellen, dass die 36 CoPs insgesamt ca. 2.400 Mitglieder haben, wovon ca. 700 Mitglieder zum jeweiligen aktiven Kern der CoP zählen. Mit den vorhandenen Fragebögen werden demnach 9,25% der Mitglieder der untersuchten Communities erfasst. Aus den o.g. Gründen kann dies aber nicht mit der Rücklaufquote gleichgesetzt werden. Sind an die Hälfte der Mitglieder Fragebögen geschickt worden, ergäbe sich eine Rücklaufquote von 18,5%. Bei Betrachtung der Anzahl der aktiven Mitglieder und der Annahme, dass vor allem engagierte bzw. aktive Mitglieder an der Befragung teilgenommen haben, zeigt sich, dass die Stichprobe ca. 31% der aktiven Mitglieder erfasst. Diese Werte lassen sich als gute Quote ansehen. Demnach stellt die realisierte Stichprobe eine gute Repräsentation der Grundgesamtheit dar1165, sowohl hinsichtlich der Heterogenität der Elemente als auch der Repräsentativität der für die Prüfung der Hypothesen wichtigen Variablen.1166 Mit 222 Mitgliederfragebögen stellt die vorliegende Stichprobe eine der umfangreichsten quantitativen Erhebung in der CoP-Forschung dar.1167 Im Durchschnitt sind die untersuchten CoPs 14,8 Monate alt und haben 94 Mitglieder. Davon bilden 21 Mitglieder den aktiven Kern der Community. Es werden pro Woche durchschnittlich 13 Einträge in den Community Workspace bzw. ein Beitrag in das Diskussionsforum der CoP eingestellt. Ca. 10 existierende Community-Dokumente werden wöchentlich von Mitgliedern genutzt. Wie in der Tabelle ersichtlich ist, variieren diese Angaben sehr stark. Das lässt auf unterschiedlich aktive CoPs bzw. unterschiedlich genutzte Kommunikationsmedien schließen.1168 Die Befragten sind im Durchschnitt seit 11,6 Jahren Mitarbeiter im betrachteten Unternehmen und seit 21,6 Monaten Mitglied einer CoP. Sie beschäftigen sich durchschnittlich 1-2 Stunden in der Woche mit CoP-Angelegenheiten. Wie die unterschiedlichen Antwor-
1165 1166 1167
1168
Für eine kritische Diskussion zum Begriff Repräsentativität bei Schnell et al. (2005), S. 304ff. Vgl. Friedrichs (1990), S. 125. Zur Größe der Stichproben der vier existierenden quantitativen Studien: ANDRIESSEN/VERBURG: 271 Mitglieder (7 CoPs), RUUSKA 150 Mitglieder (11 CoPs), TEIGLAND/WASKO 83 Mitglieder (1 CoP), VON WARTBURG et al. 87 Mitglieder. Vgl. dazu auch die Ausführungen im Abschnitt 3.2.2. Siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt 6.2.
215
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
ten diesbezüglich belegen, erfasst die Stichprobe sowohl sehr aktive (Kern-)Mitglieder als auch weniger aktive, periphere Mitglieder. Tab. 5-4 fasst die wesentlichen deskriptiven Angaben zur Stichprobe (d.h. den 222 Mitgliedern der 36 verschiedenen CoPs) zusammen. Charakteristika der CoPs
Mittelwert
Min
Alter der CoP
14,8 Monate
2
Max Median 48
12
N 36
Mitgliederzahl
94 Mitglieder
5
600
40
34
aktiver Kern
21 Mitglieder
2
200
10
34
Einträge im Workspace
13 Einträge/Woche
0
150
2,5
33
Beiträge im Diskussionsforum
1 Beitrag/Woche
0
20
0
28
genutzte Dokumente
10 Dokumente/Woche
0
55
3
23
209
Charakteristika der Mitglieder Unternehmenszugehörigkeit
11,6 Jahre
0,25
69
7,6
Dauer der CoP-Mitgliedschaft
21,6 Monate
0,1
408
13
210
Beschäftigung mit der CoP
1-2 Stunden/Woche
10
1-2
214
Tab. 5-4: Deskriptive Angaben zur Stichprobe
Interessant ist an dieser Stelle der Vergleich der Maximalwerte des Alters der CoPs und der Dauer der CoP-Mitgliedschaft. Die älteste CoP, so ein Ergebnis der Brokerbefragung, besteht seit 4 Jahren. Dem gegenüber steht die Angabe eines Mitglieds, das bereits seit über 34 Jahren Mitglied einer untersuchten CoP ist. Diese CoP existierte demnach schon lange vor ihrer offiziellen Anerkennung, d.h. vor der Formalisierung und Institutionalisierung durch das Management.1169 Die Broker-Angabe gibt damit an, seit wie vielen Jahren die CoP mit formalen Status existiert. Dies verdeutlicht die Problematik, die sich grundsätzlich bei der Erhebung von CoPs ergibt.
5.3
Operationalisierung und Validierung der Konstrukte des Bezugsrahmens
5.3.1 Grundlegendes zur Operationalisierung und Validierung Im vierten Kapitel dieser Arbeit wurden die Konstrukte des Bezugsrahmens sowie deren einzelnen Konstruktdimensionen erarbeitet. Parallel dazu finden i.d.R. die Operationalisierung der Konstrukte (d.h. die Erarbeitung der Messinstrumente) und die Bestimmung der Untersuchungsform statt. Im Anschluss an die Operationalisierung können die Untersuchungseinheiten ausgewählt, die Datenerhebung durchgeführt und die Messmodelle validiert werden.1170
1169
1170
Ebenso bezeichnend war ein Ergebnis des Pretests: Die Angaben zur Community-Größe verschiedener Mitglieder der CoP wichen erheblich voneinander ab. Dies verdeutlicht die fließenden Grenzen einer CoP. Vgl. Schnell et al. (2005), S. 7ff.
216
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die vorab stattgefundene Operationalisierung der Messmodelle in den nachfolgenden Abschnitten zusammen mit der Validierung der Messmodelle dargestellt. Operationalisierung der Konstrukte Um die theoretisch-konzeptionell hergeleiteten Zusammenhänge zwischen den Konstrukten des Bezugsrahmens im Rahmen einer empirischen Untersuchung prüfen zu können, müssen diese operationalisiert werden. Wie auch bei den methodischen Grundlagen erläutert, bedeutet das, den nicht direkt messbaren Variablen werden messbare Eigenschaften bzw. Indikatoren zugeordnet. Da die zu erfassenden Variablen des Bezugsrahmens komplexe Sachverhalte widerspiegeln, werden für jede Variable verschiedene Indikatoren genutzt. Grundsätzlich ist die Untersuchungseinheit der Studie das individuelle Community-Mitglied, d.h. alle gemessenen Indikatoren erfassen die Einschätzungen der Individuen bezüglich der Einflussfaktoren, der Charakteristika der Interaktionsprozesse und der Ergebnisse von CoPs. Wie die Bestandsaufnahme der CoP-Forschung deutlich zeigte, sind CoPs ein relativ junger Forschungsgegenstand. Zum Zeitpunkt der Konzeption der empirischen Untersuchung und damit auch der Erstellung des Fragebogens existierten lediglich qualitative Studien zu CoPs in Unternehmen. Demzufolge gab es keine anerkannten und validierten Skalen zu Communityspezifischen Variablen. Wie jedoch CHURCHILL/PETER bei ihrer Meta-Analyse feststellten, führt die Nutzung von bereits genutzten Skalen nicht zwingend zu einer reliableren Messung.1171 Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits diskutiert wurde, gibt es trotz der spezifischen Eigenschaften von CoPs Parallelen zu anderen Gruppen. Soweit thematisch passend wurden bereits existierende und im Rahmen von empirischen Studien getestete Skalen aus der Gruppen- bzw. Teamforschung identifiziert und an den CoP-Kontext angepasst. Das bedeutet, einige Indikatoren wurden umformuliert bzw. gegebenenfalls ausgeschlossen. Für einige Community-spezifische Variablen konnten keine geeigneten Skalen identifiziert werden. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Literaturrecherche und den Experteninterviews sowie entsprechender methodischer Grundlagen wurden eigene Skalen entwickelt. Unter Berücksichtigung der methodischen Grundlagen wurden bis auf zwei Konstrukte (Managementunterstützung und Kooperationspotential) alle Konstrukte des Bezugsrahmens als formative Messmodelle konzipiert. Anhand der entsprechenden Gewichte lässt sich beispielsweise die Aussage treffen, dass mit zunehmend gutem Kommunikationsklima die Interaktionsqualität steigt. Das bedeutet, die Indikatoren determinieren die latente Variable und nicht die latente Variable die Indikatoren. Es gibt ein Konstrukt zweiter Ordnung im Bezugsrahmen: Community-Interaktionsqualität. Auch dieses stellt einen Index dar. Die genutzten Faktoren werden hingegen mit reflektiven Messmodellen operationalisiert. 1171
Vgl. Churchill/Peter (1984), S.367 z.n. Weise (2005), S. 215.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
217
Beurteilung der Messmodelle Bei der Gütebeurteilung der Messmodelle der zehn Konstrukte des Bezugsrahmens wurde entsprechend der vorab beschriebenen Vorgehensweise zur Validierung reflektiver und formativer Messmodelle vorgegangen.1172 Zunächst wird nachfolgend die Validierung der Charakteristika der Interaktionsprozesse dargestellt. Die Beurteilung des Konstruktes Community-Interaktionsqualität (das einzige Konstrukt zweiter Ordnung des Bezugsrahmens) wird ausführlich diskutiert. Im Anschluss an die Validierung des reflektiven Messmodells der ersten Ebene wird ausführlich die Gütebeurteilung des formativen Messmodells, welches auf der zweiten Ebene angewendet wird, beschrieben. Die Inhalts- und Indikatorspezifikation wurden im Rahmen des Pretests bzw. der qualitativen Vorstudie durch eine Überprüfung der Eindeutigkeit der Indikatorzuordnung sowie deren inhaltlichen Relevanz sichergestellt. Auf diese Schritte, die der Datenerhebung vorausgegangen sind, wird bei den einzelnen Konstrukten nicht weiter eingegangen. Neben der Spezifikation der Inhalte und Indikatoren sind bei formativen Messmodellen vor allem die Überprüfung der Multikollinearität und der externen bzw. nomoligischen Validität von Bedeutung. Die grundsätzlichen Verfahrensschritte zur Überprüfung der Multikollinearität sowie die Überprüfung der externen Validität, welche durch die Korrelation mit einem anderen Indikator analysiert wird, werden beim ersten Konstrukt ausführlich beschrieben. Für die anderen Konstrukte werden die relevanten Gütemaße nur noch zusammenfassend dargestellt. Die Überprüfung der nomologischen Validität erfolgt im Modellkontext. An die Validierung der Konstrukte Community-Interaktionsqualität und Interaktionshäufigkeit schließen sich zunächst die Konstrukte der Einflussfaktoren an, bevor die Güte der verschiedenen Konstrukte der Community-Ergebnisse überprüft wird. Die inhaltliche Auswertung der geschätzten Parameter der formativen Messmodelle, d.h. welcher Indikator das Konstrukt vornehmlich beeinflusst, ergab interessante Ergebnisse, die zum besseren Verständnis von CoPs beitragen. Demzufolge werden diese bei der Diskussion der Untersuchungsergebnisse im sechsten Kapitel (Abschnitt 6.1) vorgestellt. Bis auf das Kriterium der Inhaltsvalidität, welches mittels SPSS geprüft wird, wurden die diskutierten Gütemaße für reflektive Messmodelle bei der Schätzung des Modells unter Verwendung des statistischen Softwareprogramms PLS-Graph 3.0 ausgewiesen. Bei formativen Messmodellen erfolgte die Überprüfung der Multikollinearität sowie der externen Validität mittels SPSS. Alle anderen zur Validierung herangezogenen Maße waren den PLS-Outputs zu entnehmen.1173 Zur Bestimmung der t-Werte wurde das Bootstrapping-Verfahren mit 200 erzeugten Samples und jeweils 222 Fällen genutzt. 1172 1173
Siehe Abschnitt 5.1.2.2. Vgl. Chin (1998), S. 320.
218
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
5.3.2 Charakteristika der Interaktionsprozesse 5.3.2.1 Community-Interaktionsqualität Wie im konzeptionellen Teil erarbeitet, wird die Community-Interaktionsqualität durch drei Faktoren charakterisiert. Das Konstrukt wird als Index der Faktoren Vertrauen, Zusammenhalt und Kommunikationsklima modelliert. Wie in Tab. 5-5 dargestellt, wird jeder dieser Faktoren wiederum über verschiedene reflektive Indikatoren erfasst. Demnach handelt es sich bei dem Konstrukt um ein Konstrukt zweiter Ordnung. Vertrauen wird in Anlehnung an HELFERT sowie JARVENPAA/LEIDNER durch vier Items erfasst, welche das Vertrauen in die anderen Mitglieder, deren Fähigkeiten und Kompetenzen, deren Wissen sowie den vertrauensvollen Umgang mit Wissen in der CoP messen.1174 Der Faktor Kohäsion beinhaltet verschiedene Aspekte des Zusammenhalts zwischen den Community-Mitgliedern, beispielsweise die gegenseitige Unterstützung oder den Glauben an die Zukunft der Community. Die fünf Items wurden in Anlehnung an die von HÖGL sowie SEASHORE entwickelten Indikatoren formuliert.1175 Das Kommunikationsklima erfasst anhand von vier Items die Charakteristika der Interaktion zwischen den Mitgliedern, z.B. Offenheit, Rechtzeitigkeit der Informationsweitergabe, Genauigkeit der Informationen. Es wurde eine bereits von HÖGL genutzte Skala auf den Community-Kontext adaptiert.1176 Faktor
Indikator (kurz)
Indikator (vollständige Formulierung)
Personen
Ich vertraue den anderen Mitgliedern vollständig.
Kompetenzen
Vertrauen
Kohäsion
Kommunikationsklima
Ich bin von den Fähigkeiten und Kompetenzen der anderen Mitglieder überzeugt. Wissen Auf das Wissen der anderen Mitglieder kann ich mich verlassen. Umgang Mit vertraulichem Wissen wird in der Community verantwortungsvoll umgegangen. Verbindlichkeit Die Mitglieder glauben an die Zukunft der Community. Verpflichtung Die Mitglieder fühlen sich gegenseitig stark verpflichtet. Unterstützung Die Mitglieder der Community unterstützen sich gegenseitig bei ihren Aufgaben. Umgang Die Mitglieder der Community gehen besonders kollegial und freundlich miteinander um. Zusammenhalt Unsere Community ist durch einen starken Zusammenhalt gekennzeichnet. Offenheit Ideen und Informationen werden in der Community offen mitgeteilt. Rechtzeitigkeit Ich bin mit der Rechtzeitigkeit der Informationsweitergabe in der Community zufrieden. Genauigkeit Ich bin mit der Genauigkeit der Informationen anderer CommunityMitglieder zufrieden. Feedback Bei einer Anfrage an die Community erhalte ich ein konstruktives Feedback.
Tab. 5-5: Messmodell des Konstruktes Community-Interaktionsqualität 1174 1175 1176
Vgl. Helfert (1998), S. 117; Jarvenpaa/Leidner (1999), S. 813. Vgl. Högl (1998), S. 130; Seashore (1954) z.n. Scott (1997), S. 110. Vgl. Högl (1998), S. 127.
219
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Zunächst werden die reflektiven Messmodelle der drei Faktoren überprüft. Tab. 5-6 fasst die Ergebnisse der Validierung zusammen. Für die Überprüfung der Validität und Reliabilität der Messung werden zunächst der Trennschärfekoeffizient Item-to-Total-Korrelation, der Koeffizient Cronbachs Alpha sowie die erklärte Varianz herangezogen. Der Trennschärfekoeffizient gibt die Korrelation eines Indikators mit der Summe aller anderen dem Konstrukt zugehörigen Indikatoren an. Für alle Indikatoren liegt er über dem Mindestwert von 0,3. Für alle drei Faktoren ist Cronbachs Alpha, welches ein Maß der internen Konsistenz der Indikatoren darstellt, größer als 0,6. Die durchschnittlich erklärte Varianz aller drei Faktoren liegt deutlich über dem Grenzwert von 50%. Demnach ist das Kriterium der Konvergenzvalidität erfüllt. In einem zweiten Schritt wird eine exploratorische Faktorenanalyse durchgeführt. Bei Anwendung der Hauptkomponentenanalyse/Varimax-Rotation werden nach dem Kaiser-Kriterium drei Faktoren extrahiert, die den theoretisch abgeleiteten Faktoren entsprechen. Es kann von einer Konvergenz- und Diskriminanzvalidität der drei Faktoren ausgegangen werden: Alle Indikatoren lassen sich eindeutig einem Faktor zuordnen, wobei alle Faktorladungen über dem Minimalwert von 0,6 liegen. Jeder Indikator hat mit dem Faktor, den er messen soll, die höchste Faktorladung. Mit den anderen Faktoren hängt der Indikator nicht oder nur schwach (< 0,4) zusammen.1177
Faktor Vertrauen (V)
Kohäsion (K)
Kommunikationsklima (KK)
Indikator
Item-toTotal- Korrelation
Cronbachs Alpha
Erklärte Varianz
EFA 1
2
3
75.421
.258 .192 .239 .256
70.479
.631 .867 .778 .635 .784
.822 .843 .874 .680 .130 .205 .327 .273 .310
.156 .202 .144 .225 .391 .095 .231 .394 .246
Personen Kompetenzen Wissen Umgang Verbindlichkeit Verpflichtung Unterstützung Umgang Zusammenhalt
.746 .791 .837 .662 .647 .780 .774 .688 .821
Offenheit
.733
.141
.326
.812
Rechtzeitigkeit Genauigkeit Feedback
.763 .741 .633
.300 .176 .282
.130 .295 .044
.814 .800 .734
.889
.895
.866
71.486
Tab. 5-6: Validierung der Indikatoren des Konstruktes Community-Interaktionsqualität
Auf der zweiten Ebene wird das Konstrukt Community-Interaktionsqualität über ein formatives Messmodell erfasst, wobei die einzelnen Faktoren aus dem arithmetischen Mittel der entsprechenden Einzelindikatoren gebildet werden.
1177
Vgl. zu den Gütemaßen Homburg/Giering (1996), S. 8ff sowie die Ausführungen bei Wurst (2001), S. 134ff.
220
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Zur Validierung des formativen Messmodells werden zunächst die einzelnen Gewichte, ihre Vorzeichen sowie die zugehörigen t-Werte betrachtet. Die Werte sind in Tab. 5-7 zusammen mit der Korrelationsmatrix und den VIF dargestellt. Dabei sind die bereits diskutierten Merkmale und Besonderheiten formativer Indikatoren zu beachten, d.h. die Gewichte dürfen nicht wie die Faktorladungen reflektiver Indikatoren interpretiert werden. Die Gewichte der drei Faktoren weisen z.T. sehr unterschiedliche Beiträge zur Konstruktbildung auf. Auch wenn der Indikator Vertrauen ein geringes Gewicht und niedriges Signifikanzniveau hat, darf dies nicht automatisch zur Eliminierung des Indikators führen. Der Indikator dürfte nur aufgrund inhaltlicher Überlegungen eliminiert werden. Wie jedoch die konzeptionelle Herleitung zeigt, wird das Vertrauen innerhalb einer CoP als wesentliches Charakteristikum der Interaktion verstanden, und verbleibt daher im Konstrukt. Wie aus den einzelnen Gewichten ableitbar, wird das Konstrukt der Community-Interaktionsqualität gleichwohl vor allem durch die Faktoren Kohäsion und Kommunikationsklima gebildet.1178 An die Betrachtung der Gewichte und t-Werte schließt sich die Überprüfung der Multikollinearität an. Dazu werden drei Einzelanalysen durchgeführt: (a) Die Korrelationsmatrix aller Indikatoren der Community-Interaktionsqualität, u.a. in Tab. 5-7 dargestellt, wird auf hohe Korrelationen zwischen zwei Indikatoren überprüft. Die Korrelationen liegen zwischen .448 und .580, d.h. es sind keine Anzeichen für Multikollinearität vorhanden. Ausgeschlossen werden kann diese damit jedoch nicht. Korrelationen1179 Indikator
Gewicht
t-Wert
V
V
.131
1.031
K
.480
3.404
KK
.597
4.438
Tab. 5-7:
K
KK
VIF
1.000
.580
.448
1.586
.580
1.000
.572
1.751
.448
.572
1.000
1.459
Gewichte, t-Werte, bivariate Korrelationen, VIF der Indikatoren des Konstruktes CommunityInteraktionsqualität
(b) Im zweiten Schritt werden die VIF der Indikatoren betrachtet. Alle VIF liegen unter dem Grenzwert von 5,3 bzw. 2. Demnach ist eine inhaltliche Prüfung der Verschiedenartigkeit der Indikatoren nicht notwendig. Alle Indikatoren verbleiben im Messmodell.
1178 1179
Die inhaltliche Diskussion dazu erfolgt im sechsten Kapitel, Abschnitt 6.1. Soweit nicht anders angegeben sind alle nachfolgend berichteten Korrelationen in diesem Kapitel auf dem Niveau von .01 (2-seitig) signifikant.
221
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
(c) Im dritten Schritt werden dem Verfahren von BELSLEY folgend die KI und Varianzanteile, in Tab. 5-8 aufgeführt, analysiert. Der Grenzwert von 30 wird nicht überschritten, d.h. es liegt keine Beinaheabhängigkeit zwischen zwei oder mehr Indikatoren des Konstruktes vor. Die Analyse der Varianzanteile bestätigt diese Erkenntnis.1180 Varianzanteile Dimension
Eigenwert
KI
Konstante
V
K
KK
1 2
3.917
1.000
0.002
0.002
0.002
0.003
0.039
10.077
0.232
0.055
0.000
0.818
3
0.027
11.988
0.370
0.006
0.712
0.178
4
0.017
15.198
0.396
0.937
0.286
0.001
Tab. 5-8: KI und Varianzanteile für das Konstrukt Community-Interaktionsqualität
Zum Abschluss der Validierung wird die externe Validität des Konstruktes überprüft. Dazu werden die Korrelationen zwischen den formativen Indikatoren des Konstruktes und zwei weiteren Indikatoren analysiert.1181 Vertrauen, Kohäsion sowie das Kommunikationsklima hängen von einer intensiven Kommunikation ab. Demnach sollte es zwischen den Indikatoren des Konstruktes und dem Indikator „Innerhalb unserer Community wird intensiv kommuniziert“ einen positiven und signifikanten Zusammenhang geben. Des Weiteren sollten die Indikatoren der Community-Interaktionsqualität signifikant positiv mit dem Indikator „Ich bin mit meiner Arbeit in der Community zufrieden“ korrelieren. Die erwarteten Zusammenhänge bestätigen sich, wie in Tab. 5-9 ersichtlich ist. Korrelationen Indikator
Intensität
Zufriedenheit
Vertrauen
.340
.333
Kohäsion
.470
.417
Kommunikationsklima
.677
.490
Tab. 5-9: Externe Validität des Konstruktes Community-Interaktionsqualität
1180
1181
Sollte es einen oder mehrere KI geben, die über 30 liegen, so lassen sich anhand der VarianzZerlegungsmatrix die betroffenen Indikatoren identifizieren. Dabei wird für jedes KI größer 30 geprüft, auf welche zwei oder mehr Regressionskoeffizienten ein bedeutender Varianzanteil (>0,9) zurückzuführen ist. Mittels einer linearen Regression der verbleibenden auf den auszuschließenden Indikator wird anschließend überprüft, ob dessen Information durch die anderen Indikatoren gemessen wird. Auch die inhaltliche Argumentation sollte den Ausschluss des Indikators begründen. Nachdem ein oder mehr Indikatoren eliminiert wurden, muss der Test auf Multikollinearität wiederholt werden. Für die nachfolgende Validierung der anderen formativen Konstrukte werden lediglich die Korrelationen mit einem externen Indikator berichtet.
222
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Die einzelnen Schritte des Validierungsprozesses ergeben, dass alle notwendigen Gütekriterien erfüllt sind. Daher kann von einer validen Messung des Konstruktes CommunityInteraktionsqualität ausgegangen werden. 5.3.2.2 Interaktionshäufigkeit Das Konstrukt Interaktionshäufigkeit erfasst, wie häufig die Mitglieder der CoP miteinander interagieren. Die Interaktionshäufigkeit wird über ein formatives Messmodell operationalisiert, d.h. das Konstrukt wird als Index der Häufigkeiten der Nutzung zehn verschiedener Interaktionsmedien bzw. Kommunikationswege1182, in Tab. 5-10 zusammengefasst, verstanden. Ausschlaggebend für die Konzeption des Indexes waren die Gespräche mit CommunityBrokern und Community-Mitgliedern, die Auskunft über die unterschiedlichen existierenden Funktionalitäten einer CoP gaben. Die Ausprägungen der Skala gehen von „1“ keine Nutzung bis „7“ Nutzung mehrmals pro Woche.
Indikator Meeting Gesamtgruppe Meeting Teilgruppe Telefonkonferenz Einzeltelefonate Videokonferenz Virtuelle Zusammenarbeit (Net-Meeting) Chat Diskussionsforum/ News Boards E-Mail/Verteilerliste Knowledge Base/ Community Workspace
Multikollinearität
Externe Validität r mit GM
Gewicht
t-Wert
VIF
.101 .179 -.059 .243 -.115
.610 .824 .267 1.109 .606
1.661 2.609 2.315 2.198 1.893
KImax
.361
1.539
2.349
.026
.141
2.133
.219
.043
.237
1.609
.305
.454
2.535
1.658
.430
.141
.758
1.486
.334
.277 .437 .406 .426 .181 14.992
.387
Tab. 5-10: Messmodell und Gütemaße des Konstruktes Interaktionshäufigkeit
Zwei der Indikatoren weisen schwach negative Gewichte auf, die jedoch nicht signifikant sind. Die VIF der einzelnen Indikatoren liegen unter dem Grenzwert von 5,3. Fünf VIF liegen oberhalb des zweiten Grenzwertes von 2,0. Da es sich jedoch bei allen Indikatoren um komplementäre Facetten des Konstruktes Interaktionshäufigkeit bezüglich der verschiedenen Kommunikationsinstrumente handelt, verbleiben alle Indikatoren im Modell. Dies rechtfertigt auch der KI kleiner 30. Die Korrelationen mit dem Globalmaß (GM) „Innerhalb unserer Community wird intensiv kommuniziert“ zeigen den erwarteten signifikanten Zusammen1182
Es wurde weiterhin die Nutzung der Suchmaschine und des Member Directory (Gelbe Seiten) erfragt. Da dies jedoch keine Interaktion zwischen den Mitgliedern darstellt, wurden diese Indikatoren nicht beim Index mit aufgenommen.
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
223
hang. Dabei ist die Korrelation mit Videokonferenz nur auf dem .05-Niveau signifikant, alle anderen auf dem .01-Niveau. Zusammenfassend kann die Messung des Konstruktes als valide angesehen werden. 5.3.3
Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse
5.3.3.1 Individuelle Motivation der Mitglieder Das Konstrukt Motivation erfasst über ein formatives Messmodell verschiedene Gründe der Mitglieder, in der CoP mitzumachen. Dabei werden sechs Motive unterschieden, die in Tab. 5-11 aufgeführt sind: neben dem Ziel zu lernen und Wissen weiterzugeben, werden die Mitglieder hinsichtlich arbeitsbezogener Motive wie Projekte, Arbeitserleichterung und Karrierechancen sowie das Ziel, Kontakte zu Kollegen zu verbessern, befragt. Die verschiedenen Motive wurden, abgesehen von der Diskussion in der Literatur1183, in Gesprächen mit Wissensmanagement-Experten bzw. Community-Mitgliedern bestätigt. Indikator (kurz)
Indikator (vollständige Formulierung)
Lernen Wissensweitergabe Karriere Arbeitsaufgabe Arbeitserleichterung Netzwerk
Ich arbeite in der Community mit, ... um Neues zu lernen. ... um eigenes Wissen weiterzugeben. ... um meine Karrierechancen zu verbessern. ... um bestimmte Projekte gezielt voranzubringen. ... da sich dadurch meine Arbeit erleichtert. ... um Kontakte zu Kollegen zu verbessern.
Tab. 5-11: Messmodell des Konstruktes Motivation
Wie in Tab. 5-12 ersichtlich ist, kann von einer validen Messung der Motivation ausgegangen werden. Alle wesentlichen Gütekriterien werden erfüllt. Die Korrelationen zwischen den einzelnen Indikatoren des Konstruktes Motivation und dem Aktivitätslevel (AL) des Mitglieds, welches über den Mittelwert der Häufigkeiten von zehn verschiedenen Aktivitäten gemessen wird, sind bis auf eine Ausnahme signifikant positiv.
1183
Siehe die Ausführungen im Abschnitt 4.3.2.1.
224
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Indikator1184 Lernen Wissensweitergabe Karriere Arbeitsaufgabe Arbeitserleichterung Netzwerk
Multikollinearität
Externe Validität
KImax
r mit AL
15.943
n.s. .255 .244 .283 .240 .197
Gewicht
t-Wert
VIF
.067 .099 .313 .552 .303 .251
.228 .441 1.122 2.621 1.724 1.196
1.310 1.280 1.312 1.277 1.298 1.295
Tab. 5-12: Gütemaße des Konstruktes Motivation
5.3.3.2 Aufgabenerfüllung des Community-Brokers Beim Konstrukt Broker beurteilen die Community-Mitglieder, inwieweit der Broker der Community seine wesentlichen Aufgaben erfüllt. Das Konstrukt wird als Index aus sechs Aktivitäten operationalisiert, die im Gespräch mit den verschiedenen Community-Brokern bestätigt wurden. Die einzelnen Indikatoren sowie die wesentlichen Gütemaße sind in Tab. 5-13 zusammengefasst.
Indikator
Multikollinearität
Externe Validität
KImax
r mit KK
24.230
.483 .458 .502 .448
Gewicht
t-Wert
VIF
Führung Motivation der Mitglieder Planung und Organisation Coaching und Support Kommunikation/ Information
.246 .382 .214 -.011
.955 1.606 .831 .045
3.874 3.317 3.499 3.304
.035
.134
3.823
.501
Fachliche Unterstützung
.319
1.647
2.293
.485
Tab. 5-13: Messmodell und Gütemaße des Konstruktes Broker
Der Indikator Coaching und Support weist ein schwach negatives, jedoch nicht signifikantes Gewicht auf. Die VIF der Indikatoren sind alle kleiner als 5,3, jedoch größer als 2,0. Da die einzelnen Indikatoren deutlich unterschiedliche, aber relevante Aspekte des Konstruktes erfassen, verbleiben alle Indikatoren im Modell. Ein KI kleiner 30 stützt diese Entscheidung. Zwischen den verschiedenen Aufgaben des Brokers und dem Kommunikationsklima (ein Indikator der Community-Interaktionsqualität) sollte es einen positiven Zusammenhang geben. Die Korrelationen bestätigen diese Annahme.
1184
Im Fragebogen waren die Items folgendermaßen formuliert: Ich arbeite in der Community mit,... um Neues zu lernen, um eigenes Wissen weiterzugeben etc.
225
Konzeption und Durchführung der Untersuchung 5.3.3.3 Managementunterstützung
Das Konstrukt Managementunterstützung erfasst anhand von vier Items eine wesentliche organisationale Rahmenbedingung von CoPs: den Rückhalt bzw. den Beistand, den die Community vom Management erfährt. Das Konstrukt ist durch ein reflektives Messmodell operationalisiert und in Tab. 5-14 dargestellt. Indikator (kurz)
Indikator (vollständige Formulierung)
Bewusstsein
Das Management ist sich der Wichtigkeit der Arbeit der Community bewusst. Das Management unterstützt die Arbeit der Community durch die Bereitstellung von Ressourcen. Das Management äußert sich gegenüber anderen positiv über die Aktivitäten der Community. Mein Vorgesetzter unterstützt die Arbeit der Community.
Ressourcen Kommunikation Unterstützung
Tab. 5-14: Messmodell des Konstruktes Managementunterstützung
Bei der explorativen Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse/Varimax-Rotation) wird nach dem Kaiser-Kriterium ein Faktor extrahiert, d.h. die vier Items gehören einem Faktor an. Die weiteren Gütemaße zur Validierung (Item-to-total-Korrelation, erklärte Varianz, Faktorladungen, t-Werte, interne Konsistenz sowie die AVE) sind in Tab. 5-15 zusammengefasst. Alle Maße erfüllen die entsprechenden Kriterien, d.h. liegen oberhalb der Grenzwerte.
Indikator Bewusstsein Ressourcen Kommunikation Unterstützung
Item-tototalKorrelation .862 .813 .832 .633
Erklärte Varianz
77.764
Ladung .901 .884 .885 .791
t-Wert 62.670 44.264 50.704 22.892
ȡȘ
AVE
.923
75.000%
Tab. 5-15: Gütemaße des Konstruktes Managementunterstützung
Die Überprüfung der Konstruktvalidität erfolgt in Zusammenhang mit dem zweiten reflektiven Konstrukt des Bezugsrahmens Kooperationspotential (eines der Konstrukte zur Erfassung der Ergebnisse auf der organisationalen Ebene) im nachfolgenden Abschnitt. 5.3.4
Ergebnisdimensionen
5.3.4.1 Individueller Nutzen Die Operationalisierung aller Ergebnis-Konstrukte basiert auf der Grundlage der CoPLiteratur sowie der durchgeführten Interviews mit Wissensmanagement-Experten bzw. Community-Mitgliedern. Das Konstrukt individueller Nutzen erfasst anhand von sieben for-
226
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
mativen Items die von den Mitgliedern wahrgenommenen Benefits der CoP-Zugehörigkeit. Die Items sind Tab. 5-16 zu entnehmen. Indikator (kurz) Kompetenzausbau Kompetenzaufbau Leistungssteigerung Arbeitserleichterung Berufsentwicklung Leistungsbewertung Arbeitseinstellung
Indikator (vollständige Formulierung) Durch die Mitarbeit in der Community konnte ich bestehende Kompetenzen ausbauen. Durch die Community konnte ich neue Kompetenzen aufbauen. Durch die Mitarbeit in der Community konnte ich meine Arbeitsleistung steigern. Durch die Mitarbeit in der Community hat sich meine Arbeit erleichtert. Die Mitarbeit in der Community hat sich positiv auf meine Berufsentwicklung ausgewirkt. Die Mitarbeit in der Community hat sich positiv auf meine Leistungsbewertung ausgewirkt. Die Mitarbeit in der Community hat meine Einstellung zur Arbeit positiv beeinflusst.
Tab. 5-16: Messmodell des Konstruktes individueller Nutzen
Die Indikatoren zur Messung des Kompetenzausbaus bzw. -aufbaus sowie die Indikatoren zur Messung der Berufsentwicklung und Leistungsbewertung korrelieren sehr stark miteinander (0,8 bzw. 0,9). Da es sich um gleichartige und damit kompensierbare Aspekte des Konstruktes individueller Nutzen handelt, wird lediglich mit zwei Indikatoren Kompetenzgewinn und Leistungsentwicklung weitergearbeitet. Diese werden jeweils aus dem arithmetischen Mittel der zwei stark miteinander korrelierenden Indikatoren gebildet.1185 Tab. 5-17 illustriert die wesentlichen Gütemaße des Konstruktes. Multikollinearität Indikator Kompetenzgewinn Leistungssteigerung Arbeitserleichterung Leistungsentwicklung Arbeitseinstellung
Gewicht
t-Wert
VIF
.074 .344 .279 .322 .273
1.070 2.425 2.503 2.665 2.441
1.179 3.057 2.465 1.766 2.475
Externe Validität
KImax
r mit GM
13.584
.159 .541 .462 .406 .447
Tab. 5-17: Gütemaße des Konstruktes individueller Nutzen
Die VIF der Indikatoren liegen unterhalb des Grenzwertes 5,3, jedoch sind drei größer als 2,0. Da die Indikatoren unterschiedliche Aspekte messen, verbleiben alle fünf Indikatoren im Modell. Diese Entscheidung wird auch aufgrund des KI kleiner 30 gestützt. Der erwartete signifikant positive Zusammenhang zwischen den Indikatoren und dem Globalmaß „Mein Nutzen durch die Mitarbeit in der Community ist größer als mein Aufwand“ kann bestätigt werden.
1185
Vgl. Albers/Hildebrandt (2006), S. 25.
227
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Dabei ist die Korrelation mit Kompetenzgewinn nur auf dem .05-Niveau signifikant, alle anderen liegen auf dem .01-Niveau. Zusammenfassend kann von einer validen Messung des Konstruktes ausgegangen werden. 5.3.4.2 Netzwerkposition Das formative Konstrukt Netzwerkposition erfasst anhand von fünf Items, die in Tab. 5-18 aufgeführt sind, inwiefern sich die Netzwerkposition des Community-Mitglieds bezogen auf die formale Organisation aufgrund seiner Community-Mitgliedschaft verändert hat. Indikator (kurz) Wissensverbreitung Wissensweitergabe Anerkennung Expertenstatus Eingebundenheit
Indikator (vollständige Formulierung) Ich erzähle meinen Kollegen am Arbeitsplatz gerne über meine Tätigkeit in der Community. Ich informiere meine Vorgesetzten über interessante Ergebnisse unserer Community. Durch die Mitarbeit in der Community habe ich Anerkennung von meinen Arbeitskollegen erfahren. Aufgrund meines Engagements in der Community bin ich mehrfach nach meiner Meinung gefragt worden. Ich fühle mich durch die Community stärker in mein Unternehmen eingebunden.
Tab. 5-18: Messmodell des Konstruktes Netzwerkposition
Wie in Tab. 5-19 sichtbar ist, kann von einer validen Messung des Konstruktes ausgegangen werden. Alle VIF liegen unterhalb von 5,3. Die inhaltliche Betrachtung der zwei Indikatoren, deren VIF über 2,0 liegt, bestätigt die Unterschiedlichkeit der Indikatoren. Auch der KI liegt unter dem Grenzwert von 30. Demnach verbleiben alle Indikatoren im Modell. Eine verbesserte Netzwerkposition sollte dazu führen, dass das Mitglied sich auch in der Zukunft an den Interaktionen in einer CoP beteiligt. Der angenommene Zusammenhang zwischen den Indikatoren des Konstruktes Netzwerkposition und dem Indikator „Ich werde mich auch zukünftig in der Community engagieren“ ist positiv und signifikant. Multikollinearität Indikator Wissensverbreitung Wissensweitergabe Anerkennung Expertenstatus Eingebundenheit
Gewicht
t-Wert
VIF
.082 .219 .283 .262 .453
.818 2.447 2.423 2.280 5.635
1.879 1.677 3.082 2.926 1.656
Tab. 5-19: Gütemaße des Konstruktes Netzwerkposition
Externe Validität
KImax
r mit Engagement
12.527
.465 .367 .389 .367 .300
228
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
5.3.4.3 Organisationale Wissensbasis Basierend auf den konzeptionellen Überlegungen verändern CoPs die Wissensbasis einer Organisation. Durch das Konstrukt organisationale Wissensbasis werden diese möglichen Veränderungen mittels fünf formativer Items erfasst, die Tab. 5-20 zu entnehmen sind. Indikator (kurz)
Indikator (vollständige Formulierung)
Wissenserwerb Wissensentwicklung Wissensbewahrung
Die Community erhöhte die Kompetenzen unseres Unternehmens. Im Unternehmen vorhandenes Wissen wird in der Community weiterentwickelt. Die Community hilft der Organisation in besonderer Weise, Wissen zu bewahren. Durch die Arbeit der Community wurden Best-Practice-Lösungen im Unternehmen verbreitet. Die Community dient der Bewertung des im Unternehmen vorhandenen Wissens.
Wissensverteilung Wissensbewertung
Tab. 5-20: Messmodell des Konstruktes organisationale Wissensbasis
Tab. 5-21 dokumentiert die Gütemaße des Konstruktes. Keiner der VIF überschreitet den Grenzwert 5,3. Bei einem Item ist der VIF unwesentlich größer als 2,0. Der KI liegt unterhalb des Grenzwertes von 30 und daher wird keiner der Indikatoren aus dem Messmodell eliminiert. Haben CoPs die wahrgenommenen Wirkungen auf die organisationale Wissensbasis eines Unternehmens, so sollte das Management grundsätzlich auch positiv über die Aktivitäten von CoPs berichten. Um die externe Validität des Konstruktes zu prüfen, wird daher der Zusammenhang mit dem Indikator „Das Management äußert sich gegenüber anderen positiv über die Aktivitäten der Community“ analysiert. Alle erhobenen Indikatoren korrelieren positiv und signifikant mit dem ausgewählten Indikator. Es kann zusammenfassend von einer validen Messung des Konstruktes ausgegangen werden.
Multikollinearität Indikator Wissenserwerb Wissensentwicklung Wissensbewahrung Wissensverteilung Wissensbewertung
Gewicht
t-Wert
VIF
.344 .355 .262 .212 .206
3.962 3.185 3.262 1.864 2.536
1.834 2.016 1.640 1.894 1.469
Externe Validität
KImax
r mit MU
14.402
.356 .396 .399 .332 .255
Tab. 5-21: Gütemaße des Konstruktes organisationale Wissensbasis
5.3.4.4 Organisationale Leistung Das Konstrukt organisationale Leistung erfasst anhand von fünf formativen Items verschiedenen Auswirkungen von CoPs auf die betriebliche Leistungserfüllung, die in Tab. 5-22 zusammengefasst sind.
229
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Indikator (kurz) Prozessoptimierung Effektivität Lernkurveneffekte Produktivität Innovationen
Indikator (vollständige Formulierung) Durch die Arbeit der Community konnten Prozesse im Unternehmen optimiert werden. Doppelarbeiten konnten durch die Community verringert werden. Durch die Mitarbeit in der Community konnten sich neue Kollegen schnell in das Themengebiet einarbeiten. Die Community hat die Produktivität der Mitglieder erhöht. Durch die Ideen der Community wurden Innovationen generiert.
Tab. 5-22: Messmodell des Konstruktes organisationale Leistung
Wie in Tab. 5-23 aufgeführt, kann von einer validen Messung der organisationalen Leistung ausgegangen werden. Es werden alle wesentlichen Kriterien hinsichtlich Multikollinearität erfüllt und alle Indikatoren verbleiben im Modell. Zur externen Validierung wird ein Globalmaß der Community-Auswirkungen genutzt: „Die Community hatte einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg“. Alle erhobenen Indikatoren korrelieren positiv und signifikant mit dem Globalmaß.
Multikollinearität Indikator Prozessoptimierung Effektivität Lernkurveneffekte Produktivität Innovationen
Gewicht .294 .046 .101 .341 .560
t-Wert
VIF
2.652 .461 .967 2.075 5.754
1.959 1.826 2.360 3.294 2.129
KImax
18.042
Externe Validität r mit GM .606 .618 .569 .651 .671
Tab. 5-23: Gütemaße des Konstruktes organisationale Leistung
5.3.4.5 Kooperationspotential Das dritte Konstrukt der organisationalen Ebene Kooperationspotential erfasst anhand von zwei reflektiven Indikatoren das Potential der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern einer Organisation. Die Items sind in Tab. 5-24 aufgeführt. Indikator (kurz) Kooperation Verlässlichkeit
Indikator (vollständige Formulierung) Durch die Community hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern erhöht. Die Community verstärkte das Vertrauen zwischen den Mitarbeitern.
Tab. 5-24: Messmodell des Konstruktes Kooperationspotential
230
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
Wie aus Tab. 5-25 ersichtlich ist, werden alle wesentlichen Gütemaße erfüllt.
Indikator Kooperation Verlässlichkeit
Item-tototalKorrelation
Erklärte Varianz
.862 .862
93.077
Ladung
t-Wert
ȡȘ
AVE
.960 .942
121.957 105.083
.950
90.500%
Tab. 5-25: Gütemaße des Konstruktes Kooperationspotential
Abschließend steht die Beurteilung der Konstruktvalidität an. Diese erfolgt in Zusammenhang mit dem zweiten reflektiven Konstrukt des Bezugsrahmens Managementunterstützung. Zunächst wird eine explorative Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse/Varimax-Rotation) durchgeführt. Nach dem Kaiser-Kriterium werden zwei Faktoren extrahiert, wobei die vorab konzipierte Faktorstruktur bestätigt wird. Die zwei Faktoren erklären 83,2% der Varianz der Indikatoren. Mit dem Konstrukt, welches er messen soll, hat jeder Indikator die höchste Faktorladung. Dabei liegen alle Faktorladungen über dem Minimalwert von 0,6. Mit den anderen Faktoren hängt der Indikator nur schwach (< 0,4) zusammen. Im zweiten Schritt wird die Höhe der Indikatorkorrelationen mit den zwei Konstrukten analysiert. Alle Indikatoren weisen die höchste Korrelation mit dem Konstrukt auf, welchem sie zugeordnet sind. Im letzten Schritt wird die Diskriminanzvalidität anhand des FORNELL/LARCKER Kriteriums beurteilt. Die quadrierte Korrelation zwischen den beiden Konstrukten ist kleiner als die beiden durchschnittlich erklärten Varianzen. Es kann daher von einer validen Messung der Konstrukte Managementunterstützung und Kooperationspotential ausgegangen werden. Alle diskutierten Ergebnisse sind in Tab. 5-26 zusammenfassend dargestellt.
EFA Faktor Managementunterstützung (MU)
Kooperationspotential (KP)
Indikator
Korrelation
1
2
MU
KP
Bewusstsein
.916
.197
.921
.398
Ressourcen Kommunikation (Direkte) Unterstützung Kooperation
.886 .920
.170 .097
.902 .915
.367 .305
.696 .172
.348
.793 .398
.455
.943
Verlässlichkeit
.214
.935
.429
.962
Tab. 5-26: Konstruktvalidität der reflektiven Konstrukte
.969
Fornell/LarckerKriterium AVE
Quadr.Korrel. MU KP
.750
1.000
.905
.180
1.000
Konzeption und Durchführung der Untersuchung
231
Insbesondere bei neu entwickelten Skalen können oftmals schlechtere Gütemaße (beispielsweise geringe Faktorladungen) auftreten. Diese können aus einem sprachlich schlecht formulierten Item, einem unpassendem Item oder einer unpassenden Übertragung eines Items von einem Kontext auf den anderen resultieren.1186 Die Validierung der in dieser Untersuchung genutzten Messmodelle, von denen die Mehrzahl neu entwickelt wurde, brachte zufrieden stellende Ergebnisse, d.h. alle entsprechenden Gütemaße wurden erfüllt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse können nun die Güte des Strukturmodells beurteilt und die geschätzten Parameter interpretiert werden.
1186
Vgl. Hulland (1999), S. 198.
233
6
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Im vorliegenden sechsten Kapitel dieser Arbeit werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vorgestellt. Zunächst werden interessante inhaltliche Aspekte dargelegt, die sich aus der Validierung der einzelnen Messmodelle ergeben (6.1). Im Anschluss daran werden ausgewählte deskriptive Ergebnisse präsentiert (6.2). Neben Ergebnissen, die auf den Antworten der Community-Mitglieder basieren, soll dieser Abschnitt vor allem relevante Aussagen der Brokerbefragung illustrieren. Die dargestellten Community-spezifischen Merkmale bzw. Besonderheiten tragen zu einem besseren allgemeinen Verständnis der untersuchten Communities bei. Im dritten Abschnitt des Kapitels steht die Überprüfung der aufgestellten Hypothesen der Untersuchung im Mittelpunkt (6.3). Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und kritischen Würdigung der Ergebnisse (6.4).
6.1
Inhaltliche Diskussion der formativen Messmodelle
Wie bereits dargelegt, sind formative Messmodelle dadurch gekennzeichnet, dass ihre Indikatoren die latente Variable und nicht die latente Variable die Indikatoren determinieren. Daher ist es möglich, Aussagen wie „Mit zunehmend gutem Kommunikationsklima steigt die Interaktionsqualität“ zu treffen. Des Weiteren kann anhand der geschätzten Gewichte1187 (nachfolgend in Klammern angegeben) der Beitrag, den ein einzelner Indikator zur Konstruktbildung liefert, eingeschätzt werden. Nachfolgend sollen interessante Aspekte der acht formativen Messmodelle des Bezugsrahmens diskutiert werden. Community-Interaktionsqualität. Die Güte der Interaktion innerhalb einer CoP wird vor allem durch die Faktoren Kommunikationsklima (0,597) und Kohäsion (0,480) bestimmt. Interpersonales Vertrauen zwischen den Community-Mitgliedern trägt weniger zur Konstruktbildung bei (0,131). Offensichtlich ist Vertrauen keine entscheidende Determinante der Qualität der Zusammenarbeit in einer CoP, sondern eher die Grundlage dafür, dass überhaupt kooperiert wird. Dies würde auch die Überlegungen bezüglich des in einer CoP vorhandenen Anfangsvertrauens stützen: Aufgrund der Zugehörigkeit zur gleichen Gemeinschaft scheinen die anderen Community-Mitglieder vertrauenswürdig. Darüber hinaus führt ein gegebener Vertrauensvorschuss und entsprechendes reziprokes Handeln zu einer Vertrauensspirale. Interaktionshäufigkeit. Die Gewichte der verschiedenen Kommunikationswege unterscheiden sich deutlich voneinander. Die Häufigkeit der Interaktion in einer CoP wird vor allem durch die intensive Nutzung von E-Mails/Verteilerlisten (0,454) und der intensiven virtuellen Zusammenarbeit im Rahmen von Net-Meetings (0,361) beeinflusst. Des Weiteren sind Telefonate mit einzelnen Mitgliedern von Bedeutung (0,243) sowie, mit einem wesentlich kleineren 1187
Vgl. die Tabellen in Abschnitt 5.3.
234
Ergebnisse der Untersuchung
Gewicht, Treffen von Teilgruppen der CoP (0,179). Die anderen untersuchten Kommunikationswege gehen nicht bzw. nur schwach in die Konstruktbildung ein (Gewichte von -0,115 bis 0,101). Motivation. Die Analyse der verschiedenen Gründe der Mitglieder, an der CoP teilzunehmen, ergab folgende interessante Ergebnisse. Zur Konstruktbildung tragen vor allem die Indikatoren Arbeitsaufgabe (0,552), Karriere (0,313), Arbeitserleichterung (0,303) und Netzwerk (0,251) bei. Dies sind alles Motive, die einen direkten Bezug zur formalen Organisation haben. Nicht relevant sind die allgemeinen Motive Wissensweitergabe (0,099) und Lernen (0,067). Dies verdeutlicht, dass die Mitglieder mit ihrer Zugehörigkeit zur CoP vor allem kurzfristige und konkrete arbeitsbezogene Ziele verbinden. Die Mitgliedschaft ist nicht vornehmlich geprägt durch den Selbstzweck im Sinne „ich lerne fürs Leben“ und basiert weniger auf altruistischen Motiven. Sie ist vielmehr mit der Erwartung verbunden, im täglichen Arbeitsleben davon zu profitieren. Die geringere Relevanz von Lernen und Wissensweitergabe könnte auch darin begründet liegen, dass diese Motive von den Mitgliedern eher als „Mittel zum Zweck“ wahrgenommen werden. Das bedeutet, auf ihrer Grundlage werden die anderen Ziele erreicht. Broker. Von den konzeptualisierten sechs Indikatoren der Aufgabenerfüllung des Brokers beeinflussen insbesondere vier das Konstrukt: Die Motivation der Mitglieder scheint die wesentliche Aufgabe des Community-Brokers zu sein (0,382), zumindest aus der Sicht der Mitglieder, gefolgt von der fachlichen Unterstützung (0,319), der Führung sowie der Planung (0,246) und Organisation der CoP (0,214). Kommunikation und Information, d.h. die Darstellung der CoP nach außen (0,035), und Coaching/Support (-0,011) tragen nicht zur Konstruktbildung bei. Individueller Nutzen. Ähnlich den Ergebnissen zur individuellen Motivation der Mitglieder trägt der Indikator Kompetenzgewinn nicht zur Bildung des Konstruktes individueller Nutzen bei (0,074). Insbesondere die Indikatoren Leistungssteigerung (0,344) und Leistungsentwicklung (0,322) beeinflussen den wahrgenommenen Nutzen der Community-Mitglieder. Einen nur geringfügig kleineren Beitrag leisten die Indikatoren Arbeitserleichterung (0,279) und Arbeitseinstellung (0,273). Die alleinige Tatsache, durch die CoP-Zugehörigkeit neue Kompetenzen aufbauen und bestehende erweitern zu können, bringt den Community-Mitgliedern ihrer Meinung nach noch keinen Nutzen. Wesentlich für sie ist es, die gewonnenen Erkenntnisse in ihrer Arbeitsaufgabe anzuwenden und daraus entsprechende Vorteile (wie z.B. eine bessere Arbeitsleistung oder eine positive Leistungsbewertung) zu ziehen. Netzwerkposition. Das Konstrukt wird durch vier der fünf verwendeten Indikatoren gebildet. Die verbesserte Position der Community-Mitglieder bezogen auf die Organisation wird vor allem durch eine bessere Eingebundenheit in die Organisation (0,453) bestimmt. Wesentlich
Ergebnisse der Untersuchung
235
sind des Weiteren die Anerkennung von Arbeitskollegen (0,283) sowie der Wissenstransfer, der durch Nachfragen anderer initiiert wird und den Expertenstatus des Mitglieds verdeutlicht (0,263). Der Indikator der Wissensweitergabe an Vorgesetzte (0,219) trägt ebenfalls zur Konstruktbildung bei. Entgegen der Erwartungen scheint die Wissensverbreitung bei Arbeitskollegen hingegen die Netzwerkposition des Einzelnen nicht zu beeinflussen (0,082). Dieses Ergebnis überrascht, zumal die Anerkennung durch die Arbeitskollegen von Bedeutung ist. Die Ursache für dieses Ergebnis kann in der Formulierung des Indikators liegen.1188 Des Weiteren ist es möglich, dass vor allem die Beurteilung von Höhergestellten bzw. der Expertenstatus zu einer verbesserten Netzwerkposition führt. Organisationale Wissensbasis. Von den konzeptualisierten Indikatoren des Konstruktes organisationale Wissensbasis tragen alle Indikatoren zur Konstruktbildung bei. Zwei Indikatoren sind besonders relevant: die Weiterentwicklung von Wissen in der CoP (0,355) sowie die Kompetenzerhöhung, d.h. der Erwerb neuen Wissens (0,345). Darüber hinaus ist die Bewahrung von Wissen ein wesentlicher Aspekt (0,262). Die Verbreitung von Best-PracticeLösungen (0,212) sowie die Wissensbewertung (0,206) beeinflussen, wenn auch etwas weniger, ebenso die Wissensbasis einer Organisation. Organisationale Leistung. Die Betrachtung der Gewichte der Indikatoren des Konstruktes organisationale Leistung belegt besonders die Relevanz von Innovationen. Dass Ideen, die in der CoP generiert wurden, zu Innovationen führen, beeinflusst die Leistung einer Organisation maßgeblich (0,568). Darüber hinaus sind die Optimierung von Prozessen (0,294) und eine erhöhte Produktivität der Mitglieder (0,256) gleichermaßen von Bedeutung für die organisationale Leistung. Keinen bzw. einen verschwindend geringen Beitrag tragen hingegen die Aspekte verringerte Doppelarbeit (0,046) bzw. schnellere Einarbeitung neuer Kollegen (0,101) bei. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass diese beiden Aspekte eher als Voraussetzung für eine höhere Produktivität bzw. optimierte Prozesse anzusehen sind.
6.2
Ausgewählte deskriptive Befunde
Übergeordnetes Ziel der Arbeit ist es, zum besseren Verständnis von CoPs beizutragen. Neben der Prüfung der aufgestellten Hypothesen sollen daher nachfolgend einige ausgewählte deskriptive Ergebnisse der Untersuchung präsentiert werden. Zunächst werden interessante Aspekte der CoPs betrachtet, die auf den Angaben der Community-Broker beruhen. Im Anschluss daran werden allgemeine Einschätzungen der Mitglieder vorgestellt. Gründung der CoP. Nach Angaben der verschiedenen Broker wurde jede vierte (9) der untersuchten CoPs auf Initiative des Managements (top down-Gründung) gegründet. Mehr als jede 1188
„Ich erzähle meinen Kollegen am Arbeitsplatz gerne über meine Tätigkeit in der Community“ impliziert nicht zwingend den Transfer von Wissen.
236
Ergebnisse der Untersuchung
dritte CoP (13) begründete sich auf Aktivitäten der Mitglieder (bottom up-Gründung), womit i.d.R. bereits existierende informelle Netzwerke formalisiert wurden. Bei den restlichen 14 CoPs gingen die Initiative des Managements und die der Mitglieder miteinander einher. Zusammensetzung der CoP. Für die Charakterisierung von CoPs können weiterhin die Angaben zur Zusammensetzung der CoPs herangezogen werden. Die Betrachtung der Zusammensetzung bezüglich der Funktionsbereiche zeigt, dass annähernd die Hälfte der CoP-Mitglieder aus den Bereichen Vertrieb (26%) und Service/After Sales (21%) kommen. Hier scheint ein informeller Austausch besonders relevant. Gleichzeitig kann dies auch mit den Schwerpunkten des Unternehmens zu tun haben. Auch die Angaben zur hierarchischen Zusammensetzung1189 der untersuchten CoPs veranschaulichen den grenzübergreifenden Charakter von CoPs: In den CoPs gehören 38% der Mitglieder der Ebene der Sachbearbeiter, 37% dem unteren Management und 24% dem mittleren Management an. Lediglich 1% der Mitglieder sind dem Topmanagement zuzuordnen. Eine Analyse der Zusammensetzung der CoPs bezüglich der Herkunft der Mitglieder zeigt, dass das Ziel des Unternehmens, mit Hilfe von CoPs die Vernetzung der Mitarbeiter zu verbessern, mit den untersuchten CoPs erreicht wird (N=35): Bei 16 CoPs (46%) kommt die Mehrheit der Mitglieder aus verschiedenen Ländern (international), bei 13 CoPs (37%) aus einem Land (national) und lediglich bei 6 CoPs (17%) stammt die Mehrheit der Mitglieder von einem Unternehmensstandort (lokal). Die drei Aspekte werden in Abb. 6-1 illustriert. Funktionale Zusammensetzung Service/ After Sales
Hierarchische Zusammensetzung
Unternehmensleitung
Topmanagement 1%
12%
Sachbearbeiter 38%
F&E 7%
21%
Andere 8%
Mittleres Management 24%
Produktion 11% Herkunft der Mitglieder
Personal 5% Vertrieb 26%
Marketing 10%
International 46%
Lokal 17%
Unteres Management 37%
National 37% Nmin= 34, Nmax= 35
1190
Abb. 6-1: Zusammensetzung der CoPs
1189
1190
Zwei der befragten Broker betonten bei der Frage nach der hierarchischen Zusammensetzung, dass sie CoPs generell als einen hierarchiefreien Raum sehen. Kommentar eines Brokers: „In unserer Community findet eine cross-hierarchische Zusammenarbeit statt, das macht eine hierarchische Zusammensetzung irrelevant.“ Quelle: Eigene Darstellung.
237
Ergebnisse der Untersuchung
Netzwerk der Community. Die Broker wurden des Weiteren darum gebeten, dass Netzwerk ihrer Community einzuschätzen. Wie vielfach in der Literatur diskutiert, sollten für einen effektiven und effizienten Wissenstransfer die verschiedenen CoPs einer Organisation miteinander kommunizieren.1191 Wie Abb. 6-2 verdeutlicht, ist dies bei den untersuchten CoPs eher nicht der Fall. Noch seltener ist ein Austausch mit externen Partnern, seien es CoPs anderer Unternehmen, Kunden, Forschungsinstitute oder Universitäten.
Die Community hat regelmäßige Kontakte mit anderen CoPs in unserem Unternehmen.
3,4
Die Community hat regelmäßigen Kontakt mit CoPs anderer Unternehmen.
1,8
In die Arbeit der Community werden Kunden einbezogen.
2,2
In die Arbeit der Community werden Forschungsinstitute und Universitäten eingebunden.
2,3 1
2
3
4
5
6
7
Mittelwerte; Nmin= 29, Nmax= 31; 1: trifft gar nicht zu; 7: trifft voll zu
Abb. 6-2: Netzwerk der CoPs
Quantitative Erfolgseinschätzung durch den Broker. Wie im Abschnitt zur Konzeptualisierung der Ergebnisse von CoPs bereits diskutiert wurde, ist die quantitative Einschätzung der Auswirkungen von CoPs nicht einfach1192: Das gewonnene Wissen wenden die Mitglieder außerhalb der CoPs an. Darüber hinaus stellen sich die Ergebnisse, die oftmals intangibler Natur sind, nicht immer sofort ein. Sie können auch auf andere bzw. weitere Faktoren zurückzuführen sein. Da die CoP-Mitglieder aus verschiedenen Geschäftsbereichen kommen können, in die der Broker nicht zwingend Einblick hat, ist durch den Broker nur eine generelle Erfolgsabschätzung möglich. Die Ergebnisse der Angaben der Broker, die in Tab. 6-1 aufgeführt sind, bestätigen diesen Umstand. Mehr als die Hälfte der Broker kann die Anzahl der Ideen angeben, die innerhalb des letzten Jahres in der CoP generiert wurden. Weniger als ein Drittel der Broker können die verringerte Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter sowie die Kosten der CoP beziffern. Lediglich drei bzw. vier Broker können den additiven Umsatz bzw. den Geschäftswertbeitrag (GWB) der CoP abschätzen. Diese Ergebnisse rechtfertigen die Nutzung qualitativer Daten. Anders scheint eine Einschätzung der Erfolgswirkung von CoPs kaum möglich.
1191 1192
Vgl. z.B. Hislop (2003a); Pan/Leidner (2003). Siehe zur Problematik der Erfolgsmessung die Diskussion im Abschnitt 4.4.1.
238
Ergebnisse der Untersuchung
Community-Ergebnisse
Mittelwert
Anzahl generierter Ideen im letzten Jahr
7 Ideen
Min
Max
N
0
20
19 10
Verringerung der Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter um
13 %
0
30
Additiver Umsatz (Sales)
3,23 Mio €/Jahr
0
12,9 Mio
4
GWB der Community
100.000 €/Jahr
0
300.000
3
Kosten der Community
19.520 €/Jahr
0
100.000
10
Tab. 6-1: Quantitative Ergebnisse der CoPs
Unterstützung der Community-Interaktion durch den Broker. Eine wesentliche Determinante der Interaktionsprozesse in einer CoP ist die Aufgabenerfüllung des Brokers. Wie die Ergebnisse des Messmodells ergaben, sind die Motivation der Mitglieder, die Führung sowie die Planung und Organisation von besonderer Relevanz. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das Kommunikationsklima ein wesentliches Kennzeichen der Interaktionsqualität ist. Im Rahmen der Brokerbefragung wurden die Aktivitäten des Brokers genauer hinterfragt. Die Ergebnisse sind in Abb. 6-3 dargestellt.
Ich sporne Mitglieder an, zu genutzten Beiträgen konstruktives Feedback zu geben.
4,1
Ich sichere die Qualität der Diskussion durch meine Moderation.
4,2
Ich sichere das Aktivitätslevel der Diskussionen durch meine Moderation.
4,2
Ich bin Mittler, wenn Mitglieder Informationen brauchen.
5,9
Ich rege regelmäßige Bewertungen der Community-Dokumente an.
3,0
Als Broker helfe ich der Community bei Ihrer thematischen Orientierung.
5,8 1 2 3 4 5 6 7 Mittelwerte; Nmin= 19, Nmax= 34; 1: trifft gar nicht zu; 7: trifft voll zu
Abb. 6-3: Unterstützung der Interaktionsprozesse durch den Broker1193
Es wird deutlich, dass die Broker vor allem als Mittler agieren, d.h. bei Anfragen von Mitgliedern geben sie entsprechende Informationen weiter. Aufgrund ihrer Führungsposition helfen sie weiterhin bei der thematischen Orientierung der CoP. Darüber hinaus werden durch die Moderation Qualität und Aktivitätslevel der Diskussionen gesichert. Die Mitglieder werden häufiger dazu motiviert, Feedback zu geben, jedoch seltener dazu, Dokumente der CoP zu bewerten.
1193
Quelle: Eigene Darstellung.
239
Ergebnisse der Untersuchung
Kommunikationsinstrumente. Die Interaktion der Community-Mitglieder basiert auf der Nutzung verschiedener IuK-Instrumente bzw. -Funktionalitäten. Wie die Ergebnisse der Befragung der Community-Mitglieder zeigen, werden die verschiedenen Kommunikationswege unterschiedlich häufig genutzt. Abb. 6-4 macht dies deutlich. MW 3,2
Synchron/Face-to-Face Meeting Gesamtgruppe
2,8
Meeting Teilgruppe
2,8
Synchron/Virtuell
4,4
Einzeltelefonate 3,0
Telefonkonferenz Virtuelle Zusammenarbeit
2,5
Chat
1,8
Videokonferenz Asynchron/Virtuell
1,6 4,4
E-Mail/Verteilerliste
4,2
Knowledge Base/Community Workspace Suchmaschine
3,1
Gelbe Seiten
2,7
Diskussionsforum
2,7 1
2
3
4
5
6
7
Mittelwerte; Nmin= 192, Nmax= 211; 1: nie; 7: mehrmals pro Woche
Abb. 6-4: Nutzung der Kommunikationsinstrumente1194
Die Ergebnisse belegen die Rolle, die virtuelle Kommunikationsmedien für die Interaktion der CoPs spielen. Die untersuchten CoPs sind aufgrund ihrer geographischen Verteilung auf entsprechende Funktionalitäten angewiesen. Die fünf am häufigsten genutzten Instrumentarien (Einzeltelefonate, E-Mail, Community Workspace, Suchmaschine, Telefonkonferenz) sind demzufolge virtueller Art. Dennoch scheinen persönliche Treffen weiterhin relevant zu sein, um Vertrauen, Identität und eine persönliche Nähe trotz räumlicher Distanz aufzubauen.1195 Wissensstand der Mitglieder. LAVE/WENGER betonen, dass in einer CoP Neulinge von Meistern lernen und umgekehrt und dass es daher immer eine gewisse Fluktuation bzw. einen Wechsel von Meistern und Lehrlingen gibt.1196 In den untersuchten CoPs verfügen über die Hälfte der Mitglieder (56%) über Vorwissen zum Thema (Ausprägung 6 und 7), lediglich ein Sechstel der Mitglieder (17%) geben an, sie hätten kein Vorwissen zum Thema (Ausprägung 1194 1195
1196
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. z.B Nohria/Eccles (1992), S. 294f. Siehe dazu auch Kimble et al. (2001), S. 230: „During the peroids of communication by e-media, the momentum gradually slowed, until a physical meeting picked it up again.” Vgl. Lave (1993), S. 74; Lave/Wenger (1991), S. 56f.
240
Ergebnisse der Untersuchung
1 und 2). An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass die Dauer der Zugehörigkeit zur CoP nicht signifikant mit den Konstrukten des Bezugsrahmens korreliert. Auch der Wissensstand der Mitglieder steht nicht in Beziehung zur Erfolgseinschätzung. Das bedeutet, der wahrgenommene Nutzen, den ein Mitglied aus der CoP zieht, ist unabhängig davon, wie lange jemand Mitglied in einer CoP ist oder welchen Wissensstand er hat. Dies bestätigt die Annahme, dass sowohl Neulinge als auch Meister Nutzen aus ihrer Mitgliedschaft ziehen. Die Angaben, die die Mitglieder bezüglich ihres Wissensstandes zum Community-Thema machten, sind in Abb. 6-5 dargestellt. Zeiteinsatz der Mitglieder. Ebenfalls in Abb. 6-5 illustriert ist der Zeiteinsatz, den die Mitglieder für ihre CoP-Interaktion aufbringen. Mehr als zwei Drittel der Mitglieder (72%) wenden weniger als zwei Stunden pro Woche für ihre CoP-Aktivitäten auf. Etwas ein Fünftel der Mitglieder (18%) investieren 2 bis 5 Stunden pro Woche. Bei einem Zehntel der Mitglieder (10%) beträgt der Zeiteinsatz mehr als 5 Stunden wöchentlich. Diese Verteilung belegt, dass die Stichprobe sowohl aktive als auch weniger aktive Mitglieder umfasst. Vorwissen zum Thema
Zeiteinsatz 50
50
40,7 40
40
34,1
31,8 30
30 %
21,8
%
10
17,8
20
20 9,5
7,3
7,3
10,5
9,5
10
5,6
4,2
0
0 1
2
3
4
5
6
Weniger als 1 Std.
7
N=220; Mittelwert= 5,1; 1: trifft gar nicht zu; 7: trifft voll zu
1-2 Std.
2-5 Std.
5-10 Std.
Mehr als 10 Std./Woche
N=214; Mittelwert=1-2 Std./Woche 1197
Abb. 6-5: Wissensstand sowie Zeiteinsatz der Mitglieder
Grundsätzliche Erfolgseinschätzung der Mitglieder. Neben den im Bezugsrahmen enthaltenen Ergebnis-Indikatoren schätzten die Community-Mitglieder zwei weitere allgemeine Aussagen zu den Ergebnissen von CoPs ein, sowohl bezüglich ihrer eigenen Ergebnisse als auch der Wirkung auf die Organisation: „Mein Nutzen in der Community ist größer als mein Aufwand“ sowie „Die Community hatte einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg“. Die Ergebnisse sind in Abb. 6-6 veranschaulicht. Es zeigt sich, dass beide Fragen positiv beurteilt werden. Sowohl die Mitglieder als auch die Organisation als Ganzes profitieren von den Interaktionen in CoPs.
1197
Quelle: Eigene Darstellung.
241
Ergebnisse der Untersuchung Individueller Nutzen > Aufwand 30
30
Positiver Einfluss auf den Unternehmenserfolg 27,5
24,2
%
19,8 20
12,1
10
22
21,7
19,7
20
14,3
%
11,1
8,8
10
6,6 4,5
3,3
0
4,4
0 1
2
3
4
5 6 7 N=198;Mittelwert=4,6
1 2 3 4 5 6 7 N=182; Mittelwert=4,9; 1: trifft gar nicht zu; 7: trifft voll zu
Abb. 6-6: Erfolgseinschätzungen der Community-Mitglieder1198
Zukünftiges Engagement der Mitglieder. Abschließend wurden die Mitglieder gefragt, ob sie sich auch zukünftig in der Community engagieren werden. Die Antworten geben ein äußerst positives Bild und bestätigen die grundsätzliche Annahme, dass die Mitglieder eine Nutzen aus ihrer CoP-Zugehörigkeit ziehen: Mehr als zwei Drittel der Mitglieder (70%) stimmen dem zu (Ausprägung 6 und 7), lediglich einige wenige Mitglieder (3%) stimmen dem nicht zu (Ausprägung 1 und 2). Abb. 6-7 illustriert diesen Aspekt. Zukünftiges Engagement in der CoP 50
44,7
40 30
25,5
% 20
15,9 9,6
10
2,9
0
1,4
2
3
0 1
4
5 6 7 N=208; Mittelwert=5,9; 1: trifft gar nicht zu; 7: trifft voll zu
Abb. 6-7: Zukünftiges Engagement der Mitglieder1199
6.3
Überprüfung der Hypothesen und Diskussion der Ergebnisse
6.3.1
Ergebnisse des Strukturmodells
Bevor die Ergebnisse der Modellschätzung bzw. deren Implikationen diskutiert werden, sollen zunächst die Ergebnisse des Strukturmodells vorgestellt und anhand der vorab aufgezeigten Gütemaße beurteilt werden.1200 Wie bereits diskutiert, gibt es bei der Verwendung der 1198 1199 1200
Quelle: Eigene Darstellung. Quelle: Eigene Darstellung. Siehe Abschnitt 5.1.2.3.
242
Ergebnisse der Untersuchung
PLS-Methode keine globalen Gütemaße für das Strukturmodell wie sie beispielsweise von Kovarianzstrukturanalysen bekannt sind. Nachfolgend werden die Bestimmtheitsmaße der latenten endogenen Variablen, die Effektgrößen der latenten exogenen Variablen, die Prognoserelevanz sowie die Stabilität der Schätzung diskutiert. Die Beurteilung des Strukturmodells erfolgt zunächst durch die Bestimmtheitsmaße Ri2 der endogenen Variablen. Ri2 gibt die durch das Modell erklärte Varianz an. Das korrigierte Bestimmtheitsmaß Ri2korr, was nicht im PLS-Output enthalten ist und extra berechnet werden muss, vermindert das Ri2 auf der Basis der Anzahl an Regressoren und Freiheitsgraden um Korrekturgrößen.1201 Die korrigierten Bestimmtheitsmaße der endogenen Variablen des Bezugsrahmens sind in Tab. 6-2 aufgeführt. Abhängige Variable
Korrigiertes Bestimmtheitsmaß R2
Interaktionshäufigkeit .241 Community-Interaktionsqualität .468 Netzwerkposition .643 Individueller Nutzen .189 Organisationale Wissensbasis .582 Organisationale Leistung .601 Kooperationspotential .550 Ø .468 Tab. 6-2: Bestimmtheitsmaße der endogenen Variablen
Die Varianzerklärung der endogenen Konstrukte liegt zwischen 19 und 64%. Das durchschnittliche Bestimmtheitsmaß aller endogenen Konstrukte AVA beträgt 0,468. Das bedeutet, die Varianz der endogenen Konstrukte wird im Durchschnitt zu fast 47% erklärt. Das aufgestellte Strukturmodell ist demnach ein Modell mit substanzieller Erklärungskraft. Für das reflektive endogene Konstrukt des Bezugsrahmens wird zur Beurteilung der Prognoserelevanz des Modells der STONE-GEISSER-Test durchgeführt. Dabei wird die Anzahl der Beobachtungen, die während der Blindfolding-Technik eliminiert und neu geschätzt werden, auf 10 festgesetzt. Die Prognoserelevanz des Strukturmodells beträgt für das Konstrukt Kooperationspotential 0,460. Der Wert der Schätzrelevanz ist größer Null, d.h. das Modell besitzt Prognoserelevanz. Ausgehend davon, dass ein Wert von eins bedeutet, dass die beobachteten endogenen Variablen perfekt durch das Modell rekonstruiert werden können, kann der Wert interpretiert werden. Die beobachteten Indikatoren des Kooperationspotentials können durch das Modell gut rekonstruiert werden. Da im Bezugsrahmen lediglich ein reflektives endogenes Konstrukt enthalten ist, können keine Aussagen bezüglich der durchschnittlichen Prognoserelevanz des Modells getroffen werden.
1201
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 66f. Zur Berechnung siehe auch Bortz (1999), S. 436.
243
Ergebnisse der Untersuchung
Zur Beurteilung des Einflusses der latenten exogenen Variablen auf die latenten endogenen Variablen wird die Effektgröße f2 herangezogen. Dabei wird die Veränderung der Varianzerklärung analysiert, wenn die entsprechende exogene Variable aus dem Modell eliminiert wird. Tab. 6-3 fasst die Ergebnisse für die drei Konstrukte Motivation, Broker und Managementunterstützung sowie deren Einfluss auf die endogenen Variablen Interaktionshäufigkeit und die Community-Interaktionsqualität zusammen. Abhängige Variable Interaktionshäufigkeit
Abhängige Variable Community-Interaktionsqualität
Unabhängige Variable
R2incl
R2excl
Effektgröße f2
R2incl
R2excl
Effektgröße f2
Motivation Broker Managementunterstützung
.249 .249 .249
.212 .226 .182
.049 .031 .089
.473 .473 .473
.460 .309 .443
.025 .311 .057
Tab. 6-3: Einflussstärke der latenten exogenen Variablen
Die Effektgrößen der drei exogenen Konstrukte sind größer 0,02, d.h. die drei Konstrukte tragen zur Erklärung der endogenen Variablen bei. Die Motivation der Community-Mitglieder, sich an der Interaktion in einer CoP zu beteiligen, hat auf die beiden endogenen Konstrukte nur einen schwachen Einfluss, gleichwohl der Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit deutlich größer ist als auf die Community-Interaktionsqualität. Gleiches gilt für den Einfluss der Managementunterstützung auf die beiden endogenen Variablen. Die Aufgabenerfüllung des Community-Brokers hat auf die Intensität der Interaktionen in einer CoP ebenfalls nur einen schwachen Einfluss, hingegen auf die Interaktionsqualität innerhalb der CoP einen mittleren bzw. annähernd starken Einfluss. Die Managementunterstützung verfügt über den größten Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit, wohingegen die Aufgabenerfüllung des Brokers die Community-Interaktionsqualität am stärksten beeinflusst. Diese Ergebnisse werden tendenziell durch die unterschiedlich hohen Pfadkoeffizienten bestätigt. Die Signifikanz der Pfadkoeffizienten ist anhand der t-Werte einschätzbar, die durch die Resampling-Technik Bootstrapping generiert wurden. Das Kausalmodell beinhaltet 72 zu schätzende Parameter und damit 149 Freiheitsgrade.1202 Die Bootstrapping-Prozedur wurde für 200, 250, und 300 Stichproben durchgeführt und zeigte stabile Ergebnisse mit zu vernachlässigbaren Abweichungen. Tab. 6-4 fasst die unabhängigen und abhängigen Variablen, die geschätzten Pfadkoeffizienten, t-Werte und die zugehörigen Hypothesen zusammen.
1202
Vgl. Bortz (1999), S. 436.
244
Ergebnisse der Untersuchung
Abhängige Variable
Unabhängige Variable
Interaktionshäufigkeit
Motivation Broker Managementunterstützung Motivation Broker Managementunterstützung Interaktionshäufigkeit Community-Interaktionsqualität
Community-Interaktionsqualität
Community-Interaktionsqualität Individueller Nutzen Netzwerkposition Organisationale Wissensbasis Organisationale Leistung Kooperationspotential Netzwerkposition Organisationale Wissensbasis Organisationale Leistung Kooperationspotential Organisationale Wissensbasis Organisationale Leistung Kooperationspotential
Individueller Nutzen
Netzwerkposition
Pfadkoeffizient
t-Wert
Hypothese
.215 .189 .285 .113 .443 .205 .173 .445 .196 .479 .387 .406 .697 .189 .378 .099 .235 .158 .368
2.168 2.041 3.440 1.218 6.867 3.263 2.670 7.697 3.480 8.505 7.246 7.004 14.693 2.775 5.586 1.113 2.949 2.314 4.201
H1a H1b H1c H2a H2b H2c H3 H4 H5 H6a H6b H6c H7 H8a H8b H8c H9a H9b H9c
Tab. 6-4: Parameterschätzung des Strukturmodells
Als Grenzwerte gelten nach BACKHAUS et al. folgende t-Werte für 200 Freiheitsgrade, bei zweiseitigem Test: Ein t-Wert größer 1,972 bedeutet eine Irrtumswahrscheinlichkeit/ein Signifikanzniveau von 5%, ein t-Wert von größer 2,601 ein Signifikanzniveau von 1% sowie ein t-Wert größer 3,340 ein 0,1%-Signifikanzniveau.1203 Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird die nomologische Validität der formativen Messmodelle bestätigt. Darüber hinaus können nun die theoretisch abgeleiteten Hypothesen geprüft werden. In Tab. 6-5 sind die Hypothesen des Bezugsrahmens, zugehörige Pfadkoeffizienten, deren Vorzeichen sowie das daraus abgeleitete Fazit dargestellt.
1203
Vgl. Backhaus et al. (2003), S. 796.
245
Ergebnisse der Untersuchung
Hypothesen
Pfadkoeffizient
Vorzeichen bestätigt
Fazit
Effekte der Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse einer CoP H1:
H2:
(a) Die individuelle Motivation der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP. (b) Die Aufgabenerfüllung des Brokers hat einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP. (c) Die Managementunterstützung hat einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP. (a) Die individuelle Motivation der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität. (b) Die Aufgabenerfüllung des Brokers hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität. (c) Die Managementunterstützung hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität.
.215*
Hypothese nicht widerlegt
.189*
Hypothese nicht widerlegt
.285***
Hypothese nicht widerlegt
n.s.
Hypothese widerlegt
.443***
Hypothese nicht widerlegt
.205**
Hypothese nicht widerlegt
.173**
Hypothese nicht widerlegt Hypothese nicht widerlegt Hypothese nicht widerlegt Hypothese nicht widerlegt
Effekte der Charakteristika der Interaktionsprozesse H3: H4: H5: H6:
Die Interaktionshäufigkeit hat einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität. Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den individuellen Nutzen der Mitglieder. Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die primäre Netzwerkposition der Mitglieder. (a) Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Wissensbasis. (b) Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Leistung. (c) Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf das Kooperationspotential der Organisation.
.445*** .196*** .479*** .387***
Hypothese nicht widerlegt
.406***
Hypothese nicht widerlegt
.697***
Hypothese nicht widerlegt Hypothese nicht widerlegt
Effekte der Ergebnisse der individuellen Ebene Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf deren primäre Netzwerkposition. H8: (a) Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Wissensbasis. (b) Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Leistung. (c) Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf das Kooperationspotential der Organisation. H9: (a) Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Wissensbasis. (b) Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf die organisationale Leistung. (c) Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf das Kooperationspotential der Organisation. * p < .05; ** p < .01; *** p < .001 H7:
.189** .378*** n.s.
Hypothese nicht widerlegt Hypothese widerlegt
.235**
Hypothese nicht widerlegt
.158*
Hypothese nicht widerlegt
.368***
Hypothese nicht widerlegt
Tab. 6-5: Ergebnisse der Hypothesenprüfung
Die erwartete Richtung der Wirkung hat sich für alle postulierten Beziehungen bestätigt. Zwei t-Werte liegen unterhalb des Grenzwertes von 1,972. Demnach müssen die Hypothesen H2a und H8c aufgrund der geschätzten Parameter widerlegt werden. Die restlichen Hypothesen sind wie erwartet positiv und signifikant, d.h. diese Hypothesen können nicht widerlegt wer-
246
Ergebnisse der Untersuchung
den. Als Kontrollvariablen wurden die Dauer der Mitgliedschaft in der CoP sowie der Unternehmenszugehörigkeit bei den Auswertungen der Untersuchungsergebnisse berücksichtigt. Keines der betrachteten Konstrukte des Bezugsrahmens korreliert signifikant mit diesen Variablen. Abb. 6-8 illustriert die Ergebnisse der Strukturmodellschätzung im Bezugsrahmen der Untersuchung. Einflussfaktoren
Motivation (a)
Interaktionsprozesse
(a) .22* (b) .19* (c) .29***
Broker (b)
Managementunterstützung (c)
(a) n.s. (b) .44*** (c) .21**
Ergebnisse Individueller Nutzen R2korr= 19%
Interaktionshäufigkeit R2korr= 24%
.45***
(a) .19** (b) .38*** (c) n.s.
.70*** .17** Community-Interaktionsqualität R2korr= 47%
.20***
Netzwerkposition R2korr= 64%
(a) .24** (b) .16* (c) .37***
(a) .48*** (b) .39*** (c) .41***
Wissensbasis (a) R2korr= 58% Leistung (b) R2korr= 60% Kooperationspotential (c) R2korr= 55%
* p < .05; ** p < .01; *** p < .001
Abb. 6-8: Ergebnisse der Strukturmodellschätzung im Bezugsrahmen der Untersuchung
Nachfolgend werden die Ergebnisse der kausalanalytischen Hypothesenprüfung und ihre entsprechende Interpretation entlang der drei Hypothesenblöcke detailliert diskutiert. 6.3.2 Effekte der Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse Die Basishypothesen H1 und H2 betreffen die Effekte der drei Einflussfaktoren individuelle Motivation, Aufgabenerfüllung des Community-Brokers und Managementunterstützung auf die Charakteristika der Interaktionsprozesse einer CoP, d.h. auf die Interaktionshäufigkeit (Basishypothese H1) und die Community-Interaktionsqualität (Basishypothese H2). Die Hypothesen H1a bis H1c sowie H2b und H2c können empirisch nicht widerlegt werden. Lediglich Hypothese H2a, welche eine positive Wirkung der individuellen Motivation der Mitglieder auf die Interaktionsqualität in der CoP postuliert, muss aufgrund eines zu geringen Signifikanzniveaus widerlegt werden. Was lässt sich daraus bzw. den entsprechenden Pfadkoeffizienten schlussfolgern? Es zeigt sich anhand der geschätzten Parameter des Strukturmodells, dass die drei analysierten Einflussfaktoren mit den Charakteristika der Interaktionsprozesse unterschiedlich stark in Beziehung stehen:
Ergebnisse der Untersuchung
247
Effekte der Einflussfaktoren auf die Interaktionshäufigkeit. Die Managementunterstützung hat einen mittleren (0,285), jedoch relativ zu den anderen Faktoren den stärksten Einfluss auf die Häufigkeit der Interaktion in einer CoP. Die individuelle Motivation der Mitglieder (0,215) sowie die Aufgabenerfüllung des Brokers (0,185) haben einen geringen Einfluss. Dies ist ein interessanter Befund, belegt er doch die in der Literatur zum Wissensmanagement mehrfach diskutierte, jedoch bisher empirisch nicht nachgewiesene Bedeutung der Unterstützung durch das Management.1204 Für eine häufige Interaktion in der CoP ist demnach ein aktiver Beistand des Managements in Form von ressourcenbezogener und moralischer Unterstützung (d.h. ein Vorleben des Wissensaustausches) wichtiger als die individuellen Motive der Mitglieder oder eine entsprechende Aufgabenerfüllung des Brokers. 24% der Varianz der beobachteten Indikatoren des Konstruktes Interaktionshäufigkeit lassen sich mit den drei diskutierten Einflussfaktoren erklären. Dies deutet darauf hin, dass zusätzliche Faktoren, die im Modell nicht berücksichtigt wurden, die Intensität der Interaktion innerhalb einer CoP maßgeblich beeinflussen. Denkbar sind verschiedene Faktoren auf der Mitglieder-, Community- und/oder Unternehmensebene: beispielsweise die soziale Kompetenz bzw. die Kommunikationsfähigkeiten des einzelnen Mitglieds (die Basis für eine Interaktion mit anderen), das über die CoP hinausgehende Netzwerk des Mitglieds (ein möglicher Grund für eine geringe Interaktion in der CoP), das Thema der CoP bzw. die Art des ausgetauschten Wissens (externe versus implizite Wissensanteile), die Existenz von Anreizsystemen oder die (Wissens-)Kultur des Unternehmens. Effekte der Einflussfaktoren auf die Community-Interaktionsqualität. Die Qualität der Interaktion in einer CoP wird vor allem durch eine gute Aufgabenerfüllung des Brokers geprägt (0,444). Ein Broker, der die Rolle des Moderators, Koordinators, Motivators übernimmt, beeinflusst das Klima in der CoP und damit auch die Auswirkungen der CoP offensichtlich maßgeblich. Diese Erkenntnis bestärkt Befunde der Team-Forschung, die zeigen, dass die Führung eines Teams für die Zusammenarbeit verschiedener Personen eine entscheidende Rolle spielt.1205 Die untersuchten CoPs sind semi-formale Einheiten, d.h. selbst wenn sie sich informal gegründet haben, so sind sie doch dem Management bekannt und sichtbar für andere Kollegen. Die Funktion des Brokers ist offiziell vergeben. Damit geht die klare Kommunikation bezüglich der damit verbundenen Aufgaben einher. Aufgrund der Ergebnisse kann dies als ein Erfolgsfaktor von CoPs betrachtet werden. Einen signifikanten, wenn auch deutlich geringeren Einfluss übt die Managementunterstützung auf die Interaktionsqualität aus. Es scheint, dass diese Determinante eher den Rahmen bestimmt und eine grundsätzliche Bereitschaft der Mitglieder, sich in CoPs zu engagieren, 1204
1205
Vgl. z.B. Davenport et al. (1998), S. 54; Mertins et al. (2001), S. 106 sowie die Ausführungen bei der konzeptionellen Herleitung des Konstruktes in Abschnitt 4.3. Vgl. z.B. Högl (1998), S. 100ff.
248
Ergebnisse der Untersuchung
fördert. Die konkrete Ausgestaltung der Interaktion bzw. das Klima einer CoP prägt hingegen ihr Broker. Wie die Ergebnisse der Parameterschätzung zeigen, hat die individuelle Motivation der Community-Mitglieder keinen signifikanten Einfluss auf die Qualität der Interaktion in einer CoP. Unabhängig von den Motiven der einzelnen Mitglieder, an der CoP teilzunehmen, existieren Vertrauen, Kohäsion und Zusammenhalt zwischen den CoP-Mitgliedern. Oder anders ausgedrückt: Weniger motivierte Mitglieder haben demnach keinen Einfluss auf die Qualität der Interaktionen in einer CoP. 6.3.3 Effekte der Charakteristika der Interaktionsprozesse Die (Basis-)Hypothesen H3 bis H6 betreffen die Effekte der Charakteristika der Interaktionsprozesse einer CoP, d.h. Interaktionshäufigkeit und Community-Interaktionsqualität. Dabei postuliert Hypothese H3 eine positive Wirkung der Interaktionshäufigkeit auf die Community-Interaktionsqualität. Die (Basis-)Hypothesen H4 bis H6 betreffen die Beziehungen zwischen der Community-Interaktionsqualität und den Ergebnissen von CoPs, d.h. dem individuellen Nutzen der Mitglieder (Hypothese H4), der primären Netzwerkposition der Mitglieder (Hypothese H5) sowie den Konstrukten der organisationalen Ebene (Basishypothese H6), d.h. die organisationale Wissensbasis, organisationale Leistung und Kooperationspotential. Alle Hypothesen können empirisch nicht widerlegt werden. Dies kann wie folgt interpretiert werden: Effekt der Interaktionshäufigkeit auf die Community-Interaktionsqualität. Wie auf der Grundlage der konzeptionellen Überlegungen und relevanter empirischer Ergebnisse postuliert, besteht zwischen der Interaktionshäufigkeit und der Interaktionsqualität in einer CoP ein positiver signifikanter Zusammenhang. Dieser ist jedoch nicht sehr stark (0,173). Die Betrachtung aller Determinanten der Communitiy-Interaktionsqualität macht deutlich, dass die Häufigkeit der Interaktion einen geringeren Einfluss hat als die Aufgabenerfüllung des Brokers und die Managementunterstützung. Auch weniger oft kommunizierende Personen sind offensichtlich in der Lage, interpersonales Vertrauen, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und ein positives Kommunikationsklima aufzubauen. Dies stützt die Überlegung, dass Häufigkeit nicht notwendigerweise mit einem bestimmten qualitativen Anspruch einhergeht. Darüber hinaus bestätigt dies die Existenz einer gemeinsamen sozialen Identität der Community-Mitglieder. Insgesamt werden ca. 47% der Varianz der Community-Interaktionsqualität durch das aufgestellte Modell erklärt, d.h. es kann von einer substanziellen Aussagekraft des Modells gesprochen werden. Effekte der Community-Interaktionsqualität auf die Ergebnisse der individuellen Ebene. Hypothesenkonform hat die Qualität der Interaktion in einer CoP einen positiven signifikanten Einfluss auf den individuellen Nutzen, den jedes Community-Mitglied wahrnimmt. Dieser
Ergebnisse der Untersuchung
249
Einfluss ist recht stark (0,445), d.h. der erfolgreiche Wissenstransfer hängt maßgeblich von der Interaktionsqualität ab. Interpersonales Vertrauen, Zusammenhalt und ein positives Kommunikationsklima fördern Lernprozesse und den Austausch von Wissen. Etwa 19% der Varianz des individuellen Nutzens werden durch das aufgestellte Modell erklärt. Dies spricht dafür, dass der individuelle Nutzen über die Interaktionsqualität hinaus noch von anderen Faktoren abhängig ist. Als mögliche Determinanten könnten die individuellen Motive, die Stellung innerhalb der CoP oder auch die Art des ausgetauschten Wissens in Frage kommen. Ebenso hypothesenkonform, jedoch wesentlich schwächer ist der positive signifikante Zusammenhang zwischen der Community-Interaktionsqualität und der primären Netzwerkposition eines Mitglieds (0,196). Mit zunehmender Qualität der Interaktion in einer CoP steigt auch der Wissenstransfer in die Primärorganisation und darauf aufbauend die Anerkennung und Eingebundenheit des Mitglieds. Effekte der Community-Interaktionsqualität auf die Ergebnisse der organisationalen Ebene. Wie bei der Herleitung des Bezugsrahmens argumentiert, hat die CommunityInteraktionsqualität nicht nur auf die Ergebnisse der individuellen Ebene einen positiven Einfluss sondern ebenso auf die Ergebnisse der organisationalen Ebene. Dabei sind alle drei Zusammenhänge stark positiv signifikant: Der Effekt ist auf die organisationale Wissensbasis am stärksten (0,479) und auf das Kooperationspotential (0,406) sowie die organisationale Leistung (0,387) etwas schwächer. Dies bedeutet, dass mit steigender Qualität der Interaktion, d.h. mit zunehmendem interpersonalen Vertrauen und Zusammenhalt sowie einem verbesserten Kommunikationsklima, der durch CoPs induzierte Nutzen sowohl auf der individuellen als auch organisationalen Ebene steigt. Diese Ergebnisse sollten von Seiten des Managements besondere Beachtung finden: Rahmenbedingungen, die eine qualitativ hochwertige Interaktion zwischen den Mitgliedern fördern (z.B. gelegentliche Treffen, entsprechende Kommunikationsinstrumente, aktive Kommunikation der Ergebnisse nach außen, Vergabe der Rolle des Brokers), wirken positiv auf den organisationalen Nutzen, den CoPs langfristig stiften können. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die alleinige Einführung einer Datenbank und die grundsätzliche Existenz der verschiedenen technischen Funktionalitäten einer CoP nicht zwangsläufig zu erfolgreicher Interaktion zwischen den verschiedenen Mitgliedern führen. Auch sollten Aufwand und Zeit, die eine Kulturveränderung braucht, nicht unterschätzt werden. 6.3.4
Effekte der Ergebnisse der individuellen Ebene
Hypothese H7 postuliert einen positiven Zusammenhang zwischen dem individuellen Nutzen der Community-Mitglieder und ihrer primären Netzwerkposition. Die Basishypothesen H8 und H9 betreffen die Effekte der Ergebnisse von CoPs auf der individuellen Ebene – individueller Nutzen (Basishypothese H8) und Netzwerkposition (Basishypothese H9) – auf die Er-
250
Ergebnisse der Untersuchung
gebnisse einer CoP auf der organisationalen Ebene, d.h. die organisationale Wissensbasis, die organisationale Leistung und das Kooperationspotential. Hypothese H8c, welche eine positive Wirkung des individuellen Nutzens der Mitglieder auf das Kooperationspotential postuliert, muss aufgrund eines zu geringen Signifikanzniveaus widerlegt werden. Die anderen Hypothesen können empirisch nicht widerlegt werden. Effekte des individuellen Nutzens auf die primäre Netzwerkposition. Die Stellung des einzelnen Mitglieds wird nicht nur von der Interaktionsqualität in einer CoP beeinflusst. Wie die vorliegenden Ergebnisse zeigen, hängt diese vornehmlich vom wahrgenommenen individuellen Nutzen der Mitglieder ab (0,697). Der stark positive signifikante Zusammenhang bestätigt die Wirkung: Die im Rahmen der Mitgliedschaft auf- und ausgebauten Kompetenzen, die gesteigerte Arbeitsleistung etc. führen zu einer deutlichen Verbesserung der Position im primären Netzwerk der Organisation, d.h. zu Anerkennung, Reputation, einem Gefühl der Eingebundenheit und einem aktiven Wissenstransfer. Wesentliche Voraussetzung für diesen zweiten Schritt des zwei-stufigen Kommunikationsprozesses, d.h. den Transfer in die formalen Organisationseinheiten, ist vor allem die Anwendung des gewonnenen Wissens in der täglichen Arbeit des Einzelnen. Durch die Zugehörigkeit zu einer CoP haben die Mitglieder die Möglichkeit, an Informationen und Wissen außerhalb ihrer formalen Organisationseinheit zu gelangen. Durch die Weitergabe des Wissens an Kollegen und Vorgesetzte übernehmen die Mitglieder mehr oder weniger intensiv die Rolle eines technologischen Gatekeepers im Sinne von ALLEN.1206 Das bedeutet, sie nehmen im Rahmen der Interaktion mit den anderen Mitgliedern Informationen und Wissen auf und bringen diese gewonnenen Erkenntnisse bei der Lösung ihrer Aufgaben ein bzw. geben sie weiter. Fast 65% der Varianz der primären Netzwerkposition wird durch das aufgestellte Modell erklärt, d.h. es kann von einer substanziellen Aussagekraft des Modells gesprochen werden. Effekte des individuellen Nutzens auf die Ergebnisse der organisationalen Ebene. Die postulierten Zusammenhänge zwischen dem individuellen Nutzen der Mitglieder und der organisationalen Wissensbasis bzw. der organisationalen Leistung sind positiv und signifikant. Dabei ist der Einfluss auf die organisationale Leistung (0,378) deutlich stärker als auf die organisationale Wissensbasis (0,189). Die aus der CoP-Interaktion resultierenden Benefits wirken demnach vor allem auf die Leistungserfüllung einer Organisation. Zu einem geringeren Ausmaß, aber dennoch grundsätzlich positiv werden die Wissensbestände einer Organisation beeinflusst. Entgegen der aufgestellten Hypothese besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem individuellen Nutzen der Community-Mitglieder und dem Kooperationspotential einer Organisation. Dieses Ergebnis lässt sich folgendermaßen erklären: Die Tatsache, dass Mit1206
Vgl. z.B. Allen et al. (1971); Tushman/Scanlan (1981).
Ergebnisse der Untersuchung
251
glieder einen bestimmten individuellen Nutzen aus ihrer CoP-Zugehörigkeit ziehen, beeinflusst nicht zwangsläufig das Potential zur Zusammenarbeit in der Organisation. Die Kooperation und interpersonales Vertrauen zwischen den Mitarbeitern wird durch eine Vernetzung der Mitarbeiter innerhalb (daher der positive Einfluss der Community-Interaktionsqualität) und außerhalb der CoP, d.h. durch die Weitergabe des Wissens an andere Kollegen, erhöht. Effekte der primären Netzwerkposition auf die Ergebnisse der organisationalen Ebene. Die postulierten positiven Beziehungen zwischen der primären Netzwerkposition der CommunityMitglieder und den verschiedenen Ergebnis-Konstrukten der organisationalen Ebene haben sich bestätigt. Es zeigt sich, dass insbesondere das Kooperationspotential einer Organisation stark positiv durch eine verbesserte Netzwerkposition beeinflusst wird (0,368). Auch die organisationale Wissensbasis wird positiv, wenn auch etwas schwächer beeinflusst (0,235). Durch die Weitergabe des in der CoP gewonnenen Wissens an Nicht-Community-Mitglieder verbreitet sich das Wissen in der Organisation. Es fließt in die kollektiven Routinen, Werte und Normen, die organisationale Wissensbasis ein. Da die Mitglieder von CoPs i.d.R. Mitglieder verschiedener organisationaler Einheiten sind, werden durch CoPs oftmals so genannte strukturelle Löcher1207 überbrückt. Dies fördert insbesondere den Austausch von Ideen und die Entwicklung neuer Kompetenzen. Durch die Interaktion mit anderen Kollegen wird langfristig die Kooperation zwischen den Mitarbeitern der Organisation und das zwischen ihnen herrschende Vertrauen erhöht. Positiv, jedoch wesentlich geringer ist der Einfluss der Netzwerkposition auf die organisationale Leistung (0,158). Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Wirkung der Ergebnisse von CoPs auf der individuellen Ebene auf die Ergebnisse der organisationalen Ebene feststellen: Die durch CoPs veränderte organisationale Leistung wird vor allem durch den wahrgenommenen individuellen Nutzen der einzelnen Mitglieder erklärt. Damit bestätigt sich die Überlegung, dass die Mitglieder Elemente eines übergeordneten Ganzes sind. Dieses übergeordnete System ist durch die Beziehungen seiner Elemente gekennzeichnet. Die Leistung des Systems resultiert aus der Summe der Leistungen der Elemente, geht jedoch aufgrund von Synergieeffekten über diese hinaus. Die durch CoPs veränderte Wissensbasis einer Organisation wird insbesondere durch eine verbesserte Netzwerkposition der Community-Mitglieder positiv beeinflusst. Die zentrale Stellung der Mitglieder fördert die Diffusion von Wissen, Informationen und Neuerungen. Auch eine positive Veränderung des Kooperationspotentials einer Organisation wird vornehmlich durch die Netzwerkposition, d.h. die Vernetzung der Mitglieder erreicht. Die Varianz der Ergebnisse auf der organisationalen Ebene wird zu fast 60% (organisationale Wissensbasis und organisationale Leistung) bzw. 55% (Kooperationspotential) durch das Modell erklärt. Auch diese Ergebnisse sprechen für eine substanzielle Erklärungskraft des Modells. 1207
Vgl. Burt (1992).
252 6.4
Ergebnisse der Untersuchung Zusammenfassung und kritische Würdigung der Ergebnisse
Die geschätzten Parameter der Indikatoren formativer Messmodelle ermöglichen es, Aussagen über die Bedeutung einzelner Indikatoren zu treffen. Die Analyse der Gewichte sowie die anschließende Darstellung ausgewählter deskriptiver Befunde der Untersuchung brachten interessante Ergebnisse zu Tage. Sie tragen zu einem wesentlich besseren Verständnis von CoPs, deren Einflussfaktoren, den Charakteristika der Interaktionsprozesse sowie deren Auswirkungen bei. Schwerpunkt des Kapitels war die Darstellung der Ergebnisse des Strukturmodells und die darauf aufbauende Überprüfung der aufgestellten Hypothesen des Bezugsrahmens. In Tab. 66 sind die Ergebnisse zusammengefasst. Zur besseren Übersichtlichkeit sind bei den Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse und den Ergebnissen auf der organisationalen Ebene, dem organisationalen Nutzen, nur die Basishypothesen aufgeführt.
Hypothese
Ergebnis
H1:
Die Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse haben einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit in der CoP.
Basishypothese wird nicht widerlegt.
H2:
Die Einflussfaktoren der Interaktionsprozesse haben einen positiven Einfluss auf die Community-Interaktionsqualität.
Basishypothese wird partiell widerlegt.
H3:
Die Interaktionshäufigkeit hat einen positiven Einfluss auf die CommunityInteraktionsqualität.
Hypothese wird nicht widerlegt.
H4:
Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den individuellen Nutzen der Mitglieder.
Hypothese wird nicht widerlegt.
H5:
Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf die primäre Netzwerkposition der Mitglieder.
Hypothese wird nicht widerlegt.
H6:
Die Community-Interaktionsqualität hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen.
Basishypothese wird nicht widerlegt.
H7:
Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf deren primäre Netzwerkposition.
Hypothese wird nicht widerlegt.
H8:
Der individuelle Nutzen der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen.
Basishypothese wird partiell widerlegt.
H9:
Die primäre Netzwerkposition der Mitglieder hat einen positiven Einfluss auf den organisationalen Nutzen.
Basishypothese wird nicht widerlegt.
Tab. 6-6: Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
Insgesamt betrachtet können sieben der (Basis-)Hypothesen auf der Grundlage der empirischen Ergebnisse nicht widerlegt werden. Zwei der Basishypothesen werden partiell widerlegt, da zwei der insgesamt 19 geschätzten Pfadkoeffizienten des Strukturmodells1208 nicht signifikant waren. Die Varianzerklärungen der endogenen Konstrukte betragen zwischen 19% 1208
Je Basishypothese gibt es drei Pfadkoeffizienten (insgesamt 15) sowie vier Pfadkoeffizienten der restlichen Hypothesen.
Ergebnisse der Untersuchung
253
und 64%. Die durchschnittliche Varianzerklärung beträgt ca. 47% und zeugt von einem Modell mit hoher Aussagekraft. Die Stärken der signifikanten Zusammenhänge variieren zwischen moderat und stark (von 0,16 bei p