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German Pages 444 Year 2007
Manfred Bruhn I Bernd Stauss (Hrsg.) Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
Manfred Bruhn I Bernd Stauss (Hrsg.)
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen Forum Dienstleistungsmanagement
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
Univ.-Prof. Dr. Manfred Bruhn ist Ordinarius fur Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und UnternehmensfiJhrung, am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universitat Basel und Honorarprofessor an der Technischen Universitat Munchen. Anschrift: Universitat Basel (WWZ), Lehrstuhl fur Marketing und UnternehmensfiJhrung, Petersgraben 51, CH-4051 Basel Tel: +41 (0) 61 267 32 22 E-Mail: [email protected] Fax: +41 (0) 61 267 28 38 www.wwz.unibas.ch/marketing
Univ.-Prof. Dr. Bernd Stauss ist Inhaber des Lehrstuhls fur Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Dienstleistungsmanagement der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultat an der Katholischen Universitat Eichstatt-ingolstadt. Anschrift: Katholische Universitat Eichstatt-ingolstadt, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultat, Lehrstuhl fur ABWL und Dienstleistungsmanagement, Auf der Schanz 49, D-85049 Ingolstadt Tel: +49 (0) 841-9 37 18 61 E-Mail: [email protected] Fax: +49 (0) 841 -9 37 19 70 www.dlm-stauss.de
1. Auflage Marz 2007 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Barbara Roscher I Jutta Hinrichsen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschlief^lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auf^erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fijr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Konzeption und Layout des Umschlags: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0341-9
Vorwort Mit dem Titel dieses Sammelbandes wird in komprimierter Form auf zentrale und miteinander verkniipfte betriebswirtschaftliche Trends hingewiesen: Zum einen verscharft sich angesichts des globalen Wettbewerbs weiterhin der Druck auf Untemehmen, samtliche betrieblichen Aktivitaten konsequent im Hinblick auf ihren Wertschopfungsbeitrag zu iiberpriifen, bestehende Wertschopfiingspotenziale auszuschopfen und neue zu schaffen. Dies verstarkt zum anderen die sich seit Jahren abzeichnende Entwicklung, die untemehmerische Gesamttatigkeit als Kombination von Prozessen zu verstehen und daher die untemehmensintemen sowie die untemehmensiibergreifenden Aktivitaten als Prozesse abzubilden und zu steuem. Eine prozesshafte Modularisierung bietet dann nicht nur die Grundlage fur eine differenzierte Wertschopfungsanalyse, sondem stellt auch die Basis fur Uberlegungen dar, bestehende Wertschopfungskonfigurationen aufzulosen und nach tiberlegenen Losungen auch unter Einbeziehung von Dritten bzw. durch Verlagerung von ganzen Prozessen bzw. Teilprozessen an exteme Anbieter zu suchen. Diese Trends, die ihren Ausgangspunkt im industriellen Sektor nahmen, haben inzwischen den Dienstleistungsbereich erreicht, ohne dass dies bisher in der Dienstleistungsforschung umfassend thematisiert worden ware. Eine dienstleistungsbezogene wissenschaftliche Diskussion erscheint aber erforderlich, da sich aufgrund der spezifischen Merkmale von Dienstleistungen besondere Fragestellungen ergeben und ein unmodifizierter Transfer der industriellen Logik zu Fehleinschatzungen fuhren kann: •
Kunden sind an der Dienstleistungserstellung beteiligt und somit nicht nur Nachfrager, sondem auch Co-Produzenten. Insofem tragen sie zur Wertschopfung bei bzw. beeinflussen die untemehmerische Wertschopfung. Damit stellt sich die Managementfrage, mit welchen betrieblichen MaBnahmen die Kundenintegration im Sinne einer Wertschopfungssteigerung optimal gesteuert werden kann.
iSi Die herkommlichen Methoden der Wertschopfungsanalyse - wie etwa die Wertkettenanalyse - folgen einer industriellen Durchlaufperspektive und vemachlassigen die Kundenintegration. Deshalb bedarf es Uberlegungen, wie das Wertkettenkonzept dienstleistungsspezifisch weiterentwickelt bzw. durch realitatsnahere Konzepte der Wertschopfungsanalyse abgelost werden kann. S Wertschopfungsprozesse werden industriell allein aus Sicht des Untemehmens und mit Blick auf die intemen Aktivitaten betrachtet. Fur ein kundenorientiertes Dienstleistungsuntemehmen kommt es aber darauf an, den vom Kunden durchlaufenen und erfahrenen Prozess zu kennen und zum Ausgangspunkt einer Wertschopfungsbetrachtung zu machen.
VI
Vorwort Sachgiiter wie Dienstleistungen werden immer weniger in „reiner" Form angeboten, sondem in Leistungsbiindeln und hybriden Kombinationen. Damit verbunden ist nicht nur ein erhohter Koordinationsbedarf, sondem auch eine partielle gegenseitige Durchdringung von industrieller und dienstleistungsbezogener Leistungslogik. Auf der einen Seite fuhren Modularisierung und Standardisierung von hybriden Leistungselementen zu einer Obertragung industrieller Produktionstechniken auf den Dienstleistungsbereich, auf der anderen Seite erfolgt eine partielle Tertiarisierung der Industrie, da die Kundenintegration eine starkere Berlicksichtigung der Kundenanforderungen und eine entsprechende Anpassung der intemen Strukturen verlangt. Diese Entwicklung ist mit neuen Moglichkeiten verbunden, die Wertschopfungsprozesse untemehmensiibergreifend flexibel zu konfigurieren, was Chancen fur Dienstleistungsanbieter impliziert, Wertschopfung in netzwerkartigen Strukturen entstehen lasst und neue Herausforderungen an das Management komplexer Wertschopfungsstrukturen stellt.
Die in diesem Sammelband veroffentlichten neunzehn Beitrage thematisieren diese aktuellen Trends und die daraus resultierenden Konsequenzen fiir das Dienstleistungsmanagement. Die Beitrage lassen sich sieben schwerpunktartigen Themenkomplexen zuordnen. Im ersten Teil werden grundlegende Fragestellungen behandelt. Zum einen werden hier wesentliche begriffliche und konzeptionelle Grundlagen von Wertschopfungsprozessen bei Dienstleistungen erortert. Insbesondere wird analysiert, wie Wertschopfungsprozesse theoretisch zu fundieren sind. Zudem wird der Frage nachgegangen, inwieweit die fur Industrieuntemehmen entwickelten Konzepte zum Verstandnis von Untemehmen als Konfigurationen von Wertschopfungsprozessen geeignet sind, die Erstellungsprozesse in Dienstleistungsprozessen generell bzw. in verschiedenen Dienstleistungstypen zu erfassen. Die Beitrage des zweiten Teils fokussieren auf die Besonderheiten, die sich ergeben, wenn die Erstellung von Dienstleistungen nicht von einem Untemehmen allein, sondem in netzwerkartigen Kooperationen erfolgt. Sie beschreiben unterschiedliche Netzwerkstmkturen und machen unter anderem deutlich, iiber welche Kompetenzen die Netzpartner verfiigen mtissen und inwiefem bekannte Instmmente der Prozessanalyse in der Anwendung auf Netzwerke einer Modifiziemng bediirfen. Die besondere Problematik von Wertschopfungsprozessen bei industriellen Dienstleistungen ist Gegenstand der Betrachtung von Beitragen des dritten Teils. Wenn Industrieuntemehmen produktbegleitende Dienstleistungen (industrielle Sekundardienstleistungen) als integralen Bestandteil des Angebots anbieten, dann ergeben sich Probleme, die mit dem Einsatz spezifischer Analyseinstmmente in ihrem AusmaB diagnostiziert und unter Einsatz geeigneter Koordinations- und Organisationsinstmmente gelost werden mtissen. Bei der Kombination eines industriell erstellten Sachgutes mit einer Dienstleistung ist bereits eine Problematik angesprochen, die in den Beitragen des vierten Teils explizit in
Vorwort
VII
den Mittelpunkt gertickt wird: die Wertschopfung mittels hybrider Leistungsbundel. Eine entsprechende Kombination von Giitem, deren Erstellung unterschiedlichen Logiken folgt, hat vielfach wesentliche untemehmerische Konsequenzen. So kommt es oftmals zu einer Reorganisation von Wertschopfiingsprozessen und zur Ausdifferenzierung neuer Geschaftsmodelle; in jedem Fall aber zu veranderten Anforderungen an ein Management, das fur eine kundengerechte Abstimmung der Innovations-, Erstellungs- und Vertriebsprozesse zu sorgen hat. Der Begriff der Wertschopfung wird traditionell auf die innerbetriebUche Werteschaffung bezogen, indem untersucht wird, welcher Wert den Vorleistungen durch die betrieblichen Prozesse hinzugefiigt wird. Dieser Perspektive ist aber eine zweite und nicht vollstandig deckungsgleiche Sichtweise gegeniiberzustellen, die die Wertschopfung fiir den Kunden betrachtet. Hier wird der Wert, den der Kunde dem untemehmerischen Angebot beimisst, zum Orientierungspunkt untemehmerischen Handelns. Die Beitrage des ftinften Teils wahlen diese Perspektive eines kundenorientierten Wertschopfungsmanagements und zeigen auf, welche Folgerungen daraus generell bzw. in einem spezifischen Anwendungsfall zu ziehen sind. Die Aufsatze des sechsten Teils untersuchen Managementfragestellungen, die sich ergeben, wenn Wertschopfungsprozesse im Rahmen des Outsourcings an exteme Dienstleister iibertragen werden. Mit dem Trend zum Business Transformation Outsourcing werden mehr und mehr nicht nur standardisierte Routineprozesse ausgelagert, sondem auch professionelle Dienstleistungen und individualisierte Problemlosungs-Dienstleistungen. Daraus resultieren Veranderungen der Wertschopfungsprozesse sowohl beim Kundenuntemehmen als auch beim Dienstleister und es riicken die Mechanismen in den Vordergrund des Interesses, mit deren Hilfe es dem Dienstleister gelingt, die Wertschopfung innerhalb des Kundenuntemehmens zu erhohen. Im abschlieBenden siebten Teil wird die generelle dienstleistungsbezogene Diskussion durch Beitrage abgerundet, die Wertschopfungsprozesse in spezifischen Branchen reflektieren. So wird hier untersucht, wie die Wertschopfung bei der Erstellung von Marketingdienstleistungen sowie bei touristischen Dienstleistungen durch ein spezifisches Prozessmanagement gesteigert werden kann. Erganzt werden die wissenschafllichen Beitrage durch einen Literatur-Service, der eine thematisch geordnete Zusammenstellung wichtiger Veroffentlichungen zum Themengebiet beinhaltet. Fiir die Betreuung und Koordination danken wir herzlich Herm Dr. Matthias Gouthier vom Lehrstuhl fur Dienstleistungsmanagement der Katholischen Universitat EichstattIngolstadt und Herm Dipl.-Wirtsch.-Ing. Gunnar Markert vom Lehrstuhl fiir Marketing und Untemehmensfuhmng der Universitat Basel. Dem Studierenden cand.rer.pol Franco Kolliker von der Universitat Basel danken wir fiir die Erstellung der dmckfertigen Vorlage. Unser besonderer Dank gilt der UBS AG (Ztirich), die durch ihre Unterstiitzung die Publikation dieses Sammelbandes in der vorliegenden Form ermoglicht hat.
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Vorwort
Das wesentliche Ziel der Buchreihe „Forum Dienstleistungsmanagement" liegt darin, eine aktuelle und betriebswirtschaftlich relevante Frage des Dienstleistungsmanagements zum Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung zu machen und dabei zugleich einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zu geben und innovative Forschung anzuregen. Wir sind tiberzeugt, dass dieses Ziel auch mit dem hier vorliegenden Band zu Wertschopfiingsprozessen bei Dienstleistungen wieder erreicht wird.
Basel und Ingolstadt, im Februar 2007
Manfred Bruhn Bemd Stauss
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Teil A: Wissenschaftliche Beitrage
1. Grundlagen zu Wertschopfungsprozessen bei Dienstleistungen Bernd Stauss und Manfred Bruhn Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen - Eine Einfiihrung in den Sammelband
3
Herbert Woratschek, Stefan Roth und Guido Schafmeister Ansatze zur Analyse von Wertschopfungsprozessen - Eine theoretische und empirische Betrachtung der Besonderheiten bei Dienstleistungen
29
Martin Benkenstein, Stephanie Steiner und Thomas Spiegel Die Wertkette in Dienstleistungsuntemehmen
51
Jorg Freiling und Martin Gersch Kompetenztheoretische Fundierung dienstleistungsbezogener Wertschopfungsprozesse
71
Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und Ralf Gossinger Gestaltung modularer Dienstleistungsproduktion
95
2. Wertschopfungsmanagement in DienstleistungsNetzwerken Helmut Dietl und Thomas Schieke Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
121
X
Inhaltsverzeichnis
Max Ringlstetter, Stephan Kaiser und Tim Kampe Vemetzung von Wertschopfungsprozessen kleiner und mittlerer Professional Services Firms: Eine Analyse aus Sicht der Sozialkapital-Forschung
141
Silke Michalski, Uta JUttner und Lukas Hammer Die Prozesswertanalyse als Ansatz zur Analyse von Wertschopfungsprozessen in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk 165
3. Wertschopfungsmanagement bei industriellen Dienstleistungen Giinter Schuh und Gerhard Gudergan Innovationsfahigkeit industrieller Dienstleistungen in Organisationsformen jenseits der Hierarchic: Eine empirische Analyse
193
Wolf-Christian HiIdebrand und Tanja Klostermann Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen
215
4. Wertschopfungsmanagement bei hybriden Produkten Tilo Bohmann und Helmut Krcmar Hybride Produkte: Merkmale und Herausforderungen
239
Dieter Spath, Walter Ganz und Bernd Bienzeisler Die Analyse von Zeittreibem als Ansatzpunkt fiir das Management hybrider Wertschopfung
257
Ricarda B. Bouncken und Andreas Golze Dienstleistungen in innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken: Anforderungen und Flex-Adaptives Modell bei hybriden Produkten
....275
Inhaltsverzeichnis
XI
5. Kundenorientiertes Wertschopfungsmanagement Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall Customer Value Added - Wertschopfung bei Dienstleistungen durch und fur den Kunden
299
Felicitas Nogly und Matthias Gouthier Kundenorientierung im Call Center-Offshoring: Erkenntnisse einer explorativen Studie
319
6, Outsourcing und Offshoring von Dienstleistungsprozessen Roland Kantsperger Outsourcing von Marketing-Dienstleistungen - Ziele, Determinanten und Erfolgsfaktoren
337
Bernd Stauss und Marcel Jedraficzyk Business Process Outsourcing (BPO) - Wertschopfung durch exteme Dienstleister
359
7. Wertprozessmanagement von Dienstleistungen in ausgewahlten Branchen Klaus Weiermair und Alexandra Brunner-Sperdin Wertprozessmanagement von extrem intangiblen Dienstleistungen: Der Fall touristischer Erlebnisprodukte und Erlebnisdienstleistungen
385
Manfred Bruhn und Grit Mareike Ahlers Agenturen als Dienstleister eines prozessorientierten Kommunikationsmanagements
403
Bjorn Sven Ivens Prozessorientierung im Dienstleistungsmarketing: Konzeptionelle Grundlagen und empirische Ergebnisse 429
XII
Inhaltsverzeichnis
Ausgewahlte Literatur zu Wertschopfungsprozessen bei Dienstleistungen
449
Stichwortverzeichnis
467
Bemd Stauss und Manfred Bruhn
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen - Eine Einfiihrung in den Sammelband
1. Grundlagen dienstleistungsspezifischer Wertschopfungsprozesse 1.1 Zu den Begriffen „Wertschopfung" und „Wertschopfungsprozess" 1.2 Wertschopfung und Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen 2. Wertschopfungskonfigurationen bei Dienstleistungen 3. Wertschopfung in untemehmensiibergreifenden Leistungsverbunden 4. Wertschopfung bei hybrider Leistungserstellung 5. Wertschopfungsprobleme beim Outsourcing von Dienstleistungen 6. Instrumente zur Analyse von Wertschopfiingsprozessen 6.1 Instrumente zur Analyse der untemehmerischen Prozesse 6.2
Instrumente zur Analyse der kundenbezogenen Prozesse
7. Forschungsausblick Literatur
Prof. Dr. Bernd Stauss ist Inhaber des Lehrstuhls fiir Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Dienstleistungsmanagement an der Wirtschaftswissenschafllichen Fakultat der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt. Prof. Dr. Manfred Bruhn ist Ordinarius fiir Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Untemehmensfuhrung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universitat Basel und Honorarprofessor an der Technischen Universitat Miinchen.
1.
Grundlagen dienstleistungsspezifischer Wertschopfungsprozesse
1.1 Zu den Begriffen „Wertsch6pfung" und „Wertsch6pftingsprozess" In seiner grundlegenden Erorterung des Begriffs Wertschopfung httont Weber (1993, Sp. 4660), dass mit Wertschopfiing nicht der Prozess des Schaffens von Werten im Betrieb gemeint sei, sondem das Ergebnis dieses Prozesses, namlich die vom Betrieb geschaffenen Werte. In diesem Sinne stellt Wertschopfiing „den durch die wirtschaftliche Tatigkeit einer Wirtschaftseinheit (Untemehmen) geschaffene Mehrwert dar" (Haller 2002, Sp. 2131). Dementsprechend reprasentiert Wertschopfiing („Value Added") eine in Geldeinheiten ausgedriickte GroBe, die als Differenz zwischen dem Wert der vom Betrieb beschafften Giiter und dem Wert der Abgabeleistung (Liicke 1996) bzw. Gesamtleistung (Haller 1998) fiir den Markt bzw. den Kunden entsteht. Bei Industriebetrieben bildet sich diese Leistung aus den Umsatzerlosen zuziiglich dem Wert der Bestandsveranderungen an Halb- und Fertigerzeugnissen und dem Wert der aktivierten Eigenleistungen (Liicke 1996). Aus Vereinfachungsgriinden wird fiir Dienstleistungsbetriebe im Folgenden die Gesamtleistung mit dem Wert der abgesetzten Leistungen (Umsatzerlose) gleichgesetzt. Dieser okonomische - ohne Beriicksichtigung der tatsachlichen kundenseitigen Zahlungsbereitschaft ermittelte - Mehrwert, den das Untemehmen den Vorleistungen hinzufiigt, reprasentiert das verteilungsfahige Einkommen des Untemehmens, das denjenigen zukommt, die Produktionsfaktoren fiir die Leistungserstellung bereitgestellt haben. Somit ist der erwirtschaftete Gewinn nur ein Teil der betrieblichen Wertschopfiing, die unter dem Gesichtspunkt der Verwendung zusatzlich auch die Lohne und Gehalter, Sollzinsen und Steuem umfasst (Weber 1993, Sp. 4661). Dieses grundlegende Verstandnis wird hier zur Abgrenzung zu anderen terminologischen Varianten als betriebliche Wertschopfung („Company Value Added") bezeichnet (Abbildung 1).
Betriebliche Wertschopfung (^Company Value Added")
=
Wert der abgesetzten Leistungen
-
Wert der Vorleistungen
Abbildung 1: Betriebliche Wertschopfiing („Company Value Added")
Bemd Stauss und Manfred Bruhn
Mit der sich immer starker durchsetzenden Vorstellung von Untemehmen als Instrumente zur Erzielung einer moglichst hohen Wertschopfung flir Shareholder verandert sich auch das begriffliche Verstandnis. Dies wird besonders deuthch an den Arbeiten von Michael Porter, dem die betriebswirtschaftliche Wertschopfungsdiskussion der vergangenen Jahre die starksten Impulse verdankt. Sein Wertkettenmodell ist im Ergebnis nicht mehr auf die umfassende Wertschopfung im zunachst defmierten Sinne ausgerichtet, sondem auf die „Gewinnspanne". Diese ergibt sich als Differenz zwischen dem Gesamtwert der untemehmerischen Leistung - gemessen an der Zahlungsbereitschaft bzw. am Wert der abgesetzten Outer - und der Summe der Kosten, die durch die Ausfuhrung von „Wertaktivitaten" entsteht (Porter 1999, S. 68). Aufgrund der Ausrichtung auf eine wesentliche Komponente des Shareholder Values (Kiehn 1996) kann man dieses Verstandnis auch als shareholderorientierte Wertschopfung („Shareholder Value Added") bezeichnen (Abbildung 2).
Shareholderorientierte Wertschopfung (^Shareholder Value Added")
=
Wert der abgesetzten Leistungen
-
Wert der Vorleistungen -
Kosten der Leistungserstellung („Wertaktivitaten")
Abbildung 2: Shareholderorientierte Wertschopfung („Shareholder Value Added") Das betriebliche und das shareholderbezogene Verstandnis von Wertschopfung sind grundsatzlich inputorientiert. Sie fragen danach, welcher Wert den Vorleistungen durch die betrieblichen Prozesse hinzugefiigt wird. Fur die Berechnung der Wertschopfung mtissen sie allerdings den Wert der am Markt abgesetzten Gtiter zum Ausgangspunkt nehmen. Darin kommt zum Ausdruck, dass die untemehmerische Wertschopfung nur moglich ist, wenn die produzierten Guter Akzeptanz fmden, d.h. vom Kunden als wertvoU empfunden werden. Von diesem Grundgedanken ausgehend, entwickelt sich in einem Teil der Wertschopfungsdiskussion die Perspektive, den vom Kunden wahrgenommenen Wert zum Ausgangspunkt der Betrachtung zu nehmen. Dem Wert aus Untemehmenssicht wird somit ein Wert aus Kundensicht gegeniibergestellt. Wertschopfung ist in diesem Fall der Wert, den der Kunde einem Gut beimisst. Dieser Wert wird von Untenehmen und Kunde gemeinsam geschaffen, aber allein vom Kunden beurteilt, indem er den erhaltenen Nutzen mit den dafiir eingesetzten Kosten, d.h. dem Kaufpreis und zeitlichen sowie psychischen Kosten, abgleicht (Eggert 2001, S. 46; Schroder/Wall 2004, S. 669f.). Diese kundenbezogene Wertschopfung ist somit das Ergebnis der Nutzen-Kosten-Abwagungen von Kunden, und wird auch als „Kundenvorteil", „Value Proposition" Oder „Kunden-Netto-Nutzen" bezeichnet (Anderson/Naru 2004; Backhaus
WertschopfUngsprozesse bei Dienstleistungen
2006). Dieser Nutzen spiegelt sich nicht allein in der Preisbereitschaft wider und ist daher auch nicht in Geldeinheiten auszudrticken (Abbildung 3).
Kundenbezogene Wertschopfung (^Customer 1 Value Added")
=
Nutzen der erhaltenen Leistung fur den Kunden
-
Kosten des Kunden
i
Abbildung 3: Kundenbezogene Wertschopfung Auf die unterschiedlichen Perspektiven der Wertschopfung im Sinne der untemehmerischen Werteschaffiing fiir Kunden einerseits und der kundenbezogenen Wertschopfung im Sinne des vom Kunden wahrgenommenen Nutzens gehen Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall in diesem Sammelband ausflihrlich ein. Sie begriinden die Notwendigkeit eines Rechenwerks, das in der Lage ist, beide Wertschopfungen zu erfassen und schlagen eine entsprechende Wertschopfungsrechnung vor (Customer Value Added Accounting), die mittels Input-Output-Analyse sowie einem Konzept zur Messung der vom Kunden wahrgenommenen Wertschopfung dieser Forderung gerecht wird. Die Autoren betonen zudem, dass untemehmens- bzw. shareholderbezogene und kundenorientierte Wertschopfung nicht isoliert voneinander zu betrachten sind, sondem in einem wechselseitigen Abhangigkeitsverhaltnis stehen. Denn Untemehmen werden eine shareholderorientierte Wertschopfung nur erreichen, wenn sie Werte fur Kunden schaffen; auch bei Anlegung konsequenter Verfolgung der kundenbezogenen Perspektive geben Untemehmen selbstverstandlich nicht das Gewinnziel auf. Doch der Fokus auf den Customer Value Added verandert die Sichtweise entscheidend: Die Inputorientierung wird durch eine Output- (sprich: Kunden-)Orientierung abgelost. Heute etablierte Verfahren der Zielkostenrechnung (target costing) und der Prozesskostenrechnung liegen ebenfalls dieser Output-Orientierung zugrunde. In dem shareholderorientierten Phasenmodell der Wertkette geraten mit den Wertaktivitaten gerade jene Aspekte in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die terminologisch zunachst ausgeschlossen wurden: die innerbetrieblichen Prozesse. Sie verursachen einerseits Kosten und tragen andererseits dazu bei, dass Kunden in den Giitem des Untemehmens einen Nutzen sehen und fiir sie einen Preis zu zahlen bereit sind. Insofem bedtirfen sie der besonderen Aufmerksamkeit des Managements, well durch die Steuemng ihrer Kosten- und Nutzenbeitrage maBgeblich der erreichbare Gewinn beeinflusst werden kann. Diese untemehmerischen Prozesse, die zur untemehmerischen Wertschopfung im Sinne des Gewinns beitragen und im Hinblick auf ihre Kosten-Nutzen-Beitrage zu ana-
Bemd Stauss und Manfred Bruhn
lysieren und zu gestalten sind, konnen als unternehmerische Wertschopfungsprozesse bezeichnet werden. Bei Zugrundelegung des kundenbezogenen Wertschopfungsverstandnisses verandert sich auch die Prozessbetrachtung des Managements. Es geht nun nicht mehr darum, beschafften Vorleistungen Wert hinzuzufiigen, sondem es ist zunachst zu ermitteln, welche Giiter in welcher Angebotsform beim Kunden eine Wertschopfiing herbeifiihren. Von diesem Ausgangspunkt ist zu priifen, wie die betrieblichen Prozesse zu gestalten und welche Vorleistungen zu beziehen sind, um eine gewinnbringende Bereitstellung des Angebots zu ermoglichen. In diesem Verstandnis sind Wertschopfungsprozesse alle Prozesse, die zur Wertschopfiing aus Kundensicht beitragen. Hierzu gehoren folglich auch exteme Prozesse, d.h. Prozesse, die von einem extemen Dienstleister oder vom Kunden selbst iibemommen werden. Zur Kennzeichnung der gewahlten Perspektive konnen diese als kundenbezogene Wertschopfungsprozesse bezeichnet werden. Wertschopfung und Wertschopflingsprozesse fmden in Industrie- und Dienstleistungsuntemehmen, bei Sach- und Dienstleistungskunden gleichermaBen statt, allerdings dominiert in der bisherigen Wertschopfungsdiskussion eindeutig die Orientierung am Prototyp der industriellen Sachgtiterproduktion. Deshalb ist nach den Besonderheiten von Wertschopfung und Wertschopfiingsprozessen bei Dienstleistungen zu fragen.
1.2
Wertschopfung und Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
Eine dienstleistungsspezifische Erorterung ist nur notwendig und sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass Dienstleistungen zumindest tendenziell charakteristische Merkmale aufweisen. Die seit Jahrzehnten gefiihrte Diskussion dariiber, ob es moglich sei, mittels konstitutiver Merkmale Dienstleistungen eindeutig zu beschreiben und damit klar von Sachgiitem abzugrenzen, ist keineswegs beendet; ein Konsens ist nicht erreicht. Allerdings ist weithin akzeptiert, dass sich Dienstleistungen dadurch beschreiben lassen, dass sie physisch nicht greifbar sind (Intangibilitat/Immaterialitat) und die Teilnahme des Kunden am Leistungserstellungsprozess erfordem (Kundenbeteiligung/Kundenintegration). Dabei ist die Frage, ob diese Merkmale eine eindeutige Abgrenzung gegeniiber Sachgiitem gestatten, weit weniger bedeutsam, als es aufgrund der Heftigkeit der Diskussion erscheinen mag. Bedeutsam allein ist, dass Giiter, die die Merkmale der Intangibilitat und Kundenbeteiligung aufweisen, spezifische Verhaltensweisen von Kunden sowie besondere Probleme der Leistungserstellung bedingen und daher einer gesonderten betriebswirtschaftlichen Beachtung bediirfen.
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
Abbildung 4: Shareholder- und kundenbezogene Wertschopfung bei Dienstleistungen Fur die Betrachtung des Verstandnisses von Wertschopfung und Wertschopfiingsprozessen bei Dienstleistungen stellt insbesondere die Kundenbeteiligung ein Spezifikum dar. Wie Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall in diesem Sammelband ausfuhren, spielt der Dienstleistungskunde eine Doppelrolle, da er nicht nur Abnehmer der Leistung ist, sondem auch Inputfaktor der Leistungserstellung und iiber seine Partizipation am Leistungserstellungsprozess die Qualitat der Leistung und damit den Wert des Outputs beeinflusst. Das heiBt, dass sowohl die Wertschopfung des Untemehmens aus Betriebs- bzw. Shareholderperspektive als auch die Wertschopfung als Nutzen fiir den Kunden vom Kundeninput beeinflusst wird (Abbildung 4). Dieser Einfluss des Dienstleistungskunden auf die eigene Wertschopfung und die des Untemehmens gilt grundsatzlich bei alien Integrationsprozessen. Besonders grofi ist er in jenen Fallen, in denen Marktpartner gezielte Mafinahmen ergreifen, um aus der Interaktion zusatzlichen Wert zu ziehen, eine kooperative und freiwillige Zusammenarbeit, die Reichwald/Piller (2006) als „Interaktive Wertschopfung" bezeichnen. Insbesondere bei Dienstleistungen treten einige charakteristische Arten von Prozessen auf, deren jeweilige Bedeutung mit dieser Interaktiven Wertschopfung unmittelbar oder mittelbar in Zusammenhang steht. So ist den Informations- und Kommunikationsprozessen zwischen Kunde und Dienstleister besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da in un-
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Bemd Stauss und Manfred Bruhn
zureichender oder falscher Information ein Unsicherheitsfaktor fur die Leistungserstellung und somit ein Risiko fiir die Qualitat bzw. Wertschopfung der Leistung liegt. Die Relevanz dieses Aspektes wird durch die Immaterialitat und die damit einhergehende mangelnde Beurteilbarkeit der Dienstleistungsqualitat noch erhoht. Koordinationsprozesse zwischen Untemehmen und Kunde bergen aufgrund der Nichtlagerfahigkeit von Dienstleistungen Risiken hinsichtlich des zeitgenauen Vorliegens des extemen Faktors und somit fiir den Ablauf des Leistungserstellungsprozesses. Schnittstelienprozesse zwischen einzelnen Phasen der Wertschopfung unter Kundenbeteiligung spielen daher bei Dienstleistungen ebenfalls eine wichtige Rolle. SchlieBlich sind Kombinationsprozesse der einzelnen Inputfaktoren besonders bedeutsam. Dies sind diejenigen Prozesse, die unter der Voraussetzung funktionierender Informations- und Koordinationsprozesse die eigentlichen Wertschopfungsprozesse darstellen. Sie beinhalten neben untemehmensintemen Prozessen bei Dienstleistungen ebenfalls den Einbezug kundenseitiger Informationen und extemer Faktoren (d.h. extemer Objekte oder den Kunden selbst) in die Leistungserstellung (vgl. Jorg Freiling und Martin Gersch sowie Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall in diesem Sammelband). In Bezug auf die untemehmerischen Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen wird die Analyse von Art und Umfang der Kundenbeteiligung und deren Wirkungen auf die Kosten der Leistungserstellung und die Zahlungsbereitschaft des Kunden relevant. Die untemehmerische Steuerung der Kundenintegration wird somit zu einem wesentlichen Moment der Gestaltung von Wertschopfungsprozessen. Im Hinblick auf die kundenbezogenen Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen steht dagegen im Vordergrund des Interesses, den Beitrag der Kundenbeteiligung an dem vom Kunden empfiindenen Nettonutzen aus der Dienstleistung zu erfassen und dariiber hinaus detailliert zu untersuchen, wie durch eine Variation der Kundenbeteiligung die vom Kunden empfundene Wertschopfung erhoht werden kann. Angesichts dieser dienstleistungsspezifischen Wertschopfungsprozesse ist zu diskutieren, ob die von der industrieorientierten Betriebswirtschaftslehre bereitgestellten Konzepte und Methoden im Kontext der Wertschopfungsanalyse und -gestaltung unverandert ubertragen werden konnen oder aber einer dienstleistungsorientierten Modifikation bediirfen. Insbesondere stellen sich folgende Fragen, die auch in diesem Sammelband erortert werden: Sind die fiir Industrieuntemehmen entwickelten Konzepte zum Verstandnis von Untemehmen als Konfigurationen von Wertschopfungsprozessen geeignet, die Erstellungsprozesse in Dienstleistungsprozessen generell bzw. in alien Dienstleistungstypen zu erfassen? Welche Besonderheiten ergeben sich, wenn die Leistungserstellung nicht vom Untemehmen allein, sondem in Kooperationen und Netzwerken sowie unter Beteiligung des Kunden ersteUt wird?
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
H
' Welche spezifischen Wertschopfungsprobleme entstehen, wenn Dienstleistungen gemeinsam mit Sachgtitem in Leistungsbtindeln erstellt und vermarktet werden? Welche neuen Formen der Wertschopfung bilden sich, wenn wesentliche Wertschopfungsprozesse an exteme Dienstleister ausgelagert werden? ' Welche Instrumente der Analyse von Wertschopfungsprozessen sind geeignet, die generellen und jeweils spezifischen Besonderheiten der Dienstleistungserstellung zu erfassen? Welche Abweichungen in Bezug auf die Analyse und Gestaltung von Wertschopfungsprozessen ergeben sich, wenn statt der shareholderorientierten eine kundenbezogene Perspektive der Wertschopfung eingenommen wird? Ziel der Fragestellungen ist es, vor dem Hintergrund einer ganzheitlichen Perspektive der Wertschopfung mittels einer differenzierten Betrachtung der einzelnen Wertschopfungsprozesse primar die kundenbezogene, und darauf aufbauend - als mittelbares Ziel die shareholderorientierte Wertschopfung zu optimieren. Unterschiedliche Kategorien bzw. Dimensionen der Optimierung lassen sich dabei benennen. Die Ausrichtung der Wertschopfungsprozesse an der kundenseitigen Wertwahmehmung ermoglicht eine Qualitdtssteigerung aus Kundensicht sowie nach dem Target-Costing-Prinzip einen effizienteren Ressourceneinsatz aus Untemehmenssicht. Die - insbesondere im Zusammenhang mit untemehmensiibergreifenden Wertschopfungsketten relevante - Konzentration auf Kemkompetenzen und die jeweiligen Prozesse ermoglicht durch Ansatze der Standardisierung ebenfalls Qualitats- und femer auch Zeitvorteile. Zeitvorteile lassen sich dariiber hinaus durch eine bessere prozessuale und kommunikative Abstimmung zwischen den einzelnen Wertschopfungskomponenten realisieren. Die oft im Zentrum derartiger Anstrengungen stehenden Kostenvorteile werden iiber Skaleneffekte, zum einen iiber die genannte Konzentration auf Kemkompetenzen, zum anderen liber eine mogliche Diversifikation bei untemehmensiibergreifenden Wertschopfungsprozessen erreicht (vgl. Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann in diesem Sammelband). Dies beinhaltet, dass aufgmnd des im untemehmerischen Verbund groBeren Spektmms moglicher Leistungskombinationen die Bandbreite kundenbezogener Wertschopfung und somit auch das Marktpotenzial steigen. Zusatzlich steigt im Rahmen der qualitativen Verbessemngen und des groBeren Leistungsspektmms auch das Potenzial fiir weitere Synergieeffekte, beispielsweise in Bezug auf Leistungsinnovationen oder die ErschlieBung neuer Markte. Die genannten Kategorien unterscheiden sich ihrerseits hinsichtlich ihrer Relevanz und Anwendbarkeit bei einzelnen Optionen fiir Wertschopfiingskonfigurationen und sind entsprechend in unterschiedlicher Weise bei Verandemngen der Wertschopfungsprozesse realisierbar. Insbesondere gilt dies fur die untemehmensiibergreifenden Wertschopfungsketten. Fiir deren spezifische Beurteilung und entsprechend die Entwicklung geeigneter Strategien ist eine detaillierte Betrachtung dieser moglichen Wertschopfiingskonfigurationen erforderlich.
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2.
Bemd Stauss und Manfred Bruhn
Wertschopfungskonfigurationen bei Dienstleistungen
Ein strategisches Planungskonzept, das eine Konfiguration der untemehmerischen Wertschopfung modelliert und die Grundlage flir eine systematische Analyse untemehmerischer Wertschopfiingsprozesse ermoglicht, ist die von Porter (1999) vorgeschlagene Wertkette. Die Wertkette gliedert den Leistungserstellungsprozess in eine Reihe von strategisch relevanten Wertschopfungsaktivitaten nach dem physischen Durchlaufprinzip. Dabei werden zwei Arten von Wertaktivitaten unterschieden: primare Aktivitaten, die im Rahmen der Erstellung und Vermarktung direkt zur Wertschopfung beitragen, und sekundare Aktivitaten, die die primaren Aktivitaten unterstiitzen bzw. diese erst ermoglichen(Meffert 1989). Unter Dienstleistungsperspektive ist der Wertkettenansatz in mehrfacher Hinsicht zu erortem. Zum einen ist es offensichtlich, dass das von Porter entwickelte Wertkettenkonzept einer industriellen Logik folgt und in seiner urspriinglichen Fassung Besonderheiten der Dienstleistungsproduktion, vor allem die Kundenbeteiligung und die Zweistufigkeit der Leistungserstellung, nicht beriicksichtigt. Deshalb stellt sich zunachst die Frage, welche Modifikation der Wertkette erforderlich ist, um die Leistungserstellung bei Dienstleistungen angemessen zu erfassen. Altobelli/Bouncken (1998) gehen dieser Frage nach und zeigen, dass unter Beriicksichtigung von Besonderheiten einer Dienstleistung die Wertaktivitaten eine andere Struktur erhalten und sich im Rahmen der Analyse von Kosten- und Differenzierungsquellen sowie bei Verflechtungen mit extemen Wertketten Abweichungen ergeben. Martin Benkenstein, Stephanie Steiner und Thomas Spiegel bauen in ihrem Beitrag in diesem Sammelband auf diesen Uberlegungen auf und fiihren sie weiter, indem sie die allgemeine Betrachtung durch eine nach Dienstleistungstyp differenzierte Erorterung erganzen. Dabei verdeutlichen sie die Einsatzfahigkeit der Wertkettenanalyse fiir verschiedene Dienstleistungstypen, namlich zum einen fiir Dienstleistungsuntemehmen mit projektorientierter Leistungserstellung und zum anderen fiir Dienstleistungsuntemehmen mit kontinuierlicher Leistungserstellung. Wahrend hier Anwendungsmoglichkeiten der Wertkette auf Dienstleistungen generell bzw. auf verschiedene Dienstleistungserstellungstypen gepruft wird, stellen andere Autoren die Eignung der Wertkette zur Erfassung wesentlicher Wertschopfungsformen bei Dienstleistungen in Frage. So weisen Stabell/Fjeldstad (1998) darauf hin, dass in Abhangigkeit von der Dienstleistung bzw. der jeweiligen Dienstleistungsbranche unterschiedliche Wertschopfungskonfigurationen vorliegen, und schlagen daher vor, das Konzept der Wertkette durch die Konfigurationen des Wertshops und des Wertnetzwerks zu erganzen. Das Konzept des Wertshops beruht auf der Vorstellung, dass eine Reihe von Dienstleistungsuntemehmen, wie beispielsweise Rechtsanwalte, Arzte oder Unternehmensberatungen, Problemlosungen als Dienstleistungen anbieten und die Wertschopfung nicht in einer kettenformigen Sequenz, sondem einem integrativen Problemlosungsprozess stattfmdet. Demgegeniiber beschreibt das Wertnetzwerk eine Wertschopfiingskonfiguration, in der Dienstleister als Intermediare ftmgieren und Marktteilnehmer
Wertschopfiingsprozesse bei Dienstleistungen
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miteinander in Verbindung bringen. Als Beispiele fur solche netzartigen Wertschopfungsstrukturen gelten etwa Telekommunikationsuntemehmen und Intemet-Plattformen (Woratschek et al. 2002; Schafmeister 2004; Woratschek et al. 2006). Mit dem Untersuchungsgegenstand der moglichen Wertschopfiingskonfigurationen geht insbesondere die Aufteilung und das Zusammenwirken von internen und externen Komponenten der Wertschopfung einher, die speziell fur Dienstleistungen von Bedeutung sind. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen beziiglich dieser Aufteilung, die direkt mit der Wertschopfungskonfiguration verbunden sind, ziehen Implikationen flir strategische Uberlegungen hinsichtlich Eingriffsmoglichkeiten und Optimierungen der Wertschopfiingsprozesse nach sich. So ist bei der klassischen Wertkette die Sequenz der Wertschopfiingsstufen sowie die einzelnen Beitrage vergleichsweise klar vorgegeben, sodass aus Sicht eines Untemehmens beispielsweise Standardisierungspotenzialen bei Ubergabeprozessen zwischen internen und externen Prozessen und somit einem Transfer des klassischen Supply Chain Managements aus der Sachgiiterproduktion besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Fiir Wertshops mit einer tendenziell modularen Dienstleistungserstellung bestehen hingegen groBere Herausforderungen hinsichtlich der Informationsprozesse zwischen den beteiligten Untemehmen. Diesbeziiglich sind femer unter der MaBgabe zeitlich effizienter Ablaufe - (Jberlegungen hinsichtlich der Koordination, d.h. insbesondere der flexiblen Gestaltung von Ubergabeprozessen, anzustellen (z.B. bei touristischen Dienstleistungen). Beziiglich einer vom Kunden wahrgenommenen Gesamtleistung „aus einem Guss" kommt dariiber hinaus einer Integrierten Kommunikation der beteiligten Untemehmen bei dieser Wertschopfungskonfiguration eine besondere Bedeutung zu. Wertnetzwerke sind in besonderem MaBe auf das aktive Mitwirken des Kunden angewiesen (z.B. bei E-Services wie Auktionen, Online-DatingAgenturen oder IP-Telefonie). Da die Qualitat der Leistung von der Anzahl der Nutzer, der Intensitat der Nutzung und die Leistungsinhalte zum groBen Teil von den Kunden selbst abhangen, kommt den organisatorischen Voraussetzungen, der Bereitstellung der Infrastruktur sowie der einfachen Nutzbarkeit der Dienstleistungen fur die kundenbezogene Wertschopfung eine zentrale Bedeutung zu (vgl. auch den Beitrag von Silke Michalski, Ufa Juttner und Lukas Hammer in diesem Sammelband). Direkt mit der Wertschopfiingskonfiguration verbunden ist die Problematik der Organisation der Wertschopfiingsprozesse. Eine wichtige zu beantwortende Frage betrifft die hierarchischen Verhaltnisse zwischen Verantwortlichen einzelner Prozesse. Wahrend diese Frage untemehmensintem weniger die Wertkette als den Fiihrungsanspruch einzelner Funktionen zum Gegenstand hat (z.B. zwischen F&E-Abteilung und Marktforschung), steht diese Fragestellung bei den im nachsten Abschnitt betrachteten untemehmenstibergreifenden Wertschopfiingskonfigurationen mit vergleichbaren Wertschopfungsanteilen der beteiligten Untemehmen deutlicher im Zusammenhang mit einzelnen Wertschopfiingsprozessen. Bei der klassischen, sequenziellen Wertkette unter Beteiligung mehrerer Untemehmen ist diese Frage nachrangig, da eine Abstimmung jeweils nur zwischen zwei Untemehmen notwendig ist. Bei einem Wertshop hingegen ist eine komplexere Koordinationsleistung zu vollbringen. Steht dabei nicht eine Kemleistung
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im Vordergrund, sondem sind mehrere vom Kunden wahrgenommenen Teilprozesse relativ gleichgewichtet, so ist etwa daruber zu entscheiden, welches Untemehmen in welcher Form reprasentative Funktionen gegenuber dem Kunden ubemimmt und wie diese (z.B. in Form einer Integrierten Kommunikation) zu gestalten sind (vgl. zu Verantwortlichkeits-ZWahmehmungs-Konstellationen den Beitrag von Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und Ralf Gossinger in diesem Sammelband). Eine Moglichkeit im Sinne einer kundenbezogenen Wertschopfling besteht dabei in der Erstellung einer Prioritatenliste und Nutzenwerten aus Sicht des Kunden (z.B. iiber die Conjoint-Analyse, das Kanomodell O.A.). Bei Wertnetzwerken bezieht sich die Problematik der Organisation der Wertschopfungsprozesse hauptsachlich auf den Umfang der Leistungen sowie Regelmechanismen innerhalb der vom Untemehmen zur Verfugung gestellten Infrastruktur. Hier ist vor allem iiber verschiedene Auspragungen hinsichthch der individuellen Gestaltung, der Komplexitat der Leistung und der Freiheitsgrade des Kunden bei der Inanspruchnahme der Leistung (z.B. PersonaHsierungsmogHchkeiten bei Auktionen, Umfang der Funktionen bei IP-Telefonie) zu entscheiden. Die damit neu in das Blickfeld gelangten Wertschopfungskonfigurationen werfen wichtige Fragen auf So untersuchen Herbert Woratschek, Stefan Roth und Guido Schafmeister in diesem Sammelband die mit den verschiedenen Formen verbundenen Wertaktivitaten und tendenziellen wettbewerbsstrategischen Tendenzen. Zudem prasentieren sie Ergebnisse einer empirischen Studie, die belegen, dass sich die theoretisch entwickelten Wertschopfungskonfigurationen auch in der ReaHtat wiederfmden. Helmut Dietl und Thomas Schieke fokussieren in ihrem Beitrag die Betrachtung auf ein Wertnetzwerk in mehrseitigen Markten, in dem ein Dienstleister (z.B. eine elektronische Online-Handelsplattform) erst durch seine Vermittlung die direkte multilateral Interaktion zwischen Kaufem und Verkaufem ermoglicht. Sie weisen nach, dass zur Analyse der Wertschopfung in dieser mehrseitigen Dienstleistungsmarktkonstellation das lineare Wertketten-Konzept ungeeignet ist, weil es nicht in der Lage ist, die Wertschopfungsaktivitaten der verschiedenen Marktteilnehmer mit den jeweiligen Abhangigkeiten und Riickkoppelungseffekten zu erfassen. Als im Vergleich zur Wertkette uberlegene Alternative entwickeln sie eine Wertschopfungsspirale, die die wertschopfenden Beitrage der verschiedenen Marktseiten und deren Interdependenzen beriicksichtigt. Diese Konfigurationsform offnet den Blick auf spezifische Managementherausforderungen, etwa auf die Fragen, wie das Untemehmen die Wertschopfungsspirale in Gang setzen und sich einen GroBteil der Wertschopfung aneignen kann.
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
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Wertschopfung in untemehmensiibergreifenden Leistungsverbunden
In der Wertschopfungsdiskussion wird in der Regel der Fall eines allein und autonom agierenden Untemehmens unterstellt. In der Realitat findet sich allerdings eine Fiille von Beispielen, dass mehrere Untemehmen an der Wertschopfung beteiligt sind, Wertschopfung also in untemehmensiibergreifenden Leistungsverbunden stattfmdet. Auch hier sind unterschiedliche Wertschopfiingskonfigurationen vorzufmden. Dabei erscheinen vor allem zwei Formen von Relevanz, die man in Analogic zu den einzeluntemehmensbezogenen Wertschopfungskonfigurationen als unternehmensubergreifende Wertkette bzw. unternehmensubergreifendes Wertnetzwerk bezeichnen kann. Sic kommen jeweils in einer untemehmensperspektivischen Variante (Typ A) und einer kundenperspektivischen Variante (Typ B) vor. Eine unternehmensubergreifende Wertkette vom Typ A liegt vor, wenn eine sequenziell zu erstellende Dienstleistung in einer Kooperation von mehreren Untemehmen hergestellt wird. Die Wertaktivitaten werden dabei stufenweise den einzelnen Teilnehmem zugeordnet, wobei die jeweils nachfolgende Stufe die Arbeit der Vorstufe ubemimmt und weiterentwickelt. Auf jeder Stufe fmdet Wertschopfung statt, so dass sich die Gesamtwertschopfung als Saldo aus dem Wert der an den Endkunden abgesetzten Leistung abztiglich der Gesamtkosten aller Stufen ergibt (siehe Helmut Dietl und Thomas Schieke in diesem Sammelband/ Ftir die Optimiemng einer untemehmensiibergreifenden Wertkette bedarf es auch einer entsprechenden untemehmensiibergreifenden Wertkettenanalyse. Mit ihrer Hilfe ist nicht nur die vorgenommene Stmktur mit der Aufteilung des gesamten Wertschopfungsprozesses auf die einzelnen Akteure im Hinblick auf Optimiemngsmoglichkeiten zu untersuchen, sondem es ist auch zu priifen, inwieweit auf den einzelnen Stufen Potenziale flir Kostensenkung und Leistungsverbessemngen bestehen(Esserl989,S.209ff.). Demgegeniiber ist von einer untemehmensiibergreifenden Wertkette vom Typ B zu sprechen, wenn der vom Kunden erlebte Dienstleistungsprozess eine Sequenz von Teilleistungen umfasst, die von gmndsatzlich unabhangigen Dienstleistem bereitgestellt wird (FuchsAVeiermair 2003, S. 434). In diesem Fall ergibt sich die Gesamtwertschopfung des Kunden als Summe der erhaltenen Teilleistungen abziiglich der Summe der jeweils vom Kunden zu tragenden Kosten. Eine untemehmensiibergreifende Wertkettenanalyse vom Typ B zielt nicht primar auf die Identifikation von Wertschopfungspotenzialen ftir die Kapitaleigner, sondem dient der Uberpriifung, ob sich durch eine Verandemng der Sequenz oder eine Variation der Teilleistungen der Nutzen ftir den Kunden erhoht bzw. die von ihm zu tragenden Kosten reduziert werden konnen. Je mehr Untemehmen an den Wertschopftmgsprozessen beteiligt sind, desto mehr Moglichkeiten bestehen flir Komplikationen im reibungslosen Ablauf der Leistungserstellung. Sind mehrere Untemehmen in einem mehrstufigen Prozess gemeinsam an der Er-
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Bemd Stauss und Manfred Bruhn
stellung einer Dienstleistung beteiligt, so ergeben sich zusatzliche Fragestellungen. Fur Typ A sind dies hauptsachlich Fragen nach potenziellen Kosten-, Qualitats- sowie Zeitvorteilen und ebenso nach Nachteilen der Auslagerung von Prozessen, wobei Nachteile vor allem Koordinations- und Kontrollkosten beim Schnittstellenmanagement beinhalten. Folglich ist, wenn sich strategisch die Moglichkeit einer Ausweitung der Geschaftstatigkeit oder die Auslagerung von Prozessen anbietet, eine Analyse der sich daraus ergebenden Kosten- und Nutzen-Aspekte bzw. Chancen und Risiken durchzufiihren. Insbesondere bei der Wertkette nach Typ B besteht die Moglichkeit, dass die kundenbezogene Wertschopfung beeintrachtigt wird, da der Kunde einzelne Teilleistungen auch als solche wahmimmt und er somit von Schnittstellenproblemen direkt betroffen sein kann. Eine kooperative Leistungserstellung grundsatzlich unabhangiger Dienstleistungsunternehmen erfolgt aber keineswegs immer sequenziell, sondem in einer Vielzahl komplexer Strukturen, die mit dem Begriff „Dienstleistungsnetzwerk" (Bruhn/Stauss 2003) zutreffend beschrieben sind. Dabei ist allerdings deutlich darauf hinzuweisen, dass mit der Verwendung des Netzwerkbegriffs nicht das Verstandnis fur die einzelbetriebliche Wertschopfungskonfiguration Wertnetz ubemommen wird, das ja auf den Spezialfall eines Intermediars festgelegt ist. Bei unternehmensubergreifenden Wertnetzwerken sind je nach der untemehmens- (oder shareholderorientierten) und der kundenbezogenen Perspektive wiederum zwei Falle zu unterscheiden. Beim unternehmensiibergreifenden Wertnetzwerk vom Typ A wird die untemehmerische Sichtweise der Wertschopfung angelegt. Ein solches Netzwerk liegt vor, wenn grundsatzlich unabhangige Dienstleister eine Kooperation im Sinne der Verkniipfiing von Wertaktivitaten mit dem Ziel der Wertschopfung eingehen. Max Ringlstetter, Stephan Kaiser und Tim Kampe betrachten in diesem Sammelband ein solches Wertnetzwerk vom Typ A am Beispiel von kleinen und mittleren Professional Service Firms (wie Untemehmensberatungen, Wirtschaftsprufungs- oder Steuerberatungsgesellschaften). Sie zeigen, dass fiir die einzelnen Dienstleistungsuntemehmen die Moglichkeiten fiir ein extemes Wachstum begrenzt sind und damit auch die Chancen, den steigenden Marktanforderungen gerecht zu werden. In dieser Situation stellt die Bildung eines unternehmensiibergreifenden Wertnetzwerks mehrerer Professional Services Firms eine sinnvolle Handlungsoption dar. Die Netzwerkbildung bietet den Teilnehmem trotz ihrer restriktiven Ressourcensituation Entwicklungschancen, da sie sich zum einen auf ihre Kemdienstleistungen konzentrieren, zum anderen aber zugleich tiber die Netzwerkbildung eine Diversifikation des Geschafts erreichen konnen. Ein davon zu unterscheidendes unternehmensiibergreifendes Wertnetzwerk vom Typ B liegt vor, wenn die kundenbezogene Wertschopfungsperspektive eingenommen wird. In diesem Fall ergibt sich die Wertschopfung des Kunden, d.h. sein Netto-Nutzen, aus der in ihrer Gesamtheit wirkenden Teilleistungen von zumeist eigenstandigen Leistungserbringem, ohne dass die Teilleistungen vom Kunden in einer festgelegten Kombination
Wertschopfiingsprozesse bei Dienstleistungen
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Oder Sequenz in Anspruch zu nehmen sind. Als einschlagiges Beispiel fur diesen Wertnetzwerktyp konnen touristische Dienstleistungen gelten, insbesondere die Leistungen touristischer Destinationen, die vom Kunden situativ genutzt und in ihrer Gesamtheit erlebt und bewertet werden (Bieger 2002; FuchsAVeiermair 2003). Zwei Beitrage in diesem Sammelband befassen sich mit Aspekten der Wertschopfung in einem touristischen untemehmensiibergreifenden Wertnetzwerk vom Typ B. Silke Michalski, Uta Juttner und Lukas Hammer weisen zunachst nach, dass diese Art der netzwerkartigen Leistungserstellung keinem der in der Literatur prasentierten Wertschopfungskonfigurationen zugeordnet werden kann. Auch das (einzelbetriebliche) Wertnetzwerk kommt als Bezugsrahmen nicht in Betracht, da im Falle einer touristischen Destination nicht ein Dienstleister als Vermittler verschiedener Marktteilnehmer tatig wird, sondem Wertschopfung fiir den Kunden durch die Verkniipfung verschiedener Leistungstrager auf der Angebotsseite erfolgt. Dementsprechend liegt mit dem untemehmensiibergreifenden Wertnetzwerk vom Typ B eine eigenstandige Wertschopfungskonfiguration vor. Hier liegt die wesentliche Managementherausforderung darin, eine Koordination der Einzelleistungen in der Weise vorzunehmen, dass aus Kundenperspektive eine groBtmogliche Wertschopfung erreicht wird. Auf einen methodischen Ansatzpunkt hierftir weisen Silke Michalski, Uta JUttner und Lukas Hammer hin, indem sie zeigen, wie mit Hilfe der Prozesswertanalyse Wertschopfimgsoptimierungen innerhalb eines Destinationsnetzwerks erreicht werden konnen. Auch Klaus Weiermair und Alexandra Brunner-Sperdin legen in ihrem Beitrag iiber touristische Erlebnisdienstleistungen die Wertschopfiingskonfiguration vom Typ B des untemehmensiibergreifenden Wertnetzwerks zugrunde. Die Wertschopfung aus Kundensicht wird hier als Erlebnis bzw. Erlebniswert verstanden. Insofem kommt es darauf an, die Wertschopfungsprozesse touristischer Anbieter auf die Schaffung konsistenter Erlebnisbiindel auszurichten, die in ihrer Gesamtheit beim Kunden stark positive Geflihle auslosen als Voraussetzung fur dessen Wertschatzung und Zahlungsbereitschaft. Fiir die konkrete Umsetzung pladieren die Autoren daftir, dass touristische Leistungsanbieter ihre Angebote ahnlich einem Biihnenstiick inszenieren sollten, und nehmen bei ihrer Argumentation Bezug auf Konzepte und Erfahrungen aus dem Bereich der Theaterwissenschaften bzw. Dramaturgic. SchlieBlich ist auf die operative Umsetzung der Vernetzung bei Dienstleistungsnetzwerken hinzuweisen, fiir die zahlreiche Formen und Gestaltungsparameter bestehen. Als eine Form kann zunachst eine reine Vernetzung der Informationsfliisse und die darauf aufbauende zeitliche Abstimmung der Erstellungsprozesse vorliegen, wie es z.B. bei Verkehrsknotenpunkten typisch ist. Bei der Vernetzung der Erstellungsprozesse sind drei Formen von unterschiedlicher Vemetzungsintensitat zu unterscheiden (Bouncken 2003, S. 455). Bei der so genannten ,J^ooledInterdependence" laufen die Prozesse unabhangig voneinander ab; Verbindungen entstehen erst durch die Komplementaritat der Leistungskomponenten, wie sie unter T}^ A beschrieben ist. Bei der .Sequential Interdependence" liegen die zu vemetzenden Prozesse in einer festen Abfolge vor, wie dies bei der
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untemehmensiibergreifenden Wertkette nach Typ A der Fall ist (wobei Untemehmen jedoch mehrfach an Ubergabeprozessen beteiligt sein konnen). Die engste Vemetzung findet bei der .Jieciprocal Interdependence'' statt, bei der zwischen mehreren Prozessen laufende Abhangigkeiten bestehen (z.B. bei der Umsetzung eines Kommunikationskonzeptes in einem Untemehmen, unter Beteiligung einer Agentur, eines Werbeflachenvermieters, eines Dienstleisters fur Web-Design sowie einer intemen IT-Abteilung des Untemehmens) (vgl. auch den Beitrag von Manfred Bruhn und Mareike Ahlers in diesem Sammelband). Gestaltungsparameter innerhalb dieser Vemetzungsformen sind wiederum z.B. die zeitliche Dauer (projektbezogen/sporadisch vs. langfristig/zyklisch) und Intensitat der Vernetzung, d.h. die Anzahl der Kontaktpunkte, die Intensitat des Ineinandergreifens von Prozessen (punktuelle Ubergabeprozesse vs. gemeinsame Leistungserstellungsphasen). Diese Parameter sind zum Teil eng an die Art der Dienstleistung gekniipft. Bei groBeren Freiheitsgraden konnen sie hingegen Richtungsvorgaben fiir die Untemehmensstrategie beinhalten, die zu groBeren Synergieeffekten und Wettbewerbsvorteilen, aber auch zu groBerer Abhangigkeit flihren konnen.
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Wertschopfung bei hybrider Leistungserstellung
Bei der bisherigen konzeptionellen Betrachtung der verschiedenen Wertschopfungskonfigurationen wird davon ausgegangen, dass die beteiligten Untemehmen eine oder mehrere Dienstleistungen am Markt anbieten. Bin Blick in die wirtschaftliche Praxis zeigt jedoch, dass sich viele Angebote nicht als reine Dienstleistungen oder Sachgiiter charakterisieren lassen, sondem Leistungsbundel aus Sach- und Dienstleistungen darstellen, die man auch als hybride Produkte bezeichnet (siehe die Beitrage von Tilo Bohmann und Helmut Krcmar sowie Spath/Ganz/Bienzeisler in diesem Sammelband). Ausgangspunkt flir die Wertschopfungsbetrachtung ist hier die kundenbezogene Wertschopfung. Denn Anbieter hybrider Produkte versuchen, sich liber die kundenindividuelle Gestaltung des Leistungsbiindels am Markt zu profilieren und vom Wettbewerber zu differenzieren. Dabei gehen sie davon aus, dass der Wert des hybriden Produkts fur den Kunden liber dem der Summe der Teilleistungen liegt, da das Leistungsbundel auf seine spezifischen Anfordemngen abgestimmt ist (Bohmann/Krcmar in diesem Band). Diese kundenorientierte Wertschopfungsperspektive rlickt auch die Tatsache, dass der Kunde selbst zur Wertschopfung beitragt, ins Bewusstsein und damit die Notwendigkeit fur das Management, die Frage des optimalen Anteils an der Wertschopfung zu beantworten (Reichwald/Piller 2006 sowie der Beitrag von Dieter Spath, Walter Ganz und Bernd Bienzeisler in diesem Sammelband).
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
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Wenn es im Zuge der Bundelung von Produkten und Dienstleistungen zu einer Reorganisation von WertschopfUngskonfigurationen und zur Ausdifferenzierung neuer Geschaftsmodelle kommt, wird auch von hybrider Wertschopfung gesprochen (Bienzeisler/Ganz 2006). Diese hybride Wertschopfiing stellt Untemehmen vor erhebliche Probleme. Wenn ein Untemehmen namlich die skalierbare Sachgiiterproduktion mit einer individualisierten Dienstleistung kombiniert, erfolgt innerbetrieblich eine Kombination voUig unterschiedlicher WertschopfUngskonfigurationen, etwa einer Wertkette und eines Wertshops. Daraus ergeben sich neuartige und bisher kaum erorterte Managementprobleme. Tilo Bohmann und Helmut Krcmar arbeiten in diesem Sammelband diese Probleme heraus. Sie zeigen, dass die unterschiedlichen Leistungsarten, die in einem hybriden Produkt gebiindelt werden, jeweils abweichende Anforderungen an die Organisation definieren und einen hohen Koordinationsbedarf bedingen. Dartiber hinaus stellen die Autoren erste Uberlegungen zur Losung des Governance-Problems an, also der organisatorischen Zuordnung von Entscheidungs- und Mitwirkungsrechten bei der Entwicklung und Erstellung hybrider Produkte. In weiteren Beitragen des Sammelbandes werden spezifische Probleme der hybriden Leistungserstellung behandelt. Dieter Spath, Walter Gam und Bernd Bienzeisler behandeln den Faktor „Zeit" als SteuerungsgroBe im Management einer hybriden Wertschopfung. Sie sehen in der Identifikation und Analyse zeittreibender Faktoren und Konstellationen wichtige Hebel fiir das Management, weil sie Hinweise auf Beschleunigungspotenziale und die Bewaltigung technischer, organisatorischer und personalwirtschaftlicher Herausforderungen einer weitergehenden Integration von Produktion und Dienstleistung enthalten. Die diesbeztiglichen konzeptionellen Uberlegungen werden durch Erfahrungen aus einem konkreten Entwicklungsprozess eines hybriden Wertschopfungsangebots gestiitzt. Ricarda B. Bouncken und Andreas Golze befassen sich mit der Koordinationsproblematik, die sich bei der Innovation von hybriden Produkten in untemehmensiibergreifenden Netzwerken ergibt. Sie priifen verschiedene Konzepte der Innovationsplanung und entwerfen auf dieser Basis mit dem „Flex-Adaptiven Modell" ein eigenes Konzept. Dieses soil einen effektiven und effizienten Innovationsprozess ermoglichen und die Wahrscheinlichkeit von erfolgreichen hybriden Dienstleistungsinnovationen erhohen, die kooperativ von mehreren Untemehmen mit unterschiedlichen Organisationskulturen realisiert werden. Die Integrationsproblematik bei der Erstellung hybrider Produkte steht auch im Mittelpunkt des Beitrags von Giinter Schuh und Gerhard Gudergan. Wenn industrielle Unternehmen produktbegleitende Dienstleistungen (industrielle Sekundardienstleistungen) als integralen Bestandteil des Angebots anbieten, dann entsteht ein spezifisches Koordinationsproblem. Dieses verscharfl sich noch, wenn man die Innovation industrieller Dienstleistungen betrachtet. Die Autoren untersuchen auf konzeptioneller Ebene und im Rahmen einer empirischen Studie verschiedene Koordinationsinstmmente im Hinblick auf
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ihren Einfluss auf die Innovationsfahigkeit und ziehen daraus Konsequenzen fiir die Organisationsgestaltung.
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Wertschopfungsprobleme beim Outsourcing von Dienstleistungen
Die Veranderung von Wertschopfiingsprozessen durch Outsourcing im Sinne der Ubertragung von bisher untemehmensintem erstellten Dienstleistungen an exteme Dienstleistungsanbieter gehort seit Jahren zu den wesentlichen Trends in fortgeschrittenen Volkswirtschaflen. Am Beginn der Entwicklung standen Auslagerungen von hoch standardisierten Routineprozessen. Inzwischen werden jedoch wesentlich weitreichendere Outsourcingformen realisiert. Zunehmend werden auch individualisierte Dienstleistungen ausgelagert oder aber - wie beim Business Process Outsourcing - umfassende und strategisch relevante Geschaftsprozesse, die Biindel unterschiedlicher Dienstleistungstypen umfassen konnen (Dittrich/Braun 2004; Kraus 2005; Wullenkord/Kiefer/Sure 2005). Mit jeder Form des Outsourcing sind Eingriffe in die bisherigen Wertschopfnngsprozesse und konkrete Erwartungen hinsichtlich der erzielbaren Wertschopfung verbunden. Im klassischen Outsourcing der standardisierten und hochvolumigen Prozesse dominiert die Vorstellung, dass der exteme Dienstleister die Leistung kostengtinstiger erstellen und somit die Wertschopfung des Kundenuntemehmens mittels Kostensenkung positiv beeinflussen kann. Dabei wird in der Regel unterstellt, dass der Dienstleister in der Lage ist, das bisherige Qualitatsniveau der Leistung trotz Kostensenkung zu halten bzw. sogar aufgrund seiner vorteilhaften Ausstattung mit Ressourcen zu steigem. Inwieweit diese Vermutung im Falle einer Auslagerung von Call Center-Dienstleistungen in auslandische Niedriglohn-Regionen („Offshoring") gerechtfertigt ist, untersuchen Felicitas Nogly und Matthias Gouthier in ihrem Beitrag mit Blick auf die kundenorientierte Qualitat der Leistungserstellung. In ihrer explorativen Studie wird deutlich, dass qualitative Defizite in Bezug auf die Kundenorientierung der Leistungserstellung festzustellen sind. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass der Wertschopfungsbeitrag durch Umsatzverluste in Folge von Qualitatsmangeln verringert wird oder gar negativ ausfallt. Insofem empfehlen sie, den Qualitatsaspekten in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kundenuntemehmen und Dienstleister ein groBeres Gewicht beizumessen. Andere Wertschopfungsprozesse liegen vor, wenn Untemehmen Dienstleistungen vom Typ „Problemlosung" bzw. „Professional Services" auslagem, Zu den Dienstleistungen dieses Typs, die schon seit Jahren extern vom Markt beschafft werden, gehoren Marketing-Dienstleistungen. Mit ihnen befassen sich die Beitrage von Roland Kantsperger sowie Manfred Bruhn und Grit Mareike Ahlers.
Wertschopfungsprozesse bei Dienstleistungen
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Roland Kantsperger weist nach, dass das Outsourcing von Marketing-Dienstleistungen noch weiter an Relevanz gewinnt und beschreibt auf der Basis einer qualitativen Studie den derzeitigen Stand und die erkennbaren Entwicklungs- und Strategiemuster. Dariiber hinaus stellt er verschiedene theoretische Konzepte zur Unterstutzung der OutsourcingEntscheidung vor und kommt in einer kritischen Wiirdigung zum Ergebnis, dass eine integrierte Betrachtung transaktionstheoretischer und ressourcenorientierter Argumente eine besonders geeignete Entscheidungsgrundlage bietet. Kommunikationsdienstieistungen wie Werbung, Public Relations oder Sponsoring stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Manfred Bruhn und Grit Mareike Ahlers. Diese Dienstleistungen werden in Zusammenarbeit mit Kommunikationsagenturen erstellt, die zudem auch mit Planungs-, Umsetzungs- und Kontrollaufgaben innerhalb des Kommunikationsmanagements des Kundenuntemehmens beauftragt sein konnen. Die Auslagerung bzw. exteme Beschaffung dieser Aufgaben erfolgt in der Kegel nicht allein unter Kostengesichtspunkten, sondem primar aufgrund der Erwartung, dass die Agentur wegen ihrer Verfugung liber kommunikatives Spezialwissen einen hoheren Wertschopfiingsbeitrag liefem kann. Die Autoren untersuchen, wie dieser Wertschopfungsbeitrag auf Agentur- und Kundenseite durch internes und extemes Prozessmanagement erhoht werden kann. Dazu zeigen sie zum einen Ansatze einer prozessorientierten Gestaltung von Arbeitsablaufen in den Agenturen auf, zum anderen stellen sie dar, wie die Agentur ihr Beratungsangebot erweitem kann, indem sie das Kundenuntemehmen bei der Gestaltung eines prozessorientierten Kommunikationsmanagements unterstiitzt. Mit der Reflexion des Wertschopfungsprozesses beim Dienstleister und der Wertschopfungssteigerung durch Prozessveranderung beim Kundenuntemehmen iiberwindet dieser Beitrag die relativ engen inhaltlichen Grenzen der vorherrschenden OutsourcingDiskussion, die das Thema vomehmlich als Entscheidungsproblem des auslagemden Untemehmens sieht. In vergleichbarer Weise nehmen Bemd Stauss und Marcel Jedraficzyk in ihrem Beitrag die Perspektive eines Dienstleisters ein, der im Zuge eines Business Process Outsourcing sein Angebot von standardisierten Massendienstleistungen durch individualisierte Problemlosungsdienstleistungen (Professional Services) erganzt. Sie zeigen auf, dass diese Form des Outsourcing vom Dienstleister eine Kombination vollig unterschiedlicher Wertschopfungsmuster verlangt: eine kostenorientierte Wertschopfung in einer „Service Factory" und eine innovationsorientierte Wertschopfung in einer „Professional Service Unit". Diese Kombination stellt hohe Anforderungen an die innerbetriebliche Koordination, erfordert den Einsatz hybrider Varianten der Fiihrung. Organisation und Untemehmenskultur und bedingt eine Neugestaltung der Beziehung zum Kundenuntemehmen.
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Instrumente zur Analyse von Wertschopfiingsprozessen
Im Begriff der Wertschopfungsprozesse wird der Prozesscharakter der Wertschopfungsbildung besonders betont. Das korrespondiert mit der Tatsache, dass Dienstleistungen primar als Prozesse verstanden werden. Dieser Sachverhalt wird in der Literatur entweder pointiert auf die Kurzformel „services are processes" (Bruhn/Georgi 2006) gebracht Oder er kommt darin zum Ausdruck, dass der „Prozess" neben dem eingesetzten Potenzial und dem Ergebnis der Leistungserstellung zu den zentralen Dimensionen einer Dienstleistung gezahlt wird (Donabedian 1980; Corsten 1997; Meffert/Bruhn 2006). Dienstleistungsprozesse und die dort erfolgende Wertschopfung konnen wiederum aus Untemehmens- oder Kundenperspektive betrachtet werden.
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Instrumente zur Analyse der untemehmerischen Prozesse
Aus unternehmerischer Perspektive konstatieren Silke Michalski, Uta Juttner und Lukas Hammer in diesem Sammelband insofem ein Defizit in der Dienstleistungsforschung, dass sich vergleichsweise wenige Beitrage explizit mit dem Geschaftsprozessmanagement fiir Dienstleistungsuntemehmen auseinandersetzen und bewahrte Prozessanalysemethoden im Hinblick auf ihre Eignung uberprufen (FlieB 2006). Ein erster methodischer Schritt besteht darin, die untemehmerischen Prozesse im Rahmen einer Prozessanalyse zu erfassen und graphisch aufzunehmen. Indem die einzelnen Vorgange in ihren Einzelschritten und in ihren Interdependenzen transparent werden, wird die wesentliche Voraussetzung fiir die Identifikation von Schwachstellen und Verbesserungspotenzialen geschaffen. Eine solche Prozessanalyse kann sich sowohl auf einzelbetriebliche als auch auf unternehmensiibergreifende Prozessketten beziehen. Zudem bietet sie nicht nur die Grundlage fur Uberlegungen zur Erhohung der betrieblichen bzw. liberbetrieblichen Wertschopfung, sondem kann auch Hinweise zur Reduzierung unerwtinschter extemer Effekte geben. So zeigen Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann an zwei Fallbeispielen, wie auf der Basis einer systematischen Prozessanalyse das durch die Dienstleistungserbringung induzierte Verkehrsaufkommen reduziert werden kann. Uber die Prozessanalyse hinaus liegt es nahe, Analyseinstrumente, die sich seit langem in industriellen Anwendungen bewahrt haben, auf ihre Eignung im Dienstleistungskontext zu uberprufen. Ein Beispiel hierfur ist das bereits vor Jahrzehnten entwickelte Instrument der Wertanalyse, eine systematische Methode zur Losung komplexer Probleme. Zwar handelt es sich bei der Wertanalyse defmitionsgemaB um eine anwendungsneutrale Methode, die somit auch fiir Dienstleistungsprobleme Relevanz hat (Jehle 1993). Doch
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fehlt es bisher an Untersuchungen von dienstleistungsspezifischen Methodeneinsatzen. Silke Michalski, Ufa Juttner und Lukas Hammer prasentieren in ihrem Beitrag eine Anwendung der Wertanalyse auf Wertschopfiingsprozesse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk. Sie schildem die Ablaufschritte der Prozesswertanalyse und demonstrieren die Eignung des Verfahrens am exemplarischen Fall einer touristischen Destination. Eine umfassende Prozessanalyse und -bewertung ist die Voraussetzung fur die Neugestaltung von Dienstleistungsprozessen. Eine der fur den Dienstleistungsbereich immer relevanter werdende Gestaltungsvariante ist die Modularis ierung im Sinne einer Dekomposition von Prozessen in funktionale Teileinheiten und der Definition standardisierter Schnittstellen. Die Modularisierung wird als ein Weg gesehen, tiber Kostensenkung in verschiedenen betrieblichen Funktionen und zugleich tiber die Erzielung von Zeitund Qualitatsvorteilen eine Erhohung der Wertschopfung zu erreichen (Bohmann/Krcmar 2006; Stauss 2006). Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und RalfGossinger thematisieren in ihrem Beitrag die Modularisierung von Dienstleistungen als Koordinationsproblem. Sie untersuchen, welcher Koordinationsbedarf bei einer modularen Dienstleistungsproduktion entsteht, und zeigen, wie dieser Bedarf durch die Art der Modulbildung sowie durch die Anwendung von Regeln und Koordinierungsmechanismen minimiert werden kann. Trotz der Relevanz und der zunehmenden Bedeutung des Prozessdenkens in der Wirtschaft ist keinesfalls sichergestellt, dass alle betrieblichen Funktionen in der Realitat als Prozesse betrachtet werden, zumal nicht alle in sequenziellen Prozessketten erstellt werden. Daraus leitet sich die Frage nach der Prozessorientierung in betrieblichen Funktionsbereichen ab. Bjorn Sven Ivens untersucht diese Frage am Beispiel der Marketingund Vertriebsfunktion. Er entwirft zunachst die konzeptionellen Grundlagen eines prozessorientierten Marketing und prasentiert anschlieBend Ergebnisse einer empirischen Studie, die den Stand der Prozessorientierung in Marketing und Vertrieb deutscher Untemehmen beleuchtet und dabei auch Unterschiede zwischen Dienstleistungsuntemehmen einerseits sowie Konsumgiiter- und Industrieuntemehmen andererseits ermittelt.
6.2 Instrumente zur Analyse der kundenbezogenen Prozesse Bei der bisherigen Betrachtung des methodischen Instrumentariums geht es primar um den Transfer bzw. die Modifikation bekannter Analysemethoden auf die untemehmerischen Prozesse von Dienstleistungsuntemehmen. Das Besondere der Dienstleistungserstellung besteht aber grundsatzlich darin, dass sich der Kunde an der Leistungserstellung beteiligt und somit diesen Integrationsprozess selbst prozesshaft erlebt. Da aber die untemehmensintemen Prozesse keineswegs mit den vom Kunden wahrend der Leistungserstellung erlebten Prozessen identisch sind, ist die Analyse der Untemehmensprozesse durch eine Analyse der Kundenprozesse zu erganzen (Stauss 1995).
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Schon friih sind in der Dienstleistungsforschung mit dem „Blueprinting" und dem „Service Mapping'' entsprechende Konzepte entwickelt worden (Shostack 1984, 1987; Kingman-Brundage 1989), die gerade auch in der deutschsprachigen Dienstleistungsforschung aufgegriffen und weiterentwickelt wurden (Kleinaltenkamp 2000; FlieB/Kleinaltenkamp 2004). Durch die grundsatzliche Ausrichtung auf den vom Kunden erlebten Prozess stellten diese Instrumente eine bewahrte Grundlage fiir eine Optimierung der vom Kunden erlebten Prozesse und eine Erhohung der Wertschopfijng flir den Kunden dar. Da sie zugleich die Verknupfung von Kundenprozessen einerseits und den hinter der „line of visibility" befindlichen Untemehmensprozessen andererseits verdeutlichen, geben sie zudem auch wichtige Hinweise fur eine konsequente Ausrichtung des Gesamtuntemehmens auf den fur den Dienstleistungskunden bereitzustellenden Wert. AuBerdem konnen die Visualisierungen des Kundenprozesses dazu genutzt werden, das prozesshafte Kundenerleben zu messen, das Zustandekommen der kundenseitigen Wertschopfung zu verstehen und Vorschlage der Kunden zu der von ihnen gewlinschten hoheren Nutzenstiftung zu sammeln (Stauss/Weinlich 1997).
7.
Forschungsausblick
Die in diesem Sammelband veroffentlichten Beitrage stellen insgesamt einen wichtigen und innovativen Beitrag fiir die Forschung im Bereich der Wertschopfungsprozesse dar. Sie behandeln zum einen spezifische Fragestellungen, zum anderen enthalten sie auch grundlegende konzeptionelle Uberlegungen, urn die Besonderheiten der Wertschopfungsbeitrage fiir Dienstleistungen auf eine fundierte wissenschaftliche Basis zu stellen. Hier sei auf den Beitrag von Jorg Freiling und Martin Gersch hingewiesen, die mit dem kompetenztheoretischen Ansatz einen Bezugsrahmen bieten, der die relevanten Handlungsebenen des Dienstleistungsmanagements erfasst und eine Berucksichtigung kontinuierlicher Veranderungs- und Transformationsprozesse bei der dienstleistungsbezogenen Wertschopfung gestattet. Zu den wesentlichen Erkenntnissen der Sammelbandbeitrage gehort, dass die konstitutiven Merkmale einer Dienstleistung, insbesondere die Kundenbeteiligung, einen entscheidenden Einfluss auf die Wertschopfungsprozesse haben, eindeutig zwischen untemehmens- (shareholder-)orientierten und kundenbezogenen Formen der Wertschopfung zu unterscheiden ist, die herkommlichen betrachteten Wertschopfungskonfigurationen nur begrenzt bzw. mit entsprechenden Modifikationen flir Dienstleistungen Giiltigkeit beanspruchen konnen, die einzelbetriebliche Typologie von Wertschopfungskonfigurationen durch eine untemehmensiibergreifende Typologie zu erganzen ist,
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^' die Betrachtung einer Wertschopfiing bei reiner Dienstleistungsproduktion durch eine Analyse einer hybriden Leistungserstellung zu komplettieren ist, die Auslagerung von Dienstleistungen an exteme Dienstleister (Outsourcing) sowohl auf Seiten des auslagemden Untemehmens als auch auf Seiten des Dienstleisters mit Veranderungen der Wertschopfiingsprozesse verbunden ist, die hohe Anforderungen an das Management stellen, und dass Methoden der herkommlichen Prozessanalyse sinnvoll im Dienstleistungskontext eingesetzt und durch dienstleistungsspezifische Instrumente erganzt werden konnen. Zugleich offnen die Beitrage des Sammelbandes aber auch den Blick auf Forschungsfragen, die noch keineswegs als gelost angesehen werden konnen und insofem weiteren Forschungsbedarf anzeigen. So werden Auswirkungen der Immaterialitat der Leistungserstellung auf den Wertschopfungsprozess kaum thematisiert. Die Zusammenhange zwischen untemehmens- und kundenseitiger Wertschopfung bediirfen noch einer genaueren Untersuchung und die Diskussion von Ansatzen zur Messung der vom Kunden wahrgenommenen Wertschopfung ist zu vertiefen. Auch in Bezug auf die konzeptionellen Vorstellungen von Wertschopfiingskonfigurationen besteht ein groBer Bedarf an weitergehenden Uberlegungen. Es ist schon iiberraschend, dass das am industriellen Warenfluss ausgerichtete Konzept der Wertkette noch immer die Wertschopfungsdiskussion bei Dienstleistungen bestimmt, neue Vorstellungen uber Konfigurationen eher zogerlich adaptiert werden und nur wenige Anstrengungen vorzufmden sind, eine groBere Zahl faktisch vorfmdbarer Wertschopfungsformen typmaBig abzubilden. Zudem bedarf es nicht nur zutreffender Konfigurationsbeschreibungen, sondem auch konfigurationsadaquater Analyseinstrumente. Die Wertkettenanalyse ist definitionsgemaB auf die Analyse von Wertketten ausgerichtet und eignet sich nicht uneingeschrankt zur Analyse abweichender Konfigurationen. Sowohl bei einer hybriden Leistungserstellung als auch bei umfassenderen Formen des Outsourcing (wie dem Business Process Outsourcing) sind Untemehmen mit dem Problem konfrontiert, vollig abweichende Wertschopfiingsprozesse zu kombinieren, was eine Vielzahl von nicht abschlieBend gelosten Organisationsund Fuhrungsfragestellungen aufwirft. Untemehmensubergreifende Formen der Wertschopfung verlangen Managementkonzepte, die die einzelbetrieblichen Wertschopfiingsinteressen auf das gemeinsame Wertschopfungsziel ausrichten, und es bedarf spezifischer Analyseinstrumente, die hierfiir wertvolle Entscheidungshilfen geben. Dariiber hinaus ware es wiinschenswert, wenn die Wertschopfungsdiskussion mit weiteren unternehmensrelevanten Wertthemen (wie Markenwert oder Customer Equity) verkniipft wiirde. Es ist zu hoffen, dass die vielfaltigen innovativen Anregungen der Beitrage in diesem Sammelband aufgegriffen werden, um Antworten auf diese noch offenen Fragen der dienstleistungsbezogenen Wertschopfungsforschung zu finden.
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Bemd Stauss und Manfred Bruhn
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Herbert Woratschek, Stefan Roth und Guido Schafmeister
Ansatze zur Analyse von Wertschopfungsprozessen - Eine theoretische und empirische Betrachtung der Besonderheiten bei Dienstleistungen
1. Einleitung 2. Wertschopfiingsprozesse in der Theorie 2.1. Transformationsprozesse - Wertkette 2.2. Problemlosungsprozesse - Wertshop 2.3. Intermediare Prozesse - Wertnetz 3. Wertschopfiingsprozesse in der Praxis 3.1. Aufbau der Studie 3.2. Ergebnisse der Studie 4. Fazit Literatur
Prof. Dr. Herbert Woratschek ist Inhaber des Lehrstuhls fiir Dienstleistungsmanagement an der Universitat Bayreuth. PD Dr. Stefan Roth ist Associate Professor am Department of Marketing an der University of Otago, Neuseeland. Dipl.-Kfm. Guido Schafmeister ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fiir Dienstleistungsmanagement an der Universitat Bayreuth.
1.
Einleitung
Die Analyse der untemehmerischen Wertschopfiing ist eine zentrale Aufgabe im strategischen Management. Die strategische Planung der Untemehmensaktivitaten basiert dabei wesentlich auf der Analyse der zentralen Wertschopfungsprozesse, die der betrieblichen Wertschopfiing letztlich zugrunde liegen. Um die strategische Planung auf eine solide Informationsbasis zu stellen, sind deshalb umfassende Analysen der Wertschopfiingsprozesse und der dahinter stehenden Wertschopfiingsaktivitaten notwendig. Als theoretische Grundlage und Analyserahmen fiir solche Wertschopfiingsanalysen dient zumeist die Wertkette von Porter (1985). Die Entwicklung der Wertkette erfolgte mit einem Fokus auf die Wertschopfiingsprozesse in Industriebetrieben und spiegelt sich in einer typischen Wertschopfiingskonfiguration fiir die industriell gepragte Produktion wider. AUerdings wird die Wertkette immer wieder auch fur die Analyse der Wertschopfiing in Dienstleistungsuntemehmen angewandt (Brooks/Reast 1996; Altobelli/Bouncken 1998; Eustace 2003; Walters/Jones 2001). Selbst wenn akzeptiert wird, dass eine strikte Unterscheidung zwischen Industrieund Dienstleistungsbetrieben per se nicht sinnvoll ist, so muss an dieser Stelle dennoch die universelle Eignung der Wertkette als Analyseinstrument far alle Arten von Unternehmen in Frage gestellt werden (Stabell/Fjeldstad 1998; Woratschek et al. 2002; Kniger 2004; Schafmeister 2004). Die Wertschopfiingskonfiguration der Wertkette stellt lediglich einen recht flexiblen Analyserahmen bereit, der untemehmens- und situationsspezifisch an die Gegebenheiten des betrachteten Untemehmens angepasst werden muss. Dass diese Flexibilitat aber tatsachlich so weit geht, dass auch Untemehmen mit diesem Instrument sinnvoll analysiert werden konnen, deren Wertschopfimgsstrukturen deutlich von denen industrieller Betriebe abweichen, kann zumindest berechtigt bezweifelt werden. Grundsatzlich setzt eine universelle Anwendung der Wertkette voraus, dass die Wertschopfiingslogik und die darauf basierende Wertschopfiingskonfiguration in praktisch alien Untemehmen die gleiche Gmndstmktur aufweist. Damit wird aber die Frage vemachlassigt, worin die Logik und die Konfiguration der Wertschopfiing zwischen unterschiedlichen Untemehmen differieren konnen. Verfolgt ein Untemehmen eine andere als die industrielle Wertschopfiingslogik, so resultieren daraus gmndlegend andere Wertschopfiingsstmkturen und Wertschopfiingsaktivitaten. Dariiber hinaus kann auch die Verkniipfiing der Wertschopfiingsaktivitaten andere Formen annehmen als in Industrieuntemehmen. Damit stellt sich die zentrale Frage, mit welchen altemativen Wertschopfiingskonfigurationen sich die Wertschopfiingsprozesse in unterschiedlichen Untemehmen adaquat abbilden lassen.
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Herbert Woratschek, Stefan Roth und Guido Schafmeister
Aus theoretischer Perspektive wurde die Frage nach differierenden Wertschopfungslogiken und den dadurch bedingten altemativen Wertschopfungsstrukturen bereits eingehend analysiert (Thompson 1967; Stabell/Fjeldstad 1998). In der Literatur zur strategischen Analyse und Planung haben sich dabei drei grundlegende Logiken der Wertschopfung herauskristallisiert (Thompson 1967; Stabell/Fjeldstad 1998). Die erste Logik kann in der Wertschopfung durch betriebliche Transformation von Inputfaktoren in Outputfaktoren gesehen werden (Thompson 1967; Porter 1985). Diese Logik der Wertschopfung liegt der klassischen Wertkette zugrunde. Die Wertschopfung durch Problemlosung stellt eine zweite Logik der Wertschopfung dar und kommt in der Konfiguration des Wertshops zum Ausdruck. Die dritte Logik der Wertschopfung besteht in der Ubemahme einer Intermediationsfunktion und kann auf Basis des Wertnetzes abgebildet werden (Thompson 1967; Stabell/Fjeldstad 1998). Die Intermediationsfunktion wird haufig durch koordinierende Tatigkeit erfiillt. ModelItheoretisch schlagen sich die drei Logiken der Wertschopfung somit in der Wertkette (Transformation), dem Wertshop (Problemlosung) und dem Wertnetz (Intermediation) als relevante Wertschopfungskonfigurationen nieder (Porter 1985; Stabell/Fjeldstad 1998; Woratschek et al. 2002). Dabei gilt es zu beachten, dass sich auf Grundlage der unterschiedlichen Wertschopflingskonfigurationen auch unterschiedliche Implikationen fiir das Management der entsprechenden Betriebe ergeben (Stabell/Fjeldstad 1998; Woratschek et al. 2002; Kruger 2004; Schafmeister 2004; Woratschek et al. 2006). Die theoretische Analyse von altemativen Wertschopfungskonfigurationen kann jedoch die Frage nach ihrer Anwendbarkeit als Analyseinstrumente in der untemehmerischen Praxis kaum beantworten. Letztlich stellt sich aus der Perspektive der strategischen Analyse und Planung die Frage, ob die in der wirtschaftlichen Realitat ablaufenden Wertschopfungsprozesse tatsachlich die Logik und Struktur aufweisen, wie sie in den Modellen der Wertkette, des Wertshops und des Wertnetzes postuliert werden. Der vorliegende Beitrag geht dieser Frage nach. Dazu werden zunachst die altemativen Wertschopfungskonfigurationen eingehend vorgestellt. Dabei wird ein Schwerpunkt auf die den Modellen zugmnde liegenden Wertschopfungsprozesse gelegt. Fur eine umfassende Darstellung der Modelle und ihrer Implikationen wird auf die relevante Literatur verwiesen (Stabell/Fjeldstad 1998; Woratschek et al. 2002; Kruger 2004; Schafmeister 2004; Woratschek et al. 2006). AnschlieBend werden die Ergebnisse einer Expertenbefragung dargestellt. Gegenstand dieser Expertenbefragung war die Wahmehmung von Managem beziiglich der in ihrer Organisation vorliegenden Wertschopfungsstmktur und der darin ablaufenden Wertschopfungsprozesse. Auf dieser Basis konnen die Ergebnisse der theoretischen Analyse den Befunden der empirischen Studie gegenlibergestellt werden.
Ansatze zur Analyse von Wertschopfungsprozessen
2.
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WertschopfUngsprozesse in der Theorie
2.1 Transformationsprozesse - Wertkette Die Wertkette nach Porter (1985) ist das in Wissenschaft und Praxis wohl am weitesten verbreitete Modell zur Analyse von Wertschopftingsprozessen. Charakteristisch fiir die Wertkette und alle anderen Wertschopfungskonfigurationen ist die Abbildung der Wertschopfung durch eine Reihe von Wertschopfungsaktivitaten, die zu bestimmten Kategorien zusammengefasst werden. Die Wertkette beschreibt die zentralen Bestandteile des Wertschopfungsprozesses als sequenzielle Abfolge primarer Aktivitaten. Als primar werden Aktivitaten in der Wertschopfungsanalyse gekennzeichnet, wenn sie direkt zur Wertschopfung ftir den Kunden beitragen. Der Wertkette liegt die Wertschopfiingslogik zugrunde, dass sich die untemehmerische Wertschopfiing auf der Basis einer durchgefiihrten Transformationsfunktion ergibt. Dabei konnen die unterschiedlichsten Inputfaktoren sowohl zu Produkten als auch zu Dienstleistungen transformiert werden. Die Anordnung der entsprechenden Wertschopfungsaktivitaten ist dabei weitgehend durch den Ablauf dieses Transformationsprozesses vorgezeichnet, der haufig in unveranderter Weise fur einen langeren Zeitraum durchlaufen wird, sobald der Wertschopfungsprozess einmal angestoBen ist. Damit entspricht die Wertschopfiingskonfiguration der Wertkette einer „long-linked Technology" (Thompson 1967, S. 15). Dariiber hinaus ist fur die Wertkette charakteristisch, dass der Wertschopfungsprozess in aller Kegel mehrfach und in identischer Weise durchlaufen werden kann. Es werden immer wieder dieselben Tatigkeiten durchgefiihrt, beispielsweise um immer wieder das gleiche Auto herzustellen. Damit eroffnen sich Moglichkeiten, durch die langfristige und weitgehend unveranderte Verkniipfung von Wertschopfungsaktivitaten Wettbewerbsvorteile aufzubauen und auszuschopfen. So konnen sich beispielsweise Lemeffekte in einer entsprechenden Stiickkostenreduktion niederschlagen und ein Potenzial far eine langfristige Kostenfiihrerschaftsstrategie generieren. Abbildung 1 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die primdren Aktivitaten werden in diesem generischen Analyserahmen in den Kategorien Eingangslogistik, Operationen, Ausgangslogistik, MarketingA^ertrieb und Kundendienst erfasst. Die Anwendung der Wertkette als strategisches Analyseinstrument erfordert nattirlich eine Konkretisierung der dargestellten Aktivitaten. Der erforderliche Grad der Detailliertheit kann allerdings nur untemehmensspezifisch festgelegt werden. Die grafische Darstellung verdeutlicht aber, dass unabhangig von der Detailliertheit eine sequenzielle Abfolge der primaren Aktivitaten unterstellt wird. Neben den primaren Aktivitaten beinhaltet die Wertkette auch unterstUtzende Aktivitaten, die ebenfalls in Abbildung 1 dargestellt sind. Diese Aktivitaten leisten eine Art Hilfestellung im betrieblichen Wertschopfungsprozess. Sie unterstiitzen die primaren Aktivitaten Oder ermoglichen diese iiberhaupt erst. Die eigentliche Wertschopfung ergibt sich
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aus der Differenz zwischen dem durch die Transformation fiir die Kunden geschaffenen Wert und den Kosten der Transformation. Diese ResidualgroBe wird als Gewinnspanne abgebildet. Fiir eine weiterfuhrende Vorstellung und Diskussion der Wertkette sei an dieser Stelle auf die einschlagige Literatur verwiesen (Porter 1985; Stabell/Fjeldstad 1998; Woratschek et al. 2006).
Unternehmensinfrastruktur Unterstutzende AktivJtaten
\
G \
Persorialmanagernent
X^t^X
Technologieentwidklung
\ ^
Beschaffung
Primare Aktivitaten
\ \ < ^ \
/ s / / /) / Eingangs- Operationen logistik
Ausgangs- Marketing/ Kunden- / ^ / logistik dienst / ^ / Vertrieb
/ 0
/
Abbildung 1: Wertkette (Quelle: In Anlehnung an Porter 1985, S. 37) Eine auf der Wertkette basierende Analyse von Wertschopfungsprozessen unterstellt, dass die Wertschopfung der zu analysierenden Organisation uber Transformationsprozesse stattfmdet. Dazu wird der einer Transformation zugrunde liegende Wertschopfungsprozess beschrieben. Auf Basis dieser Grundannahme liber die Wertschopfung werden dann den einzelnen Aktivitaten Kosten und Erlose zugeordnet. Letztlich steht dahinter die Absicht, durch die Analyse der relevanten Kosten- und Erlostreiber Ansatzpunkte fiir eine sinnvolle Wettbewerbsstrategie zu fmden. Die Zuordnung von Kosten und Erlosen dient somit als Grundlage fur die strategische Ausrichtung des Untemehmens. In diesem Zusammenhang sind die von Porter vorgeschlagenen generischen Strategieoptionen der Kostenfiihrerschaft und der Differenzierung zu nennen, die sich Jewells auf die relative Position in der Branche beziehen (Porter 1985). Entscheidend ist dabei aber, ob die Grundannahme zutreffend ist, dass die Wertschopfung der zu analysierenden Organisation tatsachlich der Logik eines Transformationsprozesses folgt. Wie aber bereits herausgestellt wurde, scheinen Transformationsprozesse nur eine unter mehreren Arten der Wertschopfung und damit nicht als generelle Annahme zutreffend zu sein.
Ansatze zur Analyse von Wertschopfungsprozessen
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2.2 Problemlosungsprozesse - Wertshop Das Modell des Wertshops geht von einer anderen Grundannahme aus. Hier wird unterstellt, dass die Wertschopfung iiber Problemlosungsprozesse erstellt wird (Stabell/Fjeldstad 1998). Zu dieser Art von Untemehmen gehoren z.B. Rechtsanwalte, Wirtschaftsprufer, Arzte, Untemehmensberatungen oder Werbeagenturen, mithin also Organisationen, die man gemeinhin als Dienstleistungsbetriebe bezeichnen wiirde. Die Wertschopfung dieser Untemehmen besteht darin, ein bestehendes Problem fiir die Kunden zu losen. Dazu ist es zunachst erforderlich, dass die Kunden und die Anbieter von Problemlosungen miteinander in Kontakt treten. Problemloser konnen nur aktiv werden, wenn die potenziellen Kunden ihre bestehenden Probleme tatsachlich offenbaren. Problemloser und Kunde miissen zusammen an der Losung des Problems arbeiten. Eine Untemehmensberatung kann die Probleme der Kunden nicht beheben, wenn die Kunden beispielsweise Informationen vorenthalten oder die Mitarbeiter des Kunden die Kooperation verweigem. Im Gegensatz dazu kann ein Automobilhersteller Autos auch dann produzieren, wenn die Kunden nicht an der Produktion teilnehmen und den Produktionsprozess nicht unterstutzen. In diesem Fall ist es ausreichend, wenn sich die Kunden anschliefiend fiir das fertige Produkt entscheiden. Diese Option besteht bei Problemlosungsprozessen nicht. Die Kunden mtissen sich vielmehr am Problemlosungsprozess beteiligen und aktiv an der Problemlosung mitwirken. Problemlosungen sind hoch integrative Prozesse, wie sie bei Dienstleistungen typisch sind (Woratschek 1998, S. 38ff.). Damit ein Problemlosungsprozess aber iiberhaupt in Gang kommt, miissen zunachst die Unsicherheiten aufbeiden Marktseiten iiberwunden werden. Problemlosungen sind Leistungsversprechen und bringen Unsicherheiten fiir Anbieter und Nachfrager mit sich (Spremann 1988; 1990; Woratschek 1998). Die Reputation des Anbieters, ein zuverlassiger Problemloser zu sein, kann ein wirksames Signal zur Reduktion der Unsicherheit des Nachfragers darstellen (Roth 2001). Die Reputation des betrachteten Anbieters kann die Wahrscheinlichkeit erhohen, dass ein potenzieller Kunde den Problemloser iiberhaupt kontaktiert (Stabell/Fjeldstad 1998; Woratschek et al. 2002; Schafmeister 2004). Nach dem Erstkontakt besteht die Aufgabe des Problemlosers dann darin, das Problem mit dem Kunden zu identifizieren und abzugrenzen. Haufig kann der Auftraggeber nur vage seine Probleme schildem (z.B. Patient beim Arzt, Kommunalverantwortlicher beim Untemehmensberater). Kommunikative Fahigkeiten sind ausschlaggebend dafiir, dass der Anbieter das Problem verstandlich aufgreift und prazisiert. Der Anbieter muss „die Sprache seines Kunden" sprechen, damit in der Folge iiberhaupt Werte generiert werden konnen. Das beiderseitige Verstandnis fiir die Problemstellung ist eine notwendige Bedingung fiir eine zufrieden stellende Problemdefmition und damit haufig auch die Grundlage fiir einen Vertragsabschluss. Fiihlt der Kunde sich vom Problemloser verstanden und traut der Kunde dem Anbieter die Problemlosung zu, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Vertragsabschluss tatsachlich zustande kommt.
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Herbert Woratschek, Stefan Roth und Guido Schafmeister
Zuvor muss jedoch auch der Anbieter der Problemlosung prufen, ob eine Zusammenarbeit mit dem Kunden sinnvoll ist. Auch der Anbieter kann sich nicht sicher sein, dass der Kunde hinreichend zur Problemlosung beitragt. Eine Problemlosung ohne Untersttitzung durch den Kunden ist haufig nicht moglich. Wie soil eine Werbeagentur ein Produkt bewerben, ohne beispielsweise die notwendigen Informationen uber das Produkt zu erhalten? Der Erfolg der Problemlosung hangt dementsprechend von der Art und Weise ab, mit der ein Kunde sich in den Wertschopfungsprozess einbringt. Die Auswahl der Kunden ist folglich von groBer Bedeutung, da vor allem erfolgreiche Problemlosungen ftir die Reputation fordemd sind. Gleichwohl ist es moglich, dass der Anbieter im Anschluss an eine fehlgeschlagene Problemlosung alleine fur den Fehlschlag verantwortlich gemacht wird. Daher ist es fur den Anbieter unabdingbar, die Kunden insbesondere danach auszuwahlen, ob eine zufrieden stellende Problemlosung wahrscheinlich scheint. Sind die Unsicherheiten uberwunden und ist ein Vertrag zustande gekommen, so sieht der Wertschopfungsprozess eines Problemlosers vor, dass Losungsaltemativen fiir das bestehende Problem ausgearbeitet werden. Dazu benotigt die problemlosende Organisation entsprechendes Fachwissen, das entweder bereits vorhanden ist oder fiir die vorliegende Problemstellung eigens aufgebaut werden muss. Der Bedarf an Fachwissen zeigt die Parallelitat zwischen dem Wertshop und einer „intensive Technology" auf (Thompson 1967, S. 17). Im Gegensatz zu den „long-linked Technologies", die den Transformationsprozessen zugrunde liegen, sind die „intensive Technologies" dadurch gekennzeichnet, dass die jeweils nachsten Bearbeitungsschritte nicht durch den Produktionsprozess vorgezeichnet sind. Vielmehr hangt es von der gerade erreichten Stufe der Leistungserstellung und dem damit einher gehenden Zwischenstand ab, wie im weiteren Verlauf vorzugehen ist. Diese Art der Leistungserstellung ist fur Problemlosungsprozesse typisch, in denen der Losungsweg haufig nicht zu Beginn der Problemanalyse vorgezeichnet ist, sondem in Abhangigkeit des eigentlichen Problemlosungsprozesses und seiner Zwischenergebnisse konkretisiert wird. Die Konkretisierung der Problemstellung und die Ausarbeitung der Losungsaltemativen bedingen deshalb einen Interaktionsprozess zwischen Anbieter und Nachfrager, aus dem sich entsprechende Rlickkopplungen ergeben konnen. Eine zentrale Phase im Wertschopfungsprozess umfasst dabei alle Aktivitaten des Kunden, die sich auf die Entscheidung fur eine der vorgeschlagenen Losungsaltemativen beziehen. In der Regel wird der Kunde auch bei dieser Entscheidung vom Problemloser beraten. Sofem sich in dieser Phase beispielsweise zeigt, dass der Kunde mit keiner der vorgeschlagenen Altemativen einverstanden ist, kommen die angesprochenen Ruckkopplungsprozesse zum Tragen, die eine Besonderheit des Wertschopfungsprozesses bei Problemlosem darstellen. Der Wertschopfungsprozess kann unregelmaBig und unstetig verlaufen. Das bedeutet, dass der Problemloser etwa die Aktivitat der Ausarbeitung von Losungsaltemativen emeut durchlauft bzw. so lange iterativ wiederholt, bis er dem Kunden wenigstens eine zufrieden stellende Altemative prasentieren kann. Dabei bezieht sich die Unstetigkeit nicht nur auf die unmittelbar zuvor ausgeiibte Aktivitat. Zeigt sich beispielsweise, dass im Rahmen der Problemdefinition nicht der Kern des Problems herausgearbeitet wurde, so kann auch
Ansatze zur Analyse von Wertschopfixngsprozessen
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von einer spateren Phase des Wertschopfiingsprozesses zu dieser Phase zuruckgesprungen werden. Diese Situation stellt sich beispielsweise dann ein, wenn sich der Kunde fur eine Losungsaltemative entschieden hat, sich bei der anschHeBenden Durchfuhrung der Problemlosung aber zeigt, dass nicht am zentralen Problem gearbeitet und dieses nicht befriedigend gelost wurde. Diese Eigenschaft unterscheidet den Wertschopfungsprozess eines Wertshops deutlich von dem einer Wertkette. Einzelne Aktivitaten eines Transformationsprozesses werden iiblicherweise nicht wiederholt. Gravierende Fehler in der Produktion werden als Ausschuss behandelt. Im Problemlosungsprozess miissen Fehler dagegen durch iteratives Durchlaufen der primaren Aktivitaten grundsatzlich behoben werden, um tiberhaupt zu einer Problemlosung zu gelangen und nicht den ergebnislosen Abbruch des gesamten Problemlosungsprozesses zu riskieren. Ein wichtiger Bestandteil des Wertschopfiingsprozesses eines Problemlosers ist die abschlieBende Evaluation der Problemlosung. Ist das Problem tatsachlich behoben? Treten neue Probleme auf? Welche Verbesserungspotenziale gibt es? Fragen wie diese sollten im Rahmen der Evaluation behandelt werden und bieten den Ausgangspunkt fiir einen emeuten Durchlauf des Wertschopfiingsprozesses unter anderen Problemstellungen. So kann die Losung eines Problems den Blick auf ein anderes Problem erst freigeben. Auf diese Weise kann dann ein Zyklus aus bereits gefiindenen Problemlosungen und neu identifizierten Problemstellungen entstehen. Abgesehen von der Identifikation neuer Probleme ist die Evaluation auch notwendig, um sicherzustellen, dass der Kunde mit der Problemlosung tatsachlich zufrieden ist. Sollte das nicht der Fall sein, so eroffnet die Evaluation Moglichkeiten zur Nachbesserung, um doch noch ein zufrieden stellendes Ergebnis zu erzielen. Die Nutzung dieser Moglichkeit zur Nachbesserung ist wichtig, da Folgeauftrage von der Zufriedenheit der Kunden und der daraus resultierenden Reputation abhangen. Es kommt den Kunden darauf an, dass sie eine adaquate Problemlosung fiir ihre individuelle Problemstellung erhalten (Stabell/Fjeldstad 1998). Damit wird auch deutlich, dass die Wertschopfungsprozesse eines Problemlosers individuell auf die Kunden zugeschnitten sind. Die einzelnen Aktivitaten und ihre konkrete Abwicklung miissen fiir jedes Problem und jeden Kunden neu konfiguriert werden. Grundsatzlich weisen die primaren Aktivitaten damit die in Abbildung 2 dargestellte Struktur auf. Bei der Darstellung des Wertshops wird, wie bei der Wertkette, zwischen primaren und unterstiitzenden Aktivitaten unterschieden. Die primaren Aktivitaten sind direkt am Wertschopfungsprozess beteiligt, wahrend die unterstiitzenden Aktivitaten wieder als Hilfestellung fiir die primaren Aktivitaten zu verstehen sind. Die Analyse der Wertschopfungsstruktur auf Basis des Wertshops geht dementsprechend von der Grundannahme aus, dass die Wertschopfung der betreffenden Untemehmen in Problemlosungsprozessen erfolgt. Dementsprechend sind die primaren Aktivitaten gemaB dem Problemlosungsprozess angeordnet. Im Vergleich zur Wertkette besteht die Besonderheit der Wertschopfungsprozesse von Problemlosem darin, dass sie individuelle Probleme behandeln und zusammen mit den Kunden nach maBgeschneiderten Losungen suchen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass der Kunde an der Problemlosung betei-
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ligt ist. Eine Besonderheit des Wertshops gegeniiber der Wertkette ist femer darin zu sehen, dass die einzelnen Aktivitaten zyklisch und unstetig verlaufen konnen.
Abbildung 2: Wertshop (Quelle: In Anlehnung an Schafmeister 2004, S. 179) Dariiber hinaus sind fiir den Problemlosungsprozess aber auch die untersttitzenden Aktivitaten von nachhaltiger Bedeutung. Beispielsweise erfordert die Individualitat der Problemlosung, dass der Problemloser sicherstellen kann, die jeweils richtigen Mitarbeiter mit den notwendigen Qualifikationen im Problemlosungsprozess einzusetzen. Die Problemlosungsteams miissen deshalb gegebenenfalls fur jeden Auftrag neu zusammengestellt werden. Damit zeigt sich die besondere Bedeutung des Personalmanagements in Problemlosungsuntemehmen, da die Personalauswahl und die Personalentwicklung die eigentlichen Wertschopfungsaktivitaten im Problemlosungsprozess nachhaltig stiitzen. Gleiches gilt auch fur die untersttitzende Aktivitat der Technologienentwicklung. Allerdings darf diese Aktivitat nicht nur in einem technischen Sinne interpretiert werden. Die Technologic umfasst vielmehr samtliche Moglichkeiten, die Leistungserstellung und somit auch den Problemlosungsprozess zu verbessem. Die Entwicklung von Problemlosungstechniken wird deshalb mit dieser Aktivitat erfasst. Die bisherigen Ausfiihrungen machen auch deutlich, dass der Betrieb einer problemlosenden Untemehmung kostenintensiv ist. Stiickkostendegressionen sind eher schwer zu realisieren. Insgesamt scheint es daher fur Problemloser sinnvoll zu sein, besonders auf die Qualitat der Problemlosung zu achten und eine Differenzierungsstrategie zu verfol-
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gen. Die Fokussierung auf eine Kostenfuhrerschaft scheint nach dem derzeitigen Kenntnisstand iiber den Wertschopfiingsprozess eines Problemlosers kaum realistisch zu sein.
2.3 Intermediare Prozesse - Wertnetz Schliefilich muss die Wertschopfung von Organisationen differenziert betrachtet werden, deren Wertschopfiingsprozess weder uber Transformations- noch iiber Problemlosungsprozesse stattfmdet. Bei dieser dritten Gruppe handelt es sich um Organisationen, die als Intermediare arbeiten. Sie stellen Kontakte zwischen Netzwerkteilnehmem her bzw. vermitteln zwischen ihnen (Thompson 1967, S. 16). Diese Logik der Wertschopfiing und die darauf basierenden Wertschopfiingsstrukturen lassen sich als Wertnetze modellieren (Stabell/Fjeldstad 1998). Das Wertnetz beschreibt damit den Wertschopfiingsprozess von Untemehmen, die ihre Kunden auf unterschiedlichste Weise zusammenbringen. Der Begriff Kunde bezeichnet dabei samtliche Netzwerkteilnehmer, und zwar unabhangig davon, ob diese ihrerseits in Anbieter-Kunden-Beziehungen zueinander stehen. Als Beispiele fiir Wertnetze konnen hier Telefongesellschaften wie die Deutsche Telekom oder die Intemetplattform OpenBC/Xing dienen. Die Wertschopfiing dieser Organisationen hangt von Netzwerk-Extemalitaten ab (Katz/Shapiro 1985). Dabei kann die Wertschopfiing von Wertnetzen noch differenzierter unterschieden werden. In diesem Kontext konnen Netzwerke identifiziert werden, die sich auf den Austausch von Informationen (Kontaktanbahnung), die Anbahnung von Kontrakten (Vertragsvermittlung) und die Ubemahme der Distribution (Vertriebsubemahme) konzentrieren (Woratschek et al. 2002). AUe drei Arten von Netzwerken haben gemeinsam, dass sie Kontakte herstellen. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Netzwerken liegt aber darin, wie diese Kontakte fiir die Wertschopfiing genutzt werden. Die Attraktivitat eines Netzwerkes als Ganzes hangt entscheidend von den Netzwerkteilnehmem ab, wie der Verweis auf die bestehenden Netzwerk-Extemalitaten bereits deutlich gemacht hat (Katz/Shapiro 1985). Ein Netzwerk wird erfolgreich sein, wenn die Netzwerkteilnehmer miteinander in Kontakt treten wollen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Eine raffinierte Technik zur Kontaktanbahnung oder Mitarbeiter mit vielen relevanten Kontakten konnen zur Wertschopfiing nur dann beitragen, wenn es dem Netzwerkbetreiber gelingt, Netzwerkteilnehmer zu gewinnen, die tatsachlich miteinander in Kontakt treten wollen. Analysiert man den Wertschopfiingsprozess eines Wertnetzes detaillierter, so fallt zunachst wieder die Unterscheidung zwischen primaren und unterstiitzenden Aktivitaten ins Auge. Wie bei der Wertkette oder dem Wertshop sind die primaren Aktivitaten direkt an der Wertschopfiing fiir den Kunden beteiligt und erfahren eine Untersttitzung durch die unterstiitzenden Aktivitaten. Hinsichtlich der unterstiitzenden Aktivitaten differiert das Wertnetz kaum von der Wertkette und dem Wertshop. Deshalb werden auch hier die Kategorien der Untemehmensinfrastmktur, der Technologieentwicklung, des Personal-
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managements und der Beschaffung gebildet. Wie sich bei der Diskussion des Wertshops aber zeigte, konnen diese Aktivitatenkategorien in unterschiedlichen Wertschopflingsstrukturen auch unterschiedlich akzentuiert sein. Im Wertnetzwerk gilt das wiederum insbesondere fur die Technologieentwicklung. Auch hier ist eine rein technische Interpretation nicht problemadaquat, weil eine Technologie auch im Wissen um die effiziente Herstellung von Kontakten bestehen kann. Anders als bei der Wertkette und dem Wertshop fallt es beim Wertnetz aber schwerer, einen Anfangspunkt des Wertschopfungsprozesses auszumachen. Die einzelnen primaren Aktivitaten laufen namlich mehr oder weniger parallel bzw. simultan ab (Stabell/ Fjeldstad 1998), weil eine „mediating Technology" verfolgt wird (Thompson 1967, S. 15). Abbildung 3 illustriert diesen Zusammenhang. Dabei wird zwischen den primaren Aktivitaten der Netzwerkpromotion, der Netzwerkservices und der Netzwerkinfrastruktur unterschieden.
Untemehmensinfrastruktur Unterstutzende Aktivitaten
Personalmanagement Technologieentwicklung Beschaffung Netzwerkpromotion Netzwerkservices
Primare Aktivitaten
Netzwerki nfrastru ktu r Gewinnspanne
Abbildung 3: Wertnetz (Quelle: In Anlehnung an Woratschek et al. 2002, S. 62) Bei der Netzwerkpromotion steht die Einwerbung von Netzwerkteilnehmem im Mittelpunkt. Die neuen Netzwerkteilnehmer miissen so angeworben und ausgewahlt werden, dass die Attraktivitat des Netzwerks insgesamt gesteigert wird. Diese Aktivitaten fokussieren also auf das Kontraktmanagement mit den Netzwerkteilnehmem. Dabei werden die Vermarktungserfolge auch vom aktuellen Kreis der Netzwerkteilnehmer bestimmt. Je attraktiver der bestehende Kreis der Netzwerkteilnehmer ist, desto einfacher ist die Anwerbung neuer Netzwerkteilnehmer. Allerdings kann es im Rahmen der Netzwerkpromotion auch notwendig sein, einzelne Netzwerkteilnehmer wieder vom Netzwerk auszuschlieBen oder erst gar nicht zum Netzwerk zuzulassen, wenn sie nicht zur Bereicherung des Netzwerkes beitragen. Diese Strategic verfolgen beispielsweise Banken,
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wenn sie saumige Kreditkunden aus dem Netzwerk der Kapitalgeber und Kreditnehmer ausschlieBen. Bei den Netzwerkservices handelt es sich um die tatsachliche Kontaktvermittlung zwischen den Netzwerkteilnehmem. Die Kontakte miissen hergestellt, unterstiitzt, beendet und natiirlich abgerechnet werden. Beispielsweise stellen Telefongesellschaften die physische Verbindung zwischen den Gesprachspartnem her. Diese Leistung wird gegebenenfalls durch zusatzliche Services wie eine Konferenzschaltung erganzt. Natiirlich rechnet die Telefongesellschaft das Gesprach auch ab. Allerdings muss an dieser Stelle auch angemerkt werden, dass die Wertschopfung eines Netzwerks nicht ausschlieBlich in der tatsachlichen Kontaktvermittlung besteht. Manchmal kann bereits die Zugehorigkeit zu einem Netzwerk an sich von Nutzen fiir den Netzwerkteilnehmer sein, ohne dass der Netzwerkteilnehmer die Leistungen tatsachlich in Anspruch nimmt. Im Beispiel der Telefongesellschaft konnten die Netzwerkteilnehmer bereits einen Nutzen daraus ziehen, dass sie grundsatzlich per Telefon erreichbar sind. Diese grundsatzliche Erreichbarkeit kann dann bereits eine Wertschopfung fiir die Netzwerkteilnehmer darstellen, ohne dass sie tatsachlich miteinander in Kontakt getreten sind. Fiir die tatsachliche Herstellung der Kontakte ist dariiber hinaus eine physische und informelle Infrastruktur notwendig. So halten Telefongesellschaften ein Telefonnetz bereit und Kreditkartengesellschaften stellen Terminals zur Verfligung. Die tatsachliche Nutzung dieser Zugangsmoglichkeiten zum Netzwerk kann dann wiederum von informellen Regelungen abhangen. Dennoch ist die Infrastruktur eine entscheidende Grundlage, um die Netzwerkservices iiberhaupt anbieten zu konnen. Die oben bereits angesprochene Simultaneitat der primaren Aktivitaten wird besonders deutlich, wenn der Frage nachgegangen wird, mit welcher Aktivitat begonnen werden soil, um ein Netzwerk aufzubauen, in dem Wert geschaffen werden kann: Netzwerkpromotion, Netzwerkservices oder Netzwerkinfrastruktur? Ein Netzwerk kann ohne Netzwerkteilnehmer nicht betrieben werden. Anderseits kann ein Netzwerk auch nicht sinnvoU unterhalten werden, wenn keine Netzwerkservices zur Verfiigung gestellt werden konnen, d.h., wenn keine Kontakte vermittelt werden konnen. Ohne Netzwerkteilnehmer sind die Netzwerkservices jedoch wiederum wertlos. Ahnlich verhalt es sich mit der Netzwerkinfrastruktur. Sie ist dringend notwendig, um den Netzwerkteilnehmem eine Plattform zu bieten, iiber die die gewiinschten Kontakte hergestellt werden konnen. Ohne Netzwerkteilnehmer kann aber auch die Netzwerkinfrastruktur keine wertschopfende Wirkung entfalten. Aber auch die Netzwerkteilnehmer sind wertlos, wenn keine Netzwerkinfrastruktur zur Verfiigung gestellt werden kann, die von den Netzwerkteilnehmem als Kontaktplattform genutzt werden kann. Mit dem Wertnetz wird aus theoretischer Sicht eine dritte gmndlegende Annahme iiber die Wertschopfimg einer Organisation und die dieser Wertschopfimg zugrunde liegenden Wertschopfiingsprozesse getroffen. Die Simultaneitat der primaren Aktivitaten in der Wertschopfimgskonfiguration des Wertnetzes verdeutlicht, dass sich weder ein defmitiver Beginn noch ein eindeutiges Ende des Wertschopfiingsprozesses identifizieren lasst.
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Dartiber hinaus kann keine generelle Tendenz in Richtung einer favorisierten Wettbewerbsstrategie nachgewiesen werden. Wahrend die Wertkette grundsatzlich die Betrachtung in Richtung der Kostenfiihrerschaft, der Wertshop dagegen starker in Richtung der Differenzierung lenkt, gleichen sich die Argumente beim Wertnetz weitgehend aus. Die Kostenfuhrerschaftsstrategie kommt somit in Abhangigkeit der Ausgestaltung des Wertnetzes ebenso in Betracht wie die Differenzierungsstrategie.
3.
Wertschopfiingsprozesse in der Praxis
Die Analyse von Wertschopfungsprozessen aus theoretischer Perspektive hat deutlich gezeigt, dass der Erfolg einer solchen Analyse von der grundsatzlichen Annahme iiber die tatsachliche Wertschopfungsstruktur der zu analysierenden Organisation abhangt. Drei alternative Grundannahmen kommen dabei in Betracht. Die erste Annahme besteht darin, dass die Wertschopfung im Rahmen eines Transformationsprozesses erfolgt (Wertkette). Die zweite Annahme unterstellt, dass die Wertschopfung in einem Problemlosungsprozess ablauft (Wertshop). Der dritten Annahme zufolge resultiert die Wertschopfung des Untemehmens aus einem Intermediationsprozess (Wertnetz). Bevor jedoch postuliert werden kann, dass diese Annahmen zur Durchfiihrung einer Analyse der Wertschopfungsprozesse getroffen werden konnen, muss zunachst festgestellt werden, ob diese Annahmen iiber die Wertschopfung liberhaupt zutreffend sind. Damit stellt sich die folgende Frage: Findet die Wertschopfung in der wirtschaftlichen Realitat liberhaupt so statt, wie in der Theorie angenommen?
3.1 Aufbau der Studie Die zuvor diskutieren Modelle sind zur Beschreibung von Wertschopfungsprozessen nur dann geeignet, wenn sie die in der Realitat stattfmdenden Wertschopfungsprozesse adaquat abbilden. In der relevanten Literatur fmden sich bisher aber ausschlieBlich Studien, bei denen versucht wird, die Wertschopfungsprozesse unterschiedlicher Organisationen mit der Wertkette zu analysieren (z.B. Altobelli/Bouncken 1998). Die Analyse auf Basis altemativer Wertschopfungskonfigurationen spielt dagegen praktisch keine RoUe. Aus diesem Grund wird in diesem Beitrag ein explorativer Forschungsansatz verfolgt. Es muss der Frage nachgegangen werden, wie die Wertschopfungsprozesse in der Praxis tatsachlich ablaufen und welche Wertschopfungsstrukturen verschiedene Organisationen aufweisen. Die grundlegende Idee einer solchen explorativen Studie ist, Manager nach der Wertschopfungsstruktur und den Wertschopfungsprozessen ihrer Organisation zu befragen.
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Die Experten sollen aus ihrer subjektiven Perspektive schildem, wodurch die Wertschopfungsstruktur ihrer Organisation ausgezeichnet ist und auf Basis welcher Wertschopfungsprozesse und Wertschopfungsaktivitaten die Wertschopfung erstellt und das wirtschaftliche Uberleben der Organisation gesichert wird. Die Expertenbefragung richtet sich in dieser Studie bewusst an die Manager und nicht an die Kunden, da die Manager fundierte Auskiinfte iiber die Wertschopfungsprozesse in den Organisationen geben konnen, die den Kunden iiblicherweise verborgen bleiben. Die Expertenbefragung wurde als gelenktes Tiefeninterview durchgefiihrt. Die Grundlage eines jeden Interviews war ein Interviewleitfaden mit sieben Fragenkomplexen, mit denen die Tiefeninterviews strukturiert wurden. Die einzelnen Fragen wurden aufgrund von Literaturrecherchen (Thompson 1967; Freemann 1984; Porter 1985; Stabell/Fjeldstad 1998) und den im vorangehenden Abschnitt dargestellten Erkenntnissen zu verschiedenen Wertschopfungskonfigurationen entwickelt. Im Einzelnen behandelten die Fragenkomplexe die folgenden Inhalte: (1) Statistische Angaben (Untemehmen, Position, Berufserfahrung usw.) (2) Uberblick iiber die Aufgaben der Organisation (3) Stakeholderanalyse: Wer profitiert von den Aktivitaten? Wer ist NutznieBer? (4) Prioritatenreihenfolge der NutznieBer mit Begrtindung: Wer sind die wichtigsten NutznieBer? (5) Wertschopfung fur verschiedene NutznieBer: Was ist die Wertschopfung fiir die einzelnen NutznieBer? (6) Wertschopfungsprozess/Aktivitaten ftir verschiedene NutznieBer: Welche Aktivitaten werden durchgefiihrt, um die Wertschopfung ftir die NutznieBer zu erstellen? (7) Schwerpunkt des Geschaftsbetriebs: Welches Geschaft, welche Wertschopfung dominiert den Geschaftsbetrieb? Insgesamt bieten diese Fragen sowohl einen Uberblick iiber die jeweilige Organisation als auch einen Einblick in die Wertschopfiingsstruktur und die Wertschopfungsprozesse ftir einzelne Kundengruppen bzw. NutznieBer. Damit ist sichergestellt, dass die Experten sowohl auf die Wertschopfung ftir verschiedene NutznieBer als auch auf die zentralen Prozesse eingehen, die notwendig sind, um die Wertschopfung zu erstellen. Vor allem der letzte Fragenkomplex nach dem Schwerpunkt des Geschaftsbetriebes stellte zudem sicher, dass klar wird, auf welchem Geschaftsbereich und damit auf welcher Wertschopftingslogik der Schwerpunkt liegt. Es geht dabei um die Frage nach der dominierenden Wertschopfungslogik (Woratschek et al. 2006). Die Experteninterviews wurden jeweils von einem Interviewer und einem Protokollanten geflihrt, um eventuellen Verzerrungen durch den Einsatz von Aufzeichnungsgeraten vorzubeugen. Die Interviews dauerten zwischen einer und eineinhalb Stunden und wurden zwischen Dezember 2004 und Juli 2005 geftihrt.
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Ftir die Auswertung wurde literaturbasiert ein eigenes Verfahren entwickelt, um den sich aus den Forschungsfragen ergebenden Anforderungen (Abgleich zwischen theoretischen Wertschopfungsmodellen und wahrgenommenen Wertschopfungsprozessen) zu entsprechen. Dazu wurden die aufgezeichneten Aussagen zunachst paraphrasiert, d.h., es erfolgte eine Elimination der inhaltsleeren Textbestandteile. Im Anschluss daran wurden die einzelnen Aussagen den verschiedenen Fragen des Interviewleitfadens zugeordnet. Dabei waren Mehrfachzuordnungen moglich. Im nachsten Schritt wurden fur die Forschungsfragen jeweils inhaltsahnliche Aussagen zusammengefasst, so dass eine Verdichtung der Aussagen erfolgte. Nach diesem Schritt waren damit jeder Frage des Interviewleitfadens Schlagworte bzw. Uberschriften zugeordnet, unter denen entsprechende Antworten auf die Frage gesammelt wurden. Dieses Prozedere wurde fur jedes Interview einzeln durchgefiihrt, da anschliefiend beurteilt werden sollte, welche Wertschopfungslogik bei der betreffenden Organisation vorliegt. Diese Beurteilung erfolgte auf Basis eines Vergleichs zwischen den Charakteristika der Wertschopfungskonfigurationen und der von den Interviewpartnem beschriebenen Eigenschaften der eigenen Organisation. Der gesamte Auswertungsprozess wurde dazu von zwei unabhangig voneinander arbeitenden Forschem durchgefiihrt. Sie ordneten unabhangig voneinander die Antworten den jeweiligen Fragen zu und verdichteten ebenso unabhangig voneinander die Aussagen. Dabei wurde mittels einer Reliabilitatsmessung uberpriift, ob die beiden Forscher ein gemeinsames Verstandnis fur die Antworten entwickelt hatten. Ein gemeinsames Verstandnis kann unterstellt werden, wenn beide Forscher unabhangig voneinander eine bestimmte Aussage derselben Frage zuordnen und identische Verdichtungen wahlen. Der Reliabilitatsindex ist damit ein AhnlichkeitsmaB (Perreault/Leigh 1989). Je grofier die Ubereinstimmung zwischen den beiden Forschem, desto naher liegt der Reliabilitatsindex an dem Wert 1. Im vorliegenden Fall lag der Reliabilitatsindex durchgangig iiber 0,8 und erreichte im Durchschnitt einen Wert von 0,85. Die Zuordnungen der Forscher konnen damit als reliabel bezeichnet werden (Perreault/Leigh 1989). Dariiber hinaus wurde auch fiir die Verdichtung der Aussagen ein Reliabilitatsindex berechnet, der sich ebenso als reliabel bezeichnen lasst. Es kann dementsprechend insgesamt davon ausgegangen werden, dass die vorliegenden Ergebnisse dieser Studie reliabel sind, d.h., die Aussagen wurden von zwei unabhangig voneinander arbeitenden Forschem in ahnlicher Weise interpretiert.
3.2 Ergebnisse der Studie Im Verlauf der Datenerhebung wurden insgesamt 25 Manager aus unterschiedlichen Organisationen befragt. Die befragten Experten sind tatig fiir Vermarktungsagenturen, Eventagenturen, multifunktionale Sportanlagen, Messeveranstalter, Untemehmensberatungen, Reiseagenturen, Sportvereine, Sportverbande oder organisieren den Betriebssport eines Industriebetriebes. Bei der Auswertung der Experteninterviews hat sich deut-
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lich gezeigt, dass kein Manager die Wertschopfiingsstruktur bzw. die Wertschopfungsprozesse in der eigenen Organisation so wahmimmt, wie diese in der Wertkette beschrieben werden. In keinem der Interviews dominiert der Transformationsprozess als zentraler Wertschopfungsprozess. Allerdings fmden sich grofie Uberschneidungen zwischen den Beschreibungen der Manager hinsichtlich der Wertschopfung in ihren Organisationen sowie der zugehorigen Wertschopfungsprozesse und den Darstellungen des Wertshops und des Wertnetzes. Aus den gefiihrten Interviews manifestiert sich damit der aus der Theorie gewonnene Eindruck, dass die Analyse von Wertschopfiingsprozessen nicht alleine auf der Wertkette basieren kann. Die folgenden wortlichen Zitate geben einen Eindruck iiber die Aussagen der Manager zur Wertschopfixng ihrer Organisationen. Der nachste Absatz gibt zunachst Aussagen wieder, die deutlich auf die Wertschopfungslogik eines Wertshops hinweisen. Die Angaben in den eckigen Klammem kennzeichnen die jeweiligen Interviewpartner. So beginnt der Manager einer Beratung mit der folgenden Aussage: „Reputation ist flir uns in der Akquisitionsphase extrem wichtig [Al]." Der Manager einer Soflwareberatung sagt: „Gute Referenzen sind sehr wichtig. Insbesondere ... ist... auch die personliche Reputation sehr bedeutsam, da personliche Bindung eine groBe Rolle spielt [A2]." Damit zeigt sich deutlich, dass die Akquisition uber den guten Ruf lauft, wie dies bei Leistungsversprechen auch zu erwarten ist. Aber die Akquisitionsbemiihungen beziehen auch Anforderungen an die Kunden mit ein. So erwartet der Manager einer multifiinktionalen Sportanlage beispielsweise von seinen Interessenten, dass sie „lemwillige und leistungsorientierte Kinder und Jugendliche [A3]" sind. In die gleiche Richtung auBert sich der Manager des Betriebssports: „Wenn die Fiihrungskraft dahinter steht, dann bringt es was [A4]." Beide Manager machen deutlich, dass es ihnen darauf ankommt, dass die Kunden auch ein tatsachliches Interesse an ihren Angeboten haben. Nur wenn die potenziellen Kunden leistungswillig sind, ist die Zusammenarbeit sinnvoll. Der gleiche Manager des Betriebssports sagt femer: „Im optimalen Fall kommt die Fiihrungskraft mit Analysen zu uns; wir wissen dann, was Sache ist (z.B. Herz-Kreislauf). Wir konnen auch Analysen machen, aber meistens kommt die Fiihrungskraft zu uns [A4]." In diesem Fall ist ein Teil der Problemdefmition also bereits durch den Kunden erfolgt. In der Untemehmensberatung sieht das oft anders aus: „Die Problemfindung bereitet die inhaltliche Gestaltung des Vertrages vor [A5]." Hier zeigt sich, dass die Phase der Problemdefmition grundlegend fiir die weitere Wertschopfimg ist. Fiir den weiteren Ablauf ist es typisch ftir den Wertshop, dass es dem Manager auf die Unterstiitzung durch den Kunden ankommt. Offensichtlich erhoht diese Unterstiitzung die Erfolgsaussichten. Aber die Manager vertrauen nicht alleine auf die Kunden. Vielmehr arbeiten sie individuelle Konzepte fur die Kunden aus, wie der Manager einer Event-Agentur berichtet: „Die Sponsoren bekommen ein individuelles Konzept, das moglichst viele Ankniipfiingspunkte ... bietet [A6]." Dabei werden die Wiinsche der Kunden beriicksichtigt bzw. iiberarbeitet: „Die Vorschlage werden nach Wiinschen des Verbandes iiberarbeitet [A2]." Bevor es aber zu dieser tjberarbeitung kommen kann, sind die Projekte zunachst zu planen: „Nach den Vertragsverhandlungen folgt die Projektplanung. Die Organisation
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der Projekte ist immer unterschiedlich [A5]." Es zeigt sich hier, dass Problemlosungsprozesse genau die Individualitat aufweisen, die einem Transformationsprozess normalerweise fehlt. Die Projekte von Problemlosungsuntemehmen miissen auf die Kunden maBgeschneidert werden: „Der Kunde ist immer beteiligt und daher ist die Kommunikation das Allerwichtigste. Das zwischenmenschliche Verstandnis muss stimmen [A5]." Hier geht es um die Chemie zwischen den Problemlosem und den Kunden, Nur wenn ein gegenseitiges Verstandnis besteht, kann ein Problem erfolgreich behoben werden. Im Gegensatz dazu kommen die Mitarbeiter in klassischen Transformationsprozessen, wie die FlieBbandarbeiter in der Automobilindustrie, mit den Kunden nicht in Kontakt. Auch die Erwartung, dass im Zweifelsfall der Anbieter der Problemlosung fur einen fehlgeschlagenen Losungsversuch vom Kunden verantwortlich gemacht wird, trifft in der Realitat offensichtlich zu: „Es ist wichtig, dass das Konzept richtig umgesetzt wird, da ein Misslingen auf das Untemehmen zuruckfallt [A5]." Vor diesem Hintergrund erstaunt es umso mehr, dass Evaluationen der eigenen Leistung nicht zum Standardprogramm gehoren: „Eine Evaluation wird nicht immer vorgenommen, da entweder kein Interesse besteht oder keine fmanziellen Mittel zur Verfagung stehen [A5]." Hier sollten die Anbieter von Problemlosungen eigentlich aus eigenem Antrieb heraus eine Evaluation durchfuhren, um sich kontinuierlich zu verbessem. Natiirlich taucht bei Dienstleistungsbetrieben auch die Frage auf, warum die Kunden die entsprechende Leistung, also in diesem Fall die Problemlosung, nicht einfach selbst erstellen. Dazu gibt der Manager eines Marktforschungsinstitutes die folgende Antwort: „Die Kunden machen das nicht selber, weil wir die Expertise und Qualifikation haben, die den Untemehmen fehlt [A6]." Insgesamt zeigen diese Zitate damit, dass die Manager verschiedener Dienstleistungsbetriebe die Wertschopflingsprozesse ihrer Organisationen in Anlehnung an die Besonderheiten des Wertshops charakterisieren. Der nachfolgende Abschnitt gibt dagegen Aussagen wieder, die deutliche Hinweise auf die Wertschopfungslogik eines Wertnetzes geben. Die Auswertung der Aussagen von Managem der verbleibenden Organisationen zeigen deutliche Parallelen zum Wertnetz. Allen voran der Manager einer Messe: „Wir vemetzen Industrie, Fachhandler und Medien. Ich bin die eierlegende Wollmilchsau und kenne alle und bringe die Leute zusammen [Bl]." Dieser Manager ist fiir alle Interessenten da und versucht, den verschiedensten Anforderungen gerecht zu werden. So kann er auch nicht sagen, welche Messeteilnehmer fiir ein gutes Gelingen der Messe am wichtigsten sind: „Prinzipiell sind alle drei Gruppen (Industrie, Fachhandel und Medien) gleichbedeutend [Bl]." Dass der Manager keine Reihenfolge nach der Wichtigkeit angeben kann, ist wiederum typisch fiir Wertnetze. Dort sind alle Teilnehmer gleich wichtig, weil alle das Netzwerk als Plattform fiir ihre Geschafte oder andere Aktivitaten benutzen. Der Manager der Messe auBert an anderer Stelle klar den Plattformgedanken: „Wir konnen die Plattform bieten, damit Handel und Industrie sich treffen konnen [Bl]." Aber auch der Manager einer Reiseagentur sieht die Wertschopfung des eigenen Untemehmens darin, dass „Hotel und Kunde zusammengebracht werden [B2]." Dementsprechend kann hier von der Kontaktfunktion gesprochen werden. Der Manager der multifunktionalen
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Sportanlage formuliert eine besondere Anforderung an seine Aufgabe wie folgt: „Wir konnen nicht polarisieren, wir mtissen die Gaste integrieren. Fur uns ist es wichtig, dass ein Netzwerk aufgebaut wird mit entsprechenden Qualitatsstandards. Wir mtissen einen MaBstab finden, der bestimmte Gruppen zusammenbringt. Wir haben auch bestimmte Erwartungen an unsere Kunden, z.B. Akzeptanz von Kinderlarm oder Training nebeneinander mit schwer behinderten Kindem [B3]." Es zeigt sich damit deutlich, dass es den Managem um die Organisation von Netzwerken geht. Die Attraktivitat dieser Netzwerke hangt von den Netzwerkteilnehmem ab. Ahnliche Vorlieben und Interessen scheinen die Voraussetzung fiir die erfolgreiche Vermittlung zwischen den Teilnehmem zu sein. Dazu stellen die Netzwerkbetreiber eine Plattform bereit, die der Kontaktanbahnung, der Vertragsvermittlung oder der Distribution dienen kann. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die prasentierten Ergebnisse im Rahmen dieses Beitrags nicht vollstandig dargestellt werden konnen und naturlich nicht reprasentativ sind. Es handelt sich um die Ergebnisse einer explorativen, qualitativen Expertenbefragung, die einen Einblick in die Wertschopfungsstrukturen und die Wertschopfungsprozesse von verschiedenen Organisationen bietet. Allerdings wird bereits in dieser Studie sehr deutlich, dass die als Altemativen zur Wertschopfungslogik der Wertkette vorgestellten Modelle des Wertshops und des Wertnetzes offensichtlich auch in der Praxis von den Managem gesehen werden. Die Niitzlichkeit eines Ansatzes zur Analyse von Wertschopfungskonfigurationen, der ausschliefilich auf der Grundannahme der Wertkette beruht, ist damit in Frage zu stellen, wenn die Wertschopfungslogik der zu analysierenden Organisationen auf Problemlosungsprozessen oder Intermediationsprozessen basiert.
Fazit Die Diskussion und Analyse von Wertschopfungsprozessen in Theorie und Praxis zeigt deutlich, dass die dominierende Position der Wertkette zur Beschreibung und Analyse betrieblicher Wertschopfungsprozesse nicht gerechtfertigt ist. Die Wertkette mag flir die Analyse von Organisationen geeignet sein, deren Wertschopfungslogik auf Transformationsprozessen beruht. Fiir Dienstleistungen hingegen ist die Wertkette nur bedingt geeignet. Basiert die Wertschopfungslogik einer Organisation auf Problemlosungen oder Aktivitaten, die einer Intermediationsfunktion bedurfen, so sind die Modelle Wertshop und Wertnetz zur Analyse der Wertschopfungsprozesse besser geeignet (Stabell/ Fjeldstad 1998). Diese theoriebasierte Einschatzung konnte in vorliegendem Beitrag durch eine Expertenbefragung untermauert werden. Auch wenn die Ergebnisse dieser Expertenbefragung nicht reprasentativ und damit nicht verallgemeinerungsfahig sind, so geben sie doch eindeutige Hinweise darauf, dass die befragten Manager die Wertschopfungsprozesse in ih-
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ren Organisationen eher so beschreiben, wie es fiir die Modelle des Wertshops und des Wertnetzes charakteristisch ist. Parallelen zur Wertkette zeigen sich bei den gefiihrten Gesprachen im Dienstleistungsbereich dagegen nicht.
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Martin Benkenstein, Stephanie Steiner und Thomas Spiegel
Die Wertkette in Dienstleistungsuntemehmen
1. Prozessanalyse als Herausforderung des Dienstleistungsmanagements 2. Grundlagen und Vorgehensweise der klassischen Wertkettenanalyse 3. Die Wertkette in Dienstleisttingsuntemehmen 3.1 Anforderungen an und Arten von Wertketten in Dienstleisttingsuntemehmen 3.2 Wertaktivitaten fur Dienstleistungsuntemehmen mit projektorientierter Leistungserstellung 3.3 Wertaktivitaten fur Dienstleistungsuntemehmen mit kontinuierlicher Leistungserstellung 4. Analyseschwerpunkte der Wertkettenanalyse in Dienstleistungsuntemehmen 4.1 Analyse von Kostenstmkturen 4.2 Analyse von Differenziemngsoptionen 4.3 Analyse von Zeitvorteilen 5. Zusammenfassung Literatur
Prof. Dr. Martin Benkenstein ist Direktor des Instituts fur Marketing und Dienstleistungsforschung der Universitat Rostock. Dr. Stephanie Steiner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut fur Marketing und Dienstleistungsforschung an der Universitat Rostock. Dr. Thomas Spiegel ist Geschaftsfiihrer der NEV Holding in Hamburg.
1. Prozessanalyse als Herausforderung des Dienstleistungsmanagements Dienstleistungen wird eine zunehmend groBere Bedeutung in modemen Volkswirtschaften zuteil. Dieser Bedeutungszuwachs ftihrt nicht zuletzt auch zu einem Anstieg der Wettbewerbsintensitat im Dienstleistungssektor. Dies betrifft die Intensitat des Qualitats-, Kosten- und des Zeitwettbewerbs (Bruhn/Meffert 2001). Eine solch verscharfte Wettbewerbssituation kann nur mit einer konsequenten Wettbewerbsstrategie beherrscht werden (Miihlbacher et al. 1996). Die Suche und Umsetzung dauerhafter Wettbewerbsvorteile umfasst eine Vielzahl von Aktivitaten, die im Prozess des strategischen Marketing zusammengefasst sind (Meffert 1994). Einen besonderen Stellenwert hat dabei die strategische Analyse. Ihre Aufgabe ist es, entscheidungsrelevante Informationen aufzubereiten und Handlungsempfehlungen darzustellen. Auch Dienstleistungsanbieter miissen ihre Geschaftsfelder einer strategischen Analyse unterziehen. Gerade bei Dienstleistungen sind aber aufgrund ihrer Eigenschaften einige Besonderheiten zu beachten. Dienstleistungen stellen Arbeitsleistungen dar, die fur andere Wirtschaftseinheiten erbracht und von diesen als Prozesse in Anspruch genommen werden. Bei einer derartigen Interpretation sind Dienstleistungen in ihrer Quantitat und Qualitat beobachtbar und messbar (Spiegel 2003). Folglich sind im Rahmen der strategischen Analyse in Dienstleistungsuntemehmen vor allem prozessorientierte Methoden einzusetzen. Die Prozessorientierung und die damit verbundene Prozessanalyse haben in jungerer Vergangenheit sowohl in der Untemehmenspraxis als auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung an Bedeutung gewonnen (Benkenstein 1994). Dies ist vor allem darin begriindet, dass der ablauforganisatorische Aufbau von Untemehmen haufig nicht hinreichend optimiert ist. Insbesondere die LFberlagerung der Ablauforganisation durch hierarchische Strukturen behindert die Leistungsfahigkeit. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Prozessorientierung in Organisationen zunehmend an Bedeutung (FlieB 2006; Benkenstein 1994). Die in diesem Zusammenhang eingesetzten Instrumente der Prozessanalyse gehen dabei der Frage nach, welchen Ergebnisbeitrag die einzelnen Untemehmensprozesse liefem und wie sich eine Veranderung der Prozesse im Untemehmen auswirken konnte. Diese prozessorientierte Sicht fmdet auch beim Einsatz strategischer Analyseund Planungsinstrumente zunehmend Beachtung. In diesem Zusammenhang soil die Wertkette als eine im Wesentlichen strategisch gepragte Prozessanalyse und -gestaltungsmethode hinsichtlich ihrer Anwendungsmoglichkeiten sowie ihres Aussagegehaltes im Dienstleistungsbereich analysiert werden.
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2.
Martin Benkenstein, Stephanie Steiner und Thomas Spiegel
Grundlagen und Vorgehensweise der klassischen Wertkettenanalyse
Im Folgenden sollen aufbauend auf der Grundlage der Wertkette von Porter, deren Struktur und Vorgehensweise bei der Anwendung der Methode naher dargestellt werden. Die Wertkette stellt zum einen - wie in Abbildung 1 beispielhaft dargestellt ist - ein Grobraster eines Untemehmens dar, das sich in einzelne Wertaktivitaten aufteilen lasst (Gluck 1980). Diese werden dabei in primare und sekundare Aktivitaten unterteilt (Porter 2000). Zum anderen zeigt sie die Gewinnspanne auf, die durch den Wert auf der einen und die Kosten auf der anderen Seite entsteht.
Unternehmensinfrastruktur o Per$onalwirtsch^ft
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unvoUstandige Informationen unter den Wirtschaftssubjekten, '
(radikale) Unsicherheit im wirtschaftlichen Handeln und Ungleichverteilung von Wissen, Wollen und Konnen.
Bei der Beantwortung grundlegender Forschungsfragen einer „Theorie der Untemehmung" (Coase 1937; Foss 1993, S. 138f.; Freiling 2004a, S. 5; Langlois et al. 1995, S. 7; Osterloh et al. 1999) adressiert die CbTF zunachst insbesondere das folgende Erkenntnisziel (Gersch et al. 2005, S. 43): Erklarung der Wettbewerbsfahigkeit von Untemehmungen (auf Markten) aus der unterschiedlichen Verfugbarkeit von Ressourcen und Kompetenzen. In Anlehnung an Dieter Schneider (1997, S. 68f) ist die Wettbewerbsfahigkeit einer Untemehmung durch die Erftillung der Voraussetzungen fur ein Nichtscheitem im Markt-
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prozess gekennzeichnet. Wettbewerbsfahigkeit wird insofem als Grundlage fiir das Verbleiben in Markten interpretiert, das zumindest ausreichend die Erreichung der ex ante gesetzten Untemehmungsziele erlaubt. Es zielt einerseits gleichzeitig auf ein „Sichbehaupten-konnen" (gegentiber Wettbewerbem) und auf negative Einflusse anderer Akteure, andererseits auf ein „Sich-bewahren-konnen" gegenuber den Marktprozessen der Marktgegenseite (Kunden und Lieferanten) (Schneider 1998, S. 68; Freiling 2004a, S. 7). Die in diesem Kontext angesiedelten grundlegende Kausalstrukturen werden in den nachfolgenden Abschnitten 4 und 5 skizziert. Hierbei scheint die CbTF auch in der Lage, die in der Literatur diskutierten und eingangs genannten Besonderheiten dienstleistungsbezogener Wertschopfungsprozesse zu adressieren.
Kompetenztheoretische Wertschopfung im Dienstleistungsbereich in der Momentaufnahme Wesentliche Elemente kompetenzorientierter Ansatze werden durch Abbildung 2 benannt und in ihrem Verhaltnis zueinander in Beziehung gesetzt. Die Abbildung visualisiert gleichzeitig einen Teil der Kausalstruktur zur Erklarung, wie Untemehmen ihre aktuelle und zukunftige Wettbewerbsfahigkeit am Markt zu sichem gedenken. Die in Abbildung 2 verwendeten Begrifflichkeiten seien wie folgt definiert (eine ausfuhrliche Darstellung und Diskussion findet sich u.a. bei Freiling et al. 2006, S. 47ff.; Gersch etal. 2005, S.44ff): Inputgiiter sind homogene, prinzipiell marktgangige, untemehmensextem oder -intern erstellte Faktoren, die den Ausgangspunkt weiterer Verwertungs- und Veredelungsaktivitaten bilden. Sie werden entweder direkt im Rahmen von Leistungserstellungsprozessen zur Herstellung von Leistungsangeboten fiir die relevanten Markte der Untemehmung verwendet oder durch nachfolgende Konfigurations- und Veredelungsprozesse zu Ressourcen und somit Bestandteil der zukiinftigen Leistungsbereitschaft einer Untemehmung. Ressourcen sind das Ergebnis mittels von Veredelungsprozessen weiterentwickeher Inputgiiter, die wesentlich zur Heterogenitat der Untemehmung und zur Sicherstellung aktueller und zukiinftiger Wettbewerbsfahigkeit der Untemehmung beitragen (sollen). Ressourcen sind aufgmnd der erfolgten Veredelungsprozesse regelmaBig nicht marktgangig, sondem zeichnen sich durch eine mehr oder minder hohe Unternehmungsspezifitat aus, die gleichzeitig als Isolationselement diese potenziellen Quellen von Wettbewerbsfahigkeit und gegebenenfalls sogar Wettbewerbsvorteilen vor unerwiinschter Aneignung, Imitation und/oder Substitution durch Dritte schiitzt
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(Freiling 2001, S. 98ff.). Ressourcen sind nur Handlungsgrundlage und somit im Rahmen konkreter Geschaftsprozesse zu nutzende Elemente. AUein die Existenz und Verfugbarkeit von Ressourcen in einem Zeitpunkt oder uber einen Zeitraum reichen nicht aus, um erfolgreich Marktzufuhr- und Marktprozesse zu realisieren. Mit ihren Eigenschaften determinieren sie nicht das konkrete Handeln, aber sie restringieren und ermoglichen es (Ortmann 2004). Kompetenzen sind wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufalhge Handlungspotenziale einer Organisation, die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukiinftiger Leistungsbereitschaften als auch konkreter Marktzufuhr- und Marktprozesse (Schneider 1997, S. 56) ermoglichen. Sie dienen dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsfahigkeit und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile. Sie sind ein bestandiges, aber nicht statisches Potenzial zum Handeln in zielorientierter Weise. Dabei konnen Kompetenzen als BestandsgroBen in einem Zeitpunkt interpretiert werden, die: Objekt und Gegenstand zielgerichteter Dispositionen sein konnen (z.B. Verbesserung zukiinftiger Leistungsfahigkeit durch Training), jeweils durch Aktivierung und Nutzung auch handlungslenkend fimgieren und insofem als „Handlungsvermogen" (aber eben nicht selbst als Handlung) zu sehen sind, situationsbezogen Orientierungsvermogen stiften, was sich vor allem in der Nutzung zuganglichen Wissens manifestiert, auch auf neue Gegebenheiten und in veranderlichen situativen Kontexten angewendet werden konnen und miissen sowie wiederholt nutz- und abrufbar sind und hierdurch selbst wieder Veranderungen erfahren. Kompetenzen sind daher ein „Immer-wieder-konnen" (Ortmann 2004) und eine wiederholt abrufl)are Eigenschaft des jeweiligen Tragers. Unabdingbarer Bestandteil jeder Kompetenz ist eine Urteilskraft des handelnden Akteurs bzw. der handelnden Akteure. Diese .phronesis" (Ortmann 2004, S. 9 in Anlehnung an Aristoteles) hat die schwierige Aufgabe, allgemeines Wissen, allgemeine Standards und Entscheidungskriterien auf besondere, einzigartige, immer wieder neue situative Umstande zu beziehen, jeweils auf eine angemessene, die Handlungsfolgen steuemde Weise. In Abhangigkeit von der Gleichformigkeit zukiinftig notwendiger Faktoren und Prozesse kann diese Urteilskraft durch verschiedene Formen der Standardisierung (Gersch 1995a; Stauss 2006) substituiert werden. Dies wird z.B. bei so genannten E-Services (Bruhn 2002; Gersch 2004) sogar zur notwendigen Voraussetzung, um Serviceprozesse IT-gestutzt realisieren bzw. ganz automatisieren zu konnen.
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Abbildung 2: Grundlegende Kausalstruktur der CbTF (Quelle: Gersch et al. 2005, S. 44) Die Wettbewerbsfahigkeit beruht in der Kausalitat der CbTF auf der (relativen) Verfiigbarkeit von (homogenen, insbesondere aber heterogenen, spezifizierten) Potenzialen, die in der Bereitstellungsleistung von Dienstleistungen ihren Ausdruck finden. In einzelnen Augenblicken verfiigt eine Untemehmung insofem uber ein .JtConnenhaben'' (Ortmann 2004; Gersch et al. 2005, S. 5Iff.) als aktuelles Handlungsvermogen, welches durch das Gefiige aus dann jeweils verfiigbaren Inputgiitem, Ressourcen und Kompetenzen bestimmt wird. Das von einzelnen Zeitpunkten aus in Zukunft erreichbare Handlungsvermogen kann entsprechend als .^abenkonnen'' bezeichnet werden. Dies kann interpretiert werden als zukunftsgerichtetes Entwicklungs-, Veranderungs- und Erganzungspotenzial aktuell und zukiinftig verfiigbarer Inputgiiter, Ressourcen und Kompetenzen, die durch konkrete Prozesse wieder in jeweils zeitpunktbezogen zu defmierendes „Konnenhaben" liberfuhrt werden muss. Auf die moglichen Begrenzungen verfiigbarer Handlungsraume wird nachfolgend in den Ausfiihrungen in Abschnitt 5.2 eingegangen. Die verfugbare Bereitstellungsleistung kann nur dann zu verwertbaren Ergebnissen fiihren, wenn jeweils eine zielgerechte Aktivierung stattfmdet. Dieser bislang in der Dienstleistungsforschung noch nicht hinreichend ausgeleuchtete Bereich wird durch die Kompetenzen abgedeckt. Kompetenzen aktivieren die Bereitstellungsleistung und lenken sie in wiederholbarer, wissensbasierter, regelgeleiteter und nicht zufalliger Weise in Richtung auf die Erfullung der Kundenbedtirfnisse. Damit ermoglichen sie die (Re-)Konfiguration der in einzelnen Zeitpunkten jeweils verfiigbaren Leistungsbereitschaft sowie die
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Durchfiihrung konkreter Leistungserstellungsprozesse im Dienstleistungsbereich, durch die wiederum die Leistungsbiindel als Absatzobjekte entstehen. Die CbTF betont die Bedeutung der Ausiibung von Untemehmerfunktionen (Freiling 2001; Schneider 2001a) zur Aktivierung, Durchfiihrung, Steuerung, Koordination und Uberwachung konkreter Handlungen (Gersch et al. 2005, S. 87ff.).
Abbildung 3: Die Untemehmung - modelliert im „Open System View" (Quelle: Sanchez/Heene et al. 1996, S. 41) Fine einzelne Untemehmung im Wettbewerbsprozess auf Markten wird im Rahmen der CbTF und in Anlehnung an Sanchez und Heene als offenes System („Open System View", Sanchez et al. 1996) modelliert (siehe Abbildung 3). Die direkt wertschopfungsbezogenen Systemelemente (intangible und tangible Faktoren, Prozesse und Leistungsergebnisse) werden durch die so genannte „Strategic Logic" und die Managementprozesse, die zueinander in rekursiver Beziehung stehen, gesteuert. Durch Aktivierung der Systemelemente im Kontext der Marktanforderungen erfolgt eine Ausrichtung auf die Einzeltransaktionen im in Abschnitt 2 skizzierten Sinne. Dabei bietet der Open System
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View die Moglichkeit, die Integration sowohl kunden- als auch lieferantenseitig zu erfassen und zu erklaren. Integrativitat und Immaterialitat als konstituierende Merkmale von Dienstleistungen manifestieren sich in der Kausalitat der CbTF an den Eigenschaften auf der Ebene der jeweils zu verwendenden Elemente der Leistungsbereitschaft und Leistungserstellungsprozesse bzw. an den Eigenschaften der Absatzobjekte versuchter bzw. realisierter Transaktionsprozesse am Markt: Immaterialitat bezieht sich auf den Anteil und die Bedeutung materieller Komponenten am Leistungsbiindel („product offerings") als Absatzobjekt (Engelhardt et al. 1993). Integrativitat kennzeichnet den Umstand, dass ein Leistungsergebnis, welches aus Kundensicht zur Befriedigung der Bediirfnisse erforderlich ist, nicht ohne exteme Faktoren, im Sinne der CbTF zugehorig zu den so genannten „firm-addressable resources", erstellt werden kann. Es ergibt sich die Notwendigkeit, interne und exteme Faktoren zu kombinieren. Mit extemen Faktoren sind im Falle der Dienstleistungserstellung insbesondere kundenspezifische Faktoren zu verstehen, die uber die von Kleinaltenkamp und Haase (Kleinaltenkamp/Haase 1999; Kleinaltenkamp 2005) genannten Eigenschaften verfiigen: Sie werden dem Anbieter vom Nachfrager fiir einen konkreten Leistungserstellungsprozess zur Verfiigung gestellt. Sie unterliegen nicht der autonomen Disposition des Anbieters. Sie werden mit intemen Faktoren des Anbieters kombiniert. Sie werden in den Leistungserstellungsprozess integriert. In der Kausalitat der CbTF konnen exteme Faktoren auch transaktionsiibergreifend in die integrativen Prozesse zur Anpassung der Bereitstellungsleistung integriert werden (Handlungsebene der relevanten Markte und/oder einzelner Geschaftsbeziehungen). Daruber hinaus ermoglicht der Open System View die Berlicksichtigung der Integration anderer Faktoren, die weder vom Kunden noch vom Dienstleistungsanbieter, sondem von dessen Lieferanten oder Kooperationspartnem zur Verfiigung gestellt werden und fiihrt sie ebenfalls auf absolute und relative Faktorengpasse zurlick. Oft als rein innenorientierter Ansatz missverstanden, verfugt die kompetenzorientierte Forschung insofem insgesamt uber das Leitbild einer offenen und stringent marktorientierten Systemarchitektur, durch die es Faktorengpasse aufzulosen gilt. Hierbei wird ausdriicklich auf die Notwendigkeit einer Integration so genannter „firm-addressable resources" hingewiesen, die sich auch auf die kundenseitigen Faktoren als Input fur die Dienstleistungserstellung beziehen lassen. Hierdurch erfolgt nicht nur kontinuierlich der „Market Feedback", indem Erfahmngen aus realisierten Transaktionsprozessen zur Gmndlage und zum Ausgangspunkt der anbieterseitigen (Re-)Konfiguration kiinftig ver-
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fligbarer Leistungsbereitschaft wird (Kleinaltenkamp 1993; Kleinaltenkamp/Frauendorf 2006; Weiber/Jacob 2000). Es lasst sich auf Basis dieser Perspektive zugleich der dispositive Einfluss klaren, der vom Kunden ausgeht und maBgeblich die multiple Rolle des Kunden in der Dienstleistungserstellung (z.B. Co-Producer, Substitute for Leadership) im Sinne von Lehmann (1998, S. 839) erklart. Dass auch die in Abschnitt 2 skizzierten Handlungsebenen berucksichtigt werden konnen, lasst sich ebenfalls der Abbildung 3 entnehmen: Die Aktivierung des Wertschopfungssystems flihrt zunachst zur Ausrichtung auf die Einzeltransaktion. Auf Basis der Einzeltransaktion erhalt der Anbieter eine Riickkopplung vom Markt, die auf der linken Seite der Abbildung erkennbar ist und zu Anpassungen auf den einzelnen Systemebenen fiihrt. Diese Anpassungen konnen transaktionsbezogen sein, sich aber auch auf den Kunden generell beziehen. Uber Spill-over-Effekte bzw. der Anwendung von z.B. LeadUser-Konzepten (Hippel 1986) wird der Anbieter aber ebenfalls (Re-)Konfigurationen im Hinblick auf die Segment- bzw. Marktebene vomehmen. Die Abstimmung mit aktuellen und zukiinftigen Marktanforderungen generell und insbesondere mit den Anforderungen aktueller und potenzieller Kunden sowie die damit verbundene (Re-)Justiemng der eigenen oder auch fremder Wertschopfungssysteme (Kunden, Lieferanten- und Kooperationspartnerintegration) ist dabei abhangig von einer zentralen GroBe, die im Rahmen der CbTF-Darstellung bereits defmiert wurde, im Open System View aber nicht explizit visualisiert wird, sondem hinter den Systemelementen steht: die Kompetenzen, Sie sind fiir die Dienstleistungsforschung und das Dienstleistungsmanagement erforderlich, um: (1) das handlungsebenenubergreifende Zusammenspiel von Prozessen erfassen zu konnen, (2) dadurch die Bereitstellungsleistung - bezogen auf die Anforderungen einer Transaktion - zielgerichtet aktivieren zu konnen, (3) die Leistungserstellungsprozesse unter Einbeziehung von Faktoren der anderen Marktseite und im Sinne der Zufriedenstellung des Kunden zu organisieren, (4) das durch die Teilnahme an diesbeziiglichen Marktprozessen hinzugewonnene Wissen zur Anpassung des Wertschopfungssystems zu verankem und (5) neue Impulse zur visionsgestlitzten Weiterentwicklung des Leistungsspektrums generieren und umsetzen zu konnen. Hierauf gehen die Uberlegungen des nachfolgenden Abschnittes vertiefend ein.
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5.
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Kompetenztheoretische Wertschopfung im Dienstleistungsbereich in der evolutorischen Perspektive
Die kompetenzbasierte Theorie der Untemehmung gehort als Teil der Marktprozesstheorien zum Kreis der evolutorischen Okonomik und thematisiert die Historizitat wirtschaftlich relevanter Ereignisse: Handlungen in der Vergangenheit beeinflussen die Ausgangssituation und die Handlungsspielraume in Gegenwart und Zukunft (Schneider 2001b). Dadurch werden Veranderungen im Wissensstand der handelnden Akteure oder der Bereitstellungsleistung ebenso erfassbar wie z.B. die Entstehung von Werten im Verhaltnis von Anbieter und Nachfrager, wie sich dies etwa anhand des Vertrauens nachvollziehen lasst.
5.1 Visionare Prozesse und Marktmckkopplungen zur Gestaltung und Nutzung verfugbarer Leistungsbereitschaft Die Gestaltung und Nutzung des jeweils in einzelnen Zeitpunkten verfugbaren „Konnenhabens" inklusive der Uberfiihrung des Handlungspotenzials in konkrete Leistungsangebote durch Realisierung von Marktzufuhr- und Marktprozessen sowie die Analyse, Planung und Gestaltung des zukunftsgerichteten „Habenkonnens" inklusive der Umwandlung in zeitpunktbezogen verfiigbares „Konnenhaben" durch Entwicklungs-, Anpassungs- und Akquisitionsstrategien als notwendig erachteter Inputgliter-, Ressourcenund Kompetenzgeflige sind zentraler Gegenstand der CbTF. Die Akteure handeln hierbei unter radikaler Unsicherheit, d.h., sie werden regelmaBig Prognoseirrtumem und Uberraschungen hinsichtlich untemehmungsextemer sowie -intemer Gegebenheiten erliegen. Gerade mit Blick auf die Anbieter-Nachfrager-Interaktion eroffnet der Open System View die Moglichkeit, hierbei die Ruckkopplungen vom Markt zu erfassen und die damit verbundenen Veranderungen im Wertschopfungssystem von Dienstleistungsbetrieben als kontinuierlichen organisationalen und individuellen Lemprozess der Beteiligten abzubilden (Harper 1995). Dabei wird ersichtlich, dass nicht nur die Prozesse, sondem auch die Potenziale des Anbieters betroffen sind, was der Realitat von Dienstleistungsbetrieben entspricht. Weiterhin wird durch die evolutorische Perspektive der Blick auf die (auch weiter entfemt liegende) Zukunft gerichtet. Dabei gilt es, grundsatzliche Veranderungen der dienstleistungsbezogenen Bedtirfnisse ebenso zu beriicksichtigen wie die moglichen Veranderungen im anbieterseitigen Wertschopfungssystem. Speziell geht es darum, neue Leistungskonzepte und Geschaftsmodelle zu entwickeln, die iiber ein gegenwartsbezogenes Vorstellungsvermogen insbesondere der Nachfrager hinausreichen, sowie zur Ge-
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staltung und Besetzung zukiinftiger Markte beitragen. Ganz in diesem Sinne haben Hamel und Prahalad (1994) die Vorstellung vom dreiphasigen Wettbewerb urn Zukunftsmdrkte entwickelt, die auf die visionsbasierte Gestaltung neuer Leistungsbereitschaften und Leistungen (so genannte „Strategische Architekturen") abstellt. Abbildung 4 skizziert diesen Zusammenhang.
Abbildung 4: Relevante Phasen eines evolutorisch interpretierten Wettbewerbs (Quelle: in Anlehnung an Hamel/Prahalad 1999, S. 86) Hierbei entsteht ein Spannungsfeld gerade in der Parallelitat aktueller Marktanforderungen einerseits sowie andererseits der mehr oder minder genauen Antizipation zukiinftiger Veranderungen auf der Marktebene, die - auch unter Berucksichtigung der hierfiir benotigten Zeit - bereits aktuell eine entsprechende (Re-)Justierung der zukiinftig verfligbaren Leistungsbereitschaft erfordert (O'DriscoU et al. 2001).
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5.2 Wirksame Grenzen moglicher Entwicklungs- und verfugbarer Handlungsraume auf Untemehmens- und Marktebene Eine besondere Aufmerksamkeit erfahren im Rahmen der evolutorischen CbTF-Perspektive diejenigen Mechanismen und Wirkungszusammenhange, die die mehr oder minder kontinuierlichen Anpassungs- und Veranderungsprozesse auf Untemehmens- und Marktebene befordem und/oder behindem (Gersch 2006; Gersch/Goeke 2006). Sie bestimmen die Rahmen relevanter Entwicklungs- und Handlungsraume, die in Anlehnung an Dosi (1982; Stimpert et al. 1998; Windeler 2003) auch als „Trajektorien" bezeichnet werden. Innerhalb dieser .^ntwicklungstrichter" ist eine Anpassung deutiich einfacher und wahrscheinlicher als auBerhalb der relevanten Grenzen. Vereinfachend und hier nur uberblicksartig dargestellt, sind zumindest die folgenden drei Aspekte zu beachten: 1. HistohzitdV. Als Historizitat sei der grundsatzliche Umstand bezeichnet, dass Entscheidungen und Ereignisse auf einer Zeitachse zu interpretieren sind, sich gegenseitig beeinflussen und nicht beliebig revidierbar sind (unter anderem Helfat et al. 2002; Langlois 1995; Teece et al. 1994a; 1994b). Aktuell beobachtbare Eigenschaften von Betrachtungsobjekten sind das Ergebnis historischer Entwicklungslinien, die auch anders hatten verlaufen konnen. Grundlegend sind hierbei die Annahmen der (moglichen) Irreversibilitat einmal getroffener Entscheidungen und eingetretener Ereignisse sowie die grundsatzliche Existenz zeitraumbezogener Entscheidungsund eingetretener Ereignisverbunde. Irreversibilitat bedeutet, dass die Konsequenzen einmal getroffener Entscheidungen regelmaBig nicht vollstandig (und schon gar nicht ohne Inkaufnahme von Koordinationskosten) riickgangig gemacht werden konnen. Allgemein kann von einem Zeitraumverbund gesprochen werden, wenn die Wahl einer Entscheidung (oder die Auspragung eines Ereignisses) in der Gegenwart die Wahrscheinlichkeit fiir die Auswahl von Entscheidungen in der Zukunft beeinflusst [Ghemawat (1991) unterscheidet hierbei zwischen ,Commitment': Wahrscheinlichkeit der Folgeentscheidung/des Folgeereignisses wird erhoht, „Entscheidungen ohne Gedachtnis'7,memorylessness': kein Einfluss durch/auf andere Entscheidungen/Ereignisse und ,contradictionary': Entscheidung/Ereignis verringert die Wahrscheinlichkeit einer zuklinftigen Entscheidung]. Hierdurch ergeben sich so genannte „Lock-in-" und „Lock-out-Effekte" (Freiling 2001). Bei wirksamen Lockin-Effekten sind zukunftige Entscheidungen/Ereignisse auf einen mehr oder minder engen Korridor moglicher Folgeentscheidungen bzw. -ereignisse begrenzt. Lockout-Effekte dagegen verhindem, dass Entwicklungen eine bestimmte Richtung einschlagen konnen bzw. Untemehmungen auf einmal verlassene Pfade zuruckkehren konnen. In anderen Zeitpunkten gegebenenfalls noch bzw. wieder mogliche Entwicklungsoptionen sind demnach aktuell nicht realisierbar. Spezifitat sowie die Pfadabhangigkeit i.e.S. sind zwei der moglichen Ursachen/Erscheinungsformen der Historizitat.
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2.
Positive Ruckkopplungen und Pfadabhdngigkeit i.e.S.: Besonderes Kennzeichen der Pfadabhangigkeit i.e.S. ist die Existenz und Wirksamkeit sich selbst verstarkender Entwicklungsprozesse, die zu einem Entwicklungspfad als Summe einer Vielzahl von Einzelentscheidungen und Ereignissen fiihren, die von keiner iibergeordneten Instanz intendiert oder gar gelenkt werden, sondem die Ergebnisse einzelner Entscheidungen handelnder Akteure darstellen. So genannte „positive Ruckkopplungen" (increasing returns) (u.a. Ackermann 2001; Arthur 2000; Schreyogg/Sydow/ Koch 2003; Sterman 2000) sind die Ursache fur die sich selbst verstarkenden Entwicklungsprozesse, die eine Art „Automatismus" auslosen, also eine pfadabhangige Entwicklung prajudizieren, ohne dass es weiterer extemer Impulse oder Eingriffe bedarf. So genannte „Biftirkationspunkte" kennzeichnen wichtige Zeitpunkte in der Entwicklungsabfolge, in denen es sich - z.B. aufgrund von Zufallen oder Entscheidungen einzelner - entscheidet, welche weitere Richtung der Entwicklungspfad einnimmt (unter anderem Arthur 1989; Ackermann 2003). In der Literatur wird betont, dass es sich hierbei regelmaBig um so genannte „small events" handelt, deren Bedeutung und Wirkung zumeist nur ex post richtig eingeschatzt werden kann (unter anderem Arthur 2000, S. 122). In der Literatur ist die Pfadabhangigkeit i.e.S. fiir verschiedene okonomisch relevante Teilbereiche diskutiert, u.a. fiir technologische Entwicklungspfade (z.B. David 1975; 1985; 1986), fur institutionelle Entwicklungspfade (z.B. Ackermann 2001; Kappelhoff 2002) oder fiir ressourcen- und kompetenzorientierte Entwicklungspfade (z.B. Kappelhoff 2004; Schreyogg et al. 2003). Ursachen und somit Triebkrafte der sich selbst verstarkenden Prozesse durch positive Ruckkopplungen differieren je nach Teilbereich, lassen sich aber ursprunglich auf folgende drei generische Aspekte zuriickfuhren, die entweder die Nutzeneinschatzung der individuellen Entscheider in den einzelnen Entscheidungszeitpunkten oder die von den Entscheidem wahrgenommene Bandbreite der als relevant angesehenen Handlungsaltemativen betreffen (Ackermann 2003, S. 236ff.): (1) Koordinationseffekte, (2) Komplementaritatseffekte und (3) Lemprozesse sowie sozioemotionale und kognitive Prozesse.
3.
Spezifitdt aus evolutorischer Perspektive: Zeitraumbezogene Ereignis- und Entscheidungsverbunde konnen auch durch okonomische Rigiditaten (Immobilitaten) begrtindet werden, die keinerlei sich selbst verstarkende Entwicklungstendenzen aufweisen mtissen (Jenner 1998), aber dennoch durch ihre Auspragungen in Form eingeschrankter Ubertrag-ZTransferierbarkeit aktuelle und zukiinftige Entscheidungen einzelner Akteure nachhaltig beeinflussen konnen (Schneider 1992). Von zentraler Bedeutung ist hierbei das Konstrukt der Spezifitat. Hierbei ist zu beachten, dass das vor allem in der Transaktionskostentheorie gepragte Verstandnis von Spezifitat als „Netto-Nutzen-Differenz der erst- und zweitbesten Verwendungsaltemative einer getatigten Investition bzw. eines geschaffenen Assets" (vgl. zur „QuasiRente" exemplarisch Klein et al. 1978, S. 298; Gersch 1998, S. 99ff) zumeist nur komparativ-statisch entwickelt ist. Hierdurch ist es zumeist verkiirzt auf den Vergleich von Verwendungsaltemativen durch einen „Investor" in einem, maximal zwei
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Zeitpunkt(en). In einer evolutorischen Interpretation dagegen ist eine Vielzahl von Ursachen zu beachten, die eine einmal bewertete und in einzelnen Entscheidungszeitpunkten als wirksam erachtete Spezifitat im Zeitablauf variieren kann (Gersch 2006). Dies reicht von Umfeldveranderungen tiber neue Erkenntnisse beziiglich moglicher Verwendungsaltemativen fiir den Investor bis zu qualitativen Veranderungen der Assets im Zeitablauf. Entsprechende (De-) Spezifizierungsstrategien einzelner Akteure konnen daher im Zeitablauf auf die Einengung bzw. Ausweitung verfiigbarer Handlungsraume und Entwicklungskorridore zielen.
6.
Fazit
Zusammenfassend ist festzusteilen, dass die „Competence-based Theory of the Firm" einen Bezugsrahmen liefert, der sich auf das dienstleistungsbezogene Wertschopfungssystem direkt anwenden lasst und zudem alle relevanten Handlungsebenen des Dienstleistungsmanagements zu erfassen im Stande ist. Insofem bietet sie eine Moglichkeit, sich Dienstleistungstransaktionen theoriefundiert zu nahem: Sie hilft, Transformationsund Transaktionsfragen im Kontext von Dienstleistungstauschprozessen einzeln und primar operativ zu durchleuchten. Weiterhin ist sie geeignet, weit tiber die Einzeltransaktion hinauszublicken, was sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht zu verstehen ist. Der letztgenannte Aspekt fuhrt zu einer interessanten und noch ausbaufahigen Betrachtung organisationaler Entwicklungspfade als prinzipiell unendliche, unumkehrbare und idiosynkratische Abfolge von Ereignissen und Entscheidungen mit jeweils wieder pradispositiven Elementen und Auswirkungen. Die CbTF-Betrachtung hat iiberdies erkennen lassen, dass bislang primar auf deskriptivem Wege erfasste Aspekte von Dienstleistungen auch analytisch tiefer durchdrungen werden konnen. Dabei ist zu betonen, dass die CbTF bei weitem nicht nur Bekanntes erklart, sondem in ihren Erklarungspotenzialen neue Akzente fur die Dienstleistungsforschung zu setzen im Stande ist. Besonders zu betonen ist, dass sie im Gegensatz zu anderen Theorieansatzen eine stark strategisch ausgerichtete Perspektive fiir das Management bietet, die auch fiir die Dienstleistungspraxis von Interesse sein diirfte. Vor allem die Betonung von Moglichkeiten und Notwendigkeiten pro-aktiven Handelns zur Generierung und Nutzung sich bietender untemehmerischer Chancen zeichnet den Ansatz aus. Die integrierte Sichtweise des untemehmerischen Handelns einzelner Akteure bei der Realisierung von Marktzufuhr- und Marktprozessen einerseits sowie der sich hierdurch konstituierenden Markte und Branchen andererseits eroffnet grundsatzlich neue Perspektiven, die es unter anderem ermoglichen, Veranderungsprozesse aus einer bisher fehlenden theoretischen Sicht evolutorisch und ganzheitlich zu interpretieren. Das Suchen und Ergreifen individuell antizipierter Chancen als Kern des untemehmerischen Handelns wird zur zentralen Triebfeder der okonomischen Interpretation von Untemehmen, Mark-
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ten und Branchen sowie kontinuierlicher Veranderungsprozesse im Zeitablauf. Ursachen, Bedingungen und Zufalligkeiten im Hinblick auf Erfolg und Misserfolg von Dienstleistungsanbietem mtissen vor diesem Hintergrund neu iiberdacht werden. Nicht zu tibersehen ist indes, dass die CbTF trotz ihrer grundsatzlichen Eignung fur die Dienstleistungsforschung bei weitem noch nicht so weit entwickelt ist, dass sie auf groBer Breite zu finalen Gestaltungsempfehlungen beitragt. Auch konnen bestimmte Grundprobleme des Ansatzes zumindest bis jetzt noch nicht als gelost angesehen werden. Hierzu gehort die noch geringe PrognosevaHditat des Ansatzes. Zum Teil sind die Probleme mit dem noch jungen Entwicklungsstand des Ansatzes und noch weitgehend fehlenden Anwendungen im Bereich der Dienstleistungsforschung zu erklaren. Manche grundlegenden Probleme scheinen - typisch fiir evolutorisch-komplexe Forschungskonzepte (Hayek 1972) - theorieimmanent und werden sich vielleicht auch mit zunehmender ErschlieBung des Ansatzes nicht abschlieBend losen lassen. Ein Grund, den Ansatz nicht ausgiebiger zu erschlieBen, ist das aber nicht.
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Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und Ralf Gossinger
Gestaltung modularer Dienstleistungsproduktion
1. Problemstellung 2. Modularisierung als Koordinationsproblem 2.1 Ermittlung des Koordinationsbedarfs 2.2
Erflillung des Koordinationsbedarfs
3. Ausblick Literatur
Univ.-Prof. Dr. Hans Corsten ist Inhaber des Lehrstuhls fur Produktionswirtschaft an der Universitat Kaiserslautem. Dipl.-Kfm. Kai-Michael Dresch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl. Univ.-Prof. Dr. Ralf Gossinger ist Inhaber des Lehrstuhls fiir Produktion und Logistik an der Universitat Dortmund.
1.
Problemstellung
Die Modularisiemng von Dienstleistungen wird in der Literatur aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, wobei neben beispielhaften Analysen auf der Grundlage von Fallstudien (Burr 2002, S. 105ff.; Meier et al. 2003, S. 68ff.) die Modu-larisierung insbesondere im Rahmen des Spannungsverhaltnisses zwischen Standardisierung und Individualisierung thematisiert wird (Dichtl 1998, S. 25ff.; Jacob 1995, S. 3ff.; Mayer 1993, S. 35ff.; Schackmann 2003, S. 9ff.; im Kontext von Mass Customization: Biittgen/Ludwig 1997, S. 9ff.; Gilmore/Pine 1997, S. 91ff.; Filler 2000, S. 200ff.; Pine 1984, S. 65ff.; Reichwald et al. 2002, S. 225ff.; Well 2001, S. 22). Dabei fallen die beiden folgenden Schwachpunkte auf: '
Haufig wird diese Thematik aus der Sicht des Anbieters diskutiert und vemachlassigt, dass Anbieter und Nachfrager auf die Standardisierung und Individualisierung aktiv Einfluss nehmen. Die methodischen Grundlagen einer Modularisiemng werden selten thematisiert (Gopfert 1998, S. lOff.), und den Gegebenheiten der Dienstleistungsproduktion wird selten Rechnung getragen (Bohmann/Krcmar 2006, S. 377ff.; Bohmann et al. 2002, S. lOff.; Burr 2005, S. 17ff.; Corsten et al. 2005, S. 389ff.; Jiao et al. 2003, S. 817ff.; Stauss 2006, S. 324ff.).
Da es im Rahmen der Modularisiemng von Dienstleistungen um die Gestaltung der arbeitsteiligen Dienstleistungserstellung geht, gelangen Fragen der Koordination dieser Teilaufgaben ins Zentmm des Interesses. Ziel ist es, die dabei auftretenden Koordinationskosten bei gegebener Sachzielerfiillung zu minimieren. Damit ergeben sich die folgenden Problemstellungen: Identifikation und Modelliemng der Moglichkeiten der Dienstleistungserstellung und der dabei auszufuhrenden Teilaufgaben sowie deren Interdependenzen und * Bildung einer modularisierten Dienstleistungserstellung durch Auswahl geeigneter Teilaufgaben, Restmkturiemng der dabei zugmnde liegenden Prozesse und Zusammenfuhmng zu Modulen sowie Gestaltung der damit verbundenen Koordination. Um der dargestellten Problemstmktur Rechnung zu tragen, weist der vorliegende Beitrag eine Zweiteilung auf. Ausgangspunkt bildet die Analyse des Koordinationsbedarfs bei modularer Dienstleistungsproduktion (Abschnitt 2.1). Hierfiir ist es notwendig, die Dienstleistungsprozesse zu erfassen, um darauf aufbauend die relevanten Interdependenzen in einer Prozess-Beziehungsmatrix abzubilden. Im zweiten Teil des Beitrags (Abschnitt 2.2) werden die Koordinationsprobleme thematisiert, die im Rahmen der Modulbildung und bei der Dienstleistungserstellung auftreten. Bin kurzer Ausblick zeigt weiteren Forschungsbedarf auf.
98
Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und Ralf Gossinger
2.
Modularisierung als Koordinationsproblem
2.1 Ermittlung des Koordinationsbedarfs Dienstleistungen lassen sich als eine Menge von Teilprozessen und deren Beziehungen erfassen. Teilprozesse sind dabei durch einen Akteur veranlasste elementare Transformationen, die Zustandsanderungen an den involvierten Objekten bewirken. Im vorliegenden Kontext sind insbesondere der Ressourcenverzehr, der Beitrag zur Gesamtleistung und der aus diesen beiden GroBen ermittelbare Beitrag zum monetaren Erfolg der Dienstleistung als Folgen der Zustandsanderung relevant. Um das Zusammenwirken mehrerer Teilprozesse, die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlich sind, erfassen zu konnen, ist es notwendig, die Beziehungen zwischen den Teilprozessen in die Betrachtung aufzunehmen. Diese lassen sich auf die Wirkungen der Teilprozesse zuruckfiihren, so dass zwischen Ressourcen-, Leistungs- und Erfolgsbeziehungen zu unterscheiden ist. Aus der Perspektive der Koordination sind vor allem wechselseitige Beziehungen, d.h. Interdependenzen relevant, da diese ftir den Koordinationsbedarf ursachlich sind. Fiir eine teilprozessbezogene Analyse ist dabei zwischen folgenden Sachinterdependenzen zu unterscheiden (EwertAVagenhofer 2005, S. 402ff.): Restriktionsverbund: Parametrisierung und Ausfiihrung eines Teilprozesses schranken die Freiheitsgrade von Parameterwahl und Ausfiihrung eines anderen Teilprozesses ein, was sich auf die folgenden Ursachen zuriickfiihren lasst: -
Ein Leistungsverbund liegt dann vor, wenn eine Dienstleistung mehrere Teilleistungen umfasst, die durch Teilprozesse erbracht werden, und deren Teilleistungsbeitrage wechselseitig voneinander abhangig sind.
-
Bei einem Ressourcenverbund greifen mehrere Teilprozesse auf dieselben, begrenzt verfagbaren Produktionsfaktoren zuruck.
Zielverbund, insbesondere Erfolgsverbund (weitere Erscheinungsformen: Laux/Liermann 1997, S. 196f): Die den einzelnen Teilprozessen zurechenbaren Beitrage zum monetaren Erfolg einer Dienstleistung sind wechselseitig von den jeweiligen Entscheidungen uber die Parameter und die Ausfuhrung der Teilprozesse abhangig. Bedingt durch die Kundenintegration ist die Dienstleistungsproduktion eine arbeitsteilige Produktion sui generis, d.h., an den einzelnen Teilprozessen sind unterschiedliche Akteure beteiligt. Aus diesem Sachverhalt resultieren Verhaltensinterdependenzen, die immer dann entstehen, wenn die Festlegung der Parameter unterschiedlicher Teilprozesse, zwischen denen Sachinterdependenzen bestehen, unterschiedlichen Entscheidungstragem obliegt. Damit werden die Parameter eines Teilprozesses in Abhangigkeit von den Erwartungen iiber die Parameterwahl der anderen Teilprozesse gewahlt et vice versa.
Gestaltung modularer Dienstleistungsproduktion
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Zur Erfassung von Leistungsverbunden ist es erforderlich, die Abhangigkeit der sich aus den Leistungsbeitragen der einzelnen Teilprozesse ergebenden Leistung von der zeitlichen Lage, der Aktivierungswahrscheinlichkeit und der Parametrisierung der Teilprozesse als teilprozessilbergreifende Leistungserbringungsfunktion abzubilden. Die Bedingung, dass die mit Hiife der Leistungserbringungsfunktion erfasste Leistung das angestrebte Leistungsniveau erfiillt (Isermann 1999, S. 78; im Kontext von Logistikleistungen), begriindet dann den Leistungsverbund. Aus dieser Bedingung konnen sich Zulassigkeitsbeschrankungen ' der zeitlichen Anordnung von Teilprozessen (seriell mit vorgegebener Reihenfolge, seriell mit freier Reihenfolge, parallel), des Umfangs der auszufuhrenden Teilprozesse (wechselseitig bedingend, wechselseitig ausschlieBend) (Sosa et al. 2003, S. 242f.) und - von Parameterkonstellationen (Einengung von Substitutionsgebieten) ergeben. Zur Abbildung derartiger Beziehungen bietet es sich an, auf die Netzplantechnik zuruckzugreifen (Breitfeld 1976, S. 36ff.; Fandel 1999, S. 282ff.; Matthes 1979, S. llff.; Schroder 1973, S. 138ff.). Bin Netzplan muss dabei aufgrund der Integrativitat von Dienstleistungen in der Lage sein, die Vielfalt altemativ moglicher Ablaufe, die zyklische Verkniipfiing von Ablaufstrukturen, • die ex ante gegebene Mehrdeutigkeit des Transformationsergebnisses und die fur die Entscheidungstrager bestehenden Altemativen in operationaler Weise zu beriicksichtigen. Eine entsprechende Modellierungstechnik ist in der stochastischen Netzplantechnik auf der Grundlage der Graphical Evaluation and Review Technique (GERT) (Pritsker/Happ 1966, S. 267ff; PritskerAVhitehouse 1966, S. 293ff; Whitehouse/Pritsker 1969, S. 45ff) zu sehen: " Beschrankungen der zeitlichen Anordnung lassen sich durch das Spektrum der unterschiedlichen Knoten (Aktivierungsbedingungen, Ereignisse), mit denen die Teilprozesse verbunden werden konnen, abbilden. Durch die Kombination von Knoten und Kanten ist es moglich, Beschrankungen des Umfangs der auszufuhrenden Teilprozesse zu berucksichtigen: -
Komplementdre Beziehungen werden durch parallele Wege, die einem deterministischen Ausgang entspringen und in einem AND-Eingang mtinden (vgl. KJIOten 1 und Knoten 5 in Abbildung 1), und
-
Konkurrierende Beziehungen werden durch parallele Wege, die einen stochastischen Ausgang mit einem XOR-Eingang verbinden (siehe Knoten 2 und Knoten 4 in Abbildung 1), abgebildet.
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Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und Ralf Gossinger
Abbildung 1: GERT-Netzplan (Beispiel) Die Zulassigkeitsbeschrankung der Parameterkonstellationen kann hierauf aufbauend mit Hilfe einer modifizierten Leistungserbringungsfunktion und des angestrebten Leistungsniveaus beriicksichtigt werden. Die Modifikation besteht dabei darin, dass nur noch die aufgrund der netzplantechnisch erfassten Beschrankungen bestehenden Freiheitsgrade der Wahl von Parameterkonstellationen beriicksichtigt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die zeitliche Anordnung und der Umfang der auszufiihrenden Teilprozesse einen deutlich starkeren Einfluss auf die Leistungserbringungsfunktion ausiiben als die Parameterkonstellationen. Verfugbarkeitsbegrenzungen als Ursache fiir Ressourcenverbunde konnen in zeitlicher, raumlicher und mengenmaBiger Hinsicht auftreten. Die Starke der Interdependenz wird dabei von der Knappheit und der Teilbarkeit der Ressource determiniert. Bei gleichem Knappheitsgrad sind teilbare Ressourcen in zeitlicher und raumlicher Hinsicht besser verfiigbar als unteilbare Ressourcen. Die Relevanz unteilbarer Ressourcen im Rahmen der Modularisierung zeigt sich etwa in der Ressource „Wissen", das an menschliche Wissenstrager gebunden ist und bei dem zwischen expliziten und impliziten Bestandteilen unterschieden werden kann. Im Gegensatz zum expliziten Wissen entzieht sich das implizite Wissen der sprachlichen Kommunikation (Dietl 1995, S. 574), so dass seine Ubertragung auf andere Wissenstrager mit hohen Kosten einhergeht. Weisen zwei Teilprozesse hinsichtlich des zu ihrer Ausfiihrung erforderlichen impliziten Spezialwissens eine Schnittmenge auf, dann besteht zwischen diesen Teilprozessen ein Ressourcenverbund aufgrund der Unteilbarkeit dieses Spezialwissens. Wird ein Objekt durch eine Folge von Teilprozessen transformiert und weist das erforderliche implizite Spezialwissen zur Ausfiihrung zweier aufeinander folgender Teilprozesse keine Schnittmenge auf, dann hat das Objekt eine so genannte wissensokonomische Reife erlangt (Dietl 1995, S. 574ff.; Pfaffmann 2000, S. 257ff). Das bedeutet aufgrund des nicht bestehenden Wissens-Ressourcenverbundes kann zwischen diesen Teilprozessen ein Wechsel der Entscheidungs- und Handlungstrager erfolgen, ohne das Ergebnis der Teilprozessausfiihrung maBgeblich zu beeintrachtigen.
101
Gestaltung modularer Dienstleistungsproduktion
Zur Abbildung von Ressourcenverbunden ist deshalb der Verzehr jeder einzelnen Ressource teilprozessiibergreifend in Abhangigkeit von der zeitlichen und raumlichen Lage, der Aktivierungswahrscheinlichkeit und der Parametrisierung der darauf zuriickgreifenden Teilprozesse mit Hilfe einer Ressourcenverzehrsfunktion zu erfassen und einer entsprechenden Ressourcenverfugbarkeitsfunktion gegeniiberzustellen. Der Ressourcenverbund lasst sich dann durch die Bedingung erfassen, dass die Ressourcenverzehrsfunktion (Kapazitatsnachfrage) die Ressourcenverfiigbarkeitsfiinktion (temporares Kapazitatsangebot) an keinem Ort und zu keinem Zeitpunkt iibersteigt (Corsten/Gossinger 2005, S. 18f.). In Abbildung 2 wird dieser Sachverhalt am Beispiel des offentlichen Personennahverkehrs wiedergegeben. Es werden zwei Teilprozesse (stadteinwarts und stadtauswarts verlaufende Verkehrsverbindung) betrachtet, die durch eine im Zeitablauf schwankende Kapazitatsnachfrage (z.B. Sitzplatze in der StraBenbahn) gekennzeichnet sind. Da beide Teilprozesse von einem Verkehrsbetrieb bedient werden, sind die Kapazitatsnachfragen zu aggregieren. Der Ressourcenverbund kommt dann zum Tragen, wenn die aggregierte Kapazitatsnachfrage das temporar verfugbare Kapazitatsangebot iibersteigt.
Kapazitat
4+
./A—-
V \l
/
J. i / 1/ y
\
Maximales Kapazitatsangebot
v \ i \i \
••
Temporar verfugbares Kapazitatsangeoot Aggregierte ^ Kapazitatsnaclifrage
^ . — Kapazitatsnaclifrage stadteinwarts Kapazitatsnaclifrage stadtauswarts
16
24
Abbildung 2: Auslastungsprofil (Beispiel) Im Hinblick auf den Erfolgsverbund sind die monetaren Wechselwirkungen der Teilprozesse zu erfassen. Hierbei kann auf die Idee der Variantenstucklisten, insbesondere der Grundausfuhrungs-/Plus-Minus-Stuckliste (siehe z.B. Geiger 1991, S. 66ff.) zuruckgegriffen werden. Ubertragen auf Dienstleistungsprozesse wird eine konkrete Ablaufstruktur aus Teilprozessen als Basisdienstleistung (Variante 0) defmiert. Abweichungen von dieser Basisdienstleistung, die durch das Hinzufagen oder Entfemen von Teilprozessen entstehen, werden uber die Plus- bzw. die Minusliste erfasst. So ergibt sich in dem in
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Hans Corsten, Kai-Michael Dresch und Ralf Gossinger
Abbildung 3 dargestellten Beispiel aus der Basisdienstleistung die Variante 2, indem der Teilprozess 11 erganzt und der Teilprozess 9 entfemt wird. In diesem Plus/MinusTeilprozessplan werden weiterhin die Wirkungen der Teilprozesskonstellationen auf eine ErfolgsgroBe abgebildet. Wird hierfiir die Anderung des Deckungsbeitrags herangezogen, dann ist zu benicksichtigen, dass dieser Kosten- und Erloswirkungen umfasst, so dass sowohl Plus- als auch Minus-Teilprozesse mit positiven oder negativen Wirkungen einhergehen konnen.
Abbildung 3: Plus/Minus-Teilprozessplan (Beispiel) Zur Bestimmung relevanter Konstellationen von Verhaltensbeziehungen lassen sich durch kombinative Anwendung der Kriterien Anzahl der Anbieter-Mitarbeiter mit Entscheidungskompetenz im Endkombinationsprozess (einer, mehrere), Anzahl der Nachfrager(-gruppen) mit Entscheidungskompetenz im Endkombinationsprozess (einer, mehrere) und Anzahl der Endkombinationsprozesse, die sich zeitlich tiberlappen konnen (einer, mehrere), acht Falle unterscheiden, die - beginnend mit dem Fall „ein Mitarbeiter des Anbieters/ein Nachfrager pro Endkombinationsprozess/ein Endkombinationsprozess" bis hin zu dem Fall „mehrere Mitarbeiter des Anbieters/mehrere Nachfrager pro Endkombinationsprozess/mehrere Endkombinationsprozesse" - durch eine steigende Komplexitat der Beziehungen gekennzeichnet sind. Wird der einfachste Fall betrachtet, dann konnen Verhaltensbeziehungen zwischen denjenigen auszuftihrenden Teilprozessen bestehen, fiir die unterschiedliche Akteure verantwortlich sind oder tiber deren Ausfiihrung unterschiedliche Akteure entscheiden.
Gestaltung modularer Dienstleistungsproduktion
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Grundsatzlich kann dabei von den Akteuren „Mitarbeiter7 des Anbieters", „Nachfrager k und Mitarbeitery des Anbieters" und „Nachfrager k" ausgegangen werden. Das AusmaB der Uberlappung von Teilprozessen hinsichtlich der involvierten Akteure stellt dann eine Determinante fiir die Starke der Abhangigkeit dar. Eine zweite Determinante ist in der direkten Wahmehmbarkeit des Teilprozesses durch die Akteure zu sehen. Abbildung 4 gibt die relevanten Konstellationen fiir einen Teilprozess wieder.
Abbildung 4: VerantwortlichkeitsAVahmehmbarkeits-Konstellationen von Teilprozessen Zur Erfassung der Abhangigkeitsstarke eines Teilprozesses / von einem Teilprozess i' kann auf die in Abbildung 5 dargestellte Verhaltenseinflussmatrix zuruckgegriffen werden. Die darin beispielhaft angegebenen Werte (4: sehr starker Verhaltenseinfluss, ... 0: kein Verhaltenseinfluss) stellen eine tendenzielle Einordnung der zu erwartenden Starke dar. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass der Einfluss am geringsten (am hochsten) ist, wenn die Verantwortlichkeits-AVahmehmbarkeits-Konstellation beim LFbergang von Teilprozess /' auf Teilprozess i unverandert bleibt (sich vollstandig andert). Im konkreten Fall treten Abweichungen von diesen Werten auf, wenn weitere EinflussgroBen an Bedeutung gewinnen. So hat etwa die Motivation der Studenten einen nicht zu vemachlassigenden Einfluss auf den Abstimmungsbedarf im Studienablauf.
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Abbildung 5: Verhaltenseinflussmatrix (Beispiel) Sind mehrere Nachfrager k, k' oder mehrere Anbietery, 7' in denselben Endkombinationsprozess involviert und sind diese nicht immer in derselben Zusammensetzung fur Teilprozesse oder Entscheidungen verantwortlich, dann sind die in Abbildung 5 wiedergegebenen Abhangigkeitskonstellationen urn Konstellationen mit der Beteiligung unterschiedlicher Nachfragergruppen (z.B. kk^ bzw. Anbietergruppen (z.B. jj') und urn entsprechende drei- und vierelementige Konstellationen zu erganzen. Verhaltenseinflusse konnen auch zwischen Teilprozessen unterschiedlicher Endkombinationsprozesse auftreten, sobald ein Ressourcenverbund oder ein Erfolgsverbund besteht. Urn in diesem Zusammenhang Abhangigkeitskonstellationen herauszuarbeiten, sind fiir jedes relevante Teilprozesssystem die Entscheidungstragergruppen der zuvor genannten Falle dienstleistungsprozessbezogen und -iibergreifend zu kombinieren. Um die Interdependenzen zwischen den Teilprozessen bei der Modulbildung einer integrativen Betrachtung zuzufiihren, bietet es sich an, auf die Idee der Design-InterfaceMatrix zurlickzugreifen, die vorgeschlagen wurde, um Beziehungen zwischen physischen Produktkomponenten zu erfassen (Sosa et al. 2003, S. 242ff.; Steward 1981a, S. 7Iff.). Bei einer Anwendung auf Dienstleistungen sind dabei die Teilprozesse und die in diesem Beitrag herausgearbeiteten Beziehungen zwischen den Teilprozessen zu beriicksichtigen. Die Werte innerhalb der Matrix geben die Starke der Beziehung wieder und werden auf einer Ordinalskala gemessen (z.B. 4: sehr stark, ..., 0: nicht vorhanden). Damit ergibt sich eine Prozess-Beziehungsmatrix, die in Abbildung 6 beispielhaft fiir einen einfachen Dienstleistungsprozess dargestellt wird.
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Abbildung 6: Prozess-Beziehungsmatrix fiir einen Dienstleistungsprozess (Beispiel) Die Zeilen und Spalten entsprechen den einzelnen Teilprozessen / bzw. /' (/, i' = 1, ... I), wobei ein Wert in der Zelle /, /' Auskunft dariiber gibt, wie stark der Teilprozess / von dem Teilprozess /' abhangig ist. Entsprechend der herausgearbeiteten Interdependenzarten enthalten die Zeilen der Beziehungsmatrix im Beispiel vier Werte, die die Starke der unterschiedlichen Beziehungsarten angeben (vgl. Abbildung 7)
Abbildung 7: Struktur einer Zelle der Prozess-Beziehungsmatrix Mit Hilfe der Prozess-Beziehungsmatrix konnen unmittelbare und mittelbare Interdependenzen zwischen den Teilprozessen ermittelt werden:
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Unmittelbare interdependente Beziehungen liegen dann vor, wenn in dieser Beziehungsmatrix fiir ein Teilprozesspaar in den Zellen oberhalb und unterhalb der Diagonalen Werte eingetragen sind, die sich auf dieselbe Beziehungsart beziehen und nicht null betragen, d.h., es liegt ein Loop aus zwei Teilprozessen vor (z.B. der mit durchgezogenen Linien gekennzeichnete Loop aus den Teilprozessen 2 und 9). Wenn sich der Loop liber mehr als zwei Teilprozesse erstreckt (z.B. der mit gestrichelten Linien gekennzeichnete Loop aus den Teilprozessen 1, 3, 5, 8), dann besteht eine mittelbare interdependente Beziehung.
2.2 Erfiillung des Koordinationsbedarfs Durch die Bildung modularer Dienstleistungssysteme lasst sich der ermittelte Koordinationsbedarf'm zwei Schritten erfiillen: Im ersten Schritt zielt die Modularisierung darauf ab, den ursprlinglichen Koordinationsbedarf zu reduzieren, indem bei der Bildung von Modulen die Prinzipien Unabhangigkeit, Abgeschlossenheit und Transparenz berucksichtigt werden. Der an den Schnittstellen des modularen Systems verbleibende Koordinationsbedarf wird im zweiten Schritt durch die Anwendung von Koordinationsinstrumenten erfuUt. Ein modulares Dienstleistungssystem umfasst mehrere defmierte Teilprozessblocke (Module), die zur Befriedigung heterogener Kundenbedurfnisse ein Spektrum an Kombinationsmoglichkeiten, die keine Systemveranderung erfordem, bieten (ahnlich: Stauss 2006, S. 324; zu allgemeinen Produktarchitekturen: Jiao et al. 2003, S. 81 If. und S. 815; Sanchez 1996, S. 126). Um Kombinationen ohne Systemveranderung zu ermoglichen, sind bei der Modulbildung die folgenden Prinzipien zu beriicksichtigen (Baldwin/Clark 1997, S. 125; Bohmann/Krcmar 2006, S. 379f.; Gopfert 1998, S. lOff; Pamas 1972, S. 1056f.; Picot/Freudenberg 1998, S. 77f.; Sosa et al. 2003, S. 240f.; Ulrich/Tung 1991, S. 73): Unabhdngigkeit: Ein Modul umfasst mehrere Teilprozesse, die moglichst geringe Sach- und Verhaltensinterdependenzen zu Teilprozessen anderer Module aufweisen. Teilweise wird dieser Sachverhalt aus einer eher technischen Sicht durch die Unterscheidung zwischen Produktfunktionen und -komponenten, aus deren Kombination die Funktionalitat des Produkts hervorgeht, die Forderung nach einer eineindeutigen Beziehung zwischen Funktionen und Komponenten und nach einer Spezifikation der Schnittstellen zwischen den Komponenten ausgedruckt (z.B. Ulrich 1995, S. 422ff). Abgeschlossenheit: Informationen uber die einzelnen im Modul zusammengefassten Teilprozesse sind bei der Dienstleistungserstellung nur innerhalb des Moduls verfugbar. AuBerhalb des Moduls liegen aggregierte Informationen vor, die sich auf das gesamte Modul beziehen.
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^ Transparenz: Die maximale ModulgroBe wird von der im Modul verfugbaren Kapazitat zur Verarbeitung teilprozessbezogener Informationen determiniert, und die flir das modulare System verfiigbare Kapazitat zur Verarbeitung modulbezogener Informationen bestimmt die minimale Modulgrofie (Granularitat). Zur Berucksichtigung dieser Prinzipien wird die Prozess-Beziehungsmatrix (Sosa et al. 2003, S. 243ff.; Steward 1981a, S. 72f.) durch Partitionierung, Dekomposition grofier Teilprozessblocke und Zusammenfuhrung kleiner Teilprozessblocke umgeformt. Den Ausgangspunkt der Partitionierung bildet die urspningliche Prozess-Beziehungsmatrix, in der die Beziehungen zwischen den Teilprozessen i.d.R. iiber die gesamte Matrix verteilt sind. Ziel ist es, Teilprozesse, zwischen denen Interdependenzen bestehen, zu moglichst kompakten Teilprozessblocken zusammenzufassen. Hierzu wird zunachst der Teilprozessindex so sortiert, dass sich ^ die meisten Beziehungen in der unteren Dreiecksmatrix und zwischen zwei interdependenten Teilprozessen moglichst wenige andere Teilprozesse befmden. Hierauf aufbauend werden Teilprozessblocke, die auf der Diagonalen liegen, so gebildet, dass sie moglichst wenige Teilprozesse, aber alle Beziehungen innerhalb eines Loops umfassen. Ein Teilprozessblock beinhaltet dann alle Teilprozesse, iiber deren zeitliche Lage, Aktivierungswahrscheinlichkeit und Parameterfestlegungen simultan entschieden werden mtisste, wenn keine Interdependenzen zerschnitten werden sollen (zu einem entsprechenden Partitionierungsalgorithmus: Steward 1981b, S. 40ff.; insbesondere S. 54f.). Im Beispiel ergibt sich die in Abbildung 8 dargestellte partitionierte Prozess-Beziehungsmatrix, die drei kleine Teilprozessblocke mit jeweils nur einem Teilprozess (1, 4, 5; ursprungliche Teilprozesse 6, 7, 4) und zwei groBe Teilprozessblocke mit jeweils mehr als einem Teilprozess (2, 3; ursprungliche Teilprozesse 2, 9 bzw. 1, 3, 5, 8) umfasst, zwischen denen keine Interdependenzen bestehen.
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Abbildung 8: Partitionierte Prozess-Beziehungsmatrix (Beispiel) Die groBen Teilprozessblocke sind nun so lange zu zerlegen, bis ausschlieBlich kleine Teilprozessblocke vorliegen. Hierzu ist es erforderlich, durch eine Analyse der blockintemen Struktur aufzudecken, welche Moglichkeiten zur Aufteilung des Blocks bestehen und welche Moglichkeiten vorziehenswurdig sind. Da Teilprozessblocke aufgrund der zwischen Teilprozessen bestehenden Interdependenzen gebildet werden, kann eine Aufteilung entweder auf einer Aufhebung der Interdependenzen oder auf einer Zerschneidung der Interdependenzen und entsprechender Koordination der entstehenden Schnittstelle beruhen. Im zuerst genannten Fall erfolgt eine Modifikation der entsprechenden Teilprozesse, um die Ursache der Interdependenz zu beseitigen (z.B. Anderung der Beziehung zwischen Teilleistungsbeitrag und Gesamtleistung bei Leistungsverbunden, der Ressourcenzuordnung bei Ressourcenverbunden, der Einbeziehung in die Preisbildung bei Erfolgsverbunden und der Zuordnung von Entscheidungstragem bei Verhaltensinterdependenzen). Im zuletzt genannten Fall wird keine Modifikation der Teilprozesse, sondem eine Auftrennung der im Teilprozessblock enthahenen Loops an geeigneten Stellen vorgenommen. Fiir Dienstleistungssysteme realer Dienstleistungserstellungsprozesse kann davon ausgegangen werden, dass die Auftrennung einer einzelnen Beziehung nicht ausreicht, um Teilprozessblocke zu dekomponieren. Damit ist es erforderlich, die Eignung altemativer Mengen aufzutrennender Beziehungen zu beurteilen, wobei die Generierung eines mog-
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lichst geringen zusatzlichen Koordinationsbedarfs im Vordergrund steht (Steward 1981b, S. 56). Hierfur bietet sich eine zweistufige Vorgehensweise an: ^^ Zunachst wird auf der Grundlage der in der Matrix des Teilprozessblocks vorhandenen Informationen eine Vorauswahl aufzutrennender Beziehungen getroffen (zu einem algorithmischen Verfahren: Steward 1981b, S. 56ff. und S. 67ff.). Dabei konnen die folgenden Prinzipien zur Anwendung gelangen (Steward 1981b, S. 77ff.): -
Setze moglichst wenige Schnitte.
-
Zerschneide die kleinsten Loops.
-
Verteile Schnitte auf so wenige Zeilen/Spalten wie moglich.
•' Danach erfolgt ein Riickgriff auf das Wissen des Gestalters von Dienstleistungssystemen, der die aus der Auftrennung resultierende Koordinationshaufigkeit, die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen einer unzureichenden Koordination und daraus den Koordinationsbedarf abzuleiten vermag. Es wird eine Entscheidung iiber die aufzutrennenden Beziehungen getroffen und nach emeuter Partitionierung gepriift, ob weitere Loops bestehen. Dieses Prozedere wird solange wiederholt, bis alle Loops beseitigt sind. Ergebnis dieser Vorgehensweise ist eine geblockte untere Dreiecksmatrix, deren Teilprozessblocke genau einen Teilprozess umfassen. Zusatzlich wird in dieser Matrix gekennzeichnet, an welchen Stellen Beziehungen aufgetrennt wurden, d.h., an welchen Stellen eine Koordination zwischen den Teilprozessblocken vorzunehmen ist. Im Beispiel werden die Beziehungen (2, 9) im Teilprozessblock 2 sowie die Beziehungen (3, 8) im Teilprozessblock 3 aufgetrennt. Damit umfasst der Dienstleistungsprozess neun kleine Teilprozessblocke und drei Schnittstellen, die zusatzlicher Koordination bedurfen (vgl. Abbildung 9).
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Abbildung 9: Vollstandig dekomponierte Prozess-Beziehungsmatrix Da Module i.d.R. aus mehr als einem Teilprozess bestehen, konnen mehrere aus der vollstandigen Dekomposition resultierende kleine Teilprozessblocke zu einem groBen Teilprozessblock zusammengefasst werden. Dabei kann das Transparenzprinzip durch eine vorgegebene maximale und minimale Anzahl von Teilprozessen in einem Modul beriicksichtigt werden. Um den Koordinationsbedarf des modularen Systems moglichst gering zu halten, sind zuerst diejenigen kleinen Teilprozessblocke zu einem grofien Teilprozessblock zusammenzufassen, deren Schnittstelle andemfalls koordiniert werden musste. Wird im Beispiel von einer vorgegebenen minimalen (maximalen) Teilprozessanzahl von zwei (drei) ausgegangen, dann kann ein Dienstleistungssystem mit drei Modulen (groBe Teilprozessblocke) mit den Teilprozessen (6, 2, 9), (1, 3, 8) und (5, 7, 4) sowie einer Schnittstelle (1, 5), die einer Koordination von Ressourceninterdependenzen bedarf, gestaltet werden (vgl. Abbildung 10).
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Abbildung 10:
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Prozess-Beziehungsmatrix eines modularen Dienstleistungssystems
Konnen in einem Dienstleistungsprozess alternative Pfade gewahlt werden, dann ist eine pfadiibergreifende Modulbildung vorzunehmen. Die Prozess-Beziehungsmatrizen der Pfadaltemativen sind dabei zunachst unabhangig voneinander zu partitionieren und zu dekomponieren. Danach werden die in der Gesamtheit der Prozess-Beziehungsmatrix enthaltenen Teilprozesse im Hinblick auf ihre Ausfuhrungshaufigkeit und ihre Pfadspezifitat untersucht. Werden diesen beiden Kriterien jeweils die Auspragungen „gering" und „hoch" zugeordnet, dann lassen sich die einzelnen Teilprozesse den in Abbildung 11 dargestellten Klassen zuordnen: • Teilprozesse, die relativ haufig ausgefuhrt werden und in den meisten Pfaden vertreten sind, konnen zu Basismodulen zusammengefasst werden, die die Grundlage einer Dienstleistungsplattform (Stauss 2006, S. 333ff.) bilden. Relativ selten ausgefuhrte Teilprozesse, die nur fur wenige Pfade relevant sind, werden als Exoten bezeichnet. In diesem Fall ist zu priifen, ob sich hieraus Differenzierungspotenziale realisieren lassen oder ob diese Teilprozesse zu eliminieren sind. Neben diesen beiden Extremalklassen lassen sich noch zwei Klassen von Ergdnzungsmodulen bilden: -
Flexible Ergdnzungsmodule umfassen Teilprozesse, die zwar selten ausgefuhrt werden, aber in der Mehrzahl der Pfade (geringe Pfadspezifitat) enthalten sind.
-
Sind sowohl die Ausfuhrungshaufigkeit als auch die Pfadspezifitat von Teilprozessen hoch, dann konnen diese zu starren Ergdnzungsmodulen zusammengefasst werden.
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Abbildung 11:
Modulklassen
Die Bildung von Modulen geht jedoch i.d.R. nicht mit einer voUstandigen Aufhebung der bestehenden Interdependenzen einher. Vielmehr sind modulare Dienstleistungssysteme lose gekoppelte Systeme (Orton/Weick 1990, S. 204f. und S. 208ff.), so dass eine Koordination der Schnittstellen zwischen den Modulen notwendig wird. Teilweise wird auch von klar defmierten Schnittstellen oder standardisierter Schnittstellenspezifikation gesprochen (Baldwin/Clark 1997, S. 125; Burr 2002, S. 109; Chen/Liu 2005, S. 773ff.; Sanchez 1996, S. 125f.; Ulrich 1995, S. 420ff.). Letztlich handelt es sich urn Regeln, die den konkurrierenden Ressourcenzugriff mehrerer Module koordinieren, die Kompatibilitat der von den Modulen erbrachten -
Teilleistungen im Hinblick auf die Gesamtdienstleistung und
— Erfolgsbeitrage im Hinblick auf den Gesamterfolg der Dienstleistung sicherstellen und die moglichen Verhaltensweisen der Akteure auf zueinander kompatible Verhaltensweisen einschranken.
Ausblick Bedingt durch die Interaktivitat erlangt die Koordination im Rahmen des Modularisierungsprozesses von Dienstleistungen zentrale Bedeutung. Im vorliegenden Beitrag wurde zur Erfiillung des Koordinationsbedarfs eine zweistufige Vorgehensweise eingeschlagen:
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Reduzierung des Koordinationsbedarfs durch Modulbildung und Handhabung des verbleibenden Koordinationsbedarfs durch die Anwendung von Regeln. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, den Koordinationsbedarf bei der Ausfuhmng des Dienstleistungsprozesses in der Endkombination zu minimieren. Dem steht jedoch ein erhohter Koordinationsbedarf bei der Entwicklung von Dienstleistungen und/oder in der Vorkombination gegeniiber. Zur Analyse der dabei auftretenden Probleme kann auf Uberlegungen aus dem Bereich des Innovationsmanagements zuriickgegriffen werden, in dem die Integration von Nachfragem in den Produktentwicklungsprozess seit langerem intensiv diskutiert wird. Die Vorteilhaftigkeit der Einbeziehung von Nachfragern in die friihen Phasen der Produktentwicklung wurde von von Hippel (1988, S. 240ff.) aufgezeigt, der zwischen einem Customer-active-Paradigma und einem Manufactureractive-Paradigma unterscheidet, um unterschiedliche Integrationsintensitaten zu kennzeichnen. Zusatzlich erscheint unter Riickgriff auf die Balanced strategy (Cooper 1983, S. 7ff; 1984, S. 155ff.) ein Balanced-active-Paradigma als moglich. Es kann davon ausgegangen werden, dass unterschiedliche Integrationsintensitaten mit unterschiedlichen Koordinationsproblemen einhergehen. Damit wird es erforderlich, die Bestimmungsfaktoren der Integrationsintensitat (z.B. Wissensasymmetrien zwischen Nachfrager und Anbieter) zu identifizieren und die Koordinationsprobleme in Abhangigkeit von der Integrationsintensitat zu analysieren. Zur Handhabung des nach der Modulbildung verbleibenden Koordinationsbedarfs konnen auBer den Regeln auch andere hierarchische/heterarchische Koordinationsmechanismen sowie Kombinationen beider Formen zur Anwendung gelangen. Aufgrund der Integrativitat der Dienstleistungsproduktion wird auch eine Koordination von Schnittstellen zwischen Modulen erforderlich, deren Teilprozesse autonom durch den Nachfrager Oder gemeinsam durch Nachfrager und Anbieter ausgefiihrt werden. Bei der Auswahl der Koordinationsform ist der Autonomic des Nachfragers Rechnung zu tragen, d.h., einerseits darf die Entscheidungsfreiheit des Nachfragers nicht iibermaBig eingeschrankt werden, anderseits muss die aus dieser Entscheidungsfreiheit resultierende Unsicherheit iiber die konkrete Ausgestaltung der Endkombination fur den Anbieter handhabbar sein (Bateson 2000, S. 130ff.). Bedingt durch die Dominanz der personellen Komponente bei einer Teilprozessausfiihrung mit Nachfragerbeteiligung kann dabei auf Uberlegungen zu betrieblichen Anreizsystemen zunickgegriffen werden, wobei aufgrund der Heterogenitat der Nachfragerteilprozesse eine flexible Ausgestaltung des Anreizsystems angezeigt erscheint, wie sie dem Cafeteria-Ansatz zugrunde liegt. Weiterhin ist zu beriicksichtigen, dass zum Koordinationsbedarf zwischen den Modulen zusatzlich ein Koordinationsbedarf an den Schnittstellen zwischen dem modularen Dienstleistungssystem und seiner Umwelt besteht, wobei insbesondere die kundenbezogene Schnittstelle einer naheren Analyse zu unterziehen ist.
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Helmut Dietl und Thomas Schieke
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
1. Einleitung 2. Wertschopfung in einseitigen Dienstleistungsmarkten 3. Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten 3.1 Mehrseitige Markte 3.2 Wertschopfungsprozess 3.2.1 Direkte und indirekte Abhangigkeiten 3.2.2 Wertschopflingskumulation 3.3 Wertschopfungsspirale 3.4 Ei-Henne-Problematik und Pinguin-Effekt 3.5 First-Mover-Vorteile 3.6 Signalisierungsstrategie 3.7 Subventionierung einer Marktseite 4. Wertaneignung 4.1 Preissetzung in einseitigen Dienstleistungsmarkten 4.2 Preissetzung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten 4.2.1 Preisstruktur und marktubergreifende Preissetzung 4.2.2 Multi- und Singlehoming 4.2.3 Referenz- und Stammkunden Literatur
Prof. Dr. Helmut Dietl ist Leiter der Abteilung Services- und Operationsmanagement am Institut fiir Strategic und Untemehmensokonomik (ISU) der Universitat Ziirich. Thomas Schieke ist Doktorand an der Universitat Zurich.
1. Einleitung Viele modeme Dienstleistungsmarkte konnen mit dem herkommlichen betriebswirtschaftlichen Instrumentarium nicht ausreichend erfasst und analysiert werden. Der Grund hierfur liegt darin, dass die Wertschopfung in diesen Dienstleistungsmarkten nicht allein von dem Dienstleistungsuntemehmen selbst, sondem vor allem auch von den Marktteilnehmem erbracht wird. Mehrseitige Dienstleistungsmarkte stellen alt bekannte okonomische Regeln auf den Kopf. Zahlreiche „DotCom"-Pleiten Ende der 1990er Jahre und Anfang 2000 sind Ausdruck der Unkenntnis entscheidender Erfolgsfaktoren sowie zugrunde liegender Mechanismen. In mehrseitigen Markten miissen sich Dienstleistungsuntemehmen aus einer neuen Perspektive betrachten und eine Schliisselrolle als so genannte Plattformbetreiber iibemehmen. Grundsatzlich steht dabei die Ausbalancierung der Nachfrage verschiedener Marktseiten im Mittelpunkt. Nur so kann Wertschopfung iiberhaupt erfolgen, wobei die WertschopfUngsaktivitaten iiber die verschiedenen Marktseiten verteilt sind. Abhangigkeiten und Ruckkoppelungseffekte zwischen den Marktseiten sind charakteristische Eigenschaften, die es im Geschaftsmodell und besonders bei der Wertaneignung zu beachten gilt. Die lineare Wertschopfungskette und die Nachfrageunabhangigkeit zwischen den Wertschopfungsstufen haben keine Giiltigkeit mehr. In mehrseitigen Markten ist die Portersche Wertschopfungskette nur wenig geeignet, da die Abhangigkeiten und Rtickkoppelungseffekte nicht erfassbar sind. An die Stelle der Porterschen Wertschopfungskette tritt eine Wertschopfiingsspirale. Eine derartige Wertschopfiingsspirale in Gang zu bringen, steUt flir Plattfi)rmbetreiber eine nicht zu unterschatzende Herausforderung dar. Sicherlich ist dies auch ein Grund dafiir, warum heute nur noch wenige erfolgreiche Untemehmen der ersten DotComWelle existieren. PayPal z.B. zahlt heute zu den erfolgreichsten Online-Zahlungssystemen, das sich erfolgreich gegen viele Konkurrenten, wie c2it von der Citibank, PayDirect von Yahoo! und Billpoint von eBay durchsetzen konnte. Was sind nun die Faktoren, die beim Angebot mehrseitiger Dienstleistungen beachtet werden miissen? Dieser Beitrag grenzt zunachst einseitige und mehrseitige Dienstleistungsmarkte voneinander ab. AnschlieBend wird der Wertschopfimgsprozess in mehrseitigen Markten genauer beleuchtet. Erste Ergebnisse sind die Wertschopfiingsspirale und die Wertschopfixngsstrategien, um diese Spirale in Gang zu setzen. Der Untemehmenserft)lg ist jedoch nicht nur von der Wertschopfiing, sondem vor allem auch von der Wertaneigung abhangig. Der Beitrag zeigt deshalb, wie durch eine geeignete Preissetzung der Untemehmensgewinn in mehrseitigen Markten maximiert werden kann. Weit verbreitete Methoden, wie z.B. Cost-based oder Value-based Pricing haben bei deren Anwendung in mehrseitigen Markten fatale Folgen (Evans 2006, S. 100).
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2.
Helmut Dietl und Thomas Schieke
Wertschopfung in einseitigen Dienstleistungsmarkten
Aus der traditionellen Perspektive erfolgt die Wertschopfung in einem Dienstleistungsmarkt durch Lieferanten, Hersteller und Abnehmer, welche sich zu einer Wertschopfungskette zusammenschlieBen. Das Dienstleistungs-Design ist gepragt durch den sequentiellen Einsatz von Ressourcen zur Entwicklung, „Veredelung" und Bereitstellung der Dienstleistung. Unter Ressourceneinsatz wird auch die BeteiHgung des Kunden verstanden, der bei Dienstleistungen in der Regel nicht nur Konsument, sondem auch Produzent ist. Die Wertschopfung erfolgt stufenweise, wobei auf jeder Wertschopfungsstufe auch Kosten durch den Ressourceneinsatz verursacht werden. Am Ende der Wertschopfungskette erfolgt auf dem Endkundenmarkt der Verkauf bzw. die Abnahme der „fertigen" Dienstleistung. Aus Produzentensicht (Hersteller) bemisst sich die Hohe der Wertschopfung je Stufe aus der Zahlungsbereitschaft der nachfolgenden Wertschopfungsstufe (Abnehmer) abziiglich der angefallenen Kosten auf der jeweiligen Stufe. Die Summe der Wertschopfung ist der Saldo aus der Zahlungsbereitschaft des Konsumenten abziiglich der Gesamtkosten aller Stufen. Dieser Saldo entspricht der Summe der Wertschopfungen jeder einzelnen Stufe. Abbildung 1 zeigt die Wertschopfung in einseitigen Dienstleistungsmarkten. Dabei wird die jeweilige Wertschopfung pro Stufe durch die Flache des Balkendiagramms dargestellt. Die groBte Wertsteigerung erfolgt in diesem Beispiel auf Stufe zwei, die kleinste auf Stufe drei. Der Wertschopfungskette liegt eine durchgangige Nutzenorientierung zugrunde, d.h., die Beteiligten der Wertschopfiingsstufen miissen stets einen positiven Nutzen generieren konnen, andemfalls kommt es zwischen den Stufen zu keinem Handel. Der Weg der Dienstleistung und damit der Wertschopfung erfolgt sequenziell und stets in eine Richtung - vom Hersteller zum Endkunden. In die umgekehrte Richtung flieBt der Zahlungsstrom. Wenn die Wertkettenanalyse nach dem beschriebenen Schema vorgenommen werden kann, agieren alle Lieferanten und Hersteller auf einem „einseitigen" Markt, d.h. alle Beteiligten sind zugleich identisch mit den NutznieBem und es gelingt ihnen weitgehend, die Konsequenzen ihres Handelns bei sich zu intemalisieren. Als Konsequenz dieser Kaufentscheidung fallen - abgesehen von den bekannten extemen Effekten wie z.B. Umweltverschmutzungen - in der Regel kein nennenswerter Nutzen und keine nennenswerten Kosten bei Drittparteien an.
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
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Abbildung 1: Traditionelle Wertschopflingskette in einseitigen Dienstleistungsmarkten Die Wertschopflingskette eines Softwareprojekts soil zur Verdeutlichung als Beispiel dienen. Die Primaraktivitaten Anforderungsanalyse, Beratungsleistung, technische Umsetzung, Projektsteuerung, Schulung und Support konnen in einzelne Wertfaktoren untergliedert werden. Komplexe Projekte werden oft in Kooperationen durchgefuhrt, d.h., Primaraktivitaten oder einzelne Wertfaktoren sind verschiedenen spezialisierten Dienstleistem zugeordnet. Der sequentielle Projektablauf kann in Wertschopfiingsstufen abgebildet werden, wobei die nachfolgende Stufe eine Vorarbeit (z.B. Spezifikation fur die Software) tibemimmt und weiterentwickelt (z.B. technische Realisierung gemafi der Spezifikation). Die einzelnen Wertschopfiingsstufen sind hinsichtlich der Nachfrage voneinander unabhangig und die projektbezogene Konstellation der Wertschopflingskette ist nur temporar.
3.
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
Das Konzept der sequenziellen Wertschopfiingsanalyse entlang der Wertschopflingskette stoBt schnell an seine Grenzen, sobald eine Dienstleistung in einem so genannten mehrseitigen Markt erbracht wird. Bevor die genauere Betrachtung der Wertschopfung fiir
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mehrseitige Markte erfolgt, soil zunachst der Begriff des mehrseitigen Marktes erklart und vom einseitigen Markt abgegrenzt werden.
3.1 Mehrseitige Markte In einem zwei- oder mehrseitigen Markt reprasentieren unterschiedliche Kundengruppen verschiedene Marktseiten. Die Zugehorigkeit zu einer Kundengruppe und damit zu einer bestimmten Marktseite kann sich auch mit jeder Interaktion andem. Kunden bei eBay konnen z.B. fallweise eine Kaufer- oder Verkauferrolle einnehmen. Die Kundengruppen haben ein gegenseitiges Interesse, miteinander zu interagieren. Das Besondere daran ist die Notwendigkeit der Prasenz einer dritten Partei (Plattform), welche den Kundengruppen die Interaktion in der Regel erst ermoglicht. Eine direkte Interaktion zwischen den Kundengruppen ist entweder gar nicht oder nur zu prohibitiv hohen Transaktionskosten moglich. Der Plattform fallt somit die Schliisselrolle der Vermittlung bzw. Transaktionskostensenkung zu, Beispiele solcher „Vermittler" sind Online-Handelsplattformen wie eBay oder Online-Dating-Plattformen wie FriendScout24. Das Leistungsportfolio der Plattform kann durch Koordinationsleistungen erganzt werden. Bei eBay wird beispielsweise der Kauf- und Verkaufsprozess koordiniert, d.h. Verkaufer und Kaufer konnen nicht direkt bilateral verhandeln, sondem miissen dem Prozessablauf bei eBay folgen. Die eigentliche Verkaufsabwicklung erfolgt nach der Auktion und Ubermittlung der Kontaktdaten direkt zwischen den Parteien. In der Regel bedienen sich Plattformen eines Basisinstruments, um die Transaktionskosten senkenden Vermittlungs- und Koordinationsleistungen zu erbringen (z.B. Software, Tageszeitung usw.). Das Basisinstrument kann daruber hinaus aber auch als ein komplementares Produkt oder Service von mindestens einer anderen Marktseite eingesetzt werden, um Werte flir eine dritte Marktseite zu generieren. Aufbauend auf dem Basisinstrument werden Services oder Produkte angeboten bzw. nachgefragt. Die Plattform wird dann zu einem integralen Bestandteil eines Produktes bzw. Services und hat nur als Blindel einen Wert gegeniiber der dritten Marktseite. Beispiele sind Softwarebetriebssysteme (z.B. Windows, PalmOS) und Videospielkonsolen (z.B. X-Box, Playstation usw.), wobei die Marktseiten auf der einen Seite von Entwicklem und auf der anderen Seite von Anwendem reprasentiert werden. Microsoft als Plattform steht noch den Marktseiten Hardware-Hersteller (z.B. Dell) und Peripherie-Hersteller (z.B. Logitech) gegeniiber. Eine Gemeinsamkeit aller mehrseitigen Markte ist, dass die direkte multilaterale Interaktion zwischen den Kundengruppen durch eine Plattform erst ermoglicht wird. Beispielsweise ware ein kostenloser E-Mail-Service (z.B. Yahoo!, GMX oder GMail) nicht denkbar, wenn die Kundengruppe E-Mail-Anwender auf der einen Seite und werbende Untemehmen auf der anderen Seite nicht uber die Plattform zusammenfanden. Ein weiteres Charakteristikum mehrseitiger Markte ist die positive Abhangigkeit in der Nachfrage zwischen den Marktseiten. Je groBer z.B. eine Kundengruppe oder Marktseite ist, desto attraktiver ist diese Kundengruppe oder Marktseite fur andere, komplementare
Wertschopfung in mehrseitigenPienstleistungsmarkten
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Kundengruppen oder Marktseiten. Analog geht die Nachfrage bzw. das Angebot zuruck Oder verschwindet sogar vollends, sobald auf einer Marktseite das Angebot bzw. die Nachfrage nicht mehr in ausreichendem Umfang vorhanden ist. Der Grund liegt in den potenziellen Interaktionsmoglichkeiten, welche mit der MarktgroBe positiv korrelieren. Zum Beispiel steigt der Nutzen eines Kaufers (Verkaufers) bei eBay mit zunehmender Anzahl an Verkaufem (Kaufem), da die Transaktionskosten jeder Marktseite mit zunehmender GroBe der anderen Marktseite ansteigen. Ohne die Plattform ware es nicht moglich, diesen Riickkoppelungseffekt zu intemalisieren (Wright 2004). Abbildung 2 listet einige Beispiele mehrseitiger Markte auf.
Abbildung 2: Beispiele fur mehrseitige Markte
3.2
Wertschopfungsprozess
Mit der Wertschopfungsanalyse nach Porter sind die Wertschopfungsaktivitaten leicht zu identifizieren und konnen in einer Verkettung dargestellt werden. In mehrseitigen Dienstleistungsmarkten lasst sich eine derartige Wertschopfungsanalyse jedoch nicht oder bestenfalls teilweise vomehmen. Das Hauptproblem besteht darin, dass sich mit
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Hilfe der klassischen Porterschen Wertschopfungskette die Riickkoppelungseffekte zwischen den verschiedenen Marktseiten nicht erfassen lassen. Diese Problematik wird nachfolgend anhand des Beispiels eBay beschrieben. eBay ist die groBte und weltweit meist besuchte Online-Handelsplattform. Die Kundengruppen bestehen aus Kaufem und Verkaufem, die rund um die Uhr den OnlineMarktplatz besuchen, nach verschiedenen Kriterien den Online-Katalog durchsuchen und entsprechende Kauf- bzw. Verkaufsangebote abgeben konnen. Auf dem deutschen Markt wurden so im Jahre 2005 Produkte und Dienstleistungen im Gesamtwert von 8,5 Mrd. Euro gehandelt, wobei der Umsatz (Gebtihren) von eBay Deutschland mehr als einer halben Mrd. Euro betrug (Yahoo! Wirtschaftsnachrichten 2006). Die Dienstleistung von eBay besteht in der Vermittlung und koordinierten Zusammenfiihrung von Kaufem und Verkaufem liber eine Webplattform, wobei mit der Aufhebung der Informationsasymmetrie zwischen Kaufer und Verkaufer (Mitteiiung der Kontaktdaten) der Dienstleistungsprozess abgeschlossen ist. Die anschHeBende Vertragserfiillung ist Sache von Kaufer und Verkaufer. Die Zielsetzung von eBay ist ein moglichst hohes Transaktionsvolumen. Den klassischen Wertschopfungskategorien nach Porter lassen sich folgende Aktivitaten zuordnen: Inbound Logistics: Registriemng von Verkaufem und Kaufem, Einstellung von Angeboten durch Verkaufer. Operations: Auktionsmechanismus. Outbound Logistics: Koordination der Zusammenkunft von Kaufer und Verkaufer ftir die Abwicklung der Kaufhandlung, Aufhebung der Informationsasymmetrien durch Mitteiiung der Kontaktdaten. Marketing & Sales: Werbung, Preissetzung. After Sales Service: PayPal als Online-Zahlungssystem (Tochtemntemehmen von eBay). Support Activities: Automatische Aufbereitung und Presentation des Online-Katalogs nach den Such- und Anzeigekriterien des Besuchers, Kommunikationsmechanismen fiir Informationsaustausch zwischen den Interessenten und dem Verkaufer, Bewertungssystem zur Beurteilung von Verkaufem durch Kaufer, Feedback-System far Kritik und Verbessemngsvorschlage seitens der Kunden, Support-System fiir Hilfestellung, usw. Die Abbildung der vorgenannten Aktivitaten in einer traditionellen Wertschopfungskette erweist sich vor allem aufgmnd der direkten und indirekten Riickkoppelungseffekte zwischen den Marktseiten als problematisch.
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
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3.2.1 Direkte und indirekte Abhangigkeiten In mehrseitigen Dienstleistungsmarkten muss eine Wertschopfungsaktivitat nicht zwangslaufig vom Untemehmen, d.h., von der Plattform selbst ausgehen. Sie kann auch von einer oder alien Marktseiten ausgehen, wobei die Wertschopfungsaktivitat in der Kegel die jeweils anderen Marktseiten bzw. die Plattform selbst direkt oder indirekt beeinflusst. Insofem stellen neben der Plattform auch die Marktseiten potenzielle Wertschopfungsstufen dar. So gesehen fallen Nutzen oder Kosten auf mehreren „Wertschopfiingsstufen" gleichzeitig an. Die Wertschopfung kann somit nicht voUstandig von der jeweiligen „Stufe" intemalisiert werden. Betrachtet man beispielsweise die Wertschopfung durch einen bei eBay neu registrierten Kunden, wird die Verteilung der Wertschopfung deutlich. Auf der einen Seite zieht der Neukunde einen direkten Nutzen aus der Registrierung - er erhalt einen Zugang und die Berechtigung zum Handeln auf der Plattform. Auf der anderen Seite profitiert aber auch die komplementare Kundengruppe. Zum Beispiel steigert ein neu registrierter Kaufer (Verkaufer) die Attraktivitat der Plattform fur die andere Marktseite, d.h. die Verkaufer (Kaufer). Diese Abhangigkeit erhoht die Gesamtwertschopfiing der Plattform. Ein weiteres Beispiel ist die Einstellung eines Angebots durch einen Verkaufer. Die Wertschopfung liegt in der AngebotsvergroBerung und kommt primar der Kaufergruppe zugute. Auf Seiten des Verkaufers oder auch Anbieters entstehen Kosten ftir die Einstellung des Angebots, die durch den Erwartungsnutzen eines erfolgreichen Verkaufs mindestens kompensiert werden. Da bei eBay alle Angebote auch flir nicht registrierte Kunden einsehbar sind (z.B. auch iiber Suchmaschinen), entsteht durch die Einstellung eines neuen Angebots neben dem direkten Erwartungsnutzen des Anbieters auch ein indirekter Nutzen fur alle potenziellen Kaufer. Auf Seiten von eBay kommt es neben den direkten Kosten iiber die „Marktausweitung" auch zu einem indirekten Nutzenzuwachs. Durch den kostenlosen Zugang zu Verkaufsangeboten wird die Plattform attraktiver und zieht hierdurch wiederum mehr registrierte Benutzer an.
3.2.2
Wertschopfungskumulation
Eine Wertschopfiingskette im einseitigen Markt hat einen stets identischen, sequenziellen Ablauf, mit defmiertem Anfangs- und Endpunkt. Das Niveau der Wertschopfungssumme bleibt auch bei mehrmaligem Durchlaufen der Wertschopfiingskette gleich, allenfalls erhohen Erfahrungswerte das Wertschopfungsniveau (durch Kostensenkungen oder Qualitatsverbesserungen). Die Nutzengenerierung wird immer auf der Wert generierenden Stufe direkt intemalisiert. Im Gegensatz dazu stehen die mehrseitigen Dienstleistungsmarkte. Wiederholte Ausflihrungen bestimmter Wertschopfungsaktivitaten fuhren zu einer Kumulation der Wertschopfung - das Wertschopfungsniveau erhoht sich stetig. Abbildung 3 zeigt einige Bei-
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spiele fiir Wertschopfungsaktivitaten und deren Auswirkungen in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten.
Abbildung 3: Positive Abhangigkeiten der Wertschopfungsaktivitaten
3.3
Wertschopfungsspirale
In einem zweiseitigen Dienstleistungsmarkt verlauft der Wertschopfungsprozess auf Grund der direkten und indirekten Abhangigkeiten, der Rlickkoppelungseffekte sowie der Wertschopfungskumulation parallel und selbstverstarkend. Daher ist die Abbildung als Kette wenig geeignet, vielmehr ahnelt der Wertschopfungsprozess einer Art Spirale. Auch bei der Wertschopfungsspirale sind die Bausteine die Wertschopfungsaktivitaten. Im Gegensatz zu klassischen Wertschopfungsketten gehen die Wertschopfungsaktivitaten in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten jedoch nicht allein von der Plattform selbst aus. Auch die Marktseiten tragen via RUckkoppelungsprozess zur Wertschopfiing bei. Dariiber hinaus gibt es Wertschopfiingsaktivitaten der Plattform, die auf alle Marktseiten einen positiven Riickkopplungseffekt ausiiben.
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
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Abbildung 4: Wertschopfiingsspirale in zweiseitigen Dienstleistungsmarkten Abbildung 4 zeigt eine Wertschopfiingsspirale ftir einen zweiseitigen Markt. Fiir einen mehrseitigen Markt erganzt sich die Spirale um weitere Stationen der direkten und indirekten Wertschopfiing (Marktseiten), hier durch die Pfeile und die dariiber liegenden Kasten dargestellt. Ein Beispiel fur einen mehrseitigen Markt ist die heutige Mobilfunkbranche, wobei die Plattform ein Netzbetreiber oder auch Geratehersteller sein kann. Die Plattform bringt die Markte Endkunden, Inhalteaggregatoren, Inhalteanbieter, Geratehersteller/Netzbetreiber usw. in Interaktion. Bei dieser Wertschopfiingsspirale spielt die kritische Masse aus zweierlei Gninden eine tragende Rolle. Zum einen muss mindestens eine Marktseite gentigend groB sein, um die jeweilige andere Marktseite fiir die Plattft)rm gewinnen zu konnen. Zum anderen ist ein ausreichend hohes Transaktionsvolumen in Abhangigkeit vom Erlosmodell fiir die Profitabilitat der Plattform entscheidend. Wie die Spirale verdeutlicht, steigt die Wertschopfung iiber die Riickkoppelungseffekte stetig an. So liegt z.B. fiir zwei nacheinander erfolgte Neuregistrierungen das Nutzenniveau fiir den zweiten Neukunden bereits hoher. Die Wertschopfiingsspirale muss in der Initialphase ein Mindestniveau an Wertschopfiing fiir einen nachhaltigen Geschaftserfolg generieren, wohingegen bei einer Wertschopfimgskette mit der einmaligen Ausfiihrung das Geschaftsziel bereits erreicht sein kann.
3A
Ei-Henne-Problematik und Pinguin-Effekt
Bevor ein Plattformbetreiber die Wertschopfiingsspirale in zwei- oder mehrseitigen Markten in Gang bringen kann, steht er vor der so genannten Ei-Henne-Problematik
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(Caillaud/Jullian 2003). Damit auf einer Marktseite Teilnehmer angeworben werden konnen, mtissen auf der anderen Marktseite bereits gentigend Teilnehmer existieren und umgekehrt. Wenn jede Marktseite aber abwartet, bis sich die andere Marktseite entwickeh, kommt es zum bekannten Pinguin-Effekt (Farell/Saloner 1987), bei dem die Pinguine hungrig auf einer Eisscholle stehen, wahrend das Meerwasser vor ihnen voller leckerer Fische ist. Jeder Pinguin zogert jedoch ins Wasser zu springen, da die Pinguine, die als erstes ins Wasser springen, am ehesten von Raubfischen gefressen werden. Jeder Pinguin wartet also ab, bis gentigend andere ins Wasser gesprungen sind, um in Ruhe seinen Hunger stillen zu konnen, ohne selbst von hungrigen Raubfischen gefressen zu werden. Plattformbetreiber mtissen diesen Effekt iiberwinden, damit die Wertschopfungsspirale in Gang kommt. Beispielsweise stand eBay anfanglich vor dem Problem, dass seine Intemetauktionsplattform fiir Kaufer uninteressant ist, wenn es nicht gentigend Verkaufsangebote gibt. Umgekehrt wird aber auch kein Verkaufer ein Verkaufsangebot auf der Plattform platzieren, wenn es nicht gentigend potenzielle Kaufer gibt. Die Transaktionskosten sind dort am geringsten, wo die Marktliquiditat am groBten ist, d.h. dort, wo das groBte Angebot und die groBte Nachfrage aufeinander treffen. Dort fmdet man am schnellsten einen Transaktionspartner, der bereit ist, den geforderten Preis zu bezahlen. Dies gilt nicht nur fiir Intemetauktionsplattformen, sondem analog auch fiir Borsen, Heirats- und Wochenmarkte. Auch das Online-Zahlungssystem PayPal stand anfanglich vor dem Ei-Henne-Problem und dem Pinguin-Effekt. Potenzielle Kaufer meiden das Zahlungssystem, bis es gentigend Akzeptanzstellen, d.h. Verkaufer, die das Zahlungssystem bei Online-Einkaufen akzeptieren, gibt. Die Verkaufer wiederum akzeptieren das Zahlungssystem erst, wenn es ausreichend viele potenzielle Kaufer gibt. Sobald die Wertschopfungsspirale einmal in Gang gesetzt wurde, entsteht ein Schneeballeffekt, da jeder zusatzlich hinzugewonnene Teilnehmer auf einer Marktseite den Nutzen fiir alle Teilnehmer der anderen Marktseite erhoht und umgekehrt. Durch diesen Schneeballeffekt entsteht ein Wettbewerbsvorteil, der fiir Konkurrenten kaum mehr einholbar ist. Der Wettbewerb wird also bereits sehr friih entschieden. Die Plattform, der es gelingt, die Wertschopfungsspirale als erstes in Gang zu setzen, hat die groBten Chancen, den Wettbewerb zu gewinnen. First-Mover-Vorteile, Signalisierungsstrategien und Subventionierung einzelner Marktseiten sind deshalb effektvolle Instrumente im Plattformwettbewerb.
3.5
First-Mover-Vorteile
Monster.com ist ein typisches Beispiel fiir ein Untemehmen, das in einem zweiseitigen Dienstleistungsmarkt First-Mover-Vorteile realisieren konnte und hierdurch eine dominante Marktposition erzielt hat. Monster.com bietet fiir Arbeitgeber und Arbeitsuchende eine Intemetplattform an. Fur Arbeitgeber ist es attraktiver, dort Anzeigen aufzugeben.
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
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wo die meisten potenziellen Jobsuchenden sind. Umgekehrt ist es fiir Jobsuchende am leichtesten, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie dort suchen, wo das Angebot am groBten ist. Monster.com war das erste Dienstleistungsuntemehmen, das mit seinem Jobportal Zeitungen Konkurrenz machte. Im Gegensatz zu Tageszeitungen konnte Monster.com mit Hilfe des Internets Kostenvorteile erzielen. Beispielsweise ist das Einstellen von Anzeigen wesentlich giinstiger als in Tageszeitungen bei gleichzeitiger Ausweitung der Sichtkontakte, d.h., der Markt ist nicht auf eine bestimmte Region begrenzt, sondem an das Wachstum des Internet gekoppelt. Des Weiteren bietet die Intemetplattform Funktionen zur Verwaltung von Bewerbem, differenzierte Suchfiinktionen, automatische Benachrichtigungen, Personalisierbarkeit usw. Die Intemettechnologie ermoglicht mit Hilfe der neuartigen Zweiwegkommunikation eindeutige Transaktionskostenund Differenzierungsvorteile. Der bestechende Kundennutzen war jedoch nur die eine Seite der Medaille. Der Hauptvorteil bestand in dem raschen Wachstum auf beiden Marktseiten. Dank seiner Kostenstruktur, hohe Fixkosten und geringe Grenzkosten, konnte Monster.com den FirstMover-Vorteil durch ein rasantes Marktwachstum immer weiter ausbauen. SchlieBlich verstand es Monster.com, den „rollenden Schneeball" entsprechend zu vermarkten. Beispielsweise brachte ein Werbespot beim 33. Super Bowl Spiel innerhalb von 24 Stunden 450 Prozent mehr Benutzer auf das Portal (Monster.com Press Release 1999). Monster.com hat seinen heutigen Wettbewerbsvorteil aber in erster Linie der Tatsache zu verdanken, dass es als erstes Untemehmen ein Jobportal aufgebaut hatte. Ware Monster.com ein anderes Untemehmen zuvor gekommen, saBe dieses Untemehmen vermutlich jetzt an dem Sonnenplatz von Monster.com.
3.6 Signalisiemngsstrategie In manchen mehrseitigen Markten konnen das Ei-Henne-Problem und der PinguinEffekt durch eine geeignete Signalisiemngsstrategie iiberwunden werden. Ein erfolgreiches Beispiel hierfiir ist die Preisankiindigung des Elektronikkonzems Sony fiir seine Videospielkonsole Playstation. Videospielkonsolen konnen ebenfalls als Plattform eines zweiseitigen Marktes interpretiert werden. Die beiden Marktseiten sind in diesem Fall zum einen die Konsumenten und zum anderen die Spielentwickler. Aus Sicht der Konsumenten ist die Spielkonsole (Plattform) alleine wertlos. Sie wird jedoch umso wertvoller, je groBer die Vielfalt und Attraktivitat kompatibler Spiele ist. Gibt es nur wenige kompatible Spiele, ist die Konsole unattraktiv. Aus Sicht der Spielentwickler ist es attraktiver, Spiele fiir diejenigen Konsolen zu entwickeln, die am haufigsten verkauft werden. Je mehr Spiele ein Entwickler verkauft, desto hoher ist sein Gewinn, da die Spielentwicklung in erster Linie Fixkosten vemrsacht. Die Kosten einer zusatzlichen Spielkopie sind dagegen annahemd Null. Solange die Spielentwickler das Marktpotenzial einer neuen Spielkonsole nicht einschatzen
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konnen, verharren sie jedoch in der Pinguinphase. Falls es aber keine attraktiven Spiele gibt, werden die Konsumenten die Konsole nicht kaufen. Die WertschopfUngsspirale kommt nicht in Gang. Sony hat dieses Problem 1995 iiberwunden, indem es auf der Spielmesse in Los Angeles verktindete, die neue Spielkonsole Playstation fiir einen Festpreis von 299 USD zu verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt war die Playstation noch nicht fertig entwickelt und auch noch kein einziges Spiel programmiert. Dennoch hat die Preisankundigung bewirkt, dass schlagartig in den folgenden Monaten zahlreiche Spiele fiir die zuktinftige Playstation entwickelt wurden. Zum Verkaufsstart konnte Sony bereits mit vielen Spielen aufwarten. Dies verhalf der Playstation zum erhofften Verkaufserfolg. Das Preissignal ermutigte viele Spielentwickler, zur Playstation kompatible Spiele zu entwickeln. Der Preis war so giinstig, um sicherzustellen, dass genug Konsumenten eine Spielkonsole kaufen wurden, wenn es hierfiir auch attraktive Spiele gibt. Aufgrund der Spielvielfalt war die Plattform (Konsole) wiederum auch fur die Konsumenten attraktiv. Der Schneeball kam ins Rollen.
3.7
Subventionierung einer Marktseite
In Unterhaltungsmarkten bestehen die einzelnen Marktseiten aus Konsumenten (Zuschauer, Leser oder Zuhorer), Produzenten, Kiinstlem und Werbenden. Zum Beispiel fungiert ein TV-Sender als Plattform und bietet mit der richtigen Programmwahl attraktive Inhalte, um moglichst viele Zuschauer zu gewinnen. Gleichzeitig werden die gewonnenen Zuschauer segmentiert und an die Werbeindustrie „verkauft". Tendenziell gilt, je hoher die Einschaltquote, desto teurer ist der Werbespot. Zugleich „beeintrachtigt" die Werbung jedoch die Programmqualitat. Es besteht also ein Trade-off zwischen Werbeumfang und Einschaltquote. Mit zunehmendem Werbeumfang sinken ceteris paribus die Einschaltquoten. Rticklaufige Einschaltquoten wirken sich wiederum nachteilig auf die Werbeattraktivitat aus. Andererseits gibt es aber auch einen positiven Riickkoppelungseffekt zwischen Werbung, Programmqualitat und Einschaltquote. Hohere Werbeeinnahmen ermoglichen eine bessere Programmqualitat. Eine bessere Programmqualitat steigert die Einschaltquote und hohere Einschaltquoten fiihren wiederum zu hoheren Werbeeinnahmen. Um diesen Ruckkoppelungseffekt auszuniitzen, wird im Free-TV die Marktseite der Zuschauer komplett „subventioniert" (Armstrong 2004, S. 11). Die Zuschauer „zahlen" quasi allein mit ihrer Aufmerksamkeit, die von der TV-Plattform an die Werbeindustrie verkauft wird (PeitzA^alletti 2004). Ein anderes Beispiel ist Adobe. Der Adobe Reader kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden, wahrend der Adobe Creator bezahlt werden muss. Durch die „Subventionierung" der Leser liberwindet Adobe das Ei-Henne-Problem und den Pinguin-Effekt. Allerdings ist der Begriff „Subventionierung" in diesem Zusammenhang zumindest teilweise irreflihrend. Die Adobe Leser und die Free-TV Zuschauer tragen namlich zur Wertschopfung bei, indem sie den Nutzen der Autoren (Adobe) bzw. Werbenden (Free-
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TV) steigem. Anstatt von Subventionen konnte man also auch von einer Vergiitung sprechen. Das Missverstandnis liber die Rolle der Nachfragestimulation durch „Subventionierung" einer Marktseite war groBtenteils auch der Grund fur die vielen Misserfolge zur Zeit der DotCom-Blase Ende der 1990er Jahre/Anfang 2000 (Evans 2006, S. 100; Caillaud/JuUian 2003).
4.
Wertaneignung
Wertschopfung ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung fiir ein wettbewerbsfahiges Untemehmen. Ein Untemehmen, das keine Werte schafft, kann nicht erfolgreich sein. Wertschopfung allein reicht aber nicht aus. Es gibt zahlreiche Beispiele ftir Untemehmen, die zu einer hohen Wertschopfung beigetragen haben, aber erfolglos blieben, weil sie nicht in der Lage waren, sich einen ausreichend groBen Anteil der erzielten Wertschopfung anzueignen. Ein klassisches Beispiel hierfur ist die PC-Sparte von IBM. Anfang der achtziger Jahre entwickelte IBM mit seinem PC ein auBerst erfolgreiches Produkt. Die Wertschopfung war sehr hoch. AUerdings war IBM nicht in der Lage, sich einen angemessenen Teil an der Wertschopfung anzueignen. Microsoft und Intel waren diejenigen, die die Gewinne abschopften. Ein Gegenbeispiel ist Nintendo (Brandenburger/Nalebuff 1995, S. 65f.). Anfang der 1990er Jahre hatte Nintendo eine Marktkapitalisierung von 2,4 Trillionen Yen. Zum Vergleich: Sonys Marktkapitalisierung lag bei 2,2 und Nissans bei 2 Trillionen Yen. Zweifelsohne erzielten Sony und Nissan mit Elektronikgeraten bzw. PKWs eine wesentlich hohere Wertschopfung als Nintendo mit seinen Computerspielen. Offensichtlich gelang es aber Nintendo, sich einen wesentlich groBeren Anteil der erzielten Wertschopfung anzueignen als Sony oder Nissan. Wie war das moglich? Nintendo gelang es durch Rationierung seiner Produkte, seine Verhandlungsmacht gegeniiber GroBkunden wie Wal-Mart oder Toys R Us zu erhohen. Durch die Rationierung sank die Preiselastizitat der Nachfrage und Nintendo konnte hohere Gewinnmargen erzielen. Auch in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten reicht Wertschopfung allein nicht aus. Die Plattformbetreiber mtissen auch in der Lage sein, sich einen GroBteil der Wertschopfung anzueignen. Als Instrumente steht ihnen hierfur vor allem die Preispolitik zur Verfiigung. Dabei lassen sich die Erkenntnisse aus einseitigen Markten jedoch nicht unreflektiert auf mehrseitige Markte iibertragen. Der Mechanismus fiir eine optimale Preissetzung unterscheidet sich bei einseitigen und mehrseitigen Markttypen fundamental, was nachfolgend erlautert wird.
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4.1 Preissetzung in einseitigen Dienstleistungsmarkten In einseitigen Markten ist laut Lehrbuchem die „Preis gieich Grenzkosten"-Regel effizient. Diese Regei ist jedoch aus betriebswirtschaftlicher Sicht in Markten mit hohen Fixkosten ungeeignet. Zudem sind die Grenzkosten in vielen mehrseitigen Dienstleistungsmarkten sehr niedrig oder gar Null. Im Free-TV verursacht ein zusatzlicher Konsument keinerlei Kosten. Auch bei Yahoo!, Monster.com oder Google sind die Grenzkosten, die ein zusatzlicher Konsument verursacht, Null. Wenn diese Untemehmen ihren Preis nach der Grenzkostenregel festlegen wiirden, waren sie innerhalb ktirzester Zeit insolvent oder zumindest hoch defizitar. Aber auch die klassische Monopolpreistheorie hilft diesen Untemehmen nicht weiter. Ein Monopolist kann aufgrund der Marktmacht einen Preis oberhalb der Grenzkosten setzen, wobei der Aufschlag von der Preiselastizitat der Marktnachfrage abhangt. Je unelastischer die Nachfrage der Konsumenten ist, desto hoher liegt der gewinnoptimale Preis. Die Festlegung des Monopolpreises erfolgt liber die gewinnmaximale Menge, welche mit der Kegel „Grenzerlos gieich Grenzkosten" ermitteU wird. Im Vergleich zur voUstandigen Konkurrenz kommt es zu einer teilweisen Umverteilung der Renten von Konsumenten zu Produzenten. In diesem Fall verursacht der Monopolpreis aber gleichzeitig einen Wohlfahrtsverlust, d.h., far eine positive Produzentenrente wird ein Stiick der moglichen Gesamtwohlfahrt geopfert. Das Hauptproblem liegt darin, dass mit einem einstufigen Preis, d.h. einem festen Preis je konsumierter Einheit, letztendlich auch nur eines der beiden Ziele, Wertschopfung (Effizienz) oder Wertaneignung (Gewinnmaximierung), realisiert werden kann. Um beide Ziele zu erreichen, benotigt man auch zwei Freiheitsgrade bei der Preisbildung. Dies wird durch einen zweistufigen Tarif ermoglicht. Ein solcher Zweistufentarif besteht aus einer (fixen) Grundgebiihr und einem (variablen) benutzungsabhangigen Preis. Mit Hilfe des benutzungsabhangigen Preises wird das Wertschopfungsziel (Effizienz) erreicht, indem dieser Preis den Grenzkosten gleichgesetzt wird. Damit ist sichergesteUt, dass die Konsumenten die effiziente Menge nachfragen und somit die Wertschopfung maximiert wird. Mit der fixen Grundgebiihr wird das zweite Ziel erreicht, indem die Grundgebiihr so festgelegt wird, dass der Produzent die gesamte Konsumentenrente abschopft und sich auf diese Weise die gesamte Wertschopfung aneignet (Wilson 1993). Zweistufige Tarife sind also eine Art der Preisdiskriminierung, die haufig in Bereichen mit signifikant hohen Fixkosten eingesetzt wird. Mit der Zahlung einer Grundgebiihr erhalt der Konsument Zugang zu einem Netzwerk oder Klub. Die Nutzung wird iiber eine variable Gebiihr abgegolten. Bei der Preisbildung ist darauf zu achten, dass die Grundgebiihr und die variable Gebiihr aufeinander abgestimmt werden. Die Festlegung der Grundgebiihr und Nutzungsgebiihr erfolgt in Abhangigkeit voneinander bei gleichzeitiger Beriicksichtigung der Anreizwirkung. Die Grundgebiihr muss fiir moglichst viele Nachfrager lohnend sein, d.h., zur Teilnahme motivieren. Des Weiteren gilt, dass je hoher die Grundgebuhr ist, desto niedriger ist die variable Gebuhr. Das geeignete Design der variablen Gebiihr stellt eine effiziente Allokation vorhandener Kapazitaten sicher.
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
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Der Vorteil des zweistufigen Tarifs liegt in der flexiblen Anpassung des Preises an den Kundennutzen. Nachteilig ist jedoch, dass die unterschiedliche Nutzenstruktur der Kunden nicht abgebildet wird. Diesem Nachteil kann jedoch mit dem Angebot mehrerer zweiteiliger Tarife (Blocktarif) entgegengewirkt werden. Diese Tarifstruktur fiihrt durch Selbstselektion zur Anpassung der Kundennutzenstmktur. Allerdings sind zweistufige Tarife fur mehrseitige Dienstleistungsmarkte nur bedingt geeignet, da in mehrseitigen Markten noch weitere Dimensionen hinzukommen. Beispielsweise ist in mehrseitigen Markten aufgrund der Riickkoppelungseffekte und Wertschopfungskumulation nicht nur das Preisniveau, sondem auch die Preisstruktur, d.h. die Verteilung des Preisniveaus auf die einzelnen Marktseiten, relevant.
4.2 Preissetzung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten In einem mehrseitigen Markt ergibt sich aufgrund der Riickkoppelungseffekte und Wertschopfungskumulation eine ganz neue Herausforderung fxir die Preissetzung. Wie bereits erklart, fallen in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten neben direkten Nutzen und Kosten auch indirekte Effekte bei Drittparteien an. Die Berucksichtigung bei der Preissetzung ist der entscheidende Unterschied fiir den Untemehmenserfolg.
4.2.1 Preisstruktur und marktiibergreifende Preissetzung In einseitigen Markten ist das Preisniveau allein entscheidend, d.h., aus Untemehmenssicht kann die abgesetzte Menge in der Regel mit der Hohe des Preises beeinflusst werden. Auf einem mehrseitigen Markt agiert eine Plattform zwischen verschiedenen Marktseiten und kann folglich auf jeder Marktseite einen Preis fiir die Dienstleistung verlangen. Demnach gibt es pro Marktseite ein Preisniveau und iiber alle Marktseiten kumuliert ein Gesamtpreisniveau. Da die Nachfragen der Marktseiten voneinander abhangig sind, sind auch die gesetzten Preise voneinander abhangig. Der Sachverhalt mehrerer Preise wird allgemein als Preisstruktur bezeichnet. Sind die Preise einer Plattform je nach Marktseite unterschiedlich hoch oder werden unterschiedliche Preismodelle verfolgt, so spricht man auch von einer asymmetrischen Preisstruktur. Eine asymmetrische Preisstruktur resuhiert aus unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten. Die Zahlungsbereitschaften sind nicht allein von den Eigenschaften der Dienstleistung der Plattform abhangig, sondem gleichzeitig auch von den verursachten Riickkoppelungseffekten. Ein okonomisch effizienter Preis bildet sich daher nicht nur durch die verursachten Leistungserstellungskosten, sondem beriicksichtigt einen Optionswert, wie z.B. bei eBay die Moglichkeit eines Handels zwischen Verkaufer und Kaufer. Die Effizienzregel „Preis gleich Grenzkosten" besitzt in mehrseitigen Markten daher keine Giiltigkeit mehr, denn eine Zuordnung gruppenspezifischer Grenzkosten ohne die Berucksichtigung der Riickkoppelungseffekte reduziert die Nachfrage oder hebelt das
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Zustandekommen eines Marktes aus. Ein Preis unterhalb der Grenzkosten ist daher nicht zwingend ein Zeichen flir einen Verdrangungswettbewerb. Eine optimale Preisstruktur schafft eine Balance zwischen den Nachfragen der verschiedenen Marktseiten und internalisiert somit die auftretenden Effekte (Armstrong 2006). In der Folge haben Marktseiten oftmals verschiedene Preismodelle und Preisniveaus, wobei es auch moglich ist, dass der Preis entweder gleich Null (z.B. die Registrierung bei eBay) oder sogar negativ (z.B. Bonusprogramme) ist (Evans 2003). Die Preisstruktur, welche Marktseite welchen Anteil des Gesamtpreises iibemimmt, ist entscheidend und nicht bloB das aggregierte Gesamtpreisniveau, wie es in einseitigen Markten der Fall ist (Rochet/Tirole 2004). Zum Beispiel erwirtschaftet eBay seinen Umsatz aus den Geblihren fiir die Verkaufe iiber ihre Handelsplattform. Somit wird auf der Verkauferseite ein transaktionsbezogenes Preismodell zugrunde gelegt. Der Kaufer hingegen zahlt bei Ersteigerungen oder Direktkaufen keinerlei Gebiihr - im Gegenteil, er verursacht durch die kostenfreie Nutzung der Plattform Kosten. Dieser Preisstruktur liegt die Annahme zugrunde, dass der Verkaufer aufgrund der Tatsache, dass er die Initiative ergreift, urn einen Verkauf zu tatigen, eine hohere Zahlungsbereitschaft besitzt als der Kaufer. Der Preis liegt iiber den verursachten Grenzkosten, was im Interesse des Verkaufers ist. Diese von eBay iiber die Preisstruktur implementierte Anreizstruktur stellt sicher, dass keine potenziellen Kaufer abgeschreckt werden. Das Ziel von eBay ist folglich die Maximierung der Wertschopfiing und Wertaneignung uber das Transaktionsvolumen. Eine ungleiche Kostenaufteilung, d.h. asymmetrische Preisstruktur, kann daher auch ein Optimum sein.
4.2.2 Multi- und Singlehoming Multihoming hat einen Effekt sowohl auf die Preisstruktur als auch auf das Preisniveau. Stehen mehrere Plattformen zueinander in Konkurrenz, so kann es zu Multihoming kommen. Der Begriff beschreibt das Verhalten mindestens einer Kundengruppe, die Teilnehmer von mindestens zwei Plattformen ist. Ein Beispiel hierfiir sind Kreditkartenzahlungssysteme. Viele Konsumenten haben mehrere Kreditkarten gleichzeitig im Einsatz, d.h., sie benutzen z.B. Eurocard und Visa. Singlehoming beschreibt das Gegenteil, also Kunden sind Teilnehmer ausschlieBlich einer Plattform. Wenn beispielsweise die Kaufergruppe mehreren Plattformen angehort, verursacht der Wettbewerbsdruck auf die Plattformen eine Preissenkung. Die Elastizitat der Kaufer fiir eine bestimmte Plattform erhoht sich aufgrund der moglichen Substituierbarkeit. Auf der anderen Seite haben die Verkaufer die Moglichkeit, zwischen mehreren Plattformen zu wahlen, da die Kaufergruppe in alien Plattformen vertreten ist. Auch wenn Multihoming in einem Markt nicht iiblich ist, geniigt allein die Moglichkeit daflir, um die Preisstruktur der Plattform zu beeinflussen (Rochet/Tirole 2004; Caillaud/JuUian 2001).
Wertschopfung in mehrseitigen Dienstleistungsmarkten
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4.2.3 Referenz- und Stammkunden Die Preisstruktur wird auch noch von einem weiteren Faktor beeinflusst. Bestimmte Kundentypen, z.B. Referenzkunden, haben fur die jeweils andere Marktseite einen besonders hohen Wert. 1st eine Plattform in der Lage, z.B. besonders solvente Kunden auf einer Marktseite an Bord zu holen, so kann auf der anderen Marktseite ein dieser Klientel entsprechender Preis verlangt werden. Der Preis der Marktseite, auf welcher sich der Referenzkunde befindet, reduziert sich tendenziell. Ein ahnlicher Effekt entsteht durch Loyalitat bestimmter Kunden gegenuber der Plattform, sei es durch langfristige Vertrage Oder hohe Wechselkosten. Ein bekanntes Beispiel ist American Express. Das Kreditkartenuntemehmen ist in der Lage, dem angeschlossenen Handlemetz besonders hohe Gebuhren bei einem Karteneinsatz durch einen American Express-Karteninhaber zu verrechnen. Die Handler akzeptieren diese im Vergleich zu anderen Kartenanbietem wie z.B. Visa und Eurocard hohen Gebiihren, weil sie die American Express-Karteninhaber als besonders attraktive, d.h. einkaufsbereite oder treue Klientel schatzen (Rochet/Tirole 2001).
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Max Ringlstetter, Stephan Kaiser und Tim Kampe
Vemetzung von Wertschopfiingsprozessen kleiner und mittlerer Professional Services Firms - Eine Analyse aus Sicht der Sozialkapital-Forschung 1. Einleitung 2. Professional Services Firms - Charakteristika, Trends und Strategien 2.1 Charakteristika von Professional Services Firms 2.2 Angebots- und nachfragerseitige Trends auf Teilmarkten von Professional Services Firms 2.3 Optionen der strategischen Entwicklung von Professional Services Firms 3. Wertschopfungsnetzwerke - Sozialkapital und Professional Services Firms 3.1 Sozialkapital - eine kritische Netzwerkperspektive 3.1.1 Das Konzept des Sozialkapitals 3.1.2 Zentrale Aussagen 3.2 Ausgestaltung von Wertschopfungsnetzwerken ftir kleine und mittlere Professional Services Firms 3.2.1 Stmkturelle Aspekte von Wertschopfungsnetzwerken 3.2.2 Aspekte jenseits der Struktur 4. Fazit und Ausblick Literatur
Prof Dr. Max Ringlstetter ist Inhaber des Lehrstuhls fiir Organisation und betriebliches Personalwesen an der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt. Dr. Stephan Kaiser ist Wissenschaftlicher Assistent, Dipl.-Kfm. Tim Kampe Wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl.
1.
Einleitung
Professional Services Firms, zu denen unter anderem Untemehmensberatungen, Wirtschaftspriifungs- und Steuerberatungsgesellschaften sowie Wirtschaftskanzleien gezahlt werden, erbringen Dienstleistungen, die besonders wissensintensiv sind und sich vorwiegend an Untemehmen als Kunden richten. Der Markt ftir Professional Services unterliegt einer starken Dynamik und ist in den letzten Jahren insbesondere durch eine Verkleinerung der Gewinnmargen bei gleichzeitiger Zunahme des Wettbewerbdrucks gekennzeichnet. Geanderte Kundenerwartungen, wie der Wunsch nach „One-StopShopping", dem Angebot mehrerer verschiedener Dienstleistungen aus einer Hand, oder nach „Seamless Global Service", dem Angebot weltweit verfiigbarer Dienstleistungen, stellen Professional Services Firms vor weitere Herausforderungen. Wahrend grofie, international agierende Untemehmen diesen Veranderungen entsprechen konnen, stellt sich die Frage, wie sich kleine und mittlere Professional Services Firms in einem solchen Marktumfeld behaupten konnen. Die Fragen, weshalb der Zusammenschluss zu Wertschopfungsnetzwerken hierfur eine adaquate Strategieoption darstellt und wie diese auszugestalten sind, stehen im Mittelpunkt dieses Beitrages. Zunachst folgt eine kurze Einfiihrung in die Welt der Professional Services Firms, indem zentrale konstitutive Merkmale, Trends und Strategien skizziert werden (Teil 2). Daran anschlieBend werden Wertschopfungsnetzwerke aus dem Blickwinkel der SozialkapitalForschung beleuchtet und konkrete Implikationen far kleine und mittlere Professional Services Firms abgeleitet (Teil 3) sowie ein kurzes Fazit gezogen (Teil 4).
2.
Professional Services Firms - Charakteristika, Trends und Strategien
Professional Services Firms bilden einen wichtigen Sektor modemer Volkswirtschaften und unterscheiden sich von anderen Dienstleistungsuntemehmen (Abschnitt 2.1). Der Markt ftir Professional Services unterliegt einer hohen Dynamik mit sich andemden Kundenanforderungen (Abschnitt 2.2), was besondere Herausforderungen an die komplexe und kundenspezifische Dienstleistungen erbringenden Untemehmen und deren Management stellt (Abschnitt 2.3).
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2.1
Max Ringlstetter, Stephan Kaiser und Tim Kampe
Charakteristika von Professional Services Firms
Wahrend sich Dienstleistungsuntemehmen bereits deutlich von Untemehmen des primaren oder sekundaren Sektors unterscheiden - namlich durch die Charakteristika von Dienstleistungen in Form der Intangibilitat und der Integration des Kunden in den Serviceprozess (Maleri 1997, S. 96f.; Meffert/Bruhn 2006, S. 33) - gehen Professional Services Firms noch weiter dariiber hinaus. Sie sind deutlich starker als andere Dienstleister von den Fahigkeiten und dem Wissen ihrer Professionals abhangig (Lowendahl 2005, S. 20ff; Pfeffer 1994, S. 21; Scott 2001, S. XII), weshalb sie auch als wissensintensive Untemehmen bezeichnet werden (Alvesson 1995). Das Wissen nimmt flir Professional Services Firms eine wichtige Doppelrolle ein: Zum einen ist es der essenzielle Inputfaktor, zum anderen aber auch der wesentliche Outputfaktor dieser Untemehmen, die im Wesentlichen Losungskapazitaten fur die komplexen Probleme ihrer Klienten anbieten (Tordoir 1995, S. IX und S. 59). Das Wissen bemht zu einem gewissen Teil auf der formalen Ausbildung sowie der kontinuierlichen Weiterbildung der Professionals (explizites Wissen), aber zu einem groBen Teil auch auf der kumulativen Erfahmng, die von den Professionals auf Klientenprojekten mit anderen (Senior-)Professionals gesammelt werden (implizites Wissen). Wahrend ersteres einfach geteilt werden kann, ist letzteres nur zu einem geringen Anteil explizier- und damit mitteilbar. Gerade dieses implizite Wissen ist jedoch eine wichtige Gmndlage der Fahigkeiten der Professionals und ermoglicht es ihnen, die Klientenwunsche zu erfiillen (Maister 2003). Entsprechend werden die Mitarbeitenden einer Professional Service Firm auch als „the crown jewel of knowledgeproducing entities'' (Kor/Leblebici 2005, S. 980) gesehen. Professional Services Firms formen innerhalb entwickelter Volkswirtschaften einen wichtigen Sektor. Wirtschaftsprufiingsgesellschaften erhohen durch ihr Jahresabschlusstestat das Anlegervertrauen in Finanzmarkten, Wirtschaftskanzleien ermoglichen komplexe Transaktionen wie intemationale Merger und Akquisitionen (M&A), und Unternehmensberatungen erteilen nicht nur fiihrenden Untemehmen, sondem sogar Regiemngen ihren Rat. Professional Services Firms spielen demnach eine signifikante RoUe in modemen Okonomien, sie bilden die „knowledge engines for business" (Lorsch/Tiemey 2002). Angesichts der praktischen Relevanz des Professional Services Firms-Sektors ist es erstaunlich, dass Professional Services Firms immer noch als eine „underresearched organizational form" (Malos/Campion 2000, S. 749) oder ein „hidden giant" (Lorsch/Tiemey 2002, S. 13) angesehen werden miissen, auch wenn sie mittlerweile auf ein deutlich zunehmendes Interesse stoBen (z.B. Alvesson 1995; Burger 2005; Lowendahl 2005; Muller-Stewens et al. 1999b; Ringlstetter et al. 2004). Nach Greenwood et al. (2005) lassen sich hinsichtlich der primaren Ausrichtung dabei zwei Forschungsstrange unterscheiden: Ein erster fokussiert auf Professional Services Firms, um hohere Theorien weiterzuentwickeln (z.B. Hitt et al. 2001; Kor/Leblebici 2005), eine zweite Forschungsrichtung widmet sich den spezifischen Management-Herausfordemngen, mit denen sich Professi-
Vemetzung von Wertschopfungsprozessen in Professional Services Firms
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onal Services Firms konfrontiert sehen. Ziel dieser Forscher ist es, eine Theorie der Professional Service Firm zu entwerfen (Greenwood et al. 2005, S. 662). Jiingere Forschungsbemtihungen dieser Stromung zielen vor allem auf verschiedene Aspekte der Intemationalisierung von Professional Services Firms (Morgan/Quack 2005; SegalHom/Dean 2005) und auf die Organisationsformen von Professional Services Firms bzw. auf den Wechsel in der dominanten Organisationsstruktur, den so genannten „archetype change" (Cooper et al. 1996; Greenwood/Empson 2003; Pinnington/Morris 2003; Sherer/Lee 2002) ab. Allen diesen Forschungsbemiihungen ist gemein, dass sie sich im Wesentlichen in ihrer Betrachtung auf groBe Professional Services Firms beschranken. Dies ist zunachst nicht verwunderlich, wenn man sich den Bekanntheitsgrad groBer Professional Services Firms wie z.B. PriceWaterhouseCoopers, McKinsey & Co. oder Freshfields Bruckhaus Deringer vor Augen flihrt. Konkretisiert man nun aber die weltweite Betrachtung auf den jeweiligen nationalen Markt, so ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild. So sind z.B. in Deutschland zwar auch die intemationalen „Big Player" mit groBer Prasenz am Markt vertreten, die Mehrheit der jeweiligen Berufstrager arbeitet allerdings in kleinen und mittleren Professional Services Firms. So arbeiteten in 2002 z.B. 82,5 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Anwalte in Kanzleien mit weniger als zehn Berufstragem. Mehr als die Halfte der deutschen Anwaltschaft (51,3 Prozent) war dabei sogar in einer Einzelkanzlei tatig (Huff 2002, S. 3). Noch deutlicher ist dies im Bereich der steuerberatenden Berufe ausgepragt, wo 75 Prozent der deutschen Steuerberater in Einzelpraxen tatig sind (Bundessteuerberaterkammer 2006). Auch in anderen Professional Services Firms-Teilmarkten ist der Anteil kleiner und mittlerer Untemehmen sehr hoch: So arbeiteten in 2004 nach einer Studie des Bundesverbands Deutscher Untemehmensberater BDU e.V. 66 Prozent aller deutschen Untemehmensberater in kleinen bzw. mittelgroBen Beratungsuntemehmen (Ade 2005, S. 8). Diese beiden Untemehmensgruppen stellten mit insgesamt 14.300 Untemehmen 99,7 Prozent der am Markt vertretenen Beratungsgesellschaften. Auch auf dem Markt fiir Wirtschaftspriifung, der den hochsten Konzentrationsgrad aller Professional Services Firms-Teilbranchen aufweist (Hachmeister 2001; Marten 1999, S. 105ff), betreiben deutlich mehr als die Halfte (53,9 Prozent) der in Deutschland zugelassenen Wirtschaftspriifer eine eigene Praxis (Wirtschaftspriiferkammer 2006, S. 3).
2.2 Angebots- und nachfragerseitige Trends auf Teilmarkten von Professional Services Firms Neben den skizzierten Charakteristika, die alle Professional Services Firms-Teilbranchen vereinen, sind auf der Nachfrageseite iibergreifende Trends erkennbar, die die gesamte Branche der Professional Services Firms zu einem teilweise fiindamentalen Wandel zwingen (Powell et al. 1999). Insbesondere der Mega-Trend der Globalisierung, verbun-
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den mit dem damit einhergehenden steigenden Wettbewerb in vielen Nachfragerbranchen, hat zu einem veranderten Einkaufsverhalten auf Kundenseite gefuhrt. Dieses Verhalten ist zum einen zunehmend charakterisiert durch den Wunsch nach OneStop Shopping, also der Nachfrage nach einem umfassenden (und nahtlos integriertem) Leistungsangebot aus einer Hand (Miiller-Stewens et al. 1999a, S. 28), wie z.B. die Erbringung der Rechts-, Steuer- und Untemehmensberatung durch eine einzige Professional Services Firm. Zum anderen wird von den Kunden ein Seamless (Global) Service gewiinscht, d.h., ein (weltweiter) schnittstellenarmer, integrierter und in Bezug auf Dienstleistungs- und Qualitatsstandards gleichermaBen konsistenter Service (MuUerStewens et ai. 1999a, S. 28). Dies kann z.B. die Nachfrage nach derselben Dienstleistung durch unterschiedliche Landergesellschaften eines Mandanten sein. Dieser Trend ist vor allem im Bereich der Wirtschaftspriifiing evident, wo haufig der Abschlusspriifer der Konzemmutter auch die auslandischen Tochtergesellschaften pnift. Diese Anderungen auf der Nachfrageseite ziehen zwangslaufig Anpassungen auf der Angebotsseite nach sich. Hier sind zum einen deutliche Diversifikationsbemilhungen und damit Konvergenzbewegungen zwischen verschiedenen Professional Services FirmsTeilbranchen auszumachen (Scott 2001, S. 16f). So wurden z.B. die Dienstleistungen im Bereich M&A-Beratung originar durch Investmentbanken erbracht, werden nun aber auch zunehmend durch Wirtschaftskanzleien oder durch Corporate Finance-Abteilungen von Wirtschaftsprufungsgesellschaften angeboten. Zum anderen verlangt die weltweite Nachfrage nach derselben Dienstleistung aufgrund der mit der Erbringung professioneller Dienstleistungen notwendigen hohen Interaktionsintensitat zwangslaufig eine Prasenz vor Ort. Die Folge wird insbesondere im Bereich der Wirtschaftsprufung evident, deren weltweiter Markt sich mit PriceWaterhouseCoopers, Deloitte Touche Tohmatsu, Emst&Young und KPMG im Wesentlichen auf nur noch vier global integrierte Anbieter aufteilt(Hachmeister 2001; Marten 1999, S. lOSff).
2.3 Optionen der strategischen Entwicklung von Professional Services Firms Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungen auf den Professional Services Firms-Teilmarkten bieten sich grundsatzlich vier strategische Optionen fiir Professional Services Firms als Reaktionsmoglichkeit an (siehe hierzu wie zum Folgenden grundsatzlich auch Btirger 2005; Ringlstetter/Burger 2003; 2004): Diversifikation nach Beratungsleistungen: Ausweitung der Geschaftstatigkeit um weitere professionelle Dienstleistungen. Diversifikation nach Regionen/Landem: Raumliche Ausdehnung der Geschaftstatigkeit auf andere Regionen bzw. Lander, in denen bisher noch keine Leistungen angeboten werden.
Vemetzung von Wertschopfungsprozessen in Professional Services Firms
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Diversifikation nach Kundengruppen: Angebot der Dienstleistungen an weitere Kundengruppen, wie z.B. die Offentliche Hand. Starkung des Kemgeschaftes: Konzentration auf bereits bestehende Dienstleistungen mit dem Ziel der Vertiefung der Kemkompetenzen. Allen Diversifikationsbemiihungen ist dabei gemein, dass die Geschaftsaktivitaten grundsatzlich ausgeweitet werden. Bei der Diversifikation nach Beratungsleistungen geht es vor allem darum, den bestehenden Kunden im Sinne eines so genannten „Client Leverage" weitere innovative und komplementare Dienstleistungen anzubieten. Hiermit wird die Professional Services Firm dem Wunsch ihrer Kunden nach „One-Stop Shopping" gerecht. Aus Sicht des Kunden werden die Anzahl der Schnittstellen reduziert und damit Transaktionskosten gesenkt (Miiller-Stewens et al. 1999a, S. 28). Aus Sicht der Professional Services Firms ergeben sich Cross Selling-Potenziale sowie Moglichkeiten der Risikodiversifikation (Scott 2001, S. 38). Die Strategien der Diversifikation nach Regionen/Landem bzw. nach Kundengruppen zielen darauf ab, bestehende Produkte und bestehendes Wissen auch in anderen Markten einzusetzen, mithin also einen „Knowledge Leverage" zu realisieren. Den Kunden wird durch eine Diversifikation nach Regionen bzw. Landem ein Seamless (Global) Service und damit die Moglichkeit geboten, weltweit mit der gleichen Professional Services Firm zusammenzuarbeiten (Mtiller-Stewens et al. 1999a, S. 27f). Durch eine Diversifikation nach Kundengruppen und einer damit einhergehenden „One Firm Fits AH"-Philosophie ergibt sich fur die Professional Services Firm die Moglichkeit, ihre organisational Wissensbasis mit weiterem sektorspezifischen Wissen anzureichem und damit ihre Wettbewerbsposition insgesamt zu verbessem (siehe auch Abbildung 1). Unabhangig von den drei skizzierten Diversifikationsstrategien miissen sich Professional Services Firms auch und insbesondere auf ihr Kemgeschaft konzentrieren, denn in vielen Professional Services Firms-Branchen ist das Diversifikationspotenzial stark eingeschrankt. Zum einen ist eine Diversifikation nach Produkten haufig gesetzlich limitiert, was insbesondere auf Wirtschaftsprufer, Steuerberater und Anwalte zutrifft. In den jeweiligen Berufsordnungen ist klar reglementiert, in welchen Feldem sie Dienstleistungen anbieten diirfen. Zum anderen ist in vielen Branchen das Intemationalisierungspotenzial weitgehend ausgeschopft. Dies gilt vor allem im Bereich der Wirtschaftsprufung (Brown/Cooper 1996, S. 66).
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Abbildung 1: Optionen der strategischen Entwicklung von Professional Services Firms (Quelle: in Anlehnung an Ringlstetter/Burger 2004, S. 299; 2003, S. 121) Weitere Restriktionen erfahren diese Optionen der strategischen Entwicklung, wenn die Ressourcenausstattung der Professional Services Firm als beschrankender Faktor mit in die Betrachtung einbezogen wird. So ist alien Diversifikationsbemtihungen gemein, dass ihre Realisierung einen hohen (Human-) Ressourceneinsatz erfordert, der in kleinen und mittleren Professional Services Firms haufig nur liber ein entsprechendes organisches oder extemes Wachstum erreicht werden kann. Organisches Wachstum lasst sich durch die Einstellung von Hochschulabsolventen bzw. Junior Professionals oder durch das Abwerben von erfahrenen Senior Professionals, so genannten „Lateral Hires", erzielen (Burger 2005, S. 153-158). Die Moglichkeiten des organischen Wachstums sind fiir kleine und mittlere Professional Services Firms jedoch aus mehreren Griinden begrenzt. So sind ihre Positionen gerade auf den wichtigen Markten fiir Humanressourcen deutlich schlechter als dies bei Branchenfiihrem wie McKinsey & Co., KPMG oder Clifford Chance der Fall ist. Diesen gelingt es liber Karriereversprechen, die kleine und mittlere Professional Services Firms haufig weder geben noch einlosen konnen, die besten Professionals an sich zu binden, Zudem stellt das Wachstum weitere, vor allem strukturelle und managementbezogene Herausforderungen an die Professional Services Firms, da die organisatorische Komplexitat insgesamt erhoht wird (Ringlstetter/Blirger 2004, S. 293f.). Auch die Moglichkeiten des extemen Wachstums sind fiir kleine und mittlere Professional Services Firms begrenzt. So stehen die Moglichkeiten der Akquisition grundsatzlich nur kapitalkraftigen Professional Services Firms offen. Die Moglichkeit, Wachstum
Vemetzung von Wertschopfiingsprozessen in Professional Services Firms
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durch Fusionen zu erzielen, wurde fur die haufig inhabergefuhrten Professional Services Firms einen Machtverlust darstellen. Die oft lokal oder regional operierenden kleinen und mittleren Professional Services Firms unterliegen somit aufgrund ihrer strukturellen Besonderheiten deutlichen Grenzen des organischen und extemen Wachstums. Eine Moglichkeit, den skizzierten Trends auf Nachfragerseite zu entsprechen und trotz Konzentrationsprozessen auf Anbieterseite bestehen zu konnen, ist die Erbringung komplexer Dienstleistungen in Wertschopfiingsnetzwerken mehrerer Professional Services Firms. Die Erbringung komplexer Dienstleistungen in Wertschopfungsnetzwerken ermoglicht die parallele Realisation unterschiedlicher Entwicklungsstrategien auch fur kleine und mittlere Professional Services Firms. So bringt jeder Netzwerkpartner zunachst sein eigenes Kemgeschaft bzw. seine Kemkompetenz in das Netzwerk ein und kann somit eine hohe Servicequalitat (Service Excellence) erzielen. Durch das Beisteuem komplementarer Fahigkeiten und Dienstleistungen lasst sich zudem ein One-Stop Shopping realisieren, da dem Klienten eine oder mehrere komplexe Dienstleistungen im gemeinsamen Verbund angeboten werden kann, Je nach ortlicher Lage der Netzwerkpartner lasst sich auch ein Seamless (jGlobal) Service erzielen.
3.
Wertschopfiingsnetzwerke - Sozialkapital und Professional Services Firms
Wertschopfungsnet^werke ergeben sich aus der im Regelfall intendierten Zusammenarbeit von Untemehmen. Ziel ist die Schaffung von Mehrwert durch die intelligente Verknupfung einzelner Wertschopfiingsaktivitaten und -prozesse (Bleicher 2003). Genauer lasst sich die besagte Vemetzung von Aktivitaten und Prozessen als eine Verkntipfiing von materiellen und immateriellen Ressourcen sowie von individuellen und kollektiven Akteuren beschreiben. Denn letztlich basieren die Wertschopfiingsaktivitaten auf einzelnen Akteurshandlungen, die sich aus dem Riickgriff auf Ressourcen ergeben. In der betriebswirtschaftlichen Organisationsforschung wird eine derartige Perspektive auf die Vemetzung von Wertschopfiingsaktivitaten in letzter Zeit verstarkt mit dem Konzept des Sozialkapitals in Verbindung gebracht. Sozialkapital kann im Sinne einer Arbeitsdefinition als das Aggregat der Ressourcen begriffen werden, die durch ein Netzwerk sozialer Beziehungen mobilisiert werden konnen, Zentrales Kennzeichen der SozialkapitalForschung ist deshalb der Fokus auf die sozialen Beziehungen von Akteuren und die Bedeutung von Netzwerken und deren Stmktur. Um die Vemetzung von Wertschopfiingsaktivitaten unter Riickgriff auf wertvoUe Ressourcen theoretisch fimdiert diskutieren zu konnen, steht der Stand der Organisationsforschung zum Sozialkapital im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts 3.1. Hierbei liegt der
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Max Ringlstetter, Stephan Kaiser und Tim Kampe
Fokus insbesondere auf den netzwerkbezogenen Aspekten des Sozialkapitals. Welche Konsequenzen diese theoretischen Uberlegungen im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung von Wertschopfungsnetzwerken kleiner und mittlerer Professional Services Firms haben, ist Thema des Abschnitts 3.2.
3.1
Sozialkapital - eine kritische Netzwerkperspektive
Den Ausgangspunkt aller Wertschopfungsnetzwerke bilden die sozialen Beziehungen der beteiligten Akteure. Eben solchen sozialen Beziehungen widmet sich seit Anfang der 1990er Jahre unter dem Schlagwort „Sozialkapitar' verstarkt auch die betriebswirtschaftliche Organisationsforschung (Adler/Kwon 2002). Am Anfang einer auf Sozialkapital bezogenen Organisationsforschung steht Ronald Burt (1982; 1992), der eine netzwerkbezogene Sichtweise auf das Sozialkapital wesentlich mitbestimmt hat. Kurze einfiihrende Uberlegungen zum Sozialkapital bilden entsprechend Abschnitt 3.1.1. Abschnitt 3.1.2 dient sodann dazu, zentrale Aussagen kritisch zu beleuchten und zu differenzieren, um damit eine Grundlage fur die Ausfiihrungen zur Ausgestaltung von Wertschopfungsnetzwerken zu schaffen.
3.1.1 Das Konzept des Sozialkapitals Lange Zeit wurde in der Organisationsforschung zum Sozialkapital vergleichsweise unkritisch von der Annahme ausgegangen, dass soziale Verbindungen und einhergehende Netzwerkstrukturen dem betriebswirtschaftlichen Erfolg eines Untemehmens dienen (Nahapiet/Ghoshal 1998). Diesbeztigliche Studien untersuchen etwa die positive Wirkung von Sozialkapital auf den Austausch von Ressourcen in interorganisationalen Kooperationen, strategischen Allianzen oder losen Netzwerkverbtinden (Gulati/Higgins 2003; Koka/Prescott 2002; Walker/Kogut 1997). Der Fokus der netzwerkorientierten Sozialkapitaistudien ist damit naturgemaB relativ breit. Denn die Globalaussage, Sozialkapital verschaffe Zugang zu Ressourcen, impliziert den verbesserten Zugang zu alien moglichen Ressourcen, etwa Personen, Kapital oder Wissen (z.B. Inkpen/Tsang 2005). Einen prominenten Unterbereich bilden Arbeiten, die sich mit dem Erfolg regionaler Cluster bzw. dem von Untemehmen in solchen regionalen Clustem beschaftigen (Cohen/Fields 1999; Johannisson 1995; Powell et al. 2002; Westlund/Bolton 2003). Die eben angesprochene globale Aussage, dass Netzwerke von sozialen Akteuren Zugang zu Ressourcen verschaffen und damit ohne Ausnahme als positiv und wertvoll zu betrachten seien, gilt in der jUngsten Sozialkapitalforschung jedoch als iiberholt. Vielmehr hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Beurteilung von Sozialkapital vor dem Hintergrund spezifischer Rahmenfaktoren und Zielvorstellungen zu erfolgen hat
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(z.B. Burt 1997; Gulati/Higgins 2003). Hiermit erhoht sich die Komplexitat der Aussagen, die im Riickgriff auf das Konzept des Sozialkapitals getroffen werden. Zudem werden dem Konzept des Sozialkapitals alle konstitutiven Merkmale eines Umbrella-Konzeptes zugesprochen (Hirsch/Levin 1999, S. 200ff.). Solche Konzepte sind durch eine ausgeprSgte Breite an Perspektiven gekennzeichnet, welche die unterschiedlichsten Phanomene umfassen konnen. Einerseits konnen sie dadurch helfen, organisatorische Phanomene zu ordnen und zusammenzufassen, die zunachst als wenig verbunden erscheinen (Astley 1985, S. 501). Andererseits entstehen durch die Zusammenfassung mannigfaltiger Pha|iomene unter einem Konzept systematische Unscharfen und offene Fragen, da urspriinglich die einzelnen Phanomene oft mit unterschiedUchen Theorien erklart und mit ungjeichen Methoden untersucht wurden.
3.1.2 Zentrale Aussagen Trotz der konzeptionellen Breite des Begriffs Sozialkapital ist festzustellen, dass ein wesentlicher Teil der betriebswirtschaftlichen Forschung zum Sozialkapital diesen anhand der strukturellen Merkmale des sozialen Netzwerkes untersucht. Hierbei existieren einige Spielraume hinsichtlich der Interpretation struktureller Merkmale, wie etwa der Starke von sozialen Verbindungen oder der Dichte und Geschlossenheit eines sozialen Netzwerkes, die im Folgenden naher zu erlautem sind (1). Daruber hinaus thematisieren Sozialkapitalforscher in jiingster Zeit auch Fragen, die jenseits der strukturellen Facetten des Sozialkapitals beantwortet werden miissen. Auch hierauf wird im Anschluss noch eingegangen (2). (1) Generell gilt auch heute noch die Unterscheidung von Granovetter (1973, S. 1368ff.) in Freunde und Bekannte als Grenzziehung zwischen starken und schwachen Verbindungen zwischen zwei Personen. Wie schwache oder starke Verbindungen aus Warte der betriebswirtschaftlichen Sozialkapitalforschung zu interpretieren sind, ist stark situationsabhangig: Schwache Verbindungen gelten dann als vorteilhaft, wenn eine groBere Verbreitung von Informationen erzielt werden soil oder mehr Informationen empfangen werden soUen (Granovetter 1974, S. 93). Enge oder starke Verbindungen hingegen reduzieren zwar die Breite der empfangenen Informationen, erhohen aber unter Umstanden deren Verwendungspotenzial (Carpenter et al. 2003, S. 414f.). Daneben bieten starke Verbindungen im Vergleich zu schwachen Verbindungen ein hoheres Kontroll- und Sanktionspotenzial als schwache Verbindungen (Bian 1997; Carpenter et al. 2003; JansenAVeber 2004). Es lassen sich damit insgesamt unterschiedliche Situationen vorstellen, in denen die eine oder die andere Auspragung von Verbindungsstarken vorteilhaft sein konnte (Burt 1997; Gulati/Higgins 2003; Hansen 1999; Tsai 2000). Ahnliche Interpretationsspielraume gibt es auch hinsichtlich der Dichte und Geschlossenheit von sozialen Netzwerken, als Kembereiche der Netzwerktheorie (siehe allgemein Jansen 2003). Ein Teil der Sozialkapitalforscher interpretiert insbesondere dichte und
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geschlossene Netzwerke als Sozialkapital (meist in Kombination mit starken Verbindungen), da dort Vertrauen und Sanktionsmoglichkeiten als Koordinationsmedien den Austausch von Ressourcen sicherstellen (Coleman 1988, S. 103). Umgekehrt empfiehlt Burt (1992), die Aufmerksamkeit auf weitere Spezifika von Netzwerkstrukturen zu richten, namlich die Eigenschaft der so genannten Brucke und die Existenz struktureller Locher, Seiner Meinung nach sind die Brucken iiber strukturelle Locher besonders wertvolles Sozialkapital, da durch die Verbindung zweier Netzwerke uber die Brucke beide Besitzer dieser Verbindung so genannte „Brokerage"-Rechte erhalten. Generell wird impliziert, dass strukturelle Locher damit Informations- und Kontrollvorteile bieten (Gargiulo/ Benassi 2000, S. 184). Erstere setzen sich aus dem schnelleren Zugang zu Informationen und der groBeren nicht-redundanten Informationsmenge zusammen. Letztere bestehen in der Moglichkeit, Informationen gezielt zu verteilen oder auch zuriickzuhalten und so die Meinungsbildung und letztlich Entscheidungen zu beeinflussen. Von Bedeutung fiir die Betrachtung struktureller Merkmale von sozialen Netzwerken ist der vermutete Zusammenhang zwischen strukturellen Merkmalen sozialer Netzwerke und der innerhalb dieser Netzwerke wirkenden Koordinationsmedien, wie Vertrauen, Identitat, Solidaritat usw. (Moran 2005, S. 1132). Dieser Zusammenhang ist bisher allerdings nicht ausreichend untersucht. Wenngleich es plausible Hinweise fur Zusammenhange gibt, kritisieren Rowley et al. (2000) insbesondere fiir empirische Studien die fehlende Abkoppelung dieser Aspekte von strukturellen Merkmalen. In Konsequenz erschwert dies die Interpretierbarkeit struktureller Merkmale sozialer Netzwerke. (2) Ob sich das Kapital sozialer Netzwerke erfolgreich nutzen lasst, ist nicht zuletzt abhangig von den Qualitaten und Eigenschaften der iiber soziale Vemetzungen verbundenen Personen, Gruppen und Organisationen. Dieser Aspekt der Qualitat jenseits der strukturellen Merkmale des Sozialkapitals wird in sehr vielen Studien implizit erwahnt (Nahapiet/Ghoshal 1998) und wird durch einige wenige Untersuchungen belegt. Bei Wegener (1987) fmden sich etwa Hinweise, dass erstens die Starke der Verbindung zwischen zwei Personen an Relevanz verliert, wenn die Statusunterschiede zwischen den beiden Personen abnehmen, und zweitens fiir das Gelingen einer Kooperation vor allem die Reputation des Gegeniibers relevant ist. Gulati und Higgins (2003) konnen einen positiven Zusammenhang zwischen dem Prestige von verbundenen Venture Capital Partnem und einem Interorganizational Partnership IPO nachweisen. Qualitative Eigenschaften der vemetzten individuellen oder kollektiven Akteure scheinen die erfolgreiche Nutzung von Sozialkapital also wesentlich mit zu beeinflussen. Hinsichtlich der erfolgreichen Nutzbarkeit von Sozialkapital ist dariiber hinaus zu bedenken, dass sich Sozialkapital wahrend und durch die Nutzung verandert. Die Relevanz dieser noch recht offenen Frage lasst sich zumindest teilweise in Verbindung zu den strukturellen Merkmalen des Sozialkapitals sehen. So ist unmittelbar einsichtig, dass die haufige Nutzung schwacher Verbindungen defmitionsgemaB zu starken Verbindungen fuhren muss. Der Neuigkeitsgrad von tibertragenem Wissen via einzelner, schwacher Verbindungen nimmt damit im Zeitablauf automatisch ab. Strukturelle Briicken zu ande-
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ren Netzwerken werden im Falle der Aktivierung erganzt durch neue Verbindungen. Die herausragende RoUe von Brokem an diese Bnicken geht damit im Zeitablauf verloren. Durch die bisherige Organisationsforschung wurden zwar die negativen Effekte von Sozialkapital durchaus erkannt (Gargiulo/Benassi 2000), aber noch nicht ausfuhrlich untersucht. Hierzu zahlen zunachst Effekte, die die an sich positiven Aspekte des Sozialkapitals konterkarieren. Baker (1990) zeigt plastisch am Beispiel einiger Investmentbanken, dass ein bestehendes starkes Beziehungsnetz eines Untemehmens mit mehreren Investmentbanken die Flexibilitat fiir Geschaftsbeziehungen mit weiteren Banken ausschloss. Soziale Beziehungen verhindem somit den Aufbau neuer Netzwerkbeziehungen (Ebers 2003, S. 6). Ebenso lassen sich die positiv konnotierten Effekte von strukturellen Briicken als negativ interpretieren. So lassen sich Brokerpositionen aus Sicht des Untemehmens durchaus auch als Engstellen in der Sozial- und Informationsstruktur beschreiben (Cross/Parker 2004, S. 69ff.). SchlieBlich ist die Frage zu stellen, wer die Vorteile von Sozialkapital tatsachlich fur sich beanspruchen kann (Blyler/Coff 2003; Moran 2005). Einige Untersuchungen weisen auf diese Fragestellung hin, indem sie argumentieren, dass es eben keine Garantie dafiir gebe, ob ein Individuum sein soziales Netzwerk iiberhaupt oder im Sinne des Untemehmens einsetze (Leana/Buren 1999, S. 546). Umgekehrt besteht sogar die Gefahr, dass einzelne Akteure sich aufgmnd ihrer Position im Netzwerk nicht ohne weiteres ersetzen lassen (Dess/Shaw 2001).
3.2 Ausgestaltung von Wertschopfungsnetzwerken fiir kleine und mittlere Professional Services Firms Wertschopfungsnetzwerke finden sich heute in fast alien Professional Services FirmsTeilbranchen (Friese 1998, S. 302). Jones et al. (1998) erwahnen diesbeztiglich Studien zu Investmentbanken (Podolny 1993; 1994), Managementberatungen (Aharoni 1997), Ingenieurdienstleistungen (Aharoni 1993) u.a.m. Wertschopfungsnetzwerke konnen es kleinen und mittleren Professional Services Firms ermoglichen, trotz ihrer haufig restriktiven Ressourcensituation die angesprochenen Entwicklungsoptionen umzusetzen. Hierzu bringt jede am Wertschopfungsnetzwerk beteiUgte Professional Services Firm ihre Kemkompetenzen ein und kann dadurch eine Fokussierung auf das Kemgeschaft (Service Excellence) erreichen. Gleichzeitig kann fiir alle Netzwerkbeteiligten eine Diversifikation nach den drei skizzierten Dimensionen erfolgen, wie im Folgenden exemplarisch dargestellt werden soil: Diversifikation nach Beratungsleistungen: Durch das Einbringen komplementarer Dienstleistungen bzw. Kompetenzen wird es den Teilnehmem am Wertschopfimgsnetzwerk moglich, dem Kunden eine komplexe Dienstleistung anzubieten, die von den einzelnen Professional Services Firms so nicht hatte erbracht werden konnen.
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Beispielhaft kann hier der Kauf eines Untemehmens (-teils) durch einen Mandanten angefiihrt werden. Diese komplexe Transaktion ware durch eine einzelne kleinere Professional Services Firm nur schwer zu erbringen. Im Wertschopfungsnetzwerk aus Wirtschaftspriifem, Steuerberatem und Wirtschaftsanwalten kann dem Mandanten jedoch die gesamte Dienstleistung „aus einer Hand" geboten werden. Die zum Kauf notwendige Due Dilligence wird von der Wirtschaftspriifungsgesellschaft durchgefuhrt, der Wirtschaftsanwalt regelt die komplexe juristische Transaktion und der Steuerberater kann die Transaktion steueroptimal mit den anderen Netzwerkbeteiligten gestalten. Diversifikation nach Regionen/Landem: Kleine und mittlere Professional Services Firms agieren haufig in einem festen regionalen bzw. nationalen Markt. Dies liegt nicht nur in der beschrankten Ressourcensituation begrtindet, sondem - mit Ausnahme etwa der Untemehmensberatung - an den jeweiligen spezifischen nationalen Rechtsrahmen, an denen sich vor allem Wirtschaftskanzleien, Wirtschaftspriiflingsoder Steuerberatungsgesellschaften orientieren mussen. Die jeweiligen Rechtssysteme - insbesondere das deutsche Steuerrechtssystem - haben AusmaBe erreicht, die vor allem kleine Professional Services Firms im Rahmen transnationaler Aufgabenstellungen vor fast untiberwindbare Hiirden stellen. Eine Moglichkeit, dem Kunden trotzdem einen Seamless (Global) Service zu bieten, kann der Zusammenschluss mit Professional Services Firms der gleichen Teilbranche in einem transnationalen Wertschopfungsnetzwerk darstellen. Diese Moglichkeit wurde z.B. bereits friihzeitig von mittelstandischen Wirtschaftspnifungsgesellschaften in Deutschland wahrgenommen, die damit die Prlifung auch auslandischer Niederlassungen ihrer Klientel sicherstellen konnten. Diversifikation nach Kundengruppen: Hier bringen die Netzwerkbeteiligten zum einen funktionales Wissen, zum anderen aber auch Kundenwissen in das Wertschopfungsnetzwerk ein, weshalb die Abgrenzung zu den beiden erstgenannten Diversifikationsoptionen etwas unscharfer wird. Denkbar ware eine solche Diversifikation nach Kundengruppen z.B. bei der gemeinsamen Erbringung einer Dienstleistung fiir die Offentliche Hand: Ein IT-Berater, der sich erfolgreich auf die Einfiihrung von Dokumentenmanagementsystemen spezialisiert hat, aber bisher noch iiber keine Erfahrung mit den spezifischen Besonderheiten des offentlichen Dienstes verfugt, konnte diese Dienstleistung z.B. in einem Wertschopfungsnetzwerk erbringen. Denkbar ware diese Netzwerkbildung mit einem im offentlichen Sektor erfahrenen Prozessberater. Unter Bezug auf das Konzept des Sozialkapitals lasst sich erklaren, dass die Generierung von Vorteilen aus Wertschopfungsnetzwerken von deren strukturellen Merkmalen und gleichzeitig von den konkret verfolgten Zielen der einzelnen Teilnehmer des Wertschopfungsnetzwerkes abhangen. In Konsequenz stellt sich somit die Frage, wie Wertschopfungsnetzwerke zwischen kleineren und mittleren Professional Services Firms strukturiert werden soUen, wenn oben genannte Strategien verfolgt werden (Abschnitt 3.2.1).
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Die Beantwortung dieser Frage erfolgt hierbei aus der Sicht einer einzelnen Professional Services Firm, die an einem Wertschopfungsnetzwerk teilnimmt, da davon auszugehen ist, dass die individuellen Ziele einzelner Netzwerkpartner mit einem kollektiven Ziel eines Wertschopfungsnetzwerks durchaus kollidieren konnen. Dartiber hinaus weist die Diskussion der Sozialkapitalforschung auch darauf bin, dass relevante Aspekte jenseits der reinen Struktur des Wertschopfungsnetzwerks existieren (Abschnitt 3.2.2).
3.2.1 Strukturelle Aspekte von Wertschopfungsnetzwerken Die Frage nach den strukturellen Aspekten von Wertschopfungsnetzwerken thematisiert die Starke der Beziehungen (1), die Dichte des Netzwerkes (2), die Existenz von strukturellen Lochem bzw. Briicken (3) sowie den Einsatz geeigneter Koordinationsmedien (4). (1) Eine erste Ausgestaltungsfrage ist diejenige nach der Starke der Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnem. Soil die gemeinsame Wertschopfiing durch haufige und intensive Interaktionen gepragt sein (starke Verbindung) oder eher durch einen sporadischen Austausch (schwache Verbindung)? Relativ unstrittig diirfte sein, dass der Beginn einer Diversifikationsstrategie uber Wertschopfungsnetzwerke zunachst iiber schwache Bindungen erfolgen wird. Der erste Zugriff auf neuartiges Wissen, bisher nicht erbrachte Dienstleistungen, usw. ist iiber schwache, noch nicht ausgepragte soziale Beziehungen moglich (Granovetter 1974, S. 93). Ebenso ist jedoch zu bedenken, dass im Laufe der Zeit und der gemeinsamen Wertschopfiing sich diese Bindungen durch Kommunikation und Interaktion kumulativ verstarken. Dies ist insofem okonomisch sinnvoll, als sich die Transaktionskosten, d.h. die Kosten der Abstimmung vor der gemeinsamen Wertschopfiing und der Koordination wahrend der gemeinsamen Aktivitaten, reduzieren. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass es iiber die Entstehung starker Verbindungen zu einem voUstandigen Transfer von impliziten und expliziten Wissen kommen sollte. Vielmehr ist es im Interesse der einzelnen Professional Services Firm, sich einerseits auf die eigenen Kemdienstleistungen zu konzentrieren, andererseits eine wechselseitige Co-Evolution oder -Spezialisierung der einzelnen Partner im Wertschopfungsnetzwerk anzustreben. Die Weiterfuhrung dieses Arguments fiihrt letztlich dazu, dass die einzelne Professional Services Firm Beziehungen zu mehreren Partnem eingehen bzw. nach bestimmten Zeitabstanden neue Wertschopfungspartner hinzuziehen sollte, um nicht eine rigide Netzwerkstruktur aufzubauen (Ebers 2003; Wegener 1987). (2) Ahnliche Argumente lassen sich hinsichtlich der optimalen Dichte eines Wertschopfungsnetzwerkes zwischen Professional Services Firms fmden. Die Dichte eines Wertschopfungsnetzwerks driickt sich im Anteil der tatsachlichen gemeinsamen Wertschopflingsaktivitaten an den theoretisch insgesamt moglichen Vemetzungen zwischen den teilnehmenden Professional Services Firms aus. Der Vorteil eines moglichst dichten Wertschopfungsnetzwerkes ist erstens, dass das Netzwerk gegeniiber den Kunden eher als eine Einheit auflreten kann und damit auch die Qualitat der gemeinsamen Dienstleis-
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tung (One-Stop Shopping) leichter kommunizierbar wird. Zweitens ist anzunehmen, dass sich die Wertschopfling des Netzwerks aufgrund der vielfachen Abhangigkeiten leichter als Ganzes abstimmen lasst, da die Partikularinteressen durch reziproke Interdependenzen abgeschwacht werden. Umgekehrt sind es gerade dichte soziale Netzwerke, die vom Zugang neuen Wissens abgeschottet sind. Aus Sicht der einzelnen Professional Services Firm erschwert es ein sehr dichtes Netzwerk, Beziehungen zu neuen Wertschopfungspartnem einzugehen, da hierdurch gleichzeitig viele andere Beziehungen betroffen sind. (3) Besonders interessant kann es fiir eine Professional Services Firm sein, strukturelle Locher eines Netzwerks als so genannter Broker zu besetzen, also derjenige zu sein, der Kontakte zu neuartigem Wissen und neuen Dienstleistungen fur Dritte vermitteln kann. Voraussetzung hierfiir ist allerdings die Besetzung einer Status- und Machtposition, die etwa uber einzigartiges Wissen, Reputation und qualitativ hochwertige Dienstleistungen erworben worden ist. Die Beziehung der strukturellen Briicke sollte dabei nicht, wie haufig falschlicherweise angenommen wird (Burt 1992, S. 92), schwacher Natur sein, sondem eher ausgereift und damit stark. Denn es ist zu vermuten, dass eher liber starke Verbindungen Beziehungen zwischen Dritten zum eigenen Vorteil vermittelt werden konnen. Allerdings ist es zugegebenermaBen relativ unklar, wie strukturelle Briicken entstehen oder aktiv gefordert werden konnen. Im personengetriebenen Geschaft der Professional Services Firms diirften im Allgemeinen personliche Beziehungen, die im geschaftsfreiem Raum entstehen (Stichwort Golfplatz) hierfiir besonders relevant sein. Gleichsam lasst sich die Uberbruckung struktureller Locher jedoch auch als Geschaftsmodell nutzen: So existieren im Bereich „Interim Management" Professional Services Firms, die sich im Wesentlichen darauf konzentrieren, einzelne Interim-Manager oder Gruppen von selbstandigen Interim-Managem aus einem losen Netzwerk gegen entsprechende Provision bzw. Beteiligung zu temporaren Wertschopfungsnetzwerken auf spezifischen Kundenprojekten zusammenzubringen. (4) Hinsichtlich der strukturellen Ausgestaltung eines Wertschopfiingsnetzwerks zwischen Professional Services Firms stellt sich zudem die Frage, auf welche Weise die Strukturen durch geeignete Koordinationsmedien, wie z.B. Vertrauen oder Vertrage, unterstiitzt werden soUen. Hierbei ist anzunehmen, dass in neuen und schwachen Beziehungen aufgrund der Ungewissheit der Serviceleistung des Wertschopflingspartners eher mit komplexen Vertragen und Sanktionen gearbeitet wird, wahrend in bereits lang bestehenden und starken Wertschopfungsbeziehungen wechselseitiges Vertrauen und Identitat die Koordination unterstiitzen.
3.2.2 Aspektejenseits der Struktur Neben der strukturellen Ausgestaltung der Wertschopfungsnetzwerke sind weitere kontextuelle und dynamische Aspekte zu beachten. Hierzu zahlen Fragestellungen hinsichtlich der qualitativen Auspragung der Netzwerkpartner (1), dem realen Nutzniefier des
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Sozialkapitals (2) sowie im Hinblick auf dynamische Veranderungen innerhalb des Netzwerkes (3). (1) Unbeantwortet blieb bisher die wichtige Frage, mit wem tiberhaupt aus Sicht der fokalen Professional Services Firm Wertschopfiingsaktivitaten eingegangen werden soilten. Die Beantwortung dieser Frage rekurriert stark auf die Qualitdt der potenziellen Wertschopfungspartner (grundlegend zu Aspekten der Dienstleistungsqualitat Bruhn 2000). In diesem Kontext ist zwischen einem Inhaltsaspekt und einem Niveauaspekt zu differenzieren. Ersterer bezieht sich auf die Art der Dienstleistungen bzw. Kemkompetenzen der Wertschopfungspartner. Je nach gewahlter Diversifikationsstrategie miissen diese komplementar oder identisch zur fokalen Professional Services Firm sein. Zielen die Partner des Wertschopfungsnetzwerkes auf das Angebot einer komplexen Dienstleistung wie der eingangs skizzierten M&A-Beratung, so ist es notwendig, dass jeder Partner seine einzigartige Kompetenz in das Wertschopfungsnetzwerk einbringt. Erst durch die intelligente Verkniipfiing komplementarer Wertschopfungsfunktionen bzw. -prozesse ergibt sich in diesem Falle ein Mehrwert fur Mandant und Netzwerkbeteiligte. Umgekehrt verhalt es sich bei der Realisierung einer Diversifikation nach Regionen/Landem im Netzwerk. Hier ist auf eine identische Kompetenz zu achten, damit dem Kunden im Sinne eines Seamless (Global) Service eine identische Dienstleistung an unterschiedlichen Orten geboten werden kann. Der Niveauaspekt der Partnerqualitat spricht die Gtite der durch die Netzwerkpartner eingebrachten Wertschopfungsaktivitaten an. Es erscheint unmittelbar einleuchtend, dass das Qualitatsniveau der Netzwerkpartner mindestens gleich gut oder besser sein muss, damit die Kooperation auch aus Sicht der fokalen Professional Services Firm Mehrwert generiert (Jones et al. 1998, S. 402f). Es entsteht somit aus Sicht der fokalen Professional Services Firm kein soziales Kapital, wenn starke Beziehungen und dichte Netzwerke mit Professional Services Firms aufgebaut werden, die beziiglich Inhalt und Qualitatsniveau nicht zur eigenen Untemehmung passen. Auch strukturelle Briicken zu inkompetenten Partnem bringen kein Sozialkapital. Insofem spielt die Qualitat der (potenziellen) Netzwerkbeteiligten eine immanent wichtige Rolle bei der Gestaltung von Wertschopfungsnetzwerken. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass insbesondere das Qualitatsniveau ex ante nur sehr bedingt eingeschatzt werden kann. Hier ergeben sich jedoch zwei Ansatzpunkte: Zur ex ante Einschatzung des Qualitatsniveaus kann auf die Reputation des potenziellen Partners als Qualitatssurrogat abgestellt werden (hierzu aus Kundensicht Biirger 2005, S. 50ff). Die Reputation des Partners kann von der fokalen Professional Services Firm wahrend der Kooperation gleichsam als Pfand eingesetzt werden, mithin also opportunistisches Verhalten des Partners entsprechend am Markt bzw. innerhalb der Branche kommuniziert werden (Btischken 1999, S. 3f). Zudem existieren in zahlreichen Professional Services Firms-Teilbranchen Vorkehrungen, die ein MindestmaB an Qualitat sicherstellen soUen. Exemplarisch seien hier der flir Wirtschaftspnifer gesetzlich vorgeschriebene PeerReview und Qualitatsbemiihungen von Verbandsorganisationen wie dem Bund Deutscher Untemehmensberater BDU e.V. angefiihrt. Letztlich konnen alle diese Bemiihungen jedoch nur zur einem bestimmten Grad zur Unsicherheitsreduktion beitragen, wes-
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halb ex post ein MindestmaB an Trennungsfahigkeit bzw. -bereitschaft erhalten bleiben sollte. (2) In Verbindung mit dem (gezielten) Aufbau von Sozialkapital muss auch die Frage thematisiert werden, wer der reale Nutzniefier dieses Sozialkapitals ist bzw. sein kann. Wie bereits im vorigen Abschnitt thematisiert, kann Sozialkapital auch negative Folgen haben, wenn einer der Partner im Wertschopflingsnetzwerk sich opportunistisch verhalt und beispielsweise relevantes Wissen oder (Human-) Ressourcen aus der fokalen Professional Services Firm abzieht. Daneben kann es aber auch innerhalb der betrachteten Professional Services Firm zu negativen Folgen kommen. So liegt das Sozialkapital schlieBlich in den Beziehungen einzelner Aktoren begriindet. Fungiert nun ein einzelner Professional z.B. als Bnicke innerhalb des Wertschopfungsnetzwerkes, so nimmt er fiir die Professional Services Firm eine kritische Rolle ein. Verlasst dieser Aktor das Unternehmen, so kann es schHmmstenfalls zu einem Zusammenbruch des Netzwerkes kommen, wenn entsprechend Wissen und Beziehungen vom Ausscheidenden mitgenommen werden (ahnHch auch Greenwood/Empson 2003, S. 916; Seabright et al. 1992, S. 127). Hier gilt es fiir die Professional Services Firm zum einen, den Professionals entsprechende Anreize zum zielgerichteten Einsatz des Sozialkapitals im Sinne der fokalen Professional Services Firm zu setzen und auf der anderen Seite eine Nutzung desselben nach Ausscheiden aus der Professional Services Firm moglichst zu unterbinden. In diesem Kontext kommen insbesondere arbeitsvertraglich fixierte Wettbewerbsklauseln in Betracht. (3) Die Nutzung von Sozialkapital fiihrt naturlich im Zeitablauf zu einer Veranderung desselben, d.h., es unterliegt einer dynamischen Entwicklung. So ist, wie bereits angesprochen, davon auszugehen, dass sich im Zeitablauf die Beziehungen der Netzwerkpartner festigen, mithin also schwache Bindungen in starke iibergehen. Dies ist zunachst insofem zu begruBen, als durch die kumulierte Reziprozitat im Zeitablauf Vertrauen aufgebaut und letztlich Transaktionskosten gesenkt werden. Uber eine Co-Spezialisierung der Netzwerkpartner konnen die Beteiligten jeweils Service Excellence erreichen. Auf der anderen Seite ist jedoch zu bedenken, dass starke Bindungen und Co-Spezialisierung zu deutlich ausgepragten Rigiditaten fiihren konnen und damit in Flexibilitatsverlusten resultieren. Diese konnten letztlich sogar die eingesparten Transaktionskosten negativ iiberkompensieren. Im Falle des Vorhandenseins struktureller Locher (Burt 1992) ist davon auszugehen, dass sich mit fortschreitender Kooperation im Wertschopflingsnetzwerk zusatzliche Beziehungen und damit Briicken bilden werden. Dies impliziert damit auch, dass die als Bnicke fungierende Professional Services Firm gleichsam ihre „Brokerage"Rechte, d.h. Informations- und Kontrollvorteile, im Zeitablauf verlieren wird (Gargiulo/Benassi 2000, S. 184). Mithin wird selbige versuchen, ihr besonders wertvolles Sozialkapital zu halten und die direkte Interaktion der ubrigen Netzwerkteilnehmer moglichst zu beschranken und damit deren Sozialkapital. Eine Losung dieses Dilemmas aus Sicht der iibrigen Netzwerkteilnehmer konnte die Einrichtung einer „neutralen" Instanz als Briicke sein. Exemplarisch konnen hier die bereits angesprochenen Wertschopfungsnetzwerke selbstandiger mittelstandischer Wirtschaftsprufungsgesellschaften angeflihrt
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werden: Im Netzwerk „HLB international", einer weltweiten Organisation von selbstandigen Priifungs- und Beratungsuntemehmen, werden beispielsweise die strukturellen Locher zwischen nationalen Netzwerken durch die jeweiligen nationalen Offices uberbriickt, die gleichsam durch alle nationalen Mitglieder finanziert werden.
4.
Fazit und Ausblick
Ziel dieses Beitrags war die Beantwortung der Frage, weshalb der Zusammenschluss kleiner und mittlerer Professional Services Firms zu Wertschopftingsnetzwerken eine adaquate Option fur die strategische Entwicklung des Geschafts darstellt und wie derartige Wertschopfiingsnetzwerke auszugestalten sind. Es lasst sich abschlieBend konstatieren, dass Wertschopfiingsnetzwerke durchaus eine sinnvolle Option zur Diversifikation des Geschafts bei gleichzeitiger Konzentration auf die eigenen Kemdienstleistungen darstellen konnen. Unter Riickgriff auf das Konzept des Sozialkapitals wurde jedoch deutlich, dass zahlreiche Stellhebel der Ausgestaltung von Wertschopfiingsnetzwerken existieren, die gerade im Hinblick auf den langfristigen Erfolg eines Wertschopfiingsnetzwerks von hoher Bedeutung sind. Im Ergebnis sieht sich die einzelne Professional Services Firm vor der Herausforderung, vor dem Hintergrund spezifischer strategischer Ziele verschiedene Spannungsfelder - wie etwa das zwischen der Senkung der Transaktionskosten und der Entstehung von Rigiditaten - zu meistem.
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Silke Michalski, Uta Jiittner und Lukas Hammer
Die Prozesswertanalyse als Ansatz zur Analyse von Wertschopfungsprozessen in einem touristischenDienstleistungsnetzwerk
1. Analyse von Wertschopfungsprozessen im Dienstleistungsmanagement 2. Grundlagen der Prozesswertanalyse unter der Konfiguration eines Wertnetzwerks 2.1 Wertschopfungskonfigurationen im Uberblick 2.2 Ablaufschritte der Prozesswertanalyse im Fall eines Wertnetzwerks 3. Explorative Analyse der Wertschopfungsprozesse eines touristischen Dienstleistungsnetzwerks mit Hilfe der Prozesswertanalyse 3.1 Hintergrund der Untersuchung und Ausgangslage 3.2 Umsetzung der Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk 4. Inhaltlich-methodische Implikationen flir die Dienstleistungsforschung sowie Handlungsempfehlungen fur die Dienstleistungspraxis Literatur
Dr. Silke Michalski ist Oberassistentin/Habilitandin sowie Lehrbeauftragte fiir das Fach Dienstleistungsmanagement am Departement ftir Betriebswirtschaftslehre der Universitat Fribourg, Schweiz. Dr. Uta Jiittner ist Senior Research Fellow an der Cranfield University, England. Lukas Hammer ist District Manager von Schweiz Tourismus.
1. Analyse von Wertschopfungsprozessen im Dienstleistungsmanagement In zahlreichen Dienstleistungsbranchen stehen Untemehmen vor der Frage, ob ihre aktuellen Leistungserstellungsprozesse den heutigen Anforderungen der Kundinnen und Kunden noch gerecht werden oder ein Veranderungsbedarf in Hinblick auf die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfahigkeit des Dienstleisters besteht. Vielfach wird diese Diskussion unter dem Primat der Wertgenerierung ffir Kunden gefiihrt und mit unterschiedlichen Termini, wie beispielsweise Kundenwert aus Kundensicht, Customer Value (vgl. Eggert 2001), Wertgenerierung bzw. Wertschopfung (vgl. Kniger 2003), belegt. Ungeachtet der noch nicht abgeschlossenen Diskussion wird hier unter dem Begriff „Wertschopfung" das Ergebnis eines werte- bzw. nutzengenerierenden Prozesses in Richtung Kunden verstanden. Der Wertschopfungsprozess umfasst demnach die Gesamtheit an Leistungserstellungsprozessen eines oder auch mehrer Dienstleistungsunternehmen mit dem Ziel der Wertgenerierung fur Kunden. Die besondere Bedeutung der „Prozessdimension" fur Dienstleistungsuntemehmen ist in der Dienstleistungsforschung seit langem bekannt und wird auch stets deutlich in den einschlagigen Lehrbiichem und Beitragen herausgestellt - beispielsweise durch die Unterscheidung der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisdimension von Dienstleistungen, um nur ein typisches Merkmal aufzufiihren (Zeithaml et al. 1988; Corsten 1997; Meffert/Bruhn 2006). Trotz der Beriicksichtigung der Prozessdimension im Dienstleistungsmanagement sind dennoch Transferdefizite in konzeptioneller, analytischer und instrumenteller Form festzustellen. Einige kurze Erlauterungen sollen diese drei Transferdefizite veranschaulichen: Konzeptionelles Transferdefizit. In jiingster Zeit wird - insbesondere durch die Publikation von FlieB (2006) - das konzeptionelle Transferdefizit betont. Verwiesen wird zum Beispiel darauf, dass im Vergleich zu einer Vielzahl an Publikationen zum Thema Geschaftsprozessmanagement. Business Process Reenginiering oder Lean Management flir Produktionsbetriebe, nur wenige spezifische Beitrage zum Geschaftsprozessmanagement flir Dienstleistungsuntemehmen vorliegen (FlieB 2006, S. 17ff). Im Sinne einer generischen Konzeption wird mehrheitlich die Wertkette von Porter (1985) herangezogen, um die Prozessdimension von Dienstleistungen zu erklaren. Erst seit der Forderung von Stabell/Fjeldstad (1998) mit dem Konzept des Wertshops und des Wertnetzwerks zwei weitere Wertschopfiingskonfigurationen starker zu beachten, wurde die konzeptionelle Basis verbreitert. Mittlerweile liegen auch einige Beitrage der Dienstleistungsforschung vor, die diese Forderung aufgegriffen und vertieft haben (Woratschek et al. 2002; Schafmeister 2004; Woratschek et al. 2006).
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Silke Michalski, Uta Jiittner und Lukas Hammer
Analytisches Transferdefizit: Mit Blick auf die Analyse bzw. die Anwendung spezifischer Instrumente zur Analyse von Wertschopfungsprozessen ist femer ein analytisches Transferdefizit feststellbar. Im Dienstleistungsmanagement werden im Zusammenhang mit der Prozessorientierung von Dienstleistungsuntemehmen mehrheitlich zwei Analysemethoden diskutiert. Erstens, die Wertkettenanalyse von Porter, in dessen Rahmen die Funktionen der Wert- und Kostenanalyse unterschieden werden (Fantapie Altobelli/Bouncken 1998). Zweitens, die Anwendung von prozess- beziehungsweise ereignisorientierten Analysemethoden, wie der Critical Incident Technique (CIT) (u.a. Gremler 2004) bzw. der Erstellung eines Service Blueprints (Shostack 1992; FlieB/Kleinaltenkamp 2004). Als Weiterentwicklungen der CIT werden femer die Sequentielle Ereignistechnik (StaussAVeinlich 1996) und mit Bezug zu Kundenabwanderungen auch die Switching Path Analyse (Roos 1999; Tahtinen 2001; Michalski 2002) als prozessorientierte Analyseinstrumente diskutiert. Ein Erklarungsdefizit besteht jedoch hinsichtlich der Frage, ob nicht auch andere prozessorientierte Analyseinstrumente beriicksichtigt werden konnten; beispielsweise solche, die urspriinglich eher im Produktionsbereich zum Einsatz gelangt sind. Fur die im Dienstleistungsmanagement noch nicht sehr haufig diskutierte „Prozesswertanalyse" (Miles 1961) soil dies im Rahmen dieses Beitrags erfolgen und somit primar ein Beitrag zur SchlieBung des analytischen Transferdefizits geleistet werden. Instrumentelles Transferdefizit: Neben dem konzeptionellen und analytischen existiert im Dienstleistungsmanagement jedoch auch ein instrumentelles Transferdefizit. Hierunter ist zu verstehen, dass vergleichsweise wenig Forschungserkenntnisse und Publikationen daruber vorliegen, welche konkreten MaBnahmen zur Optimierung von Wertschopfungsprozessen in Dienstleistungsbranchen eingesetzt werden konnen. Sicherlich ist es richtig, dass es aufgrund der Individualitat der Prozesse und der Unterschiedlichkeit der Dienstleistungsbranchen kein Standardinstrumentarium geben kann, aber dennoch ist es in Anlehnung an die klassischen 4Ps bzw. 7Ps denkbar bzw. erforderlich, einen idealtypischen „Prozessmix" fiir Dienstleister zu diskutieren. Ein erster Schritt in diese Richtung ware beispielsweise die Integration eigener Kapitel fiir das Instrument „Prozesse" in die einschlagigen Lehrbiicher des Dienstleistungsmanagements (bisher kein eigenes Kapitel zu Prozessen beispielsweise im Lehrbuch von Meffert/Bruhn 2006). Erst in den neueren Lehrblichem zum Dienstleistungsmanagement ist dieses Defizit erkannt und behoben (Bruhn/Georgi 2005). Diese drei aufgezeigten Transferdefizite der Dienstleistungsforschung gelten umso mehr, je komplexer die Wertschopfungsprozesse sind - beispielsweise innerhalb von Dienstleistungsnetzwerken (zu Netzwerken vgl. Ahlert/Evanschitzky 2002). In der Schweiz ist die Netzwerkorganisation in besonderem Masse im Tourismus gegeben - einer Branche, die eine hohe Wertschopfung generiert und somit eine zentrale Rolle fiir die Wettbewerbsfahigkeit der Schweiz insgesamt spielt. Informationen dazu, welche Netzwerkpartner einen besonders hohen Wert im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses von Tourismusdestinationen generieren, liegen aktuell nicht vor, waren jedoch eine wesentliche strategische Entscheidungshilfe fiir die Bildung von Tourismusmarken bzw. den Erfolg
Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk
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einzelner Tourismusdestinationen. Hier setzt der vorliegende Beitrag mit dem Ziel an, die Prozesswertanalyse am Beispiel eines touristischen Dienstleistungsnetzwerks, konkret der Destination Engelberg, Schweiz, anzuwenden und damit einen kleinen Beitrag zur SchlieBung des anal5^ischen und begrenzt auch des instrumentellen Transferdefizits zu leisten. Folgende Subziele werden verfolgt: (1) Es soil theoretisch aufgezeigt werden, dass das Konzept des Wertnetzwerks fiir die Untersuchung einer touristischen Destination grundsatzlich geeignet ist, jedoch bezogen auf diese Branche auch Anpassungsbedarf besteht. (2) Es soil anhand einer explorativen Untersuchung in der Destination Engelberg aufgezeigt werden, wie die Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk konkret angewendet werden kann. (3) Es soil aufgezeigt werden, welche inhaltlichen bzw. methodischen Anpassungen bei der urspriinglichen Prozesswertanalyse erfolgen miissen, damit der Transfer auf ein Dienstleistungsnetzwerk gelingt. Zur Zielerreichung werden im zweiten Abschnitt die Grundlagen der Prozesswertanalyse unter der Konfiguration eines Wertnetzwerks dargestellt. AnschlieBend erfolgt in Abschnitt 3 die Anwendung der Prozesswertanalyse im touristischen Dienstleistungsnetzwerk der Destination Engelberg in der Schweiz. Der Beitrag schlieBt in Abschnitt 4 mit Hinweisen zur inhaltlichen und methodischen Anpassungserfordemissen der Prozesswertanalyse - gerichtet an die Dienstleistungsforscher - sowie einigen Handlungsempfehlungen fiir die Dienstleistungspraxis.
2.
Grundlagen der Prozesswertanalyse unter der Konfiguration eines Wertnetzwerks
2.1 Wertschopfungskonfigurationen im Uberblick Sowohl das Konzept der Wertkette, als auch der Ansatz des Wertshops und des Wertnetzwerks leisten Beitrage zur Identifikation von Wertschopfungsquellen. Die Erweiterung der Wertkette um diese beiden Konzepte beruht auf der Annahme, dass abhangig von der Art der Leistung bzw. der jeweiligen Dienstleistungsbranche, unterschiedliche Konzepte geeignet sind, den Wertschopfiingsprozess nachzuvoUziehen (Stabell/Fjelstad 1998). Im Folgenden werden die drei Konzepte kurz in ihren Grundziigen dargestellt, um aufzuzeigen, dass das Konzept des Wertnetzwerks am ehesten geeignet ist, die konzeptionelle Basis zur Analyse einer touristischen Destination zu legen. Drei Wertschopfiingskonfigurationen sind zu unterscheiden:
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Silke Michalski, Uta Juttner und Lukas Hammer
Wertkette: Das Konzept der Wertkette wurde von Porter (1985) eingeftihrt und hatte bis zur Forderung von Stabjell/Fjelstad (1998), die Wertkette nicht als universelle Grundkonzeption fur samtliche Branchen anzusehen, quasi eine konzeptionelle Alleinstellung in der wissenschaftlichen Diskussion liber Wertgenerierung. Die Wertkette differenziert die zentralen Leistungen eines Untemehmens in primare und sekundare Aktivitaten. Die primaren Aktivitaten, wie beispielsweise der Wareneinkauf, die Produktion, das Marketing oder der Kundendienst, werden als sequenzielle Abfolge der Untemehmenstatigkeiten dargestellt bzw. verstanden. Sekundare Aktivitaten hingegen sind unterstutzender Natur (IT-Service, Infrastruktur, Personalmanagement) und somit tendenziell starker Kosten-, denn Werttreiber. Insofem konnen auch zwei Funktionen der Wertkettenanalyse und zwar die Analyse der Entstehung von Werten fur Kunden sowie die Kostenanalyse unterschieden werden (Fantapie Altobelli/Bouncken 1998). Der „Wert" ist in dieser Konzeption als Betrag defmiert, welchen der Kunde fur die (zusatzlich) erbrachte Leistung zu zahlen bereit ist. Das Konzept der Wertkette ist generischer Natur und wurde auf zahlreiche Branchen und Untemehmenssituationen tibertragen. Wertshop: Das Konzept des Wertshops - im Original als „value shops" bezeichnet (Stabell/Fjeldstad 1998, S. 420) - beruht auf der Uberlegung, dass die Wertgenerierung in Branchen, die durch einen Grad an Technologie sowie sehr individuelle Problemlosungen gekennzeichnet ist, grundsatzlich mit einem problemlosenden Ansatz erklart werden sollte. Im Konzept des Wertshops werden die primaren Aktivitaten daher nicht in der logischen Abfolge bestimmter Sequenzen, sondem als Problemlosungsprozess dargestellt und analysiert (vgl. Abbildung 1). Der Problemlosungsprozess wird in verschiedene idealtypische Problemphasen unterteilt, beispielsweise Problemfmdung & Akquisition, Problemlosung, Entscheidung, Ausfiihrung sowie KontroUe & Evaluation, in denen wiederum in unterschiedlichem AusmaB Wert- und Kostentreiber identifiziert werden konnen. Beispiele ftir typische Branchen bzw. Dienstleister, in denen das Konzept des Wertshops greift, sind: Architekturbiiros, Arztpraxen, Marktforschungsuntemehmen, Untemehmensberatungen u.a.m. Der hochste Wert fur Kunden wird in diesen Dienstleistungsbranchen immer dann generiert, wenn der gesamte Wertschopfungsprozess erfolgreich abgelaufen ist und ein Prozessergebnis vorliegt (zum Beispiel Arzt: Heilung eines Patienten; Architekt: Haus kann bezogen werden; Marktforschung: Marktforschungsergebnisse liegen vor). Wertnetzwerk: Der Ansatz des Wertnetzwerks geht davon aus, dass Untemehmen Werte dadurch generieren, dass sie Marktteilnehmer (meist Kunden) miteinander verbinden. Insofem steht bei diesem Grundkonzept nicht die einzelne Aktivitat oder der Prozess, sondem die Vermittlerfunktion im Vordergmnd. Typische Beispiele fur Dienstleistungsanbieter, die dem Wertnetzwerk zugeordnet werden konnen, sind: Telekommunikationsuntemehmen, Postdienstleister, Logistikuntemehmen oder Anbieter von Intemetplattformen. Aber auch Banken werden dem Wertnetzwerk zugerechnet, weil sie indirekte Vemetzungen, wie beispielsweise den Zugang zum Kapitalmarkt fiir Geldanleger und auch Kreditnehmer, „vermitteln". Als primare Aktivitaten werden im Wertnetzansatz drei Aktivitaten unterschieden: Netzwerkpromotion & Vertragsmanagement, Netzwerk-
Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk
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services sowie Infrastruktur des Netzwerks (Stabell/Fjeldstadt 1998). Der groBte Wert fiir den Kunden wird in dieser Wertschopfiingskonfiguration durch die Ubemahme der Vermittlungsfunktion generiert. Als Fazit der Diskussion lasst sich festhalten, dass - je nach Dienstleistungsbranche unterschiedliche Konzepte der Wertkonfiguration hilfreich sind, um die Entstehung von Werten fur Kunden zu verstehen. Allerdings sind auch Grenzen dieser Einteilung erkennbar. Die touristische Dienstleistung einer Destination kann spontan keinem der drei Konzepte zugeordnet werden. Am ehesten greift hier noch der Wertnetzwerkansatz, jedoch nicht - wie im Originalkonzept vorgestellt - dadurch, dass Kunden/Marktteilnehmer miteinander verbunden werden, sondem durch die Verkntipfung von verschiedenen touristischen Leistungstragem. Mit dieser Erkenntnis wird die Forderung verbunden, die Vermittlungsfunktion innerhalb des Wertnetzwerkansatzes nicht ausschlieBlich auf marktseitige Partner zu beziehen, sondem ebenfalls auf die Angebotsseite. Dieser Argumentation folgend sei unterstellt, dass der groBte Wert fiir einen Touristen dann entsteht, wenn ein optimales Zusammenspiel samtlicher Leistungstrager einer Tourismusdestination im Endergebnis zu einem „schonen Ferienerlebnis" flihrt. Diese Verbindung der touristischen Leistungstrager wird im Folgenden mit dem Ausdruck touristisches Dienstleistungsnetzwerk belegt. Teilweise wird in diesem Zusammenhang auch von der Generierung von Kundenwerten in „virtuellen Dienstleistungsuntemehmen" gesprochen (Bieger/Caspar 2004).
Abbildung 1: Wertschopfungskonfigurationen und Analysemethoden
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Silke Michalski, Uta Jiittner und Lukas Hammer
Abbildung 1 verdeutlicht diese Schlussfolgerung grafisch und listet die fur die jeweilige Wertschopfungskonfiguration typischen Dienstleistungsbranchen im Uberblick auf. Bei einem Wechsel von der konzeptionellen zur analytischen Ebene - die ja innerhalb dieses Beitrags im Vordergrund steht - ist femer von Interesse, welche Analysemethoden innerhalb der jeweiligen Wertkonfiguration eingesetzt werden konnen, um die Wertschopflingsprozesse der dargestellten Branchen zu analysieren. Einige Vorschlage zu Analyseinstrumenten sind in Abbildung 1 ebenfalls aufgefiihrt. Zusammenfassend lasst sich festhalten, dass eine Tourismusdestination als touristisches Dienstleistungsnetzwerk bezeichnet werden kann, bei dem die Wertgenerierung insbesondere durch die Verkniipfung von touristischen Leistungstragem erfolgt. Zur Analyse des Netzwerks bietet sich die so genannte Prozesswertanalyse an, auf die im Folgenden naher eingegangen wird.
2.2 Ablaufschritte der Prozesswertanalyse im Fall eines Wertnetzwerks Die Prozesswertanalyse (urspriinglich „Value Analysis") hat ihren Ursprung in Arbeiten von Miles (1961, 1969), der 1932 als „Design-Engineer" bei General Electric startete und spater im Einkauf tatig war. Die Entwicklung der Value Analysis basiert auf der Uberzeugung von Miles, dass die Funktionen eines Produktes und nicht das Material, die zentrale Rolle fur die Werteinschatzung eines Produkts aus Kundensicht ist, und er entwickelte daraufhin eine Vorgehensweise, mit der der Wert von Produktfunktionen und deren Kostenwirkungen untersucht werden kann. Miles prasentierte seine Ideen zur „Value Analysis" erfolgreich im Dezember 1947 dem Vorstand von General Electric und es folgte die Implementierung der Analyse sowie interne Schulungen im Untemehmen (zur historischen Entwicklung der Prozesswertanalyse vgl. Willeke 2001, S. 29). Die Methode der Value Analysis wurde in den Folgejahren auch im deutschsprachigen Raum aufgegriffen (Orth 1968) und in der europaischen Industrie implementiert. Spater wurde die Value Analysis von nationalen Verbanden, wie beispielsweise dem Verband der Deutschen Ingenieure (VDI), iibemommen und dessen Arbeitsschritte normiert (vgl. VDI 1981; Osterreichisches Normungsinstitut 1988, 2005). Mittlerweile hat sich die Methodik nicht nur im Produktionsbereich etabliert, sondem sie wurde im Laufe der Zeit auch in Verwaltungen (Handel 1978), Banken (Herd/Zwink 1987), Telekommunikation oder anderen Branchen eingesetzt (Kommission der Europaischen Gemeinschaft 1994) und miindete letztlich auch in der Entwicklung der Gemeinkosten-Wertanalyse (vgl. hierzu Roever 1980). Die Anzahl an einschlagigen Publikationen zum Thema „Wertanalyse" ist dementsprechend mittlerweile fast uniiberschaubar geworden. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass die Prozesswertanalyse in der deutschsprachigen Dienstleistungsforschung (mit Ausnahme von FlieB 2006, S. 200) bislang nicht aufgegriffen wurde. Im vorhegenden Beitrag wird die Ansicht vertreten, dass die Prozesswertanalyse besonders gut ^ r die
Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk
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Analyse von Wertschopfiingsprozessen in einem Dienstleistungsnetzwerk geeignet ist. Die Annahme basiert insbesondere darauf, dass die Prozesswertanalyse im Gegensatz beispielsweise zur prozessorientierten Funktionsanalyse (Schweikert 1987) primar aus der Anbieterperspektive herausarbeitet. Dies ist in einem touristischen Netzwerk erforderlich, weil erstens die Leistungsangebote der touristischen Anbieter (Leistungstrager) miteinander verkniipft werden miissen und zweitens, die Kunden (Touristen) - aufgrund des haufig erstmaligen Besuchs einer Destination - das gesamte Dienstleistungsnetzwerk nicht iiberblicken konnen (von Friedrichs Grangsjo 2003). Sechs Teilschritte der Prozesswertanalyse sind zu unterscheiden (Osterreichisches Norminstitut 1988; Willeke 2001, S. 221ff., zu einer leicht abweichenden Schrittabfolge mit sieben Teilschritten vgl. Fliefi 2006, S. 200): Schritt 1: Vorbereitung der Prozesswertanalyse In einem ersten, vorbereitenden Schritt werden die Rahmenbedingungen zur Durchflihrung der Prozesswertanalyse bestimmt. Dies beinhaltet erstens die Festlegung von Projektzielen und zweitens die Definition des Analyseobjekts. Hierzu ist es im vorliegenden Fall zunachst erforderlich, das touristische Dienstleistungsnetzwerk als grundsatzliches Analyseobjekt in seiner Struktur darzustellen. Schritt 2: Ermittlung Ist-Zustand des Analyseobjekts Im Anschluss an die vorbereitenden Tatigkeiten wird in einem zweiten Schritt die IstSituation des Analyseobjektes erklart. Aufbauend auf dem zu untersuchenden Dienstleistungsnetzwerk werden die zentralen Wertschopfiingsprozesse des Analyseobjektes identifiziert und deren Erfolgsfaktoren bestimmt. Um letztgenannten Punkt in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk umzusetzen, sind Informationen aus Sicht der Kunden dazu erforderlich, welche Leistungen sie als besonders nutzenstiftend bzw. als weniger wertvoll einschatzen. Insofem wird kurzfi-istig die Perspektive gewechselt, um die Beurteilungen der aus Kundensicht bedeutsamen Prozesselementen einzuholen, um dann erneut in die Anbietersicht zu wechseln und die Kundeneinschatzung mit den tatsachlich erbrachten Leistungen abzugleichen. Dieser Teilschritt wird im Rahmen der Prozesswertanalyse mit dem Ausdruck Tatigkeitsanalyse belegt. Das Endergebnis von Teilschritt zwei ist, dass samtliche Informationen zur Bewertung der Wertschopfiingsprozesse bzw. der Generierung von Werten fiir Kunden vorliegen und sich somit die zentralen Problemstellen innerhalb der Wertschopfiingsprozesse identifizieren lassen. Schritt 3: Entwicklung Soll-Zustand des Analyseobjekts Wahrend somit in Teilschritt zwei eher die Informationsaufbereitung im Vordergrund steht, folgt im dritten Teilschritt die Festlegung des SoU-Zustands des Analyseobjektes. Dies beinhahet in der urspriinglichen Form der Prozesswertanalyse wiederum vier Unterpunkte: (1) Die Festlegung von so genannten Funktionszielen des Analyseobjektes, (2) die Festlegung von marktorientierten Kostenzielen, (3) die Festlegung von Rahmenbedingungen und (4) die Darstellung des SoU-Zustands. Diese (bislang inhaltsleeren) Ablaufschritte, mussen in der eigenen Untersuchung auf das touristische Dienstleistungsnetzwerk iibertragen werden.
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Schritt 4: Entwicklung von Losungsansdtzen zur Wertsteigerung Nachdem Erkenntnisse zum 1st- sowie Soll-Zustand des Analyseobjekts vorliegen, folgt die Entwicklung von Losungsansatzen zur Optimierung der Wertschopfungsprozesse. Dies erfolgt im vierten Teilschritt, der somit im Wesentlichen als „kreativer Part" der gesamten Methodik bezeichnet werden kann. In der Literatur zur Prozesswertanalyse werden als Anwendungsbeispiel fiir die Generierung von Losungen meist die bekannten intuitiven oder analytischen Kreativitatstechniken angeflihrt (Brainstorming, morphologische Analyse usw.). Innerhalb eines touristischen Netzwerks ist es fraglich, ob diese Art der Entwicklung von Losungsideen geeignet ist oder eher eine dialogorientierte Vorgehensweise mit den involvierten Leistungstragem des Netzwerkes zielfiihrend ist (vgl. zur Strategiefmdung und Beziehungsmanagement auch Peck/Jiittner 2000; zu denken ist eher an Workshops, Gruppendiskussion, Zukunftskonferenz usw.). Schritt 5: Beurteilung der Losungsideen Im fiinften Schritt der Prozesswertanalyse erfolgt die Auswahl von bestehenden Losungsideen und deren Beurteilung, insbesondere auch im Hinblick auf Wertsteigerung und den einhergehenden Kostenwirkungen. Im Unterschied zu der Auswahl von Handlungsoptionen fiir ein einzelnes Untemehmen spielt innerhalb eines Netzwerks jedoch nicht nur das Ergebnis der Investitionsrechung an sich eine Rolle, sondem es miissen im Vorfeld noch weitere grundsatzliche Fragen der Rollenverteilung innerhalb eines touristischen Dienstleistungsnetzwerks geklart werden. Zu denken ist an die Frage, ob es ein Globalbudget fiir den Tourismusdirektor zwecks Optimierung der Wertschopfung einer Destination geben soil, das durch alle Netzwerkpartner fmanziert wird und falls ja, wie viel fmanzielle Mittel der einzelne Netzwerkpartner hierfiir leistet. Femer ist auch die Situation denkbar, dass im Rahmen der Ist-Analyse spezifische Prozessmangel bei einem bestimmten Netzwerkpartner erkannt werden. Hier stellt sich die Frage, ob die Behebung der Mangel in der alleinigen Verantwortung der betroffenen Leistungstrager liegt oder eine Prozesskontrolle durch das gesamte Netzwerk erforderlich wird. Insofem ist davon auszugehen, dass in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk weniger Wirtschaftlichkeitsliberlegungen, sondem eher organisatorische und flihrungsbezogene Fragen Konfliktpotenzial in sich tragen. Schritt 6: Umsetzung der Losungsideen Im letzten Schritt erfolgt die Implementierung der verabschiedeten Losungsansatze zur Optimierung der Wertschopfungsprozesse. Hierbei gelten samtliche in der Implementierungsliteratur aufgefuhrten Grundsatze zur Um- und Durchsetzung von Strategien, wie beispielsweise der Festlegung von Implementierungszielen oder der Schaffung von Akzeptanz bei relevanten Anspruchsgruppen (z.B. Medien, Verbanden, Politik usw.). In einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk muss insbesondere geklart sein, wer die Verantwortung fiir die Erreichung der Implementierungsziele iibemehmen soil.
Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk
3.
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Explorative Analyse der Wertschopfungsprozesse eines touristischen Dienstleistungsnetzwerks mit Hilfe der Prozesswertanalyse
3.1 Hintergrund der Untersuchung und Ausgangslage Engelberg ist ein typisches Schweizer Bergdorf in der Zentralschweiz, dessen Einwohnerzahl nicht zuletzt dank der Tourismuswirtschaft in den letzten Jahrzehnten markant auf heute ca. 3.900 gewachsen ist. Um ein umfassendes Bild von der Bedeutung der touristischen Wertschopfung fur die Destination zu erhalten, haben der Kanton Nidwalden und die Gemeinde Engelberg bereits im Jahre 2004 eine Wertschopfungsstudie an ein Beratungsuntemehmen in Auftrag gegeben (vgl. Riitter 2004). Die Ergebnisse dieser ersten Studie unterstreichen die bestehende Abhangigkeit Engelbergs vom Tourismus, indem folgende Studienergebnisse festgehalten wurden: Die direkte Wertschopfung durch den Tourismus betragt CHF 136 Mio. pro Jahr, wobei der Anteil im Winter deutlich hoher als jener im Sommer ist. Der totale touristische Umsatz (direkte und indirekte Wertschopfung) betragt gemass Studienergebnis CHF 196 Mio., prozentual werden 71,1 Prozent des lokalen Bruttoinlandprodukts in der Gemeinde durch den Tourismus erwirtschaftet und ca. 76 Prozent der Arbeitnehmer sind im Dienleistungssektor tatig (Riitter 2004, S. 19). Der Entschluss der Entscheidungstrager in Engelberg, die bestehenden touristischen Leistungsprozesse vertiefend wertanalytisch zu betrachten, wurde somit nicht zuletzt durch die Kenntnis des rein quantitativen AusmaBes der touristischen Wertschopfung gefordert. Hier setzt die eigene Untersuchung der Wertschopfungsprozesse im touristischen Netzwerk Engelberg an. Bevor jedoch das Untersuchungsdesign sowie die Erkenntnisse im Rahmen der Prozesswertanalyse dargestellt werden, sei auf zwei Einschrankungen der Untersuchung hingewiesen: Erstens ist es in einer touristischen Destination nicht moglich, Wertschopfungsprozesse durch das „Management" zu initiieren - wobei in einer touristischen Destination die Leitung der lokalen Tourismusorganisation (Tourismusdirektor) noch am ehesten dem „Management" einer Untemehmung entspricht - da aufgrund der gegebenen, dezentralen Strukturen im Tourismusnetzwerk von einer eigentlichen Fiihrung nicht gesprochen werden kann und auch keine Weisungsbefugnisse an zentrale Leistungstrager im Netzwerk existieren. Die Durchfiihrung der Prozesswertanalyse sowie die darin generierten Ergebnisse hangen folglich in einem hohen MaBe von der Kooperationsbereitschaft der Leistungstrager im Netzwerk ab. Somit lasst sich die nachfolgend dargestellte Prozesswertanalyse in die Leitbild-, Planungs- und Koordinationsfunktion (Bieger 1997) sowie die Funktion der Qualitatssicherung (Zielke 2004) von lokalen Tourismusorganisationen einordnen. Zweitens gilt es zu beriicksichtigen, dass bei der Ubertragung der grundsatzlichen Schritte der Prozesswertanalyse in der Destination Engelberg inhaltliche Adaptationen der Analyse erforderlich sind, um die Prozess-
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wertanalyse auf den spezifischen Fall eines touristischen Dienstleistungsnetzwerkes anzupassen. Auch wenn Anwendungsbeispiele aus anderen Dienstleistungssektoren dokumentiert sind, so liegen nach aktuellem Kenntnisstand bislang keine empirischen Untersuchungen aus touristischen Dienstleistungsnetzwerken vor, bei denen die Prozesswertanalyse zur Anwendung gekommen ware. Aus diesem Grunde sei der methodisch explorative Charakter des nachfolgend beschriebenen Anwendungsprozesses noch einmal betont.
3.2 Umsetzung der Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk Das Untersuchungsdesign der Prozesswertanalyse im touristischen Dienstleistungsnetzwerk Engelberg folgt grundsatzlich den im vorangegangenen Abschnitt 2 beschriebenen sechs Schritten der Prozesswertanalyse (Miles 1961, 1969; Osterreichisches Normungsinstitut 1988). Hinsichtlich der Methodenwahl handelt es sich um eine qualitative Untersuchung aus zwei Perspektiven: Anbietersicht und Kundensicht. Die Datenerhebung der Anbietersicht erfolgte auf der Basis von sechs Experteninterviews mit folgenden Leistungstragem der Destination Engelberg: Leitung Marketing Engelberg Titlis Tourismus (ETT), Leiter Tourist Center Engelberg sowie Vertreter der Titlis Rotair Bergbahnen, der Skischule Engelberg, dem Sportgeschaft Salomon Station sowie dem Hotelierverein Engelberg. Die Interviews dauerten ca. 30-60 Minuten und wurden im Anschluss an das Gesprach transkribiert und inhaltsanalytisch zu den beiden Themenblocken „derzeitiges Dienstleistungsnetzwerk in Engelberg" und „touristische Wertschopfungsprozesse" ausgewertet (Kuckartz 2005). Die Wertgenerierung aus Kundensicht wurde auf der Basis telefonischer Interviews erhoben (vgl. ebenfalls Schritt 2 der Prozesswertanalyse). Als Grundgesamtheit wurden samtliche Gaste, welche in den letzten zwei Wintem einen Aufenthalt in Engelberg mit mindestens drei Obemachtungen verbracht haben, defmiert. Die Selektion nach Buchungen in den letzten zwei Wintem ergab eine Anzahl von 1.512 Gasteadressen. Aus dieser Liste wurden anschlieBend auf Basis der Gastehistorie (Stammgast, Aufenthaltsdauer, Gesamtbetrag an Umsatz pro Buchung) diejenigen Kunden selektiert, von denen angenommen werden konnte, dass sie eine vertiefte Kenntnis zum Dienstleistungsnetzwerk Engelberg haben. Insgesamt wurden 35 Gaste, auf die diese Kriterien vollumfanglich zutrafen, selektiert und telefonisch befragt. Die Verteilung der Stichprobe nach Geschlecht ergab 22 weibliche und 13 mannliche Probanden, mehrheitlich Schweizerinnen und Schweizer (29 Personen), lediglich sechs Probanden waren Deutsche. Die Verteilung nach Familienstatus ergab: ein Kind n = 11; zwei Kinder n = 14; drei Kinder n = 7 sowie mehr als drei Kinder n = 3 Probanden. GemaB dem Storytelling-Ansatz wurde das Telefoninterview inhaltlich lediglich grob strukturiert (Frenzel et al. 2004).
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Die Probanden wurden zunachst gebeten, an ihre letzten Winterferien in Engelberg zuriickzudenken und besondere Ereignisse zu berichten. Im spateren Verlauf des Interviews wurde die Gaste auch dazu befragt, welche Relevanz bestimmte kritische Ereignisse fur sie batten. Auf Basis der generierten Daten wurde die Prozesswertanalyse im touristischen Dienstleistungsnetzwerk Engelberg wie folgt angewendet: Schritt 1: Vorbereitung der Prozesswertanalyse im Dienstleistungsnetzwerk Engelberg Wahrend besonders bei der Anwendung der Prozesswertanalyse in der industriellen Produktion nicht selten Kosteneinsparungen das primare Motiv der Durchflihrung der Prozesswertanalyse sind, war von Beginn der Untersuchung offensichtlich, dass dies kein ubergeordnetes Projektziel in der Destination Engelberg sein wiirde. Nicht nur die kumulierten Zahlen zur Wertschopfung in der Destination sind positiv, auch die einzelnen Leistungstrager, wie zum Beispiel die Bergbahnen, haben in den letzten Jahren durchweg gute Geschaftsresultate erzielt. Das ubergeordnete Untersuchungsziel wurde stattdessen in der Befahigung der Leistungstrager gesehen, das Kundenerlebnis und die Kundenbeziehungen so zu gestalten, dass einerseits der tragerspezifische Wert (Kundennutzen), aber auch jener der gesamten Destination optimiert wird. Durch die Zielerreichung sollte zudem die Wettbewerbsfahigkeit von Engelberg im nationalen sowie intemationalen Vergleich gesichert werden. Als Analyseobjekt wurde der Wertschopfungsprozess: „Familienskiferien in einem Hotel" festgelegt. Diese Entscheidung basiert insbesondere darauf, dass rund 40 Prozent der Gaste ihre Ferien mit der Familie verbringen (Riitter 2004, S. 64). Sie stellen somit das groBte Gastesegment in Engelberg dar. Die tJbemachtung im Hotel wurde gewahlt, weil bei dieser Unterkunftsform die Interaktion zwischen Dienstleister und Gast wesentlich hoher ist als bei einem Aufenthalt in einer Ferienwohnung. Da die Funktionen auch aus Kundensicht ermittelt werden sollten, wurden diese ebenso wie das Zusammenspiel der einzelnen Leistungstrager erst im nachfolgenden, zweiten Teilschritt der Prozessanalyse ermittelt. Dies fiihrte im Ergebnis zu dem in Abbildung 2 dargestellten Dienstleistungsnetzwerk Engelberg. Es zeigte sich, dass sich der idealtypische Wertschopfungsprozess aus Sicht der befragten Experten in drei Teilprozesse unterteilt: (1) „Vorbereitung der Reise bzw. Anreise", (2) „Aufenthalt" sowie (3) „Abreise". Femer wurden auf Basis der Expertengesprache insgesamt 19 Partner im Dienstleistungsnetzwerk identifiziert, die Wertschopfungsbeitrage fixr „Skiferien in einem Hotel mit der Familie" leisten (vgl. Abbildung 2).
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Abbildung 2: Leistungstrager im Dienstleistungsnetzwerk Engelberg Schritt 2: Ermittlung des Ist-Zustandes „Familienskiferien in einem HoteV Im Rahmen des zweiten Teilschrittes der Prozesswertanalyse wurde die Ist-Situation des Analyseobjektes „Familienskiferien in einem Hotel" innerhalb der drei defmierten Kemprozesse (Anreise, Aufenthalt, Abreise) analysiert (vgl. auch Bolton 2004). Hierzu wurden die unter den jeweiligen Kemprozessen stattfmdenden Teilprozesse emeut aus Anbietersicht identifiziert. AnschlieBend folgte eine Bewertung der einzelnen Teilprozesse (Sequenzen) aus Kundensicht in Anlehnung an die Sequentielle Ereignistechnik bzw. der Darstellung als Service Blueprint. Das Ergebnis der Analyse ist beispielhaft in Abbildung 3 fiir den Kemprozess Anreise dargestellt. Die beiden iibrigen Kemprozesse wurden in analoger Form untersucht. Diese notwendige Integration der Kundenperspektive fiihrte im Rahmen des Projektes zu einer instrumentellen Erweiterung der Prozesswertanalyse, da die Funktionen mittels sequentieller Ereignistechnik erhoben wurden. Die befragten Gaste wurden gebeten, den Ablauf ihres letzten Aufenthaltes in Engelberg gedanklich noch einmal durchzugehen und dabei besonders positive oder negative Erlebnisse zu schildem. Strukturiert wurden die Interviews mit Hilfe der oben dargestellten Prozesssequenzen.
Prozesswertanalyse in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk
Abbildung 3: Kemprozess „Anreise" sowie Darstellung der Teilprozesse
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Abbildung 4 zeigt beispielhaft eine Zusammenfassung der Ergebnisse emeut fiir den Kemprozess „Anreise". Teilprozesse bzw. Sequenz(S)
Positive Bewertung
Neutrale Bewertung
Negative Bewertung
Beispielhafte Bemerkungen
S 1: Informationsbeschaffung zur Destination
13
21
1
Internetauftritt mehrheitlich funktional und positiv
S 2: Offerte
29
6
0
Geschwindigkeit wird positiv gesehen
S 3: Buchung Hotel/ Skiarragement
25
8
2
Fehler bei der Buchung in zwei Fallen
S 3: Bestatigung und Bezahlung
5
14
16
Kompliziertes Verfahren
S 4: Anreise nach Engelberg
13
19
3
Anreise umstandlich wegen Umsteigen auf Zentralbahn
S 4: Erster Eindruck vor Ort
2
29
4
Unschones Ortsbild auf Grund der Parkplatze
S 5: Check In im Hotel
13
9
13
Hektisch, Personal zum Teil uberfordert
Abbildung 4: Ist-Zustand des Kemprozesses „Anreise" aus Kundensicht Schritt 3: Entwicklung des Soll-Zustands des Analyseobjektes Bei der Entwicklung des Soll-Zustands wurde eine weitere instrumentelle Erweiterung der Prozesswertanalyse notwendig (zur Notwendigkeit des Einsatzes verschiedener Instrumente im Rahmen der Prozesswertanalyse vgl. Willeke 2001, S. 70). Aufgrund der Komplexitat des Analyseobjektes bei touristischen Dienstleistungen musste vor den eigentlichen Losungsideen in Schritt vier eine Fokussierung vorgenommen werden, da die Zahl der in Schritt 2 durch die Kunden genannten Ereignisse bei weitem eine handhabbare Grosse liberschritten. Aus diesem Grund wurden mit Hilfe der Frequenz-RelevanzAnalyse (vgl. z.B. Meffert/Bruhn 2006) jene Problemfelder analysiert, die einen hohen Wert aus Kundensicht stiften (Abb. 5: Problemrelevanz hoch), und auch noch vergleichsweise haufig auftreten (Abb. 5: Problemfrequenz mittel bis hoch). Die Informationen zu diesem Schritt wurden ebenfalls auf Basis der 35 telefonischen Interviews gewonnen, indem die Kunden nach der Darstellung bestimmter negativer Ereignisse dazu befragt wurden, „welche Bedeutung dieser Mangel ftir sie hatte (Skala: 1 = geringe bis 10 = hohe Bedeutung). Auf eine Festlegung der marktseitigen Kostenziele wurde hingegen in dieser Phase zunachst verzichtet. Durch die Frequenz-Relevanz-Analyse wurden insgesamt 18 Problembereiche erkannt, von denen fiinf als kritisch bzw. hoch relevant von den Kunden beurteilt wurden (vgl. Abbildung 5).
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Diese wurden in den Kontext des touristischen Netzwerkes gestellt, indem einerseits die jeweiligen Leistungstrager zugeordnet wurden und andererseits innerhalb des Netzwerkes eine Differenzierung nach mitarbeiter-, infrastruktur- oder prozessbezogenen Problembereichen durchgefiihrt wurde. Drei Ergebnisse waren dabei von besonderem Interesse: Erstens stellte sich heraus, dass aus der Vielzahl der Leistungstrager lediglich vier Netzwerkpartner (Hotels, Bevolkerung, Gastronomie Skigebiet, Bergbahnen; vgl. Abbildung 5, Nr. 1 bis 5) eine hohe Problemrelevanz aufweisen. Diese scheinbar geringe Zahl an hoch relevanten Problembereichen muss dennoch mit Vorsicht interpretiert werden, da zum Beispiel Hotels eine Schltisselrolle einnehmen, es sich tatsachlich jedoch nicht um ein Hotel, sondem um insgesamt 26 Hotels und damit auch Leistungstrager handelt. Zweitens fallt die Dominanz der mitarbeiterbezogenen Problembereiche im Hotelbereich auf (fehlende Informationen; Hektik Check In). Drittens zeigt die Darstellung, dass es auch Problembereiche gibt, die zwar eindeutig dem Wertschopfungsprozess und damit Analyseobjekt, jedoch keinem Leistungstrager zuzuordnen sind (vgl. Abbildung 2 Dienstleistungsnetzwerk). So wurde zum Beispiel die verbesserungsfahige Hilfsbereitschaft und Kontaktfreudigkeit der einheimischen Bevolkerung von neun befragten Kunden genannt und zudem bedeutsam (mittlere Relevanz) eingeschatzt. Die Dominanz der mitarbeiterbezogenen Problembereiche und die Erwartungen an das Verhalten der Bevolkerung deuten darauf hin, dass der „Funktionsbegriff von Produkten" bei der Anwendung der Prozesswertanalyse in Dienstleistungsnetzwerken defmitiv weiter zu fassen ist. Abbildung 5 zeigt das Ergebnis der Frequenz-Relevanz-Analyse im Uberblick.
Abbildung 5: Ergebnis Frequenz-Relevanz-Analyse in Schritt 3 der Prozesswertanalyse Im Anschluss an die Auswertung der Frequenz-Relevanz-Analyse erfolgt die in diesem dritten Schritt der Prozesswertanalyse letztlich intendierte Entwicklung des SollZustands der Wertschopfungsprozesse. Fiir jeden hoch relevanten Problembereich wurden idealtypische Prozessbeschreibungen entwickelt. Dies erfolgte ebenfalls auf der Basis der in den Kundeninterviews erhobenen Daten, indem diejenigen Textpassagen untersucht wurden, die „Soll-Zustande" aus Kundensicht darstellten. Im Folgenden wird
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ein solcher idealtypischer Soll-Wertschopfungsprozess fiir den Kemprozess Anreise dargestellt. Herr Meier ist auf der Suche nach einer Destination, um den Winterurlaub mit seiner Frau und zwei Kindem zu verbringen. Ein Arbeitskollege von ihm schwarmt immer wieder von Engelberg, deshalb will sich Herr Meier einmal naher iiber diesen Ort informieren. Bereits im Internet fmdet er samtliche wichtigen Informationen. Er schaut sich gleich einige Hotels an, welche gemaB Buchungsmaschine in seiner Ferienzeit noch freie Zimmer haben. Der erste Eindruck ist gut und wird noch verbessert, als er beim Tourist Center anruft, um weitere Fragen zu stellen. Die Dame am Telefon hort geduldig zu und hat auf jede Frage eine passende Antwort. Oberzeugt vom tadellosen Service fordert Herr Meier eine Offerte an. FUnf Minuten spater stellt er beim Offnen seines E-MailAccounts iiberraschend fest, dass die Offerte bereits eingetroffen ist. Zwei Tage spater folgt per Post noch eine gedruckte Version und eine informative Broschure zum Hotel und zum Ort. Die Buchung erfolgt per Telefon, eine Buchungsbestatigung folgt unmittelbar danach per E-Mail. Diese wird von Herm Meier per Klick auf die Reply-Taste bestatigt. Die Bezahlung erfolgt wahlweise im Voraus (in diesem Fall erhah Herr Meier einen Vorauszahlungsrabatt von 5 Prozent) oder erst bei der Abreise im Hotel. Die Reservation der Skitickets fiir die ganze Familie sowie die Anmeldung fiir die Skischule der Kinder wird ebenfalls bereits zu Hause erledigt. Die Informationen fur diese Moglichkeiten hat Herr Meier in einem E-Mail vier Wochen vor Abreise erhalten. Zudem sind in diesem E-Mail aus dem Tourist Center weitere allgemeine Informationen zum Ort sowie spezifische Informationen, wie zum Beispiel ein Veranstaltungskalender fur die Aufenthaltszeit, enthalten. Schhtt 4: Entwicklung von Losungsideen Die letzten drei, losungsorientierten Schritte der Prozesswertanalyse stellten sich im Rahmen der Untersuchung als besondere Herausforderung dar. So wurden zum Beispiel im vierten - in der Literatur auch als „kreativ" charakterisierten - Schritt drei konkrete, auf die identifizierten Problembereiche abgestimmte Losungskonzepte erarbeitet. Dabei wurde soweit wie moglich der Anforderung der Prozesswertanalyse nach der Berucksichtigung von Aspekten der sachlichen Durchfuhrbarkeit Rechnung getragen. Dennoch dominierte zunachst der „Konzeptcharakter", die Ausarbeitung der Losungsideen erfolgte - leider - nicht gemeinsam mit den 19 Leistungstragem, sondem wurde von der Dachorganisation in Kooperation mit den Forschenden erarbeitet. Exemplarisch werden nachfolgend drei Ldsungsamdtze sehr knapp skizziert. Zur SchlieBung der Probleme im Hotelbereich (vgl. Abbildung 5, Nr. 1 und 4) wurde das Konzept „Servicestandards" entwickelt. Qualitativ wurde als Ziel in Richtung Mitarbeitende die „Wahmehmung der Bedeutung von Servicestandards und deren Diskussion" formuliert, quantitativ sollten drei verbindliche Servicestandards fiir die identifizierten Problembereiche von der Tourismusorganisation sowie von mindestens 80 Prozent der Hotels innerhalb eines Jahres eingehalten werden. Darliber hinaus wurde ein zweiter, leistungstrdgerilbergreifender Losungsamatz mit der Realisierung einer „Freundlichkeitsoffensive" fiir Mitarbeitende im Kundenkontakt erarbeitet. Diese stiitzte sich auf die Grundidee des Intemen Marke-
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ting als personalgerichtetem Marketing, dass Mitarbeiter im Kundenkontakt den bestmoglichen Service bieten „wollen, konnen und diirfen". Die qualitative Zielsetzung sah eine Bewusstseinsveranderung der Mitarbeiter bin zu mehr Verantwortung gegentiber dem Gast, aber auch dem Arbeitgeber vor. Diese sollte sich gemaB quantitativer Zielformulierung in einer um eine Skaleneinheit erhohte Gastezufriedenheit ausdriicken. Der dritte Losungsansatz bezog sich auf den identifizierten Problembereich „Hilfsbereitschaft und Kontaktfreudigkeit der einheimischen Bevolkerung" (vgl. Abbildung 5, Nr. 2). Dieser lasst sich nicht eindeutig einem touristischen Leistungstrager zuordnen und ist somit Teil des so genannten „ursprunglichen touristischen Angebotes", welches die natiirlichen Gegebenheiten wie das Landschaftsbild, aber eben auch die soziokulturellen Verhaltnisse umfasst (vgl. Miiller 2004). Fiir diese zentrale, jedoch sehr schwer steuerbare, „Funktion" wurde ein Konzept zur „Starkung des Tourismusverstandnisses in der Bevolkerung" erarbeitet. Als qualitatives Ziel wurde die Verbesserung der Grundstimmung gegentiber dem Tourismus und den Gasten im Sinne einer „social responsibility" formuliert, auf eine quantitative Zielformulierung wurde hingegen verzichtet. Abbildung 6 zeigt einen Ausschnitt aus dem detaillierten Losungskonzept. Schritt 5: Beurteilung der Losungsideen Im Rahmen des fiinften Schrittes wurden die drei Losungskonzepte differenziert beurteilt. Fiir die oben skizzierten Konzepte wurden Budgets von CHF 6.000 (Servicestandards), CHF 60'000 (Freundlichkeitsoffensive) und CHF 33.000 (Tourismusverstandnis Bevolkerung) festgelegt bzw. freigegeben. Betrage, die im Vergleich zur gesamten Wertschopfung von nahezu CHF 200 Mio. angemessen erscheinen. Daniber hinaus wurden konkrete Vorschlage zur Budgetverteilung gemacht. Da die Konzepte nicht auf Kostenwirkungen, sondem auf Wertsteigerungen ausgerichtet sind, war eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalyse schwierig. Es zeigte sich jedoch, dass die differenzierten Analysen im Rahmen der Schritte 2, 3 und 4 der Prozesswertanalyse die Budgetverteilungsvorschlage fiir die jeweiligen Leistungstrager transparenter machten. Allerdings sind bei der Beurteilung der Losungsideen nicht nur monetare, sondem in gleichem oder gar hoherem Mafie zeitliche Ressourcen zu beriicksichtigen. Beispielhaft lasst sich dies am Konzept der Freundlichkeitsoffensive aufzeigen, im Rahmen dessen unter anderem die Teilnahme der Mitarbeiter mit Kundenkontakt an Weiterbildungsseminaren vorgesehen war. Da ein GroBteil der Mitarbeiter jedoch nur auf die Saison befristete Anstellungsverhaltnisse hat, miissten diese wahrend der Saison durchgefiihrt werden. Fur die Leistungstrager verursacht das hohe Opportunitatskosten.
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Kampagne zur Starkung des Tourismusverstandnisses in der Bevolkerung Grundidee: Die einheimische Bevolkerung bildet ein wichtiges Segment des ursprunglichen Angebotes einer Destination. Dieser Stellung soil sich die Bevolkerung bewusst werden. Dabei wird ein mehrstufiger Ansatz verfolgt, welcher verschiedene Zielgruppen innerhalb des Dorfes anspricht. Ziel: Die einheimische Bevolkerung muss sich der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus bewusst sein. Zudem soil der Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit der Gastfreundlichkeit und dem Erfolg der Destinationen aufgezeigt werden. Strategie: Die Forderung des Tourismusbewusstseins erfolgt auf zwei Ebenen. Durch eine Integration des Themas Tourismus in den Schulen sollen die Kinder fur das Thema Tourismus sensibilisiert werden. Sie sollen sich kritisch mit den Chancen und Gefahren des Tourismus auseinandersetzen. Diese Strategie ist langfristig angelegt. Auf einer zweiten Ebene wird die Bevolkerung tiber Zeitungskolumnen, Informationsveranstaltungen und einer Plakatkampagne sensibilisiert. Umsetzung (nur Stufe Kinder): Kinder sollen die Grundmechanismen des Tourismus kennen lernen und sich bewusst damit auseinandersetzen. Durch die Integration dieses Themas in die Schulen kann dies gesichert werden. Dabei mussen den Lehrern die erforderlichen Tools zur Verfugung gestellt werden. Vorgehen zur Realisierung: Bildung einer Expertengruppe, bestehend aus Vertretern der Schule Engelberg und der Tourismusorganisation. Kontaktaufnahme mit dem kantonalen Erziehungsdepartement zur Detailabsprache. Erarbeitung der Module mit Leitfaden, Arbeitsblattern und Lektionenvorschlagen. Pilotversuch in ersten Schulklassen.
Abbildung 6: Wertsteigerung im Tourismus durch die Bevolkerung (Skizze) Schritt 6: Umsetzung der Losungsideen Wenn die Prozesswertanalyse in organisationsorientierten Anwendungskontexten bis zu diesem Schritt erfolgreich verlaufen ist, so ist der letzte Schritt eigentlich nahezu eine „Formsache", bei dem ein klassischer Projektplan erstellt und umgesetzt wird. Im touristischen Netzwerkkontext hingegen erfordert die erfolgreiche Umsetzung der Losungsideen in besonderem Masse Kreativitat und Implementierungserfahrung der betroffenen Tourismusmanagerlnnen. Die Herausforderungen des Managements Destinationen sind hinreichend bekannt und wurden an anderer Stelle behandeh (vgl. z.B. Bieger 1997), sie zeigen sich erwartungsgemaB auch bei der Umsetzung von Losungsideen, die durch die Prozesswertanalyse erarbeitet wurden. Umso erfreulicher ist es, dass die im Rahmen der Untersuchung erstellten, problemorientierten Losungskonzepte nicht nur umgesetzt, sondem zudem durch Nachfolgeprojekte weiterentwickelt wurden. Die Losungskonzepte lagen Ende des Jahres 2005 vor, bereits 8 Monate nach der Durchfiihrung kann die Destination Engelberg erfreuliche Resultate vorweisen. Das Konzept Servicestandards wurde intensiv verfolgt und im weiteren Verlaufe der Durchfiihrung ausgeweitet. Inzwischen ist die Tourismusorganisation Engelberg ISO-zertifiziert, eine aus Sicht des Tourismusdirektors logische Folge der intensiven Anstrengungen bei der Standardisierung der insgesamt 24 Teilprozesse in der Destination. Die im Rahmen der Analyse aufgezeigten leistungstrageriibergreifenden Prozesse wurden dabei ebenfalls
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beriicksichtigt und sind heute durch das Intranet in der Destination auch EDV-gestiitzt. Das Losungskonzept „Tourismusverstandnis in der Bevolkerung" wurde ebenfalls auf den beiden Stufen Kinder (Ausbildung in den 5. und 6. Schulklassen) und Erwachsene (Erwachsenenbildung) umgesetzt. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass Kreativitat bei der Finanzierung von jenen Werttreibem notwendig ist, die nicht klar einem Leistungstrager zugeordnet werden konnen. Eingesetzt werden so genannte „Opinion Leader" oder auch „Tourismusbotschafter", d.h., Personen aus der Gemeinde, die eine hohe Glaubwiirdigkeit haben. Diese werden sehr breit rekrutiert, was sowohl der Zielerreichung dient, gleichzeitig jedoch auch ein budgetschonendes Vorgehen ist.
Inhaltlich-methodische Implikationen fiir die Dienstleistungsforschung sowie Handlungsempfehlungen fur die Dienstleistungspraxis GrundsatzHch hat die explorative Untersuchung des touristischen Dienstleistungsnetzwerks Engelberg gezeigt, dass die sechs Schritte der Prozesswertanalyse zu Wertschopfiingsoptimierungen innerhalb des gesamten Netzwerks fiihren konnen. Kritisch sei jedoch angemerkt, dass nach Anwendung der sechs vorgeschlagenen Schritte der Prozesswertanalyse der Eindruck entstanden ist, dass der Analyseablauf, wenn auch zielfuhrend, eigentlich auch mit dem Ausdruck wertorientierter Qualitatszirkel oder ahnlichem hatte belegt werden konnen. Die Abgrenzung der Prozesswertanalyse zu anderen Analyseinstmmenten ist daher eher auf Basis des Philosophieaspekts („Funktionen schaffen Werte") und weniger durch die Ablaufschritte der Analyse gegeben. Das Grundprinzip, dass es sich um ein einfaches Vorgehensmodell zur Losung komplexer Probleme handelt, hat sich dennoch als praxistauglich fur die Tourismuswirtschaft erwiesen. Die Verbesserung touristischer Dienstleistungen ist ein komplexes Problem, bei dem die Strukturierung des Losungsweges, wie ihn die Prozesswertanalyse vorsieht, meist schwieriger ist als die Problemlosung selbst. Somit ist der Erkenntnisgewinn dieser Untersuchung aus wissenschaftlicher Sicht primar darin zu sehen, dass die vorgeschlagenen Schritte der Prozesswertanalyse generell gut in touristischen Dienstleistungsnetzwerken angewendet werden konnen bzw. weiterfuhrend, dass die Anpassungen der Prozesswertanalyse im konkreten Anwendungsfall eines Dienstleistungsnetzwerks aufgezeigt wurden. Die iibrigen Ergebnisse der Prozesswertanalyse sind demnach starker an die Zielgruppe der Tourismuswirtschaft gerichtet. Es ergeben sich in Richtung Dienstleistungsforschung somit eher inhaltlich-methodische Implikationen, und auch eine erweiterte Sicht des Konzepts des Wertnetzwerks, wahrend fiir die Dienstleistungspraxis einige Handlungsempfehlungen genereller Art abgeleitet werden.
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Inhaltlich-methodische Implikationen fiir die Dienstleistungsforschung Die explorative Analyse hat einige Besonderheiten bei der Anwendung der Prozesswertanalyse im Tourismus aufgezeigt, die sich in zwei Punkten zusammenfassend beschreiben lassen. So ist in Dienstleistungsnetzwerken erstens ein erweiterter Funktionsbegriff notwendig und zweitens eine Erweiterung der angewendeten Instrumente sinnvoll. Erweiterter Funktionsbegriff: Auch wenn im Rahmen der Prozesswertanalyse bereits eine Erweiterung der klassischen „Gebrauchsfunktion" um eine „Geltungsfunktion" vorgesehen ist, zeigt das Beispiel der „Produkte" der Destination Engelberg dennoch, dass auch die Geltungsfianktion nicht ausreicht, um touristische Leistungen als Analyseobjekt abzubilden. Im Rahmen des Projektes wurde bewusst sehr friih die Perspektive der Leistungstrager und der Kunden zur Abbildung der „Funktionen" des Analyseobjektes eingenommen. Dabei hat sich herausgestellt, dass Funktionen im Netzwerkkontext „Prozesssequenzen" sind. Dieses Ergebnis kann auch einen Beitrag zu der wissenschaftlichen Diskussion liber Kundenwertmanagement im Tourismus leisten (vgl. Pechlaner et al. 2004). Erwmterung der angewendeten Instrumente: Im Rahmen der Untersuchung stellte sich heraus, dass der zusatzliche Einsatz der Instrumente „Service Blueprint" bzw. „Sequentielle Ereignismethode" und „Frequenz-Relevanz-Analyse" den Prozess untersttitzt haben. Auch wenn die Forschenden zunachst einer solchen Instrumentevielfalt sehr kritisch gegeniiberstanden, hat sich rlickblickend der Einsatz als wertvoll erwiesen. Dabei miissen jedoch zwei Vorgaben befolgt werden. Zum einen ist es bedeutsam, dass der prozessunterstiitzende Charakter der weiteren Instrumente im Vordergrund steht. Somit sollte nicht generell die Integration empfohlen werden, sondem situativ im Prozessverlauf entschieden werden, ob der Einsatz weiterer Instrumente einen Erkenntnisgewinn fur die Ablaufschritte innerhalb der Prozesswertanalyse liefem kann. Zum anderen sollten sich die Beteiligten liber den zusatzlichen Ressourcenbedarf bewusst sein. Im Fall der Studie in Engelberg erfolgte die Anwendung der Instrumente durch die Forschenden, im touristischen Projektteam waren die Ressourcen nicht verfiigbar gewesen. Erweiterte Sicht des Konzepts des Wertnetzwerks: Flir die Analyse des Wertschopfungsprozesses einer Tourismusdestination ergibt sich in Bezug auf die konzeptionellen Grundlagen, dass der Ansatz des Wertnetzwerks um die anbieterseitige Vermittlerfunktion, d.h., Vermittlung von verschiedenen Dienstleistungsangeboten fur Kunden, erganzt werden sollte bzw. diese Option nun in weiteren Forschungsarbeiten naher untersucht wird. Die vorliegende Untersuchung zeigte femer auf, dass die ublicherweise innerhalb des Wertnetzwerkansatzes unterschiedenen primaren Aktivitaten - Netzwerkpromotion & Vertragsmanagement, Netzwerkservices sowie Infrastruktur des Netzwerks (vgl. Abschnitt 2) - im vorliegenden Fall nicht zutreffen. Im touristischen Dienstleistungsnetzwerks Engelberg standen eher die klassischen Managementaufgaben, namlich Bildung des Dienstleistungsnetzwerks, Flihrung des Netzwerks sowie Evaluation des Netzwerks, im Vordergrund, die somit als „primare Aktivitaten" anzusehen sind. Dies impliziert, dass zuklinftige Forschungsarbeiten das Konzept des Wertnetzwerks vertieft auf die
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Anwendbarkeit in verschiedenen Dienstleistungsbranchen priifen konnten und hierbei auch die Frage von primaren und sekundaren Aktivitaten in einem Dienstleistungsnetzwerk genauer untersuchen. Handlungsempfehlungen fur die Dienstleistungspraxis Besonders bei den losungsorientierten Schritten 4 bis 6 zeigte sich in der Untersuchung deutlich, dass sich das fiir Untemehmen entwickelte Vorgehensmodell der Prozesswertanalyse nicht ohne Anpassungen auf dezentrale Dienstleistungsnetzwerke tibertragen lasst. Insgesamt haben die Erfahrungen aus der Untersuchung eher die Erkenntnisse zum Management in strategischen Netzwerken bestatigt, dass es hier zu einem Zusammenspiel von kooperativen Beziehungen, Marktmechanismen und der Koordination und Kontrolle durch eine fokale Untemehmung kommt (vgl. Deigendesch 2004). So nahm bei der Umsetzung der Losungskonzepte erwartungsgemafi die Tourismusorganisation in Engelberg, und hier speziell der Tourismusdirektor, eine SchltisselroUe ein (fokale Untemehmung). Diese Rolle gilt es folglich zu starken und mit dem erforderlichen Budget und den Kompetenzen auszustatten, um die Analyse von Wertschopfungsprozessen in einem touristischen Dienstleistungsnetzwerk handhabbar zu gestalten. Da die Tourismusorganisation Engelberg als kommerzielle Organisation gefahrt wird, gingen der Umsetzung der Losungskonzepte auch intensive Wirtschaftlichkeitsdiskussionen mit dem Verwaltungsrat voraus. Die zunachst durch die Tourismusorganisation getatigten Investitionen z.B. im Zusammenhang mit dem Konzept „Servicestandards" werden durch Vertrage mit den einzelnen Leistungstragem (Hotels) refmanziert. Gleichzeitig waren die vorab gefuhrten Gesprache mit den Leistungstragem jedoch auch eine wichtige Voraussetzung fiir die Investitionsbereitschaft der Tourismusorganisation (kooperative Beziehungen). Abschliefiend bleibt zu hoffen, dass der Beitrag die Ablaufschritte der Prozesswertanalyse aufzeigen konnte und dies zu einem vermehrten Einsatz im Dienstleistungsmanagement beitragt.
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Silke Michalski, Uta Jiittner und Lukas Hammer
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Giinter Schuh und Gerhard Gudergan
Innovationsfahigkeit industrieller Dienstleistungen in Organisationsformen jenseits der Hierarchic: Einc cmpirischc Analyse
1. Relevanz von Innovationen und industriellen Dienstleistungen 2. Industrielle Dienstleistungen in der Wertschopfungskette 2.1 Definition und Abgrenzung industrieller Dienstleistungen 2.2 Einbindung industrieller Sekundardienstleistungen 2.3 Erfolg und Innovation bei industriellen Dienstleistungen 3. Organisationsformen j enseits der Hierarchie 4. Innovation, Organisationsstruktur und Koordination 4.1 Bedeutung der formalen Organisationsstruktur fur die Innovation 4.2 Begriff der Koordination 4.3 Dimensionen der Koordination 5. Einfluss der Koordination auf die Innovationsfahigkeit 5.1 Empirische Erhebung und Datengrundlage 5.2 Datenauswertung 5.3
Entwicklung und Messung der Konstrukte
6. Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick Literatur Prof Dr. Giinter Schuh ist Direktor am Forschungsinstitut far Rationalisierung (FIR) e.V. an der RWTH Aachen. Gerhard Gudergan ist Bereichsleiter Dienstleistungsmanagement am Forschungsinstitut fiir Rationalisierung (FIR) e.V. an der RWTH Aachen.
1.
Relevanz von Innovationen und industriellen Dienstleistungen
Innovationen gelten seit jeher als Schltissel zu Wachstum und Untemehmenserfolg (Schumpeter 1987, S. 170ff.). Entsprechend dieser Beobachtung wird die Leistungsfahigkeit eines Landes insbesondere durch die Fahigkeit von Untemehmen bestimmt, neue Produkte und Dienstleistungen hervorzubringen. Treiber sind hierbei die sich verscharfenden Konkurrenzsituationen im intemationalen Wettbewerbsumfeld, ein sich andemdes Kundenverhalten sowie der technologische Fortschritt (Reichwald/Schaller 2003, S. 171ff.). Auch wenn eine Vielzahl an empirischen Studien den positiven Effekt von Innovationsaktivitaten auf den Untemehmenserfolg, den Export und die Produktivitat hervorhebt (Meffert/Bruhn 2003, S. 267), erweisen sich je nach Branche 30 bis 50 Prozent aller am Markt eingefuhrten Innovationen als nicht erfolgreich und miissen wieder vom Markt genommen werden miissen (Crawford 1977, S. 51; Brockhoff 1993, S. 2f). In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Dienstleistungen als wesentlicher Wachstumstreiber der westlichen Wirtschaftsnationen etabliert und haben mittlerweile einen Beschaftigungsanteil von iiber 65 Prozent und einen Anteil an der Bruttowertschopfiing von ca. 70 Prozent erreicht (Europaische Kommission 2004, S. 14f). In Studien zur Innovation wird vielfach nicht auf die Spezifika von Dienstleistungen eingegangen. Doch gerade die Besonderheiten von Dienstleistungen, wie z.B. die Immaterialitat, die Einmaligkeit, die Verganglichkeit, das Uno-Actu-Prinzip sowie insbesondere die Integration eines extemen Faktors (Luczak et al. 2003, S. 6ff.), lassen Unterschiede in der Innovationsfahigkeit von Untemehmen und damit auch andere Erfolgsfaktoren und Hemmnisse vermuten. Fiir das Dienstleistungsangebot produzierender Untemehmen in Form von industriellen Dienstleistungen gilt dies gleichermafien. Die Unterschiede machen eine differenzierte Betrachtung der Innovationsfahigkeit und seiner Determinanten bei industriellen Dienstleistungen erforderlich. Insbesondere im Bereich der investiven und damit auch der industriellen Dienstleistungen zeigt sich ein rasantes Wachstum, das beispielsweise in der Fokussiemng von Untemehmen auf ihre Kemkompetenzen und den damit einhergehenden OutsourcingBestrebungen (Wildemann 1988, S. 13ff.; Gill 2003, S. 2; Kuster 2004, S. 1; Liestmann 2004, S. 1) begnindet ist. Durch diesen Trend hat sich der Markt fur industrielle Dienstleistungen zu einem konkurrenzintensiven Kaufermarkt gewandelt (Sihn et al. 2000, S. 38ff.), auf dem die Anfordemngen seitens der nachfragenden Untemehmen stetig gestiegen sind (Bmhn 2003, S. 242). Den gestiegenen Anfordemngen begegnen Anbietemntemehmen mit neuen Dienstleistungen, denen entsprechende Stmkturen und Prozesse der Entwicklung und Innovation zugmnde liegen (Backhaus 1992, S. 347; Luczak et al. 2003, S. 463).
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Gunter Schuh und Gerhard Gudergan
Zielsetzung des vorliegenden Beitrags ist, die organisatorische Integration industrieller Dienstleistungen in die Wertkette produzierender Untemehmen als Determinante der Innovationsfahigkeit zu untersuchen. Dabei soil insbesondere die Koordination zwischen den in unmittelbarem Kontakt mit dem Kunden stehenden UntemehmensfUnktionen des Service sowie des Vertriebs bzw. Marketing und denen des Service betrachtet werden. Die unterschiedlichen zum Einsatz kommenden Koordinationsinstrumente sollen beziiglich ihres Einflusses auf die Innovationsfahigkeit untersucht werden. Der Beitrag liefert Gestaltungshinweise ffir die Organisationsgestaltung im Spannungsfeld zwischen biirokratischen und organischen Organisationsformen.
2.
Industrielle Dienstleistungen in der Wertschopfungskette
2.1 Definition und Abgrenzung industrieller Dienstleistungen Der Begriff der Dienstleistung wird iiblicherweise liber seine konstituierenden Merkmale definiert. Dies sind vor allem die Simultaneitat von Erstellung und Verbrauch, Nichtlagerfahigkeit, Nichttransportfahigkeit, Immaterialitat des Leistungsergebnisses sowie insbesondere die Einbeziehung des extemen Faktors (FaBnacht 1998, S. 724). Die Immaterialitat der Dienstleistung und die Integration des Kunden gelten als die wesentlichen konstituierenden Merkmale von Dienstleistungen (Schuh et al. 2004, S. 7), Mit letzterem ist vor allem gemeint, dass es bei der Erstellung der Dienstleistung der aktiven Teilhabe des Kunden bedarf. Die Integration des Kunden als extemen Faktor erfolgt dariiber hinaus bereits bei der Spezifikation der Leistung und den daran ausgerichteten Aufbau der Leistungsfahigkeit im Vorfeld (Corsten 1998, S 56). Im Mittelpunkt des hier vorliegenden Beitrags stehen die industriellen Dienstleistungen. Industrielle Dienstleistungen konnen defmiert werden als „immaterielle Leistungen, die ein Investitionsgiiterhersteller (sekundarer Sektor) seinen Kunden zur Forderung des Absatzes seiner Sachgtiter anbietet." (Homburg/Garbe 1999, S. 255). Industrielle Dienstleistungen lassen sich dariiber hinaus weiterhin unterscheiden in primare und sekundare industrielle Dienstleistungen. Die in dem vorliegenden Beitrag vorrangig betrachteten industriellen Sekundardienstleistungen lassen sich unter Riickgriff auf die Kriterien „Bezug zur Sachleistung" und „Zielsetzung des Dienstleistungsangebots" von industriellen Primardienstleistungen unterscheiden (Garbe 1998, S. 31). Der Bezug zur Sachleistung bei industriellen Sekundardienstleistungen besteht in der untrennbaren Verbindung der Dienstleistung zur Hauptleistung, wahrend die Zielsetzung des Dienstleistungsangebots in der Forderung des Absatzes der Sachleistung im Sinne der Angebotsdifferenzierung besteht. In Ubereinstimmung mit der Definition nach Baumbach wird der Begriff der industriellen Sekundardienstleistungen hier synonym mit dem Begriff des Service verwen-
Innovationsfahigkeit industrieller Dienstleistungen
197
det und als die Gesamtheit aller potenziellen und tatsachlichen (Teil-) Leistungen verstanden, welche den Gebrauchsnutzen einer abgesetzten Marktleistung sicherstellen, wiederherstellen oder erhohen (Baumbach 1998, S. 22). Industrielle Sekundardienstleistungen stellen sich somit als integraler Bestandteil eines Angebots - bestehend aus Dienstleistungen und Sachgut - dar, durch das kundenindividuelle Problemlosungen erreicht werden konnen. Durch diese wird die gewunschte Differenzierung im Wettbewerb erzielt. Der Produzent von Sachgutem wird damit zum „produzierenden Dienstleister", der die Problemlosung nicht als Produkt sondem als Dienstleistung verkauft (Schuh et al.2004,S. 18).
2.2 Einbindung industrieller Sekundardienstleistungen In der Wertschopfung produzierender Untemehmen stellen der Service bzw. industrielle Sekundardienstleistungen eine von funf direkt an der Wertschopfung beteiligten, primaren Untemehmensaktivitaten dar (Porter 1992, S. 62). Industrielle Sekundardienstleistungen nehmen demzufolge eine zentrale Stelle in der Prozesskette produzierender Untemehmen ein. Gemeinsam mit den Aktivitaten des Vertriebs und des Marketing stellen sie Schnittstellen zum Kunden dar und nehmen damit eine bedeutende Rolle ftir das Untemehmen ein (Garbe 1998, S. 53).
Abbildung 1: Industrielle Dienstleistungen als Funktion der Wertschopfung (Quelle: Porter 1992, S. 62) Da industrielle Sekundardienstleistungen aus der abhangigen Organisationseinheit des Service heraus erbracht werden (Fischer/Kallenberg 1999, S. 4), ist eine ftir die Integration geeignete Organisationsform und damit eine bereichsiibergreifende Koordination
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Gunter Schuh und Gerhard Gudergan
dieser Aktivitaten mit den iibrigen primaren und sekundaren Aktivitaten in der Wertschopfungskette erforderlich (Altobelli/Bouncken 1998, S. 283f.). Der Fokus des vorliegenden Beitrags liegt auf eben dieser Koordination der Aktivitaten industrieller Sekundardienstleistungen mit anderen Aktivitaten der Wertschopfling. Von besonderem Interesse ist hier die Koordination zwischen den Dienstleistungsbereichen sowie den Vertriebs- und Marketingfunktionen des produzierenden Untemehmens. Es stellt sich die Frage, durch welche Kombination von Koordinationsmechanismen und -instrumenten die Vorteile flexibler Organisationsformen genutzt werden konnen, ohne dass das fur die Implementierung von Innovationen erforderliche MaB an Effizienz vemachlassigt wird.
2.3 Erfolg und Innovation bei industriellen Dienstleistungen Die besondere Bedeutung industrieller Dienstleistungen fiir den Untemehmenserfolg wird von zahlreichen Autoren ubereinstimmend herausgestellt. Die von den Autoren in empirischen Arbeiten untersuchten Erfolgsdimensionen unterscheiden sich maBgeblich. Stauss beispielsweise kommt zu dem Ergebnis, dass industrielle Dienstleistungen fur die Profilierung gegenuber Wettbewerbem von den befragten Entscheidem als das wichtigste Kriterium eingeschatzt werden (Stauss 1993, S. 113). Hiinerberg/Mann ermitteln, dass die wesentliche Bedeutung industrieller Dienstleistungen in der Erreichung und Absicherung von Kundenzufriedenheit sowie eines positiven Untemehmensimages und der Wettbewerbsdifferenzierung liegen (Hunerberg/Mann 1996). Als wichtig wurden daruber hinaus die Absatzforderung des Kemprodukts sowie die Marktabsicherung identifiziert. Eine iiberragende Bedeutung der Erreichung von Kundenzufriedenheit bescheinigen Innis/Lalonde den industriellen Dienstleistungen (Innis/LaLonde 1994). Sie konstatieren, dass die Dienstleistungen einen signifikant positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit, die kognitive Einstellung in Bezug auf das Untemehmen als Lieferant sowie auf die Wiederkaufabsichten als Pradikator fiir den Marktanteil besitzen. Dienstleistungen werden als wichtig zur Erhaltung der Kundenloyalitat durch die Beeinflussung der Kauf- bzw. Wiederkaufabsichten identifiziert. Morris und Davis fanden in ihrer Studie unter Marketingmanagem von Industrieguterherstellem heraus, dass industrielle Dienstleistungen vor allem fiir die Erreichung von Umsatzwachstum sowie fur den gesamten Untemehmensgewinn von hoher Bedeutung sind (Morris/Davis 1992). Nur wenige weitergehende Studien zur Erfolgswirkung bestimmter Eigenschaften von Serviceleistungen berucksichtigen auch die Innovation als Erfolgsfaktor. Zapf stellt fest, dass besonders die Innovativitat, die Qualitat der Serviceleistung und die Qualifikation der Mitarbeiter liber den Erfolg des Serviceangebots entscheidet (Zapf 1990). De Brentani kommt zu der Erkenntnis, dass vor allem die Entwicklung kontinuierlich neuer Dienstleistungen die Voraussetzung fiir dauerhaften Erfolg bei industriellen Dienstleistungen darsteUt (De Brentani 1995). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Angebot industrieller Dienstleistungen ein empirisch belegtes, hohes Differenzierungspotenzial aufweist. Gleichzeitig
Innovationsfahigkeit industrieller Dienstleistungen
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fallt allerdings auf, dass nur in wenigen Beitragen das Thema der Dienstleistungsinnovation sowie deren Erfolgswirkung und Determinanten diskutiert wird. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen von Kupper und Schaller, nach denen sich das Thema des Innovationsmanagements fiir Dienstleistungen forschungsseitig in einem friihen Stadium befmdet (Kupper 2001, S. 7f.; Schaller et al. 2004, S. 125ff.). Fiir den Bereich der industriellen Dienstleistungen trifft dies offensichtlich ebenfalls zu.
3.
Organisationsformen j enseits der Hierarchic
Seit in den Arbeiten von Bums und Stalker, die 1961 (Bums/Stalker 1994, S. 70ff.) in mechanistische und organische Formen der Organisation unterschieden wird, wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Innovationsfahigkeit in Abhangigkeit von der Organisationsstrukturgestaltung gesehen. Insbesondere das klassische, durch vertikale Kommunikation und standardisierte Ablaufe gepragte BUrokratiemodell ist in diesem Zusammenhang haufig kritisiert worden. Spezielles und in impliziter Form verfligbares Expertenwissen, die Forderung nach selbststandigem Handeln in Beziehungen zu Externen und der Bedarf an flexiblen und lemfahigen Organisationen erfordem alternative Organisationsformen. Gleichzeitig stellt sich allerdings die Frage, wie der Anspruch nach permanentem Wandel und Innovation durch lose gekoppelte und durch Desintegration gepragte Strukturen langfristig in einem stabilen Gleichgewicht erfiillt werden kann. Eine zu starke Anlehnung an hierarchische Strukturen wird als dazu wenig geeignet oder zumindest dysfunktional betrachtet (Heckscher 1994). Die Altemativen zu hierarchischen Organisationslogiken sind vielfaltig. In der aktuellen Diskussion werden Altemativen zur Hierarchic beispielsweise im Kontext des Lean Management (Womack 1990b, S. 15ff), des virtuellen Untemehmens (Schuh 1998, S. 16ff) oder unter dem Konzept der modularen, segmentierten Organisation (Wildemann 1988, S. 94f) aufgefuhrt. Organisationsmodelle, die auf einernicht hierarchischen, pluralistischen Entscheidungsfmdung bemhen, sind seit den bereits erwahnten Arbeiten von Bums und Stalker in der Diskussion. Ihre organischen Stmkturen, die auf einer netzwerkartigen Stmktur von KontroUe, Autoritat und Kommunikation bemhen und Koordination durch wechselseitige Selbstabstimmung und Beratung erreichen, ist der wichtigste Vorlaufer aktuell diskutierter Organisationsformen, wie beispielsweise der Heterarchie. Ahnliche Konzepte liegen der Netzwerkorganisation (Baker 1992), der Adhocratie (Mintzberg 1992, S. 196ff) oder den insbesondere von japanischen Autoren entwickelten Organisationsformen zugmnde (Aoki 1988, S. 20ff). Heterarchische Organisationsformen konnen als Idealfall einer nicht-hierarchischen Organisation aufgefasst werden. Im Gegensatz zu einer monozentrisch ausgerichteten Hierarchic, bei der die Entscheidungsfmdung bei der Untemehmensspitze liegt und die Zusammenarbeit durch eindeutig definierte Rechte und Pflichten in einem hierarchischen
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Gunter Schuh und Gerhard Gudergan
Weisungssystem gewahrleistet wird, erfolgt die Koordination in heterarchischen Strukturen durch horizontale Abstimmung zwischen prinzipiell gleichberechtigten Entscheidungstragem. Abstimmungen und Entscheidungen werden durch gegenseitige Ubereinkunft herbeigefiihrt (Scharpf 1993, S. 137ff.). Dem Weisungsprinzip der Hierarchie wird dadurch das Prinzip der Verhandlung mit groBtmogHcher Partizipation entgegengesetzt. Heterarchische Systeme verfligen daher uber hohere Informationsverarbeitungskapazitaten und konnen das dezentrale Wissen ihrer Mitglieder besser in Entscheidungsprozesse integrieren als das in Hierarchien der Fall ist (Daft/Lengel 1984; March 1994, S. 192ff.). Positionen von Entscheidungstragem in Heterarchien beruhen nicht auf dem Status in der formalen Struktur, sondem auf Expertenwissen. Heterarchien basieren zum groBen Teil auf intelligenten Initiativen ihrer Mitglieder, die um attraktive, temporare Positionen konkurrieren. Machtmissbrauch oder fachliche Inkompetenz konnen in der idealtypischen Heterarchie zum Verlust einer Position fiihren, da Entscheidungstrager letztendlich aufgrund ihrer Expertise durch die Organisation legitimiert wurden und ihr gegentiber rechenschaftspflichtig sind. Es kommt zu einem standigen Spannungsfeld zwischen Autonomic der Entscheidungstrager und dem durch die wechselseitige Abhangigkeit zwischen Entscheidungstrager und Organisation bedingten Integrationsstreben. Kritisch ist, wenn durch eigene Interessen geleitetes Handeln die effiziente Erfiillung des Organisationszwecks behindert wird. Wenn einzelne Entscheidungstrager beispielsweise Interessen anderer nur zulassen, wenn diese nicht ihren eigenen Interessen im Wege stehen, hat die Koordination in der Heterarchie versagt. Eine Vorraussetzung fiir das Funktionieren heterarchischer Systeme ist daher die Schaffung von Bedingungen fur kollektiv abgestimmtes Handeln. Kollektive Uberzeugungen, Werte und Normen tragen dazu bei, den Mangel an btirokratischen Integrationsmechanismen zu kompensieren (Schreyogg 1989, S. 97ff; Ulrich 1994, S. 312f). Die Organisationskultur als Koordinationsmechanismus entlastet daher nicht nur Entscheidungstrager von der flindamentalen Aufgabe der Orientierung und Koordination, sie schafft auch eine gemeinsame Identitat und damit die Grundlage fiir soziale Sanktionen, wenn gegen gemeinsame Ziele und Verhaltensregeln verstoBen wird (Joas 1996, S. 290ff.). Den Vorteilen demokratisch autonomer Strukturen wie der Heterarchie stehen auch Nachteile gegeniiber. Der mit demokratischen Entscheidungsstrukturen verbundene Aufwand steigt mit der Anzahl und Komplexitat der Entscheidungen und der Zahl eingebundenen Entscheider so an, dass die Effizienz heterarchischer Strukturen leidet. Eine zu hohe Anzahl und Komplexitat von Entscheidungsprozessen macht rein heterarchische Systeme entscheidungsunfahig. In Heterarchien muss deshalb die Moglichkeit existieren, Elemente biirokratischer Strukturen zu integrieren. Ein Beispiel fiir biirokratische Elemente in Heterarchien ist die Ausbildung temporarer Hierarchien, um punktuell tiberlastete Strukturen zu entlasten und Entscheidungen zu ermoglichen. Die Notwendigkeit der Ausbildung biirokratischer Strukturen liegt auch darin begrlindet, dass nicht jede Person dazu in der Lage ist oder Interesse hat, an alien Entscheidungen beteiligt zu sein. Hinzu kommt, dass der Zugang zu relevanten Informationen, beispielsweise iiber Kunden, Partner und interne Dokumente, in der Regel bei den aktuell in einer Position befindlichen Entscheidem liegt (Rheilen 1998, S. 9f.). Es stellt sich die Frage, durch welche In-
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strumente beispielsweise die Informationsweitergabe in einem Entscheidungsprozess bei einem Positionswechsel unterstutzt werden kann und damit die Frage, wie Elemente burokratischer Strukturen sinnvoll rein heterarchische Strukturen erganzen, um die geforderte Koordinationsleistung der Organisation sicherzustellen. Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht im Zusammenhang mit der aufgefuhrten Diskussion um nicht-hierarchische Organisationsformen die Fragestellung, wie und in welchem AusmaB sich die organisatorische Integration und insbesondere die Koordination der Aufgaben von Service- und Marketing- bzw. Vertriebseinheiten auf die Innovationsfahigkeit des Untemehmens auswirken. Es soli die Frage beantwortet werden, welche Koordinationsformen und -instrumente sinnvoll eingesetzt werden konnen, um gleichzeitig das fiir Innovationen erforderliche Mafi and Flexibilitat und Kreativitat zu fbrdem und das fur die Implementierung von Innovationen notwendige MaB an Sicherheit und Stabilitat zu erreichen.
4.
Innovation, Organisationsstruktur und Koordination
4.1 Bedeutung der formalen Organisationsstruktur fur die Innovation Trotz einer breiten Verwendung des Begriffs der Innovation ist das konstitutive Merkmal von Innovationen die Neuheit (Macharzina 1995, S. 591). Schumpeter unterscheidet zwischen Invention (kreative geistige Konzipierung einer Neuheit) und Innovation (tatsachliche Durchsetzung der Idee) (Schumpeter 1987, S. 170ff., zur Unterscheidung von Invention und Innovation Fischer 1982, S. 30ff.). Im Sinne einer ganzheitlichen Auffassung, die alle Phasen des Prozesses von Ideenfmdung bis zur tatsachlichen Durchsetzung dieser einschliefit, soil im vorliegenden Beitrag die Innovation aufgefasst werden als die Entwicklung und Implementierung neuer Ideen, die in einer Organisation zum ersten Mai durchgefiihrt wird. Innovationen konnen sich in diesem Zusammenhang sowohl auf neue Produkte und Dienstleistungen als auch auf interne Aspekte der Organisation beziehen (Tuominen/Hyvonen 2005). Dienstleistungsinnovationen im Speziellen und damit verbundene Aktivitaten sollten sich auf die Kemprozesse des Kunden konzentrieren, um eine moglichst starke Integration mit den Prozessen des Kunden und eine daraus resultierende, moglichst wirkungsvoUe Differenzierung zu erzielen (Schuh et al. 2004, S. 97f). Die Organisationsstruktur wird als einer der wichtigsten Einflussfaktoren fur die Innovationsfahigkeit von Untemehmen betrachtet (Osterloh 1993, S. 214). Der hohe Stellenwert der Struktur lasst sich dadurch erklaren, dass die Organisationsforschung von der Annahme ausgeht, dass die Struktur das Verhalten der Organisationsmitglieder bestimmt. Durch die gezielte Verhaltenssteuerung konnen die Problemlosungsfahigkeit er-
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Giinter Schuh und Gerhard Gudergan
hoht und Innovationen effizienter gestaltet werden. Kasper spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die organisatorischen Strukturen das Problemlosungsverhalten der gesamten Organisation determinieren. Die Auspragungsgrade der Strukturen und Strukturdimensionen bestimmen die Aktivierung des kreativen Potenzials der Organisationsmitglieder (Kasper 1982, S. 573). Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass vor allem Hierarchien als latent innovationsfeindlich gelten. Hierarchische Strukturen sind eher auf die Bewaltigung von Routinetatigkeiten ausgerichtet (Hauschildt 1993, S. 97ff.). Dem Begriff der Organisation liegen zwei unterschiedliche Begriffsverstandnisse zugrunde, die an dieser Stelle spezifiziert werden sollen: ein institutionelles und ein instrumentelles Verstandnis. Der institutionelle Begriff versteht unter Organisation das gesamte System wie z.B. Untemehmen, Verbande oder die Kirche. Demnach ist ein Unternehmen eine Organisation. Der instrumentelle Begriff hingegen versteht unter Organisation die durch das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses geschaffene Struktur in Form von Regelungen (Schreyogg 1996, S. 5). Organisieren bedeutet dann die „strukturierende Gestaltung der Untemehmungen" (Kosiol 1976, S. 20). Das Untemehmen hat demnach eine Organisation. Dem vorliegenden Beitrag liegt ein instrumentelles Organisationsverstandnis zugrunde. Um die Aktivitaten der Mitglieder auf ein bestimmtes Ziel auszurichten, bedarf es gewisser Regelungen, die wiederum die Arbeitsteilung festlegen. Die Gesamtheit aller formalen Regelungen zur Arbeitsteilung und zur Koordination werden unter dem Begriff der formalen Organisationsstruktur zusammengefasst. Davon unterschieden wird die informale Organisationsstruktur. Dazu gehoren beispielsweise die Untemehmenskultur oder informelle, personliche Beziehungen (Kieser/Kubicek 1992, S.18; Schreyogg 1996, S.13f.).
4.2 Begriff der Koordination Fiir den Koordinationsbegriff fmden sich in der Literatur zahlreiche Defmitionen und Begriffsauffassungen (Riihli 1992, S. 1165). Die Koordination zahlt neben der Spezialisierung bzw. Arbeitsteilung, Formalisierung, Delegation, Konfiguration und Professionalisierung zu den Hauptdimensionen der Organisationsstruktur (Breilmann 1995, S. 159ff.). Koordination wird als „ ... die wechselseitige Abstimmung von Elementen eines Systems zwecks Optimierung desselben" verstanden (Frese 1996, S. 3ff.). Finer sehr passenden Metapher bedient sich Mintzberg, der die Koordination als „Bindemitter' bezeichnet, welches die Organisation zusammenhalt (Mintzberg 1992, S. 19). Frese betrachtet die Koordination als organisatorische GestaltungsmaBnahme, durch die das Verhalten der einzelnen Organisationseinheiten durch Festlegung handlungsleitender Prinzipien auf ein Gesamtziel ausgerichtet werden soil (Frese 1980, S. 87).
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4.3 Dimensionen der Koordination Die fur den vorliegenden Beitrag verwendete Systematik der Koordinationsinstrumente beruht auf den Beitragen von Kieser/Kubicek (Abbildung 2) (Kieser/Kubicek 1983, S. 112ff.; Kieser/Kubicek 1992, S. 103ff.). Die Autoren unterteilen die Koordinationsinstrumente grundsatzlich in strukturelle und nicht-strukturelle Instrumente. Die Unterscheidung beruht auf der Tatsache, dass erstere auf institutionalisierten organisatorischen MaBnahmen aufbauen und damit ein Teil der formalen Organisationsstruktur sind. Damit sind sowohl MaBnahmen gemeint, die sich auf eine unmittelbare Abstimmung zwischen interdependenten Organisationseinheiten mit horizontalem Kommunikationsfluss beziehen, als auch solche, die zwischen einer ubergeordneten und einer untergeordneten Untemehmenseinheit mit vertikalem Kommunikationsfluss auftreten. Des Weiteren gehoren dazu MaBnahmen zur Kommunikation, die ohne direkte Kontaktaufnahme im Sinne einer unpersonlichen oder technokratischen Koordination stattfmden (SchulteZurhausen 1999, S. 209). Die personliche Koordination erfolgt iiberwiegend in miindUcher Form, die technokratische Koordination vorwiegend unter Zuhilfenahme von schriftlich fixierten Regeln oder Planungsinstrumenten (Kieser/Kubicek 1992, S. 103f.). Personliche Koordination erfolgt durch direkte, hierarchische Weisung oder in Form lateraler Koordination beispielsweise durch Abstimmung in temporaren Projektteams, durch die Einrichtung von Koordinatorenfunktionen oder durch Ausschiisse. Die laterale Koordination stellt den dominanten Koordinationsmechanismus in heterarchischen Organisationen dar. Technokratische Koordination erfolgt durch Instrumente der Planung und Kontrolle oder Standardisierung von Prozeduren. Technokratische Koordination erganzt die hierarchische Weisung in biirokratischen Organisationen. Personliche und technokratische Koordination werden erganzt durch die koordinierende Wirkung der Organisationskultur und Instrumente der pretialen Lenkung wie beispielsweise Verrechnungspreisen, die die aufgefuhrten strukturellen Instrumente in ihrer Wirkung erganzen (Kieser/Kubiczek 1992, S. 103ff.). Die nicht-strukturellen Koordinationsinstrumente beruhen nicht auf institutionalisierten organisatorischen Regelungen. Sie sind Bestandteil der informalen Organisationsstruktur und umfassen beispielsweise kulturelle Aspekte (Kieser/Kubicek 1983, S. 187). In der Regel gelangen, wie auch bei der Umsetzung realer heterarchischer Organisationskonzepte gefordert, die aufgefuhrten Koordinationsinstrumente in unterschiedHchem Umfang und Kombination zur Anwendung und erganzen sich gegenseitig (Kieser/Kubicek 1983, S. 187).
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Giinter Schuh und Gerhard Gudergan
Abbildung 2: Koordinationsinstrumente in Anlehnung an Kieser/Kubicek (Quelle: Kieser/Kubicek 1992, S. 103ff.)
5.
Einfluss der Koordination auf die Innovationsfahigkeit
Die organisatorische Integration industrieller Dienstleistungen in die Wertkette produzierender Untemehmen als Determinante der Innovationsfahigkeit steht im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags. Die Koordination im Sinne der Abstimmung arbeitsteiliger Aktivitaten auf ein iibergeordnetes Gesamtziel des Untemehmens spielt dabei eine besondere RoUe. Aufgrund der besonderen Relevanz wird die Abstimmung von Aktivitaten des Service sowie des Vertriebs bzw. Marketing betrachtet. Die unterschiedlichen zur Verfugung stehenden Koordinationsinstrumente sollen bezuglich ihres Einflusses auf die Innovationsfahigkeit als MaB fiir eine gelungene Einbettung untersucht werden.
5.1
Empirische Erhebung und Datengrundlage
In der vorliegenden Untersuchung wurde als Erhebungsmethode eine schriftliche Befragung von Informanten aus den Servicebereichen produzierender Untemehmen durchgefiihrt. Der erste Fragebogenentwurf wurde zur Uberprlifung der Verstandlichkeit und Eindeutigkeit der Fragen einem Pretest unterzogen, bevor die eigentliche Untersuchung durchgefuhrt wurde. Zur Teilnahme an diesem Pretest konnten 15 Experten aus dem Bereich des Service des Maschinen- und Anlagenbaus gewonnen werden.
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Neben allgemeinen Angaben zu den befragten Untemehmen enthielt der endgiiltige Fragebogen Indikatoren zu den Dimensionen der Koordination sowie der wahrgenommenen Innovationsfahigkeit. Zur Messung der Konstrukte wurden in Anlehnung an Rohmanns fiinfstufige Antwortskalen verwendet, so dass den Teilnehmem jeweils neben einer neutralen Kategorie zwei Zustimmungs- sowie zwei Ablehnungsgrade ermoglicht wurden (Rohrmann 1978). Gegenstand der Untersuchung war das aus Sicht der Informanten vorliegende AusmaB des Einsatzes unterschiedlicher Gestaltungsinstrumente der Zusammenarbeit bzw. Abstimmung zwischen den Funktionsbereichen Service und Vertrieb bzw. Marketing sowie das aus ihrer Sicht wahrgenommene AusmaB des Einflusses der Abstimmung auf die Innovationsfahigkeit. Als Teilnehmer an der Befragung wurden Leiter der Serviceabteilungen oder Geschaftsfuhrer von Untemehmen der produzierenden Industrie ausgewahlt. Ein aufgrund von Wissensdefiziten oder anderer Ursachen entstehender Bias von Informanten sollte vermieden werden. Die Durchfiihrung der schriftlichen Befragung wurde daher begleitet durch die direkte telefonische Ansprache der aus einer institutseigenen Datenbank bekannten Ansprechpartner, um die Bereitschaft zur Teilnahme der Informanten zu erfragen und auf die Zielsetzung der Befragung hinzuweisen. Insgesamt wurden 300 Informanten angeschrieben. Von den zuriickgeschickten Fragebogen waren 60 auswertbar, was einer effektiven Riicklaufquote von 20 Prozent entspricht. Zu etwa 70 Prozent wurden diese Bogen von den Serviceieitem der betreffenden Untemehmen ausgefullt. Die ubrigen 30 Prozent der Fragebogen wurden von Geschaftsftihrem, Vertriebsleitem sowie Produktmanagem beantwortet. Die teilnehmenden Untemehmen, die allesamt aus der Maschinen- und Anlagenbaubranche stammen, wiesen eine breite Streuung in ihrer GroBe hinsichtlich des Gesamtumsatzes und der Mitarbeiterzahl auf
5.2 Datenauswertung Die Datenauswertung folgte dem Schema der Entwicklung und Uberpriifiing hypothetischer Konstmkte sowie der Vorgehensweise der linearen Regressionsanalyse unter Verwendung des Softwarepakets SPSS 12.0. Bei der Uberpriifung der verwendeten Skalen wurde auf die Verfahren der explorativen Faktorenanalyse zuriickgegriffen. Die Extraktion der Dimensionen zur Messung der Koordinationsinstmmente erfolgte durch eine Hauptkompontenanalyse mit anschlieBender Beurteilung der Konstmktreliabilitat anhand des Cronbach'schen Alphas (dazu Homburg/Pflesser, 2000, S. 413ff; Cronbach 1951, S. 298). Eine Beurteilung der Konstmkte anhand der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurde flir den vorliegenden Beitrag nicht vorgenommen. Der Zusammenhang der einzelnen Dimensionen der Koordination mit der Innovationsfahigkeit wurde mit Hilfe einer multiplen linearen Regressionsanalyse untersucht.
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5.3
Gunter Schuh und Gerhard Gudergan
Entwicklung und Messung der Konstrukte
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnte auf Ergebnisse zur Entwicklung von Skalen zur Messung der Variablen der Koordination funktionsiibergreifender Aufgaben des Service zuruckgegriffen werden (Gudergan/Luczak 2003). Gemessen wurden die Dimensionen der hierarchischen Weisung, der systemgesttitzten Planung, der lateralen Koordination durch institutionalisierte Strukturen, der Kohasion durch den Einfluss der Kultur und des Einsatzes von Instrumenten der pretialen Lenkung. Eine Koordination durch hierarchische Weisung liegt iiberall dort vor, wo Personen aufgrund der ihnen durch Strukturierung zugeteilten Kompetenzinhalte anderen Personen gegeniiber ein Weisungs- und Entscheidungsrecht haben (Laux/Liermann 2003, S. 100). Das AusmaB der hierarchischen Weisung wurde bestimmt durch Indikatoren, die die Dominanz, haufige Anweisungen und das Eingreifen der Untemehmensleitung in funktionsubergreifenden Abstimmungsprozessen erfassen. Planung bedeutet die systematische gedankliche Vorwegnahme zuklinftiger Geschehnisse unter Unsicherheit mit unvollkommenen Informationen (Laux/Liermann 2003, S. 100). Die im Planungssystem der Untemehmen erstellten Plane konnen je nach Inhalt in eine Ziel-, MaBnahmen- und Ressourcenplanung unterteilt werden. Das AusmaB der Planung wurde erfasst durch die Abfrage des AusmaBes, in dem in der funktionstibergreifenden Zusammenarbeit Ziele periodisch detailliert ausgearbeitet und in Teilplanen aufgeschliisselt werden. Des Weiteren wurden der Grad der Verwendung ausgereifter Planungssysteme und die RegelmaBigkeit der Festlegung von Geschaftsaktivitaten, die beide Funktionsbereiche betreffen, abgefragt. Die laterale Koordination durch Selbstabstimmung ist charakterisiert durch einen horizontalen, personlichen und nicht-hierarchischen Kommunikationsfluss (Schulte-Zurhausen 1999, S. 211). Sie erfolgt durch dazu eingerichtete Instanzen, die durch die am Abstimmungsprozess beteiligten Organisationseinheiten reprasentiert bzw. gebildet werden (Kieser/Kubicek 1983, S. 115). Laterale Koordination auBert sich beispielsweise durch den Einsatz temporarer Projektgruppen oder Task-Forces, den Einsatz multifunktionaler Teams oder standiger Koordinatoren und Integratoren. Sie wurde in der vorliegenden Untersuchung durch entsprechende Indikatoren erfasst. Die Koordination durch pretiale Lenkung beruht auf dem Gedanken, das exteme Marktmodell auf das Untemehmen zu ubertragen und eine effiziente Allokation der Ressourcen durch Angebot und Nachfrage zu erzielen (Pfeiffer 1997, S. 7; auch Kieser/Kubicek 1992, S. 118). Es wird ein kunstlicher intemer Markt geschaffen mit Verrechnungspreisen fiir intern ausgetauschte Leistungen. Pretiale Lenkung auBert sich im Einsatz von Verrechnungs- oder Lenkpreisen und der damit einhergehenden Zunahme der jeweiligen eigenen Kosten- oder Gewinnverantwortung. Das AusmaB der pretialen Lenkung wurde anhand dieser Kriterien erfasst. Unter einer Untemehmenskultur wird eine Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen verstanden, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das
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Verhalten der Organisationsmitglieder pragen (Schulte-Zurhausen 1999, S. 218). Durch gemeinschaftlich geteilte Grundiiberzeugungen wird ein konsensfahiges Verstandigungspotenzial im Sinne eines „sozialen Klebstoffs" erzielt, welches auch bei starken Konflikten eine Einigung bewirken kann (Ulrich 1984, S. 313ff.). Das Konstrukt der kulturellen Kohasion wurde erhoben, indem das AusmaB der Uberzeugung, nur gemeinsam Probleme bewaltigen zu konnen sowie die Bereitschaft, sich bei Abstimmungsproblemen in die Lage anderer Abteilungen versetzen zu konnen und der Oberzeugung, Probleme nur gemeinsam losen zu konnen, erfasst wurde. Die Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3: Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse und Reliabilitatspriifung Die Reliabilitat der verwendeten Skalen zur Messung der Dimensionen der Koordination konnte anhand des Chronbach'schen Alphas fur alle Skalen bestatigt werden. Sowohl das Cronbach'sche Alpha als auch die durch die Konstrukte erfasste Varianz iiberschreiten die in der Literatur aufgefiihrten Grenzwerte (Homburg/Pflesser 2000, S. 413ff.). Die Messung der Innovationsfahigkeit erfolgte durch ein Konstrukt, das sich an den Vorschlag von Tuominen und Hyvonen anlehnt und Aspekte der Innovationen im Management und im Bereich der Produktinnovationen miteinander verbindet (Tuominen/H3rvonen 2005). Das verwendete Konstrukt fasst die Fahigkeiten zusammen, innovative Losungen fur das Management der Organisation zu entwickeln, friihzeitig Feedback zu Innovationen zu erhalten und auszuwerten sowie die Fahigkeit, die Zeit von
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der Konzeption bis zur Einfiihrung einer Neuerung zu verkiirzen. Das Konstrukt erfasst 65,9 Prozent der Varianz. Das Cronbach'sche Alpha hat einen Wert von 0,74. Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den Dimensionen der Koordination und der Innovationsfahigkeit erfolgte mittels einer Hnearen Regressionsanalyse, deren Ergebnisse in Abbildung 4 dargestellt sind.
Abbildung 4: Ergebnisse der Hnearen Regressionsanalyse Drei der fiinf untersuchten Typen von Koordinationsinstrumenten weisen einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Innovationsfahigkeit auf. ErwartungsgemaB haben die unter der Dimension der lateralen Koordination zusammengefassten Instrumente einen signifikant positiven Einfluss (Beta = 0,246, T = 2,128, p = 0,038). Der durch die Untemehmenskultur bedingte Zusammenhalt in der Organisation weist ebenfalls einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Innovationsfahigkeit auf (Beta = 0,286, T = 2, 654, p = 0,010). Den nachweisbar groBten Einfluss hat die Verwendung von Planungsprozessen und -systemen (Beta = 0,399, T = 3,367, p = 0,001). Ein Einfluss hierarchischer Weisung kann nicht aufgezeigt werden. Der Beta-Koeffizient fiir den Einsatz der pretialen Lenkung ist negativ (Beta = -0,155). Der Zusammenhang ist allerdings nicht signifikant (T = -1, 441, p = 0,155). Die Giite des Regressionsmodells ist betrachtlich, da 45,4 Prozent der Varianz des Konstrukts der Innovationsfahigkeit durch die aufgefuhrten Dimensionen der Koordination erklart werden.
6.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick
Die wesentlichen Befunde der empirischen Analysen sind wie folgt zusammenzufassen. Die in die Untersuchung aufgenommenen fiinf wesentlichen Dimensionen der Koordination (Systemische Planung, hierarchische Weisung, kulturelle Kohasion, pretiale Lenkung und laterale Koordination) konnen statistisch separiert und reliabel gemessen wer-
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den. Der Einfluss der Koordination ist betrachtlich. Durch die untersuchten Dimensionen konnen 45,4 Prozent der Varianz des Konstrukts der Innovationsfahigkeit erklart werden. Die durch horizontal Kommunikation und personHche, demokratische Abstimmung gekennzeichnete laterale Koordination beeinflusst die Innovationsfahigkeit positiv. OffensichtHch werden durch den Einsatz von iibergreifenden Teams und temporaren Projektstrukturen das kreative Potenzial der Organisation sowie die Vorteile der heterarchischen Organisationsform erschlossen. Ein durch die Untemehmenskultur bedingter starker Zusammenhalt richtet funktionsubergreifende Tatigkeiten offensichtHch wirkungsvoll auf iibergeordnete Ziele aus, erhoht die Bereitschaft zu gegenseitigem Perspektivenwechsel und bewirkt so, dass Ideen trotz potenzieller Konflikte nicht nur entwickelt, sondem auch umgesetzt werden. Der Untemehmenskultur kommt somit eine bedeutende Rolle zur Unterstutzung formaler Instrumente der Organisationsgestaltung zu. Die fur das Funktionieren demokratischer Strukturen notwendige integrative Wirkung der Unternehmenskultur konnte bestatigt werden. Ein nach verbreiteter Auffassung negativer Einfluss hierarchischer Weisung (Hauschildt 1993, S. 97ff.) lasst sich anhand der vorliegenden Untersuchung nicht aufzeigen. Umso auffalliger ist in diesem Zusammenhang, dass Planungsinstrumente und -systeme den starksten positiven Einfluss auf die Innovationsfahigkeit aufweisen. OffensichtHch spielen Instrumente der Planung eine entscheidende Rolle im Rahmen der Umsetzung und Implementierung von Innovationen. Die vorliegenden Analysen zeigen, dass der bewussten Gestaltung der organisatorischen Einbettung industrieller Sekundardienstleistungen in die Wertkette eine hohe Bedeutung zukommt, um die Innovationsfahigkeit des Untemehmens sicherzustellen. Dies wurde am Beispiel der Koordination der Aufgaben von Service und Marketing bzw. Vertrieb sowie des unterschiedlichen Einflusses der zum Einsatz kommenden Koordinationsinstrumente auf die Innovationsfahigkeit aufgezeigt. Die Untersuchung zeigt auch, dass der Einfluss technokratischer KoordinationsmaBnahmen in Form der Planung groBer und bedeutender ist als jener der iibrigen KoordinationsmaBnahmen. Diesem Aspekt sollte in Zukunft erhohte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Grundsatzlich setzen Planungsprozesse hierarchische Vorgaben um und erganzen somit die traditionelle rein hierarchische Koordination. Der damit einhergehenden Biirokratisierung der Organisation wird von zahlreichen Autoren ein negativer Einfluss auf die Innovationsfahigkeit zugesprochen. Die hier aufgezeigten Ergebnisse teilen diese Ansicht nicht. Zuktinflige Herausforderungen der Einbettung und Koordination abhangiger Untemehmenseinheiten - wie hier betrachtet - liegen offensichtHch darin, Planungssysteme so zu gestalten, dass deren Vorteile mit denen der lateralen Koordination durch Team- und Projektstrukturen verbunden werden konnen. Bei der Erganzung heterarchischer Organisationsformen erscheinen biirokratische Elemente wie die der Planung nachweislich sinnvoll. Es stellt sich die Frage, wie eine Kombination aus demokratischen, teambasierten Strukturen mit dem Einsatz von Planungsinstrumenten verkniipft werden kann, um zu einem integrativen Ansatz der
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Organisationsgestaltung zu kommen. Nicht zuletzt sei auf die koordinierende Wirkung der Untemehmenskultur hingewiesen, die nachweislich die Instrumente der formalen Organisation erganzt.
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Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen
1. Einleitung 2. Ausgangssituation 2.1 Bedeutung des Dienstleistungssektors 2.2 Definitionsansatze zum Begriff Dienstleistung 2.3 Dienstleistungsverkehr 2.4 Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen 3. Fallbeispiel 1: Kooperationen im Technischen Kundendienst 3.1 Ausgangssituation 3.2 Verkehrsrelevante Kooperationspotenziale 3.3 Modellierung der Wertschopfungsprozesse 3.4 Analyse der verkehrlichen Wirkung 4. Fallbeispiel 2: Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung 4.1 Ausgangssituation 4.2 Verkehrsrelevante Optimierungspotenziale 4.3 Modellierung der Wertschopfungsprozesse 4.4
Analyse der verkehrlichen Wirkung
5. Fazit Literatur Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wolf-Christian Hildebrand ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Logistik am Institut fur Technologic und Management, Technische Universitat Berlin. Dipl.-Kffr. Tanja Klostermann ist Projektleiterin Dienstleistungsmanagement am Fraunhofer-Institut fur Arbeitswirtschafl und Organisation (lAO), Stuttgart.
1.
Einleitung
Der Verkehr, der durch die Dienstleistungserbringung induziert wird, ist bei der Beschreibung und Analyse des Verkehrsaufkommens bislang weitestgehend vemachlassigt worden. Vor dem Hintergrund einer rapiden Entwicklung des Dienstleistungssektors ist jedoch von besonderem Interesse, welche verkehrlichen Auswirkungen hinsichtlich Verkehrsaufkommen und Verkehrsleistung durch die Dienstleistungserbringung auftreten.
2.
Ausgangssituation
2.1 Bedeutung des Dienstleistungssektors Der tertiare Wirtschaftssektor, auch als Dienstleistungssektor bezeichnet, weist ein kontinuierliches Wachstum auf. Dienstleistungen sind als wesentliches Element im Umbau sowohl nationaler als auch intemationaler Wirtschaftsstrukturen zu sehen. An dienstleistungsintensiven Standorten wie Frankfurt/Main (Deutschland), London (GroBbritannien) und Paris (Frankreich) werden schon jetzt ca. 90 Prozent des Bruttosozialprodukts im Tertiarsektor erwirtschaftet (GeiBler 2002). Hinsichtlich des Anteils am Bruttosozialprodukt wird in Deutschland seit den 1970er Jahren mehr im tertiaren Sektor erwirtschaftet als im sekundaren Sektor.
2.2 Definitionsansatze zum Begriff Dienstleistung Der Begriff Dienstleistung wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert, vor allem vor dem Hintergrund der Heterogenitat von Dienstleistungen (Meffert/Bruhn 2006). Im Allgemeinen lasst sich eine Systematisierung des Dienstleistungsbegriffs uber institutionell/volkswirtschaftliche, fixnktionale und konstitutive Kennzeichen vomehmen. Eine institutionell/volkwirtschaftliche Begriffsdefmition erfolgt durch enumerative Eingrenzung, d.h. Aufzahlung von konkreten Branchen und Berufen (Klose 1999). Die fiinktionale Betrachtungsweise geht indes von den Unterschieden zwischen Dienstleistungen und Sachleistungen aus: Es werden alle Leistungen unter dem Begriff Dienstleistung subsumiert, die nicht eindeutig Sachgiiter darstellen (Altenburger 1980). Bei der Produktion von Dienstleistungen werden weder Materialtransformationen vorgenommen noch Rohstoffe eingesetzt (Stuhlmann 1999), folglich existieren Dienstleistungen ohne Sachleistungsanteil, aber die Erstellung von Sachleistungen kann kaum ohne jeglichen Dienstleistungsanteil erfolgen (Bruhn 2006). Konstitutive Merkmale von Dienstleis-
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Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
tungen beschreiben hingegen deren charakteristische Besonderheiten wie Immaterialitat und Intangibilitat, Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum (Uno-Actu-Prinzip), Unteilbarkeit sowie die notwendige Integration des extemen Faktors in die Dienstleistungserbringung (Bruhn 2006). Eine weitere Perspektive beleuchtet den Dienstleistungsbegriff aus drei verschiedenen Dimensionen (Donabedian 1980). Urspriingliche Intention dieses Differenzierungsansatzes war die detaillierte und umfassende Beurteilung der Qualitat von Dienstleistungen. Die potenzialorientierte Dienstleistungsdefinition zielt auf die Fahigkeit eines Dienstleistungsanbieters ab, spezifische Leistungen beim Dienstleistungsnachfrager zu erbringen, z.B. die Vorhaltung eines Verkehrsnetzes bzw. Qualifikation der Servicemitarbeiter. Bei der prozessorientierten Definition steht der Prozess der eigentlichen Leistungserbringung im Vordergrund. Die ergebnisorientierte Definition setzt wiederum am Endzustand (dem Ergebnis der Dienstleistung) an, z.B. Ortsveranderung beim Transport oder erfolgreiche Reparatur einer Produktionsanlage. Die Wirkungszusammenhange verlaufen dabei hierarchisch, d.h., Potenzialqualitat beeinflusst die Prozessqualitat, die wiederum die Qualitat des Ergebnisses bedingt. AbschlieBend kann in einer weiteren Dimension eine Begriffsdifferenzierung hinsichtlich produktionsbezogener und betriebsbezogener Dienstleistung entworfen werden (Pfeiffer/Ring 2002). Als produktionsbezogene Dienstleistungen werden die primaren Tatigkeiten wie Entwicklung, Produktionsvorbereitung, Vertrieb, Instandhaltung, Marketing u.a. angesehen, die auf das einzelne Produkt abstellen. Reinigung, Buchhaltung, Datenverarbeitung/IT usw. unterstiitzen betriebliche Prozesse und werden unter betriebsbezogenen Dienstleistungen subsumiert.
Differenzierungsmoglichkeiten des Dienstleistungsbegriffs • Institutionell/volkwirtschaftlich • Funktional • Konstitutiv
• Potenzialorientiert • Prozessorientiert • Ergebnisorientiert
• Produktbezogen • Betriebsbezogen
Abbildung 1: Systematisierungsmoglichkeiten zum Diensdeistungsverstandnis
2.3
Dienstleistungsverkehr
Vor einem verkehrswissenschaftlichen Hintergrund wird der aufgrund der Dienstleistungserbringung entstehende Verkehr als Dienstleistungsverkehr bezeichnet, der als Segment des Personenwirtschaftsverkehrs gefuhrt wird (Steinmeyer 2004). Ein weiteres Segment des Personenwirtschaftsverkehrs ist der Geschaftsverkehr. Der Geschaftsverkehr ist definiert als derjenige Verkehr, der aus beruflichem Anlass und zur Aufrechter-
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfixngsprozessen
219
haltung des Untemehmens (Kundenanbahnungsgesprach, Messebesuch usw.) stattfmdet. Neben dem Personenwirtschaftsverkehr bilden eine weitere Klasse der Gtiterverkehr mit seinen Segmenten Gewerblicher Giiterverkehr und Werkverkehr sowie der Personenbeforderungsverkehr (Abbildung 2).
Wirtschaftsverkehr Guterverkehr Gewerblicher Guterverkehr
Werkverkehr
Personenwirtschaftsverkehr Dienstleistungsverkehr
Personenbeforderungsverkehr
Geschaftsverkehr
Abbildung 2: Einordnung des Dienstleistungsverkehrs in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr (Quelle: Steinmeyer 2004, S. 31)
2.4 Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen Die in den letzten Jahren stattgeflindene Veranderung in Wertschopfiingsnetzwerken wie Fokussierung auf Kemkompetenzen, Fragmentierung der Wertschopfung, bestandiger Kostendruck und Zunahme der Serviceorientierung verlangte nach einer Neuordnung von Wertschopfiingsnetzwerken. Als Konsequenz treten eine raumliche Konzentration von Wertschopfung und Bestanden, Globalisierung von Produktion, Beschaffung und Absatz, weiterer Aus- und Aufbau von Netzwerken, Zunahme von zeitkritischen Lieferund Austauschbeziehungen und Direktinvestitionen auf (Baumgarten 2004) (Abbildung 3). Eine logistikgetriebene Rekonfiguration industrieller Wertschopfiingsprozesse erfordert eine Konzentration auf diejenigen wertschopfenden Aktivitaten, die zu den Untemehmenskemprozessen zahlen. Vertikale Desintegration und Outsourcing finden hingegen bei den nicht als Kemkompetenzen angesehenen Prozessen statt (Sulogtra 2002).
220
Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
Auf- und Ausbau von Netzwerken
Zunahme " \ zeitkritischer Lieferbeziehungen
Zunahme der Direktinvestitionen
Fokussierung auf Kernkompetenzen
Bestandiger Kostendruck Neuordnung der Wertschopfungsketten
Fragmentierung der Wertschopfung
Zunahme der Serviceorientierung
Raumliche Konzentration von Wertschopfung und Bestanden
Globalisierung von Produktion, Beschaffung und Absatz
Abbildung 3: Veranderung von Wertschopfiingsprozessen Eine Anreicherung des Untersuchungsraums Dienstleistung mit dem Themenfeld Wertschopfung erlaubt eine Identifikation neuer Erscheinungsformen von Dienstleistungen in industriellen Wertschopfiingsprozessen (Spath/Klostermann 2004). Einerseits ist durch Outsourcing und Verlagerung bestehender wertschopfender Tatigkeiten eine ExtemaHsierung von Dienstleistungen zu beobachten, insbesondere zur Reduzierung von Kosten bzw. Zeiten und zur Verbesserung der Qualitat (z.B. klassische administrative Tatigkeiten wie Buchhaltung, aber auch wissensintensive Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen) (Brake/Bremm 1993). Andererseits verstarkt sich der Trend einer Erweiterung des Produktionsprozesses urn komplementare Dienstleistungen, woraus sich die Notwendigkeit einer methodisch untersttitzten und strategisch systematischen Entwicklung bzw. Optimierung der technischen oder produktbegleitenden Dienstleistungen, z.B. Schulungsdienstleistung oder After-Sales-Services wie technische Kundendienstleistungen, ergibt (Abbildung 4). Sowohl eine Extemalisierung bestehender als auch die Erweiterung des Produktionsprozesses urn komplementare Dienstleistungstatigkeiten miissen unter dem Blickwinkel der verkehrlichen Auswirkung betrachtet werden. Hierbei scheint diejenige Verkehrsleistung von besonderem Interesse, die aufgrund einer Dienstleistungserbringung generiert wird. Bisher wurde dieser Dienstleistungsverkehr weder wissenschaftlich untersucht noch fiir die Praxis aufbereitet. Aufgrund des zunehmenden Wachstums des Dienstleistungssektors wird als Arbeitsthese angenommen, dass eine starke Zunahme von Dienstleistungen eine signifikante Zunahme des Dienstleistungsverkehrs bedingt. Vor diesem Hintergrund fordert das Bundesministerium fur Wirtschaft und Technologic das Forschungsprojekt „Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfiingsprozessen", in dem Forschungsinstitute und Untemehmen gemeinsam die folgenden Kemziele verfolgen:
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfiingsprozessen
221
Verbesserung der Kenntnisse zu den Ursachen und Erscheinungsformen des Dienstleistungsverkehrs in industriellen Wertschopfiingsprozessen und Erarbeitung und Implementierung einzel- und zwischenbetrieblicher Strategien, um den Dienstleistungsverkehr effizienter zu gestalten.
Abbildung 4: Entstehung neuer Dienstleistungen Zur Uberwindung des oben angesprochenen Informationsdefizits sind einander erganzende Forschungsansatze erforderlich. Einerseits werden empirische Untersuchungen und andererseits Fallstudien bei Praxispartnem als vertiefende Begleituntersuchung zum Dienstleistungsverkehr im Kontext klassischer und neuer Organisationsformen der Zusammenarbeit in industriellen Wertschopfiingsprozessen durchgefuhrt. Im Rahmen der durchgefiihrten Explorationsstudie mit teilstandardisierter Befi-agung und Gesprachsleitfaden wird das Themenfeld Dienstleistungsverkehr mit den im Projekt kooperierenden industriellen Fallbeispieluntemehmen und Dienstleistem erschlossen und abgegrenzt. Die Ergebnisse dieser qualitativen Untersuchung sind wesentlicher Bestandteil flir die darauf aufbauende Reprasentativerhebung. Vertiefende Kenntnisse und Wissen iiber Ursachen und Motive der Zusammensetzung, Dienstleistungsentstehung und -erbringung sowie der verkehrlichen Auswirkung der Dienstleistungserbringung werden durch die Fallstudien generiert. Die Zusammensetzung der Praxispartner umfasst Facility-Management-Untemehmen, Anbieter von Maschinen und Anlagen der Holz- und Mobelindustrie, von Robotem, Robotersystemen und Automatisierungsanlagen. Des Weiteren sind ein Handelsuntemehmen, welches Services fur die Zweirad-Industrie erbringt, sowie ein Reinigungsdienstleistungsuntemehmen als Praxispartner in das Forschungsprojekt integriert. Eine Auswertung der Befragungsergebnisse der Praxispartner hinsichtlich bisher durchgefiihrter OptimierungsmaBnahmen ergibt, dass im Rahmen der Dienstleistungserbringung vor-
222
Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
nehmlich Effizienzsteigerungen bei Organisation, Technik und Personal durchgefiihrt wurden (Abbildung 5).
Abbildung 5: Typische Optimierungsbereiche in den Fallbeispieluntemehmen Die Bestrebungen der Untemehmen, gerade in diesen Bereichen Optimierungspotenziale zu erschlieBen, liegen in der Erwartung, positive finanzielle und qualitative Auswirkungen auf ihre Untemehmensergebnisse feststellen zu konnen. Dem Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen wird hingegen bei der Gestaltung von effizienten einzel- und zwischenbetrieblichen Kooperationen nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Dabei wohnt diesem Thema ein beachtliches Potenzial hinsichtlich Reduktion und Optimierung von Verkehrsmitteleinsatz und generierter Verkehrsleistung inne. In Abbildung 6 sind Art und Anzahl der Verkehrsmittel und deren Verkehrsleistung zur Erbringung der Dienstleistung fur die Praxisuntemehmen exemplarisch dargestellt. Eine Betrachtung der Anzahl sowie der Verkehrsleistung der Fahrzeuge je Verkehrsmittel ist vor dem Hintergrund einer heterogenen Zusammensetzung der Fallbeispiele zu sehen. So bewegt sich die wahrend der Dienstleistungserbringung induzierte jahrliche Verkehrsleistung je Fahrzeug zwischen 15.000 km, die einer durchschnittlichen Verkehrsleistung privater Personen entspricht, und 60.000 km. Die ermittelte Verkehrsleistung durch Kleintransporter kann hingegen bis zu 100.000 km jahrlich betragen.
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopftingsprozessen
223
PraxisfalM
Praxisfall 2
fain
Praxisfall 4
Praxisfall 5
Praxisfall 6
Praxisfall?
Praxis-
Pkw
Anzahl km/Jahrje Fhzg.
46 35.000
20 15.000
20 40.000
1 60.000
20 50.000
70 25.000
86 41.000
Kleintransporter (=3,5tzul. GG
Anzahl km/Jahrje Fhzg.
n.v.
35 15.000
50 30.000
n.v.
100 100.000
k.A.
k.A.
Lkw Anzahl (> 3,51 zul. GG) km/Jahrje Fhzg.
n.v.
n.v.
n.v.
n.v.
5 200.000
k.A.
k.A.
Legende: n.v. = nicht vorhanden; k.A. = keine Angabe
Abbildung 6: Verkehrsmitteleinsatz und Verkehrsleistung durch Dienstleistungserbringung Vielfaltige Ansatze zur Verbessemng des Erkenntnisgewinns, wie in industriellen Wertschopfiingsprozessen Dienstleistungsverkehr entsteht, welche Grunde dafiir abgeleitetet werden konnen sowie dieser effizienter gestaltet werden kann, wird gemeinsam mit den Fallbeispieluntemehmen arbeitet. Anhand zwei exemplarisch ausgewahlter Fallbeispiele werden produktions- und betriebsbezogene verkehrsinduzierende Dienstleistungen empirisch untersucht, in ihren Prozessablaufen analysiert und Optimierungskonzepte abgeleitet.
3.
Fallbeispiel 1: Kooperationen im Technischen Kundendienst
3.1
Ausgangssituation
Das Fallbeispiel betrachtet einen Hersteller von Roboter- und Automatisierungsanlagen. Wichtige Anwendungsfelder sind Schweifien, Kleben, Beschichten, Montieren, Handhaben, Verketten, Schneiden, Palettieren und Entgraten. Die Komplexitat der Maschinen und Anlagen reicht von einfachen Standardrobotem zum SchweiBen bis bin zu kompletten FertigungsstraBen mit zugehoriger Peripherie. Die herkommliche Abwicklung der technischen Kundendienstleistung ist dadurch gepragt, dass die Wertschopfungsprozesse mit Zulieferem und Endkunden nicht vollstandig durch innovative Informations- und Kommunikationstechnologien unterstiitzt werden, woraus ein hoher Dienstleistungsverkehr resultiert. Dieser wird insbesondere durch Fahrten zu und von Lieferanten zur Beschaffung bzw. Lieferung von Ersatzteilen sowie durch Fahrten der Servicetechniker des Herstellers im Rahmen durchzufuhrender Repa-
224
Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
raturen beim Kunden vor Ort induziert. Eine prozentuale Verteilung der durchschnittlich zuriickgelegten Entfemungen bezogen auf die betroffenen Kundendienstbereiche ist in der nachfolgenden Abbildung 7 dargestellt. Etwa jeder zweite Kundendiensteinsatz wird innerhalb Deutschlands in einem Entfemungsbereich von mehr als 200 km durchgefiihrt.
Entfemungsbereich
Distanzen im Technischen Kundendienst
Regional (bis 50 Km)
Uberregional (bis 200 Km)
Rest Deutschland
EU
Andere Lander
Projektierung
10%
15%
50%
15%
10%
Montage
10%
20%
60%
5%
5%
Installation/lmplementierung
10%
20%
60%
5%
5%
InstandsetzungAA/artung/lnspektion
10%
20%
60%
5%
5%
Abbildung 7: Verteilung der Kundendiensteinsatze auf verschiedene Entfemungsbereiche Die Zielsetzung besteht darin, die Leistungsprozesse zwischen Hersteller, Endkunden und Lieferanten durch webbasierte kooperationsunterstutzende Losungen zu optimieren und hierdurch eine Verkehrsreduzierung zu erzielen. Der Losungsansatz besteht in der Nutzung einer webbasierten Kooperationsplattform mit kundendienstspezifischen und kooperationsunterstiitzenden Softwarekomponenten, die eine verbesserte Kommunikation und Koordination der Leistungsprozesse zwischen den Kooperationspartnem ermoglichen soil.
3.2 Verkehrsrelevante Kooperationspotenziale Im Zuge einer empirischen Erhebung im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Optimierungspotenziale, die sich durch eine verbesserte Kooperation ergeben und relevant fur den Dienstleistungsverkehr sind, aus Sicht des Herstellers und seiner Kunden betrachtet. Potenziale im Bereich der Qualitat der technischen Kundendienstleistung sind in Abbildung 8 dargestellt.
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen
225
Abbildung 8: Bedeutung verkehrsrelevanter Optimierungspotenziale im Technischen Kundendienst Optimierungspotenziale infolge verbesserter Kooperationen ergeben sich hinsichtlich vielfaltiger Leistungsparameter, die je nach kunden- oder herstellerorientierter Sichtweise unterschiedlich in ihrer Bedeutung bewertet werden. Eine Verbesserung der Ersatzteilverfugbarkeit und der Informationsprozesse, hohe Bereitschaftszeiten und Erreichbarkeiten des Kundendienstes sowie eine verbesserte Unterstiitzung durch Informationsund Kommunikationstechnologien (luK) werden sowohl von Herstellem als auch von Kunden gleichermaBen hoch in der Bedeutung fiir eine verbesserte Zusammenarbeit zur Reduzierung von Dienstleistungsverkehr eingestufl.
3.3 Modellierung der Wertschopfiingsprozesse Die Modellierung von Wertschopfungsprozessen zur Optimierung der untemehmenstibergreifenden Leistungsprozesse wird exemplarisch an dem Teilprozess „Kooperative Storungsidentifikation" veranschaulicht. Mit Hilfe der Methode des Service Blueprintings lasst sich die Integration des extemen Faktors (Kunden und Lieferanten) in den Gesamtprozess veranschaulichen.
226
Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
Abbildung 9: Collaborative Service Blueprint des Teilprozesses „Kooperative Storungsidentifikation'' Verkehrsreduzierungspotenziale sollen durch eine verbesserte Storungsidentifikation erzielt werden, die vom Hersteller kooperativ mit Kunden und Zulieferem durchgefiihrt wird. Hierdurch soil die Behebung der Storung unmittelbar durch die Service-Hotline Oder durch einen einmaligen Kundendiensteinsatz moglich sein. Wiederholungsfahrten zum Kunden aufgrund unzureichender Informationen sind zu vermeiden. In der optimalen kooperativen Storungsbehebung soil der Kunde schon bei seiner ersten Kontaktaufnahme zum Hersteller einen informierten Servicemitarbeiter antreffen, der die relevanten Informationen liber die Maschine des Kunden sofort verfiigbar hat und eine Storungsidentifikation und Lokalisierung bereits am Telefon durchfuhren kann. Die gewonnenen Informationen sollen an alle involvierten Abteilungen, wie z.B. Produktentwicklung, Konstruktion, aber auch an den Vertrieb und den Einkauf weitergeleitet werden, wo sie fur die Nachbereitung des Auftrags benotigt werden. Die optimale kooperative Storungsbehebung soil den Austausch unterschiedlicher Daten wie Text, Bild (z.B. Konstruktionszeichnungen, Stucklisten, 3D-Ansichten und Maschinenhistoriendaten, Digitalfotos), Audio- und Videodaten (z.B. Tonaufnahmen defekter Maschinen oder fehlerhaft produzierter Ware) ermoglichen, um gemeinsam mit dem Wissen der Zulieferer oder Entwickler den Storfall identifizieren, diagnostizieren und beheben zu konnen. Der Informationsaustausch soil unilateral ausgelegt und die Daten in alle Richtungen, z.B. vom
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopflingsprozessen
227
Serviceinnendienst zum AuBendienst und umgekehrt, synchronisierbar sein. Zudem muss der Fortschritt der Storungsbehebung zu jedem Zeitpunkt abrufbar sein. Die Unterstutzung der kooperativen Leistungsprozesse erfolgt durch den gezielten Einsatz von Informations- und Kommunikationssystemen, die kundendienstspezifische Belange und typische Kooperationsanforderungen, z.B. Desktop- und Application Sharing, unterstiitzen und die Kommunikation, Koordination und Kooperation verbessem. Geeignete luKSysteme zur Reduzierung des Dienstleistungsverkehrs durch eine verbesserte Kooperation sind in Abbildung 10 exemplarisch aufgefuhrt.
Informations- und Kommunikationssysteme
Exemplarische Funktionalitaten
Kommunikationsunterstutzende luK-Systeme
CRM-Systeme, z.B. Customer Communication Portal, Video-ZAudio-Konferenz, Help Desk-System
Koordinationsunterstutzende luK-Systeme
Workflowmanagement-System, Ticket ManagementSystem, Instandhaltungsplanungs- und SteuerungsSystem, Produktdaten Management-System, Customer Self Service-System, WissensmanagementSystem, Enterprise Resource Planning (ERP-) System, Supply Chain Management-System, Multi Projekt Management-System, Dispositionssoftware, Tourenplanungssoftware, Navigationssysteme, Ortungssysteme {satellitenbasiert:GPS Oder GSMbasiert (z.B. LBS), Automatische Identifikationssysteme (z.B. Barcode, RFID)
Integration von Kunden-, Maschinen- und Servicefalldaten unter einer einheitlichen, benutzerfreundlichen Oberflache auf Basis von InternetTechnologien, Automatische Generierung von storungsrelevanten Daten, z.B. Maschinenhistorie, aus dem PLMSystem, ubiquitare Datenversorgung mobiler Servicetechniker
Kooperationsunterstutzende luK-Systeme
Groupware, Kooperationsplattform, VPN, Elektronischer Kalender, Internet, Intranet, Extranet, Infomnation Sharing, Desktop Sharing, Application Sharing
Einfache Installation und Bereitstellung innerhalb von Service-Netzwerken durch Client/Server- und Web-Technologie
Automatische Identifikation von Anrufen durch die zukunftsv^eisende Verbindung von Telefonie und 1 nformationssystemen
'
Abbildung 10: Informations- und Kommunikationssysteme zur Reduzierung von Dienstleistungsverkehr im technischen Kundendienst
3.4 Analyse der verkehrlichen Wirkung Erste Untersuchungen der erzielten Verbesserungen haben ergeben, dass sich infolge des Einsatzes des Kunden und Lieferanten integrierenden webbasierten Customer Relationship Management (CRM)-Systems der Sofortlosungsanteil der Storungen um 20 Prozent erhoht hat. Das CRM-System dient als zentrale gemeinsame Benutzungsoberflache. Als kundendienstspezifisches Produkt wurde ein Customer Communication Portal (CCP) verwendet, das iiber eine Schnittstelle mit einem Service-Ticket-System verbunden ist. Hieruber lassen sich alle Kundenanfragen problemlosungsorientiert kanalisieren und an verschiedene Eskalationsstufen, z.B. Second-Level-Support oder Entwickler, weiterleiten. Die Weiterleitung von Informationen erfolgt in Tickets iiber ein gangiges Service-
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Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
Ticket-System, das den Workflow uber entsprechende Schnittstellen zum Endkunden und zu Lieferanten unterstiitzt. So lassen sich z.B. Storungsbeschreibungen sowie Audio- und Videodaten online zwischen den Kooperationspartnem austauschen, woraus eine hohere Sofortlosungsquote und eine kurzere Auftragsabwicklungszeit resultieren. Verkehrsreduzierungspotenziale lassen sich ebenso durch die Integration eines Multiprojektmanagement-Systems erzielen. Dieses verbessert die Koordinationsprozesse, wie z.B. die Online-Disposition mobiler Servicetechniker, wodurch sich die Termineinhaltungsquote um ca. 20 Prozent verbessem lasst. Die Potenziale konnten erst durch die Integration der verschiedenen Einzelsysteme und die notwendige Schnittstellengestaltung zu den Kunden- und Lieferantensystemen genutzt werden. Durch die verbesserten Leistungsparameter im Technischen Kundendienst konnte der anfallende Dienstleistungsverkehr um etwa 20 Prozent reduziert werden. Insbesondere entfielen Fahrten vom Servicetechniker zum Kunden bei solchen Storungsfallen, die aufgrund einer nicht ausreichenden Storungsbeschreibung seitens des Kunden erforderlich waren. Hier trug die optimale Informationsversorgung, insbesondere durch die verfiigbare Maschinenhistorie und schnelle Weiterleitung storungsrelevanter Informationen an den entsprechenden Servicemitarbeiter zur telefonischen oder webbasierten Sofortlosung der Storungen bei. Im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes wird die Untersuchung zunehmend differenziert, indem die Wirkung einzelner Leistungsparameter auf die Reduzierung von Dienstleistungsverkehr gemessen wird. Dabei ist die mittlere Wirkung, z.B. einer verkurzten Auftragsabwicklungszeit auf die Verkehrsreduzierung, zu messen und zu bewerten. Die Einzelwirkungen sind dariiber hinaus zu Gesamtwirkungen zu konsolidieren und mit den Ergebnissen aus den anderen Fallbeispielen zu validieren.
Fallbeispiel 2: Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung Outsourcing gewinnt als Treiberfunktion fiir zuktinftige Untemehmensentwicklungen an Bedeutung, und es ist ein anhaltender Trend zur Fremdvergabe von Dienstleistungen durch die Industrie zu beobachten (Straube et al. 2005). Outsourcing beschreibt die Moglichkeiten zur Optimierung von Leistungen und Prozessen, die zuvor durch untemehmensinteme Funktionseinheiten erbracht worden sind, durch die Beauftragung von extemen Dienstleistem (Horchler 1996). Am Beispiel eines Untemehmens der Zweiradindustrie wird untersucht, welche verkehrlichen Auswirkungen die Ubemahme von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen induzieren.
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen
229
4.1 Ausgangssituation Das zweite Fallbeispiel betrachtet ein Untemehmen fur Radsport und RadsportComponenten (Ra-Co). Gestartet 1990 als regionaler Fahrrad- und TeilegroBhandel wurden die untemehmerischen Tatigkeiten spater auf ganz Deutschland ausgedehnt. AnschlieBend wurde der weitere konsequente Ausbau zu einem VoUsortimentsgroBhandler mit europaweitem Vertriebsnetz forciert und weitere Dienstleistungen wie Beratung und Ubemahme von Auftragsarbeiten (Trikotherstellung, Promotionsartikel im Non Food Bereich), Forschung & Entwicklung (F&E) und Produktion von hochwertigen Rennund Trekkingradem sowie von fahrradspezifischen Werkzeugen fur Montage- und Reparaturarbeiten in das Produktportfolio aufgenommen. Fiir das Untemehmen arbeiten heute 17 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 4,5 Mio. Euro erwirtschaften. Haupthandelspartner sind dabei iiber 50 europaische GroBhandler und mehr als 2.500 Einzelhandler in Deutschland und Osterreich. Fiir die Produktion der Rennradserien sowie fahrradspezifischer Werkzeuge wurden drei rechtlich selbstandige Werke in Polen und Tschechien aufgebaut (Abbildung 11).
Abbildung 11: Untemehmensstruktur Ra-Co An den drei Standorten in Polen und der Tschechischen Republik wird die Lohnveredelung und Produktion sowohl der Rennrader als auch der fahrradspezifischen Werkzeuge vorgenommen. Am Untemehmenssitz erfolgen der Vollsortimentshandel sowie die Erbringung aller weiteren produktbezogenen Dienstleistungen. Dienstleistungen wie Lagerung und Kommissionierung sind dabei notwendig, um das originare Geschaft als VoUsortimentshandler komplett abzudecken. Die Ubemahme von beim Kunden ausge-
230
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lagerten Leistungen hat insbesondere das eigene Leistungsspektrum erhoht (Abbildung 12).
Abbildung 12: Produktbezogene Dienstleistungen Ra-Co Die Standorte der Kunden liegen heute auBerhalb des tiberregionalen Einzuggebietes von 200 Kilometem im Umkreis des Untemehmenssitzes. Gleichbedeutend sind dabei das tibrige Deutschland (groBer 200 km) sowie die Lander der Europaischen Union mit je 40 Prozent der Kundenstandorte. AuBerhalb der Europaischen Union liegen die meisten Kundenstandorte vor allem in Nordamerika. Zukiinftig wird insbesondere die Bedeutung der Markte der Europaischen Union sowie der anderen Lander zunehmen, wahrend fiir den deutschen Markt eine unveranderte Bedeutung prognostiziert wird, ( Abbildung 13).
Kundenstandorte
Regional (bis 50 km)
Uberregional (bis 200 km)
Rest Deutschland
EU25
Andere Lander
40%
20%
zunehmend
zunehmend
Entfemungsbereich Ra-Co (2006)
0%
0%
40% Anderung der Bedeutung
Ra-Co(2011)
unverandert
Abbildung 13: Verteilung der Kundenstandorte und zukunftige Bedeutung der Entfemungsbereiche In Bezug auf die Forschung und Entwicklung sowie die anschlieBende Produktion fahrradspezifischer Werkzeuge ist ursachlich die Fahigkeit zur schnellen Reaktionszeit bis zum Produktionsstart nach Auftragserteilung ausschlaggebend gewesen, diese Dienstleistung mit anzubieten. Detailliert werden die untemehmensintemen und -extemen Pro-
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsprozessen
231
zesse der Dienstleistungserbringung fur Forschung und Entwicklung fahrradspezifischer Werkzeuge aufgezeigt sowie die Auswirkungen auf den Verkehr dargestellt. Ra-Co ubemimmt fur Originalhersteller (OEM) von Komponenten der Zweiradindustrie die Entwicklungsdienstleistung fahrradspezifischer Werkzeuge. Die Werkzeuge werden sowohl fur die Montagetatigkeiten bei der Fahrradproduktion als auch bei spateren praventiven und korrektiven Instandhaltungsarbeiten (Deutsches Institut flir Normung 2001 DIN 31051;Erb 2000) eingesetzt.
4.2 Verkehrsrelevante Optimierungspotenziale Optimierungspotenziale und -konzepte im Bereich Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen wurden im Rahmen einer halbstandardisierten Erhebung bei dem Praxispartner erhoben. Die Bewertung der Leistungsparameter wurde dabei in den Dimensionen Qualitat, Zeit und Kosten durch das Fallbeispieluntemehmen durchgeflihrt(Abbildungl4).
Abbildung 14: Bedeutung von Optimierungspotenzialen bei Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen Die Bedeutung der Optimierungspotenziale wird sehr unterschiedlich bewertet. Der Verbesserung der Kommunikationsprozesse, der Steigerung der Produktqualitat sowie der Reduzierung von Personalkosten wird im Rahmen der Fremdvergabe von Leistungen eine sehr hohe Bedeutung beigemessen. Eine Einsparung von Wegekosten und Fahrtzeit
232
Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
durch Outsourcing von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen sind nicht nur sehr wichtig bei betriebswirtschaftlicher Optimierung, sondem hat wiederum eine verkehrsrelevante Reduzierung des Dienstleistungsverkehrs zur Folge.
4.3 Modellierung der Wertschopfungsprozesse Die Akquisition von Auftragen zur Entwicklung und Produktion der fahrradspezifischen Werkzeuge in den osteuropaischen Werken erfolgt regelmaBig durch die Geschaftsleitung im Rahmen von Kundengesprachen auf Fachmessen und Vorortterminen bei den OEM. Nach Auftragserteilung wird die Entwicklung der Werkzeuge einschHeBlich Durchfiihrung der Programmierarbeiten der Frasmaschinen am Untemehmenssitz vorgenommen. In die Konstruktion flieBen die entsprechenden Produktdetails der Fahrradkomponenten ein, fiir die die Werkzeuge bestimmt sind. Die Produktdaten in Bezug auf technische Abmessungen, Materialbeschaffenheiten, wie Hartegrade und Legierungen u.a., werden entweder durch den OEM zur Verfugung gestellt oder durch die Entwicklungsabteilung selbst vermessen und bestimmt. Nach Entwicklung der Werkzeuge wird nachfolgend eine Anforderungsprlifung aus Sicht der Herstellung durchgefuhrt, um das vorhandene Wissen der Produktion im Entwicklungsprozess der Werkzeuge zu berucksichtigen. Erst nach Einbeziehung aller Anforderungen und einer Optimierungsdurchfiihrung erfolgt die Freigabe und Entscheidung zur Produktion in den Werken. Die originare Entwicklungsdienstleistung der Werkzeuge ist damit abgeschlossen. Die untemehmensintemen und -extemen Prozesse bei der Dienstleistungserbringung fahrradspezifischer Werkzeuge sind in Abbildung 15 schematisch dargestellt. Informations- und Kommunikationstechnologien wie Telefon und Telefax werden primar zur Unterstutzung der Kommunikation bei der Dienstleistungserstellung eingesetzt, und GSM-basierte Kommunikationstechnologien (z.B. Short Message Services) sowie E-Mail stellen weitere regelmaBige Kommunikationsmoglichkeiten dar. Technologien und Tools wie Projektmanagement-Systeme werden zur Koordination im Rahmen der Dienstleistung eingesetzt. Kooperationsunterstiitzende Technologien und Tools wahrend der Dienstleistungserstellung beschrankt sich auf das Internet. Die Auspragung der Kooperation im Untemehmen sowie in der Zusammenarbeit mit anderen Untemehmen unterliegt dabei vielfaltigen Auspragungsformen. Auffallig ist, dass insbesondere die Bedeutung der Zusammenarbeit in einem Team oder mit mehreren Teams innerhalb des Untemehmens sehr bedeutend ist, hingegen untemehmensiibergreifend nur dann der Kooperation eine hohe Bedeutung beigemessen wird, wenn man fiihrender Partner der Beziehung ist (Abbildung 16).
Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfiingsprozessen
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Abbildung 15: Untemehmensinteme und -exteme Prozesse bei der Dienstleistungserbringung Forschung und Entwicklung fahrradspezifischer Werkzeuge und deren verkehrlicher Anteil
Abbildung 16: Kooperationen im Rahmen der Dienstleistungserbringung
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4.4 Analyse der verkehrlichen Wirkung Eine Betrachtung derartig vemetzter Prozesse bei fremdvergebenen Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen erfordert eine detaillierte Untersuchung der daraus resultierenden verkehrlichen Implikationen. GemaB der Definition des Personenwirtschaftsverkehrs im verkehrswissenschaftlichen Verstandnis zahlen durchgeflihrte Fahrten der Geschaftsfiihrung vor dem Hintergrund von Kundenanbahnungsgesprachen und Akquisitionstatigkeiten zum Geschaftsverkehr. Werden hingegen nur unmittelbare Prozesse der Dienstleistungserbringung uberpriift, ist eine vollstandige Unterstiitzung durch Informations- und Kommunikationstechnologien erkennbar. Der Dienstleistungsverkehr bei Outsourcing von Entwicklung und Konstruktion fahrradspezifischer Werkzeuge weist nur sehr geringfiigig reduzierbare Anteile zur Reduktion des Verkehrs auf Die Verkehrsleistung, die durch den Geschaftsverkehr der Geschaftsftihrung entsteht, summiert sich flir das gesamte Untemehmen auf ca. 60.000 km pro Jahr. Weiterer Verkehr existiert durch die Verbringung der fertig produzierten Werkzeuge als gewerblicher Giiterverkehr. Das heiBt, die Verfrachtung der hergestellten fahrradspezifischen Werkzeuge von den Produktionswerken zum Untemehmenssitz (zur anschlieBenden weiteren Versendung) erfolgt wiederum durch outgesourcte Transportdienstleistungen an Spediteure im Teil- und Komplettladungsverkehr.
5.
Fazit
Fallstudie 1 verdeutlicht die Entstehung von Dienstleistungsverkehr durch den typischen untemehmerischen Geschaftsverkehr im Technischen Kundendienst des Anlagenbaus. Die gemeinsame kooperative Erbringung von Dienstleistungen kann durch den Einsatz geeigneter webbasierter Informations- und Kommunikationstechnologien verbessert werden. Hieraus resultieren z.B. kiirzere Auftragsbearbeitungszeiten, hohere Termineinhaltungsquoten, verbesserte Ersatzteilverfugbarkeiten und eine schnellere Auftragsabwicklung. Erste Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojektes „Dienstleistungsverkehr in industriellen Wertschopfungsketten" haben gezeigt, dass der Einsatz von kooperationsunterstutzenden Informations- und Kommunikationssystemen zu einer Reduzierung von Dienstleistungsverkehr im Technischen Kundendienst fiihrt. Die umgesetzten MaBnahmen fiihren zu einer Einsparung notwendiger Fahrten in Hohe von ca. 20 Prozent. Die Einzelwirkungen der MaBnahmen werden im weiteren Verlauf der Forschungsaktivitaten gemessen und evaluiert. Die Fallstudie 2 verdeutlicht, dass eine Ubemahme von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen keinen zusatzlichen Dienstleistungsverkehr verursachen muss. Physischer Verkehr tritt nur im Rahmen des untemehmerischen Geschaftsverkehrs auf, jedoch
Dienstleistungsverkehr in industriellen WertschopfUngsprozessen
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nicht zur Erbringung der outgesourcten Dienstleistung als Dienstleistungsverkehr. Vielmehr wird festgestellt, dass die Aktivitaten zur Umsetzung des Dienstleistungsauftrags ausschliefilich durch Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien erfolgt, d.h., nur untemehmensiibergreifender und -intemer Datenverkehr wird erzeugt. Dieses Ergebnis stellt einen wichtigen Beitrag in der Diskussion iiber die Zunahme von Verkehr durch Outsourcing von Dienstleistungstatigkeiten dar. Es kann somit festgestellt werden, dass die These des enormen Verkehrzuwachses aufgrund eines kontinuierlichen Wachstums des Dienstleistungssektors fur die Dienstleistung Forschung und Entwicklung nicht zu halten ist. Im Rahmen des durch das Bundesministerium far Wirtschaft und Technologic finanzierten Forschungsprojekts wird jedoch aufgezeigt, dass eine signifikante Erhohung des Verkehrs fiir andere extemalisierte oder komplementare produktions- und betriebsbezogene Dienstleistungen zu beobachten ist.
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Wolf-Christian Hildebrand und Tanja Klostermann
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Tilo Bohmann und Helmut Krcmar
Hybride Produkte: Merkmale und Herausforderungen
1. Einleitung 2. Konstitutive Merkmale hybrider Produkte 3. Aufbau von Informations- und Kommunikationstechnik-Losungen am Beispiel der Telematik 4. Governance von hybriden Produkten als Herausforderung 5. Zusammenfassung Literatur
Prof. Dr. Helmut Krcmar ist Inhaber des Lehrstuhls ftir Wirtschaftsinformatik (117) an der Technischen Universitat Mtinchen. Dr. Tilo Bohmann ist Wissenschaftlicher Assistent am dortigen Lehrstuhl.
1.
Einleitung
Wahrend die wirtschaftliche Bedeutung reiner Sachleistungen aufgmnd der geringer werdenden Differenzierungsmoglichkeiten tendenziell abnimmt, gewinnen hybride Produkte zunehmend an Bedeutung. Hybride Produkte sind Kombinationen aus Sach- und Dienstleistungen, die am Markt als integrierte Leistungsbundel angeboten werden. Ziel der Kombination von Produkten und Dienstleistungen ist es, kundenspezifische Problemlosungen anbieten zu konnen. Derartige hybride Produkte sind fiir Produkthersteller attraktiv, weil sie damit einer wachsenden Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen begegnen konnen (Johansson et al. 2003). Umgekehrt bieten sie auch Dienstleistungsanbietem, die sich bisher vollstandig auf kundenspezifische Entwicklungsprojekte und Betriebsleistungen fokussiert haben, die Moglichkeit, sich mit Losungsangeboten am Markt zu differenzieren. Der Wertbeitrag von Losungen beruht aber auf der Verbindung von Kompetenzen zur Entwicklung und Implementierung kundenspezifischer Losungen mit Kompetenzen fiir die Entwicklung und Erstellung wiederholbarer und skalierbarer Produkte (Miller et al. 2002). Fiir Losungen von Produktanbietem bedeutet dies die Integration eigener technischer Produkte in die Losungsangebote, fiir Dienstleistungsanbieter die Entwicklung standardisierter Komponenten und Leistungskeme. Trotz der in der Praxis steigenden Bedeutung des Zusammenwachsens von technischen Produkten und technischen Dienstleistungen zu hybriden Produkten ist aber der Forschungsstand zum Management hybrider Wertschopfung unzureichend. Diese Beobachtung wird dadurch unterstrichen, dass der Wandel zum Losungsanbieter in der Praxis weniger aufgrund des Mangels an innovativen Konzepten fiir hybride Wertschopfiing scheitert, als vielmehr aufgrund der groBen organisatorischen Herausforderungen des Managements von Losungen (Galbraith 2002b; Johansson et al. 2003). Bei Losungsanbietem entstehen komplexe Wechselwirkungen zwischen kundengerichteten und produktgerichteten Organisationseinheiten, durch die neue Koordinationsbedarfe auftreten. Etablierte Routinen von Produktmanagement, Vertrieb, Produktionssteuerung und Controlling werden der Komplexitat hybrider Produkte als kundenspezifische Losungen nicht gerecht, ebenso wenig wie die auf standardisierte Produkte ausgerichteten Informationssysteme eine ausreichende Unterstutzung fiir Vertrieb und Erbringung von komplexen Dienstleistungen oder Losungen bieten (Foote et al. 2001; Galbraith 2002a; Krcmar/Bohmann 2005; Miller et al. 2002; Reichwald/Moslein 1997). Hybride Produkte stellen daher Produkt- und Dienstleistungsanbieter vor neue Herausforderungen. Insbesondere entstehen durch hybride Wertschopfung neue Koordinationsbedarfe im Management unterschiedlicher Leistungsarten, die in einem hybriden Produkt gebiindelt werden.
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Grundlegend fur die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit hybriden Produkten ist eine genauere Begriffsbestimmung. Diese nehmen wir im folgenden Abschnitt vor. Kennzeichnend fiir hybride Produkte ist dabei die Integration materieller und immaterieller sowie kundenspezifischer und standardisierter Teilleistungen. Durch diese Integration wird aber auch das Spannungsfeld des Managements hybrider Wertschopfung deutlich, da diese unterschiedlichen Teilleistungen jeweils eigenen Erfolgsfaktoren und Lebenszyklen unterliegen. Daher wird die Ausgestaltung der Governance hybrider Produkte als wichtige Herausforderung beim Wandel zum Losungsanbieter identifiziert.
Konstitutive Merkmale hybrider Produkte Hybride Produkte sind Leistungsblindel aus aufeinander abgestimmten Produkten und Dienstleistungen (Johansson et al. 2003; Spath/DemuB 2003). Besonderes Kennzeichen ist die Integration der Teilleistungen, um ein Kundenproblem zu losen (Foote et al. 2001; Johansson et al. 2003; Sawhney 2004). Dadurch soil der Wert hybrider Produkte die Summe der Werte der einzelnen Teilleistungen tibersteigen (Johansson et al. 2003; Kersten et al. 2006; Reiss/Prauer 2001). Ein Beispiel aus der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) kann dies verdeutlichen: In einem Call-Center sind die meisten Geschaftsprozesse auf eine zuverlassige und performante Unterstutzung durch IT angewiesen. Daruber hinaus miissen oftmals bestimmte technische Vorgaben in der Ausgestaltung der IT berucksichtigt werden, um firmenweit eine vergleichbare Produktionsplattform bereitstellen zu konnen. Wenn ein Call-Center-Betreiber neue Produktionsstandorte eroffnet, muss dort die ITInfrastruktur so geplant, implementiert und betrieben werden, dass diese hohe Qualitat erreicht wird, dabei aber auch die im Untemehmen geltenden technischen Standards eingehalten werden. Nehmen wir an, dass der Betreiber am neuen Standort nicht tiber entsprechend qualifiziertes Personal verfiigt, so dass ein hohes Qualitatsrisiko fur die Verfligbarkeit der IKT entsteht. Allein die Moglichkeit, am neuen Standort qualitativ hochwertige Hardwareprodukte der entsprechenden Hersteller zu beschaffen, lost dieses Problem nicht. Ein Losungsangebot entsteht erst durch die Biindelung der erforderlichen Hardwareprodukte mit weiteren Dienstleistungen. In diesem Fall wlirde ein Hardwarehersteller auch die Verantwortung fur die Planung, den Aufbau und den Betrieb der erforderlichen IKT-Infrastruktur am neuen Standort iibemehmen, eventuell sogar mit Garantien fur deren Verfligbarkeit und Leistung. Damit entfallt der Aufbau neuer Mitarbeiter am Standort und das Qualitatsrisiko wird durch Nutzung der Leistungen des Hardwareherstellers reduziert. Eine noch weitergehende Losung ware es, wenn der Hardwarehersteller zur Umsetzung der firmenweiten Standards Komponenten von Drittherstellem integrieren und fiir deren Implementierung und Betrieb ebenfalls die
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Verantwortung iibemehmen wiirde. Ein solches Produkt- und Dienstleistungsbiindel lost vollstandig das Kundenproblem beztiglich des Aufbaus von IT-Ressourcen und kompetenzen an einem neuen Standort. AUerdings ist eine Definition von hybriden Produkten als Biindel von Produkten und Dienstleistungen aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Interpretationsmoglichkeiten dieser Begriffe noch sehr ungenau. Daher soil nun im Folgenden eine genauere Begriffsbestimmung vorgenommen werden. Zunachst kann unter hybriden Produkten im engeren Sinne eine Biindelung materieller und immaterieller Teilleistungen verstanden werden. Den Kern eines hybriden Produkts bilden in diesem Verstandnis ein oder mehrere materielle Produkte, die um immaterielle Dienstleistungen erganzt werden. Dabei kann es sich um produktbegleitende (im obigen Beispiel z.B. Installation oder Wartung der Komponenten) als auch um produktunabhangige Dienstleistungen (im obigen Beispiel z.B. Gesamtprojektmanagement und Betrieb von Systemen von Drittherstellem) handeln. Daneben lassen sich hierzu auch vollstandig automatisierte Dienstleistungen zahlen, bei der die Leistungserstellung vollstandig in Software umgesetzt wurde (im obigen Beispiel z.B. eine softwaregestiitzte Fehleriiberwachung und -diagnose). Die Biindelung materieller und immaterieller Teilleistungen flihrt dazu, dass in hybriden Produkten Leistungen mit sehr unterschiedlichen Merkmalen des Marketing und der Produktion zusammengefiihrt werden. So sehen sich aus Marketingsicht Kunden bei immateriellen Leistungen groBeren Unsicherheiten gegeniiber, da immaterielle Leistungsergebnisse oftmals uberwiegend Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften besitzen, die eine Bewertung der Leistungsqualitat vor dem Kauf der Leistung unmoglich machen (Engelhardt et al. 1993). Aus Leistungserstellungssicht unterscheiden sich Entwicklungs- und Produktionsprozesse ftir materielle Leistungsergebnisse von solchen, die auf immaterielle Leistungsergebnisse zielen. Immaterielle Leistungen sind haufig nicht lagerfahig, so dass Produktion und Konsum zusammenfallen (Engelhardt et al. 1993). AUerdings entfallen fiir immaterielle Leistungen die oftmals komplexen Logistikketten, die bei materiellen Produkten die Herstellungs- und Kundendienstprozesse erst ermoglichen. Fiir immaterielle Leistungen, die auf Information oder Koordination zielen (z.B. Managementleistungen, Uberwachung, Analyse, Beratung usw.), ist die Verfiigbarkeit der Leistung zu den erforderlichen Zeiten und in den erforderlichen Sprachen ein Erfolgsfaktor. Je mehr diese Leistungen zudem digitalisierbar sind, desto eher konnen die gleichen Leistungsergebnisse ftir geringere Kosten wieder verwendet werden, da ftir digitalisierte Information im Unterschied zur Herstellung materieller Giiter die Herstellkosten zusatzlicher Kopien in der Kegel vemachlassigbar sind (Picot et al. 2003). Neben der Biindelung materieller und immaterieller Teilleistungen kann unter einem hybriden Produkt auch die Biindelung standardisierter Leistungen mit kundenindividuellen Leistungen verstanden werden.
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Kundenindividuelle Leistungen sind oftmals erforderlich, wenn durch die Losung nachgelagerte Wertschopfiingsaktivitaten im Lebenszyklus von Produkten (Wise/Baumgartner 1999) ubemommen werden. Dabei kann es sich z.B. um Leistungen fiir die Anpassung, die Integration, den Betrieb und die Finanzierung eines technischen Systems handeln (Backhaus/Kleikamp 2001; Davies 2005). Hybride Produkte stellen daher eine Form des selektiven Outsourcings dar, weil der Kunde damit ausgewahlte Wertschopftingsaktivitaten an den Anbieter tibertragt (Galbraith 2002b; LacityAVillcocks 1998; Schuh/Speth 2000). Der Kunde erwirbt hierdurch nicht nur ein beliebig zusammengestelltes Produkt- und Dienstleistungsbtindel, sondem ein auf seine Nutzungsanforderungen abgestimmtes und zuverlassig einsetzbares Gesamtsystem. Der leistungsbezogene Nutzenzuwachs eines integrierten Gesamtsystems kann in die Vereinbarung von Leistungszielen (performance contracting) und eine daran ankniipfende Leistungsverrechnung fur das hybride Produkt umgesetzt werden (Backhaus/Kleikamp 2001). Diese Einbettung in die Wertschopfungsprozesse des Kunden kann durch Integrations-, Individualisierungs- und Transformationsleistungen erfolgen (Bohmann/Krcmar 2006). Die Integration ist das zentrale Merkmal von Losungen. Integration soil die technischorganisatorische Zusammenfiihrung der Teilleistungen einer Losung und deren Einbettung in den Wertschopfungsprozess des Kunden bezeichnen. Die Zusammenfiihrung der Teilleistungen erfordert in der technischen Dimension die Kopplung von Teilsystemen einer Losung zu einem Gesamtsystem. In der organisatorischen Dimension ist damit die Definition iibergreifender Geschafis- und Unterstiitzungsprozesse gemeint, die fiir die anforderungsgerechte Nutzung bzw. die Entwicklung und den Betrieb der Losung notwendig sind. Dariiber hinaus zielt die Integration auch auf die technisch-organisatorische Einbettung der Losung in die Wertschopfungsprozesse des Kunden. Aus technischer Sicht ist damit die Einfiigung der Losung in bestehende Anlagen und Systemlandschaften beim Kunden gemeint. Aus organisatorischer Sicht ist dazu eine Einbettung der Nutzungs-, Entwicklungs- und Betriebsprozesse der Losung in die entsprechenden Prozesse des Kunden erforderlich. Daher ist bei hybriden Produkten die Modularisierung von technischen Systemen und Prozessen sowie die damit verbundene Definition von Schnittstellen von groBer Bedeutung, da iiber die Schaffung von Modulen mit standardisierten Schnittstellen Optionen fur eine kundenspezifische Kombination und Integrafion geschaffen werden (Burr 2002; Bohmann 2004). Eng verbunden mit der Integration ist die Individualisierung der Leistungen. Sie ist erforderlich, wenn die Anforderungen an Funktionen, Leistungsfahigkeit oder Integration der Losung nicht durch Kombination und Parametrisierung marktgangiger Produkte und Komponenten erfiilh werden konnen. Um Fehlendes zu erganzen, erfolgt die Individua-
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lisierung uber die Entwicklung kundenspezifischer Komponenten oder die Modifikation von am Markt erhaltlichen Produkten und Komponenten. Wahrend bei der Verwendung von marktgangigen Produkten und Komponenten in der Regel der Hersteller Wartung und Support mit anbietet, muss die Verantwortung dafur bei einer Individuaileistung im Rahmen der Kontrahierung der Losung defmiert werden. Dabei muss sich der Losungsanbieter darauf festlegen, ob und wenn ja, wie lange und zu welchen Konditionen Wartung und Support fiir Individualleistungen iibemommen werden. Eine besondere Form der Individualleistungen kann fur die Weiterfuhrung bestehender Prozesse und Systeme erforderlich sein. Nicht immer ist es okonomisch sinnvoll oder vom Kunden praferiert, bestehende Prozesse und Altsysteme durch eine neue Losung vollstandig zu ersetzen. Gerade wenn die Losung technische und organisatorische Abhangigkeiten zu bestehenden Prozessen und Altsystemen aufweist oder diese aus Sicht des Kunden in einem engen Zusammenhang mit der Losung stehen, kann eine Weiterfuhrung dieser Prozesse und Systeme erforderlich sein. Ubemimmt der Losungsanbieter die Verantwortung fur die Weiterflihrung, so sind dafur Individualleistungen fiir Entwicklung, Wartung, Support und/oder Betrieb der Altsysteme und -prozesse erforderlich, durch die diese temporar oder dauerhaft weiter durch den Kunden genutzt werden konnen. Eine Transformation zielt darauf, den Nutzen zu erhohen, der Kunden aus der Losung erwachst. Dies beinhaltet die Analyse der Voraussetzungen beim Kunden sowie die Planung und Implementierung von Veranderungen in bestehenden Strukturen und Systemen des Kunden, Analyse und Planung sind typische Beratungsleistungen. Die Implementierung von Veranderungen schafft dann die Voraussetzung ftir eine produktive Verwendung der Losung. Veranderungen aus technischer Sicht betreffen vor allem die Ablosung und Migration von Altsystemen. Aus organisatorischer Perspektive kann die Einleitung und Durchfiihrung erforderlicher Veranderungen an der Aufbau- und Ablauforganisation sowie der Mitarbeiterstruktur und -qualifikation Teil eines Losungsangebots sein. Dazu lasst sich auch die Ubemahme von Mitarbeitem und Systemen durch den Losungsanbieter zahlen. Daruber hinaus konnen Transformationsleistungen nicht nur zu Beginn, sondem auch zu spateren Zeitpunkten Teil eines Losungsangebots sein. Durch Integration, Individualisierung und Transformation wird ein spezifisches Kundenproblem gelost, das zum Beginn der Leistungsbeziehung besteht. Aus dem IT-Outsourcing gibt es Hinweise, dass Kunden unzufrieden sind mit Anbietem, die sich dann im Zuge eines dauerhaften Betriebs passiv verhalten und keine weiteren Transformationsleistungen vorschlagen (Jahner et al. 2006a; 2006b). Dies deutet darauf hin, dass sich Losungen im Zeitverlauf in der Wahrnehmung des Kunden „verbrauchen". Daher konnen Losungen auch zu spateren Zeitpunkten der Leistungsbeziehung durch sinnvolle Transformationsleistungen wieder auf aktuelle Kundenprobleme ausgerichtet werden.
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Der Wert einer Losung ist allerdings nicht ausschlieBlich von der hier dargestellten technisch-organisatorischen Systemintegration abhangig, die in der Regel kundenspezifisch definiert und umgesetzt werden muss. Vielmehr ist die moglichst weitgehende Nutzung standardisierter Produkte und Komponenten anzustreben, um Kostenvorteile durch Skaleneffekte in der Produktion dieser Leistungen zu erzielen. Dies gilt nicht nur fur materielle Produkte und Komponenten, sondem auch fiir die immateriellen Teilleistungen von Losungen. Mit zunehmendem Grad der Standardisierung wird z.B. die Verlagerung der Produktion von Teildienstleistungen oder sogar eine Automatisierung der Produktion erleichtert (Karmarkar 2004). Gerade eine Dienstleistungsproduktion in Schwellenlandem verspricht Kostensenkungen in der Leistungserstellung, die z.B. durch die Ausnutzung komparativer Lohnkostenvorteile bei der Verlagerung von Software-Entwicklungsprojekten oder Serviceprozessen, wie z.B. dem technischen Support, entstehen (Robinson/Kalakota 2004). Auch fiir immaterielle Teilleistungen ist daher ftir Losungsanbieter eine Wiederverwendung und Industrialisierung anzustreben. Fur Produkthersteller bedeutet dies in der Regel, Losungen moglichst weitgehend auf eigenen Produkten aufzubauen. Hier konnen Kostenvorteile nicht nur fiir die Herstellung selbst, sondem auch bei produktnahen Dienstleistungen im Lebenszyklus, wie z.B. beim technischen Kundendienst, erzielt werden. Dienstleistungsanbieter miissen dagegen wiederverwendbare oder standardisierbare Teilleistungen identifizieren, um dadurch dann Produktionskostenvorteile unter Wiederverwendung des erforderlichen Wissens oder sogar durch eine Blindelung der Leistungserstellung fiir verschiedene Kunden zu gewinnen. Hybride Produkte konnen folglich zum einen durch die Btindelung materieller und immaterieller Teilleistungen und zum anderen durch die Btindelung kundenspezifischer und standardisierter Teilleistungen charakterisiert werden (vgl. Abbildung 1). In einem erweiterten Begriffsverstdndnis lassen sich aber auch Sonderformen hybrider Produkte kennzeichnen, die nicht alle Merkmale erfullen, aber in der Diskussion tiber hybride Produkte eine RoUe spielen. So positionieren sich mittlerweile viele Softwarehersteller als Losungsanbieter, die fiir bestimmte Branchen angepasste oder vorkonfigurierte Versionen ihrer Standardsoftware anbieten. Auch fmden sich hier vielfach Beispiele von Leistungsbundeln fiir die Automatisierung oder Unterstiitzung von Geschaftsprozessen, die aus Standardsoftware sowie Beratungs- und Implementierungsleistungen fiir die Einbettung in die Wertschopfungsprozesse der Kunden bestehen (Hackmann), Daher sollen solche Losungen als hybride Softwareprodukte verstanden werden, obwohl diese Leistungsbundel keine materiellen Leistungen beinhalten, da sowohl das Softwareprodukt als auch die mit der Losung verbundenen Dienstleistungen immateriellen Charakter haben.
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Abbildung 1: Konstitutive Merkmale hybrider Produkte Bei anderen Leistungsangeboten steht weniger die individualisierte Einbettung in die Wertschopfiingsprozesse im Vordergrund als vielmehr die enge Verbindung materieller Produkte mit immateriellen, standardisierten Dienstleistungen. Diese Leistungsangebote richten sich oftmals an einen Markt fur Konsumenten oder kleine bis mittlere Untemehmen, auf dem Leistungsangebote als standardisierte Produkte in hoher Stiickzahl abgesetzt werden sollen. Fiir solche Mass Hybrids wird daher auf eine umfassende Individualisierung und kundenspezifische Integration verzichtet. Ein Beispiel dafur ist der Apple iPod, in dem ein Medienabspielgerat mit dem proprietaren Musikdienst iTunes gebundelt wird. tJber den Musikdienst konnen die Nutzer exklusiv fur den iPod als mobiles Gerat Musiktitel erwerben und auf das Gerat iibertragen. Die enge Kopplung von Gerat und Dauerdienstleistung gibt hier den Ausschlag, diese Form von Leistungsangeboten ebenfalls in einem weiteren Sinn als hybrides Produkt zu verstehen. Im Folgenden soil der Aufbau und die Abhangigkeiten eines hybriden Produkts an einem ausfiihrlicheren Beispiel aus der Automobilindustrie untersucht werden, in dem alle konstitutiven Merkmale zum Tragen kommen.
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3.
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Aufbau von Informations- und Kommunikationstechnik-Losungen am Beispiel der Telematik
Zur Umsetzung neuer Kundenanforderungen und zur Verbesserung des effizienten Einsatzes von Fahrzeugen und Ladungstragem setzen Transportuntemehmen vermehrt auf Telematik. Eine Femliberwachung und -steuerung von Fahrzeug und Ladung ermoglicht es Transportuntemehmen, beispielsweise die Einhaltung von Qualitatszusagen zu dokumentieren. So lassen sich die Transportzeiten, die Temperatur bei Kiihlfracht oder die StoBbelastungen bei Transporten von empfmdlichen technischen Komponenten iiberwachen. Auch werden durch die Telematik kurzfristige Eingriffe in den Transport moglich. Solche Telematiklosungen werden teilweise direkt ftir groBe Transportuntemehmen realisiert. Vielfach sind es jedoch die Fahrzeughersteller, die ihren Kunden entsprechende Zusatzkomponenten und Dienstleistungen anbieten (fur eine ausfiihrlichere Darstellung des Beispiels siehe Bohmann/Krcmar 2006). Im folgenden Beispiel mochte sich ein Untemehmen des Fahrzeugbaus durch die Integration von Telematikdiensten in Fahrzeugen fur Transportuntemehmen differenzieren. Der Fahrzeughersteller will damit seinen Kunden die Uberwachung des Fahrzeugzustands und der Ladung, wie z.B. der Temperatur, ermoglichen. Dazu miissen die Fahrzeuge mit einer Telematikeinheit ausgeriistet werden, die diese Daten erfasst und iiber das Mobilfunknetz an ein Informationssystem zur Auswertung ubermittelt. Ziel ist es, den Transportuntemehmen einen komfortablen Zugriff auf diese Informationen iiber das Intemet zu bieten. In diesem hybriden Produkt bundelt der Fahrzeughersteller seine Fahrzeugprodukte mit einer Dauerleistung zur Fahrzeuguberwachung. Um diese Kemleistung als Ausstattungsvariante der Fahrzeuge uber den Produktvertrieb anbieten zu konnen, sollen die Kemleistungen iiber einfach zu verstehende Paketpreise abgerechnet werden. Dazu zahlen Gmndpreise fur die im Fahrzeug erforderliche Telematikeinheit und monatliche Pauschalpreise fiir die Fahrzeuguberwachung. Dariiber hinaus soil aber auch eine kundenspezifische Integration und Anpassung der Telematikdienste moglich sein, damit die Kunden beispielsweise die Daten direkt in weitere Anwendungssysteme im Untemehmen iibemehmen konnen. In Abbildung 2 werden die Teilleistungen dieser Losung auf die konstitutiven Merkmale von hybriden Produkten iibertragen. Kem der Losung ist das Fahrzeug, das iiberwacht werden soil. Um die Uberwachung zu ermoglichen, wird das Fahrzeug mit einer Telematikeinheit ausgestattet (materielle Leistung). Uber das Mobilfunknetz wird diese Telematikeinheit mit einem zentralen Informationssystem verbunden, das die Uberwachungsdienste ausfuhrt. Sowohl die Mobilfunkkommunikation als auch die Uberwachungsdienste sind standardisierte, immaterielle Leistungen, die far jeden Kunden der
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Losung gleichermaBen zur Anwendung kommen. Dies gilt auch fiir den Support, d.h. die laufende Unterstiitzung der Nutzer im Betrieb der Anwendung.
Abbildung 2: Teilleistungen der Telematiklosung Um aber die Losung in das Wertschopfungssystem der Kunden einzubetten, ist gegebenenfalls eine Individualisierung und kundenspezifische Integration der Losung erforderlich. Dazu gehort zunachst die Anwendungsberatung, die die Kunden bei spezifischen fachlichen Problemen in der Anwendung unterstutzt. Dariiber hinaus kommen die erforderliche Konfiguration und Erweiterung der Uberwachungsdienste (Customizing) sowie die Kopplung der LFberwachungsdienste an vorhandene Informationssysteme der Kunden (Systemintegration) daher als kundenspezifische, immaterielle Leistungen hinzu. Die Entwicklung kundenspezifischer Komponenten im Fahrzeug (z.B. weitere Sensorik) ist in der Losung nicht vorgesehen. Die einzelnen Teilleistungen sind nicht unabhangig voneinander, sondem aufeinander abzustimmen, um die Leistungsfahigkeit der Losung insgesamt sicherzustellen. Weil es sich bei der Fahrzeugtiberwachung um eine Dauerleistung handelt, bedeutet dies, dass auch Uber den Lebenszyklus der Losung hinweg die Abhangigkeiten zwischen den Teilleistungen beachtet werden miissen. Wichtige Abhangigkeiten ergeben sich in diesem Beispiel aus (vgl. Abbildung 2):
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der Abstimmung der Telematikeinheit auf bestehende und zukiinftige Fahrzeugvarianten und der Abstimmung der Oberwachungsdienste auf die installierte Basis von Telematikeinheiten und Fahrzeugen (O), der Abstimmung von Konfigurationen und Erweiterungen auf zukiinftige Versionen der Oberwachungsdienste sowie der moglichen Abstimmung der Telematiklosung insgesamt auf bestehende Geschaftsprozesse und IT-Landschaften des Kunden durch Individualisierung, Integration der Telematiklosung und gegebenenfalls Transformation der Prozesse und Systeme der Kunden (©). Im dargestellten Beispiel bestehen damit Abhangigkeiten sowohl zwischen den materiellen Produkten und den immateriellen Leistungen der Telematiklosung als auch zwischen den standardisierten und den kundenindividuellen Leistungen. Diese Abhangigkeiten werden vor allem dann relevant, wenn jede der Losungskomponenten einer hohen Eigendynamik unterliegt, d.h., wenn z.B. Produkte und Dienstleistungen unterschiedliche Lebenszyklen aufweisen. Daher ist die Ausgestaltung der organisatorischen Verantwortung fiir Losungsangebote und die Koordination der Abhangigkeiten sowohl zwischen standardisierten und kundenindividuellen als auch zwischen materiellen und immateriellen Leistungen eine entscheidende Herausforderung fiir die erfolgreiche Umsetzung von hybriden Produkten.
4.
Governance von hybriden Produkten als Herausforderung
Die besondere Herausforderung in der Governance, also der organisatorischen Zuordnung von Entscheidungs- und Mitwirkungsrechten fiir die Entwicklung und Erbringung hybrider Produkte, liegt in der Koexistenz heterogener, oftmals konkurrierender Komponenten in hybriden Produkten (vom Brocke 2004). Die Heterogenitdt bedeutet, dass in einem hybriden Produkt Komponenten unterschiedlicher Art zusammengefuhrt werden, die sich in Struktur und Verhalten unterscheiden (vom Brocke 2004). Dies trifft sowohl auf materielle Produkte und Dienstleistungen zu also auch auf die kundenspezifischen Leistungen im Vergleich zu den standardisierten Leistungsbestandteilen. Dariiber hinaus stehen diese heterogenen Komponenten auch zueinander in Konkurrenz, wenn sie alternative Realisierungen der Losung ermoglichen (vom Brocke 2006). So lassen sich bestimmte Funktionen und Qualitatsmerkmale von Losungen sowohl iiber Standardleistungen als auch iiber kundenspezifische Leistungen erreichen, wobei die Vorteilhaftigkeit des einen oder anderen Losungswegs von den Kontextbedingungen abhangen kann. Allerdings sind hybride Produkte auch durch die Koexistenz gekennzeichnet, weil sie heterogene, konkurrierende Komponenten biindeln.
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Diese Merkmale hybrider Produkte treten besonders bei der Integration standardisierter und kundenspezifischer Leistungen hervor. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der ErfolgsmaBstabe und Kompetenzen wird die Entwicklung und Erbringung dieser beiden Leistungsarten unterschiedlichen Organisationseinheiten zugeordnet. Die Organisation von Losungsanbietem ist daher nach Galbraith (2002b) durch ein front-end und ein back-end gekennzeichnet. Die front-end-Organisation ist verantwortlich fur die kundenspezifische Integration der Losung. Diese bedingt relational Beziehungsformen zwischen Kunde und Anbieter der Losung (Galbraith 2002b; Johansson et al. 2003). Deshalb erfordert die Entwicklung und Erbringung kundenspezifischer Problemlosungen den Aufbau einer kundenzentrierten Organisation, durch die der Losungsanbieter ein Verstandnis der spezifischen Herausforderungen in den Wertschopfiingsund Unterstutzungsprozessen der Kunden gewinnen kann (Galbraith 2002b; Miller et al. 2002), z.B. in Form des Account Managements und von Professional-Service-Einheiten. Die back-end-Organisation arbeitet dagegen produktorientiert. Sie ist ausgerichtet auf die Entwicklung und Herstellung von standardisierten materiellen Produkten oder Dienstleistungen. Das kundenzentrierte front-end und das produktzentrierte back-end sind auf Grund dieser unterschiedlichen Ausrichtung durch spezifische Zielstellungen, Hierarchien, Prozesse, Anreizsysteme und Mitarbeiterprofile gekennzeichnet. Weil die Entwicklung und Erbringung von Losungen arbeitsteilig von Organisationseinheiten aus front-end und back-end erfolgt, identifizieren praxisorientierte Forschungsbeitrage eine Reihe von moglichen Wechselwirkungen. Fiir das Management technischer Dienstleistungen ergeben sich daraus Koordinationsbedarfe oder sogar Konfiiktpotenziale, die zu diseconomies of scope fiihren konnen. Koordinationsbedarfe werden derzeit in den Bereichen „Kunde", „Leistungsprogramm", „Architektur", „Zielverantwortung/Anreize" und „Losungsumsetzung" gesehen (vgl. Abbildung 3). Das AusmaB dieser Koordinationsbedarfe steht dabei in Zusammenhang mit dem Umfang und der GroBe der Losungen (Burr 2002; Galbraith 2002b) sowie dem AusmaB der technischen und okonomischen Integration der Teilleistungen (Galbraith 2002b). Aus Forschungssicht ist die Uberprufung und Vervollstandigung der hier genannten Koordinationsbedarfe sowie die Erarbeitung und Bewertung von organisatorischen Losungsaltemativen zur Deckung dieser Koordinationsbedarfe eine offene Frage. Begriindete Losungsvorschlage konnen aber die Implementierung hybrider Wertschopfung deutlich vereinfachen. Der derzeitige Stand der Forschung vermag dieses noch nicht zu leisten.
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Entscheidungsbereich Kunden
Leistungsprogramm
Wechselwirkungen und Koordinationsbedarfe
Quellen
Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen durch den Wissenstransfer bei der Qualifikation von Kunden zur Nutzung von Losungen.
(Galbraith 2002b; Miller et al. 2002)
Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen durch die Erweiterung des Leistungsportfolios zur Umsetzung kundenspezifischer Anforderungen, weil in der Folge immer weniger uberlegene, wiederholbare eigene technische Produkte und Dienstleistungen eingesetzt werden konnen.
(Burr 2002; Galbraith 2002b; Miller etal. 2002)
Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen durch langfristige Leistungsverpflichtungen im Lebenszyklus technischer Produkte, die die Elimination unattraktiver Leistungen verhindern konnen.
Architektur
Entscheidung uber die Entwicklung von Anpassungsund Integrationsmoglichkeiten bei technischen Produkten und produktisierten Dienstleistungen, durch die die Lbsungsentwicklung vereinfacht wird (Modularisierung).
(Bohmann 2004; Burr 2002; Galbraith 2002b; Miller et al. 2002; Ulrich 1995)
Zielverantwortung/Anreize
Ergebniszuweisung fur Teilleistungen einer Losung auf front-end- und back-end-Organisationseinheiten.
(Galbraith 2002b; Miller et al. 2002)
Losungsumsetzung
Priorisierung des EInsatzes von knappen Mitarbeiterressourcen und technischen Komponenten (Losungsentwicklung und -erbringung oder Produktentwicklung und -erbringung).
(Galbraith 2002b; Miller et al. 2002)
Abbildung 3: Koordinationsbedarfe bei hybrider Wertschopfung
5.
Zusammenfassung
Hybride Produkte sind fur Produktanbieter und Dienstleistungsuntemehmen eine interessante strategische Option. Fur Produktanbieter entstehen durch die Ausrichtung auf spezifische Kundenprobleme neue Differenzierungsmoglichkeiten. Fur Dienstleistungsanbieter, die im Losungsgeschaft aktiv sind, stellen hybride Produkte mogHcherweise einen Schritt in Richtung mass customized solutions dar, die fiir IKT-Dienstleistungen von Branchenanalysten vorhergesehen werden. Allerdings werden in hybriden Produkten auch Teilleistungen integriert, die sehr unterschiedliche Entwicklungs- und Herstellprozesse besitzen und fiir die jeweils eigene Er-
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folgsfaktoren gelten. Um diese besser bestimmen zu konnen, wurden in diesem Beitrag konstitutive Merkmale der Leistungsarten hybrider Produkte erarbeitet und unterschiedliche Realisierungsformen aufgezeigt. Dabei ist deutlich geworden, dass kundenspezifische Leistungen andere Anforderungen an eine Organisation stellen als standardisierte Leistungen und gleiches lasst sich auch fur materielle bzw. immaterielle Leistungsanteile sagen. Daher hat der Beitrag argumentiert, dass in der organisatorischen Ausgestaltung der Entscheidungs- und Mitwirkungsrechte bei der Entwicklung und Erstellung hybrider Produkte eine zentrale Herausforderung besteht. Auch in der Forschung fehlt es dazu an begrundeten Losungsvorschlagen. Als erster Schritt auf diesem Weg hat der Beitrag in der Literatur bereits defmierte Koordinationsbedarfe zusammengefasst. Ziel muss es sein, Losungsaltemativen zur Governance hybrider Wertschopfiing zu entwickeln, die diese Bedarfe decken, um damit den Wandel zum Anbieter hybrider Produkte fur Produkthersteller und Dienstleistungsanbieter zu erleichtem.
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Tilo Bohmann und Helmut Krcmar
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Hybride Produkte: Merkmale und Herausforderungen
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Dieter Spath, Walter Ganz und Bemd Bienzeisler
Die Analyse von Zeittreibem als Ansatzpunkt fiir das Management hybrider Wertschopfung
1. Zusammenfassung 2. Zeit als okonomische GroBe 2.1 Zeit als Wettbewerbsfaktor 2.2 Zeit als Steuemngsgrofie 2.3 Zeit im Entwicklungsprozess 3. Die Analyse von Zeittreibem in der Praxis 3.1 Vom hybriden Produkt zur hybriden Wertschopfung 3.2 Das Invoice CENTER - hybride Wertschopfung bei Oce 3.3 Die Analyse von Zeittreibem im Innovationsprozess 3.3.1 Zeittreiber „Partnerauswahl und vertragliche Regelungen" 3.3.2 Zeittreiber „Vorgehen bei kundenspezifischen Anpassungen" 3.3.3 Zeittreiber „Fehlende Kenntnisse im Vertrieb" 4. Implikationen fur Management und Forschung Literatur
Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath leitet das Fraunhofer-Institut fiir Arbeitswirtschafl und Organisation (lAO), Stuttgart, und das Institut fiir Arbeitswissenschaften und Technologicmanagement (lAT) der Universitat Stuttgart. Walter Ganz, M.A., ist Forschungsdirektor und Dipl.-Soz.-Wiss. Bernd Bienzeisler wissenschaftlicher Angestellter am lAO.
1.
Zusammenfassung
Hybride Wertschopfiing entsteht, wenn es im Zuge der Integration von Produktion und Dienstleistung nicht nur zu einer Neugestaltung von Leistungsangeboten und Produkten, sondem dariiber hinaus zu einer Reorganisation von Wertschopfungsketten und zur Ausdifferenzierung neuer Geschaftsmodelle kommt. Die Identifikation und die Analyse zeittreibender Faktoren und Konstellationen liefem hierbei wichtige Ansatzpunkte fur das Management hybrider Wertschopfungsformen, weil sich daraus Beschleunigungspotenziale und Gestaltungshinweise zur Bewaltigung technischer, organisatorischer und personalwirtschaftlicher Herausfordemngen einer weitergehenden Integration von Produktion und Dienstleistung ableiten lassen. Anhand eines betrieblichen Fallbeispiels werden die Zusammenhange verdeutlicht.
2.
Zeit als okonomische GroBe
2.1 Zeit als Wettbewerbsfaktor Seit den 1980er Jahren gewinnt „Zeit" als Wettbewerbsfaktor an Bedeutung (Simon 1989). Als Ursache daftir konnen drei Griinde genannt werden, die in engem Zusammenhang stehen: (l)Die Reduktion des Zeitbedarfes zur Verrichtung einer Tatigkeit ist die klassische Form der Produktivitatssteigerung. Geschwindigkeitsvorteile sind gemafi dieser Logik Kostenvorteile, deren Bedeutung im Zuge eines verscharften globalen Wettbewerbs steigt. (2) Mit dem Aufkommen neuer Informations- und Telekommunikationstechnologien (luK) hat sich ein massiv beschleunigter Wissens- und Know-how-Transfer entwickelt. Damit gehen eine erhohte Anderungsgeschwindigkeit von Markten, ein sich rascher verandemdes Konsumentenverhalten und verkiirzte Produktlebenszyklen einher. (3) SchlieBlich bietet die Verkiirzung der Dauer fur die Entwicklung und Markteinfuhrung von Produktinnovationen eine der effektivsten MaBnahmen zum Schutz vor Imitation und Nachahmung, was besonders flir Produkte wichtiger wird, deren Wert sich durch das darin enthaltene Wissen defmiert. In vielen Branchen wird deshalb der Wettbewerb heute als „Zeitwettbewerb" ausgetragen (Voigt 1998). Wichtige Stichworte beim Kampf um zeitliche Wettbewerbsvorteile sind „Prozessbeschleunigung", „Time-to-Market", „Simultaneous Engineering" - um
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Dieter Spath, Walter Ganz und Bemd Bienzeisler
nur einige zu nennen. Gemeint sind strategische Ansatze, die sich nicht auf einzelne Organisationseinheiten, sondem auf samtliche Untemehmensbereiche und dariiber hinaus erstrecken (Backhaus/Gruner 1994). Erfolgreiches Zeitmanagement zielt darauf ab, die Effizienz der Untemehmensfuhrung zu erhohen, indem der Faktor Zeit als Orientierungsmarke fur samtliche strategische Entscheidungen herangezogen wird. Ein dem zugrunde liegendes ZeitmanagementParadigma impliziert, dass alle Dimensionen der betrieblichen Leistungserstellung Kosten, Qualitat und Zeit - durch ein Ansetzen am Faktor Zeit positiv beeinflusst werden konnen (Kirschbaum 1995, S. 53). AUerdings bewegen sich Zeitmanager in einem Spannungsfeld. Denn dem Phanomen einer Zeitverknappung und Beschleunigung steht in vielen Bereichen eine sich erhohende Aufgabenkomplexitat gegeniiber, deren Bewaltigung in erster Linie eins erfordert: die Inanspruchnahme von Zeit.
2.2 Zeit als SteuerungsgroBe Dies lasst erahnen, dass es bei der Betrachtung der GroBe „Zeit" nicht allein um das Erzielen von Geschwindigkeitsvorteilen gehen kann. Stalk und Hout (1990, S. 316) heben hervor, dass der Endzweck des Zeitwettbewerbs nicht darin besteht, die Geschwindigkeit Oder die Produktvielfalt im Untemehmen zu erhohen, sondem den Kunden zu binden. Geschwindigkeit und Flexibilitat sind als Instrumente zu verstehen, die primar nach auBen zielen, weil sie es ermoglichen, Kundenprobleme schneller zu identifizieren und zu losen, so dass die Wettbewerbsfahigkeit des Kunden (!) gesteigert wird. Um dies zu erreichen, mlissen die intemen Prozesse konsequent an den Wertschopfiingsprozessen des Kunden ausgerichtet werden (Meyer 1994). Ein solches Zeitverstandnis lasst sich mit einem rein an der Geschwindigkeit bzw. an der Bewegung orientierten Zeitbegriff kaum fassen. Niklas Luhmann hat als Vertreter der Systemtheorie einen Zeitbegriff entwickelt, der vom Geschwindigkeitsbegriff abstrahiert. Zeit wird bei Luhmann als Erwartungshorizont konzipiert, der es erlaubt, Komplexitat sequentiell, also im Nacheinander zu verarbeiten (Luhmann 1980; 1990). Die Inanspruchnahme von Zeit zur Komplexitatsreduktion wachst mit der Systemkomplexitat, wobei von einem komplexen System zu sprechen ist, wenn nicht mehr jedes Element mit jedem verkniipft werden kann, so dass die Bildung von Strukturen notwendig wird. Zwar konnen Systeme Komplexitat in einem gewissen Umfang parallel verarbeiten. Dies ist allerdings nur zum Preis von Steuerungsproblemen zeitlicher Art zu erlangen, denn je mehr Interaktionen in einem System gleichzeitig ablaufen, desto starker treten Probleme der Koordination in den Vordergrund. Fur den weiteren Beitrag wird festgehalten, dass die wachsende Bedeutung des Faktors „Zeit" ein Ausdruck dafiir sein kann, dass Organisationssysteme Koordinations- und
Zeittreiber als Ansatzpunkt fur das Management hybrider Wertschopfung
261
Synchronisationsprobleme zu bewaltigen haben, die entstehen, wenn aufgrund wachsender Vemetzung und Komplexitat unterschiedliche Erwartungshorizonte, Wertschopfiingsprozesse und Handlungslogiken in Einklang gebracht werden miissen.
2.3 Zeit im Entwicklungsprozess Die Auseinandersetzung mit der Grofie „Zeit" im Wertschopfiingsprozess fmdet auch in den ingenieurwissenschaftlichen Ansatzen zur Produktentwicklung ihren Niederschlag. Im Vordergrund steht dabei die Verktirzung von Innovations- und Entwicklungszyklen. Fiir die Beschleunigung von Innovation wird dem Entwicklungsprozess im Allgemeinen eine erfolgskritische Rolle zugeschrieben (Weltz/Ortmann 1992; Brodner 1996; Jiirgens 1999; Bullinger 2006). Aktuelle Umfragen unterstreichen die Bedeutung der Produktentwicklungsdauer. Dabei bewertet die iiberwiegende Anzahl der Untemehmen die Entwicklungsdauer als „wichtig" oder „sehr wichtig" fiir den spateren Gesamterfolg des Produktes (vgl. Abbildung 1). Mit dem Ansatz des Rapid Product Development (RPD) ist im Bereich der Produktentwicklung in den vergangenen Jahren ein anwendungsorientierter Forschungsansatz entstanden, der auf die Verktirzung von Entwicklungszeiten durch eine Reduktion von Koordinations- und Synchronisationsproblemen abzielt (Bullinger et al. 1996; 1997). Erreicht wird dies durch die Verlagerung von Lemprozessen in die friihen Phasen der Entwicklung, so dass Fehler und Problemstellungen nicht erst kostspielig am Ende des Entwicklungsprozesses korrigiert werden mtissen, sondem zum Zeitpunkt ihres Entstehens erkannt und mit geringem Aufwand beseitigt werden konnen.
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Gesamt
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sehr wichtig wichtig weniger wichtig unwichtig
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Antell der Unternehmen [in %]
Abbildung 1: Einschatzung der Bedeutung der Produktentwicklungsdauer fiir den Erfolg des Produktes (Quelle: Slama et al. 2006, S. 115) Der Kemgedanke des RPD-Ansatzes basiert auf der Entwicklung friiher Prototypen auf Basis einer informationstechnisch gestutzten Erstellung physischer Prototypen. Im Gegensatz zur sequentiellen Entwicklung werden beim RPD-Konzept die Funktions-, Qualitats- und Kostenmerkmale demnach schon zu Beginn eines Entwicklungsprozesses festgelegt. Durch die Anfertigung mehrerer Prototypen unterschiedlicher Reifegrade erhoht sich die Anzahl von Entwicklungszyklen, so dass der Produktentwicklungsprozess einen iterativen Charakter annimmt. Nicht nur in der Produktentwicklung, sondem auch im Bereich der Dienstleistungsinnovation gibt es konzeptionelle Ansatze zur Beschleunigung von Entwicklungsprozessen. Im Gegensatz zur Produktentwicklung handelt es sich bei der systematischen Entwicklung von Dienstleistungen jedoch um ein junges Forschungsfeld, welches sich in Deutschland unter dem Begriff des „Service Engineering" etabliert hat (Bullinger/Scheer 2003). Service Engineering beschaftigt sich mit der Entwicklung und Gestaltung von Dienstleistungsprodukten unter Verwendung geeigneter Vorgehensmodelle, Methoden
Zeittreiber als Ansatzpunkt fur das Management hybrider Wertschopfung
263
und Werkzeuge. Der Einsatz standardisierter Vorgehensmodelle und entsprechender Werkzeuge verheiBt auch fur den Dienstleistungsbereich signifikante Vorteile wie Reduktion der Entwicklungskosten, Verkiirzung der Entwicklungszeiten bis zur Markteinfiihrung einer neuen Dienstleistung und gleichzeitige Verbesserung der Dienstleistungsqualitat (BuUinger/Schreiner 2003; Spath/Zahn 2003). Damit liegen sowohl fur Produkte als auch fiir Dienstleistungen Ansatze zur Optimierung und Beschleunigung von Entwicklungsprozessen vor. Gleichwohl zeigt die unternehmerische Praxis, dass die Einhaltung der geplanten Entwicklungszeiten eine Herausforderung darstellt. In der Regel wird fur den Entwicklungsprozess deutlich mehr Zeit aufgewendet als vorab kalkuliert wird (vgl. Abbildung 2). Die Griinde sind in erster Linie darin zu finden, dass sich der Zeitwettbewerb weiter verscharft und sich die Komplexitat der Produktkomponenten zugleich weiter erhoht hat. Auch die wachsende Anzahl der in den Entwicklungsprozess involvierten Akteure und Zulieferer wirkt zeitverzogemd. Dariiber hinaus diirfte ein weiterer Grund darin liegen, dass es sich bei Entwicklungsprozessen zunehmend um hybride Prozesse handelt, bei denen die Entwicklung der Sachgut- und der Dienstleistungsanteile mehr oder weniger integriert erfolgen (Fahnrich et al. 2004; Zahn et al. 2004). Im Umfeld hybrider Entwicklungsprozesse bestehen allerdings Forschungsdefizite, es fehlt vielfach an geeigneten Vorgehensweisen, Modellen und Instrumenten zu ihrer Unterstutzung, Optimierung und Beschleunigung. Das spiegelt sich darin wider, dass das Bundesministerium fur Bildung und Forschung (BMBF) kiirzlich eine Forderbekanntmachung veroffentlicht hat, die zur Erforschung der „Integration von Produktion und Dienstleistung" aufruft (BMBF 2005). Davon unabhangig wurden im Rahmen eines intemen Forschungsprojektes der Fraunhofer-Gesellschaft („Fraunhofer als Innovationsbeschleuniger") hybride Entwicklungsprozesse in der untemehmerischen Praxis verfolgt und auf zeittreibende Konstellationen analysiert. Ziel des Projektes war es, neue Methoden und Vorgehensweisen zu entwickeln, um die Innovationsfahigkeit von Untemehmen insgesamt zu steigem (Bullinger 2006). Ergebnisausziige aus einer von mehreren Fallstudien des Projektes werden im Weiteren skizziert. Zunachst jedoch erfolgt eine begriffliche Eingrenzung von hybriden Wertschopfungsformen.
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genauso viel Zeit wie geplant
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mehr Zeit als geplant 100 bis 499 keine Planung der Produktentwicklungsdauer 17
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Abbildung 2: Einschatzung zur Einhaltung der Zeitplanung bei Produktentwicklungsprojekten (Quelle: Slama et al. 2006, S. 116)
3.
Die Analyse von Zeittreibem in der Praxis
3.1 Vom hybriden Produkt zur hybriden Wertschopfung Seit langerem wird ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Produktion und Dienstleistung konstatiert. An die Stelle einer sektoralen Wertschopfungsbetrachtung riickt zunehmend eine kundenorientierte Wertschopfungsperspektive. Der Kunde wird dabei nicht mehr allein als Konsument, sondem als aktiver Teil eines Wertschopfiingsprozesses betrachtet (Gummesson 1994; Reichwald/Piller 2006). Selbst bei klassischen Sachgutproduzenten sind Bestrebungen auszumachen, die wertschopfenden Anteile des Kunden zu erhohen (Womack/Jones 2005). Dies geschieht, indem z.B. Teile der Produktspezifikation durch den Kunden selbst vorgenommen werden, etwa bei der kundenspezifischen Zusammenstellung von Computer-Bauteilen.
Zeittreiber als Ansatzpunkt fiir das Management hybrider Wertschopfiing
265
Andere Ansatze sehen den Kunden nicht nur als wertschopfenden Akteur, sondem als Ausgangspunkt fur Innovationsprozesse. Am konsequentesten hat bislang Eric von Hippel (1986) diese reziproke Logik von Innovationen formuliert. Von Hippel geht davon aus, dass die zentralen Impulse fur Innovationen nicht mehr allein vom Anbieter ausgehen miissen, sondem dass diese sich zunehmend darauf konzentrieren, den interaktiven Austausch mit kreativen und engagierten Konsumenten, so genannten „Lead Usem", zu organisieren, um Zugang zu einem prinzipiell unbeschrankten Raum an Wissen und Kreativitat zu erhalten. Selbst im Kembereich industrieller Wertschopfung, dem Maschinen- und Anlagenbau, gehen heute wichtige Innovationsimpulse vom Kunden aus, so dass auch hier versucht wird, mit innovativen Dienstleistungsangeboten die Kundenbindung zu erhohen. So werden beispielsweise produktbegleitende Dienstleistungen inzwischen nahezu von alien Untemehmen des produzierenden Gewerbes angeboten (Lay 1999) und gut 15 Prozent der Beschafligten in dieser Branche sind ausschlieBlich mit der Erbringung produktbezogener Services befasst (VDMA 2002). Andere Untersuchungen belegen, dass 93 Prozent der Investitionsgiiterhersteller eine steigende Bedeutung von Services sehen, zumal die Service-Bereiche oftmals deutlich profitabler arbeiten (Husen 2006). In der Dienstleistungsforschung fmdet die Annaherung von Produktion und Dienstleistung zuerst im Begriff des „hybriden Produktes" ihren Niederschlag. Hybride Produkte werden verstanden als Produkte, die systematisch mit Dienstleistungsanteilen verkniipft werden, um neue Absatzmoglichkeiten zu erschlieBen und eine engere Kundenorientierung und Kundenbindung zu ermoglichen (Bullinger 1997). Spatere Ansatze lassen eine Unterscheidung von hybriden Produkten und dienstleistungsorientierten Wertschopfungsformen erkennen. So skizzieren Korell und Ganz (2000, S. 153) zwei unterschiedliche Entwicklungsstrange hybrider Produkte: ^^ Zum einen entwickeln Untemehmen Dienstleistungen als Erganzungen zu ihren physischen Kemprodukten. Das Produkt steht dabei weiter im Mittelpunkt; die Dienstleistung wird primar als Produkterganzung gesehen. ^^^ Zum anderen sind produzierende Untemehmen zu beobachten, die sich im Zuge der Orientiemng an hybriden Produkten selbst zum Dienstleister weiterentwickeln, wobei die Dienstleistung zum eigentlichen Produkt avanciert und das urspriingliche physische Produkt in den Hintergmnd tritt. Inzwischen hat das Zusammenspiel von Produktion und Dienstleistung in einigen Bereichen einen Integrationsgrad erreicht, der es nahe legt, von „hybrider Wertschopfung" zu sprechen. Hybride Wertschopfiing entsteht, wenn es im Zuge der Integration von Produktion und Dienstleistungen nicht nur zu einer Neugestaltung von Leistungsangeboten und Produkten, sondem dariiber hinaus zu einer Reorganisation von Wertschopfungsketten und zur Ausdifferenziemng neuer Geschaftsmodelle kommt. Dabei geht es nicht allein um die Transformation einzelner Organisationseinheiten, sondem um die Transft)rmation des gesamten organisationalen Gefiiges im Kontext von Netzwerken, in denen
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Wertschopfung erst durch das untemehmens- und sektorlibergreifende Zusammenfuhren von Kompetenzen und Ressourcen moglich wird (Bienzeisler/Ganz 2006). Der Aufbau, die Gestaltung und das Management hybrider Wertschopfung verlangen neue Formen der Strukturierung und Steuerung, wobei dem Faktor „Zeit" eine besondere Rolle zukommt. Die Relevanz des Faktors Zeit als steuemde Variable spiegelt sich auch darin wider, dass bei besonders weit entwickelten Formen hybrider Wertschopfung die Beurteilung der Leistungsqualitat weniger an einem konkreten Produkt oder einer konkreten Dienstleistung festgemacht wird, sondem sich der Qualitatsbegriff verstarkt auf den Zeitraum der produktiven Nutzung eines Wertschopfungssystems (Life Cycle Costs) bezieht (Lapierre et al. 1999). Besonders instruktiv lasst sich eine zyklusorientierte Nutzen-Logik anhand von „Betreibermodellen" beobachten (Homschild et al. 2003). Betreibermodelle zeichnen sich dadurch aus, dass der Produzent einer Leistung fur einen begrenzten Zeitraum den Produktionsprozess auf einen Dienstleister (Betreiber) iibertragt und selbst als Kunde seiner eigenen Produkte gegenliber einer Betreibergesellschaft auftritt. Bei echten Betreibermodellen ist es schwierig, von „Kundenintegration" - im Sinne der Integration des Kunden in die Prozesse eines Untemehmens - zu sprechen, weil sie den Aufbau einer eigenstandigen organisatorischen, technischen und haufig auch personellen Infrastruktur voraussetzen (Reindl 2002).
3.2 Das Invoice CENTER - hybride Wertschopfung bei Oce Im Rahmen des oben erwahnten Projektes „Fraunhofer als Innovationsbeschleuniger" konnte das Fraunhofer-Institut fiir Arbeitswirtschaft und Organisation (lAO) den Entwicklungsprozess eines hybriden Wertschopfungsmodells bei der Firma Oce Technologies GmbH retrospektiv aufarbeiten und analysieren. Eine Beschreibung der methodischen Vorgehensweisen und der Ergebnisse des Projektes „Fraunhofer als Innovationsbeschleuniger" fmdet sich bei BuUinger (2006). Die Analyse von zeittreibenden Faktoren bei der Firma Oce ist als Teilprojekt einer umfassenderen Untersuchung von betrieblichen Innovationsprozessen zu verstehen. Oce entwickelt und vertreibt Produkte, Software und Dienstleistungen im Bereich des Druck- und Dokumentenmanagements. Bis vor kurzem lag der Schwerpunkt in der Entwicklung von Hard- und Software-Produkten. Geplant ist, das Geschaftsfeld Dienstleistungen weiter auszubauen. Eines der in diesem Zusammenhang entwickelten neuen Service-Konzepte ist das hybride Geschaftsmodell „Invoice CENTER". Die Losung Invoice CENTER, konzipiert als „preconfigured system" mit moglichst hohen Produktanteilen, zielt darauf ab, den kompletten Arbeitsfluss (Workflow) der unternehmerischen Rechnungsbearbeitung zu digitalisieren und zu automatisieren (Freitag et al. 2006). Neben der Digitalisierung von Rechnungsdokumenten ist die automatische
Zeittreiber als Ansatzpunkt flir das Management hybrider Wertschopfung
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Datenextraktion der zweite Schlussel zur Prozessoptimierung. Statt Rechnungsdaten miihsam in Warenwirtschaftssysteme einzutippen, extrahiert eine intelligente Dokumentenanalyse-Software jede gescannte Rechnung und schlagt die passende Buchung vor. Der komplette Prozess einer digitalen Rechnungsbearbeitung ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Losung Invoice CENTER basiert auf einer von Oce entwickelten Software zum Auslesen von Rechnungsdaten, deren Erkennungsgrad durch kundenspezifische Anpassungen erhoht wird und die an unterschiedliche Warenwirtschaftssysteme angepasst werden kann.
Abbildung 3: Darstellung der digitalen Rechungslegung (Quelle: Oce Technologies GmbH) Der hybride Charakter des Geschaftsmodells Invoice CENTER resultiert aus dem hohen Integrationsgrad von Produkt- und Dienstleistungsanteilen bereits im Entwicklungsstadium. Produktanteile umfassen in erster Linie die Hardware- und Softwareentwicklung, insbesondere die Entwicklung der Software zur Rechnungserkennung. In diesem Feld hat die Firma Oce hohe Kemkompetenzen entwickelt. Der Kunden-Mehrwert erreicht jedoch erst bei einem hohen Erkennungsgrad sein Maximum, weil so eine Automatisierung der Rechnungsabwicklung moglich wird. Damit dies erreicht werden kann, sind kundenspezifische Anpassungsleistungen der Software notwendig. Dabei erfordert diese Anpassung, dass die Rechnungslegungs- und Geschaftsprozesse des Kunden analytisch durchdrungen und in ihren Funktions- und Wirkungszusammenhangen verstanden werden, so dass dieses Wissen in technische Spezifikationen iiberfiihrt und abgebildet werden kann. Die Integration solch dienstleistungsspezifischer Komponenten in die Entwicklung des neuen hybriden Geschaftsmodells
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stellte flir das Untemehmen Oce als ehemaligen Hardwarehersteller die eigentliche Herausforderung dar. Gemeinsam mit ausgewahlten Pilotkunden wurde das Geschaftsmodell Invoice CENTER zur Serienreife entwickelt. Als Vermarktungsstrategien stehen derzeit drei Optionen zur Verfugung: Zum Ersten wird das Konzept im Direktvertrieb als Einzellosung verkauft. Zum Zweiten erfolgt ein Partnervertrieb tiber qualifizierte Partner. Zum Dritten wird geplant, und bereits bei Pilotkunden mit Partnem - zunachst aus dem Oce-Konzem - realisiert, die Losung Invoice CENTER im Rahmen eines Business Process Outsourcing (BPO) als Betreibermodell zu organisieren.
3.3 Die Analyse von Zeittreibem im Innovationsprozess Auf dem Weg zu schnelleren Innovationsprojekten spielt das Wissen tiber Zeittreiber und dariiber, wie diese iiberwunden werden konnen, eine wichtige Rolle. Die vom Fraunhofer-Institut fiir Arbeitswirtschaft und Organisation entwickelte Zeittreiberanalyse bietet ein systematisches Vorgehen in drei Schritten, um Innovationsprojekte im Hinblick auf Koordinations- und Synchronisationsbedarfe zu analysieren und zeitliche Optimierungspotenziale freisetzen zu konnen (Slama et al. 2006): (1) Projekt-Blitzlicht (erster Schritt): In einem ersten Schritt werden die fiir das Innovationsprojekt relevanten Phasen mit ihrer tatsachlichen Dauer, Reihenfolge, Bezeichnung, Kurzbeschreibung und Ergebnis erhoben, so dass die Entwicklungsphasen eines Innovationsprojektes nachtraglich rekonstruiert werden konnen. (2) Zeittreiber-Diagnose (zweiter Schritt): Auf Basis des im ersten Schritt gewonnenen Projektablaufwissens wird retrospektiv eine Diagnose suboptimaler Ablaufe und Prozesse entlang der einzelnen Innovationsphasen erstellt. Bei der Frage nach Ursachen flir Verzogerungen und Blockaden werden am Projekt beteiligte Wissenstrager moglichst vieler Hierarchiestufen und Projektphasen einbezogen. (3) Innovationsbeschleunigung (dritter Schritt): Im dritten Schritt werden MaBnahmen defmiert, um die Koordination und Synchronisation zukiinftiger Innovationsprozesse zu optimieren. Aufbauend auf der qualitativen Untersuchung in Schritt 2 wird die Relevanz einzelner Zeittreiber bewertet (vgl. Abbildung 4). Im Anschluss werden MaBnahmen und Handlungsempfehlungen zur kiinftigen Beschleunigung von Innovationsprozessen defmiert. Die Datenerhebung bei Oce erfolgte anhand von 12 Interviews mit Projektverantwortlichen. Im Folgenden werden drei als relevant bewertete Zeittreiber herausgehoben, die exemplarisch aufzeigen, wo Herausforderungen bei der Entwicklung hybrider Wertschopfiingsformen liegen und die zugleich unterschiedliche Phasen des Innovationsprozesses reprasentieren.
Zeittreiber als Ansatzpunkt fjir das Management hybrider Wertschopfung
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Abbildung 4: Zeittreiber-Bewertungsmatrix (Quelle: Slama et al. 2006, S. 123)
3.3.1 Zeittreiber „Partnerauswahl und vertragliche Regelungen" Eine der zentralen Funktionalitaten der Invoice CENTER Losung besteht im Auslesen der Rechnungsdaten und deren automatische Ubertragung in das Warenwirtschaftssystem des Kunden, wie z.B. SAP. Nur wenn dies gewahrleistet ist, werden Medienbriiche und manuelle Doppeleingaben vermieden. Ftir den Entwicklungsprozess bedeutete dies, dass bei Oce von Beginn an Kompetenzen in der Software-Architektur von Warenwirtschaftssystemen vorliegen mussten - ein Wissen, welches das Untemehmen kurzfristig nicht allein hatte aufbauen konnen. Deshalb fiel relativ friih die Entscheidung, eine strategische Partnerschaft mit einem Softwarehaus einzugehen, das auf Geschaftsprozesssoftware spezialisiert ist. In den Interviewverlaufen stellte sich heraus, dass die zeitliche Dauer flir die Auswahl des Entwicklungspartners im Vorfeld unterschatzt wurde. Ursachlich dafur war das hohe MaB an Unsicherheit, welches die friihen Phasen der Entwicklung kennzeichnete. So musste der Entwicklungspartner nicht nur kompetent, sondem auch bereit sein, sich auf einen weitgehend offenen Planungs- und Zielprozess einzulassen. Denn zu Beginn des Entwicklungsprozesses war noch nicht klar, ob und wie die mit dem Invoice CENTER angestrebten Ziele erreicht werden konnten. Dariiber hinaus gestaltete sich die vertragliche Regelung der Entwicklungspartnerschaft als schwierig. Grund dafur waren ebenfalls
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Dieter Spath, Walter Ganz und Bemd Bienzeisler
Unsicherheiten, da die Vermarktungsfahigkeit und der Vermarktungswert des vollig neu zu konzipierenden Geschaftsmodells in den friihen Phasen des Innovationsprozesses schwer kalkulierbar waren. Und schlieBlich musste der Kooperationspartner im Hinblick auf Kapazitaten und Ressourcen in der Lage sein, die hohe Innovationsgeschwindigkeit und die daraus resultierenden Kommunikations- und Abstimmungsbedarfe zu bewaltigen.
3.3.2 Zeittreiber „Vorgehen bei kundenspezifischen Anpassungen" Ein Zeittreiber, der die mittlere Phase des Entwicklungsprozesses adressiert, konnte im Bereich „Vorgehen bei kundenspezifischen Anpassungen" identifiziert werden. Die technischen Entwicklungsbereiche mussten die kundenspezifischen Anpassungsleistungen mit Kunden entwickeln, die primar aus einer betriebswirtschaftHchen Perspektive argumentierten und schnell einen fast hundertprozentigen Rechnungserkennungsgrad erreichen woUten, um rasch messbare Kostenvorteile zu generieren. Dies stand in einem gewissen Widerspruch zu der Absicht, mit dem Invoice CENTER eine Serienlosung mit hohen Standardanteilen zu entwickeln, die im spateren Vertrieb Skaleneffekte generiert. Das Spannungsverhaltnis zwischen der Entwicklung einer vermarktbaren Standardlosung und einer kundenspezifischen Einzelanpassung fiihrte zu ungeplanten Kommunikations- und Abstimmungsproblemen zwischen der Entwicklung und den Pilotkunden, zumal beide Seiten erst einmal eine gemeinsame „Sprache" liber den Entwicklungsgegenstand finden mussten.
3,3.3 Zeittreiber „Fehlende Kenntnisse im Vertrieb" Als letzter Zeittreiber sei auf „Fehlende Kenntnisse im Vertrieb" verwiesen - ein Zeittreiber, der die nachgelagerte Vermarktungsphase kennzeichnet. So sah sich der Vertrieb mit der Vermarktung eines Geschaftsmodells konfrontiert, welches nicht nur Vermarktungs-, sondem vor allem Beratungs-Know-how in den Verkaufsbereichen verlangt. Ein effektiver Vertrieb der Losung Invoice CENTER setzt namlich voraus, dass kompetent dargelegt werden kann, welche Implikationen sich fiir die Geschaftsprozesse des Kunden ergeben bzw. wie sich eine digitalisierte Rechnungsstellung technisch, organisatorisch und betriebswirtschaftlich auswirkt. Die zeitliche Dauer fur diesen Kompetenz- und Know-how-Aufbau in den Vertriebs- und Marketingbereichen wurde zu Beginn unterschatzt und hatte im optimalen Fall bereits parallel zum Entwicklungsprozess stattfmden konnen.
Zeittreiber als Ansatzpunkt filr das Management hybrider Wertschopfung
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Implikationen fiir Management und Forschung
Die Ausgangsthese lautet, dass der Faktor Zeit als wichtige SteuerungsgroBe fur das Management hybrider Wertschopfungsformen zu betrachten ist. Synchronisations- und Koordinationsprobleme treten gehauft auf, wenn unterschiedliche Erwartungshorizonte, Wertschopfungsprozesse und okonomische Rationalitaten integriert werden miissen, wie dies fur hybride Wertschopfungsmodelle charakteristisch ist. Im Rahmen einer Zeittreiberanalyse wurden entlang der Entwicklung des hybriden Geschaftsmodells Invoice CENTER drei Zeittreiber und deren Ursachen skizziert, die erkennen lassen, dass eine genauere Betrachtung von zeittreibenden Faktoren und Konstellationen im Umfeld hybrider Wertschopfungsformen nicht nur Potenziale zur Beschleunigung einzelner Ablaufe freisetzt, sondem Hinweise zur Bewaltigung organisatorischer, personalwirtschaftlicher und untemehmenskultureller Herausforderungen liefert: • So verweist der Zeittreiber „Partnerauswahl und vertragliche Regelungen" auf organisatorische Herausforderungen, die entstehen, wenn zu einem friihen Entwicklungszeitpunkt tragfahige Kooperations- und Netzwerkpartnerschaften geschlossen werden miissen, ohne dass bereits der Entwicklungsgegenstand in seinen Konturen vollstandig erkennbar ist. Der Zeittreiber „Vorgehen bei kundenspezifischen Leistungen" liefert Hinweise auf Kommunikations- und Interaktionsschwierigkeiten zwischen der Entwicklung und den Pilotkunden. Hier fuhrt der hohe Integrationsgrad der Kunden zum Aufeinandertreffen unterschiedlicher Erwartungshorizonte, disziplinspezifischer Perspektiven und Handlungsrationalitaten. Der Zeittreiber „Fehlende Kenntnisse im Vertrieb" macht deutlich, dass die Entwicklung hybrider Wertschopfungsformen ein Ausloser fur die Transformation des gesamten organisationalen Gefiiges (Business Transformation) sein kann - erkennbar an veranderten Vertriebsfunktionen und -aufgaben, die einen frlihzeitigen Aufbau von Beratungskompetenz und gegebenenfalls strukturelle Anpassungen erfordem. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die GroBe „Zeit" im Wertschopfungsprozess haufig allein zur Optimierung und Beschleunigung einzelner Prozesse und Ablaufe herangezogen wird. Zeit gilt als „harter" Faktor, der gut messbar ist und leicht in Kennzahlen abgebildet werden kann. Weniger entwickelt ist das Verstandnis dafur, dass der Faktor Zeit auch Hinweise fur das Management und die Gestaltung „weicher" Faktoren (Organisation, Personal, Untemehmenskultur usw.) liefert, deren friihzeitige Bewaltigung fiir den erfolgreichen Aufbau hybrider Geschaftsmodelle besonders bedeutsam ist. Allerdings existieren bislang kaum ausgereifte Methoden und Werkzeuge, um zeittreibende Faktoren im Vorfeld eines Entwicklungsprozesses erkennen und vermeiden bzw. reduzieren zu konnen. In der Folge sind die Entwicklungsmodelle fur die Sachgut- bzw. Dienstleistungsanteile hybrider Wertschopfungsformen oftmals inkompatibel. Wahrend
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die Entwicklung der Sachgutanteile fast ausnahmslos einem linearen Prozessablauf folgt, verlauft die Entwicklung der Dienstleistungskomponenten haufig ungeplant, wenig systematisch und selten integriert. Diese Problematik lieBe sich entscharfen, wenn die Iterationsschleifen im hybriden Entwicklungsprozess erhoht und dadurch die Integration der Produkt-ZDienstleistungsentwicklung intensiviert wlirde. In Analogie zu einem Rapid Product DevelopmentKonzept (siehe oben) wiirde dies den Einsatz hybrider Prototypen bereits in friihen Entwicklungsphasen voraussetzen. Damit konnten in dieser wichtigen Innovationsphase, die durch hohe Informationsdefizite und Unsicherheiten gekennzeichnet ist, plastische Referenzpunkte fiir das Erkennen und Vermeiden von zeittreibenden Konstellationen geschaffen werden. Eine solche Prototypenentwicklung miisste zwangslaufig auf virtuelle Simulationstechniken (Virtual Reality) zuriickgreifen und in der Lage sein, intangible Leistungsbestandteile hybrider Wertschopfungsprozesse abzubilden. Es ist schwer vorstellbar, dass solch ein ambitionierter Ansatz ohne ein engeres Zusammenwirken von Informationstechnik, Ingenieurwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Sozialwissenschaften entwickelt werden kann. Deshalb sind vom Forschungsfeld „Hybride Wertschopfung" wichtige AnstoBe fiir eine interdisziplinar ausgerichtete Dienstleistungsforschung zu erwarten.
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Ricarda B. Bouncken und Andreas Golze
Dienstleistungen in innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken: Anfordemngen und Flex-Adaptives Modell bei hybriden Produkten 1. Einleitung 2. Fallstudie zur Fokussierung der Problematik 3. Innovationen in Dienstleistungsprozessen 3.1 Einstieg und Uberblick iiber empirische Studien 3.2 Kreativitat 3.3 Geschwindigkeit/Zeit 3.4 Kommunikation 3.5 Cross-Funktionalitat 3.6 Formalisierung versus/und Flexibilitat 4. Typen zur Planung kooperativer Innovationsprozesse 4.1 Plan- und strukturdeterminierte Innovationsmodelle 4.1.1 Stage-Gate-Modell 4.1.2 Phase-Review-Prozess 4.1.3 Value Proposition Cycle 4.2 Jazz-Metapher - Improvisationsorientierte Innovationsmodelle 4.3
Flex-Adaptives Modell: Management hybrider Innovationsprozesse
5. Zusammenfassung Literatur
Prof. Dr. Ricarda B. Bouncken ist Inhaberin des Lehrstuhls flir ABWL und Organisation, Personal sowie Innovationsokonomie an der Universitat Greifswald. Dipl.-Kfm. Andreas Golze ist Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl.
1.
Einleitung
Innovationsnetzwerke bilden vermehrt auch fflr Dienstleistungsuntemehmen eine Moglichkeit zur Steigerung ihrer Leistungsfahigkeit. Innerhalb der Netzwerke kann eine Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistungsuntemehmen, aber auch mit Produzenten von Sachgutem, erfolgen. Insbesondere die Beteiligung an innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken versetzt Dienstleistungsuntemehmen in die Lage, ihren Kunden standig verbesserte Leistungen anzubieten oder zusatzliche Ertrage durch produktbegleitende Dienstleistungen zu erwirtschaften. Innerhalb dieser Netzwerke konnen neben Dienstleistungen auch Produkte und Komponenten, also Sachgiiter, zur Erstellung von hybriden Produkten kombiniert werden. Wahrend ein transferiertes Sachgut noch relativ einfach beurteilt und in den Wertschopfungsprozess „eingephased" werden kann, ist die Kombination von Dienstleistungsketten zwischen den Untemehmen schwieriger, weil die Leistungsplanung und -beurteilung starker intangibel und durch humane Leistungsbeitrage gekennzeichnet ist. Damit verbunden sind einerseits Informationsasymmetrien und Nicht-Sichtbarkeiten sowie andererseits erschwerte Planung und Koordination zwischen den Wertschopfungspartnem aufgmnd der Schwankungen des menschlichen Produktionsfaktors. Besonders stark tritt diese Problematik auf, wenn Sachgiiter und Dienstleistungen unmittelbar verbunden werden. Planungs- und Koordinationsprobleme ergeben sich femer bei einer Kooperation zwischen Sachgiiterproduzenten und Dienstleistungsuntemehmen, wenn Sachgiiterproduzenten gezielt eine Planung und Definition des Dienstleistungsprozesses erwarten. Sie selbst haben diese Erwartung, weil eine dezidierte Planung im Rahmen ihres Produktionsprozesses einfacher moglich ist und sie eine solche Planung auch durchffihren. Insbesondere bei einem hohen Anteil menschlicher Leistungen und erhohter Flexibilitat bei der Dienstleistungserstellung wird die Planung und Koordination des verteilten Wertschopfungs- und Innovationsprozesses somit schwieriger; dies umso mehr, wenn die Dienstleistungen direkt in Kooperation mit einem Sachgiiterproduzenten erstellt werden. Diese kurze Darstellung der Problematik innerhalb der Dienstleistungsnetze verdeutlicht, dass Instmmente erforderlich sind, die die Planung und Koordination der Dienstleistungskomponenten, oft kombiniert mit Sachgiitem, in Kooperationen verbessem. Ziel des Beitrags ist es, Koordinationsmoglichkeiten im Rahmen von innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken bei Dienstleistungen zu beurteilen und ein eigenes Modell das Flex-Adaptive Modell - zur Problemlosung zu liefem. Dazu wird der Beitrag unterschiedliche Planungsansatze von Projekten und Prozessen im Hinblick auf ihre Eignung in Dienstleistungsnetzwerken mit hybriden Komponenten aufzeigen und beurteilen. Kriterien zur Evaluation werden aus einer Fallstudie und der Theorie abgeleitet. Damit soil eine Liicke in der Theorie geschlossen und ein Beitrag fur ein verbessertes Management von Dienstleistungsuntemehmen geliefert werden.
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2.
Ricarda B. Bouncken und Andreas Golze
Fallstudie zur Fokussierung der Problematik
Das fiir das Fallbeispiel analysierte Netzwerk hat einen kooperativen Innovationsprozess zum Ziel und wird aus vier Untemehmen der Medienbranche gebildet. Untersucht wurde die Koordination des Dienstleistungsnetzwerkes wahrend des Projektablaufes im Langsschnittvergleich mittels verschiedener Interviews. Hierzu wurde die Kooperation uber neun Monate begleitet. Insgesamt wurden 47 Interviews mit Fuhrungskraften und den operativ tatigen Mitarbeitem durchgefiihrt. Zwei der vier Netzwerkpartner kennen sich aus vorangegangenen Projekten. Der Initiator des kooperativen Innovationsprozesses, bei dem Dienstleistungen und Produktkomponenten verbunden werden, ist ein Tochteruntemehmen eines groBen, weltweit agierenden Videospiele-Publishers. Weitere Partner sind ein Musiklabel, eine Event- und Toumeeagentur sowie ein Videospiele-Entwickler. Zum Verstandnis der Branchenstruktur ist zu bemerken, dass sich die Videospielbranche (inkl. der Computerspieie) in Entwicklungsfirmen, die sich auf Forschung und Entwicklung neuer Spiele konzentrieren, und Publisher, die die entwickelten Spiele vertreiben, aufgliedert (Mliller-Lietzkow/ Bouncken 2006). Die Kosten der Markteinfuhrung eines neuen Produktes liegen zwischen drei und fiinf Mio. Euro. Untemehmen der Musik- und der Videospielbranche miissen aufgrund von Raubkopien in den letzten Jahren Ertragssenkungen hinnehmen und suchen nach neuen Losungswegen. Von dem Netzwerk versprechen sich die Untemehmen Vorteile im Bereich Finanziemng, Kosten, Innovativitat und Marketing. Die Kemaufgabe dieses Netzwerkes liegt zunachst in einer prototypisch angelegten gemeinsamen Entwicklung, Produktion und Vermarktung eines Musikvideos mit Komponenten aus dem Videospiel sowie dem passenden Timing der Band-Toumee. Aufgrund der Kompetenzen des Videospiele-Publishers ist es moglich, programmierte Szenen in ein Musikvideo einzubetten; reale und virtuelle Personen agieren gemeinsam in einem Video. Dies soil die Attraktivitat des Musikvideos erhohen. Mit steigender Qualitat, Neuheit und Attraktivitat der Musikvideos steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Titel bei Musikstationen gespielt wird und so Spiel und Musik-Single starkere Aufmerksamkeit und hohere Umsatze erreichen. Zusatzlich erlauben Synergien auch Kostenvorteile. In dem Netzwerk haben drei Untemehmen direkten Kontakt. Der Spieleentwickler, als Produzent der Sachgutkomponente, hat dagegen nur mit dem initiierenden Partnemnternehmen direkten Kontakt. Zu Beginn des Innovationsprojektes wurde ein Rahmenvertrag zwischen alien direkt interagierenden Partnem geschlossen. Die Vereinbamng enthielt die wichtigsten Punkte der Zusammenarbeit, wie Rechte am Video, am Markennamen und an den Copyrights. Beide Untemehmen der Videospielbranche strebten allerdings eine starkere Terminiemng und Fixiemng der Liefemng und Einbettung von Komponenten an. Bei der Verhandlung dominierten starker Argumente tiber humane Leistungen. Durch deren schlechte Sicht- und Planbarkeit erfolgte dann eine sehr grebe
Dienstleistungen in innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken
279
Definition des Projektablaufes und der jeweiligen Aufgaben. Es wurden nur zwei Meilensteine ftir das weitere Vorgehen festgelegt. Jeder Partner bildete ein Projektteam. Die Weitergabe von Informationen an die Teammitglieder durch die Projektleitung bzw. durch das Management erfolgte in den jeweiligen Partneruntemehmen unterschiedlich gut. In zwei der drei Untemehmen wurden die Teams ziigig und umfassend vom Management informiert. Im Gegensatz dazu informierte das Management des dritten Untemehmens seine Projektmitarbeiter kaum und liberlieB die Durchfiihrung dem Know-how der operativen Mitarbeiter. Obwohl die Manager der kooperierenden Firmen auf den ersten Blick den Eindruck hatten, dass die Arbeitsstile des Managements und der Mitarbeiter sehr ahnUch sind, zeigten sich mit der Zeit Unterschiede bei den Projektteams. Deutlich wurde beispielsweise, dass die Untemehmen mit mehr human gepragten Dienstleistungen weniger Planung ihres Projektablaufes durchflihrten und akzeptierten. Die Probleme nicht ausreichender Koordination und unterschiedlicher Planungsumfange im Projektablauf wurden zu zwei Zeitpunkten virulent. Bei beiden Problemen war die Koordination von Dienst- und Produktleistungen nicht ausreichend. Insbesondere wurde die Aufgabenbewaltigung auf der und fiir die operative Ebene nicht abgestimmt. Es kam in beiden Fallen zu Kostenerhohungen und zu einer Verzogerung der Time-to-Market. Dies ist auf das Nichtvorliegen einer formalisierten Projektplanung zur Koordination von Aufgaben im Zeitablauf zuriickzufuhren. Eine Reduzierung der negativen Folgen lieB sich jedoch in beiden Fallen durch Offenheit und eine flexible Konfliktbewaltigung zwischen den Partnem erreichen.
3.
Innovationen in Dienstleistungsprozessen
3.1 Einstieg und Uberblick iiber empirische Studien Innovationsprozesse und das Management von Innovationsprojekten wurden in den letzten Jahren vermehrt untersucht (Hipp 2000). Dennoch existieren kaum Modelle fiir ein Innovationsmanagement von Dienstleistungen, insbesondere nicht fur kooperative Dienstleistungsinnovationen. Abbildung 1 gibt als Einstieg einen Uberblick iiber ausgewahlte empirische Studien zum Management von Innovationsprojekten bei Sachgutproduzenten.
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Dienstleistungen in innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken
Abbildung 1: Studien zum Innovationsprozess
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3.2
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Kreativitat
Innovativitat setzt einen hohen Grad an Kreativitat voraus (Sethi et al. 2001). Um Kreativitat innerhalb der Innovationsteams zu erreichen, bedarf es eines gewissen Grades an Freiheit und Flexibilitat (Amabile 1988; King/Anderson 1990). Dies ist jedoch wieder mit Risiken, beispielsweise erhohten Kommunikationskosten sowie Frustration und Abwanderung von Teammitgliedem, verbunden. Um dem entgegen zu wirken, konnen allgemein anerkannte Kontrollmechanismen eingesetzt werden. Allerdings wirken zu viel an Oder eine falsche Art von Kontrolle negativ auf die Kreativitat des einzelnen oder des Teams (Bonner et al. 2002). Kreativitat ist eine wichtige Anforderung fiir Dienstleistungsinnovation, weil sie humane Leistungen voraussetzen und deshalb besonders, wenn auch teilweise nur inkrementell veranderbar sind. AuBerdem betrifft Kreativitat bei der Dienstleistungsinnovation Serviceprozesse sowie intangible Komponenten, die schlecht mess- und prognostizierbar sind und sich oft eines traditionellen Kreativitatsinstrumentariums entziehen. Dieser Unterschied zwischen Dienstleistung und Produkt bereitet Probleme bei der kooperativen Entwicklung von hybriden Produkten. Eine Alternative ist, Kreativitat vorwiegend auf Teilprojekte oder Module zu lenken.
3.3
Geschwindigkeit/Zeit
Clift und Vandenbosch (1999) unterscheiden Projekte nach der Komplexitat der Entwicklungsprozesse. Einfache Projekte benotigen autokratische Projektleiter und einen standardisierten Prozessablauf Komplexe Innovationsprozesse sollen nach Clift und Vandenbosch (1999) dagegen von einem Ausschuss gefiihrt werden, wobei der Projektleiter einen Konsens der verschiedenen Meinungen erzielen sollte. Komplexe Innovationsprozesse lassen sich durch ein etappenweises Vorgehen charakterisieren, wobei die Projektteams erst in den spateren Phasen eingebunden werden. Komplexe Innovationsprozesse zu beschleunigen, bedarf neben Umstrukturierungen (Kesseler/Chakrabarti 1996), erhohter Flexibilitat, Dynamik und Ausnutzung aller vorhandenen Informationen (Menon et al. 2002) oder aber Kooperationen (Sanchez/Perez 2003). Es zeigt sich, dass Untemehmen, die eine Beschleunigung vorantreiben, sich von traditionellen Prozessmodellen, wie beispielsweise Phase-Review-Prozess oder Stage-Gate-Prozess, abwenden. Bei Dienstleistungen besteht das Problem, dass der Innovationsprozess nur schwierig beschleunigt werden kann. Ein moglicher Weg ware die Erhohung der Mitarbeiterzahl. Dies hat jedoch eine Erhohung der Personal- und Koordinationskosten zur Folge. Somit entsteht auch hier ein Spannungsfeld zwischen Geschwindigkeit und Kosten.
Dienstleistungen in innovationsorientierten Wertschopfungsnetzwerken
3.4
283
Kommunikation
Damit die Mitglieder in einem Innovationsprojekt ihre Ziele erreichen, wie z.B. Qualitat, Zeit Oder Budget, miissen sie untereinander alle relevanten Informationen offen kommunizieren (Hauptman/Hirji 1996; Katz/Allen 1988). Offene (Cooper/Kleinschmidt 1995) und effektive Kommunikation (Shepherd/Ahmed 2000) sowie freier Informationsfluss von Expertenwissen des Projektleiters (Atuathene-Gima 2003) sind positiv mit der Innovationsleistung verbunden. Gerade bei humanen Leistungen im Dienstleistungsinnovationsprozess besteht ein hoher Bedarf an Kommunikation, um spezifische Kenntnisse und Fahigkeiten zu kombinieren. Unser Fallbeispiel zeigte, dass nur durch ein schnelles und flexibles Wiederherstellen der Kommunikation Losungen gefiinden und umgesetzt werden konnten.
3.5
Cross-Funktionalitat
Sethi und Nicholson (2001) fanden heraus, dass Kommunikation uber Funktionsgrenzen hinweg den Innovationserfolg verbessert. Insbesondere cross-funktionale Teams sind erfolgreicher und motivierter bei der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen (Pinto et al. 1993; Sethi/Nicholson 2001). Im Fallbeispiel wurde flir die Entwicklung eines hybriden Produktes deutlich, dass untemehmenstibergreifend angelegte crossfunktionale Teams erfolgreich zusammenarbeiten konnen. Allerdings wurde offenbar, dass das Verstandnis und das Commitment fur mehr sachgut- bzw. mehr dienstleistungsgepragte Arbeitsprozesse iiber Untemehmens- und Funktionsgrenzen hinweg nicht immer ausreichend vorlag. Eine Moglichkeit, die Zusammenarbeit auf der operativen Ebene zu verbessem, ist, dass Vorgesetzte offene Kommunikation mit anderen Funktionen und Untemehmen vorleben. Femer wird vorgeschlagen, Entlohnungskomponenten an die Teamleistung zu koppeln (Sethi/Nicholson 2001).
3.6 Formalisierung versus/und Flexibilitat Zur Bewaltigung komplexer Innovationsvorhaben wird die Entwicklung der Produkte oder Dienstleistungen in Teilprozesse aufgegliedert. Dabei existieren verschiedene Modelle zur Darstellung der stark formalisierten Innovationsprozessmodelle (siehe z.B. Andreasen/Klein 1987; Booz et al. 1968; Cooper 1994; Yasdani/Holmes 1999). Formalisierung und Kontrolle zu vorher defmierten Zeitpunkten sowie Kriterien werden als zentrale Anforderung fiir den Erfolg gestellt (Cooper 1990). Bei der Verbindung von Sach- und Dienstleistungskomponenten zeigt sich jedoch, dass Dienstleistungsprozesse schwer zu defmieren und Kriterien meist nur sehr grob bestimmbar sind. Die Formalisierungsproblematik gilt allerdings nicht nur flir Dienstleistungen; innovative Untemehmen
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mussen neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, implementieren und dabei kontinuierlich ihre firmenintemen Verfahren und Strukturen verandem (Danneels 2002). Bonner/Ruekert/Walker (2002) stellen an Innovationsprozesse die Anforderung, flexibel zu sein, um Schnelligkeit, Kreativitat und Erfolg zu gewahrleisten. Innovationsteams sollten zunachst eine generelle Richtung vorgegeben und dann bei der Entwicklung gewisse Freiraume zugestanden werden, um Flexibilitat zu gewahrleisten (Bonner et al. 2002). Zuriickgreifend auf das Fallbeispiel zeigt sich, dass Flexibilitat Schwierigkeiten innerhalb des Innovationsprozesses kompensieren kann. Aufgrund des flexiblen Eingreifens der beteiligten Manager bzw. Projektleiter konnten umgehend Losungen erarbeitet und umgesetzt werden. Flexibilitat gehort neben der Kreativitat bei humanen Prozessen und Dienstleistungsinnovationen somit zu den entscheidenden Faktoren fiir den Innovationserfolg. Aus unserem Fallbeispiel lasst sich zudem ableiten, dass bei hybriden Produkten eine zu geringe Planung, Strukturierung und Formalisierung von Innovationsprozessen Probleme bereiten kann. Dennoch muss eine gewisse Flexibilitat gewahrleistet sein, um bei der Entwicklung von Dienstleistungen erfolgreich zu sein. Das Spannungsfeld zwischen Formalisierung und Standardisierung (insbesondere fiir Sachgutkomponenten) auf der einen und Flexibilisierung (insbesondere fiir human gepragte Dienstleistungen) auf der anderen Seite, ist zu bewaltigen. Die Verbindung zwischen Flexibilitat und Standardisierung zeigen auch Studien aus dem Produktbereich (siehe z.B. Lewis et al. 2002; Sagie et al. 2002). Trotz der groBen Anzahl an Studien zu diesem Thema bleibt es dennoch ungeklart, wie dieses Spannungsfeld aus Flexibilitat und Standardisierung zu bewaltigen ist. Zur Erarbeitung von Losungsvorschlagen fur hybride Produkte werden im Folgenden der plan- und strukturdeterminierte (starker formalisiert und geplant) sowie der improvisative Typus (starker flexibilisiert) und ein eigenes - das Flex-Adaptive Modell - zum Innovationsprozess erortert.
4.
Typen zur Planung kooperativer Innovationsprozesse
4.1 Plan- und strukturdeterminierte Innovationsmodelle 4.1.1 Stage-Gate-Modell Aufgrund der oftmals geringen Erfolgsrate von Produktinnovationen (Hopkins 1980) entwickelte Cooper das Stage-Gate-Modell (Cooper/Kleinschmidt 1986). Dieses Modell schliisselt den Produktentwicklungsprozess in verschiedene Etappen (Stages) und kritische Entscheidungspunkte (Gates) auf Abbildung 2 zeigt den Stage-Gate-Prozess bei der Entwicklung eines neuen Produktes bzw. einer neuen Dienstleistung. Die Entscheidungen innerhalb des Innovationsprozesses sind sequenziell angelegt. Zwischen diesen
Dienstleistungen in innovationsorientierten Wertschopftingsnetzwerken
285
Sequenzen sind kritische Entscheidungspunkte eingebaut, bei denen Investitionsanforderungen und Informationsbasis stetig steigen (Gerybadze 2004). Cooper geht davon aus, dass der Innovationsprozess genauso gemanagt werden kann, wie alle anderen Prozesse innerhalb einer Untemehmung (Cooper 1990). Im Regelfall hat ein Stage-Gate-Prozess zwischen vier und sieben Stages (Cooper 1990). Nach jedem Stage folgt ein Gate, bei dem eine Evaluierung anhand von zwei Kriterien erfolgt. Zum einen gibt es „must"-Kriterien, zum anderen „should"-Kriterien. Die Kriterien der jeweiligen Gates werden noch vor der ersten Etappe geplant und defmiert. Wenn „must"Kriterien nicht erfiillt werden, wird der Innovationsprozess abgebrochen. Bei „should"Kriterien ist eine Kompensation dieser Kriterien iiber mehrere Stages moglich, so dass ein Nicht-Erreichen nicht zwangslaufig zu einem Abbruch des Innovationsprozesses fuhrt. Als „Gatekeeper" agiert die Untemehmensfuhrung, die multifiinktional besetzt sein sollte.
Preliminary Assessment
Detailed Investigation (Business Case) Preparation
Development
Decision on Business Case
Testing & Validation
PostDevelopment Review
Full Production & Market Launch
Pre-Commercialization
Post-Launch Review
Abbildung 2: Stage-Gate-Prozess (Quelle: In Anlehnung an Cooper 1990, S. 46) Das Stage-Gate-Modell ist sehr deterministisch, weil alle Kriterien vor Beginn des eigentlichen Innovationsprozesses festgelegt und nicht mehr verandert werden. Gerade bei Kooperationen bzw. kooperativen Innovationsprozessen muss jedoch eine gewisse Flexibilitat gewahrleistet werden. Die Kriterien diirfen aber auch nicht zu weich bzw. flexibel sein, weil sonst die Veranderungswtinsche der Partner zu stark zunehmen und die Kosten nicht mehr im Rahmen bleiben. Es sollte schon im Vomherein defmiert werden, wann und wie mit Veranderungen umgegangen wird. So sollten schon in der Planungsphase „wenn"-„dann"-Regeln klar defmiert werden. Es zeigt sich, dass hierbei ein Spagat notwendig ist, bei dem auf der einen Seite Kriterien und Phasen starr sind, auf der
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anderen Seite die Partner motiviert werden mlissen, die vorgegebenen Ziele trotzdem zu erreichen. Die Einfuhrung von Kommunikationsprozessen ist zwingend, um Probleme des Missverstandnisses im Rahmen einer Kooperation zu verhindem. Bei der Zusammenarbeit treten immer wieder Verstandigungsschwierigkeiten auf. So konnen Kriterien im StageGate-Prozess trotz konkreter Definition unterschiedlich verstanden werden, Gerade bei Innovationen im Dienstleistungsbereich ist dieses Problem zu vermuten. Aufgrund der Intangibilitat von Komponenten im Innovationsprozess kann es zu Missverstandnissen kommen, die das Innovationsprojekt gefahrden. Quelle solcher Missverstandnisse sind verschiedene Untemehmenskulturen oder sogar Opportunismus der kooperierenden Dienstleister. Andererseits konnen Untemehmen auch, aus ihrer Sicht, vollig kooperationskonform handeln, aber trotzdem im Glauben, das Beste fiir die Kooperation getan zu haben, falsch handeln. Dies ist ebenfalls auf einen Mangel an Kommunikation und Verstandigung zuriickzufiihren. Ein weiteres Problem bei der Festlegung der einzelnen Kriterien ist, dass sie meist vom Management oder von der Projektleitung festgelegt werden. Es ist jedoch auch wichtig, dass die Teammitglieder (teilweise) in den Bildungsprozess der Kriterien integriert sind, weil sie ein spezifischeres Wissen tiber die einzelnen Bestandteile des Innovationsprozesses besitzen. Weiterhin ist die Definition von „must"-Kriterien fraglich. So stellt sich erst wahrend des Prozesses heraus, ob eine Innovation abgebrochen werden muss. Im Rahmen des Innovationsprozesses wird zudem ein Lemprozess angestoBen, der eine klare Beurteilung der Komponenten durch die Beteiligten erst wahrend des Innovationsprozesses erlaubt. Die Bestimmung der Kriterien vor Beginn des Innovationsprozesses birgt somit Gefahren.
4.1.2 Phase-Review-Prozess Ziel dieses plan- und strukturdeterminierten Typus eines Prozessmodells, des „PhaseReview-Prozesses", ist die Standardisierung der Zusammenarbeit mit Zulieferem. Im Rahmen des Phase-Review-Prozesses wird der Innovationsprozess in einzelne, diskrete Phasen unterteilt. Nach Abschluss jeder Phase erfolgt ein Management-Review, bei dem entschieden wird, ob die nachste Phase aufgenommen wird. Um die Fertigstellung der einzelnen Aufgaben zu gewahrleisten, werden somit alle mit dem Innovationsprojekt verbundenen Aufgaben standardisiert. Nachteilig ist, dass das Projekt bis zur jeweiligen Go- oder No-Go-Entscheidung ausgesetzt und somit der gesamte Innovationsprozess verlangsamt wird. AuBerdem liegt der Fokus dieses Prozessmodells auf der Technologie. Andere Aktivitaten, wie beispielsweise Service- und Marketingaktivitaten, werden dagegen ausgeklammert (Cooper 1994). Problematisch am Phase-Review-Prozess bei Dienstleistungsinnovationen und bei hybriden Produkten ist der hohe Grad an Standardisierung. Aufgrund des hohen Anteils an
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humanem Input sowie des Vorhandenseins intangibler Komponenten bedarf es einer gewissen Flexibilitat, um wahrend des Prozesses auf auftretende Probleme schnell reagieren zu konnen. Zwar findet im Phase-Review-Prozess bei den Management-Reviews eine Starke Kommunikation statt, wahrend der einzelnen Phasen arbeiten die Teams dagegen teilautonom. Bei hybriden Produkt- und Dienstleistungsinnovationen ist jedoch eine standige Abstimmung notig, um eine gute Qualitat bei gleichzeitig niedrigen Kosten zu erreichen. Im Gegensatz zu Sachgtiterinvestitionen, bei denen eine hohe Effektivitat durch die Aufteilung in Phasen erreicht wird, fiihrt bei Dienstleistungsinnovationen nur eine Balance zwischen Standardisierung und Flexibilitat zu einer optimalen Effektivitat. Dementsprechend ist dieses Prozessmodell wenig fiir Innovationen mit Dienstleistungskomponenten geeignet, auch wenn gezielt Kommunikation gefi)rdert wird - aber nur auf der Ebene des Managements.
4.1.3 Value Proposition Cycle In den 1990er Jahren wurde der „Value Proposition Cycle" entwickelt. Sein Schwerpunkt liegt in der Uberwindung der Verlangsamung der Prozesse bei sequenzieller Abfolge. Ziel dieses Prozessmodells ist eine Flexibilisierung der Entwicklung. Durch kontinuierliches Lemen, eine Identifizierung der Sicherheit der Informationen, Konsensbildung und eine Fokussierung auf den zusatzlichen Wert fur Kunden und Endverbraucher soil die Effizienz und Effektivitat gesteigert werden.
Abbildung 3: Value Proposition Cycle (Quelle: Hughes/Chafm 1996, S. 93)
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Wie Abbildung 3 veranschaulicht, besteht der „Value Proposition Cycle" aus vier iterativen Kreislaufen (Loops) zur Identifikation von Mehrwert, Geschaftswert, (iberlegenen Losungen und Prozessplanung. Der steigende Wert beim Durchlaufen der Loops wird durch eine zunehmende Flache der Ellipse im Zentrum dargestellt. Durch ein standiges Durchlaufen der Loops ist es moglich, dass die am Innovationsprozess beteiligten Innovationsteams schnell auf veranderte Marktbedingungen reagieren und standig lemen (Hughes/Chafin 1996). Beim „Value Proposition Cycle" ist hervorzuheben, dass die Betrachtung der Flexibilitat mit einbezogen wurde. AuBerdem benicksichtigt dieses Modell den Aspekt des Lemens, welcher bei Dienstleistungen viele „kleine" Lemergebnisse umfassen kann, z.B. Lemen des Umgangs mit dem Kunden oder Lemen von veranderten Serviceprozessen. Gerade in Innovationsprozessen mit intangiblen Komponenten und einem hohen Anteil an humanen Leistungen ist Lemen ein wichtiger Aspekt. Dennoch ist dieses Modell zu grob, um im Bereich der Dienstleistungen starke Anwendung zu fmden. Es bedarf einer genauen Kenntnis des zeitlichen Ablaufs des Innovationsprojektes, um Effektivitat des Innovationsprozesses zu erreichen. Femer muss der Innovationsprozess starker in Dienstleistungs- und Produktkomponenten aufgesplittet werden, um ihn zum Erfolg zu fiihren und eine optimale Qualitat der einzelnen Komponenten, ob Sachguter oder Dienstleistungen, gewahrleisten zu konnen.
4.2 Jazz-Metapher - Improvisationsorientierte Innovationsmodelle In kooperativen Innovationsprojekten koordinieren Untemehmen Fahigkeiten und Ressourcen iiber die Grenzen der Untemehmung hinweg und streben einen hoheren Erfolg an, als wenn sie dieses Projekt allein durchfiihren wurden (Dussage et al. 2000). Da immer mehr Untemehmen gemeinsam neue Produkte entwickeln, bleibt dieser Prozess angesichts der gegenseitigen Abstimmung kostenintensiv (Mowery 1992). Aufgmnd der Zusammenarbeit von zwei oder mehreren Partnem entsteht ein unklarer und mehrdeutiger Innovationsprozess (Dougherty 1996), weshalb ein statisches Tool zum Management von Innovationsprozessen nachteilig ist. Empirische Studien aus dem Feld der Erfolgsfaktorenforschung bei Innovationsprozessen (Cooper/Kleinschmidt 1996) zeigen, dass Planung und Formalisiemng limitierend auf Innovationsprozesse wirken. Gerade bei Kooperations- bzw. Innovationsprojekten, bei denen Lemen im Vordergmnd steht, ist dies der Fall. Aus diesem Gmnd besteht der Wunsch nach einem „Neuen ProjektManagement" (Maylor 2001), das im Hinblick auf die Einsatzmoglichkeiten, Konzepte und Methoden weiter gefasst ist als beim traditionellen Projektmanagement (Fangel 1993). Das improvisationsorientierte Prozessmodell wird durch Studien zum Sport, Jazz, Feuerbekampfung und Elektronik befmchtet (siehe z.B. Dougherty 1992; Weick 1998). Mooreman und Miner (1998) zeigen, dass Improvisation dann entsteht, wenn Teams ex-
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perimentell lemen, sich Wissen bei der Arbeit aneignen, mit Unsicherheit oder mit mehreren Produktentwiirfen experimentieren. Femer muss, wie bei einem Jazz-Ensemble, eine Balance mit geplanten Strukturen vorhanden sein, um improvisieren zu konnen (Pasmore 1998, S. 563). Es zeigt sich, dass bei Innovationsprozessen mit Dienstleistungskomponenten ein improvisationsorientierter Projektstil vorteilhaft ist, insbesondere weil mehr Kreativitat und Improvisationsvermogen vorliegen. Bei einem hohen Anteil an humanen Leistungen, bei gleichzeitig intangiblen Komponenten, ist der improvisationsorientierte Projektstil vorteilhaft, weil Leistungen besser entwickelt und flexibel angepasst werden konnen. So kann bei gegebener Zeit und gegebenen Kosten ein HochstmaB an Kreativitat, Flexibilitat und Qualitat gewahrleistet werden. Es bedarf jedoch einer starkeren Kommunikation und formalisierter Koordination bei kooperativen Projekten, um das gemeinsame Innovationsprojekt zum Erfolg zu fiihren.
4.3 Flex-Adaptives Modell: Management hybrider Innovationsprozesse Zunachst stellt sich bei hybriden Produkten die Frage, wie mit den Sachgutkomponenten zu verfahren ist. Eine erste Uberlegung ware, ob unterschiedliche Prozessmodelle fiir Dienstleistungs- und Produktkomponenten bei Kooperationen hybrider Produkte implementiert werden konnen. Dies wurde bisher jedoch in empirischen Studien noch nicht geklart. Zu vermuten ist, dass unterschiedliche Prozessmodelle fur Dienstleistungs- und Produktkomponenten zur Erhohung der Komplexitat fiihren und eine Verbindung zweier Prozessmodelle somit problematisch ist. Der Einsatz unterschiedlicher, zu kombinierender Prozessmodelle ist jedoch bei hybriden Produkten nicht so problematisch wie zunachst vermutet, da auch bei der Sachgiiterinnovation ein improvisationsorientierter Projektstil teilweise vorteilhaft sein kann. Gerade Hightech-Branchen, wie die IT-Branche oder die Biotechnologiebranche, sind mit dem Problem der intangiblen Ressourcen in einem Innovationsprozess konfi-ontiert (Haanes/Fjeldstad 2000). Innovationsprojekte, bei denen radikale und inkrementelle Neuheitsgrade, der Einfluss des Kunden sowie intangible Komponenten bei gleichzeitiger Nutzung von Produktkomponenten vorherrschen, gehen meist mit Anderungen von Planen und Projektzielen einher und erhohen die Unsicherheit im Projektablauf. Um mit diesen Aspekten umgehen zu konnen, empfehlen Vertreter des improvisationsorientierten Projektstils den Einsatz von Improvisation, Freiheit, Lemforderung und Kreativitat (Lewis et al. 2002). Dieses ist vor allem ftir die Dienstleistungskomponente sinnvoll. Im Gegensatz zu den planund strukturdeterminierten Innovationsmodellen werden beim improvisationsorientierten Innovationsmodell keine Meilensteine gesetzt. Dieses kann jedoch bei hybriden Produkten nicht durchgehalten werden, weil bestimmte Liefertermine und Fristen fiir die Kom-
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bination der Komponenten zwischen den Partnem erforderlich sind. Aus diesem Grund bedarf es einer starkeren Formalisierung im Projektablauf. Um den Entwicklungsprozess zwischen den Kooperationspartnem effizient zu gestalten, ist die Einfiihrung von Ruckkopplungsschleifen in einem grob strukturierten Prozessablauf wichtig. Diese Schleifen weichen formalisierte sequenzielle Phasenmodelle auf und ermoglichen somit Verbesserungen innerhalb des Kooperationsprozesses. Ergebnis sind bessere Abstimmungen bei veranderten Dienstleistungen. Problematisch ist jedoch der hohere Abstimmungsaufwand. Dieser schlagt sich in hoheren Kosten und einem hoheren Zeitbedarf nieder. AuBerdem muss auch hier vor Beginn der Kooperation defmiert werden, wie und wann diese Ruckkopplungsschleifen eingesetzt werden. Zu beachten ist jedoch, dass mit zunehmendem Innovationsgrad mehr Ruckkopplungsschleifen erforderlich sind. Abbildung 4 veranschaulicht einen Innovationsprozess mit mehreren Ruckkopplungsschleifen. In diesem Beispiel sind die Ruckkopplungsschleifen auf angrenzende Stufen begrenzt. Die Ergebnisse fallen nach Beendigung einer Phase in die nachste Oder bei Nicht-Einhaltung der geforderten Kriterien in die vorhergehende Phase. Beztiglich der Kriterien und der KontroUe im Innovationsprozess ist eine intensive Kommunikation zwischen den Partnem essenziell. Eine besonders intensive horizontale Kommunikation beim Management der Kooperationspartner muss vor allem in den Phasen 2 und 5 erfolgen. Eine intensive horizontale Kommunikation zwischen den operativen Einheiten der Kooperationspartner sollte dagegen in den Phasen 3, 4 und 5 erfolgen.
Management B
Management A Preliminary Assessment
1
^ ^ ^ ^ _ ^ ^ ^
i
Stage 1 k
k y
^
Detailed Investigation (Business Case) Preparation
Stage 2 k
k.
^w
1 1 1
^^Y
Development ^^
/
Stage 3 i L
^r
Operative Einheit A
i\
\
\ |
1y
^m^
Operative Einheit B
1
/
\ f
^^^^^^ "^^^^
Stage 4 i k
,
T
/ I1
Testing & Validation
Kommunikation zwischen dem i Management und den operativen Einheiten bezuglich der verschiedenen Kriterien | und deren Kontrolle \
Full Production & MarY.eX Launch
Stage 5
Abbildung 4: Flexibles Modell mit Ruckkopplungsschleifen
B e s o n d e r s intensive hnriznntale K o m m u n i k a t i o n
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Weiterhin ist die Untemehmenskultur der einzelnen Partner zu beachten. Nicht alle Kulturen sind flexibel genug, um solche Schleifen zu integrieren. Genauso ist die Definition von Riickkopplungsschleifen bei grundsatzlich verschiedenen Untemehmenskulturen schwierig. Die Untemehmenskultur kann aber auch zur Uberwindung des Spannungsfelds aus Flexibilitat und Formalisierung beitragen. In innovativen Organisationen muss eine Kultur vorherrschen, die Verbesserungen unterstiitzt, flexibel ist und Veranderungen anregt (Hughes/Chafm 1996). Diese kann Festlegungen kompensieren; aber gerade in Kooperationen ist diese Kultur in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Untemehmenskulturen nicht immer als gleichmafiig vorhanden vorauszusetzen. Damit kann eine Losung beim Management kooperativ erstellter hybrider Produkte sein, dass Partner ausgewahlt werden, die zumindest ahnlich in Bezug auf ihre kreative Kultur sind. Daniber hinaus ist es auch wichtig, dass das Management der beteiligten Untemehmen vom Erfolg und der Uberwindung des Spannungsfeldes tiberzeugt ist. Die Studie von Gray (2001) zeigt, dass eine negative Korrelation zwischen Projekterfolg und dem Misstrauen der Seniormanager besteht, Vorstellungen und Vorschlage der Mitarbeiter anzunehmen. Somit muss seitens des Managements den Projektmitarbeitem auch Vertrauen entgegengebracht werden, um das Spannungsfeld zwischen Flexibilitat und Standardisiemng zu iiberwinden und somit einen Erfolg des Innovationsprojektes zu gewahrleisten. Zentral sind bei hybriden Leistungen kontinuierliche Verstehensprozesse zwischen den Projektbeteiligten. Durch die kontinuierliche Abstimmung konnen Verandemngen und spezifisches Wissen - auch uber Kundenbedtirfhisse - aufgespiirt werden (Barrett 1998). Zur Verhindemng von Kommunikationsproblemen sowie zur Nutzung von Modifikationsideen und unterschiedlichen Innovationsprozessmodellen in den Untemehmen sind kontinuierliche Meetings zwischen den Kooperationspartnem wichtig. Hier konnen und miissen Erfahmngen und Probleme ausgetauscht werden, um einen reibungslosen Kooperationsverlauf gewahrleisten zu konnen. Zwischen den Untemehmen bedarf es allerdings bei hybriden Produkten auch wahrend des Projektablaufes immer wieder einer formalen Bewertung. Diese sollte aber in personlichen Treffen mit groBerer Offenheit durchgeftihrt werden. Hierbei sollten neben der Projektleitung auch immer Projektmitarbeiter aus den verschiedenen Untemehmen beteiligt werden. Wahrend im geplanten Innovationsprozess eine direktive Kontrolle durch eine kleine Gmppe von Managem erfolgt (Eisenhardt/Tabrizi 1995), wird die Kontrolle in Anlehnung an den improvisationsorientierten Innovationsprozess team(intem)autonom vorgenommen. So liegt die Kontrolle starker im Ermessen der Teammitglieder, die auch fur die Umsetzung der Entscheidungen verantwortlich sind (Dougherty 1996; McDonough/Barczak 1991). Die Evaluation der Teilprozesse sollte durch eher informale Treffen zwischen den Teammitgliedem erganzt werden (Dougherty 1996).
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Zusammenfassung Den Aufhanger unserer Forschung lieferte eine explorative Fallstudie. Sie zeigte Problemfelder und Anforderungen bei der Koordination von Dienstleistungen und Produktleistungen in einem Wertschopfungsnetzwerk auf. In der Fallstudie von vier Partnem wurde die Koordination im Dienstleistungsnetzwerk im Langsschnittvergleich untersucht. Mittels der Fallstudie lassen sich Koordinationsprobleme auf der Ebene der operativen Einheiten ableiten, die aus einer zu geringen Formalisierung, Koordination und Planung der verbundenen Wertschopfungsketten resultieren. Allerdings war in dem realen Netzwerk zur Ermoglichung von kreativen Prozessen gezielt eine geringe Formalisierung der Wertschopfungsprozesse implementiert worden. Die Studie zeigt ein Spannungsfeld zwischen Formalisierung und Flexibilitat bzw. Innovativitat auf, das Hinweise zur Planung und Koordination von verbundenen Wertschopfungsprozessen liefert. Um fundiert Hilfestellung zur Planung und Koordination in Wertschopfungsnetzwerken in Dienstleistungsuntemehmen zu geben, wurden im weiteren Verlauf des Beitrags unterschiedliche bestehende Anforderungen an unterschiedliche Modelle von Innovationsprojekten gestellt und anschlieBend beurteilt. Die Evaluation war an der Fragestellung orientiert, ob dem zwischenbetrieblichen Kontext in Wertschopfungsnetzwerken und dem dienstleistungsgepragten Charakter der Zusammenarbeit bei Dienstleistungen und Sachgtitem bei hybriden Produkten Rechnung getragen wird. Es zeigte sich, dass fur hybride Produkte ein gewisser Grad an Formalisierung notwendig ist, um Innovationsprojekte im Zeit- und Kostenrahmen zu halten. Dennoch muss bei hoher Innovativitat sowie bei Dienstleistungskomponenten ein hoher Grad an Kreativitat gewahrleistet werden, der sich bei ausgepragter Standardisierung und Formalisierung nicht erreichen lasst. Dieses konnten bestehende Modelle - weder plandeterminierte noch improvisationsorientierte - nicht erbringen. Aus diesem Grund wurde ein eigenes Modell entwickelt: das Flex-Adaptive Modell. Die Prinzipien des Flex-Adaptiven Modells sind: (1) Formalisierung und Riickkopplung, (2) Kommunikation iiber Hierarchiestufen hinweg, (3) Kreativitat in und zwischen den Teams sowie (4) Kriterien und Offenheit. Bei der Kooperation zwischen verschiedenen Untemehmen mit unterschiedlichen Organisationskulturen und bei Entwicklung von hybriden Produkten ist dabei Kommunikation und Abstimmung auf alien Ebenen zwischen den Partnem essenziell. Durch dieses Modell ist es moglich, Sachgut- und Dienstleistungskomponenten im Innovationsprozess zu kombinieren. Gleichzeitig bleiben einerseits Kosten und Zeit im Rahmen, andererseits wird eine hohe Kreativitat gewahrleistet. Durch die Kommunikation in
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und zwischen den Teams konnen die Vorteile cross-funktionaler Teams effektiv genutzt werden. Femer wird durch die Offenheit im Innovationsprozess eine schnelle Reaktion bei entstandenen Problemen ermoglicht. Zusammengenommen gewahrleistet all das einen effektiven und effizienten Innovationsprozess, der die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen hybriden Dienstleistungsinnovation erhoht.
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Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall
Customer Value Added Wertschopfung bei Dienstleistungen durch und fur den Kunden
1. Bedeutungszuwachs einer kundenorientierten Wertschopfung in Dienstleistungsuntemehmen 2. Spezifika von Wertschopfungsprozessen bei Dienstleistungen 3. Perspektiven des Customer Value Added 3.1 Customer Value Added aus Untemehmenssicht 3.2 Customer Value Added aus Kundensicht 4. Customer Value Added Accounting als Wertschopfungsrechnung bei Dienstleistungen 4.1 Input-Output-Analyse 4.2 Customer Perceived Value Accounting 4.3 Konzeption eines Customer Value Added Accounting 5. Nutzen eines Customer Value Added Accounting und weitere Forschungsbedarfe Literatur
Univ.-Prof. Dr. Friederike Wall ist Inhaberin des Dr. Werner Jackstadt-Stiftungslehrstuhls fur Betriebswirtschaftslehre - Controlling und Informationsmanagement an der Wirtschaftsfakultat der Universitat Witten/Herdecke. Frau Dr. Regina W. Schroder ist wissenschaftliche Assistentin und Herr Dipl.-Ok. Robert Chr. Schmidt wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl.
1.
Bedeutungszuwachs einer kundenorientierten Wertschopfung in Dienstleistungsuntemehmen
Ziel der Europaischen Dienstleistungsrichtlinie, auf die sich das Europaische Parlament sowie die EU-Staaten bis Ende Mai 2006 geeinigt haben, ist eine Liberalisierung des Binnenmarktes (WiesnerAViedmann 2005; Sueddeutsche.de 2006a; Sueddeutsche.de 2006b). Die dadurch geschaffenen Freiheiten bedingen gemeinsam sowohl mit Veranderungen der Erwartungen und des Verhaltens von Kunden als auch mit technologischen Innovationen einen zunehmenden Wettbewerb. Um ihre Stellung im Markt auszubauen, zumindest aber zu behaupten, wird es fur Dienstleister daher erforderHch, sich deutlich von ihren Wettbewerbem abzugrenzen. Eine Moglichkeit dafiir bietet der flir den Kunden geschaffene Wert, dessen AusmaB einen Wettbewerbsvorteil fiir das Untemehmen begriinden kann. Fur die Dienstleister und ihre (zukunftige) Marktpositionierung gewinnt insofem die Kenntnis des „Customer Perceived Value", d.h. des vom Kunden wahrgenommenen Wertes der erbrachten Leistung, an Bedeutung. Wenngleich bereits erste Ansatze zur Ermittlung dieses Wertes vorliegen (z.B. Wall 2000), bleiben Fragen nach dem durch den Dienstleister fur den Kunden zusatzlich geschaffenen Wert, nach dem so genannten „Customer Value Added", bislang noch unbeantwortet. Zur SchlieiJung dieser Liicke tragt der vorliegende Beitrag bei, indem zunachst die Besonderheiten eines Wertschopfimgsprozesses bei Dienstleistungen (Abschnitt 2) und alternative Sichtweisen des „Customer Value Added" diskutiert werden (Abschnitt 3). Darauf aufbauend beschreibt der vierte Abschnitt einen Modellentwurf, mit dem es gelingt, die fur den Kunden erbrachte Wertschopfung unter Berucksichtigung der Integration des Kunden in den Wertschopfungsprozess zu ermitteln. Die Ausfiihrungen schlieBen mit einer Diskussion des Nutzens eines solchen „Customer Value Added Accounting" und mit einem Blick auf weitere Forschungsbedarfe.
2.
Spezifika von Wertschopfungsprozessen bei Dienstleistungen
Die Wertschopfung „stellt den durch die wirtschaftliche Tatigkeit einer Wirtschaftseinheit (Untemehmen) geschaffenen Mehrwert dar" (Haller 2002, Sp. 2131) und reprasentiert mithin die Leistung, die im betrachteten Untemehmen erbracht wird. Diese Begriffsabgrenzung lasst sich nicht nur ftir Industrieuntemehmen anwenden, sondem ist auf Dienstleister ebenso wie auf die Erbringer hybrider Leistungen tibertragbar. Allerdings
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Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall
bezog sich die Diskussion von Fragen der Wertschopfung lange Zeit allein auf die Sachguterproduktion. Unter Produktion ist in einem weiten Sinne die „Tatigkeit der Werterhohung von Giitem" zu verstehen (Maleri 1997, S. 134). Demzufolge kann auch bei der (Dienst-)Leistungserstellung von einer „Produktion" gesprochen werden (Corsten 1985, S. 48-51; 1996, Sp. 339ff.; Maleri 1997, S. 133f.), die sich allerdings aufgrund der spezifischen Merkmale einer Dienstleistung mehr oder weniger wesentlich von der Sachguterproduktion unterscheidet. Wenngleich uber die Definition und die Charakteristika der Dienstleistung im wissenschaftlichen Schrifttum keine Einigkeit besteht, stimmen die Auffassungen zumindest hinsichtlich zweier konstitutiver Merkmale von Dienstleistungen weitgehend liberein, namlich der Immaterialitat der Leistung und der Integration externer Faktoren. Die Immaterialitat bezeichnet die fehlende physische Prasenz der erbrachten Leistung, die sich zwar an der Veranderung eines materiellen Gutes zeigen mag, seibst aber stets immateriell bleibt (Corsten 1985, S. 90ff.). Als zweites Merkmal der Dienstleistung tritt hinzu, dass diese zumeist nicht ohne eine mehr oder weniger intensive Integration externer Faktoren erbracht werden kann (Stauss 1995; Maleri 1997, S. 137ff.). Zu diesen Faktoren zahlt insbesondere der Kunde, der als Leistungsempfanger materielle oder immaterielle Outer in den Erstellungsprozess einbringt und sich insbesondere aktiv an diesem Prozess beteiligen kann (Maleri 1997, S. 148ff.). Jeder Kunde erbringt somit ein inhaltlich und im Umfang unterschiedliches MaB an Eigenleistungen, die der Dienstleister umsetzen muss. Der (Mehr-)Wert, der einer erbrachten Dienstleistung beizumessen ist, hangt mithin in hohem MaBe von der Aktivitat des Leistungsempfangers ab. Hinzu treten die vom Dienstleister vorgehaltene Leistungsbereitschaft, d.h. das vorab aufgebaute Leistungspotenzial, und weitere interne Produktionsfaktoren. Damit setzt sich der mit einer Dienstleistung geschaffene „Mehrwert'' aus drei Komponenten zusammen, namlich (1) der vom Untemehmen allein erbrachten Leistung, (2) den „Eigenleistungen'' des Kunden und (3) Verbundeffekten, die daraus resultieren, dass das Dienstleistungsuntemehmen und der Kunde beide an der Leistungserbringung beteiligt sind und sich in ihren Leistungen gegenseitig befruchten. Abbildung 1 stellt den Prozess der Dienstleistungsproduktion zusammenfassend dar.
303
Customer Value Added
Interne Produktionsfaktoren
Vorkombination
Leistungsbereitschaft
Weitere interne Produktionsfaktoren
Endkombination
Ergebnis
Externer Faktor
konkretisiert sich am externen Faktor
Abbildung 1: Grundmodell der Dienstleistungsproduktion (Quelle: Corsten 1996, Sp. 341f.) Anders als bei Sachleistungen ist der Leistungsempfanger bei einer Dienstleistung aktiv an ihrer Erstellung beteiligt. Die von ihm erbrachten Leistungen mogen als „Vorleistungen" in die Wertschopfungsermittlung, insbesondere in die Entstehungsrechnung der Wertschopfung (Haller 2002, Sp. 2136), einflieBen. Im Hinblick auf die Leistungen, die vom Dienstleister und dem Leistungsempfanger letztlich gemeinsam erbracht werden, stellt sich allerdings die Frage, ob und in welchem MaBe sie der Wertschaffung durch den Dienstleister zuzurechnen sind. Line abschlieBende Klarung dieser Fragestellung im wissenschaftlichen Schrifttum steht noch aus; doch wird sich darauf wohl keine generelle, sondem allenfalls eine nach dem Leistungsanteil der Abnehmer differenzierende Antwort finden lassen.
3.
Perspektiven des Customer Value Added
Jeder Kunde nimmt bei Dienst- wie auch hybriden Leistungen eine ambivalente Position ein: Zum einen ist er am Wertschopfungsprozess beteiligt, zum anderen empfangt er die gemeinsam mit dem Dienstleistungsuntemehmen erbrachte Leistung. Dabei stehen dem Leistungsempfanger fiir seine Partizipation am Erstellungsprozess, wie im vorherigen Abschnitt erlautert, zwei grundsatzliche Wege offen: So kann er nicht nur materielle Giiter in den Leistungserstellungsprozess einbringen, sondem sich auch mehr oder weniger aktiv an der Leistungserstellung beteiligen. Es ist mithin denkbar, dass der Kunde Input, Throughput und somit auch den Leistungserstellungsprozesses beeinflusst, wie Abbildung 2 illustriert.
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Input
A Erbringung von Vorleistungen
Throughput
Output
A Aktive Beteiligung am Leistungserstellungsprozess
Empfang der erbrachten Dienstleistung
V
Kunde
Abbildung 2: Einflussnahme des Kunden auf die Dienstleistungsproduktion (Quelle: Corsten 1996) Um die Wertschopfung im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses zu bewerten, bedarf es mithin der (monetaren) Erfassung samtlicher seitens des Kunden erbrachten Leistungen. Gelingt dies, bereitet die Ermittlung des Mehrwerts, der aus Sicht des leistungserbringenden Untemehmens geschaffen wurde, keine Schwierigkeiten. Unbeantwortet bleibt freilich die Frage, welchen zusatzlichen Wert der Kunde der erbrachten Leistung beimisst. An die Unterscheidung des „Customer Value" in einen „Wert aus Untemehmenssichf und einen „Wert aus Kundensicht" (Eggert 2001, S. 41ff.; SchroderAVall 2004, S. 669f.) ankniipfend, lassen sich mithin zwei gerade fiir Dienstleistungen interessante Perspektiven auf den zusatzlich geschaffenen Kundenwert, den „Customer Value Added", unterscheiden: die Untemehmens- (Abschnitt 3.1) und die Kundenperspektive (Abschnitt3.2).
3.1
Customer Value Added aus Untemehmenssicht
Der Customer Value Added bezeichnet aus Sicht des Dienstleisters denjenigen Wert, der fiir den Kunden zusatzlich geschaffen und diesem in Rechnung gestellt wird. Nach der Subtraktionsmethode lasst sich dieser Wert als Differenz aus dem Output und dem in die Leistung von Seiten des Dienstleisters und durch den Kunden eingeflossenen Input berechnen (Haller 2002, Sp. 2132):
(1) Wertschopfung = Customer Value Added - Output - Input Dienstleistungen zeichnen sich gemeinhin durch einen hohen Individualisierungsgrad aus. Daher lassen sich die Daten, die der Dienstleister zur Quantifizierung des Customer Value Added (CVAdd) benotigt, nicht (vollstandig) seinem in- und extemen Rechnungswesen entnehmen, Hinzu treten die offenen Fragen, wie - genauer gesagt, in welchen Einheiten (z.B. Nutzen- oder Geldeinheiten) - In- und Output bemessen werden und ob die verwendeten Einheiten vergleichbar sind. Da diese komplexe Problematik
Customer Value Added
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den Rahmen dieses Beitrags sprengen wiirde, sei in der weiteren Analyse angenommen, dass In- und Output monetar quantifiziert sind. Ftir die erbrachte Leistung, d.h. den Output, erhalt das Untemehmen vom Kunden eine Bezahlung. Dieser in Rechnung gestellte Betrag mag vom Erfolg, beispielsweise der Qualitat der erbrachten Dienstleistung, abhangig sein. Die Qualitat wird indes nicht nur durch das dienstleistende Untemehmen und die von ihm eingesetzten Ressourcen beeinflusst. Vielmehr libt der Leistungsempfanger iiber seine Partizipation am Leistungserstellungsprozess selbst einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsqualitat aus. Demnach setzt sich der Input zumindest aus zwei Bestandteilen zusammen: den Ressourcen, die der Dienstleister zur Produktion seiner Leistung verwendet, und dem Einsatz des Kunden. Wahrend der Dienstleister erstere mit Hilfe des Rechnungswesens quantifizieren kann, bleibt ihm der monetare Wert, der dem vom Kunden erbrachten Input beizumessen ist, unbekannt. Um den CVAdd dennoch ermitteln zu konnen, ist er gezwungen, sich auf die Angaben des LeistungsempiSngers zu verlassen. Unter der Annahme eines wahrheitsgemaBen Berichts seitens des Kunden ergibt sich der zusatzlich geschaffene Wert aus Sicht des Dienstleisters (DL) als
CVAdd^^ - Output - Input \/^)
Bezahlung
Input mit / [I j
^I^'^(l''Y Input, Ressourcenverbrauch des Dienstleisters (in Geldeinheiten bewertet) (Berichteter) Input des Kunden in den Erstellungsprozess als monetar bewerteter Ressourcenverbrauch
Diese Formulierung des Inputs kann Situationen abbilden, in denen der Kunde (der Dienstleister) Schwankungen des Leistungsanteils des Dienstleisters (des Kunden) mit einer Variation seines eigenen Einsatzes ausgleicht. Mithin flihrt eine Variation der Leistung seitens der Beteiligten nicht unbedingt zu einer Erhohung (oder Verminderung) der Wertschopfung.
3.2 Customer Value Added aus Kundensicht In jiingerer Zeit wird neben den Kundenwert aus Sicht des (dienst-)leistenden Unternehmens die Wahmehmung der Leistung durch den Kunden gesteUt (Matzler 2000, S. 290; Eggert 2001, S. 46; Krafft 1999, S. 516ff.). So hat in den letzten anderthalb Jahrzehnten die Wahmehmung der Wertschopfung seitens des Leistungsempfangers ergan-
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zend zur Untemehmensperspektive an Bedeutung gewonnen (Scholz/Vrohlings 1994, S. 110; Eversheim 1996, S. 17). Zwar lasst sich die Wertschopfung wiederum mit Hilfe der Subtraktionsmethode ausdrucken (Gleichung (1)), doch fiihrt dies nicht unbedingt zu dem aus Sicht des Dienstleisters ermittelten Wert. Denn der aus Kundensicht (C) anzusetzende Output (Input) entspricht nicht zwangslaufig demjenigen aus Untemehmenssicht:
CVAdd - Output - Input Nutzen
(3)
Input = l"^''^+[l''y mit I
... fur die Produktion vom Kunden benotigte bewertete Vorleistungen, die von in der Wertschopfungskette vorgelagerten Untemehmen erworben werden.
(/^r.
bewerteter Input, Ressourcenverbrauch, der bei einer selbstandigen Leistungserbringung durch den Kunden nach dessen Einschatzung erforderlich ware.
Wenngleich beide Formulierungen (Gleichung (2) und (3)) einander auf den ersten Blick gleichen, lassen sich doch wesentliche Differenzen feststellen: Zum einen variieren die zur Wertschopfungsermittlung verwendeten Minuenden: Wahrend aus Sicht des Dienstleisters der Output dem Preis entspricht, den der Kunde fur die Leistung bezahlen muss, setzt der Kunde an die Stelle des Outputs den empfangenen Nutzen. Dieser Nutzen, den der Empfanger der Leistung beimisst, driickt sich in seiner Zahlungsbereitschaft aus. Diese ist dem Dienstleister nicht zwangslaufig bekannt, weshalb der Preis nicht unbedingt der Zahlungsbereitschaft des Kunden entspricht. So mag der in Rechnung gestellte Betrag auch geringer sein als die Summe, die der Kunde zu zahlen bereit ware (Der Preis kann hingegen die Zahlungsbereitschaft nicht ubersteigen, da sonst keine Geschaftsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Dienstleister zustande kame). Zum anderen entspricht der bewertete Input aus Untemehmenssicht nicht unbedingt demjenigen, den der Leistungsempfanger als erforderlich erachtet. Zwar fmdet sich sowohl in Gleichung (2) als auch in Gleichung (3) der Subtrahend f, der den Ressourcenverbrauch des Kunden bezeichnet, doch nimmt dieser im ersten Fall zumeist einen geringeren Wert als im letzten Fall an, denn der Kunde wird, eine wahrheitsgemaBe Berichterstattung vorausgesetzt, dem Dienstleister zwar die ihm entstandenen bewerteten Ressourcenverbrauche (ehrlich) mitteilen, doch sind diese bei einer Leistungserstellung durch das Untemehmen vermutlich - zum Beispiel aufgrund von Spezialisierungseffekten - niedriger, als wenn der Kunde die Leistung selbst erbringenmiisste, d.h.:
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Zudem wird der Subtrahend (f) in der Untemehmens- wie auch in der Kundensicht um jeweils einen weiteren Subtrahend erganzt: Im ersten Fall ist dies der Ressourcenverbrauch des Dienstleisters (/^^), im zweiten Fall treten die aus Kundensicht benotigten Vorleistungen (7^'"'"^) hinzu. Diese beiden Subtrahenden nehmen unterschiedliche Ressourcenverbrauche auf, worin wiederum eine Abweichung zwischen dem CVAdd aus Untemehmens- und demjenigen aus Kundensicht begnindet sein mag. Mit den beiden Perspektiven konnen folglich, wie in Abbildung 3 dargestellt, in ihrer Hohe verschiedene Ergebnisse fur die Wertschopfiing CVAdd ermittelt werden. Ebenso denkbar ist es aber auch, dass die Werte einander entsprechen.
Customer Value Added aus Unternehmenssicht
^ ^ ^ X / I \
J^^^^^^ ^ (^^^^^y^^ ^ ^ ^ ^ ^ ^Wm. ^ ^ ^ ^ ^ ^^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^^ /
\^ \
Customer Value
Added y
/
^^^ Kundensicht
Abbildung 3: Beispielhafte Illustration des Beziehungsverhaltnisses des CVAdd aus Untemehmens- und des CVAdd aus Kundensicht Unabhangig von der jeweils ermittelten Hohe des Customer Value Added sind die beiden vorgestellten Perspektiven nicht isoliert voneinander zu betrachten; vielmehr stehen sie in einem wechselseitigen Abhangigkeitsverhaltnis: So wird es einem Dienstleister nur dann gelingen, sein Untemehmen langfristig zu sichem, wenn er einen Wert fur seine Kunden schafft und daran ankniipfend eine enge Beziehung zu ihnen aufbaut. Vor diesem Hintergmnd bedarf es fiir das Dienstleistungscontrolling eines spezifischen Rechenwerks, das es ermoglicht, den fiir den Kunden geschaffenen „Mehrwert" (aus Untemehmenssicht) zu erfassen, die Einflussnahme des Kunden und die dadurch begriindeten Wertanteile abzubilden, die Wertbeitrage, die die verschiedenen Abteilungen und Leistungseinheiten im Untemehmen erbringen, zu steuem.
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4.
Regina W. Schroder, Robert Chr. Schmidt und Friederike Wall
Customer Value Added Accounting als Wertschopfungsrechnung bei Dienstleistungen
Anders als in den bislang in der Literatur diskutierten Formen einer Wertschopfungsrechnung ist es nicht moglich, die fur ein Customer Value Added Accounting (CVAddA) benotigten Daten dem Jahresabschluss eines Untemehmens zu entnehmen. Vielmehr bedarf es, wie ein Blick auf Gleichung (2) und (3) zeigt, weiterer Informationen, die etwa (iber ein Customer Perceived Value Accounting (Wall 2000, S. 29ff.; Wall/Schroder 2005, S. 126ff.), mit Hilfe einer Input-Output-Analyse (Leontief 1951; Kloock 1969) mafigeblich gestiitzt auch durch das Marketing gewonnen werden konnen.
4.1
Input-Output-Analyse
Die Input-Output-Analyse stellt ein Instrumentarium zur Abbildung komplexer Produktionsstrukturen dar und bietet auf diese Weise die Moglichkeit, zu einer aussagekraftigen Formulierung von Produktionsfunktionen zu gelangen. Wenngleich der Gedanke, dass Dienstleistungen im Rahmen eines Produktionsprozesses entstehen, auf den ersten Blick abwegig erscheinen mag, zeigen die skizzenhaften Uberlegungen in Abschnitt 2, dass sich der Gedanke einer „Produktion von Dienstleistungen" in der Wirtschaftswissenschaft durchgesetzt hat. Dieser Ansatz wird daher hier aufgegriffen und anhand der Input-Output-Analyse vertieft. Diese Analyseform, die auf Leontief zuriickgeht (Leontief 1951) und von Kloock weiterentwickelt wurde (Kloock 1969), bildet das gesamte betriebliche Leistungserstellungssystem samt seiner Beziehungen zur Umwelt komprimiert bis hin zur Produktionsfunktion ab. Umweltbeziehungen entstehen daraus, indem das Untemehmen Produktionsfaktoren als Inputgiiter von den Beschaffiingsmarkten bezieht und die erstellte Leistung auf dem Absatzmarkt veraufiert. Der Leistungserstellungsprozess, in dem die Produktionsfaktoren zur erbrachten Leistung kombiniert werden, stellt dabei keine „Black box" dar; vielmehr ist der Prozessablauf bekannt. Dies schlieBt auch die Transformationsfiinktionen fur jede Leistungsstelle ein, die den benotigten Input in eine eineindeutige Beziehung zum Output der Stelle setzen. Zur Vereinfachung der Analyse wird dabei iiblicherweise unterstellt, dass jede Leistungsstelle nur eine Leistungsart erzeugt und demzufolge nur eine Leistungsart an nachgelagerte Leistungsstellen oder an den Absatzmarkt abgibt. Bevor die Input-Output-Analyse auf die Dienstleistungsproduktion angewandt werden kann, bedarf es einiger Konkretisierungen. Diese betreffen insbesondere die Produktionsfaktoren und die Umweltbeziehungen des Produktionssystems: In den Leistungserstellungsprozess gehen sowohl aus vorgelagerten, nicht zum Dienstleister gehorigen Stellen wie auch direkt von Seiten des Kunden Vorleistungen k [k €: [A^B^...}) mit
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den Mengen i?^ ein. Folglich weist der Leistungserstellungsprozess, verglichen mit der Sachgiiterproduktion, eine starkere Vemetzung mit der betrieblichen Umwelt auf. Abbildung 4 illustriert den (Dienst-)Leistungserstellungsprozess beispielhaft:
Extemer Bereich (Leistungsempfanger)