Verpacktes Leben - Verpackte Technik [illustrated edition] 3527304436, 9783527304431 [PDF]


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Table of contents :
Verpacktes Leben – Verpackte Technik......Page 5
Inhaltsverzeichnis......Page 13
Geleitwort......Page 7
Vorwort......Page 11
1 Einleitung......Page 17
2 Netzwerk Verpackung......Page 19
2.1.1 Struktur-Form-Systemik -Vernetze Aktionsfelder für nachhaltige Verpackungen der Natur......Page 20
2.1.2 Produkt und Menge -Leitbegriffe für ökonomische Verpackungen der Technik......Page 22
2.2.1 In lokaler Umgebung perfekt angepaßte Naturverpackungen......Page 24
2.2.2 Weltweit wirtschaftlich zweckorientierte Technikverpackungen......Page 25
2.2.3 Schlußfolgerung......Page 26
2.3 Das Fertigungsprodukt Verpackung......Page 27
2.3.1 Leistungsfähige Materialien höchster Wirkungsgrade bei biologischen Verpackungen......Page 28
2.3.2 Materialverarbeitung technischer Verpackungen im Umfeld kunstlicher Stoffverbünde......Page 30
2.3.3.1 Grundbausteine biologischer Klebstoffe......Page 32
2.3.3.2 Seepocken (Balanus nubilis)......Page 33
2.3.3.3 Orchideen (Orchidaceae)......Page 34
2.3.3.4 Termiten (Nasutitermes)......Page 35
2.3.4.1 Klebstoffe für technische Verpackungen......Page 37
2.3.4.2 Verpackungtechnische Anwendungen für Klebstoffe unter besonderer Berücksichtigung der Wiederverwertung......Page 40
2.4.1 Naturverpackung und Naturpackgut aus einem Guß......Page 42
2.4.2 Verpackung und Packgut in der Technik – getrennte Entwicklung und gemeinsame Nutzung......Page 44
2.5.1 Was bedeutet Optimieren?......Page 46
2.5.2 Wie optimiert die Natur?......Page 49
2.5.2.1 Evolutionäre Algorithmen nutzen die Optimierungsstrategie der Natur......Page 50
2.5.3 Wie optimiert die Natur Verpackungen?......Page 51
2.5.4 Wie optimiert die Technik Verpackungen?......Page 53
2.6.1 Kleinräumiges Wirkungsfeld zur Erhaltung der Art......Page 55
2.6.2 Weltweite Transporte im wirtschaftlichen Wettbewerb......Page 56
2.7.1 Naturverpackungen in der Umwelt – ökonomisch und ökologisch zugleich......Page 58
2.7.2 Technische Verpackung – Umwelt – Verpackungsabfall......Page 59
2.8 Mensch und Verpackung......Page 68
2.8.1 Suggestive Kaufreize durch manipulierte Verpackungen......Page 72
2.8.2 Einzelhaushalte und die Summe kleiner Verpackungen......Page 74
2.8.3 Zauberwort »Convenience«......Page 75
2.9 Netzwerk Verpackung – wo ist der Anfang und wo ist das Ende?......Page 77
3 Grenzfläche Verpackung: Schlüsselelement für Lebensprozesse......Page 79
4.1.1 Strategien für Verpackungshüllen......Page 81
4.1.2 Die Materialien tierischer und pflanzlicher Verpackungshüllen......Page 84
4.1.3 Farbige Verpackungen ohne Farbstoffe......Page 89
4.1.4 Faltbare Strukturen......Page 90
4.1.5 Verpackungen als Form- und Farbanpassungen......Page 92
4.1.6 Multifunktionelle Verpackungen......Page 94
4.1.7 Verpackungen die für den Verbraucher leicht zu handhaben sind......Page 96
4.1.9 Wehrhafte Verpackungen......Page 98
4.1.10 Öffnungs- und Schließtechniken......Page 99
4.1.11 Rezyklierte Materialien für Verpackungen......Page 101
4.1.12 Selbstregelnde Verpackungen......Page 103
4.1.13 Anhaftende Verpackungen......Page 104
4.1.14 Genießbare Verpackungen......Page 107
4.2.1 Platzoptimierte Verpackungen......Page 109
4.2.2 Faserverstärkte Hüllen und dichte Packungen......Page 112
4.2.4 Stoßgesicherte Verpackungen......Page 113
4.2.5 Geformte Verpackungen......Page 115
4.2.6 Druck-, stoß- und biegefeste Verpackungen......Page 117
4.2.7 Dynamisch mitwachsende Kalkverpackungen......Page 119
4.3.1 Rinden: wetterfeste Verpackungen......Page 120
4.3.2 Wachsschichten gegen Wetter, Feuchtigkeit und Licht......Page 123
4.3.3 Verpackungen gegen Flugsand......Page 124
4.3.4 Staubabweisende Hüllen......Page 126
4.3.6 Schaumstoffverpackungen......Page 128
4.3.7 Verpacktes Leben – Die Haut......Page 129
4.3.8 Vor UV-Licht schützende Verpackungen......Page 131
4.4.1 Energieoptimierte Hüllen......Page 132
4.4.2 Lehmverpackungen......Page 137
4.4.3 Reflektierende Hüllen......Page 138
4.4.4 Durchscheinende, wärmeisolierende Hüllen......Page 139
4.4.5 Kühlende Verpackungen......Page 140
4.4.6 Feuersichere Hüllen......Page 141
4.5.1 Die Eierschale......Page 143
4.5.2 Das Straußenei, Nahrung und rezyklierte Verpackung......Page 148
4.5.3 Atmende Hüllen......Page 149
4.5.4 Zwiebeln als universelle Verpackungen......Page 150
4.5.5 Verpackungen mit Langzeitprogramm......Page 151
4.6.1 Geräuschlose Verpackungen......Page 153
4.6.2 Fliegende Verpackungen......Page 154
4.6.3 Gewebte Verpackungen......Page 155
4.6.4 Gesponnene Hüllen......Page 157
4.6.5 Organische „Kettenhemden“......Page 160
4.6.6 Wattehüllen......Page 161
4.6.7 Chemische Spezialverpackungen......Page 162
4.7.1 Künstlich verpacktes Leben......Page 163
4.7.2 Der Übergang von natürlicher zu technischer Verpackung......Page 165
5.1 Bionik – Grenzgängerin zwischen Biologie und Technik......Page 167
5.1.1 Anleitung für bionisches Forschen und Entwickeln......Page 170
5.2 Verpackungsbionik – Produktentwicklung im komplexen Netzwerk......Page 178
5.2.1 Strategische Aktionsfelder der Verpackungsbionik......Page 179
5.2.2 Lebensweg Verpackung......Page 181
5.2.3 Die biokybernetische Verpackung......Page 185
5.2.4 Verpackungsbionische Quälitatsmatrix – Kernelement der Verpackungsbionik......Page 191
5.2.5 Evolutionäre Verpackungsoptimierung......Page 198
5.3.1 Welche Strategien erkennt man?......Page 203
5.3.2 Verpackungsmaterialien der Natur – wo werden sie bereits technisch genutzt?......Page 205
6 Organisationsmanagement der Verpackungsbionik......Page 209
6.1 Biologisches Organisationsmanagement der Verpackung......Page 210
6.2.1 Komplexe Organisation – komplexes Management......Page 216
6.2.2 Die Wenn-dann-Logik des Mißlingens im Organisationsmanagement......Page 218
6.3 Bionisches Organisationsmanagement – BOM – Vision für eine ganzheitliche nachhaltige Verpackungswirtschaft......Page 226
6.3.1 Systemische Denkrichtungen und Denkhemmnisse......Page 233
6.4 Klare Zielvorgaben aus komplexen Zusammenhangen......Page 235
7.1 Verpackungsmaterial, Verpackungsvolumen und Verpackungsmasse......Page 239
7.2 Energieeinsatz und Verpackungsströme......Page 240
7.3 Information, Transport und Verpackung......Page 242
7.4 Lernprozeß und Zeithorizont......Page 243
8 Zusammenfassung und Ausblick......Page 247
Literaturnachweis......Page 251
Stichwortverzeichnis......Page 257
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Verpacktes Leben - Verpackte Technik [illustrated edition]
 3527304436, 9783527304431 [PDF]

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Zitiervorschau

Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

Udo Kuppers und Helmut Jributsch Verpacktes Leben - Verpackte Technik Bionik der Verpackung

Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

Verpacktes Leben - Verpackte Technik Bionik der Verpackung

Udo Kiippers He Irn u t Trib u tsch

@WILEY-VCH

Die Autoren dieses Buches Dr.-lng. Udo Kuppers

Bionik-Systeme Hauptmann-Bose-Weg9 zXzr) Bremen

1

Das vorliegende Werk wurde sorgfaltig erarbeitrt. Dennoch dbernehmen Autor und Verlag fur die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlagen sowie fur eventuelle Druckfehler keine Haftniig. Die Deutsche Bibliothek -

Prof. Dr. Helmut Tributsch

CI P-Einheitsaufnahme

Hahn-Meitner-lnstitut Berlin GmbH Glienicker StraRe 100 1 4 1 0 9Berlin

E m Titeldatensatz fur dieze Publikation be1 Der Deutschen Bibliothek erhdlthch

i\t

0 Wiley-VCH Verlag GmbH Weinheim, 2 0 0 2 Alle Rechte, insbesondere die der Ubersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Tell dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages i n irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein andercs Verfahren - reproduziert oder in einr von Maschinen. insbesondere yon Datenverarbeitungsmaschinen. verwendbare Sprachcn iibertragen oder ubersetzt werden. printed in the Federal Republic ofGerinaii) gedruckt auf saurefreiem Papicr Einbandgestaltung Wolfgang Schefflcr.

Mainz Satz Manuela Treindl. Regensburg Druck Druckhaus Darmstadt GmbH.

Darmstadt Bindung Wilh. Osswald & Co. KG,

Neustadt ISBN 3-527-30443-6

I"

Celeitwort

Ohne Verpackung kein Leben. Verpackung gehort zur Kulturgeschichte der Menschheit. Durch zeit- und zweckgemaBe Verpackungen haben schon unsere Vorfahren gelernt zu uberleben, spater unseren Globus zu entdecken und weltweiten Handel zu betreiben. Heute stehen uns Waren verschiedenster Art aus allen denkbaren Teilen der Kontinente und Regionen zu jeder Jahres- und Tageszeit zur Verfugung. Es ist bekannt, dag in unserer arbeitsteiligen Welt die Ernahrung der Menschheit, ihre Versorgung mit Arzneimitteln und sonstigen Gutern des taglichen Bedarfs nur durch die richtige und zweckmagigeVerpackung sichergestellt ist. So macht uns die Verpackung das Leben vielfach leichter und schoner, sie steigert die Lebensqualitat. Und doch ist die Verpackung insbesondere in den letzten Jahren in die kritische Umweltdiskussion gekommen. Leben ist Verpackung. Es ist naheliegend, den Blick auf das organische Wachstum zu richten, um so von der Natur zu lernen. Denn mit Komplexitat zu leben und sie zu bewaltigen,ist seit Jahrmillionenfur unzahlige Organismen und ihre Verpackungslebenslaufe in der Natur die selbstverstandlichste Grundlage ihres Uberlebens. Das Naturprinzip der vernetzten ruckgekoppelten Kreislaufwirtschaft garantiert eine Weiterentwicklung ohne einschneidende Folgen. Dieses hervorstechende Organisationsmerkmal ist neben anderen der Garant fur stabile, fehlertolerante und natiirliche Verpackungsverarbeitng. Wenn wir also auf die N a t r und ihre inspirierenden Verpackungsprodukteschauen, dann konnen wir lernen, intelligente technische Verpackungen in einer vernetzten Umwelt nachhaltig zu gestalten. Das ist die ,,Korrespondenz des Lernens", die uberlegene Verpackungsprinzipien der Natur mit Wissen und Erfahrung aus technischen Verpackungsentwicklungen paart und zu einer Bionik der Verpackung fiihrt. Mit Prof. Dr. HeImut Tributsch und Dr.-Ing. Udo Kuppers haben sich zwei haarscharfe Beobachter und Analytiker gefunden, um gemeinsam Errungenschaften der Natur zu beobachten und im Hinblick auf Verpackungsleistungen zu hinterfragen. Beiden ist hierbei ihr groBes Wissen in der physikalischen und theoretischen Chemie und der Fertigungs- und Verfahrenstechnik sowie den langjahrigen Auseinandersetzungen mit der Bionik zu Gute gekommen. So ist aus dem soliden natur- und ingenieurwissenschaftlichen Wissen der Autoren hier erstmals ein Werk entstanden, das die vielschichtigen Anforderungen an eine Verpackung aus gewachsenen Modellen der Natur zu beschreiben versucht. Das ist gelungen. Die anspruchsvollen

VI

I

Celeitwort

Themen werden wissenschaftlich exakt, klar und fur die Leser verstandlich aufgearbeitet. Viele Fotografien, Graphiken und Tabellen erganzen hilfreich den Text. Stets bleibt der Bezug zwischen Natur und Verpackung erhalten, so daB der interessierte Leser hier den moglichen Einstieg fur seine eigenen Uberlegungen finden kann. Das vorliegende Werk gliedert sich im wesentlichen in drei Themenblocke: Netzwerk Verpackung Hier wird der Sinn der Verpackung in Technik und Natur beschrieben. Deutlich wird belegt, welche erforderlichen Verpackungsaufgaben anfallen und wie auf der einen Seite der Ingenieur und Designer und auf der anderen Seite die Natur die Losungen erbringen. Dabei bezieht die Natur immer eigene Summen von Zielgrogen und Einflusse gemeinsam in ihren Optimierungsstrategien mit ein. Alle venvendeten Materialien sind daher bestens hinsichtlich ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften und lebenslauforientierten Verarbeitung aufeinander abgestimmt. Wer wurde das von technischen Verpackungen pauschal behaupten wollen, bei denen sich nicht selten erhebliche Entsorgungsprobleme ergeben konnen. So liefert die Natur variantenreiche Materialoptimierungen hinsichtlich Fertigungseigenschaften, Strukturen, Formen und Vieles mehr von Verpackungen, und sie gibt Anregungen fur die Entwicklung neuer technischer Verpackungen. Denken wir nur an die hocheffziente Technik der filigranen Materialverbunde in der Natur, die gegenwartig fur unsere menschlichen materialtechnischen Entwicklungen noch unerreichbar erscheinen. Daruber hinaus wird im speziellen Fall der adhasiven Fugetechnik aufgezeigt und belegt, wie neue Verbindungstechniken aufgebaut sein konnen. Verpackungsbeispiele aus der Natur Hier werden Verpackungsleistungen naturlicher Produkte aufgezeigt, und es wird deutlich, daB es kaum einen Ort auf unserer Erde gibt, wo Verpackungen nicht mit Raffinesse und hoher Effizienz den Fortbestand wachsenden Lebens auf vielfaltige und eindrucksvolle Weise sichern. Prof. Dr. Helmut Tributsch zeigt, daB er nicht nur ein anerkannter Wissenschaftler ist, sondern es auch versteht, die Natur zu erleben, zu beobachten und das Gesehene fur jene, die es nicht miterleben konnten, kenntnisreich und plastisch zu schildern. Auf mehr als 150einmaligen - man ist geneigt zu sagen liebevollen - Fotos wird die Leistungsvielfalt der Natur im Hinblick auf Verpackungslosungen belegt. Organisationsmanagement der Verpackungsbionik Dr.-Ing. Udo Kuppers ist es gelungen, dem interessierten Leser Wissen und Handwerkszeug anzubieten, das ihn befahigt, eigene bionische Verpackungsansatze zu verfolgen. Der ausfuhrliche Text wird durch Tabellen, Graphiken und Checklisten, die einfach und praxisnah zu handhaben sind, sinnvoll erganzt. Hier also eine Aufforderung mitzumachen.

Weitwort

Erstmals befafit sich ein wissenschaftliches Werk ausfuhrlich, tiefgreifend und erfolgreich mit Verpackungslosungen der Natur und leitet daraus mogliche Ansatze fur reale technische Verpackungslosungen ab. Historisch kann hierdurch ein neues Zeitalter fur Verpackungsentwicklungen eingeleitet worden sein. In diesem Sinne wiinsche ich den Autoren und ihrem Buch viele Leserinnen und Leser, die sich fur die Asthetik und die Funktionalitat biologischer Verpackungen begeistern konnen, und gespannt sind auf die sich ergebenden Moglichkeiten technischer bionischer Verpackungen. Berlin im Fruhjahr 2001

Dieter Berndt

I

VII

Aus technischen Gründen bleibt diese Seite leer

Cewidmet den kleinen und groj3en Kindern, damit sie von der Natur lernen und rijcksichtsvoller mit ihr umgehen

Vonvort

Das vorliegende Buch erscheint in einer Zeit des wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels. Die Disziplinen der Biowissenschaften - Life-Sciences- und die der Informations- und Kommunikationswissenschaften - IuK - ringen um die Vorherrschaft als Wegbereiter fur zukunftige bio-technische Entwicklungen. Erstere werden getrieben von der Entschliisselung des genetischen Codes der menschlichen Desoxyribonukleinsaure,der DNS und den damit verbundenen, weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Die Entwicklung der IuK wird angetrieben vom neuronalen ,,Geist", der das Ziel verkorpert, menschenahnliche Maschinen mit Intelligenz und BewuBtsein zu entwickeln und fur futuristische Zwecke einzusetzen. Beide versuchen das (noch) Unmogliche, namlich das uber Jahrmillionen evolutionierte Leben mit dem Menschen als hochstes entwickeltes Lebewesen, technisch-wirtschaftlichvorteilhaft zu manipulieren oder zu imitieren. Unbestreitbar steht gegenwartig die Gentechnik als Motor der Life-Sciences im Mittelpunkt des offentlichen Interesses. Hierbei erstreckt sich eine intensive Diskussion iiber Techniken der genetischen und biotechnischen Verandemngen von Leben einerseits und der Ethik des Lebens andererseits quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. In dieser entscheidenden Entwicklungsphase fur unsere Zukunft ist auch die Bionik (der Verpackung) als Teildisziplin der Life-Sciences eingebunden. Sie positioniert sich als bioanalog forschende Wissenschaft zwischen natiirlicher Biodiversitat und innovativer Zukunftstechnik ohne ethische Konflikte und Manipulationen des naturlichen Lebens. Im Gegenteil. Die Archive der Natur, mit ihren naturlichen Artenreichtiimern als maBgebende Voraussetzung fur fehlertolerante, nachhaltige Weiterentwicklung von Lebewesen und deren technischen Leistungen in hochster qualitativer Vollendung, sind die fundamentale Basis fur bionische Analogieforschungund adaquate,technisch-wirtschaftliche Anwendung. Evolutionar gewachsene Biodiversitat ist Billionen wert, vor allem fur unser aller Weiterleben, aber auch als wissenschaftliche Fundgrube fur effiziente, nachhaltige Losungen der Verpackungsbionik. Es ist anzunehmen, daB die Menschheit, wenn ihr das Wohlergehen der Erde am Herzen liegt, in einigen hundert Jahren mit ihr vie1 mehr im Gleichgewicht leben wird. Ihre moderne Technologie wird dann in vieler Hinsicht der durch die Evoluti-

x

I on entwickelten biologischen Technik der Natur sehr ahnlich sein und harmonisch Vowart

mit ihr koexistieren. Es sind ja im wesentlichen dieselben Rahmenbedingungen, dieselben Energieflusse und Umweltbedingungen, welche die naturliche und zivilisatorische Entwicklung langfristig festlegen und begrenzen. Dies gilt auch fur das komplexe und sich schnell entwickelnde Gebiet der Verpackungstechnologie. Die Natur hatte sehr viel mehr Zeit als die ungeduldige Menschheit, optimierte Verpackungslosungen zu entwickeln und zu erproben. Der Inhalt dieses Buches zeigt Wege auf, wie von diesen wertvollen Erfahrungen profitiert werden kann. Leider beginnt dieser unermeBliche Schatz durch die Hande der Menschen zu zerrinnen. Noch zu unversohnlich stehen sich die - von uns Menschen in den Vordergrund gedrangte - Strategie eines linearen, gesteuerten Wirtschaftswachstums und die bewahrte Methode der Natur einer geregelten, komplexen Nachhaltigkeit gegenuber. Es konnte vor allem viel Zeit gespart werden, welche die Entwicklung wirklich nachhaltiger Verpackungskonzepte kosten wiirde. Zeit und Erfahrung sind aber sehr wertvolle Guter. Gerade in unserer Gegenwart, die eine unvergleichliche Zerstorung der Natur mit sich bringt, sollte man erkennen, daB wir keine Zeit verlieren durfen. Vielleicht kann uns die Natur selbst Rezepte liefern, die uns helfen konnten, letztlich auch sie besser zu schutzen. Nutzen wir die Evolution, um unsere eigene technologische Entwicklung zu korrigieren und sie uberlebensfahiger zu machen. Dazu brauchen wir Anregungen und Beispiele, die uns die Augen offnen, damit wir lernen, synergetisch zu denken und zu handeln. Dies ist wohl das erste Buch uber die Verpackungsproblematik, das mit einem solchen Anliegen an die Leser herantritt. Moge es nicht nur informieren, sondern auch dazu anregen, der Natur mit technischem Respekt und forschender Neigung zu begegnen. Bremen/Berlin, im August

2001

Udo Kuppers Helmut Tributsch

I

Inhaltsverzeichnis

Celeitwort vorwort 1

2 2.1 2.1.1

2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3 2.3.3.4 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.2 2.3.4.3 2.4

Einleitung

V

IX 1

Netzwerk Verpackung 3

Verpackungen in Natur und Technik 4 Struktur-Form-Systemik - Vernetze Aktionsfelder fur nachhaltige Verpackungen der Natur 4 Produkt und Menge - Leitbegriffe fur okonomische Verpackungen der Technik 6 Verpackung und Lebensraum 8 In lokaler Umgebung perfekt angepaBte Naturverpackungen 8 Weltweit wirtschaftlich zweckorientierte Technikverpackungen 9 SchluBfolgerung 10 Das Fertigungsprodukt Verpackung 11 Leistungsfahige Materialien hochster Wirkungsgrade bei biologischen Verpackungen 12 Materialverarbeitung technischer Verpackungen im Umfeld kunstlicher Stoffverbunde 14 Fugen durch adhasive Klebtechniken bei biologischen Verpackungen und ihr technischer Nutzen 16 Grundbausteine biologischer Klebstoffe 16 Seepocken (Balanus nubilis) 17 Orchideen (Orchidaceae) 18 Termiten (Nasutitermes) 19 Fugen durch adhasives Kleben bei technischen Verpackungen 21 Klebstoffe fur technische Verpackungen 21 Verpackungtechnische Anwendungen fur Klebstoffe unter besonderer Beriicksichtigung der Wiederverwertung 24 Einflusse auf das Klebstoff-Anforderungsprofilund Packstoffeignung 26 Verpackung und Packgut 26

XI1

I

lnhaltsverzeichnis

Naturverpackung und Naturpackgut aus einem GuB 26 Verpackung und Packgut in der Technik - getrennte Entwicklung und gemeinsame Nutzung 28 2.5 Verpackung und Optimierung 30 2.5.1 Was bedeutet Optimieren? 30 2.5.2 Wie optimiert die Natur? 33 2.5.2.1 Evolutionare Algorithmen nutzen die Optimierungsstrategie der Natur 34 2.5.3 Wie optimiert die Natur Verpackungen? 35 2.5.4 Wie optimiert die Technik Verpackungen? 37 2.6 Verpackung und Transport 39 2.6.1 Kleinraumiges Wirkungsfeld zur Erhaltung der Art 39 2.6.2 Weltweite Transporte im wirtschaftlichen Wettbewerb 40 Verpackung und Umwelt 42 2.7 2.7.1 Naturverpackungen in der Umwelt - okonomisch und okologisch zugleich 42 2.7.2 Technische Verpackung - Umwelt - Verpackungsabfall 43 Mensch und Verpackung 52 2.8 2.8.1 Suggestive Kaufreize durch manipulierte Verpackungen 56 2.8.2 Einzelhaushalte und die Summe kleiner Verpackungen 58 2.8.3 Zaubenvort >>ConvenienceConvenienceMutationskosten< als Funktion der Optimierungsparameter LKosten

Abb. 5.1.2 Kosten-CewinnFunktion der evolutiven Systemoptimierung.

I Kosten-Gewinn-Kurve

I Zahl der Optimierungsschritte/Zeit I _____

Break-even-point

0

Maximaler Gewinn durch Optimierung Ende der Gewinnzone

@

Fixkosten des Experiments

@

Variable Kosten des Experiments - linearer Ansatz Gewinn durch Optimierung _ nichtlinearer ' ' Ansatz

0

Vorteil des optimierten Gegenstandes oder Verfahrens den Kostenaufwand des Entwicklungsprozesses neutralisiert. Eine sinnvolle Abschatzung des Abbruchkriteriums in der Nahe des angestrebten - wie auch immer bewerteten - lokalen und auch globalen Optimums 1aBt sich beispielsweise in einem schlechter werdenden Verhaltnis von relativem Fortschritt zum Optimierungsaufwand erkennen. Optimierungen dieser Art besitzen fur komplexe Vielparametersysteme den Vorteil einer Kontinuitat des Fortschritts. Trotz erfahrenen menschlichen Wissens bei der Anwendung von ,,Trial and error-Optimierungen" in komplexen vielparametrigen Suchfeldern, ist diese Kontinuitat vielfach nicht gewahrleistet. In den wenigen Jahrzehnten, in denen sich die Bionik durch ihre einmalige Analogieforschung gegenuber alteingesessenen Forschungsrichtungen behaupten muBte, kann sie bereits beachtliche und leistungsfahige Losungen vonveisen. Die nachfolgenden Anwendungsbereiche der Bionik in Tabelle 5.1.1 stellen eine erste strukturierte Ordnung fur das eigenstandige Wissenschaftsgebiet der Bionik dar, aus der die Breite bionischer Forschung erkennbar ist.

5.I Bionik - Crenzgangerin zwischen Biologie und Technik

Anleitung fur bionisches Forschen und Entwickeln.

Abb. 5.1.3

Naturvorbild

I Erkenntnis

I Technische Biologie TB

IngeGeurtechnische Bionik IE

Nachahmung Nachhaltigeswirtschaftliches

I Anwendung _ _ _ _ _ _ ~

Tab. 5.1.1

Strukturelle Cliederung der Bionik nach VDI 1993. BIONiK

Konstruktionsbionik

I Verfahrensbionik

lnformationsbionik

Materialbionik

Klima- und Energetobionik

Neurobionik

z. B. Materialien mit

z. B. Liiftungssysteme.

z. B. neuronale Netze,

spezifischen Eigenschaften, Warmedammung. riickstandsfreier Abbau

Heiz-Kuhl-Systeme. Energiesysteme

genetische Algorithmen

Werkstoffbionik

Baubionik

Evolutionsbionik

z. B. Werkstoffe u. Bauteile,

z. B. Architektur, Leichtbau,

z. B. Evolutionsstrategien

Membranen, Oberflachenstruktur

wandelbare Bauten, Briickenkonstruktionen

Bionische Prothetik z.B. Funktionsoptimiemng von Prothesen

I

Sensorbionik

Prozessbionik

z. B. Ortungssysteme,

z. 8. Biokybernetische Prozesse, Prozegregelung

Tastsensoren, Schwingungssensoren

Bionische Robotik

Bionische Kinematik und

Gehwerkzeuge

z. B. Aerodynamik yon

Organisationsbionik z. B. Informationssysteme,

Verkehrsmitteln, Antriebsarten fur Schiffe. Rohrnetze

Systemische Wirkungsnetze. BOM = Bionisches Organisationsmanagement, selbstorganisierte Strukturen

I

162

I

5 Bionik der Verpackung

Bionik-Fokus Neue. erganzende

Marktvielfalt

und umsetzen

hoher Kornplexitat und

b0 Ruckkopplung . -

Naturvietfalt nutzen

Abb. 5.1.4

verslarkend

regulierend

Adaptive Verbesserung

Bionik-Fokus.

Die Grenzgangerin Bionik fuhrt nach den vorab aufgefuhrten Themenbereichen zu einem vielfaltigen und wegweisenden Lernen und Lehren, Forschen und Anwenden. Sie ist jedoch keine Universalstrategie und kein blinder Kopierautomat von biologischen ,,Matrizen". Es ist aber unstreitig, daB bei der Ausschopfung der Naturgesetze, bei Beriicksichtigung analoger beziehungsweise ahnlicher Gutekriterien, Funktionen und Randbedingungen die Wissenschaftsdisziplin Bionik ihre interdisziplinare Starke voll entfalten kann. Dies geschieht durch den Transfer der vielfach uberlegenen Naturkonstruktionen, -verfahren und -0rganisationsprinzipien in die Technosphare, wie Abbildung 5.1.4 schematisch skizziert.

5.2

Verpackungsbionik - Produktentwicklung irn kornplexen Netzwerk

Im einfuhrenden Kapitel 2 ist bereits deutlich geworden, wie vielfaltig die Betrachtungsrichtungen und wie zahlreich die Einflusse auf das Produkt Verpackung sind und sein konnen. An dieser Stelle werden wir nun naher auf die Strategie der Verpackungsbionik eingehen, die Fragen beantwortet wie: Welche Naturprinzipien konnen fur bionische Verpackungen erkannt und genutzt werden? Nach welchen Kriterien werden Verpackungen aus technischer bionischer Sicht untersucht und optimiert? Welche Systemeinflusse tangieren den Lebensweg einer Verpackung?

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk

Sicher ergeben sich hier und da im Text Uberschneidungen mit den Inhalten der anderen Kapitel. Aber das ist bei unserer systemischen Herangehensweise nicht auszuschlieaen - ja geradezu zwingend. Nichts ware falscher als den Eindruck zu envecken, die komplexen Verpackungsnetzwerke der Natur und der Technik lieBen sich in abgegrenzte ,,Felder"aufteilen und nacheinander bearbeiten. Leider geschieht derartiges im technischen Verpackungbereich noch zur Genuge, wodurch der TrugschluB unterstiitzt wird, die Summe von Einzellosungen musse auch das Gesamtergebnis verbessern. Wenn wir uns die Einteilung der bionischen Arbeitsfelder aus Tabelle 5.1.1, die nur formalen Charakter besitzt, in Erinnerung rufen, konnen wir feststellen und auch envarten, dafl die Verpackungsbionik sich mehrerer dieser Felder bedient. Beispielsweise werden materialbionische Aspekte durch Strukturuntersuchungen von Verpackungen verfolgt, optimierungsstrategische Ansatze konnen durch die Evolutionsbionik bearbeitet werden oder Fragen, die Materialverlaufe und Energieflusse auf ihre Effizienz hin untersuchen, fallen in den Bereich der Organisationsbionik. Wenden wir uns nun der Strategie der Verpackungbionik zu. 5.2.1

Strategische Aktionsfelder der Verpackungsbionik

Biologische Verpackungen sind derart reich an gestalterischen und funktionalen Merkmalen und Eigenschaften, wie in Kapitel4 dargestellt, daB es schwer fallt, daraus eine einigermaBen handhabbare Klassifizierung fur ein strategisches verpackungsbionisches Vorgehen abzuleiten. Wir wollen nachfolgend die verpackungsbionische Einteilung - die in Kapitel 2 . 1 . 1 bereits angesprochen wurde - aus 4 SchluBfolgerungen ableiten: I.

Zum einen sind es die konstruktiven Merkmale natiirlicher Verpackungen. Sie regen Natur- und Ingenieurwissenschafler an, technische Details und Eigenschaften dieser materialsparsamen und doch hochst funktionalen Formen bzw. Hullen zu analysieren, mit dem Ziel einer technischen Anwendung, die in geeigneter Weise ingenieurmaflig umgesetzt wird.

2.

Zum anderen lernen wir aus den effizienten physikalisch-chemischen Mechanismen, die aus den optimierten Strukturen und dem Materialaufbau biologischer Verpackungen hervorgehen, vie1 uber den effkienten Schutz des Verpackungsinhaltes und uber den spezifisch optimierten Aufbau des Verpackungsmaterials. Hieraus lassen sich ebenso wie unter Punkt I neue wirksame Anwendungen fur technische Verpackungen ableiten. Mit den biologischen Vorbildern aus Kapite14 prasentieren wir dafur einen kleinen Einblick in die Schatzkammer effizienter Naturlosungen.

3. Des weiteren fuhrt uns die Natur Tag fur Tag vor - wenn wir Menschen dabei nicht egoistisch storen - wie sie ein nachhaltiges und okonomisches Verpackungsmanagement durchfuhrt. Hier stehen Organisationsablaufe vernetzter, systemischer Ruckkopplungsprozesse im Mittelpunkt organisationsbionischer For-

I

163

164

I

5 Bionik der Verpackung

schung. Es sind gerade die - noch zu sehr vernachlassigten - optimierten Organisationsstrukturen verpackungsbiologischer Ablaufe, die uns wesentliche Anregungen geben fur den sparsamen, energetisch sinnvollen, symbiotischen, okologischen und nicht zuletzt auch okonomischen Umgang mit Verpackungsstoffen und Verpackungsmaterialien. 4. Und schlieglich nutzt die Verpackungsbionik den ,,Motor" der biologischen Entwicklung, die evolutionare Optimierungsstrategie. In Form von mathematischen, evolutionaren Algorithmen kann sie zur qualitativen Verbesserung technischer Verpackungsstrukturen, Verpackungsformen und Verpackungsablaufe eingesetzt werden.

Die verpackungsbionische Forschung sttitzt sich somit auf drei Aktionsfelder Struktur, Form und Systemik. Wir konnen sie folgendermagen beschreiben: Verpackungsstruktur Die vermuteten oder erkannten Vorteile biologischer Verpackungsstrukturen werden mit physikalischen und chemischen Megmethoden unter Berucksichtigung der spezifischen Produkteigenschaften untersucht. Hierzu zahlen unter anderem Materialeigenschaften in bezug auf a d e r e Urngebungseinflusse, funktionsorientierte Makro- und Mikrostrukturen, Verbundsysteme, physikalisch-chemische Austauschprozesse und anderes mehr. Verpackungsform Aus der Reichhaltigkeit biologischer Verpackungsformen werden systematisch ausgewahlte Produkte morphologischen, biomechanischen und funktionalen, megtechnischen Untersuchungen unterzogen. Materialoptimierte Aspekte werden hierbei eine ebenso groBe Rolle fur das Ziel einer bionischen Verpackung spielen wie auch die energetische Betrachtung. Nicht zuletzt wird der Einsatz evolutionarer Optimierungsstrategien, die auch Teil verpackungsbionischer Entwicklung sind, auf material-, energie-, transport-, und lageroptimierte bionische Verpackungen einen wesentlichen EinfluB ausiiben. Verpackungssystemik Das Erfassen und Bewerten komplexer Verpackungsvorgange der Natur erfordert eine darauf angepagte methodische Herangehensweise. Hierdurch sollen unter anderem zeit- und kosteneffiziente Wege im Netzwerk komplexer biologischer Verpackungszusammenhange erfagt und bionisch bewertet werden. Kleinraumig vernetzte, kreislaufgeshtzte Verpackungsablaufe sind naturtypisch fur ein abfalloptimiertes Verpackungsmanagement. Welche systeminharenten Einfliisse den hervorragend funktionierenden Ablauf eines artubergreifenden, entwicklungsfahigen Verpackungsmanagements regeln, welche zeitefizienten Transportwege genutzt werden und warum, sind einige von vielen zu untersuchenden ,,biologischen" Fragen, u m ,,bionische" Antworten fur eine technisch sinnvolle Verpackungssystemik geben zu konnen. Alle 3 aufgefiihrten Tatigkeitsfelder bionischer Verpackungforschung sind in der Natur eng miteinander vernetzt, sowohl was die Entwicklung, die Nutzung und die Wiedervenvertung - also den kompletten Verpackungs-Lebensweg - betrifft. Sie sind

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung irn kornlexen Netzwerk Abb. 5.2.1 Drei Aktionsfelder der Verpackungsbionik die durch naturgesetzliche Flusse getragen werden.

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durchzogen von den 3 grundlegenden physikalischen ,,Flussen" Energie, Material und Information, wobei der EnergiefluB die wachstumstreibende Kraft ist und als einziger von einer Wiederverwertung ausgeschlossen bleibt, weil fortwahrend Unordnung (Entropie) erzeugt werden mug. information wird zum Beispiel uber die wachsenden Samen wiedervenvertbar. Abbildung 5.2.1 demonstriert dieses grundlegende Zusammenspiel der Aktivitaten und naturgesetzlichen Flusse. 5.2.2

Lebensweg Verpackung

Fur biologische Verpackungen hat die evolutionare Produkt-und Verfahrensentwicklung Entwicklungswege beschritten, die unter Beriicksichtigungder komplexen Lebenswege Verpackungen zielgerichtet fur die verschiedensten Anwendungen optimiert. Abbildung 5.2.2 zeigt entlang der vielfach vernetzten kreislauforientierten Lebenswege die dazu evolutionar entwickelten Leistungsmerkmale. Lebenswege von Naturverpackungen sind Kreislaufprozesse, die den Regeln der Biokybernetik folgen. Im folgenden Kapitel5.2.3 wird hierauf naher eingegangen. Der Lebensweg technischer Verpackungen bildet sich zumeist aus hintereinandergeschalteten und additiv zusammenwirkenden Verarbeitungs- und Bearbeitungsschritten heraus, von der Rohstoffaufbereitung bis zur Entsorgung. Der DurchschleusungsprozeB der Verpackungsmaterialstrome basiert zum GroBteil auf den Mechanismus der linearen Steuerung, der in Kapitel5.2.3 der von der Natur bevorzugten Regelung gegenuber gestellt wird. Wie aus diesem verpackungsspezifischen Ideenpool der Natur Entwicklungswege fur bionische technische Verpackungen abzuleiten sind, gibt in erster Naherung Abbildung 5.2.3 wieder.

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ldeenschmiede Naturverpackungen.

Abb. 5.2.2

Aufbau von rnechanisch-, chernisch-, und physikalisch-optirnierten Strukturen und Forrnen funktionaler Verpackungen, optirnierte Materialauswahl

Optimierte Stufenprozesse der Materialzerkleinerung, weltbeste detritusverarbeitende Systerne kooperierender Arten, Energiegewinnung fur die eigene Aktivitat, Auffijllung des Rohstoffvorrates, Materialwiedervewertung

Wichtige Ruckkopplungsfunktionen im Materialkreislauf, Wiederverwendung von Verpackungen, Forderung von Symbiosen

Konsumenten Nutzer

Produzenten

Rohstoffe Wasser, Licht, Mineralien, bedarfsgerechter Abbau

Reduzenten Destruenten

Optirnierte Energiekaskaden auf dern Verpackungslebensweg

Energieumwandlung

Aktive und passive Verbreitung, optirnierte Transporteigenschaften

Verbreitung Transport

Sicherung werdenden Lebens durch optirnierte Schutzeigenschaften bzw. Nahrungsreserven von Verpackungen

Verpackung Verpackungsinhalt

Systemeinflusse a u f d e m Lebensweg technischer Verpackungen.

Abb. 5.2.3

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Naturvertraglich entsorgen, erst als letzte Option nach vermeiden, mehrfach nutzen und wiederverwerten

Entsorgung

Gesetzgeber

Rohstoffe

Verpackungsentwickler und -hersteller

Kompakt verpacken, maj'geschneiderte Materialverbundswteme, materialsparende Konstruktionen

Verbraucher Verpackungsarm einkaufen, auf Produkte rnit Zweifund Drittverpackungen verzichten, Mehrjachnut:ung, Mehrwegverpackungen bevorzugen

Wiederverwertung Kleinraumige, Produkt- und Materialkreislaufe schaffen und bevorzugen, brancheniibergreifende Symbiosen schaffen

Mehrwegverpackungen, Optimierung von hgerung, Transpnrf und Haltbarkeit

Handel

Packgutentwickler

Unniitzen Werbeaufiand vermeiden, Informamationsriickkopplungen stiirken

Kommunikation

Abpacker

Produkte Leerraume weitgehend vermeiden, naturbelassen, Fertigungstoleranzen Haltbarkeit durch variabler naturvertragliche gestalten, technisch Mittel schaffen, hochwertige Packgut Maschinen fur komzusammen mit pakte Verpackungen Verpackung entwickeln optirnieren

auf dem Lebensweg technischer Verpackungen

Gesetze, und Richtlinien auf mogliche Verpackungseinsparungen anpassen, OkoAudits normieren

Nachwachsende biologisch zbbaubare Stoffe

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5 Bionik der Verpackung

Aus dem Gesamtzusammenhang der Entwicklungswege fur Verpackungen heraus gesehen stellt sich die Frage: Wie grog ist der Einflug jedes einzelnen Entwicklungsweges auf die Verpackung aus energetischer, materialtechnischer und informationsabhangiger Sicht? Fur biologische Verpackungen ist diese Frage kaum zu beantworten, auch wenn die gegliederte Darstellung in Abbildung 5.2.2 darauf hindeuten mag, und man versucht ist, eine Gewichtung anzusetzen. Hier bewahrt die komplexe biologische Verpackungsentwicklung noch ihre Geheimnisse. Vermutlich spielt eine derartige Gewichtung eine untergeordnete Rolle, wenn man davon ausgeht, daB die Natur nichts verschwendet, weder bei der biologischen Materialherstellung noch beim Energieeinsatz und auch nicht bei der Wiedervenvertung. Aber wie sieht es im technischen Verpackungsraum aus? Energetische und stoffliche Aufwendungen auf dem Lebensweg von Verpackungen versuchen die weiter oben genannten Okobilanzen - weniger systemisch als linear produktkettenorientiert - zu ermitteln. Der Wert von Informationsaustauschprozessen kann gerade im Verpackungssektor, mit seinen zu erfullenden Querschnittsaufgaben in unserer Gesellschaft, nicht hoch genug angesetzt werden. Doch verhindert oft eine komplizierte fachliche Terminologie der einzelnen Partner auf dem Verpackungslebensweg die direkte, nach wie vor efizienteste Verstandigung, die nun indirekt, durch sogenannte ,,Kommunikations-Agenturen"mit - systemisch betrachtet - hoherem Aufwand vollzogen wird (s. Kapitelz.6.z). Uber die Groge des relativen Aufwandes, der auf dem technischen Verpackungslebensweg fur eine Verpackung anfallt, bezogen auf die Groge des relativen Einsparpotentials, gibt Abbildung 5.2.4einen Uberblick. Danach ist das Sparpotential am grogten bei den Fullgut- und Verpackungsentwicklern. Dies mag ein erster vorsichtiger, tendenziell gewichteter Ansatz sein fur gezielte bionische Forschung zur e f i zienten Minimierung unseres Verpackungsaufwandes.

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Abb. 5.1.4

Relatives Sparpotential an Verpackungen auf dem technischen Lebensweg

5.2 Verpockungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk 5.2.3

Die biokybernetische Verpackung

Steuerung und Regelung, Kybernetik und Biokybernetik sind Begriffe (Klaus et. al. 1976), die im Zusammenhang mit Ablaufen in Natur und Technik im allgemeinen und in diesem Buch mit der Verpackungsbionik im Speziellen zu tun haben. Was steckt dahinter? Beginnen wir mit der Beschreibung dieser Begriffe und bilden einfache Beispiele von Steuerung und Regelung auf zwei verpackungsspezifische Vorgange ab. Steuerung

Die Steuerung ist ein Vorgang in einem dynamischen System, bei dem eine oder mehrere EingangsgroBen andere GroBen als AusgangsgroBen aufgrund der dem abgegrenzten System eigenen GesetzmaBikgeit beeinflussen. Charakteristisch fur das Steuern ist der offene Wirkungsweg, die Wirkungskette. Kausale Beziehungen sind einfache Steuerungsvorgange ohne riickwirkende Einflusse auf die eigentlichen Ursachen. Die Elemente einer Steuerung sind: Steuerglied: mechanische/elektronische Einrichtung, z. B. Schalter steuernde GroBe (EingangsgroBe):z. B. Strom gesteuerte GroBe (AusgangsgroBe): z. B. Helligkeit einer Lampe StorgroBe: z. B. Kabelbruch in der Stromzufuhrung Verpackungsbeispiel einer kausalen Folge: Die Ursache des SchadstoffausstoBes von Verpackungstransportmitteln im StraBenverkehr wirkt sich auf die Luftverschmutzung aus, die wiederum die Gesundheit der Verbraucher beeintrachtigt. Regelung

Die Regelung halt die Stabilitat eines dynamischen Systems durch Regelkreisstrukturen aufrecht. Der Regelkreis bildet - im Gegensatz zur Steuerungskette eine geschlossene Kausalkette, die gegenuber augeren und inneren Einflussen relativ stabil bleibt. Die Regelkreisstruktur besitzt wesentliche Funktionen kybernetischer Systeme. In Gestalt der Ruckkopplung liegt eine besondere Form von Wechselwirkung vor. Sie ist fur jede Selbstorganisation grundlegend wichtig. Die Elemente einer Regelung sind: Regler: mechanische/elektronische Einrichtung, z. B. MeB- und Regulierapparatur fur die Temperatur Regelstrecke: z. B. Heizkorper FuhrungsgroBe: Vorlaufiemperatur Stellgroge: z. B. Ventil RegelgroBe: z. B. Temperatur in Regelstrecke StorgroBe: z. B. Umgebungstemperatur

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Abb. 5.2.5 Prinzip der Steuerung u n d Regelung.

Steuerkette StorgrbBe

Steuerglied B

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Steuerglied C

gesteuerte GroBe

steuernde GroBe

Regelkreis FuhrungsgroBe

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Storgrol3e

Verpackungsbeispiel eines geregelten Zusammenhanges: Eine Thermostat-Regelung kontrolliert wahrend der Klebprozesse innerhalb der Verpackungskartonfertigung die KIebfahigkeit eines HeiRklebstoffs uber die Fertigungszeit. Uberschreitet der Klebstoff eine bestimmte Temperaturgrenze, wird Kuhlenergie zugefuhrt. Unterschreitet die Temperatur einen Grenzwert, wird zusatzlich Warme zugefuhrt. Durch diese relativ stabile Einstellung einer spezifisch optimalen Temperatur wird ein annahernd gleichbleibender Klebvorgang gewahrleistet. Abbildung 5.2.5 zeigt den grundlegenden Aufbau einer Steuerung und Regelung. Kybernetik

Kybernetische Systeme besitzen allgemeine Merkmale wie Regelung, Informationsverarbeitung und -speicherung, Adaption, Selbstorganisation und Selbstreproduktion. Die Kybernetik versucht Gesetzmagigkeiten in dynamischen Systemen, z. B. bestimmte Bewegungsformen, aufzudecken, sie zu verstehen und diese in mathematischen Modellen zu erfassen und damit zu experimentieren. Kybernetische Vorgange im Verpackungsbereich sind aufgrund der Tatsache, daR die Verpackungswirtschaft Teil unserer vernetzten, (bio)kybernetisch funktionierenden Umwelt ist, seit jeher im Spiel zwischen Natur und Technik. Sie werden aber

5.2 Verpockungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk

selten gezielt berucksichtigt. Unsere international ausgeweiteten Verpackungsmullprobleme sind die Folge oft unwissentlich ubersehener kybernetischer Zusammenhange auf dem Verpackungslebensweg. Biokybernetik

Die Biokybernetik verschmelzt die Kybernetik mit der Biologie. Erkenntnisse aus biokybernetischer Forschung verbinden biologische Einsichten mit den Modellvorstellungen der Kybernetik. Die Kybernetik liefert dabei, ausgehend von bestimmten biologischen Erkenntnissen, in jedem Fall zunachst ein relativ grobes Denkmodell fur einen biologischen Regelungsvorgang. In weiteren Schritten konzentriert sich die Forschung zunehmend auf die modellhafte Realisierung der - ihrer Natur nach - wirklichen biologischen Zusammenhange. Die hochgradig komplexen dynamischen Naturablaufe biokybernetischer Regelungsprozesse unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt von den dynamischen Regelungsprozessen der Technik: Biokybernetische Regelungsprozesse in der Natur benotigen keine aufwendige und detailreiche Vorprogrammierung nach Art technischer Regelungen, auch wenn diese in gewisser Weise mit anderen Regelungskreisen riickgekoppelt und damit vernetzt sind. Statische Stabilitatskriterien sind ein entscheidendes, oft das entscheidende Ziel fur die Funktion technischer Regelkreisprozesse. In biologischen Regelungsnetzwerken, wo viele selbstandige dezentrale Organismen untereinander und mit der Umwelt verknupft sind, werden nur energieeffziente kurze Impulse in Form von chemischen und physikalischen Signalen benotigt, um in geeigneter Weise lebensnachhaltig zu reagieren. Regelkreisintegrierte Organismen sind auf vielfaltige Weise immer mit verschiedenen Stoff- und Informationskreislaufen verbunden und an vernetzten Energiekaskaden beteiligt. Insofern bildet sich durch wechselnde biologische Ruckkopplungen, Selbstregulierung und geschicktes Nutzen der vorhandenen Energien ein wachstumsstabiler dynamischer Zustand heraus. Uber steuernde Prozesse, die in unserer vernetzten Verpackungsumwelt oft nichts anderes sind als aufwendige und kostentreibende Reparaturen von Folgeproblemen aufgrund kausaler Wirtschaftsablaufe innerhalb komplexer Zusammenhange, wollen wir an dieser Stelle nicht eingehen. Dem Leser sind Probleme dieser Art in seinem eigenen Umfeld sicher hinreichend bekannt. Interessanter ist die Beantwortung der Frage: Wie konnten verpackungsorientierte Regelkreisprozesse, abgebildet uber den gesamten Lebensweg der Verpackung, unsere drangenden Entsorgungsund Umwelprobleme mindern oder beseitigen? So anschaulich wirksam die vorgestellten Ablaufe in den Abbildungen 5.2.6 und 5.2.7 auch sein mogen, so falsch ware es zu glauben, diese - gegenuber den steuernden Wertschopfungsketten unserer Verpackungsprodukte vie1 vorteilhafteren Verlaufen - zugig in die Praxis umsetzten zu konnen. Aus den aktuellen Trends der Verpakkungsindustrie und den begleitenden gesetzlichen und umweltlichen Rahmen- und Randbedingungen ist aber zu erkennen (unter anderem durch die neue Verpackungsverordnung seit 1gg8),daB der zukunftige Weg der Verpackung mehr und mehr uber Verpackungsregelkreisablaufe fuhren wird und mu&,wenn Nachhaltigkeit zu-

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Wissenschaftliche Erkenntnisse Gesetzeche Vorschnften durch Anpassung Randbedingungen sollwcrt Alr Tolcranzgrrazcn

Handel

Konsumverhalten

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Regionale und Uberre ionale Eidusse

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TBELAS'IWN'G Verpackungsabfallvolumen Abb. 5.2.6

Regelkreis Verpackungslebensweg

nehmend zielbestimmend wird. Die gegenseitige Abstimmung und Gewichtung der beteiligten Partner auf dem Verpackungslebensweg wird aber letztlich daruber entscheiden, wie stabil und storanfallig derartige Regehngsprozesse sein werden und ob letztlich nicht wieder durch aufwendig gesteuerte Reparaturen unsere vernetzte Umwelt und somit auch unsere Lebensfahigkeit weiter geschwacht wird. Gehen wir nun naher auf die Funktion dieses modellhaften Verpackungs-Regelkreises in Abbildung 5.2.6 ein. Die FuhrungsgroEe gibt in Form von wissenschaftlichen Erkenntnissen und daraus abgeleiteten gesetzlichen Vorschriften den Sollwert fur die Umweltbelastung von Verpackungen vor. Das kann zum Beispiel der Grenzwert fur den AusstoB eines bestimmten umweltschadigenden Gases aus einem Herstellungsprozef3 fur Verpackungen sein. Der Regler (Hersteller und Handel) positioniert einen entsprechenden Stellwert (die vom Verbraucher gekaufte Verpakkung). Das Stellglied (Verbraucher) stellt uber die StellgroBe (Konsumverhalten des Verbrauchers) die Verbindung zum Verpackungsabfall als AustauschgroBe her, die wiederum in Beziehung zur Umweltbelastung als RegelgroBe steht. Das Ergebnis der differenzierten Messung der Umweltbelastung wird als Istwert mit dem Sollwert verglichen. Bei einer vorhandenen Regelabweichung (Ishvert und Sollwert stimmen nicht uberein), korrigiert das Stellglied (Verbraucher) durch die StellgroBe (Konsumverhalten) diese 1st-Soll-Differenz im Idealfall zu Null, realistischer: innerhalb eines vorgegebenen Toleranzfeldes der RegelgroBe Umweltbelastung.

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk

Positive Rtickkopplung

Negative Ruckkopplung VerbraucherKonsumverhalten

Ressourcenabbau

Urnweltbelastung Verpackungsabfall Waren- und Verpackungsvielfalt Abfallvolumen Entsorgungskosten Abb. 5.2.7

Regelkreis mit positver und negativer Ruckkopplung.

Dieselben Regelmechanismen gelten auch fur Storgrogen, die das Regelsystem Verpackung mehr oder weniger stark in Unordnung bringen. Vernetzte regelkreisorientierte, verpackungsinterne und -externe Ablaufe bieten daher - aufgrund ihres adaptiven Verhaltens - eine wesentlich hohere Garantie fur die Vermeidung von Umweltschaden bzw. Folgekosten als die herkommlichen linearen Handlungsablaufe. Bei einer echten biokybernetischen Regelung ist die FuhrungsgroBe selbst Teil des Regelkreises, wodurch erst eine Selbstregelung stattfindet. In Abbildung 5.2.6 ist diese Einbeziehung durch den oberen rechten Pfeil von der Istwerterfassung zur Fuhrungsgroge hin angedeutet. Je nachdem, ob der ruckwirkende E i n f l d auf die Regelgroge positiv - also gleichlaufig - oder negativ - also gegenlaufig - zur FuhrungsgroBe ist, spricht man von: positiver Riickkopplung oder negativer Riickkopplung. Zwei weitere Beispiele aus dem Lebensweg einer Verpackung verdeutlichen diese Mechanismen in Abbildung 5.2.7. Die positive Ruckkopplung erklart sich folgendermagen: Extensiver Ressourcenabbau fiihrt zu immer mehr Waren und Verpackungen. Mehr Waren- und Verpackungsvielfalt fuhrt zu mehr Ressourcenabbau und dies wieder zu mehr Waren und Verpackungen. Ein Teufelskreis, der am Punkt seiner Kapazitatsgrenze das gesamte System zusammenbrechen lafit. Um diesen Zusammenbruch zu vermeiden, mu13 eine sogenannte Kontrollgroge eingefuhrt werden. In unserem Beispiel fur die negative Ruckkopplung sind die Verbraucher das kontrollierende Regulativ gegen ein ,,Aufschaukeln" im Regelkreis. Das konsumreiche Verbraucherverhalten fuhrt zu Verpackungs-Abfallvolumina mit steigenden Entsorgungskosten. Das Abfallvolumen belastet die Umwelt bzw. die Natur, zu der auch die Verbraucher gehoren. Diese Urnweltbelastung - die direkt oder indirekt auf die Verbraucher als Mitverursacher zuriickwirkt - fuhrt zu einer Anderung im Konsumverhalten durch konsequente Verpackungsvermeidung, Mehrfachnutzung oder Wiederverwertung von Verpackungen. Dadurch wird das Abfallvolumen vermindert und die Umweltbelastung reduziert.

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5 Bionik der Verpackung

Es sei uns erlaubt, an dieser Stelle nochmals daraufhinzuweisen, daB die skizzierten Regelkreise Modellvorstellungen sind. Wie gesagt, entscheidend fur eine realistische Umsetzung ist und bleibt das konzertierte Zusammenspiel aller Beteiligten, die Kompromisfahigkeit aller im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaft. Biokybernetische Verpackungen in der Natur sind von einem Netzwerk aus positiven und negativen riickgekoppelten Einfliissen auf ihrem Lebensweg umgeben. Nehmen wir das Beispiel der Rinde als die Verpackung eines Baumes und zahlen einige der organischen und anorganischen Einflusse auf die Rinde nacheinander ohne Anspruch aufvollstandigkeit auf: Nasse, Warme, UV-Strahlen, Eis, Case, Wind, Mikroorganismen, Insekten, Vogel, Waldtiere und Menschen. Innerhalb dieses unvorstellbar komplexen Wirkungsnetzes mit teils zerstorerischen Eingriffen in die ,,Rindenverpackung", schiitzt die Rinde dennoch wachsende Baume iiber Jahrzehnte, in Einzelfallen wie bei Mammutbaumen, 1000 Jahre und mehr. Welchen Einfliissen waren nun biokybernetische Verpackungen in der Technik ausgesetzt? Hierauf gibt die symbolische Zusammenstellung in Abbildung 5.2.8 eine Antwort quantitativer Art. Abb. 5.2.8

Okonomische Unternehmensziele

Pridrenergien Transportenergien

Art der Herstellungsprozesse

Energiekosten Kiinstliche Rohstoffe

Packgut Konsistenz Interaktion Geometrie Menge Lebensdauer

Natiirliche Rohstoffe Rohstoffpreise Materialokonomische Herstellungsprozesse

Lagernutzung Transportnutzung Wiederverwertbarkeit Mehrfachnutzbarkeit Verkehrswege, Verkehrsmittel

Konsumguter Herstellung, Nutzung Verbrauch Packgutschutz be' Transpofl Infrastruktur

Nutzenergien, Verlustenergien bei Herstellungsprozessen Markte, Marktpreise VerbraucherbewuBtsein Gesetzliche, hygienische, lebensmitteltechnische Bestimmungen und Vorschriften Mitarbeiterpotential im Untemehmen

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Architektur Warenangebot

Lebensgewohnheiten der Verbraucher

in Handel Entsorgung packgut

Kaufverhalten der Verbraucher durch Verpackungsgrok optisches Aussehen Gewicht andere Anreize

Haltbarkeit Lebensdauer bnSatzerloSe

Vernetzte Einflusse auf und von technischen Verpackungen.

5.2 Verpackungsbionik

- Produktentwicklung

im kornlexen Netzwerk

Treiben wir die Komplexitat und die Zahl der direkt und indirekt auf die Verpakkung wirkenden Einflusse noch etwas weiter und ziehen grundlegende vernetzte Lebensbereiche unseres Umfeldes hinzu. Diese sind: Wirtschaft, Bevolkerung, Flachennutzung, Humanokologie, Naturhaushalt, Infrastruktur, Gemeinwesen und auBere Randbedingungen durch das Klima, Landstrukturen etc. (Vester 1985).Man erahnt die schiere Unmoglichkeit der Abbildung aller Einflusse auf die Verpackung, auch ohne die vernetzten Ruckkopplungen im Detail (Kuppers 1991-1, Kuppers 1991-2)aufgezeigt zu haben. Die Natur hat ihre Strategie fur nachhaltige Verpackungsprodukte und -verfahren langst gefunden. Die Technik kann durch vorsichtiges Herantasten an vernetzte biokybernetische Verpackungsstrukturen die Effizienz der bioanalogen Vorbilder, sowohl was zielgerichtete Produktmerkmale als auch organisatorische Aspekte angeht (Kapitel 5.3). erkunden und nutzen. Auf die Werkzeuge und Hilfsmittel, die dafiir bereitstehen, werden wir nun eingehen. 5.2.4 Verpackungsbionische Qualitiitsmatrix - Kernelement der Verpackungsbionik

Die Entwicklungswege fur Verpackungen in Natur und Technik - so unterschiedlich sie auch sind - besitzen das gemeinsame Merkmal der Qualitatskontrolle. Ohne sie ist eine zielgerichtete Bewertung der Produkte oder Verfahren schlicht nicht moglich. Dazu gehort ein Qualitatsmagstab (oder mehrere) mit charakteristischen zu bewertenden Merkmalen des Gegenstandes, die im Ergebnis einmal besser oder einmal schlechter ausfallen. Was uns aus bionischer Sicht vorrangig interessiert, ist: Wie arbeitet nun die Qualitatskontrolle der Natur? Durch die Fahigkeit, adaptiv und nicht extensiv auf Umgebungseinflusse zu reagieren, konnten Myriaden von Individuen und Populationen neben- und miteinander Milliarden Jahre uberleben. Geht man der Frage nach, wie lebensfahige und uberlebensfahige biologische Systeme diese Leistungen vollbracht haben, so stoBen wir zu allererst auf den bekannten Danvinschen Selektionsmechanismus. Beispielsweise kann die Variation der genetischen Erbsubstanz eines Eichenbaumes dazu fuhren, daf3 einige Eicheln der Nachkommengeneration eine bruchfestere Schale erhalten als andere. Hier ist das Qualitatsmerkmal die Bmchfestigkeit der Eichelverpackung. Sie, die verpackte Eichel, besitzen damit einen Uberlebensvorteil, weil mogliche Freafeinde wie das Eichhornchen diese Schalen schwerer knacken konnen, um an den nahrhaften Kern zu gelangen. Die Vermehrungsrate von Eichenbaurne wurde dadurch partiell steigen, was wiederum andere Naturmechanismen beeinflufit, die sicher mengenwachstumsregulierend auf die Eichenbaume einwirken. Weitere evolutionare Prinzipien, organismische Fahigkeiten und auBere Umweltbedingungen tun ein Ubriges, das fur die Natur typische FlieBgleichgewicht und damit auch ein ausgewogenes quantitativlqualitativ bestimmtes Wachstum der Eichenbaume in ihrer komplexen Umwelt zu erhalten. In Wirklichkeit ist der hier als Einzelvorgang beschriebene Qualitatskontrollmechanismus fur die Bruchfestigkeit der Eichelverpackung Teil eines uberaus komplex vernetzten Qualitatsmanagements unter Beteiligung vieler Organismen. Das typische an dieser Art Qualitats-

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5 Bionik der Verpackung

kontrolle ist der - in Kapitel5.2.3 bereits beschriebene - biokybernetische Wirkungsverlauf. Soviel zum Naturbeispiel. Es ist wieder das bekannte Spiel von Wachstum und Wachstumskontrolle, von wohl abgestimmten Ruckkopplungsprozessen positiver und negativer Art und von vielen weiteren - oben angedeuteten - Mechanismen, die letztlich zu den auUergewohnlichen Qualitaten von Naturverpackungen fuhrten und fuhren, von denen wir in Kapitel4 einige wenige herausgestellt haben. Die Verpackungsbionik nutzt das Spektrum biologischer Qualitatskontrolle und Qualitatsbewertung in ahnlicher Weise im Rahmen der sogenannten kybernetisch orientierten verpackungsbionischen Qualitatsmatrix. Sie ist das Kernelement im Ablauf verkniipfier Handlungsschritte der Entwicklungsstrategie Verpackungsbionik, wie sie in Abbildung 5.2.10wiedergegeben ist. Eine Art Qualitits-Ubergangsmatrix, die im Vorfeld lebenslaufabhangiger Verpakkungsprozesse am Anfang der bionischen Qualitatsbewertung steht, setzt sich aus den 7 beteiligten Verpackungsfeldern bzw. einer noch detaillierteren Unterteilung dieser Verpackungsfelder zusammen, die in Abbildung 5.2.4 wiedergegeben sind. Mit einem relativen, qualitativen Bewertungsraster gilt es, in der 7 x 7 Felder grogen Matrix herauszufinden - um bei der Einteilung in Abbildung 5.2.4 zu bleiben -, wie stark der EinfluB der Verpackungsfelder untereinander ist. Wir nennen dieses bionische ,,Werkzeug" die Lebensweg-Matrix,weil Beziehungen stofflicher, energetischer und informativer Art zwischen den beteiligten Arbeitsfeldern entlang des Verpackungslebensweges untersucht werden. Der Grad der gegenseitigen Beeinflussung (sehr stark, stark, neutral, schwach, kein Einflu8) wird grob abgebildet. Mit Hilfe einfacher mathematischer Zusammenhange kann auf diese Weise eine grundlegende qualitative Aussage der Matrixelemente erzielt werden. DaB sich bereits rnit diesem Bewertungsraster eine erste arbeitsfahige Rangfolge fur starke und weniger starke Verpackungsfeld-Einflusse aufstellen laUt, die gezielte Bearbeitung von Problembereichen im Verpackungsnetzwerk deutlich macht (und dadurch nicht zuletzt auch Fehleinschatzungen und Folgeaufivendungen vorbeugt!),ist unstreitig. Nicht zuletzt auch deshalb, weil mit diesem naturanalogen kybernetischen Ansatz die Realitat technischer Verpackungsablaufe wirklichkeitsgetreuer dargestellt werden kann, als es die gegenwartig herausgestellten okonomisch-okologischen Losungsansatze mit sogenannten Okobilanzen letztlich vermogen. Den Qualitatskontrollmechanismen der Natur(verpackungen) noch naher kommt eine Qualitatsmatrix, die aufbaut auf die gewichteten Ergebnisse der vorab beschriebenen ,,Lebensweg-Matrix" mit ihren einzelnen Verpackungsfeldern. Hierbei werden sogenannte biokybernetische Grundregeln (Vester 1991) auf die einzelnen Verpackungsfelder des Verpackungslebensweges abgebildet und bewertet. Es sind 8 grundlegende Regeln, die Naturprinzipien entsprechen und mit denen im Rahmen einer verpackungsbionischen Entwicklung die Efizienz und Nachhaltigkeit des Produktes oder Verfahrens gepriift wird. Die folgende Aufzahlung beinhaltet neben einer kurzen Erklarung der biokybernetischen Grundregeln zusatzlich je ein verpackungstypischen Beispiel (vergleiche hierzu Kiippers 1991-1):

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung i m komlexen Netzwerk

Regel 1: Negative Ruckkopplung

Stabilisierendes Element innerhalb eines Regelkreises. Schutz gegen Storeinflusse und Selbstzerstorung durch untere oder obere Grenzwertiiberschreitung. Verpackungsbeispiel: Regelung der Fullgutrnenge durch die Transportbandgeschwindigkeit Regel 2: Funktionsunabhangigkeit vom quantitativen Wachstum

Biologisches Beispiel ist hier die Metarmorphose einer Raupe zum Schmetterling mit iiberlebensangepagten, unterschiedlichen Wachstumsphasen. Verpackungsbeispiel: Die spezifische Schutzfunktion fur ein Produkt, z. B. durch eine Kunststoffverpackung, mug auch nach einem Verbot des Kunststoffes erfullt bleiben. Regel 3: Funktionsunabhhgigkeit vom Produkt

Herstellungs- bzw. Produktionsunternehrnen, die sich produktunflexibel auf ein spezielles Produkt ausrichten, sind bei der Zunahme von Storungen z. B. durch Anderung externer Einflusse, extrem krisenanfallig. Verpackungsbeispiel: Ein Hersteller von Kartonmaterial fur Verpackungen sollte sich nicht nur als Verpackungshersteller sehen, sondern als Materialproduzent fur eine breite Produktpalette. Regel 4 Das Jiu-Jitsu-Prinzip

Die Nutzung natiirlicher Krafte, rnit hochst okonomischem Einsatz der eigenen aufzuwendenden Kraft, wird in der Natur speziell beim Flug der Vogel sehr deutlich. Aber auch die Selbstreinigung verschmutzter Gewasser oder die Starke natiirlicher Misch-Biotope gegenuber menschlich angebauten Monokulturen zeigt, wie mit geringem energetischem Aufwand ein relativ hoher Nutzen erzielt werden kann. Verpackungsbeispiel: Durch eine Kopplung mehrerer Energiesysteme, z. B. bei der Glas-Rohstoffaufbereitung von ProzeBenergie und Raumheizungsenergie oder durch optimierte Stromungs- bzw. Klimabereiche in Lager- und Produktionshallen von Papierherstellern beziehungsweise -verarbeitern konnen groBe Mengen teurer Primarenergien gespart werden. Regel 5: Mehrfachnutzung

Das Prinzip der Mehrfachnutzung ist in der Natur weit verbreitet. Ob es der Baum als Klimaregulator, Sauerstofflieferant, Nahrungsmittelproduzent oder ,,Wohnungsvermieter" fur Vogel ist oder die Bienen, die ihre Nahrungsaufnahme mit der Bestaubung von Bluten verbinden. Immer werden mehrere Funktionen durch ein und dasselbe Lebenwesen ausgefiihrt. Verpackungsbeispiel: Faltschachteln verpacken und schutzen ein Packgut. Faltschachteln konnen auch nach der Nutzung als Verpackung zu Spielelementen, Buchstiitzen, Trennblattern,

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Lesezeichen und vielem mehr genutzt werden. Die Hohe der Einsparung gegenuber neu gekauften Produkten fur denselben Zweck wiirde iiberraschen. Regel 6 Wiederverwertung

Das Abstirnmen von Herstellen, Konsumieren und Abfallbeseitigung finden in der Natur in Kreislaufprozessen statt. Ein ,,Abfallproblem" im eigentlichen Sinne kennt die Natur nicht, weil nichts hergestellt wird, was nicht auch wieder in einen Kreislauf zuriickgefuhrt werden kann. Verpackungsbeispiel: Betriebsinterne und/oder -externe Stoff- bzw. Energieauhereitungs- und Wiederverwertungszyklen auf den verschiedenen Lebenswegstationen einer Verpackung unterstiitzen die Nachhaltigkeit und fuhren zu okologisch-okonomischen Vorteilen. Regel 7: Symbiose

Symbiose bezeichnet das artfremde, paanveise Zusammenleben z. B. von Tieren und Pflanzen zurn Vorteil beider Partner auf klejnstmoglichem Raum: Seeanemone und Einsiedlerkrebs, Arnsel und Johannisbeerstrauch. Verpackungsbeispiel: Kleinraumiges Zusamrnenwirken von Verpackungspapier-(Karton)-Herstellernmit Unternehmen, die eine biologische Wasserreinigung durchfuhren oder Anlagen dafur herstellen. Regel 8 Prinzipielle Befolgung eines biologischen Crunddesigns

Produkte, Funktionen und Organisationen zeichnen sich in der Natur durch ,,Unregelmagigkeiten in der RegelmaRigkeit" aus, wie Blattstrukturen, Baumkronen, Nestbauten, Vogelflugel und so weiter. Verpackungsbeispiel: Berucksichtigung der Natur des Menschen bei der Planung von Verpackungsanlagen, Werkhallen oder Transportprozessen. Die eigentliche Qualitatsrnatrix fur bionische Verpackungen ist in Abbildung 5.2.9 zu sehen. Durch die Abbildung und Vernetzung der biokybernetischen Grundregeln auf den Verpackungslebensweg findet nicht nur eine weitere Bewertung (ahnlich wie bei der vorab beschriebenen Qualitats-Ubergangsmatrix nach Abb. 5.2.4) mit anderen - bioanalogen - Mitteln statt! Aus der Bearbeitung dieser Matrix ergeben sich qualitative und quantitative Losungsansatze fur das Produkt Verpackung selbst (okonomischer Wert),aber was noch wesentlicher ist, auch Losungswege fur den VerpackungsprozeB (systemischer Aspekt, umweltokonomischer Wert) irn Umfeld des Verpackungslebensweges (urnweltokonomischer Mehnvert). Wie ist das zu verstehen? Wahrend sich die Entwicklung technischer Verpackungen noch weitgehend dem Diktat des Produktes unterwirft und alle Handlungen demnach produktfixierte, okonornisch maxirnierte Handlungen sind, ist die Entwicklung biologischer/bionischer Verpackungen gekennzeichnet durch das Diktat der ProzeB-Vernetzung.

Abb. 5.2.9 Qualitatsrnatrix fur bionische Verpackungen.

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5 Bionik der Verpackung

Die offenen, miteinander verschachtelten 3 Aktionsbereiche Produkt, ProzeR und Umwelt sind grundlegend fur eine bionische Verpackungsentwicklung und Qualitatsbestimmung. Durch das bionische Produkt ist die Verpackung definiert (okonomischer und okologischer Wert). Die Herstellungsschritte des Produktes werden durch den GesamtprozefS charakterisiert, auf den die Naturprinzipien in Form der biokybernetischen Regeln einwirken. Neben Produkt und ProzefS, die beide die Wertschopfung und den spateren Wert des Produktes Verpackung maBgebend bestimmen, bleibt noch das Umfeld als dritter vernetzter Aktionsbereich. Umfeld bedeutet in diesem Kontext Kleinraumigkeit, lokale Verbundenheit und kleinraumige Wirtschafisverbunde. Hier wird mit Hilfe der biokybernetischen Regeln und der Qualitatsmatrix nach Losungen fur einen umweltokonomischen Mehnvert (neben den eigentlichen Produktwert der Verpackung) gesucht. Das Schlusselwort fur diese strategische Losungssuche ist branchenubergreifende Vernetzung oder wissenschaftlicher ausgedriickt: systemische Clusterbildung. Auf dem Wertschopfungsweg anfallende ,,Verluste" (Stoffe, Energien, Informationen) werden durch branchenuberschreitende herkommliche und neue Prozesse und Techniken zu additiven Produkten mit einem umweltokonomischen Mehrwert. Diese Methode, die in speziellen Fallen zu nicht unerheblichen zusatzlichen Erlosen fuhren kann, wird bereits von Unternehmen mit naturrohstoffnahen Prozessen erfolgreich angewendet (siehe Beispiele in Pauli 1999). Technische Verpackungslosungen mussen sich einer bionischen Qualitatskontrolle unterziehen, wollen sie eine nachhaltige und umweltokonomische Entwicklung fordern. Im Gegenzug werden bionische Verpackungsergebnisse mit technischen Randbedingungen konfrontiert und auf ihre technisch-wirtschaftliche Machbarkeit hin gepriift. Das Ergebnis einer derartigen bionischen Qualitatskontrolle auf systemischer Grundlage ist qualitativ und quantitativ in Form eines mathematischen Modells bezifferbar und fuhrt zu einer rangmagigen Beurteilung von Starken und Schwachen, des Grades der BeeinfluBbarkeit und EinfluBnahme einzelner Merkmale auf die Verpackung und weiteres mehr. Hierdurch ergibt sich ein ganzheitliches Werteraster, aus dem zu erkennen ist, wo sinnvoll - kosteneffizient - verpackungstechnische Handlungen erforderlich sind und wo das Kosten-Nutzen-Verhaltnis moglicher verpackungstechnischer Eingriffe zu weniger rentablen Ergebnissen fuhren wiirde. Alle diese Vorgange faBt die aufgestellte verpackungsbionische Qualitatsmatrix (Abbildung 5.2.9) zusammen. Sie ist - um es nochmals deutlich zu machen - der Kern und damit integraler Bestandteil einer generellen Handlungskette, die von den natiirlichen Vorbildern uber mehrere, ruckgekoppelte Zwischenschritte zu analogen, bionischen Verpackungsprodukten oder Verpackungsablaufen fuhrt. Diese Systematik gibt Abbildung 5.2.10 wieder. Mit der Vorstellung dieser Entwicklungsstrategie Verpackungsbionik ist ein systematischer Ablauf in die Zukunft eines nachhaltigen und umweltokonomischen Verpackungsmanagements und der damit erzielbaren innovativen Verpackungsprodukte und Verpackungsverfahren vorgegeben. Sicher sind noch groBe Anstrengungen erforderlich, durch uberzeugende praktische Beispiele die Wirksamkeit des verpackungsbionischen Handlungs-Leitfadens in Abbildung 5.2.10 unter Beweis zu stellen. Es wird einer spateren Veroffentlichung,

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk

1

Handlungsschritte von der biologischen zur bionischen Verpackung

Struktur

Abb. 5.2.10 Entwicklungsstrategie Verpackungsbionik - systernatische und systernische Handlungsschritte von der biologischen zur bionischen Verpackung.

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I

18’

182

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5 Bionik der Verpackung

die eher Lehrbuchcharakter hat als die hier vorliegende, vorbehalten bleiben, in verschiedenen beispielhaften Ablaufen, die Strategie bionischer Verpackungsentwicklung im Detail zu zeigen. Die leistungsstarken mathematischen Werkzeuge (unter anderem Qualitatsmatrix. evolutionare Optimierung) innerhalb dieser zielorientierten Vorgehensweise sind aber eine Gewahr dafur, die ubenviegend komplexen Zusammenhange von Verpackungs-Entwicklungsprozessen einigermaBen sicher zu erfassen und zu meistern. 5.2.5 Evolutionare Verpackungsoptimierung

Abbildung 5.2.10 zeigt als vernetzten 5. Arbeitsschritt der Entwicklungsstrategie Verpackungsbionik die evolutionare Produkt- und Verfahrensoptimierung (siehe auch Kapitel 2.5.2.1). Hierauf wollen wir nun - unterstutzt durch ein konkretes Verpackungsbeispiel - naher eingehen. Verpackungsoptimierungen in der Natur sind - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - Optimierungen mit mehreren einschrankenden EinfluBgroBen auf die Verpackung (informationstechnisch: Nebenbedingungen), mit mehreren Verpackungseigenschaften (Optimierungsvariablen) und mit mehreren Zielen (Zielkriterien). Die evolutionaren Algorithmen entfalten daher insbesondere bei multifunktionalen Optimierungsobjekten ihre volle Wirksamkeit durch eine zielstrebige lokale und globale Optimumsuche gegenuber anderen technischen Optimierungsverfahren. Aber auch bei wenigen Optimierungs-Objektvariablen sind evolutionare Algorithmen efizient, wie das folgende Beispiel der Faltschachteloptimierung verdeutlicht. Faltschachteln als Verpackungen fur Flussigkeiten unterliegen 50 und mehr Leistungskriterien. Die Abmessungen der quaderartigen Formen bewegen sich dabei in einem ,,Korsett" aus modulartig aufgebauten GrenzmaBen fur Transportverpackung, Sammelverpackung und Einzelverpackung, deren Nutzenzahl (Zahl der ausgestanzten Einzelkartonabwicklungen auf einem Maschinenbogen) von den MaBen des Kartonbogens beeinflufit wird. Diese sind wiederum von den Stanzbreiten der Maschinen, die die Bogen fuhren, abhangig. Marketingvorgaben wie GroBe und Oberflachengestaltung der Verpackungsvorderseite, Hohen der Regale im Handel und anderes mehr tun ein Ubriges. Eine normierte Kette linearer Abhangigkeiten bestimmt seit Jahrzehnten die Verpackungsformen und die MaBe fur Lange, Breite und Hohe der Faltschachteln. Materialsparende Losungen fur nachhaltige Verpakkungen sind noch extrem selten zu finden, auch wenn in jungster Zeit das starre ModulmaBsystem fur mehr Freiheit in der geometrischen Optimierung von Verpakkungen gelockert wurde. Der verpackungsbionische Ansatz einer Serie von evolutionaren Faltschachteloptimierungen mit dem Minimahel, die materialtechnischen Einflusse Kartongewicht (Steifigkeit) und Nutzen pro Kartonbogen (Oberflachen-Volumen-Verhaltnis) zu optimieren, brachten respektable Einsparergebnisse auf der Material- und Kostenseite von bis zu 50 % (Kuppers 1989,Scheel et. al. 1994).Diese Verbesserungen beziehen sich auf Standardverpackungen, wie sie in jedem Supermarkt zu finden sind fur verschiedene flussige, pulvrige und kornige Inhalte. Die Ergebnisse

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk

wurden strenggenommen unter Vernachlassigung der restriktiven Modulgrenzen der verpackungstechnischen Herstellungskette erzielt. Die geometrischen Mag, der optimierten Faltschachteln lassen sich daher nicht immer exakt durch das starre Modulraster abbilden - was auch nicht Ziel der Optimierungen war. Tatsache ist aber, daB durch oft minimale Parametervariationen uber die Modulgrenzen hinaus, beispielsweise der geometrischen Lange, Breite und Hohe der Faltschachteln, vollig neue OptimalmaBe ermittelt wurden, die Verpackungen materialsparsamer und in hoherer Zahl- pro Flachen und Volumeneinheit - stapelbarer gestalteten. Welche tiefergehende, verpackungsbionische Innovation laBt sich daraus ableiten? Zum Beispiel die, auf der Basis dieses evolutionsstrategischen Optimierungsansatzes ein neues verpackungsbionisches Modulraster fur Einzel-, Sammel- und Transportverpackungen zu entwickeln! Hierbei wurde - denken wir an die verpackungsorganisatorischen Schritte der Rohstofherarbeitung und Rohstoffaufiereitung - die okologisch und okonomisch sinnvolle Steigerung der Ressourcenproduktivitat (Input-Management) als ein wesentlicher Teil eines organisationsbionischen Verpackungsmanagements sicher nicht unbedeutende umweltokonomische Vorteile mit sich bringen. Die nachfolgenden Abbildungen 5.2.11und 5.2.12enthalten Abbildungen eines auf diese Weise entwickelten rechnerintegrierten multimedialen VerpackungsOptimierungsprogramms. Diese Abbildungen zeigen annahernd Kopien rneniigesteuerter, funktionaler Bildschirmoberflachen. In diesen multimedialen Ablaufen werden mechanische, geometrische, physikalische und andere Verpackungsdaten, Datenspeicher, graphische Felder und vieles mehr miteinander verknupft. Kern der Verpackungsoptimierung sind verschiedene Module mit evolutionaren Algorithmen, die den Verpackungs-OptimierungsprozeB zielgerichtet durchfuhren. Stellen wir uns nun den Gegenstand dieser speziellen Optimierung vor, eine Faltschachtel, wie wir sie fur Milch-, Saft- oder Kornerverpackungen taglich in den Warenhausern kaufen. Nach Herstellervorgaben sind fur die Optimierung 2 okonomische Zielkriterien ausschlaggebend: I.

2.

der minimale Einsatz von Verpackungsmaterial (Oberflache A) bei vorgegebenem, konstantem Verpackungsvolumen V (betrifft den Einkauf von Verpackungsmaterialmenge in Abhangigkeit des Gewichtes und der damit verbundenen Kosten) und das Erzielen minimaler Kartondicke in Abhangigkeit der Steifigkeit S als Kriteriu m zur Stapelung der Karton-Verpackungen (logistische EinfluBnahme).

Verpackungsentwickler und in etwas geringerem Mag der Handel - rufen wir uns nochmals Abbildung 5.2.4 in Erinnerung - besitzen hier hohen EinfluB auf die Gestaltung der Verpackung. Die gesamte Materialoberflache einer Faltschachtel beinhaltet neben den formgebenden Quader-Verpackungsflachen auch sich uberlappende bzw. gefaltete Flachen, deren MaBe von den Grogen der Optimierungsvariablen abhangen. Die geometrischen Mag, der zur Verfugung gestellten Faltschachtel und deren Steifigkeitswerte - siehe oberer Teil in Abbildung 5.2.11 - wurden in ein mathemati-

184

I

5 Bionik der Verpackung

Lange A Breite B Hohe H Langenfaktor e = f(B)

4.05

I cm

Langenfaktor g = f(A)

3.2 1.2 0.05

1 cm

Klebebreiterfaktor c Weri x

I cm

I crn

Abwicklungsflache AF

1 IX3.41

Ic

d

Normterungswerf NAF

2367.82

I

d

C

Abwicklung I

Abwicklungsflache I ISI.SI [cn-?q

Optimalwerte

Steifigkeit 17.8

[IlINt11j

AF

G - b

I

Optimalwerte

L5nge A

Breite B

Hiihe H

A

H B Generation G Abb. 5.z.n

Daten und MerSergebnisse einer evolutionsstrategischen Faltschachteloptimierung.

sches Optimierungsprogramm integriert und mit der Qualitats-Zielfunktion Q der Fa1tschachtel-Optimierung: Qualittit = Minimum [Karton-Obedache + Karton-Steifigkeit)

1

-

Q = M I N [A : V + S} mit V konstant

5.2 Verpackungsbionik - Produktentwicklung im komlexen Netzwerk

~

AbwicklungsfIachefNutzen

1183,91 cm2

11515 1 cm2

Mechanische Steifigkeit

42,7 mNm

17,8 mNm

Anzahl Nutzen pro Bogen

9

10

Bogenformat: 102 x 142 cm2 spezifischer Kartonverschnitt pro Bogen

3431,91 cm2

2320,510 cm2 = - 1111,41 cm2

(-32,35%) 250 g/cm2

Grammatur als f (Steifigkeit)

400 g/cm2

Gewicht pro Bogen

0,579 Kg

0,362 Kg

Gewicht pro Nutzen

0,0643 Kg

0,0362 Kg

Kosten pro Grammatur und spezifischer Abnahmemenge Abnahmegewicht pro kalkulierte lo5 Bogen Abfallgewicht pro

147,OO DM

159,OO DM

57,9 Mg

36,2 Mg

13,72 Mg

kalkulierte lo5 Bogen Kosten pro kalk. spez. Abnahmemenge von

lo5 Bogen

5,88 * 106 DM



5 8 Mg =-7,92Mg (-57,72%) 3,975 106 DM

=-

1.905.000 DM (-32,39%)

Abb. 5.2.12 Gegenuberstellung von wirtschaftlich relevanten Ergebnissen konventioneller rnodulorientierter - und evolutionsstrategischer Faltschachteloptirnierung.

sowie den evolutionaren Optimierungsalgorithmenverknupft. Bei dieser Mehrfachzielfunktion wurden die einzelnen Teilziele gewichtet. Als Nebenbedingungen galten ein konstantes Verpackungsvolumen und proportional veranderte Falt- bzw. UberlappungsmaBe. Ansonsten waren die geometrischen Objektvariablen frei in ihrer Veranderung. Das rechnerintegrierte Optimierungsprogramm variierte nun gemeinsam die FaltschachtelmaBe Lange, Breite und Hohe, wodurch sich sukzessiv neue Qualitatswerte fur das Oberflachen-Volumen-Verhaltnisund die Karton-Steifigkeit ergaben. Letztere ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung fur den Einkaufer eines Verpackers, weil - wie oben angedeutet - uber das Grammaturgewicht die Materialkosten zu Buche schlagen. Daher ist eine hinreichend optimierte Steifigkeit bei minimaler Kartondicke ein wesentliches Wirtschaftlichkeitskriterium fur Fa1tschachtel-Optimierungen. Der Verlauf einer typischen Faltschachtel-Optimierung ist im unteren Teil von Abbildung 5.2.11wiedergegeben. Das groBe Graphikfeld zeigt als Balkenhohe die

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185

186

I sich verandernde Lange, Breite und Hohe der Faltschachtel, ausgehend von den geo5 Bionik der Verpackung

metrischen MaBen nach dem Stand der Technik. Die kleinen Graphikfelder zeigen parallel dazu den Verlauf der Teilziele Karton-Oberflacheund Karton-Steifigkeit.Trotz gleicher Gewichtung beider Teilziele - wie in diesem Fall vom Verpackungsentwickler vorgegeben - dominiert in diesem Fall das Zielkriterium Steifigkeit den Gewinn der nichtlinearen Optimierung. Abbildung 5.2.12 faBt die okonomischen, okologischen und technischen Daten der evolutionaren Faltschachtel-Optimierung zusammen und vergleicht sie mit den entsprechenden Werten der konventionellen Modul-Optimierung nach dem Stand der Technik. Da viele Vergleichsdaten fur sich sprechen (Kartonverschnitt und Kosten reduzieren sich um ein Drittel), wollen wir nur einen Wert herausgreifen, namlich den des Abfallgewichts. Wie stark sich die optimierte Ressourceneffizienz (weniger Rohstoff Papier) durch geometrische Variabilitat (Lange x Breite x Hohe einer Faltschachtel) auf den vernetzten Entsorgungsbereich eines Verpackungs-Lebensweges auswirkt, zeigen die zugehorigen Vergleichswerte beider Optimierungsvarianten. Unter konventioneller Optimierung sei hier die nicht naher erlauterte, aber oft genutzte lineare Koordinatenstrategie (Rasteroptimierung) verstanden, die Faltschachteln auf der Basis des genormten Modulsystems optimiert. Wurden wir diesen Vergleich auf den Handel und die Verbraucher als weitere Verpackungs-Lebensstationen beis pielhaft enveitern und das ballastartige, uberflussige Vepackungsvolumen mit in die Vergleichsrechnung einbeziehen, dann liege sich der Vorteil unserer Ressourcen- und Umwelt-Effizienzoptimierung noch deutlicher herausarbeiten. Dies wurde bereits in einem anderen Zusammenhang am Beispiel einer Dreifach(!)-Verpackungfur das Produkt einer Druckerpatrone (Kuppers 1992)detailliert herausgearbeitet. Gerechterweise mug an dieser Stelle gesagt werden, daB die dreifach verpackte Druckerpatrone heute mit einer zweifachen Verpackung - dafur aber mit einem uberdimensionierten Leerraum - wieder in den Regalen unserer Markte zu finden ist, wie Abbildung 2.8.6 belegt. 1st dieses Verpackungsbeispiel ein Einzelfall? Wer we%. Aber evolutionare verpackungsbionische Optimierung bedeutet in diesem Zusammenhang mehr als die Okologisierung vorhandener technischer Verpackungen. Die Natur besitzt in ihren optimierten Verpackungsformen und funktionalen Mechanismen genugend Vorschlage fur neue technische Verpackungen, Packmittel und Packhilfsmittel z. B. fur elegante Offnungs- und SchlieBmechanismen, neue materialsparende Formen fur Sammelverpackungen, Losungen fur problemlos wiederverwertbare Multi-Stoffverbindungen und vieles mehr. Die genannten Beispiele in Kapitel4 haben die Tur zur bionischen Nutzung dieses Naturreichtums ein wenig aufgestoBen. Allein - die trotz weniger Grundmaterialien entwickelte hohe Flexibilitat und der hohe Variationsgrad naturoptimierter Formen, Geometrien, optischer Kennzeichen und weiterer Verpackungsmerkmale bieten noch nicht die Gewahr fur die Umsetzung in technisch innovative Verpackungen. Eine wesentliche Hiirde bleibt bei dieser Umsetzung das trotz Verbesserungen noch relativ starre Gefuge technisch genormter VerpackungsmaBe. Hier gilt es aus verpackungsbionischer Sicht zuerst

I einmal, Kompromisse zu schlieBen hinsichtlich eines nachhaltigen umweltokono5.3 Biologische Vorbildec Welche verpackungstechnischen Schlujlfolgerungen?

mischen Optimierungsziels. Evolutionare Algorithmen konnen sowohl fur Verpackungsprodukte als auch fur verpackungstechnische Verfahrensablaufe efiziente Optimierungshilfen geben. Hier sei unter anderem das Feld des Verpackungstransportes mit den Optimierungsproblemen Stapelung, Transportbelastung und werteilung, schadstoffminimierte Transporte und Lagerung aufgezahlt. Viele Ansatze fur technische Verpackungsoptimierungen werden in der Regel mit mehreren technischen und umweltspezifischen EinfluBvariablen und mehreren Zielen konfrontiert, die durch konventionelle, lineare Optimierungsansatze - wenn iiberhaupt - nur unter hohem Zeit- und Kostenaufwand zu losen sind. Ein kompliziertes, mehrparametriges Verpackungsproblem wird daher oft vereinfacht in mehrere eindimensionale Optimierungen unterteilt, in der Hoffnung, die additive Uberlagerung der ermittelten lokalen Optima fuhrt unmittelbar zur Gesamtverbesserung des zu losenden Multiproblems. Das kann im Einzelfall so sein, ist aber in der Mehrzahl aller realen Multiparameter-Optimierungen nicht gegeben. Wir hatten diese Tatsache bereits envahnt. Dag das Ganze in der Regel mehr ist als die Summe seiner Teile, beherzigt die Natur in ihrem Multiparameternetzwerk und demonstriert es durch die evolutionar optimierten Ergebnisse seit Jahrmillionen in eindrucksvoller Weise. Die evolutionaren Optimierungsalgorithmen sind nicht zuletzt aus diesem Grund das bioanaloge und hochst wirksame technische Werkzeug sowohl fur Einzelverpackungen, fur verkettete Verpackungslinien (zum Beispiel fur Kartonverpackungen: EinzelverpackungMaschinenbogen-Transportverpackung-Palette-Container) als auch fur Systemoptimierungen im Netzwerk des Verpackungslebensweges. Nachdem wir nun an vereinfachten Beispielen gesehen haben, welche Werkzeuge ein bionisches Vorgehen erfordert, ist es nun an der Zeit, die Fulle biologischer Verpackungsvorbilder zu sichten, u m markante Naturstrategien zu erkennen.

5.3

Biologische Vorbilder: Welche verpackungstechnischenSchlufifolgerungen? 5.3.1

Welche Strategien erkennt man?

Die prasentierte Auswahl an Verpackungsbeispielen aus der Natur ermoglicht es uns, eine Ubersicht uber die von ihr angewandten Strategien und ihre Erfolge zu erzielen. Folgende wesentliche Merkmale lassen sich feststellen:

Synergie: Bei natiirlichen Verpackungen hat die Evolution in der Regel mehrere Probleme gleichzeitig gelost. Neben der eigentlichen Verpackung, neben dem Schutz des Inhalts, erfullen die Verpackungsstrukturen weitere Kriterien. Ihre Farben tarnen zum Beispiel, oder sie locken an, sie optimieren den Energieaustausch mit der Umgebung, oder sie minimieren den Stromungswiderstand. Auch

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5 Bionik der Verpackung

moderne technische Verpackungen beriicksichtigen ihre synergetischen Funktionen, aber von einem Standard wie in der Biologie sind wir noch weit entfernt. Wahl der Materialien: Die Natur konzentriert sich bei den Verpackungsmaterialien im wesentlichen auf die drei Grundstoffe Zellulose, Chitin und Keratin mit wenigen Zusatzmaterialien. Diese Materialien werden in einer Vielfalt von Zusammensetzungen und Feinstrukturen hergestellt. Damit werden nahezu alle Materialanspriiche ihrer Verpackungstechnologie gelost. Totale Rezyklierbarkeit: Die eingesetzten 3 Grundmaterialien sind voll durch biologische Prozesse rezyklierbar, auch wenn die Zeitdauer dafiir unterschiedlich ist und von den Anspriichen abhangt, welche an die Haltbarkeit der Verpackung gestellt wurde (z. B. Gehalt am Insektenschutzmittel Tannin). Meist erfolgt die Wiedervenvendung der Rohstoffe innerhalb eines Jahreszyklus. Nicht selten werden Verpackungen sofort nach Gebrauch wiederverwertet (Eierschalen, Fruchthiillen). Es gibt zwar auch langfristig bestandige Verpackungen wie die Rinden der Sequoia, aber von ihnen geht keinerlei Umweltgefahr aus. Mikrotechnische Perfektion: Die wahre Meisterleistung der Natur auf dem Gebiet der Verpackungsmaterialien besteht in ihrer Mikrostrukturierung. Durch geschickte Verteilung der Grundmaterialien in Form von Schaumstoff, Haaren, Federn oder gewobenen Faden gelingt es, die technische Qualitat wesentlich zu verbessern. Der Mensch lernt dies langsam auf dem Gebiet der Textilien. Farben und Schattierungen: Die Natur produziert Farben mit sehr wenigen Farbstoffen, z. B. Melanin, die voll rezyklierbar sind, und verzichtet auf Schwermetallfarben. Sehr oft werden Farben auf physikalische Weise erzeugt, durch Strukturierung von Oberflachen, die entweder Licht streuen oder Interferenzen erzeugen. Die Farbe der Verpackung ist in diesem Fall ihre Oberflachenstrukturierung. Es ist dasselbe Material. Energetische Eigenschaften: Biologische Verpackungen konnen das Verpackungsgut durch Maximierung der Infrarotreflexion kuhl halten (2. B. Eierschalen), sie konnen es aber auch durch Warmesammlung und hochentwickelte Isolation warm halten. Geplantes Zeitprogramm: Biologische Verpackungen sind oft so programmiert, daB sie iiber ihren Lebenszyklus hinweg verschiedene Aufgaben erfullen, denen sie sich anpassen. Sie andern dabei ihre Farbe, ihre chemische Zusammensetzung oder ihre mechanische Struktur. Verpackung als Nahrung: Die Nutzung gebrauchter Verpackungen als Nahrung garantiert ihre rasche Rezyklierung und ein Optimum an Energie- und Materialsparsamkeit. Giftstoffe und chemische Manipulation: Auch die Natur setzt Giftstoffe in ihren Verpackungen ein, und sie manipuliert auch biologische Systeme, um Verpakkungen zu produzieren, wie wir dies bei den Gallwespen gesehen haben. Es scheint aber, daB sie es so macht, daB keine bleibenden Umweltbelastungen entstehen

5.3 Biologische Vorbildec Welche verpackungstechnischen Schlujlfolgerungen?

und die venvendeten oder manipulierten Stoffe verhalnismaI3ig rasch wieder abgebaut werden konnen. Dies sollte ein Ansporn fur die Industrie sein, Insektizide, Desinfektionsmittel und Unkrautvernichtungsmittel auch umweltvertraglicher zu gestalten. Verpackungen als UV-Schutz: Die Natur schafft es, die Lebewesen wirksam gegen ultraviolettes Licht zu schiitzen. Durch geschickte Wahl der photophysikalischen und photochemischen Mechanismen kann der Schaden durch UV-Licht niedrig gehalten werden. Die Natur venvendet vor allem physikalische Techniken (Reflexion, Lichtstreuung) oder sorgfaltig ausgesuchte Pigmente (z. B. Melanin), die keine unkontrollierbaren photochemischen Nebenreaktionen auslosen, wie dies sonst bei vielen Farbstoffen der Fall ware. Formoptimierung: In vielen Fallen, wo stationare Verpackungsaufgaben erfiillt werden mugten, hat die Natur kugelformige, kugelahnliche oder ellipsenformige, in jedem Fall abgerundete Verpackungsformen entwickelt. Hierbei venvirklichte sie zahlreiche raumsparende und materialsparende Formen von Einzel- und Sammelverpackungen. Strukturoptimierung: Viele natiirliche Verpackungen weisen in ihrer optirnalen raumlichen Ausdehnung und an ihren Oberflachen ein besonderes Konstruktionsmerkmal auf, namlich das der fraktalen, d. h., selbstahnlichen Struktur. Fraktale Strukturen sorgen - verbunden mit weiteren Merkmalen - fur optimale chemische und physikalische Eigenschaften, beispielsweise fur hohe Stabilitat unter statischer und dynamischer Belastung in Verbindung mit selbstbegrenztem Wachstum. Muschelverpackungen aber auch die Verzweigungen der Baume sind hierfur typisch. Ein weiterer Trick der Natur, Strukturen ihren Bedurfnissen entsprechend hervorragend zu optimieren, liegt in der Dimension der Abmessungen. Im mikroskopischen Materialbereich von Mikro- und Nanometer ( I pm = IO-' m, I nm = 10-9 m) sind Materialverbunde vieler Organismen Vorbilder fur Verbesserungen technischer Materialeigenschaften. 5.3.2

Verpackungsmaterialien der Natur - wo werden sie bereits technisch genutzt?

Wenn unsere Technologie noch nicht in der Lage ist, biologische Verpackungsstoffe wirtschaftlich in Massenproduktion herzustellen, so hat sie doch die Moglichkeit, diese aus Naturprodukten herzustellen. In Kapitelz.7 haben wir bereits vom technischen Einsatz biologischer und biologisch vertraglicher Verpackungsmaterialien gesprochen. In letzter Zeit gibt es verstarkte Initiativen mit dem Ziel, natiirliche Verpackungsmaterialien technischen Anwendungen zuzufuhren. Dies betrifft zum Beispiel Chitin, ein Polysaccharid, das Bestandteil der Panzer von Krabben und kingusten, aber auch von Insekten ist. Es ist in leicht veranderter Form als Chitosan auf den Markt gekomrnen, vor allem als Produkt von Meerestierschalen. Diese werden gewaschen, getrocknet, gemahlen und durchgesiebt, bevor sie von Kalziumkarbo-

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5 Bionik der Verpackung

nat entmineralisiert und von Proteinen befreit werden. Dann wird vom Chitingerust Acethylen abgespalten und nach neuerlichem Waschen, Trocknen und Mahlen Chitosan als wasserlosliches weigliches oder leicht braunliches Pulver gewonnen. Dazu wird Chitosan durch die Enzyme Lysozym und Chitosanase aufgespalten. Chitosan und seine chemischen Modifikationen haben schnell ein breites Spektrum moglicher Anwendungen erschlossen. Als biologisch vertrigliche Substanzen setzte man sie erfolgreich als kiinstliche Haut, als Wundverband, als Kontaktlinsenmaterial und als Wundwatte ein. Auch vorteilhafte Haanvaschmittel, Seifen und Kosmetika entwickelte man daraus. Man sagt Chitosan-Produkten nach, daB sie Schimmelbildung und Bakterienbefall unterdriicken, weil Chitosanmolekiile sich an die Zellwande der Bakterien anlagern. Deswegen werden sie verschiedensten Lebensmitteln zugesetzt, aber auch in der Landwirtschaft und Fischzucht genutzt. Gewebe aus Chitosan-Fasern eignen sich hervorragend als Wundverband oder kiinstliche Haut, weil sie neben ihrer Biokompatibilitat sich langsam selbst auflosen und im Korper absorbiert werden. Diese erst in den letzten Jahren aufgedeckten interessanten Eigenschaften dieses verbreiteten biologischen Verpackungsmaterials zeigt, wie sorgsam die Evolution ihre Chemie ausgewahlt hat. Statt immer neue Polymere und Verpackungsstoffe zu erfinden, die sich zum Teil unbefriedigend in unsere Umwelt einfiigen, hatte es den Menschen gut getan, schon friiher intensiver auf die Erfahrungen der Natur zuriickzugreifen. Aber man sollte nicht zu kritisch werden, denn die Vorteile naturlicher Rohstoffe sind von menschlichen Erfindungen nicht vollig in den Hintergrund gedrangt worden. Immerhin gibt es auch heute schon eine beachtliche industrielle Aktivitat, die sich auf die Wiederverwertung natiirlicher Verpackungsmaterialien konzentriert. Denken wir an die Tienvolle, die Baumwolle, die Seide. Aus Hanf und Flachs werden nicht nur Textilien, Taschen und Sacke, sondern auch Dammstoffe und Formpregteile wie die Tiirinnenverkleidungen von Autos hergestellt. Nicht alle modernen Farbstoffe sind synthetisch. Sie werden zum Teil auch noch wie friiher aus Farbknoterich, Krapp und Waid hergestellt. Textilien, Folien, Plastik und Papier werden auch aus Starke gewonnen, die Mais, Weizen und Kartoffel liefern. Linoleum wird aus der Ollein-Pflanze hergestellt. Zusatzlich zu Holz ist eine Vielzahl von weiteren nachwachsenden Rohstoffen im Baugewerbe im Einsatz. Neben Konstruktionsmaterial sind hier Dammstoffe, Bindemittel, Kleber, Mortel, Putze, Anstrichmittel, Wand- und Deckenverkleidungen ebenso wie Fugbodenbelage zu nennen. Schilf, Stroh und Schafswolle sind als Dammstoffe wieder im Kommen. Auch Kork, ein so bewahrtes Verpackungsmaterial der Natur, hat vielfiltige Anwendungen als DammMaterial in unserer technisierten Umgebung gefunden. Starke, Zucker, Zellulose und Rapsol machen inzwischen in gewissen Sparten als Naturrohstoffe dem Mineral01 Konkurrenz. Aus ihnen kann man Materialien herstellen, die wie Kunststoffe aussehen und sich auch genauso anfiihlen. Sie konnen auch ebenso strapazierfahig, bruchfest und stabil gemacht werden. Sie haben aber gegeniiber vielen Kunsstoffen einen grogen Vorteil. Sie konnen namlich kompostiert und vollig rezykliert werden. Man kann aus ihnen durchsichtige Folien ebenso herstellen wie Verpackungschips, Einweg-Eggeschirr oder vorgeformte Verkleidungs-

5.3 Biologische Vorbildec Welche verpackungstechnischen Schlujlfilgerungen?

elemente. Durch geschickte Strukturgebung oder durch Faserverstarkung konnen auch hier alle moglichen mechanischen Anforderungen erfullt werden. Naturfaserverstarkte Kunststoffe bieten auch bei der Produktion wertvolle Vorteile. Die biegsamen und stabilen Naturfasern splittern wenig und machen die Verarbeitung ungefahrlicher als bei herkornmlichen kunstlichen Werkstoffen. Hanf- und flachsfaserverstarkte Naturstoffbauteile sind oft nicht nur leichter und elastischer sondern dammen auch Schall besser als Glasfasermaterialien. Schilf, mit seinen eingeschlossenen Hohlraumen, ist auch als Verpackungs- und Isolationsmaterial wiederentdeckt worden. Es absorbiert wenig Feuchtigkeit und ist auch feuchtigkeitsbestandig und atmungsfahig. Aus Zellulose werden immer hochwertigere Holzfaserprodukte fur Isolierungszwecke hergestellt. Hier kornmt es vor allem darauf an, die Technik zu optirnieren, kleinste Luftraume festzuhalten, um die Warmdarnmung zu maximieren. Selbst aus Altpapier konnen brauchbare Zellulosedammstoffe gewonnen werden. Wie andere Zellulosedamm- und Verpackungsstoffe erfordern sie nur einen geringen Einsatz an Primarenergie. Allerdings gestattet es die Erfahrung des Menschen bisher nicht ohne weiteres, die in ihren Feinstrukturen verwirklichte Selbstorganisationstechnikder Natur wirtschaftlich nachzuvollziehen. Auch hat der Mensch die Natur in bionischer Hinsicht noch gar nicht richtig durchforstet, so daB er vielfach nicht weig, in welcher Richtung er Verpackungsmaterialien noch weiterentwickeln konnte. Heute ist die Weiterentwicklung von Holzfaser-Dammstoffen vor allern darauf konzentriert, etwa die gleiche Warmedammung zu erreichen wie Produkte aus Hartschaum, Glas-, oder Mineralwolle. Auch sollten Rohdichten zwischen 80-300 kg/m3bei ausreichender Festigkeit erzielt werden. Alle Bestandteile und Bindemittel sollen okologisch entsorgbar und eventuell rezyklierbar werden. Auch Feuerbestandigkeit spielt eine wichtige Rolle. Wasserglas ist deswegen als Bindemittel gewahlt worden. Wichtig ist auch ein minimaler Energieaufwand bei der Produktion. In dieser letzten Hinsicht wird der Mensch vie1 von den Naturstrategien lernen mussen. Okologisch unbedenkliche Farben und Anstriche sind fur die Verpackungsindustrie ebenfalls eine wichtige Herausforderung. Hier kann man an die Erfahrungen des angehenden 19. Jahrhunderts anknupfen, als synthetische Farben noch vollig fehlten. Der Ollein liefert mit seinem trocknenden 0 1 traditionell den wichtigsten Grundstoff. Leinolfirnis dient zum Anstreichen von Holz und ist auch Ausgangsstoff fur die Herstellung von Naturfarben. Fruher lebten von den klassischen Farberpflanzen Krapp (rote Farbe) und Waid (blau) ganze Regionen. Auch der Farberknoterich farbt blau. Farberwau gibt eine leuchtend gelbe Farbe, ebenso wie die von den nordamerikanischen Indianern verwendete Goldrute oder die Wurzel der KrappPflanze. Wie kann man zweckmaBigenveise vorgehen, um in der Verpackungsindustrie bionisch motiviertes Handeln zu stimulieren?

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Organisationsmanagement der Verpackungsbionik Produkte und Verfahren entstehen nicht aus sich selbst. Sie sind das Ergebnis von strategischen Uberlegungen und organisatorischen Ablaufen. Die Zeit, die bei diesen Vorgangen vergeht, ist fur die Natur und damit fur die Individuen ein ebenso wichtiger Gradmesser fur ihr Uberleben wie fur die handelnden Personen in der Technik. Die Natur ist ein erdumspannendes ,,High Tech-Unternehmen" in nachhaltigem Wettbewerb mit Populationen und Arten, die perfekte adaptive Techniken, Produkte und die meisten Patente besitzen. Die Technik entwickelt ebenso technisch patentierte ,,High Tech-Produkte" in sich extensiv ausweitendem Wettbewerb. Nur die Ziele sind unterschiedlich. Die Natur priorisiert Adaptivitat und Nachhaltigkeit, die Technik fordert Globalisierung und Okonomie. Daraus entwickelten sich zwei grundverschiedene Organisationsstrukturen mit zugehorigem Management. Biologisches Organisationsmanagment ist im Kern systemisch, das heiBt ganzheitlich vernetzt. Das technische Managment umfaBt ein variantenreiches Spektrum von Strategien, unterteilt in hierarchisch planende, konzeptionelle, kollektive, reaktive, herausbildende, visionare und weitere Prozesse (Mintzberger et. al. 1999).Alle Strukturen des technischen Organisationsmanagements vereint weitgehend die vorrangige Erhllung okonomischer Ziele. Soviel zu den organsisatorischen Unterschieden. Im Kapitel5 haben wir schon einige Verbindungen zu einem verpackungsorientierten Organisationsmanagement gekniipft, wenn wir uns beispielsweise die Organisation auf dem Lebensweg einer Verpackung in Erinnerung rufen. In diesem Kapitel wollen wir naher auf die komplexen verpackungsspezifischen Strukturen eingehen. Wir sind uns der Tatsache bewugt, da% Sie, liebe Leser, einige Bilder mit dargestellten Wirkungsnetzen aus kreuz und quer gefuhrten Pfeilen moglicherweise zunachst venvirren konnten. Geordnete, klar umrissene Tabellen und Aufzahlungen sind gelegentlich einfacher und bequemer zu iiberschauen. Und dennoch: komplexe Handlungsablaufe wie sie der Natur innewohnen und in der Technik ebenso real vorhanden sind, aber selten beriicksichtigt werden, benotigen zu ihrer erfolgversprechenden Erkennung und Bearbeitung systemorientiertesDenken. Geeignete Werkzeuge, die dieses Denken im Umfeld realer komplexer Systeme fordern, sind unter anderem sogenannte aggregierende Wirkungsnetze, eben die mit der scheinbar verwirrenden Pfeilstruktur. Wenn man sich aber dariiber im Klaren ist, da% in allen

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6 Organisationsmanagement der Verpackungsbionik

Lebens- und Arbeitsbereichen eine Vielzahl miteinander verknupfter Handlungen existieren, kann eines sehr leicht eingesehen werden: Im Fall einer Storung in diesem verknupften miteinander reagierenden EinfluBgroBennetz verringern Losungswerkzeuge wie ein Tabellenraster mit der Auflistung moglicher Fehlerursachen die Wahrscheinlichkeit der vollstandigen Problembehebung drastisch! Denn, so konnen wir mit Recht fragen: Woher wissen wir, welche moglicherweise erkannte Fehlerursache, die wir in der Tabelle aufgelistet haben, innerhalb eines realen komplexen Systemzusammenhangs auf welche Weise, in welcher Starke und zu welchem Zeitpunkt welchen EinfluB auf andere erkannte Fehlerursachen und damit auch auf den Gesamtzusammenhang besitzt? Eine Verpackungsmaschine, die Kartonabwicklungen ausstanzt, ist ein uberschaubares technisches System mit starren Grenzen. Alle ausfiihrenden Bewegungen sind klar nachvollziehbar und aufeinander abgestimmt. Hier kann eine Storung relativ schnell, beispielsweise mit Hilfe tabellarischer Checklisten, sicher behoben werden. Wir haben es mit einem technisch abgeschlossenen System zu tun. Canz anders verhalt sich ein mit der Umwelt und anderen Fertigungs- und Verfahrensschritten gekoppelter PapierherstellungsprozeB, mit kontinuierlichem Fin- und Austrag von Materialien unterschiedlicher Substanzen. Bei diesem offenen technischen System wurde eine tabellenunterstutze Fehlersuche scheitern. Warum? Weil sich die Zustande und Zusammenhange mit der Zeit andern - eben weil es ein komplexes System ist. Wie und was kann das verpackungstechnische Organisationsmangement nun auf dem Weg von der Natur iiber die Bionik lernen? Beginnen wir mit dem, was ein biologisches Organisationsmanagement - nachfolgend auch OM genannt - fur Verpackungen auszeichnet. Wir gehen den Weg weiter mit einer klaren Aussage uber das, was Organisation und Managment im technischen Sinn allgemein und speziell fur Verpackungen bedeutet und arbeiten uns durch die Komplexitat, Dynamik und Vernetztheit von naturlichen und technischen Verpackungswirkungsfeldern.

6.1

Biologisches Organisationsrnanagement der Verpackung

Die Evolution experimentiert nun schon uber einen unvorstellbar groBen Zeitraum mit Verpackungen, in ,,Werkstatten"mit hochspezialisierten und extrem okonomisch arbeitenden ,,Verpackungshandwerkern". Die entwickelten ,,Werkstatteinrichtungen", Werkzeuge, Materialien und Transportvorgange unterliegen standigen Optimierungsprozessen und Qualitatskontrollen, die im Rahmen systemischer, das heiBt ruckkopplungsorientierter, vernetzter Regelungskreislaufe energie-, material- und informationseffizient arbeiten. Hat die Natur die Organisationsmethode der technischen ,,lean production", der schlanken Produktion, vonveggenommen? Wen wundert's! Wenn Jean" ein Synonym fur das Nichtaufiommen oder den effizienten Abbau von Material- und Energieverschwendung bei geregeltem Produktwachstum, hoher Produktqualitat efizienter Ablauforganisation und Verfahrensprozessen mit hohen

G. 7 Biologisches Organisationsmanagement

der Verpackung

Wirkungsgraden ist, dann betreibt und verbessert die Natur seit Millionen von Jahren ein schlankes, weitgehend storungsfreies Verpackungs-organisationsmanagement. spielt hierbei eine Das okologische Prinzip der limitierten Faktoren (Odum 1991) mitentscheidende Rolle fur regelkreisorientiertes, biologisches Wachstum. In den wohl abgestimmten Arbeitsnetzwerken biologischer Verpackungen begrenzt derjenige Nahrstoff das Wachstum, der im geringsten Umfang zur Verfugung steht. Es ist moglich, dieses Minimum-Prinzip uber die nahrstoffliche, biologische Ebene hinaus (zum Beispiel auf Energieprozesse oder ganze Organisationen) auszuweiten und dariiber auch das Maximum-Prinzip anzuwenden. Denn: auch das Zuviel eines Faktors kann wachstumshemmend sein. Wer denkt hier nicht an technische Verpackungsentsorgungsprozesse und ihre Folgelasten? Das naturliche Materialmanagement betreibt also - ganz im Gegensatz zur technischen Materialverarbeitung - ein ausgeklugeltes, effizientes Input-Management in ihren verpackungstechnischen und anderen Produktionssystemen. Der Eintrag von Materialien und Energien auf die zu entwickelnde Naturverpackung und deren Ziel wird minimiert, so daB nie ein uberhohter Austrag in Form von ,,deponiertem" Naturmull stattfindet. Wenn die Natur gelegentlich Samen in riesige Friichte (Kurbis, Brotfrucht) verpackt, ist dies keine Verschwendung, sondern wiederum eine Strategie. Solche Fruchte ziehen auch groBe oder gleichzeitig viele Esser an. Fur biologische Verpackungen hat die evolutionare Produkt- und Verfahrensentwicklung Wege gefunden, die die komplexen Verpackungssysteme anwendungsorientiert optimiert. Hier erleben wir eine weitaus hohere Komplexitat und Vernetztheit verschiedener Verpackungsformen aus zahlreichen Arten. die die Komplexitat technischer Verpackungsablaufe u m GroRenordnungen ubersteigen. Welche Leistungen aus dieser Organisation und diesem Managment der Natur auf ihre Verpackungen ausstrahlen, zeigt die Auflistung in Tabelle 6.1.1. Die 4 Grundstufen biologischer Verpackungswege (Tabelle 6.1.2) konnen weiter in kleinere Organisations- und Arbeitsablaufeinheiten unterteilt werden, ahnlich wie bei einer verpackungstechnisch-unternehmerischen Einteilung. Bei allen Tatigkeiten innerhalb der 4 ,,Arbeitsfelder" verrichten viele artubergreifende Individuen ihre spezialisierte Arbeit innerhalb des Natur-Verpackungsmanagements. Um eine vage

Tab. 6.1.1

Leistungen des verpackungbiologischen Organtsationsmanagments

Nachhaltige Rohstoffvcrarbeitung

ruckstandsfrei entsorgbare Stoffgeinische

exergieoptimierte Energiekaskaden

Wiederverwertbare Materialien

systemangepagtes Mengenwachstum

transportokonomische Wegenetze

Mehrfach wiedervenvendbare Materialien

geregeltes Produktwachstum ohne QualitatseinbuRen

ruckgekoppelte QualIt3tskontrolle

Efiziente Nutzung lokaler S toffquellen

individueller bedarfsgerechter Energieverbrauch

zeitoptimale Komrnunikation

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195

196

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G Organrsationsmanagement der Verpackungsbionik Tab. 6.1.2

4 grundlegende Arbeitsstufen irn verpackungsbiologischen OM

1.

Stufe

bedarfsorientierter Ressourcenabbarc

Aufbereiteii

2.

Stufe

okonomisch-(ikologisch effizientes Produziercn

Herstellen

mengen- und qiialitatsorientiertes Konsumirren

Vrrbrauchcn

3. Stufe

I 4. Stufe

I regelungskontrolliertes Reduzieren

I Wiedervenvcrten I

Vorstellung davon zu bekommen, wieviele Individuen und Arten am Abbau und der Wiederaufbereitung nicht mehr benutzten Verpackungsmaterials, beispielsweise Eichelverpackungen, in einer kleinraumigen Umgebung ( I m’ Bodenflache, 3 0 cm tief) am FuB eines Eichenbaums beteiligt sind, zeigt die folgende Aufzahlung (Jetzer et. al. 1989)in Tabelle 6.1.3:

Vernetzte Arbeitsgruppen van Organismen fur die kleinraumige Wiederverwertung und Wiederaufbereitung von Rohstoffen fur naturliche Verpackungen

Tab. 6.1.3

I

Zahl der Organismen

I

Art der Organismen

1

I

vielc Milliardcri

I

Bakterien

I

1 I I 1

rinigr Millionen

einzellige Tiere

etwa 1 om 000

Algrn

1 5 0 000

Milbrn

100 000

Springschwaiize

25 000 200 200 200 50

I weiRe Ringelwurmer 1 TausendfilfSler I lnsektenlarven

I

I

I

Regenwiirmer Schnecken

50

Spinnen

50

Asseln

I I

Dieses Beispiel ist zugleich ein schlagender Beweis fur die Wirksamkeit des Prinzips einer kleinraumigen, artiibergreifenden und vernetzten Materialwirtschaft! Wie schafft es nun das Organisationstalent Natur mit Milliarden und Millionen von Verpackungsspezialisten, ein Aufschaukeln verpackungsbedingter Folgelasten - ganz im Gegensatz zum technischen Verpackungsablauf - total zu vermeiden? An dieser Stelle hilft uns der Blick durch die systemische Brille. Wir haben gelernt: Naturvorgange sind hochkomplex, was bedeutet, daB sie standig in Bewegung sind und sich dadurch im Laufe der Zeit andern. Damit die Organismen Veranderungen - ob zu ihrem Vor- oder Nachteil - rechtzeitig erkennen, u m darauf in geeigneter

G. I Biologisches Organisationsmanagernent

der Verpackung

Weise zur eigenen Uberlebenssicherung reagieren zu konnen, mussen sie vernetzt sein. Vernetzen und Ruckkoppeln sind bekannte Eigenschaften von kreislauforientierten Regelvorgangen, von biokybernetischen Regelkreisen zur eazienten Materialverarbeitung. Hierauf besitzt die Natur Milliarden Patente! Einen Ausschnitt aus dem kompiexen Regelungsnetzwerk zeigt Abbildung 6.1.1. Biologische Verpackungsregelungen, auch wenn nur eine Verpackung zugrundegelegt wiirde, sind wegen ihrer artenreichen ineinanderverschachtelten Verknupfungen im Detail kaum darstellbar. Diese Ineinanderverschachtelung von Regelkreisen ist charakteristisch fur die Regelung des FlieBgleichgewichtes der Natur. Das erlaubt den offenen Arbeitssystemen der Natur, auch bei kleineren Storungen eine dynamische, flieBende Weiterentwicklung der Verpackungsprodukte und -verfahren, ohne drastisch steuernde Eingriffe, wie sie bei technischen Regelungsproblemen im Verpackungsbereich und anderswo oft unumganglich sind. Vermutlich sind die in Abbildung 6.1.1dargestellten positiven und negativen Ruckkopplungen verpackungsbiologischen Handelns, die dem Naturgesetz des FlieBgleichgewichts folgen, auch eine Folge des okologischen Prinzips limitierter Faktc

@ +Gleichl&ufigevmt;irkende Wirkung

0+

Gegenlaufige schwiichendc W h g

Abb. 6.1.1 Ausschnitt aus dern biokybernetischen Wirkungsnetz des verpackungsbiologischen Organisationsrnanagernent.

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197

198

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6 Organisationsmanagement der Verpackungsbionik

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6 7 Biologisches Organisationsmanagement der Verpackung 199

ren. Beispielsweise wird einerseits das Wachstum durch die verstarkenden Wirkungen eines Material-Outputs beim Produzieren, Konsumieren und Reduzieren verstarkt. Andererseits schutzt die limitierende, abschwachende Wirkung beim Ressourcenabbau vor einem unkalkulierbaren Uberschreiten von Grenzwerten. Die riickgekoppelten Wirkungsnetze des verpackungsbiologischen OM fordern demnach ein kontrolliertes qualitatives Wachstum, in Abbildung 6.1.1 symbolisch dargestellt durch den zentralen Kreislauf mit negativer (-) Ruckkopplung! Wir konnen resiimieren, daB die komplexen Netzwerke biologischer Verpackungsregelungen noch eine Vielzahl bisher nicht erkannter Rafhessen und Tricks beinhalten, die es fur eine verpackungsbionische Anwendung zu erforschen gilt. Alles in allem scheint die Natur eine Organisationsstrategie zu befolgen, die Verpackungen zweckgerichtet und funktional optimiert. Sie entwickelt Verpackungen nachhaltig. Am Ende eines Verpackungs-Lebensweges fallen zwar ,,Abfallstoffe"an. Im Gegensatz zur technischen Verpackungswirtschaft sind diese Materialien fur die Natur jedoch keine Problemstoffe. Sie werden total wiederverwertet, und zwar zu Rohstoffen derselben Qualitat, wie sie fur vorherige Verpackungszyklen venvendet wurden. In einer ausfuhrlichen Arbeit uber Bionisches Organisationsmanagment - BOM - im Wirkungsfeld von biologischer Vielfalt und okonomischer Effizienz, wird auf auch biologische Verpackungsprozesse betreffende - Organisationsmerkmale und -strukturen eingegangen. Hierzu gehort die biologisch-okologische Aufbau- und Ablauforganisation, biologische Energieumwandlung, biologische Materialverarbeitung, biologische Kommunikation und biologisches Verhalten (Kuppers 1998-1). Das komplexitatssteigernde vernetzte Zusammenwirken grundlegender biologischer Prinzipien mit (Verpackungs)Materialkreislaufen wie in Abbildung 6.1.1 angedeutet, zeigt Abbildung 6.1.2. In sehr stark symbolisierter Darstellung sind hier mehrere und unterschiedliche kreislauforientierte Verpackungszyklen der Natur durch Linien positiver und negativer Ruckkopplungen von Material und Information miteinander vernetzt. Dieses biokybernetische Netzwerk wird von unserer generellen Lebensquelle Sonne mit Energie gespeist, die durch verschiedenste Umwandlungsprozesse optimal genutzt wird. Unterstutzt wird dieses dynamische Wirkungsnetz durch verschiedene Evolutionsprinzipien - im Bild rechteckig eingerahmt -, die ,,Verfahrensschritte" hoher Wirkungsgrade garantieren. DaB der gesamte Vernetzungsablauf auch noch selbstorganisierend ist bzw. autopoitische Eigenschaften besitzt, sei hier nochmals envahnt. Um diese fortgesetzte Komplexitat biologischer Verpackungsvernetzung wieder auf kurze pragnante Aussagen zu reduzieren, stellen wir in Abbildung 6.1.310biologisch-evolutionare Prinzipien heraus. Fur eine bionische Verpackungsentwicklung sind schlieBlich aus diesen Naturprinzipien entsprechende praktisch nutzbare Ansatze abgeleitet.

200

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6 Organisationsmanagement der Verpackungsbionik

wirtschaftlicher Entwicklungsprozesse Management

I) Multifunktionale Regelkreisstrukturen

I) Arteniibergreifende Wirkungsnetze

sttirken die dynamische Weiterentwicklung des Lcbens

0 Dezentralisierte ArbeitsvorgMge

0 Regelungsablaufe soviel wie rnoglich, steuernde Eingriffe soviel wie notig

Vernetzte Stoffitreislaufe

0 Gew*leistung

+

SinnVOlk Zyklen von Rauber-BeuteBeziehung und Populationsdichten in Lebensraumen

der Wiedemerwe-tbarkeit von Stoffen mit urspriinglicher Qualitat

Aufeinander abgestimrnte Strome fur Energie-Aufnahme, Energiespeicherung und Energieverbrauch

0 Abgestimmte Mischwirtschaftsstruktur in lokalen Lebensraumen 7

Energiekaskaden aufbauen

spezialisten im Arrangement mit der sir urngebenden vernetzten llmwelt

1 0 Nachhaltiges qualitatives Wachstum stabilisiert und sttirk das Uberleben

@ @

: Biologische Prinzipien

I) Sukzession, vorhersagbare Folge aufeinander abgestirnmter Lebensgerneinschaften

9 Ablaufregeln fur die folgenrninimale

: Verpackungsbionisch nutzbar

Belastung eines Wirtschaftsraurnes

Biologische Prinzipien als Vorbild fur verpackungsbionische Produkte und Organisat ionsa bla ufe.

Abb. 6.1.3

6.2

Technisches Organisationsrnanagernentder Verpackung

Wir haben bis hierher mehrmals das Wort Organisationsmanagment gehort, aber nicht gesagt, welche konkreten Vorstellungen und Vorgange sich mit diesem Wort verbinden. Hier ist die Stelle um dies nachzuholen, bevor wir auf die Organisation und das Management der technischen Verpackungswirtschaft eingehen. 6.2.1

Komplexe Organisation - kornplexes Management

Was ist Organisation, was ist Management? Stellvertretend fur die Vielzahl von Lexika, die Begriffe aus dem Wirtschaftsleben erlautern, beschreiben Escherle und Kaplaner (1982)die Organisation wie folgt:

G.2 Jechnisches Organisationsmanagement der Verpackung

Organisation kann unter I.

2.

2

Gesichtspunkten gesehen werden:

Institutionell (die Unternehmung ist eine Organisation). Organisation ist hierbei ein gegenuber der Umwelt offenes System, das auf langere Zeit bestehen soll, bestimmte Ziele - strategische, taktische, operative Ziele - hat, sich aus Einzelpersonen oder Gruppen zusammensetzt und eine bestimmte Struktur aufweist, die meist dadurch gekennzeichnet ist, daB Arbeitsteilung herrscht und eine Hierarchie besteht. Funktionell (die Unternehmung hat eine Organisation). Organisation ist hierbei die Aufgabe der Untergliederung des Unternehmensziels in die notwendigen Einzelaufgaben (Aufgabenanalyse).AnschlieBend findet eine Zusammenfuhrung der Einzelaufgaben zu Aufgabengruppen statt; sie erfolgt unter Betrachtung der zeitlichen Abfolge, der raumlichen Anordnung sowie der Ausfuhrbarkeit durch bestimmte Personen (Aufgabensynthese). Man erhalt dadurch ein Gefuge von Stellen, die in einer Hierarchie angeordnet sind.

Ein Beschreibungsmerkmal innerhalb dieser Definition von Organisation scheint uns - im Hinblick auf unseren bionischen Organisationsmanagementansatz - sehr wesentlich zu sein, und das sollten wir festhalten, namlich dag die Unternehmung selbst gegenuber der Umwelt ein offenes System ist! Offene Systeme in unserer Umwelt zeichnen sich bekanntlich durch vielfaltige Ruckkopplungsprozesse verschiedenster Art aus. Sie sind fur Lebewesen in der Natur ein entscheidendes Uberlebensmerkmal! Wie weit die Ausgewogenheit dieser Ruckkopplungen aber bei technischen Unternehmen geht, wird noch gezeigt werden. Management ist der angelsachsische Begriff fur Fuhrung. Diese bezeichnet einerseits die Tatigkeit der Unternehmensleitung, andererseits die Unternehmensleitung als Stelle im Rahmen der Organisation. Die Tatigkeit der Fuhrung umfaBt das Treffen von Entscheidungen bezuglich der Unternehmensziele und deren Durchsetzung im Unternehmen. Dazu mug Beeinflussung der Gefuhrten erfolgen, die auf verschiedene Weise moglich ist und sich im Fuhrungsstil (autoritar, demokratisch, patriarchalisch, laissez-faire) niederschlagt. Nach der Hierarchie des Managements unterscheidet man ,,Top-",,,Middle-" und ,,Lower-Management'' (oberes, mittleres und unteres Management). Zur Fuhrung eines Unternehmens gibt es verschiedene Prinzipien, unter anderem: Management by Exception, Fuhrung im Ausnahmefall im Rahmen eines stark dezentralisierten Fuhrungskonzeptes. Management by Delegation, Fuhrung durch Ubertragung von Verantwortung auf nachgeordnete Mitarbeiter. Lean Management, Fuhrung durch Verschlankung der Verwaltung und Abbau von Hierarchien. Als Erganzung hierzu mug jedoch gesagt werden, daB die weltweit beschleunigte Globalisierung der Wirtschaft viele der klassischen Fuhrungsmethoden ,,uberrollt". Fur nicht wenige Unternehmen bleibt daher kaum geniigend Zeit, das eine oder andere Fuhrungsprinzip in einem sinnvollen Rahmen anzuwenden oder auszubauen.

I

201

202

I

G Organisationsmanagement der Verpackungsbionik

Zum Begriff Management nun die Bemerkung: Fiihmng - insbesondere Fuhrung in komplexen und hochkomplexen Unternehmensablaufen, an denen Menschen, Material-, Energie- und lnformationsprozesse beteiligt sind, setzt immenses Wissen und Kosten voraus - wie auch imrner es erworben, gespeichert und abgerufen wird, wenn man sehr sicher sein will, daR die nachste Entscheidung auch wirklich die richtige ist! Das ist ahnlich wie bei der Navigation eines Schiffes: man muB die Ausgangsposition so genau festlegen wie das Ziel. Durch die Variabilitat der wirtschaftlichen Ziele ist der zu betreibende Aufwand fur den nachsten richtigen Schritt jedoch weitaus groRer. Management bedeutet Fuhrung, aus Fuhmng leitet sich Steuern ab. Dies ist ein rein technisch-wirtschaftliches Prinzip, mit Vorteilen, aber auch grogen Nachteilen. Einer der Nachteile wurde soeben envahnt. Es sei noch kurz die Anmerkung erlaubt, daR offensichtlich eine Art Fuhrung in der Natur, irn strengen technischen Sinn, nicht vorkommt. Zwar fuhrt die sogenannte Leitgans im energiesparsamen V-formigen Flug ihre Artgenossen, zwar fuhrt eine Ameisen- oder Bienenkonigin ihren Staat, zwar fuhrt ein Leitwolfsein Rudel, zwar fuhrt der Elefantenbulle seine Herde aber die Sicherung des Fortbestehens in der komplexen Umwelt hangt weniger von gezielten Befehlsstrukturen, sondern eher von adaptiv wirkenden Mechanismen aller Beteiligten ab. Technisch ausgedriickt: Weniger steuern, dafur mehr regeln (wie in Kapitel 5.2.3 definiert) hilft, in einer komplexen Vernetztheit das Uberleben zu sichern. 6.2.2

Die Wenn-dann-Logik des Miglingens irn Organisationsrnanagernent

Die Wirtschaft und in ihr die Verpackungswirtschaft bewegt sich mit hohem Tempo in die Globalisierung und kontinentiibergreifende Vernetzung. Der Name Mergers Sr Acquisitions (MSrA), Zusarnmenschlusse und Erwerb von Unternehmen, ist in letzter Zeit zu einen ,,stehenden" Begriff geworden. Produktinnovationszyklen werden irnmer kurzer. Beschleunigung ist der Fetisch, dem sich auch jede neue Struktur eines Organisationsmanagments beugen mug, ob es nun Outsourcing (Ausgliederung von Unternehmensbereichen zu selbstandigen Wirtschaftsunternehmen), Reenginneering (Umstrukturierung des Maschinenparks) oder Just in Sequence (zeitgenaues Zuliefern von Produktionsteilen zu Einsparung von Materiellagern und Materialkosten) genannt wird. Wieviel Verpackungen verkaufe ich in kurzester Zeit, ist der Leitgedanke des okonomischen Spiels einer dualen Wenn-dann-Logik, die Verpackungsindustrie und Verpackung miteinander zusammenschweiRt. Die dritte Komponente in diesem verpackungsorganisatorischen Spiel, der Verpackungslebensweg, wird in seiner vollen Breite vernetzter ruckgekoppleter Abhangigkeiten (siehe Okobilanzen) nur zogerlich berucksichtigt, wie die kleinen Doppelpfeile in Abbildung 6.2.1unten, zwischen Verpackungstechnik und Verpackungslebensweg einerseits sowie Verpackung und Verpackungslebensweg andererseits, andeuten sollen. Das Verpackungsorganisationsrnanagment starkt zu allererst die okonomischen Einflusse auf die Verpackung. Naturvertragliche und gesellschaftliche EinfluBfaktoren werden mit weit geringerer Prioritat beriicksichtigt. Der obere Teil in Abbildung 6.2.1 stellt zusamrnenfassend die zum Teil bereits vorab genannten

6 2 Technisches Organisationsmanagement der Verpackung

Wirtschaftlichkeit

=

3

I

Umsatz

Humanokologische Folgewirkungen

Rohstoffverbrauch

Rentabilitat

VerbraucherUmwelt-Verbande

Luft-, Boden-, Wasserbelastung

Produktiviut

Gesetzliche Restriktionen

Energiewandlungsprozesse

Wachstum

UmweltVersicherungen

Herstellung kunstlicher Materialien

Gewinn

Umweltkriterien bei Kreditvergabe

Transporte

Shareholder value